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German Pages 1069 [1073] Year 2015
Handbuch der Berliner Vereine und Gesellschaften 1786–1815 Supplement
Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften
Handbuch der Berliner Vereine und Gesellschaften 1786–1815 Supplement: Satzungen und programmatische Schriften Herausgegeben von Uta Motschmann
AKADEMIE FORSCHUNG
Dieser Band wurde im Rahmen der gemeinsamen Forschungsförderung im Akademienprogramm mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung des Landes Berlin erarbeitet.
ISBN 978-3-11-041652-7 e-ISBN 978-3-11-041772-2 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2016 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: Frank Zimmer, Berlin Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier
Printed in Germany www.degruyter.com
Inhaltsverzeichnis
Von den kursiv gesetzten Vereinigungen wurden keine Statuten verfasst bzw. sind keine überliefert.
Zur Einführung: Vereins-Statuten, Konstitutionen, Gesetze, Programmschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI Vereins-Statuten, geordnet nach Vereinskategorien Frühe Vereinsgründungen / Gesellschaften, die 1786 nicht mehr existierten Société anonyme Société amusante Societas Alethophilorum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Nouvelle Société littéraire . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Musikübende Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Gelehrtes Kaffeehaus Gelehrte Journalgesellschaft Berufsständische oder fachspezifische Vereine Berliner Apotheker-Conferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Medizinischer Club Pharmaceutische Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Sechs-Ärzte-Verein Die Hufelandische Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Gesellschaft für Natur- und Heilkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Militärische Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Märkische Ökonomische Gesellschaft zu Potsdam . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Pädagogische Gesellschaft Berlinische Schullehrergesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Lesegesellschaft auf dem Pädagogium der Königlichen Realschule . . . . . . 83 Gesellschaft Deutscher Sprach- und Literaturforscher zu Berlin . . . . . . . . . 84 Gesellschaft zur Cultur des vaterländischen Styles Griechische Gesellschaft (Graeca) Berlinische Gesellschaft für deutsche Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 V
Inhaltsverzeichnis
Bildungs- und Geselligkeitsvereine Montagsclub . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 Donnerstagskränzchen (1) Berliner Mittwochsgesellschaft (Gesellschaft von Freunden der Aufklärung) 118 (Feßlersche) Mittwochsgesellschaft Gesellschaft der Freunde der Humanität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Philomatische Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 Der Schach-Club . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Vierschach-Verein Evangelische Vereine: Bibel- und Missionsgesellschaften Bibelgesellschaft für die königlich preußischen Staaten Johann Jänickes Missions-Institut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 Hauptverein für christliche Erbauungsschriften in den Preußischen Staaten 151 Preußische Haupt-Bibelgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 Gesellschaft zur Beförderung des Christenthums unter den Juden . . . . . . . 168 Berlinische Missionsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 Gesellschaft zur Beförderung der Evangelischen Missionen unter den Heiden . 177 Freimaurerlogen Gesetze und Statuten des Freimaurerordens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 Die Große National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“ . . . . . . . . . . . 188 Die Großloge Royal York . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 Strikte Observanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 Der Gold- und Rosenkreuzerorden in Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 Die christlich-jüdische Loge zur Toleranz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 Freundeskreise mit vereinsähnlicher Struktur Tugendbund (um Henriette Herz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 Freitag-Gesellschaft Polarsternbund (Nordsternbund) Seraphinenorden / Serapionsbrüder Maikäferklub Kunstausübende Vereine Berlinischer Künstler-Verein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 Konzert der Musikliebhaber Sing-Akademie zu Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 Liedertafel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 Privatgesellschaft junger Architekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443 VI
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Privattheatergesellschaft Urania . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 Privattheatergesellschaft Melpomene Privattheatergesellschaft Thalia Privattheatergesellschaft Minerva Privattheatergesellschaft Apollo Donnerstagskränzchen (2) Privattheatergesellschaft Polyhymnia Privattheater der Ressource zur Harmonie Ressource und Privattheater zur Concordia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 Privattheater des Gastwirts Gentz in der Zimmerstraße Gesellschaftstheater in der Jakobstraße
Lesegesellschaften Englische Lesegesellschaft Bauersche Lesegesellschaft Patriotisch-nationale Vereinigungen Der sittlich wissenschaftliche Verein (Tugendbund) . . . . . . . . . . . . . . . . . 491 Reimersche und v. Chasôtsche Kreise Fechtbodengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 583 Der deutsche Bund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 587 Turngesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 590 Patriotische Unterstützungsvereine während der antinapoleonischen Kriege / Frauenvereine Erster Frauenverein zum Wohl des Vaterlandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 619 Frauenverein für das Privat-Lazareth in der Friedrichs-Str. No. 101 . . . . . . 621 Mädchenverein vom 20. April 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 629 Frauenverein für das Lazareth in der Garde-Kaserne Weiblicher Wohlthätigkeitsverein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 633 Frauenverein zur Pflege der Kranken und Verwundeten im Lazareth am Schlesischen Tor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 648 Männer- und Frauen-Verein zur Pflege der Kranken und Verwundeten im Lazareth am Halleschen Tor Privat-Lazareth in der Brüderstraße 21 Männer- und Frauen-Verein für das Lazareth in der dritten Artillerie-Kaserne Verein für das Lazareth in der Kaserne auf der Wiese am Weidendamm Verein zur Aushilfe der hilfsbedürftigen Einwohner der unmittelbar durch Ereignisse des Krieges zerstörten Gegenden der Länder zwischen Elbe und Oder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 650 VII
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Berliner Frauen- und Jungfrauen-Verein zum Dank für die Siege bei Groß-Beeren und Dennewitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 652 Verein teutscher Mädchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 655 Vaterländischer Verein zur Verpflegung der in den Feldzügen 1813, 1814, 1815 hilflos gewordenen Krieger von der Berliner Garnison . . . . 656 Stellung der Wohltätigkeitsvereine zu den Provinzial-Lazaretten . . . . . . . . 677
Ressourcen / Geselligkeitsvereine Ressource zur Unterhaltung (Therbusch’sche Ressource) Casino-Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 682 Palmiésche Ressource Studentenverbindungen Corps Marchia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 707 Corps Guestphalia Corps Pomerania Corps Silesia Corps Vandalia Corps Borussia Corps Curonia Corps Hanseatica Corps Lusatia Berliner Burschenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 711 Polonia / Bund der Freunde Π.Κ. Arminia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 717 Tischgesellschaften Gesetzlose Gesellschaft (Nr. 1) (Die Zwanglose) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 730 Gesetzlose Gesellschaft (Nr. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 736 Deutsche Tischgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 739 Eichlersche Gesellschaft / Belle-Alliance-Gesellschaft Vereine in der jüdischen Gemeinde Chewra Kadischa (Beerdigungsgesellschaft) Bikur Cholim (Gesellschaft für Krankenbesuch) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 755 Chebrath Mohalim (Gesellschaft der Beschneider) Hachnassath Kallah (Gesellschaft zur Unterstützung armer Bräute) . . . . . . 769 Beth Hamidrasch („Haus des Lernens“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 783 Heiratsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 792 Chevrat Chinuch Ne’arim (Gesellschaft für Knabenerziehung) . . . . . . . . . 797 Chavurat Mazdiqej haRabim (Vereinigung der Wohltäter für die Vielen) . 823 VIII
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Chevrat Schocharej haTov wehaTuschija (Gesellschaft der Beförderer des Edlen und Guten) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 826 Gesellschaft der Freunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 836 Chevrat Marpe laNefesch (Gesellschaft für Seelenheilung) . . . . . . . . . . . . 859 Ressource der jüdischen Kaufmannschaft (Ressource von 1794) . . . . . . . . 860 Ressource der Gesellschaft der Freunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 869 Ohel Jescharim (Miete-Gesellschaft) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 876 Magine Rèim (Verein zu gegenseitiger Hilfe) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 881 Chevrat Ohavej Laschon Ivrit (Gesellschaft Hebräischer Litteraturfreunde) . 902 Gesellschaft zur Beförderung der Industrie unter den Bewohnern der Königlich Preußischen Staaten jüdischer Religion . . . . . . . . . . . . . . . . 905 Brüderverein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 915 Wohltätigkeitsvereine – Vereine der Armenfürsorge und Stiftungen zur Erziehung und Ausbildung Französische Holzverteilungsgesellschaft Deutsche Holzverteilungsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 930 Holzsparende Gesellschaft Leopold-Stiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 937 Gesellschaft zur Errichtung von Erwerbschulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 945 Berlinisches Bürgerrettungs-Institut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 963 Armen-Speisungs-Anstalt (Berlinische) Gesellschaft der Armenfreunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 989 Verein zum Besten der Waisen im Großen Friedrichs-Hospital Armenbeschäftigungsanstalt Friedrichsstift Luisenstift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 992 Königin-Luise-Stiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1009 Verzeichnisse Alphabetisches Verzeichnis der mit Satzungstexten vertretenen Vereine und Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1041 Verzeichnis der Abkürzungen und Siglen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1045 Abbildungsnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1049 Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1050
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Zur Einführung: Vereins-Statuten, Konstitutionen, Gesetze, Programmschriften oder: Was macht eine Vereinigung zum Verein?
Dass die Statuten (Satzungen, Programme) des „Handbuchs der Berliner Vereine und Gesellschaften 1786–1815“ einen eigenen Supplementband erhalten, liegt zunächst einmal an der schieren Materialmenge. Hätte man sie, so wie die Mitgliederlisten, in die jeweiligen Vereinsartikel hineingenommen, wäre in den meisten Fällen die Übersichtlichkeit verloren gegangen. Ganz zu schweigen vom Handbuch selbst, dessen Umfang dann auf über 2000 Seiten angewachsen wäre. Es gibt allerdings auch sachliche Gründe, den überlieferten Statuten-Fundus in einem Supplement separat darzubieten: Während die Einzelartikel des Handbuchs den jeweiligen Verein aus der Außenperspektive des rekonstruierenden und interpretierenden Historikers zeigen, vermittelt uns das Statut ein authentisches Bild aus der Innenperspektive der einstigen Vereinsmitglieder oder ihrer Wortführer, wenn auch ein sehr spezifisches, weil weitgehend virtuelles. Statuten sprechen ja nicht davon, wie es zuging in einem Verein, sondern davon, wie es nach eigener Wunschvorstellung und Absprache darin zugehen sollte. Sie sprechen von Ziel und Zweck, von Zusammensetzung und Organisation, von Freiheit und Komment eines geselligen Vorhabens als wäre es ein Rechts- oder Gesetzestext und nicht bloß eine Spielregel auf Zeit und Gelegenheit. In Wirklichkeit ist das Vereinsstatut, wie es sich in der europäischen Spätaufklärung herausbildete, wohl ein Genre zwischen diesen beiden Positionen. Von Rechts- und Verfassungstexten unterscheidet es sich durch seinen Spielcharakter, ist der moderne Verein doch ein soziales Kunstgebilde, das sich auf kollektive Selbstgestaltung und persönliche Freiwilligkeit beruft und staatliche oder korporative Zwänge bestenfalls von außen erfährt. Seine Mitglieder müssen zwar bestimmte pragmatische Voraussetzungen erfüllen (politisches, pädagogisches, wissenschaftliches, theologisches, musikalisches oder literarisches Interesse), doch bleibt ihr Wille zum Ein- oder Austritt völlig frei. Von der bloßen Spielregel unterscheidet es sich durch das weltanschauliche Pathos, mit dem es seine Sache vertritt. Dadurch erhält der Verein eine Sonderstellung gegenüber Formen der historischen Geselligkeit, die Ähnliches wollen, aber – wie z. B. Salon, Jour fixe, Freundeskreis oder Stammtisch – ihren Komment privat regeln, d. h. ohne geschriebene Satzung und damit ohne Angebot an die Öffentlichkeit. Demgegenüber gehören Verein und Statut unweigerlich zusammen. „Geselligkeit“ ist, anthropologisch gesehen, zeitlos. In historischen Denkmodellen wie dem „Salon“ oder dem „Verein“ bekommt sie allerdings ein entschieden politisches Ansehen. Im Salon, dessen Form und Funktionieren eher ein individuelles Kunststück ist, liegt dieses Politische vor allem in der Vorankündigung der Frauenemanzipation (im XI
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Sonderfall Berlins auch der Judenemanzipation). Im Verein, dessen Form eindeutig rational und kollektiv geprägt ist, in der Vorankündigung der verfassten Gesellschaft, die in Deutschland um 1800 bekanntlich noch ferne lag. Wenngleich heute die freieren Formen der kulturellen, und das heißt symbolischen Emanzipation größere Sympathie und gelegentlich sogar Verklärung genießen, während die gleichzeitige Vereinsbewegung sich schon bald und nachhaltig mit dem Odium der Vereinsmeierei beschwert sah, ändert dies jedoch nichts daran, dass die größere emanzipatorische Wirkung von der Erfindung des statutenbewehrten Bürgervereins ausging. Wolfgang Hardtwig, der diese Entwicklung präzise und grundlegend verfolgt hat, schreibt dazu: „In den rund 50 Jahren zwischen dem Beginn des Jahrhunderts und der Revolu tion von 1848/49 stieg der Begriff ‚Verein‘ zu einer Universalformel für Selbstbestimmtheit und Selbstbewusstsein, für Fortschritt und Rationalität, für Solidarität und distinktes Gemeinschaftsbewusstsein, für Effektivität und Zielstrebigkeit auf.“1 Obwohl ein solcher Befund ohne den erstrangigen Quellenwert der überlieferten Statuten nicht auskommt, ist in der einschlägigen Forschung über Form und Funktion dieses merkwürdigen Genres überraschend wenig zu finden. Auch Sammlungen eines chronotopisch scharf umgrenzten Gesamtkorpus, wie die hier zusammengestellte, sind selten. Die hier vorliegende Statutensammlung hat darüber hinaus zwei weitere historische Besonderheiten: Sie bezieht sich auf eine Stadt, in der erstmals in Deutschland die offene Gesellschaft der modernen Großstadt erkennbar wird, und sie bezieht sich auf den rund 30-jährigen Zeitabschnitt einer ungewöhnlichen geistigen Mobilisierung, die von Conrad Wiedemann mit „Berliner Klassik“ umschrieben wurde.2 Beides könnte Anlass sein, die soziale Rolle des Vereins und die dazugehörige Leidenschaft für das Statut in der damaligen Umbruchszeit weiter zu erforschen. Wenngleich eine Zusammenstellung von Statuten wohl keine Lektüre ist, der man sich von Anfang bis Ende mit Genuss hingibt, da die Texte nicht selten langatmig und umständlich bis akribisch daherkommen und Wiederholungen aufweisen, so ist ihre Kenntnis für das Verständnis der Wirkungsabsicht und des Innenlebens eines Vereins unverzichtbar. Dabei können die trockenen „Gesetzes“-Texte, deren Ausarbeitung sich vielbeschäftigte Männer mit Eifer verschrieben, durchaus auch spannend bis erheiternd-amüsant sein. Definitionen
Statuten drücken das Selbstverständnis eines Vereins in nuce aus und zeigen, wie ein Verein von außen wahrgenommen werden wollte. Sie enthalten (mehr oder weniger vollständig) folgende Punkte: Zweck und Ziel des Vereins; Art und Anzahl der Mitglieder; Ein- und Austritte; Art und Ablauf der Zusammenkünfte; Rituale; Ämterverteilung; Wahlen; Finanzierung; Formen der Geselligkeit; das Öffnen nach außen (z. B. Besuch von Fremden); Lokalitäten; gegebenenfalls Preisfragen; Strafen; eigene Publikationsfor1 2 XII
Wolfgang Hardtwig: Genossenschaft, Sekte, Verein in Deutschland. München 1997, S. 10. Conrad Wiedemann: .
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men; Auflösungsmodalitäten. Sie waren auch als archivalisches Dokument für künftige Zeiten gedacht. Statuten spiegeln zudem die Entwicklung eines Vereins wider, die Traditionslinien, die Vorbilder wie auch die Abgrenzungen. Und sie zeigen, wie ernst ein Verein seine selbstgewählte Aufgabe nahm und mit welchen organisatorischen Mitteln er sie umzusetzen versuchte; alles in allem: wie hoch sein Organisationsgrad war. Formal ahmten sie häufig staatliche Gesetzestexte nach, Verordnungen wie sie von alters her für Länder, Städte, Universitäten, Innungen, Zünfte gebräuchlich waren. Entsprechend sind die meisten der umfangreichen, kleinteiligen Satzungen mit großem Ernst und Pathos verfasst – auch wenn sie uns heute übertrieben umständlich, manchmal geradezu lächerlich erscheinen mögen. Einige führten sich denn auch mit ihren überkomplexen Strukturen als völlig unrealistisch selbst ad absurdum (siehe das Beispiel Tugendbund). Die Statuten wurden den Vereinen nicht von außen, „von oben“, aufgezwungen, sondern von ihnen eigenständig verfasst, diskutiert und in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen überarbeitet („revidiert“), um sie den neuen Verhältnissen anzupassen. Ihre Ausformulierung und Festlegung war ein demokratischer Akt wie auch ihre praktische Handhabung demokratisch legitimiert war. Es war ein Vertrag der Mitglieder untereinander, ein Vertrag zwischen Mitgliedern und ihren „Vorsitzenden“ und ein Vertrag zwischen dem Verein und dem Staat. Mit den Regelwerken schufen sich die Vereinigungen eine eigene Identität, auch in Abgrenzung zu anderen Vereinigungen. Sie waren eigenständig, „souverän“, mehr oder weniger unabhängig von Staat und Kirche, organisierten sich selbst, standen jedoch nicht außerhalb der staatlichen Ordnung, sondern übertrugen diese ins Private ihres Bündnisses. Bei aller Ernsthaftigkeit im Anspruch darf ein bereits oben erwähnter Aspekt nicht vergessen werden: die Vereins-Statuten manifestieren einen Idealzustand. In der Praxis wurden sie durchaus weniger streng gehandhabt; es gab nachweislich Übertretungen, Verschleifungen, Vereinfachungen bis hin zum Negieren oder gänzlichen Vergessen. Als Bezeichnungen für ihr Regelwerk verwendeten die Vereinigungen Begriffe wie „Statut“, „Satzung“, „Gesetze“/„Gesetzbuch“, „Konstitution“, „Grundvertrag“/„Grundver fassung“ – teilweise simultan und willkürlich, teilweise genau definiert. In der Krünitz’schen Oekonomischen Encyklopädie wird das „Statut“ erläutert als „Gesetz, Gr undregel, Verordnung, […] ein Gesetz, welches einer Stadt, oder einer bürgerlichen Gesellschaft von dem dazu berechtigten Oberhaupte gegeben oder von derselben selbst gemacht worden […]. Die Statuten“ einzelner „Korporationen kann man in zwei Abtheilungen bringen, in Statuten, welche von den Regenten oder den Regierungen ausgehen, und in Statuten, welche von den Körperschaften selbst ausgehen, und von den Regierungen bestätiget worden sind. Zu den Ersteren gehören die Statuten ganzer Provinzen eines Staats, der Ritterschaften und Ritterorden, der Universitäten, Akademien etc., und zu den Letzteren die Statuten der gelehrten Gesellschaften und Kunstvereine, der Gilden, Innungen, der Freimaurer-Orden, der geselligen und anderen Privat-Vereine […]. Was die Statuten der geselligen Vereine betrifft, die entweder noch einen höheren Zweck haben, als die Vereinigung zum VerXIII
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gnügen: zum Genusse der Tafel, des Spiels, des Tanzes und der Unterhaltung, wie die Gesellschaft der Freimaurer, oder bloß dem Vergnügen huldigen, so bedürfen auch sie der Bestätigung des Landesherren, und wenn auch nicht ausdrücklich die Statuten der unmittelbaren Landesherrlichen Genehmigung unterliegen, sondern wenn sie gedruckt werden, bloß der Censur, so doch der Zweck ihrer Verbindung, besonders bei den Freimaurern; denn die Vereine zum Vergnügen bedürfen nur einer polizeylichen Bestätigung. […] Die Statuten der gesellschaftlichen Vereine, welche den oben angeführten Vergnügungen huldigen, sind gleichfalls in Abschnitte oder Kapitel und Paragraphen getheilt. Der er ste Abschnitt handelt von dem Zwecke der Gesellschaft, und der Anzahl der ordentlichen Mitglieder und Ehrenmitglieder, von deren Aufnahme durch Ballottage etc.; der zweite Abschnitt handelt von dem Ausscheiden der Mitglieder; der dr itte Abschnitt von den Ehrenämtern, den Vorstehern und den Repräsentanten, welche zusammen das Comité ausmachen; der vier te Abschnitt handelt von der Einführung der Fremden; der fünfte von den Familien der Mitglieder, in wie fern diese Antheil an der Gesellschaft haben, und was zur Familie gerechnet wird; der sechste Abschnitt von den Vergnügungen; und der siebente Abschnitt von der Befolgung, Aufrechterhaltung und Abänderung des Statuts. Alle gesellschaftlichen Institute der eben genannten Art kommen in ihren Statuten überein, indem immer diejenigen der ältern Institute zum Vorbilde dienen. Einige Gesellschaften haben ihren Statuten noch besondere Gesetze angehängt [...].“3 Adelung erklärt den Begriff „Statut“ im Grammatisch-kritischen Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart verkürzt in ähnlicher Weise: „Das Statut, […] aus dem Latein. Statutum, ein Gesetz, welches einer Stadt, oder einer bürgerlichen Gesellschaft gegeben, oder von derselben selbst gemacht worden.“4 In der Freimaurerei wurde zwischen Konstitution/Grundverfassung (meint das Allgemeine, Übergreifende, Bleibende) und Gesetzen (meint das Spezielle und Veränderliche) genau unterschieden: „Eine gerechte und vollkommene Loge kann ohne eine Constitution und ohne Gesetze nicht bestehen. Die erstere bestimmt und begründet die Grundverfassung5 der Loge, die letztern wenden diese Grundverfassung auf einzelne be3
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Oekonomische Encyklopädie, oder allgemeines System der Staats- Stadt- Haus- u. Landwirthschaft, in alphabetischer Ordnung. Hg. von Johann Georg Krünitz (Bde. 1–77), Friedrich Jakob Floerke (Bde. 73–77), Heinrich Gustav Floerke (Bde. 78–123), Johann Wilhelm David Korth (Bde. 124–225), Carl Otto Hoffmann (Bde. 226–242). Berlin 1773–1858; hier: Bd. 171, Berlin 1839, Sp. 2, 17, 30–31, 33. Johann Christoph Adelung: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, mit beständiger Vergleichung der übrigen Mundarten, besonders aber der Oberdeutschen. Wien 1811, Bd. 4, Sp. 307. „Die Einrichtung, wie in einer Gesellschaft ein allgemeiner Wille entstehen könne, wenn auch die Willensbestimmungen der einzelnen Glieder verschieden sind, oder, die genaue Bestimmung der Art und Weise, nach welcher die Regierung einer Gesellschaft Socialwirkungen hervorzubringen habe, heisst Verfassung. Man kann sich also unter dem Worte: Verfassung,
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stimmte Fälle an. Die Constitution setzt den Zweck und die Mittel zu demselben im allgemeinen fest; die Gesetze erklären, wie und in welchen bestimmten Fällen diese Mittel anzuwenden sind. Jene stellt die Form der Ordnung auf; diese sind besondere Vorschriften, die Ordnung und ihre Form zu erhalten. Die Constitution ist in ihren wesentlichen Theilen und Bestimmungen bleibend und unveränderlich; die Gesetze können nach den verschiedenen Umständen verändert, modificirt und abrogirt werden.“6 „Eigentlich soll ein Gr undver trag nichts anders als die Verf assung, das ist die bleibende For m der Gesetzgebung, Vollziehung und Verwaltung bestimmen, ohne sich in specielle Gesetze und Vorschriften einzulassen.“7 Schriftlich festgelegte Gesetze waren für alle verbindlich und einklagbar. Sie waren unabhängig von den jeweiligen Amtsinhabern, die den Gesetzen ebenso unterstanden wie jedes einzelne „einfache“ Mitglied. In der Regel unterschrieben alle Mitglieder die Gesetze und erkannten sie damit an. Satzungen waren Mittel zur Disziplinierung der Mitglieder. Im Falle der Verletzung ihrer gesellschaftlichen Regeln legten die Privatgesellschaften Strafenregister fest. Strafgelder waren bei einfachen Vergehen oder Versäumnissen wie Zuspätkommen, Störung der Versammlungen oder Nichtbezahlen der Mitgliedsbeiträge zu entrichten. Die Freimaurerlogen, die sich eine hohe moralischethische Selbstverpflichtung auferlegten, sprachen bei Nichteinhaltung ihrer Gesetze gar von „Verbrechen“. Die höchste Strafe bei allen Vereinigungen war der Ausschluss aus der Gesellschaft und die moralische Ächtung. Die Statuten wurden regelmäßig zitiert und lagen bei den Sitzungen parat. Oftmals wurde jedem Mitglied ein eigenes Exemplar ausgehändigt; zumindest war ein Exemplar im Archiv ständig präsent. So fixierte die jüdische Gesellschaft Magine Rèim: „Dem aufgenommenen Mitgliede wird spätestens 8 Tage nach erfolgter Aufnahme ein, mit dem Siegel der Gesellschaft bedrucktes Diplom, kraft dessen es auf alle Rechte, welche die Gesetze ihm zugestehen, Anspruch machen kann, zugestellt, wobei demselben zugleich von dem Boten ein zu unterzeichnender Revers eingehändigt wird, in welchem es sich verpflichtet, alle in diesen Gesetzen enthaltenen Vorschriften genau zu beobachten, und im Fall eine Aenderung nothwendig wäre, sich dem Willen der festgesetzten Majorität zu unterwerfen.“8
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nichts anders denken, als den festgesetzten Zusammenhang und die Grenzen der verschiedenen Gewalten, so wie die Art und Weise, wie dieselben verwaltet werden sollen“ (Royal York, 1797; vgl. S. 263, Anm. 1). „Weil sie lediglich die Form der Gesetzgebung und der Verwaltung vorschreibt, die nicht so wie die Materie der Gesetze, von Zeitumständen abhängig ist. Zur Constitution, oder zur Form der Gesetzgebung, wird also immer nur dasjenige gehören, was auf die Fragen: wie, auf was Art und Weise, durch wen u. s. w. geantwortet werden kann. Die Materie der Gesetze hingegen wird alles das ausmachen, was sich auf die Fragen: was, wie viel, zu welcher Zeit, wie lange, wo unter was für Umständen u. s. w. als durch Gesetze bestimmbar ankündiget“ (Royal York, 1797; vgl. S. 263–264, Anm. 2). Royal York, 1800; vgl. S. 306. Vgl. S. 899. XV
Zur Einführung
Der jüdische Brüderverein legte fest, dass jedes Mitglied „sich bei dem Eintritt mit den Gesetzen u. den Statuten desselben genau bekant mache, um dadurch im Stande zusein ihnen gemäß zu handeln. / Zu diesem Behuf wird immer bei den Vorstehern eine Anzahl gedruckter Exemplare dieser Statuten vorräthig sein, wovon jedem Eintretenden ein Exemplar für ein geringes Honorarium überlaßen werden soll. […] Um den Statuten größere Kraft zu geben, so wird ein Exemplar derselben bei den Vorstehern liegen, welchem ein Schein folgendes Inhalts, angehängt ist. / Ich Endesunterschriebener bescheinige hiermit, daß ich die vorstehenden Gesetze u. Statuten genau durchgelesen u. geprüft. Ich verpflichte mich auf Ehre und Gewissen diesen von mir freiwillig übernommenen Pflichten, so lange ich zum Verein gehöre, treulich nachzukommen, so wie ich allen, kraft dieser Gesetze u. Statuten von Seiten des Vereins an mich zu machenden Geldforderungen das Wechselrecht zu erkenne.“9 Die Große National Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“ verlangte von jedem Meister vom Stuhl, dass dieser „während der geöffneten Loge in den Zwischen-Zeiten der Arbeit jedesmal die Statuten vorlesen [lasse]. […] Zu diesem Ende muss allemal in den Statuten ein Zeichen an das Capitel gelegt werden, bis an welches man gekommen ist, damit in der nächsten Loge von da an weiter fortgefahren werden könne. / Denen anwesenden Brüdern aber ist es Pflicht, während der Vorlesung der Statuten die grösste Aufmerksamkeit darauf zu verwenden, damit sie nicht aus Unwissenheit fehlen; denn bey allen nach den Statuten abgefassten gesetzlichen Aussprüchen wird die Unwissenheit keine Entschuldigung seyn und das Urtheil nicht im mindesten mildern, weil sie bey einem so immerfortwährenden Mittel, sich zu unterrichten, sodann eines jeden Bruders eigene Schuld ist.“10 Als letztes Beispiel hierzu soll die Großloge Royal York zu Wort kommen: „Jede Verbindung, in welcher keine Subordination statt hat, ist fehlerhaft in der Grundlage, und muss nothwendigerweise scheitern. Die, welche gegen die Unterwürfigkeit und Achtung für die Gesetze fehlen, bringen Zerstörung und Verwirrung in die Gesellschaft, und müssen als Störer ihrer Ruhe bestraft werden.“11 Gleichzeitig waren die Gesetze zum Vorzeigen nach außen bestimmt – beispielsweise bei polizeilichen Nachfragen – und waren ein Ausweis der (vor allem politischen, aber auch sittlich-moralischen) Unbedenklichkeit einer Vereinigung. Sie wurden in der Regel handschriftlich oder gedruckt dem König, respektive der zuständigen Behörde, mit Bitte um Kenntnisnahme und Genehmigung vorgelegt, woraufhin oftmals ein königliches Privilegium, die Anerkennung als moralische Person und/oder die Portofreiheit gewährt wurden. Gesetzestexte waren meist in Schönschrift verfasst und mit einem kostbaren, repräsentativen Einband versehen. Sie galten als Selbstverpflichtung, als Richtschnur des Handelns, als Quintessenz der Tätigkeit, als absoluter Anspruch. Mitunter lagen sie im Versammlungsraum neben der Bibel. 9 Vgl. S. 917–918 (§§ 12 und 19). 10 GNML, 1797; vgl. S. 246–247. 11 Royal York, 1797; vgl. S. 290. XVI
Zur Einführung
Auch eine Konstitution konnte nicht für ewig ihre Gültigkeit behalten, sondern musste regelmäßig verbessert und modernisiert werden. Die Royal York erhob dies sogar zu ihrem „Fundamentalgesetz“: „Da indessen allen menschlichen Werken und Unternehmungen der Charakter der Menschlichkeit, das ist, Unvollkommenheit, anklebt; so hat auch diese Constitution ihre Mängel und Gebrechen. Die Aufhebung derselben ist nicht das Werk eines Augenblickes, nicht das Werk eines Monats, sondern es wird jahrelange Ausführung, Erfahrung und Prüfung dazu erfordert. Es wird daher als ein Fundamentalgesetz aufgestellt, dass diese Constitution, so wie sie hier enthalten ist, von dem Tage ihrer Promulgation, Sanction und Beschwörung nur auf drey Jahre, das ist, bis zu Johannis 1800, in allen ihren Theilen und im Ganzen, verbindende und gesetz liche Kraft haben soll. Bis dahin soll sie in Meisterlogen jährlich viermal vorgelesen werden. Alle Brüder sollen sie mit Aufmerksamkeit und reinem Eifer für das Beste der g. v. und v. M. L. R. Y. zur Freundschaft studiren, die etwa bemerkten Mängel sorgfältig aufzeichnen, die nöthigscheinenden Modificationen mit Freymüthigkeit anzeigen, und ihre Beyträge zur Vervollkommung derselben dem Grosssecretair der hochwürdigen Grossen Loge einreichen. / Gleich zu Anfange des Jahres 1800 wird es die vorzüglichste Pflicht der hochwürdigen Grossen Loge seyn, mit Hülfe der eingekommenen Beyträge der Brüder, die gänzliche Revision der Constitution vorzunehmen, und das Resultat ihrer Arbeiten, im Junius einige Tage nach der Wahlloge, in der Meisterconferenz vorzutragen, und daselbst auf die Vorschläge und Wünsche der Brüder, die unter der Vorlesung geschehen, Rücksicht zu nehmen. Alle Brüder haben dabey decisive Stimmen, und nachdem alles geschehen ist, was kraft dieses Gesetzes geschehen soll, wird die revidirte Constitution aufs neue für sechs Jahre, das ist bis Johannis 1806 sanctionirt und beschworen. Zu Anfang des sechsten Jahres geschieht dasselbe, was für das Jahr 1800 kraft dieses Gesetzes verordnet wird, und von 1806 wird für alle Zukunft, die gänzliche Revision der Constitution nur alle neun Jahre vorgenommen.“12 Quellenlage und Darstellung
Im Supplementband wird der Versuch unternommen, zu allen im Handbuch beschriebenen Berliner Vereinigungen die entsprechenden Satzungstexte aufzufinden und in einem Gesamtzusammenhang darzubieten. Insbesondere sollen bislang unveröffentlichte handschriftliche oder auch schwer zugängliche gedruckte Dokumente zur Verfügung gestellt werden. Das Ziel ist eine Zusammenstellung repräsentativer Quellentexte, die die Vereine und Gesellschaften näher charakterisieren und diese in der Form einer Zusammenschau leichter vergleichbar machen. Von mehreren Vereinen konnten keine Statuten aus dem Untersuchungszeitraum ermittelt werden. In diesen Fällen wurden ersatzweise andere programmatische Äußerungen wiedergegeben bzw. rückten Satzungstexte aus späterer Zeit an deren Stelle. Sind von manchen Vereinen gar keine Satzungen überliefert, galt es bei anderen hingegen aus ei12 Royal York, 1797; vgl. S. 297. XVII
Zur Einführung
ner Fülle programmatischer Texte auszuwählen (Beispiel: Freimaurerei). Hinzu kommt, dass nicht alle Vereinigungen um 1800 ihre Satzungen fixierten; manche lehnten solche explizit ab und trafen lediglich wenige mündliche Verabredungen. Dazu gehören einerseits Vereinigungen, die überzeugt waren, keine Statuten zu benötigen, da die Mitgliederzahl gering und der Aufgabenbereich überschaubar waren und alles nach bewährten Traditionen ablief (wie die Apotheker-Conferenz). Andererseits zählen dazu gesellige Vereinigungen, die Gesetzlosigkeit zum Programm erhoben, um sich von anderen, teils übertrieben „gesetzlich“ und statutenverliebt gerierenden Gesellschaften abzuheben und die etablierte Vereins-Szene humorvoll zu provozieren. Doch trotz des Grundsatzes: „Beschlüsse oder Gesetze kann eine Gesetzlose Gesellschaft nicht haben“,13 kamen auch die beiden Berliner Gesetzlosen Gesellschaften nicht umhin, Regularien und Verbindlichkeiten festzulegen und bestimmte Aufnahmeregeln und Kommunikationsformen zu praktizieren. Der erste „Zwingherr“ der Gesetzlosen Gesellschaft (Nr. 2), der Altphilologe Philipp Karl Buttmann, führte dazu „Pragmatische Statuten“ ein, die in ihrer Art völlig neu waren. Der „Verfassung“ diente keine Konstitution einer anderen Gesellschaft als Muster. Darin heißt es in einem für die Gesellschaft typischen launigen Ton: „Durch eine seit mehreren Jahren in Berlin bestehende gesetzlose Gesellschaft, welche aber von der Idee einer solchen noch in verschiedenen Punkten entfernt war, war im Winter 1809–10 bei einigen Personen die Ueberzeugung entstanden, das auch sie zu einer gesetzlosen Gesellschaft gehörten, die sich nur noch nicht gesetzt habe, und welche bestimmt sei dem Ideal näher zu kommen. Sie setzte sich hierauf am 4ten November 1809 vierzehn Personen stark. Sie beschäftigte sich hierauf mit ihrer Vervollständigung, und fuhr damit fort so lange und so oft innere Regungen ihr kund thaten, das in der großen Welt außer ihr geborne Mitglieder der Gesellschaft seien, die nur noch nicht anerkannt wären. […] Gesetzlose Gesellschaften können nicht nur unendlich viele neben einander bestehen, sondern man kann auch unendlich vieler solcher Gesellschaften Mitglied zugleich sein, aus dem einfachen Grunde weil kein Gesetz vorhanden ist, wodurch ein Mitglied verbunden wäre, in irgend einer derselben zu erscheinen. Eben dieser Grund zerstört daher auch jeden Einwand, warum irgend jemand nicht Mitglied irgend einer solchen Gesellschaft sein oder werden könne. Ja selbst das Nichtwollen findet nicht statt; denn obige Gesellschaft zum Beispiel existirte, so wie die Idee davon in der Seele derjenigen sich vollendete die den Gedanken gefaßt hatten, und jedes Mitglied ist Mitglied, so wie die übrigen sich überzeugt haben das er es ist.“14
13 Friedrich Philipp Rosenstiel (Gesetzlose Gesellschaft Nr. 1), 23. Juni 1812, in: Ernst Soehlke: Die Zwanglose 1806–1906. [Berlin 1906]. [Festschrift zum 100-jährigen Bestehen der Gesellschaft], S. 27. 14 Karl Philipp Buttmann: Pragmatische Statuten der gesetzlosen Gesellschaft, 4. 11. 1809. In: [Clemens August Carl Klenze]: Ph. Buttmann und die Gesetzlosen. Am 4. November / 5. December 1834. Statt Handschrift für die Mitglieder der gesetzlosen Gesellschaft. Berlin 1834, Beilage I, S. 13–16. XVIII
Zur Einführung
Auch Freundesbünde und locker organisierte Lesegesellschaften gaben sich in der Regel keine Statuten (eine Ausnahme stellt der Tugendbund um Henriette Herz dar); denn Statuten/Satzungen erfordern eine feste Organisationsstruktur, die in den erwähnten Vereinigungen nur bedingt vorhanden war. Editorisches
Als Quellen wurden erstens handschriftlich verfasste Originaltexte verwendet, bei deren Wiedergabe die Eigenarten der Orthographie und Interpunktion beibehalten wurden. Seitenumbrüche sind mit „//“ markiert. Dies gilt ebenfalls bei Übernahme von Texten aus Kritischen Editionen. Als Quellen dienten zweitens gedruckte Vereins-Statuten. Deren Inhalt ist wörtlich wiedergegeben, allerdings nicht im originalen Schriftbild. Dazu gehören auch die häufig von den Herausgebern in den Marginalspalten hinzugefügten bzw. dort wiederholten Gliederungsüberschriften, die nicht mit übernommen wurden. Editorisch unberücksichtigt blieb ebenso der häufige Wechsel der Schriftarten in den Texten, der den Druck überlastet hätte. Die verschiedenen Klammer-Formen wurden normiert; Unterstreichungen und andere Hervorhebungen im Originaltext erscheinen gesperrt. Offensichtliche Druckfehler wurden meist stillschweigend getilgt. Stellvertretend für fehlende Gesetzestexte wurden als Quellen weiterhin verwendet: Gründungsaufrufe, Einladungsschreiben, programmatische Äußerungen beispielsweise in Briefen, „Quasi“-Statuten oder bestimmte „gesetzliche“ Verabredungen. Nach Möglichkeit werden immer die frühesten, zuerst verfassten Statuten abgedruckt; bei starken inhaltlichen Veränderungen ergänzt durch eine oder mehrere spätere Fassungen. Die Quellentexte werden in Antiqua (Bembo), die Herausgebertexte und -zusätze in Groteskschrift (Myriad) wiedergegeben. Auflösungen von Abkürzungen und kurze Bemerkungen der Herausgeberin innerhalb der Originaltexte stehen in eckigen Klammern. Ausblick
Zum Abschluss soll auch an dieser Stelle auf eine weitere ergänzende Publikation zum „Handbuch der Berliner Vereine und Gesellschaften 1786–1815“ hingewiesen werden: Auf dem edoc-Server der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften wird ein Gesamt-Mitgliederverzeichnis für alle im Handbuch dargestellten Vereine und Gesellschaften bereitgestellt, enthaltend die vollständigen Namensformen der Vereinsmitglieder, Lebensdaten, Berufsangaben sowie die Nachweise der jeweiligen Vereinsmitgliedschaften. Wurden im Handbuch im Rahmen der Vereinsporträts alle Mitglieder eines Einzelvereins aufgelistet, sind anhand des Gesamt-Mitgliederverzeichnisses sämt liche Mitgliedschaften jeder einzelnen Person ersichtlich. Uta Motschmann
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FRÜHE VEREINSGRÜNDUNGEN / GESELLSCHAFTEN, DIE 1786 NICHT MEHR EXISTIERTEN
Societas Alethophilorum Hexalogus Alethophilorum / oder / Gesetz-Tafel der Wahrheit liebenden Gesellschaft, 1740 I. Lasset die Wahrheit den eintzigen Zweck, den eintzigen Vorwurf eures Verstandes und Willens seyn. II. Haltet nichts vor wahr, haltet nichts vor falsch, so lange ihr durch keinen zureichenden Grund davon überzeugt seyd. III. Vergnügt euch nicht damit, daß ihr die Wahrheit liebet und erkennet: suchet sie auch auszubreiten; d. i., euren Mitbürgern bekannt und angenehm zu machen. Wer seine Erkänntniß vergräbet, der vergräbet eine Sache, so ihm zu Beförderung der Ehre des Höchsten Wesens verliehen ist; der entwendet der menschlichen Gesellschaft den Nutzen, so ihr daraus hätte zuwachsen können. IV. Entziehet denen eure Liebe und Hülfe nicht, so die Wahrheit kennen, oder selbige zu suchen, oder zu vertheidigen aufrichtig bemühet sind. Es würde euch gar zu schimpflich, und der eigentlichen Beschaffenheit eines ALETOPHILI entgegen seyn, wenn ihr demjenigen Schutz und Beystand versagen wolltet, dessen Absicht mit der eurigen übereinstimmet. V. Widersprechet keiner Wahrheit, wann ihr bey euch empfindet, daß ihr durch andere davon überführet seyd, deren Einsicht richtiger als die eurige ist. Ein ALETOPHILVS würde sich dieses Nahmens unwürdig machen, wann er die Wahrheit aus Hochmuth, aus Eigensinn, oder aus andern unvernünftigen Ursachen zu bestreiten unternehme.
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Frühe Vereinsgründungen / Gesellschaften, die 1786 nicht mehr existierten
VI. Traget Mitleiden mit denen, welche die Wahrheit entweder nicht kennen, oder unrichtige Begriffe davon haben; unterrichtet sie ohne Bitterkeit, und suchet sie durch keine andere Mittel, als durch die Stärcke eurer Schlüsse, auf den rechten Weg zu bringen. Ihr würdet die Wahrheit verunehren; ihr würdet sie verdächtig machen, wann ihr sie mit andern Waffen ausrüsten, oder verfechten wolltet, als welche euch die Vernunft an die Hand giebt. Quelle: Nachricht von der zu Berlin auf die Gesellschaft der Aletophilorum oder Liebhaber der Wahrheit geschlagenen Müntze. [Berlin] 1740, S. 2–3.
Nouvelle Société Littéraire Réglemens dont on est convenû dans la Société Litteraire de Berlin, 1743 Quelques habetans de Berlin qui ont du goût pour les sciences et pour la littérature, désirant d’étendre leurs connoissances et de se rendre de plus en plus utiles au public, ont crû que le meilleur moyen de parvenir à leur but étoit de former entre eux une Société Litteraire. Ils sont convenus pour cet effet d’un consentement unanime des articles suivans, qui serviront de fondement et de régle à la société. I. Le principal objet de la Société étant de cultiver ce qu’il y a d’interessant et d’utile dans les differentes parties de la philosophie, des mathematiques, de l’histoire naturelle, civile et littéraire, aussi bien que de la critique, on ne s’arrêtera point aux questions qui au lieu d’instruire et de perfectionner l’esprit, ne pourroient servir qu’à l’amuser inutilement. II. La Société sera composée de deux sortes d’associés: les honoraires et les ordinaires. Les uns et les autres seront élûs à la pluralité des voix dans l’assemblée générale des membres des deux classes, qui se trouveront en ville. III. On ne choisira pour associés ordinaires que des personnes qui résident actuellement à Berlin, mais on pourra mettre au nombre des honoraires des personnes qui ne soient point établies en ville et même des étrangers.
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Nouvelle Société Littéraire
IV. Le Ier d’aoust et le Ier de fevrier, on choisira dans le nombre des honoraires, qui resident à Berlin, un directeur pour pr´sider aux assemblées pendant le semestre. On nommera en même tems un associé ordinaire pour tenir la place du directeur toutes les fois que quelques empechement légitime ne lui permettre pas de se rendre à l’assemblée. V. Les assemblées ordinaires se tiendront une fois par semaine, savoir le jeudi après-midi, depuis quatre heures jusqu’a six. Il y aura vacances pendant les deux semaines qui précedent et qui suivent les fêtes de Paues, de la Pentecôte et de Noël. VI. Quand le jour de l’assemblée ordinaire tombera sur quelque fête ou sur quelque solemnité qui empêche la Société de tenir sa séance, on avancera l’assemblée d’un jour ou on la transportera au jour suivant. Si la chose ne peut se faire commodément, l’assemblée pourra être remise à la semaine suivante, ce qui sera réglé par le directeur, qui est pareillement autorisé à indiquer une assemblée extraordinaire, quand la nécessité le demandera. VII. Les membres ordinaires de la Société, qui seront en ville, assisteront régulierement aux assemblées et ne s’en absenteront pas, à moins qu’ils n’en soient empêchés par des raisons valables. Les membres honoraires seront aussi tenus de s’y trouver le premier jeudi du mois, pendant les trois premiers mois qui s’écouleront apres la signature de ces reglemens. Dans la suite ils seront aussi obligés d’assister aux assemblées générales qui se tiendront le Ier de fevrier et le Ier d’aoust. VIII. Le directeur aura sa place marquée au haut-bout de la table. Les autres membres seront placés indifferemment sans préjudice du rang attaché à leur qualité, ou aux charges don’t ils sont revêtus. Toutes les fois que le directeur fera délibérer sur une proposition, il receuillera les suffrages en commenceant par la droite, en sorte que chaque membre parle à son tour, selon l’ordre dans lequel il est assis. Le directeur sera aussi chargé de maintenir l’ordre dans l’assemblée et d’imposer silence aux membres qui parleroient hors de leur tour. IX. Le directeur veillera particulierement aux interêts de la Société. Il fera délibérer sur tout ce qui pourra contribuer à maintenir et à perfectionner sa constitution, aussi bien que sur les differentes matières d’erudition qui seront proposées. Après avoir pris les avis des membres de la manière marquées dans l’article précédent, il prononcera les résolutions qui auront passé à la pluralité des voix. 3
Frühe Vereinsgründungen / Gesellschaften, die 1786 nicht mehr existierten
X. Les associes qui donneront leur sentiment ou de bouche ou par écrit sur les ouvrages qui seront lûs dans la Société et soumis à son examen, prendront garde de le faire avec douceur, avec modestie et d’une maniere qui marque qu’ils ne cherchent que la vérité, le directeur étant chargé de se servir de son autorité pour empêcher que les conférences ne degénerent en disputes, et qu’il ne se mêle de la chaleur, des railleries et des expressions peu ménagées dans les avis et dans les éclaircissemens, que les associes se donneront réciproquement. XI. On lira dans chaque assemblée un discours ou quelque autre piece que les associés ordinaires fourniront les uns après les autres dans l’ordre qui sera réglé par le sort. Cela n’empêchera pas que les associés qui souhaiteront de lire quelque piece hors de leur tour, ne puissent le faire avec l’agrément de l’assemblée qui fixera un jour pour en entendre la lecture. XII. On lira dans l’assemblée de la Societé les lettres qui lui seront adressées. Les membres de la Société pourront aussi lui comminiquer les lettres particulières qu’ils auront reçus, quand elles contiendront des nouvelles litteraires ou des reflexions curieuses et solides sur des matières qui soient de la competence de la Société. XIII. La Société nommera des membres de son corps pour examiner les livres nouveaux qui paroitront mériter l’attention des savans, et pour en faire leur rapport. On en usera de même à l’égard des ecrits qui seront présentés à la Société et soumis à son jugement. XIV. On vérifiera autant qu’il sera possible dans les assemblées les experiences qui y seront rapportées. Quand la chose ne pourra pas se faire, on nommera quelques associés pour les vérifier, principalement quand elles seront nouvelles et differentes de celles qui auront été faites par d’autres. XV. Ceux qui ne sont point membres de la Société ne pourront être admis à ses assemblées, à moins que la chose ne se fasse avec l’agréement du directeur. XVI. Les secretaires formeront un recueil de toutes les pieces qui auront été lues dans les assemblées ou présentées par écrit à la Société. Mais on ne publiera de ce receueil que les pieces qui auront été approuvées ou immédiatement après qu’on en aura fait la lecture dans l’assemblée ou sur le rapport des membres qui auront été commis pour les examiner. 4
Musikübende Gesellschaft
XVII. Les panegyriques, les pieces d’eloquence et de poêsie qui ne pourront être d’aucune utilité pour éclaircir et pour perfectionner les Sciences mentionnées au premier article de ces statuts, n’entreront point dans ce recueil. On pourra cependant y insérerdes extraits tirés des bons livres qui paroîtront, lorsque ces extraits seront accompagnés de réflexions judicieuses et qu’ils auront été approuvés par la Société. XVIII. Quand il s’agira d’opiner, si une piece doit être reçu dans le recueil, chaque associé donnera sa voix dans un billet, où il mettra sans aucun seing la lettre A. ou la lettre R. selon que la piece lui paroîtra devoir être admise ou rejettée. On en usera de même, lorsqu’il s’agira de remplir les places vacantes dans la Société ou de l’augmenter de quelque nouveau membre. Après que le directeur aura recueilli tous les billets, il les ouvrira et prononcera la résolution qui aura passé à la pluralité des voix. XIX. L’un des secretaires de la Société aura soin de tenir un protocolle sur lequel il couchera le précis e tout ce qui aura été déliberé et résolu dans les assemblées. Il y fera mention des pieces qui auront été lues et qui lui seront remises sur son recepisse. Toutes les fois que quelque empêchement legitime ne lui permettra pas de se rendre aux assemblées, il aura soin de charger quelcun des associés de tenir sa place. Quelle: BBAW, Akademiearchiv, I–IV, N° 10 Protocolla Concilii 1743–1745, vol. V; zitiert nach: Adolf Harnack: Geschichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Im Auftrage der Akademie bearbeitet. Zweiter Band: Urkunden und Actenstücke zur Geschichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 1900, Dok. 149.
Musikübende Gesellschaft Entwurf einer ausführlichen Nachricht von der Musikübenden Gesellschaft zu Berlin, 1750 Es hat mir solchen der Sekretär derselben, der Herr Geheime Registrator Wolf, dessen geschickter Feder wir die im Voßischen Verlage 1752. hieselbst heraus gekommene Uebersetzung der Rede des Herrn Gresset, von der Harmonie, zu danken haben, gemein zu machen beliebet.
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Frühe Vereinsgründungen / Gesellschaften, die 1786 nicht mehr existierten
(α) Einleitung. Die preißwürdige Sorgfalt, welche Seine izt regierende Königliche Majestät in Preussen, seit dem Antritt Dero glorreichen Regierung, zum Wachsthum und Aufnahme der Wissenschaften und Künste, in Dero sämtlichen Staaten überhaupt anzuwenden geruhet haben, hat sich insbesondere auch, auf die Wiederherstellung der daselbst vorhero fast gänzlich in Verfall gerathenen Tonkunst erstrecket. Die gleich anfänglich vorgenommene Errichtung, oder vielmehr ansehnliche Verstärkung Dero Hofcapelle, worunter sich noch bis itzo, die berühmtesten und vor treflichsten Tonmeister befinden, war nicht allein ein überzeugendes Merkmahl von der ungemeinen Begierde, womit Se. Königl. Majestät die Aufnahme dieser reizenden Kunst befördert wissen wolten; sondern sie ist auch in der That das einzige Mittel gewesen, wodurch dieselbe nunmehro zu demjenigen Flor gelanget ist, mit welchem sie anitzo so vorzüglich pranget. Insbesondere aber ist unser Berlin so glüklich, die Reizungen dieser angenehmen Wissenschaft auf die vollkommenste Art zu geniessen. Denn, ausser dem Vergnügen, zum öftern die vortreflichste Musik anhören zu können, hat ein jeder Liebhaber derselben, die vortheilhafteste Gelegenheit, den lehrreichsten Unterricht darinn, von den geschicktesten hiesigen Meistern erhalten zu können. Auch hat sich der Geschmack an dieser edlen Kunst, seit einiger Zeit hieselbst dergestalt ausgebreitet, daß solche bey den mehresten, den vorzüglichsten Gegenstand unter allen Arten von Ergetzungen ausmachet, und daher werden nicht allein in vielen ansehnlichen und Privathäusern zum öftern Concerte gehalten; sondern es haben sich auch seit einiger Zeit verschiedene ordentliche Gesellschaften hervorgethan, welche lediglich in Absicht auf die Beförderung der Tonkunst dergleichen wöchentlich alhier anstellen, und dadurch ebenfals zur Aufnahme dieser angenehmen Wissenschaft das Ihrige beyzutragen bemühet sind. Unter diese leztern gehöret insbesondere diejenige, welche seit dem 1749sten Jahre, allhier, unter dem Nahmen der Musikübenden Gesellschaft bekannt geworden ist. Die übrigen musikalischen Gesellschaften, die annoch besonders bemerket zu werden verdienen, sind nach dem Alter ihrer Stiftung 1) die Akademie, welche sich alle Freytage bey dem Königlichen Kammermusikus Herrn Janitsch versammelt, und in dessen im zweyten Stücke dieser Beyträge befindlichen Leben man hievon mehrere Nachricht findet. 2) Die Assemblee, welche sich alle Montage bey dem Königl. Kammermusikus Hrn. Schale versammelt. 3) Das Concert, welches alle Sonnabend bey dem Königl. Kammermusikus und Hofcomponisten Herrn Agricola gehalten, und worinnen nicht allein Instrumental- sondern auch Vocalmusik aufgeführet wird. (β) Von Errichtung der Musikübenden Gesellschaft. Die Gelegenheit zur Errichtung dieser Gesellschaft, entstand aus der Zusammenkunft einiger guten Freunde und Musikliebhaber, welche sich eine geraume Zeit vorher, wöchentlich in der Wohnung des nunmehro seit einiger Zeit bey der Schloß- und Domkirche zum Organisten bestellten Herrn Sacks, versammlet, und sich daselbst, bey mü6
Musikübende Gesellschaft
ßigen Stunden, mit Aufführung musikalischer Stücke geübet hatten. Wie nun gedachter Herr Sack die erforderlichen Kosten zu diesen Zusammenkünften, bishero nur allein hergeschossen hatte, es gleichwohl aber billig war, daß diejenigen, welche an diesen Ergetzungen Theil nahmen, auch zu den nöthigen Unkosten das Ihrige beytrügen; so thaten der Geh. Registrator Herr Wolff und der Königl. Ober-Rechen-Kammer-Sekretär, Herr Reinbeck, welche sich unter andern bishero fast beständig mit dabey eingefunden hatten, zu allererst den Vorschlag, daß sie ebenfals ihren Theil der Kosten zu Fortsetzung dieser Zusammenkünfte übernehmen wolten: Und wie man nicht zweiffelte, daß sich noch mehrere Personen finden dürften, welche ein gleiches zu thun, sich ebenfals willigst bequemen würden; so wurde dieses als ein Mittel angesehen, hieraus eine ordentliche Gesellschaft zu Stande bringen zu können. Und kaum hatten auch, der damahlige Prorector beim hiesigen Friedrichswerderschen Gymnasio, Herr Cochius, ingleichen, der Königliche Kammermusikus Herr Riedt, und der Geheime Sekretär, Herr Bingert, hievon Nachricht bekommen, als dieselben diesen Vorschlag ebenfals nicht allein vollkommen billig fanden, sondern sich auch sogleich erklärten, dieser zu errichtenden Gesellschaft, mit Vergnügen, als Mitglieder beyzutreten. (γ) Von den Gesetzen der Gesellschaft. Gleichwie aber keine Gesellschaft ohne gute Ordnung bestehen kan; also wurde auch beschlossen, solche vermittelst einiger dazu schicklichen Regeln und Gesetze hiebey einzuführen und zu unterhalten. Und wie man sich vorläufig über die mehresten, zu dieser Einrichtung nöthigen Punkte mündlich verglichen hatte; so übernahm es der Hr. Geheime Registrator Wolff, hiernach die erforderlichen Gesetze für die Gesellschaft zu entwerfen, und nachdem sein davon gemachter Aufsatz in den deshalb besonders angestellten Zusammenkünften gemeinschaftlich erwogen, und nach einigen dabey gemachten Erinnerungen und nöthig gefundenen Zusätzen einmüthig genehmiget worden: So wurden diese Gesetze zu allererst am 1ten September 1749. durch die eigenhändige Nahmensunterschrift obbemeldeter sechs Mitglieder förmlich bestätiget und dadurch die Stiftung dieser Gesellschaft, bemeldeten Tages1, unter der selbst erwählten Benennung der Musikübenden Gesellschaft, solchergestalt zu Stande gebracht. Wie nun diese Einrichtung einigermassen bekannt wurde; so fanden sich auch wenige Zeit darauf, bereits verschiedene Liebhaber, welche derselben als ausserordentliche oder Ehrenglieder beyzutreten geneigt waren. Dahero denn für dieselben, mit Beybehaltung des Dati der ersteren Gesetze, nämlich des ersten Septembers 1749. ein besonderes Reglement abgefasset, und solches durch die eigenhändige Nahmensunterschrift, der angegebenen Herren Ehrenglieder, ebenfals bestätiget ward. 1 Es ist daher eine unrichtige Nachricht, welche sich in des Herrn Doctor Oelrichs, im Jahr 1752. alhier herausgekommenen historischen Nachricht, von den akademischen Würden in der Musik etc. auf der 47sten Seite in der 109ten Anmerkung hievon findet, als woselbst der Stiftungstag dieser Gesellschaft noch über ein Jahr später, nämlich, den 18ten September 1750. angegeben wird. 7
Frühe Vereinsgründungen / Gesellschaften, die 1786 nicht mehr existierten
Nachdem sich aber nach Ablauf eines Jahres, nicht allein die Anzahl der Ehren- und ordentlichen Mitglieder bey dieser Gesellschaft, ziemlich vermehret hatte, sondern auch verschiedene Umstände vorkamen, welche einige Abänderung in der bisherigen Verfassung erforderten; so wurden im October 1750. die ersteren Gesetze von den ordentlichen Mitgliedern nochmahls aufs neue durchgegangen, und nicht allein in einigen Punkten verändert, sondern auch mit verschiedenen Zusätzen vermehret, demnächst auch, das besonders ausgefertigt gewesene Reglement für die Ehrenglieder, mit in eins gezogen, und daraus nachstehendes Hauptreglement für die ganze Gesellschaft, mit Annehmung des Dati vom 18. September 1749. verfertiget, und daraus von sämtlichen, damahls vorhandenen, sowohl Ehren- als ordentlichen Mitgliedern wiederum aufs neue unterschrieben und bestätiget. Reglement für die Musikübende Gesellschaft. §. 1. Die Musikübende Gesellschaft soll überhaupt aus zwanzig Personen, nemlich aus zwölf Ehrengliedern, und acht ordentlichen Mitgliedern bestehen, und wird dieser Numerus hiedurch dergestalt festgesetzet, daß selbiger niemahlen überschritten werden soll, es sey denn, daß die Gesellschaft aus ganz besondern Ursachen bewogen würde, hievon abzugehen, und noch mehrere Mitglieder über die gesetzte Zahl aufzunehmen. §. 2. Die Aufnahme eines Neuen, so wohl Ehren- als ordentlichen Mitgliedes in die Gesellschaft, muß mit Genehmhaltung und Vorwissen aller und jeder Mitglieder geschehen; Zu welchem Ende dieselben ihre Einwilligung dazu jederzeit durch ihre eigenhändige Nahmensunterschrift, eines nach dem Formular unter A. eingerichteten schriftlichen Aufsatzes geben müssen. Im Fall aber ein, oder anderes Mitglied wider die Aufnahme eines in Vorschlag gekommenen neuen Membri, etwas triftiges einzuwenden hätte; So muß solches besonders angezeichnet, und die etwannigen Bedenklichkeiten müssen der Gesellschaft zur Beurtheilung überlassen, die ganze Sache aber alsdenn durch die Mehrheit derer Stimmen ausgemacht werden. §. 3. Es soll aber keiner in die Gesellschaft weder zum Ehren- noch ordentlichen Mitgliede aufgenommen werden, als der diesem Reglement ein volkommenes Gnüge zu leisten, sich vorhero anheischig gemacht hat. Nächst dem aber können nur solche Personen dazu erwählet werden, die entweder gute Musikverständige, oder aber doch gute Kenner, Liebhaber oder Verehrer derselben sind, von denen aber auch zugleich bekant ist, daß sie eine billige und verträgliche Gemüthsbeschaffenheit haben, und von aller eitlen Eigenliebe, Tadelsucht, und andern dergleichen Eigenschaften befreyet sind, welche zu Uneinigkeiten in der Gesellschaft Anlaß und Gelegenheit geben können. 8
Musikübende Gesellschaft
§. 4. Alle Jahre sollen von der Geselschaft durch eine ordentliche Wahl, ein Director, ein Sekretarius und ein Caßirer aus den ordentlichen Mitgliedern erwehlet werden, welche, ausser den ihnen ohnedem obliegenden Gesellschaftspflichten, annoch die folgenden hierin beschriebenen Verrichtungen besonders übernehmen; in Fällen aber, da sie aus hinlänglichen Ursachen bei den Zusammenkünften nicht zugegen seyn können, solche mit Genehmhaltung der Gesellschaft einem andern Mitgliede auftragen müssen. §. 5. Der Director muß demnach besonders auf die Beobachtung dieses Reglements und Erhaltung guter Ordnung überhaupt genaue Acht haben und möglichst besorget seyn, daß selbigen in allen Stücken von einem jeden vollkommen nachgelebet werden möge, auch dahin sehen, daß in allen Fällen, wo ein oder anderes Mitglied wider die gemeinschaftlichen Anordnungen gehandelt, selbiges zu Erlegung der, zum Besten der Geselschafts-Casse ausgesetzten Strafen angehalten werden. Hiernächst hat derselbe an den Concerttagen, jedes Mal ehe die Musik angehet, eine Liste und ordentlichen Aufsatz von denenjenigen Stücken zu verfertigen, welche in den Uebungsstunden aufgeführet werden sollen, und wozu sich die Personen in das dazu verfertigte und §. 14. angezogene Buch eingeschrieben haben. Uebrigens aber wird dem Directori in so weit ein Vorzug zugestanden, daß sich ein jeder nach seinen billigen und auf die Beförderung der Gesellschaft abzielenden Anordnungen willigst richten müsse. Wie denn auch derselbe in Gesellschaftssachen, welche durch die Wahl und Stimmen der Mitglieder ausgemachet werden, allzeit drey Stimmen hat. §. 6. Der Sekretarius muß nicht allein alle bey den Gesellschaftsversamlungen zuhaltende Protocolle führen, sondern auch die gemeinschaftliche Musikaliensamlung, ingleichen alle Schriften, Papiere und übrigen Sachen, die der Gesellschaft gemeinschaftlich zugehören, und er in Verwahrung hat, besonders wohl in Acht nehmen, und dahin sehen, daß nichts davon verlohren gehen, oder wegkommen möge. Wie er denn auch deshalb ein ordentliches Inventarium darüber halten, und überhaupt alle bey der Gesellschaft vorkommende schriftliche Ausfertigungen übernehmen und besorgen muß. §. 7. Der Cassirer, welcher alle bey der Geselschaft einkommende Beyträge in Empfang nimt, und davon die erforderlichen Ausgaben wieder bezahlet, muß über die Einnahme und Ausgabe der Geselschafts-Cassen-Gelder eine ordentliche und richtige Rechnung führen, und solche alle Jahre in Gegenwart sämtlicher Mitglieder ablegen, auch allen Verlust und Schaden, so viel an ihm ist, dabey abzuwenden, äusserst bemühet seyn. Nächstdem soll er auch dafür sorgen, daß die bey den Concerten erforderliche Nothwendigkeiten, die aus der Casse bestritten und angeschaffet werden, alzeit vorhanden seyn, und es hierunter an nichts fehlen möge. 9
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§. 8. Der Fond der Gesellschafts-Casse wird durch einen gleichen Beytrag sämtlicher Mitglieder unterhalten; Zu welchem Ende denn ein jedes sowohl Ehren- als ordentliches Mitglied, das bey der Geselschaft aufgenommen wird, sogleich bey der Aufnahme nicht allein 16 Gr. pro receptione, sondern auch überdem noch den 20sten Theil von denenjenigen Kosten erlegen muß, welche von der Gesellschaft zu Anschaffung verschiedener gemeinschaftlichen Nothwendigkeiten, musikalischer Instrumenten und Stücke, auch anderer nöthigen Geräthschaften, verwendet werden. Hiernächst aber wird zu Bestreitung der zu den Concerten und sonst erforderlichen Kosten, wöchentlich von einem jeden, sowohl Ehren- als ordentlichen Mitgliede, sie mögen bey den Zusammenkünften gegenwärtig gewesen seyn oder nicht, jedesmal 3 Gr. beygetragen, und solche an den Gesellschafts-Rendanten ohnweigerlich ausgezahlet. Bey sich ereignenden Fällen aber wo ausserordentliche Ausgaben erfordert werden, und wozu der Cassen-Fond nicht hinlänglich ist, wird alsdenn das nöthige Quantum von sämtlichen Mitgliedern nach einer egalen Repartition extraordinaire zusammen gebracht. Solte aber jemand entweder aus eigener Bewegung oder aber durch andere Umstände gemüßiget werden, von der Gesellschaft abzugehen; So muß dieser sein Abgang der Gesellschaft zuförderst von ihm schriftlich angezeiget werden, damit von dieser Zeit an, die Einforderung des gewöhnlichen Beytrags von demselben aufhören möge. Hingegen aber kann derselbe alsden an den angeschaften und der Gesellschaft auf beständig eigentühmlichen Sachen, noch in Ansehung seines dabey gethanen ordinairen, oder extraordinairen Beytrags fernerhin nicht den geringsten Anspruch an die Gesellschaft weiter machen. §. 9. Damit die Geselschaft bey ihren Zusammenkünften alzeit mit guten musikalischen Stücken versehen seyn möge; So soll zu diesem Ende ein gemeinschaftlicher Vorrath, und zwar nur von den neuesten auserlesensten Ouverturen, Sinfonien und Trios, gesamlet werden, welche die Mitglieder entweder nach und nach selber anschaffen, oder aber, wenn es von der Gesellschaft genehmiget wird, durch Copisten abgeschrieben und die Kosten dafür aus der Casse bezahlet werden. §. 10. Zu den ordinairen musikalischen Zusammenkünften und Concerten ist der Sonnabend Nachmittag in jeder Woche ausgesetzet, und versamlen sich die Mitglieder im Sommer präcise um 6. und im Winter um 5 Uhr in der Sackischen Wohnung, und bleiben 3 Stunden zusammen, bis etwa von der Gesellschaft, befundenen Umständen nach, gut gefunden wird, daß die Zeit geändert und der Ort anderwärts verleget werde. §. 11. Jedes ordentliche Mitglied, welches nicht just zu der gesetzten Zeit erscheinet, muß nach Verlauf einer halben Stunde, als welche höchstens noch über die Zeit nachgegeben wird, 10
Musikübende Gesellschaft
alsdenn für das längere Aussenbleiben, 2 Gr. wer aber ohne hinlängliche Ursachen gar wegbleibet, jedesmahl 4 Gr. Strafe zur Casse erlegen; Es verstehet sich aber von selbst, daß Krankheiten, Amts- und höchstnöthige Haushaltungsgeschäfte zur Entschuldigung hinlänglich sind. Sollte aber jemand betroffen werden, der einen unwahren Vorwand deshalb vorgebracht hätte; So soll selbiger doppelte Strafe zu erlegen angehalten werden. Wie aber dieses nur in Ansehung der ordentlichen Mitglieder, welche zu Besetzung der Musik erfordert werden, statt findet; Also sind die Ehrenmitglieder hievon ausgenommen: wiewohl Sie bey ihrem Aussenbleiben nach Inhalt des §phi 8 sich nicht entbrechen können, den ordinairen wöchentlichen Beytrag jederzeit ohnfehlbar zu entrichten. §. 12. Bey den ordinairen Concerten muß jedes Mitglied dafür sorgen, daß sein Instrument alzeit in gutem Stande sey, und es an keinem zur ordentlichen Erecution der musikalischen Stücke nöthigen Zubehör dabey mangeln möge; widrigenfals derselben gewärtig seyn muß, daß ihm dafür jedesmahl, eine, von der Gesellschaft dem Befinden nach zu bestimmende Strafe auferleget werde. §. 13. Das Clavecin und übrigen Instrumenta, die zum gemeinschaftlichen Gebrauch erforderlich sind, werden nebst den übrigen zu den Concerten unumgänglichen Nothwendigkeiten, als Holz, Licht etc. aus der gemeinschaftlichen Casse im Stande erhalten und angeschaffet. §. 14. Damit die Musik an den Concerttagen in gehöriger Ordnung aufgeführet werden möge; So müssen diejenigen Mitglieder, die musikalische Stücken dabey aufführen wollen, vorhero, ehe die Musik angehet, ihre Nahmen in dem dazu bestimten Buche, welches jederzeit dazu bereit liegen muß, mit Benennung der Stücke, die sie vorlegen wollen, aufschreiben, damit der Director alsdenn einen ordentlichen Aufsatz daraus verfertigen, und die Stücke, wie sie auf einander folgen sollen, rangiren könne. Wobey denn auch besonders dahin gesehen, und von dem Directore reguliret werden muß, daß in Besetzung der Stimmen, zu Beförderung des Wohllauts, ein völlige Proportion observiret, und solche weder zu starck noch zu schwach mit Instrumenten besetzet werden mögen. Wie denn in solchen Fällen, wenn, zum Exempel, zu viel Violinen gegen die Bässe vorhanden seyn mögten, u. s. w. sich einige Mitglieder gefallen lassen müssen, mit ihren Instrumenten so lange abzutreten, dahingegen sie wieder bey dem folgenden Stück antreten, und solchergestalt mit einander abwechseln können, indem es bey der Musik mehr auf das Accurate und Angenehme als auf das zur unrechten Zeit und Ort angebrachte Starke ankömt. §. 15. Wenn sich aber fremde Musici und Liebhaber, welche bey der Gesellschaft nicht als Mitglieder recipiret sind, einfinden, und musicalische Stücke produciren wollen; So kan 11
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solches zwar zugelassen werden, jedoch muß denenselben die Einrichtung der Gesellschaft bekant gemacht und ihnen angezeiget werden, daß sie gleich den Mitgliedern, sich ebenfals vorhero aufschreiben müssen, damit sie in dem Aufsaz mit angesetzet, und solchergestalt aller Unordnung vorgebeuget werden möge. §. 16. So bald die Instrumente von den Mitgliedern einmal und acurat eingestimmet worden; So müssen dieselben sich ferner, sowohl vor, als zwischen der Musik alles weitern unangenehmen Präludirens, auf das genaueste enthalten; Ins besondere aber, muß währender Musik, jedes, sowohl Ehren- als ordentliches Mitglied alles laute Reden und das mindeste Geräusch bey Vermeidung einer willkührlichen Geldstrafe auf das sorgfältigste vermeiden. §. 17. Damit der alzugrosse Zulauf von Zuhörern verhindert werden möge; So soll niemanden bey den Versamlungen, ohne Vorwissen der Gesellschaft zu erscheinen verstattet werden; Jedoch stehet jedem sowohl Ehren- als ordentlichen Mitgliede frey, einen, oder zum allerhöchsten zwey gute Freunde als Zuhörer mit einzuführen, für deren stilles und der Musik anständiges Betragen sie aber stehen müssen. Solte aber jemand über dies, noch mehrere Bekannte einführen wollen, so muß die ganze Gesellschaft vorhero Erlaubniß dazu geben. §. 18. Und da alle ordinaire Gesellschaftsversamlungen keinen andern Endzweck, als einzig und allein die Musik und derselben Uebung haben müssen; so sind zugleich alle übrige Arten des Zeitvertreibes, als Gewinn- und andere Spiele, Tabackrauchen, Schmausereyen und dergleichen, dabey ausdrüklich und aufs genaueste untersaget. §. 19. Alle Viertel jahre wird übrigens ein gewisser Tag ausgesetzet, und solcher von dem Directore bestimmet, an welchem sich sämtliche Mitglieder ganz allein versamlen, um zu berathschlagen und abzumachen, was zur Beförderung und Aufnahme der Gesellschaft dienlich und nüzlich seyn könnte; Wobey denn jedes Mitglied seinen Antrag und Meinung entweder mündlich eröfnen, oder durch einen kurzen schriftlichen Aufsaz beim Directori zur fernern Erwegung der Gesellschaft übergeben kann. §. 20. Da nun schließlich, sämtliche, sowohl Ehren- als ordentliche Mitglieder vorstehende Puncte aufs genaueste observiren und sich in allen Stücken als eifrige Verehrer und Liebhaber der edlen Tonkunst bezeigen müssen; So haben sie dennoch, um ihre Willensmeinung, daß sie den ihnen darnach obliegenden Gesellschafts-Pflichten ein völliges Gnüge leisten wollen, förmlich zu bestätigen, dieses Reglement eigenhändig unterschrieben, und sich zu Erfüllung desselben, dadurch auf das verbindlichste verpflichtet. Berlin den 18 Sept. 1749. 12
Musikübende Gesellschaft
Litt. A. Formular der schriftlichen Einwilligung über die Aufnahme eines neuen Mitgliedes bey der Gesellschaft. Nachdem des Herrn N. N. Hoch – – uns zu erkennen gegeben, wie sie ein besonderes Verlangen trügen, bey der Musikübenden Gesellschaft zum Ehren- (ordentlichen) Mitgliede aufgenommen zu werden, dieselben sich auch erkläret haben, den im Gesellschafts-Reglement enthaltenen Puncten ein Gnüge zu leisten: So haben wir Endes unterschriebene zu deroselben Aufnahme als Ehren-Glied (ordentliches Mitglied) bey der Gesellschaft, unsere förmliche Einwilligung und gemeinschaftlichen Konsens hiedurch ertheilen wollen. Berlin den (δ) Von den sämtlichen Mitgliedern, woraus die Gesellschaft gegenwärtig bestehet. Was nun die Anzahl der sämtlichen Mitglieder betrift, woraus diese Gesellschaft gegenwärtig bestehet; so beläuft sich solche für itzo, überhaupt auf 16. Personen, davon die Ehrenglieder nach der Ordnung ihrer Aufnahme, wie solche aus den beygesetzten Datis zu ersehen ist, nahmentlich folgende sind. 1.) Herr George Christoph von Arnim, Königl. Preußischer Premierlieutenant, beym Hochlöblichen Regiment Gens d‘armes, am 17 Jenner 1750. 2.) Herr George Friederich von Oppen, Königl. Preußischer Major bey vorgedachtem Hochlöblichen Regiment Gens d‘armes, am 7 Febr. 1750. 3.) Herr Johann Adolph Ernst von Winzingerode, Königl. Preußischer Rittmeister von der Armee, am 13 Junius 1750. 4.) Herr Friederich Carl, Reichsgraf von Schlieben, Königl. Preußischer Capitain beym Hochlöblichen Itzenplitzischen Regiment Infanterie, am 3. October 1750. 5.) Herr Philip Bogislav von Heyden, Königl. Preußischer Capitain beym Hochlöblichen Kalcksteinschen Regiment, am 17. Octob. 1750. 6.) Herr Christoph Wilhelm von Schwerin, Königl. Preußischer Lieutenant beym Hochlöblichen Itzenplitzischen Regiment, am 12ten November 1750. 7.) Herr Johann Abraham Caps, Königl. Preußischer Hoffiscal und Cammergerichts-Advocat, am 1. September 1753. 8.) Herr Carl Leveaux, Banquier und Kaufmann alhier, am 6 Julius 1754. 9.) Herr Paul Jeremias Bitaubee, am 18. Jenner 1755. 10.) Vacat. Die ordentlichen Mitglieder aber sind nach voriger Ordnung, nachstehende: 1.) Herr Friedrich Wilhelm Riedt, Königl. Preußischer Kammermusikus, am 1. Septemb. 1749.
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2.) Herr Adolph Friederich Wolff, Geheimer Registrator beym 2ten Departement des Königl. General-Ober-Finantz-Krieges- und Domainen-Directorii, am 1 September 1749. 3.) Herr George Friedrich Reinbeck, Secretar bey der Königl. Ober-Krieges- und Domainen-Rechen-Kammer, am 1. September 1749. 4.) Herr Philip Sack, Organist bey der Königl. Ober-Pfarr- und Dom-Kirche allhier, am 1ten September 1749. 5.) Herr Johann Gabriel Seyffahrt, Königl. Preußischer Kammermusikus, am 11ten October 1749. 6.) Herr Gottlob Friederich Pauli, Geheimder Sekretär, und Canzellist beym Evangelischreformirten Kirchen-Directorio, am 11. Octob. 1749. (ε) Von den abgegangenen Mitgliedern. Ausser diesen aber, sind seit Errichtung dieser Gesellschaft, bereits nachstehende Personen davon abgegangen, und zwar aus der Classe der Ehrenglieder, 1.) Der Lieutenant und Adjutant von Sr. Königlichen Hoheit des Prinzen von Preussen Regiment Cavallerie, Herr von Ratzeler, welcher am 1 August 1750, als Ehrenglied aufgenommen ward, nachhero aber, am 31. August 1752. wegen seiner fast beständigen Abwesenheit, und erforderlichen Auffenthalts bey obbemeldetem, zu Kyritz in Guarnison stehenden Regimente, die Gesellschaft verlassen muste. 2.) Der Königliche Hoftanzmeister, Monsieur Giraud, welcher am 28. Novomber 1750. der Gesellschaft ebenfals als Ehrenglied beytrat, derselben aber auch wiederum am 28. Novemb. 1753. durch einen unvermutheten Tod, in der schönsten Blüthe seiner Jahre, entrissen ward. Sein Verlust wird von der Gesellschaft um so vielmehr bedauret, als dieselbe dadurch nicht allein ein sehr angenehmes und durchgängig beliebtes Mitglied, sondern auch einen gemeinschaftlich aufrichtigen Freund, und hiernächst einen ungemein geschickten Violinspieler an ihm verlohren hat. Aus der Classe der ordentlichen Mitglieder sind hingegen nachfolgende Personen nach und nach abgetreten. 1.) Der ehemalige Prorector bey dem hiesigen Friedrichswerderschen Gymnasio, Herr Cochius, durch dessen Beytritt, wie schon anfänglich gedacht worden, die Errichtung dieser Gesellschaft mit befördert worden, der aber kurz nachhero, nämlich am November 1749. als Königlicher reformirter Hofprediger nach Potsdam beruffen, und aus dieser Ursach genöthiget ward, nicht allein die Gesellschaft, sondern auch die ihm zu allererst dabey aufgetragene Director-Stelle zu verlassen. 2.) Der ehmalige Königl. Geheime Sekretär, Herr Bingert, welcher der Gesellschaft ebenfals gleich anfänglich bey ihrer Errichtung mit beytrat, wegen verschiedener nachhero erhaltenen Abhaltungen aber, nicht länger, als bis im December 1750. bey derselben bleiben konte. 3.) Der Königliche Candidat bey hiesiger Ober-Pfarr- und Dom-Kirche, Herr Bamberger, welcher am 8. November 1749. als ordentliches Mitglied aufgenommen wurde, des14
Musikübende Gesellschaft
sen nachheriger Abgang aber, durch seine nach der Verfassung angestellte dreyjährige Reisen in fremde Länder, im August 1752. verursachet wurde. Hiernächst war der vormahlige Hof- und itzige Kammergerichtsrath, Herr Uhden zwar ebenfals Willens, die Zahl der ordentlichen Mitglieder, im October 1749. durch seynen Beytritt zu vermehren; seine kurz nachhero erhaltenen Geschäfte aber, haben verhindert, daß dessen Aufnahme nicht völlig zu Stande gekommen ist. (ζ) Von dem Director, Sekretär und Rendanten der Geselschaft. Die Stelle eines Directors bey dieser Gesellschaft, bekleidete anfänglich bey ihrer Errichtung, der schon vorher erwähnte Königliche Hofprediger Herr Cochius. Nachdem aber derselbe bald nachhero, seinem Berufe nach Potsdam folgen mußte; so wurde an seiner Statt der Königliche Kammermusikus, Herr Riedt, einmüthig zum Director erwählet, welchen Platz er denn auch bey den nachhero alljährlich deshalb angestellten neuen Wahlen, nicht allein beständig beybehalten hat, sondern auch noch itzo, zur Zufriedenheit der ganzen Gesellschaft mit vielem Ruhme bekleidet. Dahingegen wurde gleich anfänglich bey Stiftung der Gesellschaft dem Königl. Geheimen Registrator Herrn Wolff, das Sekretariat, und dem Königlichen Kammersekretär, Herrn Reinbeck die Rendanten-Stelle dabey aufgetragen, worin beyde auch seit der Zeit, alle Jahre hindurch, bis hieher, immer aufs neue einmüthig bestätiget worden sind. (η) Von ihren wöchentlichen Versamlungen. Wie nun die Absichten der Gesellschaft nach Maaßgebung ihrer Gesetze lediglich auf die Beförderung der Musik gerichtet sind; also suchet dieselbe auch solche besonders in ihren wöchentlichen Versammlungen bestmöglichst zu erreichen. Zu dem Ende kommen die Mitglieder ordentlicher Weise jeden Sonnabend in der Sackischen Wohnung an der Ecke der Brüderstrasse, dem Königlichen Schlosse gegenüber, im Winter, um 5. und des Sommers, um 6. Uhr, gegen Abend, zusammen. Im Fall aber ein oder anderes Mitglied Verlangen träget, die Musik bey sich halten zu lassen; so werden auch diese Versammlungen alsdenn, mit Genehmigung der ganzen Gesellschaft, und nachdem solches jedesmahl, 8. Tage vorher verabredet worden, zu weilen dahin verleget. (θ) Von der Musik und den Personen, die solche dabey aufführen. Die Musik wird dabey jedesmahl mit einer Ouverture oder Synfonie, von der Composition der besten Meister angefangen, worauf denn noch 7. oder höchstens 8. Stücke allezeit in derjenigen Ordnung folgen, als solche nach Inhalt des §.14. des Reglements, jedesmahl vor Anfang der Musik von dem Director auf einer besondern Tafel verzeichnet worden sind. Und gleichwie von Seiten der Mitglieder der Gesellschaft nicht allein die Herren etc. von Heyden und etc. von Arnim, sondern auch insbesondere, der Herr etc. Riedt, sich auf der Flöte traversiere, die Herren Seyffarth, Wolff, Reinbeck und Bitaubee 15
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aber auf der Violine, und nebst dem Herrn Sack, auch der Herr von Schwerin und Herr Caps auf dem Flügel sich sämtlich, mit Concerten, Trios und Solos, zum öftern abwechselnd hören lassen; also gönnen auch nicht minder verschiedene von den berühmtesten Königlichen Herren Capellmusicis alhier,1 der Gesellschaft sehr öfters das Vergnügen, ebenfals einige musikalische Stücke, mit der von ihnen bekannten Geschiklichkeit, auf verschiedenen Instrumenten dabey aufzuführen. Ausserdem aber geniesset die Geselschaft auch die Ehre, zum öftern, verschiedene vornehme und hohe Standes-Personen beyderley Geschlechts,2 wie auch andere Liebhaber der Musik,3 bey ihren Concerten gegenwärtig zu sehen, welche zum Theil die Besetzung der Ripienstimmen verstärken helfen, zum Theil aber auch selbst mit vieler Geschicklichkeit, ebenfals verschiedene musikalische Stücke von allerhand Arten und Instrumenten dabey aufzuführen belieben. Wie denn auch gleichergestalt bereits verschiedene auswärtige und zum Theil sehr berühmte Tonkünstler4 der Gesellschaft ihre
1 Von diesen pflegen insbesondere die Herren Czarth, Speer, Lindner und Kodowsky, wie auch die beyden Waldhornisten, Herr Horzizky, und Herr Mengis, imgleichen, die Fagottisten, Herr Dümler, Lange und Kühltau, sich am gewöhnlichsten dabey einzufinden. 2 Unter diese sind nebst Sr. Excellentz dem Königl. würklichen Geheimen Stats-Minister und Ober-Stall-Meister, Herrn Grafen von Schafgotsch, auch insbesondere, der Königliche Kammerherr, Herr Baron von Kessel, und der Königl. Preußische Lieutenant Hochlöbl. Markgraf Carlschen Regiments, Herr von Schweinichen, wie auch der Herr Baron von Erlach zu rechnen, welche mehrentheils sämtlich als grosse und dabey sehr geschikte Liebhaber der Musik bereits hinlänglich bekannt sind. Hienächst aber hat die Gesellschaft auch schon verschiedentlich das Glück gehabt, nicht allein durch den vornehmen Besuch, Ihro Gnaden, der verwittweten Frau Präsidentin von Dewitz aus Stettin, ingleichen der Frau Gemahlin des Königl. Geheimden KriegesRaths, Herrn Baron von Printzen, wie auch der itzigen Hofdame bey der regierenden Königin Majestät, Baronesse von Cocceji, bey ihren Concerten beehret zu werden, sondern es haben Dieselben auch ebenfals und zwar erstere auf der Laute, letztere beyde aber auf dem Flügel, Sich mit der Ihnen so eigenen Anmuth, als besondern Geschiklichkeit dabey hören zu lassen beliebet. 3 Hierunter gehören hauptsächlich der Herr Sekretär Schefler, der Herr Candidat Krüger, der Herr Gualtieri, Herr Rackemann, der anitzo im Dienste Sr. Königl. Hoheit des Marggrafen und Prinzen Heinrich als Kammermusikus stehet, und andere mehr, welche diesen Concerten fast beständig mit beywohnen. 4 So wurde nämlich die Gesellschaft am 25sten September 1750. nicht allein durch den Zuspruch des berühmten hochfürstl. Anhalt-Zerbstschen Concertmeisters, Herrn Hoecks, sondern auch im folgenden 1751ten Jahre, durch den angenehmen Besuch, des dortigen vortreflichen Capellmeisters Herrn Fasch, bey ihrer damahligen Durchreise alhier, erfreuet, und hatte zugleich das Vergnügen, von dem erstern ein überaus schönes Violinconcert von seiner Composition aufführen zu hören. Auch fand sich am 11ten November 1752. ein aus Ilmenau anhero gekommener Musikus, Nahmens, Herr Risch, hieselbst ein, welcher sich gleichergestallt, auf einem sogenannten Gambenwerke, welches er selbst verfertiget hatte, bey einer zahlreichen Gesellschaftsversammlung hören ließ. Am 25 May 1754. aber ließ der aus Engelland kurz vorher angekommende Musikus, und sehr geschickte Clavierist, Nahmens Herr John Burton sich ebenfals bey der Gesellschaft, mit ungemeinem Beyfall, zum ersten mahle, auf den Flügel, hören. 16
Musikübende Gesellschaft
Gegenwart gegönnet, und dabey ebenfals ihre vorzügliche Geschiklichkeit durch Aufführung musikalischer Stücke, an den Tag geleget haben. Da nun solchergestalt durch eine beständige Abwechselung sowohl der Instrumente als auch der musikalischen Stücke selbst mehrentheils eine angenehme Veränderung bey diesen Concerten unterhalten wird; also ist die Gesellschaft auch ihrer Seits insonderheit bemühet, solche durch die Aufführung der allerneuesten Musikalien, die nur von der Composition der besten Meister erhalten werden können, immer angenehmer und nützlicher zu machen. Insbesondere aber pfleget auch der so gründliche als geschickte Königl. Capellmusicus Herr Riedt, als Director der Gesellschaft, nicht allein wenigstens alle Monath ein ganz neues Stück für die Flöte traversiere, von seiner Composition, in den gewöhnlichen Zusammenkünften aufzuführen, sondern es hat auch der, seiner Geschiklichkeit halber schon hinlänglich bekannte Herr Seyffarth seithero ebenfals verschiedene vortrefliche Violin- und Oboen-Concerte zu diesem Behuf verfertiget. Und wie Herr Sack seiner seits gleichfals einige sehr wohlgerathene Concerte für den Flügel ausgearbeitet, und mit dem vollkommensten Beyfall aufgeführet hat; also hat auch der geheime Registrator Herr Wolff, durch diese rühmliche Beyspiele ermuntert, schon vor einigen Jahren angefangen, eben dergleichen für die Violine zu verfertigen und solche verschiedentlich dabey aufzuführen. (ι) Von Einlassung der Zuhörer bey den Versamlungen. Was nun die Einlassung der Zuhörer bey diesen Versamlungen anbetrift: so hat zwar die Gesellschaft in ihrem Reglement festgesetzet, daß ausser einigen Freunden der Mitglieder, wovon ein jedes allemahl einen, oder höchstens zwey einführen kann, sonst niemand weiter ohne ihr Vorwissen bey den wöchentlichen Zusammenkünften als Zuhörer eingelassen werden solle: Dessenohngeachtet aber, hat dieselbe dennoch nicht gänzlich verhindern können, daß sich ausser diesen, nicht noch mehrere dabey eingefunden hätten. Und da die Anzahl derselben von Zeit zu Zeit immer grösser, dadurch aber nicht allein der Raum im dem Musikzimmer zugleich desto enger geworden, sondern auch zuweilen sich nicht wenige Personen darunter gefunden haben, welche der Gesellschaft durch ihre Unbescheidenheit und unanständiges Betragen währender Musik höchst überlästig gewesen sind, so hat dieselbe, weil alle darwieder angewandte verschiedene Mittel niemahls die gehofte Wirkung gehabt, sich endlich seit dem 24ten November 1753. entschliessen müssen, fernerhin, ausser den königl. und andern Herrn Musicis, welche die Musik bey diesen Concerten gemeiniglich mit zu besetzen pflegen, sonst niemand, ohne Vorzeigung eines Billets dazu weiter einzulassen. Zu welchem Ende denn alle diejenige Musikliebhaber, welche diesen Concerten als Zuhörer beywohnen wollen, sich jedesmahl an eines oder anderes bekantes Mitglied der Gesellschaft, davon ein jedes allemal ein Billet für Bekannte und gute Freunde zur Austheilung bekommt, deshalb wenden, oder aber sich bey der ganzen Gesellschaft vorhero melden, und um die Verstattung des Eintritts gehörig müssen ansuchen lassen. Wie aber für jeden Concerttag allemahl neue Billets verfertiget, und ohnentgeldlich ausgetheilet wer17
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den: Also müssen solche auch allezeit an den ausserhalb des Musikzimmers dazu bestellten Gesellschaftsaufwärter vorhero vorgezeiget und wieder abgeliefert werden. Wobey denn auch von jedem Zuhörer ausdrücklich verlanget wird, daß sie sich währendem Concert beständig stille halten, und insonderheit den Spielern in keinem Stück hinderlich fallen sollen. (κ) Von jährlicher Feyrung des Stiftungstages der Gesellschaft. Wie nun diese wöchentlichen Versamlungen seithero von der Gesellschaft, auf vorbeschriebene Art ununterbrochen fortgesetzet worden sind; also hat endlich dieselbe ausserdem noch die Gewohnheit beobachtet, alljährlich das Andenken ihrer Stiftung auf eine feyerliche Art, mit Aufführung eines grossen Concerts, ausserordentlich zu begehen. So weit für dieses mahl. Quelle: Adolph Friedrich Wolff: Entwurf einer ausführlichen Nachricht von der Musikübenden Gesellschaft zu Berlin. In: Friedrich Wilhelm Marpurg: Historisch-kritische Beyträge zur Aufnahme der Musik. Bd. 1, Berlin 1754, S. 385–413.
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BERUFSSTÄNDISCHE ODER FACHSPEZIFISCHE VEREINE
Berliner Apotheker-Conferenz Von der 1723 gegründeten Berliner Apotheker-Conferenz sind keine Gesetze bekannt. Es hat wohl auch lange Zeit keine gegeben, da man sich auf Traditionen berief und ohne Gesetze auskam. Statuten sind erst von der Berliner Nachfolgevereinigung Corporation der Apotheker Berlins überliefert, welche am 2. April 1851 genehmigt wurden.
Statuten der Corporation der Apotheker Berlins, 1851 § 1. Die Besitzer und Verwalter der Apotheken Berlins bilden einen Verein unter dem Namen: Cor poration der Apotheker Berlins. § 2. Jeder Vorsteher einer Berliner Apotheke, sei er Besitzer oder Verwalter, ist verpflichtet, dem Verein beizutreten. Den Besitzern oder Verwaltern der in dem weiteren Polizeibezirk von Berlin belegenen Apotheken soo es freistehen, dem Verein sich anzuschließen. § 3. Der Zweck des Vereins ist sowohl die Wahrnehmung der materiellen Interessen seiner Mitglieder, als auch die Förderung der wissenschaftlichen Seite der Apothekerkunst. § 4. Der Verein wählt alljährlich durch Stimmenmehrheit aus seiner Mitte einen Vorstand, bestehend aus einem Senior, einem Stellvertreter desselben und aus einem Schr iftführer nebst einem Stellvertreter desselben. Die Vorstandmitglieder sind wieder wählbar. § 5. Der Vorstand vertritt den Verein nach innen und außen. Der Senior verwaltet die Kasse des Vereins (conf. § 9), führt den Vorsitz, bestimmt die Tagesordnung und leitet die Debatte in den Versammlungen der Mitglieder (conf. § 6). Der Schriftführer führt das Protokoll und besorgt die Correspondenz des Vereins gemeinschaftlich mit dem Senior.
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Berufsständische oder fachspezifische Vereine
§ 6. Die Mitglieder des Vereins versammeln sich in der ersten Woche eines jeden Vierteljahres zur Berathung und Beschlußnahme über vorliegende materielle Angelegenheiten, so wie jeden Monat einmal zu wissenschaftlichen Besprechungen. Außerordentliche Versammlungen werden durch den Vorstand berufen. § 7. Die Beschlüsse werden durch Stimmenmehrheit gefaßt; bei gleicher Stimmenzahl ist der Antrag als gefallen zu betrachten und darf in derselben Versammlung nicht wieder vorgebracht werden. Zur Fassung eines gültigen Beschlusses muß mehr als die Hälfte der Vereinsmitglieder anwesend sein. Besonders wichtige Beschlüsse sollen den Mitgliedern abschriftlich oder durch den Druck mitgetheilt werden. § 8. Jedes Mitglied ist an die gefaßten Beschlüsse gebunden. Zuwiderhandelnde sollen durch den Beschluß einer aus sieben Vereinsmitgliedern durch das Loos für jeden einzelnen Fall zu erwählenden Commission in eine Geldstrafe von 2–50 Rthlr. genommen werden. § 9. Zur Bestreitung der Ausgaben für die vierteljährlichen Versammlungen wird eine Kasse gebildet, zu welcher jedes Mitglied des Vereins einen jährlichen Beitrag von fünf Thalern zahlt. Die Einziehung der Beiträge besorgt der Senior und legt alljährlich Rechnung über die Verwendung der eingegangenen Gelder ab. Etwaige Strafgelder fallen der Kasse zu. § 10. Jedem ehemaligen Besitzer einer Apotheke Berlins oder des weiteren Berliner Polizeibezirks soll es gestattet sein, gegen Zahlung des im § 9 festgesetzten Beitrages außerordentliches Mitglied des Vereins zu werden; ein solches hat jedoch bei den Versammlungen keine beschließende Stimme. Ehrenmitglieder kann der Verein nur durch eine Stimmenmehrheit von zwei Dritttheilen der sämmtlichen Vereinsmitglieder ernennen. § 11. Obige Statuten können nur abgeändert werden, wenn zwei Dritttheile sämmtlicher Vereinsmitglieder dafür stimmen. Die Statuten wurden von 38 Apothekern unterzeichnet: Altmann, Augustin, Baetcke, Fr. Becker, Behm, Beyrich, Ed. Blell, C. Blume, Dumann, Elermann, Günther, Helming, Heyder, Jahn, Jung, Kaumann, Kellmering, Kunz, Liebes, Link, Lucae, A. Meyerhoff, E. Meyerhoff, Pannenberg, Phemel, Riedel, Ring, Schacht, Scheller, Simon, Schering, Sonntag, Staegemann, Stresemann, Stumme, Voigt, Weigandt, Weise.
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Pharmaceutische Gesellschaft
Quelle: Der Berliner Apotheker-Verein in seiner geschichtlichen Entwicklung. Zusammengestellt von Dr. Alfred Adlung, Berlin. Berlin-Charlottenburg 1932, S. 33–34.
Pharmaceutische Gesellschaft I) Gesetze der pharmacevtischen Gesellschaft zur Harmonie, 1797 1. Haben die Vorsteher der Gesellschaft etwas vorzutragen, so wird dieses aufgeschrieben und im Versammlungszimmer vorgelegt, damit es die daselbst sich einfindenden Mitglieder lesen, und ihren Namen nebst Meinung unterschreiben können; ist es etwas von Wichtigkeit, so wird es einem jeden durch einen Umlauf angezeigt. 2. Ereignen sich Streitigkeiten in der Gesellschaft, so haben die Vorsteher das Recht, die Gesellschaft zur Ruhe und Ordnung anzuhalten; sollte sich aber einer von der streitenden Parthei hierzu nicht bequemen, so erinnern ihn die Vorsteher an das von ihm geleistete Versprechen, die Gesetze zu halten, widrigenfalls er es sich zuzuschreiben hätte, wenn Sie an ihm vollzogen würden, und dieses Gesetz ist: daß das Mitglied der Gesellschaft nicht mehr beywohnen darf. 3. Ein jedes von den sämmtlichen Mitgliedern muß seinen Beytrag zur rechten Zeit abtragen; versäumt jemand dieses einen Monat länger, nach der gehörigen Zeit, so wird er für unfähig erkannt, länger in der Gesellschaft zu erscheinen, und dieser Beytrag wird bezahlt, den 1. Jan., den 1. Apr., den 1. Jul., den 1. Oct., jedesmal vom Vierteljahr mit 18 gr. 4. Die Mitglieder, so in Zukunft beytreten wollen, können nicht eher angenommen werden, bevor es nicht den Vorstehern der Gesellschaft bekannt gemacht worden. 5. Freunde in die Gesellschaft einzuführen, ist jedem Mitgliede nur im Jahr dreymal erlaubt, doch darf es kein anderer als eine solche Person seyn, die sich der Pharmacie widmet, und nicht mehr, als auch jedesmal nur eine Person; dabey werden sämmtliche Mitglieder gebeten, ihre Freunde zur Ordnung zu ermahnen, damit die Ruhe der Gesellschaft dadurch nicht gestöret werde. 21
Berufsständische oder fachspezifische Vereine
6. Zeitungen, Journale und Bücher ist ein jeder schuldig und verbunden, wieder an den dazu bestimmten Ort zu legen, sollte aber Jemand ein Buch mit nach Hause nehmen wollen, so bemerkt er dieses in dem dazu bestimmten Buche. 7. Karten zu spielen ist der Gesellschaft erlaubt, doch nicht höher als einen Pfennig Einsatz, wer höher spielen will, findet unten eine Tabagie, wo er spielen kann, doch werden die sämmtlichen Mitglieder ermahnet, sich aller Ruhe und Ordnung zu befleißigen, damit Sie den andern, die nicht spielen, nicht Anlaß zum Verdruß geben, widrigenfalls das Spiel gänzlich untersagt werden muß. 8. Wenn Circuläre von dem Vorsteher herumgesandt werden, so sind die Mitglieder verbunden, die Stunden, wo sie es erhalen und wieder abgesandt haben, anzumerken, und die Circuläre nicht zu lange aufzuhalten, auch werden Sie es nach dem gewöhnlichen Umlauf weiter befördern, damit es nicht öfterer an einen Ort komme. 9. Die Mitglieder, so von Berlin abreisen, erhalten ein Certificat, und bleiben Mitglieder der Gesellschaft, doch werden dieselben ersucht, alles was Ihnen bekannt wird, und der Gesellschaft zum Nutzen gereichen möchte, der Gesellschaft mitzuteilen.
II) Schreiben der Gesellschaft an den König und das Ober-Collegium Medicum, Berlin, 1. März 1796 Allerdurchlauchtigster Großmächtigster König, Allergnädigster König und Herr! Ew. Königl. Majestät hochpreußl. [!] Ober-Collegium Medicum haben unterm 26. Sept. 1782 durch ein Patent ad Domum schon allergnädigst befohlen, daß sämmtliche Apotheker sich ein Herbar. viv. über alle offic. Pflanzen anschaffen sollen, damit ihre Gehülfen und Lehrlinge sich mehrere Kenntnisse von allen officinellen Pflanzen erwerben könnten. Dieser Verordnung haben auch sämmtliche Besitzer von Officinen getreu nachgelebt, jedoch ist für uns conditionirende Apotheker bey unsern so mannichfaltigen Geschäften noch kein sonderlicher Nutzen daraus entsprungen. So hat der größte Theil allhier in Condition stehender Apotheker allerunterthänigst anzeigen wollen, daß wir uns entschlossen, die Tage, an welchen wir von unsern Geschäften befreyet, zu einen edlern als gewöhnlichen Zweck, so wohl zu unserm gegenwärtigen als zukünftigen Beruf anzuwenden, und uns in einer unter dem Namen pharmacevtischen Gesellschaft verbunden, um uns in diesen für uns so nöthigen Wissenschaften mehr zu vervollkommnen, uns unsere Kenntnisse mitzutheilen, und ein Herb. viv. selbst zu sam22
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meln. Da durch diesen Weg unser Zweck nur allein erreicht werden kann, und wir dadurch der allerhöchsten Willensmeinung Ew. Königl. Majestät am nächsten kämen, so bitten wir Ew. K. M. Hochpreißl. Ober Coll. Med. hierdurch aller unterthänigst uns bey unserer so edlen Absicht gnädigst zu schützen. Die wir in tiefster Demuth ersterben, Ew. K. M. aller unterthänigst gehorsamste Knechte die Vorsteher und Repräsentanten N. N. N. N.
III) Antwort des Ober-Collegium Medicum an die hiesigen Apothekergesellen, Berlin, 18. März 1796 Das Königl. Ober-Coll. Med. ertheilet den hiesigen Apothekergesellen auf ihre Vorstellung vom 1. huj. wegen eines anzuschaffenden Herbarii vivi hiermit zur Resolution, wie es sehr gerne sehe und nichts darwider habe, wenn sie sich selbst ein Herb. vivum anschaffen und sich auf alle erlaubte Art in ihrem Metié immer mehr und mehr zu perfectioniren suchen. Daß aber zu dieser Absicht eine besondere Gesellschaft errichtet werden solle, solches sey ganz unnöthig und könne eine dergleichen Gesellschaft ganz und gar nicht unter der Autorität des Ober Coll. Medici errichtet werden. Sign. Berlin den 18. März 1796. Königl. Preuß. Ober Collegium Medicum von Hagen. Quelle: Journal der Pharmacie für Aerzte, Apotheker und Chemisten von D. Johann Bartholmä Trommsdorff, Bd. 4, Leipzig 1797, Heft 2, S. 37–40 (Briefe S. 40–42).
IV) Vom Herrn S** in Berlin1 Es befinden sich unter den hiesigen Apothekergehülfen jezt eine Anzahl junger Leute, denen es ein wahrer Ernst ist, sich in ihrem Fache zu vervollkommnen. Sie benutzen die Gelegenheit bey einem Hermbstädt, Klaproth und andern würdigen Männern ihre Kenntnisse zu erweitern. Sie haben eine besondere Gesellschaft unter sich errichtet, und an 100 rthlr. zur Errichtung einer Bibliothek zusammengebracht. Sie werden auch von hiesigen wackern Leuten in ihren löblichen Unternehmungen unterstüzt; so erhielten sie vom Herrn Wendland die neueste Ausgabe des Macquerschen Wörterbuchs, vom Herrn D. Hempel einen schönen Schrank u. s. w.
1 Möglicherweise vom Apotheker Johann Christian Karl Schrader verfasst. 23
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Des Morgens von 4–7 Uhr stellen sie botanische Excursionen an, woran auch die Lehrlinge Theil nehmen, und dennoch nicht die Geschäfte darunter leiden. Ausländische Pflanzen liefern ihnen sowohl der hiesige botanische Garten, als auch der Königliche und mehrere Privatgärten. Die sämmtliche Collection vertheilen sie dann unter sich. In ihrer Gesellschaft ist jeder verbunden, eine chemisch-pharmacevtische Ausarbeitung zu liefern, welche nach Ablesung der Prüfung unterworfen wird. So angenehm es einem Jeden seyn muß, daß junge Leute sich zu vervollkommen suchen, so giebt es doch leider! noch manche, deren ganze Würde in der lockenreichen Peruque steckt, welche darüber seufzen und es für ein Zeichen des jüngsten Tages halten, daß die Jüngern klüger seyn wollen als die Alten u. s. w. Quelle: Ebd., S. 205–206.
V) Einrichtung und Gesetze der pharmacevtischen Gesellschaft zu Berlin1,1804 §. 1. Geschichte der Gesellschaft. Herr Moebius aus Sachsen hat das Verdienst, der Stifter der Gesellschaft zu seyn. Auf den Wunsch mehrerer lud er am 11. Januar 1796 sämmtliche hier conditionirende Apotheker in einem Cirkulare ein, sich zur gemeinschaftlichen Thätigkeit in der Bemühung für ihre Ausbildung zu vereinigen, welchem Wunsche auch die meisten beytraten, worauf am 7. Februar 1796 die erste Versammlung gehalten wurde. Unterm 18. März desselben Jahres erhielt die Gesellschaft in einem Rescript des O. C. M. die Versicherung der höchsten Zufriedenheit mit ihrem Bestreben, sich in ihrer Kunst auszubilden. Auch theilte Herr Apotheker Schwanfeld in einem Schreiben vom 24. May die Versicherung der besonderen Billigung und Zufriedenheit sämmtlicher Herren Principale mit, die dadurch noch mehr erwiesen wurde, daß selbige der Gesellschaft ein Geschenk von 88 Thalern zur Anschaffung von Büchern und andern Nothwendigkeiten machten. Außerdem machten sich mehrere Herren Apotheker auch noch durch besondere Geschenke, z. B. Herr Wendland der ältere durch Maquer’s chemisches Wörterbuch, verdient. Im Wintersemester 1797 wurden durch Herrn Dr. Bourguet die ersten chemischen Vorlesungen gehalten, so wie im Sommerhalbenjahre 1798 Herr Rector Sprengel über die Botanik Vorlesungen hielt. Im Juny 1799 übernahm der zeitige erste Direktor, Dr. Richter, das Direktorium und hielt auch im Wintersemester 1799/1800 die Vorlesungen über Chemie, welche im folgenden Jahre der Assessor Rose fortsezte. Seit dieser Zeit sind für die Gesellschaft beständig im Winter über Chemie, im Sommer über Botanik Vorlesungen gehalten worden. Auf Veranlassung des Doctor Richter und Verwendung des Assessor Rose machten sich im Jahre 1800 die Herren Apothekenbesitzer zu einer jährlichen freywilligen bestimmten baaren Un1 Mitgetheilt von A. F. Gehlen in Berlin. 24
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terstützung anheischig1. In demselben Jahre erhielt die Gesellschaft ein Schreiben von der Berner pharmacevtischen Gesellschaft, mit dem Wunsche, mit derselben in Verbindung zu treten, welches aber der dabey obwaltenden Umstände wegen nicht angenommen wurde. Im Jahre 1802 übernahm Assessor Rose auf den Wunsch der Gesellschaft die Stelle des zweyten Direktors und Apotheker Bergemann die des Obervorstehers und Rendanten. Im Sommer desselben Jahres übernahm der leztere auch die bisher von Herrn Sprengel gehaltenen Vorlesungen. §. 2. Zweck der Gesellschaft. Der Zweck der Gesellschaft ist: 1) Genuß aller der Vortheile, welche der Mensch aus dem geselligen Umgange zieht; 2) Ausbildung in der Pharmacie und ihren Hülfswissenschaften durch gegeseitige Mittheilung individueller Kenntnisse und Erfahrungen, und durch Benutzung derjenigen Mittel, von denen weiter unten die Rede seyn wird. §. 3. Constitution der Gesellschaft. A) Die Gesellschaft besteht aus dem Curatorium und aus wirklichen Mitgliedern. 1 Nur allein der Herr Apotheker Flittner schloß sich davon aus, und wegen der Gründe, weshalb er es that, wurde er für immer der Ehre unwürdig erklärt, je die Gesellschaft und ihren Zweck zu unterstützen. Diese Gründe sind eine vollständige Lobrede auf die Gesellschaft. Man höre Herrn F l i t t n e r : „Der Zweck dieser Gesellschaft und die Aufforderung sie zu unterstützen, ist edel; der Vortheil bey dieser Unterstützung für die Wissenschaft ist einleuchtend, nur können wir Apotheker hiesigen Orts wenig davon genießen. Im Gegentheil, dieses Neue lockt, wie bekannt, viele junge Männer nach Berlin; wir Principale müssen, halb mit halb wider Willen, die Zeit dazu hergeben,“ (dies ist nicht wahr: alle Verhandlungen der Gesellschaft und die Vorlesungen geschehen entweder an den Ausgehetagen, oder so früh des Morgens – von 5–6 im Sommer, von 6–7 im Winter – daß die Gehülfen zu rechter Zeit bey den Geschäften seyn können; die Ausgehetage sind in Berlin auch nicht so häufig wie in manchen andern Städten: die eine Woche ist dazu der Sonntag, die andere der Montags Nachmittag, abwechselnd für beyde Abtheilungen, bestimmt) „und die Berufsgeschäfte werden, Ausnahmen sind selten, vernachlässigt. Hat nun der junge Pharmaceute die Vortheile der Gesellschaft genossen, so verläßt er Berlin, und mit den Neuankommenden geht es denselben Gang.“ – „Genießen nicht die Apotheker außerhalb Berlin mehr als wir den Nutzen der Gesellschaft?“ so weit Herr Flittner. Was die angeschuldigte Vernachlässigung der Berufsgeschäfte betrift, so haben die Herren Thiemann, Schwanfeld und andere bestimmt erklärt, daß, obgleich sie auch bisweilen Ursache gehabt hätten, mit ihren Gehülfen unzufrieden zu seyn, sie doch keine Veranlassung gefunden hätten, dieses der pharmacevtischen Gesellschaft beyzumessen; daß, wenn auch wirklich der Fall eintreten sollte, daß ein Gehülfe mehr dem Studiren als den Geschäften obläge, man sie belehren könne, das eine zu thun, das andere aber nicht zu lassen, und daß man Mittel genug in Händen habe, diese Belehrung wirksam zu machen. – Da, wie Herr Flittner selbst bemerkt, viele junge Männer blos deswegen nach Berlin kommen, um die vielfältige Gelegenheit, sich in ihrer Kunst und auch in humaner Hinsicht auszubilden, zu benutzen: so verdient es bekannter zu werden, daß Herr Flittner seinen Gehülfen nicht erlaubt, die Vortheile der pharm. Gesellschaft zu genießen, damit nicht manche sich in ihrer Hoffnung getäuscht sehen mögen. G ehl en. 25
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B) Das Curatorium ist aus zwey Direktoren, einem Obervorsteher und zwey Vorstehern zusammengesezt. Als Ganzes hat es die gesetzgebende Gewalt in Händen und wacht über die Ausübung der bestehenden Gesetze; im Einzelnen hat dasselbe folgende Pflichten auf sich. a) Die Direktoren (jetzt Dr. Richter und Assessor Rose) leiten Alles, was auf wissenschaftliche Bildung Bezug hat; sie geben die zu bearbeitenden Themata auf, sie bestimmen, mit welchen Büchern, Pflanzen etc. die Bücher- und Pflanzensammlung der Gesellschaft vermehrt werden soll; von ihnen muß Alles ausgehen, was das Ganze der Gesellschaft betrift, und ohne ihre Beystimmung kann in dieser Hinsicht nichts verfügt werden. Bey einer irgend einmal entstehenden Vakanz wird die Stelle eines Direktors durch einen der hiesigen Apotheker oder durch einen andern hiesigen Gelehrten, der hinreichende Kenntnisse der Pharmacie besizt, überhaupt aber durch einen Mann besezt, der wegen seiner Kenntnisse und seines Charakters in allgemeiner Achtung steht. b) Der Obervorsteher (jetzt Apotheker Bergemann) hat die Kasse der Gesellschaft in seiner Verwahrung, auch sind bey ihm die Akten derselben deponirt. Er führt die Oberaufsicht über die Bibliothek, die Pflanzensammlung, die Materia pharmaceutica und andere der Gesellschaft gehörige Utensilien. Er besorgt die Ausgabe und Einnahme der Gesellschaft und führt darüber Rechnung, so wie er auch alle auf jene Gegenstände Bezug habende, entweder schon festgesezte oder von dem Curatorium besonders bestimmte, Vorkehrungen trift. Bey irgend entstehenden Vakanz dieser Stelle werden die übrigen Mitglieder des Curatoriums ebenfalls wieder einen in allgemeiner Achtung stehenden hiesigen Apotheker um die Verwaltung derselben bitten. Die beyden Direktoren und der Obervorsteher stimmen bey der Ballotage über neue Mitglieder nicht mit, geben aber, bey Stimmengleichheit der Mitglieder, durch Stimmenmehrheit den Ausschlag. c) Die beyden Vorsteher führen in jeder Abtheilung, welcher sie vorgesezt sind, die besondere Aufsicht über Alles, was die Gesellschaft betrift; sie wachen über das anständige Betragen der Mitglieder, besonders bey den Versammlungen, so wie über die genaue Befolgung der Gesetze und treffen deshalb die verschiedenen, unten näher zu bestimmenden, Verfügungen; sie bringen bey dem Curatorium neue Gesetze oder Abänderung der schon bestehenden in Vorschlag, wenn von ihnen beobachtete Umstände sie nöthig zu machen scheinen. Ihnen liegt überhaupt Alles ob, was die Policey der Gesellschaft betrift. Die Vorsteher werden von dem Curatorium aus den wirklichen Mitgliedern der Gesellschaft gewählt, und dazu solche genommen, die sich durch ihr Betragen, durch ihre Kenntnisse, durch ihren Eifer für die Kunst vor andern auszeichnen, und sich daher von den übrigen Mitgliedern Achtung versprechen dürfen, so wie sie ihnen zum Beyspiel dienen können. Sie haben bey Ballotage über neue Mitglieder jeder zwey Stimmen. C) die wirklichen Mitglieder theilen sich, nach den verschiedenen Ausgehtagen, in zwey Abtheilungen unter dem Namen der ersten und zweyten, den sie jedoch blos der Bezeichnung wegen, nicht als wenn eine vor der andern den Vorrang hätte, führen. Je26
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des wirkliche Mitglied hat in Angelegenheiten, in welchen von ihnen gestimmt wird, eine Stimme. §. 4. Bestimmungen, die Aufnahme neuer Mitglieder betreffend. 1) Um in die Gesellschaft als wirkliche Mitglieder aufgenommen zu werden, eignen sich nur solche Personen, welche die Pharmazie wirklich erlernt haben und sich hier entweder als dienstthuende Gehülfen oder als Studirende aufhalten. 2) Jeder, der die Aufnahme wünscht, meldet sich persönlich bey dem Obervorsteher und überreicht ihm die Zeugnisse seiner ehemaligen Principale, um daraus seine Zuläßlichkeit zur Gesellschaft zu beurtheilen. 3) Er erhält dann von demselben eine Einlaßkarte zum Gesellschaftszimmer und einen Abdruck der Gesetze und genießt nun zwey Monate als Gast alle Rechte eines wirklichen Mitgliedes, ausgenommen die Stimmfähigkeit und die Theilnahme an dem Journallesezirkel; sonst aber kann er den Versammlungen beywohnen, die Vorlesungen besuchen und die Sammlungen der Gesellschaft unter den bestimmten Modifikationen benutzen. 4) Nach Verlauf dieser Zeit, welche dazu bestimmt ist, daß der Kandidat sich mit der Einrichtung und den Gesetzen der Gesellschaft bekannt mache, und damit die Mitglieder der Gesellschaft ihn kennen lernen, veranstaltet der Vorsteher mit Zuziehung der Direktoren, daß in beyden Abtheilungen über ihn ballotirt und dadurch über seine Aufnahme entschieden wird. 5) Lebt der aufzunehmende Gast in einer hiesigen Apotheke als Gehülfe und hat er sich daher zu einer bestimmten Abtheilung der Gesellschaft gehalten, so ist er, im Fall er in dieser Abtheilung mit einer Stimmenmehrheit von wenigstens ¾ durchfällt, für überhaupt nicht annehmbar anzusehen. Er muß daher die Gesetze und die Einlaßkarte dem Obervorsteher wieder zustellen und tritt dadurch aus aller Verbindung mit der Gesellschaft und aus dem Genuß aller Vortheile derselben. 6) Bey wirklicher Aufnahme tritt er in alle Rechte und Verbindlichkeiten eines Mitgliedes; er erhält dann vom Obervorsteher einen Mappenschlüssel und zahlt an die Gesellschaftskasse 4 gr. für ein Exemplar der Gesetze, 1 Thl. Antrittsgeld und 18 gr. vierteljährigen Beytrag, welcher letztere alle drey Monate pränumerando wiederholt wird. §. 5. Die Mittel zur Erreichung des obigen Zwecks der Gesellschaft betreffend. A) In Hinsicht auf gesellschaftlichen Umgang. 1) Die Gesellschaft besizt zu ihren Versammlungen ein angemessenes Locale, welches aus zwey Zimmern besteht, und möglichst mitten in der Stadt in einer guten Gegend sich befinden muß, wo die verschiedenen Sammlungen der Gesellschaft befindlich sind, so wie daselbst alle die ganze Gesellschaft angehende Verhandlungen abgemacht werden. Die Kosten desselben werden aus dem Gesellschaftsfond bestritten. 2) Diese Versammlungen finden an den gewöhnlichen Ausgehetagen, jeden Sonntag und Montag der Woche, Statt. Da die aus dem gesellschaftlichen Umgange fließenden 27
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Vortheile nicht anders erreicht werden können, als wenn diese Versammlungen zahlreich besucht werden, so versieht sich dessen die Gesellschaft theils zu dem Gemeingeist und dem Eifer ihrer Mitglieder für die gute Sache; theils wird darüber festgesezt: daß jedes Mitglied, wenn nicht Krankheit es abhält, an drey Ausgehetagen seiner Ab theilung wenigstens ein Mal die Versammlungen besuchen müsse. Geschieht dies in 9 Versammlungstagen nicht: so erhält es eine schriftliche Erinnerung von den Vorstehern und sein Name wird an das schwarze Bret geschrieben. Ist diese Erinnerung zwey Mal nöthig geworden, so wird es von der Gesellschaft ausgeschlossen, die Einlaßkarte und der Schlüssel zur Mappe ihm abgenommen und es verliert dadurch alle Rechte eines Mitgliedes, so wie es auch nicht weiter den Vorlesungen für die Gesellschaft beywohnen darf. B) In Hinsicht auf die Ausbildung in der Kunst. I. Vorlesungen über die Hülfswissenschaften der Pharmacie. Das Curatorium veranstaltet jeden Winter Vorlesungen über die Chemie, desgleichen jeden Sommer über die Botanik. Das Honorar für die Vorlesungen wird von denjenigen Mitgliedern, welche sie besuchen, besonders bezahlt und nach ihrer Anzahl auf sie vertheilt. Wenn einer oder der andere der hiesigen Apothekenbesitzer es wünschen sollte, so dürfen auch Lehrlinge, gegen Zahlung des Beytrags zum Honorar, an diesen Vorlesungen Theil nehmen, ohne jedoch weitere Verbindung mit der Gesellschaft zu haben. Die Vorlesungen werden an den Ausgehetagen und natürlich in der Art, daß beyde Abtheilungen sie benutzen können, gehalten. II. Die Büchersammlung. Die Gesellschaft besizt eine Sammlung der vorzüglichsten Schriften über die Pharmacie und ihre Hülfswissenschaften, welche, so viel es die Umstände zulassen, aus dem Fond der Gesellschaft immer vermehrt wird. Eben so werden mehrere, auf die Kunst Bezug habende periodische Schriften und gelehrte Zeitungen gehalten, welche unter den Mitgliedern zirkuliren. Zur Aufsicht über dieselbe und zur Führung der dabey vorkommenden Geschäfte sind zwey Bibliothekare angestellt, über deren Obliegenheiten so wie über die Gesetze bey Benutzung der Bibliothek unten das Nöthige bestimmt werden wird. III. Die Pflanzensammlung. Um den Mitgliedern die Fortschritte in der Pflanzenkenntniß zu erleichtern, ist eine Pflanzensammlung angelegt, die durch die Beyträge der Mitglieder selbst und durch Ankauf aus dem Fond der Gesellschaft vermehrt wird, und den Mitgliedern zur Durchsicht und Benutzung im Gesellschaftszimmer offen steht. Ein Mitglied aus der Gesellschaft, welches sich durch bereits erlangte botanische Kenntnisse auszeichnet, ist Aufseher über die Pflanzensammlung und sorgt dafür, daß sie in gehöriger Ordnung bleibe, so wie für die gute Conservation der Pflanzen. Eben so führt es auch den nach dem System und nach dem Alphabet geordneten Catalog. Durch den Fleiß und lobenswürdigen Enthusiasmus einiger Mitglieder besizt die Gesellschaft außer der allgemeinen Pflanzensammlung auch noch mehrere besondere, z. B. 28
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eine Flora berolinensis1, eine Sammlung der giftigen Gewächse. Dergleichen Sammlungen sollen nie vereinzelt, sondern zum Andenken ihrer Geber vervollständigt und die schadhaft gewordenen oder verblichenen Exemplare durch neue ersezt werden. In Hinsicht der Benutzung und Vermehrung der Pflanzensammlung stehen für die Mitglieder folgende Gesetze fest: 1) Die Benutzung kann bloß im Versammlungszimmer geschehen, in Gegenwart des die Aufsicht führenden Mitgliedes, mit der größten Vorsicht, daß die Exemplare keinen Schaden nehmen. 2) Jedes Mitglied ist verbunden, jährlich zwölf tadelfrey eingelegte und gut getrocknete Pflanzen zu liefern, und zwar solche, die nach dem Catalog in der allgemeinen Sammlung oder in den besondern noch nicht enthalten sind. Für jedes fehlende Stück zahlt es einen Groschen. Die Ablieferung muß um Michaelis jeden Jahres an die Vorsteher geschehen, welche sie dann an den Aufseher der Pflanzensammlung zur Einordnung und zur Nachtragung im Katalog übergeben. IV. Die Materia pharmaceutica. Die Gesellschaft besizt auch eine Sammlung von rohen Droguen und chemisch-pharmacevtischen Präparaten, die zwar noch erst im Entstehen ist, auf deren Vermehrung jedoch vorzüglich Bedacht genommen werden soll. Diese Sammlung soll die Erlernung der dem Apotheker vorzüglich nöthigen Waarenkenntniß erleichtern und auch zur anschaulichen Demonstration bey den gleich zu erwähnenden Vorträgen dienen. V. Von den Mitgliedern zu haltende Vorträge über die Gegenstände der Pharmacie. Um in die Versammlungen mehr Interesse zu bringen, die Mitglieder zu wissenschaftlichem häuslichen Fleiß zu veranlassen und in eigenen Arbeiten zu üben, sollen von ihnen Vorträge über Gegenstände der Waarenkunde und des chemischen Theils der Pharmacie gehalten werden und es wird darüber folgendes festgesezt: 1) Jedes Mitglied, welches bereits ein Jahr durch in Berlin gewesen ist, ist verbunden zwey Ausarbeitungen, die eine chemisch-pharmacevtischen Inhalts, die andere über Gegenstände der Waarenkenntniß zu machen und zu verschiedenen Zeiten in der Gesellschaft vorzutragen; wozu ihm die Themata von den Direktoren aufgegeben werden. 2) Wenn irgend ein Mitglied in solchen Verhältnissen ist, daß es mit Erlaubniß seines Principals und mit Zuziehung desselben den ihm aufgegebenen Gegenstand neu bearbeiten und neue Beobachtungen machen kann; so wird es sich dadurch Verdienst erwerben. Sonst aber ist es schon befriedigend, wenn nur das Bekannte in einer guten Ordnung, mit den Bemerkungen, die der Verfasser vielleicht während seiner pharmacevtischen Praxis zu machen Gelegenheit gehabt hat, vorgetragen wird, wozu ihm die Bibliothek der Gesellschaft die besten Dienste leistet. Es wird weder verlangt noch 1 Durch diese hat sich der unten benannte (jetzt bereits von Berlin abgegangene und durch Herrn Fr iedr ich, einen geschickten und fleißigen jungen Mann, ersezte) Vorsteher der Gesellschaft, Herr Buck, ein unvergängliches Andenken gestiftet. Sie besteht aus beynahe 1000 Pflanzen, und ist mit sehr großer Sorgfalt und Schönheit angefertigt. 29
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erwartet, daß diese Ausarbeitungen Meisterstücke seyn und neue Bemerkungen enthalten sollen; sondern sie sollen vielmehr nur zur Uebung und Vorbereitung dienen und die Mitglieder des Curatoriums werden es gerne übernehmen, auf geschehene Bitte Anleitung zu geben und die Ausarbeitung durchzusehen. 3) Die Vorträge aus der Materia pharmaceutica müssen vorzüglich darauf berechnet seyn, die Waarenkenntniß zu befördern; sie müssen daher die Naturgeschichte der abzuhandelnden Waare, ihre charakteristischen Kennzeichen und möglichen Verwechselungen und Verfälschungen nebst den Erkennungs- und Prüfungsmitteln, ihre Einsammlungszeit und andere Umstände bey ihrer Gewinnung, dasjenige, was über ihre Mischung bekannt ist, ihre pharmacevtischen Anwendungen und das beste Verfahren und nöthige Handgriffe dabey berühren. Dabey muß Alles durch Vorzeigung der abgehandelten Substanz und der damit verglichenen zur Verfälschung etc. dienenden aus der Sammlung der Gesellschaft anschaulich gemacht werden, wobey nöthigen Falls auch die vorzüglichsten Versuche, welche zum Beweise der Echtheit oder zur Entdeckung der Verfälschung dienen, angestellt werden können. 4) Die Einrichtung soll so getroffen werden, daß die vorhin gedachten Vorträge in acht Zusammenkünften wenigstens zwey Mal und abwechselnd gehalten werden, und die Mitglieder sollen von den Tagen, an denen es geschieht, Anzeige erhalten. §. 6. Gesetze in Hinsicht der Benutzung der Bibliothek und der Circulation der Journale und Zeitungen, nebst den Pflichten der beyden Bibliothekare. 1) Die beyden Bibliothekare theilen die Geschäfte unter sich in der Art, daß der eine die Circulation der Journale und Zeitungen besorgt und auf dabey Statt findende Ordnung hält, der andere die Aufsicht über die Bibliothek und die verschiedenen Kataloge führt. 2) Jedes Mitglied kann an den bestimmten Versammlungstagen Bücher aus der Bibliothek erhalten, jedoch nur unter folgenden Bedingungen: a) Es kann nie mehr als ein Band mit nach Hause genommen werden. Will ein Mitglied mehrere Bände nachsehen, Excerpte machen u. s. w. so muß dies in einem der Gesellschaftszimmer geschehen. In Fällen, wo ein Mitglied mehrere Bände zu Hause nehmen müßte, muß es den Obervorsteher um die Erlaubniß dazu bitten, der ihm dann einen Schein an den Bibliothekar oder das die Aufsicht führende Mitglied gibt, welcher die Nr. der Bücher und die Zeit, während der es sie behalten darf, enthält. b) Ein Buch darf nie länger als 14 Tage behalten werden und muß alsdann wieder in die Bibliothek abgeliefert werden. Sollte es an dem Tage der Ablieferung aber von keinem andern Mitgliede verlangt werden, so kann der vorige Inhaber es aufs Neue 14 Tage wieder mitnehmen, wenn er es noch bedarf, und muß die gleich folgenden Vorschriften aufs Neue beobachten. Wer ohne dies ein Buch länger als die bestimmte Zeit behält, bezahlt einen Groschen Strafe. c) Jedes Mitglied, welches ein Buch mitnimmt, überliefert dagegen dem Bibliothekar oder dem aufsichtführenden Mitgliede einen kleinen Schein, der die Nummer des 30
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Werks und den Theil desselben, das Datum des Empfangs und den Namen des Empfängers enthält. Dieser wird an die Stelle des Buchs gelegt, und bey Abgabe desselben zurückgeliefert. Jedes Mitglied muß das Buch auch noch in das dazu bestimmte, vom Aufseher ihm dargereichte, Manual eintragen, und darin ebenfalls die Abgabe bemerken. d) Kein Mitglied darf sich selbst ein Buch, weder zum Gebrauch in der Gesellschaft noch zum Mitnehmen aus den Bücherspinden nehmen, sondern muß es sich von dem Bibliothekar oder dem Aufseher geben lassen. e) Die zurückgebrachten Bücher dürfen nur an den Bibliothekar oder den Aufseher abgegeben und müssen bey etwaniger Abwesenheit derselben wieder mitgenommen, nicht aber im Gesellschaftszimmer hingelegt werden. f) Der eine Bibliothekar hat die Pflicht, darauf genau zu sehen, daß die obigen Bestimmungen befolgt, daß die Bücher zu gehöriger Zeit wieder abgegeben, die Manuale ordentlich geführt, und die Bücher nicht beschädigt werden, so wie daß die Bibliothek in gehöriger Ordnung bleibe und die Leihscheine nicht verloren gehen. Im Fall ein Buch verloren geht, beschädigt wird oder andere ähnliche Umstände eintreten, so muß er es sogleich den Vorstehern anzeigen. Da bey gehöriger Aufmerksamkeit von seiner Seite nicht leicht Unordnungen entstehen können und sein Geschäft durch die bestehenden Einrichtungen ihm möglichst erleichtert wird, so wird das Curatorium in Vorfallenheiten sich lediglich an ihn halten. 3) In Hinsicht der Cirkulation der Journale und Zeitungen wird folgendes festgesetzt: a) Die Journale u. s. w. werden dem Bibliothekar, der ihre Besorgung auf sich hat, von dem Obervorsteher zugestellt, und bleiben, ehe sie in Umlauf gesetzt werden, an den beyden nächsten Versammlungstagen im Gesellschaftszimmer zur Durchsicht. b) Nächstdem werden die Zeitungen, welche zusammengehören, von dem Bibliothekar geheftet und in den dazu gehörigen Mappen, mit Bezeichnung jeder Zeitung und der von jeder vorhandenen Nummer auf dem Laufzettel, in Umlauf gesetzt, wobey der Laufzettel so eingerichtet werden muß, daß jeder Empfänger sie nur in der kleinsten Entfernung abzusenden hat. c) Jedes Mitglied muß beym Empfang nachsehen, ob es alle verzeichneten Nummern enthält, und bey fehlenden seinem Vordermann sogleich Anzeige davon machen und den Defekt auf dem Laufzettel bemerken, widrigen Falls man sich nachher immer nur an dasjenige Mitglied halten kann, bey welchem der Verlust zuletzt entdeckt wurde. Eben daher muß auch der Bibliothekar die zurückkommenden Mappen nachsehen, ob der verzeichnete Inhalt wirklich vorhanden ist, um sich bey Statt findenden Defekten an das letzte Mitglied halten zu können, wenn er nicht will, daß das Curatorium sich deshalb lediglich an ihn halten solle. d) Ein jedes Mitglied darf eine Mappe mit Zeitungen nicht länger als 48 Stunden, und ein Journal nicht länger als drey Mal 24 Stunden behalten. e) Für jeden Tag, den ein Mitglied die Mappe über die festgesetzte Zeit behält, bezahlt es an die Gesellschaftskasse einen Groschen Strafe. Es muß daher jedes Mal die Zeit des 31
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Empfangs und der Absendung auf dem Laufzettel bemerken, und fällt, wenn es dies versäumt, ebenfalls in einen Groschen Strafe. f) Da ein großer Theil des Werths der Zeitungen u. s. w. in ihrer schnellen Benutzung liegt, und daher die geschwinde Cirkulation derselben möglichst befördert und jede Stockung verhütet werden muß, so wird der Bibliothekar hierauf sein besonderes Augenmerk haben. Er muß daher bey Zurückerhaltung der Mappen die Laufzettel nachsehen, ob etwa Mitglieder durch Versäumniß, durch Verlust von Blättern der Zeitungen u. s. w. in Strafe verfallen sind, und es im wirklichen Falle sogleich den Vorstehern mit Zusendung des belegenden Laufzettels anzeigen, damit diese das Weitere verfügen können. g) Der Bibliothekar muß ein Journal führen, in welchem er den Tag der Absendung, die Namen der abgesandten Zeitungen und Journale und ihre Nummer aufführt, damit er übersehen könne, was wirklich im Umlauf ist und was bey ihm wieder eintreffen sollte, um bey entstehender Stockung sogleich einen Laufzettel wegen der fehlenden Mappe abgehen lassen zu können. h) Alle Mitglieder müssen, um Aufenthalt und Unordnung in dem Lesezirkel zu vermeiden, bey Veränderungen ihres Logis, sogleich einem der Vorsteher, dem Bibliothekar, und dem Mitgliede, von welchem sie bisher die Zeitungen zugesandt erhielten, schriftliche Anzeige davon machen. Eben dasselbe müssen sie thun, wenn sie ganz von Berlin abgehen. §. 7. Von der an den Versammlungstagen im Gesellschaftszimmer zu führenden Aufsicht, und den Pflichten derjenigen, welche dieselbe verrichten. 1) An den Versammlungstagen führt eins der wirklichen Mitglieder der Reihe nach die Aufsicht. 2) Die dazu bestimmten Mitglieder werden monatlich von dem einen der Vorsteher, welcher dies übernommen hat (jetzt Buck), an die dazu bestimmte Tafel gesetzt. 3) Die aufsichtführenden Mitglieder müssen an den sonntäglichen Zusammenkünften Vormittags von zehn bis zwölf, und Nachmittags von drey bis acht Uhr im Gesellschaftszimmer gegenwärtig seyn, des Montags aber von drey bis acht Uhr Nachmittags. Finden zu einer dieser Zeiten Vorlesungen Statt, so muß das Mitglied gleich nach Beendigung derselben im Gesellschaftszimmer gegenwärig seyn. 4) Es sind zu den Spinden, worin die verschiedenen Sammlungen der Gesellschaft aufbewahrt werden, doppelte Schlüssel vorhanden. Dasjenige Mitglied, welches den nächsten Sonntag die Aufsicht hat, muß die Schlüssel spätestens am Dienstage, und dasjenige, dem sie am folgenden Montage obliegt, spätestens am Mittwoche, von seinem Vordermanne in der Aufsicht an denselben Tagen, in einer versiegelten Addresse zugesandt erhalten. Derjenige Aufseher, der dies versäumt und Veranlassung wird, daß sein Nachfolger die Aufsicht nicht führen könnte, fällt in acht Groschen Strafe an die Gesellschaftskasse. 5) Dasjenige Mitglied, welches auf der Tafel an einem bestimmten Tage zur Aufsicht verzeichnet ist, und dazu von seinem Vorgänger nicht die Schlüssel erhält, muß sich dessen ungeachtet in dem Gesellschaftszimmer zur Aufsicht einfinden und sich die Schlüs32
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sel von dem Vorsteher holen lassen, so wie ihm von der eingetretenen Unordnung sogleich Nachricht geben, damit für den folgenden Versammlungstag abhelfliche Maße getroffen werden könne. Versäumt es dies, so fällt es ebenfalls in eine Strafe von acht Groschen an die Kasse. 6) Das aufsehende Mitglied hält auf das anständige Betragen der übrigen in der Versammlung; es vertritt in dieser Hinsicht in Abwesenheit des Vorstehers seine Stelle und genießt sein Ansehen. In Abwesenheit des über die Bibliothek gesetzten Bibliothekars tritt es in alle seine Funktionen, und befolgt, was darüber in §. 6. 2. a–f bestimmt worden. Es sieht ferner darauf, daß die Mitglieder in Benutzung der übrigen Sammlungen der Gesellschaft vorsichtig umgehen und ihnen keinen Schaden zufügen. 7) In Hinsicht auf §. 5. A. 2. führt der Aufseher ein Verzeichniß derjenigen Mitglieder seiner Abtheilung, welche an dem Tage die Gesellschaft besuchten, wozu ihm die Liste derselben übergeben wird, die er nachher, zur Beglaubigung mit seinem Namen unterschrieben, dem Vorsteher seiner Abtheilung wieder zustellt. 8) Wenn ein zur Aufsicht gezeichnetes Mitglied Abhaltung haben sollte, dieselbe zu führen, als welche aber nur Krankheit und nothwendige Abwesenheit aus der Stadt gelten können, so muß es spätestens an den oben gedachten Tagen dem erwähnten Vorsteher Anzeige davon machen und ihm die Schlüssel zusenden. Dieser kommittirt dann die Aufsicht einem der Mitglieder, welche das nächste Mal der Reihe nach auf die Tafel kommen würden, und dieses ist um des gemeinen Bestens willen verbunden, sie unweigerlich zu übernehmen. Dasjenige Mitglied dagegen, welches Abhaltung hatte, wird das nächste Mal zur Aufsicht angesetzt, sobald eine der obigen Verhinderungen nicht mehr Statt findet. 9) Sofern ein Mitglied ganz oder auch nur zum Theil die Aufsicht nicht führt, ungeachtet es zu gehöriger Zeit die Schlüssel erhielt, und auch keine rechtliche Abhaltung hatte, so muß es an die Gesellschaft acht Groschen bezahlen und an dem nächsten Ausgehtage seiner Abtheilung die Aufsicht von neuem halten. Es muß daher die oben festgesetzten Stunden pünktlich beobachten, es mögen nun beständig andere Mitglieder gegenwärtig seyn oder nicht. 10) Da ohne ordnungsmäßige Führung der Aufsicht der Zweck der Gesellschaft zum Theil ganz unerreichbar ist, indem ohne dieselbe sogleich Stockung eintritt, und die sich einfindenden Mitglieder die Sammlungen der Gesellschaft nicht benutzen können: so wird festgesetzt, daß, wenn ein Mitglied drey Mal in die obige Strafe verfallen ist, es beym dritten Male unnachsichtlich ausgeschlossen wird, alle Rechte eines Mitgliedes verliert, auch nicht mehr in den Vorlesungen zugelassen wird, ohne deshalb von seinem Beytrage zum Honorar u. s. w. etwas zurück zu erhalten. §. 8. Von dem Fond, woraus die Ausgaben der Gesellschaft bestritten werden. 1) Es soll bey der Gesellschaft immer ein Fond von dreyhundert Thalern vorhanden seyn, der auf Interessen steht, und nur in außerordentlichen Fällen angegriffen wird, wenn die gewöhnlichen Beyträge nicht hinreichen. 33
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2) Wenn von diesem Kapitale etwas verwandt worden, so können nicht eher außerordentliche Ausgaben gemacht werden, bis jenes Kapital wieder vollzählig geworden ist. Außerordentliche Ausgaben sind diejenigen, welche auf die Vermehrung der Sammlungen Bezug haben; ordentliche, von welchen die Subsistenz der Gesellschaft selbst abhängt, z. B. Zimmermiethe u. s. w. 3) Die Gelder zur Bestreitung der jährlichen ordentlichen Ausgaben der Gesellschaft, als für Zimmermiethe, Holz, Licht, Zeitungen und Journale u. s. w. werden durch Beyträge zusammen gebracht. 4) Diese Beyträge bestehen in dem Antrittsgelde neuer Mitglieder, in 16 Groschen von jedem vierteljährigen Beytrage der wirklichen Mitglieder (§. 4. 6.), den Interessen von dem obigen Kapital, und dem jährlichen Beytrage, den die Gesellschaftskasse aus der Güte der hiesigen Herren Apothekenbesitzer erhält. 5) Alles, was nach Befriedigung der ordentlichen Ausgaben, und wenn das obige Kapital vollzählig ist, übrig bleibt, wird zur Vermehrung der Bibliothek und der andern Sammlungen der Gesellschaft und zu andern außerordentlichen Ausgaben verwandt. §. 9. Vom Armenfond der Gesellschaft. 1) Es soll bey der Gesellschaft ein Armenfond vorhanden seyn. 2) Dieser soll dazu dienen, daß das Curatorium konditionirenden Apothekern, die durch Unglücksfälle einer Unterstützung bedürftig geworden sind, nach dem Maße ihrer Bedürftigkeit und ihres moralischen Verdienstes diese Unterstützung zukommen lassen könne. 3) Es fließen in denselben von jedem vierteljährigen, 18 Groschen betragenden, Beytrage jedes Mitgliedes 2 Groschen, ferner die 4 Gr., die von den Mitgliedern für das Exemplar der Gesetze bezahlt werden, endlich alle Strafgelder. 4) Wenn der Armenfond funfzig Thaler beträgt, wird der Ueberschuß zu den obenerwähnten außerordentlichen Ausgaben verwandt. 5) Derjenige konditionirende Apotheker, der auf eine Unterstützung aus dem Armenfond Anspruch macht, muß sich mit den Beweisen seines bisherigen rechtlichen Betragens bey dem Obervorsteher melden, der dann das Weitere bey dem Curatorium veranstalten wird. §. 10. Verhalten der von Berlin abgehenden Mitglieder. 1) Diejenigen Mitglieder, welche von Berlin abgehen, erhalten vom Curatorium ein Zeugniß. 2) Wegen Ertheilung desselben melden sie sich, mit Beybringung der Specialzeugnisse von den Lehrern der Chemie und Botanik (die sie jedoch wieder zurück erhalten), bey demjenigen Mitgliede des Curatoriums, welches die Ausfertigung derselben übernommen hat (jetzt A. F. Gehlen). 3) Dieses Zeugniß dient zum Beweise, daß der Inhaber ein wirkliches Mitglied der pharmacevtischen Gesellschaft sey, und enthält zugleich eine, nach dem Maß seines Ver-
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dienstes und des bewiesenen Eifers für den Zweck der Gesellschaft mehr oder weniger rühmliche Erwähnung seines Betragens als Mitgliedes. 4) Kommt ein solches Mitglied in der Folge wieder nach Berlin, so tritt es nach Producirung dieses Zeugnisses bey dem Obervorsteher ohne weitere Umstände wieder in alle Rechte und Pflichten eines Mitgliedes. 5) Ist es aber ohne ein solches Zeugniß von Berlin abgegangen, so muß es sich, wenn es wieder in die Gesellschaft eintreten will, allen den Formalitäten unterwerfen, die §. 4. bestimmt sind, und aufs Neue 1 Thlr. beym Antritt bezahlen. 6) Beym Abgange giebt es an den Obervorsteher den Mappenschlüssel und die Einlaßkarte zurück, die ihm bey der Aufnahme übergeben wurden, oder bezahlt im Fall des Verlustes den erstern mit vier Groschen. 7) Wenn ein Mitglied nicht nur ohne ein Zeugniß des Curatoriums von Berlin geht, sondern auch Verbindlichkeiten gegen die Gesellschaft unerfüllt läßt, z. B. seinen Pflanzenbeytrag nicht entrichtet oder sich sonst auf eine malhonnette Art benimmt, so soll sein Name aus dem Verzeichniß der Mitglieder gestrichen und mit Unehre an das schwarze Bret geschrieben werden, und es unfähig seyn, wenn es nach Berlin zurück käme, wieder in die Gesellschaft zu treten. §. 11. Von der Stiftungsfeyer der Gesellschaft. 1) Es soll jährlich der Stiftungstag der Gesellschaft in beyden Abtheilungen an zwey auf einander folgenden Sonntagen gefeyert werden. 2) An diesem Tage wird auch von dem Obervorsteher die Rechnung abgelegt, und es werden andere, die ganze Gesellschaft angehende Verhandlungen abgemacht. 3) Eben so sollen an diesem Tage die Namen derjenigen Mitglieder rühmlich erwähnt werden, die sich durch reichliche Pflanzenbeyträge oder auf sonst eine Art um die Gesellschaft verdient gemacht haben; nicht weniger sollen die Namen derjenigen proklamirt werden, die mehrmalige Erinnerungen der Vorsteher nöthig gemacht haben, oder gar von der Gesellschaft ausgeschlossen worden sind. 4) Kein Mitglied darf sich von diesen Verhandlungen ausschließen, wenn nicht Krankheit oder nothwendige Abwesenheit aus der Stadt ihm sein Erscheinen unmöglich machen. §. 12. Einige allgemeine Bestimmungen. 1) Die Mitglieder der Gesellschaft müssen sich auch außerhalb derselben immer eines moralisch-guten und anständigen Betragens befleißigen. 2) Diejenigen, welche in hiesigen Apotheken konditioniren, dürfen sich, überhaupt und insbesondere, aus Eifer in Verfolgung des Zwecks der Gesellschaft, keine Nachlässigkeit und Unachtsamkeit in den Geschäften und keine Fahrlässigkeit in denselben zu Schulden kommen lassen. 3) Mitglieder, welche gegen diese beyden Punkte fehlen, werden ohne Nachsicht aus der Gesellschaft verwiesen.
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4) Die gesellschaftlichen Unterhaltungen dürfen keine häusliche Verhältnisse der Mitglieder zum Gegenstande haben. 5) Um allen Mißbräuchen und Inkonvenienzen auszuweichen, sollen die gesellschaftlichen Zusammenkünfte um halb 10 Uhr Abends beendigt seyn. 6) Die Mitglieder sind verbunden, jede wahrgenommene Unordnung, z. B. der Erbrechung der Spinden, Nichtverschließung derselben, unterlassene Führung der Aufsicht u. s. w. einem der Vorsteher anzuzeigen. 7) Die Mitglieder können Fremde, die an der Gesellschaft Interesse nehmen, in dieselbe einführen, jedoch kann dies bey einer Person nur einmal geschehen, und derselbe Fremde kann nachher nur von einer zum Curatorium gehörigen Person noch wieder eingeführt werden. Gegeben Berlin im Sept. 1804. Das Curatorium der Pharmacevtischen Gesellschaft. Dr. Richter. Rose. Bergemann. Buck. Gehlen. Quelle: Adolf Ferdinand Gehlen: Einrichtung und Gesetze der Pharmaceutischen Gesellschaft zu Berlin. In: Journal der Pharmacie für Ärzte und Apotheker (hg. von Johann Bartholomäus Trommsdorff ), Bd. 14,1. Leipzig 1805, S. 201–234.
VI) Einrichtung und Gesetze, 1822 Einrichtung und Gesetze / der / Pharmaceutischen Gesellschaft / zu / Berlin. / Berlin 1822. // § 1. Geschichte der Gesellschaft. Herr Moebius aus Sachsen hat das Verdienst der Stifter der Gesellschaft zu sein. Auf den Wunsch Mehrerer ladete er am 11ten Januar 1796 sämmtliche hier conditionirende Apotheker in einem Circulare ein, sich zur gemeinschaftlichen Thätigkeit, in der Bemühung für die Ausbildung zu vereinigen, welchem Wunsche auch die meisten beitraten, worauf am 7ten Februar 1796. die erste Versammlung gehalten wurde. Unterm 8ten März desselben Jahres erhielt die Gesellschaft in einem Rescript des Königlichen OberCollegii Medici die Versicherung der höchsten Zufriedenheit mit ihrem Bestreben, sich in ihrer Kunst auszubilden. Auch theilte Herr Apotheker Schwanfeldt in einem Schreiben vom 24ten May die Versicherung der besondern Bewilligung und Zufriedenheit sämmtlicher Herren Prinzipale mit, die dadurch noch mehr erwiesen wurde, daß selbige der Gesellschaft // ein Geschenk von 88 Thalern zur Anschaffung von Büchern und andern Nothwendigkeiten übergaben. Außerdem machten sich mehrere Herren Apotheker auch noch durch besondere Geschenke, z. B. Herr Wendland der Ältere durch Maquer’s chemisches Wörterbuch, verdient.
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Im Winterhalbenjahre 1797. wurden von dem Herrn D.r Bourguet die ersten chemischen Vorlesungen gehalten, sowie im Sommerhalbenjahre 1798 Herr Rector Sprengel über die Botanik Vorlesungen hielt. Im Juny 1799 übernahm der zeitige erste Director, D.r Richter das Directorium und hielt auch im Winterhalbenjahre 1799/1800 die Vorlesungen über Chemie, welche im folgenden Jahre der Herr Assessor Rose fortsetzte. Seit dieser Zeit sind für die Gesellschaft beständig im Winter über Chemie, im Sommer über Botanik, Vorlesungen gehalten worden. Auf Veranlaßung des D.r Richter und Verwendung des Assessors Rose machten sich im Jahre 1801 die Herren Apothekenbesitzer zu einer jährlichen bestimmten baaren Unterstützung anheischig. In demselben Jahre erhielt die Gesellschaft ein Schreiben von der Berner pharmaceutischen Gesellschaft mit dem Wunsche, mit derselben in Verbindung zu treten, welches aber, der dabei obwaltenden Umstände wegen, nicht angenommen wurde. Im Jahre 1802 übernahm der Assessor Rose, auf den Wunsch der Gesellschaft, die Stelle des zweiten Directors und der Apotheker Bergemann die des Rendanten. Im Sommer desselben Jahres // wurden von letzterem auch die vom Rector Sprengel gehaltenen botanischen Vorlesungen übernommen. Nach dem Ableben des D.r Richter im Jahre 1806. nahm der bisherige zweite Director, Assessor Rose, die Stelle des ersten und der Apotheker Bergemann die des zweiten Directors ein. – Leider verlor die Gesellschaft den Assessor Rose bald durch den Tod; seine Stelle ersetzte der Herr Ober-Medicinal Klaproth. Am 1ten Januar 1817 entschlief auch Klaproth und dieser Verlust wurde nur dadurch gemildert, daß Herr Geheime Rath Hermbstaedt sich bereitwillig fand, seine Stelle zu übernehmen. Die Vorlesungen über Chemie hielt vom Jahre 1807. bis zum Jahre 1821. Herr Pro feßor D.r Tourte und im Winter 1821/22 übernahm Herr Geheimrath Hermbstaedt dieselben. Botanik lehrte von dem Jahre 1801 bis 1809 der zweiten Director Herr Apotheker Bergemann, und seitdem hat Herr Profeßor D.r Hayne diese Vorlesungen bis jetzt jeden Sommer ununterbrochen fortgesetzt. Außerdem hat sich Herr Bergemann durch seine intereßanten Vorträge über Mineralogie bleibendes Verdienst um die Gesellschaft erworben. § 2. Zweck der Gesellschaft. Der Zweck der Gesellschaft ist: 1. Genuß aller der Vortheile, welche der Mensch aus dem geselligen Umgang zieht. 2. Ausbildung in der Pharmacie und ihrer // Hülfswissenschaften durch gegenseitige Mittheilung individueller Kenntniße und Erfahrungen, und durch die Benutzung derjenigen Mittel, von denen weiter unten die Rede sein wird.
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§ 3. Einrichtung der Gesellschaft. A. Die Gesellschaft besteht aus dem Curatorium, aus wirklichen und Ehren-Mitgliedern. B. Das Curatorium besteht aus: dem ersten Director, Hermbstaedt, dem zweiten Director, Bergemann, dem Ober-Vorsteher, Riedel und den Vorstehern Kindler und Wittstock. Als Ganzes hat es die gesetzgebende Gewalt in Händen und wacht über die Ausübung der bestehenden Gesetze; im Einzelnen hat dasselbe folgende Pflichten auf sich: a) Die Direktoren (jetzt Dr. Her mbstaedt und Apotheker Bergemann) leiten Alles, was auf wissenschaftliche Bildung Bezug hat; sie bestimmen, mit welchen Büchern, Pflanzen etc. die Sammlungen der Gesellschaft vermehrt werden sollen; von ihnen muß Alles ausgehen, was das Ganze der Gesellschaft betrift, und ohne ihre Bestimmung kann in dieser Hinsicht nichts verfügt werden. Bei einer entstehenden Vakanz wird die Stelle eines Direktors durch einen der hiesigen Apotheker oder durch einen andern hiesigen Gelehrten, der hinreichende Kenntnisse der Pharmacie besizt, überhaupt aber durch einen Mann besezt, der wegen seiner Kenntnisse und seines Charakters in allgemeiner Achtung steht. b) Der Obervorsteher (jetzt Riedel) hat die Kasse der Gesellschaft in seiner Verwahrung, auch sind bey ihm die Akten derselben deponirt. Er führt die Oberaufsicht über die Bibliothek, die Pflanzensammlung, die Materia pharmaceutica und anderer der Gesellschaft zugehörige Utensilien. Er besorgt die Ausgabe und Einnahme der Gesellschaft und führt darüber Rechnung, und legt solche alljährig am Stiftungstage den Mitgliedern der Gesellschaft zur Ansicht vor, so wie er auch alle, auf jene Gegenstände Bezug habende, entweder schon festgesetzte, oder von dem Curato rium bestimmte Vorkehrungen trifft. Die beiden Direktoren stimmen bei Ballotagen über neue Mitglieder nicht mit, geben aber, bey Stimmengleichheit der Mitglieder, durch Stimmenmehrheit den Ausschlag. c) Die beiden Vorsteher führen in jeder Abtheilung, welcher sie vorgesezt sind, die besondere Aufsicht über Alles, was die Gesellschaft betrift; sie wachen über das anständige Betragen der Mitglieder, besonders bei den Versammlungen, so wie über die genaue Befolgung der Gesetze und treffen deshalb die verschiedenen, unten näher zu bestimmenden, Vorkehrungen; sie bringen bei dem Curatorium neue Gesetze oder Abänderung der schon bestehenden in Vorschlag, wenn von ihnen beobachtete Umstände sie nöthig zu machen scheinen. Ihnen liegt überhaupt Alles ob, was die Policey der Gesellschaft betrift. Die Vorsteher werden von dem Curatorium aus den wirklichen Mitgliedern der Gesellschaft gewählt, und dazu solche genommen, von denen man, vermöge ihrer Verhältnisse erwarten darf, daß sie längere Zeit hier bleiben und sich durch ihr Betragen, durch ihre Kenntnisse, durch ihren Eifer für die Kunst vor andern auszeichnen, und sich daher von den übrigen Mitgliedern Ach38
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tung versprechen dürfen. Sie haben bei Ballotagen über neue Mitglieder jeder zwei Stimmen. d) die wirklichen Mitglieder theilen sich, nach ihren Ausgehtagen, in zwei Abtheilungen. Jedes wirkliche Mitglied hat in Angelegenheiten, in welchen von ihnen gestimmt wird, eine Stimme. e) Was die Ernennung der Ehren-Mitglieder betrifft, so kann dies nur durch den Beschluß des ganzen Vorstandes geschehen, und es bedarf keiner Erwähnung, daß dazu nur Männer von anerkanntem Verdienst und besonders tüchtige und wißenschaftliche Apotheker des In- und Auslandes gewählt werden können. §. 4. Bestimmung, die Aufnahme neuer Mitglieder betreffend. 1) Um in die Gesellschaft als wirkliche Mitglieder aufgenommen zu werden, eignen sich nur solche Personen, welche die Pharmazie wirklich erlernt haben und sich hier entweder als dienstthuende Gehülfen oder als Studirende aufhalten. 2) Jeder, der die Aufnahme wünscht, meldet sich persönlich beym Obervorsteher und überreicht ihm zugleich mit den Zeugnissen seiner ehemaligen Principale eine kurze Beschreibung seines Lebenslaufes in lateinischer oder deutscher Sprache, damit daraus seine Zuläßigkeit zur Gesellschaft beurtheilt werden kann. 3) Er erhält dann von demselben, mit einem Exemplare der Gesetze, die Erlaubniß: zwei Monate als Gast den Versammlungen beizuwohnen und genießt während dieser Zeit alle Rechte eines wirklichen Mitgliedes, ausgenommen die Stimmfähigkeit und die Theilnahme an dem Journallesezirkel; sonst aber kann er die Vorlesungen besuchen und die Sammlungen der Gesellschaft unter den bestimmten Modifikationen benutzen. 4) Nach Verlauf dieser Zeit, welche dazu bestimmt ist, daß der Kandidat sich mit der Einrichtung und den Gesetzen der Gesellschaft bekannt mache, und damit die Mitglieder ihn kennen lernen, veranstalten die Vorsteher mit Zuziehung der Direktoren, daß in beiden Abtheilungen über ihn ballotirt und dadurch über seine Aufnahme entschieden wird. 5) Der Kandidat kann nicht als Mitglied der Gesellschaft aufgenommen werden, wenn mehr als die Hälfte der Stimmen gegen seine Aufnahme spricht. Er muß alsdann die Gesetze dem Ober-Vorsteher zurückgeben und tritt dadurch außer aller Verbindung mit der Gesellschaft. 6) Bey wirklicher Aufnahme tritt er in alle Rechte und Verbindlichkeit eines Mitgliedes und bezahlt Einen Thaler Antrittsgeld und Achtzehn Groschen Courant viertaljährigen Beitrag, welcher letztere alle drei Monate wiederholt wird. Ausgenommen von diesem Beitrage sind die Bibliothekare. §. 5. Die Mittel, die Erreichung des obigen Zwecks der Gesellschaft betreffend. A) In Hinsicht auf gesellschaftlichen Umgang. 1) Die Gesellschaft hat zu ihren Versammlungen ein angemessenes Locale, welches aus zwei Zimmern besteht, und möglichst mitten in der Stadt in einer guten Gegend gelegen sein muß, wo die verschiedenen Sammlungen der Gesellschaft befindlich sind, so 39
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wie daselbst alle die ganze Gesellschaft angehende Versammlungen abgemacht werden. Die Kosten desselben werden aus dem Fonds der Gesellschaft bestritten. 2) Die Versammlungen finden an den gewöhnlichen Ausgehetagen, jeden Sonntag und Montag, statt. Da der zahlreiche Besuch der Versammlungen die aus dem gesellschaftlichen Umgange hervorgehenden Vortheile besonders begünstigt, so wird dieser von dem Gemeingeist und dem Eifer der Mitglieder für die gute Sache vorausgesetzt, und von demjenigen, welcher, ohne durch Krankheit oder Abwesenheit abgehalten zu sein, den Versammlungen während drei Monate nicht beiwohnt, angenommen, daß er sich für unfähig halte Mitglied des Vereins zu sein. Sein Namen wird in diesem Falle in der Liste gestrichen; er verliert das Recht den Vorlesungen der Gesellschaft beizuwohnen, und kann auf ein Certifikat als Mitglied der Gesellschaft keinen Anspruch machen. B) In Hinsicht auf Ausbildung in der Kunst. I. Vorlesungen über die Hülfswissenschaften der Pharmacie. Das Curatorium veranstaltet jeden Winter Vorlesungen über Chemie, desgleichen jeden Sommer über Botanik. Das Honorar für die Vorlesungen wird von denjenigen Mitgliedern, welche sie besuchen, besonders bezahlt und nach ihrer Anzahl auf sie vertheilt. Wenn einer oder der andere der hiesigen Apothekenbesitzer es wünschen sollte, so dürfen auch Lehrlinge gegen Zahlung des Beitrags zum Honorar, an diesen Vorlesungen Theil nehmen, ohne jedoch weitere Verbindung mit der Gesellschaft zu haben. Die Vorlesungen werden an den Ausgehetagen und in der Art, daß sie beide Abtheilungen benutzen können, gehalten. II. Die Büchersammlung. Die Gesellschaft besitzt eine Sammlung der vorzüglichsten Schriften über die Pharmacie und deren Hülfswissenschaften, welche, so viel die Umstände es zulassen, aus dem Fonds der Gesellschaft immer vermehrt wird. Eben so werden mehrere, auf die Kunst Bezug habende periodische Schriften und gelehrte Zeitungen gehalten, welche unter den Mitgliedern circuliren. Zur Aufsicht über dieselbe und zur Führung der dabey vorkommenden Geschäfte sind zwei Bibliothekare angestellt, jetzt die Herren Wittrin und Meyer über deren Obliegenheiten, so wie über die Gesetze bei Benutzung der Bibliothek unten das Nöthige bestimmt werden wird. III. Die Pflanzensammlung. Um den Mitgliedern die Fortschritte in der Pflanzenkenntniß zu erleichtern, ist eine Pflanzensammlung angelegt, die durch die Beiträge der Mitglieder selbst und durch Ankauf aus dem Fonds der Gesellschaft vermehrt wird, und den Mitgliedern zur Durchsicht und Benutzung im Gesellschaftszimmer offensteht. 40
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Mitglieder, welche sich durch bereits erlangte botanische Kenntnisse und Eifer für die Wißenschaft auszeichnen, (jetzt die Herren Blume und A. Meyer) sind zu Aufseher n über die Pflanzensammlung gesetzt und sorgen dafür, daß sie in gehöriger Ordnung bleibe, so wie für die gute Conservation der Pflanzen. Eben so führen sie auch den, nach dem System und Alphabet geordneten Katalog. Durch den Fleiß und lobenswürdigen Enthusiasmus einiger Mitglieder besitzt die Gesellschaft außer der allgemeinen Pflanzensammlung, auch noch mehrere besondere, z. B. eine Flora berolinensis, ein sehr schönes Geschenk durch die Güte des jetzigen Apothekers Herrn Buck in Frankfurt an der Oder; eine Sammlung der giftigen Gewächse durch die Güte des Herrn Apothekers Schobelt in Krappenstädt; ferner eine sehr schöne Sammlung der officinellen Gewächse durch den Herrn Beissenhirtz jetzt Administrator einer Apotheke in Minden; so wie eine mühsam zusammen gebrachte Sammlung derjenigen Theile der Gewächse, welche zur Erläuterung des Studiums der Terminologie dienen, durch den Fleiß des Herrn Aschenborn. Diese Sammlungen sollen nie vereinzelt, sondern zum immerwährenden Andenken an ihre Geber vervollständigt und die schadhaft gewordenen oder verblichenen Exemplare durch neue ersezt werden. In Hinsicht der Benutzung und Vermehrung der Pflanzensammlung stehen für die Mitglieder folgende Gesetze fest: 1) Die Benutzung kann blos im Versammlungszimmer geschehen, in Gegenwart des die Aufsicht führenden Mitgliedes, mit der größten Vorsicht, daß die Exemplare nicht beschädigt und nicht durcheinander geworfen werden. 2) Es wird einem jeden Mitgliede zur Pflicht gemacht für die Vermehrung und Verbeßerung des Herbarii nach Kräften zu sorgen und wenigstens einige Pflanzen jährlich zu liefern. Sehr verdient werden sich diejenigen Mitglieder um die Gesellschaft machen, welche durch größere Beiträge die Sammlungen bereichern und es wird ihrer bei der jährlichen Stiftungsfeier rühmlichst erwähnt werden. IV. Die Materia pharmaceutica. Die Gesellschaft besizt auch eine Sammlung von rohen Droguen und eine kleine Mineralien-Sammlung; beide sind zwar erst im Entstehen, allein es soll auf die Vermehrung derselben besonders Rücksicht genommen werden, da sie zur Erlernung der dem Apotheker nöthigen Waarenkenntniß erleichtern und zur anschaulichen Demonstration bei den, gleich zu erwähnenden, Vorträgen unentbehrlich sind. Den Anfang zur Droguensammlung machte der würdige verstorbene Herr Hofapotheker Meyer in Stettin, während sich durch Begründung der Mineraliensammlung Herr Apotheker Erler zu Landshut in Schlesien die Gesellschaft dankbar verpflichtete. V. Von den durch die Mitglieder zu haltenden Vorträgen über die Gegenstände der Pharmacie. Um den Versammlungen erhöhtes Interesse zu verschaffen und die Mitglieder zu wissenschaftlichem häuslichen Fleiß zu veranlaßen, ist das Vortragen schriftlicher Bemer41
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kungen über pharmaceutisch chemische oder botanische Gegenstände in den Versammlungen besonders empfehlenswürdig; die Begriffe werden durch solche Arbeiten nicht allein deutlicher, dem Geiste anschaulicher, sondern es werden auch oft neue Vorstellungen damit verknüpft, deren weitere Verfolgung erfreuliche Aufschlüße darbietet. Selbständige Umsicht und überhaupt höhere Bildung sind die Früchte durchdachter Aufsätze, vorzüglich wenn es möglich ist prüfende Versuche damit zu verbinden. Natürlich wird bei den conditionirenden Mitgliedern vorausgesetzt, daß letzterer nur mit Erlaubniß des Prinzipals geschieht. Auch genaue practische Beschreibungen schwieriger pharmaceutisch chemischer Arbeiten, Beurtheilung aufgestellter theoretischer Meinungen, oder Vereinigung zerstreuter Bemerkungen zu einem leicht übersehbaren Ganzen werden Veranlaßung zu angenehmen und lehrreichen Unterhaltungen geben, bei welchen sowohl der Vortragende als auch die Zuhörer gewinnen. Einem jeden Mitgliede steht es daher frei an dem Tage, wo ihm die Reihe der Wache trifft, das Examiniren ganz oder zum Theil fortzulassen und dafür schriftliche Arbeiten vorzutragen. §. 6. Gesetze in Hinsicht der Benutzung der Bibliothek und der Circulation der Journale und Zeitungen, nebst den Pflichten der Bibliothekare. 1) Da die möglichst vollständige und zweckmäßige Benutzung der Büchersammlung für die Mitglieder von besonderm Werth sein muß, so ist es auch nothwendig, daß die bei der Benutzung vorgeschriebene Ordnung genau und streng befolgt wird. 2) Jedes Mitglied kann an den bestimmten Versammlungstagen Bücher aus der Bibliothek erhalten, jedoch nur unter folgenden Bedingungen: a) Es kann nie mehr als ein Band mit nach Hause genommen werden. Will ein Mitglied mehrere Werke nachsehen, Excerpte machen u. s. w. so muß dies in einem der Gesellschaftszimmer geschehen. In Fällen, wo ein Mitglied mehrere Bände zu Hause zu nehmen wünscht, muß es dem Vorsteher seiner Abtheilung darum bitten,der ihm einen Schein an den Bibliothekar, oder an das die Aufsicht führende Mitglied giebt, welcher die Nummer der Bücher und die Zeit, während welcher er sie behalten darf, enthält. b) Ein Buch darf nie länger als vierzehn Tage behalten werden und muß alsdann wieder in die Bibliothek abgeliefert werden. Sollte es aber am Tage der Ablieferung von keinem andern Mitgliede verlangt werden, so kann der vorige Inhaber es auf ’s neue vierzehn Tage lang behalten, muß aber die gleichfolgende Vorschrift aufs neue beobachten. Wer ohne dies ein Buch länger als die bestimmte Zeit behält, bezahlt Acht Groschen Courant Strafe. c) Jedes Mitglied, welches ein Buch mitnimmt, überliefert dem Bibliothekar oder dem die Aufsicht führenden Mitgliede einen Schein, der die Nummer des Werks und den Theil desselben, das Datum des Empfangs und den Namen des Empfängers enthält. Der Wachhabende trägt diesen in das Leihejournal ein und reihet den erhaltenen Schein an dem dazu bestimmten Orte auf. Bei Zurückgabe des Werks wird von dem Wachhabenden der Tag des Abgebens in das Leihejournal eingetragen und der erhaltene Schein cassirt. 42
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d) Kein Mitglied darf sich selbst ein Buch, weder zum Gebrauch in der Gesellschaft noch zum Mitnehmen aus dem Bücherschranke nehmen, sondern muß es sich von dem Bibliothekar oder dem Aufseher geben lassen. e) Die zurückgebrachten Bücher dürfen nur an den Bibliothekar oder den Aufseher abgegeben werden. f) Die beiden Bibliothekare haben die Pflicht mit der größten Aufmerksamkeit darauf zu sehen, daß die obigen Bestimmungen befolgt, daß die Bücher zur gehörigen Zeit wieder abgegeben, die Manuale ordentlich geführt, und die Bücher nicht beschädigt werden, so wie daß die Bibliothek in gehöriger Ordnung bleibe und die Leihscheine nicht verloren gehen. Die Bibliothek muß von ihnen monatlich einmal genau durchgesehen, die fehlenden Werke mit den in dem Leihjournal verzeichneten verglichen und über diejenigen eine Liste angefertigt werden, mit welchen bei Benutzung der Bibliothek gesetzwidrig verfahren ist. Im Fall ein Buch verloren geht, beschädigt ist oder ähnliche Umstände eintreten, muß es sogleich dem Vorsteher angezeigt werden. Da bei gehöriger Aufmerksamkeit von ihrer Seite nicht leicht Unordnungen entstehen können und das Geschäft durch die bestehenden Einrichtungen möglichst erleichtert ist, so wird das Curatorium in Vorfallenheiten sich lediglich an die Bibliothekare halten. 3) In Hinsicht der Cirkulation der Journale und Zeitungen wird folgendes festgesetzt: a) Die Journale, gelehrte Zeitungen, neu angeschafte Werke sollen vor Einverleibung in die Bibliothek in einem Lesezirkel den Mitgliedern, welche sich für denselben unterzeichnen, zugesendet werden. b) Sie bezahlen dafür blos das im Allgemeinen halbjährliche festgesetzte Botenlohn. c) In jeder Woche wird den Theilnehmern an den dazu bestimmten Tagen ein oder mehrere Hefte überbracht und das Alte dagegen abgeholt. d) Sollte ein Mitglied dem Boten durch irgend einen Umstand mehrere Gänge verursachen, so vergütet es ihm dafür jedesmal vier Groschen Courant. e) Wohnungsveränderungen müßen dem Boten zur rechten Zeit angezeigt werden. §. 7. Von der an den Versammlungstagen im Gesellschaftszimmer zu führenden Aufsicht, und den Pflichten derjenigen, welche dieselbe verrichten. 1) An den Versammlungstagen führt eines der wirklichen Mitglieder, der Reihe nach, die Aufsicht. 2) Das Verzeichniß der wachhabenden Mitglieder wird vierteljährig angefertigt und im Gesellschaftszimmer zur Ansicht eines jeden angeschlagen. 3) Die die Aufsicht führenden Mitglieder müßen eine Viertelstunde vor der zur Zusammenkunft bestimmten Zeit sich einfinden. Sie erhalten die Schlüßel zu den Schränken der Bibliothek und den andern Sammlungen von dem Wirthe; kein anderes Mitglied ist befugt ein Schrank zu öffnen. 4) Dasjenige Mitglied, welches sich zur bestimmten Zeit nicht einfindet, oder vor der festgesetzten Zeit das Gesellschaftszimmer verläßt, ohne einen Stellvertreter besorgt zu 43
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haben, fällt in eine Strafe von Zwei Thaler. Sollte dies bei einem Mitgliede zweimal der Fall sein, so wird es von der Gesellschaft ausgeschlossen ohne ein Certificat zu erhalten. 5) In Hinsicht auf §. 5. A. 2. führt der Aufsichtführende ein Verzeichniß in dem zu diesem Zweck vorhandenen Buche, über diejenigen Mitglieder, welche an diesem Tage die Gesellschaft besuchen. 6) Um den Versammlungen mehr Interesse zu geben werden die seit Jahren eingeführten Examinatoria beibehalten und zwar ganz in der bisherigen Ordnung. Das Aufsicht führende Mitglied ist jedesmal Examinator und unterhält sich mit den Anwesenden über verschiedene Gegenstände der Chemie und Pharmacie, welche aus der Pharmacopoe nach alphabetischer Ordnung ausgehoben werden. 7) Da jedes Mitglied längere Zeit vorher den Tag der Woche und zugleich die Gegenstände erährt, so wird auch erwartet, daß es sich nach beßter Kraft dazu vorbereite. Es steht ihm frei, aus der auf ihn fallenden Rubrik einen Gegenstand oder mehrere zu wählen, wenn nur das Gewählte recht vollständig und fzweckmäßig durchgenommen und dabei alles practisch und theoretisch berührt wird. Nichts ist nachtheiliger als oberflächliches Hinwegeilen über alle Gegenstände der Rubrik, da es die Erwartung, mit welcher die Mitglieder zur Gesellschaft zusammen kommen täuscht und das Interesse der Unterhaltung schmälert. Das Curatorium wird eine musterhafte Führung der Unterhaltung stets mit besonderem Lobe anerkennen. §. 8. Von dem Fond, woraus die Ausgaben der Gesellschaft bestritten werden. 1) Es soll ein Fond von Dreyhundert Thaler immer bei der Gesellschaft vorhanden sein, der auf Interessen steht und nur in außerordentlichen Fällen angegriffen wird, wenn die gewöhnlichen Beiträge nicht hinreichen. 2) Wenn von diesem Capitale etwas verwandt worden, so können nicht eher außerordentliche Ausgaben gemacht werden, bis jenes Capital wieder vollzählig gemacht ist. Außerordentliche Ausgaben sind diejenigen, welche auf die Vermehrung der Sammlungen Bezug haben; Ordentliche: von welchen die Subsistenz der Gesellschaft selbst abhängt, z. B. Zimmermiethe u. s. w. 3) Die Gelder zur Bestreitung der jährlichen ordentlichen Ausgaben der Gesellschaft, als: für ZimmerMiethe, Holz, Licht, Zeitungen, Journale u. s. w. werden durch Beiträge zusammengebracht. 4) Diese Beiträge bestehen: in den Antrittsgeldern neuer Mitglieder, in dem vierteljährigen Beitrag à 18 gute groschen von einem jeden Mitgliede, in den Interessen von dem obigen Capital und in dem jährlichen Beitrage, den die GesellschaftsKasse aus der Güte der hiesigen Herren Apothekenbesitzer erhält. 5) Alles, was nach Befriedigung der ordentlichen Ausgaben, und wenn das obige Capital vollzählig ist, übrig bleibt, wird zur Vermehrung der Bibliothek und der andern Sammlungen der Gesellschaft und zu andern außerordentlichen Ausgaben verwandet.
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§. 9. Vom Armenfond der Gesellschaft. 1) Es soll bey der Gesellschaft ein Armenfond vorhanden sein. 2) Dieser soll dazu dienen, daß das Curatorium conditionirenden Apothekern, die durch Unglücksfälle einer Unterstützung bedürftig geworden sind, nach dem Maße ihrer Bedürftigkeit und ihres moralischen Verdienstes, Unterstützung zukommen laße. 3) In diese Kasse fließen von jedem vierteljährigen, 18 gute Groschen betragenden Beitrage jedes Mitgliedes, 2 Groschen Courant, so wie auch alle Strafgelder. 4) Wenn der Armenfond Funfzig Thaler beträgt, so wird der Ueberschuß zu den oben erwähnten außerordentlichen Ausgaben angewendet. 5) Derjenige conditionirende Apotheker, der auf eine Unterstützung aus dem Armenfond Anspruch macht, muß sich mit den Zeugnißen seines bisherigen rechtlichen Betragens bei dem zweiten Director melden, der dann das Weitere bei dem Curatorium veranstalten wird. §. 10. Verhalten der von Berlin abgehenden Mitglieder. 1) Diejenigen Mitglieder, welche von Berlin abgehen, erhalten vom Curatorium ein Zeugniß. 2) Wegen Ertheilung desselben melden sie sich, mit Beibringung der Spezialzeugnisse von den Lehrern der Chemie und Botanik (die sie jedoch zurückerhalten) bei demjenigen Mitgliede des Curatoriums, welches die Anfertigung desselben übernommen hat (jetzt Herr Riedel). 3) Dieses Zeugniß dient zum Beweise, daß der Inhaber ein wirkliches Mitglied der pharmaceutischen Gesellschaft sei, und enthält zugleich eine, nach dem Maaß seines Verdienstes und des bewiesenen Eifer für den Zweck der Gesellschaft, mehr oder weniger rühmliche Erwähnung seines Betragens als Mitglied. 4) Kommt ein solches Mitglied in der Folge wieder nach Berlin, so tritt es, nach Produzirung dieses Zeugnißes bei dem zweiten Director, wieder ohne weiteres in die Rechte und Pflichten eines Mitgliedes. 5) Ist es aber ohne ein solches Zeugniß von Berlin abgegangen, so muß es sich, wenn es wieder in die Gesellschaft eintreten will, allen den Formalitäten unterwerfen, die §. 4. bestimmt sind, und aufs neue Einen Thaler beim Antritt bezahlen. 6) Wenn ein Mitglied, durch ein unmoralisches Betragen gegen seinen Prinzipal, sich der allgemeinen Achtung verlustig machen sollte, so wird sein Namen im Verzeichniß der Mitglieder gestrichen und dies durch ein Circular den Mitgliedern bekannt gemacht. §. 11. Von der Stiftungsfeier der Gesellschaft. 1) Es soll jährlich der Stiftungstag der Gesellschaft in beiden Abtheilungen, an zwei auf einander folgenden Sonntagen, gefeiert werden. 2) Eben so sollen an diesem Tage die Namen derjenigen Mitglieder rühmlichst erwähnt werden, die sich durch Pflanzenbeiträge, oder sonst auf eine Art, um die Gesellschaft 45
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verdient gemacht haben; nicht weniger sollen die Namen derjenigen proclamirt werden, die mehrmalige Erinnerungen der Vorsteher nöthig gemacht haben, oder gar von der Gesellschaft ausgestoßen worden sind. 3) Kein Mitglied darf sich von diesen Verhandlungen ausschließen, wenn nicht Krankheit, oder nothwendige Abwesenheit aus der Stadt, ihm sein Erscheinen unmöglich machen. §. 12. Einige allgemeine Bestimmungen. 1) Die Mitglieder der Gesellschaft müßen sich auch außerhalb derselben immer eines moralisch guten und anständigen Betragens befleißigen. 2) Diejenigen, welche in hiesigen Apotheken conditioniren, dürfen sich überhaupt und insbesondere aus Eifer in Verfolgung des Zwecks der Gesellschaft, keine Nachläßigkeit und Unachtsamkeit in den Geschäften ihrer Principale zu Schulden kommen laßen. 3) Mitglieder, welche gegen diese beiden Punkte fehlen, werden ohne Nachsicht aus der Gesellschaft verwiesen. 4) Die gesellschaftlichen Unterhaltungen dürfen keine häusliche Verhältnisse der Mitglieder zum Gegenstande haben. 5) Um allen Mißbräuchen und Inconvenienzen vorzubeugen, sollen die gesellschaft lichen Zusammenkünfte um halb 10 Uhr Abends beendigt sein. 6) Die Mitglieder sind verbunden jede wahrgenommene Unordnung, z. B: Erbrechungen der Schränke, Nichtverschließung derselben, unterlaßene Führung der Aufsicht u. s. w. einem der Vorsteher anzuzeigen. 7) Die Mitglieder können Fremde, die an der Gesellschaft Intereße nehmen, in dieselbe einführen, jedoch kann dieses bei einer Person nur einmal geschehen und derselbe Fremde kann nachher nur von einer zum Curatorium gehörigen Person wieder eingeführt werden. Berlin im März 1822. Das Curatorium der Pharmaceutischen Gesellschaft. Bergemann. Riedel. Dr. Hermbstaedt, Erster Director zweiter Director Ober-Vorsteher A. Kindler Vorsteher.
C. Wittstock Vorsteher.
Quelle: GStA PK, I. HA, Rep. 76 Kultusministerium VIII A Nr. 2275, Bl. 6r–19r. – Transkription Uta Motschmann.
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Die Hufelandische Gesellschaft
Die Hufelandische Gesellschaft I) Einladung Hufelands zu Gründung einer medizinischen Gesellschaft, 5. Januar 1810 Es haben sich einige Ärzte vereinigt, alle vierzehn Tage Abends von 5 bis 7 Uhr, welches für practische Ärzte die beste Stunde zu sein scheint, zusammen zu kommen, um sich freundschaftlich und wissenschaftlich zu unterhalten, und es würde ihnen angenehm sein, wenn mehrere ihrer Herren Collegen daran Antheil nehmen wollten. Der Zweck der Gesellschaft ist die Wissenschaft und Kunst, folglich theils Mittheilung und Umtausch allgemeiner wissenschaftlicher Ideen und Notizen, dessen was uns zeither im Lesen und Beobachten besonders interessirt hat, theils Mittheilung des Speciellen auf Ort, Zeit und Individuum Angewendeten der Kunstausübung, demnach Erforschung und Feststellung des herrschenden Krankheits-Charakters, epidemischer und endemischer Krankheiten (in Verbindung gesetzt mit der Witterungs-Beobachtung), Mittheilung einzelner interessanter Krankheitsfälle, Aufstellung derselben zur Consultation u. s. w. – Mit Vergnügen werde ich alles Interessante was mir meine litterarische Correspondenz verschafft, medizinische Neuigkeiten, neue Schriften u. dgl. mittheilen. Es ist Niemand verpflichtet, Vorlesungen zu halten, doch wird es die Gesellschaft mit Dank erkennen. – Es wird überhaupt so wenig Förmlichkeit als möglich hinein gelegt, damit der Geist und die freie wissenschaftliche Unterhaltung nicht gestört werde. Um jedoch jeder Zusammenkunft ein gewisses Object der Unterhaltung zu sichern, verpflichtet sich jedes Mitglied, an dem Tage, wo ihn die Reihe trifft, einen solchen Gegenstand zu geben, sei es eine Vorlesung, oder einen merkwürdigen Krankheitsfall, oder Mittheilungen eines interessanten Briefs, Instruments, Präparates, oder Vorlesung eines interessanten Fragmentes aus einem classischen, besonders älteren Schriftsteller, die Aufstellung eines Problems oder Desiderats in der Kunst u. s. w. Besonders ersuche ich die Herren Armen-Ärzte diese Stunden zu den ohnehin so nöthigen Versammlungen zu benutzen, besonders da, ausser dem ihrem Geschäft dadurch erwachsenden Vortheil, ihre Gegenwart auch für den Zweck der Gesellschaft von grossem Werth sein wird, da sie am meisten Gelegenheit haben den Genius der herrschenden Krankheiten im Grossen zu beobachten. Ich bitte nachfolgende Herren, Theil daran zu nehmen, und lade sie Donnerstag den 1. Februar zur ersten Versammlung in meinem Hause ein. Berlin den 5. Januar 1810. Dr. Hufeland. Quelle: Geschichtliche Darstellung der Hufelandischen Gesellschaft zu Berlin. Berlin 1833, S. 15–16.
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Berufsständische oder fachspezifische Vereine
II) Verfassung der medizinisch-chirurgischen Gesellschaft in Berlin, 28. Februar 1810 § 1. Der Zweck der Gesellschaft ist: die practische Medicin und Chirurgie nach ihren Kräften zu fördern, und zugleich einen Mittelpunkt collegialischer Vereinigung für Berlin zu bilden. Daher möglichste Entfernung aller äusserlichen Formalitäten, alles Zwangs und Prunks. Freundschaftliche Mittheilung und innere Thätigkeit soll ihr Charakter sein. § 2. Die Gesellschaft kennt nur active Mitglieder. Die Zahl derselben ist unbestimmt. Da ihr Zweck kein äusserer, sondern ein innerer ist, so wählt sie keine Ehrenmitglieder, aber correspondirende Mitglieder, zur gegenseitigen Mittheilung der Witterungs- und Gesundheitsconstitution entfernter Gegenden, Benachrichtigung von einbrechenden epidemischen und ansteckenden Krankheiten, neuen Mitteln und Kurmethoden und allen die Heilkunst interessirenden Entdeckungen. § 3. Jährlich wird ein Ausschuss von zwölf Mitgliedern erwählt, um die Geschäfte der Gesellschaft zu besorgen, und wo es nöthig ist, zuerst zu stimmen. § 4. Der Director der Gesellschaft wird von dieser jährlich gewählt. § 5. Das Amt des Secretairs ist perpetuell. § 6. Zur Erhaltung der Ordnung in den Versammlungen wird alle Jahre ein Censor gewählt. § 7. Alle Vierteljahre können neue Mitglieder aufgenommen werden, und zwar in der Art: 1. Der Aufzunehmende wird dem Director von einem Mitgliede angemeldet. 2. Der Direktor schlägt den Candidaten dem Ausschusse vor, welcher 3. Über ihn entscheidet, und zwar durch freundschaftliche Beredung. 4. Ist der Candidat zum Mitgliede gewählt, so wird er als solcher der Gesellschaft angezeigt. 5. Wenn der Ausschuss einen Candidaten verwirft, so beobachtet er das strengste Stillschweigen darüber. Alle angestellten Armen-Ärzte gehören dadurch auch zur Gesellschaft. 48
Die Hufelandische Gesellschaft
§ 8. Die Gesellschaft versammelt sich alle vierzehn Tage, und zwar an den Freitagen Abends um fünf Uhr, und ihre Arbeiten fangen eine Viertelstunde nachher an. § 9. Die Ordnung der Beschäftigung der Gesellschaft in jeder Versammlung ist folgende: 1. Bestimmung der herrschenden Gesundheitsconstitution, des Barometer- und Thermometerstandes, der Krankheiten, der Sterblichkeit in den letzt verflossenen vierzehn Tagen. 2. Eine Vorlesung oder eine sonstige Mittheilung von Seiten des Mitglieds, an welchem die Reihe ist. 3. Anfragen, Consultationen und Mittheilungen von Seiten der übrigen Mitglieder auf folgende Fragen: Hat jemand einen schweren Kranken, über den er die Meinung und den Beirath der Gesellschaft zu hören wünscht? – Hat jemand einen Fall beobachtet, eine gelungene oder misslungene Kur, die der Gesellschaft interessant sein könnte, und was war die Ursache des Gelingens oder Misslingens, welche Mittel zeichneten sich durch ihre Wirksamkeit oder Unwirksamkeit aus? – Hat jemand Ursachen entdeckt, welche der allgemeinen Gesundheit nachtheilig sind oder werden könnten; oder Mängel in der allgemeinen Gesundheitspflege, welche verbessert werden könnten? – Hat jemand Schwierigkeiten, Lücken oder Widersprüche in den Grundsätzen der ausübenden Kunst gefunden, über die er Auskunft zu haben wünscht oder geben kann? – Hat jemand kürzlich in einem Schriftsteller etwas gefunden, was ihm besonders merkwürdig und der Mit theilung werth erschienen ist? – Glaubt jemand von einem Mitgliede der Gesellschaft in seinen ärztlichen Verhältnissen beleidigt, oder nicht so behandelt zu sein, wie es die Würde einer freien, edlen und wissenschaftlichen Kunst erfordert? Sobald die Sitzung eröffnet ist, darf über nichts anderes gesprochen werden, als worüber deliberirt wird. Während der Vorlesung darf niemand reden, oder den Lesenden unterbrechen. Eben so bei der Discussion. In allen diesen Fällen ruft der Censor zur Ordnung. § 10. Ein jeder fremde, durchreisende Arzt kann von einem Mitgliede in die Versammlung eingeführt werden, doch muss er entweder vorher angemeldet, oder dem Director in der Versammlung angezeigt und von diesem der Gesellschaft vorgestellt werden. § 11. Hiesige Ärzte, die nicht Mitglieder der Gesellschaft sind und sie doch zu besuchen wünschen, müssen in einer vorhergehenden Sitzung der Gesellschaft durch ein Mitglied angemeldet werden.
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§ 12. Ausgezeichnete Studirende der hiesigen Universität können in dem letzten Jahr ihres Studiums nur von einem Mitgliede des Ausschusses für einmal mitgebracht, und müssen auf dieselbe Weise dem Director und der Gesellschaft vorgestellt werden. § 13. Der Stiftungstag, der 1. Februar, wird jährlich von der Gesellschaft durch ein frohes Mahl gefeiert. Jedes Mitglied kann dazu Gäste mitbringen. Das Mahl fällt auf keinen Versammlungstag. Ausserdem hat sie drei Feste zur Feier dreier Männer, denen die Heilkunst ihre grössten Entdeckungen verdankt: Harvey’s, des Entdeckers des Blutumlaufs, den 1. August; Haller’s, des Entdeckers der Reizbarkeit als Grundgesetz des Lebens, den 1. November; und Jenner’s, des Vertilgers der Pockenpest, den 14. Mai. § 14. Diejenigen, welche an den Tagen, wo sie eine Vorlesung halten sollten, nicht in die Gesellschaft kommen können, sind verpflichtet, das zunächst auf sie folgende oder ein anderes Mitglied zu veranlassen statt ihrer zu lesen. Sollte er plötzlich verhindert werden zu kommen, so muss er es wenigstens dem Director anzeigen. § 15. Wer ein Vierteljahr nicht in der Gesellschaft erscheint, ohne dass ihn Krankheit oder Abwesenheit abhält, schliesst sich dadurch selbst von der Gesellschaft aus. Quelle: Geschichtliche Darstellung der Hufelandischen Gesellschaft zu Berlin. Berlin 1833, S. 16–17.
III) Revidierte Verfassung der medizinisch-chirurgischen Gesellschaft, 1822 § 1. Der Zweck der Gesellschaft ist: die practische Medicin und Chirurgie nach ihren Kräften zu fördern, und zugleich einen Mittelpunkt collegialischer Vereinigung für Berlin zu bilden. Daher möglichste Entfernung aller äusserlichen Formalitäten, alles Zwangs und Prunks, die am Ende solche Verbindungen so leicht zur blossen Ehrensache machen. Freundschaftliche Mittheilung und innere Thätigkeit soll ihr Charakter sein. § 2. Die Gesellschaft erkennt nur active Mitglieder. Die Zahl derselben ist unbestimmt. Da ihr Zweck kein äusserer, sonderen ein innerer ist, so wählt sie keine Ehrenmitglieder, aber cor respondirende Mitglieder, zur gegenseitigen Mittheilung der Witterungs- und Gesundheits-Constitution entfernter Gegenden, Benachrichtigung von ein-
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Die Hufelandische Gesellschaft
brechenden epidemischen und ansteckenden Krankheiten, neuen Mitteln und Kurmethoden und allen die Heilkunst interessirenden Entdeckungen oder Ereignissen. § 3. Jährlich werden zehn Vor steher der Gesellschaft durch Stimmenmehrheit gewählt. Ihr Geschäft ist, das Wohl der Gesellschaft zu berathen und zu besorgen, neue Mitglieder zu wählen, und neue Gesetze und Einrichtungen vorzuschlagen, die aber erst dem Plenum vorgelegt, und dann durch die Stimmenmehrheit sanctionirt werden müssen. § 4. Aus diesen wird der Director auf Lebenszeit gewählt. Er hat die Obliegenheit, die Sitzungen der Gesellschaft zu eröffnen und zu schliessen, jährlich die Versammlungstage mit den Namen der Vortragenden zu ordnen und den Mitgliedern bekannt zu machen, vorkommende Gegenstände bei den Vorstehern oder bei der Gesellschaft zum Vortrag zu bringen, und die Fremden der Gesellschaft vorzustellen. § 5. Es werden zwei Secretaire gewählt, einer für die innern, der andere für die auswärtigen Geschäfte der Gesellschaft. Dem ersten wird ein Hülfs-Secretair, dem andern zwei zugeordnet. Die Verbindlichkeit dauert zwei Jahre und kann sodann erneuert werden. § 6. Der Secretair für die inneren Geschäfte hat die Obliegenheit, sich bei jeder Versammlung einzufinden, und das Protocoll zu führen, und wenn er behindert ist, sich durch den Hülfs-Secretair vertreten zu lassen. § 7. Die Secretaire für die auswärtigen Geschäfte haben die Obliegenheit, die auswärtige Correspondenz zu führen, und die Berichte von den eingegangenen Nachrichten abzustatten. § 8. Zur Erhaltung der Ordnung in den Versammlungen wird alle Jahre ein Censor gewählt. § 9. Die Aufsicht über die Bibliothek der Gesellschaft und den damit verbundenen Lesezirkel führt ein Bibliothekar, welcher dazu von der Gesellschaft beauftragt ist. Derselbe hat auch die Aufsicht über die Kasse der Gesellschaft, und die Berechnung.
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Berufsständische oder fachspezifische Vereine
§ 10. Alle Vierteljahre können neue Mitglieder aufgenommen werden, und zwar in der Art: 1. Der Aufzunehmende wird dem Director von einem Mitgliede angemeldet. 2. Der Direktor schlägt den Candidaten den Vorstehern vor. 3. Diese entscheiden über ihn, und zwar durch freundschaftliche Beredung. 4. Ist der Candidat zum Mitgliede gewählt, so wird er als solcher der Gesellschaft angezeigt. 5. Wenn die Vorsteher einen Candidaten verwerfen, wird das strengste Stillschweigen darüber beobachtet. § 11. Die Gesellschaft versammelt sich alle vierzehn Tage, und zwar am Sonnabend Abends um fünf Uhr, und ihre Arbeiten fangen eine Viertelstunde nachher an. § 12. Die Ordnung der Beschäftigung der Gesellschaft in jeder Versammlung ist folgende: 1. Bestimmung der herrschenden Gesundheitsconstitution, des Barometer- und Thermometerstandes, der Krankheiten, der Sterblichkeit in den letztverflossenen vierzehn Tagen. 2. Eine Vorlesung oder eine sonstige Mittheilung von Seiten des Mitglieds, an welchem die Reihe ist. 3. Anfragen, Consultationen und Mittheilungen von Seiten der übrigen Mitglieder auf folgende Fragen: Hat jemand einen schweren Kranken, über den er die Meinung und den Beirath der Gesellschaft zu hören wünscht? – Hat jemand einen Fall beobachtet, eine gelungene oder misslungene Kur, die der Gesellschaft interessant sein könnte, und was war die Ursache des Gelingens oder Misslingens, welche Mittel zeichneten sich durch ihre Wirksamkeit oder Unwirksamkeit aus? – Hat jemand Ursachen entdeckt, welche der allgemeinen Gesundheit nachtheilig sind oder werden könnten; oder Mängel in der allgemeinen Gesundheitspflege, welche verbessert werden könnten? – Hat jemand Schwierigkeiten, Lücken oder Widersprüche in den Grundsätzen der ausübenden Kunst gefunden, über die er Auskunft zu haben wünscht oder geben kann? – Hat jemand kürzlich in einem Schriftsteller etwas gefunden, was ihm besonders merkwürdig und der Mit theilung werth erschienen ist? – Glaubt jemand von einem Mitgliede der Gesellschaft in seinen ärztlichen Verhältnissen beleidigt, oder nicht so behandelt zu sein, wie es die Würde einer freien, edlen und wissenschaftlichen Kunst erfordert? Sobald die Sitzung eröffnet ist, darf über nichts anderes gesprochen werden, als worüber deliberirt wird. Während der Vorlesung darf niemand reden, oder den Lesenden unterbrechen. Ebenso bei der Discussion. In allen diesen Fällen ruft der Censor zur Ordnung.
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§ 13. Ein jeder fremde, durchreisende Arzt kann von einem Mitgliede in die Versammlung eingeführt werden, doch muss er entweder vorher angemeldet, oder dem Director in der Versammlung angezeigt und von diesem der Gesellschaft vorgestellt werden. § 14. Hiesige Ärzte, die nicht Mitglieder der Gesellschaft sind und sie doch zu besuchen wünschen, müssen in einer vorhergehenden Sitzung der Gesellschaft durch ein Mitglied angemeldet werden. § 15. Ausgezeichnete Studirende der hiesigen Universität können in dem letzten Jahre ihres Studiums nur von einem Mitgliede für einmal mitgebracht, und müssen auf dieselbe Weise dem Director und der Gesellschaft vorgestellt werden. § 16. Der Stiftungstag, der 1. Februar, wird jährlich von der Gesellschaft durch ein frohes Mahl gefeiert. Jedes Mitglied kann dazu Gäste mitbringen. Außerdem hat sie drei Feste zur Feier dreier Männer, denen die Heilkunst ihre größten Entdeckungen verdankt: Harvey’s, des Entdeckers des Blutumlaufs, den 1. August; Haller’s, des Entdeckers der Reizbarkeit als Grundgesetz des Lebens, den 1. November; und Jenner’s, des Vertilgers der Pockenpest, den 14. Mai. § 17. Diejenigen, welche an den Tagen, wo sie eine Vorlesung halten sollten, nicht in die Gesellschaft kommen können, sind verpflichtet, das zunächst auf sie folgende oder ein anderes Mitglied zu veranlassen, statt ihrer zu lesen. Sollte ein Mitglied plötzlich verhindert werden zu kommen, so muss dasselbe es wenigstens dem Director anzeigen. § 18. Die Gesellschaft sammlet eine Bibliothek, welche vorzüglich aus den besten inländischen und ausländischen periodischen Schriften besteht, die vorher im Lesezirkel den Mitgliedern mitgetheilt werden. Jedes Mitglied macht sich zu einem jährlichen Beitrag von vier Thalern zu diesem Zweck verbindlich, so wie zum Geschenk eines Exemplares der von ihm herauszugebenden Schriften. Quelle: Geschichtliche Darstellung der Hufelandischen Gesellschaft zu Berlin. Berlin 1833, S. 17–19.
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Gesellschaft für Natur- und Heilkunde Die ältesten überlieferten Gesetze der Gesellschaft für Natur- und Heilkunde, 1851 1. Die Gesellschaft hat den Zweck einer wissenschaftlichen, belehrenden und erholenden Unterhaltung und gegenseitigen Belebung, ohne weiteren Anspruch. 2. Die Gesellschaft besteht aus einer unbeschränkten Zahl von Mitgliedern und einem Präsidenten, einem Sekretär und einem Vize-Sekretär als Beamteten auf Lebenszeit. Ihre Mitglieder sind nur ordentliche aktive Mitglieder, die sich in Anwesende und Abwesende durch den Wohnort teilen. 3. Sie versammelt sich am ersten Dienstag jedes Monats abends, jetzt um halb acht Uhr, in einem vom Vorstande beliebig festzustellenden Lokale. 4. Jedes Mitglied hat die Verpflichtung, durch Vorlesung einer wissenschaftlichen Abhandlung oder auf beliebige andere Weise den Stoff zu einer wissenschaftlichen Unterhaltung zu geben. Die Reihenfolge ist nach der Anciennität der Aufnahme. 5. Wer an Übernahme seiner Verpflichtung verhindert ist, zeigt es früh genug seinem Nachfolger an, oder sorgt, daß ein anderes Mitglied seine Stelle vertritt. 6. Nach aufgehobener Sitzung bleibt die Gesellschaft zu einem Abendessen frei beisammen. 7. Die Gesellschaft hat seit dem 6. März 1810 auf Heims Vorschlag sich zum Gesetz gemacht, von Politik nicht zu sprechen. 8. Jedes als in Berlin anwesend betrachtete Mitglied zahlt einen Jahresbeitrag in die Kasse der Gesellschaft, womit das Lokal und der Bote bezahlt, auch die Ausgaben für Druck der Namensverzeichnisse und dergl. bestritten werden. Gewöhnlich soll dieser Beitrag 3 bis 4 Mark nicht übersteigen und wird zum Mai erhoben. 9. Der Sekretär, welcher die Zirkulare besorgt, ist zugleich Rendant der Gesellschaft und legt in der ersten Jahressitzung Rechnung über das verflossene Jahr ab. Durch Aufruf des Präsidenten wird er sofort von 2 Mitgliedern dechargiert.
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Gesellschaft für Natur- und Heilkunde
10. Für die letzte Sitzung jedes Jahres wird im Zirkulare besonders bemerklich gemacht, daß Vorschläge für neue Mitglieder beim Präsidenten eingereicht werden mögen. In dieser Sitzung werden die Namen der Vorgeschlagenen durch den Präsidenten mitgeteilt, die Vorschlagenden werden verschwiegen. In der Regel sollen nur Doctores medicinae zu Mitgliedern vorgeschlagen werden können. Besondere Wissenschaftlichkeit qualifiziert auch andere. 11. In der Januar-Sitzung jedes Jahres, die, wenn der erste Dienstag mit dem ersten Januar zusammenfällt, des Festes halber auf den zweiten Dienstag verlegt wird, werden zuerst die inneren Angelegenheiten der Gesellschaft geordnet. Über vorgeschlagene Mitglieder wird ballotiert. Wünsche über Veränderungen werden besprochen, und das Stiftungsfest im Februar wird festgestellt. Der Rendant legt seine Rechnung vor und wird dechargiert. Nur für den dann folgenden Vortrag sind Gäste zulässig. Über ganz neue Vorschläge zur Mitgliedschaft wird nur dann ballotiert, wenn der Präsident und die sämtlichen anwesenden Mitglieder keine Einwendung machen. 12. Das Ballotieren über aufzunehmende neue Mitglieder geschieht durch weiße bejahende und schwarze verneinende Kugeln. Die 6. Stimme schließt aus, so daß bei 6 Anwesenden eine Verneinung ausschließt, bei 7 bis 12 zwei, bei 13 bis 18 drei, bei 19 bis 24 vier usw. ausschließen. Der Name des Vorschlagenden bleibt auch hier ungenannt, und dem auf diese Art Ausgeschlossenen darf seine Nichtaufnahme auf keine Art bekannt gemacht werden. Der Nichtaufgenommene kann während des folgenden Jahres wieder vorgeschlagen werden. 13. Das aufgenommene neue Mitglied wird vom Sekretär schriftlich von der Aufnahme benachrichtigt und in der Festsitzung im Februar von dem Vorschlagenden als Gast zuerst eingeführt. 14. Auswärtige Fremde können von den Mitgliedern eingeführt werden; Einheimische nicht öfter als 3 mal. Jede Einführung eines Fremden wird dem Präsidenten angezeigt. 15. Die Gesellschaft feiert im Februar jedes Jahres ihr Stiftungsfest durch ein gemeinsames Mittagsmahl, wobei Gäste gern gesehen sind. Quelle: Peter Reichart (Hg.): Die Gesellschaft für Natur- und Heilkunde in Berlin 1810–2010. Festschrift zur Feier ihres 200. Geburtstages am 7. Februar 2010. [Berlin 2010], S. 10–11.
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Militärische Gesellschaft Auszug aus der Verfassung und den Gesetzen der Militärischen Gesellschaft in Berlin nach der Revision im Januar 1803 §. 1. Zweck der Gesellschaft. Der Zweck der Gesellschaft ist: durch wechselseitige Mittheilung in allen Zweigen der Kriegskunst auf eine Art zu belehren; welche, indem sie zur Erforschung der Wahrheit ermuntert, die Schwierigkeiten, so wie die leichtmögliche Einseitigkeit des Privat-Studiums vermeiden laßt, und am besten geeignet zu seyn scheint, Theorie und Praxis in das richtige Verhältnis zu setzen. §. 2. Mitglieder der Gesellschaft. Die Mitglieder der Gesellschaft bestehen aus Königlich-Preußischen Officieren und solchen Civilpersonen, welche entweder eine militärische Lehrstelle bekleiden, oder bey den übrigen mit der Armee in unmittelbarer Verbindung stehenden Civil-Collegiis arbeiten, oder im auswärtigen Departement angestellt sind. Auch abwesende Officiere und zur Aufnahme geeignete Civilpersonen können als Mitglieder Theil an der Gesellschaft nehmen. Fremde Officiere und Civilpersonen sind dagegen von der Gesellschaft ausgeschlossen. §. 3. Organisation der Gesellschaft. Die Gesellschaft hat einen Präses; dieser bestätigt ihre Gesetze, und ohne seine Genehmigung konnen keine Aufsätze gedruckt werden. Der Präses führt die Oberaufsicht über den Geist, der in der Gesellschaft herrscht. Die Ausführung der Beschlüsse, die Leitung der Sitzungen, und aller übrigen Geschäfte, sind einem Mitgliede als Directeur der Gesellschaft aufgetragen. Ein Secretair führt das Protocoll der Sitzungen, so wie die Correspondenz, und hat die Bekanntmachung der Propositionen, und aller an die Gesellschaft eingegangenen Aufsätze zu besorgen. Zur Verwaltung der ökonomischen Geschäfte hat die Gesellschaft unter ihren Mitgliedern einen Regisseur, und zur Aufsicht auf die Bücher und Charten einen Bibliothekar ernannt. Für diejenigen Deliberationen, welche weder wissenschaftliche Gegenstände an sich, noch die innere Verfassung der Gesellschaft betreffen, sondern Bezug auf die Ausführung der Gesetze haben, ist eine Committée von einzelnen Mitgliedern erwählt; zu derselben gehört noch ein jeder abgegangener Directeur während des nächstfolgenden Jahres. Alle Mitglieder der Gesellschaft haben unter sich, und mit dem Präses, Directeur, der Committée etc. in allen übrigen Punkten gleiche Rechte. Die Wahl des Directeurs, des Regisseurs und Bibliothekars geschieht bei dem Anfange eines jeden Jahres. Der Directeur, Regisseur und Bibliothekar können für das folgende Jahr nicht wieder gewählt werden; doch besorgen sie die Functionen der Neugewählten, wenn diese etwa eine Zeitlang abwesend seyn soll56
Militärische Gesellschaft
ten. Aus der Committée treten alle vier Monate zwey durchs Loos bestimmte Mitglieder, welche durch zwey neu gewählte ersetzt werden. §. 4. Mittel zur Ausführung des Zwecks, welchen die Gesellschaft sich vor gesetzt hat. Diese Mittel sind freundschaftliche Unterhaltungen über militärische Gegenstände, und Vorlesungen von Abhandlungen über solche Gegenstände der Kriegskunst, welche in unserer Zeit eine besondere Aufmerksamkeit verdienen, und Beziehung auf die Verrichtung des Officiers im Kriege haben. Die anwesenden Mitglieder der Gesellschaft kommen in dieser Absicht wöchentlich einmal zusammen. Es wird in jeder Sitzung bestimmt, womit man sich in der nächstfolgenden unterhalten und beschäftigen will, damit man im voraus über den bestimmten Gegenstand seine Gedanken sammeln kann. Ohne Vorlesung über einen militärischen Gegenstand, an welchen die Discussionen und freundschaftlichen Unterhaltungen sich anknüpfen können, findet keine Zusammenkunft statt. §. 5. Fortsetzung. Die Gesellschaft hat sich ihre Arbeiten und die Art und Weise, wie die gegenseitige Belehrung der Mitglieder geschehen soll, ganz bestimmt vorgeschrieben: 1) Diese Arbeiten bestehen in Verfertigung von militärischen Aufsätzen, welche zur Belehrung und zur Veranlassung freundschaftlicher Auswechselungen von Ideen und Meinungen in der Gesellschaft abgelesen werden. Ein jedes Mitglied, welches die Gesellschaft mit einem Aufsatze unterhalten will, zeigt dieses vorher dem Directeur oder Secretair an, und übergiebt ihn dem erstern einige Tage vor der Vorlesung; der letztere theilt diese Anzeige der Gesellschaft mit, und nach der Folge dieser Anzeigen werden die Aufsätze vorgelesen. 2) Eine andere Unterhaltung der Gesellschaft besteht in der Vorlesung von Beantwortungen, Auflösungen und Ausarbeitungen militärischer Anfragen, welche sich die Mitglieder selbst untereinander vorlegen. Dies geschieht auf nachstehende Weise. Ein jedes Mitglied, welches glaubt, daß die Erörterung irgend eines Gegenstandes der Gesellschaft von einigem Interesse seyn könnte, proponirt, ohne sich zu nennen, denselben zur Bearbeitung, indem es seine Propositionen auf einen Zettel schreibt, und in den Ballotier-Kasten wirft. Auch ganz kurze Anfragen und Beantwortungen gehören hierher, wenn sie nur einen Gegenstand von einigem Interesse betreffen. Die Committée ist ausdrücklich verpflichtet, auf passende Gegenstände dieser Art aufmerksam zu machen. Es ist festgesetzt, daß eine jede Anfrage oder Aufgabe sobald als möglich beantwortet wird. Da es übrigens sehr willkommen seyn muß, wenn mehrere Mitglieder zugleich einen und denselben Gegenstand bearbeiten, so wird nicht angezeigt, ob jemand die Beantwortung schon übernommen habe, um die Mittheilung verschiedener Ansichten nicht zu hindern. 3) Ferner findet die Gesellschaft Stoff zu ihrer Unterhaltung und Belehrung in den Anzeigen und Recensionen neuer militärischer Werke; denn es ist ein Gesetz, daß über alle neuen militärischen Werke von einigem Werthe in der Gesellschaft Nachricht er57
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teilt wird. Der Directeur hat die Verpflichtung, dahin zu sehen, daß man keines übergeht. Die Anzeigen und Recensionen dieser Werke übernehmen die Mitglieder. Der Directeur beredet sich mit ihnen hierüber, sobald irgend ein militärisches Werk von einigem Werthe erschienen ist. Es werden hierbei mehrere Stellen aus dem neuen Buche vorgelesen, wenn der Recensent glaubt, daß sie der Gesellschaft zu Unterhaltung und Belehrung dienen möchten, und es sonst an Aufsätzen fehlt. Die Anzeige und Recension eines Werkes von einem Alphabet darf nicht über ½ gedruckten Bogen und bey einem sehr interessanten Buche, wo Auszüge statt finden können, nicht über ½ Bogen betragen. Bey ausländischen, seltenen und sehr kostbaren Werken wird auf den Vorschlag der Committée ein Auszug von bestimmter Größe gemacht. Giebt ein Buch Veranlassung zu weitläufigeren Betrachtungen, als hier der Raum gestattet, so werden diese abgesondert, als Abhandlung, der Gesellschaft vorgelesen. Bey den Recensionen aller Werke, und vorzüglich bey solchen, welche preußische Officiere zu Verfassern haben, wird die größte Delicatesse beobachtet. 4) Noch sucht die Gesellschaft eine nützliche und zu ihrem Plan abzweckende Unterhaltung durch die Bearbeitung der Geschichte eines interessanten Feldzuges herbey zu führen, und hierzu sind die Wintermonate, vom December an, bestimmt. Sie wählt dazu einen solchen, welcher durch Charten, Plane, und durch umständliche Nachrichten eine genaue Beleuchtung verstattet. Einige Mitglieder liefern die topographischen Uebersichten und Details; andere übernehmen die Erläuterung des Operations-Plans und der Beweggründe bey den verschiedenen Operationen; und noch andere die Auseinandersetzung und Erörterung einzelner Vorfälle in demselben. Der Directeur und Bibliothekar sorgen für alle hierzu erforderlichen Hülfsmittel von Charten, Planen etc. Umständliche Betrachtungen über die Operationen eines Feldzuges oder die in demselben vorgefallenen Schlachten u.s.w. werden schriftlich verlesen, und, so wie die übrigen einzelnen Aufsätze, vorher angezeigt. Damit die Mitglieder sich zu dieser Unterhaltung vorbereiten können, so bestimmt die Gesellschaft zu Anfange des Novembers in jedem Jahre; welcher Feldzug gewählt werden soll, wer die vorerwähnten Rubriken bearbeitet, in welcher Sitzung sie vorkommen u.s.w. und giebt hierüber gedruckte Avertissements, wie es im November 1802 geschehen ist. 5) Endlich findet noch zur Aufmunterung für Arbeiten bey der Gesellschaft eine Art Preisschriften statt, welcher aber, dem Character gemäß, der die Gesellschaft beherrscht, nur durch eine gesetzliche Preisformel ausgezeichnet werden dürfen. §. 6. Fortsetzung. Damit die Aufsätze und Ausarbeitungen, Auflösungen und Beantwortungen der Aufgaben jedem Mitgliede recht nützlich, und den Abwesenden mitgetheilt werden können, so läßt sie die Gesellschaft drucken. Sie hat aber sich hierbei folgende Gesetze gemacht: 1) Daß ein jedes Mitglied durch den Eintritt in die Gesellschaft sich auf Ehre verpflichtet, diese Aufsätze keinem andern mitzutheilen; und um diesen Zweck desto sicherer zu 58
Militärische Gesellschaft
erreichen, wird vor jedem Hefte der Denkwürdigkeiten dieses Gesetz von neuem abgedruckt. 2) Daß nur solche Aufsätze gedruckt werden, welche nicht unmittelbar die Vertheidigung und den Angriff der Preußischen Staaten betreffen, oder sonst etwas enthalten, welches die Gränzen des Wirkungskreises, den die Gesellschaft sich vorgesetzt hat, überschreiten würden. Die Committée der Gesellschaft hat die Verpflichtung, die zu druckenden Aufsätze in dieser Hinsicht zu untersuchen, und diejenigen zum Druck auszuwählen, welche ein allgemeines Interesse haben. 3) Es hängt von dem Verfasser eines jeden Aufsatzes ab, ob er ihn der Gesellschaft zum Drucke übergeben will. Hat er ihn einmal hierzu bestimmt, so darf er ihn weder anderswo drucken lassen, noch zur Mittheilung an Fremde sich eines gedruckten Exemplars der Denkwürdigkeit bedienen. 4) Der Directeur besorgt den Druck, welcher von drei zu drei Monaten geschieht, und trift die Veranstaltung, daß keine Exemplare in andere Hände, als die der Mitglieder der Gesellschaft, kommen. Die Gesellschaft hat überdies unter den Mitgliedern noch zwei Redacteurs, welche für die äußere Form der Aufsätze und für die Richtigkeit des Drucks sorgen. 5) Der Secretair schickt jedem Mitgliede ein Exemplar, sobald der Druck eines Hefts vollendet ist, versiegelt zu. 6) Diejenigen Mitglieder, welche nach Erscheinung mehrerer Hefte der Denkwürdigkeiten in die Gesellschaft treten, müssen, wenn sie die vor ihrem Eintritt erschienenen besitzen wollen, das Stück mit acht Groschen bezahlen. §. 7. Fortsetzung. Außer den Aufsätzen, kleinen Ausarbeitungen und Beantwortungen von Anfragen, und den Anzeigen und Recensionen neuer Bücher, wird ein Auszug aus dem Protocoll der wöchentlichen Sitzungen gedruckt. Dieser Auszug wird Nachricht geben von dem, was in der Sitzung abgehandelt ist, und die vorzüglichsten Bemerkungen enthalten, welche über diesen oder jenen Gegenstand gemacht sind, ohne jedoch dabei ein Mitglied zu nennen. §. 8. Verhältnis der abwesenden Mitglieder, in Rücksicht der Arbeiten für die Gesellschaft und der gegenseitigen Belehrung. Die abwesenden Mitglieder nehmen auf folgende Weise an der Gesellschaft Antheil: 1) Sie erhalten alle Anfragen und Aufgaben, welche die Gesellschaft sich giebt; sie schicken selbst dergleichen, es sey unter ihrem Namen, oder anonymisch, an den Secretair ein, welcher sie der Gesellschaft mittheilt. 2) Sie geben Beantwortungen und Auflösungen auf die gegebenen Anfragen und Aufgaben, wenn sie es für gut finden, und diese werden entweder anonymisch oder unter ihrem Namen in der Gesellschaft verlesen, und wann sie es bewilligt haben, so wie die der anwesenden Mitglieder nachher gedruckt. 59
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3) Jedes abwesende Mitglied erhält, so wie die anwesenden, ein Exemplar der Denkwürdigkeiten, und was sonst die Gesellschaft drucken läßt. 4) Wenn die abwesenden Mitglieder der Gesellschaft Aufsätze übergeben, so werden diese in derselben vorgelesen, und auf den Fuß gedruckt, wie es bei den Aufsätzen der anwesenden Mitglieder geschieht. 5) Wenn abwesende Mitglieder eine kurze Zeit in Berlin sind, so nehmen sie Antheil an der Gesellschaft; sie haben aber nicht das Stimmrecht. Dauert ihr Aufenthalt länger als einen Monat, so treten sie für diese Zeit in die Rechte der anwesenden, unterwerfen sich auch den Obliegenheiten derselben. §. 9. Das Formale der Sitzung. Die Gesellschaft versammelt sich wöchentlich einmal (alle Mittwoche) um 5 Uhr Nachmittags, und um 6 Uhr geht die Sitzung unter Leitung des Directeurs an. Zuerst wird das Protocoll der letzten Sitzung von dem Secretair verlesen, um es zu berichtigen, wenn dies erforderlich seyn sollte; darauf zeigt dieser die eingegebenen Propositionen an. Haben Mitglieder selbst etwas vorzutragen, oder wollen sie über gethane Vorschläge ihre Meinung sagen, so geschieht es jetzt. Hierauf wird zu der Vorlesung der Aufsätze oder Beantwortung auf Aufgaben und Anfragen geschritten. Derjenige, welcher die Vorlesung hält, theilt sie so viel als möglich in Ruhepunkte, und hält hier einen Augenblick im Lesen an, um den Mitgliedern Veranlassung zu geben, ihre Meinung über den vorgekommenen Gegenstand zu äußern, und dadurch ihn noch mehr zu erläutern und aufzuklären. So oft es angeht, giebt der Vorlesende durch beiläufige Bemerkungen hierzu Gelegenheit. Hierbei ist aber festgesetzt, daß niemand anders reden kann, als zur ganzen Gesellschaft. Redet jemand zu seinem Nachbar, so fordert der Secretair den Redner mit einer Klingel zur Fortsetzung der Vorlesung auf. Jeder, der einen Aufsatz vorliest, muß ihn so einrichten, daß um 8 Uhr die Sitzung geendigt seyn kann. Ein Aufsatz, der nicht in einer Stunde, ununterbrochen fortgelesen, geendigt ist, füllt mehrere Sitzungen aus, und muß dazu zweckmäßige Abtheilungen haben. Bei kleineren Aufsätzen werden noch Anzeigen und Recensionen vorgelesen. Damit bei der Vorlesung ein jedes Mitglied die etwa nöthigen Plane und Charten nachsehen kann, so vertheilt der Bibliothekar dieselben vor der Sitzung auf den Tischen. Fehlt es an mehreren Exemplaren, so wird eine Skizze derselben auf die Tafel verzeichnet, dies besorgt der Directeur. §. 10. Aufnahme der anwesenden Mitglieder. Die Anzahl der anwesenden Mitglieder ist vorläufig auf fünfzig bestimmt. Die Committée macht der Gesellschaft bemerklich, auf welche Branche der militärischen Wissenschaften man bey der Wahl neuer Mitglieder zu sehen habe. Ohne Einschickung eines militärischen Aufsatzes kann Niemand in die Gesellschaft treten. Ein solcher Aufsatz wird anonym mit dem Namen in einem versiegelten Zettel an den Secretair geschickt. Findet die Gesellschaft den Aufsatz gut, so wird der Zettel ge60
Militärische Gesellschaft
öffnet; sonst aber in Gegenwart des Directeurs und zweier Mitglieder der Committée verbrannt. Im ersteren Fall wird acht Tage nachher über seine Aufnahme ballotirt. Bei Prinzen vom Hause, Regiments Chefs, und General-Adjutanten Sr. Majestät des Königs findet indeß kein Wahl statt, ihr Wunsch entscheidet. §. 11. Aufnahme der abwesenden Mitglieder. Jeder Officier, welcher sich mit den Kriegswissenschaften beschäftigt, und darin einige Fortschritte gemacht hat, eignet sich zu dieser Klasse der Mitglieder der Gesellschaft. Die Aufnahme geschieht hier eben so, wie bei den anwesenden Mitgliedern, und es wird also die Einschickung eines Aufsatzes erfordert. Bei Stabs-Officieren findet jedoch keine Wahl statt; ein jeder, der an der Gesellschaft Theil zu nehmen wünscht, ist Mitglied derselben. §. 12. Allgemeine Verpflichtungen in der Gesellschaft. Ein jedes Mitglied unterschreibt beim Eintritt in die Gesellschaft die Verpflichtungen, welche es gegen die Gesellschaft zu beobachten hat, und erhält von dieser eine gegenseitige Ausstellung. §. 13. Oekonomische Verfassung. Bei dem Eintritt in die Gesellschaft zahlt jedes Mitglied einen Friedrichsd’or, zum Fonds der Gesellschaft; in der Folge trägt jedes anwesende Mitglied monatlich einen Thaler, und jedes abwesende einen halben Thaler, zur Bestreitung der Ausgaben der Gesellschaft bei. Diese bestehen in folgenden: 1) in der Miethe für einige Zimmer, in denen die anwesenden Mitglieder wöchentlich einmal zusammenkommen; 2) in der Anschaffung solcher neuen Bücher, in französischer oder englischer Sprache, von welchen die Gesellschaft glaubt, daß sie für sie ein besonderes Interesse haben möchten; 3) in den Kosten, welche der Druck der in der Gesellschaft verlesenen Aufsätze erfordert. Sollte ein Mitglied in der Bezahlung dieser Beiträge zuruckbleiben, so wird es dreimal daran erinnert; das drittemal wird ihm zugleich angezeigt, daß er fernerhin nicht mehr die Denkwürdigkeiten erhalten werde, wofern er nicht in vier Wochen alles berichtige. Geschieht dies dennoch nicht, so wird, wenn nicht Unvermögenheit ihn entschuldigt, angenommen, daß er aus der Gesellschaft treten wollte, und es finden alsdann die im folgenden § bemerkten Verhältnisse statt. Von dem Antrittsgelde, und den Beiträgen sind diejenigen Mitglieder befreit, welche wegen ihrer äußeren Verhältnisse nur wenigen Anteil an der Gesellschaft nehmen können. Beim Schlusse des Jahres legt der Regisseur die Rechnung des verflossenen Jahres im Detail der Committée vor. Sie wird zugleich von dem Directeur unterschrieben. Ein Auszug derselben, wird gedruckt. 61
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§. 14. Austritt aus der Gesellschaft. Wenn ein Mitglied den Preußischen Militär-Dienst verläßt, so kann es dennoch ferner zur Gesellschaft gehören, wenn es in den Preußischen Staaten wohnt, und die Gesellschaft seine fernere Theilnahme wünscht. Tritt es aber in fremde Dienste, so hört es auf, mit der Gesellschaft in Verbindung zu stehen, und liefert die ihm als Mitglied zugeschickten Papiere und Denkwürdigkeiten ab. Auch geschieht dies, wenn ein Mitglied sonst aus der Gesellschaft zu treten für gut findet. Von einem verstorbenen Mitgliede werden die Denkwürdigkeiten folglich zurückgefordert; denn es ist ein Grundsatz der Gesellschaft, daß die Denkwürdigkeiten für kein Eigentum des Einzelnen angesehen werden können, sondern den Mitgliedern nur zum Gebrauch geliehen sind. Quelle: Georg Heinrich Klippel: Das Leben des Generals von Scharnhorst. Nach größtentheils bisher unbenutzten Quellen dargestellt. III. Theil, Beilage zum 5. Buch, Leipzig 1871, S. 255–262. – Dass. in: Denkwürdigkeiten der Militärischen Gesellschaft zu Berlin. Neudruck der Ausgabe Berlin 1802–1805. Mit einer Einleitung von Joachim Niemeyer. Bd. 1, Osnabrück 1985, Anlage I, S. XXVII–XLI.
Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin I) Plan und Gesetze der Gesellschaft Naturforschender Freunde, 1774/1784 Die hiesige Gesellschaft Naturforschender Freunde, zu deren Stiftung der selige D. Martini durch einen, in den hiesigen Neuen Mannigfaltigkeiten S. 37 bis 41 bekannt gemachten und mit einigen hiesigen Freunden verabredeten Entwurf die erste Veranlassung gegeben, hielt am 9ten Julius 1773 die erste Berathschlagungsversammlung, und rechnet, weil noch an selbigem Tage die ersten Grundregeln der Gesellschaft, mit allgemeiner Einstimmung der versammleten Freunde, festgesetzet wurden, von diesem Tage an den Zeitpunkt ihrer Entstehung. Da in so wohl eingerichteten und glücklichen Staaten, als der unsrige, jede beträchtliche gesellschaftliche Verbindung dem Staate selbst bekannt gemacht werden muß; so war auch die erste Sorge der hiesigen Mitglieder dahin gerichtet, einem hohen Staatsrath sogleich die Absicht und Einrichtung unsers Institutes unterthänig zur Prüfung und zur Genehmigung vorzulegen. Wir waren auch so glücklich, daß uns in einem gnädigsten Rescript vom 25ten Oktober 1773, zu Verschickung gedruckter Diplome an auswärtige Kenner und Freunde der Natur, als einer Privatgesellschaft Naturforschender Freunde, sogleich ein eignes Gesellschaftliches Siegel zugestanden und unser Institut genehmiget wurde. Wie vielen Einfluß das Studium der Natur auf die Herzen und Seelen ihrer Verehrer habe, wie kräftig diese Wissenschaft sey, alle Anhänger derselben aufs freundschaftlichste zu vereinigen, davon geben die Verzeichnisse der günstigen Beförderer unseres Ins62
Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin
tituts, unserer Büchersammlung, unseres Naturalienkabinetts und die Vorreden zu den vier Bänden der Beschäftigungen und die 5 Bände der Schriften unserer Gesellschaft ohnstreitig die redensten Beweise. In den vorzüglichsten Deutschen Provinzen so wohl, als in Dännemark, Schweden, Norwegen, Rußland, Pohlen, Engelland, Holland, in der Schweiz, Italien, Frankreich, Ungarn, Siebenbürgen und in den meisten Europäischen Reichen, – allenthalben fanden wir, in dieser Absicht, einerley Gesinnungen, allenthalben – in der Folge sogar in den übrigen Welttheilen – die gefälligsten Freunde der Natur und ihrer Verehrer. Da die freundschaftliche Bande der Naturliebe, durch Vermittelung edeldenkender, patriotischer Freunde, schon viel erhabne Gönner und große Gelehrte, sowohl Europens, als aller übrigen Welttheile in unser Interesse gezogen; so hoffen wir zuversichtlich, der Natur durch diesen Umweg manchen verborgnen Schatz abzugewinnen, auch hier und da noch eine fremde Seite derselben kennen zu lernen. Die Schätze der Natur sind in allen Welttheilen vertheilt. Man wünscht von ihnen so viel Kenntniß, als möglich, zu erlangen. Wer kann indessen allenthalben selbst gegenwärtig seyn? Zu Erreichung des erwünschten Zweckes bleibt also nichts Vortheilhafteres übrig, als Freunde, die allenthalben, wo wir selbst nicht hinkommen können, für uns sehen, hören, betrachten, ur theilen etc. und eben dieses wechselseitig von uns erwarten. Unsre Dankbarkeit gegen die vielen Edeln, welche diesen Zweck bisher so rühmlich befördern helfen, ist ohne Grenzen. Damit aber diejenigen Naturforscher, welche Ihre rühmlichen Bemühungen und ausgebreiteten Kenntnisse mit den unsrigen gern vereinigen wollen, auch von den Absichten, der Einrichtung und jetzigen Beschaffenheit unsrer Gesellschaft Sich näher unterrichten können, so haben wir jedem zu überschickenden Diplom einen Abdruck unserer Gesetze und Verzeichnisse der jetzigen Mitglieder beyfügen wollen. Diejenigen aber, welche genauere Nachrichten von der Entstehung und Aufnahme unsres Instituts zu erlangen wünschen, müssen wir der Kürze halber auf die Vorreden der 4 Bände der Beschäftigungen und der 5 Bände der Schriften unsrer Gesellschaft verweisen. I. Der Hauptzweck der hiesigen Gesellschaft Naturforschender Freunde ist ein gemeinschaftliches Bestreben aller Mitglieder, die Erscheinungen und Merkwürdigkeiten der Natur genau kennen zu lernen, die Naturgeschichte in ihrem ganzen Umfange, besonders aber die Naturgeschichte unserer Lande, mit Beyhülfe einer guten Naturlehre, fleißig zu studiren und diese Kenntnisse – zum Nutzen ihrer Nebenmenschen – anzuwenden und bekannt zu machen. II. Diesem zufolge werden zu ordentlichen Mitgliedern auch nur solche Männer angenommen, die nicht allein wahre Liebhaber der Natur sind, auch schon beträchtliche Kenntnisse von den Merkwürdigkeiten derselben besitzen, sondern auch selbst natür63
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liche Seltenheiten, optische und physische Instrumente, Präparata u.s.w. sammlen und ihre Kenntnisse nach Möglichkeit zu erweitern und gemeinnütziger zu machen bemühet sind. III. Aus wohl überlegten Ursachen ist als ein Grundgesetz angenommen, daß nicht mehr als zwölf ordentliche Mitglieder zugleich, aber wohl weniger seyn können, und daß diese nur durch eine freie und einstimmige Wahl dazu aufgenommen werden können. Auch ist festgesetzt, daß vorzüglich bey der Wahl der ordentlichen Mitglieder nicht allein auf wahre Gelehrsamkeit, nützliche Kenntnisse und auf thätigen, fortdauernden Fleiß, sondern auch und vorzüglich auf die edlen Vorzüge eines rechtschaffenen Herzens gesehen werden müsse, weil sonst die so unentbehrliche Einigkeit und alle Annehmlichkeiten unsrer Versammlungen bald gestöhrt werden dürften. IV. Die Gesellschaft versammlet sich alle Dienstage in der einmal abgeredeten Folge bey einem ordentlichen Mitgliede nach dem andern. Die Zeit ihrer Zusammenkunft und nöthigen Berathschlagungen ist von drey bis sechs, die Zeit zu den Vorlesungen aber von sechs Uhr an bestimmt. V. Da durch den zunehmenden Wachsthum unsrer Gesellschaft sich die Geschäfte derselben, sowohl bey Abwartung der Korrespondenz, als bey Besorgung der innern Angelegenheiten derselben so sehr vermehret haben und so viel Aufmerksamkeit und Thätigkeit erfordern, daß Einer von uns, die wir außerdem unsere bestimmte Berufsgeschäfte haben und diese vorzüglich abwarten müssen, solchen nicht allein mehr vorstehen kann; so ist das anfänglich angeordnete beständige Sekretariat gänzlich aufgehoben und statt dessen die Besorgung aller gesellschaftlichen Angelegenheiten unter die ordentlichen Mitglieder vertheilt worden. Zu dem Ende hat man die Einrichtung getroffen, daß zur Erhaltung der Ordnung und zur Besorgung der allgemeinen gesellschaftlichen Angelegenheiten, Einer von uns, einen Monat lang, das Direktorat führt, welches nach der Reihe abwechselt, und daß die Korrespondenz von uns allen, jedoch von jedem in seinem besonders übernommenen Fache, im Namen der Gesellschaft geführt wird. VI. Jedes Mitglied, von welchem Stand es auch sey, hat, während unserer Zusammenkunft so wohl, als in allen, die Gesellschaft betreffenden Angelegenheiten, mit allen übrigen gleichen Rang und gleiche Rechte, auch Jedes, bey Wahlen und Berathschlagungen mehr nicht, als eine Stimme; daher man auch gleich Anfangs die Ordnung unter uns nicht anders, als durchs Loos entscheiden wollen. In so fern aber dadurch weder diese 64
Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin
allgemeine Gleichheit unter den Mitgliedern gestöret, noch die gesellschaftliche Freyheit im geringsten eingeschränket wird, ist, um der bessern Ordnung willen, dem jedesmaligen Direktor der Vorsitz eingeräumt, und wird von ihm der Vortrag durch Vorlesung der eingegangenen Briefe und durch andere nöthige Vorschläge eröffnet, worauf die übrigen Mitglieder nach der Ordnung mit ihren Bemerkungen folgen. VII. Da sich indessen die Beobachtungen der Natur an einerley Ort und in einem Lande nicht immer sonderlich hoch treiben lassen; so ist es unumgänglich nöthig befunden worden, in allerley Gegenden und Ländern Gönner und Freunde zu haben, die sich unserer Absichten mit Eifer annehmen, uns mit Nachrichten und Seltenheiten ihres Vaterlandes und ihrer Kabinette unterstützen und uns gern in den Stand setzen wollen, durch unsere Vereinigung mehr zur allgemeinen Kenntniß und Nutzen bewirken zu können. Auswärtige Ehrenmitglieder also, die sich entweder schon als ämsige Naturforscher bekannt gemacht haben, oder wenigstens große Sammlungen besitzen, auch unser Tagebuch und Kabinett mit allerley auserlesenen Merkwürdigkeiten, unsre Schriften aber mit nützlichen Aufsätzen bereichern könnten, werden auf den Vorschlag eines Mitgliedes an die Gesellschaft selbst, durch ein gedrucktes und mit dem gesellschaftlichen Siegel bezeichnetes Diplom zur thätigen Theilnehmung an unsern Bemühungen und guten Absichten in unsre Gesellschaft aufgenommen. VIII. Sämmtliche vereinigte Freunde der Natur haben es als eine, aus dem VIIten Artikel fließende Pflicht anzusehen, künftig von Ihren auswärtigen gelehrten Freunden und Liebhabern der Natur so viel brave Männer uns und unserm Vorhaben, (doch ohne ausdrückliche Forderung einer unbezweifelten Wahl derselben zu Ehrenmitgliedern,) günstig zu machen, als der Umfang ihrer Bekanntschaften erlaubt; bey dem Vorschlage zu Mitgliedern aber auch auf Güte des Herzens besondere Rücksicht zu nehmen. IX. Die Wahl eines jeden Ehrenmitgliedes, es mag ein hiesiger oder ein auswärtiger Gelehrter seyn, wird allemal durch die mehresten Stimmen, und zwar, zu Vermeidung aller dabey möglichen Bedenklichkeiten, durch weiße und schwarze Kugeln festgesetzet. Jede bevorstehende Wahl wird daher, vor der Wahlversammlung, allen Mitgliedern gemeldet, damit, wo möglich, bey der dazu bestimmten Zusammenkunft Niemand fehle. Fügt sichs hernach, daß dennoch ein oder das andere Mitglied abgehalten wird, gehörig zu erscheinen; so kann desselben Stimme, die Verhinderung mag Namen haben wie sie wolle, bey dieser Gelegenheit nicht in Betrachtung gezogen werden; es müßte denn einem vertrauten Freunde aus der Gesellschaft das Votum übergeben haben.
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X. Zur Erleichterung der Korrespondenz, die itzt von mehrern besorgt werden muß, und aus Ueberzeugung, daß unsren auswärtigen Freunden ebenfalls mehr an dem Wohl und Aufnahme der ganzen Gesellschaft und an thätigem Eifer in Beförderung unsers gemeinnützigen Endzwecks gelegen ist, als an persönlichen Komplimenten und an der ängstlichen Beobachtung der schon längst von allen edeldenkenden Männern verabschiedeten Briefkurialien, haben wir für rathsam erachtet, solche in unsern Briefen künftig gänzlich bey Seite zu setzen und nur auf die Sachen zu sehen. Die Briefe werden im Namen der Gesellschaft abgefaßt und statt der persöhnlichen Unterschrift mit der Signatur: Die Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin. vom jedesmaligen Direktor versehen und mit dem gesellschaftlichen Siegel versiegelt und abgeschickt. Wir bitten daher unsere hochgeschätzte Freunde und günstige Beförderer, in ihren Briefen an uns ebenfalls die lästigen Brieftitel gefälligst zu unterlassen und künftig Ihre Briefe nur mit der Aufschrift: An die Gesellschaft naturforschender Freunde in Berlin abzusenden. Bey starken Paketen aber und Naturalien, die mit Gelegenheit oder durch Fuhrleute geschickt werden, ist es nöthig, daß solche noch außerdem an den Herrn Rendant Siegfried oder an ein anderes Ihnen schon bekanntes ordentliches Mitglied addressirt werden. XI. Alle von gegenwärtigen Mitgliedern vorgelesene Aufsätze, Nachrichten, Beobachtungen und Abhandlungen werden zwar in den Beylagen zum Tagebuch der Gesellschaft gesammlet und aufbehalten; das Eigenthumsrecht seiner Aufsätze wird aber jedem Verfasser in sofern überlassen, als er nicht seine Vorlesungen für die Sammlung unsrer Gesellschaftlichen Schriften ausdrücklich bestimmt hat. Im letzten Fall wird sie zwar unter die zum Druck bestimmten Aufsätze gelegt, aber doch mit dem Vorbehalt, ehe man sie drucken läßt, allen ordentlichen Mitgliedern vorher nochmals zur Prüfung und schriftlichem Gutachten mitgetheilt zu werden. XII. Von auswärtigen Mitgliedern ist wohl zu vermuthen, daß wir von Ihnen keine andere Nachrichten oder Abhandlungen erhalten werden, als die Sie zu Beyträgen für die Schriften der Gesellschaft willkürlich zu widmen beliebet. Indessen behält sich die Gesellschaft hierbey das Recht vor, nach gehöriger Prüfung mit solchen eingeschickten Aufsätzen allemal ihren Einsichten gemäß schalten oder darin nöthige Abänderungen machen zu dürfen. XIII. Um den auswärtigen geneigten Beförderern unsers Institutes die Wahl der einzuschickenden Beyträge zu erleichtern, versichern wir, daß uns nicht bloß Nachrichten von ganz unbekannten oder unbeschriebnen, sondern auch richtigere Beschreibungen und 66
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Provinzialbennungen oder Abbildungen von bereits bekannten Körpern, Wahrnehmungen an Thieren, von ihrer Oekonomie und Einrichtung, Beschreibungen unbekannter Urstücke zu den Versteinerungen, chemische Untersuchungen seltner oder nutzbarer Produkte, nebst Bestimmung ihrer Anwendung zu allgemeinem Nutzen, auch andere noch nicht bemerkte Erscheinungen; Erfindungen und Verbesserungen gemeinnütziger physischer Maschinen oder Instrumente, Erläuterungen merkwürdiger Lufterscheinungen und alles, was in der Naturgeschichte des Himmels und der Erde noch nicht hinlänglich erkläret ist, höchst willkommen seyn werden. XIV. Auswärtigen Mitgliedern, wenn Sie nach Berlin kommen, und Sich deshalb vorher entweder beym dermaligen Direktor oder bey dem Wirthe melden, ist allezeit in den Vorlesestunden von 6 bis 7 Uhr ein Sitz in unsern Versammlungen aufbehalten. Sind aber andere gelehrte durchreisende Fremden uns von auswärtigen Mitgliedern empfohlen, so werden solche von demjenigen Freunde, wo sie sich zuerst gemeldet, dem Direktor persönlich oder schriftlich vorgestellet, und können dann in der nächsten Versammlung, wenn sie sich vorher dem jedesmaligen Wirthe bekannt gemacht haben, von 7 Uhr, an unserm geselligen Umgange Theil nehmen. XV. Dem Zweck einer jeden vernünftigen, besonders aber unserer freundschaftlichen Verbindung, ist es gemäß, daß alle Glieder derselben, ohne Rücksicht auf gewisse Vorzüge, die Stand, Ansehn oder Geburt gewähren, sich mit ungeheuchelter Hochachtung, auch aufrichtiger Freundschaft, einander zugethan sind. Man kann also schon als eine Folge so rechtschafner Gesinnungen voraussetzen, daß die ganze Gesellschaft sich nicht allein die Erweiterung der Naturkenntniß überhaupt ernstlich angelegen seyn lassen, sondern daß auch jedes Mitglied insbesondre sich ernstlich bestreben werde, dem andern in seinem vorzüglich eignen und hauptsächlichen Fache mit einer großmüthigen und liebevollen Bereitwilligkeit, allen möglichen Vortheil und Nutzen zu stiften. XVI. Der 6te Julii, als der Stiftungstag unserer Gesellschaft, wird alle Jahre gefeyert. XVII. Da wir zusammen eine Privatgesellschaft Naturforschender Freunde ausmachen, und daher als Freunde, an den Schicksalen so wohl als an den gelehrten Beschäftigungen unserer sämmtlichen Mitglieder herzlichen Antheil nehmen; so ist nichts natürlicher, als daß wir von den hauptsächlichsten Lebensumständen und gelehrten Bemühungen unserer entfernten Gönner und Freunde näher unterrichtet zu werden wünschen. Es ist also eine billige Pflicht unsrer auswärtigen Mitglieder, uns eine kurze Nachricht von ihren hauptsächlichsten Lebensumständen und von ihren gelehrten Bemühungen bey 67
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Zeiten einzusenden; damit Sie und Ihre Verdienste, in einem unverhoften Todesfall in fortdauerndem rühmlichen Andenken bey uns bleiben und in unsern Schriften bekannter gemacht werden können. XVIII. Gleich am Tage der Stiftung ward die Grundlage zu einer gesellschaftlichen Bibliothek und Naturaliensammlung gemacht, welche in eigenen dazu gemietheten Zimmern aufbewahret werden, und worüber zwey Mitglieder die Aufsicht haben. Jedes Mitglied schenckt hierzu ein nützliches physikalisches Buch, vornemlich aber auch alle diejenigen Schriften, die Er entweder als eigne oder unter Seiner Aufsicht gedruckte Werke schon herausgegeben hat oder noch zu schreiben gedenkt. Außer den Beiträgen der hiesigen Mitglieder zum allgemeinen Kabinette, verspricht sich die Gesellschaft, nach der bisherigen angenehmen Erfahrung, den wichtigsten Zuwachs von der Güte und Freigebigkeit ihrer auswärtigen Freunde, die so wohl Naturaliensammlungen aus ihren und andern Ländern besitzen, als auch die Naturschätze ihrer Gegenden eifrigst studiren und von dem edlen Triebe zur Gemeinnützigkeit und liebreichen Mittheilung beseelet werden. Wir müssen aber, um den Hauptnutzen nicht zu verfehlen, angelegentlichst bitten, bey Uebersendung der Naturalien aller Art, solche mit Nummern zu bekleben und in einem Verzeichnisse ihren klassischen Namen oder wenigstens deren Provinzialbenennungen und den Ort, wo sie gefunden worden, anzugeben: weil es uns unmöglich ist, letztere zu kennen; und wir hoffen zugleich dadurch ein möglichst vollständiges Verzeichniß der unterschiedenen, in verschiedenen Ländern, üblichen Benennungen von einerley Körpern sammlen, und dereinst zum allgemeinen Nutzen davon einen guten Gebrauch machen zu können. XIX. Briefe und größere Packete oder Naturalien werden unter den Nr. VI angegebenen Ueberschriften so viel möglich frey eingesendet oder mit schicklicher Gelegenheit der Messen oder andrer guten Freunde an uns befördert: weil wir zur Bestreitung aller Ausgaben keinen andern Fond als die vierteljährige Beiträge der gegenwärtigen ordentlichen Mitglieder und den oft geringen Ueberschuß von dem Verleger unsrer Schriften haben. Wir müssen also fürs künftige alle Packete und Schriften unfrankirt verbitten, die auf uns gar keine oder nur eine entfernte Beziehung haben, oder die nur bloße Aufträge enthalten. XX. Bey unserm starken und sehr ausgebreiteten Briefwechsel ist es nicht rathsam noch möglich, alle an uns eingelaufene Briefe zu beantworten. Unsere billigdenkenden Freunde werden es also gern genehmigen, daß wir bloße Höflichkeitsschreiben oder solche die wenig Erhebliches enthalten, so lange unbeantwortet liegen lassen, bis nützliche Anfragen oder eine Erläuterung über irgend einen wichtigen Umstand die Antwort erfordern. 68
Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin
XXI. Zur leichtern Betreibung der gesellschaftlichen Angelegenheiten ist ein ordentliches Archiv unentbehrlich. Um dieses in Ansehung der Korrespondenz auch in einer richtigen Ordnung zu erhalten; so ist es nöthig, daß unsere entfernte Freunde in ihren Privatschreiben an einzelne hiesige Mitglieder keine gesellschaftliche Angelegenheiten oder Aufträge an uns mit einmischen, sondern dergleichen Wünsche, Anfragen und Vorschläge zur Aufnahme neuer Mitglieder u. d. entweder grade an uns senden oder wenigstens als Einschlüsse, aber auf besondern an die Gesellschaft überschriebenen Blättern, den Briefen an hiesige Freunde beilegen: weil wir sonst aus angeführten Gründen darauf weiter keine Rücksicht nehmen können; auch damit wir nicht bey einem etwanigen Todesfalle wieder in die unangenehme Nothwendigkeit gesetzt werden, die Antworten darauf schuldig bleiben zu müssen. XXII. Ein Mitglied, welches der in Nr. VII bestimmten Gleichheit entgegen handelt und eigenmächtig etwas wider Willen der übrigen Mitglieder zum besorglichen Schaden der Gesellschaft unternimmt oder durchsetzen will, wird förmlich von der Gesellschaft ausgeschlossen. Sollten sich auch in der Folge unedeldenkende Mitglieder finden, welche ihre durch Annehmung des Diploms und der Gesetze übernommene gesellschaftliche Pflichten ganz aus den Augen setzten, oder wohl gar zum Schaden unsers Instituts handelten, und sich von unsern Neidern dazu hinreißen ließen; dieselben schließen sich dadurch nicht allein selbst von aller Verbindung mit uns aus, sondern ihre Namen werden auch von uns, nach allen Rechten, in der gesellschaftlichen Liste ausgestrichen und ihr unedles Betragen im gesellschaftlichen Tagebuche niedergeschrieben und unsern Nachkommen zum immerwährenden Denkmahl aufbewahrt. XXIII. Die Erweiterung und Verbesserung dieser Gesetze behalten sich die Mitglieder nach Maßgabe der Zeit und Umstände vor. Berlin den 3ten May 1774. Erneuert den 13ten April 1784. Quelle: Schriften der Berlinischen Gesellschaft naturforschender Freunde. 5. Bd., Berlin 1784. Im Verlage der Buchhandlung der Realschule, S. XV–XXIX.
II) Grundverfassung und feierliche Verbindung der Gesellschaft naturforschender Freunde, 1789 Da wir, die ordentlichen Mitglieder der im Jahre 1773 hier entstandenen Privatgesellschaft der naturforschenden Freunde, durch unsre Betriebsamkeit, gemeinschaftlichen 69
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Eifer und hergegebene Kosten diese Gesellschaft nun schon 16 Jahre lang mit Ruhm erhalten, auch durch die Huld unseres gnädigsten Königs im vorigen Jahre ein eigenthümliches Haus geschenkt bekommen haben; so ist jetzt unsre vornehmste Sorge dahin gerichtet, die beständige Erhaltung und immer mehrere Ausbreitung dieses zum allgemeinen Besten angefangenen Instituts möglichst zu berfördern[!]. Zu dem Ende haben wir für nöthig erachtet, eine nähere, bestimmtere und rechtsbeständige Verbindung unter uns einzugehen. Wer die Gesellschaft, und was den Zweck und die Absicht dieser freundschaftlichen und patriotischen Vereinigung ausmacht, ist aus den gedruckten Gesetzen in dem 1ten Bande der Beschäftigungen und im 5ten Bande der Schriften unsrer Gesellschaft gleich nach dem Vorberichte, zu ersehen. Demohngeachtet wird Im Publikum öfters gefragt: Wer macht die Gesellschaft aus? – Wir könnten uns nun zwar auf unsre gdruckte Schriften und den darin befindlichen Plan und Gesetze berufen; wir wollen aber solches zur Vermeidung alles Mißverständnisses hierdurch noch besonders erklären: // Die hiesigen ordentlichen Mitglieder machen die Gesellschaft aus. Von diesen hängt, so wie die anfängliche Stiftung, also auch die Einrichtung und Erhaltung der ganzen Gesellschaft ab. 2. Es können nur einheimische Personen und nicht mehr als nur zwölf zugleich ordentliche Mitglieder sein, aber wohl weniger, wie denn die Gesellschaft mit 7 Mitgliedern entstanden ist. Zu den erledigten Stellen werden nur Männer von Kenntniß, Gelehrsamkeit, Fleiß und vorzüglich von gutem und geselligem Karakter durch übereinstimmende Wahl aufgenommen. 3. Die Unabhängigkeit der Gesellschaft von allen äußern Einfluß und höhern Befehlen nebst der freundschaftlichen Verbindung bleiben Grundstützen ihrer Freiheit und ihres Daseins, so wie solche zu ihrem Wachsthum beigetragen haben, und deshalb verlangt die Gesellschaft stets eine gelehrte Privatgesellschaft zu bleiben. 4. Das gesellschaftliche Eigenthum an Naturalien, Büchern und andern Sammlungen gehört der Gesellschaft oder den ordentlichen Mitgliedern, als durch deren gemeinschaftliches Bestreben und aus deren persönlichen Vermögen diese Sammlungen entstanden sind. 5. Über diejenigen Punkte, welche zur wesentlichen Einrichtung der Gesellschaft gehören, kann und soll niemals mehr debattirt noch votirt werden; weil sie den Grund der Existenz der Gesellschaft ausmachen, und von der ersten Stiftung an als solche festgesetzt, auch bis70
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her durch den Erfolg sehr nothwendig befunden sind. Dahin rechnen wir nun die im 3ten Abschnitt schon benannten Eigenheiten // unsrer gelehrten Privatgesellschaft nebst den freundschaftlichen Zusammenkünften bei den Mitgliedern in ihren Wohnungen abwechselnd mit den Versammlungen in dem gesellschaftlichen Hause: weil hierdurch die Bande der freundschaftlichen Einigkeit fester zusammengehalten auch die Sammlungen der Mitglieder von allen genutzt werden; ferner rechnen wir noch den 8ten Abschnitt dazu, daß unsre Gesellschaft niemals mit einem andern Institute vereinigt oder irgendwie mit einverleibt werde. Über diese Punkte kann also in der Gesellschaft nie weiter eine Frage entstehen, vielmehr bleiben sie als Grundgesetze auf immer unveränderlich. 6. Wenn nun alle unsre vereinigte Bemühungen und Absichten vom Anfang an dahin gegangen sind, die Kenntniß der Natur in allen ihren Theilen, sowohl durch Herausgabe unsrer Schriften, als durch Sammlungen von natürlichen Körpern aus allen 3 Naturreichen, und von physikalischen Instrumenten gemeinnütziger zu machen, und auszubreiten, und wir bisher durch die freundschaftliche Unterstützung hiesiger und auswärtiger Mitglieder einen glücklichen Anfang von dergleichen Sammlungen gemacht haben; so verbinden wir uns nach reiflicher Erwägung aller hier einschlagenden Umstände hierdurch feierlichst: daß wir unsre bisherige Arbeiten fortsetzen, auch das bisher Gesammelte ferner zum gemeinen Besten erhalten, vermehren, und auf unsre Nachkommen bringen wollen. // 7. Damit aber alle diese unsre bisherige Mühe und Kosten für die Zukunft nicht vergeblich angewendet seien; so verlangen wir von unsern Nachfolgern mit Recht und aus unbezweifelter Befugniß: daß sie unsere Sammlungen ehrlich verwalten und vermehren, unser in fast allen europäischen Ländern mit Beifall aufgenommenes gemeinnütziges Institut in seiner wesentlichen Einrichtung nach der bestehenden Grundverfassung und den eingeführten Gesetzen erhalten und erweitern, und dessen beständiges Wachsthum durch Einigkeit, freundschaftliche Nachgiebigkeit und Uneigennützigkeit möglichst befördern sollen. 8. Diese Zwecke möglichst zu erreichen und diese gelehrte Privatgesellschaft immer dauerhaft und bleibend zu erhalten, machen wir unsern Nachfolgern zur besonderen Pflicht: bei der Wahl neuer ordentlicher Mitglieder allemal auf die im 2ten Abschnitt bereits angegebenen Eigenschaften, hauptsächlich aber dabei auf rechtschaffene, freundschaftliche, und für das gesellschaftliche Beste eifrig gestimmte Männer zu sehen; die an Stand und Würden über den glücklichen Mittelstand erhabenen Per71
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sonen dabei so viel möglich zu vermeiden; die Zahl der 12 ordentlichen Mitglieder, so gut es sich thun läßt, immer vollzählig zu erhalten, wenigstens nicht unter 7 kommen zu lassen; auch an eines verstorbenen oder abgegangenen // Mitglieds Stelle immer andere, wenigstens innerhalb einen Jahres zu ernennen und nie zuzugeben, daß unser Institut mit einer andern Gesellschaft vereinigt oder irgendwo einverleibt werde. Sollten aber einige Mitglieder selbst dieses letztere geradezu oder indirecte zu bewirken trachten; so setzen wir hierdurch fest: daß diese Mitglieder dadurch sogleich von unserer Gesellschaft ausgeschlossen, und die übrigen, wenn es auch nur die wenigsten an der Zahl sind, unser Institut fortzusetzen berechtigt sein sollen. Ferner wird festgesetzt, daß dergleichen Mitglieder so wie diejenigen, die durch eine beständige Entfernung aus Berlin aufhören, ordentliche Mitglieder zu sein, oder die sich freiwillig von der Gesellschaft trennen, ihre der Gesellschaft übereignete Geschenke zurückzufordern nicht berechtigt sind. 9. Um dem Verfalle der Gesellschaft, so viel an uns ist, vorzubeugen, wollen wir uns die Kuratel über unser Institut von den beiden höchsten Landeskollegien erbitten, und zwar, daß vom hohen Generaldirektorium der jedesmalige Institiarius und von dem hochpreiß. Kammergericht der jedesmalige 2te Präsident solches Ehrenamt führen wolle. Diese Kuratel erlaubt aber keinen Einfluß auf die gelehrten Unterhaltungen und dahinzielende Geschäfte der Gesellschaft, auch keine Aufsicht auf das Eigenthum derselben, sondern enthält bloß die Befugniß: allererst nach dem Abgang der jetzigen ordentlichen Mitglieder, als der Stifter der Gesellschaft, und // wenn in der Folge die Gesellschaft unthätig zu werden anfängt, darauf zu halten, daß die Stellen der abgegangenen Mitglieder, nach Inhalt des vorhergehenden Abschnitts, jederzeit wieder besetzt, die Thätigkeit der Gesellschaft belebt, die etwan entstandenen Unruhen und Uneinigkeiten in derselben beigelegt, und vornehmlich die Absicht dieser unsrer gemeinschaftlichen Verbindung erreicht und durch schiedsrichterlichen Rath und Beistand nach Mehrheit der Stimmen bewirkt werde. Unter der Unthätigkeit der Gesellschaft verstehen wir, wenn die Mitglieder die wöchentlichen Versammlungen gar nicht oder nur sehr selten halten, oder wenn die ordentlichen Mitglieder die zu den innern Geschäften bestimmten Stunden nicht abwarten, die Korrespondenz mit den auswärtigen Mitgliedern nicht unterhalten, folglich ihre physikalische Kenntnisse und die gesellschaftliche Sammlung zu erweitern sich nicht mehr bestreben; und die gedachten Herrn Kuratoren durch einen oder mehrern von den ordentlichen Mitgliedern angezeigt oder sonst bekannt wird, wozu es ihnen an Gelegenheit nicht fehlen kann, wenn sie, wie die Gesellschaft wünscht, die Versammlungen derselben zuweilen mit ihrer Gegenwart beehren. Sollte auch nach der zur Erhaltung der Einigkeit und des unbefangenen gegenseitigen Vertrauens, im 2ten Abschnitt gegebenen Vorschrift, die Wahl eines ordentlichen Mitgliedes in der Folge nicht jederzeit durch einhelli72
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ge Stimmen möglich, und die getrennten Gemüther dazu nicht zu vereinigen sein; so sind die Herren Kuratoren berechtigt, auf diesen Fall, die erledigte Stelle, jedoch nach der im 8ten // Abschnitte bestimmten Frist, nach den mehresten Stimmen zu besetzen: damit die Anzahl der ordentlichen Mitglieder, so viel immer möglich, vollzählich erhalten werde, und das gesellschaftliche Eigenthum nicht in die Hände weniger Personen gerathe. 10. Alle menschliche Unternehmungen sind Veränderungen, auch wohl zuweilen gewaltsamen Umstürzungen unterworfen: unserm Institute kann dieses auch bevorstehen. Damit unser Eigenthum aber in der Folge so viel möglich beisammen erhalten, und zum öffentlichen Nutzen bewahrt bleibe; so setzen wir hierdurch fest: daß, wenn durch einen unerwarteten Vorfall die Grundverfassung der Gesellschaft umgestürzt, und dadurch die Trennung und Aufhebung derselben nothwendig würde, allsdann unser ganzes Eigenthum dem Berlinischen Gymnasium oder zum grauen Kloster anheimfallen und übergeben werden solle; jedoch nach den Bedingungen und unter der Direktion, worunter das Streitsche Vermächtniß stehet. Es soll aber das Berlinische Gymnasium und die Vorsteher der Streitschen Stiftung unter dem Vorwande seiner eventuellen Rechte nicht befugt sein, sich irgend einer direkten oder indirekten Einmischung in die gesellschaftliche Verfassung und deren Vermögen anzumaßen; vielmehr soll, wenn dergleichen unternommen würde, der demselben zugedachte Anfall ipso facto gänzlich ungültig sein, // und das gesellschaftliche Vermögen derjenigen öffentlichen hiesigen Schule oder Gymnasium zufallen, worin das Studium der Natur um besten und am zweckmäßigsten getrieben wird. Wir verordnen dieses zum Zeugniß unseres patriotischen Wunsches, daß alles, was wir gethan und zusammengebracht haben, zum öffentlichen und allgemeinen Nutzen beständig dienen solle. Denn wir hätten wohl Fug und Recht, unsern leiblichen Erben, auf den hier angenommenen Fall, die Wiedererstattung der zum Besten der Gesellschaft aufgewandten und aus unsern Vermögen hergegebenen Kosten vorzubehalten, auch nach dem 4ten Abschnitt die bis jetzt zusammengebrachten Sammlungen als unser, den gegenwärtigen ordentlichen Mitglieder Privateigenthum anzusehen, und ebenfalls unsere Erben zu versichern; aber wir wollen unser in edler Absicht angefangenes Werk keinesweges durch nierdern [!] Eigennutz vermehren, sondern widmen es auf ewige Zeiten zum gemeinen Besten. Wir hoffen dabei, daß unser Kabinett dereinst das erste und möglichst vollständige im Lande sein und werden wird. 11. Überhaupt unterwirft sich die Gesellschaft, unter verhofter Genehmigung dieses Grundvertrages, denjenigen Grundstützen, welche in dem Entwurf zum neuen Gesetzbuche im 1ten Theil, 2ter Abtheilung, 1ten Titel § 8 seqqs. von solchen vom Staate genehmigten Gesellschaften angenommen sind; die sich auf beständig zu einem gemeinnützi73
Berufsständische oder fachspezifische Vereine
gen Zweck verbunden, und dadurch und durch die Genehmigung des Staates die Rechte der Kollegien, Korporazionen und Gemeinen erhalten haben. // Hiervon ist allein die Widmung ihres Vermögens, das ist, ihres Hauses, ihrer Sammlungen an Naturalien, Instrumenten und Büchern auf den Fall ausgenommen, wenn die Gesellschaft dereinst durch irgend eine äußere Gewalt ganz aufhören sollte; als in welchem Falle alles dem Berlinischen Gymnasium unter den oben § 10 bestimmten Modalitäten anheim fallen soll. Ferner wird als eine Abweichung von diesen Grundsätzen festgesetzt, daß auch die übereinstimmende Einwilligung aller Mitglieder diesen in den 1–11ten Abschnitt enthaltenen Grundvertrag nicht aufheben, und die freiwillige Auflösung der Gesellschaft, selbst mit Genehmigung des Staates, nie begründen kann; daß auch die Ausstoßung solcher Mitglieder, die sich den gesellschaftlichen in diesem Grundvertrage enthaltenen Pflichten entziehen wollen, bloß von dem Beschluß der ordentlichen Mitglieder abhängt, und daß den Kuratoren der Gesellschaft nicht mehr Rechte gehören, als ihnen in diesem Grundvertrage beigelegt sind. 12. Damit nun dieses alles um so mehr befolget werde, so sollen alle von nun an aufzunehmende ordentliche Mitglieder sich zur Beobachtung dieser Vorschriften durch eigenhändige Unterschrift verbindlich machen. Demzufolge ist dieser Grundvertrag von allen jetzigen ordentlichen Mitgliedern eigenhändig vollzogen und untersiegelt worden, und begeben sich dieselben aller dagegen ersinnlichen Einwendungen; behalten sich jedoch vor, die in der Folge sich ergebende Zusätze und Erläuterungen gemeinschaftlich zu beschliessen und festzusetzen und dem Befinden nach allerhöchste Bestätigung darüber nachzusuchen. Auch soll zur mehreren Festhaltung dieses Grundvertrags derselbe einem hohen Staatsrath überreicht, und eine unter Sr. Königl. Majestät // Allerhöchsten Vollziehung zu er theilende Bestätigung darüber, so wie die Genehmigung der Wahl der obgedachten Kuratoren und deren Nachfolger im Amte, und die deshalb an ein hohes General-Direktorium und Kammer-Gericht zu ertheilende Befehle erbeten werden. So geschehen Berlin den 18. September 1789 [Auf Bl. 6r bis Bl. 23r folgen die Unterschriften und Siegel der Mitglieder.] Quelle: Museum für Naturkunde der Humboldt-Universität zu Berlin, Historische Bild- und Schriftgutsammlungen, S. Organisation Nr. 7: Grundverfassung und feierliche Verbindung der Gesellschaft Naturforschender Freunde (1789–1918), Bl. 2r–6r. – Transkription Katrin Böhme. – Druck in: Katrin Böhme-Kaßler: Gemeinschaftsunternehmen Naturforschung. Modifikation und Tradition in der Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin 1773–1906. Stuttgart 2005, S. 167–172.
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Märkische Ökonomische Gesellschaft zu Potsdam
Märkische Ökonomische Gesellschaft zu Potsdam Statuten, 1791 Statuten / der von / Sr. Königl. Maj. von Preussen / allerhöchst-bestätigten / Märkischen Oekonomischen Gesellschaft / zu Potsdam. / 1791. Eine Anzahl patriotisch denkender Männer, die sich schon vorläufig zu dem gemeinnützigen Zwekke verbunden hatte, über Gegenstände, die zur Aufnahme und Beförderung der einheimisch- ländlich- und städtischen Nahrungsgeschäfte dienen, Untersuchungen anzustellen, hielt am 31sten August 1791. ihre erste Berathschlagungs-Versammlung, und gab, weil noch am nämlichen Tage die Gesellschaft organisiret, und zu gegenwärtigen Statuten der erste Entwurf gemacht wurde, von diesem Tage an, der Märkischen Oekonomischen Gesellschaft zu Potsdam ihre Existenz. Da die Preußische Staatsverfassung es nothwendig macht, daß jede, etwas ausgedehnte, gesellschaftliche Verbindung im Staate, Sr. Majestät dem Könige bekannt gemacht, und die allerhöchste Approbation gesucht werden muß: so geschah dies auch von Seiten dieser Gesellschaft, die am 29sten Oktober Sr. Königl. Majestät diese Statuten zur Allerhöchsten Prüfung und Approbation unterthänigst vorlegte. Se. Königl. Majestät geruheten auch sogleich, Allerhöchst Dero Genehmigung dieser gesellschaftlichen Verbindung durch ein besonderes Kabinetsschreiben vom 3ten November, in den huldreichsten Ausdrücken zu erkennen zu geben, und gegenwärtige Statuten von Allerhöchst Dero General-Ober-Finanz-Krieges- und Domainen-Direktorium bestätigen zu laßen. I. Die Gesellschaft beschäftiget sich, nach dem Beispiele anderer ihrer Art, mit allen den Gegenständen, die zur Aufnahme und Beförderung der einheimisch-ländlichen und städtischen Nahrungsgeschäfte dienen; und wenn sie gleich alle Arten der Land- und Stadtgewerbe zu ihrem vorzüglichsten Augenmerk macht, so schließt sie doch keinesweges die Bildung des Menschen zu diesen Geschäften, desgleichen die Anstalten, zur sichern und zweckmäßigern Betreibung derselben, von ihren Bemühungen aus. Der Zutritt zu der Gesellschaft steht einem jeden biedern, von Vaterlandsliebe beseelten, Manne, aus jedem Stande frei, dem es nicht an Kenntniß und Erfahrung über dergleichen Dinge fehlt, und der also, wo nicht in mehrern, doch in einem oder dem andern Fache, durch Nachrichten, Vorschläge und Beurtheilungen etwas nüzliches leisten kann.
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II. Die Gesellschaft besteht, theils aus ordentlichen, theils aus Ehren-Mitgliedern. Erstere zahlen beim Eintritt in die Gesellschaft f ü n f Thaler Cour. und machen sich zugleich verbindlich, jährlich Z we y und einen h a l b e n Thaler zur Bestreitung der Kosten beizutragen, die zur Erhaltung der Korrespondenz, zu nüzlichen Versuchen, und zur Anlegung einer oekonomischen Bibliothek erforderlich sind. Hat die Casse in der Folge einen Ueberschuß, so wird die Gesellschaft denselben zu Prämien für neue Entdekkungen und zur Ermunterung der Industrie verwenden. Der Willkühr der EhrenMitglieder bleibt es gänzlich überlaßen, ob und wie viel sie bei ihrem Eintrit [!] in die Gesellschaft, oder in der Folge zu nüzlichen Versuchen beitragen wollen. Ueberdem verspricht sich die Gesellschaft von jedem, der in ihre Verbindung trit, alle freundschaftliche Unterstüzzung zur Erreichung ihrer gemeinnüzzigen Absichten. III. Zur Leitung der Geschäfte hat die Gesellschaft aus ihrer Mitte eine Deputation gewählet. Diese besorget in- und ausserhalb Landes die Korrespondenz, sammlet und prüfet vorläufig die, an die Gesellschaft eingesendete Berichte, Aufsäzze oder Abhandlungen, und arbeitet dadurch der allgemeinen Versammlung vor. Auch wird sie die Verhandlungen der Gesellschaft jährlich durch den Druck bekannt machen. IV. Die Gesellschaft hält jährlich Z we y Mal ihre allgemeine Zusammenkunft in Po t s d a m , ohne daß erst besondere Einladungen an die Mitglieder derselben ergehen; nämlich den Ersten Dienstag nach dem ersten May; und den Ersten Dienstag nach dem ersten November; an jedem der obgedachten Tage Vormittags um 9 Uhr, und Nachmittags um 2 Uhr. Die Deputation versammlet sich aber alle 6 Wochen, und wird den Mitgliedern derselben, der Tag und die Stunde dazu, jedes Mal durch den Sekretair schriftlich bekannt gemacht werden. V. In den Zusammenkünften der Gesellschaft werden zuerst von Mitgliedern derselben, die sich freiwillig und unaufgefordert dazu verstehen, Vorlesungen gehalten, welche aber 4 Wochen vor dem Versammlungs-Tage der Deputation eingesendet werden müssen. Da die Absicht der Gesellschaft einzig und allein dahin gehet, die Summe nützlicher, oekonomischer Kenntnisse zu vermehren, oder die schon vorhandenen mehr in Umlauf zu bringen: so verspricht sie sich von allen Mitgliedern, daß sie bei ihren Aufsäzzen diesen Zweck jedesmal vor Augen haben, sich möglichst der Kürze befleißigen, und nichts einfließen laßen werden, was den guten Sitten und der Landes-Verfassung entgegen ist. Sind von abwesenden Mitgliedern Abhandlungen eingesendet worden, so werden alsdann diese von dem Sekretair ganz, oder wenn die Zeit es nicht zuläßt, auszugsweise 76
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vorgelesen. Die anwesenden Mitglieder sagen sodann hierüber ihre Meinungen, deren Resultat der Sekretair protokolliret. Da die Gesellschaft in jedem Kreise der Mark, so wie in allen Provinzen des Vaterlandes, sich um die Korrespondenz guter und erfahrner Männer bewerben wird: so werden alsdann die, von ihnen eingegangene, Nachrichten ganz, oder stückweise vorgelesen, und der zum Druck bestimmten Geschichte der Verhandlungen beigefügt. Wenigstens e i n Mitglied der Deputation trägt eine beliebige Materie zur weitern Prüfung und Untersuchung vor, worüber die Gesellschaft bei der nächsten Zusammenkunft neue Wahrnehmungen von ihren Mitgliedern zu erfahren wünscht. Ueberdem theilen sich die übrigen Mitglieder allerlei oekonomische Bemerkungen, Nachrichten und Vorschläge schriftlich oder mündlich mit. Jene werden vom Sekretair vorgelesen, und dem Protokoll der Verhandlungen mit eingerückt. Wenn Auswärtige etwa Anfragen, Risse, Modelle, Proben von rohen Materialien oder von Fabrikaten postfrei an die Gesellschaft einsenden wollen: so wird die Gesellschaft mit Vergnügen sie bei ihren allgemeinen Zusammenkünften vortragen, und ihr Urtheil darüber dem Einsender mittheilen. Endlich, wird die Kassenrechnung abgenommen und neue Deputirte an die Stelle der abgehenden, nach der Mehrheit der Stimmen erwählet; wie auch neue Mitglieder, die sich entweder selbst gemeldet, oder von einem Mitgliede zur Aufnahme schriftlich vorgeschlagen worden, ebenfalls durch Mehrheit der Stimmen aufgenommen. VI. Die Beschlüsse der allgemeinen Versammlung, werden durch Mehrheit der Stimmen bestimmt. Eben so ist es bei der Deputation, doch so, daß der Präses in jedem Falle zwei Stimmen hat. Der Sekretair protokolliret alle Verhandlungen der Gesellschaft; eröfnet die, an die Gesellschaft gerichteten Briefe; giebt davon der Deputation Nachricht, und besorgt nach deren Beschlüssen die Korrespondenz, aus welcher er zuletzt der allgemeinen Versammlung die Extracte vorlegt. Der Rendant nimmt die Gelder ein; macht keine Ausgabe ohne Zustimmung der Deputation und legt der Gesellschaft die halbjährige Rechnung bei der Zusammenkunft vor. VII. Von den, in der Nähe wohnenden, ordentlichen Mitgliedern, erwartet die Gesellschaft zuversichtlich, daß sie den halbjährigen Zusammenkünften, wo möglich, immer beiwohnen werden; von den, in entlegenen Provinzen befindlichen ordentlichen Mitgliedern aber, erwartet sie wenigstens alle Jahre ein Mal Nachrichten. Sollten diese in einem Jahre gänzlich ausbleiben: so würde die Gesellschaft dergleichen Männer künftighin nur als ihre Ehren-Mitglieder ansehen können.
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VIII. Die Gesellschaft behält es sich vor, gegenwärtige Statuten in einem oder dem andern Artikel abzuändern oder etwas hinzu zu thun, weshalb sie in den beiden ersten Jahren jedes Mal von dem Sekretair bei der allgemeinen Versammlung sollen vorgelesen werden, damit ein jedes Mitglied seine Erinnerungen vorbringen, und nach den Beschlüssen der Gesellschaft die Aenderungen vorgenommen werden können. Potsdam, den 10ten Septbr. 1791. Quelle: Statuten der von Sr. Königl. Maj. von Preussen allerhöchst-bestätigten Märkischen Oekonomischen Gesellschaft zu Potsdam. [S. l.] 1791 [Druckschrift, 14 S.].
Berlinische Schullehrergesellschaft I) Statuten der Berlinischen Schullehrer-Gesellschaft, 1813 §. 1. Der Zweck der Gesellschaft im Allgemeinen ist folgender: die Verbesserung des Schulwesens in ihrem Kreise nach Kräften zu befördern; Eifer und Treue in ihrem Amte und Berufe zu beleben; über die Wahl der Lehrgegenstände und die Gegenstände selbst, so wie über die Art und Weise, sie vorzutragen, d. h. über Lehrmethode immer klarere Begriffe zu erhalten; die wahre Schuldisciplin und überhaupt die Bedingungen einer Schule näher kennen zu lernen, mit dem Geiste der Pädagogik fortzuschreiten, und mit den wichtigsten Schriften derselben sich bekannt zu machen, so wie endlich ihre Erfahrungen, Meinungen, Wünsche, Hoffnungen, Besorgnisse und Pläne schriftlich und mündlich sich mitzutheilen. // §. 2. Die Gesellschaft bildet meistentheils ein Conversatorium. Die Unterredungen darin müssen dem Geiste einer gebildeten Gesellschaft angemessen sein. Die verschiedenen Meinungen und Urtheile dürfen daher, von der einen Seite weder mit Eigensinn und Hartnäckigkeit durchgesetzt, noch von der andern Seite mit Lieblosigkeit und Bitterkeit bestritten werden; jede Meinung muß beachtet, und ist sie irrig, in Freundschaft und Liebe berichtigt werden. §. 3. Die Gesellschaft will durchaus keiner besondern Parthei angehören, vielmehr soll jede gute und tüchtige Ansicht, sie mag herrühren, von wem sie wolle, willkommen sein und geduldet werden. Der Zweck der Gesellschaft überhaupt soll vorzüglich dahin ge78
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hen, Gedanken zu erwecken, Ideen anzuregen, und auf die Bestrebungen sowohl älterer als neuerer Pädagogen aufmerksam zu machen. §. 4. In der Conferenz wird einzig und allein nur über pädagogische Gegenstände gesprochen. Sie eröffnet damit, daß der zeitige Sekretär das Protokoll der vorigen Conferenz aus dem Protollbuche vorlieset. §. 5. Der Direktor zeigt darauf mit wenigen Worten an, was in der zu haltenden Conferenz vorgenommen werden soll. // §. 6. Der Direktor oder einer der Vorsteher der Gesellschaft hält im Anfange der Conferenz einen kurzen Vortrag über irgend einen pädagogischen Gegenstand, worüber dan[n] disputirt wird. Später wird ein praktischer Lehrkursus über einen zu bestimmenden Gegenstand gehalten. §. 7. Unbenommen bleibt es dabei jedem einzelnen Mitgliede der Gesellschaft, das Trieb und Fähigkeit fühlt selbst einmal einen Vortrag zu halten, welcher Gelegenheit zum Disputiren giebt. §. 8. Auch schriftliche Aufsätze über pädagogische Materien werden der Gesellschaft höchst willkommen sein. Nachdem sie bei dem Direktor eingereicht, werden sie in der Conferenz selbst vorgelesen und jeder hat das Recht, sein Urtheil darüber zu sagen. Nachher werden die Aufsätze von der Gesellschaft aufbewahrt. §. 9. Während des Streites selbst, leitet der Direktor der Gesellschaft die Unterhaltung, damit sie nicht in einen geräuschvollen Zwist ausarte. §. 10. Die Wahl der Gegenstände bleibt jedem überlassen; doch wäre es gut, wenn jeder der Gesellschaft sich verschiedene Themata und Fragen aufschriebe, worüber er vornehmlich Erörterung und // Auskunft wünscht. §. 11. Die Statuten des mit dieser Conferenz verbundenen Lesezirkels sind anderweitig durch den Direktor desselben entworfen. 79
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§. 12. Die Gesellschaft kommt zusammen im Sommer Freitags von 6 ½ Uhr Abends. Bis wie lange? bleibt der jedesmaligen Conferenz überlassen. Das Lokal ist in einem der Zimmer der Garnisonschule. §. 13. Die Gesellschaft hält sich nie für abgeschlossen, sondern jedem Schulfreunde ist der Zutritt zu ihr gestattet. Doch zur Aufnahme eines neuen Mitgliedes ist nöthig, daß dieses dem Direktor 8 Tage vorher angezeigt werde, worauf dieser 8 Tage darauf durch Ballotage es von der Gesellschaft wählen läßt; wenigstens zwei Drittel der Gesellschaft müssen dafür stimmen. §. 14. Hat jemand viermal hinter einander die Gesellschaft, ohne Anzeige davon zu machen, nicht besucht, ohne durch Krankheit oder Reise abgehalten zu sein, so wird er als Mitglied der Gesellschaft gestrichen. §. 15. Jedes Mitglied hat ein Recht, fremde Schulfreunde in die Gesellschaft einzuführen. // §. 16. In jeder Conferenz geschieht eine freiwillige Collekte, die zu einem Fond bestimmt ist, aus dem nach und nach eine Bibliothek und eine Journalgesellschaft gebildet werden soll. §. 17. Glieder, die austreten, ausgeschlossen werden, oder sterben, verlieren ihre Ansprüche auf das Eigenthum der Gesellschaft. §. 18. Alle Jahr wird ein Stiftungsfest gefeiert und zwar auf den Sonnabend nach dem 30sten Juny, und selbst dann, wenn der 30ste Juny auf einen Sonnabend fiele; weil an diesem Tage der erste Direktor der Gesellschaft mit dem ersten Vorsteher des Lesezirkels den Gedanken auffaßte eine erweiterte Schullehrer-Conferenz einzuleiten. – Sie geschieht öffentlich; es werden einige kurze Vorträge gehalten, und der Direktor legt dar, was in dem verwichenen Jahre in der Gesellschaft geleistet worden. Berlin den 6ten July. 1813. unterzeichnet: Dr. Mann.
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Vorstehende Gesetze wurden von allen Mitgliedern der Gesellschaft angenommen, und sollen dieselben, nebst denen für den Lesezirkel kopirt, und von jedem Mitgliede eigenhändig unterschrieben werden. Quelle: BBF/DIPF/Archiv: BSLG [1] (Fünfte Schullehrer-Conferenz am 6. August 1813). – Transkription Uta Motschmann. – Druck in: August Merget: Geschichte des Berlinischen Schullehrer-Vereins für deutsches Volksschulwesen (älteren Berliner Lehrer-Vereins). Eine Jubelschrift. Berlin 1863, S. 4–7. – Dass. auch in: Schulblatt für die Provinz Brandenburg 1 (1863), S. 350–353, und in: Otto Pautsch: Der Berliner Lehrerverein. Festschrift zum 25jährigen Jubiläum 1905. Berlin 1905, S. 9–12. – Vgl. auch: Heidemarie Kemnitz: Lehrerverein und Lehrerberuf im 19. Jahrhundert. Eine Studie zum Verberuflichungsprozeß der Lehrertätigkeit am Beispiel der Berlinischen Schullehrergesellschaft (1813–1892). Weinheim 1999, v. a. S. 51–54.
II) Gesetze, den Lesezirkel der Berlinischen Schullehrer-Conferenz-Gesellschaft betreffend, 1813] §. 1. Unter den Mitgliedern der Berlinischen Schullehrer-Gesellschaft soll ein Lesezirkel bestehen, welcher Ausbildung in der Pädagogik überhaupt, und Bekanntschaft mit dem pädagogischen Bücherwesen insbesondere zum Zweck hat. §. 2. Nur Mitglieder der Schullehrer-Gesellschaft können an dem Lesezirkel Theil nehmen. §. 3. Jeder Theilnehmer zeigt dem Vorsteher das Buch an, welches er für den Lesezirkel kaufen will, und welches nach geendigtem Umlauf sein Eigenthum bleibt. §. 4. Wer bereits ein Buch besitzt, // welches er zirkuliren lassen will, giebt solches mit dieser Bemerkung an den Vorsteher ab, und hat dann nicht nöthig ein neues Buch zu kaufen. §. 5. Schulbücher, welche in die Hände der Kinder gehören, und Kinderlesebücher, sind von diesem Kreise ganz ausgeschlossen. §. 6. Das Anschaffen und Einbinden der Bücher besorgt der Vorsteher, desgleichen die Bestimmung des Umlaufs.
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§. 7. Jeder Theilnehmer behält das umlaufende Buch 14 Tage. §. 8. Die Weitersendung der Bücher an den darauf bemerkten Tagen ist zur Vermeidung der Unordnung unumgänglich nothwendig. §. 9. Da der Fall eintreten kann, daß ein Buch beschädigt wird, so wird jedes Mitglied gleich nach dem Empfange des neuen Buches nachsehen, ob etwa Fehler an demselben sind, und wenn solche vorgefunden werden, dies in der nächsten // Conferenz dem Vorsteher anzeigen, um deshalb mit dem, der es zuletzt hatte, wegen der Be- und Entschädigung Rücksprache nehmen zu können. §. 10. Jedes Buch wird so gehen, daß der Eigenthümer desselben es zuerst erhält. §. 11. Bei ganz kleinen Büchern, welche mit andern zusammen umlaufen müssen, leidet diese Regel eine Ausnahme. Berlin den 30ten Juli 1813. unterzeichnet: Grell. Die vorstehenden Gesetze wurden von allen Mitgliedern als gut und nothwendig anerkannt, und die Conferenz damit geschlossen, daß die Mitglieder der Gesellschaft übereinkamen, in eine dazu bestimmte Büchse monatlich, ein jeder nach Gefallen, einige Groschen einzulegen, um dafür etwa pädagogische Zeitschriften, oder sonstige der Gesellschaft nothwendige und für’s Allgemeine nützliche Bücher anzuschaffen. Quelle: BBF/DIPF/Archiv: BSLG [1] [= Vierte Schullehrer Conferenz, 30. Juli 1813].
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Lesegesellschaft auf dem Pädagogium der Königlichen Realschule
Lesegesellschaft auf dem Pädagogium der Königlichen Realschule Organisatorische Festlegungen, 1788 1. Jedes Mitglied dieser Gesellschaft pränumerirt für jeden Monat 4 Gr. 2. Dafür erhält es alle 8 Tage ein Buch, auf dessen Lectüre aber auch längere Zeit verwendet werden kann, wenn die festgesetzte nicht zureichen sollte. 3. Die Vorsteher der Gesellschaft haben sich zwar das Recht vorbehalten, die anzuschaffenden und zu lesenden Bücher selbst zu wählen; sie werden indessen bei Ausübung dieses Rechts gern auf die Wünsche der Interessenten Rücksicht nehmen, wenn sie gerecht und erfüllbar sind. 4. Zur Abholung der zu lesenden und zur Ablieferung der gelesenen Bücher ist der Montag und zwar die Nachmittagsstunde von 1 bis 2 ein für allemahl festgesetzt. Außer dieser Zeit kann weder ein Buch abgeholet noch abgeliefert werden. 5. Kein Interessent kann eher ein Buch zum Durchlesen mitnehmen, bis er in dem dazu angelegten Journal der Lesebibliothek unter der Rubrik seines Namens angezeigt hat, daß und wann er das Buch erhalten habe. Eben so kann Niemand ein durchgelesenes Buch eher an die Behörde abliefern, bis er auf dieselbe Art angezeigt, daß und wann er das genutzte Buch zurück gegeben habe. 6. Jedes Mitglied ist für den Verlust und für die Beschädigung des reinlich und unbeschädigt erhaltenen Buches verantwortlich. 7. Um den letztern Fall und andere Unbequemlichkeiten zu verhüten, wird es hiermit einem jedem Mitgliede zur Pflicht gemacht, das erhaltene Buch zur eigenen Lectüre zu nutzen, und keinem Andern zu leihen. 8. Damit aber die Interessenten zweckmäßig lesen, und die Vorsteher davon überzeugt werden mögen, daß dies wirklich geschehen, so ist jedes Mitglied verbunden, von der Lectüre eines jeden Buches eine schriftliche Rechenschaft abzulegen. Zu dieser Absicht muß sich jeder ein wohleingerichtetes Buch halten, welches er Resultat, Journal, Uebersicht meiner Lectüre oder auf irgend eine andere passende Art benennen kann. Hierin muß er a) den Titel, in so fern er das Buch charakterisirt, genau beschreiben, mit Bemerkung des Druck- und Verlagortes, der Jahreszahl, des Formates und der Bogen- oder Seitenzahl. b) Muß er die Absicht des Verfassers entweder aus der Vorrede, oder aus der sie vertretenden Einleitung entwickeln. Sollte beides mangeln, so muß das Verlangte aus dem Werke selbst herausgezogen werden. c) Um eine allgemeine Uebersicht des Ganzen zu haben, muß die Inhaltsanzeige mit Bemerkung der Seitenzahl angegeben werden.
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d) Der specielle Plan des Ganzen muß aus dem Buche selbst gezeichnet werden, und wo dieser nicht entwickelt werden kann, muß zum wenigsten ein gedrängter Auszug geliefert werden. e) Diejenigen Stellen, welche dem Leser vorzüglich gefallen, oder seine Aufmerksamkeit am meisten auf sich gezogen haben, müssen ausgehoben und abgeschrieben, oder, wen sie dazu zu lang seyn sollten, genau angemerkt und dem allgemeinen Sinne nach bestimmt angegeben werden. f) Zuletzt muß der Leser ein allgemeines Urtheil über das Ganze und ein besonderes über einzelne Stellen niederschreiben, aber damit eine genaue Angabe der Gründe des Beifalls oder des Tadels verbinden. Berlin, am 1sten October 1788. Quelle: [Schulschrift] Gedanken über die zweckmäßigste Methode, junge Leute auf Schulen öffentlich zu prüfen. Womit zu der öffentlichen Prüfung und Redeübung, welche am 28sten und 29sten April in dem Pädagogium der hiesigen Königl. Realschule veranstaltet werden soll, alle Gönner und Freunde des Schulwesens ehrerbietigst einladet Andreas Jakob Hecker, Direktor der Königlichen Realschule. Berlin 1791. In der Königlichen Realschul-Buchhandlung, S. 18–20.
Gesellschaft Deutscher Sprach- und Literaturforscher zu Berlin Erduin Julius Koch: Ueber Deutsche Sprache und Literatur. Ein Aufruf an sein Vaterland […]. Nebst einer ausführlichern Nachricht von dem öffentlichen Auftritte der Gesellschaft Deutscher Sprach- und Literatur-Forscher zu Berlin, 1793 Würdigung und Zueignung: Sr. Königl. Majestät Friedrich Wilhelm II. Könige von Preußen, Markgrafen zu Brandenburg […], dem edelsinnigsten Beförderer Deutscher Sprache und Literatur, und ächter Vaterlands- und Königs-Liebe, meinem allergnädigsten Könige und Herrn. Allerdurchlauchtigster Großmächtigster König, Allergnädigster König und Herr, Ew. Königl. Majestät haben schon vor Ihrer Thronbesteigung einen vieljährigen und zweckmäßigen Umgang mit Deutschlands Musen und deren Söhnen unterhalten, und dadurch Ihre angestammte ächtdeutsche Charakter-Anlage zu dem entschiedenen Glanze des Patriotismus erhoben, in welchem Sie alle Ihnen gleichzeitige Könige überstrahlen. Daher konnten Ew. Majestät gleich bey dem ersten Tritte auf Ihren festgegründeten Königs-Thron mit der Entschlossenheit für die vaterländische Sprache und Litera84
Gesellschaft Deutscher Sprach- und Literaturforscher
tur wirken, mit welcher ein Vaterlandliebender Landesvater dafür wirken muß, wenn er der Allgeliebte in dem unabsehligen und willig geschloßnen Kreise ruhiger, zufriedner und edelglücklicher Landeskinder seyn will. Ew. Königl. Majestät waren unter allen Deutschen Fürsten, welche, seitdem man den Namen der Seine kennt, über Deutsche herrschten, der erste, welcher die falsche Schaam über angeborne Deutschheit verbannte und in Seinen Deutschen Staaten das leere Gezier in Sprache und Sitten einer Nation beschränkte, deren Sprache nicht heldenstark und stetigreizend, deren Literatur nicht die gründlichste und schönste ist, deren Sitten nicht der Abdruck von unbeugsamer Festigkeit des Edelsinns und von arbeitsamer edelnützlicher Stetigkeit sind, deren Großthaten endlich verdunkelt werden durch Intriguen, Chikanen und belachenswerthe Moden, welche Sie Daseyn, Namen, Vielgestaltigkeit und Eingang in das Deutsche Land zu verschaffen sinnreich und glücklich genug war. Sie, mein Allgeliebter König und Herr, haben bisher unsere Hertzberge, Adelunge und Ramlere mehr ausgezeichnet, als Sie dieses den Dichtern und Verehrern Französischer Dramen und Italischer Madrigale thaten. Dadurch und darin sind Ew. Königl. Majestät größer und liebenswerther, als Friedrich der Große; dadurch und darin werden Ihre Unterthanen ruhiger, Vaterlandsliebender, edeler und glücklicher seyn, als die Unterthanen jenes großen Verächters Deutscher Sprache, Literatur und Kunst werden konnten. Ja, Ew. Königl. Majestät haben auf die möglichstthätigste Art die Cultur der vaterländischen Sprache und Literatur in Ihren Staaten zu verbreiten, und, wo sie schon war, zu veredeln gesucht. Ganz vorzüglich war dieses Ihre huldreiche Absicht bey dem Ausschusse von Sprachforschern bey der Berliner Akademie der Wissenschaften, welchen Sie die Reinigung, Vervollständigung und Berichtigung der Landessprache zutrauungsvoll auftrugen. Selbst das Wenige, welches ich bisher als Schriftsteller und noch mehr als öffentlicher Lehrer der studirenden Jugend von dieser Seite wirken konnte, führe ich, voll des innigsten Dankgefühles, auf Ew. Majestät und auf die weisen Veranstaltungen in Ihren Staaten zurück, durch welche auch ich als Jüngling meine Bildung, und als Mann Beruf und Unterstützung erhielt, Andere zu bilden. Von diesen Erfahrungen und Ueberzeugungen durchdrungen und entzückt durch die weiten und frohen Aussichten, welche durch Ew. Majestät der Deutschen Sprache eröfnet wurden, errichtete ich 1788 eine Gelehrten-Gesellschaft für Deutsche Sprache und Literatur, welche bisher im Stillen wirkte und nach fünf Jahren der Uebung und Probe es erst wagt, öffentlich hervorzutreten. Jetzt wage ich es als Vorsteher dieser Gesellschaft, Ew. Königl. Majestät unterthänigst anzuflehen, uns und unsere fortgesetzten Bemühungen Ihrer Königlichen Aufmerksamkeit und Huld zu würdigen. Lebenswierig bin ich unter allen Umständen mit der tiefsten Ehrfurcht Ew. Königl. Majestät allerunterthänigster E. J. Koch Berlin, den 24. April / 1793 85
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I. Deutsche Sprache und Literatur Ueber diese Gegenstände ist nun schon seit Jahrhunderten in allen Sprachen und Zungen, in den verschiedensten Formen und Manieren und zu den verschiedensten Zwecken gesprochen, geschrieben und gearbeitet worden. Allein bis jetzt kümmerte sich noch kein Deutscher Sprachforscher und Literator um den Begriff und Umfang des einen oder des andern dieser Gegenstände. Noch weniger untersuchte man diese Hauptbegriffe mit einer gewissen Kritik und mit demjenigen Geschmacke, welcher hier allein zulässig ist. Man ist zwar in der Bearbeitung mehrerer Wissenschaften gerade eben so verfahren wie man bey jenen es gethan hat. Man hat früher ausgeübt als untersucht, eher die Folgen genossen und angewendet, als die Gründe derselben gesucht und gefunden. Und so könnte man auch in dem gegenwärtigen Falle diejenigen entschuldigen, welche bisher unkritisch und geschmacklos in und für Deutsche Sprache und Literatur zu arbeiten suchten oder dieses gethan zu haben wähnten. Allein da jene Wissenschaften eine strenghistorische Grundlage haben und jede Geschichtswissenschaft in Absicht auf ihre jedesmalige Methodik gewisse Bedingungen durch die Zeiten und Oerter erhält, zu welchen und in welchen sie bearbeitet worden ist und dieses noch wird; so muß eben dieses auch von der neuesten Methode, welcher man hie und da in der Bearbeitung der Deutschen Sprache und Literatur folgt, gelten. Jeder vernünftige Schriftsteller im Fache der Geschichte sucht, ehe er die Feder ansetzt, zuvor zu erfahren, was schon in diesem Fache und über den gewählten Gegenstand dieses Faches vor ihm geschrieben worden ist; d. h., er verfolgt sein historisches Thema in strenger rückgehender Zeitfolge, bis auf den Zeitpunct, da dieses Thema historisches Thema für Geschichtforscher und Geschichtschreiber ward. Dieses thut ein solcher Schriftsteller aber in keiner andern Absicht, als um die Vorarbeiten in dem nunmehr seinigen Felde chronologisch studiren, und entdecken zu können, wer über diesen Gegenstand selbst untersucht, oder abgeschrieben, oder umschrieben, oder wohl gar nur Text und Text, Styl und Styl übersetzt habe; um bey diesem kritischen Studium seiner Vorgänger die Fehler und Mängel in der Untersuchung nach ihrem ersten Entstehen und weitern Fortschreiten oder Fortschleichen kennen zu lernen, und um durch dieses Alles sich zu derjenigen Selbstheit erheben zu können, ohne welche nirgend und nimmer nur die mindeste Schriftsteller-Verdienstlichkeit möglich ist. Marquard Freher, Melchior Goldast von Haimensfeld, Justus Georg Schottel, Casp. Stieler, Dan. Georg Morhof, Johann Schilter, Leibnitz, Joh. Georg v. Eccard, Joh. Georg Wachter, Christ. Gottlob Haltaus, Joh. Georg Scherz, Joh. Leonh. Frisch u. a. m. waren unter unsern Vorgängern in dem Fache der Deutschheit solche Männer, welche mit einem eisernen Fleiße, mit verhältnismäßigem Geschmacke und mit einer verschiedentlich graduirten Kritik die Arbeiten ihrer Vorgänger nutzten und zum Theil übertrafen. Wie konnte aber dieser würdigen Männer würdiges Beyspiel in unsern neuesten Zeiten so wenige Nachfolger finden, daß nur Adelung und Fulda, Oberlin und Kinderling ihre würdigen Mitgenossen genannt zu werden verdienen? Woher kommt es, daß die Deutschen Gesellschaften, welche ehmals wacker waren, jetzt theils schlummern, theils im mehrjährigen Kampfe zwischen Schlafen und Wachen zu 86
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erliegen und das nos poma natamus zu veranschauligen drohn? Woher, daß jeder, welcher mit einer gewissen Oscitanz den Namen Otfried buchstabiren, und von Minnesängern und Meistersängern etwas sprechen kann, was von diesen Männern nie geträumt, noch weniger gedacht werden sollte, stracks für einen Deutschen Literator, so wie jeder, welcher den Riesengedanken ausführt, eine Deutsche Grammaire für Damen und Kinder und Zwerge zu schreiben, unbedingt für einen Deutschen Sprachforscher gilt? Daher kommt es, weil man in unsern neuesten Zeiten zu schüchtern und zu träge ist, um sich durch die empfindlichsten Bibliothekar-Chikanen durchzukämpfen und so vorzudringen zu den thatenlosesten und verschlossensten Schätzen unserer berühmten und öffentlichen Bibliotheken und Manuscripten-Kammern; daher, weil man, von der modischen Amme verwöhnt, dort zu empfinden, wo man denken sollte, und dort zu phantasiren, wo man historisch forschen und lernen sollte, nicht fähig und willig genug ist, die dortige steile Felsenbahn der historischen und philosophischen Untersuchung zu betreten, noch weniger ihren Gipfel zu erklimmen; daher endlich, weil man jetzt unwissend genug ist, um die Vorgänger in diesem Fache für unwissend; und geschmacklos genug, um jene für ungenießbar zu erklären; und, was das Aergste ist, weil man kleinlich genug denkt, um etwas scheinen zu wollen, zu dessen Seyn die allgerechte Natur Kraft und Beruf versagte, und zu dessen Duldung die unerbittliche Kritik nicht den mindesten Willen haben kann. Dessen ungeachtet mögen sie immerhin fort vegetiren, diese Sprachreiniger und Sprachbereicherer, diese Literatoren, welche von Meister Sachs und Altvater Opitz nur kindisch lallen können. Auch diese Vegetabilien-Welt kann zur belustigenden Unterhaltung der Menschen-Welt dienen. Aber die Kritiker müssen deswegen unverrückt und unverdrossen ihre Herkulische Wanderungen fortsetzen, unbekümmert, ob die Mitwelt ihrer achtet und die Nachwelt ihre Namen nennt. Die Forderungen, welche ich lebenswierig an jeden Kritiker im Fache der Deutschen Sprache und Literatur ergehen lassen werde, sind dieselben, welche ich in meiner philologischen Encyklopädie an den Kritiker der Alterthumswissenschaften bereits habe ergehen lassen. Ja, ich verlange, und aus Gründen, deren weitere Ausführung hier nicht möglich ist, aber gewißlich an einem andern Orte von mir gegeben werden soll, daß der werdende Deutsche Philolog zuvor ein Griechischer und Römischer Philolog geworden sey. Dann erst darf man hoffen, daß unsere biedere Sprache und Literatur aus ihrer unverdienten Verborgenheit hervorgerissen werden könne, wenn geübte und talentvolle Erklärer und kritische Bearbeiter des Homer und des Horaz, des Thucydides und Tacitus, des Aristoteles und Cicero sich zu unsern Oberdeutschen und Niederdeutschen, Fränkischen und Schwäbischen Sprachschätzen jedes Zeitpuncts und jeder Gattung herablassen, oder vielmehr es als ein patriotisches Verdienst ansehen, jene von Griechen und Römern hergeholten Fertigkeiten und Kenntnisse auf die Erklärung und kritische Bearbeitung unserer weniger schönen, aber für uns nicht minder reichhaltigen Sprachdenkmale, willig und ausdauernd anzuwenden. Dann erst darf man hoffen, daß besonders die Geschichte unserer Literatur nicht fernerhin aus Biographien Deutscher Dichter, aus Inhaltsanzeigen Deutschgeschriebener Werke, und aus archivarischdiplomati87
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schen Beschreibungen alter und seltener Drucke bestehen werde. Sondern auch hier wird man alsdann den seelerhebenden Ideen folgen, welche wir von Griechen und Römern allein erhalten konnten. Aber wann wird diese Sonne am literarischen Horizonte unseres Deutschen Vaterlandes aufgehen? Wann werden deutschgeborne Philologen, wie F. A. Wolf, C. G. Heyne, Dav. Ruhnken aufhören zu glauben, kritisches Studium der vaterländischen Sprache und Literatur sey Entwürdigung des neuern Philologen? Wann werden Oberlin, Trendelenburg und Hottinger ihr ganz entgegengesetztes Beyspiel allgemeiner befolgt sehen? Wann wird man den Unterricht in alter Sprache und Literatur mit dem Unterrichte in der einheimischen ältern und neuern Sprache und Literatur auf andern gelehrten Schulen so verbinden, wie dieses schon seit Jahren auf dem Königl. Pädagogium zu Berlin, dem diesjährigen Programme dieser Schulanstalt zufolge, geschehen ist? O, alle diese Fragen, deren jede schon so lange mein Herz zusammengepreßt hat, sie werden sicher von den Worthaltern unseres unmündigen Publikums bald mit einem kalten Bedauern, bald mit Faunischem Hohnlächeln, und am besten noch mit geistlähmenden Einwürfen von Unmöglichkeit, Unschicklichkeit und Zeitumständen aufgenommen werden, d. h. sie werden keine thätige Beantwortung von unsern gewöhnlichen Zeitgenossen erhalten, welche auch selbst bey ihren literarischen Wirkungen mehr auf die Befriedigung ihrer Sinnlichkeit als auf den Erweb geistiger Menschenwürde, und bey ihren literarischen Genüssen mehr auf Autoritäten des Rufes, Amtes und des Lebensalters an dem Wirkenden, als auf den innern von jedem Menschen-Ansehn unabhängigen Werth der genießbaren Wirkung selbst hinsehen. Gewiß, ein so gestimmtes Zeitalter verdient nicht die leiseste Ansprache des Kritikers, in dessen Seele Harmonie und in dessen Kraft Festigkeit herrscht. Für eine solche Zeitgenossenschaft von Publikum, Recensenten und Mäcenen darf und kann der Forscher nicht forschen, der Entdecker nicht entdecken. Die Uebung der eigenen Kraft, der dadurch erhaltene Selbstgenuß, und allenfalls die schwachdämmernde Hofnung von den wenigen Edelen unserer Zeit und von einer bessern Nachwelt richtig gewürdigt und genutzt zu werden; diese geistigen Vortheile sind es, welche den wackern Kämpfer und Ringer bey seinen Wagstücken und heldenmäßigen Mühen ermuntern, stützen und belohnen müssen. Dieser Gemeingeist ist es, welcher die neue Deutsche Gesellschaft zu Berlin, deren öffentlicher Auftritt durch diese Blätter näher bekannt gemacht werden soll, belebt, und so lange beleben wird, als sie Mitglieder hat, ähnlich oder vielmehr gewachsen denjenigen würdigen Männern, deren sie sich jetzt versichert hat. II. Gesellschaft der Deutschen Sprach- und Literatur-Forscher zu Berlin Durch das zu frühe Aufhören des vortreflichen Adelungischen Magazines für Deutsche Sprache wurden im Jahr 1788 mehrere hiesige und auswärtige Philologen und Literatoren, welche das Studium der bedeutendsten Sprachen und Literaturen seit Jahren als ihr Lieblingsgeschäft getrieben hatten, veranlaßt, sich zu einer gesellschaftlichen Verbindung zu vereinigen, deren nächster Zweck seyn sollte, die nicht ganz glücklichen Wirkungen der genannten Adelungischen Zeitschrift einst und unter vielleicht glücklichern 88
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Umständen mit einem glücklichern Erfolge fortzusetzen. Es wurden deswegen alle bis dahin vorhandenen zerstreueten Beyträge und die eigentlichen Quellen und Hülfsmittel für jenes Fach mehrere Mahle von Mehreren durchgelesen und excerpirt, die Sprachdenkmale nebst den undeutschen Quellen der Deutschen Literaturgeschichte kritisch untersucht und interpretirt, und über diese gemeinsame Bemühungen wurden mündliche und schriftliche Unterredungen gehalten. Die erste Frucht dieser Vereinigung war das Compendium der Deutschen Literaturgeschichte von E. J. Koch, Berlin 1790. 8. Dieses Werk sollte ein möglichstvollständiges und genaues Repertorium der Deutschen Sprach- und Literatur-Geschichte von den ältesten Zeiten bis auf das Jahr 1781, d. h. bis auf des großen Lessings Tod, und zugleich ein Vorläufer seyn von speciellern Untersuchungen über alle Gegenstände jenes Faches, welche eben wegen ihrer Specialität anziehender und genugthuender werden können. Alle in diesem Werke und in dessen Fortsetzung aufgeworfene Zweifel und die dadurch veranlaßten nähern Prüfungen solcher historischer Bestimmungen, welche man schon, bis zum Einschlummern, für ausgemacht, und durchaus erschöpft ansah, erforderten theils eine zu mehrern Mahlen und von mehreren Personen vorgenommene Revision dieser vermeynten Entschiedenheiten, theils eine von den verschiedensten Kräften und Kenntnissen unternommene und unterstützte Bemühung um das noch völlig Ununtersuchte und Ungekannte. In dieser zweyfachen Rücksicht war eine innigere Vereinigung und bestimmtere Constitution derjenigen Männer nöthig, welche, wie oben schon erwähnt worden, sich vor fünf Jahren verbunden hatten, um auf ein kritisches Studium der Deutschen Sprache und Literaturgeschichte bey ihrer Zeitgenossenschaft zu wirken, und dazu es für nöthig hielten, zuvor selbst dieses Studium Jahre lang zu treiben, ehe sie öffentlich mit der Miene zu solchen Entschlüssen und Wirkungen aufträten. Jetzt ist der glückliche Zeitpunct da, um aus der mehrjährigen Verborgenheit hervortreten zu können. Wir thun dieses, da doch einmal alles Nennbare seit Adams Zeiten irgend einen Namen haben muß, unter dem Namen: Gesellschaft für Deutsche Sprache und Literatur. Und da keine wissenschaftliche Gesellschaft ohne Sitzungen seyn, und keine Sitzung ohne einen bestimmten Ort gehalten werden kann, so wird Berlin aus mehr als einem Grunde der Wohnsitz dieser Gesellschaft seyn, so wie diese Stadt stets der Stammsitz derselben bleiben wird. Die auswärtigen Mitglieder und Mitarbeiter, senden daher alle ihre Beyträge, Anfragen, Nachrichten u. s. w. nach Berlin, und zwar zur Entsiegelung und weiteren Beförderung an den Prediger Koch bey der hiesigen Marien-Kirche, als an den zeitigen Geschäftsverweser dieser Gesellschaft. Die Hauptzwecke, welche wir in dieser Verbindung zu erreichen hoffen, sind, um es noch einmal zu wiederholen, Revision der bisherigen Bemühungen für Deutsche Sprache und Literatur, und Versuche ganz neuer, bisher noch nicht geahndeter Entdeckungen in diesen Fächern. Die Mittel, welche wir zur Erreichung dieser Absichten anwenden werden, sind: 1) Eine Vierteljahrsschrift, welche auf Kosten der Gesellschaft gedruckt, und zur Unterhaltung derselben öffentlich verkauft wird. 2) Preisaufgaben, welche die Gesellschaft jährlich bekannt machen wird. 89
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3) Ein rascher und ununterbrochner Briefwechsel, welchen die Gesellschaft auf ganz eigene Kosten nach den fernsten Gegenden Deutschlandes und des Auslandes führt. Von der genannten Vierteljahrsschrift erscheint um Johannis d. J. das erste Stück bey dem Buchhändler Friedrich Franke auf der Schloßfreyheit zu Berlin. Jedes Stück wird auf das Mindeste 14 Bogen in gr. 8. stark; indessen so oft die Herausgeber es für gut finden, wird die Bogenzahl um die Hälfte und noch weiter entweder vermehrt oder vermindert. Ueberhaupt haben sich die Herausgeber die strengste Ungebundenheit zuzusichern gewußt; daher sie unabhängig von Verleger, Publikum und Rezensenten, und unbekümmert um jede Gönnerschaft arbeiten und herausgeben wollen. Unterscheiden wird sich diese Vierteljahrschrift vom Adelungischen Magazine dadurch, daß sie sich nicht bloß auf Deutsche Sprache einschränken, sondern auch gleichmäßig sich auf Deutsche Literatur und Alles verbreiten wird, welches der vorhergegangenen Ankündigung zufolge in den Geschäftskreis der Berlinischen Deutschen Gesellschaft auf irgend eine Art gezogen werden kann. Doch wird sich unsere Gesellschaftsschrift von jenem sonst sehr verehrungswürdigen und verdienstvollen Magazine nicht bloß durch eine überwiegendere Extension, sondern auch durch eine eben solche Intension in der Art unterscheiden, daß kein Mitarbeiter und noch weniger ein Gesellschaftsmitglied zugelassen werden wird, von welchem man nicht nur eine kritische Kenntniß und Fertigkeit der Deutschen Sprache und Literatur, sondern auch eine mehr als oberflächliche und historische Kenntniß der Griechischen und Römischen Sprache und Literatur mit aller Strenge fordern kann. Von der Bragur, diesem Magazine der Nordischen und Deutschen Vorzeit, welches jetzt Frdr. Dav. Gräter und Erduin Julius Koch gemeinschaftlich herausgeben, wird jene Vierteljahrsschrift darin abgehen, daß sie nicht die Dilettanten, welche zuvor angeködert werden müssen, ehe man sie interessiren kann, zum Publikum wählt, sondern eine solche kritische Strenge und eine eben solche strenge Anspruchlosigkeit gleich bey ihrem ersten Auftritte zeigt, als wenn es nie ein Publikum gegeben hätte und nie geben würde. Wir gehen auf Entdeckungen und auf solche unerbittlichstrenge Untersuchungen aus, bey denen uns weder die Gnade noch der Zorn der ganzen Welt und aller Menschen von jeder Geburt, Connexion und Autorität irren sollen und können. Wie sehr diese Schrift sich von andern noch seichtern Schriften, als Adelungs Magazin und die Bragur sind, unterscheide, wird der Verfolg unserer gesellschaftlichen Bemühungen unwiderleglich beweisen. Die diesmalige Preisaufgabe ist die Ausarbeitung eines kritischen Wörterbuches der Ostfränkischen Sprache nach dem Plane, welcher in dem Magazine für Buchhändler und Schriftsteller von Erduin Julius Koch S. 56–65 (Berlin [1]792. 8.) entworfen worden ist. Der Preis ist 60 Ducaten, oder eine gleichgeltende goldene Medaille. Die Arbeiten der Mitbewerber werden spätestens gegen den 19ten December 1795 mit einem versiegelten Brieflein, welcher des Verfassers Namen enthält, an den bisherigen Geschäftsverweser der genannten Gesellschaft, den Prediger Koch bey der Marien-Kirche zu Berlin, gesandt. Die Verfasser, welche den Preis oder ein verhältnismäßiges Accessit gewinnen,
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werden es sich übrigens gefallen lassen, daß die Gesellschaft ihre Schriften als ein abgetretenes Eigenthum behandle und verbreite. Diese Gesellschaft selbst besteht theils aus bloßen Mitgliedern, theils aus bloßen Mitarbeitern, theils aus solchen, welche beydes zugleich sind. Das Mitglied unterscheidet sich von dem Mitarbeiter im Allgemeinen dadurch, daß jenes einen bestimmten Beytrag an Geld und Büchern jährlich hergiebt, und deswegen einen bestimmten Antheil von den jährlichen Einkünften der Gesellschaft erhält, dieser dagegen nur mit der Vierteljahrsschrift in Verbindung steht und für seine aufgenommene schriftliche Beyträge das in einer gedruckten Zuschrift versprochne und im gedruckten Contracte bestimmte Honorar erhält. Wer Mitglied und Mitarbeiter zugleich ist, kann seine Beyträge an Geld und Büchern gleichsam als ein Darlehn ansehn, welches er von der Gesellschaft theils verzinst, theils wieder ersetzt erhält. Das erstere durch den Antheil am jährlichen Gewinnste, das leztere durch das erarbeitete Honorar. Das bloße Mitglied steht nur mit der Gesellschaft, nicht aber mit der Vierteljahrsschrift in Verbindung. Es kann aber, wenn es einheimisch ist, durch thätige Theilnahme an den wöchentlichen Sitzungen und auf jede andere nicht vorher bestimmbare Art, und, wenn es abwesend ist, durch Verbreitung unserer literarischen Vaterlandsliebe, durch Ankauf der unserer Bibliothek noch fehlenden altdeutschen Schriften, durch Besuche auswärtiger Bibliotheken, und durch Untersuchung der dortigen Incunabeln und Manuscripte etc. sich als Gesellschaftsglied bewähren. Der bloße Mitarbeiter kann zwar eben diese Verdienste um die Gesellschaft sich erwerben, darf aber nicht den mindesten Antheil von dem jährlichen Gewinnste dafür verlangen, so lange er nicht zugleich Mitglied durch Beyträge an Geld und Büchern wird. Die bisherigen Mitglieder und Mitarbeiter haben durch ihre seit 1788 fortgesetzten Beyträge an Geld und Büchern einige zu unserm gegenwärtigen öffentlichen Auftritte hinreichenden Capitalien, und eine Bibliothek von 4000 Bänden zusammengebracht. Jene Capitalien werden jetzt als Vorschüsse zum Drucke der Vierteljahrsschrift und zur Bestreitung der Kosten, welche die verschiedensten Correspondenzen der Gesellschaft nothwendig machen, verwendet. Diese Bibliothek besteht aus alten und neuen, seltenen und nichtseltenen Werken, welche zur Encyklopädie der Deutschheit (orbis rerum Germanicarum, s. Koch’s liter[arisches] Magazin St. 1. S. 1–46) gehören. Ihre Bestimmung ist, die einheimischen und auch die auswärtigen Mitarbeiter an der Vierteljahrsschrift mit den nöthigen Quellen und Hülfsmitteln zu unterstützen. Damit nun sowohl die Gesellschafts-Casse unterhalten als auch die Gesellschafts-Bibliothek fortgesetzt und vervollständigt werden könne, so macht sich jedes Mitglied verbindlich: 1) Bey seinem Eintritte einen Louisd’or zur Casse zu geben. Selbst die bisherigen Mitglieder sehen sich als neueintretende an, und der beständige Vorsteher und zeitige Geschäftsverweser, (Aemter, welche in der Folge unter veränderten Umständen getrennt seyn können) zahlt bey dem Antritte des ersten Amtes gleichfalls einen Louisd’or, und bey dem Antritte des zweiten Amtes eben so viel. Ueberhaupt giebt er, weil sich in ihm zwei Mitglieder vereinigen zweifache Beyträge, diese mögen nun ordentlich oder außerordentlich seyn, er erhält aber dessen ungeachtet nur einen ein91
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fachen Antheil von dem jährlichen Gewinnste der Gesellschaft. Sein einziges Vorrecht besteht darin, daß er wegen seines zweifachen Berufes, zwey Stimmen hat. 2) Monatlich einen bestimmten Beytrag von einem Thaler zu geben, wogegen der Vorsteher und Geschäftsverweser zwey Thaler monatlich zahlt. 3) Alle Dubletten oder diesen ihm gleichgeltende Bücher seiner Bibliothek, gleich viel, in welcher Sprache oder aus welcher Wissenschaft, der Gesellschaftsbibliothek zu schenken. 4) Einen beliebigen Theil seiner Bibliothek der Gesellschaftsbibliothek in seinem Testamente zu vermachen. Alle diese Bedingungen werden in den gedruckten Instructionen für die Mitglieder noch näher bestimmt und dadurch gegen jede Mißdeutung gesichert. Eben so wird für die bloßen Mitarbeiter eine besondere Instruction gedruckt werden. Jährlich oder auch halbjährig wird eine öffentliche oder Privat-Auction von den der Gesellschaft entbehrlichen oder entbehrlichgewordenen Büchern gehalten und die daher erhaltene Summe zur Casse gebracht. Ist die Gesellschaft fernerhin, wie jetzt, im Stande, verhältnißmäßige Preise auszutheilen, so werden jährlich oder halbjährig eine oder mehrere Aufgaben aus der Deutschen Encyklopädie öffentlich bekannt gemacht werden. Auch sollen unter günstigen, jetzt noch nicht vorhersehbaren, Umständen alle unsere Kräfte dazu angewendet werden, um bisher ungedruckte Schätze der Deutschen Sprache und Literatur durch den Druck bekannter, durch eine geschmackvolle und kritische Bearbeitung genießbarer, und durch jedes andere literarische Mittel wirksamer zu machen. Es läßt sich begreifen, daß solche Abdrücke wohlfeiler für den Käufer geliefert werden können, als die bisher erhaltenen, da wir nur Geld zum Druck und Papier nöthig haben, und alle andere Geschäfte, z. B. das Copiren, Emendiren, Uebersetzen, Corrigiren und überhaupt das Herausgeben von uns unentgeldlich versehen werden soll. Dasselbe gilt von Wörterbüchern für Deutsche Sprache und Literatur, von Sprachlehren, Idiotiken und andern Werken der Art, welche ebenfalls in unserm Plane liegen. Und Du, mein Deutsches Vaterland, erwartest nun noch einen erschütternden Aufruf, unserm Beginnen hold zu seyn? Du hältst die einfache Ankündigung unseres patriotischen und uneigennützigen Unternehmens nicht für ermunternd genug? O, dann verstumme ich lieber und auch besser! Wen Ajassens und Elisens seelenvolles Verstummen nie rührte, den kann nur Bakchantengeschrey aus seiner brütenden Dumpfheit wecken, und wen ich erst aus dieser wecken soll, der schlummere lieber auf ewige Zeiten und träume! Gewiß dann sündigt er nicht, wie er wachend thun müßte! Quelle: Ueber Deutsche Sprache und Literatur. Ein Aufruf an sein Vaterland, von Erduin Julius Koch, Prediger an der Marienkirche zu Berlin. Nebst einer ausführlichern Nachricht von dem öffentlichen Auftritte der Gesellschaft Deutscher Sprach- und Literatur-Forscher zu Berlin. Berlin 1793 (Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel: Ko 87). – Zitiert nach: Paul Raabe: Erduin Julius Kochs Pläne zur Erforschung der deutschen Sprache und Literatur. Ein Hinweis auf die Frühgeschichte der Germanistik. In: Studien zur Deutschen Literatur. Festschrift für Adolf Beck zum siebzigsten Geburtstag. Heidelberg 1979, S. 151–157 (Probleme der Dichtung, Bd. 16). 92
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Berlinische Gesellschaft für deutsche Sprache Gesetzurkunde der Berlinischen Gesellschaft für Deutsche Sprache, 1815 Die Berlinische Gesellschaft für Deutsche Sprache ist am 5 Januar 1815 gestiftet worden, und hat nachstehende Gesetzurkunde auf einer vollen eigends dazu anberaumten Rathversammlung am 20 December 1815 einstimmig als gültig angenommen, und am 27 December 1815 auf einer Rathversammlung in Kraft gesetzt. Erstes Hauptstück. Z we c k . §. 1. Die Berlinische Gesellschaft für Deutsche Sprache hat zu ihrem ausschließlichen Zweck die wissenschaftliche Erforschung der Deutschen Sprache nach ihrem ganzen Umfange. §. 2. Sie gebraucht bei allen ihren mündlichen und schriftlichen Verhandlungen lediglich die Deutsche Sprache. §. 3. Alle fremde Sprachen kommen nur insofern in Betracht, als sie auf die geschichtliche Kenntniß von der Ausbildung unserer Muttersprache Einfluß haben. Z we i t e s H a u p t s t ü c k . We r k t h ä t i g k e i t . §. 4. Die Werkthätigkeit der Gesellschaft ist rein gesellschaftlich. §. 5. Zufolge des §. 1. angegebenen Zweckes hat die Gesellschaft für ihre Werkthätigkeit drei Hauptaufgaben: 1) g e s e l l s c h a f t l i c h e E r f o r s c h u n g d e s g e g e n wä r t i g e n Z u s t a n d e s der Deutschen Sprache nach sämmtlichen Mundarten, in Rede, Schrift und Druck. 2) Gesellschaftliche Würdigung der heutigen Deutschen Sprache nach ihrem eigenthümlichen Musterbilde, wie es aus ihr selbst anzuschauen und zu erkennen. 3) Gesellschaftliche Ausmittelung alles dessen, was im Geiste der geschichtlich gegebenen Sprache selbst gethan werden kann, um die heutige Deutsche Sprache weiter auszubilden, und den als zweckmäßig erkannten Sprachverbesserungen bei dem Deutschen Volke Eingang zu verschaffen.
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§. 6. Als Ergebniß dieser dreifachen Arbeit strebt die Gesellschaft: Vorarbeiten für ein Wörterbuch, für eine Sprachlehre und eine Geschichte der Deutschen Sprache zu liefern. §. 7. Die Versammlungen der Gesellschaft sind zweierlei: Arbeitversammlungen und Rathversammlungen. §. 8. Mit beständiger Beachtung der ausgesprochenen Grundsätze ist die Gesellschaft stetig zugleich wirksam, daß immer nacheinander in drei auf einander folgenden Arbeitversammlungen nach den drei §. 6. angegebenen Hauptrichtungen Gegenstände behandelt werden. 1) In der ersten Arbeitversammlung, Gegenstände und Erörterungen für das Wörterbuch. 2) In der zweiten Arbeitversammlung, Gegenstände und Untersuchungen für die Sprachlehre. 3) In der dritten Arbeitversammlung, Gegenstände zur Geschichte der Sprache. 4) Die je vierte Versammlung bleibt für freie Gegenstände, Mittheilungen, Anfragen und Sprachneuigkeiten. §. 9. In den Arbeitversammlungen ist die Werkthätigkeit zwiefach: 1) Als Hauptarbeit: die gesellige freie Überlegung, Berathung und Untersuchung der drei Hauptgegenstände, jedesmal in den ersten 1 ½ Stunden der Versammlung. 2) Als Nebenarbeit: Mittheilung einzelner Bemerkungen, Anzeigen und Nachrichten über allerlei Gegenstände der Deutschen Sprache während der letzten halben Stunde der Versammlungen. §. 10. Ueber diese ganze Werkthätigkeit werden besondere Bericht-Bücher gehalten: 1) für das Wörterbuch; 2) für die Sprachlehre; 3) für die Sprachgeschichte; 4) für die Nebenarbeit und die freien Vorträge der je vierten Versammlung. §. 11. Außer diesen besondern Berichtbüchern wird ein besonderes Tagebuch über alle und jede Versammlungen forlaufend geführt; worin Ort, Tag, Stunde, Art und Gegenstand aufgezeichnet werden, die Namen der anwesenden Mitglieder, Zuhörer und Besucher, und die Zeit des Schlusses. 94
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§. 12. In der Zeit der Hauptarbeit kann entweder ein mündlicher Vortrag oder eine Vorlesung gehalten werden. §. 13. Doch muß Vorlesung und Vortrag binnen einer halben Stunde völlig beendigt sein, damit zu gesellschaftlichen Erörterungen Zeit bleibt. §. 14. Die vorgelesenen Abhandlungen und Aufsätze werden unter den Handschriften der Gesellschaft aufbewahrt. §. 15. Auch können sie mit Einwilligung des Verfassers in den Jahrbüchern der Gesellschaft abgedruckt werden, ohne daß der Verfasser dadurch sein besonderes Recht auf seine Arbeit verliert. §. 16. In dem Versammlungszimmer der Gesellschaft soll eine Schrifttafel angebracht sein, worauf Mitglieder, Zuhörer und Besucher – Anfragen, Anzeigen und Rügen, so die Muttersprache betreffen, zur Kunde bringen, auch Antworten und Gegenerklärungen erhalten können. §. 17. Zu dem nämlichen Zweck wird ein offener Kasten hingestellt. §. 18. Alle und jede einzelne Bemerke auf der Tafel und in dem Kasten sollen für jeden Jahrgang mit fortlaufenden Zahlen bezeichnet, und zu einem Anzeiger gesammelt werden. §. 19. Wenn es an der Tafel und im Kasten an Raum fehlt, so müssen jedes Mahl die älteren Stücke Platz machen.
§. 20. Die Ergebnisse ihrer gesellschaftlichen Erforschungen bewahrt die Gesellschaft auf: 1) in ihren Berichtbüchern; 2) in ihrem Schriftenthum; 3) in ihrem Anzeiger.
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§. 21. Berichtbücher, Schriftthum und Anzeiger stehen den Mitgliedern vor und nach jeder Versammlung zur beliebigen Einsicht offen; auch zu jeder andern schicklichen Zeit, doch nur an dem Orte wo sie aufbewahrt werden. §. 22. Zur öffentlichen Kunde kommen die Ergebnisse der Gesellschaft durch das Ja h r b u c h . §. 23. Es soll immer erst nach einem verflossenen Jahre über die Druckwürdigkeit der Arbeiten des ganzen Jahrgangs abgestimmt werden. §. 24. Das Jahrbuch soll enthalten: 1) einen stetig fortlaufenden Auszug aus den Berichtbüchern; 2) die für druckwürdig befundenen Abhandlungen, nebst den wichtigsten Bemerken der Mitglieder; 3) den Anzeiger. §. 25. Bei dem Abdruck der Abhandlungen soll die von dem Verfasser beliebte Rechtschreibung beobachtet werden, insofern sie durch die üblichen Schriften der Drucker ohne weitere Kosten darzustellen ist. §. 26. Das Jahrbuch ist und bleibt Eigenthum der Gesellschaft; nur sie kann über Gestalt und Gehalt, so wie über Verkauf und Verschenken desselben, auch über sein Fortwähren und Aufhören entscheiden. §. 27. Der etwanige Verlust bei dieser druckschriftlichen Unternehmung trifft alle hiesige Mitglieder zu gleichen Theilen. §. 28. Von dem etwanigen Ertrag kommt: 1) die eine Hälfte an die Verfasser der abgedruckten Aufsätze als Ehrengeld, durchgehends für jeden Bogen gleichviel; 2) die andere Hälfte fällt der Gesellschafts-Kasse zu.
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§. 29. Die Auszüge aus den Berichtbüchern und der Anzeiger werden ohne Ehrengeld von den dazu erwählten Druckordnern besorgt. §. 30. Am Schlusse jeder Versammlung wird ein freiwilliger Beitrag in einem verdeckten Gefäß gesammelt. §. 31. Dieses Einkommen soll planmäßig verwandt werden, um den Unterricht in der Muttersprache in Deutschen Volksschulen zu verbessern durch: 1) Abfassung sprachlicher Schulbücher; 2) wohlfeilen Verkauf und unentgeldliche Austheilung derselben; 3) Preis-Aufgaben für zweckmäßige Lehrbücher der Muttersprache. §. 32. Als Hülfsmittel der Werkthätigkeit dienen Ausschüsse. §. 33. Sie sind die Sammler, Sichter, Vorbereiter und Zurichter des Stoffs für die gesellschaftlichen Untersuchungen. §. 34. Die Thätigkeit der Ausschüsse ist dreifach: 1) für das Wörterbuch; 2) für die Sprachlehre; 3) für die Sprachgeschichte. §. 35. Es steht jedem Mitgliede frei, Ausschüssen beizutreten oder nicht, nur muß, wer einmal beigetreten, ein Vierteljahr darin bleiben. §. 36. In den Arbeitversammlungen haben die Ausschüsse nach den ihre Vorarbeit betreffenden Gegenständen den ersten Vortrag. §. 37. Für den jedesmaligen Vortrag in der Arbeit-Versammlung wählt der Ausschuß einen Sprecher, doch immer nur für einen bestimmten Gegenstand.
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§. 38. Den Ausschüssen wird die ganze Einrichtung ihrer Zusammenkünfte überlassen. §. 39. Sollte irgend ein Ausschuß durch unvorher zu sehende Zufälle, an dem Tage, wo er die Reihe des Vortrags hat, nicht im Stande sein, solchen Verpflichtungen zu genügen; so wird die Versammlung alsdann sogleich zu freien Vorträgen benutzt. §. 40. Dem Ausschusse aber, der an diesem Arbeitstage den Vortrag haben sollte, wird solche Sitzung dennoch als Tag angerechnet, und kann er außer der Reihe nicht deshalb zum Vortrag kommen. Dr ittes Hauptstück. Von den Mitglieder n und der Mitgliedschaft. §. 41. Jedes Mitglied ist als solches verbunden, den hier §. 1 ausgesprochenen Zweck der Gesellschaft als thätiger Mitarbeiter zu fördern. §. 42. Jedes Mitglied ist daher verpflichtet, jeder Versammlung beizuwohnen, wenn es nicht durch dringende Angelegenheiten daran verhindert wird. §. 43. Wer ein Vierteljahr lang nicht die Gesellschaft besucht, ohne schriftliche Anzeige von seinem Wegbleiben, wird als ausgetreten betrachtet. §. 44. Auch behält sich die Gesellschaft das Recht vor, in außerordentlichen Fällen Mitgliedern nach Rathschluß den Wunsch zu eröffnen, nicht mehr die Gesellschaft zu besuchen. §. 45. Alle und jede Mitglieder der Gesellschaft haben gleiches Stimmrecht. §. 46. Jedes Mitglied hat das Recht, jeden Biedermann, von dem es sich eine vorzügliche Mitwirkung für den Zweck der Gesellschaft verspricht, zur Mitgliedschaft vorzuschlagen. §. 47. Der Vorschlag muß wenigstens vier Wochen vor derjenigen ordentlichen Rathversammlung geschehen, in welcher das Abstimmen darüber erfolgen soll. 98
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§. 48. Über Niemanden kann abgestimmt werden, der nicht wenigstens einmal vorher Besucher in der Gesellschaft gewesen ist. §. 49. Die Namen der zur Mitgliedschaft Vorgeschlagenen sollen, auf einer Tafel verzeichnet, in jeder Versammlung zu lesen sein. §. 50. Bei dem Abstimmen über die Annahme neuer Mitglieder zur Mitgliedschaft schreibt jeder Abstimmer auf einen Zettel; Ja oder N e i n . §. 51. Jedes Mitglied hat beim Eintritt in die Gesellschaft E i n e n Thaler als Legegeld zu entrichten. §. 52. Der vierteljährige Beitrag ist Ein Thaler. §. 53. Als Zuhörer gestattet der Gesellschaft, Freunden der Deutschen Sprache, nach Vorschlag und gesetzmäßiger Wahl den fortwährenden Zutritt für alle Arbeitversammlungen. §. 54. Die Zuhörer können 1) jede Arbeitversammlung besuchen; 2) die Berichtbücher über die Arbeitversammlungen lesen; 3) die Bücher und Handschriften der Gesellschaft wie die Mitglieder benutzen. §. 55. Sie hören aber bloß zu und haben bei den Verhandlungen keine Stimme. §. 56. Sie bezahlen vierteljährig zwölf Groschen, und wenn die Beiträge sollten erhöht werden, immer nur die Hälfte von dem, was die Mitglieder erlegen. §. 57. Jedes Mitglied kann in jede Arbeitversammlung einen oder mehrere seiner Freunde mitbringen, hat sie aber mit den äußern Einrichtungen bekannt zu machen und ins Fremdenbuch einschreiben zu lassen.
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§. 58. Über Annahme auswärtiger Mitglieder wird gerade wie über die hiesigen abgestimmt. §. 59. Die auswärtigen Mitglieder erhalten unentgeldlich einen gedruckten Schein über ihre Mitgliedschaft. §. 60. Sie sind frei von allen Geldbeiträgen; was sie freiwillig entrichten wollen, wird angenommen. §. 61. Alles, was sich die Gesellschaft und die auswärtigen Mitglieder mitzutheilen haben, wird durch Post, Fracht und Buchhändler gegenseitig frei bis Leipzig geliefert. §. 62. Die Gesellschaft verlangt, daß die auswärtigen Mitglieder jährlich wenigstens ein Mahl eine Abhandlung, einen Aufsatz oder Sprachbemerkungen, besonders über Mundarten, einsenden. §. 63. Ein auswärtiges Mitglied, was in Jahr und Tag nichts von sich hören lässet, wird als ausgeschieden betrachtet. §. 64. Wenn auswärtige Mitglieder Berlin zum Wohnort wählen; so können sie sogleich, nach Meldung bei der Gesellschaft, als Mitglieder eintreten, müssen aber alsdann Legegeld und Beitrag von dieser Zeit an entrichten. Vier tes Hauptstück. Rathver sammlungen. §. 65. Die jedesmalige je dreizehnte Versammlung ist eine ordentliche Rathversammlung. §. 66. Die Rathversammlungen berathen, stimmen und entscheiden über: 1) Annahme neuer Mitglieder, hiesiger und auswärtiger; 2) Zulassung von Zuhörern; 3) Ausschließung von Mitgliedern und Zuhörern; 4) Wahl der Beamten; 5) Druckwürdigkeit der Abhandlungen; 100
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6) 7) 8) 9)
Ort und Zeit der Versammlungen; etwanige Erhöhung oder Verminderung der Beiträge; Verwendung des Geldes; Änderung und Aufhebung alter, und Einführung neuer Gesetze.
§. 67. Zwei Drittheil der Stimmen von den in einer Rathversammlung gerade anwesenden Mitgliedern entscheiden über: 1) Annahme neuer Mitglieder; 2) Zulassung von Zuhörern; 3) Ausschließung beider. §. 68. Ist die Zahl der in der Rathversammlung anwesenden Mitglieder nicht theilbar durch drei; so wird die nächste (entweder vorhergehende oder folgende) durch drei theilbare Zahl als die derzeitige Richtzahl angenommen. §. 69 Alle Beamten werden nach Stimmenmehrheit schriftlich erwählt. §. 70. Fällt auf zwei oder mehrere Mitglieder eine gleichgroße Zahl von Wahlstimmen; so wird über diese Mitglieder die Abstimmung so lange wiederholt, bis einer die Überzahl behält. §. 71. Wenn in einer Rathversammlung nicht die Mehrzahl der Mitglieder anwesend ist; so müssen Entscheidungen über: 1) etwanige Erhöhung und Verminderung der Beiträge; 2) Verwendung des Geldes bis zu einer außerordentlichen Rathversammlung ausgesetzt bleiben, welche bloß für diese bestimmten Gegenstände ausdrücklich anberaumt wird, und in welcher alsdann auch die Mehrheit der gerade Anwesenden dafür oder dawider entscheidet. §. 72. Vorschläge zur Änderung der Gesetze, zur Aufhebung alter, zur Einführung neuer, müssen ein Vierteljahr vor der entscheidenden Rathversammlung schriftlich mit den Gründen dafür abgefaßt und so an der Tafel und im Schriftkasten zur Kunde der Gesellschaft gebracht werden.
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Berufsständische oder fachspezifische Vereine
§. 73. Vor jeder Rathversammlung müssen der Gesellschaft die zur Berathung kommenden Gegenstände durch einen Umlauf angezeigt werden, und die zu Mitgliedern und Zuhörern Vorgeschlagenen sämmtlich namentlich. §. 74. Von etwanigen Geschenken an Büchern, Handschriften, Geld und unmittelbar für den Zweck der Gesellschaft brauchbaren Dingen wird auf jeder Rathversammlung offene Rechnung abgelegt. §. 75. Auch die anwesenden auswärtigen Mitglieder haben in allen Rathversammlungen Sitz und dürfen ihre Meinung sagen; doch sie wird nicht als Stimme mitgezählt. §. 76. Das Abstimmen geschieht nach vorheriger Berathung durch schriftliches J a oder Nein. §. 77. Bei Entscheidung weniger wichtiger Gegenstände kann zur Abkürzung des Geschäftsganges und zur Zeitersparung das Aufheben beider Hände Ja, und das Nichtaufheben derselben Nein bedeuten; nur müssen die Händeaufheber dabei aufstehen. Fünftes Hauptstück. Beamten. §. 78. Die sieben Beamten der Gesellschaft heißen, und folgen: Ordner. Älterer Pfleger. Jüngerer Pfleger. Schreiber. Schriftwart. Älterer Schaffner Jüngerer Schaffner. §. 79. Der Ordner 1) hat in jeder Versammlung die von allen hiesigen Mitgliedern unterschriebene Gesetzurkunde zur Hand; 2) leitet die sämmtlichen Geschäfte der Gesellschaft, sowohl die Arbeiten als die Berathungen jeder Sitzung; 102
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3) hat den Vortrag in allen ihren Angelegenheiten; 4) besorgt den Briefwechsel der Gesellschaft mit Zuziehung des Schreibers und Schriftwarts; 5) führt allein das Siegel der Gesellschaft; 6) unterzeichnet mit seiner Namens Unterschrift alle Urkunden der Gesellschaft, die dadurch vollgültig werden, alle Schreiben, alle Beschlüsse, alle Bescheinigungen und alle Berichte im Berichtbuch; 7) ist einer der fünf Druckordner des Jahrbuchs; 8) hält auf die Vorschriften der Gesetzurkunde; 9) darf außerordentliche Rathversammlungen anberaumen; 10) kann durch Aufschlagen mit dem Schlüssel jedem Mitgliede und jedem Beamten, mit Ausnahme der beiden Pfleger, Stillschweigen gebieten; 11) hat auch das Recht, eine Arbeitversammlung zu schließen, ohne auf der Stelle den Grund davon anzugeben. §. 80. Dagegen ist der Ordner 1) für Alles von ihm Unterschriebene der Gesellschaft verantwortlich; 2) muß auf Verlangen jedem der beiden Pfleger vor offener Rathversammlung Gehör geben; 3) ist er gehalten, wenn er eine Arbeitversammlung vor der Zeit geschlossen hat, sein Verfahren in der nächsten Rathversammlung auch unaufgefordert zu rechtfertigen; 4) nur überhaupt so lange in Kraft seines Ordneramts, als die Pfleger nicht die Gesellschaft zu einer außerordentlichen Rathversammlung berufen, bei welcher in solchem Fall der nächstvorige Ordner den Vorsitz hat, oder wenn kein solcher vorhanden, für diese besondere Versammlung ein außerordentlicher Ordner eigends gewählt wird. §. 81. Die Pfleger 1) sind Vermittler der Gesellschaft und des Ordners; 2) sorgen für die Rechte beider; 3) haben das Recht und die Pflicht, auch unaufgefordert dem Ordner Rath zu ertheilen, und auf alles Wesentliche aufmerksam zu machen; 4) achten darauf, daß der Ordner die Gesetze befolge und aufrecht erhalte; 5) sollen verhüten, daß nicht das Abstimmen durch Händeaufheben gemißbraucht werde; 6) müssen Jeden zurechtweisen, der in der Gesellschaft wider die gesetzliche Form handelt; 7) können jedem Mitgliede und jedem Beamten, außer dem Ordner, durch Aufschlagen Stille gebieten; 8) dürfen außerordentliche Rathversammlungen berufen. 103
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§. 82. Der Schreiber 1) lässet von jedem neuen Mitgliede am Schluß der Versammlung, die von allen hiesigen Mitgliedern unterzeichnete Gesetzurkunde unterschreiben; 2) führt die Berichtbücher der Arbeitversammlungen und das Rathbuch der Rathversammlungen; 3) sorgt, daß in jeder Arbeitversammlung alle vier Berichtbücher des laufenden Jahres zur Einsicht bereit liegen; 4) muß die sämmtlichen Berichtbücher eines Jahrganges vier Wochen nach dem Jahres Abschluß dem Schriftwart einhändigen; 5) ist Mitdruckordner des Jahrbuchs; 6) sammelt alle an die Gesellschaft eingehende Briefe, nebst den erlassenen Antworten, bewahrt sie wohlgeordnet auf, bringt sie in jede Versammlung, und übergiebt sie vier Wochen nach Jahres Abschluß dem Schriftwart. §. 83. Der Schriftwart 1) bewahrt das ganze Schriftthum der Gesellschaft; 2) sammelt die sämmtlichen an der Schrifttafel erschienenen, und in dem Schriftkasten niedergelegten Merke zu einem Anzeiger; 3) besorgt nach Rathschluß den Einkauf und Einband der Bücher; 4) führt die Aufsicht über die Büchersammlung, und sorgt, daß sie zu jeder Versammlung an Ort und Stelle, und zur Hand ist; 5) darf nur an Mitglieder der Gesellschaft auf schriftlichen Leihschein Bücher verleihen, doch immer mit dem Beding, daß sie zur nächsten Versammlung wieder da sind; 6) führt die Mitaufsicht über den Schriftkreis; 7) ist ein Mitdruckordner des Jahrbuchs. §. 84. Der ältere Schaffner 1) führt das Tagebuch der Gesellschaft; 2) lieset in jeder Versammlung zu Anfang den letzten Tagbericht vor, und zum Schlusse den eben verfaßten; 3) sorgt für die gesellschaftliche Ordnung in allen Versammlungen, und für Sitze der Mitglieder, Zuhörer und Besucher; 4) achtet darauf, daß sich die Besucher ins Fremdenbuch einschreiben; 5) führt das Verzeichniß der zu Mitgliedern und Zuhörern Vorgeschlagenen. §. 85. Der jüngere Schaffner 1) sammelt die Stimmen ein; 104
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2) hat die Einnahme und Ausgabe des Geldes nach der gesetzmäßigen Vorschrift des Ordners, worüber er auf jeder Rathversammlung Rechnung ablegt. §. 86. Beide Schaffner besorgen vereint die Anordnung und Ausrichtung bei der Jahresfeier der Stiftung. §. 87. Druckordner das Jahrbuchs sind: 1) der Ordner, Schreiber und Schriftwart von Amts wegen; 2) zwei dazu eigens gewählte Mitglieder. §. 88. Die Amtsdauer ist verschieden: Der Ordner, Schreiber, Schriftwart und beide Schaffner werden auf ein Halbjahr erwählt, sind aber gleich wieder wählbar zu allen und jeden Ämtern. §. 89. Die Pfleger müssen alle Vierteljahr durch eine neue Wahl ersetzt werden, sind aber in der Folge auch zum Pflegeramt wieder wählbar. §. 90. Die Beamten sollen ohne dringende Noth in den Versammlungen weder fehlen noch zu spät kommen. §. 91. Ein Beamter, der verhindert ist, in die Versammlung zu kommen, muß es vor der Eröffnung dem Ordner schriftlich anzeigen. §. 92. Das an Lebensjahren älteste Mitglied hat seinen Sitz neben dem ältern Pfleger, und unterzeichnet alle Urkunden, welche von den Beamten unterzeichnet werden als Ältester. §. 93. Die Beamten ergänzen und ersetzen sich wechselseitig: 1) Den abwesenden Ord n e r ersetzt der S c h r i f t wa r t ; fehlen O r d n e r und S c h r i f t wa r t , so wird sogleich ein einstweiliger Ordner gewählt. 2) Fehlt Ein Pfleger, so besorgt der Anwesende für das Mahl allein die Geschäfte des Pflegeramts. Fehlen beide, so müssen gleich zwei neue gewählt werden. 3) Ein anwesender Schaffner vertritt des Abwesenden Stelle. Fehlen Beide, so kann der Ordner für das Mahl zwei Mitglieder zu Stellvertretern ernennen. 105
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4) Die Geschäfte des abwesenden Schreibers überträgt der Ordner sogleich einem Mitgliede. 5) Auch kann er den abwesenden Schriftwart durch ein anderes Mitglied vertreten lassen, wenn der jüngere Schaffner nicht zugegen ist. §. 94. Ein einstweiliger Beamter hat alle Rechte und Pflichten des wirklichen. Sechstes Hauptstück. For m der Ver sammlungen. §. 95. Die Mitglieder sitzen reihenweise ohne Rangordnung; bloß die Beamten haben ihre bestimmten Plätze an Tischen. §. 96. Der Ordner sitzt oben vor; zu seiner rechten Hand der Schreiber, zur linken der Schriftwart; an der Sitzreihe rechts vom Ordner zuerst der ältere Pfleger, neben ihm der Älteste, am Schlusse derselben Reihe der ältere Schaffner; in der Sitzreihe links vom Ordner ober den jüngere Pfleger, unten der jüngere Schaffner. §. 97. Am Ende der Reihen, unten quer vor, dem Ordner gegenüber, sitzen die Besucher, und hinter ihnen die Zuhörer. §. 98. Eine Viertelstunde nach der bestimmten Versammlungszeit, tritt der ältere Pfleger an seinen Tisch, klopft auf, und spricht: „Meine Her ren! Ich r ufe zur Arbeit! oder – zu Rath!“. Sobald alle Anwesende ihre Plätze eingenommen haben, steht der jüngere Pfleger auf, klopft und spricht: „Die Gesellschaft ist geordnet.“ Dann schlägt der Ordner auf, und spricht: „Die (erste u. s. w. diesjährige Arbeit- oder Rath-) Ver sammlung ist eröffnet.“ §. 99. Nun verlieset, ohne weitere Auffoderung, zuerst der ältere Schaffner aus dem Tagebuche den letzten Tagbericht, und darauf der Schreiber den Arbeitbericht der vorigen gleichartigen Versammlung. §. 100. Alsdann fodert der Ordner zum Vortrag auf: 106
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1) den Ausschuß, an dem gerade die Reihe ist; 2) oder dasjenige Mitglied, welches sich zum schriftlichen und mündlichen Vortrag gemeldet hat; 3) oder die Anwesenden überhaupt zu freien Vorträgen. §. 101. Der Sprecher eines Ausschusses, so wie jedes andere vortragende Mitglied hat das Recht, eine halbe Stunde zu reden oder zu lesen. Wird der Vortrag nicht in der gehörigen Zeit beendet; so schlägt der ältere Pfleger auf, und spricht: „Die Zeit des heutigen Vortrags ist verflossen!“ Jeder Vortrag, sei er mündlich oder schriftlich, muß alsdann sogleich aufhören. §. 102. Nach Beendigung des Vortrags fodert der Ordner zuerst die Besucher im Allgemeinen, und dann die Mitglieder im Einzelnen auf, darüber nach der Reihe ihre Meinung zu sagen, wobei der Älteste zuerst das Wort hat. §. 103. Redet jemand zu lange, so müssen ihn die Pfleger erinnern, sich kürzer zu fassen, damit auch die andern Mitglieder zu Worte kommen. §. 104. Die Beamten reden zuletzt und in aufsteigender Folge: jüngerer Schaffner, älterer Schaffner, Schriftwart, Schreiber, jüngerer Pfleger, älterer Pfleger und Ordner. §. 105. Es darf nur immer Einer zur Zeit reden. §. 106. Jedem Mitgliede steht übrigens frei, in seiner Reihe zu den Bemerkungen der Mitglieder neue Bemerke zu machen, die andern Urtheile zu berichtigen, zu ergänzen oder zu verwerfen. §. 107. Nachdem diese Erörterung im gesellschaftlichen Gespräch drei Viertelstunden gedauert hat, schlägt der ältere Pfleger auf, und spricht: „Die Zeit der Hauptarbeit ist verflossen!“ §. 108. Hierauf läßt der Ordner vom Schreiber den Arbeitbericht vorlesen.
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§. 109. Ist das geschehen, so schlägt der jüngere Pfleger auf, und fragt: „Hat etwa ein Mitglied etwas zu diesem Bericht zu erinnern?“ §. 110. Die etwanigen Erinnerungen werden sogleich vom Schreiber nachgetragen und vorgelesen, worauf der Ordner den Bericht mit unterzeichnet. §. 111. Auf die beendigte Hauptarbeit folgt die Nebenarbeit, für die der Ordner die Mitglieder zu einzelnen Sprachbemerkungen, Mittheilungen und Anzeigen auffodert. §. 112. Bei der Nebenarbeit sind die Mitglieder zwar an keine Reihenfolge gebunden; doch darf auch hier zur Zeit nur immer Einer reden. §. 113. Der Schreiber faßt auch über die Nebenarbeit einen Bericht ab, mit dem wie bei der Hauptarbeit verfahren wird. §. 114. Sodann sagt der Ordner: „Die Arbeiten der heutigen Versammlung sind geendet.“ §. 115. Der jüngere Pfleger ergreift ohne Aufschlagen das Wort: „Hat irgend ein Mitglied etwas zum Besten der Gesellschaft zu erinnern?“ §. 116. Erfolgen Erinnerungen, so sagt der Ordner in kurzen Worten darüber sein Gutachten; und wenn er glaubt, daß sie einer Berathung werth sind, so läßt er sie vom Schreiber für die nächste Rathversammlung im R a t h b u c h bemerken. §. 117. Alsdann erklärt der Ordner mit kurzen Worten, sich über die planmäßige Verwendung und löbliche Absicht der freiwilligen Beiträge. §. 118. Der jüngere Schaffner reicht das verdeckte Gefäß zur Einsammlung der freiwilligen Beiträge umher, und bringt es auf den Tisch zwischen Ordner und Schreiber, wo der Ertrag sogleich gezählt, und von dem ältern Schaffner in seinen Tagbericht aufgenommen wird. 108
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§. 119. Nun verlieset der ältere Schaffner aus dem Tagebuche den Tagbericht. §. 120. Alsdann steht der Ordner auf, und spricht: „Die (erste u. s. w.) diesjähr ige Ver sammlung der Berlinischen Gesellschaft für Deutsche Sprache ist geschlossen.“ Siebentes Hauptstück. Einr ichtung des Schr iftkreises. §. 121. Der Schriftkreis soll den Hauptzweck der Gesellschaft befödern, ein geordnetes Prüfen und Durchdenken wichtiger Abhandlungen möglich machen, und überhaupt die Mitglieder in genaue geistige Wechselwirkung zu setzen. §. 122. Im Schriftkreise werden schriftliche Abhandlungen hiesiger und auswärtiger Mitglieder, auch anderer Sprachforscher, so wie auch wichtige und seltene Bücher, den Mitgliedern ins Haus gesendet. §. 123. Die hiesigen Mitglieder erhalten die einzelnen Senden durch den Gesellschaftsboten, der sie zur bestimmten Zeit wieder abhohlt, aber nicht aufgehalten werden darf. §. 124. Der Ordner verwaltet, mit Zuziehung des Schriftwarts, den Schriftkreis. §. 125. Auf jeder Sende, die der Ordner in Umlauf setzt, bemerkt er: 1) 2) 3) 4) 5) 6)
das Jahr; die Zahl der Sende im Jahrgang; die etwanigen einzelnen Stücke der Sende; die Zeit, wo er die Sende abgefertigt; den jedesmaligen Kreislauf der Sende; daß die Mitglieder ihre etwanigen Bemerkungen und Urtheile, nur auf besondern Bogen mit ihrer Namens Unterschrift versehen, hinzufügen, aber sie weder in ein Buch, noch in eine schriftliche Abhandlung, oder in die Bemerkungen des Vorgängers hineinschreiben;
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7) daß, wer aber irgend ein Buch in der Sende mit seinen noch so gut gemeinten Anmerkungen verunziert, sogleich den Ladenpreis und Einband des Buchs an die Gesellschaftskasse entrichten muß; 8) daß auch auf Kosten desjenigen, der in eine Abhandlung etwas hineinschreibt, sogleich eine neue Reinschrift verfertiget wird. §. 126. Über den Schriftkreis hält der Ordner ein Verzeichniß, worin alle Senden mit deren Aufschriften, nebst den Tagen des Eingangs, des Ausgebens und Zurückerhaltens, bemerkt werden. §. 127. Erst, wenn eine Abhandlung ihren Umlauf als Sende vollendet hat, erhält sie der Verfasser mit allen Bemerkungen wieder zur Prüfung. §. 128. Es steht ihm frei, sie dann darnach um- und überzuarbeiten, und so der Gesellschaft zu übergeben, oder in der frühern Gestalt zu lassen. §. 129. Hat der Verfasser die Abhandlung weder um- noch übergearbeitet, und wird sie dennoch für druckwürdig befunden; so muß wenigstens das Wesentlichste der Erinnerungen mit abgedruckt werden. §. 130. Alle Senden, die ihren Kreislauf vollendet haben, werden vier Wochen nach Jahresschluß dem Schriftwart übergeben. Achtes Hauptstück. Von der Gesetzurkunde. §. 131. Die Gesetzurkunde soll gedruckt, und jedem hiesigen und auswärtigen Mitgliede, so wie jedem Zuhörer, unentgeldlich davon ein Abdruck mitgetheilt werden. §. 132. Durch den Abdruck im Jahrbuch soll sie zur allgemeinen Kunde kommen. §. 133. In der letzten Versammlung jedes Jahres soll sie vorgelesen und geprüft werden.
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§. 134. Es soll ein Hauptgegenstand der Rathversammlungen sein, die Gesetzurkunde vollkommener zu machen. §. 135. Die von sämmtlichen Mitgliedern unterschriebene Urkunde soll in jeder Versammlung vor dem Ordner liegen. §. 136. Jeder einzelne Abdruck der Urkunde, welcher ausgegeben wird, soll durch eigenhän dige Namens Unterschrift aller derzeitigen Beamten und durch das untergedruckte Siegel der Gesellschaft beglaubigt sein.
Berlin, den 14ten Hornung 1816. Die derzeitigen Beamten der Berlinischen Gesellschaft für Deutsche Sprache. Ordner Älterer Pfleger Jüngerer Pfleger Schreiber Schriftwart Ältere Schaffner Jüngerer Schaffner Ältester
Zeune, Vorsteher der Blindenanstalt. Friedrich Ludwig Jahn. Graßhoff, Vorsteher der Taubstummenanstalt. Theodor Heinsius. F A Pischon, Prediger. Wilhelm Müller. Franz Marggraff, Vorst[eher] einer Lehranstalt. Christ. Heinr. Wolke, Kais. russischer Hofrat und Professor.
Quelle: Gesetzurkunde der Berlinischen Gesellschaft für Deutsche Sprache. Berlin 1816. Gedruckt mit Unger’s Schriften [Separatdruck, 24 Seiten]. Handschriftlich eingetragen sind das Ausstellungsdatum „24ten Hornung [18]16“ sowie die Unterschriften und Berufsangaben der Beamten. – Auf dem unteren Rand der letzten Seite befindet sich das Vereinssiegel.
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BILDUNGS- UND GESELLIGKEITSVEREINE
Montagsclub I) Gesetze, April 1787 Gesetze des Montag-Klubs. / Verhandelt im Montag-Klub den 7ten April 1787. / In Gegenwart der Endesunterschriebenen. Nachdem nöthig befunden worden, über verschiedene, die Angelegenheiten des Montag-Klubs betreffende Punkte für die Zukunft ein bestimmtes Regulativ zu treffen; so sind sämmtliche anwesende Mitglieder zu diesem Behuf durch ein Circulare zusammen berufen, und hiernächst folgende Punkte theils einmüthig, theils durch Mehrheit der Stimmen zur künftigen Richtschnur verabredet und festgesetzt worden. I. Die Zahl der Mitglieder soll auf 24 eingeschränkt, und daher ein neues Mitglied nicht eher angenommen werden, bis von den 26 Mitgliedern 3 aus der Gesellschaft geschieden sind. II. Die gemeinschaftlichen Angelegenheiten des Klubs können nur allein in den zu Anfange jeden Viertel-Jahres zu haltenden General-Versammlungen verhandelt, und nach Mehrheit der Stimmen entschieden werden. III. Zu diesen Quartal-Versammlungen werden sämmtliche Mitglieder einige Tage zuvor durch ein Circulare mit der Erinnerung zusammen berufen, keine Fremden mitzubringen, und die Vierteljährige Geldbeiträge abzuliefern. IV. Wer an diesem Versammlungs-Tage nicht den Geld-Beitrag leistet, läßt sich gefallen, daß solcher am folgenden Tage von ihm in seiner Behausung abgeholet wird, und zahlet dem Boten für diesen Gang 2 Gr. 112
Montagsclub
V. In Ansehung des Beitrags soll es zwar den bisherigen Mitgliedern, welche vierteljährig nur 1 Thlr. zur Kasse, und außerdem für jede Mahlzeit 10 Gr. gezahlt haben, auch in Zukunft frei stehen, in dieser Maaße den Beitrag zu continuiren; dagegen soll jedes neu aufzunehmende Mitglied schuldig sein, den Vierteljährigen Beitrag mit 5 Thaler zu entrichten.* * Um diesen Artikel zu verstehen, muß man wissen, daß bishero jedem Mitgliede frey gestanden, entweder 1 Thlr. oder 5 Thlr. vierteljährig zu zahlen, da dann in ersterm Fall jede Mahlzeit besonders mit 10 Gr., im letztern Fall aber gar nichts weiter bezahlet werden dürfen. VI. Wer 2 Quartale hindurch ohne notorische Krankheit oder Abwesenheit den Klub nicht beiwohnt, auch den Beitrag nicht leistet, erklärt dadurch, daß er die Gesellschaft verlassen wolle; sein Platz wird anderweitig besetzt, und wenn er in der Folge wieder eintreten wollte, wird er wie ein Fremder betrachtet. VII. Dahingegen bleibt denjenigen, welche wegen Dienst-Versetzungen, oder aus andern untadelhaften Ursachen, Berlin auf einige Jahre verlassen, ihr einmal erworbenes Recht dergestalt vorbehalten, daß sie nach ihrer Zurückkunft, ohne eine Vacanz abzuwarten, sogleich wieder eintreten können. VIII. Wer bei der Gesellschaft aufgenommen werden will, muß durch ein Mitglied proponirt werden. Geschieht diese Proposition wenigstens 4 Wochen vor der Quartal-Versammlung, so wird in dieser, sonst aber allererst in der folgenden Quartal-Versammlung über dessen Zulässigkeit balotirt. Bei dem Balotiren wird eine schwarze Kugel nicht geachtet, dagegen 2 oder mehrere schwarze Kugeln dem Vorgeschlagenen den Eintritt in die Gesellschaft versagen. Sollte die Besorgniß entstehen, als ob bei dem Balotiren ein Versehen vorgefallen wäre, so kann ein jedes Mitglied darauf dringen, daß das Balotiren wiederholet, und nach dem Befunde entschieden werde, ob der Vorgeschlagene für annehmlich zu halten. IX. Bei entstehender Vacanz wird in der nächsten Quartal-Versammlung aus der Zahl der Vorgeschlagenen, und annehmlich befundenen, nach Mehrheit der Stimmen, ein neues Mitglied erwählt. X. Während dem Lauf eines Quartals werden die keinen Aufschub leidenden Klub-Angelegenheiten von dem engeren Ausschusse besorgt. Dieser besteht aus dem jedesmaligen Senior und Subsenior, imgleichen dem durch Mehrheit der Stimmen gewählten Rechnungsführer, Secretario und Archivario. 113
Bildungs- und Geselligkeitsvereine
XI. Der Klub versammlet sich jeden Montag Abends zwischen 6 und 7 Uhr, und um 8 Uhr wird mit der Mahlzeit der Anfang gemacht. XII. Am Oster- und Pfingst-Montage ist keine Versammlung, sondern diese erfolgt am nächsten Dienstage, ohne daß es einer besonderen Verabredung bedarf. Sollte der erste oder 2te Weihnachts-Tag, imgleichen der Neujahrs-Tag auf einen Montag fallen, so versammlet sich der Klub im ersten Fall am nächstfolgenden Mittwoch, in den beiden letzteren Fällen aber am nächstfolgenden Dienstag. Wenn das Karneval eine Verlegung des Klubs nothwendig macht, wird deshalb das Erforderliche verabredet, und sämmtlichen Mitgliedern per Circulare bekannt gemacht. XIII. Jedem Mitgliede steht es frey, Gäste, sowohl einheimische, als fremde gegen Bezahlung mitzubringen. Nur muß wegen eines mitzubringenden Gastes, spätestens um 7 Uhr, und wenn von einem Mitgliede mehrere Gäste mitgebracht werden sollten, spätestens um 5 Uhr der Koch davon benachrichtigt werden. XIV. Nur demjenigen, der einen oder mehrere Gäste mitgebracht hat, steht es frey, für sich und seine Fremden bei Tische Plätze zu belegen. XV. Außer dem Schach-Spiel wird kein Spiel in dem Klub geduldet. Sämmtliche Endes Unterschriebene machen sich anheischig, den vorstehender maaßen verabredeten Punkten überall so lange auf das genaueste nachzuleben, bis etwa durch anderweitigen Beschluß der General-Versammlung eine Abänderung nöthig befunden worden. Vorgelesen und genehmigt Ramler Nicolai Meil Theden Baumgarten Gerhard Caps Biester Rosenstiel v. Oesfeld Oelrichs Besecke Teller Wehling v. Marconnay Klein Gedike Mayer Woldermann v. Carmer Stielow Villaume Quelle: [Gustav Adolf Sachse und Eduard Droop]: Der Montagsklub in Berlin 1749–1899. Fest- und Gedenkschrift zu seiner 150sten Jahresfeier. Berlin, Oktober 1899, Anlage Nr. 2, S. 63–66.
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Montagsclub
II) Neue Gesetze, Januar 1814 Neue Gesetze des Berlinischen Montags-Klubbs / festgesetzt und angenommen in der Quartalversammlung am 3. Januar 1814 von der unterzeichneten Mitgliedern I. Die Zahl der Mitglieder des Klubbs ist auf 30 festgesetzt. II. Die gemeinschaftlichen Angelegenheiten des Klubbs können nur in den zu Anfange jeden Vierteljahres zu haltenden General-Versammlungen verhandelt, und nach Mehrheit der Stimmen entschieden werden. Die nicht anwesenden Mitglieder müssen sich das gefallen lassen, was die gegenwärtigen beschlossen haben. III. Zu diesen Quartal-Versammlungen werden sämmtliche Mitglieder, ohne daß es einer besonderen Einladung bedarf, ersucht, sich einzufinden, an diesem Tage keine Fremden mitzubringen, und die vierteljährigen Geldbeiträge abzuliefern. IV. Wer an diesem Versammlungstage den Geldbeitrag nicht leistet, läßt sich gefallen, daß solcher am folgenden Tage von ihm in seiner Behausung abgeholet wird, und zahlet dem Boten für diesen Gang 2 gute Groschen. V. Ein jedes Mitglied zahlet vierteljährig postnumenrando 5 Thaler Courant.* Für diesen Beitrag wird jedes Mitglied an jedem Klubbtage unentgeldlich gespeiset; für jeden Fremden aber, den ein Mitglied mitbringt, bezahlet dasselbe dem Wirth oder dessen Leuten, 14 gute Groschen.** * Jetzt [1899] 18 Mark. ** Jetzt 3 Mark. VI. Wer die Gesellschaft verlassen will, muß wenigsten 4 Wochen vor Ablauf eines Quartals die Anzeige davon machen, damit bei Zeiten zur Wahl eines neuen Mitgliedes geschritten werden kann. VII. Bei einer eingetretenen Vakanz, wird in der nächsten Quartalversammlung, dafern sich nicht Jemand selbst zur Aufnahme gemeldet hat noch von früheren Wahlen nicht-gezogene Namenzettel vorhanden sind von einem oder mehreren der anwesenden Mitglieder, 115
Bildungs- und Geselligkeitsvereine
der Name eines Mannes, den es der Gesellschaft zuzuführen wünscht, auf einen Zettel geschrieben; diese Zettel werden zusammengerollt, gemischt, und einer der Anwesenden – wo möglich ein Diener der Themis – zieht deren unbesehens nach einander so Viele, als zu wählende Mitglieder sind, über deren Aufnahme nun, nach ihrer Reihenfolge, die gewöhnliche Kugelung statt findet. Im günstigen Fall wird dann der Gewählte durch den vorschlagenden Freund, oder durch einen der Beamten des Klubbs, auf eine diskrete Art, von seiner Wahl unterrichtet, und derselbe, wenn er sie annimmt, zum Besuch der Gesellschaft auf den nächsten Klubbtag eingeladen. Schlägt der Gewählte die Wahl aus, so wird in der ersten Quartal-Versammlung zu einer neuen geschritten. VIII. Bei dem Ballottiren wird Eine schwarze Kugel nicht geachtet, dagegen 2 oder mehrere schwarze Kugeln dem Vorgeschlagenen den Eintritt in die Gesellschaft als Mitglied versagen. Sollte die Besorgniß entstehen, als ob bei dem Ballottiren ein Versehen vorgefallen wäre, so kann ein jedes Mitglied darauf dringen, daß das Ballottiren wiederholet, und nach dem Befunde entschieden werde, ob der Vorgeschlagene für annehmlich zu halten oder nicht. IX. Wer zwei Quartale hindurch, ohne notorische Krankheit, oder Abwesenheit von Berlin, dem Klubb nicht beiwohnt, auch den Beitrag nicht leistet, erklärt dadurch, daß er die Gesellschaft verlassen wolle; sein Platz wird anderweitig besetzt, und wenn er in der Folge wieder eintreten wollte, wird er wie ein Fremder betrachtet. X. Wer zwei Quartale hintereinander wegbleibt, wenn er gleich den Beitrag bezahlt, wird zum Besuchen der Gesellschaft durch den Sekretair schriftlich aufgefordert, weil es der Gesellschaft hauptsächlich um seinen freundschaftlichen Umgang zu thun ist. Bleibt er gleichwohl wieder zwei Quartale weg, so wird angenommen, daß er die Gesellschaft verlassen wolle; es wird kein Beitrag weiter von ihm eingefordert, und ein anderes Mitglied an seine Stelle gewählt. XI. Dagegen bleibt denjenigen, welche wegen Dienstversetzungen, oder aus andern untadelhaften Ursachen, Berlin auf einige Jahre verlassen, ihr einmal erworbenes Recht dergestalt vorbehalten, daß sie nach ihrer Zurückkunft, ohne eine Vacanz abzuwarten, sogleich wieder eintreten können. XII. Während dem Lauf eines Quartals werden die keinen Aufschub leidenden Klubb-Angelegenheiten von dem enger n Ausschusse besorgt. Dieser besteht aus dem jedesma116
Montagsclub
ligen Senior und Subsenior, imgleichen dem durch Mehrheit der Stimmen gewählten Rechnungsführer, Secretär und Archivar. XIII. Diese 3 letztgenannten Klubb-Beamten werden alle 3 Jahre nach Mehrheit der Stimmen erwählet. Da die jetzigen im Oktober 1811 erwählet worden, so fällt die neue Beamten-Wahl auf die diesjährige Quartal-Versammlung im Oktober, und ferner 1817 u. s. w. XIV.* Der Klubb versammelt sich jeden Montag Abends zwischen um 7 Uhr, und um 8½ Uhr wird mit der Mahlzeit der Anfang gemacht. * Vom zweiten Montag im Juli bis Ende August finden Versammlungen nicht statt (seit 1877). XV. Am Oster- und Pfingstmontage ist keine Versammlung, sondern diese erfolgt am nächsten Dienstage, ohne daß es einer besonderen Verabredung bedarf. Sollte der erste oder zweite Weihnachtstag, imgleichen der Neujahrstag, auf einen Montag fallen, so versammlet sich der Klubb im ersten Fall am nächstfolgenden Mittwoch, in den beiden letzteren Fällen aber, am nächstfolgenden Dienstag.** ** [Ergänzung von 1899:] Ist der Tag vor dem Weihnachtsfeste ein Montag, so findet die Versammlung am Donnerstag nach dem Weihnachtsfeste und die nächste Versammlung nicht am Montage den 31. Dezember, sondern am Mittwoch den 2. Januar und zwar als Quartals-Versammlung statt. XVI. Jedem Mitgliede steht es frey, Gäste, sowohl einheimische als fremde, gegen die, bereits §. V. erwähnte, Bezahlung von 14 guten Groschen für jeden, mitzubringen. Nur muß wegen eines mitzubringenden Gastes, spätestens um 7 Uhr, und wenn von einem Mitgliede m e h r e r e Gäste mitgebracht werden sollen, spätestens Nachmittags um 5 Uhr der Wirth davon benachrichtigt werden. XVII. Nur demjenigen, der einen oder mehrere Gäste mitgebracht hat, steht es frei, für sich und seine Fremden, bei Tische Plätze zu belegen. XVIII. Außer dem Schach-Spiel wird kein Spiel in dem Klubb geduldet.
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Bildungs- und Geselligkeitsvereine
XIX. Zur Fortsetzung und Vervollständigung der angelegten Bildnißsammlung, hat jedes Mitglied des Klubbs sein in Kupfer gestochenes, gemaltes oder gezeichnetes Portrait, oder wenigstens seinen Schattenriß, nebst einer eigenhändigen, kurzen biographischen Notiz, dem Archivar zuzustellen. XX. Vorstehende Gesetze sind so lange allgemein verbindlich, als nicht durch einen anderweitigen gesetzlichen Beschluß der Quartal-Versammlung (§. II) eine Abänderung beliebt worden. Biester Rosenstiel v. Schultz Klügel Gödeking Goercke Eiselen Philippi Wilckens Stägemann Rudolphi Parthey Sack v. Itzenplitz Pfeiffer Decker Schmedding Woldermann Himly Hembstädt v. Quast v. Schuckmann Jäschke Quelle: [Gustav Adolf Sachse und Eduard Droop]: Der Montagsklub in Berlin 1749–1899. A. a. O., Anlage Nr. 3, S. 67–70.
Berliner Mittwochsgesellschaft (Gesellschaft von Freunden der Aufklärung) Zur Einrichtung der Gesellschaft, 1784 [Von der Hand Johann Erich Biesters:]
Einrichtung der Gesellschaft 1. Jedes Mitglied verspricht auf seine Ehre, strenge Verschwiegenheit über alles in der Gesellschaft vorgetragene; auch selbst von gleichgültigen, die Gesellschaft betreffenden Dingen; ja von ihrer Existenz nicht viel zu sprechen. 2. Jedes Mitglied verspricht auf seine Ehre, vollkommende Toleranz aller Meinungen, selbst derer, die ungereimt scheinen möchten, und keine Art von Anfeindung darüber weder in noch außerhalb der Gesellschaft. 3. Die Gesellschaft hat zwei Namen, einen äußeren: die Mittwochsgesellschaft; einen inneren: die Gesellschaft von Freunden der Aufklär ung.
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Berliner Mittwochsgesellschaft
4. Die Zusammenkunft ist von Michaelis bis Ostern monatlich zweimal, von Ostern bis Michaelis monatlich einmal, immer respextive den ersten oder den ersten und dritten Mittwochen des Monats. Die Sitzung fängt an um halb 6 Uhr, und dauert bis 8, wo gegessen wird. 5. Die Reihe des Vortrags unter den Mitgliedern ist unten bestimmt, nach Nummern. – Unter den Gegenständen sind ausgenommen: eigentliche Theologie, Jurisprudenz, Medicin, Mathematik, philologische Kritik und Zeitungsnachrichten; nicht aber die daraus erfolgenden Resultate zur Aufklärung und zum Wohl der Menschheit. – Der Vortrag besteht, wie man weiß, entweder in eigentlichen Vorlesungen, die nicht zu lang seyn, und immer Punkte zur Discusion enthalten müssen, oder es werden einige Mater ien zum discutiren aufgeworfen, wobei aber der Vortragende diese Punkte schriftlich mitbringen muß, damit sie zu den Akten kommen; oder endlich es werden solche Materien aus einem Buche vorgelesen. – Zwei Nummern tragen an jedem Tage vor. Nach jedem Vortrage wird fixum votirt. 6. Wenn der Vortrag geendigt ist, sprechen oder votiren die Glieder darüber, in der Ordnung, nach welcher sie gerade sitzen. Der Vortragende kann jedem Votirenden antworten. Der Votirende kann nur einmal reden, bis [die] Reihe ganz herum ist, und wieder an ihn kömmt. Wenn gegen dies Gesetz verstoßen wird, macht der Sekretär und der Vortragende darauf aufmerksam. – Die Gesichtspunkte der Votirenden werden protokollirt, wobei der Vortragende das Protokoll dirigirt. Nachher kann dasselbe bei den Gliedern cirkulieren. 7. Die höchste Zahl der Mitglieder ist auf 24 bestimmt. Exzellenzen werden nicht aufgenommen. Das Stimmabgeben geschieht durch Ballontiren. Bei Wählung eines Mitgliedes werden unanimia erfordert; die Abwesenden werden per Circulare befragt. Bei anderen Beschlüßen geht es nach plurimis, wobei die Anwesenden nicht gelten. 8. Fremde können ohne vorherige Anfrage per Circulare nicht mit gebracht werden. 9. Ein monatlicher Beitrag ist festgesetzt auf 16 groschen, der Sekretär ist zugleich Kaßirer. 10. die Nummern der Mitglieder folgen so aufeinander: 1. Herr Teller, 2. Engel, 3. Nikolai, 4. Dohm, 5. Möhsen, 6. Diterich, 7. Klein, 8. Zöllner, 9. Selle, 10. Gedike, 11. Biester, 12. v. Irving. [Rechts unten am Rand nachgetragen von der Hand Möhsens die Namen weiterer Mitglieder:]
H. Schmidt, Svarez, Wloemer, Struensee, von Beneke, Leuchsenring, Gebhard, Siebmann. 119
Bildungs- und Geselligkeitsvereine
[Von der Hand Biesters:]
Ordnung, in welcher die Sachen izt cirkuliren sollen. Herr Klein – Svarez – Zöllner – Schmidt – Moses Mendelssohn – Diterich – Spalding Leuchsenring – Engel – Nikolai – Teller – Möhsen – Gedike – Struensee – Dohm – Gebhard – Wlömer – von Irving – von Beneke – Selle Siebmann Biester. Es ist festgesetzt: daß die Tage des Fortschickens Montag und Donnerstag sind. Wer etwas am Montag erhält, schickt es am Donnerstag weiter; wer am Donnerstag, schickt es am Montag. Wer es länger bei sich liegen läßt, bezahlt für jeden Tag 2 Groschen. Vorzüglich werden die Herren ersucht, nachzusehen, was bey Ihnen noch liegt, und es so bald als möglich, den nächsten Montag oder Donnerstag nach der angegebenen Ordnung weiter zu befördern. Die Sachen kehren in der ursprünglichen Ordnung zurück und bleiben auch danach bei Jedem resp. 3 oder 4 Tage von Montag bis Donnerstag oder von Donnerstag bis Montag. Wer gar keine Zeit gehabt hat, die Sachen zu lesen weder beim ersten, nach bei dem rückkehrenden Umlauf, der kann sie nach der letzten Sendung von dem Sekretär der Gesellschaft fordern. Ende Aprils, 1784. Biester. Quelle: SBB PK, Handschrift Ms.Boruss., fol. 443, Bl. 1r und 2r. – Zitiert nach: Ernst Haberkern: Limitierte Aufklärung. Die protestantische Spätaufklärung in Preußen am Beispiel der Berliner Mittwochsgesellschaft. Marburg 2005, S. 351–354.
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Gesellschaft der Freunde der Humanität
Gesellschaft der Freunde der Humanität Die Statuten vom 26. Juni 1813 Gesetze / der / Humanitäts-Gesellschaft I. Zweck der Gesellschaft § 1. Die Humanitaets-Gesellschaft ist eine Verbindung von gebildeten Männern aus allen Ständen, welche den Zweck hat, unter ihren Mitgliedern eine wissenschaftlich begründete Freundschaft zu stiften, und durch wechselseitigen Austausch ihrer Gedanken, Kenntnisse und Erfahrungen innere Fortbildung und aufheiternde Erholung zu veranlassen. // II. Form derselben § 2. Die Gesellschaft besteht aus ordentlichen und Ehren-Mitgliedern. Die Anzahl der erstern ist auf Siebenzig beschränkt. Die allgemeinen Angelegenheiten der Gesellschaft besorgen die Beamten; nämlich der Director, Vicedirector, Secretaire, Vicesecretaire, Rendant und der aus diesen fünfen zusammen gebildete Beamten-Verein. III. Versammlungen und Geschäfte § 3. Die Mitglieder versammeln sich auf schriftliche Einladung an jedem Sonnabend gegen sechs Uhr Abends. Sie unterhalten sich bis sieben Uhr nach eigner Wahl; doch ist jedes Spiel ausgeschlossen. Genau um Sieben Uhr eröffnet der Director eine // Sitzung, woran sämmtliche Anwesende Theil nehmen. Nach acht Uhr schliesst der Director die Sitzung. Es folgt eine durch Frohsinn und freye Mittheilung gewürzte, sonst einfache, Mahlzeit. § 4. Die Sitzungen der Gesellschaft sind entweder gewöhnliche oder zu oeconomischen Angelegenheiten bestimmte. Den letztern dürfen nur ordentliche Mitglieder beiwohnen. Sie fallen in der Regel auf den letzten Sonnabend des März-, Junius-, September- und December-Monats. § 5. In der gewöhnlichen Sitzung hält eines der Mitglieder eine Vorlesung oder einen Vortrag in Deutscher Sprache. Die Wahl des Gegenstandes bleibt dem Vortragenden um so mehr überlassen, da man in die Beurtheilungskraft der Mitglieder das Vertrauen setzen darf, dass sie nicht nur Gegenstände wählen werden, welche eine allgemeine Theilnahme der Gesellschaft // verdienen, sondern dass sie sich auch in der Behandlung 121
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derselben einer möglichst allgemein verständlichen Sprache, bedienen werden, nicht einer Kunstsprache, welche nur wenigen Eingeweihten geläufig ist. § 6. Der Vortrag leidet keine Unterbrechung. Nach dessen Beendigung wird es gern gesehen, wenn die Zuhörer die in ihnen dadurch veranlassten Gedanken frey einander mittheilen. Der Director sieht dabey auf Ordnung und Anstand. § 7. In einer zu oeconomischen Angelegenheiten bestimmten Sitzung werden die Vorschläge gewünschter neuer Gesetze oder Abänderungen der schon bestehenden angehört und berathschlagt; die vierteljährlichen Rechnungen des Rendanten abgenommen; über die zur Aufnahme in die Gesellschaft vorgeschlagenen Bewerber wird in dergleichen Sitzungen abgestimmt, und die Wahl der Beamten vollzogen. Überhaupt ge-//hört jeder Vortrag, welcher die Gesellschaft als solche angeht, in diese Sitzungen, und Vorträge anderer Art sind in der Regel davon ausgeschlossen. § 8. Halbjährlich und zwar im Januar und im Julius feyert die Gesellschaft die im December und Junius erfolgte Beamtenwahl in zwey ausserordentlichen festlichen Versammlungen. Mit der erstern im Januar verbindet sich zugleich das Andenken der Stiftung der Gesellschaft. Daher diese Feyer, wo möglich, an dem Sonnabend, welcher dem 10ten Januar, als dem Stiftungstage der Gesellschaft der nächste folgt, veranstaltet wird. IV. Wahl der ordentlichen Mitglieder § 9. Zur Aufnahme in die Gesellschaft sind nur gebildete und von sich selbst abhängige // Männer geeignet, welche entweder einen öffentlichen vortheilhaften Ruf haben, oder der Gesellschaft durch Mitglieder empfohlen, und durch vorgängige Einführung als Gäste persönlich bekannt geworden sind. § 10. Der Vorschlag zur Aufnahme kann nur von einem ordentlichen Mitgliede, und nicht später als vierzehn Tage vor der nächsten vierteljährlichen oeconomischen Sitzung geschehen. Er erfolgt in einer schriftlich oder mündlich dem Director zu übergebenden Anzeige. § 11. Derselbe macht ihn in der nächsten Sitzung der Gesellschaft mit Verschweigung des Namens des Proponenten der Sitzung, mit Hinweisung auf die Candidatenliste bekannt. Dass dies geschehen sey, wird in dem Protokoll der Sitzung bemerkt. Jedem ordentlichen Mitgliede steht alsdann frey, unter dem Siegel der Verschwiegen-//heit seine Kenntnisse von den Eigenschaften des Kandidaten der Gesellschaft mitzutheilen. § 12. In dem Circular, wodurch die Mitglieder zur nächsten oeconomischen Sitzung eingeladen werden, ist ausdrücklich zu bemerken, dass über Kandidaten werde gestimmt 122
Gesellschaft der Freunde der Humanität
werden, (ohne indessen diese im Circular namentlich aufzuführen,) wobey sich von selbst versteht, dass wer in der Sitzung nicht erscheint, seine Stimme über die Wahl des Candidaten gesetzlich verliert. § 13. Soll nun aber in der Sitzung eine gültige Wahl vorgenommen werden, so muss wenigstens ein Drittheil der ganzen Gesellschaft, und so lange dieselbe aus mehr als Sechzig Mitgliedern besteht, so müssen zum allermindesten Zwanzig derselben dabey gegenwärtig seyn. Die Kugeln bejahen, die Würfel verneinen. Ist der vierte Theil // der anwesenden Stimmen verneinend, so wird der Kandidat für nicht aufgenommen erachtet. Ist die Summe durch vier nicht theilbar, so wird der verbleibende Rest nicht mitgezählt. § 14. Ein nicht aufgenommener Kandidat kann erst nach einem Jahre wieder in Vorschlag gebracht werden. § 15. Die erfolgte Wahl eines Kandidaten wird in dem nächsten Einladungs Circular den Mitgliedern der Gesellschaft bekannt gemacht. Der Proponent führt hierauf den Gewählten in die Gesellschaft ein, und der Director stellt ihn den gegenwärtigen Mitgliedern vor. Von dem Tage der Wahl an, wird er als ordentliches Mitglied betrachtet. // V. Rechte und Verbindlichkeiten der ordentlichen Mitglieder § 16. Die ordentlichen Mitglieder sind allein befugt, Kandidaten nach § 10 in Vorschlag zu bringen, und bey denen und neuer Beamten Wahl eine Stimme abzugeben. § 17. Sie bringen ihnen nützlich scheinende Gesetze oder Abänderungen der bestehenden in Vorschlag. § 18. Ein Antrag dieser Art muss spätestens vierzehn Tage vor der zu oeconomischen Angelegenheiten bestimmten Sitzung in einer dem Director schriftlich zu übergebenden Anzeige geschehen. Der Director macht ihn in der nächsten Sitzung der Gesellschaft bekannt, und dass dies geschehen sey, wird im Protokoll bemerkt. // Die Berathung darüber bleibt bis zur nächsten oeconomischen Sitzung ausgesetzt. In dem Circular, wodurch die Mitglieder zu dieser eingeladen werden, ist der Inhalt des Vorschlags und dass darüber gestimmt werden wird, zu bemerken. § 19. Nur ein Drittheil der ganzen Gesellschaft oder so lange sie mehr als sechzig Mitglieder zählt, mindestens zwanzig derselben, können über einen solchen Vorschlag einen gültigen Beschluss fassen.
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§ 20. Der Director leitet die Berathung darüber, und wenn die Mitglieder sich nicht einigen, so stellt der Director die Frage, worüber gestimmt werden soll, so auf, dass sie mit Ja oder Nein beantwortet werden kann. Alsdann entscheidet die StimmenMehrheit. // § 21. Die ordentlichen Mitglieder bestimmen die Sätze der jährlichen Einnahme und Ausgabe-Etats der Gesellschaft, den ihnen der Rendant in der oeconomischen Sitzung am letzten Sonnabend des Monats März jeden Jahres vorlegt. Hiebey leitet der Director die Berathung und falls sich die Mitglieder darüber nicht vereinigen, die Abstimmung mit Ja und Nein. Soll in dergleichen Bestimmungen vom Herkommen abgewichen werden, so muss wenigstens ein Drittheil der Gesellschaft versammelt seyn, um darüber einen gültigen Beschluss abzufassen. § 22. Endlich sind es die ordentlichen Mitglieder, welche die besondern Anordnungen zur Feier der beiden Feste der Gesellschaft unter den §§ 19 und 20 angeführten Bestimmungen beschliessen, und jedes or-//dentliche Mitglied ist berechtigt, daran Theil zu nehmen. § 23. Die Beiträge der ordentlichen Mitglieder unterhalten deren Fonds. Wenn sich aus den Rechnungen ergiebt, dass ein Mitglied wiederholter Aufforderung des Rendanten ungeachtet mit diesen Beiträgen ein ganzes Jahr im Rückstande blieb, dessen Stelle wird nach geschehenem Vortrage des Beamtenvereins durch einen Beschluss der Gesellschaft für vacant erklärt. Dieser Beschluss wird ihm schriftlich bekannt gemacht, und damit verliert er alle weitere Theilnahme an der Gesellschaft. § 24. Die ordentlichen Mitglieder sind verbunden, die ihnen durch die Wahl der Gesellschaft übertragenen Aemter anzunehmen, und nach den Gesetzen zu verwalten. // Wer dessen sich weigert, ohne solche Entschuldigungsursachen anzuführen, welche die Gesellschaft für gültig anerkennt, erklärt damit, dass er auf die fernere Theilnahme der Gesellschaft Verzicht leiste. § 25. Sie sind ferner verbunden, den Sitzungen der Gesellschaft so oft beizuwohnen, als es ihre anderweitigen Verhältnisse erlauben, besonders den zu den oeconomischen Angelegenheiten bestimmten, welche, da sie die äussern auf die Fortdauer der Gesellschaft sich beziehenden Verhältnisse derselben angehen, kein ordentliches Mitglied ohne sehr erhebliche Hinderungsursachen versäumen darf. Wer länger als ein Vierteljahr, ohne von Berlin entfernt zu seyn, den Sitzungen nicht beywohnt, // dessen Stelle wird nach geschehenem Antrage des Secretairs, welchen derselbe durch eine Anwesenheitsliste begründet, wenn nicht von den Mitgliedern selbst, erhebliche Entschuldigungsgründe für ihn angeführt werden, durch einen Beschluss der Gesellschaft für vacant erklärt.
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Gesellschaft der Freunde der Humanität
§ 26. Vornehmlich ist jedes ordentliche Mitglied berechtigt, wenigstens einmal des Jahres in einer der gewöhnlichen Sitzungen einen Vortrag oder eine Vorlesung nach § 5 zu halten. Wiewohl diese Verpflichtung einer alljährlich zu haltenden Vorlesung nicht als ein allgemeines und strenges Gesetz ausgesprochen wird, welches sämmtliche Mitglieder der Gesellschaft bindet, so soll es doch bey den neuaufzunehmenden Mitgliedern in so fern Anwendung finden, dass Niemand wählbar sey, welcher nicht // durch Vorlesungen oder Vorträge zur wissenschaftlichen Unterhaltung der Gesellschaft beyzutragen vermöge. § 27. Um die gewöhnlichen Sitzungen mit Vorlesungen zu besetzen, lässt der Rendant gegen die Mitte Novembers und gegen die Mitte May’s ein Verzeichnis der in dem nächsten halben Jahre vom 11ten Januar bis zum letzten Junius, und vom 1sten Julius bis zum letzten December enthaltenen Sitzungstage der Gesellschaft anfertigen. Neben diesen schreiben die ordentlichen Mitglieder ihre Namen auf, und verpflichten sich hierdurch, an dem von ihnen gewählten Tage einen Vortrag oder eine Vorlesung zu halten. Dies Verzeichnis wird daher nicht nur in jeder Sitzung den gegenwärtigen ordentlichen // Mitgliedern zur Ausfüllung vorgelegt, sondern es circulirt auch unter sämmtlichen, bis es ausgefüllt ist. Der Director sieht besonders darauf, dass kein Tag unbesetzt bleibt. Er oder auch allenfalls der Beamtenverein bemühen sich auf eine schickliche Weise, diejenigen Mitglieder, welche länger als ein Jahr nichts vorgetragen haben, zur Erfüllung dieser Gesellschaftspflicht zu vermögen. § 28. Wer sich zu einem Vortrage anheischig gemacht hat, ist auch verbunden, ihn an dem bestimmten Tage zu halten, oder ein anderes Mitglied der Gesellschaft zu bewegen, dass es seine Stelle ersetzt. In diesem Falle aber wird der Vortrag nicht dem angerechnet, welcher ihn hält, sondern nur dem, für welchen er gehalten wird. // § 29. Die ordentlichen Mitglieder sind befugt, in die gewöhnlichen Sitzungen Gäste einzuführen und bei der darauf folgenden Mahlzeit zu bewirthen. Der Einführende stellt den Gast dem Director vor. Sein Name wird in das Verzeichnis der die Gesellschaft besuchenden Fremden und in das Protocoll der Sitzung eingetragen. Der Einführende ist für das gute Betragen des Gast’s verantwortlich. Auch ein Gast hat das Recht der Gesellschaft einen Vortrag zu halten, wenn dies die gewöhnlichen Geschäfte erlauben; wenn es zuvor dem Director angezeigt ist, und wenn der Einführende für die Schicklichkeit des Vortrages steht. § 30. Um die Stelle eines ordentlichen // Mitgliedes für vacant zu erklären, ist jedes Mal ein in einer förmlichen Sitzung nach Stimmenmehrheit genommener Beschluss der Gesellschaft erforderlich. Zur Gültigkeit eines solchen Beschlusses aber ist die Gegenwart von einem Drittheil der sämmtlichen Mitglieder und so lange die Gesellschaft aus mehr als Sechzig besteht, von wenigstens Zwanzig nothwendig. Ein solcher Beschluss 125
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kann auch genommen werden, wenn ein Mitglied sich durch einen erheblichen Ver stoss gegen Sittlichkeit und Humanitaet in oder ausserhalb der Gesellschaft eine Rüge zugezogen haben sollte. // VI. Ehrenmitglieder § 31. Entfernt sich ein ordentliches Mitglied auf längere Zeit als die eines halben Jahres von Berlin, so scheidet es dadurch von selbst aus der Zahl der ordentlichen, und tritt in die der Ehrenmitglieder ein. Es bedarf hiezu blos einer von dem Rendanten der Gesellschaft zu machenden Anzeige. § 32. Ehrenmitglieder haben bei ihrer Anwesenheit zu Berlin das Recht, den gewöhn lichen Sitzungen der Gesellschaft beizuwohnen, und an der Abendmahlzeit Theil zu nehmen, ohne deshalb einer besondern Einladung oder Einführung zu bedürfen. Dieses letzere Vorrecht theilen // sie mit den Mitgliedern der grossen Loge Royal-Yorck, welche von der Gesellschaft als besuchende Gäste angesehen werden, und keiner nähern Einführung bedürfen, wiewohl sie auf das Recht keinen Anspruch haben, Fremde in die Gesellschaft einführen zu dürfen. An den Festtagen der Gesellschaft werden die Ehren Mitglieder als Gäste der Gesellschaft betrachtet. § 33. Ehrenmitglieder sobald sie wieder ihren Wohnsitz in Berlin nehmen, haben die Verbindlichkeit, in vacant gewordene Stellen der ordentlichen Mitglieder einzutreten, sobald deshalb eine Aufforderung der Gesellschaft an Sie ergeht. Es bedarf alsdann ihrentwegen keine weitere Wahl. Wer eine solche Aufforderung nicht genügen wollte, würde dadurch seinen Vorsatz // zu erkennen geben, nicht länger Ehrenmitglied bleiben zu wollen. VII. Amt des Directors § 34. Der Director hat in allen Dingen auf die genaue Beobachtung der Gesetze zu sehen. Die Sitzungen sind von ihm zur bestimmten Zeit zu eröffnen. Er bemüht sich das gute Einverständnis der Mitglieder zu erhalten und allen Strömungen derselben vorzubeugen. Er hat den Vorsitz bei den Sitzungen und Berathschlagungen sowohl der Gesellschaft als auch des Beamtenvereins. Die Feyerlichkeiten der beyden Festtage werden von ihm mit einem passenden Vortrage eingeleitet. // VIII. Amt des Secretaire § 35. Der Secretaire besorgt die Correspondenz der Gesellschaft. Er sieht besonders dahin, dass an jeder gewöhnlichen Sitzung ein Vortrag gehalten werde. Er führt das Protocoll der in jeder Sitzung gehaltenen Vorträge und übrigen Verhandlungen. Ueber 126
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erstere händigt ihm der Vortragende einen Zettel ein, worauf das Thema des Vortragenden vermerkt ist, und er trägt dieses wörtlich in das Protocoll. Ueber die jedes Mal anwesenden Mitglieder hält er eine Liste, worin jedes derselben eigenhändig seinen Namen aufzeichnet. Er sorgt ferner dafür, dass die eingeführten Fremden in das dazu bestimmte Fremden-//buch eingetragen werden. Endlich entwirft er über alle in dem Laufe des Jahres von einem Stiftungstage zum andern vorgefallenen merkwürdigen Ereignisse der Gesellschaft und über die in ihren Sitzungen gehaltenen Vorträge eine historische Darstellung, in welcher er zugleich die ihr durch den Tod entrissenen Mitglieder bezeichnet. Diese Darstellung wird von ihm am Stiftungsfeste vorgelesen. IX. Amt des Rendanten § 36. Der Rendant entwirft am Schlusse jedes mit Ende März ablaufenden Etatsjahres einen Etat der Einnahme und Ausgabe für das folgende Jahr, und bewirkt nach § 21. dessen Bestättigung. Auf // den Grund dieses Etats erhebt er die darin bestimmten Einnahmen und bestreitet die darin festgesetzten Ausgaben. Am Schlusse jedes Vierteljahrs legt er der Gesellschaft eine mit Belägen unterstützte Rechnung ab, und erhält darüber, wenn sie keinen Erinnerungen unterliegt, eine Decharge, welche der Director ertheilt, und die zugleich im Protocoll der Sitzung bemerkt wird. In seinem Gewahrsam befindet sich der Bestand der Casse; so wie alle der Gesellschaft gehörenden Bücher und Papiere. Bei ihm werden die § 35 erwähnten historischen Darstellungen niedergelegt. Unter seiner Aufsicht und Verwaltung steht alles, was zum Eigenthum der Gesellschaft gehört. // X. Vicebeamten § 37. Wenn einer der Beamten in der zur Eröffnung der Sitzung bestimmten Zeit nicht gegenwärtig ist, so vertritt seine Stelle der Vicebeamte, und in dessen Ermangelung dasjenige Mitglied der Gesellschaft, welches unter den gegenwärtigen nach der Zeit, dass er der Gesellschaft angehört, das älteste ist. Eben diess geschieht, wenn ein Beamter durch Krankheit, Reisen oder eine andere Veranlassung an der Wahrnehmung seines Amtes verhindert wird. XI. Beamtenverein § 38. Die Beamten insgesamt bilden nach § 2. unter dem Vorsitz des Directors // einen Beamtenverein. Dieser hat das Recht, in ungewöhnlichen Fällen, wo eine Anordnung früher nothwendig wird, als der Beschluss der Gesellschaft darüber erfolgen kann, einen vorläufigen Beschluss zu fassen und zur Ausführung zu bringen. Dies muss jedoch in der nächsten oeconomischen Sitzung der Gesellschaft ausführlich angezeigt und ihr das weitere darüber anzuordnen überlassen werden. Er hat ferner das Recht, über den zu ausserordentlichen Ausgaben in dem Etat angewiesenen Fonds zum Besten der Gesellschaft zu verfügen. 127
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XII. Wahl der Beamten § 39. Ueber jeden Beamten und Vicebeamten wird nach der Reihe einzeln und // schriftlich gestimmt. Die Stimmenmehrheit entscheidet. Mit jedem halben Jahre zu Ende des Decembers und Junius endet ein so übertragenes Amt. Doch kann jeder Beamte zu seiner Stelle oder zu einer andern wieder gewählt werden. Wer aber zwey Jahre hinter einander ein Amt bekleidet hat, darf (mit Ausschluss des Rendanten) vor Ablauf eines Jahres nicht wieder gewählt werden. Nur der Rendant kann ohne förmliche Wahl durch allgemeine Beistimmung in seinem Amte erhalten werden. Trift es sich, dass der Director oder Secretaire zu Ende des Decembers aus ihren Aemtern scheiden und neuen Beamten Platz machen, so haben dennoch die ausscheiden-//den, nicht die neuen Beamten, die verfassungsmässigen Vorlesungen am Stiftungsfeste im Januar zu halten. XIII. Schluss § 40. Jedem Mitgliede der Gesellschaft steht es frey, nach seinem Gefallen, jedoch nicht ohne gehörige Anzeige die Gesellschaft zu verlassen. Bis indessen diese Anzeige erfolgt, ist es durch die verzeichneten Gesetze gebunden, und verpflichtet sich daher bei seinem Eintritt in die Gesellschaft zur Beobachtung derselben durch die Unterschrift seines Namens. [Es folgen die Unterschriften von 168 Mitgliedern.] //
Nachträge zur Sammlung der Gesetze der Humanitäts-Gesellschaft Zum § 2. Es sollen die Bildnisse gewesener und gegenwärtiger Mitglieder gesammelt und aufbewahrt werden. Beschluß vom 28sten September 1816. Zum § 2. Die Zahl der Mitglieder soll auf „Achtzig“ festgesetzt sein und nicht überschritten werden. Beschluß vom 7ten Juli. 1821. Zum § 4. Die Berathungen über die ökonomischen Angelegenheiten der Gesellschaft sollen nur halbjährlich zu Ende des Junius und Dezembers Statt finden. Wenn sich am Schlusse der beiden andern Quartale Gegenstände zur Berathung finden sollten, so werden diese in einer gewöhnlichen Versammlung, nach gehaltener Vorlesung berathen und 8 Tage vorher deswegen der Gesellschaft Anzeige gemacht, auch das Mitbringen von Gästen erbeten. Beschluß vom 30sten Juni 1827.
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Gesellschaft der Freunde der Humanität
Zum § 7. Die Zahl der zur Abstimmung in einer ökonomischen Versammlung befugten Mitglieder wird auf „Zwölf“ festgesetzt und wenn diese in einer solchen Versammlung nicht anwesend sein sollten, soll in der nächsten ge-//wöhnlichen Versammlung dieselbe Zahl von Mitgliedern zur Entscheidung befugt sein. Beschluß vom 22sten December 1821. Zum § 25. Wenn ein Mitglied in den Praesenten-Listen eines ganzen Jahres von der letzten December-Versammlung für ökonomische Angelegenheiten bis wieder zur letzten gerechnet, auch nicht einmal als anwesend aufgeführt ist, ohne dass sich ein solches Mitglied bei der Gesellschaft mit erheblichen Gründen schriftlich entschuldigt hat – soll dasselbe als de Facto ausgeschieden angesehen und ihm dies sofort von dem Secretar angezeigt werden. Beschluß vom 30sten December 1826. Die Verzeichnung der Gesetze der Gesellschaft durch Hinzufügung der später gefassten modifizierenden Beschlüsse soll fortdauernd vervollständigt werden. Beschluß vom 30sten December 1826. Zum § 25. Die Ausführung des Gesetzes soll jedesmal von einem besondern Beschluß der Gesellschaft abhängen. Beschluß vom 27sten Juni 1835. Zum § 2. Die Zahl der Mitglieder wird auf „Neunzig“ festgesetzt. Beschluß vom 19ten December 1835. Zum § 7. Zu ökonomischen Versammlungen, in welchen keine Wahlen neuer Mitglieder stattfinden, sollen Zwölf anwesende Mitglieder zur Fassung eines gültigen Be-// schlusses hinreichen. Wenn dagegen es sich um die Wahl eines neuen Mitgliedes handelt, so sollen, nach § 13, Zwanzig Mitglieder vorhanden sein, um eine gültige Wahl zu treffen. Sind diese nicht vorhanden, so soll, sobald Zwanzig Mitglieder in der nächsten ordentlichen Versammlung gegenwärtig sind, die Wahl stattfinden. Beschluß vom 29sten Juni 1844. Zum § 39. Wenn bei Beamten-Wahlen sich Stimmen-Gleichheit ergiebt, so soll die Entscheidung durch das Loos getroffen werden, in der Art: dass Zettel mit den Namen derer, welche eine gleiche Stimmenzahl erhalten haben, in eine Urne gethan werden, und von dem jüngsten anwesenden Mitgliede einer derselben herausgenommen wird. Derjenige, dessen Name dieser Zettel enthält, wird dann als gewählt betrachtet. Beschluß vom 28sten Juni 1845.
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Bildungs- und Geselligkeitsvereine
Quelle: LA Berlin, A Rep. 060-40 Nr. 2, Bl. 5r–33r; [Nachträge] Bl. 34r–36r. – Transkription Uta Motschmann. – Druck in: Uta Motschmann: Schule des Geistes, des Geschmacks und der Geselligkeit. Die Gesellschaft der Freunde der Humanität (1797–1861). Hannover 2009, S. 394–408 (Berliner Klassik. Eine Großstadtkultur um 1800, Bd. 14).
Philomatische Gesellschaft Von der Philomatischen Gesellschaft sind keine zusammenhängenden Gesetze überliefert. In einem gedruckten Bericht über die Gesellschaft von 1804 lassen jedoch verschiedene Passagen Rückschlüsse auf die vom Sekretär Lazarus Bendavid ausgearbeiteten und von den Mitgliedern am 16. Oktober 1800 genehmigten und unterschriebenen Statuten zu: Die Gesetze sollten nur für ein Jahr gültig sein und dann abgeändert werden können. Als Versammlungstag wurde der Donnerstag festgelegt.
Austausch der Gedanken ist der Hauptzweck der Gesellschaft. Der Name Philomathie zeigt ihre Liebe zu Kenntnissen überhaupt und zu allem Wissenswürdigen an. Sie soll keine Fakultäts-Verbindung sein; sondern jeder mit Wissenschaften und Künsten ernstlich sich beschäftigende Mann kann als Mitglied vorgeschlagen werden. Die Anzahl war vormal auf 24 beschränkt, und ist nach und nach auf 40 erweitert […]. Jeder hat, in Bezug auf die Zeit seines Eintritts, eine Numer. Nach der Folge dieser Numern, trift ihn die Reihe zu lesen, welches ihm 14 Tage vorher durch den Sekretär angezeigt wird. Eigne Abhandlungen, Auszüge aus Büchern, wissenschaftliche Notizen, merkwürdige und noch nicht allgemein bekannte Aufsätze in bereits gedruckten Schriften, Vorzeigung von Kunstsachen und Naturerzeugnissen, u. dgl. m., können den Gegenstand der Vorlesung ausmachen. Die Sitzung fängt um 6 Uhr an, und wird gewöhnlich um 7 geschlossen. Der Regel nach, soll Eine Vorlesung nicht über eine halbe Stunde dauren; doch kann sie mit Bewilligung der Gesellschaft länger sein, auch können Mehrere an Einem Abend lesen. Jedes Mitglied bleibt Eigenthümer seiner Arbeit, und hat die Freiheit sie, wo und wie es sein mag, mit oder ohne Bezug auf die Gesellschaft, bekannt zu machen. Denn Diese denkt vorläufig noch nicht daran, eine Sammlung ihrer Abhandlungen dem Druck zu übergeben. Sie begnügt sich mit der Wirksamkeit in sich selbst; steht, als Gesellschaft, isoliert, mit keiner andern in Verbindung oder Korrespondenz; und giebt bis itzt keine Preisfragen. Die Beamten sind: ein Direktor, welcher über die Aufrechterhaltung der Gesetze wacht, und die Sitzungen eröfnet; ein Sekretär, welcher was verhandelt wird, protokollirt, einen Auszug aus den Vorlesungen macht, diesen am Ende der Sitzung und bei Eröfnung der folgenden, sowie die gesammten Auszüge eines Vierteljahrs in der Quartalsitzung vorliest, auch den abwesenden Mitgliedern die Beschlüsse schriftlich mittheilt; endlich 130
Schach-Club
ein Rendant, der die Kassengeschäfte besorgt, und der Gesellschaft vierteljährig Rechnung ablegt. Diese Beamten werden alle Jahre in der letzten Sitzung des Septembermonats gewählt, können aber in ihren Aemtern bestätigt werden. In den Sitzungen am Schluß eines Quartals werden die ökonomischen Angelegenheiten abgemacht, und Kandidaten vorgeschlagen; weshalb keinem Fremden der Zutritt verstattet ist. Zu den übrigen wöchentlichen Sitzungen können auswärtige Gelehrte mitgebracht werden, sowie zum Abendessen, zu welchem monatlich Einmal die Mitglieder bei einander bleiben. Die feierlichen Quartalversammlungen fallen auf die ersten Donnerstage des Jänners, Aprils, Julius, und Oktobers, und werden mit einer Mahlzeit beschlossen; bloß an diesen Tagen dürfen auch einheimische Nichtmitglieder als Zuhörer und als Gäste gegenwärtig sein. Quelle: N. N.: Von der Philomathischen Gesellschaft in Berlin. In: Neue Berlinische Monatsschrift 1 (1804), S. 231–235.
Schach-Club Gesetze, 1805 [mit Änderungszusätzen von 1808 und 1822] Gesetze des am 16ten October 1803 gestifteten Schach-Clubs revidirt und sanctionirt den 30ten May 1805. § 1. Absicht des Schach-Clubs. Der Schach-Club bildet eine Gesellschaft, deren Mitglieder sich als Liebhaber des Schach-Spiels vereinigt haben an einem bestimmten Ort in der Stadt täglich zusammen zu kommen. § 2. Fundamental-Gesetz. Der Zweck der Mitglieder des Schach-Clubs ist einzig und allein, Schach zu spielen oder diesem Spiele zu zusehen; es darf daher durchaus kein anderes Spiel, als dieses, es habe Namen wie es wolle, zugelassen und gespielt werden. Um diesen Zweck desto leichter zu erreichen, dürfen nur Liebhaber des Schach-Spiels zu Mitgliedern der Gesellschaft in Vorschlag gebracht, und angenommen werden, wobei noch ausdrücklich festgesetzt wird, daß über dieses Fundamental-Gesetz zu keiner Zeit und in keinem Fall ein Vorschlag zur Abänderung gemacht, angehört, noch weniger von der Direction des Clubs, der Gesellschaft zum Vortrag gebracht werden soll, noch darf, und // macht eben daher dieses Fundamental-Gesetz, von den übrigen Gesetzen dadurch eine Ausnahme, daß es nie durch die Majoritaet abgeändert werden kann, noch soll. 131
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[gegenüberliegendes Blatt (2), von Schadows Hand?] Dieser Paragraphus 2 ward in der General-Versammlung vom 6 April 1822., folgendermaaßen abgeändert. Der Zweck der Mitglieder des Schach-Clubs ist hauptsächlich, Schach zu spielen, und es sind daher Liebhaber dieses Spiels der Gesellschaft am willkommensten. Jedoch können auch Nicht-Schach-Spieler, die blos an gesellschaftlicher Unterhaltung Vergnügen finden, zugelassen werden. Es versteht sich aber von selbst, daß kein anderes Spiel als Schach geduldet werden darf.
§ 3. Gleichheit der Mitglieder des Schach-Clubs. Die Mitglieder dieses Schach-Clubs haben alle gleiche Rechte, und Verpflichtungen, diejenigen Fälle ausgenommen, welche noch näher bestimmt werden. [gegenüberliegendes Blatt (2) wie oben] Dieser Paragraph fällt nach dem Beschluß der General-Versammlung vom 6ten April 1822 ganz weg. § 4. Anzahl der Mitglieder und ihre Ver mehr ung. Die Anzahl der Mitglieder ist für jetzt auf Achtzig eingeschränkt, und die Namen derselben sollen nach der Ordnung der Zeitfolge, wie sie zur Gesellschaft getreten sind, in das zu diesem Behufe vorhandene Buch eingetragen werden. Ist dieser Numerus vorhanden, so wird die Gesellschaft als geschlossen angesehen, und kann demnächst keine Aufnahme eher statt finden, als bis eine Vakantz eingetreten ist. Doch kann ihre Anzahl dereinst nach dem Beschluß der Gesellschaft vermehret werden. // [gegenüberliegendes Blatt (2) wie oben] zu diesem Paragraph. ist nach dem Beschluß
der General-Versammlung vom 6ten April 1822. die Zahl der Mitglieder auf Siebzig. beschränkt. § 5. Eintheilung der Gesellschaft. Die Gesellschaft soll aus Mitgliedern auf bestimmte Zeit, und aus Mitgliedern auf unbestimmte Zeit bestehen. Jene machen die er ste Classe der Gesellschaft, diese die zweyte Classe derselben aus. [gegenüberliegendes Blatt (3)] Dieser Paragraph ist nach dem Beschluß der General-
Versammlung vom 6 April 1822 kürzer abgefaßt, und lautet danach Die Gesellschaft besteht aus Mitgliedern Erster und Zweyter Klasse. § 6. Mitglieder Er ster-Classe. Mitglieder Er ster-Classe sind solche, die entweder für beständig in Berlin sich aufhalten, oder deren Aufenthalt allhier zwar nicht fixirt ist, die aber doch, zu welcher Zeit es sey, an den Vortheilen, und Rechten des Schach-Clubs Theil nehmen wollen, und welche daher insgesammt in Rücksicht der übernommenen Verbindlichkeiten zur Erhaltung und Fortdauer des Schach-Clubs als beständige Mitglieder anzusehen sind. 132
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[gegenüberliegendes Blatt (3) wie oben] Der Paragraph 6 lautet nach dem Beschluß
der General-Versammlung vom 6 April 1822, wie folget. Mitglieder Erster Classe sind solche, die nach den in dem § 35 und folgenden, bestimmten Förmlichkeiten gewählt sind, und die Verpflichtungen übernommen haben sich wenigstens auf die Dauer der laufenden Mieths-Zeit der Gesellschaft anzuschließen, es sei denn, daß sie früher genöthigt wurden Berlin zu verlassen, in welchem Falle ihre Verbindlichkeit aufhört. Wollen sie früher die Gesellschaft verlassen, so steht ihnen zwar solches frey, jedoch müssen sie für die ganze laufende MiethsZeit den Beytrag berichtigen. Nur in dem Falle wenn sich über die Normal-Zahl 70 hinaus Candidaten melden, können sie von der Zahlung entbunden werden. § 7. Deren Rechte und Befugnisse. Ihnen steht das gemeinschaftliche Eigenthums-Recht an den, der Gesellschaft gehörigen Sachen, zu; – sie allein können Gesetz-Vorschläge ma-//chen; – neue Mitglieder vorschlagen; – sind berechtigt, bei Wahlen neuer Mitglieder und andern Angelegenheiten des Clubs ihre Stimmen abzugeben, und aus ihnen werden die Directoren der Gesellschaft genommen. § 8. Mitglieder Zweiter-Classe. Mitglieder Zweiter-Classe dagegen sind diejenigen, deren Aufenthalt in Berlin zwar nicht bestimmt, jedoch wenigstens auf ein halbes Jahr eingeschränkt ist. Ihre Anzahl kann wegen des öftern Wechselns derselben nicht auf einen festgesetzten Numerus eingeschränkt werden, und ist und bleibt daher unbestimmt. § 9. Deren Rechte und Befugnisse. Die Zeit ihres Bleibens in dieser Classe ist der Regel nach auf Sechs Monate bestimmt. Während dieses Zeitraums genießen sie die allgemeinen Rechte der Mitglieder Erster-Classe, und sind daher befugt, die Anstalten und Sachen der Gesellschaft zu ihrer Unterhaltung und zu ihrem // Vergnügen zu benutzen, auch den allgemeinen Versammlungen derselben beizuwohnen, nur erlangen dieselben kein Eigenthums- und Stimmrecht. Ein solches Mitglied Zweiter-Classe kann auch die ihm erzeigte Gastfreundschaft nicht dahin ausdehnen, daß es Gäste mitbringt, sondern es hat sich dasselbe, wenn es jemand mit der Gesellschaft bekannt machen will, an eins der Mitglieder Erster-Classe zu wenden, welches gewiß nicht unterlassen wird, den Gast des Mitgliedes Zweiter-Classe einzuführen und auf dessen Kosten, nach genommener Rücksprache, zu bewirthen. § 10. For tsetzung. Sollte sich der Aufenthalt eines solchen temporellen Mitgliedes allhier verzögern, so kann auch sein Aufenthalt im Schach-Club auf ein anderweitiges halbes Jahr verlängert werden; wobei es alsdenn von dem jedesmaligen Ermessen der Direction abhängen 133
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soll, ob sie über die Verlängerung des Aufenthalts eines solchen Mitglie[des] // 2ter Classe nach Ablauf des halben Jahres eine zweite Ballotage veranstalten wolle, oder ob sein Verbleiben in der Gesellschaft, ohne alle Ballotage verstattet werden könne. Wird jedoch dessen Aufenthalt hierselbst auf immer fixiert, so muß es sich zur Aufnahme in die Erste-Classe melden, in welchem Fall es so lange Mitglied 2ter Classe bleibt, bis seine Aufnahme auf eben die Art erfolgt ist, wie die weiter unten näher zu bestimmende Aufnahme eines Mitgliedes Erster-Classe. § 11. Direction des Schach-Clubs. Die Direction sämmtlicher Angelegenheiten, und Geschäfte, welche den Schach-Club betreffen, wird einem Ausschuß von drei Mitgliedern übertragen, welche alle Jahr im Monat April aus den Mitgliedern Erster-Classe gewählt, und zu Directoren des SchachClubs bestellt und angenommen werden. § 12. Deren Rechte und Verbindlichkeiten. Die Direction hat die Verpflichtung auf sich, sämmt-//liche den Schach-Club betreffende Geschäfte und Angelegenheiten zu leiten und zu besorgen; mithin solche Verfügungen und Anordnungen zu treffen, wodurch der Zweck der Gesellschaft und die Einrichtung des Ganzen, nicht nur erhalten, sondern auch Verbesserung und Vollkommenheit in der Folge bewürkt werden können. Diese Beschlüsse und Verfügungen fassen sie jedesmal, nach der unter ihnen obwaltenden Mehrheit ab, so daß einer von ihnen, von den übrigen beiden überstimmt werden kann. § 13. For tsetzung. Diesem zufolge liegt der Direction ganz besonders und vorzüglich ob: a) alles dasjenige, was der Gesellschaft als Eigenthum gehört, es habe Namen, wie es wolle, in genaue Aufsicht zu nehmen, und darüber ein besonderes Verzeichniß zu führen; b) Die von den Mitgliedern beider Classen eingegangene Beiträge und sonstigen Einkünf-//te der Gesellschaft gehörig zu verrechnen und aufs zweckmäßigste zu verwenden. c) Für die Aufrechthaltung der gesellschaftlichen Gesetze zu sorgen, und eine jede Abweichung davon bestmöglichst zu verhindern; weshalb sie berechtigt ist, wenn jemand den Gesetzen zuwider handelt, oder sich wohl gar einer Beleidigung der Gesellschaft schuldig macht, mündlich, oder schriftlich ein vorschriftsmäßiges Betragen zu verlangen, und ein solches Mitglied, im Fall die Bemühungen der Direction fruchtlos ausfallen sollten, zur Kenntniß der Gesellschaft zu bringen, damit diese entscheide, was zu thun sei. d) die jedesmahlige Wohnung für die Gesellschaft auszumitteln, den Mieths-Contract darüber in deren Namen zu entwerfen, und denselben, nach zuvor eingeholter Genehmigung, und Zustimmung der Gesellschaft, zu vollziehen; // e) Den Etat des Schach-Clubs zu entwerfen, sämmtliche Zahlungen anzuweisen, die jährliche Rechnung des Rendanten zu revidiren, und deren Decharge, im Namen der Gesellschaft zu ertheilen; 134
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[gegenüberliegendes Blatt (9)] zufolge des Beschlußes der General-Versammlung vom 6 April 1822. werden von der Gesellschaft zwey Rechnungskundige Mitglieder gewählt, welche jedesmal die Rechnung revidiren, und die Decharge im Namen der Gesellschaft ertheilen.
f) Die General-Versammlungen, insofern sie in dringenden Fällen nothwendig erachtet werden sollten, zusammen zu berufen, auch unter sich Conferenzen zu veranlaßen, die in sämmtlichen Versammlungen deliberirten Gegenstände zu Protocoll zu bringen, und diese im Archiv der Gesellschaft niederzulegen; g) Die Wahl und Aufnahme eines Mitgliedes, und eines neuen Direktors vorschriftmäßig zu veranlaßen, und zu betreiben; h) Die Ordnung der Oeconomie jederzeit zu erhalten, darüber den nöthigen Contract mit dem Oeconomen zu entwerfen, und zu vollziehen; für denselben die Taxe der gewöhnlichen Bedürfnisse anzufertigen, und solche nach den Zeit-Um//ständen abzuändern, auch auf das Betragen des Oeconomen, und der zur Bedienung der Gesellschaft bestimmten Dienst-Bothen aufmerksam zu seyn, und alles was bei diesen den Regeln der Anständigkeit und Sittlichkeit entgegen seyn könnte, zu verhindern. § 14. Gleichheit ihrer Rechte. Unter den Directoren findet durchaus kein Unterschied, keine Rangordnung statt. Sie haben alle gleiche Rechte, und gleiche Verpflichtung auf sich, für das Beste der Gesellschaft zu sorgen; sie vertheilen daher ihre Geschäfte als Directoren unter sich nach eigener Wahl, haften jedoch gemeinschaftlich für das Ganze. Sämmtliche von ihnen verfaßte Beschlüsse, und Publicationen werden von ihnen, für jetzt ohne festgesetzte Ordnung und da wo gerade Platz ist, und es jedem beliebet, gemeinschaftlich unterschrieben, und müssen dergleichen, in der Regel mit der Unterschrift aller drei, oder wenigstens zweier Directoren // versehen seyn; für die Folge wird es jedoch dem Gutbefinden der Directoren überlassen, ob sie eine bestimmte Folgenreihe der Unterschriften ihrer Namen unter sich einführen, oder sich ohne alle bestimmte Ordnung da unterschreiben wollen, wo gerade Platz ist.
§ 15. Verbindlichkeit des Rendanten. Die Directoren wählen unter sich einen Rendanten. Dieser hat für die Einnahme der, von den Mitgliedern zu bezahlenden Beiträge, und Eintrittsgelder ganz vorzüglich zu sorgen, und darüber nur allein die nöthigen Quittungen auszufertigen und zu unterschreiben. Gleiche Sorgfalt hat derselbe auf die Einnahme aller übrigen Einkünfte des Clubs anzuwenden, und überhaupt, über alles eine genaue, und vollständige Rechnung zu führen, auch derselben jedesmal ein complettes Inventarium mit dem Preise der eingekauften Sachen beizufügen und mithin über sämmtliche Einnahme, und // Ausgabe ein be135
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sonderes, genaues Journal zu führen, welches von Zeit zu Zeit einzusehen seine Collegen berechtigt sind. [gegenüberliegendes Blatt (11) von anderer Hand] Der Rendant darf unter keinen Umständen bey eigener und alleiniger Verantwortung der Casse einen Vorschuß aus seinem Vermögen leisten, ohne deshalb gemeinschaftlich mit den übrigen Directoren der Gesellschaft eine Anzeige gemacht, und deren Genehmigung dazu erhalten zu haben. Protokoll der General-Ver samml [ung] vom 23. März 1808.
§ 16. Maßregeln für die Sicherheit der Casse. Bei einer gefährlichen Krankheit des Rendanten, oder, wenn derselbe verreisen sollte, oder wenn sonst eine hinlängliche Veranlaßung vorhanden wäre, sind die übrigen beiden Directoren berechtigt, den Cassen-Bestand nebst Rechnungs-Papieren in gemeinschaftlichen Verwahrsam zu nehmen. § 17. For tsetzung. Für die Cassen-Verwaltung haftet nur allein der Rendant derselben, und ist dieser nur allein deshalb verantwortlich; die übrigen Directoren haften nur alsdenn für dieselbe, und treten nur dann in alle Verbindlichkeiten des Rendanten, wenn sie von ihm die Casse in Empfang genommen haben, und solche statt seiner verwalten. // § 18 a. Abnahme der JahresRechnung. Die von dem Rendanten jährlich geführte Rechnung hat derselbe in den Er sten Acht Tagen des Monats Apr ils jedes Jahres, einem Rechnungs verständigen Mitgliede, und demnächst seinen Mit-Directoren, zur Revision zu zustellen, worauf diese sodenn die erforderliche Decharge für denselben, im Namen der Gesellschaft ausfertigen, und der Rechnung beifügen. Hiernächst wird die Rechnung selbst nebst den Belägen, 14 Tage hintereinander im Lese-Zimmer der Gesellschaft zur Einsicht vorgeleget. [gegenüberliegendes Blatt (13) von anderer Hand (wie bei § 15)] § 18 b. / Darlegung
einer vier teljährlichen summar ischen Über sicht des Cassen-Zustandes. / Ausserdem ist am Ende eines jeden Vierteljahres eine von dem gesammten Directorio unterzeichnete summarische Übersicht des Cassen-Zustandes der Gesellschaft vorzulegen. Protokoll der General-Ver sammlung vom 23. März 1808. § 19. For tsetzung. Zur Berichtigung und Nachweisung der Ausgaben dienen nur allein die Quittungen der Liveranten und Ouvriers; wo dieses nicht möglich zu machen ist, müßen solche durch die Authorisation der Direction gültig gemacht seyn. Für solche Posten, welche nicht schon durch die Beschlüsse der Gesellschaft genehmigt sind, kann nur dann die 136
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// Zahlung des Rendanten erfolgen, wenn dieser zuvor mit seinen Collegen Rücksprache darüber genommen, und deren Zustimmung erhalten hat; zu welchem Ende dergleichen Rechnungen mit dem Vidi der übrigen einwilligenden Directoren versehen seyn müssen. § 20. Disposition über die Einkünfte der Gesellschaft. Übrigens ist die Direction authorisirt von der Einnahme alle, sowohl fixirte, als extraordinaire Ausgaben, ohne besondere einzuholende Genehmigung der Gesellschaft, zu bestreiten, jedoch gegen ausdrückliche Uibernahme der Verpflichtung, daß diese Ausgaben jedesmal dem Zustand der gesellschaftlichen Casse, völlig angemessen seyn müssen, und daß die Mitglieder nach der zu erfolgenden Auflösung des Clubs, weder durch Nachzahlungen, noch durch sonstige Unannehmlichkeiten, auf irgend eine Weise in Verlegenheit gesetzt werden dürfen. [gegenüberliegendes Blatt (14), von Schadows Hand?] Die Direction ist autorisirt alle Ausgaben bis zur Höhe von Zehn Thaler Courant, ohne besondere einzuholende Genehmigung der Gesellschaft zu bestreiten. Sobald ein einzelner Artikel der Ausgaben den Werth von Zehn Thaler übersteigt, muß, zu Folge des Beschlußes der General Versammlung vom 6 April 1822, die Genehmigung der Gesellschaft eingeholt werden
§ 21. Neujahr s-Douceur-Gelder. Am Ende eines jeden Jahres eröffnet die Directi-//on eine Subscription zu NeujahrsGeldern. Das dadurch eingegangene Quantum wird von derselben, unter den Oeconomen, dessen Ehefrau und Domestiquen nach ihrem, der Direction Ermessen vertheilt, und demnächst die Art der Austheilung sowohl, wie auch die Quittungen der Empfänger der Gesellschaft vorgelegt. [gegenüberliegendes Blatt (15), von Schadows Hand?] Der Paragraphus 21 ist, nach
dem Beschluße der General Versammlung vom 6 April 1822, folgendermaaßen abgefaßt. Am Ende eines jeden Jahres werden die Mitglieder zu einem Don Gratuit für den Oeconomen eingeladen, dessen Ertrag demselben, gegen Quittung eingehändigt, wird. Sollte der Betrag die Summe von 40 rt nicht erreichen, so wird das Fehlende aus der Casse zugeschoßen. Dagegen soll ihm der Mehr-Betrag zu gut kommen. § 22. Secretar iats-Geschäfte. Die übrigen beiden Directoren haben sich ins Besondere der Secretariats-Geschäfte zu unterziehen. Als solche haben sie alle schriftliche Ausfertigungen aufzusetzen, diese gehörig zu sammlen heften zu lassen, in das Archiv der Gesellschaft unter den bestimmten Rubriquen zu reponiren, und für deren Aufbewahrung bestmöglichst zu sorgen.
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§ 23. For tsetzung. Unter ihrer besondern Aufsicht befinden sich sämmtliche Zeitschriften und Bücher, welche dem Schach-Club angehören, und liegt ihnen ganz vorzüglich ob, // dahin zu sehen, daß erstere zur rechten Zeit eingehen, im Lese-Zimmer ausgelegt, und mit den übrigen Büchern ebenfalls sorgfältig gesammlet, und aufbewahret werden. § 24. Niederlegung der Direction. Den Directoren steht es frei, ihre Aemter niederzulegen, zu welcher Zeit sie wollen. Es wird indessen hiermit festgesetzt, daß alle Jahr im Monat Apr il, nach erfolgter Abnahme der Jahres-Rechnung, drei neue Directoren gewählt und angenommen werden sollen, daß mithin ein jeder derselben sein Amt in der Regel ein ganzes Jahr verwalten muß. [gegenüberliegendes Blatt (16), von Schadows Hand?] Der Paragraphus 24. lautet,
nach dem Beschluß der General Versammlung vom 6 April 1822, / Den Directoren steht es frey ihre Ämter niederzulegen, zu welcher Zeit sie wollen, jedoch müßen sie ihre Functionen, zur Vermeidung eines verderblichen Interregni, so lange fortsetzen, bis an ihre Stelle neue Directoren gewählt sind, welches auf dem vorschriftsmäßigen Wege geschieht. Resigniren sie im Laufe des Jahres nicht, so hört ihr Amt mit dem letzten April des Jahres von selbst auf. Sie haben solches vorher der Gesellschaft anzuzeigen, und zur Wahl drey neuer Directoren das Nöthige zu veranlaßen. § 25. For tsetzung. Zu dem Ende hören die Funktionen der zeitigen Directoren mit dem letzten April jedes Jahres auf. Die Direction hat solches der Gesellschaft auf dem // gewöhnlichen Wege anzuzeigen und vom genannten Tage an zur Wahl und Annahme drei neuer Directoren das Nöthige zu veranstalten. [gegenüberliegendes Blatt (16), von Schadows Hand?] § 25 / fällt weg.
zu Folge Beschlußes der General Versammlung vom 6 April 1822. § 26. Wahlf ähigkeit der abgehenden Directoren. Den in jedem Jahre abgehenden Directoren steht zu ihrer Wahl, und Wiederannahme nichts entgegen, und können dieselben so gut wie jedes andere Mitglied aufs Neue zu Directoren gewählt, und bestellt werden. § 27. Wahl der neuen Directoren. Die Wahl der drei neuen Directoren nimmt den 8 ten Apr il eines jeden Jahres ihren Anfang, wird Ultimo Apr il beendigt, und geschieht durch die absolute Mehrheit der Stimmen, welche auf folgende Weise abgegeben werden: Ein jedes Mitglied Erster Classe erhält von der Direction einen besonderen gestempelten Zettel; auf diesem schreibt 138
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dasselbe die // Namen derer, denen es seine Stimme geben will, ohne sich jedoch auf dem Zettel selbst zu nennen, legt solchen in den, zu diesem Behuf ausgehängten, verschlossenen, und mit dem Pettschaft des Schach-Clubs sowohl, als dem eines Mitgliedes versiegelten Wahl-Kasten, und schreibt demnächst eigenhändig seinen Namen in das ausgelegte Wahl-Protocoll, wobei noch ausdrücklich festgesetzt wird, daß kein Mitglied seine Stimme durch ein anderes Mitglied abgeben lassen darf. § 28. For tsetzung. Der Wahl-Kasten darf während der Wahl von Niemanden, auch nicht von der Direction geöffnet werden. Am letzten Tage des Monats Apr il hingegen, an welchem die Wahl geschlossen ist, wird der Wahl-Kasten von der Direction, in Gegenwart wenigstens dreier Mitglieder Erster Classe, nachdem zuvor Siegel und Verschluß desselben, so wie auch // die Namen im Wahl-Protocoll untersucht, u. gezählt worden, geöffnet, und die Anzahl der darinnen befindlichen Wahl-Zettel mit der der im Wahl-Protocoll verzeichneten Namen verglichen. Hierauf werden sämmtliche eingelegten Wahl-Zettel laut verlesen, und sind dann nur diejenigen Mitglieder zu Directoren gewählt, welche die Mehrheit der abgegebenen Stimmen für sich haben. § 29. For tsetzung. Die im vorigen §. vorgeschriebene Collationirung der eingelegten Wahl-Zettel, mit den im Wahl-Protocoll aufgeführten Namen der Wähler soll dazu dienen, um zu erfahren, ob in dem Wahl-Kasten nicht mehr Zettel, als Wähler angetroffen werden, als in welchem Fall die Wahl ungültig, und eine neue Wahl veranlaßt werden muß; Da hingegen kann es der // Wahl keinen Abbruch thun, wenn jemand sich als Wähler in das Protocoll eingeschrieben, aber aus Vergessenheit, oder sonstigen Gründen seinen WahlZettel nicht abgegeben hat, also weniger Zettel als Wähler vorgefunden werden. § 30. Wegen Gleichheit der Stimmen bei der Wahl. Tritt der Fall ein, daß zwei oder mehrere Mitglieder eine gleiche Anzahl Stimmen für sich haben, so entscheidet das Loos, wer von ihnen Director werden soll, entweder sogleich am Wahltage, oder an einem anderen dazu von der Direction anzuberaumenden Termine. § 31. Bekanntmachung des Resultats der Wahlen. Das bei der Wahl-Versammlung von der Direction aufzunehmende Protocoll wird am Wahltage von ihr, und wenigstens dreien Mitgliedern Erster Classe unterschrieben, u. hierauf das Resultat der Wahl von Seiten der Ersteren der Gesellschaft mittelst einer im Lesezimmer auszuhängenden schriftlichen Anzeige bekannt gemacht. //
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§ 32. For tsetzung. Findet sich das gewählte Mitglied veranlaßt die ihm übertragene Direction nicht anzunehmen, so muß um den Wunsch der Gesellschaft ganz vollständig zu erfahren, ohne Verzug eine neue Wahl veranlaßt, und solches in der vorgedachten Anzeige sogleich mitbemerkt werden; nimmt dasselbe dagegen die Direction an, so findet sofort dessen Introduction, und Übernahme der Geschäfte statt. § 33. Rücktr itt eines Director s während seiner Amtszeit. Alles, was in Ansehung der Wahl der Direction in den vorigen §§ gesagt worden, tritt auch ein, wenn ein, oder der andere Director innerhalb seiner Dienstzeit sich genöthigt sehen sollte, sein Amt niederzulegen und man daher schon früher, zu der Wahl eines neuen Directors schreiten müße. [gegenüberliegendes Blatt (21), von Schadows Hand?] § 33 fällt weg, zu Folge Be-
schlußes der General Versammlung vom 6 April 1822. § 34. For tsetzung. In diesem Fall muß ein solcher seinen Austritt wenigstens 14 Tage vor seinem würklich erfolgten Abgang aus dem Directorio seinen Collegen anzeigen, damit der Club Zeit gewinne, zur Wahl eines neuen // Interims-Directors an seine Stelle zu schreiten, welcher dann in alle Rechte, und Verbindlichkeiten dessen tritt, für den er ad interim gewählt wurde. Da sich aber unvorhergesehene Fälle ereignen können, wo eine solche Anzeige unmöglich wird, so verwalten die übrigen Directoren bis zur beendigten Wahl ihres Collegen, das Amt einstweilen allein. [gegenüberliegendes Blatt (21), von Schadows Hand?] § 34 fällt weg zu Folge Be-
schlußes der General Versammlung vom 6 April 1822. § 35. Wahl der Mitglieder Er ster-Classe. Zu Mitgliedern sowohl Erster als Zweiter Classe können nur solche Personen vorgeschlagen werden, welche zum Civil, adelichen, bürgerlichen, geistlichen, oder gelehr ten Stande gehören, nach der Art, wie es bisher schon Norm gewesen ist. Doch versteht es sich von selbst, daß dieses keine Einschränkung für den Stand der Gäste nach sich zieht, die jemand mitbringen will. [gegenüberliegendes Blatt (22), von Schadows Hand?] § 35 fällt weg, zu Folge der Ge-
neralversammlung vom 6 April 1822. § 36. For tsetzung. Die Wahl eines neuen Mitgliedes Erster Classe geschieht ebenfalls durch Einlegung gestempelter Zettel, und zwar auf die folgende Weise 140
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§ 37. For tsetzung. Derjenige, welcher als Liebhaber des Schach-Spiels // in die Gesellschaft aufgenommen zu werden wünscht, muß von einem Mitgliede Erster Classe dazu in Vorschlag gebracht werden, welches zu dem Ende, eine schriftliche Anzeige darüber, mit Bemerkung des Namens, und Charakters des Candidaten, bei der Direction einzureichen hat, und muß hiernächst der Candidat, ehe die Wahl über ihn veranstaltet werden kann, von seinem Proponenten einigemal in den Schach-Club eingeführt worden seyn. [gegenüberliegende Seite (22), von Schadows Hand?] Im § 37 wird, nach dem Beschluß
der General-Versammlung vom 6 April 1822, zu Anfange desselben, der Zusatz welcher als Liebhaber des Schach-Spiels, weggelaßen. § 38. Zur ückweisung des Candidaten. Für sich allein darf kein einzelner Director eine Person, auf deren Annahme angetragen worden, verwerfen und den Vorschlag zurückweisen. Trägt indessen einer derselben gegen die Zuläßigkeit dieses Vorschlags Bedenken, so muß er mit den übrigen Directoren dieserhalb Rücksprache nehmen, und wenn diese nach Mehrheit ihrer Stimmen seiner Meinung beitreten, auch verschiedene Mitglieder hierüber sondirt haben, dann wird solches dem Proponenten zu erkennen gegeben, und ihm überlassen, entweder den Vorschlag sogleich zurückzunehmen, oder die Entscheidung der Gesellschaft darüber abzuwarten. // § 39. Bekanntmachung desselben. Die Direction trägt den Namen des Candidaten, und des Proponenten unter den gehörigen Rubriquen im vorhandenen Candidaten-Buch ein, und macht den Vorschlag des Proponenten zur Aufnahme eines neuen Mitgliedes der Gesellschaft mittelst einer schriftlichen Anzeige auf die gewöhnliche Art, jedoch unter Verschweigung des Proponenten, bekannt, und bestimmt darinnen zugleich die Wahl des Candidaten, und den Tag der Beendigung derselben. [gegenüberliegendes Blatt (24), von Schadows Hand?] Nach dem Beschluß der Ge-
neral Versammlung vom 6 April 1822, fällt, in diesem Paragraphen, die Bedingung, der Verschweigung des Proponenten weg. § 40. Wahlzeit des Candidaten. Die schriftliche Anzeige der Direction muß wenigstens vierzehn Tage hintereinander im Lese-Zimmer ausgehängt seyn. Während dieser Zeit bleibt der, zur Abgebung der Stimmen mit dem gesellschaftlichen Pettschaft allein, versiegelte aufgestellte Wahlkasten im Lesezimmer verschlossen stehen. 141
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Jedes Mitglied erhält einen von der Direction gestempelten Zettel, auf welchem der Name des Candidaten und die Worte Ja – Nein vermerkt worden sind; er streicht sodann von diesen Wörtern das Eine oder das Andere, entweder das Ja, oder das Nein // aus, je nachdem es die Aufnahme des Candidaten wünscht oder nicht; legt seinen Zettel, ohne eigene Unterschrift, in den Wahl-Kasten, und schreibt hiernächst seinen Namen in das ausgelegte Wahl-Protocoll, wobei ebenfalls festgesetzt wird, daß kein Mitglied seine Stimme für ein anderes Mitglied abgeben darf. § 41. For tsetzung. Nach Ablauf dieser eben erwähnten Frist von 14. Tagen wird der Wahl-Kasten in Gegenwart wenigstens dreier Mitglieder Erster-Classe, von der Direction, wie bei der Director-Wahl vorschriftsmäßig geöffnet. § 42. Anzahl der Wähler. Zur Aufnahme des Candidaten ist durchaus nothwendig, daß wenigstens über Ein Dr ittheil der Mitglieder gestimmt haben müssen. Sollte diese Anzahl am Beendigungs Tage der Wahl nicht vorhanden seyn, muß die Wahl so lange offen bleiben, bis die gesetzmäßige Zahl eingetreten ist. § 43. Resultat der Wahl. // Die Mehrheit der bejahenden Stimmen entscheidet über die Aufnahme des Candidaten und zwar mit der näheren Bestimmung, daß allemal von der Gesammtzahl dieser abgegebenen Stimmen nothwendig über zwei Dr ittheil für den Candidaten gewesen seyn müssen. § 44. For tsetzung. Sollten sich Wahlzettel im Wahl-Kasten befinden, auf welchen weder das Ja, noch das Nein, von den Wählern ausgestrichen worden, so wird angenommen, als habe das Mitglied keine Stimme abgeben wollen; sowie es auch die Pflicht der Direction ist, von den, auf den eingelegten Zetteln bezeichneten Bemerkungen, gar keine Notitz zu nehmen, und solche auf keine Weise zur Kenntniß der Gesellschaft zu bringen, vielmehr solche sogleich zu cassiren. § 45. Anzeige an das neuaufgenommene Mitglied. Die erfolgte Aufnahme eines neuen Mitgliedes wird gleich darauf durch die Direction nicht nur, der Gesellschaft, sondern auch dem Neuaufge-//nommenen mittelst einer schriftlichen Anzeige bekannt gemacht, und von diesem das Eintrittsgeld, so wie auch der Beitrag von dem Vierteljahr an, in welchem die Aufnahme statt gefunden, praenumerando eingezogen, worauf ihm alsdann bei seiner ersten Anwesenheit im Club, die gesellschaftlichen Gesetze zur Annahme, und eigenhändigen Unterschrift vorgelegt werden sollen. 142
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§ 46. Verhalten gegen mehrere Candidaten. Sollten mehrere Candidaten zugleich vorgeschlagen seyn, so wird festgesetzt, daß die Wahl auch über so viele mit Einemmale statt finden kann, als Vacantzen sind. § 47. Wahl der Mitglieder Zweiter Classe. Die Wahl und Aufnahme eines Mitgliedes Zweiter Classe wird ganz in eben der Art veranlaßt, und vollzogen, wie die, der Mitglieder Erster Classe; nur mit dem Unterschiede, daß zu seiner Wahl nur eine Frist von Acht Tagen, auch keine festgesetzte Anzahl Stimmen erfordert werde. [gegenüberliegendes Blatt (27), von Schadows Hand?] Nach dem Beschluß der Gene-
ral Versammlung vom 6 April 1822 lautet dieser Paragraph, Die Wahl und Aufnahme eines Mitgliedes Zweyter Classe wird ganz in eben der Art veranlaßt, und vollzogen, wie die der Mitglieder Erster Classe. § 48. For tsetzung der Mitglieder Er ster-Classe. // Zur Bestreitung sämmtlicher Ausgaben des Schach-Clubs ist jedes Mitglied Erster-Classe verpflichtet: alle Jahr den Beitrag von Sechs Thaler in Courant zu erlegen und denselben in halbjährigen* Ratis mit Drei Thaler und zwar den 1 ten Apr il und den 1 ten October jedes Jahres praenumerando dem Rendanten, gegen dessen Quittung einzuhändigen; wobei es jedoch einem jeden Mitgliede frei stehet, auch für das ganze laufende Jahr den Beitrag zu entrichten. [gegenüberliegendes Blatt (28), in einer anderen Schrift:] *in vierteljährlichen Ratis.
Protokoll der General-Ver sammlung vom 23. März 1808. Zusatz von Schadows Hand?: Nach dem Beschluß der General Versammlung vom 6
April 1822. ist die Zahl Sechs in Zehn und die vier theljähr igen Rata in zwey Reichsthaler Zwölf Groschen Courant zu verändern. § 49. Eintr ittsgeld des Neuen Mitgliedes. Da jedes neu aufgenommene Mitglied Erster Classe den Vortheil genießt, daß es in eine bereits organisirte Gesellschaft tritt, ein angekauftes Inventarium vorfindet, und seinen Antheil daran erworben hat, so hat es die Verbindlichkeit auf sich, außer dem gewöhnlichen Beitrag, noch 5 Rthlr 12 g r. Courant an Eintrittsgeld an den jedesmaligen Rendanten der Gesellschaft zu entrichten. § 50. Beitrag der Mitglieder Zweiter Classe. Die Mitglieder Zweiter Classe bezahlen eben den Beitrag, welchen Mitglieder Erster Classe entrichten, jedoch sind sie, da sie kein Eigenthums Recht an dem Mobiliare des // Clubs erhalten, von Erlegung des Eintrittsgeldes frei. Tritt der Fall ein, daß ein Mitglied Zweiter Classe die Mitgliedschaft der Ersten Classe erhalten hat, muß dasselbe, wie 143
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sich von selbst versteht, gleich nach seiner Aufnahme das gesetzmäßige Eintrittsgeld von Fünf Rthl. 12 gr. entrichten. § 51. Befugnisse der Mitglieder gegen den Wir th. Ein jedes Mitglied ist berechtigt von dem Wirth an üblichen Speisen und Getränken, was und so viel ihm beliebt, zu fordern. Der Oeconome ist verpflichtet, das geforderte so bald als möglich, und von gehöriger Güte, für die gewöhnlichen und üblichen Preise, und nach der von der Direction erhaltenen Taxe, durch seine Leute verabreichen zu lassen. § 52. Beschwerden der Mitglieder gegen denselben. Hat ein Mitglied irgend eine Beschwerde über die vom Wirth erhaltenen Bedürfnisse, oder sonst eine Klage über irgend etwas zu führen, so hat sich dasselbe, im Stillen, an einen der Directoren dieserhalb zu wenden, dessen Pflicht es ist die Beschwerde ent-// weder sogleich auf der Stelle, oder nach gehaltener Rücksprache mit seinen beiden Collegen abzustellen, wodurch also jedes Mitglied der Mühe überhoben wird, sich persönlich mit dem Oeconomen zu befassen. § 53. Schach-Spiel-Gelder. Die bei Lichte spielenden Personen erhalten für jeden Spieltisch zwei brennende Lichter von dem Oeconomen, wofür jede bei Licht spielende Person für den ganzen Abend Ein g r 6 d. [Pfennig] zu entrichten hat. [gegenüberliegendes Blatt (30), von Schadows Hand?] Der Paragraph 53 ist, nach dem Beschluß der General Versammlung vom 6 April 1822, folgender Gestalt abgefaßt. Die bey Licht spielenden Personen erhalten für jeden Spiel-Tisch Kerzen von dem Oeconomen, wofür derselbe von jeder für den ganzen Abend Zwey Groschen Münze oder Anderthalb Silber Groschen ein Cassiert.
§ 54. For tsetzung. Diese Schachspielgelder werden, mittelst einer von der Direction versiegelten, und von dem Oeconomen verschlossenen Büchse eincaßirt, und gesammlet. Nach der jedesmaligen Eröffnung derselben, welche von der Direction im Beiseyn des Oeconomen, oder dessen Bevollmächtigten, von Zeit zu Zeit geschehen muß, wird von dem Ertrage der eingekommenen Schachspielgelder Zwei Dr ittheil dem Oeconomen als eine Entschädigung für die gelieferten Spiel-Lichter, gegen Quittung, ausgehändigt, // das übr ige Dr ittheil aber für die gesellschaftliche Casse eingezogen, von dem Rendanten in der Jahres-Rechnung vereinnahmet, und von der Direction über diese Verhandlung, in dem dazu vorhandenen Einnahme-Buch ein Protocoll aufgenommen. [gegenüberliegendes Blatt (30), von Schadows Hand?, bezogen auf den ganzen § 54:]
Fällt weg, nach dem Beschluß der General Versammlung vom 6 April 1822. 144
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§ 55. Zulassung der Gäste überhaupt. Ein Mitglied Erster Classe hat das Recht einen Fremden, ohne Unterschied des Standes, und der Religion, als Gast in die Gesellschaft einzuführen, aber auch die Verpflichtung auf sich, denselben bei seinem Ersten Besuch, wenigstens einem der anwesenden Directoren vorzustellen, wobei es sich von selbst versteht, daß, da der Schach-Club eine geschlossene Gesellschaft, und ein Ort ist, wo ein jeder für sein Geld alles erhalten kann, jedes Mitglied, welches einen Gast einführt, für denselben auch alles bezahlen müsse, was dieser verzehret hat, und daß daher von dem Gaste durchaus keine Bezahlung angenommen werden darf, als wornach auch der Oeconom angewiesen ist. § 56. Zulassung der einheimischen Gäste. Ist der eingeführte Fremde einheimisch, so darf er nur // Dreimal mitgebracht werden; jedoch wird solchen Personen eine Ausnahme gestattet, von deren anerkannten guten Schach-Spiele, die Gesellschaft sich Nutzen und Vergnügen zu versprechen hat. [gegenüberliegendes Blatt (32), von Schadows Hand?] Der Paragraphus 56 lautet,
nach dem Beschluß der General Versammlung vom 6 April 1822. Ist der eingeführte Fremde einheimisch, so darf er nur dreymal mitgebracht werden. § 57. Zulassung der auswär tigen Gäste. Ist es hingegen ein auswär tiger Fremde, so hat die Direction zu erforschen: 1. ob dessen Aufenthalt allhier nicht länger als Ein Monat dauert, oder 2. ob er auch länger allhier verweilen wird, oder endlich, 3. ob er von Zeit zu Zeit anhero kommt? Im Ersten Fall, wenn sein Aufenthalt nicht über Vier Wochen dauert, findet keine Einschränkung bei ihm statt; ein solcher auswärtiger Fremde kann täglich die Gesellschaft besuchen, und nach dem ersten Mal, für seine eigene Rechnung im Schach-Club zehren, nur muß er zuvor, von einem Mitgliede Erster Classe gehörig eingeführt, und den Directoren vorgestellt, auch sein Name und Charakter etc., in dem, im Lesezimmer täglich ausliegenden auswär tigen Fremden-Buche eigenhändig von ihm eingetragen worden seyn. // Im zweiten und dritten Fall aber muß ein auswärtiger Fremde, wenn er längere Zeit hier verweilt, oder von Zeit zu Zeit anhero kommt, und den Schach-Club besuchen will, sich zur Aufnahme Zweiter Classe anmelden. § 58. Bibliothek des Schach-Clubs. Die über das Schach-Spiel herausgekommene Bücher und sonstige Schriften, welche der Schach-Club besitzt, oder in der Folge noch acqueriren möchte, sind zwar der freien Disposition der Mitglieder überlassen, jedoch müssen selbige für immer im Lese-Zimmer aufbewahret bleiben; und dürfen solche unter keinerlei Vorwand, von einem Mitgliede, weg und nach Hause genommen werden. Bereits asservirte Zeitschrif145
Bildungs- und Geselligkeitsvereine
ten, als Journale und Zeitungen können einem Mitgliede ohne Anstand, auf einige Tage überlaßen werden. Will daher ein Mitglied eine solche Zeitschrift, welche nicht mehr im Lese-Zimmer öffentlich ausliegt, mit nach Hause nehmen, so hat dasselbe seinen Wunsch einem der Directoren zu eröffnen, welcher ihm das verlangte gegen // einen Empfang-Schein aushändigen wird. § 59. Verkauf der Zeitschr iften. Sämmtliche Zeitschriften, als Journale und Zeitungen solle[n] alle Drei Jahre im Monat Febr uar, im Lesezimmer öffentlich an den Meistbietenden versteigert werden. Das daraus gelöste Geld übergiebt die Direction, welche überhaupt dieses Geschäft zu führen hat, der gesellschaftlichen Casse, welche Summe demnächst der Rendant in der Rechnung aufzunehmen hat. [gegenüberliegendes Blatt (34), von Schadows Hand?] Nach dem Beschluß der Ge-
neral Versammlung vom 6 April 1822 soll die Versteigerung der Zeit-Schriften alljährlich Anfangs Juny geschehn. § 60. Besondere Speise-Tage Von Zeit zu Zeit wird die Direction ein gemeinschaftliches mäßiges Mittags- oder Abend-Essen veranstalten, und die Mitglieder dazu mittelst einer Anzeige einladen. Die Zeit des Speisens wird in der Regel Mittags um halb Zwei Uhr und Abends spät[est]ens um halb Neun Uhr festgesetzt. Da an einer solchen gemeinschaftlichen Tafel nicht Portionsweise, wie es ausserdem jeden Abend gebräuchlich ist, gespeist werden darf, so ist es auch nicht erlaubt, mehrere, oder andere Speisen, als der all-//gemeine Tisch liefert, oder ein besonderes Dessert, sich geben zu lassen, um sich und seine Gäste damit zu bewirthen. [gegenüberliegendes Blatt (34), von Schadows Hand?] Der Paragraphus 60 lautet, zu Folge des Beschlusses der General Versammlung vom 6 April 1822., blos allein Von Zeit zu Zeit wird die Direction ein gemeinschaftliches mäßiges Mittags oder Abend Essen veranstalten, und die Mitglieder dazu, mittelst einer Anzeige, einladen. Die Zeit des Speisens wird in der Regel Mittags um halb drey Uhr, und Abends spätestens um halb Neun Uhr, festgesezt.
§ 61. Feier des Stiftungs Tags. Auch wird der Stiftungs-Tag des Schach-Clubs den 16 ten October jedes Jahres gefeiert, und zu dem Ende, ein Mittag-Essen an diesem Tage von der Direction veranstaltet werden, deren Ermessen die Festsetzung des Preises sowohl dieses, als auch aller übrigen Mittags- und Abend-Essen überlassen bleibt.
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§ 62. Unzulässigkeit des Collectirens. Die Mitglieder machen sich anheischig in dem Schach-Club für niemanden eine Col lecte zu sammlen, weil die Erfahrung es gelehret hat, daß manches Mitglied, so edel gesinnt es auch ist, doch gerade andere Ausgaben dieser Art zu bestreiten hat, und eben daher es unangenehm finden könnte, gleichsam gezwungen beitragen zu müssen. § 63. Perfectibilitaet der Gesetze. Jedes Mitglied Erster Classe hat das Recht, zu jeder // Zeit Anträge und Vorschläge über, den Schach-Club betreffende Gegenstände zu machen. Sind diese von der Art, daß durch ihre Annahme irgend etwas Gutes bewürkt werden kann, als welches der Direction zu beurtheilen überlassen bleibt, so hat diese dergleichen Vorschläge zu realisiren, und auszuführen. Findet die Direction dagegen den gemachten Antrag aus mehreren Gründen nicht annehmlich, so bleibt es dem Mitgliede unbenommen, seinen von wenigstens Einem Vier tel der sämmtlichen Mitglieder unterschriebenen Vorschlag bei derselben einzureichen, und ist sie alsdann verbunden denselben zur Kenntniß der Gesellschaft zu bringen, darüber stimmen zu lassen, und seine Annahme oder Verwerfung durch die Stimmen-Abgabe zu erforschen, wobei festgesetzt wird, daß in diesem Fall mehr als Zwei Dr ittel von der ganzen Gesellschaft gestimmt haben muß, wodann die Mehrheit der abgegebenen Stimmen den Ausschlag giebt, ob der gethane Vorschlag angenommen oder verworfen werden soll. § 64. General-Ver sammlungen. Wie §.13 bemerkt worden, sollen in dringenden Fällen General-Versammlungen berufen werden. In diesen hat nur dasjenige Mitglied eine Stimme, // welches auf die per Circulare erhaltene Nachricht in Kenntniß von den zu deliberirenden Gegenständen, würklich erschienen ist, da hingegen diejenigen Mitglieder, welche ausbleiben, sich ihres Stimmen-Rechts begeben, und dem Beschluß der in der General-Versammlung anwesenden Mitglieder unterworfen haben. Wenn jedoch der Gegenstand der GeneralVersammlung, die Erhöhung des Beitrags, oder sonst etwas betrifft, welches die Casse des Mitgliedes angeht, so macht in solchen Fällen der gefaßte Beschluß der General-Versammlung eine Ausnahme, und muß über dergleichen Gegenstände, bei einem jeden Mitgliede angefragt werden. In der General-Versammlung entscheidet die absolute Major itaet der anwesenden Mitglieder; sollte jedoch eine Gleichheit der Stimmen Anzahl eintreten, so bleibt die Entscheidung der Direction anheim gestellt, welche ihre Stimmen, in einem vorhingehenden Conferenz-Protocoll abgegeben haben, und nach solchen im eintretenden Fall verfahren muß. § 65. Wegen Restanten. Da jedes Mitglied seinen Beitrag praenumerando zu entrichten hat, so wird dasselbe, wenn es in Erlegung dessel-//ben Vier Wochen saumselig sich beweist, vom Ren147
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danten allein, schriftlich monirt, und ihm eine Frist von Vierzehn Tagen vergönnet. Nach Ablauf derselben zeigt das ganze Personale der Direction, diesem saumseligen Mitgliede an, wie der rückständige Beitrag binnen Acht Tagen spätens zu erlegen sey, widrigenfalls man dadurch den Willen desselben vermuthe, die Gesellschaft verlassen zu wollen. Sind dann diese acht Tage auch ohne Erfolg verstrichen, so wird diesem Mann angezeigt, daß die Gesellschaft seinem Willen nachgelebt, und aus der Zahl der Mitglieder gestrichen habe. Wegen des restirenden Beitrags aber, so wie auch, wegen der laufenden Beiträge eines solchen ausgetretenen Mitgliedes, muß solange nehmlich es sich zu denselben anheischig gemacht hat, ist die Direction, vermöge ihres Amts authorisirt und verpflichtet, sowohl jenen als auch diese, auf dem Wege Rechtens von ihm einzuziehen, wobei ihm indessen noch vorher eine Frist von Vier Wochen nach befinden der Umstände bewilligt werden kann. Welches gerichtliche Verfahren, jedoch nicht statt findet, wenn das Object nur sehr gering ist, oder die // mehrsten Mitglieder wünschen sollten, daß dasselbe niedergeschlagen werde. § 66. Ueber den Austr itt eines Mitgliedes. Einem jeden Mitgliede steht es frei, die Gesellschaft, nach vorhergegangener schriftlicher Anzeige an die Direction, zu verlassen.* [gegenüberliegendes Blatt (39), von anderer Hand:] *So lange aber diese Anzeige
nicht erfolgt ist, kann von dem beabsichteten Austritte aus der Gesellschaft keine Notiz genommen werden. Protokoll der General-Ver samml [ung] vom 23. März 1808. [weitere Einfügung von Schadows Hand?] Der Paragraphus 66 fällt nach dem Beschlusse der General-Versammlung vom 6 April 1822, weg, und wird Recurs auf § 6 genommen. § 67. For tsetzung. Sollte sich aber das Mitglied des Clubs besonder s verbindlich gemacht haben, eine bestimmte Zeit Mitglied desselben bleiben zu wollen, und dennoch genöthigt seyn, aus der Gesellschaft treten zu müssen, so ist es zur Erhaltung und Fortdauer des Clubs durchaus nothwendig, daß dasselbe dem Club auch seine versprochene Beiträge nicht entziehe, und ist daher ein solches Mitglied verbunden, diese Beiträge entweder mit Einemmale bei seinem Austritt aus der Gesellschaft, oder solche in den gewöhnlichen Terminen so lange zu entrichten, als es sich dazu besonder s anheischig gemacht hat. [gegenüberliegendes Blatt (39), von Schadows Hand?] Der Paragraphus 67 fällt, nach
dem Beschluß der General-Versammlung vom 6 April 1822, weg, und wird Recurs auf § 6 genommen.
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Schach-Club
§ 68. Auflösung des Schach-Clubs. // Sollte die Gesellschaft nach einem gefaßten Beschluß oder aus irgendeiner andern Nothwendigkeit sich aufzulösen und auseinander zu gehen gezwungen werden, so fällt das gesammte Eigenthum der Gesellschaft nach vorhergegangener öffentlichen Versteigerung, den sämmtlichen Mitgliedern Erster Classe, zu gleichen Theilen zu, wobei es sich jedoch § 69. For tsetzung. von selbst versteht, a, daß die bereits vor der Auflösung ausgetretenen Mitglieder ihres Antheils an diesem Eigenthum verlustig gehen; und b, daß, wenn zur Erhalthung und zum Nutzen und Besten des Schach-Clubs, die Direction zur Anschaffung eines Vorschusses genöthigt gewesen ist, dieser Vorschuß erst von dem, aus dem gedachten Eigenthum gelösten Gelde zuvor getilgt, und in der Rechnung gelöscht werden muß. § 70. Sanction der Gesetze. Da vorstehende Gesetze auf dem Grund der bisher vorhandenen sanctionirten Gesetze de dato Berlin den 16ten October 1803, und des Circulare d. 16ten December des nehmlichen Jahres, so wie auch auf dem Grund der, in der General-Versammlung den 22ten Junii 1804 gefaßten Beschlüs-//se, entworfen und verbessert worden sind, so werden solche den gesammten Mitgliedern des Schach-Clubs hiermit zur Einsicht und Annahme vorgelegt, und wollen dieselben, diesen revidirten und verbesserten Gesetzen, durch ihre eigenhändige Unterschriften Gesetzes-Kraft ertheilen, auch zu deren genauen Befolgung alles, was in ihrer Macht steht, willig und gerne beitragen; von welchen Gesetzen hiernächst eine genaue Abschrift zur beständigen und immerwährenden Einsicht der Mitglieder im Lese-Zimmer ausgelegt, das unterschriebene Original aber im Archiv der Gesellschaft aufbewahret bleiben soll. Urkundlich unter sämmtlicher Mitglieder eigenhändiger Unterschrift und beigedruckten Schach-Clubs Siegel. Gegeben Berlin, den 30ten May im Jahre 1805. [Siegel] [Eigenhändige Unterschriften auf Seite 41:]
Litzmann Berger L. Bendavid Hirt [Es folgen die Unterschriften von weiteren 130 Mitgliedern auf den Seiten 42 bis 45.] Quelle: LA Berlin, A Rep. 060-14, Nr. 1 (Gesetze des Schach-Clubs 1805; 1822). – [Auf innerem Deckblatt:] Geschenk des K. Kommerzienrats Bialon / Johannisstr. 2 / 13/3/1913 / E. Friedel). – Transkription Barbara Holländer.
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EVANGELISCHE VEREINE: BIBEL- UND MISSIONSGESELLSCHAFTEN
Johann Jänickes Missions-Institut Grundverfassung des vom Prediger Johann Jänicke seit 1800 geleiteten Missions-Instituts zu Berlin § 1. Das Berlinische Missions-Institut soll fortwährender Mittelpunct desjenigen Wirkens sein, welches sich in den verschiedenen Provinzen und in der Hauptstadt des Reichs durch freiwillige Geldbeiträge zur Bildung und Aussendung christlicher Missionare zu Tage legt. § 2. Der einzige Zweck des Instituts ist, die Erkenntniß Christi unter heidnischen und andern unerleuchteten Völkern zu verbreiten. Zu welchem Ende dasselbe ein Seminar hat, worin die dazu geeigneten Boten gebildet werden. § 3. Die hiezu erforderlichen Fonds sollen fortwährend von Geschenken, Vermächtnissen, Subscriptionen, Collekten u. s. w. entstehen; welche von einer Comité verwaltet werden. § 4. Da das Gedeihen und die Nutzbarkeit des Instituts nächst Gottes Regierung von der Verwaltung desselben abhängt: so soll es stets in dem zeitherigen Sinn und Geiste geleitet werden. Ich wähle daher meinen zeitigen Gehülfen und Nachfolger, und // setze mich mit Männern in Verbindung, welchen die Missions-Sache eine heilige Angelegenheit ist. § 5. Die Verwaltungs-Comité soll zu einer Zeit wenigstens acht Mitglieder zählen; sie wird sich zur Geschäftsführung in einen Wort- zwei Schrift-; einen Rechnungsführer und mehrere Beisitzer vertheilen; sie wird sich nach ferner Uebereinkunft berathen, sich ergänzen und nach des Werkes Umfang erweitern.
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Hauptverein für christliche Erbauungsschriften in den Preußischen Staaten
§ 6. Die allgemeinen Versammlungen sollen fortwährend in den erbaulichen Betrachtungen, welche jedesmal am ersten Montage des Monats statt finden, und vom Vorsteher des Instituts geleitet werden, und in einer jährlichen Feierlichkeit bestehen, wobei eine oder mehrere Predigten gehalten, und solches, wie gewöhnlich, bekannt gemacht werden. Johann Jänicke. Quelle: GStA PK, I. HA, Rep. 76 Kultusministerium III Sekt. 12 Abt. XVII Nr. 7 Bd. 1, Bl. 52r–v. – Transkription Uta Motschmann.
Hauptverein für christliche Erbauungsschriften in den Preußischen Staaten I) Plan des am 3ten August 1814 gestifteten Vereins für christliche Erbauungsschriften in den Preußischen Staaten, 1816 Wenn es nicht geläugnet werden kann, daß die auf alle Art sich offenbarende Abweichung vieler Christen unserer Tage von dem heiligen Glauben und frommen Wandel unserer Vorväter, ihren Grund theils in einer gänzlichen Unbekanntschaft mit den Haupt-Wahrheiten des Evangelii, theils in einer herrschend gewordenen Geringschätzung derselben hat: so gebietet es das wahre Heil der Menschheit, jedes Mittel zu ergreifen, um die Erkenntniß des Evangelii zu befördern, und demselben Eingang, Achtung und Liebe zu verschaffen. Als ein wirkliches und dringendes Bedürfniß der Zeit hat man dies auch bereits allgemein anerkannt, und daher die seit einigen Jahren fast in allen Ländern Europens errichteten Bibelgesellschaften, überall mildthätig unterstützt. Um nun aber auch auf andere Weise dazu mitzuwirken, haben Unterzeichnete mit Allerhöchster Genehmigung Sr. Majestät des Königs, einen Verein für die Verbreitung chr istlicher Erbauungsschr iften in den Preußischen Staaten gestiftet, welches sie hiermit öffentlich anzeigen, in der Absicht und Hoffnung, eine allgemeine Theilnahme an demselben zu veranlassen. Dieser Verein ist nach den Grundsätzen der Londner Religious Tract Society gebildet, welche sich schon seit mehreren Jahren einer gesegneten, durch viele Thatsachen beurkundeten Wirksamkeit zu erfreuen hat. Der Zweck dieses Vereins ist: kleine christliche Erbauungsschriften unter unseren Mitchristen unentgeldlich zu vertheilen, besonders unter solchen, die in großer Unwissenheit dahin leben, oder denen es an Gelegenheit, sich auch häuslich zu erbauen, fehlt. Die Erfahrung hat es zu allen Zeiten gelehrt, daß durch das Lesen solcher Schriften ein besonderes Verlangen nach dem heiligen Bibelbuche bewirkt worden ist, und so dürfte denn unser Verein vorzüglich geeignet seyn, den Zweck der bestehenden Bibelge151
Evangelische Vereine: Bibel- und Missionsgesellschaften
sellschaften zu fördern. In unserm Vaterlande hat es sowohl in älteren als neueren Zeiten redliche Diener Christi gegeben, die es sich zur Pflicht machten, ihren Mitchristen durch Mittheilung einer geschriebenen geistlichen Gabe zu nützen, und schon seit 1811 bestand hier, zwar ohne äußerliche Form, eine Gesellschaft christlicher Freunde, die ein gleiches beabsichtigten, bis im Jahre 1814 der Schottische Geistliche, Herr Pinker ton, derselben den Plan zu einem Vereine, wie er jetzt besteht, mittheilte. An der völligen Ausführung desselben hinderten jedoch mehrere Umstände, die nun bei der erfreulichen Aussicht zu einem dauerhaften Frieden nicht mehr zu fürchten sind. Indessen wirkte die Gesellschaft im Stillen fort, und man kann annehmen, daß seit 1811 an 150,000 Stück kleiner Schriften bereits vertheilt worden sind, und wie wir zu Gott hoffen, nicht ohne gesegneten Erfolg. Folgendes sind die Grundsätze des hier in Berlin gestifteten Vereins für christliche Erbauungsschriften. 1. Der Zweck dieser Gesellschaft ist: kleine religiöse Schriften, besonders unter dem gemeinen Mann auszubreiten, welche auf die Bibel gegründet, rein evangelisch abgefaßt sind. 2. Jeder, der einen bestimmten Beitrag von Einen Thaler jährlich und darüber giebt, ist Mitglied der Gesellschaft. Durch einen unbestimmten Beitrag wird man Wohlthäter derselben. 3. Die Geschäfte der Gesellschaft werden durch einen, aus den Mitgliedern gewählten Ausschuß besorgt, der monatlich, und wenn es nöthig ist, öfter eine Sitzung haben wird. 4. Alle Geschäfte des Ausschusses geschehen unentgeldlich und keiner, der Bezahlung für seine Dienste bekommt, kann ein Mitglied desselben sein, oder eine Stimme darin haben. 5. Einmal des Jahres wird eine Zusammenkunft der Gesellschaft statt haben; in welcher der Bericht von den Fortschritten derselben gelesen und die Berechnung der Einnahme und Ausgabe vorgelegt wird, welche beide, sammt den interessantesten Briefen der Correspondenz, nebst den Namen der subscribirenden Mitglieder, so wie der Wohlthäter gedruckt werden soll. Zu einer Zeit, wo man besonders in unserm Vaterlande gemeinnützige Anstalten so freigebig unterstützt, dürfen wir wohl die angenehme Hoffnung hegen, es werde auch unserem Verein nicht an menschenfreundlichen Theilnehmern fehlen, welche durch milde Beiträge sein Bestehen und seine Wirksamkeit sichern. Jeder der Unterzeichneten nimmt Beiträge an. Die Mitglieder des Ausschusses. Probst Hanstein, als Vorsteher, Brüderstraße No. 10. Prediger Grell. Königstraße No. 37. Lehrer der Königl. Realschule Hoffmann. Kochstraße No. 66. Prediger Jänike. Wilhelmstraße No. 29. 152
Hauptverein für christliche Erbauungsschriften in den Preußischen Staaten
Lederfabrikant Kampfmeier. Wallstraße No. 62. Hoflakirer Kecht. Lindenstraße No. 13. Prediger Klette, in Mariendorf. Konsistorialrath Nicolai. Unterwasserstraße No. 11. Brigadeprediger Mann, alte Schönhauserstraße No. 44. Kattunfabrikant Ohrenberg, alte Friedrichsstraße No. 230. Plankammer-Inspektor Reimann [Reymann], vor dem Potsdammer Thore. Prediger Ringeltaube, in Britz. Hofprediger Theremin. Behrenstraße No. 35. Kaufmann Elsner. Wilhelmstraße No. 21. Schullehrer Hoffmann. Stralauerstraße No. 10. Lieutenant Schwan. Wilhelmstraße No. 26. Kaufmann Vetter. Landsbergerstraße No. 73. […]
Die Verbreitung christlicher Erbauungsschriftchen. Auf diesen Gegenstand haben viele eifrige Nachfolger Jesu Christi, die dem Menschengeschlecht, unter welchem sie leben, ein Segen sind, nie ihre Gedanken gerichtet. Es ist auch möglich, daß sie bei’m ersten Anblick desselben, seine große Nützlichkeit nicht einsehen; aber wann sie ihn reiflich untersucht haben: so werden sie zu ihrer Freude finden, daß es noch eine Weise gibt, Gutes zu thun, auf welche sie es nie versucht haben, und deren Anwendung ihnen Vergnügen machen wird. Die Vortheile, welche von der Verbreitung kurzer Erbauungsaufsätze erwartet werden dürfen, sind wahrlich so vielfach, und so groß, daß man, nach gebührender Erwägung, hoffen darf, sie werden einen mächtigen Einfluß auf das Gemüth eines jeden haben, der ein Nachfolger Jesu, und ein Freund der Menschen ist. Die hier aufgeführten werden leicht anerkannt werden, und sich von selbst empfehlen. Es ist wahr scheinlich, daß dieses Mittel Gutes stiften wird. […]
Es ist ein leichter Weg, Gutes zu stiften. Nicht jeder hat die Gabe, mit denen, mit welchen er zusammentrifft, besonders mit Unbekannten, über Gegenstände der Religion zu reden. […] Manche haben da eine unbesiegliche Schüchternheit. Sie wissen es, daß sie die Sünder vor ihrer Gefahr warnen sollten, aber wie sie es thun sollen, das ist ihre Schwierigkeit. Hier ist eine Weise, auf welche es leicht geschehen kann. […] Es ist ein wohlfeiler Weg, Erkenntniß der Religion zu verbreiten. Die Aufsätze sind in der Regel klein. Man kann sie für einen sehr billigen Preis haben; und wer diesem Zweck jährlich eine kleine Summe widmen will, der kann im Laufe eines Jahres die Erkenntniß des Weges zur Seligkeit durch einen gekreuzigten Erlöser Hunderten von Menschen zuführen. […] Es ist nicht wahr scheinlich, daß diese Weise, Gutes zu thun, so leicht beleidigen wird, wie manche andere. wenn wir mit einem Bekannten oder mit einem Fremden über göttliche Dinge sprechen, so kommt es ihm wohl so vor, als maßten wir uns 153
Evangelische Vereine: Bibel- und Missionsgesellschaften
den Rang eines Lehrers an, und wollten ihm unsere Ueberlegenheit an Erkenntniß und Frömmigkeit zeigen; und da geräth der Stolz leicht in Unruhe. […] Aber wird ihm ein Schriftchen in die Hände gegeben, so ist nicht der, welcher es gibt, der Lehrer; sondern eine dritte Person, ein Weiser, der schriftlich zu ihm spricht. Er kann es lesen, ohne daß der, welcher es ihm gab, zugegen sey. […] Bei dieser Weise scheint der Mensch mehr sich selbst zu belehren, als wenn ein Anderer mit ihm spricht; und sie ist folglich seinen Gefühlen angenehmer, und die Wahrheit findet leichter Eingang. Es gibt Menschen, denen man sich auf keinem andern Wege nähern kann. Diese Weise ist von umf assender n Nutzen, als irgend eine andere Weise, auf welche ein gemeiner Christ Religions-Erkenntniß verbreiten kann. Mündliche Unterweisung kann, wegen der Zeit, die sie erfordert, nur auf sehr wenige, im Vergleich, beschränkt seyn. Ein Erbauungsschriftchen enthält eine schlichte, ernste und überzeugende Belehrung über die Errettung der Seele; den Inhalt desselben vorzutragen, kann vielleicht eine halbe Stunde erfordern, und dann kann derselbe doch leicht dem Gedächtnisse für immer entschlüpfen; aber das Schriftchen selbst kann man in einem Augenblick geben. Es kann, nach Belieben, gelesen und wiedergelesen werden, und so kann die Wahrheit durch sehr mannichfaltige Kanäle fließen. Ein Freund der Wahrheit vermag auf diese Art viel Gutes zu stiften. Er halte sich immer einen Vorrath solcher Schriftchen, wie sie für die verschiedenen Gemüther passen; er sey, bei Vertheilung derselben, besonders aufmerksam auf die Gemüther. Er gebe sie seinen armen Nachbarn, und denen, die bei ihm zu thun haben. Wenn er ausgeht, so suche er mit denen, mit welchen er zusammentrifft, ein Gespräch anzuknüpfen, und übergebe ihnen ein solches Schriftchen. Er schenke sie den Kindern, damit diese sie den Aeltern vorlesen. Wenn er verreis’t, so seien sie ein Theil seines Gepäcks. Findet er jemand auf der Landstraße der ihm wol Lehre anzunehmen scheint: so reiche er ihm ein solches Schriftchen. Im Wirthshause beschenke er damit den Aufwärter, das Dienstmädchen, den Hausknecht; auch der Fuhrmann erhalte einige. Wann er in der Stadt umherschlendert, so sehe er in die Wohnungen der Armen, spreche liebreich mit ihnen, und gebe den Aeltern oder den Kindern einige dieser kleinen Bücher mit dem freundlichen Wunsche, daß Gott sie segnen möge. Kehrt er bei einem Freunde ein, so mache er es so mit den Kindern und dem Gesinde. Außerdem versende er solche Schriftchen an Prediger, mit denen er bekannt ist, und an gute Freunde auf dem Lande, damit diese sie auf gleiche Art vertheilen. Diese Weise wird schon von Mehreren befolgt, und wenn man bedenkt, daß eine Schrift, von einem guten Freunde gegeben, gewiß ein aufmerksames Durchlesen veranlaßt, und, von einem Fremden überreicht, die Neugier erregt, zu wissen, was sie enthält; und daß jede solche Schrift nicht nur vom Empfänger, sondern von den verschiedenen Gliedern seines Hauses, gelesen werden; und daß sie von einer Familie an die andere verliehen werden kann: so ist man im Stande, sich eine Vorstellung von dem weiten Umfang zu machen, in welchem die Wahrheit durch dieses Mittel verbreitet werden kann. Was Einige schon thun, können andere auch. Und wenn jeder Christ, nach seinem Vermögen, und nach den sich darbietenden Gelegenheiten, auf diese Art wirken wollte: wie viele 154
Hauptverein für christliche Erbauungsschriften in den Preußischen Staaten
könnten in dem Laufe eines Jahres den Weg zur Seligkeit kennen lernen und erweckt werden, denselben in der Predigt des Evangeliums zu suchen, die sonst wahrscheinlich nichts davon gehört haben würden! […]
Auf folgende Eigenschaften sollte man besonders sehen, und sie sollen in einem guten Erbauungsschriftchen vereinigt seyn. Reine Wahrheit. Diese, so wie sie aus der Quelle des neuen Testaments entspringt, sollte, unverfälscht vom Irrthum, von menschlichen Systemen ungetrübt, vom Anfang bis zum Ende fließen, rein wie ein Krystall, gleich dem Strom des Lebens. Nichts sollten solche Schriftchen von dem Schiboleth einer Sekte enthalten; nichts, das den einen Namen anpriese, oder den andern verhaßt machte; nichts von der Bitterkeit streitender Partheien gegen diejenigen, welche anders denken; sondern ein reines, wohlwollendes Christenthum, in welchem alle Nachfolger Jesu Christi, die sich nach seiner Gnade zu ewigen Leben sehnen, sich mit Freuden, wie zu einer gemeinschaftlichen großen Angelegenheit, vereinigen können. Kein weltlicher Plan sollte mit der Wahrheit verwebt, oder hinter derselben schlau versteckt sein. Man sollte nicht die leichteste Spur von irgend einer fleischlichen Absicht, in irgend einer Gestalt, zu irgend einem Zweck, und schiene er auch manchem noch so lobenswerth, darin erblicken; sondern nur göttliche Wahrheit, unvermischt und unverfälscht, und rein, wie sie vom Himmel gekommen ist, geschickt, den Durst des ganzen menschlichen Geschlechts zu füllen. In jedem Schriftchen sollte irgend eine Nachr icht von dem Wege eines Sünder s zur Seligkeit enthalten sein. Daß Erbauungsschriften von verschiedenen Gegenständen handeln, ist zwar ungemein zweckmäßig, und vermehrt ihre Nützlichkeit sehr, aber in alle sollte die Art miteingewebt sein, auf welche ein Sünder, durch die Versöhnung und Gnade des Erlösers, von Schuld und Elend befreiet werden kann; so daß, wenn jemand nur ein einziges Büchlein der Art vor die Augen bekäme, und nie Gelegenheit hätte, ein zweites zu sehen, er doch klar einsehen könnte, daß er, um selig zu werden, aus dem Geist wiedergeboren, und durch den Glauben, in dem Gehorsam Jesu bis zum Tode, gerechtfertiget werden müsse. Ohne dieses ist ein solches Buch in der That sehr mangelhaft. Es muß leicht ver ständlich sein. Hier ist nächst der Wahrheit, Deutlichkeit die erste Eigenschaft eines guten Schriftchens. Wenn die Regel der Redekunst, „der Sinn sei nicht nur so klar, daß er verstanden werden könne, sondern so klar, daß er nicht mißverstanden werden könne“, vom Schriftsteller in einem Falle mehr, als im andern, beobachtet zu werden verdient; so ist es hier, wo der große Haufen der Leser mit göttlichen Dingen nur wenig bekannt ist: wo die Gemüther derselben an Anwendung auf sich nicht gewöhnt sind; und wo es deshalb nöthig ist, daß ihnen die Wahrheit so hell gemacht werde, wie das Licht des Tages. Der Mangel an dieser Eigenschaft ist hinreichend, ein Schriftchen vom Umlauf auszuschließen. Es muß erg reifend sein. Es ist ja der Zweck, die Aufmerksamkeit derer zu fesseln, die nur wenig Vergnügen an göttlichen Dingen finden; und wie schwer dies sei, 155
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wenn von der Religion die Rede ist, das können diejenigen zur Genüge bezeugen, die gewohnt sind, zu andern Menschen über ihre wichtigsten Angelegenheiten zu reden. Wenn ein Erbauungsschriftchen, wie gut es auch, in Rücksicht auf Reinheit der Lehre, und Deutlichkeit des Vortrages, immer sein mag, nicht so geschrieben ist, daß es den Leser mehr als gewöhnlich anzieht: so ist zu befürchten, daß es ungelesen auf die Seite geworfen werden möchte. Es gibt eine Art, die göttliche Wahrheit so vorzutragen, daß sie ergreift, in die Seele dringt und die Aufmerksamkeit festhält. In dieser Hinsicht sind starke, kräftige Ausdrücke, lebhafte Darstellungen der Wahrheit und rührende Anreden hier an ihrer rechten Stelle. Nach dieser Eigenschaft sollte jeder sich sorgfältig umsehen, der willig solche Schriftchen vertheilt. Es muß unterhaltend sein. Ein bloß didaktischer Aufsatz über einen Gegenstand der Religion wird wol von einem wahren Christen mit Vergnügen gelesen; aber diejenigen, für welche diese Aufsätze zunächst bestimmt sind, werden dabei einschlafen; und so wird Geld und Arbeit vergeblich angewendet sein. Es muß etwas darin sein, das den Unaufmerksamen zu lesen, lockt; und dies läßt sich bewirken, wenn man mit dem Belehrenden das Unterhaltende mischt. Wo man vermittelst der Erzählung die Wahrheit vorträgt, da wird sie begierig angenommen. Die Erzählung reizt nicht nur zur Aufmerksamkeit, sondern unterstützt auch das Gedächtniß und macht einen tieferen Eindruck auf ’s Herz. Ein zweites Mittel, ein Schriftchen unterhaltend zu machen, ist das Gespräch. Die Unterredung reißt den Leser unvermerkt mit sich fort. Gewöhnlich erscheint er sich da als eine der sprechenden Personen; er findet seine eigenen Gesinnungen und Urtheile angegriffen und vertheidigt; er empfindet jeden aufgestellten Beweis, und der Gegenstand heftet sich mächtig und tief an sein Gemüth. Wo keins von diesen beiden Mitteln anzuwenden ist, da wird der Scharfsinn zu manchen andern Mitteln seine Zuflucht nehmen, um der Wahrheit Annehmlichkeit zu verschaffen, und sie so zu würzen, daß sie das Verlangen des Lesers reizt. Es muß reich an Vor stellungen sein. Nur in wenig Fällen kann der Mangel an dieser Eigenschaft gestattet werden. Ein Schriftchen ist nur ein kleines Geschenk, und es sollte deshalb so schätzbar als möglich gemacht werden. Der Werth desselben wird aber nach dem Verhältnisse der Zahl wichtiger Wahrheiten steigen, die es enthält. Ein Wortgetön von zwei oder drei Gedanken zu machen, das wird schwerlich viel nützen; zum Sättigen kann es nicht hinreichen. Aber wenn jeder Ausspruch etwas Nützliches und Neues enthält: so ist in einer kleinen Schrift ein reichliches Mahl vom Brote des Lebens. Zu diesem Zwecke muß die Wahrheit zusammengedrängt sein. Das Motto auf jedem Schriftchen sollte sein: Multum in parvo1; und wenn man auf die vorgenannten Eigenschaften achtet: so darf man nicht besorgen, zuviel zusammenzudrängen. Beim Predigen mag es nöthig sein, die Wahrheit mehr zu erweitern und zu entwickeln; aber nicht so in einem Erbauungsschriftchen; denn den Vortheil hat das Lesen vor dem Hören voraus, daß man einen Gegenstand immer wieder überlesen kann, bis man ihn völ1 Mit wenigem viel. 156
Hauptverein für christliche Erbauungsschriften in den Preußischen Staaten
lig gefaßt, und dem Gemüth eingeprägt hat. Eine der Vortrefflichkeiten der heiligen Schrift ist die, daß sie voll von Wahrheiten ist. Je näher derselben ein Aufsatz in dieser Eigenschaft kommt, desto schätzbarer, desto nützlicher dürfte er, unter dem Segen Gottes, werden. Es ist nöthig, das noch mehr auseinander zu setzen, worauf so eben vorher nur hingedeutet worden ist; nehmlich, daß in einer Sammlung von Erbauungsschriften, außer solchen, die sich auf das Allgemeine beziehen, auch solche sein sollten, die für verschiedene Lagen und Zustände passen. Allgemeine Ermahnungen betrachten die Menschen gern als Dinge, die sie nicht unmittelbar angehen. Wenn aber der Vortrag besonders ist, und an jemand gerichtet, der sich in einer besondern Lage befindet; so dringt er an das Herz dessen, der sich beschrieben sieht, und hat eine mächtigere Wirkung auf sein Gemüth. Von Schriften wie von Predigten, ist also um so mehr Nutzen zu erwarten, je mehr der Gegenstand der Lage und den Gefühlen eines Einzelnen nahe gebacht werden kann. Daher die Zweckmäßigkeit und Nothwendigkeit von Schriftchen für die Jungen und für die Alten, für die Kinder des Glücks und der Betrübniß, für sorglose und für erweckte Sünder; – von Schriften, die in die Urtheile, Entschuldigungen, Versuchungen und Pflichten jedes Einzelnen eingehen, und jedem den Weg zum Herrn zeigen. Und damit wird dem helldenkenden Christen eine Gelegenheit gezeigt, jedem seinen Theil von geistlicher Speise zu rechter Zeit zu geben. Daß kurze, religiöse Schriften, welche diese Eigenschaften besitzen, höchst schätzbar sind, und dem wichtigen Zweck angemessen, göttlichen Unterricht zu verbreiten, wird jeder gern anerkennen; aber die Schwierigkeit ist, sie zu finden. Um diese Schwierigkeit zu beseitigen, und einen so hinreichenden Vorrath derselben anzuschaffen, daß sie auf Verlangen immer in Bereitschaft liegen, hat sich vor kurzem eine Gesellschaft gebildet, deren Absicht es ist, kleine Erbauungsschriften zu sammeln, zu verfassen, zu drucken, und zu vertheilen, und sie Subscribenten und Käufern zu den niedrigsten Preisen zu überlassen. […] Quelle: Plan des am 3ten August 1814 gestifteten Vereins für christliche Erbauungsschriften in den Preußischen Staaten. Berlin 1816. Gedruckt bei Friedrich Späthen. (GStA PK, I. HA, Rep. 76 Kultusministerium III Sekt. 1 Abt. XIV Nr. 29 Bd. 6, Bl. 1r–16v). – Druck 1 in: Neueste Nachrichten aus dem Reiche Gottes, hg. von der Preußischen Hauptbibelgesellschaft, 1. Jg., Berlin 1817, S. 12–15. – Druck 2 in: Zwischen Staat und Gesellschaft: Die „Preußische Hauptbibelgesellschaft“ und der „Hauptverein für christliche Erbauungsschriften in den preußischen Staaten“ (1814–1848). Dokumente. Ausgewählt und bearbeitet von Christina Rathgeber. In: Acta Borussica, Neue Folge, hg. von Wolfgang Neugebauer, 2. Reihe: Preußen als Kulturstaat, Bd. 3/2: Dokumente, Berlin 2012 , Nr. 27, S. 61–66.
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Evangelische Vereine: Bibel- und Missionsgesellschaften
II) Verhältnisse des Preußischen Hauptvereins für christliche Erbauungsschriften zu seinen Töchtervereinen, 20. Oktober 1817 Bestimmungen über die Verhältnisse des Preußischen Hauptvereins für christliche Erbauungsschriften zu seinen unmittelbaren Tochtervereinen. 1) Die von dem Vereine für christliche Erbauungsschriften ausgehenden Tochtervereine sind auf dieselben Grundsätze, wie der Hauptverein, gegründet, und haben gleichen Zweck und gleiche Mittel (s. den Plan). 2) Der Ausschuß einer Tochtergesellschaft muß mindestens aus drey oder vier Mitgliedern bestehen, deren Namen dem Hauptvereine, so wie die etwanigen Veränderungen, anzuzeigen sind. 3) Zu mehrerer Einheit im Wirken ist es erforderlich, daß sämmtliche Tochtervereine die zu vertheilenden Erbauungsschriften vom Hauptvereine beziehen; oder wenn die Gelegenheit und der Vortheil der Gesellschaftscasse einen Selbstdruck wünschenswerth macht, doch die zu druckenden Schriften vorher zur Durchsicht eingesendet werden. Hierdurch wird zugleich der Zweck erreicht, alle Tochtervereine an dieser Gabe Theilnehmen zu lassen. 4) Alle Vereine werden die bey ihnen eingehenden Beyträge, in ad. 3 angegebenen Fällen ausgenommen, dem Hauptvereine einsenden, und eine, von dem Hauptvereine jährlich öffentlich abzulegende, Rechnung wird die Verwendung derselben darthun. 5) Damit nicht in einigen Gegenden die Schriften sich in dem Maaße häufen, als sie in andern fehlen, ist es nöthig, daß jeder Tochterverein eine ungefähre Anzahl der zu verbrauchenden angebe. 6) Die gewöhnliche wechselseitige Correspondenz zwischen dem Hauptvereine und dem Tochtervereine richtet sich nach den Umständen, letztere sind jedoch, der Ordnung und des schon oben erwähnten Generalberichts halber, verbunden, einen jährlichen Bericht über ihre Unternehmungen und eine Uebersicht ihres gesammten Zustandes vorzulegen, enthaltend: 1) eine Angabe der Zahl und Namen der Mitglieder des Tochtervereins selbst, mit der Bemerkung, wie viele neu zugetreten und wie viele abgegangen sind, mit namentlicher Aufführung der Mitglieder ihres Ausschusses. 2) Eine Darstellung ihrer Thätigkeit, wobei es freilich auch auf die Zahl der ver theilten Schriften, mehr aber doch auf die Ar t und Weise der Ver theilung und die Förder ung des hierbey beabsichtigten Zweckes ankommt. 3) Eine Berechnung der Einnahme und Ausgabe. 4) Eine Angabe des Vorraths der Schriften. Diese Jahresberichte müssen immer gegen Ende November bey dem Ausschusse des Hauptvereines eingehen. Es wird daraus jährlich der schon erwähnte Hauptbericht angefertigt, der sowohl Sr. Majestät und dem hohen Ministerio des Innern, als dem Publikum vorgelegt werden soll. Berlin, den 20. Oktober 1817. Der Hauptverein der christlichen Erbauungsschriften in den Preußischen Staaten. 158
Preußische Haupt-Bibelgesellschaft
Quelle: Bestimmungen über die Verhältnisse des Preußischen Hauptvereins für christliche Erbauungsschriften zu seinen unmittelbaren Tochtervereinen. In: Erster Bericht des Haupt-Vereins für christliche Erbauungsschriften in den Preußischen Staaten zu Berlin. Über den Zeitraum vom 1sten Januar 1816 bis dahin 1818. Mit neun Beylagen. Berlin, gedruckt in der Joh. Friedr. Ungerschen Buchdruckerey, 1818, S. 19–20 (GStA PK, I. HA, Rep. 76 Kultusministerium III Sekt. 1 Abt. XIV Nr. 29 Bd. 6). – Druck in: Zwischen Staat und Gesellschaft: Die „Preußische Hauptbibelgesellschaft“ und der „Hauptverein für christliche Erbauungsschriften in den preußischen Staaten“ (1814–1848). Dokumente. Ausgewählt und bearbeitet von Christina Rathgeber. In: Acta Borussica, Neue Folge, hg. von Wolfgang Neugebauer, 2. Reihe: Preußen als Kulturstaat, Bd. 3/2: Dokumente, Berlin 2012 , Nr. 27, S. 66–67.
Preußische Haupt-Bibelgesellschaft I) Grundsätze der Preußischen Haupt-Bibelgesellschaft. Berlin, 2. August 1814 Grundsätze der preußischen Bibelgesellschaft. 1) Es wird hier in Berlin eine Bibelgesellschaft gestiftet unter dem Namen: Preußische Bibelgesellschaft. 2) Der Gegenstand dieser Gesellschaft ist: Ausbreitung der heil[igen] Schrift in und außerhalb des Landes, nach der Uebersetzung, die eine jede Konfession angenommen hat, ohne Note oder Anmerkung. 3) Jeder, der einen jährlichen Beitrag subskribirt, wird ein Mitglied der Gesellschaft, und wer auch nur einmal Beiträge giebt, soll als Wohlthäter derselben anerkannt werden. 4) Es wird aus den Mitgliedern derselben ein Ausschuß gewählt, der die Angelegenheiten der Gesellschaft besorgt, und aus einem Präsidenten, drei oder mehreren Vicepräsidenten, zwölf oder mehreren Direktoren, drei Sekretären und einem Schatzmeister besteht; in Abwesenheit aber des Präsidenten oder der Vicepräsidenten, werden vier Direktoren und ein Sekretär im Stande seyn, die Geschäfte zu verrichten. 5) Der Ausschuß wird sich bemühen, richtige Nachrichten von den Bedürfnissen der heil[igen] Schrift in den verschiedenen Provinzen des preußischen Staats zu erlangen und die besten Mittel gebrauchen, denselben abzuhelfen, so daß das Wort Gottes entweder zu einem niedrigen Preis verkauft, oder denen, die es nicht bezahlen können, umsonst gereicht werde.
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6) Der Ausschuß wird sich auch bemühen, die Subskribenten und Wohlthäter der Gesellschaft zu vermehren, und mitwirkende oder Zweiggesellschaften in verschiedenen Theilen des Landes zu stiften; damit die Absicht der Gesellschaft desto eher erreicht werde. 7) Der Ausschuß wird sich ein Mal im Monat, und wenn’s nöthig ist, öfter versammeln. 8) Der Schatzmeister wird die Berechnung der Einnahme und Ausgabe der Gesellschaft besorgen, und alle Anweisungen, Gelder aus der Kasse nach dem Beschluße des Ausschusses zu zahlen, werden von dem Vorsitzer und Sekretär desselben unterschrieben. 9) Die Sekretäre werden Protokolle über die Abhandlungen und Beschlüsse des Ausschusses anfertigen, und die Korrespondenz der Gesellschaft richtig besorgen. 10) Eine Hälfte der Direktoren wird jährlich ihr Amt niederlegen; diejenigen aber, welche den Zweck der Gesellschaft besonders befördern, können wieder gewählt werden. 11) Jährlich wird eine allgemeine Versammlung der Gesellschaft gehalten, in welcher die neuen Direktoren gewählt werden, der Bericht über die Fortschritte der Gesellschaft wird vorgelesen, und die Berechnung der Einnahme und Ausgabe derselben vorgelegt. Dieser Bericht und die Berechnung der Einnahme und Ausgabe der Gesellschaft nebst den vornehmsten Briefen der Korrespondenz, so wie die Namen und Subskripzionen der Mitglieder und Wohlthäter werden gedruckt. 12) Alle Geschäfte des Ausschusses geschehen unentgeltlich und keiner, der Bezahlung für seine Dienste bekommt, kann ein Mitglied desselben sein, oder eine Stimme darin haben. Quelle: GStA PK, I. HA, Rep. 74 Staatskanzleramt L I Gen, Nr. 19, Bl. 5r–v (Druckschrift). – Dass. in: I. HA, Rep. 76 Kultusministerium III Sekt. 12 Abt. XVII Nr. 12 Bd. 1. – Druck 1 in: Gesetz-Sammlung für die Königlich-Preußischen Staaten 1822, Nachtrag, S. I–II. – Druck 2 in: Zwischen Staat und Gesellschaft: Die „Preußische Hauptbibelgesellschaft“ und der „Hauptverein für christliche Erbauungsschriften in den preußischen Staaten“ (1814–1848). Dokumente. Ausgewählt und bearbeitet von Christina Rath geber. In: Acta Borussica, Neue Folge, hg. von Wolfgang Neugebauer, 2. Reihe: Preußen als Kulturstaat, Bd. 3/2: Dokumente, Berlin 2012 , Nr. 26 a, S. 58–59.
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II) Grußadresse des Abgeordneten der britischen Bibelgesellschaft Robert Pinkerton, 2. August 1814 Stiftung der preußischen Bibelgesellschaft in Berlin. (Adresse des Abgeordneten der brittischen Bibelgesellschaft Herrn Pinkerton) Die brittische und ausländische Bibelgesellschaft ist gestiftet worden in London im Jahre 1804 aus Christen von jeder Konfession. Die Norm dieser Gesellschaft und das Band der Vereinigung aller Partheien besteht einzig darin: die Ausbreitung der heiligen Schrift in und außer dem Lande, ohne Noten und Anmerkungen, nach der Genehmigung der Konfession jeder Kirche, zu veranlassen. Die Grundsätze der Gesellschaft gehen aus folgenden Erfahrungswahrheiten hervor. Der endliche Verstand kann den Unendlichen nicht begreifen. Das göttliche Wort ist daher zunächst ein göttliches Geschenk an das menschliche Herz; es spricht wie kein Menschenwort, und schmeichelt keinesweges irgend einer Selbsterhebung, sondern schildert, den Allerheiligsten ausgenommen, der von den Sündern abgesondert war, auch die besten Menschen als Sünder. Es ist sonach ein Richter der Sinnen und Gedanken des Herzens und schon um deswillen allein ein Zeichen, dem bis an’s Ende der Tage von allen denen widersprochen werden wird, die der Wahrheit nicht gehorchen wollen. Dieser Widerspruch der Gelüste der Selbstsucht und des bloßen Sinnengenusses erzeugte unter dem blendenden Schein einer höheren Kultur alle die unglücklichen Ereignisse, die besonders seit zwanzig Jahren den namenlosesten Jammer herbei führten. Diese für die gesammte Menschheit so bitteren Ereignisse erklären das nunmehrige, fast durchgängige Einverständniß, zu der lautern Quelle des göttlichen Wortes zurückzukehren und machen die Zeiten vergessen, wo es als Weisheit angesehn wurde, gegen die heilige Schrift mit allen Waffen des Scharfsinnes und der Frivolität anzugehn, sie durch die unverantwortlichste Anmaaßung zu blos menschlichen Einfällen herabzuwürdigen und bis in die Hütte des Armen gegen ihre gewissen Trost- und Beruhigungsgründe und ihre das menschliche Herz beseligenden Belehrungen ein Mißtrauen zu erwecken. Diese einfachen Grundsätze und dieser große Gegenstand für die Wohlfahrt aller Völker sind von allen christlichen Partheien, nicht allein in Großbritannien, sondern auch in jedem Theile der Welt, wo Bibelgesellschaften gestiftet worden sind, anerkannt worden. Folgende kurze Nachrichten wegen ihres Fortganges in England, Rußland, Deutschland, Schweden, Dänemark, Holland, Asien, Afrika und Amerika werden gewiß das Herz eines jeden der Menschheit Wohlwollenden erfreuen. Der Präsident der Muttegesellschaft ist Lord Teignmouth, gewesener Generalgouverneur von Ostindien. Die Muttergesellschaft hat schon 300 mitwirkende Gesellschaften, die den Schutz des Prinzen und edler Männer in allen Ständen genießen. Seit dem Jahre 1804 hat sie schon über eine Million Bibeln und neue Testamente in verschiedenen Sprachen gedruckt und ausgetheilt, nicht zu gedenken der Unterstützung, die sie zu gleichem Zweck und in gleicher Absicht auswärtigen Bibelgesellschaften hat zukommen lassen. Ihre Einkünfte betrugen voriges Jahr über Sieben und Achtzig Tau161
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send Pfund Sterling. Unter dem Schutz und der Beförderung dieser Muttergesellschaft sind in vier Welttheilen ähnliche Bibelgesellschaften gestiftet worden. In Asien hat sie große mitwirkende Gesellschaften, zu Calkutta, zu Colombo und zu Bombay unter dem Schutze des Generalgouverneurs von Ostindien, Lord Moira, und anderer ausgezeichneter Männer von hohem Rang und Gelehrsamkeit, wodurch die heilige Schrift ganz oder zum Theil in 23 verschiedene ostindische Sprachen zum Druck befördert und ausgetheilt worden. Selbst unter der volkreichsten Nation auf der Erde, den Chinesen, ist das Neue Testament in ihre Sprache übersetzt, gedruckt und ausgetheilt worden. Auch die zahlreichen Horden der Tartaren haben schon Gottes Wort in dem Neuen Testament in ihrer eigenen Sprache empfangen und dasselbe druckt man jetzt in St. Petersburg sogar in mongolischer Sprache zum Gebrauch für die Kalmuken und andere mongolische Horden. In Afrika finden wir Bibelgesellschaften, an dem Vorgebirge der Guten Hoffnung, auf der Insel Mauritius und auf der Insel St. Helena unter dem Schutz und der Beförderung der Gouverneure dieser Colonien. In Westindien, auf der Insel Jamaika ist eine Bibelgesellschaft gestiftet für die Westindischen Inseln und in den verschiedenen Theilen von Amerika sind über dreißig blühende Bibelgesellschaften. Im Jahre 1813 ist die russische Bibelgesellschaft zu St. Petersburg zu Stande gekommen, unter dem Schutz Sr. Kaiserl. Majestät Alexander’s I, der zum Anfange 25000 Rubel und sich als Mitglied derselben mit einem jährlichen Beitrag von 10000 Rubeln unterschrieb. Diese Gesellschaft hat schon mitwirkende Gesellschaften zu Moskau, Jaroslow, Abow, Riga, Reval, Mitau und Dorpat, die sämmtlich 60000 Bibeln und Neue Testamente in sieben verschiedenen Sprachen drucken lassen. Zu Stockholm befindet sich eine Bibelgesellschaft, die schon 1808 gestiftet worden ist, und 19000 Neue Testamente und 9000 Bibeln gedruckt und ausgebreitet hat, sie hat schon mitwirkende Gesellschaften in Gothenburg, Westeras und Wisby. In Kopenhagen hat sich eine dänische Bibelgesellschaft unter dem Schutz und der Beförderung der ersten Männer des Staats und der Kirche gebildet. Das Gleiche hat Statt gefunden in Amsterdam, wo ich bei der Gründung einer Bibelgesellschaft für ganz Holland am 29sten Junius dieses Jahres gegenwärtig gewesen bin, desgleichen am 4ten vergangenen Monats zu Rotterdam, ferner am 13ten desselben Monats zu Elberfeld für das Großherzogthum Berg und am 25ten Julius zu Hannover für die gesammten Hannöverschen Lande. Die deutsche Bibelgesellschaft zu Basel bestehet schon seit mehreren Jahren und hat 26000 Bibeln und Neue Testamente gedruckt und ausgetheilt, darunter 12000 in deutscher Sprache. In Presburg ist eine Bibelgesellschaft für Ungarn und in Regensburg eine katholische Bibelgesellschaft gestiftet worden, letztere hat schon sieben Auflagen des N. T. gedruckt und ausgebreitet. In dieser Hauptstadt der Preußischen Staaten existirt eine kleine Bibelgesellschaft seit 1805, deren Stiftung und Zweck Se. Majestät der König genehmiget, beschützt und befördert haben. So klein auch diese Gesellschaft wegen der niederdrückenden Zeiten geblieben ist, hat sie doch durch die Unterstützung der brittischen und auswärtigen Bibelgesellschaft 8000 böhmische und 8000 polnische Bibeln, und 4000 polnische Neue Testamente drucken, und 1500 deutsche Bibeln, größtentheils in dieser 162
Preußische Haupt-Bibelgesellschaft
Stadt und in der umliegenden Gegend, vertheilen lassen. Nun aber Gott diesen Staat mit Ueberwindung des Feindes durch den Landes-Frieden geseegnet hat, so sind Sie, Verehrungswürdige Versammlung, eingeladen worden, eine preußische Bibelgesellschaft hier zu stiften, woran sich die vorher gewesene anschließen und sich freuen wird, das wohlthätige Werk mit größerem Nachdruck und vermehrter Stärke gebildet zu sehen. Fast alle vorher genannten Bibelgesellschaften haben ihren Ursprung und zugleich Unterstützung von der brittischen Bibelgesellschaft erhalten, deren einziger Zweck dahin gehet, Christen in jedem Volk aufzumuntern, sich zur allgemeinen Ausbreitung dieses gesegneten Buches zu vereinigen, damit der gleich Anfangs ausgesprochene Zweck zur Erreichung und Sicherung der allgemeinen und der Privatwohlfahrt so vollständig als möglich erreicht werde. Auf welche würdigere Art könnten die christlichen Nazionen ihre Dankbarkeit gegen Gott für ihre Erlösung von Kriegesnoth und wiederhergestellte Feiheit und Frieden deutlicher an den Tag legen, als durch die Stiftung von Gesellschaften, um sein eigenes Wort so rein, als er es uns gegeben hat, allgemein auszubreiten. Die Bibel in alle Sprachen zu übersetzen, ohne Noten oder Anmerkungen in die Hände aller Nazionen zu bringen und in diesem wohlthätigen Werke alle christliche Konfessionen zu vereinigen, dies sind gewiß Absichten, die den allgemeinen Schutz und die Beförderung, welche Bibelgesellschaften überall genießen, völlig verdienen, und die Nachrichten, welche ich hier die Ehre habe mitzutheilen, enthalten überzeugende Beweise, daß der Gott der Bibel über diese Anstalten wacht und die Herzen der Menschen bewegt, diese gottgefälligen und Menschenglück schaffenden Gesellschaften zu beschützen und zu befördern. Berlin, den 2ten Aug. 1814. Quelle: GStA PK, I. HA, Rep. 74 Staatskanzleramt L I Gen, Nr. 19, Bl. 4r–5r (Druckschrift). – Dass. in: I. HA, Rep. 76 Kultusministerium III Sekt. 12 Abt. XVII Nr. 12 Bd. 1.
III) Öffentliche Bekanntmachung Preußische Haupt-Bibelgesellschaft. / (gestiftet im August 1814.) Das Publikum wird hiedurch benachrichtigt, daß die Unterzeichneten mit Genehmigung Seiner Königlichen Majestät eine Bibelgesellschaft für die preußischen Staaten gestiftet haben, für welche sie eine thätige Theilnahme des Publikums zu erwecken auf das innigste wünschen. Diese Gesellschaft ist nach dem Muster jener berühmten, seit 1804 bestehenden brittischen und auswärtigen Bibelgesellschaft in London eingerichtet, und hat, wie sie, den Zweck, die Bibel unter den Christen aller Partheien soviel als möglich zu verbreiten, und sie den Armen, entweder ganz umsonst oder für einen geringen Preis, zuzuwenden. Die Bibel ist, so mancherlei wohlthätige Einrichtungen auch 163
Evangelische Vereine: Bibel- und Missionsgesellschaften
schon für diesen Zweck getroffen worden sind, auch in unserm Vaterlande noch lange nicht allgemein genug verbreitet und gelesen. Nicht nur unzählige Individuen, sondern auch ganze Familien besitzen sie nicht als ihr Eigenthum und können folglich keinen Gebrauch davon machen. Gleichwohl ist es keinem Zweifel unterworfen, daß das unbefangene, gründliche und fromme Lesen der heiligen Schrift, vorzüglich (wenn gleich nicht ausschließlich) des Neuen Testaments, als der festeste Grund und das sicherste Mittel des ächten christlichen Glaubens und der wahren christlichen Frömmigkeit und Tugend angesehen werden muß. Wenn es eine Zeit gegeben hat, wo die edelsten, die größten und frömmsten Männer darauf drangen, daß dem Volke die Bibel in die Hände gegeben werde, damit es lerne, wieviel nicht darin stehe von dem, was man ihm als Christenthum gab, so ist unter uns wohl eine Zeit eingetreten, wo man dem Volke allgemein die Bibel in die Hände geben muß, damit es lerne, wie viel in derselben steht, was man ihm nicht als Christenthum gegeben hat. Und da nun großentheils der Geist jener Zeiten verschwunden ist, der auf eine traurige und dunkle Weise in der Schrift Dinge suchte, mit denen sie den menschlichen Geist und das menschliche Herz niemals hat erfüllen wollen: so kann man von einem jetzt beförderten allgemeinen, gründlichen und frommen Lesen der heiligen Schrift nur das doppelte, erfreuliche Resultat ächter, unverkürzter Erkenntniß der seligmachenden Lehre und wahrer Erleuchtung und evangelischer Freiheit des Geistes erwarten, die so innig mit jener übereinstimmt und zusammenhängt. Das ist der große und schöne Zweck, zu welchem mitzuwirken wir alle unsere Mitbürger, die es mit dem Christenthume und dem Vaterlande wahrhaft gut meinen, dringend einladen. Die Stiftung dieser Gesellschaft ist veranlaßt durch einen Deputirten der großen brittischen Bibelgesellschaft, den edlen und thätigen engländischen Geistlichen Pinker ton. Jene merkwürdige Gesellschaft hat seit ihrer Entstehung schon 300 Tochtergesellschaften in Europa, Asien, Afrika und Amerika gestiftet. Sie hat schon über eine Million Bibeln in fast alle lebende Sprachen vertheilt. Ihre Einkünfte betrugen voriges Jahr über 87,000 Pfund Sterling. Es ist kaum zu glauben, welch ein Eifer für die Verbreitung der Bibel sich in England durch Mitwirkung, Beiträge und Verbindungen aller Art an den Tag legt. Auch in dieser Hinsicht freier Verbindungen für allgemeine christliche Zwecke kann und soll uns Deutschen dieses merkwürdige und blühende Volk und Land ein Beispiel sein. Für die allgemeinen politischen Angelegenheiten hat sich unter uns ein großer und edler Eifer entzündet. Möchten wir es lebendig fühlen, daß nichts Politisches haltbar, groß und dauernd sein kann, ohne christliche Gründe! Möchten wir der lange und sehnlich gewünschten blühenderen kirchlichen Verbindung, dem Aufleben einer evangelischen Begeisterung Bahn brechen durch Beförderung einer Anstalt, die so unmittelbar für das Christenthum wirkt! Möchten wir durch die That alle diejenigen widerlegen, die uns den rechten Eifer für das Christenthum absprechen! Wohlthätigkeit in Beiträgen von allerlei Art zu allerlei Zweck ist unter uns eine edle Sitte geworden.
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Preußische Haupt-Bibelgesellschaft
Wir forder n alle chr istliche Menschenfreunde unseres Vaterlandes auf , beizutragen auch zu diesem edlen und chr istlichen Zweck. Jeder der Unterzeichneten nimmt Beiträge an, und giebt dafür eine Quittung. Wer sich zu einem jährlichen Beitrage verbindlich macht, wird ein Mitglied der Gesellschaft. Jeder auch nur einmal Beitragende wird als ein Wohlthäter derselben anerkannt. Jährlich ist eine allgemeine Versammlung der Gesellschaft, und die Nachrichten über den Fortgang derselben werden gedruckt. In den Hauptstädten der Provinzen werden sobald als möglich Tochtergesellschaften errichtet werden. Wer von den Mitgliedern der Gesellschaft sich zum Einsammeln von Beiträgen anheischig macht, habe die Güte, es der Gesellschaft anzuzeigen und die Autorisation derselben zu erwarten. Die Urkunden und Gesetze der Gesellschaft werden gedruckt werden. Präsident. Generallieutenant von Dier icke. Letzte Straße No. 63. Vizepräsidenten. Staatsminister Freiherr von der Reck. Leipziger Platz No. 12. Staatsminister Freiherr von Schrötter. Pariser Platz No. 3. Justizminister von Kircheisen. Wilhelmstraße No. 74. Staatsminister von Schuckmann. Molkenmarkt No. 3. Direktoren. Geheimer Legationsrath von Diez. Mühlenstraße No. 59. Staatsrath Nicolovius. Ober-Wallstraße No. 3. Probst Ribbeck. An der Friedrichsgracht No. 57. Probst Hanstein. Brüderstraße No. 10 Staatsrath Schmedding. Markgrafenstraße No. 10. Staatsrath Süver n. Taubenstraße No. 12 Staatsrath Schulz. Kronenstraße No. 37. Oberkonsistorial-Rath Nolte. Leipzigerstraße No. 89. Brüderstraße No. 13. Hofrath Par thei. Charlottenstraße No. 43. Professor Dr. Marheinecke. Professor Neander. Charlottenstraße No. 53. Kandidat Sack der ältere. Neue Grünstraße No. 24. Sekretäre. Contrescarpe No. 6. Freiherr von Kottwitz. Wilhelmsstraße No. 29. Prediger Jänike. Kandidat Sack der jüngere. Neue Grünstraße No. 16. Kaufmann Elsner. Wilhelmsstraße No. 21 Schatzmeister. Hofrath Par thei. Brüderstraße No. 13. Quelle: GStA PK, I. HA, Rep. 74 Staatskanzleramt L I Gen, Nr. 19, Bl. 6r–7r (Druckschrift). – Dass. in: I. HA, Rep. 76 Kultusministerium III Sekt. 12 Abt. XVII Nr. 12 Bd. 1. 165
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IV) Verordnung der Direktion der Preußischen Haupt-Bibelgesellschaft. Berlin, 14. November 1814 Bestimmungen über die Verhältnisse der Preußischen Haupt-Bibelgesellschaft zu ihren unmittelbaren Tochtergesellschaften. 1. Die Verhältnisse der Preußischen Haupt-Bibelgesellschaft zu den von ihr unmittelbar ausgehenden Tochtergesellschaften ergeben sich aus der Natur des Vereins, welcher mehr auf den in ihm herrschenden lebendigen Sinn für den gemeinschaftlichen wohlthätigen Zweck als auf äußre Bande gegründet ist, andrerseits aber auch stete Hinrichtung aller seiner Glieder auf diesen Zweck und vestes Zusammenhalten in demselben mittelst angemessener Formen erfordert. Da das aus der ersteren Rücksicht Fließende von selbst sich darbietet, so bedarf es nur einer näheren Bestimmung dessen, was in Beziehung auf die andern nöthig ist. 2. Jede unmittelbar von der Hauptgesellschaft ausgehende Tochtergesellschaft ist verpflichtet, der erstern sowohl ihre besonderen Statuten zur Prüfung und Genehmigung vorzulegen, als auch die Mitglieder ihres Ausschusses anzuzeigen und letzteres bey jeder im Personale des Ausschusses vorgehenden Veränderung zu thun. 3. Jede Tochtergesellschaft wird zwar in ihrem Wirkungskreise die Freiheit haben, kleinere von ihr zunächst abhangende Tochtergesellschaften ohne vorherige Rückfrage bei der Hauptgesellschaft zu bilden und die Leitung derselben, so wie die Einsammlung von Beiträgen, zuverlässigen Männern anzuvertrauen, jedoch unter Beobachtung der unter 5–6 angegebenen Obliegenheiten. 4. In die aus dem Zwecke des Ganzen fließenden und mit ihm übereinstimmenden Unternehmungen der Tochtergesellschaften wird die Hauptgesellschaft sich zwar im Einzelnen nicht mischen. Doch aber muß sie sich, um die nöthige Einheit in der Wirksamkeit des Ganzen zu bewahren, vorbehalten eines Theils die Aufstellung allgemeiner Grundsätze und Verfahrungsweisen, durch deren Befolgung der Zweck am sichersten und besten zu erreichen steht, und dienliche Anweisungen so oft diese nöthig scheinen, anderen Theils eine negative Einwirkung, oder das Recht, von dem Zwecke der Gesellschaft abweichende, oder gar ihm entgegenlaufende Unternehmungen zu hemmen.
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Preußische Haupt-Bibelgesellschaft
5. Jede Tochtergesellschaft hat zwar ihr aus den Beiträgen und Geschenken entspringendes Vermögen und dessen Verwaltung für sich. Da es aber hier nicht auf Sammlung von Kapitalien ankommt, auch der Fall eintreten kann, daß, während in dem Wirkungskreise einer Tochtergesellschaft die Bedürfnisse ganz oder größtentheils befriedigt und noch Mittel übrig sind, eine andere hingegen dieselben in ihrem Wirkungskreise noch dringend fühlt, ohne die Mittel zu ihrer Abhelfung zu besitzen: so wird es zuweilen nöthig seyn, den Mangel bei der einen durch den Ueberfluß der andern an Geld oder Büchern abzustellen. Die Muttergesellschaft wird auch hierin Vermittlerin des Ganzen seyn, und selbst immer gern aus ihren Mitteln nach Möglichkeit dem Bedürfniß zu Hilfe kommen, dagegen aber auch die Hilfe der Tochtergesellschaften, welche dazu vermögend sind, in Anspruch nehmen, indem sie ihnen theils Anleitung giebt, andere bedürftige Gegenden mit ihrem Ueberfluß unmittelbar zu unterstützen, theils diesen sich zusenden läßt, und seine Anwendung da, wo sie dringender nöthig ist, besorgt. Eine jährlich öffentlich von der Hauptgesellschaft abzulegende Rechnung, soll das Vertrauen welches die Tochtergesellschaften in dieser Hinsicht ihr beweisen, rechtfertigen. 6. Die gewöhnliche wechselseitige Correspondenz zwischen der Hauptgesellschaft und den Tochtergesellschaften ist unbestimmt und richtet sich nach den Umständen. Letztere sind aber verpflichtet, ersterer jährlich einen Bericht über ihre Unternehmungen und eine Uebersicht ihres gesammten Zustandes vorzulegen, enthaltend: 1) eine Angabe der Zahl der Mitglieder der Tochtergesellschaften selbst, mit der Bemerkung, wie viele neu zugetreten, und wie viele abgegangen sind, mit namentlicher Aufführung der Mitglieder ihres Ausschusses; 2) eine Angabe aller von ihr abhangenden kleinern Gesellschaften nach den Orten, wo sie ihren Sitz haben, der Zahl ihrer Mitglieder und ihren namentlich zu erwähnenden Vorstehern; 3) eine Darstellung ihrer Thätigkeit in ihrem ganzen Bezirke, wobei es freilich auch auf die Zahl der vertheilten Bibeln und neuen Testamente, mehr aber doch auf die Art und Weise der Vertheilung und die Förderung des hiebei beabsichtigten Zweckes, ankommt; 4) eine Berechnung der Einnahme und Ausgabe in ihrem ganzen Bezirke, specificirt nur nach den kleinen Gesellschaften ohne namentliche Aufführung der Beitragenden, mit einer Nachweisung des gegenwärtigen Cassen-Zustandes; 5) eine Angabe des Vorrathes an Bibeln und neuen Testamenten, welcher noch bei ihr selbst und den vor ihr abhangenden kleinen Gesellschaften zur Vertheilung vorhanden ist. Diese Jahres-Berichte müssen immer gegen Ende des December beim Ausschusse der Hauptgesellschaft in Berlin eingehen.
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Evangelische Vereine: Bibel- und Missionsgesellschaften
Es soll daraus jährlich ein General-Bericht angefertigt, und sowohl Sr. Majestät dem Beschützer der Preußischen Bibelgesellschaft, als auch dieser selbst und dem Publikum vorgelegt werden. Berlin, den 14ten November 1814. Der Ausschuß der Preußischen Haupt-Bibel-Gesellschaft. v. Diericke. v. d. Reck. v. Schrötter. v. Kircheisen. v. Schuckmann. v. Diez. Nicolovius. Ribbeck. Nolte. Schulz. Süvern. Hanstein. Parthey. Dr. Marheinecke Neander. Fr[iedrich] Sack. Quelle: GStA PK, I. HA, Rep. 76 Kultusministerium III Sekt. 12 Abt. XVII Nr. 12 Bd. 1 (mehrere Exemplare der Druckschriften). – Druck in: Zwischen Staat und Gesellschaft: Die „Preußische Hauptbibelgesellschaft“ und der „Hauptverein für christliche Erbauungsschriften in den preußischen Staaten“ (1814– 1848). Dokumente. Ausgewählt und bearbeitet von Christina Rathgeber. In: Acta Borussica, Neue Folge, hg. von Wolfgang Neugebauer, 2. Reihe: Preußen als Kulturstaat, Bd. 3/2: Dokumente, Berlin 2012 , Nr. 26 b, S. 59–61.
Gesellschaft zur Beförderung des Christenthums unter den Juden Grundverfassung, 1823 Gesellschaft zur Beförder ung des Chr istenthums unter den Juden zu Berlin Unter diesem Namen hat sich auch hier aus freiem Antriebe ein Verein gebildet, der mit den in London und Frankfurt am Main bereits bestehenden Gesellschaften dieser Art die Verbreitung christlicher Erkenntniß unter den Juden beabsichtigt. Ueber die Stiftung dieses Vereins und die Grundsätze, nach welchen derselbe seinen heiligen Zweck zu verfolgen gedenkt, sprechen nachstehende Aktenstücke: 1. Vorwort. Die Gesellschaft, welche sich in Berlin zur Beförderung des Christenthums unter den Juden gebildet hat, vereinigt sich zu einem Zwecke, der mit den Vorschriften des Evangeliums zu vollständig übereinstimmt, als daß sie eine Rechtfertigung ihrer Beweggründe für nöthig halten dürfte. Jesus Christus, der Erlöser, befahl seinen Jüngern in der letzten Unterredung von seiner Himmelfahrt: das Evangelium zu predigen allen Völkern, aber – „anzuheben zu Jerusalem.“ Diese Gesellschaft tritt zwar in die Fußtapfen der Bibelgesellschaft, und will den Wirkungskreis jener schönen Stiftung auf gewisse Weise noch erweitern, ist aber nichts destoweniger eine besondere für sich bestehende Vereinigung, deren Bemühungen zunächst 168
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darauf gerichtet sein müssen, diejenigen Vorurtheile und Verblendungen zu zerstören und solche falsche Auslegungen des Alten Testaments zu berichtigen, welche bisher die Masse des jüdischen Volkes verhindert haben, in Jesu Christo ihren Messias, den Sohn Gottes und den Gründer ihrer künftigen Herrlichkeit und ihres Heiles zu erkennen. Wir widmen uns diesem Vorhaben mit desto größerem Eifer, da mit seinem Gelingen auch jene Scheidewand fallen wird, welche anjetzt noch die Interessen, Neigungen und Gesinnungen unserer Israelitischen Mitbürger von den unsrigen trennt. Eine große Anzahl frommer Personen und – was zu seiner großen Ehre gereicht – besonders des geistlichen Standes, hat sich bereits mit entschiedenem Eifer dem Werke der Bekehrung der Juden gewidmet. Diese mögen hier zuerst die Versicherung unserer Achtung und unsers Dankes lesen. Weit entfernt, ihnen hinderlich sein zu wollen, wünschen wir vielmehr ihrem Beispiele zu folgen, und erbitten uns ihren Beistand, ihren Rath und die Erlaubniß, uns ihrem schönen Werke anschließen zu dürfen. Wir haben eingesehen, daß eine Vereinigung Vortheile gewährt, welche von den Bemühungen Einzelner nicht erwartet werden können; immer aber werden wir uns glücklich schätzen, wenn es uns nur gelingt, das Gebäude zu erweitern und zu vervollkommnen, zu welchem sie den Grund gelegt haben. Wir behaupten weder neue Wahrheiten noch neue Pflichten entdeckt zu haben. Die wahre christliche Religion ist immer dieselbe gewesen und bleibt immer dieselbe; allein wir halten den gegenwärtigen Augenblick für besonders geeignet zu einer allgemeinen Verkündigung ihrer ewigen Wahrheiten an die Nachkommen Abrahams, die noch immer irregehen in der Wüste und durch Blendwerk getäuscht, mit geschlossenen Augen wandeln mitten im Lichte. Unsere Unduldsamkeit und unser Verfolgungsgeist hat die Brüder Jesu Christi nach dem Fleische und seiner Apostel, jenes auserwählte Volk Gottes, dem das Gesetz und die Propheten gehören, dem die Verheißungen gegeben sind und welches der Wächter war der alten Offenbarungen, seit Jahrhunderten vom Wege des Heils zurückgestoßen. Wie konnten wir hoffen, daß die Juden, so lange ein solcher Geist alle christliche Liebe gegen sie erstickte, wirklich in uns die Besitzer des einigen wahren Glaubens erblicken würden, daß sie glauben könnten, der Sohn Gottes habe wirklich uns jene allgemeine und rücksichtslose Liebe gepredigt, an deren Stelle sie nur Haß und Verfolgung gewahr wurden? Durch Gottes Gnade hat dieser Geist anjetzt Gesinnungen Platz gemacht, die auf alle Weise ein Werk begünstigen, das unsere Väter mit keiner Wahrscheinlichkeit des Erfolgs hätten unternehmen können. Wir aber dürfen hoffen, daß die Zeit gekommen sei, wo wir den Israeliten unsere alte Schuld der Dankbarkeit entrichten können. Strecken wir ihnen denn unsere Arme entgegen, und indem wir zuerst sie um Vergebung bitten wegen der grausamen Unduldsamkeit, die wir gegen sie geübt, werden wir sie auch bewegen, auf ihren Knieen und in reuigem Schmerze denjenigen um Vergebung zu bitten, welchen der heidnische Krieger für den Sohn Gottes erklärte, während ihre Väter ihn an das Kreuz der Schmack und des Todes hefteten. 169
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Die Stimme Gottes sagt uns, daß die ganze Erde einst die Herrschaft Jesu Christi anerkennen soll, daß vor allen die Kinder Israels ihn suchen werden in aufrichtiger und bitterer Reue; daß nur nach ihrer Bekehrung die aller übrigen Völker werde vollendet werden; ja daß vornehmlich die Israelitischen Christen jener allgemeinen Bekehrung als Muster und Werkzeug dienen sollen. Welche dringendere und heiligere Pflicht haben wir also zu erfüllen, als die: das Evangelium in ihre Hände zu geben? denn aus unsern Händen, von den Nachkommen bekehrter Heiden, sollen sie es erhalten (Jes. 61, 5. Röm. 11, 30. 31). Wie dürfen wir einer Pflicht uns entziehen wollen, die so deutlich ausgesprochen, so wichtig, so heilig ist; ja auf deren Erfüllung Gott einen besondern Segen hat legen wollen? Er verkündigt die schrecklichste Rache denen, die jemals als Feinde Israels sich beweisen werden, selbst in solchen Zeiten, wo seine Rache auf Jakobs Nachkommen lastet. Er erklärt, da er redet von seinem alten Volke: „Er wolle fluchen dem, der ihm fluche“; aber er erklärt auch: „Er werde segnen den, der es segne.“ Haben aber wir Christen uns den Juden genähert, so sind auch sie wiederum uns näher gekommen. Jener Geist der Forschung und jener Zustand von Bildung, der einen großen Theil der Israeliten in Deutschland auszeichnet, macht sie empfänglicher, als sie ehemals waren, für die Sprache der Wahrheit, und geneigter, sie aus unserm Munde zu vernehmen. Fromme Christen in Deutschland haben sich bis jetzt zu ihrer Betrübniß fast ausgeschlossen gesehen von jenem Felde der Heiden-Bekehrung, wozu nur Seefahrende Nationen unmittelbaren Zugang haben. Mögen sie sich trösten, indem sie ihre Blicke auf jene Millionen des alten Volkes Gottes richten, die unter ihnen oder in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft wohnen. Und keiner andern Nation stehen so wirksame Hülfsmittel zu Gebote, um anjetzt das Werk der Bekehrung zu beginnen, als dem evangelischen Deutschlande. Ihm scheint die herrlichste und heiligste Ernte aufbewahrt zu sein, die je gottseliger Betriebsamkeit sich dargeboten hat. So wollen wir uns denn reinigen von dem Vorwurfe, je von dem Verbrechen, daß diese Millionen unter uns oder an unsern Thoren wohnen, ohne daß je ein überlegter Versuch gemacht worden ist, sie dem Kreuze zuzuführen, an welchem ihre Väter den Messias opferten. Dieses Feld ist uns eigen, und es verlangt nur Arbeiter. Nach der bestimmten Kenntniß, die wir von dieser Angelegenheit haben, können wir nicht zweifeln, daß der Boden die Saat des göttlichen Wortes mit Begierde aufnehmen werde. Die Nachrichten aus dem alten Polen sind entscheidend in dieser Hinsicht. Die Juden scheinen überzeugt, daß eine wichtige Veränderung in ihrem Dasein sich vorbereite, und geneigt, dazu die Hände zu bieten. Außer dem frühern Callenbergischen Institut in Halle, giebt eine Gesellschaft, die seit einigen Jahren in London für diesen Zweck sich gebildet hat, uns ein Beispiel der Nachahmung. Achtungswerth durch Zahl und Eigenschaften ihrer Mitglieder und von ansehnlichen Geldbeiträgen unterstützt, ermuntert sie uns zu brüderlicher und christlicher Nacheiferung. Nach ihrem Vorbilde haben zahlreiche Gesellschaften durch ganz Großbrittannien sich gebildet, und in den vereinigten Staaten von Nordamerika, im Königreiche der Niederlande, selbst in Calcutta ist man dem Beispiele gefolgt. Ja, mit Freude haben wir erfahren, daß schon in Frankfurth a. M. eine ähnliche Vereinigung sich ge170
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bildet hat. Möge denn diese Freude nicht unfruchtbar sein für uns und für die Ehre unsers Herrn. Die Stimme der Menschen ruft uns zu dieser Arbeit und sie ist mächtig in ihrem Rufe; denn diesmal ist sie der Wiederhall der Stimme Gottes. Die Blindheit, womit Israel geschlagen ist, dauert freilich noch fort, damit Gottes Weissagung erfüllet werde; allkein durch seine unendliche Barmherzigkeit können wir zum Theil die Werkzeuge werden zu ihrer Befreiung aus diesem jammervollen und mitleidswürdigen Zustande, damit sie versöhnet werden mit ihrem Schöpfer und theilhaftig der Erlösung durch das Blut Jesu Christi. So wollen wir denn eilen, statt einer Religion, die, wie sie jetzt gelehrt wird, weder zur wahren Liebe Gottes noch zur wahren Tugend führt, ihnen diejenige zu verkündigen, die allein dem gefallenen, zur Wiedererlangung des Heiles aus eigener Kraft unfähigen Menschen die Pforte des Himmelreichs öffnet, die mit dem tiefen Verderben unserer Natur uns zugleich die Nothwendigkeit der Erlösung fühlen und begreifen läßt; die uns leitet im Glück, stützt und tröstet im Unglück, die uns den Schöpfer und die Menschen lieben lehrt und welche endlich dem demüthigen Christen die Gewißheit einer himmlischen und ewigen Glückseligkeit ertheilt, weil durch Jesu Christi Sieg dem Tode die Macht genommen und das Leben und unvergängliches Wesen an das Licht gebracht worden ist. Unsre bestimmte und unerschütterliche Absicht bei diesem Unternehmen ist übrigens: nie und in keinem Falle andere als geistliche Mittel zur Beförderung der Sache, welcher wir dienen, anzuwenden. Wir werden zwar der besondern Wohlthätigkeit Einzelner niemals Hindernisse in den Weg zu legen suchen, aber wir sind fest überzeugt, daß eine Gesellschaft wie die unsrige sich nicht auf Bewilligung einzelner Geldunterstützungen einlassen darf, ohne dem Zwecke ihrer Stiftung wesentlich entgegen zu handeln. Wir schließen diese Darstellung unsrer Ansichten und Gesinnungen mit dem demüthigen Gebete zu Gott, daß er die bisherige Versäumniß seines Werkes gnädig uns verzeihen und demselben jetzt in unseren schwachen Händen sein Gedeihen schenken wolle, zur Verherrlichung seines eingebornen Sohnes, Jesu Christi. Berlin, den 1sten Febr. 1822. 2. Grundverfassung der Gesellschaft zur Beförderung des Christenthums unter den Juden, zu Berlin. 1. Unter dem Namen: Gesellschaft zur Beförderung des Christenthums unter den Juden, ist in Berlin ein Verein geschlossen für den Zweck, welchen dieser Name selbst anzeigt. 2. So wie diese Gesellschaft einen rein christlichen Zweck hat, ohne alle irdischen Nebenabsichten, so wird sie auch nur solche Mittel wählen, die dieses Zweckes, und der Wahrheit, die verbreitet werden soll, allein würdig sind. Nie wird die Gesellschaft durch irdische Vortheile, welche sie Juden vom Uebertritt zum Christenthum hoffen ließe, Pro171
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selyten anlocken; sondern wie der Herr und seine Apostel, durch Bekehrung sie der Wahrheit zu gewinnen suchen. 3. Sie wird dazu alle Mittel anwenden, welche Erfahrung schon bewährt hat, oder in der Folge sie lehren wird; sie wird vor allem sich angelegen sein lassen, die heilige Schrift, sonderlich das neue Testament zu verbreiten, welche geeignet sind, dieselben zu der Ueberzeugung zu bringen, daß Jesus der Messias ist, auf den die Verheißungen und Weissagungen des alten Testaments hindeuten, und in welchem sie erfüllt worden sind; auch überall und wenn es nothwendig und zweckmäßig erfunden werden sollte, durch Missionare und Agenten dahin wirken, daß diese Ueberzeugung bei den erweckten Juden schriftgemäß begründet und ausgebildet und dieselben zum wahren Glauben an Christum, als den eingebornen Sohn Gottes gebracht werden, so wie dieser Glaube in dem apostolischen Glaubensbekenntniß ausgesprochen und von der evangelisch christlichen Kirche gelehrt wird, und zu allen Zeiten in der wahren christlichen Kirche gelehrt wurde. 4. Mitglieder der Gesellschaft sind alle die, welche sie mit einem übernommenen Geldbeitrage von jährlich einen Thaler zum mindesten unterstützen. Wer weniger zu geben übernimmt, oder ohne bestimmte Uebernahme einzelne Beiträge ihr giebt, wird von ihr als Wohlthäter dankbar anerkannt und genannt werden. 5. Die Gesellschaft läßt ihre Angelegenheiten durch ein Committee verwalten, welches für jetzt die zuerst vereinigten und als solche hier unterzeichneten Mitglieder sind. 6. Es wird dies Committee einen Präsidenten, einen oder mehrere Vice-Präsidenten, dann eine Anzahl Direktoren, wie das Bedürfniß diese bestimmen wird, einen Schatzmeister und Vice-Schatzmeister, drei oder auch mehrere Sekretäre haben, und aus diesen Beamten bestehen. 7. Das Committee behält sich vor: Ehren-Mitglieder zu erwählen und aufzunehmen, welche den Berathungen des Committee beiwohnen können, und gleich den Direktoren Stimme haben. 8. Die Gesellschaft wird suchen, außerhalb Berlin Zweig-Gesellschaften zu stiften, und mit ähnlichen Gesellschaften, die für ihren Zweck schon bestehen oder gestiftet werden können, in Verbindung zu treten. 172
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9. Das Committee wird in der Regel monatlich Einmal von dem Präsidenten, oder in dessen Abwesenheit von dem ältesten anwesenden Vice-Präsidenten versammelt werden. So wie aber der Präsidirende die Versammlung auch aussetzen mag, so wird er hingegen das Committee außerordentolich versammeln, wenn die Geschäfte es nöthig machen, oder wenn ein Direktor einen Antrag zu machen hat, der keinen Aufschub leidet. 10. Der Schatzmeister besorgt die Einnahme und Ausgabe, und wenn solche etatmäßig gemacht ist, nach dem Beschlusse des Committee auf Anweisung des Präsidenten von einem Sekretair mit unterzeichnet. 11. Die Sekretäre haben Protokolle über die Verhandlungen jeder ordentlichen oder außerordentlichen Sitzung des Committee oder der ganzen Gesellschaft zu führen. 12. Wenn eine Stelle im Committee erledigt wird, wählt das Committee einen Nachfolger, und zwar der Direktoren, Schatzmeister und Sekretäre aus den Mitgliedern der Gesellschaft; des Präsidenten aber und der Vice-Präsidenten aus den Mitgliedern des Committee, durch Mehrheit der Stimmen, bei deren Gleichheit der Präsident entscheidet. 13. Es versteht sich, daß alle Mitglieder des Committee ihre Geschäfte unentgeldlich verrichten, und so wie das Committee mit billiger Rücksicht auf ihre Verhältnisse solche vertheilt. 14. Alle Jahre wird in der Regel eine allgemeine Versammlung der Gesellschaft statt haben, in welcher Bericht über die Wirksamkeit und Fortschritte ertheilt wird; welcher Bericht nachher, nebst der dargelegten Rechnung der Einnahme und Ausgabe gedruckt und den Mitgliedern und Wohlthätern zugeschickt wird. 15. Jedes Mitglied hat das Recht, dem Committee Vorschläge und Anträge zu machen, welche es berathen und den Beschluß dem Vorschlagenden mittheilen wird. Berlin den 1. Februar 1822. v. Witzleben, Theremin, Nicolovius, Rose, v. Meyern, Anton Gr. Stollberg Wernigerode, Ancillon, Beckendorf, Bormann, Brunnemann, Couard, Marheinicke, Nicolai, Ritschl, Rosenstiel, Schmalz, Schulze, Ziehe, Dietrich, Focke, Tholuck, Haack, Brose, Elsner. 173
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3. Königliche Bestätigung. Die mit der Anzeige vom 1. d. M. eingereichte Grundverfassung der Gesellschaft zur Beförderung des Christenthums unter den Juden, enthält nur solche Bestimmungen, die dem löblichen Endzwecke entsprechen; Ich billige sie daher und mit ihnen diesen Verein vollkommen und ertheile demselben hierdurch Meine landesherrliche Bestätigung. Berlin, den 9. Februar 1822. Friedrich Wilhelm. _________________________________ Committee der Gesellschaft zur Beförderung des Christenthums unter den Juden. Präsident. Herr von Witzleben, General-Major und General-Adjudant, Direktor des 3. Departements im Kriegs-Ministerio, hinterm Gießhause Nr. 2. Vice-Präsidenten. Herr Nicolovius, wirkl. Geheimer Ober-Regierungsrath, Leipziger-Straße Nr. 61. Herr Theremin, Hofprediger, Behren-Straße Nr. 69. Anwesende Ehrenmitglieder. Herr von Meyern, Großh. Badenscher Charge d’affaire. Sir George Rose, Großbrittanischer Gesandte. Herr Graf Anton Stollberg Wernigerode. Direktoren. Herr Ancillon, wirklicher Geheimer Legationsrath, Werdersche-Markt Nr. 4. Herr Beckendorf, Geheimer Ober-Regierungsrath, Behren-Straße Nr. 69. Herr Bormann, Lieutenant, Alexander-Straße Nr. 61. Herr Brunnemann, Prediger, Heilige Geist Kirchhof Nr. 5. Herr Couard, Prediger, Landsberger-Straße Nr. 40. Herr Marheinicke, Dr. und Professor, Tauben-Straße Nr. 3. Herr Nicolai, Consistorialrath, Klosterstraße Nr. 64. Herr Ritschl, Consistorialrath, Bischof-Straße Nr. 5. Herr Rosenstiel, Geh. Ober Finanzrath, Leipziger-Straße Nr. 4. Herr Schmalz, Geheimer Justizrath, Georgen-Straße Nr. 17. Herr Schulz, Prediger, Neue Schönhauser-Straße Nr. 29. Herr Ziehe, Garnisonprediger, Kommandanten-Straße Nr. 3. Sekretaire. Herr Dietrich, Stadtrat, Schleuse Nr. 6. Herr Focke, Justizrath, Jerusalemer-Straße Nr. 1. 174
Berlinische Missionsgesellschaft
Herr Tholuck, Professor, Letzte-Straße Nr. 56. Bibliothekar. Herr Haack, Kaufmann, Spandauer-Straße Nr. 11. Schatzmeister. Herr Brose, Banquier, Kloster-Straße Nr. 87. Vice-Schatzmeister. Herr Elsner, Kaufmann, Spandauer-Straße Nr. 40. Quelle: Neueste Nachrichten aus dem Reiche Gottes, 6. Jg., Berlin 1822, S. 65–74.
Berlinische Missionsgesellschaft I) Grundverfassung, Februar 1824 Grundverfassung der Berlinischen Missions-Gesellschaft, / bestätigt von Seiner Majestät dem König. § 1. Die Missions-Gesellschaft, welche der Prediger etc. Jänicke in Berlin gestiftet hat, dauert fort. § 2. Der einzige Zweck derselben ist: die Erkenntniß Christi unter heidnischen und andern unerleuchteten Völkern zu verbreiten. § 3. Zu dem Ende bildet sie hiezu geeignete Boten in ihrem Seminar. § 4. Der dazu erforderliche Fond entsteht aus Geschenken, Vermächtnissen, Subscriptionen, Collekten und dem Ertrag der Zeitschrift – genannt Hirtenstimme. § 5. Dieser Fond wird von einer Committée verwaltet, welche aus dem Vorsteher des Seminars, mehreren Directoren und einem Sekretair besteht. 175
Evangelische Vereine: Bibel- und Missionsgesellschaften
§ 6. Die Berlinische Missions-Gesellschaft bildet Zweig-Vereine, und steht mit den schon vorhandenen in Verbindung. § 7. Um den Erfolg der Bemühungen mitzutheilen, hält sie eine öffentliche Sitzung am ersten Montage jedes Monats, und eine jährliche Feierlichkeit, wobei eine oder mehrere Predigten gehalten und solche wie gewöhnlich bekannt gemacht werden. Committée der Berlinischen Missions-Gesellschaft. der Prediger M. J. W. Rückert. Quelle: GStA PK, I. HA, Rep. 76 Kultusministerium III Sekt. 12 Abt. XVII Nr. 7 Bd. 1, Bl. 83r [Druck].
II) Öffentliche Bekanntmachung 1. Die vieljährigen Wohltäter des Missionsseminars vereinigen sich zu einer Gesellschaft, und diese ist als Berlinische Missionsgesellschaft anerkannt. 2. Der einzige Zweck derselben ist, die Erkenntnis Christi unter heidnischen und anderen unerleuchteten Völkern zu verbreiten. 3. Sie bildet die hierzu geeigneten Boten in ihrem Seminar aus. Der dazu erforderliche Fonds besteht aus Geschenken, Vermächtnissen, Supskriptionen und dem Ertrag der Zeitschrift „Die Hirtenstimme“. 5. Dieser Fonds wird von einem Komitee, welches aus dem Vorsteher des Seminars, einer unbestimmten Anzahl von Direktoren und einem Sekretär besteht, verwaltet. 6. Die Berlinische Missionsgesellschaft bildet Zweigvereine und steht mit den schon vorhandenen in Verbindung. 7. Um den Erfolg der Bemühungen zur öffentlichen Kenntnis zu bringen, hält sie eine öffentliche Sitzung am ersten Montage jedes Monats und eine jährliche Feierlichkeit ab, wobei eine oder mehrere Predigten gehalten und solche wie gewöhnlich bekannt gemacht werden. Quelle: Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen (Haude- und Spenersche Zeitung), Donnerstag, 8. April 1823.
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Gesellschaft zur Beförderung der Evangelischen Missionen unter den Heiden
Gesellschaft zur Beförderung der Evangelischen Missionen unter den Heiden I) Statuten, 1824 Statuten / der Gesellschaft zur Beförderung evangelischer Missionen / unter den Heiden. 1. Gr undsätze der Gesellschaft. Die Gesellschaft zur Beförderung der evangelischen Missionen unter den Heiden ist zusammengeführt durch den gemeinschaftlichen lebendigen Wunsch sich an das Missionswerk anzuschließen, wofür in der ganzen evangelischen Kirche ein so reger, schon mit vielem Segen gekrönter Eifer erwacht ist. – Durchdrungen von Mitleiden mit dem jammervollen geistlichen Zustande und der daraus folgenden äußerlichen Entartung und Verwilderung der Millionen Heiden, welche mit uns auf der Erde leben und mit denen wir uns, trotz jener Entstellung des göttlichen Ebenbildes, stammesverwandt fühlen; gegründet auf der Ueberzeugung; daß das Evangelium eine Kraft Gottes ist, selig zu machen alle die daran glauben, und daß von demselben aus überreichliche Segnungen im Geistlichen, wie im Leiblichen, auf uns herabgeflossen sind, findet sich die Gesellschaft angeregt, unsern entarteten Brüdern dieses höchste Gut mitzutheilen und dadurch den Willen des Herrn zu erfüllen, der noch Heute durch sein Wort zu den Seinigen spricht: gehet hin und lehret alle Völker und taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehret sie halten alles was Ich euch befohlen habe. Lehre und Predigt des Wortes Gottes sind hiernach die // Mittel, wodurch nach des Heilandes Willen Sein Reich ausgebreitet werden soll. Durch Lehre und Predigt gelangte das Evangelium zu unsern heidnischen Vorfahren, Alles von innen heraus umwandelnd und erleuchtend; so bahnt es sich noch Heute den Weg zu den versunkensten Nationen, und wir können uns auf reiche Erfahrungen darüber berufen, daß das brüderliche Zusammenwirken evangelischer Christen aller Confessionen, welche das Wort der Wahrheit schriftmäßig, ohne menschlichen Beisatz und ohne Zwist über unwesentliche Meinungsverschiedenheiten verkündigt haben, dem Christenthume vielen fruchtbaren Boden unter den heidnischen Völkern abgewonnen hat. Wenn nun auch nicht jeder zum Predigtamte berufen ist, so ist doch die thätige Mitwirkung für die Ausbreitung des Reiches Gottes eine Christenpflicht, und besonders verdienen diejenigen, welche als Missionarien vieler Arbeit, Entbehrungen und Gefahren unter den Heiden entgegen gehn, liebevolle Theilnahme und wirksame Unterstützung. Zu diesem Ende sind schon an vielen Orten, auch in unserm Vaterlande, MissionsSchulen zur Ausbildung der Missionarien angelegt, MissionsGesellschaften haben sich gebildet um durch ihre Beiträge die MissionsSchulen zu unterstützen, für die Bedürfnisse der Zöglinge zu sorgen, die Mittel für die Reise und den Unterhalt der ausgesandten Mis177
Evangelische Vereine: Bibel- und Missionsgesellschaften
sionarien zu sichern, kurz um alles zu thun was mittelbar oder unmittelbar die Predigt des Evangeliums unter den Heiden befördern kann. 2. Zweck der Gesellschaft. Auf die eben beschriebene Weise wirksam zu sein, ist der Zweck auch dieser Gesellschaft. Sie wird Beiträge aufbringen und dieselben nach reiflicher Ueberlegung, dem jedesmaligen Bedürfniß gemäß, gewissenhaft zur Beförderung der MissionsSache verwenden. Die Tendenz der Gesellschaft ergiebt schon, daß sie sich den Bestrebungen der Bibelgesellschaft und der Gesellschaft zur Verbreitung des Christenthums // unter den Juden anschließt. 3. Mitglieder. Mitglied der Gesellschaft ist jeder, der jährlich wenigstens einen Thaler als regelmäßigen Beitrag zu zahlen sich anheischig macht. Jeder andere auch noch so geringe, außerordentliche Beitrag wird dankbar als eine Wohlthat angenommen werden. 4. Comité. Alle Geschäfte der Gesellschaft, ohne Ausnahme, verwaltet das dirigirende Comité, welches aus einem Präsidenten, einer dem Bedürfniß angemessenen Zahl von Mitgliedern, Sekretairen und einem Schatzmeister besteht, und über die vorkommenden Angelegenheiten nach Mehrheit der Stimmen, entscheidet, bei deren Gleichheit die Stimme des Präsidenten den Ausschlag giebt. 5. Ver sammlung. Das Comité versammlet sich so oft als dem Präsidenten Bedürfniß scheint. 6. Rechnungslegung. Alljährlich wird ein Verzeichniß der eingegangenen Gaben mit den Namen der Geber (oder, wenn es gewünscht wird, mit Verschweigung der Namen) gedruckt, auch von der Verwendung der Beiträge und der Wirksamkeit des Comité der Gesellschaft Rechenschaft gegeben und damit eine Uebersicht des Wichtigsten aus den neuesten MissionsNachrichten verbunden. 7. Rechte der Mitglieder. Jedem Mitgliede steht frei dem Comité schriftliche Vorschläge zu machen, über welche berathen und dem Einsender der Beschluß mitgetheilt werden soll. 8. Wahlen. Die Wahl des Präsidenten oder dessen Substituten und neuer Mitglieder des Comité, geschieht durch das Letztere nach Stimmenmehrheit aus der Zahl der Mitglieder der Gesellschaft. 178
Gesellschaft zur Beförderung der Evangelischen Missionen unter den Heiden
9. Unentgeldlichkeit der Aemter. Es versteht sich daß die in § 4. bezeichneten Aemter ohne Remuneration verwaltet werden. Berlin d. 29. Februar 1824 Quelle: GStA PK, I. HA, Rep. 76 Kultusministerium III Sekt. 12 Abt. XVII Nr. 7 Bd. 1, Bl. 94r–95r. – Transkription Uta Motschmann. – Dass. in: Nachricht von der Bildung der Gesellschaft zur Beförderung der evangelischen Missionen unter den Heiden. Mit Beziehung auf den Aufruf zu milden Beisteuern für die evangelischen Missionen unter den Heiden von Dr. Neander. Berlin 1824. In Commission in der Fr. Nicolaischen Buchhandlung und bei Ferdinand Dümmler, Beilage B, S. 14–16.
II) Entwurf zu Statuten eines Hilfsvereins, 1833 Entwurf zu Statuten eines Hülfsvereins der Gesellschaft zur Beförderung der Evangelischen Missionen unter den Heiden. 1. Der Zweck eines Hülfsvereins der Gesellschaft zur Beförderung der Evangelischen Missionen unter den Heiden ist: Verbreitung der Kenntniß des Missionswesens und Sammlung von Beiträgen für die Muttergesellschaft. 2. Das Committee (oder der Hülfsverein im engeren Sinn) besteht aus wenigstens drei Personen, dem Vorsteher, Secretär und Kassirer. Dasselbe verwaltet alle Geschäfte ohne Ausnahme, entscheidet nach Stimmenmehrheit und ergänzt sich selbst aus den beitragenden Mitgliedern. 3. Mitglied ist ein Jeder, welcher einen regelmäßigen Beitrag zur Kasse des Vereins zahlt; unbestimmte Gaben von Wohlthätern werden dankbar angenommen. 4. Der Vorsteher des Committee bestimmt, wie oft dasselbe sich versammeln soll, führt in der Versammlung den Vorsitz, und seine Meinung entscheidet bei vorhandener Stimmengleichheit. Der Secretär besorgt die Correspondenz, führt das Siegel (mit den Emblemen der Muttergesellschaft, und der Umschrift des Vereins). Der Schatzmeister besorgt die Kassenverwaltung, und sendet den Betrag der Sammlung, alljährlich wenigstens einmal, an die Muttergesellschaft. 5. Jährlich wird die Rechnung über Einnahme und Ausgabe, mit dem Verzeichniß der Beitragenden, entweder vom Hülfsverein selbst gedruckt und an seine Mitglieder ver theilt, oder an die Muttergesellschaft zur Aufnahme in den Jahresbericht eingesandt. 6. Der Hülfsverein sucht die Verbindung mit der Hauptgesellschaft möglichst rege zu erhalten, und giebt derselben von wichtigeren Vorfällen, insbesondere von Veränderungen im Personal des Committee, und vom Fortschreiten seiner Wirksamkeit Nachricht. Quelle: Missions-Berichte der Gesellschaft zur Beförderung der Evangelischen Missionen unter den Heiden zu Berlin für das Jahr 1833. Berlin 1833, S. XIII. 179
FREIMAURERLOGEN
Gesetze und Statuten des Freimaurerordens a) Gesetze und Statuten des Ordens der Freymaurer. Schwedisches System (um 1780). Von den allgemeinen Pflichten des Freymaurers Gesetze und Statuten des Ordens der Freymaurer Erstes Buch Erstes Capitel Von den allgemeinen Pflichten des Freymaurers § 1. Da der Orden der Freymaurer auf die wahre christliche Lehre gegründet ist, so ist es die Pflicht eines Freymaurers, sie mit Herz und Munde zu bekennen, in seinen Gesprächen, seinen Handlungen und seiner Aufführung heilige Verehrung, tiefe Ehrfurcht gegen seinen Schöpfer, den höchsten Meister des Weltalls, zu beobachten; brünstig im Gebete, anhaltend im göttlichen Dienste und bereit zu seyn, alle Werke der Gottesfurcht auszuüben. Ein wahrer Maurer ist verpflichtet, ein mitleidiges Herz zu haben, aufrichtig und gesellig gegen seine Brüder und gegen das ganze menschliche Geschlecht zu seyn, seine Versprechen und Verpflichtungen zu erfüllen und besonders solche, die er auf Maurerwort eingeht. // § 2. Wenn ein Unterthan zum Gehorsam, zur Treue gegen seinen Fürsten und die Gesetze seines Landes verpflichtet ist, so ziemt es einem Freymaurer noch mehr, diese Pflichten in ihrem weitesten Umfange zu erfüllen und die vollkommenste Unterwürfigkeit gegen die Befehle und Verordnungen seines Fürsten zu zeigen. Wenn er gewahr wird, daß Jemand, wer es auch sey, etwas gegen diese Pflichten unternimmt, so soll er es dem Meister seiner Loge anzeigen, der nach Beschaffenheit des Falles von dieser Anzeige Gebrauch machen wird. § 3. Ein Freymaurer muß die Gesetze und Statuten seines Ordens in jedem Grade, in den er aufgenommen wird, unverbrüchlich beobachten, wenn er sich nicht den Züchtigungen und grausamen Strafen aussetzen will, denen er sich durch seinen Eid unterworfen hat. In jeder Gelegenheit soll er gehörige Ehrfurcht gegen seine Obern und Meis180
Gesetze und Statuten des Freimaurerordens
ter, Gehorsam gegen die Befehle des M[eisters] v[om] St[uhl] und gegen die Meinung der Erfahrensten in den maur[erischen] Wissenschaften zeigen. § 4. Ein ehrbares tugendhaftes Leben zu führen, ist jedem Menschen anständig; dem Freymaurer ist es Pflicht, denn der Orden soll kein Mitglied aufnehmen oder dulden, dessen Seele und Hände von Lastern befleckt sind. Die ersten Arbeiten eines Br[uders] // sind: Seine Sitten rein und sanft zu machen und seine Aufführung zu ordnen. § 5. Ein Freymaurer ist verpflichtet, gewissenhaft verschwiegen zu seyn, vorzüglich in allem, was die Freymaurerey betrifft, wie er es in seinem Eide versprach. Zwei Freymaurer, die sich zusammenfinden, können sich der Gelegenheit bedienen, sich durch den erhaltenen Unterricht gegenseitig in der Tugend und im Eifer gegen die Gesellschaft zu bestärken. Es ist ihnen nicht erlaubt, von den Geheimnissen der Freymaurerey, außer in Gegenwart eines erfahreneren Bruders als sie selbst sind, zu reden, und doch muß er es ihnen bewilligen. § 6. Es ist nicht verboten, sich in Gegenwart von Profanen als Freymaurer zu bekennen, indem es einem Bruder, der den Gesetzen folgt, Ehre macht. § 7. Ein Freymaurer soll äußerst aufmerksam auf die Vorschriften des Grades seyn, mit welchem er beehrt wird, den Versammlungen des Ordens unablässig beiwohnen und nur in erlaubten Fällen ausbleiben, die er dem M[eister] v[om] St[uhl] oder den Aufsehern der Loge anzuzeigen hat. § 8. Er soll sich aufs beste in der Wissenschaft des Grades, mit welchem er bekleidet ist, unterrichten, da-//mit er das Examen zur Zufriedenheit seiner Obern bestehen kann, sonst wird er der Beförderung unwürdig erklärt. § 9. Ein Maurer soll nicht auf die Vorzüge stolz seyn, die ihn in der profanen Welt durch Geburt, Reichthum und Würde über einen Br[uder] erheben, indem dies nicht allein einer grosmüthigen Denkungsart entgegen ist, sondern auch das Zutrauen unter den Brüdern vermindert, welches von dem Orden der Maurerey unzertrennlich ist. § 10. Einem Freymaurer ist verboten, Neid und Unzufriedenheit zu zeigen, wenn nach seiner Meinung ein Br[uder] eine höhere Stuffe in der Loge oder im Orden besteigt. Jeder soll mit seinem Schicksale zufrieden seyn und in Geduld den Lohn erwarten, der der Kenntniß der Brüder anvertraut ist. § 11. Er soll barnherzig seyn, die Kranken besuchen und unterstützen, diejenigen, welche fehlen, mit Sanftmuth warnen und zurückhalten, die in Gefahr sind, retten, so viel es ihm möglich ist. Dies sind die Pflichten eines guten Christen und besonders eines 181
Freimaurerlogen
Freymaurers; er soll sie gegen das ganze menschliche Geschlecht und besonders gegen die Brüder des Ordens erfüllen. // § 12. Wenn Freymaurer aus fremden oder entlegenen Logen kommen und von dem M[eister] v[om] St[uhl] anerkannt sind, soll man sie mit aller möglichen Bereitwilligkeit und Freundschaft empfangen, so daß sie sagen können, sie wären – obgleich von ihrer Familie getrennt – unter Brüdern. § 13. Wenn ein Zwist unter zwei Brüdern entsteht, sollen sie die Vermittlung einiger Maurer suchen, oder die Sache dem Ausspruche des M[eisters] v[om] St[uhl], der Aufseher oder erleuchteter Brüder unterwerfen, denn nichts entehrt einen Freymaurer mehr, als wenn er einen seiner Brüder haßt. § 14. Ein Freymaurer soll große Sorge für die Zierrathen haben, die ihm übergeben sind. Nach seinem Tode müssen sie dem M[eister] v[om] St[uhl] der Loge, wo er sie empfieng, überliefert werden. § 15. Obgleich es ausdrücklich verboten ist, keine Schriften, die Maurerey betreffend, bei sich zu haben, so kann es doch kommen, daß ein Br[uder] vermittelst seines Amtes dergleichen bekommt. In diesem Falle ist er verbunden, sie der Loge zurückzustellen oder sie sorgfältig einzuschließen, wenn er sie nicht verbrennen will. // Zweites Capitel Von der Regierung des Ordens durch eine große Landesloge § 1. Der Orden der Ritter Freymaurer ist eine von dem weisesten der Könige errichtete Gesellschaft, der sich für ihr Oberhaupt erklärte und Grosmeister und nachfolgende Meister ernannte, von Vater auf Sohn, von Stamm auf Stamm. § 2. Dieser Orden, in verschiedne Grade abgetheilt, verbreitet das Licht in der Kunst, die Leidenschaften zu unterdrücken, das Herz zur Tugend zu erheben, dem Geize, dem Hochmuthe und einem übermäßigen Ehrgefühle zu widerstehn. Er enthält die höchsten Geheimnisse, welche, unter dem Namen der Königl[ichen] Kunst, seit den ältesten Zeiten in dieser Gesellschaft aufbewahrt werden. § 3. Man erhält dieses Licht in der St. Johannisloge; man bekömmt das Recht, sich dessen zu bedienen, in der St. Andreasloge und das Glück, es zu verbreiten, wenn man Mitglied der vertrauten Gesellschaft Salomons ist. § 4. Die St. Johannisloge ist in 3 Grade abgetheilt: Lehrlinge, Gesellen und Meister. Sie enthalten be-//sondre Geheimnisse, welche in besondern Verordnungen erklärt werden. 182
Gesetze und Statuten des Freimaurerordens
§ 5. Die St. Andreasloge, gewöhnlich schottische Loge genannt, ist in 2 Grade abge theilt: Lehrlinge, auserwählte Gesellen oder schwarze Brüder, und schottische Meister, welche ihre besondern Gesetze und Statuten haben. § 6. Die Vertrauten Salomons bestehen aus einer Auswahl schottischer Meister, deren Anzahl seit den ältesten Zeiten ist vermehrt worden, um für das Beste des Ordens zu wachen; sie regieren ihn und unterscheiden sich durch den Namen: Brüder Stuarts. Sie werden mit einem schwarzen gewässerten Bande beehrt, an welches fünf rothe Rosen befestigt sind. Diese Brüder lassen zu ihrer besondern Gesellschaft nur schottische Meister zu, sie sind Salomons Räthe und regieren sich durch eigne Gesetze. § 7. Der Weiseste der Könige, Stifter des Ordens, theilte die Welt in verschiedne Theile, in welche sich die Königl[iche] Kunst verbreiten sollte. In jedem ist ein Statthalter con stituirt, der unter dem Namen Großmeister des Ordens dort den ersten Platz einnimmt. Ferner regiert er eine große Loge – Landesloge genannt. Er ist verbunden, dem großen Salomo anzuzeigen, was in seiner Provinz vorgeht. // § 8. Die Welt, in 9 Provinzen eingetheilt, wird durch einen Salomo oder Grosmeister regiert, der von Vater auf Sohn zur Regierung erwählt wurde, um die Arbeiter den guten Weg zu leiten. Er ist den Maurern bekannt oder unbekannt. Dieser Salomo läßt jede Provinz durch einen Vicarium (Statthalter) regieren, den er ernennt oder durch die Brüder der Provinz ernennen läßt. Diese Vicarien behalten ihre Stelle auf Lebenszeit. § 9. In jeder Provinz ist eine große Loge, welche aus den Br[üdern] Stuarts oder den Vertrauten Salomos besteht. Die Kenntniß und Untersuchung der Dinge, welche in denen im Bezirk der Provinz constituirten Logen vorgehen, sind dem Ausspruche der großen Loge unterworfen. Sie hat die Aufsicht über die Oeconomie und die besondern Cassen der Logen und wacht über ihr Betragen in allem, was die Oeconomie betrifft.
b) Freier und angenommener Maurer-Ritter Gesetze und Statuten; oder: des königlichen Ordens Constitution und Statuten. Die Loge Erstes Kapitel Von der Lage der Loge Erster Artikel. Von dem Logenhause § 1. Der Ort, wo eine Loge gehalten werden soll, muß sicher seyn, so daß sich demselben niemand nähern kann, als der von des Ordens ersten Geheimnissen unterrichtet ist. Deshalb muß er gegen alle Profanen oder nicht Eingeweihte wohl gedeckt seyn, und es sind folgende Zimmer dazu nöthig 1) Ein Vorhaus, 2) ein Vorzimmer, 3) die Vorberei183
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tungskammer, 4) der Logensaal, 5) das Ankleidezimmer, 6) der Speisesaal, 7) das Archivzimmer. // § 2. Das Vorhaus hat nur eine Thür zum Vorzimmer. § 3. Aus dem Vorzimmer führt eine Thüre in den Logensaal, die zweite in das Ankleidezimmer, die dritte in das Archiv. Zweiter Artikel. Von der Einrichtung der Zimmer § 1. Das Vorhaus wird von den Thürhütern der Loge bewacht, die niemand als die Bedienten der Mitglieder einlassen. Das Vorzimmer bewacht ein dienender Bruder innerhalb. § 2. Das Vorzimmer dient zum Versammlungsorte der Brüder, ehe sie in die Loge treten; die Thüre zur Vorbereitungskammer, wie auch die Thüre, die zum Vorhause führt, wird von einem dienenden Bruder mit bloßem Degen bewacht. § 3. Das Vorbereitungszimmer, die schwarze Kammer genannt, muß die Fenster und Thüre so gut ver-//wahrt haben, daß nicht das mindeste Tageslicht eindringen kann. Es muß mit schwarzem Tuch bekleidet seyn und mit Schlössern versehen, welche von Innen nicht zu öffnen sind. Ueberdies müssen sich darinnen weder Tisch noch Stühle befinden, sondern blos eine hölzerne Bank, worauf der Leidende1 sich während des Ausziehens setzen kann. § 4. Der Logensaal muß hinlänglich groß und auf folgende Art eingerichtet seyn. 1) In Osten stehet ein Altar auf 3 Stuffen; er muß mit einer blauen oder gelben Decke bedeckt seyn, auf der vorne ein goldener Triangel befestigt ist. Hinter demselben ist der Meisterstuhl. Auf dem Altar liegt die Bibel beim Evangelium St. Johannis aufgeschlagen, und auf derselben Zirkel und Winkelmaß kreuzweise, und des Meisters bloßer Degen. Der Altar wird von drei Lichtern erleuchtet, die im rechten Winkel stehen, zwei in Süden und eins in Norden; auch die Akten, der Hammer und der Schmuck des Meisters, bestehend aus einem goldenen Winkelmaße, das an einem Band von der Farbe der Loge mit goldenen Kanten befestigt ist, liegen auf dem Altar, vor dem Stuhl des Vorsitzenden. An der südlichen Seite des Altars stehet eine kleine Säule, darauf liegt ein blaues Kissen mit einer Lehrlingsschürze, einer Maurerkelle, zwei paar Manns- und ein paar FrauenzimmerHandschuhe. 2) Zur Linken des Vorsitzenden stehet ein Stuhl für den deputirten Meister, auf demselben liegt seine Bekleidung, die der // des Vorsitzenden völlig gleich ist, außer daß die goldenen Kanten seines Bandes schmäler sind. 3) Hinter dem Meister stehen drei Stühle, der zur Rechten für den Redner, zur Linken für den fürchterlichen Bruder und 1 Im Zinnendorfschen System heißt der Bewerber um die Aufnahme in die Loge bei der ersten Lehrlingsreise Suchender, dann Anhaltender und schließlich Leidender. 184
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in der Mitte für den Ceremonienmeister. Dies sind bloße Armstühle, die des Vorsitzenden und des deputirten Meisters Lehnstühle oder Fauteuils. Auf jenen Stühlen liegen die Zierathen an einem Bande von der Logenfarbe befestigt, ein goldenes Buch für den Redner, zwei kreuzweise liegende Degen für den Ceremonienmeister und eine Sense mit einem Palmzweig kreuzweise liegend für den fürchterlichen Bruder. 4) Etwas vor dem Altar, in gleicher Linie mit dem Stuhle des Redners und Ceremonienmeisters, stehen zwei Tische, mit blauen oder gelben Decken belegt, der zur Rechten für den Sekretär, der zur Linken für den Schatzmeister. Diese Tische müssen wie der Altar durch drei Lichter im rechten Winkel erleuchtet seyn. Auf dem Tische des Sekretair liegt die Logen-Matrikul, das Protokoll, die Akten und die den Logen zugefertigten Verordnungen der Landesloge, wie auch Schreibzeug und Papier. Hinter dem Tische stehet ein Armstuhl für den Sekretair; sein Kleinod an einem Bande von der Farbe der Loge hängt über den Stuhl und bestehet aus zwei kreuzweise gelegten goldenen Federn. Auf dem Tische des Schatzmeisters liegt das Cassenbuch und die Rechnungen der Loge, nebst den nöthigen Dekorationen und Armenbüchsen. Hinter ihm stehet der Armstuhl, auf demselben liegt das Band mit dem Kleinode, zwei goldene kreuz-//weise liegende Schlüssel. 5) In Westen, dem Altare gegenüber, stehen zwei Armenstühle für die Aufseher. Auf jedem liegt ein Hammer nebst dem Kleinode. Der erste trägt eine goldene Wasserwaage, der zweite ein goldenes Senkbley. 6) An den Wänden in Süden stehen dicht an einander Stühle oder Bänke für die übrigen Mitglieder und besuchenden Brüder. 7) Vor dem Altare liegt ein blaues Polster, worauf ein Winkelmaß, auf welches der Suchende niederkniet, um den Eid abzulegen und den Schlag zu empfangen. 8) Mitten im Saale stehen drei große Leuchter, ungefähr zwei Ellen hoch, mit Kerzen versehen im rechten Winkel, zwei in Süden und eins in Norden. 9) Zwischen diesen Lichtern liegt die Lehrlingstafel, welche schwarz ist und in dessen Viereck folgende Figuren mit Kreide gezeichnet sind. Außer dem Viereck sind die vier Himmelsgegenden bezeichnet, oben stehet Osten und unten Westen. In Westen stehen zwei gezeichnete Säulen, mit (Knaufen) Kugeln gekrönt, auf der Nördlichen der Buchstabe J. Diese Säulen stehen auf einem schwarz und weißgewürfelten mosaischen Pflaster. Im Osten ist das gezierte Franzen- oder das Vereinigungsband, unter welchem im Süden die Sonne und in Norden der halbe Mond stehet. Zwischen diesen liegt der Winkelhaken, unter ihm das Zeichen, unter diesem das Reißbrett und unter diesem der geöfnete Zirkel mit dem Knopf im Westen. Noch sind folgende Sinnbilder an der Südseite. Der kubische Stein, die // Wasserwaage und der Hammer, an der Nordseite der rohe Stein, das Senkbley und die Kelle. In der Loge sind drei Hämmer, für den Meister und die beiden Aufseher. Ein anderer Hammer ist vor der Thüre der Loge für den fürchterlichen Bruder, mit welchem er die drei starken Schläge bei der Aufnahme eines Suchenden thut. § 5. Das Ankleidezimmer muß erwärmt seyn, da der Suchende sich vor der Aufnahme dort bekleidet, auch werden seine Kleider dort während der Aufnahme aufgehoben. § 6. Das Archiv dient, die Logenpapiere, das Rechnungswesen und die Akten zu bewahren. 185
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Zweites Kapitel Von der Constitution einer Loge Erster Artikel. Einrichtung einer Loge, bis sie in Arbeit gesezt ist § 1. Freymaurer-Brüder sind nicht berechtigt, zusammen zu treten und Suchende aufzunehmen, bis sie zuvor von dem Landes-Großmeister mit Bewilligung des Vikarii Salomos ein gesetzliches Consti-//tutionspatent erhalten und durch eine förmliche Installation autorisirt sind, Freymaurer zu machen. § 2. Der Vikarius Salomos hat allein das Recht, Logen zu konstituiren, doch kann er es dem Landes-Grosmeister oder Provinzial-Logenmeister übertragen, wenn er es für gut findet. Dieses Recht wird ihnen jedoch nur auf die Dauer ihrer Aemter zugestanden und es muß für ihre Nachfolger erneuert werden. § 3. Um Unordnungen vorzubeugen, sollen neue Logen gesetzmäßig von dem LandesGrosmeister oder von dem Provinzial-Logenmeister auf Befehl des Vicarii Salomos in der Landes- oder Provinzialloge installirt werden. § 4. Es dürfen nur solche Brüder eine Loge stiften, die in der Wissenschaft der Freymaurerey unterrichtet sind, auch müssen diese Stifter wenigstens Johannismeister seyn. § 5. Der Zweck zur Errichtung einer neuen Loge ist, das Licht der Freymaurerey auf abgelegenen Oertern zu verbreiten, daher müssen diejenigen, die das Recht dazu haben, besonders dahin sehen, daß keine ältere konstituirte Loge durch diese neue leide, oder daß zu viele Logen an einem Orte das Recht zur Ar-//beit erhalten, weil in solchem Falle mehr Schaden als Nutzen entstehen würde. § 6. Wenn man eine neue Loge konstituirt, geschiehet es, entweder weil es der Vikarius Salomos gut findet, oder weil der Landes-Grosmeister deshalb bei ihm angehalten und die Gründe angegeben hat, oder weil eine gewisse Anzahl Brüder ihn durch den Landes-Grosmeister oder Provinzial-Grosmeister darum ersucht hat. Im ersten Falle ernennt der Vikarius selbst alle Logenbeamten, im andern nur den Meister, den Deputirten und die Aufseher der neuen Loge, welche auch im dritten Falle ihm von dem Landes- oder Provinzial-Grosmeister nebst den übrigen Brüdern und Beamten vorgeschlagen werden, welche er entweder bestätigt oder verwirft und andere an ihre Stelle ernennt, doch müssen diese an dem Orte wohnhaft seyn, wo die Loge arbeiten soll. § 7. Nicht weniger als 9 Brüder, welche mindestens St. Joh[annis] Meister seyn müssen, können Stifter einer Loge werden, den vorsitzenden Meister, den deputirten und die Aufseher ausgenommen, welche alle Stuards seyn müssen.
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§ 8. Ehe eine Loge konstituirt wird, muß der Vikarius Salomos durch den Landes- oder Provinzial-Grosmeister die Beamten ernannt und bestätiget haben und eine schriftliche Akte ausgefertiget wer-//den, die der Vikarius eigenhändig unterschreibt und sein Siegel untersezt. § 9. Die Logenbeamten oder Stifter einer St. Johannisloge sind folgende: 1. der vorsitzende Meister, 2) der deputirte Meister, 3) der erste Aufseher, 4) der zweite Aufseher, welche alle Stuards-Brüder seyn müssen, 5) der Redner, 6) der Sekretair, 7) der Schatzmeister, 8) der Ceremonienmeister, 9) der fürchterliche Bruder. § 10. Sobald diese bestätigt sind, wird mit des Vikarii Genehmigung eine Capitulation zwischen der neuen Loge und der Landes- oder Prov[inzial-] Loge errichtet, unter deren Distrikt die neue Loge liegt, in welcher die Pflichten der neuen Loge bestimmt sind, die sie der Landes- oder Prov[inzial-] Loge, unter der sie stehet, schuldig ist, und der Gehorsam gegen den Vikarius. Vorzüglich werden die Contributions-Abgaben dieser Loge an die Casse der Landesloge und der Johannisthaler für jeden Bruder festgesezt. Von dieser Capitulation werden 3 Exemplare ausgefertigt, welche alle drei von den Stiftern der neuen Loge im Namen der Loge, so wie auch von dem Landes- oder Prov[inzial-] Grosmeister für die Landes- oder Prov[inzial-] Loge unterschrieben und von dem Vikarius ratificirt werden. Ein Exemplar dieser Capitulation bleibt beständig in dem Archiv der Landesoder Prov[inzial-] Loge, das Andere in der neuen Loge und das Dritte bei dem Vikarius. // § 11. Nachdem diese Capitulation festgesezt, tragen deren Grundleger alle deren Kleinodien, welche verfertiget werden, und die Landes- oder Prov[inzial-] Loge erhält den Befehl des Vikarius, die Constitutions-Akte auszufertigen und den Tag zu bestimmen, die Loge zu installiren. § 12. Diese Constitutions-Akte wird ausgefertigt und unterschrieben von dem Vikarius, wenn er persönlich die Installirung verrichten will, nach dem Formular Nr. 1. Im andern Fall aber befiehlt er, daß die Landes- oder Prov[inzial-] Loge die Constitutions-Akte ausfertigt und daß deren erster Beamter sie unterschreibt nach dem Formular Nr. 2. Quelle: Aus der Ritualsammlung, hg. von Friedrich Ludwig Schröder, Nr. 1–20. Rudolstadt ca. 1805– 1816: Geheimdruck (vgl. August Wolfstieg: Bibliographie der freimaurerischen Literatur, Nr. 33386). – Zitiert nach: Winfried Dotzauer: Quellen zur Geschichte der deutschen Freimaurerei im 18. Jahrhundert unter besonderer Berücksichtigung des Systems der Strikten Observanz. Frankfurt a. M. [u. a.] 1991, S. 137–140 und 140–144 (Schriftenreihe der Internationalen Forschungsstelle „Demokratische Bewegungen in Mitteleuropa 1770–1850“, Bd. 3).
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Große National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“ I) Hausgesetze der Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“ vom 9. November 1740 Gesetze, Satzungen und Erlasse der hochachtbaren Gesellschaft der Aufrechten und Freien Maurer. Die hochachtbaren Brüder Philippe Simon, Jean Serre, Paul Benezet und Christian Gregory haben sich am 13. September des Jahres 1740 versammelt und sind übereinstimmend und einstimmig übereingekommen, mit Zustimmung des Hofes eine gerechte, vollkommene und gesetzmäßige Loge aufrechter und freier Maurer zu gründen. Demgemäß haben sie die Loge gegründet und eingerichtet im Hause Vincent in der Brüderstraße, und zwar im linken Flügel des Vorderhauses im dritten Stock und dies unter Vorbehalt einer späteren Verlegung. Am gleichen Tage haben sie den Sehr Ehrwürdigen Bruder Philippe Simon zum Stuhlmeister gewählt, den Bruder Jean Serre zum 1. Aufseher, den Bruder Paul Benezet zum II. Aufseher und schließlich den Bruder Christian Gregory zum Schriftführer und Schatzmeister. In Übereinstimmung mit dem in anderen Logen geübten Brauch haben die Brüder noch die folgenden Gesetze und Satzungen festgelegt, die am 9. November 1740 gebilligt und unterzeichnet worden sind. Kapitel I. Ar tikel betreffend die Sehr Ehrw. Gesellschaft im allgemeinen. 1. Die Brüder werden durch diesen ersten Artikel gewarnt, daß gegen Zuwiderhandelnde mit äußerster Strenge und ohne jede Rücksicht vorgegangen werden wird, und daß ihnen die Zahlung der vorgeschriebenen Bußgelder nicht erlassen werden können. 2. Die nachstehenden Gesetze und Satzungen werden ehrfürchtig gehütet und befolgt; sie dürfen niemals übertreten werden, es sei denn, daß die zuständigen Mitglieder durch Kugelung einstimmig einen Ausnahmefall gutheißen. 3. Die Sehr Ehrw. Loge versammelt sich an den festgesetzten und angezeigten Tagen und bestimmten Stunden, und die Brüder trennen sich um 8 Uhr. 4. Jeder Bruder, der voll des Weines in die Loge kommt oder sich dort berauscht, zahlt einen Dukaten in die Armenkasse.
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5. Jeder Bruder, der sich, solange die Loge geöffnet ist, ohne ausdrückliche Erlaubnis des S.E. Meisters entfernt, zahlt 2 Groschen in die Hauptkasse. 6. Wer einen Bruder zwingt, mehr zu trinken, als dieser mag, zahlt 2 Groschen in die Armenkasse. 7. Jedwedes Fluchen, Lästerungen, gottlose oder unanständige schmutzige Reden sind aus der Loge verbannt bei Strafe von 8 Groschen in die Armenkasse. 8. In der Loge wird über keinerlei Fragen des Staates oder der Religion gesprochen. Bei Verstößen 2 Groschen in die Armenkasse. 9. Jeder Streit und jedes Thema, das Streit hervorrufen könnte, sowie jeder anstößige oder anzügliche Ausdruck sind – bei 4 Groschen Strafzahlung in die Armenkasse – aus der Loge verbannt. 10. Über jeden Streit, der entgegen diesem Verbot entstehen sollte, wird in der Loge oder, je nach dem Fall, in einem Ausschuß von Brüdern das Urteil gesprochen. 11. Niemand führt Privatgespräche oder redet irgend jemand an, solange von ernsten Dingen gesprochen wird oder solange man sich noch in der Arbeit befindet, widrigenfalls 2 Groschen in die Armenkasse zu zahlen sind. 12. Alle beobachten ein andächtiges Schweigen, sobald der Meister es befiehlt, widrigenfalls 2 Groschen in die Armenkasse zu zahlen sind. 13. Die Brüder sollen sich in den Versammlungen der Loge mit den in der Sehr Ehrw. Gesellschaft gebräuchlichen Namen anreden, und wer den S.E. Meister anredet, soll darauf achten, daß er den bei uns eingeführten höflichen Brauch wahrt; – widrigenfalls 2 Groschen in die Armenkassen zu zahlen sind. 14. Es ist niemand gestattet, ohne Zustimmung der Loge irgendwelches Mobiliar zu bestellen oder was auch immer für die Loge zu kaufen. 15. Alles, was die Loge betrifft, wird ausgeführt und beschlossen durch Kugelung, und es wird nur französisch verhandelt. 16. Entdeckt man bei einem Bruder irgendein Laster, das den Gesetzen unserer S.E. Loge und dem Ziel unseres S.E. Ordens zuwiderläuft, und ist nach allen angebrachten Vorhaltungen nicht auf seine Besserung zu hoffen, so ist dieser Bruder aus unserer Loge auszuschließen und darf nie wieder zugelassen werden. 189
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Kapitel II. Ar tikel betreffend die Aufnahme der Lehrlinge und der Gesellen. 1. Wer auch immer dem Atheismus oder dem Freidenkertum angehört, darf unter keinerlei Vorwand aufgenommen werden. 2. Jeder würdige Bewerber muß, um in unseren S.E. Orden aufgenommen zu werden, von einem der Mitglieder vorgeschlagen und von einem zweiten empfohlen werden. Alle beide stehen ein für seine Folgsamkeit, seine Sitten, seine Beiträge an die Logenkasse und die Zahlung der halben Kosten für den Tag der Aufnahme. Im Falle seiner Nichtzahlung ist der Vorschlagende genötigt, die Beiträge und die Kostenzahlung seinerseits zu leisten. 3. Der Bewerber kann nur bei einstimmiger Genehmigung aller anwesenden Mitglieder zugelassen werden. 4. Einem am Ende seiner Hammerführung stehenden Stuhlmeister steht es frei, solche Bewerber, die schon einmal abgewiesen worden sind, ein zweites Mal zur Kugelung zu bringen; ebenso kann es der Nachfolger ein drittes Mal tun; danach aber darf dieselbe Person nicht mehr vorgeschlagen werden, unter welchem Vorwand es auch sei. 5. Der Kandidat, der vorgeschlagen, über den gekugelt und der zugelassen worden ist, darf erst acht Tage später aufgenommen werden, es sei denn, es handle sich um einen Ortsfremden, dessen Abreise drängt und der in einem solchen Falle die gesamten Kosten einer außerordentlichen Loge zu tragen hat. 6. Der neuaufgenommene Bruder zahlt am selben Tage, und zwar noch vor der Aufnahme, unmittelbar nach der Verlesung der Gesetze 60 Reichsthaler in die Hauptkasse, dazu 1 Dukaten an den Pförtner, und dies ohne Rücksicht auf die Person des neuen Bruders, wobei aber die dienenden Brüder ausgenommen sind. 7. Jeder Bruder Lehrling, der aus einer fremden Loge stammt und in unserer S.E. Loge zum Gesellen befördert werden möchte, zahlt 10 Reichsthaler in die Hauptkasse und 1 Thaler an den Pförtner. 8. Entsprechend dem Brauch der Englischen Logen schlägt unsere Loge am Johannistage drei Kandidaten vor, von denen einer kostenlos aufgenommen werden soll, was durch geheime Abstimmung entschieden wird, und derjenige, der die meisten Stimmen hat, erhält den Vorzug vor seinen beiden Gefährten.
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9. Alle im Geheimen aufgenommenen Personen, die Eintritt in unsere Loge begehren, werden bei uns nur unter der Bedingung zugelassen, daß sie von neuem die Verpflichtung auf sich nehmen und die in unseren Gesetzen festgelegte Summe zahlen. 10. Jeder fremde Bruder, der Zutritt zu unserer geweihten Stätte begehrt, wird dort erst zugelassen, wenn er für seine Aufnahme überzeugende Beweise beibringt oder eine Bescheinigung der Loge, in der er aufgenommen worden ist, unterzeichnet vom Stuhlmeister und den Beamten und versehen mit dem Siegel der Loge. Kapitel III. Gesetze betreffend die Erhebung zum Meister. 1. Niemand wird zum Meister erhoben, der nicht drei Monate hintereinander regelmäßig an den Arbeiten der Loge teilgenommen hat. 2. Will ein Bruder zum Meister erhoben werden, so wird er dazu vorgeschlagen, und es wird über ihn in der Meisterloge gekugelt. 3. Jeder in unseren S.E. Orden aufgenommene Bruder, der zum Meister gemacht worden ist, zahlt 5 Reichsthaler in die Hauptkasse und 1 Thaler an den Pförtner. Ist es ein fremder Bruder, so zahlt er in die Hauptkasse das Doppelte. 4. Bei der ersten Logenarbeit eines jeden Monats verabreden die Meister einen Tag zum Abhalten einer Meisterloge, der kein Lehrling oder Geselle beiwohnen darf. Kapitel IV. Gesetze betreffend die Mitglieder. 1. Jeder in unserer S.E. Loge aufgenommene Bruder, der ihr Mitglied werden möchte, kann eine Kugelung darüber erst sechs Wochen nach der Aufnahme erwarten; dann entscheidet die Stimmenmehrheit. 2. Die Brüder Mitglieder zahlen vierteljährlich drei Thaler zum Unterhalt der Loge in die Hauptkasse, außer dem Bruder Schriftführer, der von sämtlichen Beiträgen befreit ist. Der besagte Bruder Schriftführer erhält jährlich 15 Thaler von jeder Loge, die als Tochterloge von unserer gegründet wird, dies entsprechend den Großlogen von London und Hamburg. – Diese Bestimmung ist in der Logenarbeit vom 1. September 1746 durch einstimmige Kugelung beschlossen worden. 3. Alle Brüder Mitglieder sind verpflichtet, auf ihre Kosten einen Schurz entsprechend dem in unserer S.E. Loge gebräuchlichen Modell zu halten. Außerdem sollen sie die Loge niemals mit irgendeiner Angriffs- oder Verteidigungswaffe betreten und sollen sich nur in Bekleidung in der geöffneten Loge zeigen, widrigenfalls 4 Groschen Strafe zu zahlen sind. 191
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4. Jedes eingeladene Mitglied, das bei Eröffnung der Loge nicht anwesend ist, hat 2 Groschen in die Armenkasse zu zahlen. Und wer überhaupt nicht erscheint, ohne sich gebührend entschuldigt zu haben, zahlt 4 Groschen. Ist es ein Beamter, so zahlt er in beiden Fällen das Doppelte. 5. Kein anderwärts aufgenommener Freimaurerbruder kann in unserer Sehr Ehrwürdigen Loge Zu den drei Weltkugeln als Mitglied aufgenommen werden, wenn er nicht 20 Reichsthaler in die Hauptkasse zahlt. Ausgenommen sind diejenigen, die einen schon geleisteten Beitrag nachweisen können und schon Gesellen oder Meister geworden sind, in welchem Falle sie nur noch zur Zahlung desjenigen Betrages verpflichtet sind, der etwa an der obengenannten Summe noch fehlt. Es ist allerdings zu bemerken, daß denjenigen, die kaum Meister geworden sind, von den 10 Thalern, die sie bei ihrer Erhebung zum Meister bezahlt haben, nur 5 Thaler angerechnet werden. 6. Wer mit einem die Loge betreffenden Geschäft betraut wird, soll dies in anständiger Weise erledigen, ohne einen Gewinn daraus zu ziehen. 7. Von jedem Mitglied wird verlangt, daß es bei der Kugelung über einen würdigen und gesetzmäßig zum Freimaurer vorgeschlagenen Mann oder über jede sonstige, die Loge betreffende Angelegenheit auf Maurertreue hin keine schwarze Kugel einwirft, wenn es dazu nicht einen gerechten und triftigen Grund hat. 8. Jedes Mitglied, das eine längere Abwesenheit beabsichtigt, zahlt – bei sonst drohendem Ausschluß – sechs Monate im Voraus in die Hauptkasse, und es ist am Ende dieser sechs Monate gehalten, für die Vorausahlung für die folgenden sechs Monate zu sorgen, da es sonst nach 14 Tagen gestrichen wird. 9. In Übereinstimmung mit diesem Gesetz und im Hinblick auf den Bestand der Gesellschaft hat die S.E. Loge einstimmig beschlossen, daß fortan alle Brüder Mitglieder, die etwa ihre Vierteljahresbeiträge nicht bezahlen – sei es bei Fälligkeit oder sei es spätestens 14 Tage danach –, aus der Mitgliederliste gestrichen werden. 10. Und um die Zahlung der Vierteljahresbeiträge noch mehr zu sichern, hat es die S.E. Loge für angebracht erachtet, hier noch einzuschalten, daß alle Brüder Meister oder Gesellen, die Mitglieder unserer S.E. Loge werden möchten, gehalten sind, den Vierteljahresbeitrag zu zahlen, ehe sie in die Reihe der Mitglieder aufgenommen werden.
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Kapitel V. Gesetze betreffend die besuchenden Br üder. 1. Die besuchenden Brüder zahlen 8 Groschen Eintrittsgeld in die Hauptkasse, außer beim ersten Besuch. 2. Die besuchenden Brüder haben keine Stimme bei den Beratungen der Loge. Kapitel VI. Gesetze betreffend die Beamten der Loge. 1. Alle drei Monate werden unter den Mitgliedern durch geheime Abstimmung gewählt: ein neuer Stuhlmeister, zwei Aufseher, ein Schriftführer und ein Schatzmeister. 2. Wenn es die Interessen und die Angelegenheiten der Loge erfordern, kann einer oder können mehrere der Beamten in ihren Ämtern weiterhin bestätigt werden. 3. Zum Meister vom Stuhl kann nur gewählt werden, wer zuvor unserer S.E. Loge als Beamter, und zwar als zug[eordneter] Meister oder Aufseher gedient hat. 4. Legt ein Stuhlmeister den Hammer nieder, so übergeben ihm der Schriftführer und der Schatzmeister die Abrechnungen, und der sein Amt niederlegende Stuhlmeister übergibt sie seinem Nachfolger in Gegenwart sämtlicher Mitglieder. 5. Falls der hammerführende Meister in der Loge fehlt, so nimmt der zugeordnete Meister seinen Platz ein oder, fehlt auch dieser, die anderen Beamten der Rangfolge nach. 6. Der Schatzmeister und der Schriftführer besorgen die Abrechnungen und erledigen dies mit dem nötigen Eifer und der erforderlichen Genauigkeit. 7. Es ist Aufgabe des S.E. Meisters, an allen Logentagen eine Arbeit zu verrichten und die Vorlesung eines Abschnittes der Verfassung unseres S.E. Ordens anzuordnen, um so die Lehrlinge und die Gesellen zu unterrichten und seine Brüder im allgemeinen zu erbauen. 8. Ist ein neuer Bruder aufgenommen worden, so liest der Schriftführer ihm die Gesetze vor und läßt sie ihn unterzeichnen. 9. Gemäß dem in England eingeführten Brauch halten die Beamten der Loge alle drei Monate eine Versammlung ab, die immer auf den letzten Sonnabend dieser drei Monate fallen soll, um darin alle etwa vorkommenden Meinungsverschiedenheiten und sonstigen, die Loge betreffenden Fällen zu besprechen; so auch die Einnahmen und die Ausgaben. 193
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Kapitel VII. Gesetze betreffend das Ver mögen der Loge. 1. Der Schatzmeister hat die Geldmünzen, Geldscheine und Obligationen des Logenvermögens in seiner Obhut und ist für alles verantwortlich, wohlverstanden jedes für sich genommen. 2. In dem Maße, wie das Logenvermögen anwächst, beschließen die maßgeblichen Mitglieder über seine Verwendung zum Nutzen der Loge, und wenn das Kapital beträchtlich genug ist, um auf Zinsen angelegt zu werden, so wird es auf die sicherste Weise angelegt. 3. Die Strafgelder werden alle 6 Monate unter solchen Armen verteilt, die die Loge für würdig erachtet. Selbstverständlich nur unter bedürftige Freimaurer. 4. Es wird ein Pförtner eingesetzt, der monatlich aus der Hauptkasse der Loge 2 Reichsthaler erhält. Quelle: 250 Jahre Große National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“ 1740–1990. Hg. von der Großen National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“, Heerstraße 28. Berlin 1990, S. 493–499. – Mit Dank an die Loge, die den Text für eine Veröffentlichung zur Verfügung gestellt hat.
II) Die 1743 angefertigte erste deutsche Übersetzung der 1741 revidierten französischen Fassung der Statuten Gesetze, Statuten und Verordnungen der Ehrwürdigen Gesellschaft der Freimaurer Erster Artikel, welcher die ehrwürdige Gesellschaft überhaupt betrifft. 1) Es wird allen Brüdern durch gegenwärtigen 1sten Artikel kund gethan, daß man mit der äußersten Schärfe und ohne Ansehen der Person gegen diejenigen verfahren wird, welche nachstehende Gesetze übertreten werden, und daß selbige unter keinerlei Vorwand von der Bezahlung der vorgeschriebenen Strafen befreiet werden können. 2) Nachfolgende Gesetze und Verordnungen sollen heilig und unverbrüchlich gehalten und beobachtet werden, und man soll dieselben auf keinerlei Weise brechen noch verletzen, es sei denn, daß die versammelten Brüder in der ordentlichen Loge sich über einen vorkommenden Fall im Herumstimmen einmüthig vergleichen.
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3) Die ehrwürdige Loge soll sich an den vorgeschriebenen Tagen und Stunden versammeln, und es soll dieselbe nach vollbrachtem Tagewerk ordentlich auseinandergehen. Und damit dasselbe nicht verlängert werde, so soll ein jeder Bruder zur bestimmten Zeit um 5 Uhr bei Eröffnung der Loge sein, wer aber nach derselben kommt, soll mit 8 Gr. zum Besten der Armen bestraft werden. 4) Ein Bruder, welcher berauscht in die Loge kommen, oder sich während derselben im Wein übernehmen möchte, soll das erste Mal, den Armen zum Besten, einen Dukaten Strafe erlegen, das zweite Mal aber, wo keine Strafe und brüderliche Vermahnung hilft, auf eine gewisse Zeit excludirt werden. 5) Wann einmal die Loge eröffnet worden, so ist jedem Bruder verboten, sich ohne des Meisters Erlaubniß aus derselben zu begeben, und zwar bei 2 bis 8 Gr. Strafe, welche in die ordentliche Logen-Kasse fallen. 6) Wer einen Bruder zum Trinken zwingen wird, der soll in 16 Gr. Strafe, den Armen zum Besten, verfallen sein. 7) Alle Schwüre, Eide, Gotteslästerungen, verruchte Scherzreden, unehrbare Worte und Gebehrden sind hiemit aus der Loge verbannt, bei 2 Thlr. Strafe, den Armen zum Besten, und nach Befinden des dadurch verursachten Aergernisses, soll über ihnen dieserwegen, in einer Versammlung besonders, eine dem Vergehen gemäße Ahndung verhängt werden. 8) Keiner soll sich unterstehen in der Loge von Sachen zu reden oder zu handeln, welche den Staat oder die Religion betreffen, bei Strafe von 12 Gr., zum Besten der Armen. 9) Alle Streitigkeiten und Zänkereien, alle Worte und Werke die zu denselben Anlaß geben könnten, alle empfindliche Ausdrückungen, alle Stachelreden werden hiermit billig aus der Loge verbannt. – Wer dieselben auf die Bahn bringen wird, soll in 16 Gr. Strafe zum Besten der Armen verfallen sein. Würde aber ein Bruder außer der Loge einen andern Bruder, seinen Namen, durch ungegründete Nachredungen verunglimpfen, so soll derselbe nach dem einstimmigen Schlusse der Brüder 1 Dukaten zum Besten der Armen erlegen. 10) Aller Streit welcher der obigen Verordnung zuwider läuft und der in der Loge entstehen möchte, soll entweder in der Loge, oder durch eine gewisse Anzahl dazu angesetzter Brüder, nachdem es die Umstände erfordern, entschieden werden. 11) Niemand soll besondere Unterredungen pflegen, noch sich unterstehen mit einem oder dem andern Bruder zu reden, während der Zeit, daß man mit ernsthaften Din195
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gen beschäftiget oder in der Arbeit begriffen sein wird, bei Strafe von 4 Gr. zum Besten der Armen. 12) Man soll ein genaues Stillschweigen beobachten, jedesmal wenn es der Meister befehlen wird, bei 4 Gr. Strafe zum Besten der Armen. 13) Während der Loge sollen alle Brüder gehalten sein, sich einander diejenigen Namen beizulegen, welche in der ehrwürdigen Gesellschaft üblich sind, und wenn man den ehrwürdigen Meister anredet, soll man diejenigen Ceremonieen beobachten, welche bei dieser Gelegenheit unter uns gebraucht werden, bei Strafe von zween Groschen zum Besten der Armen. 14) Es soll Niemanden erlaubt sein, einiges Geräthe oder andere Sachen für die Loge machen zu lassen, ehe und bevor er dazu eine besondere Einwilligung und Erlaubniß von der Loge erhalten. 15) Alle Sachen welche die Loge betreffen, sollen durch Stimmen abgehandelt und ausgemacht werden. 16) Wofern man bei einem Bruder einige Laster entdecken sollte, welche den Gesetzen unserer ehrwürdigen Ordens-Loge und dem Zwecke unseres ehrwürdigen Ordens entgegen und zuwider sind, und man zugleich sehen würde, daß alle mögliche Vorstellungen und brüderliche Ermahnungen, bei solchem Bruder nicht verfangen, so daß man an seiner Bekehrung gänzlich zu verzweifeln Ursache hat, so soll dieser Bruder auf ewig aus dieser unserer Loge ausgeschlossen bleiben u. s. w.1 Quelle: [Franz August von Etzel]: Geschichte der Großen National-Mutter-Loge der Preußischen Staaten genannt zu den drei Weltkugeln nebst der Beschreibung ihrer Säcularfeier. Berlin 1840, S. 5–7.
1 Bemerkung des Herausgebers Franz August von Etzel: In derselben Versammlung, in welcher die Statuten angenommen worden waren, wurde ferner beschlossen: daß alle bisher in dieser Loge aufgenommenen Brüder, wirkliche (stimmfähige und Beitrag leistende) Mitglieder derselben sein sollten. / Es war nämlich damals Gebrauch, daß ein Maurer durch die Aufnahme oder Beförderung in einer Loge, nicht zugleich die Mitgliedschaft derselben erhielt, sondern nur im Allgemeinen ein Freimaurer geworden war, und zum Mitgliede der Loge noch besonders vorgeschlagen und durch hellleuchtende Ballotage angenommen werden mußte. So lange dies nicht geschehen war, wurden die Brüder als Visiteurs (Besuchende) aufgeführt. 196
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III) Ordens-Statuten der Großen Nationalmutterloge zu den drei Weltkugeln, 1799 DIE ORDENS-STATUTEN. Cap. I. Von Gesetzen überhaupt, und von Freymaurer-Gesetzen insbesondere. §. 1. Gesetze sind nothwendig, damit ein jeder wisse, was er thun oder lassen soll. §. 2. Aus diesem Grunde kann keine menschliche Gesellschaft ohne Gesetze bestehen. §. 3. Ein jeder Staat hat seine Gesetze, und da der Freymaurer-Orden nicht Status in Statu ist, so sind auch die Freymaurer den Gesetzen des Staats unterworfen. §. 4. Die Freymaurerey ist aber ein Orden, das heisst, sie ist eine Gesellschaft von Männern, die sich im Staate zu besonderen Verpflichtungen verbunden haben; diese Verpflichtungen müssen daher einem jeden ihrer Mitglieder genau bekannt seyn, wenn sie beobachtet werden sollen. §. 5. Sie ist ein Orden, und dies Prädicat deutet schon auf vorzügliche Ordnung, so wie solches bey allen Associationen, die diesen Namen führten, dieselbe Bedeutung hatte. §. 6. Alle Orden, in älteren und neueren Zeiten, hatten Statuten und haben sie noch. Der Freymaurer-Orden muss daher, ausser den allgemeinen Gesetzen des Staats, annoch besondere auf die Verfassung seiner Bundeskette sich beziehende Gesetze haben, aus welchen jedes Glied derselben seine besondere Pflichten als Freymaurer entnehmen kann. §. 7. Diese besondern Gesetze sind in folgenden Capiteln enthalten, und sie werden allen Brüdern zur genauesten Befolgung von Ordens wegen kräftigst anempfohlen, mit der brüderlichen Ermahnung, stets eingedenk zu seyn, dass der Geist der wahren Maurerey ein Geist der Ordnung ist. Cap. II. Von der Denkungsart eines Freymaurers nach dem Geiste des Ordens. §. 1. Ein Freymaurer muss sich eine freye und ungezwungene Denkungsart zu eigen zu machen suchen; eine Denkungsart, die frey von Vorurtheilen und der Gewalt der Leidenschaften nicht unterworfen ist. §. 2. Nach dem Geiste des Ordens kennt der Freymaurer weder Unglauben noch Aberglauben; er prüft, bevor er glaubt; er weiss aber auch, dass es Wahrheiten giebt, wo mathematische Gewissheit in dieser sterblichen Hülle dem Menschen noch nicht gestattet ist, und wo ein vernünftiger Glaube an deren Stelle treten muss. 197
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§. 3. Der Freymaurer hegt eine tiefe Verehrung gegen die Religion. Sie ist die Grundfeste seiner ganzen Denkungsart. §. 4. Der Unterschied der Stände und des Glücks gilt nach seinen Begriffen nichts. Das Laster bleibt ihm in der Hoheit so gehässig, als im Staube, die Tugend in der armseligen Hütte so liebenswürdig als auf dem Throne. §. 5. Sein Herz fühlt tief das Unglück der leidenden Menschheit. Er hilft selbst, wo er helfen kann, bewirkt Hülfe, wo sie zu erlangen ist, trauert, wo alle Rettungsmittel aufhören, und übergiebt sodann vertrauensvoll dem allein die Sorge, der die Schicksale der Menschen in seiner Gewalt hat. §. 6. Er nimmt Theil an den Freuden beglückter Menschen, fühlt sie mit Wärme und kennt keinen Neid. §. 7. Freundschaft und Bruderliebe durchweben die tiefsten Falten seines Herzens; sie sind die Triebfedern aller seiner Handlungen. §. 8. Er ist jedoch vorsichtig, obgleich liebreich und zuvorkommend; er beleidigt nie wissentlich, er duldet mit Langmuth, vergiebt grossmüthig, und ist unerschütterlich auf dem Wege des Rechts. §. 9. Der Freymaurer, dessen Denkungsart dem Geiste des Ordens vollkommen entspricht, kennt keinen Eigennutz; Ordnung aber ist die Seele seiner ökonomischen Verhältnisse. §. 10. Er ist gefällig gesinnt in allem, was recht, gut und ehrbar ist; aber gestählt und gepanzert gegen jedes unlautere Ansinnen. §. 11. Er ist beständig und beharrlich im Guten, so wie man ihn einmal gesinnt findet, so ist er immer. §. 12. Die Verschwiegenheit ist ihm besonders eigen, denn der Orden hat ihn gelehrt, ein Geheimniss zu bewahren. Wer ihm etwas anvertraut, der ist sicher, dass das Anvertraute bey ihm vergraben ist. §. 13. Die Behutsamkeit ist die Leiterin seiner Worte und seiner Handlungen, ohne die Offenheit zu hindern, die einem vorwurfsfreyen Manne wohl ansteht. §. 14. Er ist endlich unerschrocken. Sein Muth und seine Standhaftigkeit sind unerschütterlich, wenn es auf den Kampf des Guten gegen das Böse, auf die Verschwiegen198
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heit, auf die Treue gegen den Orden und gegen seine Pflichten als Christ, als Maurer, als Unterthan, als Bürger des Staats und als rechtschaffener Mann ankommt. §. 15. Nach einer solchen Denkungsart eifrigst zu streben, ist ein jeder Freymaurer verbunden, und wenn die menschliche Unvollkommenheit es gleich nicht zulässt, diese Höhe ganz zu erreichen, so verlangt doch der Orden, dessen Zweck es ist, die Menschen zu vervollkommnern, dass er, zufolge der feyerlichst übernommenen Pflicht, nach allen seinen Kräften diesem Ideal maurerischer Vollkommenheit möglichst nahe zu kommen suche. Cap. III. Von dem Betragen eines Freymaurers in der äussern Welt überhaupt. §. 1. Der Freymaurer muss es nicht immer im Munde haben, dass er ein Freymaurer ist, denn dies zeugt von einem kindischen Leichtsinne. §. 2. Dagegen wird er es nicht läugnen; denn warum sollte er sich des Ordens schämen, der sich bestrebt, Humanität und Rechtschaffenheit zu befördern und den Menschen zu vervollkommnern? §. 3. Der Freymaurer kann unbedenklich an erlaubten Freuden in der äusseren Welt Theil nehmen, denn er soll kein Sonderling seyn. Noch mehr, er muss sich in allem, was anständig ist und die guten Sitten nicht beleidiget, von denen, in der Sprache des Ordens, sogenannten Profanen nicht unterscheiden. §. 4. Er kann also, in dem ganzen Sinne des Worts, mit den Fröhlichen fröhlich seyn; jedoch nur in so weit, als seine äusseren Verhältnisse, Anstand und Würde es gestatten. §. 5. Der Freymaurer muss im Essen und Trinken mässig seyn und sich dabei keine Ausschweifungen zu Schulden kommen lassen. §. 6. Er muss sorgfältig alles vermeiden, was den guten Sitten zuwider seyn und seinen guten Ruf auf die entfernteste Weise in ein nachtheiliges Licht stellen könnte. Schon in der profanen Welt liegt dieses jedem rechtschaffenem Manne ob; der Freymaurer aber muss sich doppelt darnach bestreben und in jedem Verhältnisse seines Lebens Humanität, Biedersinn, Herzlichkeit, Leutseligkeit, desgleichen Anhänglichkeit an seine Amtsund Unterthanspflichten gegen den Regenten und das Vaterland beweisen. §. 7. Dies alles aber muss der Freymaurer nicht selbst an sich rühmen. Er muss bescheiden, im ganzen Umfange des Worts, seyn. Wohl ihm, wenn nicht er damit zu leuchten strebt, sondern seine Mitbürger dieses alles an ihm wahrnehmen!
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§. 8. Der Freymaurer muss behutsam im Reden seyn, nichts leichtsinnig behaupten und nicht mit Ungestüm oder wohl gar beleidigend widersprechen. §. 9. Ausschweifungen im Spiele, besonders aber Theilnahme an solchen Spielen, die der Staat nicht gestattet, werden dem Freymaurer, von Ordenswegen, durchaus untersagt. Cap. IV. Von dem Betragen eines Freymaurers in der äusseren Welt als Christ. §. 1. Der Freymaurer muss ein aufrichtiger und freymüthiger Bekenner der christlichen Religion seyn. §. 2. Von einem Freymaurer lässt es sich nicht denken, dass der Geist des Ordens ihn so verlassen, und er so weit herabsinken könne, ein Spötter der Religion zu werden. §. 3. Der Freymaurer muss die Gebräuche der Kirche, zu welcher er sich bekennt, in Ehren halten und zu vermeiden suchen, dass er nicht durch Vernachlässigung oder Geringschätzung derselben seinen Nebenchristen einen Anstoss gebe. §. 4. Tiefe Verehrung Gottes, beständige Erinnerung an die Allgegenwart dieses höchsten Wesens, Bekanntschaft mit seinen Eigenschaften, reine aufrichtige Liebe gegen ihn, innige Dankbarkeit für seine Wohlthaten und eifriges Bestreben, einen ihm wohlgefälligen Lebenswandel zu führen; dies alles muss dem Freymaurer heilige Pflicht seyn. §. 5. Da aber der Orden keine bestimmte Dogmen einer oder der andern christlichen Religionsparthey lehrt, oder seinen Mitgliedern vorschreibt; so ist es Pflicht des Maurers, weder durch Spott noch durch leichtsinnige Reden darüber seine Brüder oder auch Profane in ihrem Glauben zu stören. §. 6. Die erhabenen Lehren des Evangeliums sind so vortreflich und enthalten so herrliche sittliche Lebensregeln, dass der Freymaurer, wenn er sie nach seiner Christenpflicht treulich befolgt, zugleich seine Pflichten als Freymaurer vollkommen erfüllt. Sie werden daher jedem Bruder Freymaurer, von Ordenswegen, auf das allerangelegentlichste als Richtschnur seines Lebenswandels anempfohlen, denn die Lehren des Christen thums sind die Grundfeste des maurerischen Bundes. Cap. V. Von dem Betragen eines Freymaurers in der äusseren Welt als Staats-Bürger, als Geschäfts-Mann, als Soldat und in seinem Privat-Leben. §. 1. Der Freymaurer muss, im strengsten Sinne, ein treuer Unterthan des Regenten und ein rechtschaffener, seiner gesetzlichen Obrigkeit und den Gesetzen seines Vaterlandes, oder des Landes, in welchem er sich aufhält, ergebener und vollkommen gehorsamer Staats-Bürger seyn.
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§. 2. Er muss sich nie ungebührliche Reden gegen die Verfassung des Landes oder die Regierung erlauben, noch vielweniger sich mit übelgesinnten Menschen in Verbindungen einlassen, vielmehr muss er dergleichen Leute wie eine Pest fliehen. §. 3. Als Geschäftsmann macht es ihm der Orden zur besonderen Pflicht, seine Amtsgeschäfte mit doppelter Treue, mit unermüdetem Fleisse und mit immer gleichem Eifer und gleicher Pünktlichkeit zu verrichten. §. 4. Als Soldat ruhet der Seegen des Ordens auf ihm, wenn er, unter dem Lebewohl seiner Brüder, gegen die Feinde des Vaterlandes zu Felde ziehet, und Leben, Gut und Blut zur Vertheidigung desselben waget. Alsdann fühlt er doppelt seine Freymaurer-Würde; denn indem er mit der Unerschrockenheit eines Freymaurers den Gefahren entgegen eilet, die sein Vaterland bedrohen, vertheidigt er zugleich den Orden und seine Brüder. Aber seine Ordenspflicht legt es ihm dabey auch heilig auf, mitten im Getümmel der Waffen Menschlichkeit in seinem Busen zu fühlen, und selbige gegen seine Untergebene, gegen jeden Wehrlosen und selbst gegen den überwundenen Feind thätig zu üben. §. 5. Es ist Pflicht eines Freymaurers, in seinem Privatleben ein gehorsamer Sohn, ein liebevoller Bruder, ein treuer Ehemann und ein guter Vater zu seyn. In seiner Haushaltung muss er durch Rechtschaffenheit, Gerechtigkeit, Ordnung und einen christlichen Lebenswandel allen Gliedern derselben ein gutes Beyspiel geben. Seine Kinder muss er in der Furcht des Herrn und zu treuen rechtschaffenen Unterthanen erziehen, sie zu nützlichen Staatsbürgern bilden, und ihre jungen Herzen mit der äussersten Sorgfalt zur Tugend formen. Sein Gesinde muss er mit der Weisheit, die ihn der Orden lehrt, regieren, es mit Duldung und Schonung behandeln, und stets eingedenk seyn, dass auch sie Menschen sind, und dass der Orden von ihm verlangt, nicht auf äusserliche Vorzüge stolz zu seyn. §. 6. So wenig der Orden den Werth seiner Mitglieder nach ihrem zeitlichen Vermögen schätzt, so sehr macht er es doch einem jeden zur Pflicht, sich nicht nur der Verschwendung, sondern auch der Unordnung in Rücksicht desselben zu enthalten, da diese eine Quelle der sträflichsten Verirrungen und namenlosen Trübsale für ihn und die Seinigen werden. Cap. VI. Von dem Betragen eines Freymaurers in der äusseren Welt gegen uneingeweihete Nebenmenschen, oder, in der Sprache des Ordens, gegen sogenannte Profane. §. 1. Der Freymaurer muss seinen Nebenmenschen deshalb, weil er kein Eingeweiheter ist, nicht verachten, ihm auf keinen Fall und in keiner Art es fühlbar machen, dass er gegen ihn Vorzüge zu haben glaubt, auch ihn, wenn er es sonst verdient und seine weltlichen Verhältnisse es mit sich bringen, in seinem freundschaftlichen Betragen gerade eben so liebreich behandeln, als ob er ein Eingeweiheter wäre. 201
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§. 2. Gegen weltliche Vorgesetzte muss der Freymaurer ehrerbietig, gegen Untergebene in Amtsgeschäften ernsthaft, ohne Stolz, ausserdem aber freundlich und herablassend seyn §. 3. Der Freymaurer ist friedlich, sucht keine Händel, und vermeidet mit Klugheit alle Verwickelungen mit zänkischen Menschen. §. 4. Kaltblütigkeit beseelt ihn, sowohl in Amtsgeschäften, als auch in seinem Privatumgange mit Uneingeweiheten. Ist er von Natur auffahrend und colerischen Temperaments, so erfordert es seine Ordenspflicht, dass er auf seiner Hut sey und sorgfältig über sich wache. §. 5. Der Freymaurer in hohen Aemtern ist leutselig und herablassend, spricht mit jedermann, wes Standes er sey, der sich an ihn wendet und seiner bedarf, und hilft gern auch Uneingeweiheten, wenn es seine Pflicht erlaubt. §. 6. Kein ächter Freymaurer ist neidisch oder rachgierig; er übervortheilt keinen, er ist offen, gerade und hasset die Verstellung. §. 7. Der Freymaurer ist mitleidig gegen Nothdürftige; er hilft gern, jedoch nicht öffentlich und auf den Gassen, damit es ein jeder sehe, sondern in der Stille, da, wo wahre Noth ist und ohne stolzes Gepränge. Cap. VII. Von dem Betragen eines Freymaurers in der äusseren Welt gegen andere Freymaurer. §. 1. Wenn Freymaurer die sich kennen, sich begegnen, so müssen sie, in der vorgeschriebenen Art, sich freundschaftlich und brüderlich begrüssen und sich die schuldige Achtung beweisen. §. 2. Wenn Freymaurer in Gegenwart von Uneingeweiheten mit einander sprechen, so müssen sie sich sorgfältig in Acht nehmen, dass auch der allerverschlagenste nichts entdecke oder höre, was ihnen Gelübde und Pflicht gebeut, geheim zu halten. §. 3. Zur Entdeckung fremder Brüder muss sich der Freymaurer nur solcher Mittel bedienen, die der Orden vorschreibt und sich mit Klugheit davor hüten, dass ihn kein Uneingeweiheter hintergehe. §. 4. Entdeckt aber ein Freymaurer von einem Fremden, dass er wirklich zum Orden gehört und hat er sich ganz davon überzeugt, (wozu die Vorzeigung eines gültigen Certificats unumgänglich nöthig ist,) dann ist es seine Pflicht, diesem fremden Bruder allen Beystand zu leisten, ihn mit den Freymaurern des Orts bekannt zu machen, ihn zu den 202
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Versammlungen zu führen und während seines Aufenthalts sich in allen Stücken seiner thätig anzunehmen. §. 5. Freymaurer müssen unter sich allen Widerwillen, alle Zänkereyen, Streitigkeiten, Verleumdungen, üble Nachreden und Feindschaft mit der äussersten Sorgfalt vermeiden. §. 6. Wenn unglücklicherweise und wider Vermuthen ein Freymaurer von einem Bruder, er sey von derselben oder einer andern Loge, beleidiget wird und sie können unter sich nicht wieder einig werden, so ist, bevor noch ein grösseres Uebel daraus entsteht, der Beleidigte verbunden, es dem vorsitzenden Meister seiner Loge anzuzeigen. Gehören beide Brüder zu Einer Loge, so wird der Streit ohne weiteres Aufsehen in der Loge selbst brüderlichst geschlichtet; wobei der Klugheit und Vorsicht des Meisters die Wahl der zweckdienlichsten Mittel überlassen wird. Sind die Entzweyeten aber von verschiedenen Logen, so treten hierzu beyde Logen-Meister zusammen und kommen wegen der Mittel zu diesem guten Werke überein. §. 7. Sollte einer der im Streite Begriffenen so erbittert seyn, (welches sich jedoch von einem Freymaurer, der seines Gelübdes eingedenk ist, gar nicht denken lässt) dass er sich schlechterdings nicht vertragen und seinem Gegner nicht verzeihen wollte, sodann schreibt das Cap. XIV. von Strafen und Belohnungen der Freymaurer, vor, was hierunter zu thun ist. §. 8. Einem Freymaurer wird aber, von Ordenswegen, untersagt, bey einer von einem Bruder erlittenen, persönlichen Beleidigung zu den Landesgesetzen seine Zuflucht zu nehmen und die Klage bey der weltlichen Obrigkeit anzubringen, bevor er nicht mit seinem Meister darüber Rücksprache genommen und, im Fall er nicht bey dessen Rath sich beruhigen könnte, die Sache der Meister-Loge vorgelegt hat. Von selbst versteht es sich, dass dies nicht von Prozessen gemeint ist, wobey es auf zweifelhafte Rechte, oder Eigenthum von Familien oder auch von einzelnen Personen ankömmt; diese kann ein Freymaurer auch gegen Ordens-Brüder führen, und die Entscheidung im Wege Rechtens suchen, nur muss es schlechterdings ohne Feindschaft und Bitterkeit geschehen, welches ihm von Ordenswegen zur besonderen Pflicht gemacht wird, und die Einigkeit im brüderlichen Umgange mit seinem Gegner muss nicht im mindesten dabey verlieren. Unbenommen bleibt es aber auch dann beiden Partheyen, im Fall sie durch einen Vergleich den Streit schlichten zu können glauben, die Vermittelung ihres vorsitzenden Meisters oder anderer Brüder nachzusuchen. §. 9. Es versteht sich von selbst, dass der Freymaurer alle diejenigen Pflichten, die ihm Cap. VI. gegen Uneingeweihete aufgelegt werden, gegen seine Ordensgenossen noch in einem weit höheren Grade auszuüben verbunden ist. 203
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§. 10. Jedoch verbindet ihn die Maurer-Pflicht nicht, zum Vortheil eines Bruders gegen seine Amtspflicht zu handeln, vielmehr gebeut ihm der Orden, die Bruderpflicht zurückzusetzen, wenn er sie nicht ohne Verlezzung seiner Amtspflicht, oder ohne Beeinträchtigung oder Kränkung selbst eines Uneingeweiheten, erfüllen kann. Ein Freymaurer muss aber jeden einzelnen Fall der Art, in welchen er sich gesetzt befindet, kaltblütig und unbefangen erwägen und erst nach reiflicher Ueberlegung entscheiden; wobey Partheylosigkeit und Gerechtigkeit die Grenzlinie ziehen müssen. Kann ein Freymaurer hierüber mit sich selbst nicht einig werden, so bleibt es ihm unbenommen, den Fall einem vertrauten Bruder oder seinem vorsitzenden Meister unter vier Augen vorzutragen und sich dessen brüderlichen Rath auszubitten; wobey diesem jedoch zur Pflicht gemacht wird, nicht ohne reifliche Ueberlegung zu entscheiden, sondern vielmehr, wenn es nöthig ist, sich lieber Bedenkzeit auszubitten, um die Sache in genauere Ueberlegung nehmen zu können. §. 11. Wenn ein Freymaurer mit einem Bruder in Gesellschaft ist, der so unglücklich gewesen, sich zu vergessen und mehr Wein zu trinken, als seine physischen Kräfte es zu ertragen vermochten, so erfordert seine Maurerpflicht, dass er sich dieses Bruders mit Klugheit annehme, ihn auf eine gute Art aus der Gesellschaft zu entfernen suche und in Sicherheit bringe, damit alles Aufsehen möglichst vermieden werde. §. 12. So ist auch ein Freymaurer verbunden, einem Bruder, der in seiner Gegenwart unmaurerisch spricht oder handelt, mit Vorsicht, Schonung und Sanftmuth solches bemerklich zu machen und ihm seine Maurerpflicht in Erinnerung zu bringen. Jedoch muss solches ohne Aufsehen und ohne dass irgend ein Uneingeweiheter es bemerken kann, geschehen. Ist der Uebertreter seiner Ordenspflicht taub gegen diese brüderliche Ermahnungen, erwiedert er sie mit Ungestüm und fährt unablässig fort, so muss, besonders wenn die Ehre des Ordens darunter leidet, der ermahnende Bruder zwar schweigen und allen Anlass zu einem noch unangenehmeren Auftritte vermeiden, den Fall aber seinem vorsitzenden Meister anzeigen. §. 13. Ein Freymaurer ist verbunden, einen Streit oder eine sonstige Unannehmlichkeit, in welche sich etwa ein Bruder in seiner Gegenwart durch seine Unvorsichtigkeit hat verwickeln lassen, mit Klugheit und Sanftmuth möglichst auszugleichen und beyzulegen. §. 14. Auch ist es die Pflicht eines Freymaurers, wenn in seiner Gegenwart ein Bruder verleumdet oder ihm etwas übles nachgeredet wird, den Verleumder mit Sanftmuth zurechte zu weisen, und, ohne ihn geradezu Lügen zu strafen, mit kaltem Blute unter dem vorsichtigen Vorwande: er müsse falsch unterrichtet seyn, die Anwesenden eines andern zu belehren.
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Cap. VIII. Von dem Betragen eines Freymaurers im Orden selbst, überhaupt. §. 1. Ein Freymaurer muss seinem Orden vollkommen zugethan seyn, und bey jeder Gelegenheit Achtung und Anhänglichkeit gegen denselben zu erkennen geben. §. 2. Gegen seine Ordens-Vorgesetzten muss er ehrerbietig und folgsam, gegen alle Brüder liebreich und sanftmüthig sich betragen. §. 3. Hat er ein Amt in der Loge, so muss er in allen seinen Amtsverrichtungen seinen Brüdern mit Liebe begegnen. §. 4. Sein Eifer muss nie erkalten und den jüngeren Brüdern muss er hierunter immer mit gutem Beispiele vorgehen. §. 5. Das Betragen gegen Brüder, welches Cap. VII. in der äusseren Welt den Freymaurern vorgeschrieben wird, muss er im Orden selbst, und, wenn er unter lauter Brüdern ist, noch weit genauer und strenger beobachten, weil ihn sodann keine äussere Rücksichten abhalten können, sich ganz als Maurer zu zeigen. §. 6. Freymaurer sollen, ohne des vorsitzenden Meisters Erlaubniss, keine besonderen Zusammenkünfte halten. §. 7. Keine Gesellschaft oder Anzahl von Brüdern soll sich von der Loge, darinn sie als Freymaurer angenommen worden, absondern, es sey denn, dass die Loge zu zahlreich werde; dann muss der Umstand dem Alt-Schottischen Directorio der Grossen NationalLoge einberichtet und die Constitution einer neuen Loge nachgesucht werden. §. 8. Wenn über einen Freymaurer Klage geführt wird, so soll er sich dem Urtheile seines vorsitzenden Meisters unterwerfen. Glaubt er sich dabey nicht beruhigen zu können, so sind die in geöffneter Loge gesetzlich versammelten Brüder Meister seiner Loge die zweyte Instanz, an welche er sich wenden kann; und wenn er auch mit diesem Ur theile, welches nach Mehrheit der Stimmen abgefasst wird, nicht zufrieden ist, so bleibt ihm noch übrig, auf die Entscheidung des Directorii der Grossen National-Loge zu provociren, welches sodann in letzter Instanz entscheidet, wobey er sich beruhigen muss. §. 9. Freymaurer sollen sich alles ungünstigen Urtheils über ihre Ordens-Vorgesetzten, oder über die Verfassung der Loge, oder über die Zwecke der Maurerey enthalten; und in ihren Unterredungen sich dergleichen Aeusserungen, die einen Mangel an Sachkenntniss verrathen, und die besonders jüngeren Brüdern zum Anstoss gereichen können, nicht zu Schulden kommen lassen. Ueberdem fruchtet beständiges Tadeln, es sey öffentlich oder insgeheim, nichts. Es schadet vielmehr offenbar, denn der Splitterrichter versäumt, indem er immer auf andere sieht, seine eigene Pflicht, und gerade durch ihn, nicht 205
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durch diejenigen, welche er unbrüderlich beurtheilt, leidet das allgemeine Wohl des Ordens und der Loge, zu der er gehört, insbesondere am meisten. Dagegen frommet brüderliche Zurechtweisung einzelner Theile unter vier Augen. Sie ist in dem Geiste des Ordens, bringt Verirrte wieder auf die rechte Bahn, und entflammt den erkalteten Eifer. Hat ein Bruder gegründete Beschwerden, so muss er sie bey seinem vorsitzenden Meister anbringen, und wenn dieser ihnen nicht abhilft, oder sie treffen den vorsitzenden Meister selbst; so steht es jedem Freymaurer frey, sie schriftlich beim Directorio einzureichen. §. 10. Aeltere Freymaurer sollen mit jüngeren Brüdern fleissig umgehen, in den Zusammenkünften sich mit ihnen unterhalten, offen, brüderlich und herzlich sich gegen sie betragen, und ihnen durch den Umgang recht bemerkbar machen, dass unter Freymaurern kein anderer Unterschied statt findet, als der, den die Ordnung bey der Arbeit gebietet. §. 11. Ein jeder Freymaurer muss sich von seinen Ordenspflichten in seinem jedesmaligen Würkungskreise genau unterrichten, und sie sowohl in- als ausserhalb den Logen pünktlich zu erfüllen sich bestreben; alsdann es nicht fehlen kann, dass ein vollkommenes Ganze daraus entstehen muss. §. 12. Wenn einem Freymaurer bekannt wird, dass einem Bruder seiner Loge eine bedeutende Krankheit zugestossen, oder ihm ein Unglücksfall begegnet ist, oder dass er sonst einen unangenehmen Vorfall gehabt hat und durch unerwartete Ereignisse in eine bedenkliche Lage oder in dürftige Umstände gesetzt worden, so hat er zuförderst möglichst genau von allem Erkundigung einzuziehen und sodann seinem vorsitzenden Meister, dem Deputirten-Meister, oder einem der Vorsteher davon Anzeige zu thun, welche das weitere besorgen werden. §. 13. Wenn gerade eine Logen-Versammlung eintritt, so kann diese Anzeige auch in geöffneter Loge geschehen. §. 14. Die strenge Maurerpflicht erfordert, dass jeder Bruder, den der Meister auffordert, einen kranken Bruder zu besuchen, ihm Gesellschaft zu leisten, oder einen bedrängten unglücklich gewordenen Bruder aus seiner Lage durch Rath und That herauszureissen, sich ohne die allermindeste Widerrede willig und bereit dazu finden lasse und es sich zur wahren Ehre anrechne, dass ihn der Meister eines solchen wichtigen Auftrags würdig gehalten, und ihn aus allen Kräften der Erwartung entsprechend erfülle. §. 15. Unterstützung an Gelde verlangt indessen der Orden von einzelnen Brüdern nicht, denn diese soll nur, wo es Noth thut und die Umstände es gestatten, die allgemeine Armen-Casse leisten; wohl aber Unterstützung nach allen Kräften durch guten Rath, Vermittelung, Verwendung und alle sonstige Beyhülfe, und zwar unermüdend, bis der unglücklich gewordene Bruder aus seiner bedenklichen Lage herausgerissen ist. 206
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Cap. IX. Von dem Verhalten des Freymaurers in geöffneter Loge. §. 1. Es erfordert das strenge Ordensgesetz, dass keine andere als eine gesetzmässig vom vorsitzenden Meister, oder in dessen Abwesenheit, durch den Deputirten-Meister, oder in dessen Abwesenheit, durch den ersten Vorsteher im gewöhnlichen Logen-Hause zusammen berufene Loge geöffnet werden kann. §. 2. Jede vom vorsitzenden Meister, dem Deputirten-Meister oder dem ersten Vorsteher nicht zusammen berufene Loge und die darinnen unternommene Arbeit ist ungesetzmässig und sträflich. §. 3. Ein jedes Mitglied der arbeitenden Loge ist verbunden, sich auf erlassene Zusammenberufung derselben zur gesetzten Zeit einzufinden, oder gültige Gründe seines Aussenbleibens schriftlich anzugeben; auch den Beytrag zur Armen-Casse einzuschicken. §. 4. Ein Bruder, der, ohne sich schriftlich entschuldigt zu haben, ausbleibt, erlegt einen doppelten Beytrag zur Armen-Casse, welcher Tages nachher durch den dienenden Bruder eingefordert wird. §. 5. Wenn ein Bruder sich zwar schriftlich entschuldiget, den Armen-Beytrag aber nicht eingeschickt hat, so wird derselbe andern Tages von dem dienenden Bruder eingefordert, jedoch hängt es in diesem Falle von dem ausgebliebenen Bruder ab, was er zur Armen-Casse geben will. §. 6. Beamte müssen ohne dringende Abhaltungen nie die Logen-Arbeiten versäumen. §. 7. Wenn mehrere mit einander vereinigte Logen an einem Orte zusammen sich befinden, so sind zwar die Mitglieder der nicht arbeitenden Loge, sobald es keine Instructions-Loge ist, nicht durchaus verbunden, der Arbeit beyzuwohnen; indessen wird es ihnen, besonders wegen der fortlaufenden Vorlesung der Statuten, zum Nutzen gereichen, wenn sie auch andere Logen fleissig besuchen. §. 8. Instructions-Logen aber sind sämmtliche an einem Orte befindliche Brüder verbunden, zu besuchen, es mag ihre oder eine andere mit ihr verbundene Loge arbeiten. Die ritualmässigen Instructionen enthalten hierüber die näheren Bestimmungen, wornach sich ein jeder Freymaurer richten muss. §. 9. Sobald eine Loge zur Arbeit im Vorzimmer versammelt ist, und der Bruder Ceremonien-Meister die Brüder auffordert, sich zur Arbeit anzuschicken, so muss ein jeder sich sogleich ankleiden und ins Logenzimmer treten. Dabey erfordert es die Ordnung, dass keiner zurückbleibe, sondern ein jeder der Aufforderung gleich genüge.
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§. 10. Sobald die Brüder in das Logenzimmer getreten sind, so hört alles Gespräch auf; ein jeder tritt auf seinen Platz und bleibt auf demselben stehen. §. 11. Nachdem die Loge geöffnet ist, muss ein Jeder die grösste Stille beobachten und selbst mit seinem Nachbar nicht sprechen; auch keiner ohne Erlaubniss oder Aufforderung des Meisters von seinem Platze weggehen. §. 12. Wenn ein Bruder etwas vorzutragen hat, so muss er sich das Wort ausbitten, und wenn er die Loge decken will, die Erlaubniss dazu nachsuchen. §. 13. Es darf aber kein Bruder ohne Erlaubniss die Loge verlassen, wenn es auch nur auf einen Augenblick wäre; wofür der wachthabende Bruder verantwortlich ist. §. 14. Wenn in einer geöffneten Conferenz-Loge Gegenstände debattirt werden, so dürfen schlechterdings nicht mehrere Brüder zu gleicher Zeit sprechen, sondern nur allein der, welcher das Wort hat. Wenn daher ein Bruder gegen die Behauptung oder die Meinung des sprechenden Bruders etwas einzuwenden hat, so muss er ihn erst ganz ausreden lassen und sich sodann das Wort erbitten. §. 15. Wenn sich dennoch mehrere Brüder verleiten lassen, in den Debatten zugleich zu reden, so muss der vorsitzende Meister nicht säumen, dieser Unordnung durch den Stillschweigen gebietenden Hammerschlag sogleich Einhalt zu thun. §. 16. Während einer Aufnahme wird kein Bruder, der sich etwa verspätet hat und an der Thüre sich meldet, eingelassen, sondern er muss so lange im Vorzimmer warten, bis die Aufnahme vollendet ist, oder bis der Meister eine schickliche Pause findet, während welcher er ihm erlauben kann, einzutreten. §. 17. Da die Verschwiegenheit eine der Haupteigenschaften eines ächten Freymaurers ist, so soll jeder Bruder verpflichtet seyn, sie bey aller Gelegenheit mit der äussersten Strenge zu beobachten und stehet hierunter folgendes unwandelbar fest: a. Es soll sich kein Freymaurer gegen einen Bruder eines untern Grades das mindeste von dem merken lassen, was in der Versammlung eines höhern Grades geredet oder verhandelt worden, selbst wenn es auch nicht Ritualien, Instructionen, Kenntnisse und Gebräuche beträfen. b. Wenn in einer Conferenz-Loge der Meister oder ein Bruder etwas vorträgt, oder es wird über etwas debattirt, worüber der Meister den versammelten Brüdern das strengste Stillschweigen gegen die nicht zugegen gewesenen Brüder anempfiehlt, so muss dieser Befehl heilig seyn. Dasselbe findet auch bey einem zu einer besonderen Verrichtung versammleten Ausschuss von Meistern oder andern Brüdern statt.
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c. Wenn der Meister einem Bruder einen Auftrag giebt und ihm dabey strenges Stillschweigen anempfiehlt, so ist die Bewahrung dieses Geheimnisses seine erste und unverbrüchlichste Pflicht. Cap. X. Von dem Verhalten eines Freymaurers bey der Tafel-Loge. §. 1. Das anständige Vergnügen der Brüder ist der Zweck der Tafel-Loge. §. 2. Sie ist jedoch so, wie jede andere Arbeit, der gesetzlichen Ordnung unterworfen, daher die Brüder gekleidet dabey erscheinen. §. 3. Sobald angerichtet ist, werden die Brüder durch den Ceremonien-Meister eingeladen, ins Tafel-Zimmer zu treten. Der Ceremonien-Meister ist der letzte, er kündigt dem Meister an, dass die Brüder versammlet sind und lässt die Thüren verschliessen. §. 4. Wenn die Loge eröffnet ist, wird sie zwar, um das Vergnügen der Brüder bey Tische nicht zu stören, gleich wieder suspendirt; allein sobald der Hammerschlag des Meisters die Eröffnung wieder ankündiget, so muss augenblicklich die grösste Stille wieder eintreten. §. 5. Während der Suspension der Loge ist es jedem Bruder erlaubt zu sprechen; sobald aber der Hammerschlag des Meisters die Wiedereröffnung angekündiget hat, muss jeder Bruder, wenn er sprechen will, das Wort sich ausbitten. §. 6. Die Loge decken darf aber kein Bruder ohne Erlaubniss. §. 7. Lautes unanständiges Gelächter, lauter Streit und dergleichen wird untersagt, und übermässiger Gebrauch des Tranks lässt sich bey der Tafel-Loge von einem Freymaurer nicht denken. §. 8. Nach geschlossener Tafel-Loge muss jeder Freymaurer sich ruhig nach Hause begeben, und Trink- oder Spielgesellschaften nach den Tafel-Logen müssen schlechterdings nicht statt finden; wofür der vorsitzenden Meister und die Vorsteher verantwortlich sind. Cap. XI. Von den Freymaurer-Gesellschaften. §. 1. Es ist den Brüdern Freymaurern erlaubt, auch ausser den Logen-Tagen zum gemeinschaftlichen Vergnügen und zur Beförderung des brüderlichen Umgangs, zu Spielund Tischgesellschaften in dem Logen-Hause sich zu versammlen. §. 2. Hierbey müssen die Brüder aber stets eingedenk seyn, dass sie Freymaurer sind, und sich als solche betragen.
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§. 3. Das Spiel muss so eingerichtet seyn, dass der grösste Verlust gleichgültig bleibt. Ein Freymaurer kann und muss nicht die Absicht haben, sich auf Kosten seines Bruders zu bereichern. §. 4. Bey den Tischgesellschaften wird keine Tafel-Loge eröffnet, auch kein maurerisches Ceremoniel beym Gesundheit-Trinken beobachtet, daher auch allenfalls einige Uneingeweihete mit zugelassen werden können. Doch ist es gestattet, während der Tafel, Freymaurer-Lieder zu singen. §. 5. Uebrigens muss aber, so wie bey der Tafel-Loge, Anstand die Seele der Gesellschaft seyn, sonst dergleichen Gastmähler nicht gestattet werden können. §. 6. Bey einer solchen Tischgesellschaft wird eben so, wie bey der Tafel-Loge, für die Armen gesammlet. Cap. XII. Von der Arbeit eines Freymaurers. §. 1. Was eigentlich die Arbeit eines Freymaurers ist, dies wird in der Arbeit selbst gelehrt. §. 2. Das Gesetz sagt aber, dass der Freymaurer fleissig in seiner Arbeit seyn, und sich keine Vernachlässigung zu Schulden kommen lassen soll. §. 3. Ferner sagt das Gesetz, dass der Freymaurer, nach Maassgabe seiner Arbeit, den Lohn empfangen soll. Er mag sich also wohl vorsehen, dass seine Arbeit tüchtig befunden werde. §. 4. Es soll kein Freymaurer auf des andern Arbeit eifersüchtig oder neidisch seyn, denn es hängt ja von ihm ab, sich zu beeifern eben so gut zu arbeiten. §. 5. Vorzüglich muss der Freymaurer sein eigenes Innere treulich bearbeiten; sich zuförderst selbst genau kennen lernen, damit er wisse, was er für Leidenschaften vorzüglich zu bekämpfen, und was für Neigungen er abzulegen habe. §. 6. Dazu muss er treulich die Hand ans Werk legen, und wenn er sich selbst nicht stark genug fühlt, sich einen Busenfreund, einen treuen, unbefangenen Bruder verpflichten, der ihn warnt, wenn er strauchelt, damit er nicht falle, und ihn augenblicklich wieder aufrichtet, wenn er gefallen ist. Diesen muss er in Ehren halten, ihn jedesmal umarmen, mit dem Bruder-Kuss, und ihm herzlich danken, wenn er seinen Fuss vor einem Fehltritte bewahret hat.
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§. 7. Ferner muss der Freymaurer auch den Instruct[ions-] Logen der Grade, die er besitzt, fleissig beywohnen, um sich von allem dem, was ihm zu wissen obliegt, genau zu unterrichten und die Kenntnisse zu erlangen, die ihm nöthig sind, um den Orden, in seinem ganzen heiligen Umfange, nach und nach beurtheilen zu lernen. §. 8. Beförderung der Religiosität, der Sittlichkeit, der Humanität, der Menschenliebe, gehört auch zur Arbeit des Maurers, und die Fortschritte, die er darin thut, gereichen dem ganzen Orden zur Ehre, der das gewiss nicht unbelohnt lassen wird. §. 9. Weisheit des Lebens practisch zu lernen und zu lehren, ist endlich der Hauptzweck aller und jeder Arbeiten des Maurers, Hierbey empfehlen ihm die Gesetze unermüdeten Fleiss und immer gleichen Eifer. §. 10. In der Arbeit müssen die älteren Brüder den jüngeren angehenden Freymaurern mit gutem Beyspiele vorgehen; im Ceremoniel alles pünktlich mit Ernst und Stille erfüllen, und sich sorgfältig davor hüten, irgend eine Blösse zu geben, die ein zweydeutiges Urtheil veranlassen könnte. §. 11. Die jüngeren Brüder müssen sich bescheiden betragen und in der Arbeit sich nach dem Beyspiele der älteren Brüder bilden. Cap. XIII. Von der wahren Ehre eines Freymaurers. §. 1. Nach den Begriffen, die der Orden seinen Gliedern eigen zu machen sucht, bestimmt nicht der äussere Glanz, sondern die innere Beschaffenheit den wahren Werth des Menschen; daher besteht auch die wahre Ehre eines Freymaurers nicht in äusseren Vorzügen, sondern in seiner inneren Maurer-Würde. §. 2. Ferner besteht die wahre Ehre eines Freymaurers nicht etwa darinn, dass er Freymaurer ist, sondern darinn, dass sich der Orden seiner rühme und stolz auf ihn sey. §. 3. Nicht darinn, dass er seine Pflichten als Freymaurer genau kenne, sondern darinn, dass er sie pünktlich erfülle. §. 4. Nicht darinn, dass er hohe Kenntnisse im Orden erlangt habe, sondern darinn, dass er sie zu seinem und seiner Brüder Heil sorgfältig anwende. §. 5. Nicht darinn, dass er ein hohes Amt im Orden besitze, sondern dass er es gut bekleide. §. 6. Zur Ehre gereicht es dem Freymaurer nicht, wenn er stolz auf seine Vorzüge, es sey an Kenntnissen, an Ansehen, oder selbst an innerer Würde, ist, und seinen Brüdern dieselben fühlbar macht. 211
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§. 7. Zur wahren Ehre gereicht es ihm hingegen, wenn er alle diese Vorzüge besitzt, ohne dass er es selbst zu bemerken scheint. §. 8. Die wahre Ehre eines Freymaurers besteht darinn, wenn er in seinem weltlichen, öffentlichen und Privatleben ein rechtschaffener Mann ist und in seinem maurerischen Wandel dem in dem Cap. II. aufgestellten Ideal eines vollkommenen Freymaurers entspricht. Bekleidet er ein öffentliches Amt, so wird er seinen Ruhm darinn bestehen lassen, seiner Pflicht ganz Genüge zu leisten; in seinem häuslichen Leben wird er ein rechtschaffener Gatte und Vater und ein ordentlicher Gerechtigkeit liebender Haushalter seyn; im Orden aber wird er ein wahres Beyspiel maurerischer Tugenden abgeben; der Orden wird stolz auf ihn seyn, und er wird die Achtung und Liebe seiner Brüder nie verlieren und angehende Freymaurer, die ihn jetzt zum Muster gewählt haben, werden ihn dann noch segnen, wenn seine Gebeine zu den Gebeinen unserer Vorfahren schon längst gesammelt sind. Cap. XIV. Von den Belohnungen und Strafen der Freymaurer. §. 1. Der Freymaurer-Orden hat keine äussere in die Augen fallende Belohnungen auszutheilen, und er kann die Uebertreter seiner Gesetze dem weltlichen Arme nicht übergeben. §. 2. Wenn er aber auch dieses vermögte, so wäre es unter seiner Würde, davon Gebrauch zu machen; denn weltliche Belohnungen entsprechen der Erwartung des Maurers nicht, und ein Uebertreter der Gesetze des Ordens, der sich so weit herabgewürdiget und vergessen hätte, dass er es verdiente, dem weltlichen Arme überliefert zu werden, verdient nicht mehr ein Maurer zu seyn. §. 3. Der Orden hat seine Belohnungen und Strafen in seiner eigenen Gewalt. Die ersteren bestehen in näherer Mittheilung der Mysterien, in Erhöhung der Glückseligkeit des Lebens, in Erweiterung menschlicher Kenntnisse, in Begründung einer zuversichtlichen Hoffnung von Glückseligkeit nach dem Tode; letztere hingegen in Nichtgewährung aller dieser Vortheile, in Verlängerung der Stufenzeit, in Verschliessung des Innersten des Tempels, in temporeller Suspension; wenn alle Strafen nicht mehr fruchten, in der Exclusion, und nach Befinden der besonders gravirenden Umstände, in der Proscription oder in dem sogenannten Logen-Banne. §. 4. Die Statuten sowohl, als alle übrige Vorschriften des Ordens, bestimmen dem Freymaurer seine Pflichten, seine Denkungsart und sein ganzes Betragen in- und ausserhalb der Loge, und wenn ein jeder diesen Vorschriften genau nachlebte, so bedürfte es weiter nichts. Allein dieses Ideal maurerischer Würde ist zugleich der höchste Gipfel menschlicher Vollkommenheit und das vorgesteckte Ziel; wohl dem, der es erreicht! Der Orden aber kennt die Schwachheit des menschlichen Herzens; er weiss, dass seine Glie212
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der nicht gleich vollkommen sind; er weiss, dass oft bey den besten Vorsätzen, bey den rühmlichst errungenen Fortschritten, der Mensch doch noch fallen kann. Seine Gesetze enthalten aus diesem Grunde Vorschriften für alle Standpunkte und für alle Situationen, in welche der Freymaurer versetzt werden kann. Der Orden duldet, straft, vergiebt, denn er will bessern. Nur gegen den muthwilligen Uebertreter zürnet er mit Recht, und nur den, der, aller Ermahnungen ungeachtet und den Zurechtweisungen und Strafen hohnlachend, in seinem Frevel beharret, wirft er als ein unwürdiges, gefährliches Glied aus seiner schönen Kette. §. 5. In diesem Geiste und nach diesen unbeweglichen Grundsätzen sind die Belohnungen und Strafen des Ordens bestimmt, welche auf specielle Fälle anwendbar und in ihren verschiedenen Gradationen und Modalitäten folgende sind. a) Die Belohnungen. Nach der Regel muss ein jeder Freymaurer ein Jahr Lehrling, zwey Jahre Geselle, und drey Jahre Meister seyn, bevor er weiter befördert werden kann. Dies heisst die Stufen-Zeit. Ein Freymaurer, der während seiner Stufen-Zeit sich weder in Versäumung der Arbeit, noch in seinem Betragen in und ausserhalb des Ordens etwas zu Schulden hat kommen lassen, und dem in den Gesetzen vorgeschriebenem Ideal der Vollkommenheit in seinem maurerischen Lebenswandel nur einigermassen entspricht, kann sicher darauf rechnen, dass, nach vollendeter gesetzlicher Stufen-Zeit, seine weitere Beförderung ihm gewiss nicht entstehen [entgehen?] wird. Diese Stufen-Zeit kann bey einem sich durch besondern Fleiss und Eifer auszeichnenden Bruder-Gesellen bis auf Ein Jahr, und bey einem Bruder-Meister bis auf zwey Jahr abgekürzt werden. Für Brüder-Meister, die sich ganz vorzüglich hervorthun und besonders dem Orden nützlich werden, ist sie bis auf Ein Jahr einzuschränken. Dies aber ist die allerkürzeste Stufen-Zeit für jeden der Drey Johannis-Grade, wovon in ganz ausserordentlichen Fällen das Directorium nur allein dispensiren kann. Endlich giebt es noch eine Belohnung, die der Orden nicht ertheilt, die aber der Freymaurer sich selbst erwirbt. Sie ist die ehrenvolleste und besteht in der ausgezeichneten Achtung, in der Liebe und in dem Vertrauen der Brüder. b) Die Strafen. Bey geringen Fehlern und Vergehungen erfolgen die drey Grade der Zurechtweisung; der erste, vom Meister unter vier Augen; der zweyte, in einem Ausschuss von Meistern; der dritte, in geöffneter Loge desselben Grades, wozu der Fehlende gehört, wobey keine besuchenden fremden Brüder zugelassen werden. Bey bedeutenden Fehltritten erfolgen die vier Grade der Verlängerung der Stufen-Zeit. Der erste, auf drey Monate; 213
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der zweyte, auf sechs Monate; der dritte, auf neun Monate; der vierte, Stillstand bis zur Besserung. Bey wissentlicher Uebertretung der Statuten, oder bey muthwilliger Fortsetzung eines unmaurerischen Betragens erfolgen die sechs Grade der Suspension. Der erste, auf drey Monate, jedoch mit der Erlaubniss, die Freymaurer-Gesellschaften ausser der Loge besuchen zu dürfen. Der zweyte, auf sechs Monate; der dritte, auf neun Monate; der vierte, auf drey Monate, mit Verlust der Erlaubniss, den Freymaurer-Gesellschaften beyzuwohnen. Der fünfte, auf sechs Monate; der sechste, auf neun Monate. Jeder Grad der Suspension involvirt eine gleichmässige Verlängerung der Stufen-Zeit. Bey groben Vergehungen und bey beharrlichem gesetzwidrigem Betragen sind zwey Grade, Exclusion und Löschung in den Logen-Listen, bestimmt. Der erste, unter Hoffnung der Besserung. Ueber die Wiederaufnahme eines solchen Bruders muss aber von neuem ballotirt werden. Der zweyte Grad ist die gänzliche unwiederrufliche Exclusion. Endlich bey würklichen Verbrechen erfolgt die maurerische Proscription oder der Logen-Bann; wovon im folgenden §. 8. ein Mehreres. Da der Orden nur straft, um zu bessern, so leiden alle diese gesetzliche Strafen Modificationen und ein Bruder, der aus Uebereilung in einen Fehler verfällt, den er gleich nachher herzlich bereuet, kann allenfalls in eine zu bestimmende Geldstrafe zur Armen-Casse verfallen. Selbst bey dem ersten Grade der Exclusion giebt der Orden den ausgestossenen Bruder noch nicht ganz auf, und nur in dem zweyten Grade derselben, wenn alle Hoffnung ihn zu retten, verschwunden ist, ziehet er seine hülfreiche Hand von ihm ab. §. 6. Die Exclusion geschiehet feyerlich in geöffneter Loge. Zuförderst macht der vorsitzende Meister das Vergehen des Schuldigen bekannt, erzählt alle Besserungsmittel und Strafen-Abstufungen, die an ihn verschwendet worden, und dass dies alles, leider, fruchtlos gewesen; dann lässt er durch den Bruder Redner den §. der Statuten vorlesen, der darüber spricht, und erklärt, dass nun nichts mehr übrig bleibe, als den unglücklichen Bedauernswürdigen, nach der Strenge des Gesetzes, aus der Bundeskette zu stossen. Sodann frägt er jedoch: ob etwa, bevor solches geschehe, einer der Anwesenden seine Vertheidigung übernehmen wolle? Tritt einer auf, so wird ihm erlaubt zu reden; und ob seine Vertheidigungsgründe erheblich sind? darüber entscheidet die Mehrheit der Stimmen der anwesenden Brüder Meister. Bey gleichen Stimmen hat der vorsitzende Meister deren zwey. Werden die Gründe bedeutend geachtet, so wird der Exclusions-Actus ausgesetzt, und die Sache von einem Ausschuss von Meistern aufs neue ad deliberandum genommen, 214
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und können, nach Befinden der Umstände, allenfalls die Proben der Suspension von neuem mit dem Schuldigen versucht werden. Verwirft aber die Mehrheit der Stimmen die Vertheidigungsgründe, so wird zwar die Sache ad Protocollum genommen, die Exclusion aber vollzogen. Wenn hingegen keiner zur Vertheidigung des Schuldigen aufgetreten ist, so frägt der vorsitzende Meister weiter: ob die Brüder glauben, dass alles mit ihm geschehen sey, was die Statuten vorschreiben? – (Die Brüder antworten. –) Ob man ihn also mit gutem Gewissen und mit allem Rechte excludiren könne? – (Die Brüder antworten.) Hierauf spricht der Meister: „Bruder-Secretaire! Löschen Sie ihn in dem Verzeichnisse würdiger Brüder.“ Wenn dies geschehen und es der erste Grad der Exclusion ist, so spricht der Meister: „Mein Herz blutet, indem ich diese heiligen Bande zerreisse.“ Die Brüder antworten: „Seine aufrichtige Reue möge sie wieder anknüpfen.“ Ist es der zweyte Grad, so sagt der vorsitzende Meister: „Es ist leider geschehen und die heiligen Bande sind zerrissen!“ Die Brüder antworten: „Nie betrete der Unglückliche diese geweiheten Schwellen!“ Bey einer Exclusion wird zwar der obersten Polizey-Behörde angezeigt, dass der ausgeschlossene Bruder nicht mehr zur Loge gehöre; jedoch muss solches mit Schonung geschehen und ohne sich in die Veranlassung einzulassen, wenn nicht Gründe obwalten, die ein Anderes nothwendig machen. Bey der Proscription aber wird allemal die Ursache derselben der obersten Polizey-Behörde bestimmt gemeldet. §. 8. [!] Die Proscription ist die schrecklichste Strafe des Ordens, der ungern und leidtragend dazu schreitet, wenn er gezwungen wird, die verletzte heilige Ordenspflicht an dem frevelhaften Uebertreter derselben zu rächen. Sie geschiehet in geöffneter Loge mit folgender ernsten Feyerlichkeit: Sobald die Loge geöffnet ist, macht der vorsitzende Meister den Gegenstand der Versammlung bekannt. Sodann hält er über die bevorstehende Proscription eine Rede, in welcher er das Verbrechen des Bruders mit den gesammelten Beweisen nochmals ausführlich darstellt, dabey das Verfahren, welches die Loge, um diesen Unwürdigen wieder zurückzuführen, beobachtet hat, wiederholt, und die darüber in den Statuten vorgeschriebenen Gesetze in Extenso anführt, aus welchen der Fall hervorgeht, der unwiederruflich dessen Proscription aus allen Logen zur Folge hat. Alsdann erhebt sich der Meister vom Stuhl und fordert die Brüder auf, sich laut, deutlich und bestimmt zu erklären: ob sie sich sämmtlich überzeugt halten, dass bey diesem
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Falle nichts geschehe, als was die übernommene Maurerpflicht und die Gesetze des Ordens vorschreiben? Alle Brüder antworten. – Ob sie ferner sich überzeugt halten, dass von Seiten der Bruderliebe alles, was möglich, geschehen sey, ihn zu bessern? Alle Brüder antworten. – Ob sie sich auch überzeugt halten, dass das Urtheil über diesen Unwürdigen mit gutem Gewissen und ohne alle Leidenschaft, mit Recht ausgesprochen werden könne? Alle Brüder antworten. – Der Meister fährt fort, drückt sich mit Wehmuth über dieses traurige Geschäft aus, und wendet sich in seiner Rede an den Unglücklichen, als ob er gegenwärtig wäre, indem er klagt, dass er sein Herz so ganz der Bruderliebe verschlossen gehabt, und unerachtet sich beständig liebreiche Bruderhände dargeboten, ihn aus seinem Verderben zu ziehen, er selbige immer von sich gestossen habe etc. (Einem Meister, der seinem Amte gut vorsteht, wird es hier nicht an Stoff zum Reden fehlen.) Nach geendeter Rede ergreift der Meister vom Stuhl das auf dem Altar liegende flammende Schwerdt und spricht: „So erhebe sich denn nun über dich Unwürdigen dieses flammende Schwerdt, (indem er es in gerader Linie über den Altar ausstreckt,) das Schwerdt der Rache, der jedoch keiner unter uns über die Schwellen dieses Heiligthums in seinem Herzen mehr Raum giebt, da der Maurer keine Rache kennet. Aber wir verachten Dich und Dein Andenken verlösche unter uns!“ Der Meister legt das Schwerdt nieder und fährt fort: „Bruder-Secretaire! Tragen Sie den Namen dieses Unwürdigen in dieses schwarze Buch (der reicht es ihm) mit Anführung des Verbrechens und des über ihn von dieser ehrwürdigen Versammlung ausgesprochenen Urtheils, und streichen Sie ihn in dem Verzeichnisse unserer würdigen Brüder aus.“ Während dieser Zeit wird das tiefste Stillschweigen beobachtet. Der Bruder Secretair tritt alsdann an der einen Seite vor den Altar, und der Bruder Redner, mit einer brennenden Kerze in der Hand, an der andern Seite vor den Altar, jedoch so, dass der Altar vorne frey bleibt. Indem nun diese Brüder rechts und links an die Seiten des Altars treten, stehet der Meister vom Stuhl wieder von seinem Sitze auf, und strekt das flammende Schwerdt zwischen diesen Brüdern über den Altar aus. Der Bruder Secretair lieset nun ab, was er im schwarzen Buche verzeichnet hat. Sobald dieses geschehen, sagt der Redner: Unwürdiger! Du wolltest unsere Verachtung; so sey sie Dir denn geweihet, indem wir Dich bedauern. Nie soll Dein Name diese heilige Halle entweihen, und so wie dieses Licht erlischt (er bläset die brennende Kerze aus), so erlösche Dein Andenken unter uns! Beyde Brüder gehen an ihre Stellen, und sämmtliche Brüder rufen aus: Sein Name ist vergessen, und sein Andenken ist erloschen! 216
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Die Brüder, welche während der ganzen Ceremonie nicht aufstehen, erheben sich sogleich von ihren Sitzen, und der Meister schliesst die Loge. Tages nachher wird dieser Actus allen und jeden Freymaurer-Logen, mit allen Umständen des Verbrechens, wodurch der Unglückliche diese schreckenvolle Strafe verwürkt hat, bekannt gemacht. Ein Proscribirter aber wird in keine Freymaurer-Loge, ohne Ausnahme, so lange er lebt, mehr zugelassen. Auch wird der Fall nicht nur von der Loge selbst der Polizey-Behörde des Orts, sondern auch von dem Directorio der Grossen National-Loge der Obersten Polizey-Behörde gemeldet. §. 9. Ein Freymaurer, welcher der Spötterey über die Religion überführt wird, hat das erstemal den ersten Grad der Suspension verwürkt. Bey öfteren Fehltritten werden mit ihm alle sechs Grade der Suspension durchgegangen. Bessert er sich, so wird ihm verziehen, und seines Vergehens wird nicht mehr gedacht. Bessert er sich nicht, so erfolgt der erste Grad der Exclusion; denn der Freymaurer muss vor allen Dingen ein Verehrer der Religion seyn. §. 10. Begehet ein Freymaurer irgend eine unmoralische Handlung, so wird er zuerst von seinem vorsitzenden Meister unter vier Augen zur Besserung und zur Abstellung des Unheils ermahnet. Verspricht er Besserung, so wird solches abgewartet; erfolgt aber solche binnen vier Wochen nicht, dann wird mit dem zweyten und dritten Grade der Zurechtweisung vorgeschritten; worauf bey wiederholten Fehltritten die sechs Grade der Suspension, und wenn diese nicht fruchten, der erste Grad der Exclusion erfolgt. §. 11. Wenn ein Freymaurer sich in seinem weltlichen Amte, oder in seinen weltlichen Geschäften eines solchen Vergehens schuldig macht, welches durch Urtheil und Recht die Cassation oder eine beschimpfende peinliche Strafe zur Folge hat, so wird er ohne weiteres proscribirt. Hier kann die Besserung nicht versucht oder abgewartet werden, weil der Orden mit Ehren kein Mitglied behalten kann, welches als Mitglied des Staats entehret worden ist; und die Herauswerfung eines solchen unwürdigen Gliedes aus der Bundeskette muss auf eine eclatante Art geschehen, damit es kund werde und der Orden sich von dem erlittenen Schandflecke reinige. §. 12. Hat ein Freymaurer das Unglück, sich zu betrinken, so kann es leicht seyn, dass ihm dabey weiter nichts zur Last zu legen ist, als dass er nicht genug auf sich selbst Achtung gegeben, und versäumt hat, darauf Rücksicht zu nehmen, dass seine physische Organisation wenig zu ertragen vermag. Daher wird mit einem solchen Bruder, selbst bey wiederholten Fehltritten, besonders wenn er sonst ein guter rechtschaffener Bruder ist, alles versucht, was der Orden an Straf- und Besserungsmitteln an die Hand giebt. Es erfolgen daher zuerst die drey Grade der Zurechtweisung. 217
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Dann die vier Grade der Verlängerung der Stufen-Zeit. Hiernächst die sechs Grade der Suspension; wenn aber dies alles nicht hilft und der Fehler dergestalt überhand nimmt, dass es am Ende zum öffentlichen Anstoss gereicht, so erfolgt der erste Grad der Exclusion. §. 13. Ist ein Freymaurer ein Spieler geworden, der in öffentlichen Häusern ein Handwerk daraus macht, so wird ihm solches untersagt, und wenn er sich nicht bessert, so erfolgt, nach vorhergegangenen sechs Graden der Suspension, endlich der erste Grad der Exclusion; denn der Orden kann unter seinen Gliedern keinen Mann dulden, dessen Geschäft es ist, auf Kosten seines Nächsten sich zu bereichern. §. 14. Ist ein Freymaurer ein Zänker, so wird sich solches dadurch von selbst ergeben, wenn er wenigstens in drey hintereinander folgenden Streitigkeiten immer der Anfänger der Händel gewesen, und mithin derjenige ist, der Unrecht hat. Sodann wird ihm unter vier Augen brüderlichst solches bemerklich gemacht und er ermahnet, sich vor dem ersten Falle in Acht zu nehmen. Erfolgt dieser dennoch, so erfolgen die beyden andern Grade der Zurechtweisung; dann die vier Grade der Verlängerung der Stufenzeit; hierauf die sechs Grade der Suspension, und endlich der erste Grad der Exclusion; weil der Orden Eintracht und Bruderliebe zum Grundgesetz hat und daher in seinem Schoosse keine Zänker dulden kann. §. 15. Wenn ein Freymaurer sich in eine geheime Verbindung wider den Staat einmischt, (welches sich jedoch gar nicht denken lässt) und davon überführt wird, so hat er den zweyten Grad der Exclusion, auch wohl die Proscription verwürkt und ist als ein unwürdiges Glied aus der Bruderkette zu stossen, welches, nach Beschaffenheit der Umstände, den Gesetzen gemäss, der weltlichen Obrigkeit anzuzeigen ist. §. 16. Wenn ein Freymaurer unschickliche Reden gegen die Regierung, gegen den Staat oder dessen Verfassung zu Schulden kommen lässt, so wird er von einem Ausschuss vorgefordert, wo ihm die sträflichen Reden vorgehalten werden. Ist das Factum erwiesen, so hat er fürs erste nur den dritten Grad der Suspension verwürkt, insofern er nemlich Besserung verspricht; wo nicht, so verfällt er gleich in den ersten Grad der Exclusion. Wenn er Besserung versprochen und dennoch in denselben Fehler verfällt, so wird ihm, wenn er zum zweytenmale Besserung angelobet, der sechste Grad der Suspension auferlegt, und wenn auch diese Strafe nicht fruchtet, ihm der erste Grad der Exclusion zuerkannt. §. 17. Wenn ein Freymaurer den Orden lästert, verhöhnt oder die Loge, wozu er gehört, verspottet oder verläumdet, so wird er vor einen engern Ausschuss der Brüder-Meister derselben vorgeladen, ihm daselbst, offen und freymüthig, jedoch kaltblütig und gelassen, das Factum vorgehalten und bewiesen und zugleich erklärt, dass, wenn er würklich 218
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so geringschätzend von dem Orden oder der Loge denke, es ganz von ihm abhänge, sich von einer Verbindung zu trennen, zu welcher er kein besseres Zutrauen habe. Er habe sich daher zu entschliessen, ob er seinen Fehler bereuen, oder lieber den Orden verlassen wolle, als ihn durch aufrichtige Reue wieder gut zu machen. Giebt er seine Reue und den Wunsch zu erkennen, dass er gern ein Glied des Bundes bleiben mögte, so büsset er den begangenen Fehler durch den ersten Grad der Verlängerung der Stufenzeit; ist dies aber nicht, so erfolgt gleich der erste Grad der Exclusion. Ein zweyter Fehltritt der Art, wenn er bereuet wird, involvirt den dritten Grad der Suspension und der dritte den ersten Grad der Exclusion. §. 18. Ein Freymaurer, der den vorsitzenden Meister oder die Beamten, oder sonst einen Bruder verleumdet, wird vorgefordert und vom Meister unter vier Augen brüderlich ermahnet, sich nie wieder so etwas zu Schulden kommen zu lassen, mit der Ankündigung, dass er den ersten Grad der Verlängerung der Stufenzeit verwürkt habe. Neue Fehltritte der Art werden mit dem zweyten, dritten und vierten Grad der eben genannten Strafen belegt. Wenn dies nicht hilft, so erfolgt der dritte, dann der sechste Grad der Exclusion, weil das Beharren in einem solchen Benehmen von einem bösen Herzen zeugt und der Orden bey seinen Brüdern kein böses Herz gestatten kann. §. 19. Wenn in einer Loge ein Zwist zwischen Brüdern entsteht, so muss, sobald solches lautbar wird, und um aller Verbitterung zuvor zu kommen, die Sache von einem Ausschusse von Brüder Meistern untersucht und der schuldige Theil angemahnt werden, dem andern Abbitte oder andere brüderliche Genugthuung zu thun; sodann aber müssen sich beyde Theile als ächte Maurer umarmen, sich herzlich verzeihen, und es muss des Streits nicht mehr gedacht werden. Ist aber wider Vermuthen einer von den streitenden Theilen so erbittert, dass der sich schlechterdings nicht vertragen und dem Gegner nicht verzeihen will; so bleibt der unversöhnliche Bruder allein in der Schuld, indem sein Zustand gegen den Geist des Ordens und dessen Gesetze streitet. Es werden daher mit ihm, so lange er in seinem Grolle beharret, zuerst die Grade der Zurechtweisung, dann die Grade der Verlängerung der Stufenzeit durchgegangen; während welcher Zeit der Meister und alle Brüder es nicht an Ermahnung zur Versöhnlichkeit fehlen lassen. Sodann erfolgen die drei ersten Grade der Suspension. Beharret der Bruder dennoch in seinem Zorne, so wird er nach dieser abgelaufenen Zeitperiode vor einen Ausschuss der Meister gefordert und ihm bemerklich gemacht, dass, wenn er sich schlechterdings nicht versöhnen wolle, er besser thue, sich von den Hallen der Eintracht und der Bruderliebe zu entfernen, als das herzliche Vergnügen und die Einigkeit der Brüder zu stöhren; worauf, wenn er das letzte wählt, sein Entschluss entscheidet und der erste Grad der Exclusion gleich erfolgt.
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§. 20. Wenn je der unglückliche Fall eintreten sollte und der Geist des Ordens dergestalt von einer ganzen Loge gewichen wäre, dass eine Spaltung in derselben sich ereignete; so setzte zwar ein solcher Vorfall schon voraus, dass ein grosser Theil der Brüder durch ihr unmaurerisches Benehmen Anlass dazu gegeben haben; es ist aber zu hoffen, dass nicht alle Mitglieder ohne Unterschied ihre Maurerpflicht in gleichem Maasse dergestalt aus den Augen gesetzt haben werden, dass sie alle strafbar wären und die ganze Loge eine Suspension ihrer Arbeiten verwürkt hätte. Der Orden will daher in einem solchen bedauernswürdigen Falle die Unschuldigen mit den Schuldigen nicht vermischen und setzet fest: dass sodann die Mitglieder, welche dem Orden treu geblieben und an dem Zwiste nicht Theil genommen, (wozu allenfalls diejenigen treten können, die etwa für Verwendung an das Directorium der Grossen National-Mutter-Loge gestimmt haben und den Gegenstand der höhern Entscheidung haben submittiren wollen,) sich sogleich versammeln, über den ganzen Vorfall eine von ihnen allen unterschriebene Acte aufnehmen, und solche schleunig an das Alt-Schottische Directorium einschicken und Verhaltungsbefehle erwarten; bis dahin sich aber ganz ruhig verhalten sollen. Hierauf wird das Directorium die Veranlassung zu dem Zwiste genau untersuchen, die Verantwortung der abtrünnigen Brüder erfordern, und nach Freymaurer-Sitte den Zwist beyzulegen suchen, das heisst, das Directorium wird den Gegenstand nach den Gesetzen entscheiden, und die ausgemittelten Schuldigen zur Erkenntniss ihres Unrechts, zur Genugthuung und zur Versöhnung mit der Gegenparthey zu bewegen suchen und dadurch den ganzen Zwist beylegen, auch, wenn es nöthig, einen Vermittler an Ort und Stelle hinschicken. Sollten aber alle Bemühungen fruchtlos seyn, so bleibt nichts anders übrig, als die Widerspenstigen den Graden der Suspension zu unterwerfen, bis sie zur Erkenntniss kommen; die Loge aber wieder zu organisiren und in die Stelle der etwa suspendirten Beamten andere wählen zu lassen, damit die Loge fortarbeiten könne. Kehren die suspendirten Mitglieder nach abgelaufenen Suspensions-Graden nicht zur Maurerpflicht zurück, so erfolgt im ersten Grade ihre Exclusion. §. 21. Sollte der nie erhörte Fall eintreten, dass eine ganze Loge widerspenstig würde, so müssen zuförderst alle Mittel angewendet werden, um sie wieder zur Ordnung zu bewegen. Wären aber die diesfalsigen Mittel sämmtlich fruchtlos, so verfällt sie in den vierten, fünften und sechsten Grad der Suspension aller ihrer Arbeiten und Zusammenkünfte, und wenn sie auch dadurch nicht bewogen wird, zum Gehorsam zurück zu kehren, so wird der Umstand der obersten Polizey-Behörde gemeldet und auf Versiegelung des Zimmers ihrer Versammlung, durch die Obrigkeit des Ortes, angetragen, bis ein authorisirtes Mitglied der Mutter-Loge hingesendet werden kann, um bey der Entsiegelung zugegen zu seyn und alle Ordenspapiere und Insignien in Empfang zu nehmen. Zugleich geschiehet die Exclusion der ganzen Loge nach Maassgabe des zweyten Grades dieser Strafe, wo nicht nach Maassgabe der Umstände sogar die Proscription erfolgen muss. Der grosse Baumeister der Welten wolle aber einen so unglücklichen Fall abwenden! 220
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§. 22. Wenn ein Freymaurer ausser der Loge seinem vorsitzenden Meister unfreundlich begegnet, so wird er vor einen Ausschuss der Brüder-Meister gefordert und bekommt eine Zurechtweisung. Ist es aber in geöffneter Loge geschehen, so gehört die Sache vor die National Mutter-Loge, welche die Art der Genugthuung nach Maassgabe des Vergehens vorschreibt. Hat der Meister Anlass dazu gegeben und den Bruder dazu gereitzt, so vermindert dieses das Vergehen des letztern zwar nicht; jedoch verdient sodann auch der vorsitzende Meister eine Zurechtweisung des Directorii. Unfreundliche Behandlungen der Beamten in geöffneter Loge, oder bey Ausübung ihrer Amtsverrichtungen in und ausserhalb der Loge, werden von dem vorsitzenden Meister in gleicher Art gerüget. §. 23. Kleine Uebereilungen in dem Umgange mit der äusseren Welt werden, wenn davon Anzeige geschiehet, durch die drey Grade der Zurechtweisung, und wenn sie bey demselben Bruder öfter vorkommen, oder von Bedeutung sind, mit den vier Graden der Verlängerung der Stufen-Zeit, nach Maassgabe der obwaltenden Umstände, bestraft. §. 24. Unvorsichtigkeit, leichtsinnige Reden, unzeitiger Scherz, wenn man mit ernsten Gegenständen beschäftiget ist, werden, wenn sie ausserhalb der Loge zwischen Brüdern vorfallen, mit Zurechtweisungen, nach den drey Graden derselben, bestraft. Fällt dergleichen aber in geöffneter Loge vor, so müssen allemal, statt der Grade der Zurechtweisung, die Grade der Verlängerung der Stufen-Zeit eintreten; und je bedeutender der Fehler ist, desto grösser muss die Strafe seyn. §. 25. Da Ordnung bey der Arbeit und feyerliche Stille zur besondern Ehre derjenigen Loge gereichen, in welcher sie statt finden; so erfordert es die wahre Ehre eines jeden Maurers, dass er für seinen Theil alles mögliche dazu beytrage, um dieses Resultat zu bewürken. Sollte es sich zutragen, dass hierunter immer ein und derselbe Bruder fehlte, dass es in die Augen fiele, so verdient ein solcher Bruder wohl, dass nach vorhergegangener Warnung die Zeit seiner Beförderung so lange ausgesetzt bleibe, bis er sich in die Ordnung besser fügt. §. 26. Ein Bruder, der in e i n e r der Cap. IX. §. 17. enthaltenen verschiedenen Modalitäten der Verschwiegenheit über Ordens- oder Logen-Angelegenheiten, seine Ordenspflicht verletzt zu haben überführt wird, verfällt, wenn es zum ersten male geschieht, in den ersten Grad der Verlängerung der Stufenzeit; das zweyte mal in den zweyten und so fort; in dem vierten Grade aber bleibt er stehen bis er sich bessert. Wenn er sich aber in einem Zeitraume von drey Jahren nicht bessert, dann verfällt er in die Grade der Suspension, vom ersten bis zum letzten, und wird dann im ersten Grade der Exclusion aus221
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geschlossen; wobey zu bemerken ist, dass es der Orden einem jeden Bruder zur heiligen Pflicht macht, auf denjenigen, der ein oder mehrere male sich einer Verletzung der Verschwiegenheit hat zu Schulden kommen lassen, das genaueste Augenmerk zu richten, und jeden Fall, der zu seiner Kenntnis kommt, sogleich anzuzeigen, damit kein einziger, wo möglich, ungerügt bleibe und man im Stande sey, zu rechter Zeit, den Orden gegen seinen Leichtsinn zu sichern. §. 27. Sollte ein Freymaurer die heilige Ordenspflicht so verletzen, geheime Ordensschriften oder sonstige, unter dem strengen Gesetze der Verschwiegenheit, ihm anvertraute Maurersachen öffentlich durch den Druck bekannt zu machen; so wird er, sobald das Factum gegen ihn spricht, ohne Rettung proscribirt. Cap. XV. Allgemeine Polizey-Gesetze. §. 1. Jede St. Johannis-Loge hat das Recht, ihre Meister und ihre Beamten zu wählen. §. 2. Die Wahlen geschehen vier Wochen vor dem St. Johannis-Feste in geöffneter Meister-Loge. Die auswärtigen Töchter-Logen richten ihre Wahlen so ein, dass die Anzeige des neugewählten vorsitzenden Meisters vierzehn Tage vor Johannis beym Directorio eingehet. §. 3. Die Mehrheit der Stimmen entscheidet. §. 4. Jede St. Johannis-Loge hat: Einen Meister vom Stuhl, Einen Deputirten Meister, Zwey Vorsteher, Einen Redner, Einen Secretair, Einen Schatzmeister, Zwey Stewards, Einen Ceremonien-Meister und Einen vorbereitenden Bruder. §. 5. Bey Eröffnung der Loge muss der arbeitende Meister, er sey nun der vorsitzende oder deputirte, allein an dem Altare sitzen. Sind daher andere vorsitzende Meister zugegen, so werden ihnen von dem Bruder Ceremonien-Meister die ersten Plätze in den Colonnen der Brüder angewiesen. §. 6. Der Secretair sitzt dem Meister rechts, der Redner links. §. 7. Der erste Vorsteher sitzt an der südwestlichen und der zweyte Vorsteher an der nordwestlichen Säule. Die dritte Säule stehet in Süd-Osten auf der Seite des Redners, 222
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welcher allemal an diese Säule tritt, wenn er redet. Auch muss sich ein jeder Bruder, der eine Rede hält, an diese Säule stellen. §. 8. Die Stewards stehen mit ihren Stäben an den Thoren gegen Mittag und gegen Mitternacht. §. 9. Der Ceremonien-Meister sitzt etwas rückwärts zwischen den Vorstehern. §. 10. Der Schatzmeister sitzt in der Colonne, rechts dem ersten Vorsteher, und der vorbereitende Bruder in der Colonne, links dem zweyten Vorsteher. §. 11. Wenn fremde besuchende Brüder sich einfinden, so werden sie an den Ceremonien-Meister gewiesen, der sie prüft und ihnen das Certificat abfordert. §. 12. Besuchende Brüder aus fremden Logen, die schon gekannt und öfter in der Loge gewesen sind, werden ohne weitere Prüfung oder Vorzeigung eines Certificats eingelassen; der wachthabende Bruder fordert ihnen aber, so wie jedem Bruder, den er nicht kennet, am Eingange der Loge das Passwort ab. §. 13. Eine Loge muss alle Monate ein bis zweymal eine bestimmte Arbeit haben, es sey Reception oder Instruction. Die Instructions-Logen werden ritual-mässig alle Monate regelmässig einmal gehalten. §. 14. Auch muss jede Loge gesetzlich den 24sten Junii, als am St. Johannis-Tage, imgleichen ihren Stiftungs-Tag und den letzten Tag im Jahre feyern. Wenn mehrere Logen an einem Orte sind, so wird das St. Johannis-Fest und der letzte Tag im Jahre gemeinschaftlich gefeyert. Bei den auswärtigen Töchter-Logen werden bestimmte Tage im Jahre zu ConferenzLogen, welche alle Oeconomica reguliren und aus den Brüdern Meistern bestehen, festgesetzt. §. 15. Von den bestimmten Logen-Tagen wird am Anfange eines jeden Calender-Jahres ein Logen-Calender angefertiget. §. 16. Ausserdem hat ein jeder vorsitzender Meister das Recht, die Loge extraordinair zu einer Arbeit zu versammlen. §. 17. In der Regel soll in einem jeden Grade nicht mehr als ein Bruder auf einmal aufgenommen und befördert werden; ganz ausserordentliche Fälle machen jedoch hierinn eine Ausnahme.
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§. 18. Ein fremder Bruder, der sich affiliiren will, soll nicht anders, als durch Mehrheit der Stimmen der Meister-Loge, die Mitgliedschaft erlangen. §. 19. Alle Logen sollen einerley Gebräuche beobachten und daher sämmtliche Töchter-Logen sich genau nach denen vom Directorio der Grossen National-Loge erhaltenen Ritualien, Instructionen und Statuten achten. §. 20. Eine jede Tochter-Loge muss einen Repräsentanten in der Grossen National-Loge haben. §. 21. Ausser dem Bruder-Redner stehet es keinem Bruder frey, eine Rede zu halten, es sey denn, dass er sie zuvor dem Meister vom Stuhl Tages vorher zur Durchsicht gegeben und dieser die Haltung derselben genehmiget habe. §. 22. Jede Loge hat ein Protokoll-Buch. Das Protokoll wird jedesmal von dem vorsitzenden Meister und von den beyden Vorstehern unterschrieben. Die Receptionenund Armen-Gelder werden darinn gehörig verzeichnet. Gleich nach Eröffnung einer Loge wird allemal das Protokoll der letzten Versammlung desselben Grades vorgelesen. §. 23. Ausser den Receptions-Gebühren zahlt jeder neuaufzunehmende oder zu befördernde Bruder ein Opfer zur Armen-Casse, imgleichen einen Beytrag zur Bibliothek, die zum gemeinschaftlichen Gebrauch und Nutzen der Brüder ist und ein Honorarium für die dienenden Brüder. Dass Kleidungsstücke, Mitgliedszeichen und dergl. baar bezahlt werden müssen, versteht sich von selbst. §. 24. Alle Jahre am St. Johannistage entrichtet jeder Bruder ohne Ausnahme den sogenannten Goldthaler. Hiervon kann nicht dispensirt werden; denn dies bildet den eigentlichen Fond einer jeden Loge zu extraordinairen Ausgaben. §. 25. Zur Bestreitung der ordinairen Ausgaben giebt jeder einen monatlichen Beytrag. §. 26. Für die Armen wird in jeder geöffneten Loge gesammelt. §. 27. Ein Bruder, der aller Erinnerungen ungeachtet die Beyträge, Goldthaler oder sonstige Abgaben nicht entrichtet, kann nach abgelaufener dreyjähriger Frist nicht mehr Mitglied der Loge seyn, da es in der Billigkeit beruhet, dass alle Brüder zu den gemeinschaftlichen Ausgaben und zum gemeinschaftlichen Vergnügen beytragen. §. 28. Ueber einen solchen Bruder und über einen, der der Mitgliedschaft freywillig sich entsagt hat, muss, wenn er sich wieder meldet, in geöffneter Meister-Loge von neuem 224
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ballotirt werden, und der eine wie der andere, wenn er angenommen wird, alles restirende abtragen. §. 29. Bey der Grossen National-Loge in Berlin ist ein Schatzmeister-Amt, wovon die Schatzmeister der verschiedenen dasigen Logen Mitglieder und deshalb permanent sind. §. 30. Auch ist in Berlin ein Stewards-Collegium und ein Gross-Secretariat. §. 31. Die Verfassung und die Verhältnisse des Alt-Schottischen Directorii und der Grossen National-Loge in Berlin besagt die Constitutions-Acte; das Gross-SchatzmeisterAmt aber, das Stewards-Collegium und das Gross-Secretariat haben ihre besondere gesetzliche Vorschriften. Cap. XVI. Von den Obliegenheiten des vorsitzenden Meisters und des deputirten Meisters. §. 1. Der Meister vom Stuhl wird von den Brüdern Meistern der Loge, wie alle übrige Beamte, alljährlich gewählt und von dem Alt-Schottischen Directorio der Grossen National-Loge bestätiget. §. 2. Er ist in Rücksicht der Verwaltung seiner Loge, Befolgung der Ritualien, Aufrechthaltung der Statuten dem Alt-Schottischen Directorio und der Grossen National-Loge verantwortlich. §. 3. Auch muss er dafür sorgen, dass die Mitglieder seiner Loge, nach Maassgabe der Höhe ihrer Grade, genau nach dem ritualmässigen Instructionen unterrichtet sind und keinen Bruder weiter befördern, dessen Kenntnisse nicht gehörig geprüft und hinreichend befunden worden, als wofür er besonders verantwortlich ist. §. 4. Der Meister vom Stuhl muss seine Brüder mit Liebe und Freundschaft führen, und wenn Brüder fehlen, so muss er sie durch eigene Ueberzeugung zu bessern und auf die Bahn ihrer Pflichten zurück zu führen suchen. Bleiben Ermahnungen fruchtlos, so verfährt er nach den Statuten. §. 5. Er muss die Statuten des Ordens sich genau bekannt machen und an maurerischen Tugenden selbst ein Beyspiel geben. Bey den Arbeiten muss er strenge auf Ordnung und feyerliche Stille halten, und sobald solche im mindesten unterbrochen werden, sie durch einen starken Hammerschlag wieder herstellen. §. 6. Die Certificate fremder Brüder muss er selbst untersuchen, bevor über deren Zulassung ein Beschluss gefasst wird.
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§. 7. Wenn ein Bruder eine Sache von Wichtigkeit vortragen will, so muss er den Meister und die Vorsteher zuvor damit bekannt machen. Ist solches nicht geschehen, so wird ein solcher Vortrag als unzulässig erklärt und bis zur nächsten Verhandlung ausgesetzt. §. 8. Sämmtliche Mitglieder haben dem Meister, welcher den Hammer führt, zu gehorchen. Haben sie gegen ihn gerechte Beschwerde, so können solche dem Directorio der Grossen National Mutter-Loge zur Entscheidung vorgelegt werden. §. 9. Sollten Streitigkeiten in der Loge zwischen den Brüdern oder mit dem Meister selbst entstehen, und der eine oder andere sich ungebührend gegen ihn betragen, so verfährt der Meister pünktlich nach den im XIV. Cap. §. 19. und 22. enthaltenen Vorschriften; wobey ihm jedoch zur Pflicht gemacht wird, bevor er zu den gesetzlichen Strafen schreitet, alles zu versuchen, um den Streit in Güte beyzulegen und den schuldigen Theil zu einer brüderlichen Genugthuung zu bewegen. §. 10. Der Meister vom Stuhl lässt durch den Bruder Secretair in jedem Jahre ein richtiges Verzeichniss der Mitglieder seiner Loge, mit Vor- und Zunamen, Alter, Benennung des weltlichen Amtes und Höhe der Grade eines jeden, anfertigen, und reicht es gegen den 1sten November jeden Jahres, unter seiner und der beyden Vorsteher Unterschrift und Contrasignation des Secretairs, dem Directorio der Grossen National-Loge ein. §. 11. Der Meister vom Stuhl hält darauf, dass die Brüder Beamten ihre Obliegenheiten genau erfüllen. §. 12. Alle nöthigen Geld-Anweisungen geschehen bey den auswärtigen Töchter-Logen nach dem Beschluss oder Conferenz-Loge der Meister, unter Vollziehung des Meisters vom Stuhl und der Vorsteher. §. 13. Die Geldrechnungen der Logen werden alljährlich bey den auswärtigen Töchter-Logen vor einer versammelten Meister-Conferenz-Loge vom vorsitzenden Meister abgenommen, und der Schatzmeister erhält eine von dem Meister vom Stuhl und den Vorstehern vollzogne Decharge. §. 14. Der Meister vom Stuhl hat das Recht, in ausserordentlichen Fällen einen Aspiranten von Bezahlung der Receptions-Kosten zu dispensiren. §. 15. Der Meister ist dem Directorio der Grossen National-Loge dafür verantwortlich, dass bey der Proposition, Ballotage und Annahme eines Aspiranten die in den Statuten enthaltenen Vorschriften genau beobachtet werden. 226
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§. 16. Der Meister vom Stuhl muss dafür sorgen, dass einem Aspiranten durch den Proponenten die bey der Aufnahme zu bestreitenden Kosten bekannt gemacht werden, und er sich erkläre, ob er dies alles willig entrichten wolle; auch muss der Meister nicht eher zur Ballotage schreiten, bevor ihm nicht der Proponent einen schriftlichen, vom Aspiranten eigenhändig unterschriebenen, Schein darüber eingehändiget hat, durch welchen sich der Aspirant zugleich verbindlich machen muss, die Logen-Beyträge und alles, was er in der Folge wie jedes Mitglied zu zahlen hat, ununterbrochen regelmässig zu entrichten, damit der Aspirant sich in der Folge nicht mit der Unwissenheit entschuldigen könne und zugleich der ökonomische Zustand der Loge gesichert sey. §. 17. Der Meister vom Stuhl darf keinen Bruder weiter befördern, der an Goldthalern, Beyträgen oder sonstigen Abgaben noch etwas restirt. §. 18. Wenn durchreisende Fremde die Aufnahme nachsuchen, und die Zeit es nicht erlaubt, die Aufnahme lange auszusetzen, so kann der Meister von den vier Wochen Prüfungs-Zeit dispensiren; jedoch nur in dem einzigen Falle, wenn ein Bruder Meister von der Loge die Bürgschaft übernimmt. §. 19. Im Fall eine auswärtige Tochter-Loge in Berlin, oder bey einer Schwester-Loge, die Aufnahme eines bey ihr proponirten und acceptirten Aspiranten für ihre Rechnung nachsucht, so werden die Receptions-Gebühren zwar an diejenige Loge gezahlt, welche die Reception nachgesucht hat; der Meister vom Stuhl, der sie verrichtet, muss aber dafür sorgen, dass der Aufzunehmende, ausser den baaren Auslagen für Kleidungsstücke u. s. w., einen Fr. d’or zur Casse seiner Loge entrichte. §. 20. Der deputirte Meister ist dem wirklichen vorsitzenden Meister adjungirt, er tritt in dessen Abwesenheit in seine Stelle und in seine Rechte; bey dessen Anwesenheit aber unterstützt er ihn und hilft ihm Ordnung in der Loge zu erhalten. §. 21. Wenn ein Bruder der Loge dem Meister meldet, dass ein Mitglied derselben bedeutend krank geworden, so deputirt der Meister einen Bruder der Loge zu ihm, um sich Namens derselben nach seinem Befinden zu erkundigen und wahrzunehmen, ob er in irgend etwas einer Hülfe bedarf, welche die Loge ihm zu geben im Stande ist. §. 22. Findet letzteres statt, so muss der Meister dafür sorgen, dass es geschehe, und auf jeden Fall muss der deputirte Bruder in der nächsten Versammlung öffentlich von dem Zustande des Patienten und von dem, was etwa geschehen ist, Bericht abstatten. Jeder besondere Fall wird, in Hinsicht dessen was geschehen kann, die nähere Anleitung geben, und der Orden macht es jedem vorsitzenden Meister zur Pflicht, diese Vorschrift nicht als ein blosses Ceremoniel anzusehen, sondern würklich vermöge der von
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der Loge oder deren Mitgliedern zu leistenden Hülfe dasjenige thätig zu bewirken, was Maurerpflicht gebeut. §. 23. Wenn dem Meister gemeldet wird, dass einem Bruder seiner Loge ein Unglücksfall begegnet ist, er einen unangenehmen Vorfall gehabt hat, in eine bedenkliche Lage oder in dürftige Umstände gesetzt worden ist, so ergreift er die Gelegenheit der ersten Versammlung, um ihn vor Eröffnung der Loge brüderlich aufzufordern, ihm seine Lage vertrauensvoll zu entdecken. Ist der Fall dringend, so verfügt sich entweder der Meister selbst zu ihm, oder wenn es dessen Zeit schlechterdings nicht gestattet, so geschiehet es durch einen Deputirten der Loge. Auch hier wird sodann jeder würdige vorsitzende Meister wissen, was nach Befinden der Umstände Maurerpflicht erheischt; und es hegt der Orden zu jedem vorsitzenden Meister das Vertrauen, dass er hierunter nichts verabsäumen und alle Mittel anwenden werde, die er Kraft seines Amtes in Händen hat, um dem unglücklichen Bruder zu helfen und ihn aus seiner traurigen Lage zu reissen. §. 24. Die etwanigen Beschwerden der Brüder und wenn sie ihn auch selbst betreffen sollten, muss der Meister gelassen anhören, kaltblütig untersuchen und wenn sie gegründet sind, ihnen gleich abhelfen; stehet das letztere nicht in seiner Macht, so muss er beym Directorio darauf antragen. §. 25. Der vorsitzende Meister hat das Recht, die drey Grade der Zurechtweisung und die vier Grade der Verlängerung der Stufenzeit zu verfügen. Zur Verfügung der Suspension muss er aber einen Ausschuss von Brüdern-Meistern zusammen berufen. Wenn es auf die Exclusion oder Proscription eines Freymaurers ankommt, so beruft der Meister einen Ausschuss von Brüdern-Meistern, um den Gegenstand in genaue Erwägung zu nehmen und das Urtheil über den Schuldigen nach Mehrheit der Stimmen zu sprechen; wobey zuförderst das Factum deutlich dargestellt, alle angewandten Besserungsmittel erwähnt und das über den Fall quaestionis sprechende Gesetze den Anwesenden vorgelegt werden müssen. Das Conclusum aber wird mit den verhandelten Acten dem Directorio in Berlin zur Confirmation eingereicht, welches unumgänglich nothwendig ist, bevor das Urtheil vollzogen werden kann. Cap. XVII. Von den Obliegenheiten der Brüder-Vorsteher. §. 1. Die beyden Vorsteher bekleiden in der Loge, nach dem Meister vom Stuhl und dem Deputirten-Meister, die vornehmsten Stellen. Falls Beyde, der vorsitzende Meister und der Deputirte-Meister, abwesend oder krank sind oder sonstige Abhaltungen haben, so hält der erste Vorsteher die Loge. Der zweyte Vorsteher tritt in dessen Stelle und ein substituirter Bruder in die Stelle des zweyten Vorstehers.
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§. 2. Ihre erste Pflicht ist, den Meister vom Stuhl zu unterstützen und die Ausübung der Gesetze und Statuten in der Loge befördern zu helfen. §. 3. Sie müssen sich daher eines untadelhaften Lebenswandels und einer strengen Beobachtung der Ordens-Statuten befleissigen, damit sie sich bey den Mitgliedern in Ansehen erhalten und sie zur Folgsamkeit und Ordnung durch ihr Beyspiel anfeuern. §. 4. Sie müssen sich jederzeit früher als zur bestimmten Zeit bey den Logen-Versammlungen einfinden, und, im Fall sie zu erscheinen abgehalten würden, den Tag zuvor dem Meister vom Stuhl solches anzeigen. §. 5. Sie müssen für die äussere und innere Sicherheit der Loge Sorge tragen und sich die Ritualien genau bekannt machen. §. 6. Bey jedem Geräusch, welches sie während der Arbeit auf ihren Colonnen hören, stellen sie durch einen starken Hammerschlag auf ihre Säule sogleich Ordnung und feyerliche Stille wieder her. §. 7. Sie erlauben keinem Mitgliede auf ihren Colonnen zu sprechen, bevor er sich nicht durch sie das Wort ausgebeten hat. §. 8. Die Vorsteher müssen überzeugt seyn, dass die Brüder, welche in der Versammlung erscheinen, alle in dem Grade des Ordens stehen, worinn gearbeitet wird. §. 9. Sie ertheilen den Brüdern, auf vorhergegangene Einwilligung des vorsitzenden Meisters, die Erlaubniss aufzustehen und die Loge zu decken, sorgen aber und sind dafür verantwortlich, dass solches nicht ohne Erlaubniss geschehe. §. 10. Besonders liegt ihnen ob, auch auf das Betragen der Brüder ausserhalb der Loge ihr Augenmerk zu richten, auch sollen sie sich von dem Rufe und dem moralischen Charakter der vorgeschlagenen Aspiranten zu unterrichten und zu überzeugen suchen, bevor zur Ballotage geschritten wird. §. 11. Wenn einem Vorsteher die Krankheit eines Bruders oder ein Unglücksfall etc. der einen Bruder betroffen, gemeldet wird, so muss er es gleich dem Meister anzeigen und über das, was zu thun ist, mit demselben conferiren. §. 12. Die Brüder-Vorsteher und sämmtliche Beamten müssen den Meistergrad haben, und es darf zu einem Amte in der Loge keiner gewählt werden, der nicht den dritten Grad hat.
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Cap. XVIII. Von den Obliegenheiten des Bruder-Redners. §. 1. Die Pflicht des Bruder-Redners ist die Erklärung der Teppiche, die Erklärung der Ordens-Statuten, so oft es ihm vom Meister vom Stuhl aufgetragen wird, und der Unterricht der Brüder durch zweckmässige Reden. §. 2. Was die Reden betrift, so müssen sie nicht nur dem Geiste des Ordens, seinen Ritualien und Statuten vollkommen entsprechen, sondern sie müssen auch demjenigen Grade, in welchem gearbeitet wird, durchaus angemessen seyn. Es müssen darinn alle Gegenstände vermieden werden, welche nicht zur Freymaurerey gehören, oder auch von der Art sind, dass sie nicht in geöffneter Loge verhandelt werden sollen. Ferner versteht es sich von selbst, dass diese Reden nichts enthalten müssen, was gegen die Religion, die guten Sitten oder gegen die Staatsverfassung gerichtet ist. In diesen Reden muss auch nicht das mindeste von persönlichen Beleidigungen einfliessen. Es muss vielmehr die Absicht des Redners darauf gerichtet seyn, dass er edle, menschenfreundliche, brüderliche Gesinnungen und Grundsätze befördere, und er muss, ausser der Belehrung über eigentliche maurerische Ideen, zum Zweck haben, die Brüder zu gewissenhafter Erfüllung ihrer Pflichten gegen Gott, den Staat, ihre Brüder und Mitmenschen, und zur treuen Beobachtung aller Staats- und bürgerlichen Verhältnisse in der Qualität als Freymaurer zu ermuntern. §. 3. An feyerlichen Tagen, und so oft er vom Meister vom Stuhl dazu aufgefordert wird, ist es Pflicht des Bruder Redners, durch einen zweckmässigen Vortrag sein Amt zu verrichten. §. 4. Wenn mehrere an einem Orte befindliche Logen sich an festlichen Tagen versammlen, so müssen sich die Brüder Redner zusammen besprechen, theils um nicht die Aufmerksamkeit der Brüder durch zu lange Reden zu ermüden, theils um ihre Vorträge in einige Verbindung zu setzen und nicht durch Wiederholungen lange Weile zu erzeugen. §. 5. In Berlin muss der Grossredner, wenn an festlichen Tagen die Grosse National-Loge arbeitet, allemal eine feyerliche Rede halten, und wenn er durchaus nicht erscheinen kann, solches nicht nur dem Grossmeister anzeigen, sondern auch einen andern Redner an diesem Tage sein Amt zu verrichten ersuchen. Cap. XIX. Von den Obliegenheiten des Bruder-Secretairs. §. 1. Der Bruder-Secretair kann ohne sehr erhebliche Ursachen, die er dem Meister bey Zeiten melden muss, bey den Arbeiten nicht ausbleiben. §. 2. Er fertigt die Einladungs-Circularien an, und zwar einige Tage vorher, damit die dienenden Brüder noch in Zeiten herumkommen können.
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§. 3. Vor Eröffnung der Loge fordert er die Circularien von den dienenden Brüdern zurück und untersucht: a. Ob die Einladung gehörig besorgt worden? b. Ob und welche Brüder sich mit Entschuldigung notirt haben? §. 4. Er führt ein genaues und richtiges Verzeichniss der Mitglieder seiner Loge, in welchem Vor- und Zuname, weltliches Amt, Alter und Höhe der Grade, sammt dem Dato, an welchem die Brüder zu jedem Grade befördert worden, aufgezeichnet seyn müssen. Von den abwesenden Brüdern werden, ausser denen, deren Existenz und Wohnort sicher bekannt ist und die sich noch zur Loge halten, keine aufgeführt. §. 5. In jeder Versammlung führt er das Protocoll und bemerkt darinn: a. Tag und Stunde der Eröffnung und des Schlusses der Loge. b. Von wem die Loge eröffnet worden. c. Schreibt treu alles nieder, was vorgenommen worden. d. Notirt darinn die besuchenden fremden Brüder. e. Bemerkt bei einer Aufnahme, ob die Receptions-Gebühren richtig bezahlt sind, und jedesmal wieviel für die Armen eingekommen ist; welches letztere er auch in dem dazu bestimmten Buche, das bey der Rechnung zum Belege dient, eintragen muss. §. 6. Das Protocoll muss er mit seiner Unterschrift bestätigen und vor dem Schlusse der Loge solches von dem Meister vom Stuhl und von den Vorstehern unterschreiben lassen. §. 7. Wenn eine Reception ist, so hat er dafür zu sorgen, dass des Neuaufgenommenen Name, Stand, Alter, Religion und Aufenthalt deutlich angegeben werde. §. 8. Es ist nicht nöthig, dass der Bruder Secretaire bey einer Aufnahme die Ceremonie derselben im Protocoll wiederhole; es ist vielmehr hinlänglich, darinn zu bemerken, dass der Aspirant nach Vorschrift des Rituals aufgenommen worden. §. 9. In den Meister-Conferenzen bey den auswärtigen Töchter-Logen muss der Bruder Secretaire jedesmal das Protocoll-Buch zur Hand haben und aus den Contentis der Protocolle von denen seit letzter Conferenz abgehaltenen Logen der drey ersten Grade einen kurzen Extract vortragen, damit diejenigen Punkte, bey denen etwas zu erwiedern ist, zur Kenntniss der Meister-Conferenz, welche alle Oeconomica besorgt, gelangen und von selbiger verhandelt und abgemacht werden können. §. 10. Die Brüder-Secretaire sind, der vielen Arbeit wegen, von den monatlichen Beyträgen dispensirt. Von der Entrichtung des Goldthalers aber kann niemand dispensirt werden. 231
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Cap. XXI. [recte: XX] Von den Obliegenheiten des Bruder Schatzmeisters. §. 1. Der Bruder Schatzmeister jeder auswärtigen Tochter-Loge führt ein Buch, in welchem derselbe sowohl die eingegangenen Receptions-Gelder, als die Goldthaler und die Beyträge der Mitglieder einträgt. §. 2. Monatliche Beyträge bestimmt eine jede Loge nach Maassgabe ihres Locals, ihrer Bedürfnisse und der Zahl und Vermögensumstände des grössten Theils der Brüder. §. 3. Wie und in welcher Form eine jede Loge ihren jährlichen Etat, die jährliche Abnahme der Rechnungen, die Führung und Verwendung der Armen-Casse einrichten will, solches wird der Beurtheilung und Entschliessung des Meisters, der Beamten und der Meister-Loge, als ökonomischen Behörde, überlassen. Nun wird die strengste Ordnung hierunter anempfohlen, weil solche im Geiste des Ordens ist; Unordnung aber nicht nur die Loge in eine nachtheilige Lage setzt, sondern auch Anlass zu Zwistigkeiten und Unannehmlichkeiten giebt. §. 4. Der Schatzmeister lässt durch den dienenden Bruder die Goldthaler und monatlichen Beyträge einfordern und quittirt darüber. §. 5. Er lässt durchaus keine Rückstände aufschwellen, denn Nachsicht hierinn ist den Brüdern keine Wohlthat und führt zu Unannehmlichkeiten, wenn die Reste erst so angewachsen sind, dass deren Entrichtung die Brüder incommodirt. §. 6. Sind dergleichen Rückstände entstanden, so muss der Schatzmeister es sogleich dem Meister vom Stuhl anzeigen. §. 7. Ganz besonders hat der Schatzmeister dafür zu sorgen, dass die Receptions-Gebühren vor der Aufnahme entrichtet werden. §. 8. In den Versammlungen sammlet der Schatzmeister jedesmal für die Armen. §. 9. Die sorgfältige Verwaltung der Logen-Gelder wird dem Schatzmeister zur Pflicht gemacht. Cap. XXI. Von den Obliegenheiten der beyden Brüder Stewards. §. 1. Die Brüder Stewards sind in ihren Verrichtungen die eigentlichen Oekonomen der Loge, und sie müssen sich bey den Töchter-Logen die verschiedenen Branchen der Oekonomie brüderlich theilen und ihnen gut und gewissenhaft vorstehen. §. 2. In geöffneter Loge stehen sie mit ihren Stäben, der eine am Thore gegen Mittag, der andere am Thore gegen Mitternacht, und assistiren bey den Ceremonien. 232
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Cap. XXII. Von den Obliegenheiten des Bruder Ceremonien-Meisters. §. 1. Sobald der Meister vom Stuhl mit den übrigen Beamten in die Loge gegangen um selbige gehörig zu ordnen, so sagt der Ceremonien-Meister denen im Vorzimmer versammleten Brüdern, dass sie gebeten würden, sich anzukleiden und einzutreten. §. 2. Der Bruder Ceremonien-Meister bleibt an der Thüre und lässt sich von jedem Bruder, der nicht zur arbeitenden Loge gehört, das Passwort geben. §. 3. Wenn alle Brüder eingetreten sind und niemand mehr draussen ist, so zeigt er es, nachdem er die Thüre zugemacht hat, dem Meister vom Stuhl an. §. 4. Fremde Brüder prüft er, untersucht ihre Certificate, welche er dem Meister vom Stuhl zur Beurtheilung hiernächst vor Eröffnung der Loge übergiebt und führt die Brüder, nachdem er zuvor von dem Meister vom Stuhl, nach abgestattetem Rapport, den Auftrag dazu erhalten hat, mir regelmässigem Anklopfen ein, stellt sie zwischen die beiden Vorsteher und lässt sie mit dem Zeichen des Grades, in welchem die Loge arbeitet, den Meister vom Stuhl gehörig begrüssen. Hiernächst weiset er ihnen ihre Plätze an. §. 5. Wenn vorsitzende Meister von fremden Logen der Arbeit beywohnen, so weiset er ihnen die ersten Plätze in den Colonnen an. §. 6. Die Verrichtungen des Bruders Ceremonien-Meisters bey den Aufnahmen sind in den Ritualien vorgeschrieben. §. 7. Wenn der Teppich erklärt wird, so zeigt der Bruder Ceremonien-Meister dem Neuaufgenommenen die Bilder der Hieroglyphen, welche in der Erklärung genannt werden, mit der Spitze des Degens. §. 8. Der Ceremonienmeister muss dafür sorgen, dass alle gegenwärtigen Brüder in dem Buche ihren Namen einschreiben, welches sich zu diesem Zwecke im Vorzimmer befindet. §. 9. Bey der Tafel-Loge weiset er ebenfalls den vorsitzenden Meistern anderer Logen und den fremden Brüdern nach hergebrachter Sitte die obersten Plätze an, wenn nicht etwa die Fremden sich schon bey anderen Brüdern die Plätze gewählt haben. §. 10. Auch muss der Ceremonienmeister bey der Tafel-Loge dafür sorgen, dass alle Brüder mit Gesangbüchern versehen werden. §. 11. Jede wider das Ceremoniell laufende Sache zeiget er den Vorstehern an und behält eine stete Aufmerksamkeit auf die Ordnung. 233
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§. 12. Er muss der erste und der letzte in der Loge seyn, damit er vor Eröffnung derselben sich überzeuge, ob alles gehörig decorirt und in Ordnung gesetzt ist und bis zu Ende dafür sorgen könne, dass alles ritualmässig geschehe. Cap. XXIII. Von den Obliegenheiten des vorbereitenden Bruders. §. 1. Dem vorbereitenden Bruder wird zwar überlassen, wie er ausser demjenigen, was das Rituale vorschreibt, einen Aspiranten vorbereiten will, jedoch werden ihm folgende Punkte anempfohlen: 1) Bey der Vorbereitung zur ersten Aufnahme oder in den Lehrlingsgrad, a. Muss er sich bey dem Aspiranten nach dem Bewegungsgrunde erkundigen, der ihn bestimmt hat, sich in den Orden der Freymaurer zu begeben und besonders darauf sehen, dass es nicht aus Ueberredung, oder aus eigennützigen Absichten, oder aus einer eiteln Neugierde geschehe. b. Muss er sich mit dem Aspiranten über die Vorstellungen, die derselbe von dem Freymaurer-Orden sich macht, unterhalten und sie zu berichtigen suchen, im Fall er sie falsch befindet. c. Er kann daher dem Aspiranten einige entfernte Winke von demjenigen, was er im Orden zu erwarten hat, geben. Dass dies mit der gehörigen Vorsicht geschehen muss, verstehet sich von selbst; und ein jeder vorbereitende Bruder wird wissen, wie weit er darinn gehen kann. d. Darauf muss er den Aspiranten von den Pflichten, die er als künftiger Freymaurer auszuüben hat, und von den Gesetzen und Gewohnheiten des Ordens unterhalten, und ihm vorzüglich Verschwiegenheit und Gehorsam gegen die vernünftigen und weisen Gesetzes des Ordens anempfehlen. Er muss ihm besonders vorstellen, dass derjenige, der sich in einen Orden oder in eine andere Verbindung begiebt, sie habe einen Namen welchen sie wolle, sich gewissen Gesetzen unterwerfe, und dass Obere und Vorgesetze da sind, denen er Gehorsam leisten müsse. Auch muss er ihn fragen: ob er einen Eid abzulegen gewillet sey, im Fall ihm einer vorgelegt würde? e. Er muss ferner dem Aufzunehmenden es zur Pflicht machen, beständig eingedenk zu seyn, dem Freunde und künftigen Bruder, der ihn zur Aufnahme in den Orden vorgeschlagen hat und der für ihn Bürgschaft übernehmen muss, durch seine Aufführung in und ausser dem Orden keine Schande zu machen, sondern sich eifrigst dahin zu bestreben, dass alle Brüder Freymaurer sich immer über ihn als über ein würdiges Mitglied freuen, und dem Bruder, der ihn dem Orden vorgeschlagen, es danken, dass er ihn dem Orden zugeführt hat. f. Bey seiner Rückkunft in der Loge stattet er dem Meister ganz kurz Bericht von seinem Auftrage ab. 2) Bey der Vorbereitung zum Gesellen-Grade1. 1 In der Lehrlings-Loge wird bey Verlesung der Gesetze No. 2. und 3. und in der Gesellen-Loge No. 3. des §. 1. nicht mit vorgelesen. 234
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Der vorbereitende Bruder erinnert den Aspiranten an seine erste Vorbereitung und an sein erstes Gelübde mit dem Zusatze, dass, da er durch diesen Grad gewürdiget werden solle, dem Orden einen Schritt näher zu treten, er auch mit dem Orden um so viel strenger sich verbinde, und er folglich sich auch nicht nur alles gefallen lassen müsse, was nach den Statuten und Gebräuchen mit ihm vorgenommen werden würde, sondern dass er auch aufs neue angeloben müsse, die moralischen und PolizeyGesetze, die ihm theils schon bekannt gemacht worden und auch weiter würden eröffnet werden, ohne vorsetzliche Verletzung derselben, heilig zu erfüllen. Der vorbereitende Bruder hat ihn endlich noch zu unterrichten und ihm ernstlich anzura then, dass er durch ein edles Betragen, in und ausserhalb der Loge, sich das Vertrauen seiner Meister, die Liebe seiner Brüder Lehrlinge und den Beyfall der äusseren Welt zu erwerben unaufhörlich bemühet seyn solle. 3) Bey der Vorbereitung zum dritten Grade. Der vorbereitende Bruder hat dem Aspiranten vornemlich zu sagen, dass, da der Orden beschlossen, ihn zum Meister-Grade zu erheben, er wohl in sich zu gehen und zu bedenken habe, ob er auch mit Vorsatz, seit der Zeit, da er zum Freymaurer aufgenommen worden, jemanden beleidiget, oder vorsätzlich wider die Ordens-Statuten gehandelt habe. §. 2. Ueberhaupt muss der vorbereitende Bruder darauf denken und sich jedesmal vorher dazu präpariren, sowohl dem Aspiranten den Eintritt in den Orden, als auch die weiteren Fortschritte mit männlichem Ernst und Würde wichtig vorzustellen, und sich dabey ein freundliches und leutseliges Benehmen, welches Vertrauen einflösst, so recht zu eigen machen, ohne ihm vieles von Geheimnissen und von hohen übermenschlichen Dingen vorzureden. Die Hauptregel ist: der Freymaurer muss im Orden mehr finden, als ihm beym Eintritt in denselben versprochen worden. §. 3. Sollte der vorbereitende Bruder Abhaltungen haben, so ist er verbunden, es dem vorsitzenden Meister anzuzeigen, welcher sein Geschäft einem andern Bruder übertragen wird. Cap. XIV. [recte: XXIV] Vom Vorschlagen neuer Brüder. §. 1. Kein Lehrling oder Geselle, da ein solcher die Pflichten eines Freymaurers noch nicht genugsam kennt, ist befugt, einen Aspiranten vorzuschlagen, und es stehet dieses Recht allein denjenigen Brüdern zu, die den Meistergrad erlangt haben. §. 2. Kennet aber ein Bruder Lehrling oder Geselle einen Uneingeweiheten, von dem er glaubt, dass er ein würdiges Mitglied des Freymaurer-Ordens abgeben würde und der den Wunsch, in den Orden zu treten, gegen ihn geäussert und ihn dazu beförderlich zu seyn, gebeten hat; so muss der Bruder Lehrling oder Geselle solches einem Meister, oder noch sicherer, den Vorstehern seiner Loge oder seinem Logen-Meister, selbst 235
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entdecken, ihnen die Bekanntschaft seines Aspiranten verschaffen und dadurch Gelegenheit geben, nicht nur gehörige Erkundigungen von dessen bisheriger Aufführung und gutem Rufe einzuziehen, sondern auch selbst dessen Gemüths- und Denkungsart zu prüfen, damit er dadurch in Stand gesetzt werde, aus eigener Ueberzeugung von der Würdigkeit des Aspiranten, den Vorschlag zu thun und dafür einstehen zu können. §. 3. Einem jeden Bruder wird es ausdrücklich untersagt, irgend jemanden zu überreden, in den Freymaurer-Orden zu treten. §. 4. Jeder Bruder, der einen Uneingeweiheten zum Freymaurer in Vorschlag bringt, muss für die Entrichtung der Receptions-Gebühren und übrigen bey der Aufnahme zu zahlenden fixirten Abgaben sorgen. §. 5. Dem Aspiranten muss der Proponent, bevor der Vorschlag geschiehet, alle diese Abgaben und die demnächstigen Beyträge genau bekannt machen und seine Erklärung erfordern, ob er dazu bereit ist. Diese Erklärung muss der Aspirant vor der Ballotage schriftlich abgeben und eigenhändig unterschreiben. §. 6. Falls der Aspirant, wegen seiner guten Eigenschaften oder dem Orden zu leistenden Dienste, in Rücksicht seiner noch eingeschränkten Vermögensumstände, auf Antrag des Proponenten erst und so lange, bis seine ökonomischen Umstände sich verbessern, von Entrichtung der Receptions-Gebühren dispensirt wird; so muss der Proponent mit seinem eigenen Vermögen dafür haften, dass sobald die Umstände es gestatten, die Zahlung erfolge. §. 7. Bey einer ganz vorzüglichen Qualification des Aspiranten kann, wenn seine Vermögensumstände es schlechterdings nicht gestatten, derselbe von Entrichtung der Gebühren ganz dispensirt werden; nur müssen dergleichen Fälle äusserst selten vorkommen. Bey auswärtigen Töchter-Logen entscheidet hierüber der vorsitzende Meister; in Berlin aber wird jeder Fall dieser Art dem Directorio zur Entscheidung vorgelegt. §. 8. Von Bezahlung der Kleidungsstücke und allen baaren Auslagen kann niemand dispensirt werden. §. 9. Jeder Aspirant muss in versammelter Lehrlings-Loge proponirt werden. Von diesen Formalitäten kann nur das Alt-Schottische Directorium in ganz besondern Fällen dispensiren. §. 10. Bey der Proposition stehet dem Proponenten frey, sich auf das Zeugniss anderer anwesenden Brüder, die den Aspiranten kennen, zu berufen und selbige zu dessen gewissenhafter Ablegung aufzufordern; auch in so fern dieses Zeugniss für den Aspiranten günstig ausfällt, zu seiner etwanigen künftigen Entschuldigung darauf zu bestehen, 236
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dass dieses gute Zeugniss wörtlich mit Benennung der Brüder, die es abgelegt, im Protocoll eingetragen werde. §. 11. Sobald die Proposition geschehen ist, stehet es jedem Bruder frey, nach erbetenem Worte, seine Einwendungen gegen den vorgeschlagenen Aspiranten öffentlich zu erklären und müssen solche, wenn es verlangt wird, zu Protocoll genommen werden. Dem Proponenten bleibt es alsdann überlassen, ob er seinen Vorschlag zurücknehmen oder darauf antragen will, dass, der angebrachten Einwendungen unerachtet, der Aspirant an die Tafel geschrieben und zu seiner Zeit über ihn ballotirt werde. §. 12. In beyden Fällen wird es dem Protocoll inserirt; auch in letzterm Falle der Aspirant von dem Bruder Secretaire sofort an die Tafel geschrieben. §. 13. Hierbey wird aber die strenge Pflicht der Geheimhaltung eines solchen Vorfalls, in Bezug auf Cap. IX. §. 17. jedem anwesenden Bruder genau anempfohlen; denn es muss jeder Bruder seine etwanige Einwendungen frey und unbefangen, in vollem Vertrauen auf die Verschwiegenheit seiner Brüder, öffentlich machen können, so wie es seine Maurer-Pflicht erheischt. §. 14. Sollte ein Bruder, der einen Aspiranten vorgeschlagen hat, denjenigen, der inoder ausserhalb der Loge seinem Vorschlage widersprochen oder seine Einwendungen zu Protocoll gegeben hat, deshalb anfeinden, hart anfassen oder gar zur Rede setzen, so ist der Meister vom Stuhl, auf die ihm gemachte diesfalsige Anzeige, verbunden, ein solch unbrüderliches und der Maurer-Pflicht zuwiderlaufendes Betragen nach aller Strenge zu ahnden, zu dem Ende des beschuldigten Bruders Verantwortung zu erfordern und nach Maassgabe des Cap. XIV. §. 17. zu verfahren. Cap. XXV. Von den Pflichten des Proponenten. §. 1. Der Proponent muss die Bürgschaft für den von ihm vorgeschlagenen Aspiranten übernehmen. §. 2. Er muss vorzüglich für die Rechtschaffenheit und die maurerischen Eigenschaften desselben einstehen. §. 3. Sollte daher dieser in der Folge einer niederträchtigen Handlung, der Verletzung der Verschwiegenheit oder grober Laster schuldig befunden werden; so lässt der Meister vom Stuhl den Proponenten in öffentlicher Loge zu seiner Verantwortung auftreten. §. 4. Der Proponent muss alsdann in dieser, oder wenn er sich dazu für unvorbereitet erklärt, in der nächstfolgenden Logen-Versammlung seine Verantwortung entweder schriftlich einreichen, oder zu Protocoll geben. 237
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§. 5. Diese Verantwortung wird sodann der versammelten Meister-Loge übergeben, darinn genau erwogen und nach Mehrheit der Stimmen der Proponent entweder von der Verantwortlichkeit frey gesprochen, oder ihm eine Strafe seiner Nachlässigkeit oder offenbarer Schuld dictirt. §. 6. Das Resultat wird dem zur Verantwortung gezogenen Proponenten aus dem darüber aufzunehmenden Protocoll mitgetheilt. §. 7. Findet er den Ausspruch zu hart, so steht es ihm frey, binnen drey Tagen auf die Entscheidung des Alt-Schottischen Directorii zu provociren. Sodann werden die abgehandelten Acten dem Directorio eingesandt, bey dessen Ausspruch es sodann sein Bewenden hat. §. 8. Die Bestrafung des Proponenten bestehet, nach Maassgabe der von demselben begangenen Nachlässigkeit, entweder in einer vom Meister unter vier Augen oder in geöffneter Loge ihm zu ertheilenden Zurechtweisung, oder in Beraubung des Rechts, einen Aspiranten in Vorschlag zu bringen, auf kürzere oder längere Zeit. §. 9. Falls aber ein Proponent überführet werden könnte, dass ihm zu der Zeit, als er den unwürdigen Maurer in Vorschlag gebracht, schlechte und niederträchtige Handlungen desselben schon bekannt gewesen; so hat er wegen der hierunter begangenen Verletzung seiner Maurer-Pflicht die Verlängerung des Zeitraums seines Grades, die Suspension auf gewisse Zeit, oder wohl gar nach Maassgabe der besonderen Umstä[n]de, die ihn etwa dabey graviren, die gänzliche Ausschliessung verwürkt. §. 10. Derjenige, der einen Aspiranten nicht selbst, sondern in eines andern BruderMeisters proponirt, übernimmt dadurch keine Verantwortlichkeit. Der Proponent muss solches aber sodann ausdrücklich erklären, seinen Committenten nennen und darauf antragen, dass es dem Protocoll inserirt werde. Um sich gegen alle demnächstige Unannehmlichkeiten zu sichern, thut ein solcher Proponent am besten, wenn er sich von seinem Committenten den Auftrag schriftlich geben lässt und ihn dem Protocoll beylegt. §. 11. Alsdann bleibt aber derjenige, der den Auftrag zur Proposition eines Aspiranten gegeben, eben der Verantwortung unterworfen, als wenn er selbst den Vorschlag in der Loge gethan hätte. Cap. XXVI. Von der Prüfungszeit des Aspiranten und von den Obliegenheiten aller Brüder während derselben. §. 1. Ein jeder Aspirant muss wenigstens vier Wochen lang an der Tafel angeschrieben stehen, ehe vom Proponenten die Ballotage nachgesucht werden kann. 238
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§. 2. Jedoch stehet es dem Meister vom Stuhl frey, bey durchreisenden Fremden, oder bey einer etwa zu nahe bevorstehenden Abreise des Aspiranten, unter der Cap. XVI. §. 18. vorgeschriebenen Modalität davon ganz oder zum Theil zu dispensiren. Ohne dringende Noth muss solches aber niemals geschehen. §. 3. Ein Aspirant, bey dessen Vorschlage eine Einwendung statt gefunden und protocollirt worden ist, muss acht Wochen an der Tafel stehen; welches nach der Wichtigkeit des geschehenen Widerspruchs bis auf drey Monate extendirt werden kann. §. 4. Während dieser resp. vier, acht oder zwölf Wochen, welches die Prüfungszeit genannt wird, ist es eines jeden Bruders Pflicht, von dem in Vorschlag gebrachten Aspiranten nach Möglichkeit mit Sorgfalt, jedoch mit äusserster Vorsicht, nähere Erkundigung einzuziehen, wobey es den Brüdern Lehrlingen und Gesellen, da sie bey der Ballotage nicht zugegen sind, besonders obliegt, ihrem Meister vom Stuhl oder einem der Brüder Vorsteher ihrer Loge, es in Zeiten umständlich anzuzeigen, wenn sie gegen den Aspiranten etwas zu erinnern finden, oder ihnen eine üble Qualität oder gar schlechte Handlung desselben bekannt wird. Derjenige Bruder Vorsteher, dem eine solche Entdeckung eröffnet wird, muss sie gleich dem Meister vom Stuhl bekannt machen, dessen Pflicht es sodann ist, sich von dem Grunde oder Ungrunde derselben Gewissheit zu verschaffen; es sey nun durch sich selbst oder dadurch, dass er einigen Brüdern, die er vorzüglich dazu geschickt hält, die Aufgabe mittheilt und ihnen aufgiebt, alle nur mögliche Bemühung zur Aufklärung des Umstandes anzuwenden, und das Resultat vor Ablauf der vier Wochen ihm bekannt zu machen. §. 5. Sind die vier Wochen abgelaufen und es ist das Factum noch nicht gehörig aufgeklärt, so muss der Meister die Prüfungszeit verlängern und darf nicht eher zur Ballotage schreiten, bevor der Gegenstand nicht ganz ins Klare gesetzt ist. Cap. XXVII. Von der Ballotage. §. 1. Nach Ablauf der Prüfungszeit, von dem Tage an gerechnet, da der Candidat an die Tafel geschrieben worden, ist es dem Proponenten erlaubt, in der nächsten MeisterLoge, entweder persönlich oder durch einen Committenten, dem er den schriftlichen Auftrag dazu giebt, darauf anzutragen, dass über den Aspiranten ballotirt werde. §. 2. Alsdann muss der Meister vom Stuhl dasjenige, was er entweder selbst, oder durch andere Brüder erfahren hat und was der Aufnahme des Aspiranten entgegen steht, öffentlich bekannt machen und dabey bemerken, ob er nach eingezogener näherer Erkundigung solches gegründet oder ungegründet befunden hat. Sodann fordert er die anwesenden Brüder auf, wenn ihnen von den oben erwähnten Umständen etwas bekannt geworden, oder sie neue Einwendungen zu machen hätten, solches öffentlich anzuzeigen. 239
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Hat der Meister aber die ihm bekannten Einwendungen wegen Kürze der Zeit, oder sonstiger Hindernisse, noch nicht gehörig untersuchen können, oder sind die neuen Einwendungen von der Art, dass sie eine nähere Beleuchtung erfordern; so macht der Meister bekannt, auf wie lange die Ballotage ausgesetzt bleibt und wie alsdann der Proponent von neuem darauf antragen könne; wo nicht, so wird zur Ballotage geschritten. §. 3. Findet der Proponent für gut, seinen Vorschlag ganz zurückzunehmen, so stehet es ihm frey; wo nicht, so wird der Termin der ausgesetzten Ballotage auf der Tafel bemerkt. §. 4. Bey der Ballotage geben bloss die anwesenden Brüder ihre Stimmen, und zwar die günstige durch ein rundes und die ungünstige durch ein eckiges Zeichen. §. 5. Finden sich drey oder mehr ausschliessende Stimmen, alsdann ist der Aspirant für abgewiesen anzusehen. §. 6. Tritt aber der Fall ein, dass bey der Ballotage eckige Zeichen vorgefunden werden, ohne dass vorher die mindeste Einwendung gegen den Aspiranten eingegangen; so fordert der Meister diejenigen Brüder, welche die eckige Zeichen gegeben, auf, binnen acht Tagen ihm mündlich oder schriftlich den Grund ihres Widerspruchs bekannt zu machen. Wenn binnen acht Tagen keine Anzeigen des Widerspruchs eingehen, so wird angenommen, dass die verneinenden Stimmen aus einem Irrthum gegeben worden, und ist der Aspirant als angenommen angesehen. §. 7. Wenn Einwendungen eingegangen sind und nach Verlauf von anderweitigen vier Wochen der Proponent dennoch auf die zweyte Ballotage anträgt; so werden demselben zuvor die unterdessen eingegangenen Einwendungen der widersprechenden Brüder vorgehalten, und falls er sie widerlegt, so wird, wenn er darauf besteht, zur zweyten Ballotage geschritten. §. 8. Wenn eine zweyte Ballotage ungünstig ausgefallen, so kann der Proponent auf eine nach Ablauf von acht Wochen vorzunehmende dritte Ballotage antragen. §. 9. Läuft die dritte Ballotage aber eben so ab, so wird der solchergestalt abgewiesene Aspirant förmlich der Aufnahme unfähig erklärt und sein Name und Stand, sammt den Bewegungsgründen, warum er abgewiesen ist, dem Alt-Schottischen Directorio sowohl, als allen Logen, mit welchen die Loge in Correspondenz stehet, schleunigst gemeldet. Dem Alt-Schottischen Directorio wird zugleich das Verzeichniss derjenigen Logen mit beygelegt, welchen der Vorfall bereits angezeigt worden ist, damit dasselbe ihn allen übrigen Logen, wo es nöthig ist, annoch melden könne.
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§. 10. Sollten sich aber bey der ersten Ballotage nur eine oder zwey verneinende Stimmen vorfinden, ohne dass vorher irgend eine Einwendung eingegangen wäre, so kann der Meister vom Stuhl, falls er Grund zu vermuthen hat, dass ein Irrthum vorgefallen sey, nochmals ballotiren lassen. §. 11. Findet sich alsdann, dass kein Irrthum vorgegangen, so kann der vorsitzende Meister zwey verneinende Stimmen nicht so fort heben, sondern er muss zuvörderst diejenigen Brüder, welche wider den Aspiranten votirt haben, auffordern, binnen einer gewissen Zeit ihm ihre Einwendungen schriftlich oder mündlich anzuzeigen. Geschiehet solches nicht, so kann der Meister vom Stuhl die beyden verneinenden Stimmen heben, und sodann eine Loge zur Aufnahme des Aspiranten ansetzen, in welcher er diesen Umstand jedoch den versammleten Brüdern bekannt machen und ihn zu Protocoll geben muss. §. 12. Werden dahingegen dem Meister vom Stuhl von den Brüdern, welche die verneinenden Stimmen gegeben haben, die Gründe dazu mündlich oder schriftlich angegeben; so wird es der Einsicht und Beurtheilung des vorsitzenden Meisters überlassen, ob er selbige erheblich findet oder nicht. Im ersten Falle kann er zu den zwey verneinenden Stimmen die Seinige als die dritte geben, wodurch der Aspirant abgewiesen wird, und diesen Umstand in der nächsten Meister-Loge bekannt machen, da denn solches im Protocoll bemerkt wird; dem Proponenten aber ungenommen bleibt, auf die abermalige Ballotage seines Aspiranten zu provociren. §. 13. Bey einer solchen abermaligen Ballotage wird es aber so gehalten, wie §. 10. und 11. bestimmt ist, nur dass der Meister verbunden ist, die gemachten Einwendungen vor der Ballotage den anwesenden Brüdern bekannt zu machen und solches zu Protocoll nehmen zu lassen. §. 14. Hält der Meister vom Stuhl hingegen die Einwendungen für unerheblich, so kann er die verneinenden Stimmen heben und sofort eine Loge zur Aufnahme des Aspiranten ansetzen; nur muss er denen Brüdern, die ihm ihre Einwendungen bekannt gemacht haben, wenigstens acht Tage vor der zur Aufnahme angesetzten Loge schriftlich Nachricht geben, dass er ihre Stimmen gehoben habe, und also zur Aufnahme des Aspiranten geschritten werden solle. §. 15. Desgleichen muss er vor der Aufnahme diesen Umstand, mit genauer Anzeige der von den dissentirenden Brüdern gemachten Einwendungen, den versammelten Brüdern bekannt machen, und wie solches geschehen dem Protocoll inseriren lassen.
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§. 16. Sollte dieses vom vorsitzenden Meister vom Stuhl nicht beobachtet werden, so stehet den dissentirenden Brüdern frey, sich vor der Aufnahme das Wort auszubitten und ihre Gründe des Widerspruchs zu Protocoll zu geben. §. 17. Da ein jeder Meister vom Stuhl, welcher verneinende Stimmen aus eigener Macht hebt, sich dem Directorio der Grossen National Mutter-Loge verantwortlich macht, wenn sich in der Folge die Einwendungen der dissentirenden Brüder gegründet finden; so setzt er sich auch alsdann allen den Folgen aus, die den leichtsinnigen Proponenten, nach Cap. XXIV. §. 8. und 9. treffen; nur dass sodann die Beurtheilung dem Directorio allein zustehet. §. 18. Jeder vorsitzende Meister wird daher wohlthun, wenn er sich seiner Befugniss, verneinende Stimmen zu heben, nicht leicht bedient, sondern entweder die ihm bekannt gewordenen Gründe des Widerspruchs seinen beyden Vorstehern, oder noch besser sämmtlichen Beamten seiner Loge in einer besonderen Conferenz eröffnet; und wenn sie ihm zur Aufhebung der verneinenden Stimmen beypflichten, ihre Zustimmung zu Protocoll aufnehmen lässt, oder wenn die Meinungen getheilt sind, den Fall dem Directorio zur Entscheidung vorlegt. §. 19. Auch kann der vorsitzende Meister die Entscheidung bis zur nächsten MeisterLoge aussetzen, in selbiger die ihm bekanntgewordenen Einwendungen gegen den Aspiranten bekannt machen, seine Gründe, warum er sie für unerheblich hält, anführen, alles dieses zu Protocoll nehmen lassen, und sodann zu einer wiederholten Ballotage, die noch für die erste gilt, schreiten lassen. §. 20. Finden sich alsdann drey oder mehrere verneinende Stimmen, so kann der Meister vom Stuhl solche nicht mehr und eben so wenig heben, als wenn sie gleich anfänglich gegeben worden, und der Aspirant ist sodann, wie bey der ersten Ballotage, für abgewiesen zu achten. §. 21. Finden sich in diesem Falle aber keine oder doch nicht mehr als zwey verneinende Stimmen, so ist nunmehr dafür zu halten, dass sämmtliche übrige anwesende Brüder den Gründen des Meisters, warum er die Einwendungen gegen den Aspiranten für unerheblich hält, beypflichten, und er kann sodann, ohne sich einer Verantwortung auszusetzen, die verneinenden Stimmen sofort heben und, dass solches geschehen, im Protocoll bemerken lassen. §. 22. Wenn bey der ersten Ballotage sich nur eine verneinende Stimme vorfindet, so kann der Meister vom Stuhl solche zwar sofort heben, ohne den Grund des Widerspruchs zu erfordern; da er sich aber dadurch der im §. 19. bemerkten Verantwortung aussetzt, es auch dem dissentirenden Bruder freystehet, den Grund seines Widerspruchs 242
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noch vor der Aufnahme des Aspiranten in der Loge zu Protocoll zu geben; so wird er gleichmässig wohl thun, auch in diesem Falle die in den §. §. 12. bis 22. enthaltene Anleitung zu befolgen. §. 23. Selbst wenn eine Ballotage günstig ausgefallen, und der Aspirant solchergestalt einstimmig angenommen worden, so muss der Meister vom Stuhl dennoch in der zu seiner Aufnahme eröffneten Lehrlings-Loge, bevor dazu geschritten wird, die anwesenden Brüder befragen: ob noch jemand gegen diese Aufnahme etwas einzuwenden habe? und sich, wenn alles stille ist, das Beyfalls-Zeichen geben lassen, weil es doch noch seyn kann, dass irgend ein Bruder Geselle oder Lehrling, der bey der ersten Proposition etwa abwesend gewesen, oder den Krankheit gehindert habe, während der Zeit, dass der Aspirant an die Tafel geschrieben gewesen, die Loge zu besuchen, einen Umstand wisse, der einen Grund zum Widerspruche abgeben kann. Das Nähere hierunter schreiben die Ordens-Ritualien vor. Cap. XXVIII. Von der Beförderung der Brüder. §. 1. Ein jeder Freymaurer soll in der Regel Ein Jahr im LehrlingsZwei Jahre im Gesellen- und Drey Jahre im Meister-Grade stehen. §. 2. Nach dieser abgelaufenen Stufenzeit hat jeder Freymaurer die Befugniss, seine weitere Beförderung mit geziemender Bescheidenheit nachzusuchen, insofern er sich keines Vergehens schuldig gemacht, wodurch er eine Verlängerung derselben verwürkt hätte. §. 3. Bey der Fortschreitung zu höheren Graden wird nicht ballotirt. §. 4. Auch stehet niemanden das Recht zu, jemanden dazu in geöffneter Loge vorzuschlagen. §. 5. Nur die Vorsteher allein dürfen dem vorsitzenden Meister einen Bruder zur Beförderung in Vorschlag bringen; jedoch muss auch dies nicht öffentlich, oder in geöffneter Loge, sondern unter vier Augen geschehen. §. 6. Wer daher die weitere Beförderung nachsucht, muss sich deshalb an seinen vorsitzenden Meister, oder an einen der beyden Vorsteher seiner Loge wenden, und es denselben überlassen, ob sie ihn würdig finden, ihm einen höheren Grad mitzutheilen; indem ihnen die Aufsicht über die Brüder ihrer Loge obliegt und sie dafür verantwortlich sind, wenn sie unwürdige Brüder zu höheren Graden befördern, oder sie selbst dazu in Vorschlag bringen.
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§. 7. Ausser denen in den Statuten erwähnten Vergehungen, auf welche die Verlängerung der Stufenzeit als Strafe gesetzt ist, stehet annoch fest, dass kein Bruder weiter befördert werden kann, bevor er sich die Kenntnisse seines Grades nicht dergestalt zu eigen gemacht hat, dass er in der Prüfung bestehet. §. 8. Soll ein Bruder zu einem höheren Grade befördert werden, so wird er vom Meister vom Stuhl in geöffneter Loge desjenigen Grades, in welchen er aufgenommen werden soll, den versammelten Brüdern vorgeschlagen und deren Meinung darüber erfordert. §. 9. Einem jeden Bruder stehet es sodann frey, seine etwanige Einwendungen zu eröffnen, und müssen solche auf sein Verlangen zu Protocoll genommen werden. §. 10. Ist ein Drittheil der anwesenden Brüder gegen die weitere Beförderung, so kann solche nicht eher als nach drey Monaten wieder in Vorschlag gebracht werden, da es dann eben so gehalten wird; es sey denn, dass sich solche Einwendungen fänden und erweislich gemacht werden könnten, die eine bestimmte Verlängerung der Stufenzeit oder die Suspension des zur Beförderung in Vorschlag gebrachten Bruders, nach den Statuten, zur Folge hätten, oder ihn wohl gar zur gänzlichen Ausschliessung reif machten. §. 11. Die Widersprüche einzelner Brüder, wenn solche nicht ein Drittheil der anwesenden ausmachen, werden nicht geachtet, wenn der Meister vom Stuhl derjenigen Loge, zu welcher der Aufzunehmende gehört, mit den beyden Vorstehern, oder wenigstens einem derselben, einig ist, dass die Aufnahme im höheren Grade der Einwendungen ungeachtet geschehen könne. Sind aber die beyden Vorsteher mit dem Meister verschiedener Meynung, so bleibt die Aufnahme ausgesetzt, bis sie sich vereiniget haben. Doch bleibt dem Meister vom Stuhl unbenommen, wenn er die Brüder Vorsteher seiner Loge, oder doch einen derselben nicht zur Beystimmung bewegen kann und deren Einwendung gleichwohl für unerheblich hält, solches dem Alt-Schottischen Directorio zur Entscheidung vorzutragen. §. 12. Wenn Brüder ihre Einwendungen schriftlich eingeben, so ist der Meister verbunden, sie den Vorstehern mitzutheilen und sie sodann der versammelten Loge des Grades, zu welchem der Aspirant befördert werden soll, vorzutragen, alsdann es eben so gehalten wird, §. 10 und 11 bestimmt worden. §. 13. Bey besonderen Fällen stehet es dem Meister vom Stuhl, mit Einwilligung der beyden Vorsteher, frey, von der Proposition des weiter zu befördernden Bruders in einer vorhergehenden Loge zu dispensiren und ist es sodann hinlänglich, wenn der Vorschlag in der zur Aufnahme angesetzten Loge vor der Aufnahme geschieht. 244
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§. 14. Finden sich aber sodann solche Einwendungen, dass ein Drittheil der anwesenden Brüder, oder beyde Vorsteher, der Aufnahme widersprechen, oder dass der Meister vom Stuhl selbst solche für erheblich und die Aufnahme hindernd hält; so kann mit der Aufnahme an dem Tag nicht vorgeschritten werden und wird es sodann, wie §. 10 und 11 bestimmt ist, eben so gehalten. §. 15. Ueberhaupt muss, selbst auch wenn die Beförderung des A[s]piranten in einer vorhergegangenen Loge des Grades beschlossen worden ist, doch noch in der zur Aufnahme desselben bestimmten Loge, bevor etwas vorgenommen wird, den anwesenden Brüdern freygestellt werden, Einwendungen dagegen zu machen und nur dann, wenn das Beyfallszeichen erfolgt ist, wird die Aufnahme vorgenommen. §. 16. Jeder Meister vom Stuhl, der einen Bruder seiner Loge befördert, muss selbigem vor der Aufnahme durch den Bruder Schatzmeister den Betrag der Receptions-Gebühren für Bezahlung der Kleidungsstücke und anderer Ausgaben bey der Aufnahme wissen lassen und für die Entrichtung vor der Aufnahme sorgen; widrigenfalls er mit seinem eigenen Vermögen für die Gelder haftet; es wäre denn, dass dem zu befördernden Bruder von dem Meister, mit Zuziehung der Vorsteher, ein Termin zur Zahlung aus erheblichen Gründen nachgelassen und bestimmt worden, oder dass der vorsitzende Meister denselben gänzlich von Receptions-Gebühren dispensirt hätte. In Berlin können dergleichen Dispensationen nicht ohne Zuziehung des Directorii statt finden. §. 17. Wenn ein Bruder Lehrling oder Geselle sich ungebührlich gegen denjenigen beträgt, der etwa seiner Beförderung widersprochen hat; so ist er zuförderst anzuhalten, denjenigen Bruder zu nennen, der ihm diesen Widerspruch entdeckt hat, sodann aber ist gegen ihn eben so zu verfahren, wie in Cap. XXIII. §. 14. in Ansehung des Proponenten bestimmt ist. §. 18. Die in geöffneter Loge geschehenen Widersprüche gegen eine Beförderung müssen schlechterdings eben so geheim gehalten werden, wie alles dasjenige, was in einer gesetzmässig geöffneten Loge verhandelt wird, dergestalt, dass auch nicht einem Bruder desselben Grades, der nicht zugegen gewesen, das mindeste davon geoffenbaret werden darf, und zwar bey eben den Strafen, die Cap. XIV. §. 23. fest stehen. §. 19. Alle vorhergehende §. §. handeln nur von der Beförderung der Brüder nach würklich abgelaufener gesetzlicher Stufen-Zeit. Wenn aber der im 5ten §. des XIV. Cap. enthaltene Fall eintritt, dass einem Bruder zur Belohnung seiner Verdienste und zur ferneren Aufmunterung die Abkürzung der Stufen-Zeit zugebilliget werden soll; so muss der diesfallsige Beschluss jedesmal in geöffneter Meister-Loge gefasst werden. 245
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§. 20. Dies geschiehet folgendergestalt. Nachdem die Loge geöffnet ist, hält der Meister eine Rede, in welcher er den Wandel des zu befördernden Bruders, sowohl im Weltlichen als in der Maurerey, mit wenigen Worten darthut, dessen Verdienste im Orden, Treue, Eifer und etwanigen wesentlichen Dienste, die er dem Orden geleistet hat, beschreibt, wobey er bekannte Thatsachen anführen muss. Sodann fordert er diejenigen Brüder, denen etwa ein anderes bewusst ist, auf, ihm zu widersprechen, mit der feyerlichen Versicherung, sie könnten gerade heraus reden, ohne zu befürchten, dass dasjenige, was sie fragen würden, über diese geweiheten Schwellen kommen mögte. Wenn alles stille ist, so frägt der Meister, ob, da ihm keiner widersprochen, die Brüder alle einwilligten, dass die Stufen-Zeit des so verdienstvollen Bruders um ein Jahr, oder wie lange es nun seyn mag, abgekürzt werden könne? Sobald das allgemeine Beyfallszeichen erfolgt, so ist es entschieden, Ist ein Drittheil der Brüder dagegen, so kann die Abkürzung der Stufen-Zeit nicht statt finden. Wenige dissentirende Stimmen sind kein Hinderniss, insofern nicht wichtige Gründe angeführt werden; bey wichtigen Gründen ist aber auch eine einzige Stimme dagegen. Cap. XXIX. Beschluss. §. 1. Die Ordens-Statuten müssen, damit sie den sämmtlichen Brüdern bekannt und in steter Erinnerung bleiben, unter dem Beschlusse des Bruder Redners in seinem Tische im Logen-Zimmer aufbewahret werden. §. 2. In jeder Instructions-Loge werden, gleich nach der Eröffnung derselben, zuerst drey Capitel der Statuten vorgelesen, bevor die Instruction angeht. §. 3. Wenn über einen Aspiranten ballotirt werden soll, so wird jedesmal vor der Ballotage das Cap. XXVII., und so jedesmal vor einem vorzunehmenden besonderen Geschäfte das dahingehörige Capitel vorgelesen. §. 4. In den Receptions-Logen aber werden während der Präparation, Auskleidung und sonstigen Anschickung des Aspiranten zur Aufnahme von dem Bruder Redner so viele Abschnitte der Statuten vorgelesen, als nothwendig ist, um die Lücke auszufüllen; so wie jeder Meister vom Stuhl überhaupt verbunden ist, während der geöffneten Loge in den Zwischen-Zeiten der Arbeit jedesmal die Statuten vorlesen zu lassen. §. 5. Zu diesem Ende muss allemal in den Statuten ein Zeichen an das Capitel gelegt werden, bis an welches man gekommen ist, damit in der nächsten Loge von da an weiter fortgefahren werden könne.
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§. 6. Denen anwesenden Brüdern aber ist es Pflicht, während der Vorlesung der Statuten die grösste Aufmerksamkeit darauf zu verwenden, damit sie nicht aus Unwissenheit fehlen; denn bey allen nach den Statuten abgefassten gesetzlichen Aussprüchen wird die Unwissenheit keine Entschuldigung seyn und das Urtheil nicht im mindesten mildern, weil sie bey einem so immerfortwährenden Mittel, sich zu unterrichten, sodann eines jeden Bruders eigene Schuld ist. Von Ordenswegen. Von neuem revidirt, rectificirt und die Sanction der versammelten Grossen NationalMutter-Loge erhalten. So geschehen Berlin, am Tage St. Johannis 1799. Das Alt-Schottische Directorium der Grossen National-Mutter-Loge zu den drey Weltkugeln. Boumann. v. Rapin. Klaproth I. v. Guionneau. Zöllner. v. Beyer.
ANHANG, / ENTHALTEND / DIEJENIGEN VORSCHRIFTEN, / WELCHE SEIT EMANATION DER STATUTEN, / AUF BESCHLÜSSEN / DER / HOCHW. GROSSEN NATIONAL-MUTTER-LOGE / BERUHEN, / UND / DURCH DIE GRUNDVERFASSUNGSMÄSSIGE SANCTIONIRUNG / DES ALT-SCHOTTISCHEN DIRECTORII / GESETZESKRAFT ERHALTEN HABEN. I. Abschnitt. Allgemeine Bundes-Vorschriften. §. 1. Bey den Logen in den Preussischen Staaten, soll eigentlich jeder Aspirant seinen Taufschein zu den Acten geben. Wenn solches aber Schwierigkeiten findet, so muss derselbe wenigstens ein eigenhändiges Attest über sein Alter ausstellen. §. 2. Kein verworfener, anderwärts aber aufgenommener Bruder, kann die Zulassung zu den Arbeiten der Loge, die ihn verworfen hat, verlangen, sondern bleibt so lange von derselben ausgeschlossen, bis sie ihre Meynung seinetwegen ändert. §. 3. Bey Gesundheiten soll nicht mehr der so genannte Tumult, oder das mehrmalige starke Aufstossen mit den Gläsern, nach geschehener Abfeuerung, statt finden.
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§. 4. Den Mitgliedern der aufgelöseten Feld-Logen soll gestattet werden, das Mitgliedszeichen derselben, zum Andenken des glorreichen Krieges beyzubehalten. §. 5. Die Herausgabe, oder der eigenmächtige Druck von Freymaurerschriften, ist eine Verletzung des Freymaurer-Gelübdes, und die statutenmässige Strafe unausbleiblich. Jedoch werden Listen, Umlaufschreiben, Gesangbücher, einzelne Gesänge und Texte von Musiken gedruckt. Sie müssen aber zuvor dem Meister vom Stuhl zur Revision vorgelegt, und nicht eher dem Druck übergeben werden, bis solcher das Imprimatur ertheilt hat. Auch gehaltene Reden können, unter eben dieser Bedingung, im Druck erscheinen, in so fern sie nur moralischen Inhalts sind und nichts enthalten, was die gelobte Verschwiegenheit verletzt. Durch die Ertheilung des Imprimatur übernimmt aber der Meister die Verantwortlichkeit. Die von dem Meister ertheilte Druckerlaubniss entbindet aber den Verfasser einer maurerischen Schrift keineswegs von der Verpflichtung, das Imprimatur des vom Staat bestellten Censors nachzusuchen. Wirkliche Freymaurerschriften, sie mögen Namen haben wie sie wollen, und noch so unschädlich scheinen, müssen, bevor sie gedruckt werden, dem Alt-Schottischen Directorio in Berlin zur Censur eingesandt und muss die Erlaubniss sie drucken zu lassen, bei demselben förmlich nachgesucht werden. Der Ausdruck: Manuscript für Brüder, fällt ganz weg. Die alte, fortwährende Regel ist: es muss nichts gedruckt werden, was nicht zur Publication sich eignet. §. 6. Die Unterschriften der gedruckten und der lithographirten Briefe, oder anderer Mittheilungen, müssen eigenhändig geschrieben, und nicht mit abgedruckt werden. §. 7. Jeder Meister vom Stuhl soll, wenigstens vierteljährlich, mit seinen Beamten, über die Angelegenheiten seiner Loge, eine Conferenz halten. §. 8. Ein Bruder, der ohne Entschuldigung oder notorische Verhinderung, die Loge ein ganzes Jahr nicht besucht, soll vom Meister vom Stuhl und den Vorstehern erinnert, und wenn er dennoch noch drey Monate lang nachlässig zu seyn fortfährt, als deckend angesehen, und in den Listen gestrichen werden. §. 9. Den Brüdern Ceremonienmeistern soll die Besorgung der, zur Haltung der Loge nöthigen Requisiten mit obliegen, und die dienenden Brüder in dieser Beziehung ihnen untergeordnet seyn; sie müssen sich daher, eine halbe Stunde vor Anfang der Loge, im Lokal einfinden, um zu revidiren, ob alles gehörig in Bereitschaft ist. §. 10. Wer sich ein besonderes Geschäft daraus macht, bey Beamten-Wahlen, Stimmen für oder wider einen Bruder zu bewirken, oder gar geheime Versammlungen dazu veranstaltet, verliert, ausser der statutenmässigen Strafe, noch auf ein Jahr sein Stimmrecht.
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§. 11. Der Proponent eines neu Aufgenommenen wird, durch dessen Beförderung zum Gesellen, von der weiteren Verantwortung für ihn entbunden. §. 12. Decorationen höherer Grade, von No. IV. inclusive an, werden bey den Arbeiten der Johannis-Grade nicht angelegt. Die Johannis-Meister bekleiden sich aber mit dem Meisterschurz, auch in den Gesellen- und Lehrlings-Logen, so wie die Gesellen, in der Lehrlings-Loge auch den Gesellenschurz tragen. §. 13. Beamtenzeichen tragen, bey der Arbeit und Tafel-Loge, nur die fungirenden Beamten der arbeitenden Loge. Selbst ein vorsitzender Meister trägt kein Winkelmaass, wenn er eine fremde Loge besucht, oder in der seinigen nicht selbst den Hammer führt. Was hierin bey Logen anderer Constitution üblich ist, lassen wir auf sich beruhen; daher bleibt das Tragen der Beamtenzeichen, den Brüdern fremder Bünde, wenn sie Logen unsers Bundes besuchen, unbenommen. §. 14. Bey den Arbeiten sollen die Brüder nicht ohne Degen und Handschuhe erscheinen. §. 15. Das Nothzeichen kann, nach seiner nächsten Bedeutung, auch schon den Brüdern Gesellen und Lehrlingen bekannt gemacht werden; jedoch mit dem Zusatz, dass dessen Entstehung ihnen erst künftig eröffnet werden würde. §. 16. Ein Bruder, der seine Entlassung nachsucht, erhält das Dimissoriale nicht eher, bevor er nicht alle seine Rückstände der Logen-Casse entrichtet hat. §. 17. Abwesende Mitglieder, die wegen der grossen Entfernung, an den Arbeiten niemals Theil nehmen können, bezahlen der Logen-Casse nur den Goldthaler, nämlich 1 Rthlr. 20 Sgr. jährlich. §. 18. Ein Bruder, welcher actives Mitglied irgend einer Loge im Preussischen Staate ist, kann selbst, wenn er entfernt von derselben wohnt, nicht als isolirter Bruder (s. §. 28.) angesehen werden. §. 19. Wenn ein fremder Bruder die Affiliation nachsucht, wird ihm solche nicht eher gestattet, bis er sein Dimissoriale von der vorigen Loge vorzeigt. Ist derselbe von einer unserer Bundes-Logen, so wird er sodann, ohne Weiteres, durch einen Handschlag und Einhändigung des Logenzeichens affiliirt. Ist er aber von einer Loge anderer Constitution, so wird sein Name, auf vier Wochen, an die Tafel geschrieben, und nach Ablauf dieser Zeit über ihn ballotirt, wobey die Mehrheit der anwesenden Brüder-Meister entscheidet. Bey der Affiliation muss derselbe annoch die dazu bestimmte schriftliche Ver-
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pflichtung unterschreiben, und durch seinen Handschlag zugleich unserm Bunde die Treue angeloben. §. 20. Ein Jude kann weder aufgenommen, noch affiliirt, noch zum Besuche zugelassen werden. §. 21. Bey Aufnahmen auswärtiger Aspiranten muss, wenn an ihrem gewöhnlichen Aufenthaltsorte eine Freymaurer-Loge existirt, immer zuvor Anfrage daselbst, über ihre Würdigkeit geschehen; auch kein Bruder einer fremden Loge darf befördert werden, als nur in dem einzigen, Statuten Cap. XVI. §. 19. bestimmten Falle, dass die Loge es selbst verlangt. §. 22. Bey der Ballotage über Aspiranten, bey den Vorschlägen zur Beförderung in den zweyten und dritten Grad, so wie bey allen Deliberationen über Gegenstände, welche die Loge selbst oder überhaupt unsern Bund angehen, werden keine besuchende Brüder fremder Constitution zugelassen. §. 23. Auf die Verschwiegenheit über das, was in geöffneter Loge geredet und verhandelt wird, muss strenge gehalten werden, und jeder Contraventions-Fall wird, sobald er erwiesen ist, durch die Grade der Verlängerung der Stufenzeit oder Suspension, nach den Statuten bestraft. §. 24. Bey jeder Johannis-Loge kann nur Ein vorsitzender Meister seyn. §. 25. Die substituirten Meister vom Stuhl der Tochter-Logen sollen, als solche, eben so wenig als die zweyten deputirten Meister, ein Recht auf die Ehrenmitgliedschaft der Hochw. Grossen National-Mutter-Loge haben; auch sollen die substituirten Meister eigentlich nicht seyn, und von den Tochter-Logen allemal die Umstände, welche ihre Ansetzung nothwendig machen, bevor sie gewählt und vorgeschlagen werden dürfen, dem Alt-Schott. Directorio zur Genehmigung angezeigt werden. §. 26. Der Punkt der Statuten, dass jeder Bruder, welcher nicht Redner ist, und eine Rede halten will, sie zuvor dem Meister vorlegen muss, wird dahin ausgedehnt, dass auch die in Function stehenden Redner dazu verbunden seyn sollen. §. 27. Kein isolirter Bruder soll zu den Logen-Arbeiten zugelassen werden, und ein Bruder, der sich von seiner Loge zu trennen Willens ist, oder vorgiebt, muss, wenn ihm das Dimissoriale ertheilt wird, bedeutet werden, wie er sich schlechterdings an eine rechtmässig constituirte Loge anzuschliessen habe, wenn er irgend an maurerischen Arbeiten ferner Theil nehmen will.
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§. 28. Ein isolirter Bruder ist aber ein solcher, welcher nicht actives Mitglied irgend einer, von den hiesigen drei Grossen Logen anerkannten Loge ist. Diese sollen nicht anders zu den Arbeiten und zu dem Genusse des Lokals zugelassen werden, als wenn sie sich affiliiren lassen; jedoch mit Vorbehalt der, nach den Statuten jeder Grossen Loge, bestehenden Verfassung. §. 29. In Ansehung der activen Mitglieder fremder Logen und des Benehmens gegen sie, wird Folgendes festgestellt: Mitglieder einer anerkannten, gerechten und vollkommenen St. Johannis-Loge können, wenn sie sich ausser dem Sitze ihrer Loge aufhalten, nicht gezwungen werden, zu der Loge, die ihren Sitz an dem Orte ihres Aufenthalts hat, und die sie besuchen, überzutreten, oder sich affiliiren zu lassen; sie sind aber verpflichtet, nach einem längern als Einjährigen Aufenthalt, auf Verlangen der Loge, an deren Arbeiten und Erholungen sie Theil nehmen, und die ihnen den Zutritt gestattet, als worin jede Loge unbeschränkt bleibt, einen Beitrag zu den Unterhaltungs-Kosten zu geben; und die Loge ist, im Weigerungsfalle, berechtigt, einen solchen Bruder, von den Arbeiten und von dem Genusse des Locals auszuschliessen. Ist ein solcher, Bruder einer ausserhalb der Preussischen Staaten arbeitenden Loge, so muss sein Name, sobald ihm der Zutritt, gegen Zahlung der Beiträge, erlaubt worden ist, auch in den, von den Logen einzureichenden, Listen aufgeführt werden. §. 30. In Gemässheit des vorigen §. 29. wird in unserem Bunde ein fremder Bruder, welcher nach dem Orient einer unserer Bundes-Logen sein Domicilium verlegt, vom Tage seiner Ankunft an, ein ganzes Jahr hindurch, zu den Arbeiten des Grades, den er besitzt, eingeladen. Nach Ablauf dieser Zeit muss er sich erklären, ob er sich affiliiren will oder nicht. Im ersten Falle sprechen unsere Gesetze darüber, und obiger §. 19. besagt es auch, was dann geschehen muss. Will aber ein solcher Bruder, ohne sich zu affiliiren, die Arbeiten ferner besuchen, und actives Mitglied seiner bisherigen St. Johannis-Loge verbleiben, so kann es zwar geschehen; er muss aber die, bei der Loge üblichen Beiträge bezahlen. Ist er von unserem Bunde, so bezahlt er seiner Loge nur den Goldthaler. §. 31. Wenn eine fremde Loge, dem Gesetz zuwider, ein actives Mitglied einer unserer Bundes-Logen, ohne Dimissoriale affiliirt, so muss es gleich, mit Bemerkung der Loge, die ihn solchergestalt gesetzwidrig affiliirt hat, dem Alt-Schott. Directorio angezeigt werden. §. 32. Besuchende Brüder werden nicht anders zugelassen, als auf Vorzeigung eines gültigen Certificats, auf welchem, bey dem üblichen: ne var ietur, oder sonst am Rande, der Name des rechtmässigen Besitzers, von seiner Hand geschrieben steht. Ist das mindeste Bedenken, so muss der Vorzeiger, bevor er zugelassen wird, seinen Namen in gleicher Art, auf ein besonderes Blatt schreiben, und der Secretair die Identität prüfen. Ist 251
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sodann alles richtig, und der Besuchende auch vom Bruder Ceremonien-Meister gehörig nach Zeichen, Wort und Griff geprüft, so wird ihm der Eintritt gestattet, und das Certificat zurückgegeben. Bey den hiesigen, zum Bunde der beyden andern Grossen Logen gehörenden Joh. Logen, muss der fremde Auswärtige, entweder Tages zuvor, sich bey dem vorsitzenden Meister gemeldet haben, wenn er zugelassen werden will, oder in Begleitung eines für ihn bürgenden Bruders erscheinen. §. 33. Die Dauer der Gültigkeit der Certificate, welche besuchende fremde Brüder präsentiren, kann keiner allgemeinen Festsetzung unterworfen werden; daher ist die Qualifikation des besuchenden Bruders, ob er ein activer und unverdächtiger Maurer sey, nicht allein aus dem Certificat, sondern auch aus den neuesten Listen der Loge, zu welcher er sich bekennt, zu beurtheilen. Jedoch kann solches nur auf solche Brüder angewendet werden, welche Mitglieder einer Loge sind, deren Verzeichnisse den diesseitigen Logen mitgetheilt werden; und in Hinsicht derjenigen Brüder, deren Logen mit den unsrigen nicht in Briefwechsel stehen, bleibt nichts weiter übrig, als die Richtigkeit der Certificate sowohl, als auch die Identität und die Beschaffenheit des Produzenten selbst, genauer, nicht bloss nach Zeichen, Wort und Griff, sondern auch nach den besondern Umständen seiner Aufnahme u. s. w. zu prüfen, und überhaupt die höchst möglichste Vorsicht zu beobachten. §. 34. In Erwägung der Missbräuche, welche von der Visirung der Certificate fremder besuchender Brüder gemacht werden können, falls diese Certificate im Besitz unredlicher Brüder sich befinden, oder in unrechte Hände gerathen sind, wird festgesetzt, dass dergleichen Visirungen durchaus nicht mehr statt finden sollen, wenn der Inhaber auch noch so sehr darum bittet; dagegen aber allgemein die alte Regel pünktlich zu beobachten ist, dass bei Ertheilung von Certificaten, derjenige Bruder, dem ein Certificat ausgefertigt wird, seinen Namen eigenhändig, mit dem gewohnten Schriftzug, am Rande desselben zeichnen, und der Logen-Secretair diese eigenhändige Namenszeichnung attestiren müsse. §. 35. Ein falsches Certificat, oder ein solches, von welchem erwiesen wird, dass der Vorzeigende nicht der rechtmässige Inhaber ist, wird nicht zurückgegeben, sondern der Loge zugestellt, von welcher angeblich die Ausfertigung geschehen seyn soll. §. 36. Wenn einer, welcher wegen Raubs, Diebstahls, Betrugs und ähnlicher, allgemein für schändlich gehaltener Handlungen, zur Untersuchung gezogen, und überführt worden, doch in der Folge so weit gebessert wird, dass man ihm wiederum ein öffentliches Amt anvertrauet, so darf er doch als Freymaurer nie vorgeschlagen und angenommen werden. §. 37. Ist es zweifelhaft, ob das Vergehen unter die, im vorigen §. beschriebenen schändlichen Handlungen gehöre, oder würde dem Suchenden eine zwanzigjährige Verjäh252
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rung zu statten kommen, so muss der Fall, bevor zur Aufnahme geschritten wird, noch einberichtet, und hier in Berlin besonders berathen werden. II. Abschnitt. Gesetze für die auswärtigen Bundes-Logen. §. 1. Den auswärtigen Bundes-Logen soll ein Extract der Grund-Verfassung der Grossen National-Mutter-Loge und des Alt-Schottischen Directorii mitgetheilt werden. §. 2. Bei den auswärtigen, zu unserem Bunde gehörenden Logen, wird die Beamtenwahl alljährlich Anfangs Mai abgehalten. §. 3. Wenn kein neuer vorsitzender oder deputirter Meister gewählt wird, und die alten bleiben, so ist die diesfallsige Anzeige und die Einreichung des Wahl-Protocolls an das Alt-Schott. Directorium nicht von nöthen. §. 4. Wird aber ein neuer vorsitzender oder deputirter Meister gewählt, so muss ein Extract des Wahl-Protocolls, die neue Wahl betreffend, und die schriftliche Verpflichtung des Neu-Gewählten, nach dem bey jeder Loge befindlichen Formular, dergestalt eingesendet werden, dass Beydes, spätestens den 15ten May beim Alt-Schott. Directorio eingeht; damit theils der neue vorsitzende oder deputirte Meister, noch früh genug, vor dem Johannis-Feste, vom Directorio bestätigt werden könne, theils auch die Anfertigung und der Druck der allgemeinen Uebersicht des Bundes nicht aufgehalten werde. Auf diejenigen neuen Meisterwahlen, die nach dem 15ten May eingehen, kann nicht mehr reflectirt werden; und es hat sich sodann jede Loge, die damit zurückbleibt, selbst beyzumessen, wenn der alte Meister in der neuen Uebersicht noch aufgeführt steht. §. 5. Wenn ein neu gewählter vorsitzender oder deputirter Logen-Meister den IV. Grad hat, so erhält derselbe, sobald er gehörig vom Alt-Schott. Directorio bestätigt ist, die Ehren-Mitgliedschaft der Hochw. Grossen National-Mutter-Loge. §. 6. Wenn eine Loge ihre profane Adresse ändert, so muss es spätestens den 15ten May, bey Einsendung des Wahl-Protocolls, oder wenn die alten Logen-Meister bleiben, und also kein Wahl-Protocoll eingesandt wird besonders, um eben die Zeit, gemeldet werden, weil solches bey der Redaction der neuen Uebersicht des Bundes, darin bemerkt werden muss. §. 7. Gleich nach Johannis, und spätestens bis zum 1sten October, sendet jede St. Joh. Loge, jährlich dem Alt-Schott. Directorio ein: a) Das namentliche Verzeichniss ihrer gesammten Mitglieder, mit Vor- und Zunamen, Stand und Bedienung, Lebensalter, Grad, Amt in der Loge und Aufenthalt. In demselben stehen zuerst die Beamten, nach ihrer Rangordnung, dann die activen anwe253
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senden Mitglieder, ferner die abwesenden activen Mitglieder, endlich die Ehrenmitglieder. Die höheren Grade über No. IV. werden nicht erwähnt. Bey den abwesenden, und bey den Ehren-Mitgliedern, muss der richtige Aufenthalt, so wie auch der dermalige richtige Stand und Bedienung angegeben werden, damit in die, für des Königs Majestät hier anzufertigende und alljährlich bey Allerhöchstdenselben einzureichende allgemeine namentliche Liste des Bundes, sich keine Unrichtigkeiten einschleichen. Darum ist es auch nöthig, dass die sämmtlichen Sehr Ehrw. Logen die abwesenden Brüder im Auge behalten, von Zeit zu Zeit Nachforschungen anstellen, ob sie ihren Aufenthalt, Stand und Bedienung verändert haben, und solches ergänzen. Dass diejenigen, welche in einem Zeitraum von drey Jahren, nichts von sich vernehmen lassen, und keine Beyträge zahlen, in den Listen statutenmässig wegzulassen sind, bedarf hier nicht erinnert zu werden. b) Den gewöhnlichen Jahres-Bericht, welcher Kunde giebt von der Beschaffenheit des eigenen oder gemietheten Locals, von den milden Instituten, Unterstützung der Armen, Verfassung, örtlichen Einrichtungen, Flor der Arbeiten, besondern Festen, und Ereignissen von Erheblichkeit, und überhaupt von allem, was ein Interesse haben kann. Ist beydes vor Ausgang Octobers nicht eingegangen, so werden Erinnerungen erfolgen. §. 8. Die Logen müssen nichts durch den Secretair oder sonst durch einen einzelnen anderen Bruder berichten lassen, sondern die Loge selbst muss alle ihre Berichte, vom vorsitzenden und deputirten Logenmeister und den beiden Vorstehern unterschrieben und vom Secretair contrasignirt, officiell an das Alt-Schottische Directorium richten, und zwar unter der Adresse des Repräsentanten oder unter der in der jährlichen HauptUebersicht des Bundes angegebenen profanen Adresse des Alt-Schottischen Directorii. §. 9. In dem Briefwechsel der Logen mit ihrem Repräsentanten, bey der Grossen National-Mutter-Loge allhier, werden die Briefe, worauf die Logen Antwort vom Alt-Schottischen Directorio zu erhalten wünschen, an das Directorium selbst gerichtet, damit die Verhandlungen immer vollständig erhalten werden können. §. 10. Ueber eingesendete Gelder müssen die Logen keine andere Quittungen annehmen, als solche, die das Alt-Schottische Directorium selbst unterschrieben hat. §. 11. Es muss kein Schreiben unter der Adresse einer Loge, oder unter einer sonstigen freymaurerischen Aufschrift, auf die Post gegeben werden, sondern jedes Schreiben in Ordenssachen, muss noch mit einem zweyten Couvert, und äusserlich mit einer weltlichen Adresse versehen seyn. Auch muss kein auf die Post gegebenes Schreiben, äusserlich auf dem Couvert, mit dem Logensiegel versiegelt seyn.
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§. 12. Das Exemplar von der Haupt-Uebersicht des Bundes, welches alle Jahr, mit dem Johannis-Circular den Logen zugefertigt wird, hat die Absicht, dass es zur Kenntniss aller Brüder gelange; darum muss es der Logenmeister nicht bloss im Verschluss behalten, sondern es von Zeit zu Zeit den Brüdern von neuem vorlegen lassen, damit sie den Logenbund, zu welchem sie gehören, näher kennen lernen, und erfahren, was sie in diesem Bunde für Schwester-Logen haben. Dem Ceremonienmeister aber muss der vorsitzende Meister vom Stuhl eine Abschrift des zweiten Anhanges derselben mittheilen lassen, welcher die von der Grossen National-Mutter-Loge anerkannten Logen enthält, damit derselbe, bey Prüfung der Certificate fremder Brüder, welche die Arbeiten besuchen wollen, es beurtheilen könne, ob sie zu einer anerkannten Loge gehören oder nicht; in welchem letztern Falle sie nicht zugelassen werden dürfen. §. 13. Da wo sich eine Del[egierte] Alt-Schottische Loge befindet, kann kein Bruder actives Mitglied derselben seyn, der nicht zugleich actives Mitglied der Johannis-Loge des Orts ist, oder zu einer Johannis-Loge gehört, in deren Orient sich keine Del[egierte] Alt-Schottische Loge befindet. §. 14. Wegen Zulassung der Nichtmaurer und der Schwestern im Logen-Locale, werden die Logen auf die, in mehreren früheren Johannis-Circular Schreiben enthaltenen Anordnungen aufs neue aufmerksam gemacht. Es muss das Heiligthum oder der LogenSaal, selbst auch der Tafellogen-Saal, nicht zu Tänzen, oder sonstigen profanen Belustigungen hingegeben werden. Unbedingt ist darauf zu halten, dass der Zutritt von Ungeweiheten, an Arbeitstagen nicht statt finde, und höchstens nur an einigen Tagen der Woche gestattet werde, wenn nichts maurerisches vorgenommen wird; wozu die Gesellschafts-Zimmer, und der von allen freymaurerischen Decorationen entblösste SpeiseSaal genügen können, damit die Loge selbst, nicht einem ungeweiheten Orte gleichgestellet werde. III. Abschnitt. Localgesetze für die vereinigten Logen in Berlin. §. 1. Das alte, durch wiederholte Beschlüsse der Grossen National-Mutterloge, so oft bestätigte und erneuerte Gesetz, dass keine Privat-Collecten für Arme bey unsern hiesigen vereinigten Logen statt finden, sondern alle Gesuche der Art, an die Armen-Deputation (jetzt Almosen-Amt), gewiesen werden sollen, wird von Neuem in Erinnerung gebracht, mit dem Zusatz, dass der Grossmeister, alle Jahr, am Johannisfeste, die diesfalsigen §§. 9 und 10. der Grundverfassung des Almosen-Amts, der ganzen Brüderschaft vorlesen soll, und dass, wenn derselbe solches versäumt, der Gross-Almosenier, vor dem Schlusse der Loge, sich das Wort ausbitten, und ihn daran erinnern soll.
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§. 2. Die hiesigen drey Grossen Logen ernennen, jede zwey Deputirte, welche ein gemeinschaftliches Armen-Collegium bilden, um den durchreisenden dürftigen Brüdern, nach vorheriger Prüfung, eine Unterstützung zu verabreichen. §. 3. Die Arbeiten bey den vereinigten Logen in Berlin, sollen jedes Mal präcise um ½ 6 Uhr Abends, und nie später, wohl aber früher anfangen, und wenn der vorsitzende Meister sich um die bestimmte Stunde noch nicht eingefunden hat, die im Circulare steht, so soll, auch ohne Auftrag desselben, der deputirte Meister, und wenn auch dieser fehlt, der Bruder Erste Vorsteher den Hammer übernehmen. §. 4. Bey der Ballotage über einen Aspiranten, sollen sämmtliche Brüder Meister der hiesigen vereinigten Logen zugelassen werden, und dazu berechtiget seyn. §. 5. Bey dem Vorschlage eines Aspiranten sollen jederzeit einige Brüder den Auftrag erhalten, besondere Erkundigungen über seine Beschaffenheit einzuziehen. §. 6. Denen Personen, welche festgesetzte Unterstützung aus der Armen-Casse erhalten, sollen Curatores vom Almosen-Amt beigeordnet werden, welche theils nach der Nothdurft der Unterstützten, und ob sie weiter dazu angethan, sich erkundigen, und deshalb ihre Anträge bei dem Almosen-Amt machen, theils auch die Unterstützungen selbst ihnen zustellen, welches nicht weiter durch die dienenden Brüder geschehen muss. §. 7. Jährlich soll der ganzen Brüderschaft der hier vereinigten Logen bekannt gemacht werden, wieviel die Einnahme der Armen-Casse im Laufe des Jahres betragen hat, und wieviel und an wieviel Personen die Ausgabe gewesen ist; jedoch ohne Jemanden zu nennen. §. 8. Bei der Stewards-Loge soll beständig ein Mitglied derselben die Functionen eines Intendanten verrichten, der auf alle, besonders durch die dienenden Brüder veranlassete Unordnungen Acht haben und ihnen abhelfen soll; auch soll derselben ein Bruder, welcher die Baukunst versteht, zugeordnet werden. Die Stewards-Casse soll immer einen Bestand haben, um Vorschüsse machen zu können, und für die Oeconomie möglichst sorgen. §. 9. Das hiesige Logen-Local soll nicht mehr zu andern Versammlungen eingeräumt werden. §. 10. Da bey späterer Dauer der Quartals-Conferenz der Grossen Loge, mehrere Brüder sie oft vor dem Schluss verlassen müssen, so soll künftig jedes Mal, spätestens um 8 Uhr die Quartals-Conferenz-Loge geschlossen, und im Fall noch zu machender weiteren Vorträge, bald nachher eine ausserordentliche Conferenz dazu angesetzt werden. 256
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§. 11. Jeder Einheimische, der sich bei einer in Berlin, unter Constitution einer Grossen Loge, arbeitenden St. Joh. Loge zur Aufnahme oder Affiliation meldet, wird den beyden andern Grossen Logen angezeigt; und ist der Aspirant, von einer andern Loge bereits ballotirt und abgewiesen worden, so kann er von keiner andern Loge in Berlin aufgenommen werden. Meldet sich ein Reisender zur Aufnahme oder Affiliation, so muss er anzeigen, an welchem Orte er sich die letzten zwey Jahre aufgehalten hat. Ist an diesem Orte eine, von den drey Grossen Logen anerkannte Loge vorhanden, so wird, nach Abschnitt I. §. 21. dieses Anhanges, bey derselben, über die Aufführung des Aspiranten Erkundigung eingezogen. Ist an dem Orte keine anerkannte Loge, so wird man die besondern Empfehlungen, worauf sich der Aspirant bezieht, berücksichtigen. Dabey wird noch festgesetzt, dass wenigstens 9 Tage Zeit gelassen werden müssen, um bey den hiesigen Grossen Logen über den Candidaten die nöthigen Erkundigungen einziehen zu können. §. 12. Die hiesigen Töchter der drey Grossen Logen sollen sich auch benachrichtigen, so oft Jemand bey ihnen vorgeschlagen, und nicht aufgenommen worden ist, mit der Anzeige: ob derselbe durch die Ballotage verworfen, oder ob bloss andere Gründe, vor oder nach der Ballotage, die Aufnahme verhindert haben. §. 13. Die Anschlagung vorgeschlagener Fremden kann, nach vier Wochen, in jeder Loge abgenommen werden. §. 14. Die hiesigen St. Joh. Logen sollen sich auch Nachricht von den Brüdern geben, welche aus den Listen gestrichen worden. §. 15. Wenn ein Bruder einer der drei Grossen Logen, sich durch Vergehungen, die Strafe der Suspension zugezogen hat, und die Zeit derselben drey Monate übersteigt, so soll sie den beyden andern Grossen Logen angezeigt werden. Nach dieser Anzeige wird die Grosse Loge, an welche sie geschehen ist, dem Suspendirten, während seiner Strafzeit, auch den Gebrauch ihres Locals, und den Zutritt zu ihren Arbeiten und Vergnügungen versagen. Um indessen die Brüder, die so unglücklich gewesen sind, suspendirt zu werden, möglichst zu schonen, soll eine solche Suspensions-Anzeige nur dem Logen-Meister, und von diesem nur dem Ceremonien-Meister und dem Secretair der Loge bekannt gemacht werden. Damit aber eines Theils jedes Mitglied sich vor einer solchen Strafe hüte, und andern Theils die auf Suspension stimmenden Brüder, mit dem Nachtheil dieser Strafe hinlänglich bekannt werden, so soll die Wirkung der Suspensions-Strafe überhaupt, alle Vierteljahre in jeder Loge bekannt gemacht werden.
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§. 16. Für die Brüder Secretairs sollen Invitations-Schemata gedruckt werden, deren jedes Mal vier zu erlassen sind, und worauf der Name des dienenden Bruders, der es zum Vorzeigen erhält, bemerkt werden muss. Berlin, den 17ten November 1825. Das Alt-Schottische Directorium des Bundes der Grossen National-Mutter-Loge zu den drey Weltkugeln. v. Guionneau. Nolte. Bellermann. E. G. Fischer. Khün. v. Diederichs. Piaste. Quelle: Die Ordens-Statuten der Brüder Freymaurer, zum alleinigen Gebrauche der grossen NationalMutter-Loge zu den drey Weltkugeln und ihrer sämmtlichen Töchter-Logen. Gedruckt in der Geheimen Buchdruckerey des sehr ehrwürdigen Bruders Decker jun. Berlin 1799. [Mit Dank an die Große National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“ für die Zurverfügungstellung eines Exemplars der Statuten.]
Die Großloge Royal York I) Grundvertrag, 1797 [mit Anmerkungen des Verfassers Ignaz Aurelius Feßler]
Grundvertrag oder Fundamental-Constitution / der gerechten, vollkommenen und vollendeten grossen Mutter-Loge / Royale York zur Freundschaft / und aller mit ihr vereinigten Logen. / Sanctionirt und beschworen den 3. August 1797. / Im
Orient von Berlin
Vorbericht. Eine Gesellschaft im rechtlichen Verstande kann nicht anders als durch einen Vertrag entstehen, und dann ist sie das Verhältniss mehrerer Personen, welchen ein gegenseitiges Zwangsrecht zukommt, sich zur Hervorbringung des gemeinsamen Endzweckes zu bestimmen. Soll nun auch eine Freymaurer-Loge für eine Gesellschaft im rechtlichen Verstande geachtet werden, so muss auch sie durch einen Socialvertrag, in welchem die Verfassung und die Rechte der ganzen Gesellschaft, so wie die Rechte der Glieder, als solcher bestimmt sind, entstanden seyn; und dieser Vereinigungs- oder Socialvertrag muss die ausdrückliche Erklärung der wirklichen Vereinigung und der Form der Socialverfassung enthalten. Ein solcher Socialvertrag ist eigentlich die Constitution, welche, in so fern durch dieselbe der Wille aller Glieder zu dem gemeinsa258
Die Großloge Royal York
men maurerischen Zweck vereiniget wird, Vereinigungsvertrag; in so fern eine Person in die Gesellschaft aufgenommen wird, Aufnahmevertrag; und in so fern die Art und Weise darin bestimmt ist, wie jeder Einzelne seinen Privatwillen dem Willen der Gesellschaft zur Erreichung des maurerischen Zweckes unterwerfen soll, Unterwerfungsvertrag heisst. Alles, was sich daher auf die Verfassung einer Freymaurer-Loge bezieht, muss aus dem Grundvertrage derselben, nicht aus Usurpationen oder herkömmlichen Observanzen, erkennbar seyn und ausgemittelt werden können. Solcher Grundverträge hat die Loge Royale York zur Freundschaft zwey aufzuweisen. 1) Die Statuten, welche den Br. Br. bis zu dem Jahre 1789 nur schriftlich bekannt waren, im besagten Jahre aber unter dem Titel: Code Maçon, gedruckt wurden. 2) Die neue den 3. August 1797 sanctionirte und beschworne Constitution. Wenn zu dem Wesen eines Grundvertrages oder einer Constitution erfordert wird, dass sie die bleibende Form der Socialverfassung und der Gesetzgebung aufstelle, so konnten wohl die im Jahre 1789 gedruckten Statuten nie als eine Constitution oder als ein Grundvertrag der Loge Royale York betrachtet werden, noch als solche bestehen. Sie enthalten nichts als die Erklärung der Rechte, welche der innere Rath über die ganze Loge, sowohl in Ansehung ihrer Glieder, als auch ihrer Einkünfte, haben sollte. Alle übrige Anordnungen sind specielle Vorschriften für die Vorsteher, Beamte, Geschäftsführer und Mitglieder der Loge. Die ganze Verfassung, die in diesen Statuten, nicht aufgestellt, sondern als bestehend vorausgesetzt wird, streitet beynahe überall mit den Principien des natürlichen Socialrechtes. Daher kam es auch, dass dieselben, bey aller Bemühung, sie als Grundvertrag geltend zu machen, nie ganz in Ausübung gebracht werden konnten. Eben daraus aber entstand ein anderes Uebel. Mit dem von der einen Seite vorgegebenen und von der andern Seite nicht anerkannten, oder wohl gar verachteten, Grundvertrage musste auch die Verfassung schwankend und ungewiss werden. Die verschiedenen Rechte und Auctoritäten mussten in immerwährenden Widerstreit gerathen, und an die Stelle der Gesetze und der Ordnung mussten von der einen Seite die Kunstgriffe der Herrschsucht und die Willkühr, von der andern die Gewalt treten, bis endlich der ganze Code Maçon in völlige Vergessenheit gerieth. Die unter diesem Titel gedruckten Statuten sind also jetzt völlig unbrauchbar, wenn von der Verfassung der Loge Royale York, oder von Rechten der Glieder, die Rede ist. Und da sich auf Usurpation, Gewalt und herkömmliche Observanz, schlechterdings kein gesetzliches Recht gründen oder daraus herleiten lässt, so muss jetzt der zweyte wirkliche Grundvertrag oder die Constitution vom 3. August als die einzige Basis der Verfassung und als die Quelle aller Rechte der Mitglieder der Loge Royale York angesehen und anerkannt werden. Durch diesen wirklichen Grundvertrag sind die lange schon ausser Acht und Kraft gesetzten Statuten vom Jahre 1789 völlig abrogirt worden; durch eben diesen Grundvertrag ist aber auch alles abgeschafft worden, was der vormahlige in259
Freimaurerlogen
nere Rath durch die Kunstgriffe der Herrschsucht, oder die Meister durch die Gewalt, sich angemasst hatten. Dieser Grundvertrag vom 3. August 1797, der nun hier, dem Entschlusse der Meisterloge vom 10. May d. l. J. gemäss, allen Mitgliedern der Loge Royale York durch den Druck mitgetheilt wird, ist auf folgende zwey unstreitige Grundsätze gebauet.
I. Jede vernünftige Gesellschaft muss unablässig dahin arbeiten, dass ihre Ordnung und alles Gute, was in ihr geschieht, nicht von den zufälligen guten Eigenschaften der zeitigen Vorsteher, die abgehen, sich verändern, sterben können, abhange; sondern aus der Fundamentalverfassung, oder aus der Form der Gesellschaft selbst, erfolge. II. Nur jene Gesellschaft kann eine gut organisirte genannt werden, deren Vorsteher, kraft der Verfassung, alle Macht haben, Gutes zu wirken, und keine Macht, Böses zu thun, oder willkührlich zu herrschen. Mit beständiger Hinsicht auf diese Grundsätze ist der Umfang des Machtantheils der verschiedenen Collegien genau ausgemessen; sind die Grenzen desselben auf das Aeus serste bestimmt; sind die Collegien sich gegenseitig subordinirt und coordinirt; sind den Collegien, Vorstehern, Beamten und Meistern, Rechte beschränkt worden, durch welche die gesetzliche Ordnung leicht aufgelößt werden könnte, und kein Collegium, kein hammerführender Meister, kein Vorsteher, kein Beamter, kein Mitglied der Loge R. Y. kann sich jetzt mehr ein Recht anmaassen oder geltend machen, welches ihm nicht durch den Grundvertrag, das ist, durch die Constitution vom 3. August, angewiesen worden ist. Eigentlich sollte eine Constitution nichts anders als die Verfassung, das ist, den Zusammenhang und die Grenzen der verschiedenen Gewalten, so wie die Art und Weise, wie dieselben verwaltet werden sollen, bestimmen; folglich sollte sie auch nichts weiter enthalten, als die bleibende Form der Gesetzgebung und Regierung, ohne sich in specielle Gesetze und Vorschriften einzulassen. Allein der Zeitpunct, in welchem diese Constitution entworfen ward, machte es nöthig, gewissen Inconvenienzen auf der Stelle abzuhelfen; und hierin liegt der Grund, dass in der angenommenen und sanctionirten Constitution, ausser der Form der Gesetzgebung und Regierung, mehrere specielle Gesetze, die nach Zeit und Umständen modificirt, ja sogar abrogirt werden können, vorkommen. Bey einer künftigen Revision der Constitution können und sollen diese speciellen Vorschriften aus derselben weggelassen, und in das Gesetzbuch übertragen werden. Und um bis dahin allen Missverständnissen vorzubeugen, ist alles, was wesentlich zur Constitution gehört, mit grosser, alles Uebrige aber, was gleich beym ersten Anblick sich als Special-Gesetz ankündiget, mit kleinerer Schrift gedruckt worden. Eine grosse Mehrheit der Brüder hatte den Wunsch geäussert, dass dem Grundvertrage einige erläuternde Anmerkungen beygefügt werden mögten. Nichts konnte dem Concipienten desselben willkommener seyn, als dieser Wunsch, der ihn in den Stand setzt, öffentlich den Brüdern zu erklären, in welchem Sinne er manche Worte genommen, welche Begriffe er damit verbunden, und was er sich unter dieser oder jener Vor260
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schrift gedacht hat. Damit aber diese Anmerkungen nie zu Streitigkeiten Anlass geben können, so wird hiermit feyerlich erklärt, dass dieselben nichts weiter als Privat-Erklärungen eines Einzelnen sind; mithin schlechterdings keine legale Auctorität haben, und eben darum auch nie als Entscheidungsgründe für irgend einen Beschluss angeführt werden dürfen, ob sie gleich dort, wo sie in sich beweisende Kraft haben, auch als Beweisgründe gelten mögen. Die seit dem 3. August 1797 nöthig befundenen und zu bleibenden Gesetzen erhobenen wichtigen Modificationen sind in den Text selbst hineingetragen worden, weil sie als Anmerkungen leicht zu Missverständnissen und Zweydeutigkeiten hätten Anlass geben können.
Constitution. §. I. Grundsätze, welche der Constitution und aller maurerischen Gesetzgebung zur Grundveste dienen. Erster Grundsatz. Alle Freymaurer suchen den Zweck der Freymaurerey1; wenige Freymaurer suchen ihn da, wo sie ihn finden sollen. Eingehüllt in den Mantel der Sinnbilder und Anspielungen, will man, statt diese Hülle aufzuheben, die Freymaurerey aus ihrer Verkleidung errathen, da doch jeder Theil dieser Hülle nur einen Theil der Freymaurerey ankündigt. Daher ist es denn gekommen, dass fast alle in der Erklärung der nemlichen Sinnbilder geirrt haben; und daher sind die maurerischen Parteyen und die Systeme entstanden, welche sie aufrecht erhalten; daher entsteht auch die Beharrlichkeit an gewisse vorgefasste Meinungen, wovon die Parteygänger jedes dieser Systeme beherrscht werden. Jede dieser Parteyen konnte sich doch wohl, bey sehr verschiedenen Zwecken, in Ansehung des wahren Zweckes irren. Es giebt nur Eine Freymaurerey. Diese kann nur Einen Zweck haben; deswegen können beynahe alle Absichten, welche sich die verschiedenen maurerischen Parteyen zum Gegenstande machen, unmöglich der Zweck der Maurerey seyn, weil es unmöglich ist, mehr als Einen Zweck anzunehmen. Um aber zu diesem Zwecke zu gelangen, kann man verschiedene Wege einschlagen, verschiedene Mittel anwenden, und vielleicht könnte man mit Recht behaupten, dass man verschiedene Mittel anwenden müsste; darin liegt aber der Fehler, dass man diese Mittel als eben so viel Zwecke bey den mancherley Parteyen der Maurerey angenommen hat.
1 Zweck heisst: der feste und entschiedene Gegenstand, auf welchen die Handlungen des denkenden Wesens gerichtet sind, oder gerichtet seyn sollten. 261
Freimaurerlogen
Der Zweck der Freymaurerey ist kein Geheimniss. Das wahrhafte Geheimniss liegt in den Mitteln,1 zum Zwecke zu gelangen.2 Zweyter Grundsatz. Der Keim aller maurerischen Kenntnisse ist in den ersten drey Graden eingeschlossen. Folglich muss jede Mannigfaltigkeit von Graden, welche Geldgier, Marktschreyerey, Thorheit, Aberglaube, Schwärmerey, Eitelkeit und Herrschbegierde erzeugt haben, auf immer aus der maurerischen Verfassung verbannt werden. Und wenn man gestattet, dass die Urkunden davon aufbewahrt werden; so darf es nur deswegen seyn, um zur Geschichte der maurerischen Ausschweifung Stoff zu liefern. Mit diesem Grundsatze steht folgende Erklärung nicht im geringsten Widerspruche; nemlich: Die gerechte, vollkommene und vollendete3 Grosse Mutterloge Royale York bestehet: 1) aus den ersten drey Graden der Sct. Johannis-Maurerey, 2) aus den Graden der schottischen Loge,4 3) aus dem hochwürdigen Ordenskapitel, oder dem innersten Orient. Hingegen gehören in Zukunft alle Ceremonien und Weihen der Elûs, Illustres, Sublimes, Souverains, so wie selbst die Benennung und die Anmassung des Conseils sublime, lediglich in die Geschichte der Erziehung, des Wachsthumes und der Verirrung dieser g. v. u. v. Mutter-Loge.
1 Unter Mitteln wird hier überall nichts anders verstanden, als die maurerischen Gebräuche, der practische Unterricht und die Gesetze. Siehe gute Sache der Freymaurerey. 2 Der Zweck der Freymaurerey darf und soll kein Geheimniss seyn; nur das Formale der Mittel zum Zwecke wird mit Recht vor jedem geheim gehalten, der nicht durch den Beytritt zu dem Orden, oder von Staates wegen, Kenntniss davon zu fordern berechtigt ist. 3 Das Beywort, vollendet, bezieht sich lediglich auf die letzten Aufschlüsse, welche die Loge Royale York ihren bewährtesten und würdigsten Mitgliedern zu ertheilen im Stande ist. Diese Aufschlüsse bestehen in der vollständigsten Erkenntniss der verschiedenen Zwecke, welche zu verschiedenen Zeiten in der Maurerey aufgestellt waren, in der zuverlässigsten Erkenntniss des Ursprunges, der Fortschritte, und des abwechselnden Steigens und Fallens der Freymaurerey; eine Erkenntniss, welche in allen Fragen des lehrbegierigen Maurers, so wie in jede dunkele Stelle des maurerischen Catechismus, überraschendes Licht bringt, und einen beträchtlichen Theil der Geschichte des menschlichen Geistes ausmacht. 4 Es ist als Grundsatz bey der Loge Royale York angenommen worden, dass die verschiedenen Grade oder Mysterien der Freymaurerey nichts anders sind, als symbolische Darstellungen des §. II. aufgestellten Zweckes, oder der Gesetze. Wenn demnach die Benennungen, Sct. Johannisund schottische Maurerey, beybehalten worden sind, so ist es nur darum geschehen, weil dieselben in der Maurerwelt bisher üblich waren, und mit der Geschichte der Freymaurerey in einer bestimmten Beziehung stehen. 262
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Dritter Grundsatz. Die Länge einer Loge ist: vom Morgen bis gegen Abend; ihre Breite: von Mittag bis Mitternacht; ihre Tiefe von der Oberfläche bis zum Mittelpunkte der Erde; ihre Höhe bis an die Wolken. Aus diesem Grundsatze folgt die gemeinschaftliche Verschwisterung der Sct. JohannisMaurerey mit der schottischen, und dieser mit dem hochwürdigen Ordenskapitel oder dem innersten Orient; die Nothwendigkeit einer Coordination zwischen der johannitischen und schottischen Maurerey und dem hochwürdigen Kapitel des Ordens oder dem innersten Orient; die Unentbehrlichkeit einer Subordination, welche der maurerischen Freyheit und Gleichheit weise Grenzen setzt. Alle diese Folgerungen hangen wie die Glieder einer Kette zusammen. Aus diesen Folgerungen entspringen andere: der Unterschied zwischen unterweisenden und lernenden Logen, die Abtheilung unter dirigirende und dirigirte Logen; und alle diese Verschiedenheiten wird derjenige sehr gut fühlen, der aus richtigen Begriffen von der geselligen Verfassung sich deutliche und bestimmte Begriffe von Coordination und Subordination zu abstrahiren gewusst hat. Vierter Grundsatz. Die maurerischen Gesetze müssen den Staatsgesetzen untergeordnet seyn, so dass in keinem Falle die einen oder die andern einen verderblichen Stoss leiden können. Dieser Grundsatz ist von der Unterwürfigkeit und dem Gehorsam hergeleitet, den man den Gesetzen des Vaterlandes und der Landesherrschaft schuldig ist, und welchen der Aufzunehmende bey seiner ersten Einweihung beschworen hat. Fünfter Grundsatz. Eine gerechte und vollkommene Loge kann ohne eine Constitution und ohne Gesetze nicht bestehen. Die erstere bestimmt und begründet die Grundverfassung1 der Loge, die letztern wenden diese Grundverfassung auf einzelne bestimmte Fälle an. Die Constitution setzt den Zweck und die Mittel zu demselben im allgemeinen fest; die Gesetze erklären, wie und in welchen bestimmten Fällen diese Mittel anzuwenden sind. Jene stellt die Form der Ordnung auf; diese sind besondere Vorschriften, die Ordnung und ihre Form zu erhalten. Die Constitution ist in ihren wesentlichen Theilen und Bestimmungen bleibend und unveränderlich;2 die Gesetze können nach den verschiedenen Umständen verändert, modificirt und abrogirt werden. Daraus folgt: 1 Die Einrichtung, wie in einer Gesellschaft ein allgemeiner Wille entstehen könne, wenn auch die Willensbestimmungen der einzelnen Glieder verschieden sind, oder, die genaue Bestimmung der Art und Weise, nach welcher die Regierung einer Gesellschaft Socialwirkungen hervorzubringen habe, heisst Verfassung. Man kann sich also unter dem Worte: Verfassung, nichts anders denken, als den festgesetzten Zusammenhang und die Grenzen der verschiedenen Gewalten, so wie die Art und Weise, wie dieselben verwaltet werden sollen. 2 Weil sie lediglich die Form der Gesetzgebung und der Verwaltung vorschreibt, die nicht so wie die Materie der Gesetze, von Zeitumständen abhängig ist. Zur Constitution, oder zur Form der 263
Freimaurerlogen
1) Wo keine Constitution ist, dort hat auch keine feste Gesetzgebung statt. 2) Die Gesetze müssen mit der Constitution übereinstimmen. 3) Kein Gesetz kann etwas in der Constitution abrogiren oder aufheben. 4) Kein Gesetz kann als solches bestehen, wenn es mit der Constitution in Widerspruch steht. 5) Die Aufhebung der Constitution hebt die ganze Grundverfassung der Mutterloge auf; sie kann also nur von den vereinigten co- und subordinirten Collegien geschehen, und nur diese können eine neue Grundverfassung aufstellen und festsetzen. Die Aufhebung einzelner Gesetze ändert in der Constitution nichts, und kann von den respectiven Collegien, welchen die Gesetzgebung übertragen ist, nach den Erfordernissen der Umstände geschehen. §. II. Grundzweck der Freymaurerey. Wohlthätigkeit im ausgebreitetsten Sinne des Wortes erkennet die gerechte vollkommene und vollendete Mutterloge Royale York zur Freundschaft für den einzigen, ächten, reinen, erlaubten, Grundzweck der Freymaurerey, dem sie nur dann zu entsprechen glaubt, wenn sie alle Uebel, welche die Menschheit drücken, die geistigen sowohl als die körperlichen, durch erlaubte, d. i. mit den Gesetzen der Moral und des Staates innigst übereinstimmende, Mittel zu vermindern trachtet. Die g. v. und v. M. L. R. Y. zur Freundschaft verabscheuet also hier feyerlich den verderblichen Grundsatz einiger neuern Corporationen: der Zweck heiligt die Mittel; und sie verpflichtet sich hiermit für alle zukünftige Zeiten, so wie für alle gegenwärtige und zukünftige Mitglieder, dass sie nie zur Erreichnung, auch des heiligsten Zweckes, ein Mittel anwenden, oder die Anwendung zulassen wolle, welches entweder an sich, oder in den gegebenen Umständen, den Gesetzen der Moral oder des Staates zuwider wäre. Dieser feyerlichen Erklärung und Verpflichtung gemäss, bleibt es der g. v. und v. M. L. R. Y. zur Freundschaft ewig und unwiederruflich verboten, sich in irgend eine Verbindung mit dem Illuminatismus, oder mit was immer für einer Gesellschaft, welche zu was immer für politischen Zwecken hinarbeitet, einzulassen; ferner, ihren Arbeiten und Wirkungen, sowohl in als ausser den Logen, im Ganzen oder durch einzelne Mitglieder, auch nur die geringste politische Tendenz oder Richtung zu politischen Absichten und Zwecken, zu geben. Eben so fest und standhaft erklärt sich auch die g. v. und v. M. L. R. Y. zur Freundschaft gegen alles, was alchymistische, theurgische und theosophische, Schwärmerey bis jetzt
Gesetzgebung, wird also immer nur dasjenige gehören, was auf die Fragen: wie, auf was Art und Weise, durch wen u. s. w. geantwortet werden kann. Die Materie der Gesetze hingegen wird alles das ausmachen, was sich auf die Fragen: was, wie viel, zu welcher Zeit, wie lange, wo unter was für Umständen u. s. w. als durch Gesetze bestimmbar ankündiget. 264
Die Großloge Royal York
als Mittel zum Zwecke der Freymaurerey dargeboten hat, oder in der Folge noch darbieten könnte. Und da alle ächte Aufklärung lediglich nur durch eigne Vernunftthätigkeit erzeugt und erlangt werden kann; auf jedem andern Wege hingegen nur die Zahl unbesonnener und für das allgemeine Wohl gefährlicher Nachbeter vermehrt wird; da zugleich die sogenannten Aufklärer immer mehr sich selbst als die Wahrheit suchen; so erklärt die g. v. und v. M. L. R. Y. hiermit auch nachdrücklich und fest, dass sie nie gestatten werde,
die Verbreitung der sogenannten Aufklärung in ihren Zweck oder in ihre Mittel aufzunehmen. Dieser Bestimmung des Grundzweckes gemäss, erkennet dann die g. v. und v. M. L. R. Y. zur Freundschaft die Freymaurerey: 1) für eine Schule der Vernunft und der Sittlichkeit, in welcher sich ihre Glieder bilden; 2) für eine Erziehungsanstalt zur Vernunftmässigkeit und Sittlichkeit für die Welt; eine Anstalt, durch welche in dem Verhältnisse der Fähigkeit und Würdigkeit der Ordensglieder so manches Böse aus der menschlichen Gesellschaft verbannt, und so manche drückende Bürde der leidenden Menschheit abgenommen werden kann; 3) für einen festen Bund innigst vereinigter Freunde, welche mit stets wachsamer Sorgfalt, rastloser Thätigkeit und duldender Liebe, ihre Zöglinge und jüngeren Brüder in der Schule der Vernunft und Sittlichkeit führen, leiten, üben; der Wahrheit, Weisheit, allgemeinen Menschenliebe und reinen Gottesverehrung einen Tempel bauen, und daselbst der, unter was immer für Bedrückungen seufzenden, Menschheit nur in der Wahrheit, Weisheit und reinen Sittlichkeit, Heil und Rettung; nur in der unerschütterlichsten Treue und Verehrung gegen den Staat und seinen Regenten, Glückseeligkeit verkündigen. Die g. v. und v. M. L. R. Y. zur Freundschaft ist das Erste in den Graden der johannitischen, das Zweyte in den Graden der schottischen Maurerey, das Letzte in ihrem hochwürdigen Ordenskapitel. §. III. Regierung. Die g. v. und v. M. L. Royale York zur Freundschaft erkennt nichts von dem, was Herrschbegierde, Habsucht und Betrug, unter dem Namen unbekannter Obern, in mancherley Gestalten in die maurerische Welt eingeführt haben. Unabhängig von jedem fremden Einflusse, regiert sie sich selbst, und vertheilt, der nothwendigen Co- und Subordination wegen, ihre Macht und Gewalt mit festen und bestimmten Beschränkungen unter das hochwürdige Ordenskapitel, die schottische Loge und die Sct. Johannis-Meisterloge. Sie unterscheidet demnach, kraft dieser Constitution, die innere Regierung des hochwürdigen Ordenskapitels oder der Grossen Loge, die Regierung der schottischen Loge und die Regierung der Sct. Johannis-Meisterloge.
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Freimaurerlogen
§. IV. Innere Regierung des hochwürdigen Ordenskapitels. Das hochwürdige Ordenskapitel oder die Grosse Loge besteht aus dem Grossmeister, dem Deputirten Grossmeister, den zwey Grossaufsehern, dem Grosssecretair, Grossredner, Grossschatzmeister, Grossceremonienmeister und allen wirklichen, sowohl gegenwärtigen, als abwesenden hammerführenden Meistern und Vorstehern, so wie aus allen Brüdern, welche die letzten maurerischen Aufschlüsse bereits erhalten haben.1 Das hochw. Ordenskapitel ist in zwey Collegien getheilt, in das gesetzgebende und in das vollziehende, welche zugleich das Obergericht und das höchste Appellatorium der g. v. und v. M. L. R. Y. zur Freundschaft ausmachen. Das gesetzgebende Collegium besteht, ausser den vorsitzenden Meistern und Vorstehern der vereinigten Logen, aus zwölf Mitgliedern des hochw. Ordenskapitels, die Grossbeamten mit eingeschlossen, bey welchen der Grossmeister den Vorsitz führt. Vor dieses Collegium oder vor die Grosse Loge gehört alles,
1 Unter den letzten maurerischen Aufschlüssen wird nichts anders verstanden, als was oben [S. 262 Anm. 3] gesagt worden ist. Dabey ist wohl zu bemerken, dass eigentlich nicht die maurerische Vollendung, sondern die respective bewährte maurerische Würdigkeit, welche mit der erhaltenen Vollendung vorausgesetzt wird, einen Bruder zum Mitglied der innern Regierung erhebt. Die verschiedenen Grade haben mit der maurerischen Verfassung nichts zu thun. Sie machen nur den Kenntnissschatz der Loge R. Y. aus; zur Verfassung gehört die innere Regierung. Diese Regierung würde da seyn müssen, wenn die Loge auch nicht mehr, als die drey untern Sct. Johannis-Grade besässe, oder wenn sie auch in Zukunft aufhören sollte, in mehrern als in den drey untern Graden zu arbeiten. Wenn demnach die verschiedenen Grade etwas von der Verfassung der Loge ganz Abgesondertes sind und bleiben müssen, so folgt nothwendig, dass auch alle
hammerführende Meister und Vorsteher, so wie die Vorsitzenden Meister der Tochterlogen, ohne Rücksicht auf ihre Grade, so lange sie im Amte sind, als Mitglieder der innern Regierung anerkannt werden müssen. Die innere Regierung ist eigentlich nichts anders als eine Grosse Loge, welche nach dem verbesserten Constitutionsbuch der Freymaurer (herausgegeben von Jakob Anderson, Frankfurt a. M. 1783. pag. 456. §. XII.)
aus den Meistern und Vorstehern aller ordentlichen besondern Logen, nebst dem Grossmeister, als ihrem Haupte, und seinem Deputirten an seiner linken Hand, imgleichen aus den Obervorstehern an ihren gewöhnlichen Plätzen,
besteht. Hieraus ergiebt sich zugleich der vollständige und bestimmte Begriff von der innern Regierung, oder Grossen Loge Royale York.
Sie ist die Versammlung aller vorsitzenden und hammerführenden Meister und Vorsteher ihres Systems, in welcher über das allgemeine Beste des Ordens berathschlaget und für alle von diesem Grossen Orient abhängende Sct. Joh. Logen Localverordnungen und Gesetze gemacht, Missverständnisse unter den dependirenden Logen oder einzelnen Brüdern, die an den Grossen Orient appelliren, ausgeglichen, und neue Tochterlogen errichtet werden. Die Grosse Loge Royale York zur Freundschaft, als solche, arbeitet in eben der Form und nach eben den Gesetzen, wie eine ordentliche besondere Loge, nur mit dem Unterschiede, dass sie, als Grosse Loge, keine Aufnahme in irgend einem Grade macht. 266
Die Großloge Royal York
1) was die Gesetzgebung betrifft, in so fern dieselbe sich auf die innere Polizey des Ordens1, die Pflichten der Beamten aller Grade, die Sitten der Brüder in der Loge bezieht. So unstreitig auch das Recht jedes Mitgliedes der hochwürdigen Mutterloge Royale York zur Freundschaft ist, Modificationen, Dispensationen, Abrogationen in den einmal bestehenden Gesetzen, ja selbst in der Constitution2, vorzuschlagen; so kann doch diese Modification, Dispensation oder Abrogation von niemand anderm geschehen, als von dem gesetzgebenden Collegio des hochw. Ordenkapitels. Alle diessfälligen Vorschläge also müssen in der Conferenzmeisterloge schriftlich vorgetragen, mit Gründen belegt, dann dem Grosssecretair zur weitern Beförderung an das gesetzgebende Collegium der Grossen Loge übergeben, und von diesem die schriftliche Entscheidung erwartet werden. Als fester und unerschütterlicher Grundsatz ist hier zu bemerken, dass die Beschlüsse des hochwürdigen Ordens-
kapitels oder der Grossen Loge überall nur dann für die schottische und Sct. Johannis-Meisterloge Gesetzeskraft haben können, wenn sie bloss die innere Polizey, die Pflichten der Beamten, die Sitten der Brüder in der Loge betreffen. Solche Beschlüsse müssen demnach, wenn keine gegründete Einwendungen dagegen gemacht werden können, das ist, wenn in den Beschlüssen nichts Con
1 Die erste Quelle aller Socialgewalt ist der Socialzweck, zu dessen Erreichung die Gesellschaft den Vereinigungsvertrag geschlossen hat. Die Loge Royale York zur Freundschaft, als Gesellschaft betrachtet, verbindet mit dem allgemeinen Zweck der Freymaurerey zugleich den besondern Zweck geselliger Vortheile, in so fern dieselben von den Gliedern einer geschlossenen und ausschliessenden Gesellschaft gesucht und erlangt werden können. Sie ist, als grosse Freymaurerloge, eine moralische Gesellschaft; als Besitzerin eines immobilen Locals, bestimmter Fonds und Einkünfte, eine geschlossene und ausschliessende Gesellschaft. Der Zweck der Freymaurerey ist ihr innerer, die Vortheile der Geselligkeit sind ihr äusserer Zweck. Aus dem erstern fliesst die innere, aus dem letztern die äussere Polizeygewalt der Loge. Das Recht, für die Abwehrung der Hindernisse, die dem innern Zwecke der Loge Royale York, (das ist, dem Zwecke der Freymaurerey, ) entgegen stehen, und für die Erhaltung und Vermehrung der Mittel, die zu diesem innern Zwecke gebraucht werden können, zu sorgen, heisst: innere Poli-
zey. Das Recht, für die Abwehrung der Hindernisse, die dem äussern Zwecke der Loge Royale York, (das ist, dem Zwecke geselliger Vortheile, in so fern dieselben durch Erhaltung
des Locals, Vermehrung, Verwaltung und Verwendung der Fonds, und Vermehrung und Beförderung der Mitglieder erlangt und gesichert werden) entgegen stehen, und für die Erhaltung
und Vermehrung der Mittel, die zu diesem äussern Zwecke gebraucht werden können, zu sorgen, heisst: äussere Polizey. 2 Aus dem im Vorberichte sowohl, als §. I. Grunds. 5. entwickelten Begriffe einer Constitution folgt, dass nur in den speciellen, von Zeit und Umständen abhängigen Gesetzen, welche in der Constitution aufgestellt worden sind, Modification oder Abrogation statt haben könne; diess kann aber nie der Fall seyn in der Form der Gesetzgebung und der Regierung, in dem Zusammenhange und den Grenzen der verschiedenen Gewalten, noch in der Art und Weise wie dieselben verwaltet werden sollen, weil diess alles den wesentlichen Inhalt der Constitution ausmacht.
Man vergleiche [S. 263–264 Anm. 2].
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Freimaurerlogen
stitutionswidriges zu erweisen ist, in das Gesetzbuch der Meisterloge, mit Bemerkung des Tages, Monats und Jahres, eingetragen werden. Zu dem gesetzgebenden Collegio des hochwürdigen Ordenskapitels gehört: 2) Alles, was sich auf die Veränderung der Rituale aller Grade bezieht. 3) Ist es dem gesetzgebenden Collegio des hochwürdigen Ordenskapitels oder der Grossen Loge ausschliessend vorbehalten, neue Tochterlogen zu constituiren, und über die Zahl der Grade, in welchen dieselben arbeiten sollen, zu entscheiden.1 4) Ist das hochwürdige Ordenskapitel in seinem gesetzgebenden Collegio der einzige rechtmässige Erklärer der maurerischen Gesetze für alle untergeordnete Grade.2 Kein Beschluss des gesetzgebenden Collegiums ist für die schottische und Sct. Johannis-Meisterloge constitutionell, folglich rechtskräftig, der nicht vorher dem vollziehenden Collegio des hochwürdigen Ordenskapitels vorgetragen, und von diesem sanctionirt worden ist. Daraus ergiebt sich der Antheil der Gewalt des andern Theils des hochwürdigen Ordenskapitels von selbst, nemlich die Gewalt, die constitutionsmässigen Beschlüsse des gesetzgebenden Collegiums zu sanctioniren, und zu vollziehn.
1 Auch dieser constitutionellen Vorschrift zufolge müssen alle hammerführende Meister und
Vorsteher, so lange sie im Amte sind, ohne Rücksicht auf ihre Grade, die mit der Verfassung nichts zu thun haben, Mitglieder des gesetzgebenden Collegiums des Kapitels seyn. Wenn nach mehrern ältern maurerischen Catechismen nur diejenigen Logen gerechte heissen, welche von den Meistern in der königlichen Kunst gesetzmässig errichtet worden sind; und wenn nur die vorsitzenden und hammerführenden Meister die eigentlichen und wahren Meister der königlichen Kunst genannt werden können; so folgt, dass nur der Grossmeister mit den beysitzenden mehrern hammerführenden Meistern als die eigentlichen Constituenten der Tochterlogen, die Grossbeamten hingegen und die übrigen Mitglieder der innern Regierung bloss als Zeugen angesehen und geachtet werden können. Vergleiche [S. 266 Anm. 1].
2 Kein Grundvertrag und kein Gesetz kann so deutlich, klar und bestimmt, abgefasst werden, dass Leidenschaft, Irrthum oder Eigendünkel den Worten desselben nicht einen andern Sinn unterlegen könnten. Eine vernünftig organisirte Gesellschaft muss also ein Collegium haben, welches das Recht und die Erfordernisse besitzt, diese Erklärung zu geben. Mit Recht wird also das gesetzgebende Collegium des Kapitels als der einzige rechtmässige Erklärer aller maurerischen Gesetze aufgestellt, weil das Kapitel die Constitution gemacht hat, und jeder seiner Vernunft mächtige Mensch, so wie jedes Collegium, ja selbst jeder Angeklagte vor dem bürgerlichen Richterstuhle, der einzige rechtmässige Erklärer seiner eigenen unbestimmten Ausdrücke seyn kann und seyn muss. 268
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§. V. Regierung der schottischen Loge.1
Die vorsitzenden Meister der vereinigten Sct. Johannis-Logen sind die ordentlichen Repräsentanten der Meisterloge, sowohl bey dem gesetzgebenden als vollziehenden Collegio des Kapitels oder der Grossen Loge. Ihre Pflicht ist: für die constitutionellen Rechte der Meisterloge zu wachen, und gegen jeden, auch noch so geringen, Angriff derselben zu protestiren. Betrifft nun ein Beschluss des hochwürdigen Ordenskapitels die Gerechtsame der Meisterloge, und sie protestiren dagegen, so muss der Vorschlag, mit dem darüber gefassten Beschlusse und den Gründen dafür und dawider, dem deliberativen Collegio der g. v. und v. M. L. R. Y. zur Freundschaft, das ist: der schottischen Regierung oder Loge schriftlich mitgetheilt, und von jedem Individuo derselben, mit Ausschliessung der Mitglieder des hochwürdigen Ordenskapitels, ein schriftliches Gutachten eingefordert werden. Dann wird die Sache noch einmal von dem gesetzgebenden Collegio ad deliberandum genommen, und der Beschluss dem vollziehenden Collegio zur Sanction vorgelegt, welchemnächst der gefasste Beschluss vollzogen werden muss. Dies Verfahren, so wie die Protestation der vorsitzenden Meister, hat aber nur bey solchen, die Meisterloge betreffenden, Beschlüssen statt, welche lediglich durch die Annehmung der Meisterloge Gesetze werden können. Die schottische Loge mit einem Meister vom Stuhl, seinen beiden Aufsehern, dem Redner und Secretair, ist zugleich das Untergericht der hochwürdigen Mutterloge R. Y. zur Freundschaft.2 Alle Mitglieder höherer Grade, oder des hochwürdigen Ordenskapitels sind von diesem Gerichte als Beysitzer ausgeschlossen. Jeder Angeklagte, wäre er auch in die höchsten Grade eingeweiht, selbst der Großmeister, muss sich vor der Instanz des Klägers stellen. Ist aber der Kläger Mitglied des hochw. Ordenskapitels, oder der schottischen Loge, der Anzuklagende hingegen nur Mitglied der Sct. Johannis-Loge; so kann er nirgend anders als bey seiner Instanz angeklagt werden. §. VI. Regierung der Sct. Johannis-Meisterloge. Die Sct. Johannis-Meisterloge ist in allem, was die innere Polizey des Ordens, die Pflichten der Beamten, die Sitten der Brüder in der Loge, folglich in allem, was die Constitu1 Die schottische Loge besteht aus achtzehn Meistern, die nicht Mitglieder des Kapitels sind. Sie sitzen in diesem Collegio, nicht weil sie etwa in die Grade der sogenannten schottischen Maurerey, die mit der Verfassung und Regierung der Loge in gar keinem Zusammenhange stehen, eingeweiht, sondern weil sie zu Mitgliedern dieses Collegiums gewählt worden sind, und erst in Rücksicht auf diese Wahl, weitere maurerische Aufschlüsse erhalten haben. Uebrigens ist der Name: Schottische Loge, in Bezug auf die Verfassung ganz gleichgültig, sie könnte eben so gut Deutsche, Preussische u. s. w. Loge heissen. Nur der einmal eingeführten maurerischen Observanz wegen ist die Benennung: Schottische Loge, beybehalten worden. Vergleiche [S. 262 Anm. 4]. 2 Diese Verordnung wird unter §. XV. ausführlicher und bestimmter auseinander gesetzt, und kann in zweifelhaften Fällen auch nur der §. XV. als Beweis- und Entscheidungsgrund angeführt werden. 269
Freimaurerlogen
tion und die Gesetze des Ordens im Ganzen, die Erhaltung der Würde und Reinigkeit derselben betrift, dem hochw. Kapitel des Ordens oder der Grossen Loge untergeordnet. Hingegen ist sie in allem, was die äussere Polzey, das ist, die Erhaltung des Locals in was immer für einem Sinn und Beziehung, das Betragen der Brüder in dem Logenhause und dem Garten, die Verwaltung ihrer Fonds und Einkünfte, die Disposition über die Armenkasse, die Festsetzung der Receptionsgebühren und monatlichen Retributionen, die Anschaffung des Logenapparats und Hausmobiliars, von dem hochwürdigen Ordenskapitel völlig unabhängig, und zwar dergestalt, dass es eine constitutionswidrige Vergehung und gewaltsame Verletzung der Meisterrechte ist, wenn dasselbe sich auch nur über eine Fensterscheibe oder über einen Strauch in dem Garten die Entscheidung anmasst, oder auch nur den Betrag einer Wachskerze zu den Arbeiten der drey ersten oder der höhern Grade eigenmächtig auf den Schatz der Meisterloge anweiset. In allen diesen Dingen giebt sich die Meisterloge, unter dem Vorsitze ihres Meisters, an dem die Reihe ist, ihre Gesetze selbst. Ferner ist die Meisterloge unbeschränkt in der Wahl ihrer Beamten zu den Logenarbeiten; nur in der Art und Weise, wie gewählt werden soll, ist sie an die Vorschriften der Constitution gebunden.1 Sie bestimmt unabhängig die Receptionsgebühren für die drey ersten Grade, und kann, eben so unabhängig von dem hochw. Ordenskapitel, entweder ganz oder von einem Theile derselben dispensiren. Unabhängig von dem hochwürdigen Ordenskapitel, disponirt sie über die Länge oder Kürze der Zeit, welche der vorgeschlagene Candidat bis zu seiner Aufnahme, der Lehrling bis zu seiner Beförderung zum Gesellen, und dieser bis zu seiner Erhebung zum Meister auszuhalten haben soll. Aber in der von der Meisterloge einmal festgesetzten Zeit zu dispensiren, ist wieder ein ausschliessendes Recht des hochwürdigen Ordenskapitels, dem es ganz besonders obliegt, von der einen Seite über die Gesetze und Würde des Ordens zu wachen, von der andern Seite die Vortheile des Ganzen abzuwägen. Da die Meisterloge zugleich in einem ihrer vorsitzenden Meister, zwey Vorstehern, einem Secretair und Redner, und in ihren schottischen Mitgliedern das Untergericht, oder die erste Instanz der g. v. und v. M. L. Royale York zur Freundschaft ausmacht; so ist auch der ganzen Meisterloge das Recht, für dieses Untergericht Strafgesetze zu machen, ausschliessend eigen, und diesen Strafgesetzen müssen auch die Mitglieder der höhern Grade sich unterwerfen, in Fällen, wo sie vor dem Meistergerichte schuldig be1 Diese Erklärung verbietet nicht, dass sich die Meisterschaft einige Tage vor der Wahlloge förmlich, und unter dem Vorsitze eines Meisters vom Stuhl, über die bevorstehende Beamtenwahl berathschlagen und dazu vorbereiten könne; wie diess ebenfalls das Kapitel und das schottische Collegium unter dem Vorsitze des Grossmeisters thun kann. Ja, es ist sogar besser, wenn etwas gesetzlich geschieht, was ohnedem nicht wohl verhindert werden kann, und ohne gesetzliche Form den Schein der heimlichen Stimmenwerberey gegen sich hat. Keine Gesellschaft sollte offener unter sich selbst handeln, als die Gesellschaft der Freymaurer, weil lediglich nur durch unbegrenzte Offenheit das gegenseitige Vertrauen und die Eintracht begründet und erhalten werden können. 270
Die Großloge Royal York
funden, und in die festgesetzte Strafe verurtheilt worden sind. Nur werden hiermit alle Geldstrafen für constitutionswidrig erklärt. Die Strafgesetze können den Schuldigen, nach dem Grade seiner Schuld, des activen oder passiven Stimmenrechts, oder beyder zugleich, auf eine Zeit berauben; sie können ihm das Recht, in den Versammlungen zu sprechen, auf eine Zeit einschränken; sie können ihn auf eine Zeit von den Logenarbeiten oder Meisterconferenzen ausschliessen, oder sie können ihm verbieten, bey dem Johannisfeste zu erscheinen, ihn von der Besuchung des Locals auf eine Zeit, oder, so wie aus den maurerischen Versammlungen, für immer ausschliessen. Nach diesen bestimmten Fällen, in welchen die Meisterloge ihr eigner Gesetzgeber ist, wird auch dieselbe, in so fern sie aus den Baumeistern und Meistern besteht, in das gesetzgebende und vollziehende Collegium getheilt. Die Meisterloge wählt sich daher aus ihrem Mittel alle drey Jahre (Sechzehn) Mitglieder, zwey Aufseher, einen Secretair und einen Redner mitgerechnet, die unter dem Vorsitze des Meisters vom Stuhl, an dem die Reihe ist, das gesetzgebende Collegium ausmachen. Bey jeder ihrer Conferenzen erscheinen der Grossmeister und der Deputirte Grossmeister, entweder selbst, oder durch ein anderes Mitglied, welches sie aus dem hochwürdigen Kapitel des Ordens dazu deputiren. Aber weder sie, noch ihr Deputirter, haben eine decisive Stimme bey diesen Conferenzen; sie sind nur gegenwärtig, um alle Eingriffe in die Rechte des hochwürdigen Kapitels zu verhindern und dagegen zu protestiren. Ihre Protestation hat dergestalt Gewicht, dass in dieser Conferenz über den streitigen Fall schlechterdings nicht entschieden werden kann, sondern die Entscheidung ist demnächst dem vollziehenden Collegio der Meisterloge, bey dem alle Meister Sitz und Stimme haben, heimzustellen. Vor das gesetzgebende Collegium der Meisterloge gehört alles, was die Aufstellung eines bleibenden Gesetzes zum Gegenstande hat; seine Beschlüsse haben aber nicht eher gesetzmässige Kraft, als bis sie dem vollziehenden Collegio der Meisterloge vorgetragen und von demselben sanctionirt worden sind. Vor das vollziehende und sanctionirende Collegium der Meisterloge gehören alle Gegenstände, die nur eine Entscheidung für einen einzelnen Fall fordern. Alle Beschlüsse aber und Entscheidungen, sowohl des gesetzgebenden als des vollziehenden Collegiums sind erst dann constitutionel oder rechtskräftig, wenn sie entweder durch individuelle Erklärung der Willensmeynung eines jeden Mitgliedes, oder durch Ballotation gefasst worden sind. Durch stummes Beyfallzeichen oder Zuschlagen darf schlechterdings nichts ausgemacht werden. Bey allen Vorschlägen, die entweder ein Meister vom Stuhl, oder andere Brüder machen, es sey in dem gesetzgebenden oder in dem vollziehenden Collegio, sagt der vorsitzende Meister immer nach dem ersten Aufseher, das ist, völlig zuletzt, seine Meynung. Sobald aber der Vorschlag geschehen ist, fordert er den letzten Bruder auf, seine Meynung zu sagen, und so weiter hinauf bis zum zweyten und ersten Vorsteher.1 1 Siehe den Anhang. 271
Freimaurerlogen
§. VII. Verfassung der Loge in Rücksicht auf die Personen. Die g. v. und v. M. L. Royale York zur Freundschaft, besteht aus den Vorgesetzten, aus den Beamten, aus den Geschäftsträgern, und aus den Brüdern von allen Graden. Die Vorgesetzten der Grossen Mutterloge Royale York zur Freundschaft sind: der Grossmeister, der Deputirte Grossmeister, die vorsitzenden Meister der vereinigten Sct. Joh. Logen, die Grossaufseher und die Aufseher der Sct Joh. Logen. Die Beamten sind: der Grossredner, die Redner, der Grosssecretair, die Sekretaire, der Grossschatzmeister, der Oberschatzmeister, die Schatzmeister der Logen, und die Censoren. Die Geschäftsträger endlich sind: der Grossceremonienmeister, die Ceremonienmeister der Sct. Joh. Logen, der Almosenpfleger, der Director des StewartsCollegiums, die Stewarts, die Bibliothekare und Archivbewahrer. Die g. v. und v. Mutterloge Royale York zur Freundschaft enthält noch ausserdem Lehrlinge, Gesellen, Meister, Schotten und Mitglieder des hochwürdigen Ordenskapitels.
§. VIII. Rechte, Pflichten und Vorzüge der Mitglieder der Loge. a. Grossmeister. Die Pflicht des Grossmeisters ist, über die Beobachtung der Gesetze und maurerischen Gebräuche zu wachen, und darauf zu sehen, dass dem vorsitzenden Meister vom Stuhl und den Vorstehern der Logen dasjenige bezeigt werde, was man den Werkzeugen der Gesetze schuldig ist, und dass gegen sie alle Rücksichten von Höflichkeit und Humanität beobachtet werden, welche Brüder von anerkanntem Verdienste, die sich unendgeldlich mit der Last beschweren, die Unterweisung der Brüder zu besorgen, verdienen. Dabey hat er auch die Pflicht und das Recht, gegen alle Eingriffe der Meisterloge in die Rechte des Ordenskapitels zu protestiren, und es muss seiner Protestation dergestalt deferirt werden, dass über den streitigen Punkt, wenigstens in dieser Versammlung, nichts Rechtsgültiges entschieden werden kann. Uebrigens hat er nicht das geringste Recht, sich in irgend etwas, das lediglich die Meisterloge angeht, zu mischen, so wie auch seine Protestation nur bey wirklichen Eingriffen in die constitutionellen Rechte des hochwürdigen Ordenskapitels statt haben kann. b. Meister vom Stuhl.1 Er steht für die Regelmässigkeit der Arbeiten, und ist davon nicht nur denen Verantwortung schuldig, welche mitgewirkt haben bey seiner Wahl, sondern auch dem hochwürdigen Ordenskapitel, welches bestimmt ist, über die Aufrechthaltung der Constitution, der Gesetze und der Würde des Ordens, zu wachen. Er allein 1 Bey den vereinigten vier Sct. Johannis-Logen des Grossen Orients R. Y. z. F. in Berlin sind sowohl die vier hammerführenden Meister als auch die übrigen Vorgesetzten, Beamten und Geschäftsträger an den hier und in den folgenden Abschnitten aufgestellten Rechten und Pflichten, gleich.
Beschluss des Kapitels.
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hat das Recht eine Loge zusammenzurufen, und an ihn muss man sich wenden, um ausserordentliche Versammlungen zu veranstalten. Er soll auf die Beobachtung der Grundverfassung der hochwürdigen Mutterloge Royale York zur Freundschaft mit unerschütterlicher Festigkeit dringen. Er muss auch für die Beobachtung der Unterwürfigkeit gegen die Gesetze sorgen. Das Gesetz rede durch seinen Mund; aber er mässige den trocknen Ernst desselben durch die rührende Stimme der brüderlichen Leutseligkeit. Er muss wachen über die Erhaltung der Gelder der Loge, und (alle sechs Monate) einen Tag bestimmen zur Ablegung der Rechnungen. Er soll alle Befehle zu solchen Zahlungen unterschreiben, welche von der Loge bewilligt worden sind.1 Er kann eigenmächtig bey dringenden Fällen dergleichen ausfertigen, doch kommt es der Meisterloge zu, die Summe zu bestimmen, welche er nicht überschreiten darf. Eben so kann er auch Befehle zur Ablieferung täglicher Bedürfnisse als Holz, Lichte, Papier und Acten, geben. Er ernennt, im Falle der Abwesenheit der Vorgesetzten und Beamten, die Brüder, welche die Stellen derselben vertreten sollen, damit die Arbeiten ihren Fortgang haben können. Er soll hindern, dass bey Deliberationen und Vorschlägen zur Aufnahme oder Beförderung, die Stimmen nicht durch mündlichen Ausruf gegeben werden. Mancher Bruder hat wichtige Gründe, sich einer Meynung oder einer Aufnahme zu widersetzen; aber der Tumult der beystimmenden Brüder würde ihn zurückhalten. Er unterzeichnet alle Acten der Meisterloge, nebst den zwey Aufsehern und dem Secretair. Da er in der Erfüllung seiner Pflichten ohnehin schon so manche Aufopferung bringen muss, so wird es der Meisterloge heimgestellt, ob und wieviel sie, zur Entschädigung des Meisters für Wagen und Couvert bey den Tafellogen und andern maurerischen Mahlen, aussetzen will, und es ist darüber in einer Meisterloge ein besonderer Beschluss zu fassen. Um bey den Töchterlogen dem vorsitzenden Meister die Arbeiten zu erleichtern, und für dieselben bey Krankheit, Resignations- oder Todesfällen versorgt zu seyn, wählen dieselben jährlich einen substituirten Meister, der sodann mit den ordentlichen Vorstehern und Beamten constitutionsmässig quartaliter dreymal, in jedem Grade einmal arbeitet. Will sich der ordentliche Meister vom Stuhl öfter vertreten lassen, so hängt dies von der Uebereinkunft desselben mit seinem substituirten Meister ab.
c. Erster und zweyter Aufseher. Die Aufseher haben ihre ganze Aufmerksamkeit dahin zu richten, dass die maurerischen Arbeiten pünktlich und anständig geführt werden. In Abwesenheit des ordentlichen und substituirten Meisters vom Stuhl, ersetzt der erste Aufseher seine Stelle; und wenn auch dieser abwesend ist, führt der zweyte Aufseher den Hammer. Sie helfen dem sehr Ehrwürdigen in Verwaltung der Loge, und wachen darüber, dass jeder Beamte sei1 Bey den vereinigten Logen in dem Grossen Orient zu Berlin werden die Befehle zu solchen Zahlungen von dem vorsitzenden Meister der Stewards Loge und von zwey Stewards unterzeichnet. 273
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ne Pflicht thue, dass jeder Bruder sich in Reden und Handlungen so betrage, wie es der Anstand und die Verehrung, welche man einer ehrwürdigen Gesellschaft schuldig ist, erfordern. Sie wenden das Ansehen des Gesetzes an, um Störungen und Unterbrechungen zu hindern, die immer unschicklich und unwürdig solcher Menschen sind, die auf Humanität Anspruch machen. Die Aufseher sind es, welche, im Namen eines der Brüder oder in ihrem eigenen Namen, die Aspiranten, die Besuchende und solche Brüder vorschlagen, welche als Mitglieder der Loge angenommen werden wollen. Sie haben das Recht, den Meister vom Stuhl zu beobachten, und nicht zuzugeben, dass er sich, worin es auch seyn mögte, von der Constitution und den Gesetzen entferne. Sollte sich also der Meister vom Stuhl so weit vergessen, dass er sich der Ausübung eines Gesetzes widersetzte, so haben die Aufseher die Pflicht, zu protestiren, und der versammelten Meisterloge, wobey er nicht zugegen seyn darf, und welche ein Meister von den übrigen Sct. Johannis-Logen zusammen zu berufen hat1, die Entscheidung zu überlassen. Es ist auch ihre Pflicht, dass sie bey den Wahlen das Scrutinium untersuchen, und die Stimmen zählen. Sie unterzeichnen endlich mit dem sehr Ehrwürdigen und dem Siegelbewahrer alle Acten der Loge. d. Redner. Der Redner wacht über die Aufrechthaltung der Gesetze, und klagt diejenigen an, welche Eingriffe in dieselben wagen. Bey jeder Unterrichtsloge soll er eine Rede halten; er soll erinnern an Ausübung der Wohlthätigkeit, sobald eine Gelegenheit sie zu zeigen sich darstellt.
Er ist der beständige Referent in Angelegenheiten, welche vor das Untergericht der Loge kommen. Wenn er auf die Ausübung eines Gesetzes dringt, und man auf seine Erinnerungen nicht Acht hat, so schreibt er am Ende des Logenprotokolls seine Protestation hin. Er ist ein Mitglied jeder Deputation, welche die Meisterloge, entweder in besondern Angelegenheiten an das hochwürdige Ordenskapitel, oder bey besondern Feyerlichkeiten an eine andere St. Joh. Loge des hiesigen Orients abschickt. Sobald irgend ein Bruder der drey untern Grade krank wird, soll sich der Redner zu demselben begeben, und die Papiere abfordern, welche er etwa von der Loge in Händen haben könnte; nicht weniger die Bücher über die Freymaurerey, im Fall der Bruder sterben sollte ohne einen nahen Verwandten zu hinterlassen, der Freymaurer wäre. Er soll Aufsicht haben über das Betragen der Brüder, und Erkundigungen anstellen nach dem Lebenswandel und den Sitten eines Candidaten.
e. Secretair. Der Secretair soll alle Acten, welche die Loge ausfertigt, unterschreiben.
1 Bey den Tochterlogen muss diese Zusammenberufung von dem substituirten Meister vom Stuhl geschehen. 274
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Er soll alle Protokolle und Entwürfe zu den Briefen verfassen; zwey Verzeichnisse von den Brüdern der Loge aufstellen, eins nach der Ordnung der Aufnahme, das andere nach alphabetischer Ordnung. Er muss auf Anweisung des sehr Ehrwürdigen die ausserordentlichen Zusammenberufungen der Loge besorgen. Er soll eine Stunde an einem Tage in der Woche oder im Monate festsetzen, wo das Archiv offen gehalten, und allen Brüdern erlaubt sey, ihre Instructionen zu holen. Er soll Sorge tragen, keinem Bruder etwas anzuvertrauen, als was er Recht hat, zu sehen und zu kennen; den Lehrlingen das Ritual des ersten Grades, die in den Lehrlingslogen gehaltenen Reden, die Aufsätze oder Sammlungen zur Erläuterung der Sinnbilder dieses Grades, das Protokoll der Lehrlingsloge, kurz alles, was darauf Bezug haben kann. Den Gesellen alles, was die beyden ersten Grade angeht; den Meistern, was zu den drey Graden gehört, und das Gesetzbuch.
f. Schatzmeister. Dem Schatzmeister ist die Aufsicht über das Geldvermögen der Loge anvertraut. Er nimmt die monatlichen Retributionen der Brüder ein; er empfängt die ReceptionsBeförderungs- und Affiliations-Gebühren, und trägt jede Einnahme in seine Rechnung ein. Er zahlt nichts aus, als auf schriftliche Anweisung des sehr Ehrwürdigen im Namen der Loge, und an die Oekonomen gegen Quittung; diese Zahlungsbefehle dienen ihm als Beläge. Alle Sechs Monate wenigstens legt er detaillirte Rechnung von dem Zustande der Kasse ab, entweder vor der ganzen versammelten Meisterloge, oder vor dem Collegio der Stewarts, oder vor einer besonders dazu gewählten Commission, je nachdem es der Meisterloge darüber zu beschliessen gefallen wird. Der Schatzmeister muss für alle während seiner Amtsführung rückständig bleibende Gelder stehen, er müsste denn seinen Fleiss in Beytreibung derselben darthun können. Daher soll er sich allen Aufnahmen und Beförderungen widersetzen, so lange nicht die Stiftungsgelder, Opfer und dergleichen in seine Hände geliefert sind. Ebenfalls soll er diejenigen anzeigen, welche mit ihren Beyträgen im Rückstande bleiben, das heisst: die, welche dieselben nicht in den ersten Acht Tagen jedes Monats abtragen. Seine Anzeige lässt er dann in das Protokoll der Conferenzlogen einrücken.
g. Almosenpfleger. Zu diesem Amte soll man einen mitleidigen und sanftmüthigen, jedoch nicht weichherzigen und schwachen Mann wählen; einen Mann, der Dürftigkeit von Armuth, Armuth von müssiger Betteley zu unterscheiden wisse; der die Bedürfnisse der einen und der andern kenne, und vor allen Dingen, der bis in den traurigen, fast nicht zu entdeckenden Aufenthalt der schamhaften Armen zu dringen wisse. Der Almosenpfleger hat die Aufsicht über die Almosenkasse. Er hat die Freyheit, zum Vortheil der Armen über eine Summe zu disponiren ohne weitere Erlaubniss. Ueber diese Summe wird die Meisterloge einen Beschluss fassen, und der Almosenpfleger ist verbunden, davon Rechnung abzulegen. Er sammelt in jeder Logenversammlung für die Armen. Er schreibt in seine Rechnung die verschiedenen Artikel von Einnahme und Ausgabe, und lässt diese Rechnung alle drey Monate in 275
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der Meisterconferenz beglaubigen. Wenn ein Bruder krank ist, so kömmt es vorzugsweise dem Almosenpfleger zu, ihm zur Hülfe zu eilen, und ihm alle Dienste zu leisten, welche Menschlichkeit, Freundschaft und Bruderliebe mit Recht erwarten können.
h. Ceremonienmeister. Die Pflicht des Ceremonienmeisters ist, dahin zu sehn, dass jeder dasjenige erfülle, was ihm in dem Ritual vorgeschrieben ist. Er soll die Anweisung zur Decorirung der Loge geben. Man muss ihm Nachricht gegeben haben, wenn besuchende Brüder da sind; dann muss er dafür sorgen, dass Stühle bereit sind, um sie nach ihren Würden zu ordnen. Wenn alle Brüder ihre Plätze eingenommen haben, so holt er die besuchenden Brüder, und führt sie auf die ihnen bestimmten Plätze. Hat einer von diesen Besuchenden etwa das Schurzfell, oder das Zeichen eines höhern Grades an sich, so ersucht ihn der Ceremonienmeister, dasselbe abzulegen, und sich mit der ihm darzureichenden Meisterschürze zu bekleiden, weil es bey der g. v. und v. M. L. Royale York zur Freundschaft constitutionswidrig ist, irgend eine Auszeichnung höherer Grade in den Versammlungen der drey ersten Grade zu gestatten. Dem Ceremonienmeister ist auch die Ceremonie des Scrutiniums aufgetragen, und er theilt die Kugeln aus. Er muss sich strenge nach der Vorschrift der Rituale richten, und sorgen, dass man sich in und ausser der Loge nicht die geringste Neuerung erlaube. Er soll bey jeder Deputation gegenwärtig seyn, welche von der Loge abgeschickt wird, und hat dabey darauf zu sehen, dass man den Abgeordneten die Ehre erweise, welche ihnen gebührt.
i. Collegium der Stewarts. Es wird der Meisterloge überlassen, das Collegium der Stewarts zu organisiren und mit speciellen Vorschriften zu versehen; durch die Constitution wird nur folgendes festgesetzt: 1) Das Collegium der Stewarts soll aus (Sechs) Mitgliedern und einem Director bestehen. 2) Nie soll der Vorsteher des Logenhauses zum Director des Stewarts-Collegiums gewählt werden, ob er gleich einer von den (Sechs) Mitgliedern seyn kann. 3) Nie kann der Schatzmeister zugleich Director oder einer von den (Sechs) Mitgliedern des Stewarts-Collegiums seyn. k. Censoren. Ihre Pflicht ist, sowohl in der Loge, als auch in dem Logenhause, auf das Betragen der Brüder Acht zu haben, und sogleich, als sie eine Vergehung bemerken, dieselbe den Aufsehern ihrer Colonnen anzuzeigen. Sollte dieser, aus Freundschaft oder Nachsicht, unterlassen, den Schuldigen zurecht zu weisen, so nähert sich der Censor, nach vorhergegangener Bitte, dem Altar, und berichtet dem sehr Ehrwürdigen, was geschehen ist, und dieser verweiset, nach vollendeter Arbeit, dem Aufseher seine Fahrlässigkeit. 276
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Sollte sich ein Bruder so weit vergehen, dass er vergässe, was er sich selbst und einer ganzen ehrwürdigen Versammlung schuldig ist, und bey Verhandlungen sich Bitterkeiten, Persönlichkeiten und Animositäten, entschlüpfen liesse; so ermahnt ihn der Censor seiner Colonne zur Mässigung. Bleibt diese Ermahnung ohne Erfolg, so hat jeder Bruder das Recht, zu verlangen, dass der sehr Ehrwürdige den Störer der Ordnung und Ruhe die Loge decken heisse. l. Lehrlinge. Die Lehrlinge kennen weder die Constitution, noch die Gesetze, noch die Gebräuche und Lehren des Ordens, weil sie erst anfangen, sie zu studieren; daraus folgt, dass sie vernünftigerweise nicht verlangen dürfen, über die eine oder die andere urtheilen zu können. Daher haben sie auch keine Stimme in den Verhandlungen der Loge. Sie dürfen in keinem Falle eine Anklage oder Anzeige gegen ein Mitglied der Loge vorbringen. Haben sie dergleichen, so sollen sie sich damit an den Redner wenden, der die Anzeige oder Anklage, so wie sie ihm die Klugheit eingiebt, vortragen wird. Sie sollen pünktlich in Besuchung der Unterweisungslogen seyn, welche constitutionell an einem bestimmten Tage (alle zwey Monate) gehalten werden sollen. Sie dürfen nicht wegbleiben, ohne ihre Entschuldigungsursachen schriftlich einzureichen. Die Gründlichkeit dieser Ursachen wird von der Loge beurtheilt, und in das Protokoll notirt. m. Gesellen. Ein Geselle soll den Mechanismus seines Grades studiren, folglich allen Unterrichtslogen beywohnen, welche constitutionell an einem bestimmten Tage (alle vier Monate) gehalten werden. Wenn ein Geselle etwas zum Besten der Loge seines Grades vortragen will, so wendet er sich, vor Eröfnung derselben, an den Redner; wenn dieser den Vortrag für nützlich hält, so sucht er darum nach, dass er in Berathschlagung genommen werde. Er hat das Recht, Klagen und Anzeigen gegen die Lehrlinge vorzubringen, nie aber gegen Brüder von andern Graden, und in diesem Falle muss er sich an den Bruder Redner wenden, welcher mit der Klugheit zu Rathe geht, über den Weg, den er einschlagen soll. Sowohl die Gesellen als die Lehrlinge sind verpflichtet, ihre Vorträge und Reden, die sie in den Unterweisungslogen halten können, vorher entweder dem sehr Ehrwürdigen oder dem ersten Aufseher vorzulegen. n. Meister. Den Meistern allein gebührt das Recht, während der Arbeit die Kerzen anzuzünden; ein allegorisches Zeugniss, dass sie sich durch grösseres Licht von den Gesellen und Lehrlingen unterscheiden. Sie allein dürfen den Logenteppich anrühren, sowohl um ihn hinzulegen als ihn wegzunehmen. Sie sind verbunden, sich bey den Instructionslogen ihres Grades einzufinden, welche constitutionel (alle vier Monate) an einem bestimmten Tage gehalten werden sollen. Die Meister allein können, auf Anweisung des sehr Ehrwürdigen, die Plätze der abwesenden Beamten besetzen. Sie haben das uneingeschränk277
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te Stimmenrecht bey allen Aufnahmen in die drey ersten Grade, so wie bey allen Wahlen, und sind in der Ausübung desselben lediglich an die Constitution und an die Gesetze, die sie über Aufnahmen und Wahlen, übereinstimmend mit der Constitution, selbst geben werden, gebunden.1 Sie haben das Recht, über alles was ihnen in dem Verfahren des sehr Ehrwürdigen und der übrigen Amtsführer, in Beziehung auf die Constitution und die Gesetze, dunkel, zweifelhaft oder verdächtig scheint, von dem sehr Ehrwürdigen oder den zwey Aufsehern, Erklärung und Beruhigung zu fordern; über jede nach §. 6. der Meisterloge vorbehaltene Angelegenheit, ihre einwilligende oder verneinende Stimme zu geben, und überhaupt jedes constitutions- oder gesetzwidrige Betragen zu rügen. Die Grenzen der gesetzgebenden Gewalt des hochwürdigen Ordenskapitels sind §. 4. verglichen mit §. 6. sehr scharf und genau bestimmt; dessen ungeachtet kann das hochwürdige Ordenskapitel doch nie unbedingte Annehmung seiner constitutionsmässigen Beschlüsse, und blinden Gehorsam von den Meistern fordern.2 Diese Beschlüsse müssen demnach, sie mögen Gesetze oder Ritualvorschriften seyn, in der Meisterloge oder Conferenz promulgirt werden, und dabey haben die Meister rathgebende Stimmen. Die in der Conferenz anwesenden Mitglieder des hochwürdigen Ordenskapitels sollen sogleich die Bemerkungen und Vorschläge der Meister in Erwägung ziehen, und der Grossmeister ist berechtigt, den Beschluss des Kapitels nach dem Gutachten der Brüder zu modificiren, und modificirt durch die sehr Ehrwürdigen, pro1 Siehe den Anhang. 2 Dieser ganze Abschnitt gründet auf den richtigen Begriff von der maurerischen Freyheit. Sie besteht in dem Befugnisse für den Zweck des Ordens aus selbsteigenen Gründen zu handeln, und wird ausgeübt durch das Handeln der Mitglieder in maurerischen und Logen-Angelegenheiten aus besonnenen, vernünftigen und überzeugenden Gründen, und zugleich auch durch die Verwendung ihrer eigenen Kräfte und Fähigkeiten für den Ordenszweck. Zu dieser maurerischen Freyheit der Mitglieder gehört also: a) das Recht, für die Zweck- und Rechtmässigkeit der Vorschriften und Gesetze, die als maurerische Gesetze befolgt werden sollen, Ueberzeugungsgründe zu fordern. b) Das Recht, seine Meynung, seine Zweifelsgründe und seine Vorschläge gegen jede maurerische Anordnung vorzutragen, und von dem respectiven Collegio, wohin sie gehören, eine gründliche Prüfung derselben zu erwarten. c) Das Recht, über die Angelegenheiten der Loge mündliche und schriftliche Prüfungen anzuhören, oder selbst anzustellen. d) Das Recht, Zeuge zu seyn bey den Berathschlagungen und Prüfungen über die Handlungen der Mitglieder und Beamten, über die Belohnung und Strafwürdigkeit derselben. e) Das Recht, Kenntniss zu nehmen von der Berechnung, Verwaltung und Verwendung der Logeneinkünfte. Alle Anordnungen oder Handlungen, die diese maurerische Freyheit von einer Seite aufrecht, von der andern in ihren Grenzen erhalten, sind zweckmässig und gerecht; alle Verfügungen oder Handlungen hingegen, welche diese Freyheit von einer Seite übertreiben, von der andern verletzen, sind zweckwidrig, ungerecht, und können durch keine maurerische Auctorität oder Sanction zu maurerischen Gesetzen erhoben werden. 278
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mulgiren zu lassen. Diess in der Voraussetzung, dass der Beschluss des Kapitels constitutionsmässig ist. Kann ein Bruder Meister beweisen, dass der vorgetragene Beschluss gegen die Constitution streite, so haben die Meister nicht nur rathgebende, sondern auch verwerfende Stimme; der Beschluss muss cassirt werden, und in dem Protokolle wird angemerkt, dass die Meisterloge das hochwürdige Ordenskapitel in seine constitutionellen Grenzen zurückweisen müsse. o. Dienende Brüder. Die dienenden Brüder sind bestimmt zur äussern Wache und zu allen Dienstleistungen bey den Aemtern der Loge. Sie dürfen nie in die Loge treten, als auf ausdrücklichen Befehl des sehr Ehrwürdigen. Das geringste Vergehen eines dienenden Bruders muss sehr strenge angesehen werden, und seine Ausschliessung, bey nicht erfolgter Besserung nach sich ziehn. §. IX. Pflichten der Loge gegen ihre Mitglieder und deren Familie. Alle Dienste, welche ein Maurer von seiner Loge erwarten kann, müssen ihm von derselben ohne Verzug geleistet werden. Sie soll Theil nehmen an allem, was einem Bruder Glückliches begegnet, und ihm darüber ihre Freude bezeigen. Wenn ein Bruder durch irgend ein betrübtes Schicksal niedergeschlagen ist, so soll die Loge eine Deputation abschicken, um ihn zu trösten, ihn der Theilnahme aller Brüder zu versichern, und durch brüderliche Zärtlichkeit seinen Schmerz zu lindern. Es bleibt dem gesetzgebenden Collegio der Meisterloge heimgestellt, diese Pflichten specieller zu bestimmen, und auf einzelne Fälle anzuwenden. §. X. Einweihungen, oder Eigenschaften, welche erforderlich sind, um aufgenommen zu werden. Nach der ältesten Maurer-Sitte musste jeder Suchende a) ein freyer Mann, b) ein Christ, c) ein guter Bürger, d) ohne Tadel in seinen Sitten seyn. Hieraus folgt im Allgemeinen, dass der Stand der eigentlichen Knechtschaft vom Orden ausschliesse; und das Ansehn des Ordens fordert, dass man diesem Ausdrucke eine etwas ausgedehnte Bedeutung gebe, und zu Mitgliedern der Loge niemals annehme a) Leibeigne, b) Kanzleyboten, Rathsdiener und dergleichen, c) Livreebediente, d) gemeine Soldaten.
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Wohl aber können diese zu dienenden Brüdern, doch nur auf Verlangen ihrer Herren oder Vorgesetzten aufgenommen werden. Wenn einige Freymaurerlogen bisher keine Handwerker aufgenommen haben, so kann dies nicht aus dem unrichtigen Begriffe von einer sogenannten knechtischen Handthierung herrühren. So ein Vorurtheil kann überhaupt als kein Hinderniss gelten. Die hochwürdige Loge Royale York zur Freundschaft wird bey einem Suchenden nur fragen, ob und wie er zu dem Zwecke der Freymaurerey mitwirken könne, und auf welcher Stufe der moralischen und geselligen Kultur er stehe? Die Meisterloge wird das Alter des Suchenden festsetzen, in dem er aufgenommen werden kann.1 Das Recht, in dieser festgesetzten Zeit zu dispensiren, ist dem hochwürdigen Ordenskapitel vorbehalten. Von Alters her hat die Maurerey Juden, Muhamedaner und alle Nichtchristen ausgeschlossen. Nicht nur der Vorzug der christlichen Moral, sondern auch die Betrachtung, dass man dem Orden den Vorwurf der Irreligiosität nicht zuziehen müsse, streitet für die Beobachtung dieser uralten Observanz. Ein jeder Suchende muss sich also kurz und präcis zu einer der christlichen Gemeinden bekennen, bleibt aber mit allen inquisitormässigen Fragen, wie er über einzelne Lehrsätze denke, verschont. Nur dem muthwilligen Spötter über Religion kann man den Zutritt nie verstatten. Dem Grundsatze der alten Maurerey, dass der Suchende ohne Tadel in seinen Sitten seyn müsse, zufolge, schliessen niedrige Ausschweifungen, und pöbelhafte Sitten, so lange man den erstern nicht entsagt, und die letztern nicht ablegt, vom Orden überhaupt aus. Insbesondere wird der Zutritt einem jeden versagt, der offenbar als schlecht bekannte Häuser besucht; mit öffentlichen Buhldirnen und andern verworfenen Krea turen, zum Aergernisse des Publikums, auf vertrautem Fusse lebt; den Verdacht eines falschen Spielers auf sich ladet; mit Vernachlässigung seiner Pflichten, Zeit und Vermögen Hazardspielen opfert; als Trunkenbold bekannt ist; sich muthwillig in Schulden stürzt, und überhaupt für die Ehre seines Namens und seiner Familie nicht genug besorgt ist. Es versteht sich von selbst, dass entschiedene Besserung von Jugendstreichen bey dem Manne ganz andere Rücksichten zulasse. Eine gute allgemeine Meinung des Publikums, so wie ein hinreichendes festes Auskommen, sind bey dem Suchenden darum nothwendig, damit die Loge im ersten Falle sich nicht Schande und Verachtung zuziehe, im zweyten sich keine Last auflade, die in der Folge zu drückend werden könnte. Will ein Meister einen Profanen proponiren, so überreicht er dem zweyten Aufseher einen schriftlichen Vorschlag. Dieser muss folgendes enthalten: a) Namen, Alter, Religion und profane Umstände des Suchenden. b) Eine kurze Schilderung seines Charakters, wo möglich mit einigen Thatsachen, die seine Denkungsart in das Licht setzen. c) Die Vortheile, die der Orden und die Loge sich von ihm versprechen können. 1 Siehe den Anhang. 280
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d) Die Namen der Brüder, bey denen man von ihm Erkundigung einziehen kann, so wie die Mittel und Wege, ihn genauer kennen zu lernen. Je weniger den Brüdern der Aspirant bekannt ist, je nothwendiger ist eine vorläufige Proposition, die bloss darin besteht, dass mit der Nennung seines Namens die Brüder aufgefordert werden, sich nach ihm zu erkundigen, und dem Bruder zweyten Vorsteher die eingezogenen Nachrichten mitzutheilen. Die förmliche Proposition darf nicht anders, als mit vorhergehender Beystimmung des Meisters vom Stuhl geschehen.1 Bey derselben wird der schriftliche Vorschlag des Pathen vorgelesen, über die Candidaten debattirt, und er entweder verworfen, oder der Tag seiner Ballotation festgesetzt. Kraft dieser Constitution ist es sowohl dem Meister vom Stuhl, als auch dem Grossmeister untersagt, je einen Candidaten zur Aufnahme, oder einen Lehrling und Gesellen zur weitern Beförderung, vorzuschlagen. Die Zeit von der förmlichen Proposition bis zur Ballotirung und Aufnahme ist von der Meisterloge für immer festzusetzen.2 Das Recht aber, allgemein anerkannter Verdienste wegen in dieser Zeit zu dispensiren, ist dem hochwürdigen Ordenskapitel mit der Bedingung vorbehalten, dass die Dispensation, wenn zwölf Meister sich unzufrieden darüber erklären, nicht statt haben könne. In der Zwischenzeit der Proposition und der Ballotirung haben die Brüder dem zweyten Vorsteher unmittelbar, oder durch einen Dritten, ihre Bedenklichkeiten mitzutheilen, damit solche entweder gehoben, oder die Ballotirung aufgeschoben werde, ja auch gar unterbleibe. (Acht Tage) vor der Ballotirung muss der zweyte Vorsteher aufs neue daran erinnern. Die Meisterloge hat in einem Gesetze festzusetzen, wie viel eckigte Kugeln von der Aufnahme fernerhin ausschliessen sollen, und der Meister vom Stuhl soll nicht befugt seyn, durch seine Stimme eine ausschliessende Kugel aufzuheben.3 Nicht eher, als nach hellleuchtend ausgefallener Ballotirung darf der Name des Pathen genannt werden. Der zweyte Vorsteher ist also hierin zur strengsten Verschwiegenheit verpflichtet, und kann er einer constitutionswidrigen Entdeckung überführt werden, so ist er, kraft der Constitution, für das künftige Jahr zur Wahl, zu was immer für einem Amte in der Loge, unfähig. Ebenfalls erst nach der Ballotirung wird die Frage aufgeworfen, ob der Suchende im Stande sey das Stiftungsgeld zu bezahlen? bey deren Entscheidung nöthigen Falls die Meisterloge ihn entweder ganz oder zum Theile von Entrichtung der Gebühren dispensiren kann.
1 Bey den vereinigten Sct. Johannis-Logen des Grossen Orients Royale York zur Freundschaft in Berlin wird die Beystimmung aller vorsitzenden Meister und des Grossmeisters dazu erfordert. 2 Siehe den Anhang. 3 Siehe den Anhang. 281
Freimaurerlogen
Luftons von Brüdern fremder Logen werden in allen Punkten wie andere Suchende behandelt. Bey Luftons unserer hochwürdigen Mutterloge wird anders verfahren, und zwar: Erstens, wenn der eigene Vater für sie haftet, als ihr natürlicher Pathe. Zweytens, wenn sie nach des Vaters frühem Tode unter der Aufsicht der Loge erzogen worden sind, wo der Bruder, der den meisten Einfluss auf ihre Erziehung hatte, den Pathen macht. In beyden Fällen geniesst der Lufton folgende Vorzüge. Erstens, die vorläufige Proposition fällt weg. Zweytens, statt der Kugelung hat bey ihm laute Stimmung statt. Denn nach der unter uns bestehenden Freundschaft sind wir schuldig, dem Vater, was wir an seinem Sohne tadelhaftes finden, aufrichtig zu eröfnen. Fallen nicht alle Stimmen für ihn aus, so wird ihm eine, nach der Natur der Einwendungen abgemessene, Frist zur Besserung gegeben, und wenn diese erfolgt ist, die Proposition erneuert. Es versteht sich, dass es Brüdern frey steht, in der Zwischenzeit von der Proposition zur Stimmung, mit dem Vater über ihre Bedenklichkeiten unter vier Augen zu sprechen. Drittens, die Stimmung kann, nachdem des Luftons Ruf beschaffen ist, in vierzehn oder acht Tagen geschehen. Viertens, bey Luftons dispensirt man von dem Stiftungsgelde auf das simple Begehren des Vaters. Ist der Lufton auf Kosten der Loge erzogen worden, so versteht sich die unentgeltliche Aufnahme von selbst. Es können sich bey allen Arten von Suchenden Umstände ergeben, die ihn zwar nicht der Aufnahme ganz unwürdig machen, aber sie doch zu verschieben rathen. Wenn die Loge darauf ausgehen soll, Menschen zu bessern und zu bilden; so muss sie dem Suchenden durch seinen Pathen die nöthigen Erinnerungen zu seiner Besserung aufrichtig zukommen lassen.
Bey der Ballotirung ist jeder Bruder unumschränkter Herr seiner Kugel, und niemandem als seinem Gewissen verantwortlich. Daher hat sich auch der sehr Ehrwürdige sowohl, als jeder andere Bruder, aller persönlichen Anspielungen und Muthmassungen hierunter zu enthalten. Ganz constitutionswidrig aber ist die Forderung, dass derjenige, der eine verneinende Kugel gegeben hat, sich dem Meister vom Stuhl erklären soll. Es steht in der freyen Wahl des Verneiners, ob er es thun wolle; macht aber der Meister vom Stuhl diese Forderung, so erklärt ihn die Constitution, selbst in einem einzigen Uebertretungsfalle, für unfähig zur Meisterwahl für das künftige Jahr.1 Constitutionsmässig soll niemals mehr als ein einziger aufgenommen werden. Drey auf einmal aufzunehmen, ist völlig constitutionswidrig. Treten Umstände ein, die die Aufnahme zweyer Candidaten anrathen, so soll die Einwilligung der Meister durch Ballotation eingeholt werden, und bey dieser sind (drey) verneinende Stimmen hinreichend, die Aufnahme zweyer Candidaten an einem Abende zu verbieten. Nach der Regel muss der Letztaufgenommene schon einigen Arbeiten beygewohnt haben und also mit dem 1 Siehe den Anhang. 282
Die Großloge Royal York
Geiste der Loge bekannt seyn, ehe ihm ein anderer nachfolgt. Nur die bevorstehende Abreise eines Mannes, der für den Orden eine schätzbare Acquisition wäre, kann von dieser Regel eine Ausnahme machen. Die Aufnahme oder die Ertheilung der ersten drey Grade, darf nie historisch, ausgenommen bey königlichen Prinzen, geschehen, und von den im Ritual zur Vorbereitung vorgeschriebenen Formalitäten darf von dem hochwürdigen Ordenskapitel nur in ganz ausserordentlichen Fällen dispensirt werden. §. XI. Affiliation. Da man, leider! die Erfahrung hat, dass manche Loge zu leicht aufnimmt, so muss man bey dem die Affiliation Suchenden nicht weniger Sorgfalt anwenden ihn zu prüfen, ob er für uns tauge, als bey dem profanen Suchenden. Der Bruder, der sich von freien Stücken zur Affiliation meldet, muss alle Versicherung geben, dass er von jedem Bande, das ihn an seine vorige Loge fesseln könnte, frey sey. Doch soll man diese Versicherung von ihm nicht eher fordern, als bis man wegen seiner Affiliation einig geworden ist. Bey nicht mehr arbeitenden Logen fällt diese Vorsicht weg. Der zu affiliirende Bruder muss, statt des Pathen, immer einige Bürgen von der Loge haben. Die Proposition muss in voller Loge geschehen; die Kugelung geschieht gewöhnlich vierzehn Tage nach der Proposition, aber bey entschiedenen Vorzügen kann sie auf der Stelle geschehen. Auch von der Affiliation schliessen so viele eckigte Kugeln aus, als von der Reception. Für die Sicherheit der Affiliationstaxe, wo sie zu fordern ist, haben die Bürgen zu sorgen. Die Affiliation kann sowohl in der Conferenz, als in der Arbeitsloge geschehen. Niemand kann zur Affiliation vorgeschlagen werden, der von seiner Loge, schlechter Sitten halber, oder wegen Halsstarrigkeit gegen die Gesetze, mit oder ohne Abschied entlassen worden ist; und im Zweifel, ob er schuldig oder unschuldig war, steht die Präsumtion für die Loge, die ihn entlassen hat. §. XII. Beförderungen. a. Eigenschaften eines Lehrlings, der zum Gesellengrad aufgenommen werden will. Ein Lehrling soll durch seinen Fleiss in Besuchung der Instructionslogen, durch das Studium der Sinnbilder und des Katechismus in den Stand gesetzt seyn, die strengste Prüfung über seinen Grad auszuhalten. Er muss durch einen Wandel ohne Tadel, durch die reinsten Sitten, durch das dauerhafteste Bestreben, die Pflichten seines Standes zu erfüllen, sich gesichert haben, damit er die Nachforschungen nicht zu fürchten brauche, welche man in der Mittelzeit zwischen dem Vorschlage zu seiner Beförderung und dem Tage der Annehmung anstellen soll. 283
Freimaurerlogen
Wenn ein Lehrling sich erlaubt hätte, einigen Instructionslogen nicht beyzuwohnen, so soll er nicht eher befördert werden, als bis er diese Nachlässigkeit ersetzt hat, durch Beywohnung eben so vieler Unterweisungslogen, als er deren versäumt hat. Wenn er demnach aber vollkommen unterrichtet wäre, so könnte die Loge ihm einige, selten aber alle, versäumte Logenversammlungen erlassen. Die Meisterloge wird die Zeit der Lehrlingsschaft bestimmen, dabey aber weniger auf ihre Länge, als auf ihre Anwendung sehen; und wo diese entschieden rühmlich geschehen ist, gern das hochwürdige Ordenskapitel sein Recht zu dispensiren, ausüben lassen.1 b. Eigenschaften, welche der Geselle besitzen muss, um in die Meisterschaft aufgenommen zu werden. Der Geselle soll im Stande seyn, sich einer Prüfung über dasjenige zu unterwerfen, was ein Lehrling wissen muss; weil die maurerischen Mysterien eine solche gegenseitige Beziehung auf einander haben, dass man nicht eines derselben verabsäumen kann, ohne Gefahr zu laufen, die ganze Kette zu unterbrechen. Er soll im Stande seyn, auf alle Fragen zu antworten, welche man ihm vorlegen könnte, sie beträfen nun den Mechanismus, oder die Instructionen, oder die Sinnbilder seines Grades. Der Geselle muss, wenn er in den Meistergrad aufgenommen werden will, die Gesetze, welche die Eigenschaften, die ein Profaner, ein Lehrling, ein Geselle und ein Meister haben müssen, und die Pflichten, welche die letzten drey zu erfüllen haben, betreffen, auswendig wissen. Die Meisterloge wird die Zeit bestimmen, welche man im Gesellengrade zubringen soll.2 Dispensationen von dieser Zeit, sollen äusserst selten gegeben werden, und das hochwürdige Ordenskapitel muss, wenn es dispensirt, entschiedene Verdienste, oder dringende Beweggründe, in der Meisterloge für sein Verfahren darlegen können; denn wenn vier Meister gegen die Dispensation protestiren, so soll sie nicht vollzogen werden können, und es soll in dem Protokoll angeführt werden, dass die Meisterloge das hochwürdige Ordenskapitel auf den Missbrauch seiner Gewalt aufmerksam machen müsse. Der Candidat zur Meisterschaft muss über das Alter hinaus seyn, in welchem die Leidenschaften gebieten. Nur wenn diese Leidenschaften in ihren Grenzen gehalten worden sind, durch die weise Lenkung derer, welchen aufgetragen ist, über die Aufführung der Brüder zu wachen; dann beschleuniget man die Beförderung des Candidaten. Da es ein Grundsatz ist, dass der, welcher befehlen will, auch zu gehorchen wissen müsse, die Meister aber bestimmt sind, sich dem Studium der Gesetze zu widmen, für deren Ausübung sie einst sorgen müssen; so soll man diejenigen nicht zulassen, welche in den untern Graden Widerstand gegen die Gesetze des Ordens gezeigt haben, durch Mangel an Gehorsam gegen die, welche über die Befolgung derselben wachen müssen. Die
1 Siehe den Anhang. 2 Siehe den Anhang. 284
Die Großloge Royal York
unlenkbare Gemüthsart, welche oft durch Ungeduld und aufbrausendes Wesen hervorblickt, zeigt offenbar den Hang zum Widerstande gegen die Gesetze. Die Meisterloge wird auch die Zahl der eckigten Kugeln festsetzen, welche von der Beförderung zum Gesellen und zum Meister ausschliessen, und der sehr Ehrwürdige soll auch hier kein Recht haben, eine verneinende Kugel durch seine Stimme aufzuheben.1 §. XIII. Wahlen. Die Wahlen der Vorgesetzten, Beamten und Geschäftsträger der Loge geschehen jährlich in der ersten Woche des Junius in einer Conferenz, von welcher die Lehrlinge und Gesellen ausgeschlossen sind. Der Grossmeister und der Deputirte Grossmeister können zu keinem Amte in der Meisterloge, der erste und zweyte Grossaufseher können weder zum Meister vom Stuhl noch zum substituirten Meister, aber zu jedem andern Amte in der Meisterloge gewählt werden. Alle übrigen Meister sind zu jedem Amte, wenn die Constitution nicht selbst eine Ausnahme gemacht hat, oder die Strafgesetze einen davon auf eine Zeit, oder für immer ausschliessen, wahlfähig. Für die Wahllogen sind die Wahlen das einzige Geschäft. Alle andere Berathschlagungen oder Vorschläge sollen davon ausgeschlossen bleiben. Der sehr Ehrwürdige öfnet die Wahlversammlung mit der Verkündigung der gewählten Grossbeamten; darauf wird der §. VIII. und §. XIII. vorgelesen, und endlich zur Wahl geschritten. Der sehr Ehrwürdige, der in der Wahlloge den Hammer führt, fordert die Brüder auf, vor allen die vorsitzenden Meister der vereinigten Sct. Johannis-Logen zu wählen. Sobald er dies gethan hat, übergiebt er dem ersten Vorsteher den Hammer, und er deckt mit seinen Collegen die Loge. Gleich darauf erklärt der erste Vorsteher, ob eine constitutionelle Uebertretung die sehr Ehrwürdigen zu einer neuen Wahl unfähig gemacht habe, oder nicht. Im erstern Falle sollen die Brüder neue Meister wählen; im letztern Falle können sie durch ihre Wahl die bisherigen bestätigen. Sobald die Wahl der vorsitzenden Meister vorüber ist, sendet der erste Vorsteher den zweyten Vorsteher mit dem Ceremonienmeister und acht Brüdern ab, um die sehr Ehrwürdigen in die Loge zu führen. Der erste Vorsteher verkündigt ihnen die neue Wahl; mit Glückwunsch, wenn sie bestätigt ist, mit Danksagung, wenn andere an ihre Stelle gewählt worden sind. Sobald sie geantwortet haben, übergiebt der erste Vorsteher dem sehr Ehrwürdigen, der die Wahlloge geöfnet hatte, den Hammer wieder, und die übrigen Meister begeben sich auf ihre Plätze. Sodann wird zu den folgenden Wahlen geschritten. Die Wahlen können schlechterdings nie anders als durch individuelle Abgebung der Suffragien geschehen. Alle Wahlen durch Acclamation sind constitutionswidrig, und
1 Siehe den Anhang. 285
Freimaurerlogen
jeder Einzelne hat das Recht, dagegen zu protestiren, und durch seine Protestation die Wahl zu vernichten. Vor der Abgebung der Suffragien werden die Anwesenden gezählt; der Ceremonienmeister sammelt die Stimmen und die zwey Vorsteher untersuchen und zählen mit dem sehr Ehrwürdigen das Scrutinium. Nach der Zählung der Suffragien werden die Brüder wieder gezählt, und ist auch nur ein einziges Suffragium mehr in dem Scrutinio, als Brüder gegenwärtig sind, so wird hiermit durch die Constitution die Wahl für null und nichtig erklärt, und es muss zu einer neuen Wahl geschritten werden. Zur Wahl eines vorsitzenden Meisters wird erfordert, dass sich Zwey Drittheile der Stimmen für ihn erklären. Der Substituirte Meister, der bey den Tochterlogen nothwendig ist, und die zwey Vorsteher müssen die grösste Hälfte, das ist z. B. von 50 Stimmen wenigstens 27; die übrigen Beamten und Geschäftsträger der Loge die absolute Mehrheit der Stimmen für sich haben. Keiner ist geradezu verpflichtet, das Amt, wozu er gewählt wird, anzunehmen. Im Falle der Weigerung wird eine neue Wahl vorgenommen und der Weigernde bleibt wahlfähig; trift ihn dieselbe zum zweytenmale, wobey schon die absolute Mehrheit der Stimmen für ihn genug ist, so ist er verpflichtet, sich der Wahl zu unterwerfen. Jedem Bruder steht es frey, noch vor der Wahl zu erklären, dass er aus ihm bekannten Gründen kein Amt in der Loge annehmen könne oder wolle. Niemand ist in der Meisterloge zu einem zweyten Amte wahlfähig, wenn er schon zu einem von den Meistern gewählt worden ist. Die neugewählten Vorsteher, Beamten und Geschäftsträger, werden an dem Johannisfeste installirt, wobey sie vor dem Altar mit dem sehr Ehrwürdigen ein Kette schliessen, und den unten vorkommenden Eid, mit Weglassung der Zeitbestimmungen, ablegen. §. XIV. Logenversammlungen. Die Logenversammlungen sind entweder constitutionelle oder ausserordentliche. Constitutionelle Versammlungen sind monathlich drey, in welchen, nach Erforderniss der Umstände, entweder in dem ersten, oder zweyten, oder dritten Grad, deutsch, und wenn es die Umstände erfordern und die Rituale in die französische Sprache übertragen worden sind, auch französisch gearbeitet wird. Ueberdiess sind jährlich (sechs) Instructionslogen für die Lehrlinge, (drey) für die Gesellen, und (drey) für die Meister dergestalt durch die Constitution bestimmt, dass der Meister vom Stuhl, welcher von den ersten (zwey), von den zwey letzten (eine) Instruktionsloge zu halten versäumt, oder dieselben dem ersten Vorsteher oder einem andern vorsitzenden Meister, und bey den Tochterlogen seinem substituirten Meister zu übertragen unterlässt, durch die Constitution für unfähig zur Wahl für das künftige Jahr erklärt wird. Die Instructionslogen werden wie gewöhnlich geöfnet und die Geschäfte in folgender Ordnung vorgenommen: 286
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1) Liest der sehr Ehrwürdige alle Abschnitte aus der Constitution und den Gesetzen vor, welche zur Kenntniss der Lehrlinge oder Gesellen gelangen können und sollen. Den Meistern wird die ganze Constitution nach und nach vom Anfange bis zu Ende vorgelesen. Wo es nöthig ist, oder verlangt wird, begleitet der sehr Ehrwürdige die vorgelesenen Abschnitte mit Erläuterungen. 2) Katechisirt der sehr Ehrwürdige die Lehrlinge, Gesellen oder Meister, woraus folgt, dass jeder Bruder mit einer Abschrift des Katechismus versehen seyn muss. Es ist dabey nicht genug, dass Frage und Antwort wörtlich hergesagt werde, sondern hie und da fordert der Meister vom Stuhl auch eine ausführliche Erklärung der gegebenen Antwort, die er nach Bedürfen genauer bestimmt und berichtigt. 3) Wird dem Bruder, der etwa eine Rede, oder einen Aufsatz über einen maurerischen Gegenstand verfertigt hat, vergönnt, denselben vorzutragen. 4) Ueben die beyden Vorsteher einen oder mehrere Brüder in dem Mechanismus ihres Grades. 5) Beschliesset der sehr Ehrwürdige, oder der Redner, die Instruction mit einer kurzen maurerischen Rede. 6) Wird das Protocoll, in dem angemerkt werden muss, die wievielte Instructionsloge gehalten worden ist, vorgelesen. Es wird für die Armen gesammelt, und die Loge geschlossen; worauf das Protocoll von allen Anwesenden unterschrieben werden muss, damit man die Zahl der vernachlässigten Instructionslogen ausmitteln könne. In den monatlichen drey constitutionellen Versammlungen werden 1) Gegenstände, welche die Loge interessiren, auseinander gesetzt. 2) Ueber die Aufzunehmenden oder zu Befördernden ballotirt. 3) Candidaten aufgenommen oder Brüder befördert. Ausserordentliche Versammlungen werden berufen: a) Um zu der Aufnahme eines fremden Bruders zu schreiten, oder einen Candidaten einzuweihen. b) Um über gemachte Vorschläge, oder Gegenstände, die besuchenden Brüdern unbekannt bleiben müssen, zu berathschlagen, welches das eigentliche Geschäft der Meisterconferenzen ist.1 c) Um über eingelaufene Klage Gericht zu halten.
§. XV. Gerichte. Die g. v. und v. Mutterloge Royale York zur Freundschaft hat drey Gerichte: 1) Das Untergericht, oder das Gericht der Meisterloge, welches aus zwey Vorstehern, einem Redner, Secretair und (Sechs) dazu gewählten ältern Meistern besteht, wobey der Meister vom Stuhl, an dem die Reihe ist, den Vorsitz führt, und wovon die Mitglieder des hochwürdigen Ordenskapitels ausgeschlossen sind. 2) Das Obergericht, oder das Appelatorium, welches bloss die Mitglieder des hochwürdigen Ordenskapitels, mit Ausschliessung der Mitglieder des gesetzgebenden Collegiums, ausmachen, und wobey der gewählte Oberrichter das Präsidium führt. 1 Siehe den Anhang. 287
Freimaurerlogen
3) Das höchste Appellatorium, welches aus den zwey Grossaufsehern, dem Grossredner, und den dazu gewählten zwey Beysitzern besteht und wobey der Grossmeister den Vorsitz hat. Die zwey letztern Instanzen sprechen lediglich nur in Appelationsfällen1, oder in solchen, wo Kläger und Angeklagter in die höhern Grade eingeweiht sind. Jeder Bruder kann vor dem Gerichte der Meisterloge als Kläger auftreten; jeder, der sich entweder in oder ausser der Loge einer Uebertretung der maurerischen Gesetze, oder eines Verbrechens gegen Moralität, schuldig gemacht hat, kann und soll vor diesem Gerichte angeklagt werden. Der eigentlich dazu verpflichtete Ankläger, im Fall niemand anders klagte, ist der Redner. Klage und Vertheidigung können schriftlich oder mündlich vorgetragen werden. Der Angeklagte und Ueberwiesene kann von dem Ausspruche des Meistergerichts appeliren. Geräth ein Bruder mit einem andern in irgend einen Streit über Rechte und Eigenthum, oder treten Fälle einer persönlichen Beleidigung in oder ausser der Loge zwischen den Brüdern ein; so bringt der Gekränkte oder Beleidigte seine Klage vor seiner Instanz an, und der Angeklagte, wäre er auch in die höchsten Mysterien der Maurerey eingeweiht, muss sich vor der Instanz des Klägers stellen. Im Falle die streitenden Partheyen auf eine höhere Instanz appelliren, oder ihre Streitsache vor dem bürgerlichen Richterstuhl bringen, wird beyden Partheyen bis zur völligen Beendigung ihres Streits in den Logenversammlungen zu erscheinen untersagt.2 Die Form der Verhandlung ist folgende: Der Meister vom Stuhl trägt ganz summarisch die Streitsache, das gesetzwidrige oder ärgerliche Betragen vor; dann geloben die Richter, ihr Amt gewissenhaft zu verwalten, worauf der Redner sein Referat oder seine Anklage vorträgt. Der Angeklagte, oder die Partheyen, werden nun herein gelassen; die Klage oder die Streitpuncte werden ihnen vorgetragen, ihre Aeusserungen zu Protocoll genommen, worauf sie bis zur Sentenz wieder heraus gelassen werden. Die Verhandlung betrifft entweder eine Vergehung gegen Sittlichkeit und Ordensgesetze, oder eine Real- oder Personal-Sache. In dem erstern Falle entscheiden die Richter die Schuld; in den zwey letztern das Recht. Im erstern Falle entscheiden sie durch Kugelung, wobey die Mehrheit der eckigten Kugeln die Schuld erklärt; in den zwey letztern Fällen schreiben die Richter jeder seine Meynung auf einen Zettel, z. B. auf der Seite des Bruders N. N. ist das Recht; und diese Zettel werden verschlossen in den Beutel geworfen. Bevor noch die Stimmen untersucht werden, berathschlagt der vorsitzende Meister mit den Richtern, im erstern Falle über die Strafe, in den zwey letztern über die Art der Genugthuung, und erst, wenn diese durch mündliche Uebereinkunft bestimmt ist, schüttet er den Beutel aus, und verkündigt die Entscheidung. Der Angeklagte, oder die Partheyen werden wieder in die Versammlung geru1 Wo entweder der Beklagte oder der Kläger bloss Mitglied der Meisterloge ist. 2 Diese Suspension kann also lediglich in einem wirklichen Appellationsfalle statt haben. Bringen die Brüder ihre Streitsache über Rechte und Eigenthum, ohne erst die Vermittelung der Loge zu suchen, sogleich vor den bürgerlichen Richterstuhl, so ist keine Ursache vorhanden, sie von den Logenarbeiten und dem Genusse des Lokals zu suspendiren; wohl aber ist es dem Geiste des Gesetzes angemessen, persönlicher Beleidigungen halber klagende und beklagte oder in Process verwickelte Brüder entfernt zu halten, wenn ihr Streit eine Injuriensache ist. 288
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fen, und der sehr Ehrwürdige verkündigt das Urtheil, die Strafe oder die Art der Genugthuung, und frägt: ob der Schuldige, oder Gekränkte und Beleidiger damit zufrieden sind. Auf ein Schuldurtheil hat der Verurtheilte nichts zu antworten als: ja, oder: ich appellire an das Obergericht. Gegen ein Rechtsurtheil kann der Gekränkte an das Obergericht appelliren, oder seine Sache vor den bürgerlichen Richterstuhl bringen. In jedem Appellationsfalle bleibt der Appellant von den Logenversammlungen entfernt, bis seine Sache völlig beendigt ist. Damit dem beleidigten Gesetze für jeden Uebertretungsfall Gerechtigkeit wiederfahren könne, hält das Meistergericht quartaliter den ersten Montag des Monats, eine constitutionelle Sitzung, bey welcher alle Uebertretungen der Gesetze, entweder von Brüdern, die dergleichen in Erfahrung gebracht haben, oder von dem Redner, als dem ordenlichen und constitutionellen Ankläger, angebracht werden. Kein Bruder, der sich einer Vergehung gegen die Constitution oder die Gesetze schuldig gemacht hat, soll mit was immer für einer Strafe belegt werden, wenn nicht zwey brüderliche Ermahnungen vorausgegangen sind; die wenigen Fälle ausgenommen, in welchen, gleich für die erste Vergehung, in der Constitution oder in den Gesetzen die Strafe verordnet wird.
§. XVI. Vergehungen und Strafen. Alle maurerische Vergehungen können nach dem Grade ihrer Grösse in drey Klassen getheilt werden. In die erste gehören die leichten Uebertretungen der Polizeygesetze in den Logenversammlungen oder dem Logenhause; in die zweyte die schwereren Vergehungen, gegen Sittlichkeit, Bruderliebe, Unterwürfigkeit u. s. f.; in die dritte endlich die öffentlichen Verbrechen. a. Erste Klasse. Das Stillschweigen in den Logenversammlungen ist durch ein allgemeines und altes Ordensgesetz vorgeschrieben. Wer dasselbe bricht, fehlt gegen die Gesetze. Wenn diese Vergehung nicht Verwirrungen in den Arbeiten erregt, so übersieht man sie mit brüderlicher Nachsicht; wenn aber dadurch die Arbeiten auf eine unanständige Art gestört werden, so macht die Aufrechthaltung der Ordnung und Würde maurerischer Versammlungen eine Anklage und Bestrafung nothwendig. Die Verschwiegenheit über das, was in den Logenversammlungen vorgeht und was gesprochen wird, ist strenge anbefohlen. Leichte Unvorsichtigkeiten dieser Art müssen strenge bestraft werden. Ein Rückfall ist verdammungswerther als ein erster Fehler. Die Strafe für einen einfachen Rückfall muss den doppelten Betrag der ersten Strafe ausmachen, und dann nach Verhältniss wachsen. Ein Bruder, welcher unter den Logenarbeiten gegen oder über einen Bruder unhöfliche Ausdrücke sich entschlüpfen lässt, ist gleich bey dem ersten Falle von dem sehr Ehrwürdigen, oder von dem Vorsteher seiner Colonne, mit mildevollem Ernste zur Ordnung und Achtung gegen
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die Versammlung zu verweisen. Kann er über seine Lebhaftigkeit nicht Meister werden, so soll ihn der sehr Ehrwürdige die Loge decken heissen. Er bleibt so lange im Vorplatze, bis der sehr Ehrwürdige den Ceremonienmeister zu ihm hinaus schickt, ihm sein Unrecht vorzuhalten und ihm zu Gemüthe zu führen, wie sehr er gegen die brüderliche Freundschaft, gegen die Humanität und gegen die Ehrerbietung gefehlt hat, welche er der Loge schuldig ist. Erkennt der Bruder sein Unrecht, so führt ihn der Ceremonienmeister in die Loge zurück, und stellt ihn zwischen die beyden Vorsteher, woselbst er öffentlich seinen Fehler bekennen muss. Hierauf und nachdem er zuvor den von ihm beleidigten Bruder umarmt hat, erlaubt der sehr Ehrwürdige ihm seinen Platz wieder einzunehmen.
Im Allgemeinen sollen alle Vergehungen gegen Ordnung, Höflichkeit und brüderliche Liebe, nach Erforderniss der Umstände bestraft werden. b. Zweyte Klasse. Der Zutritt in die Logenversammlungen werde, nach zwey fruchtlosen brüderlichen Ermahnungen, einem solchen Bruder versagt, dessen unsittliche Aufführung das tadelnde und verachtende Auge des Publikums auf ihn zieht; und das so lange, bis diejenigen Brüder, denen aufgetragen worden, über die Aufführung dieses Bruders zu wachen, ein vortheilhafteres Zeugniss von den Sitten desselben gegeben haben. Seine Beförderung in Graden wird nach seiner Wiederaufnahme in die Loge auf eben so lange Zeit aufgeschoben, als seine Strafe gedauert hat. Das Band, welches die Freymaurer verbindet, besteht aus Menschenliebe und Freundschaft. Man zerreisst dieses ehrwürdige Band, wenn man den Ruf irgend eines Menschen, besonders aber irgend eines Bruders verunglimpft. Deswegen sollen Verläumdung und Lästersucht eben so hart bestraft werden, als die gröbern Vergehungen gegen Sittlichkeit. Uebertreter von der Art sollen nicht eher Erlaubniss erhalten, in die Loge zu kommen, als bis sie, so viel es ihnen möglich ist, das Unrecht wieder gut gemacht haben, welches sie andern erwiesen hatten. Jede Verbindung, in welcher keine Subordination statt hat, ist fehlerhaft in der Grundlage, und muss nothwendigerweise scheitern. Die, welche gegen die Unterwürfigkeit und Achtung für die Gesetze fehlen, bringen Zerstörung und Verwirrung in die Gesellschaft, und müssen als Störer ihrer Ruhe bestraft werden. Nach Erforderniss der Umstände soll man, auf eine gewisse Zeit oder auf immer, diejenigen ausschliessen, welche, nachdem ihnen der sehr Ehrwürdige das Gesetz vorgelesen hat, dennoch demselben den Gehorsam versagen. c. Dritte Klasse. Menschen, welche der öffentlichen Ruhe, oder auch nur dem Glücke der einzelnen Glieder der Gesellschaft, Schaden zufügen, indem sie an ihrer Seite nicht den Vertrag der menschlichen Gesellschaft erfüllen, dürfen auch keinen Anspruch auf die Vortheile machen, deren Genuss sie andern zu rauben trachten. Wenn also je ein Bruder auf irgend eine Art die öffentliche Ruhe stört, oder einer geheimen Gesellschaft, deren Zweck eine 290
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politische Tendenz hat, beytritt und entdeckt wird, so ist er für immer von dem Orden auszuschliessen. Da die maurerische Verbindung ein Bündniss tugendhafter Menschen seyn soll, so müssen die Namen aller derer, welche von der bürgerlichen Gerechtigkeit sind verworfen worden, aus unsern Verzeichnissen und Listen ausgestrichen werden. Nicht nur von der Justiz verurtheilte Verbrecher können nicht Mitglieder des Ordens seyn, sondern auch solche nicht, deren äusseres Ansehen sie gegen die schimpfliche Strafe gesichert hat. Nicht der Richterspruch, sondern das Verbrechen entehrt. Bey dem Allen ist die Ausschliessung von der Proscription wohl zu unterscheiden. Der ausgeschlossene Freymaurer kann Verzeihung erhalten; der Proscribirte ist herabgewürdigt, und kann nie wieder in den Orden treten. Die Loge Royale York zur Freundschaft proscribirt nur solche Menschen, von welchen in der dritten Klasse die Rede ist. Sie excludirt nur die, welche in dem Falle sind, den die zweyte Klasse angiebt. Die Schuldigen, deren in der ersten Klasse Erwähnung gethan ist, können mit keiner härteren Strafe belegt werden, als dass man sie auf eine Zeitlang suspendirt. §. XVII. Feste und Tafellogen. Das constitutionelle Fest aller gerechten und vollkommenen Logen ist der 24ste Junius. (Es bleibt der Meisterloge heimgestellt, die Form festzusetzen, nach welcher dasselbe gefeyert werden soll. Die Installation der Beamten und die eidliche Verpflichtung derselben ist dabey constitutionell.)1 Auch der Geburtstag des Königs und der 31ste December wird von der gerechten, vollkommenen und vollendeten Mutterloge Royale York zur Freundschaft gefeyert; ausser diesen kann die Meisterloge nach Gutbefinden noch andere Feste anordnen. In der Regel folgt auf jede Lehrlingsreception eine Tafelloge. Die Einrichtung derselben und die dabey zu beobachtenden Feyerlichkeiten gehören in das Gebiet der Meisterloge. Eben dahin gehört auch die Anordnung der Mittagstafeln und anderer Mahle, an welchen Uneingeweihete und Frauenzimmer Theil nehmen sollen. Die Meisterloge hat darüber feste, bestimmte und strenge Gesetze zu machen, damit nie das Logenhaus durch irgend eine Ausschweifung der Anwesenden zu einem Weinhause, Resource oder Tabagie, herabgewürdigt werde. §. XVIII. Schatz der Loge und seine Verwaltung. Die g. v. und v. Mutterloge Royale York zur Freundschaft hat dreyerley Fonds, nemlich solche, welche durch die monatlichen Retributionen, solche, welche durch die Stif-
1 Diese Vorschrift ist nur bey Tochterlogen anwendbar. Im Grossen Orient R. Y. z. F. in Berlin geschieht dies in einer Grossen Loge vor dem Feste. 291
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tungsgelder, sonst Receptionsgebühren genannt, und solche, welche durch die Abgaben des Oekonomen einkommen. So lange man das Geld, welches man bey der Einweihung und bey der Beförderung bezahlt, als den Preis für den empfangenen Grad ansehen; die Anwendung dieser Abgabe nicht bestimmen; und die Einnahme dieses Geldes mehr als ein Mittel ansehn wird, den unnützen Aufwand der Loge zu bestreiten, oder das Lokale derselben durch vergängliche Verzierungen zu verschönern: so lange wird schwerlich ein von dem Glücke begünstigter Bruder in die Versuchung gerathen können, freygebig gegen die Loge zu seyn, und seinen leicht entbehrlichen Ueberfluss dem Luxus der Loge aufzuopfern. Wenn man aber bestimmt den Weg ergreift, unwiederruflich die Anwendung jeder Logenkasse festzusetzen, so dürfte man wohl auch in der Folge Brüder finden, die sich ihrem Triebe zur Wohlthätigkeit überlassen würden. Weder die Constitution, noch das hochwürdige Ordenskapitel, kann etwas Specielles über den Schatz und seine Verwaltung verordnen. Alle diesfälligen Verfügungen gehören unter die ausschliessenden Rechte der Meisterloge. Mögte doch diese in allen ihren Finanzverordnungen und Einrichtungen auf folgende Prinzipien und Vorschläge ernstlich Rücksicht nehmen, und dieselben zur Basis ihrer ökonomischen Gesetze legen. Wenn die hochwürdige Mutterloge Royale York zur Freundschaft, als moralische Verbindung, ohne Constitution und Gesetze schlechterdings nicht bestehen kann; so kann sie, als bürgerliche Corporation, ohne einen soliden und in allen seinen Theilen wohldurchdachten Finanzund Oeconomieplan noch weniger fortdauern. Man sollte die verschiedenen Fonds der Loge nicht vermischen; man sollte die Kasse der Re tributionen, die Kasse der Oeconomieabgaben und die Kasse der Stiftungsgelder, getrennt halten, um jede derselben ihrer Bestimmung gemäss anzuwenden. Die eigentliche Retribution ist allein bestimmt, die Ausgaben der Loge davon zu bestreiten. Man sollte kein Geld aus den andern Kassen dazu anwenden. Wäre zuweilen Mangel in der Retributionskasse, so könnte man vorschlagen, derselben aus einer andern Kasse auf gewisse Zeit Vorschuss zu thun. Wenn die Einnahme der Retributionskasse einmal die wahrhaften Bedürfnisse der Loge übersteigen sollte, so sollte der Ueberschuss in die Stiftungskasse gelegt werden; vorausgesetzt, dass dieser Ueberschuss beträchtlich genug wäre, um derselben helfen zu können; z. B. wenn man alle drey oder vier Jahre in der Kasse eine einjährige Einnahme zum voraus fände. Die Kasse der Oekonomieabgaben wäre bestimmt, das Küchengeschirr und die Tischgeräthschaften zu erhalten, und den Oekonomen selbst zu besolden. Sollten die Abgaben des Oekonomen nicht zureichen, so müsste das Uebrige aus der Retributionskasse nachgeschossen werden. Die Kasse der Stiftungsgelder sollte anfänglich zur Abtragung der auf dem Lokale haftenden Kapitalien, und dann zur Ausübung der wirksamsten Wohlthätigkeit gegen die Brüder angewendet werden. Der Fond dieser Kasse würde durch die letztere Verwendung nie geringer werden, wenn man die grösste Aufmerksamkeit anwendete, nur die Zinsen, welche man erhielte, anzugreifen, und er würde sich vermehren, durch die jährlich hinzukommenden neuen Stiftungsgelder für die Aufnahmen und Beförderungen. Der Gegenstand dieser aus der Stif-
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Die Großloge Royal York
tungskasse auszuübenden Wohlthätigkeit müssten zuerst die Brüder, und dann dasjenige, was sie am mehresten interessirt, ihre Weiber und Kinder seyn. Ein vom Feuer verzehrtes Haus; eine zu Grunde richtende Krankheit; eine zahlreiche Familie; drückende, aber nicht aus Liederlichkeit, Spiel, Verschwendung u. s. w. entspringende Schulden, würden die Fälle seyn, welche erforderten, dass man einem Bruder zu Hülfe eilte. Man sollte ihnen behülflich seyn, Vermögen zu erwerben oder dasjenige zu vermehren, das sie besitzen. Dies wäre dann wirklich nur ein Darlehn, welches Früchte trüge; denn sobald sie im Stande seyn würden, das Vorgeschossene zu erstatten, würden sie es thun, damit man den nemlichen Dienst andern erweisen könnte. Man würde Wohlthätigkeit gegen die Brüder ausüben, wenn man ihren Weibern und Kindern dergleichen zufliessen liesse. Hat ein gutes tugendhaftes Weib das Unglück, einen redlichen Gatten, hoffnungsvolle Kinder, einen würdigen Vater zu verlieren, und die Thränen, welche beyde vergiessen, wären nicht bloss Thränen des Witwen- und Waisenstandes, sondern auch der Armuth; dann sollte und könnte, nach der Einführung eines bessern Finanzplanes, die Loge den Bedrückten und Nothdürftigen zu Hülfe eilen, für die Erziehung der Kinder sorgen, und diese sowohl als die Mutter gegen den Druck der Bedürfnisse schützen. Die Fonds müssten ohngefähr auf folgende Art verwaltet werden. Der Schatzmeister nähme alle Gelder ein; die Directoren oder Stewarts führten die Rechnung. Der Director der Stewartscollegiums würde zugleich der Director der Verwaltung desjenigen Fonds seyn, welcher aus den Retributionsabgaben erwächst. Seine Direction würde in der Besorgung der äussersten Sparsamkeit bestehen. Die Stiftungskasse würde dem ersten Stewart anvertraut werden, welcher darüber wachen müsste, dass die Fonds derselben auf das vortheilhafteste angelegt würden; es sey nun in der Handlung, oder durch Verleihen auf Zinsen oder durch Industrie. Der zweyte Stewart würde die Fonds, welche aus den Abgaben des Oeconomen zufliessen, verwalten, und in allem mit dem Director des Collegiums Rath pflegen. Die Meisterloge würde sich alle sechs Monate wenigstens den Etat jeder Kasse vorlegen lassen, das Stewartscollegium und der Schatzmeister müssten deshalb ihre Rechnungen stets in Ordnung und also eingerichtet haben, dass die Summen leicht zusammenzuziehen wären.
Jeder Meister hätte dann, und hat bereits auch bey dem gegenwärtigen Zustande der Dinge, das Recht, den Rechnungshaushalt zu untersuchen, und über die gute oder schlechte Verwaltung seine Anmerkungen zu machen. §. XIX. Schatz der Armen. Auch über den Schatz der Armen zu disponiren, hat die ehrwürdige Meisterloge uneingeschränkte Rechte. Sie wird es sich also vorzüglich angelegen seyn lassen, über die Verwaltung desselben einen festen, wohldurchdachten Plan zu entwerfen, und nach demselben zweckmässige Gesetze zu verfassen. Die Constitution kann hierüber nur einige Prinzipien und Bemerkungen vorlegen.
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Freimaurerlogen
Es ist ein ehrwürdiger Gebrauch, die Versammlung nicht zu schliessen ohne für die Armen gesammelt zu haben. Es giebt gewöhnliche und ausserordentliche Sammlungen dieser Art. Die gewöhnlichen werden in den Logenversammlungen gemacht; die ausserordentlichen haben statt, wenn ein dringendes Bedürfniss es nothwendig macht, einem einzelnen würdigen Bruder, oder andern würdigen Menschen, zu Hülfe zu eilen. Als vorzüglich würdig der Wohlthätigkeit aus dem Armenschatze sollte die Meisterloge betrachten: 1) verschämte Hausarme; 2) durch unverschuldetes Unglück herabgekommene Künstler und Professionisten; 3) junge Männer von Talenten, aber ohne Mittel, die zur Erreichung ihres Zieles nothwendig wären; 4) hinterlassene Witwen und Waisen biederer Männer; 5) unglückliche Opfer anhaltender Krankheiten; 6) vom Unglück verfolgte Biedermänner; 7) Schulen auf dem Lande, und wohlverdiente aber arme Schulhalter. Der Meister vom Stuhl und die übrigen Beamten und Brüder sollten keine einzelne Armen zur Wohlthätigkeit vorschlagen, noch vielweniger das Quantum bestimmen, welches den Armen mitgetheilt werden soll; sondern den Vorschlag desselben dem Redner überlassen. Blosse Bettler und Menschen, die durch die Hülfe, welche ihnen die Loge leisten kann, höchstens nur in den Stand gesetzt werden, ein paar Tage besser zu essen als gewöhnlich, sollten durch feststehende Gesetze der Meisterloge völlig abgewiesen werden.
§. XX. Verhältniss der Tochterlogen zur Grossen Mutterloge. Jede Tochterloge erwählt sich aus dem gesetzgebenden Collegio des Kapitels einen Repräsentanten; den Deputirten Meister ernennt aus ihrem Mittel der Grossmeister selbst. Die vorzügliche Pflicht dieses Deputirten Meisters ist, quartaliter einen vollständigen Bericht, von dem Meister vom Stuhl und den Beamten unterzeichnet, über den Zuwachs der Mitglieder, über den Gang der Arbeiten, über die Beobachtungen der Con stitution und der Gesetze, und über die Sitten der Brüder einzusenden. Bezeigt sich eine Tochterloge in Ertheilung dieser Berichte fahrlässig, so wird sie, nach vorhergegangener dreymaliger Ermahnung, und endlich nach geschehener Hinsendung eines Deputirten Visitators und nicht erfolgter Besserung, aufgehoben, und dieser Actus allen Logen, mit welchen die Mutterloge in Verbindung steht, angezeigt. Jede Tochterloge taxirt sich jährlich selbst bey dem Johannisfeste, wie viel sie künftiges Jahr in Quartalratis in den Schatz des hochwürdigen Ordenskapitels einsenden wolle, und das von ihr selbst bestimmte Quantum muss zu rechter Zeit abgeliefert werden.1 Das gesetzgebende Collegium des hochwürdigen Ordenskapitels hat das Recht, eine Tochterloge, die sich durch Eifer in ihren Arbeiten, durch die Sittlichkeit ihrer Mitglieder, und durch die Genauigkeit und Gewissenhaftigkeit ihrer Quartalberichte auszeich1 Siehe den Anhang. 294
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net, die höhern Grade mitzutheilen, und ihr die Erlaubniss, in denselben zu arbeiten, zu gewähren; diess kann aber erst dann geschehen, wenn die Tochterloge aus 30 activen Meistern besteht. In diesem Falle wählt das gesetzgebende Collegium des Kapitels aus den Meistern der Tochterloge drey Mitglieder, die es in den Grossen Orient beruft, die vier höhern Grade unentgeltlich mittheilt, und sie bevollmächtigt, dieselben stufenweise, und nach immer vorhergegangener Anzeige an das hochwürdige Ordenskapitel, fünf Brüdern auf einmal mitzutheilen, und in den eingeführten Graden vorschriftsmässig zu arbeiten.1 §. XXI. Co- und Subordination der verschiedenen Gewalten der hochwürdigen Mutterloge Royale York zur Freundschaft. Das hochwürdige Ordenskapitel, die schottische Loge und die Meisterloge2 sind auf gleiche Art der Constitution und den Gesetzen, die allein herrschen, subordinirt. Kraft dieser Constitution machen die erstgenannten drey Collegien eine einzige unzertrennliche Loge aus, und durch eben diese Kraft sind sie einander gegenseitig coordinirt, dergestalt, dass eins ohne das andere schlechterdings nicht bestehen kann.3 Aus dieser
1 Da die Grade oder die verschiedenen maurerischen Aufschlüsse und Kenntnisse überall in gar keinem Zusammenhange mit der Verfassung und Regierung der Loge stehen; so versteht sich von selbst, dass wenn auch eine Tochterloge die Erlaubniss in höhern Graden zu arbeiten erhält, dadurch auch nicht das geringste in ihrer Verfassung und Regierung geändert werden könne. Alle maurerische Gesetze und Ritualvorschriften erhalten sie aus dem Grossen Orient R. Y. z. F. in Berlin, und alle äussere Polizeygesetze geben sie sich durch ihre Beamten- oder Meisterloge selbst; woraus zugleich folgt, dass bey den Tochterlogen kein Grosser Orient, kein Kapitel und keine schottische Loge, als gesetzgebende, vollziehende und deliberative Collegien betrachtet, statt haben können. 2 Diese drey Collegien werden hier nicht in Beziehung auf höhere oder untere maurerische Grade; sondern als Inhaber eines bestimmten Machtantheils zur Verwaltung der maurerischen und ökonomischen Socialangelegenheiten aufgestellt. 3 Diese Collegien, und die innigste Verbindung derselben, müssen unabänderlich bleiben, wenn auch die Grosse Loge R. Y. z. F. alle Arbeiten in höhern Graden aufzuheben für gut fände. Das Kapitel, das schottische Collegium und die Meisterloge, gehören zur Verfassung, zur Form der Gesetzgebung. Die höhern Grade sind zufällige maurerische Ritualkenntnisse. Und so, wie die Verfassung einer Lehrgesellschaft unverändert bleibt, wenn auch die Vorsteher derselben für gut fänden, den Vortrag dieser oder jener Wissenschaft zu untersagen; eben so unverändert bleibt die Verfassung der Loge R. Y., wenn auch in Zukunft in derselben nichts mehr, als die drey Sct. Johannis-Grade mit den letzten Aufschlüssen (siehe [S. 262 Anm. 3]) mitgetheilt werden sollten. Eben diess wäre auch der Fall, wenn sich die vier vereinigten Sct. Johannis-Logen in der Folge vermehrten. Denn diese haben als solche nichts anders zu thun, als Aufnahmen, Beförderungen und Instructionen zu halten, das ist, Ritualhandlungen zu verrichten. Keine derselben hat ihren eigenen Schatz, ihre eigene Oekonomie, ihre eigenen Conferenzen. Alle maurerische Angelegenheiten müssen in der Grossen Loge, und alle äussere Polizeysachen in der Meisterconferenz verhandelt und beschlossen werden. 295
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constitutionsmässigen Coordination folgt nothwendig zugleich eine gegenseitige Subordination der drey Collegien, welche folgendermassen von der Constitution bestimmt ist, und auf keine Art weiter ausgedehnt oder enger beschränkt werden darf. Die Meisterloge ist das unumschränkte Oeconomie- und äussere Polizeycollegium, und als solches giebt sie sich, durch die Gesetzvorschläge der von ihr selbst zu wählenden schottischen Meister und durch die Sanction der Meisterschaft, ihre Gesetze selbst; als solchem ist ihr die Grosse Loge untergeordnet. Als arbeitende Johannisloge, das ist, als eine moralische Verbindung zu einem moralischen Zwecke, steht sie unter den Gesetzen der Grossen Loge. Ihre vorsitzenden Meister, ihre Vorsteher, Redner und Secretaire, sammt sechs gewählten schottischen Meistern, constituiren das erste ordentliche Gericht der Meisterloge, und als solchem sind ihr auch alle Mitglieder der Grossen Loge subordinirt.1 Die schottische Loge ist sodann in zwölf ihrer Mitglieder, das gesetzgebende und dirigirende Collegium der Meisterloge, in sechs ihrer Mitglieder eine Vermittelungscommission; und bey streitigen Beschlüssen der Grossen Loge, welche sich in gewisser Hinsicht auch auf die äussere Polizey beziehen, die Meisterloge betreffen, und nur durch ihre Annehmung Rechtsgütligkeit erhalten können, ist sie in allen ihren Mitgliedern ein deliberatives Collegium, wovon wieder die Mitglieder der Grossen Loge ausgeschlossen sind.
Die Grosse Loge in ihren Mitgliedern des sanctionirenden und vollziehenden Collegiums ist das erste Appellatorium, und besteht in so fern aus dem Oberrichter,
der von dem Kapitel eigentlich dazu gewählt wird, und aus vier Mitgliedern des vollziehenden Collegiums; und als solchem sind ihm in Appellationsfällen alle Mitglieder der Meister- und Schottenloge und des hochwürdigen Ordenskapitels untergeordnet. Sämtliche Mitglieder dieses Collegiums machen, unter dem Vorsitze des Grossmeisters, den sanctionirenden und vollziehenden Rath aus, in welcher Hinsicht demselben die Meister- und Schottenloge, so wie das gesetzgebende Collegium der Grossen Loge selbst unter den constitutionsmässigen Bedingungen subordinirt sind. Das gesetzgebende Collegium der Grossen Loge endlich, ist in seinen zwölf Mitgliedern und allen hammerführenden Meistern und Vorstehern der vereinigten Sct. Johannis-Logen, unter dem Vorsitze des Grossmeisters, das höchste Appellatorium, und in so fern ist ihm jedes Mitglied der gerechten, vollkommenen und vollendeten Mutterloge Royale York zur Freundschaft untergeordnet. Zu gleicher Zeit ist dasselbe der Gesetzgeber in allem, was die innere Polizey, die Sitten der Brüder in den 1 Wenn entweder sie von einem Bruder, der bloss Mitglied der Meisterloge ist, angeklagt werden, oder wenn sie gegen einen Bruder, der bloss Meister ist, Klage führen wollen. Vergl. §. XV. Um allen Missdeutungen vorzubeugen wird hier einmal für allemal angemerkt und festgesetzt, dass die Verhandlungen der sogenannten Gerichte der Loge Royale York bey Streitigkeiten zwischen Br. Br. schlechterdings nur Vermittelungsgeschäfte seyn, und Vergehungen nur in moralischer Hinsicht von denselben untersucht und bestraft werden können und dürfen. 296
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Logenversammlungen, und die Rituale aller Grade betrifft, und in so fern sind ihm die Meister- und Schottenloge, jedes Mitglied der Grossen Loge einzeln betrachtet, so wie alle Schwester- und Tochterlogen, unter den constitutionellen Bedingungen subordinirt. Auf diese Weise macht die gerechte, vollkommene und vollendete Mutterloge Royale York zur Freundschaft ein vollständiges, fest in einander greifendes Ganzes aus, das jeder Nachstellung der Leidenschaft, Herrschsucht, des Neides und der Zwietracht, Trotz bietet. Ihre Festigkeit liegt nicht in der Willkühr oder in der Anzahl ihrer Mitglieder, nicht in dem Glänzenden ihrer Arbeiten, nicht in der Schönheit und Bequemlichkeit ihres Locals, sondern in der Zweckmässigkeit und Festigkeit ihrer Constitution und ihrer Gesetze.
§. XXII. Fundamentalgesetz. Da indessen allen menschlichen Werken und Unternehmungen der Charakter der Menschlichkeit, das ist, Unvollkommenheit, anklebt; so hat auch diese Constitution ihre Mängel und Gebrechen. Die Aufhebung derselben ist nicht das Werk eines Augenblickes, nicht das Werk eines Monats, sondern es wird jahrelange Ausführung, Erfahrung und Prüfung dazu erfordert. Es wird daher als ein Fundamentalgesetz aufgestellt, dass diese Constitution, so wie sie hier enthalten ist, von dem Tage ihrer Promulgation, Sanction und Beschwörung nur auf drey Jahre, das ist, bis zu Johannis 1800, in allen ihren Theilen und im Ganzen, verbindende und gesetzliche Kraft haben soll. Bis dahin soll sie in Meisterlogen jährlich viermal vorgelesen werden. Alle Brüder sollen sie mit Aufmerksamkeit und reinem Eifer für das Beste der g. v. und v. M. L. R. Y. zur Freundschaft studiren, die etwa bemerkten Mängel sorgfältig aufzeichnen, die nöthigscheinenden Modificationen mit Freymüthigkeit anzeigen, und ihre Beyträge zur Vervollkommung derselben dem Grosssecretair der hochwürdigen Grossen Loge einreichen. Gleich zu Anfange des Jahres 1800 wird es die vorzüglichste Pflicht der hochwürdigen Grossen Loge seyn, mit Hülfe der eingekommenen Beyträge der Brüder, die gänzliche Revision der Constitution vorzunehmen, und das Resultat ihrer Arbeiten, im Junius einige Tage nach der Wahlloge, in der Meisterconferenz vorzutragen, und daselbst auf die Vorschläge und Wünsche der Brüder, die unter der Vorlesung geschehen, Rücksicht zu nehmen. Alle Brüder haben dabey decisive Stimmen, und nachdem alles geschehen ist, was kraft dieses Gesetzes geschehen soll, wird die revidirte Constitution aufs neue für sechs Jahre, das ist bis Johannis 1806 sanctionirt und beschworen. Zu Anfang des sechsten Jahres geschieht dasselbe, was für das Jahr 1800 kraft dieses Gesetzes verordnet wird, und von 1806 wird für alle Zukunft, die gänzliche Revision der Constitution nur alle neun Jahre vorgenommen.
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§. XXIII. Constitutioneller Eid.1 Ich N. N. schwöre und gelobe vor dem grossen Baumeister der Welt, und dieser ehrwürdigen, heiligen, unzertrennlichen Bruderkette: dass ich mit aufrichtigem Herzen und geneigtem Willen die Constitution der gerechten, vollkommenen und vollendeten Mutterloge Royale York zur Freundschaft annehme; dass ich sie als die Grundfeste der Verfassung und der Gesetze dieser hochwürdigen Loge anerkenne, und mit Anstrengung aller meiner Kräfte, so wie sie jetzt ist, im Ganzen und in allen ihren Theilen, bis zur vorgeschriebenen völligen Revision (das ist bis zu Johannis 1800)2 sowohl durch meinen Gehorsam, als durch meinen Eifer und meine Wachsamkeit, aufrecht erhalten wolle. Ich schwöre daher auch, dass ich mich jedem Eingriffe in dieselbe, er mag von wem immer geschehen, mit Muth und Standhaftigkeit widersetzen wolle. Nur einzelne ausserwesentliche Modificationen, welche vielleicht dringende Zeitumstände nothwendig machen könnten, will ich zugeben, wenn sie in einer vollen Meisterconferenz, vermöge der Mehrheit der Stimmen, durch Kugelung beschlossen worden sind. Eben so fest und standhaft verpflichte ich mich, darüber zu wachen, dass die Grosse Loge, das hochwürdige Ordenskapitel, die schottische Loge und die Sct. Johannis-Meisterloge, in der Ausübung ihrer Gewalt die in der Constitution bestimmten und festgesetzten Grenzen nicht überschreiten; und dies alles so wahr ich den Allerhöchsten anbete, seinem Gesetze huldige, Wahrheit und Weisheit verehre, die Menschheit achte, den Meineid verabscheue und der Lüge und Heucheley ewigen Hass schwöre. Ende der Constitution. Sanctionirt, beschworen und unterzeichnet Orient Berlin den 3. August 5797.
welcher die
Anhang,
Beschlüsse der Meisterloge über verschiedene, nach Vorschrift der Constitution, zu ihrem Ressort gehörende Gegenstände, desgleichen die näheren Bestimmungen des hochwürdigen Ordenskapitels in Betreff der Ballotation und Conferenzen enthält. a. Die nähere Bestimmung dieser Vorschrift ist in dem hier folgenden Zusatze k. und zwar im §. XIII. desselben enthalten und daselbst nachzusehen.
1 Alle Brüder schliessen eine Kette. 2 Diese Parenthese wird in der Eidleistung der neuen Beamten vor dem Johannisfeste weggelassen. 298
Die Großloge Royal York
b. Nach Massgabe des §. VIII. der Constitution sub n. haben die Meister ein uneingeschränktes Stimmenrecht bey allen Aufnahmen in die drey ersten Grade, so wie bey allen Wahlen und andern von der Meisterloge ressortirenden Gegenständen. Dies gab in der Conferenz vom 17. August 1797 Anlass, darüber zu ballotiren: „Ob auch die von diesem Tage an zum Meistergrad zu befördernde Brüder sogleich das Stimmenrecht haben sollen?“ Die Ballotation fiel verneinend aus, und es wurde demnächst festgesetzt, dass die dermaligen Meister zwar ihr Stimmenrecht behalten müssten, dass aber von den künftig aufzunehmenden Meistern keiner eher zu diesem Rechte gelangen solle, als bis an der constitutionellen Zahl von 60 blossen Meistern, woraus das regierende Collegium der Meisterschaft bestehen soll, Einer fehlt. Dessen ungeachtet dürfen die künftigen Meister bey allen Conferenzen erscheinen und in allen von der Meisterschaft ressortirenden Angelegenheiten das Recht der rathgebenden; bey Aufnahmen und Beförderungen aber, so wie überall, wenn weniger als 60 stimmenfähige blosse Meister in der Conferenz gegenwärtig sind, auch das Recht der entscheidenden Stimme ausüben. (s. Protocoll vom 17. August 1797.)
c. Das Alter des Suchenden muss wenigstens zwanzig, das des Luftons achtzehn Jahre seyn. (s. Protocoll vom 17. August 1797.)
d. Bevor ein Suchender aufgenommen werden kann, muss sein Name vier Wochen an der Tafel gestanden haben. (s. Protocoll vom 17. August 1797.)
e. Wenn ein Suchender bey der Ballotation drey eckigte Kugeln gegen sich hat, so soll er von der (s. Protocoll vom 17. August 1797.) Einweihung ausgeschlossen seyn.
f. Da gegen die im §. X. der Constitution enthaltene Vorschriften, die Ballotation betreffend, von Seiten der Meister gefehlt worden war; so hat das hochwürdige Ordenskapitel an die Meisterloge folgende nähere Bestimmung erlassen: I. Der zweyte Vorsteher soll keinen Vorschlag von was immer für einem Bruder übernehmen, in welchem nicht eine kurze Schilderung des Characters des Suchenden, wo möglich mit einigen Thatsachen documentirt, aufgestellt und alles beobachtet worden ist, was die Constitution darüber vorschreibt. II. Der zweyte Vorsteher soll denjenigen Proponenten mit seinem Vorschlage von sich abweisen, der sich vorher, ehe er zu ihm kam, mehrern Brüdern als Proponent des Suchenden entdeckt hat.
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III. Der zweyte Vorsteher soll nicht unterlassen, acht Tage vor der Ballotation die Brüder aufzufordern, ihm ihre Bedenklichkeiten gegen die Aufnahme des Candidaten zu entdecken, und jede Ballotation, der eine solche Aufforderung nicht vorhergegangen, ist als constitutionswidrig, ungültig und nichtig anzusehen. IV. Finden sich bey der Ballotation drey oder mehrere verneinende Kugeln, so ist der Bruder, der die verneinende Kugel gegeben hat, verpflichtet, seine Gründe irgend einem Bruder der Meisterloge, zu dem er das grösste Zutrauen hat, den er sich selbst wählt, der zur strengsten Verschwiegenheit von ihm verpflichtet wird, zu entdecken. Dieser vertraute Bruder schreibt nun die Gründe seines Freundes auf, und übergiebt dieselben schriftlich einem von den beyden Vorstehern oder dem Redner; diese drey Gewährsmänner setzen dann die weitern Untersuchungen fort, theils durch sich selbst, theils durch einige Brüder, die sie ins geheim dazu ernennen. Diese drey Gewährsmänner sind zur strengsten Verschwiegenheit über den Namen dieses vertrauten Bruders verpflichtet. In der zweyten Meisterloge nach der Abgabe der Gründe, theilen sie derselben das Resultat ihrer Untersuchungen mit. Sind diese drey Gewährsmänner über die Richtigkeit der Gründe einstimmig, und diese von solcher Erheblichkeit, dass sie den Suchenden der Aufnahme ganz unwürdig machen, so wird derselbe ohne weiteres abgewiesen. Sind die Gründe von der Beschaffenheit, dass bey dem Suchenden von einer menschenfreundlichen Ermahnung zur Besserung der erwünschte Erfolg zu erwarten wäre; so wird die Aufnahme verschoben und diese Besserung abgewartet, von welcher die drey Gewährsmänner durch die von ihnen gewählten Brüder Erkundigungen einziehen, und die Resultate der Meisterloge anzuzeigen haben. Sind aber die Gewährsmänner über die Unrichtigkeit der Gründe einig, so legen sie ihr Urtheil der Meisterloge vor, und der Suchende wird ohne weitere Ballotation aufgenommen. V. Meldet sich nach der Ballotation in vierzehn Tagen niemand auf die erst vorgeschriebene Weise, so sind die verneinenden Kugeln als eine Folge des Versehens, oder der Uebereilung, oder der Cabale zu betrachten, und der Suchende wird ohne weitere Ballotation aufgenommen. VI. Alles was hier über die Vorschläge und Ballotation zur Aufnahme verordnet ist, gilt auch von den Vorschlägen und von der Ballotation zur Affiliirung und zu Beförderungen. VII. Ist in der Form des Vorschlages oder der Ballotation ein constitutionswidriges Versehen vorgefallen, oder führen die drey Gewährsmänner für die Besserung des einmal durch eine ungünstige Ballotation zurückgewiesenen Suchenden überzeugende Beweise an, so kann derselbe noch einmal vorgeschlagen werden, und es muss seine Aufnahme durch eine neue Ballotation entschieden werden. VIII. Um das Widrige und leicht zum Nachtheil Anlass gebende der eckigten Kugeln einigermaassen zu beschränken, wird verordnet, dass künftighin, ausser den zwey Kugeln jedem Bruder noch eine dritte in Form eines Jettons eingehändigt werde, welche dann derjenige wirft, der von der Würdigkeit des Candidaten nicht genug unterrichtet ist. Daher kann auch diess Zeichen nie als opponirend betrachtet werden, oder die Aufnahme aufhalten. Promulgirt in der Meisterconferenz den 7. September 1797. 300
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g. Die Zeit, welche der Lehrling bis zu seiner Beförderung in den Gesellengrad gearbeitet haben soll, ist von den Meistern auf sechs Monathe bestimmt worden. (s. Protocoll vom 17. August 1797.)
h. Der Geselle soll nicht eher, als nach einem Jahre, zu der Meisterwürde gelangen. (s. Protocoll vom 17. August 1797.)
i. Von der Beförderung eines Lehrlings zum Gesellen, und eines Gesellen zum Meister, schliessen jedesmal zwey eckigte Kugeln aus. (s. Protocoll vom 17. August 1797.)
k. Die Zahl der jährlich zu haltenden constitutionellen Conferenzen ist von der Meisterloge auf sechs festgesetzt worden. Auf diesen Beschluss und in Betreff der Conferenzlogen überhaupt hat das Kapitel Folgendes an die Meisterloge erlassen. I. Die Meisterconferenzen sind entweder constitutionelle oder ausserordentliche. Beyde haben ihre eigenthümlichen Gegenstände, die darin abgehandelt werden können und sollen, und die vorsitzenden Meister mit den Aufsehern haben darüber zu wachen, dass dieselben nicht verwechselt und in den constitutionellen Conferenzen nicht Gegenstände, die sich für die ausserordentlichen Conferenzen qualificiren, abgehandelt, und in den Letztern keine Verhandlungen gepflogen werden, die für die Erstern geeignet sind. II. Die Gegenstände der constitutionellen Conferenzen sind folgende: 1) Alle Vorschläge, welche das Wohl der ganzen Loge, die Regierung der Meisterschaft, und die äussere Polizey betreffen. 2) Die Verkündigung der maurerischen, die innere Polizey, die Sitten der Brüder in der Loge, die Pflichten der Beamten betreffenden Gesetze, welche die Grosse Loge beschlossen, und das hochwürdige Ordenskapitel sanctionirt hat. 3) Die Untersuchung der Bedürfnisse neuer Gesetze, die Verkündigung und Sanctionirung, so wie die Modification oder Abrogation der Gesetze, welche von dem gesetzgebenden Collegio der Meister beschlossen, und von der Meisterloge sanctionirt worden sind. 4) Alle Dispensationen in Meistergesetzen. 5) Die Verkündigung der eventuel nothwendigen Abänderungen in den Ritualen. 6) Alle Wahlen der Beamten in der Meisterloge, so wie auch die Wahl eines initiirten Meisters zum Stimmenrecht in dem Meistercollegio. III. Den ausserordentlichen Conferenzen bleibt alles vorbehalten, was die Oeconomie und das eigentliche Local der Loge betrifft, folglich: 1) Die Debatten und Entscheidungen über ausserordentliche Contributionen.
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2) Die Bestimmung der Ausgaben aus dem Schatz der Meisterloge oder aus dem Schatz der Armen. 3) Alle Verbesserungen oder Abänderungen in dem Locale. 4) Alle Rechnungsuntersuchungen oder Rechnungsabnahmen. 5) Alle Begünstigungen, die einzelne Brüder nachsuchen, oder von der Meisterloge ihnen ohne ihr Ansuchen gewährt werden sollen. 6) Die Anordnung aller Feste, die nicht schon von der Constitution verordnet worden sind. 7) Alle Gastfreundschaftsbezeugungen gegen auswärtige Brüder in einzelnen Fällen. IV. Die Ballotationen über aufzunehmende Suchende, oder über Brüder, die befördert werden sollen, können sowohl in der constitutionellen als ausserordentlichen Conferenz vorgenommen werden. V. Die constitutionellen Conferenzen, deren Anzahl die Meisterloge durch einen constitutionellen Beschluss auf sechs festgesetzt hat, sollen in dem Logenkalender angezeigt werden, das einladende Circulair braucht demnach nichts besonders zu enthalten, als dass die Brüder gebeten werden, bey den constitutionellen Conferenzen recht zahlreich zu erscheinen. VI. Zu den ausserordentlichen Conferenzen sollen die Brüder durch ein Circulare dergestalt zusammenberufen werden, dass in demselben die abzuhandelnden Gegenstände selbst ausdrücklich, kurz und bestimmt, wo möglich in präcis ausgedrückte Fragen eingekleidet, angezeigt werden; und da ist jeder Bruder verpflichtet, das Circulare, nach Unterzeichnung seines Namens, dem dienenden Bruder versiegelt zu übergeben. VII. Alle, besonders aber die constitutionellen, Conferenzen sollen in dem eigentlichen Logensaal gehalten, zu bestimmter Zeit angefangen und präcis um 8 Uhr geschlossen werden. VIII. Die Conferenzen sind die eigentlichen maurerischen Arbeiten, sollen daher auch mit all der Würde und dem Anstande, als die maurerische Mysterienfeyer, gehalten werden. Daraus folgt, dass die Brüder in den Conferenzen eben die Gesetze des Schweigens und der Ordnung zu beobachten haben, die bey der Mysterienfeyer vorgeschrieben sind. Niemand soll dem andern in die Rede fallen, Niemand sprechen, der nicht um das Wort gebeten und dasselbe erhalten hat, Niemand seinen Platz verlassen und zu einem andern Bruder gehen, um sich zu unterhalten, noch seinen Nachbar in der Aufmersamkeit auf die Verhandlungen der Geschäfte durch seine Sprechsucht stören; Niemand aus dem Logensaale treten, ohne vorher um die Erlaubniss zu decken gebeten, oder, wenn er völlig abgeht, das Protocoll eigenhändig unterschrieben zu haben. IX. Wer in den constitutionellen Conferenzen einen dahin sich qualificirenden Vorschlag zu machen hat, soll ihn schriftlich, kurz oder ausführlich mit Gründen unterstützt, oder nur blos hingestellt aufsetzen. Dieser Aufsatz wird 8 oder 14 Tage vor der nächsten Conferenz dem Meister vom Stuhl überreicht, der ihn einem Mitgliede des gesetzgebenden Collegiums der Meisterloge zum Referatur übergiebt. Mit diesen Referatis erscheinen demnach die Mitglieder des gesetzgebenden Collegiums in der Conferenz und lesen dieselben vor. Das Referat enthält: 1) Den Vorschlag. 2) Die Gründe dafür. 3) Die Gründe dawider; dabey aber ist es dem Referenten streng verbothen, seine Meinung versteckt oder offenbar hinzuzusetzen, wohl aber ist es ihm erlaubt, Modificationen des Vor302
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schlages vorzutragen. Die genaue Befolgung dieses Gesetzes wird das Meistercollegium für immer gegen übereilte Beschlüsse sichern. X. Hieraus erhellet die Ordnung, welche in den Verhandlungen zu beobachten ist, von selbst, nemlich: 1) Gleich nach geöfneter Conferenz trägt der sehr Ehrwürdige summarisch die Gegenstände vor, welche in dieser Versammlung verhandelt werden sollen. 2) Die Mitglieder des gesetzgebenden Collegiums lesen einer nach dem andern die ihnen vor 8 oder 14 Tagen mitgetheilten Vorschläge vor, und begleiten dieselben mit allen möglichen Gründen dafür oder dawider, welche sie aber auch schriftlich aufgesetzt haben sollen. 3) Nach jedem auf diese Art vorgetragenen Vorschlag lässt der Meister fragen, ob über denselben in dieser Versammlung noch durch persönliche Abgebung der Stimmen oder durch Ballotation entschieden werden soll. Diese Frage wird durch das allgemeine Schweigen der Meister affirmativ beantwortet. Treten aber sechs Meister in der Versammlung auf, die auf Dilation des Beschlusses antragen, so muss die Entscheidung auf die nächste constitutionelle oder ausserordentliche Conferenz verschoben, und dieser Gegenstand in dem Einladungscirculare zur ausserordentlichen Conferenz ausdrücklich angegeben werden. 4) Wird die Entscheidung noch in dieser Versammlung von den Meistern durch allgemeines Stillschweigen auf die Frage placetirt; so wird, nach Beschaffenheit des Gegenstandes, entweder die Kugelung, oder der namentliche Aufruf zur persönlichen Abgebung der Stimmen vorgenommen. 5) Betrift die Frage eine Zeit, ein Maass, eine Zahl, so wird sie durch namentlichen Aufruf und persönliche Abgebung der Stimme; lässt sich die Entscheidung in ein absolutes Ja oder Nein auflösen, durch Kugelung entschieden. 6) Der Secretair trägt den Beschluss in das Protokoll ein, mit der bestimmten Bemerkung: ob er durch Kugelung, oder persönliche Abgebung der Stimmen gefasst worden sey, sammt der Zahl der Stimmen dafür oder dawider. 7) Bey der persönlichen Abgebung der Stimmen soll jeder Bruder sich so kurz als möglich fassen; er hat blos nöthig, seinem Gutdünken nach die Zeit, das Maas oder die Zahl zu bestimmen ohne die Gründe dafür anzugeben, welches bisweilen sogar einer unerlaubten Bestechung durch Worte, oder einer eben so unschicklichen eigensinnigen Ueberredung gleich sehen könnte. 8) Nachdem alle vorräthige Vorschläge auf diese Art und in dieser Ordnung vorgetragen, und entweder entschieden, oder auf die nächste Conferenz remittirt worden sind, können neue Vorschläge vorgetragen, und wenn die Meister die Entscheidung auf der Stelle durch allgemeines Schweigen placetiren, auch Beschlüsse darüber gefasst werden. Im entgegengesetzten Falle werden dieselben den Mitgliedern des gesetzgebenden Collegiums ad referendum für die nächste Conferenz übergeben. XI. Ist die Entscheidung eines Vorschlags auf die nächste Conferenz durch das Veto von 6 Meistern remittirt worden, so muss auch der Beschluss in der nächsten Conferenz gefasst, und es darf derselbe nicht länger verschoben werden. 303
Freimaurerlogen
XII. Jeder Vorschlag wird durch die Mehrheit der Stimmen entschieden. Und er bleibt fest beschlossen, wenn in den Vorträgen oder Beschlüssen keine constitutionelle Irregularität erwiesen werden kann. XIII. Bey der Verordnung der Constitution, dass die Stimmen von unten hinauf gegeben werden sollen, ist mehr auf den Geist derselben, als auf den Buchstaben zu sehen. Der Beschluss ist constitutionell, wenn auch 10 ältere Brüder zufällig ihre Meinung vor den jüngeren gesagt hätten, aber er ist ganz constitutionswidrig, wenn der Redner, die beyden Vorsteher, der sehr Ehrwürdige oder der Großmeister, vor irgend einem andern Bruder ihre Stimmen vorgetragen haben. XIV. Nach geendigter Conferenz soll das Protokoll von allen Anwesenden eigenhändig unterschrieben werden. Keine Unterschrift für einen andern wird als gültig anerkannt, vielmehr ist der von einem andern Unterschriebene als abwesend zu betrachten, wo die eigenhändige Unterschrift für seinen Vortheil entscheiden könnte. Verkündigt in der Meisterconferenz den 7. September 1797.
l. Von der Pflicht eines jährlichen Beytrages zu dem Schatze der Grossen Loge sind die Schwesterlogen ganz frey. Schwesterlogen aber heissen diejenigen Sct. Johannis-Logen, die von andern Grossen Logen gesetzmässig constituirt, dem Systeme der Grossen Loge Royale York zur Freundschaft beygetreten sind, und die Rituale derselben, so wie ihre Constitution, unter ausserwesentlichen und bloss durch Local- oder Personalverhältnisse nothwendig gemachten Modificationen, angenommen haben. Diese Schwesterlogen werden in dem Tableau der Loge Royale York zur Freundschaft in dem Verzeichnisse der vereinigten Logen aufgeführt, haben ihren Repräsentanten bey der Grossen Loge und sind übrigens an Rechten, Pflichten und Verantwortlichkeit, den Tochterlogen der Grossen Loge Royale York zur Freundschaft völlig gleich.
Die Rechtmässigkeit und Aechtheit dieser Ausgabe bezeugen: Delagoanère [Unterschrift] Fessler [Unterschrift] Grossmeister. Deput. Grossmeister. Darbès. [Unterschrift] Basset [Unterschrift] I. Grossvorsteher. II. Grossvorsteher. Clavin [Unterschrift] Grossschatzmeister.
[Ohne Unterschrift]
Oberrichter.
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[Ohne Unterschrift]
Grossceremonienmeist.
Die Großloge Royal York
[Ohne Unterschrift]
Meister vom Stuhl der Loge Fried. Wilh. z. gekr. Gerechtigkeit. [Ohne Unterschrift]
Meister vom Stuhl der Loge zur siegenden Wahrheit. [Ohne Unterschrift]
Meister vom Stuhl der Loge Urania z. Unsterbl. und Grossredner. [Ohne Unterschrift]
Meister vom Stuhl der Loge Pythagoras z. fl. Stern. [Ohne Unterschrift]
Meister vom Stuhl der Stewardsloge. Hiller. [Unterschrift] Grosssecretair. Quelle: Grundvertrag oder Fundamental-Constitution der gerechten, vollkommenen und vollendeten grossen Mutter-Loge Royale York zur Freundschaft und aller mit ihr vereinigten Logen. Sanctionirt und beschworen den 3. August 1797. Im Orient von Berlin bey Georg Decker [Druckschrift 1797].
II) Grundvertrag, 1800 Grundvertrag / der / Grossen Freymaurer-Loge / Royale York zur Freundschaft / oder des / unter Constitution und zu dem Systeme der / Grossen Mutterloge R. Y. z. F. / vereinigten / Logenbundes. / Zweyte, durchaus revidirte Ausgabe. / Im Orient von Berlin. / 1800 Vorber icht. Soll eine Grosse Freymaurerloge für eine zurechtbeständige Gesellschaft geachtet werden, so muss sie durch einen Socialver trag, in welchem die Verfassung und die Rechte der ganzen Gesellschaft, so wie die Rechte der Glieder, als solcher, bestimmt sind, entstanden seyn; und dieser Social- oder Gr undver trag muß die ausdrückliche Erklärung der wirklichen Vereinigung und der Form der Social-Verf assung enthalten. In sofern nun der Grundvertrag den Willen aller Glieder zu dem gemeinsamen maurerischen Zweck vereiniget, ist er ein Vereinigungs-Ver trag; in sofern Kraft desselben eine Person in die Gesellschaft aufgenommen wird, heisst er Aufnahmevertrag, und in sofern die Art und Weise durch ihn bestimmt wird, wie jeder seinen Pri305
Freimaurerlogen
vatwillen dem Willen der Gesellschaft zur Erreichung des maurerischen Zweckes unterwerfen soll, wird er Unterwerfungsver trag genannt. Alles, was sich daher auf die Verfassung einer Grossen Freymaurerloge bezieht, muß aus dem Grundvertrage derselben, nicht aus Usurpationen oder herkömmlichen Observanzen erkennbar seyn, und ausgemittelt werden können. Der Gr undver trag, der hier in einer zweyten durchaus revidir ten Ausgabe allen, unter Cons[t]itution und zu dem Systeme der Grossen Mutterloge Royale York zur Freundschaft vereinigten Logen und ihren Mitgliedern mitgetheilt wird, ist auf folgende zwey unstreitige Grundsätze gebaut: I. Jede Gesellschaft, der es an äusser n Zwangsmitteln fehlt, muss unablässig dahin arbeiten, dass ihre Ordnung und alles Gute, was in ihr geschieht, nicht von den zuf älligen guten Eigenschaften der zeitigen Vor steher, die abgehen, sich veränder n, sterben können, sonder n aus der Fundamental-Verf assung, oder aus der For m der Gesellschaft selbst erfolge. II. Nur jene Gesellschaft kann eine gut organisir te genannt werden, deren Vor steher Kraft der Verf assung alle Macht haben, Gutes zu wirken, ohne es aufzudr ingen, und keine Macht Böses zu thun, oder willkührlich zu her r schen. Mit beständiger Hinsicht auf diese Grundsätze ist der Umfang des Machtantheils der verschiedenen Verwaltungs-Collegien genau ausgemessen; sind die Grenzen desselben auf das schärfste bestimmt, sind den Logen, Vorstehern, Beamten und Mitgliedern Rechte eingeräumt oder beschränkt worden, jenachdem es die Befestigung und Aufrechthaltung der gesetzlichen Ordnung gefordert hat: und kein Verwaltungs-Collegium, keine Loge, kein Vorsteher, kein Beamter, kein Mitglied der Grossen FreymaurerLoge Royale York zur Freundschaft kann sich irgend ein Recht anmassen oder geltend machen, welches ihm nicht d u r c h diesen revidir ten Gr undver trag angewiesen worden, oder aus demselben erweislich ist. Eigentlich soll ein Gr undver trag nichts anders als die Verf assung, das ist die bleibende For m der Gesetzgebung, Vollziehung und Verwaltung bestimmen, ohne sich in specielle Gesetze und Vorschriften einzulassen. Allein die Umstände und Verhältnisse, in welchen die er ste Ausgabe dieses Grundvertrages erschienen war, hatten es nöthig gemacht, gewissen Inconvenienzen auf der Stelle abzuhelfen; und mehrere specielle Gesetze, die nach Zeit und Umständen modificirt werden konnten, hineinzutragen. Bey der gegenwärtigen zweyten, durchaus revidir ten Ausgabe sind diese s p e c i e l l e n Vo r s c h r i f t e n aus dem Grundvertrage weggelassen, und in das hier ebenfalls beigefügte, revidir te Gesetzbuch übertragen worden. Die Art und Weise, wie dieser revidirte Grundvertrag entstanden und gesetzlich geworden ist, zeugt von dem Maurerischen Geiste, welcher das System der Grossen Freymaurer Loge Royale York zur Freundschaft beseelt. Schon in der Quartalversammlung der Grossen Loge den 4ten October 1799 wurden sämmtliche Logen und 306
Die Großloge Royal York
Mitglieder off iciel aufgefordert, Ihre durch eine dreijährige Erfahrung gesammelten Bemerkungen über die erste Ausgabe unsers Grundvertrages, so wie ihre Wünsche und Vorschläge in Betreff desselben spätestens bis Ende des Jahres an das Grosssecretariat einzusenden. In der folgenden Quartalversammlung, den 27. Decbr., wurde von der Grossen Loge ein Bruder durch das Scrutinium gewählt, dem die gutachtliche Prüfung der eingegangenen Bemerkungen, Wünsche und Vorschläge, so wie die eigentliche Revision des Grundvertrages selbst übertragen wurde. Die Wahl traf einen Mann, den richtige maurerische Einsichten, philosophische und socialrechtliche Kenntnisse, und eine seltne Klarheit und Präcision im Denken ganz in den Stand setzten, den ihm geschehenen wichtigen Auftrag zur allgemeinen Zufriedenheit zu vollziehen. In der Quartalversammlung den 4. April 1800 überreichte Er seine Revision der Grossen Loge, die selbe nun für ihre eigene Arbeit erklärte, und in zwey Versammlungen entschied, unter welchen Modificationen sie den revidirten Grundvertrag abschriftlich allen zu ihrem Verein gehörigen besondern Logen zur Prüfung vorlegen wollte. Bey Jeder besondern Loge wurden nun vorschriftsmässig sämmtliche Mitglieder, Meister, Gesellen und Lehrlinge zum Vortrage derselben versammelt. Jede besondere Loge war von der Grossen Loge auf das Dr ingendste aufgeforder t, ihre Bemerkungen und Vor schläge bestimmt und entscheidend anzugeben, und ihre Repräsentanten bei der Grossen Loge zu instr uiren, unter welchen Bedingungen im Ganzen oder in einzelnen Theilen Sie bejahend oder ver neinend über die Annahme des revidir ten Gr undver trages stimmen sollten. Der liberale Geist der Grossen Loge weckte die einzelnen Logen zur Thätigkeit. Jede zeichnete sich durch eine Anzahl guter und brauchbarer Bemerkungen aus. In der Quartalversammlung, den 6. Junius, nahm die Grosse Loge auf dieselben so genaue und gewissenhafte Rücksicht, und modificirte den revidirten Grundvertrag dergestalt, dass jede einzelne Loge ihre Bemerkungen benutzt, und ihre Wünsche realisirt fand. Daher auch die Repraesentanten derselben kein Bedenken trugen, in eben dieser Versammlung diese zweyte, durchaus revidirte und nach den Bemerkungen und Vorschlägen der besondern Logen modificirte Ausgabe des Grundvertrages, für den ganzen Logenverein auf 6 Jahre als unabänderlich im Ganzen und in seinen Theilen anzunehmen, zu sanctioniren und zu unterzeichnen. Den 13ten Junius wurde der revidirte Grundvertrag in einer plenieren Versammlung aller hier anwesenden Meister, Gesellen und Lehrlinge von der Grossen Loge feyerlich promulgirt, und von diesem Tage an in Kraft gesetzt. Der dr itte August ist für den ganzen Logen-Verein dazu bestimmt, die Annahme derselben feierlich zu declariren. In dieser ganzen Verfahrungsart, welche bei jedesmahliger künftigen Revision auf ’s genaueste zu beobachten seyn wird, erfüllte die Grosse Loge Royale York zur Freundschaft nur ihre heiligste Maurerpflicht, wofür sie auch die edelste Belohnung in der festen Anhänglichkeit der mit ihr vereinigten Logen finden wird. Im Grossen Orient von Berlin, Br[üder] Fr[eimaurer] den 14. Junius 1800. D[er] Gr[oßen] M[utterloge]. 307
Freimaurerlogen
Er ster Theil. Er ster Abschnitt. Allgemeine Bestimmungen. §. 1. Die Grosse Freymaurer-Loge R. Y. z. F. ist eine Gesellschaft im rechtlichen Sinne, und muß als solche, eine zurechtbeständige Verfassung haben. §. 2. Die Grosse Freymaurer-Loge R. Y. z. F. besitzt einen ihr eigenthümlichen Maurerischen Kenntnissschatz; und die Ausspendung desselben, ist an feste Gesetze gebunden. §. 3. Hieraus ergiebt sich der vollständige Begriff von dem Maurer ischen Wirkungskreise der Grossen Freymaurerloge R. Y. z. F. nehmlich: a) Ausbildung und Aufrechthaltung ihrer M a u r e r i s c h e n Verfassung; b) Verwaltung und Ausspendung des Maurer ischen Kenntnissschatzes, das ist; der, bey d e m Systeme der Grossen Freymaurerloge R. Y. z. F. anerkannten und üblichen Grade.
§. 4. Die Ausbildung und Aufrechthaltung der Maurer ischen Verf assung behält sich die Grosse Loge ausschließend vor. Die Revision aber der Rituale der drey Sct. Johannis-Grade; so wie die Verwaltung und Ausspendung, der bey Ihrem Systeme anerkannten und üblichen höher n Grade, überlässt Sie, von dem vier ten an, denjenigen ihrer Mitglieder, welche an dem vollständigen Maurerischen Kenntnissschatze Theil genommen haben. Sie nennt diese Mitglieder, als Colleg ium betrachtet, den Inner sten Or ient, und bestättigt demselben, als C o l l e g i u m , durch ihre, auf den Gr undver trag des ganzen Logenbundes geg r ündete und beschränkte, Anerkennung seine Maurer isch rechtliche Existenz. §. 5. Um nun das Verhältniss zwischen der Maurerischen Verfassung und dem Kenntnissschatze genauer zu bestimmen, erklärt die Große Freymaurerloge R. Y. z. F. 1. Dass der Kenntnissschatz, oder die bey dem Systeme der Grossen Loge R. Y. z. F. anerkannten und üblichen höheren Grade, mit der Verfassung und Verwaltung der Grossen Loge, oder der besondern St. Johannislogen, nicht in dem geringsten inner n und wesentlichen Zusammenhange stehen. 2. Daß die Maurerische Verfassung, Verwaltung und Direction, sowohl der Grossen Loge, als auch der einzelnen St. Johannislogen, dieselbe bleiben müsse, wenn auch in Zukunft die Grosse Loge durch Umstände und Verhältnisse genöthigt würde, die 308
Die Großloge Royal York
Ausspendung der höheren Grade bey ihrem Systeme, für eine Zeit oder für immer einzustellen. 3. Dass der Besitz höherer Grade nie das Recht geben könne, an den Angelegenheiten der Maurerischen Verfassung Theil zu nehmen, oder in die Direction der St. Johannislogen einzuwirken. §. 6. Daraus folgt: 1) daß weder die Besitzer der höheren Grade, als Solche, wenn Sie nicht wirklich vorsitzende Meister, Aufseher oder Repräsentanten besonderer Logen sind, in der Grossen Loge Sitz und Stimme haben können, noch die Mitglieder der Grossen Loge, als solche, wenn sie nicht den ganzen Maurerischen Kenntnissschatz überschauet, das ist, alle, bey dem Systeme der Gr. Loge R. Y. z. F. anerkannte und übliche Grade erhalten haben, in dem Innersten Orient erscheinen dürfen. 2) Dass in der Gr. Loge nichts, was sich auf die höheren Maurerischen Grade, vom vier ten an, bezieht; und in dem Inner sten Or iente nichts, was die Maurerische Verfassung und Direction, sowohl der Grossen Loge, als der besondern Sct. Johannislogen, betrift, verhandelt oder entschieden werden kann. Zweiter Theil. Er ster Abschnitt. For m der Gesellschaft. E r s t e r A r t i ke l . Von der Einrichtung besonderer Logen. §. 1. Fundamental-Bedingung der Vereinigung einzelner Mitglieder zu einer besonder n Loge. Die Gr undbedingung der Vereinigung aller Gesellschaften, wenn sie rechtlich bestehen sollen, ist: dass die Minderheit sich der Mehrheit bey jeder Verschiedenheit der Meinungen unbedingt unterwerfen muss, weil sie sonst sich selbst wieder auflösen würde. Es soll daher alles, was in Maurerischen Gesellschaften entschieden wird, durch Mehrheit der Stimmen entschieden werden, obgleich die L o g e n das Recht haben, einstimmig gewisse Fälle festzusetzen, wobey von diesem allgemeinen Grundgesetze Ausnahmen statt finden sollen, z. B. bey Wahlen der Beamten, bey Aufnahmen, u. s. w., bey welchen eine bestimmte Anzahl verneinender Stimmen verwerfend seyn kann. §. 2. Bestimmung der Maurer ischen Gewalt. Die Wahl der Mittel zum Zwecke muß überall durch den Grundvertrag, entweder der Stimmenmehrheit aller Mitglieder, oder einer Auswahl derselben als moralischen Person, übertragen werden. Demnach ist die Maurer ische Gewalt das durch Einstimmigkeit aller Glieder auf eine Auswahl der selben über tragene Recht, statt aller Mitglieder die Mittel zum Zwecke des Ordens zu wählen. 309
Freimaurerlogen
Die unter Leitung der Maurerischen Gewalt jedem einzelnen Mitgliede der Logen übrig bleibenden Rechte begründen die allgemeine Maurerische Freyheit. Sie besteht in der Befugniss, für den Ordenszweck aus selbsteignen Gründen zu handeln. Dazu gehört also: 1. Das Recht, für den Ordenszweck durch eigene bestimmte Vorschläge zu wirken. 2. Das Recht, über die Zweck- und Rechtmässigkeit der von Andern vorgeschlagenen, oder schon bestehenden, Vorschriften und Gesetze Ueberzeugungsgründe zu fordern, und so nach über jede Maurerische Anordnung seine Meinung und Zweifel vor der Behörde vorzutragen, und deren gründliche Prüfung zu verlangen. 3. Das Recht, allen, durch den Grundvertrag festgesetzten, Versammlungen und Berathschlagungen über allgemeine und besondere Angelegenheiten der Maurerischen Verfassung beyzuwohnen. 4. Das Recht, Kenntniss zu nehmen von der Berechnung, Verwaltung und Verwendung der Logen-Einkünfte, und darüber ein freyes Urtheil zu äussern. Alle Anordnungen, welche diese Maurerische Freyheit von einer Seite aufrecht, von der andern in ihren Grenzen erhalten, sind zweckmässig und gerecht; alle Verfügungen aber, oder Handlungen, welche diese Freyheit von einer Seite übertreiben, von der andern verletzen, sind zweckwidrig, ungerecht, und können durch keine Maurerische Auctorität zu Maurerischen Gesetzen erhoben werden, oder, wenn sie dazu erhoben wären, als solche bestehen. §. 3. Ueber tragung des Rechts, die Mittel zum Zwecke des Ordens zu wählen, durch Vollmacht. Die Mitglieder einer besondern Loge üben das Recht, die Mittel zum Zwecke des Ordens zu wählen, nicht in Person aus, sondern übertragen die Befugniss, dasselbe auszuüben, ihren Beamten. §. 4. Diese übertragene Befugniss zerfällt in zwey Theile. a) in die Befugniss, die Form der Gesellschaft durch Gesetze zu bestimmen. b) in die Befugniss, die durch Gesetze bestimmte Form der Gesellschaft zu erhalten. In Rücksicht des ersten Theils dieser Befugnisse kann die Uebertragung, der Natur der Sache nach, nur bedingt seyn, und zwar behält sich nach dem oben aufgestellten Grundbegriff der Maurerischen Freyheit a) jedes Mitglied der Loge das Recht vor, seine Meinung frey zu äussern; b) behält sich die Loge, als moralische Person, das Recht vor, durch ihre Gutheissung den Beschlüssen ihrer Beamten legale Gültigkeit und gesetzliche Kraft zu er theilen. Was die zweite Befugniss, die durch Gesetze bestimmte Form der Gesellschaft zu erhalten, betrift; so muss die Uebertragung unbedingt seyn, weil es entweder ein Schwanken in den Maximen der Gesellschaft selbst, oder ein Misstrauen in die Beamten, verriethe, 310
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wenn die Verfügungen zur Vollziehung eines gutgeheissnen Gesetzes oder Beschlusses wieder gutgeheissen werden sollten. §. 5 Die Beamten, welchen die Befugniss, die Mittel zum Ordenszwecke zu wählen, in einer Loge übertragen wird, sind: 1) Der Meister vom Stuhl und wo die Logen einen Substituirten Meister vom Stuhl zu wählen für nöthig halten, auch dieser. 2) Die beyden Aufseher, oder, in deren Abwesenheit, ihre Substituirten. 3) Der Secretair, 4) Der Redner, 5) Der Ceremonienmeister, oder ihre Substituierten. 6) Der Schatzmeister 7) Der Allmosenpfleger, 8) Der Hospitalier. 9) Die beyden Stewards. 10) Die beyden Censoren, welche als Gehülfen der Aufseher zu betrachten sind. Aus diesen Vierzehn Beamten besteht das eigentliche Beamten-Collegium jeder Loge.
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§. 6. Die Dauer der Führung eines Logenamtes ist Ein Jahr, und nach Ablauf desselben muss jede Beamtenstelle durch eine neue Wahl besetzt werden. §. 7. Da die Uebertragung eines Amtes auf einer, und die Uebernehmung desselben auf der andern Seite, freye Willenshandlungen sind; so folgt von selbst: a) dass Niemand zur Uebernehmung eines Amtes gezwungen werden kann. b) Dass jeder Beamte, über die Zeit hinaus, für ein zweites, drittes Jahr, u. s. w. durch die gesetzmässige Wahl bestätigt werden kann. §. 8. Verhandlungsar t des Beamten-Colleg iums. Bey vorkommenden Geschäften wird das Beamten-Collegium durch den Meister vom Stuhl, oder in dessen Abwesenheit, durch den Substituirten Meister, oder, wenn auch dieser abwesend wäre, durch einen der Aufseher zusammenberufen, versammelt und dirigirt. Der Beamte, der nicht in Person erscheinen kann, hat das Recht, seinen Substituirten Beamten oder einen andern Br uder-Meister an seiner Statt zu schicken, und sich repräsentiren zu lassen. Alles wird in der Versammlung durch absolute Mehrheit der Stimmen entschieden. Machen die Anwesenden eine gleiche Zahl aus, und es träte der Fall ein, daß die Stimmen gleich wären, so wird die zur Entscheidung vorgelegte Frage von neuem erwo311
Freimaurerlogen
gen, und darauf wieder zur Ballotation geschritten, an welcher der vorsitzende Meister nicht Theil nimmt. §. 9. Geschäfte des Beamten-Colleg iums. Das Beamten-Collegium jeder Loge besitzt: a) die Befugniss, über Gesetzesvorschläge Beschlüsse zu fassen. Durch den grössern Verein der besondern Logen aber, zu einer Grossen Freymaurerloge, hat jede einzelne Loge die Ausübung dieser Befugniss, in sofer n sie auf allgemeine Maurer ische Anordnungen und auf die Erhaltung des Ganzen beschränkt ist, und von Localverhältnissen abstrahir t, der Grossen Loge ausschliessend übertragen. b) DieBefugniss, die durch Gesetze bestimmte For m und Verf assung der Loge zu erhalten, und über die Befolgung aller bestehenden Maurer ischen Anordnungen zu wachen. Unter diese Anordnungen müssen selbst die Rituale der drey Sct. Joh. Grade gerechnet werden, weil die genaue Befolgung derselben, durch die von Seiten der Gr. Loge geschehene Annehmung, gesetzlich geworden ist. §. 10. Hat nun irgend ein Mitglied der Loge ein Gesetz übertreten, so wird es von demjenigen, der die Uebertretung bemerkt hat, oder, wenn sie öffentlich in der Loge geschah, von dem Redner bey dem Beamten-Collegio angeklagt. Dieses untersucht den Fall und entscheidet darüber durch Mehrheit der Stimmen nach den Gesetzen. Kein Fall darf ohne gehörige Untersuchung und ohne den Angeklagten gehört zu haben, entschieden werden, und in der Entscheidung müssen die Entscheidungsgründe selbst ausführlich angezeigt werden. §. 11. Wäre der Angeklagte selbst ein Mitglied des Beamten-Collegiums; so darf er bey der Verhandlung seiner eignen Sache nicht mitsitzen, weil niemand sein eigner Richter seyn darf. Er behält übrigens sein Amt in der Loge bey, es wäre denn, dass das Collegium ihn, wegen der Grösse seiner Schuld daraus entfernte. §. 12. Das Collegium der Beamten und die ganze Meisterschaft der Loge kommen alle Monathe Einmal zusammen, um sich über ihre Logen-Angelegenheiten gemeinschaftlich zu berathschlagen. Die Gegenstände, welche hier in Betracht kommen, sind: 1. Alle Verhandlungen, welche Aufnahmen und Beförderungen betreffen. Zu diesen Verhandlungen wird die Loge im Lehrlingsgrade geöffnet, und es werden die Lehrlinge zur Ballotation über die Aufnahme eines Ungeweihten; so wie, nach geschlossner Lehrlingsloge, Entlassung der Lehrlinge und Eröffnung der Gesellenloge, die Gesel312
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len zur Ballotation über die Beförderung eines Lehrlings mit zugelassen; worauf die Gesellenloge geschlossen, die Gesellen entlassen und die Meisterloge geöffnet wird, für welche sodann folgende Angelegenheiten ausschließend gehören: 2. Der Vortrag, die Prüfung und die Sanction der Gesetzbeschlüsse, welche das Beamten-Collegium in Beziehung auf die Localverhältnisse der Loge gefasst hat. 3. Die Bekanntmachung aller eingelaufenen Verfügungen der Grossen Loge, oder aller von Ihr aufgestellten, zur Erhaltung des Grossen Ganzen abzweckenden, Maurerischen Gesetze. 4. Vorschläge zu neuen Local-Gesetzen können gemacht und dem BeamtenCollegio übergeben werden. Alles, was hier, §. 10. 11. und 12. für das ganze Logenbündniss der Grossen Freymaurerloge R. Y. z. F. festgesetzt worden ist, wird für die im Orient von Berlin vereinigten Logen noch durch besondre Gesetze näher bestimmt. Z we i t e r A r t i ke l . Grosse Loge. §. 13. Um die Angelegenheiten des Ganzen Logenbundes besser zu verwalten und zu leiten, treten die besondern Logen in eine nähere Verbindung unter einander, und bilden eine Grosse Loge. Diese besteht aus zwey Colleg ien; das er ste hat die Befugniss, über Gesetzvorschläge Beschlüsse zu fassen; das zweyte besitzt die Befugniss, die Beschlüsse des Er sten Colleg iums zu Gesetzen zu erheben, oder sie zu verwerfen. §. 14. Jeder der oben genannten Vierzehn Logenbeamten hat in dem Er sten Colleg io der Gr. L. Sitz und Stimme. Sie üben indess dies Recht nicht persönlich aus, sondern übertragen es ihrem Meister vom Stuhl und den beyden Aufsehern, welche drey Beamte jedoch zusammengenommen, nur eine einzige Stimme ausmachen, mithin bey vorkommenden Angelegenheiten nicht nach der Per sonen- sondern nach der Logenzahl stimmen. §. 15. Ist die besondre Loge so weit von dem Orte, wo sich die Grosse Loge versammelt, entfernt, dass keiner von Ihren Vorstehern füglich zugegen seyn kann, so wählt die ganze Loge einen Repräsentanten, der ihre Stimme bey den Verhandlungen des Er sten Colleg iums der Grossen Loge übernimmt. §. 16. Die Mitglieder des ersten Collegiums der Gr. Loge wählen unter sich durch Mehrheit der Stimmen, die ihnen vorstehenden Grossbeamten. Diese sind: 313
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1. Der Grossmeister. 2. Der zugeordnete Grossmeister. 3. Die beyden Grossvorsteher. 4. Der Grosssecretair. 5. Der Grossredner. 6. Der Grossceremonienmeister. 7. Der Grossschatzmeister. Der Verantwortlichkeit wegen, welche durch das Edict vom 20sten October 1798 ausdrücklich den Vorstehern der hiesigen drey Grossen Logen für alles, was bey ihrem ganzen Logenbunde vorgeht, auferlegt ist, sollen der Grossmeister und der zugeordnete Grossmeister immer aus den Mitgliedern des Inner sten Or ients gewählt werden, und in dem Innersten Orient Sitz und Stimme haben, damit beyde in den Stand gesetzt werden, der Ihnen, durch das angeführte Staatsgesetz, auferlegten Verantwortlichkeit erforderlichen Falls, Genüge zu leisten. §. 17. Die Dauer der Amtsführung der Grossbeamten ist, wie bey den besondern Logen, ein Jahr; nach dessen Ablauf die Amts-Verbindung von beyden Theilen erneuert oder aufgehoben werden kann. – Da aber den ersten zwey Grossbeamten die Leitung eines Grossen Ganzen, welche nicht nur eine durch viele Uebung erworbene Uebersicht der Geschäfte im Ganzen und im Detail, sondern auch den ganzen Ernst der Gesetze erfordert, übertragen ist; so müssen dieselben nicht nur eine längere Frist haben, sich jene Uebersicht und Geschäftskenntniss zu erwerben, sondern auch gegen die Con- und Inconvenienzien persönlicher Zu- oder Abneigung gesichert seyn. Daher ist beschlossen, dass in Ansehung des Grossmeister s und des zugeordneten Grossmeister s, nur nach jedesmaliger Revision des Grundvertrages, eine neue Wahl vorgenommen werden soll. §. 18. Da das Recht der Grossen Loge, ihre Beamten zu entlassen, ungezweifelt ist, so muss dasselbe durch den Grundvertrag vorzüglich bey denjenigen Beamten aufrecht erhalten werden, welche durch eben diesen Grundvertrag auf längere Zeit eingesetzt worden sind. Wenn daher wenigstens vier Logen mit der Verwaltung des Grossmeister s oder zugeordneten Grossmeister s unzufrieden sind, so erklären sie durch ihre Repräsentanten ihre Unzufriedenheit, mit schriftlicher Angabe der Gründe, insofern sie sich auf den Grossmeister bezieht, dem zugeordneten Grossmeister ; oder, wenn dieser der Gegenstand der Unzufriedenheit ist, dem Grossmeister, welcher auf Maurer-Eid zu versichern hat, dass Er die Nahmen der unzufriednen Logen oder Ihrer Repräsentanten nie Jemandem entdecken wolle. Der Grossmeister oder zugeordnete Grossmeister beruft ohne Vorwissen des zu Entlassenden das Er ste Colleg ium der Grossen Loge zusammen, trägt demselben die Unzufriedenheit der Logen, ohne sie zu nennen, und ihre Ursachen vor, und fordert es auf, gewissenhaft das zu thun, was 314
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die Wohlfahrt und Würde des Ganzen fordert. Nach dem Vortrage des Vorsitzenden wird ballotirt, und übersteigt die Zahl der entlassenden Kugeln die Zahl der leuchtenden auch nur um eine Einzige, so wird der Grossmeister oder zugeordnete Grossmeister entlassen. Da jedoch diese Entlassung keine Strafe oder Verurtheilung ist, und das ganze Recht, welches die Grossmeister auf die längere Dauer ihres Amtes haben, sich allein auf die Zufriedenheit und das Zutrauen der besondern Logen gründet, so kann der, von dessen Entlassung die Rede ist, weder persönlich in der Versammlung erscheinen, noch kann ihm eine schriftliche Vertheidigung gestattet werden, wohl aber muss ihm frey stehen, eine vollständige Rechenschaft über seine Verwaltung, dem Protocoll der Grossen Loge beyschreiben, und bey allen besondern Logen bekannt machen zu lassen. §. 19. Bey den Verhandlungen der Grossen Loge wird alles durch Mehrheit der Stimmen entschieden und zwar durch Kugelung, wenn die Sache eine Bejahung oder Verneinung betrift, oder mündlich, wenn die Sache eine andere Bestimmung erfordert; wobey die Logen nach ihrem Alter, der Grossmeister und der vorsitzende Meister aber zuletzt stimmen. §. 20. Geschäfte, Rechte und Pflichten des Er sten Colleg iums der Grossen Loge. Die Beamten-Collegien der besondern Logen übertragen dem Er sten Colleg io der Grossen Loge die ihnen von den Gliedern ihrer Loge übertragene Befugniss, über Gesetzvorschläge, in so fern diese auf allgemeine maurer ische Anordnungen, so wie auf die Erhaltung des Ganzen beschränkt sind, und von Localverhältnissen abstrahiren, Beschlüsse zu f assen. Da indessen den Beamten von ihren besondern Logen diese Befugniss nur bedingungsweise, mit Vorbehalt der Sanction übertragen ist; so kann auch die Grosse Loge dieselbe nur unter dieser Bedingung ausüben. §. 21. Die Beamten-Collegien übertragen der Grossen Loge ferner das Recht und die Befugniss, alles zu verfügen, was die Aufrechthaltung der Verf assung und die Vollziehung der sanctionir ten allgemeinen Gesetze fordert. §. 22. Vermöge dieser Befugnisse fordert das Er ste Colleg ium der Grossen Loge 1. Von jedem Logenmeister oder Substituirten Meister, zu bestimmten Zeiten, Berichte über die Amtsführung seines Beamten-Collegiums, und über den Maurerischen Zustand seiner Loge. 2. Instituirt das Er ste Colleg ium der Gr. Loge bey jeder besondern Loge einen Repräsentanten, der, seiner Instruction gemäss, die vorgeschriebenen Berichte 315
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pünctlich und gewissenhaft einzusenden hat, und der Grossen Loge für Alles verantwortlich ist, was von dem Beamten-Collegio, dem er beysitzt, gegen die Gesetze vorgenommen werden könnte. Seine Ernennung wird dem Grossmeister überlassen. 3. Ist das Er ste Colleg ium der Gr. Loge die auf die Beamten-Collegien folgende Instanz bey Klagesachen, an welche von dem, der mit der Entscheidung des BeamtenCollegiums nicht zufrieden ist, appellirt werden muss. Dr itter Ar tikel. Zweytes Colleg ium der Grossen Loge. §. 23. Da die besondern Logen das Recht, die Gesetzbeschlüsse der Grossen Loge entweder zu Gesetzen zu erheben, oder sie zu verwerfen, nicht selbst ausüben, indem dies bey der Entfernung dieser Logen von einander und der daraus entspringenden Weitläuftigkeit der Verhandlungen, dem Ganzen nachtheilig seyn müsste, so übertragen Sie dieses Recht einem zweiten, durch Mehrheit der Stimmen gewählten Repräsentanten. §. 24. Diese zweyten Repräsentanten aller besondern Logen vereinigen sich und machen das Zweyte Colleg ium der Grossen Loge aus. Hieraus ergiebt sich, dass in dem Zweyten Colleg io nicht mehr stimmfähige Mitglieder seyn können, als besondere Logen da sind, welche repräsentirt werden. §. 25. Die Amtsdauer der Repräsentanten hängt von dem Vertrauen der besondern Loge zu denselben ab. §. 26. Geschäfte, Rechte und Pflichten des zweyten Colleg iums der Großen Loge. Die Geschäfte, Rechte und Pflichten des Zweyten Colleg iums entspringen unmittelbar aus seinem Zwecke. Es untersucht und prüft alle Gesetz-Beschlüsse, welche das Er ste Colleg ium der Grossen Loge gefasst hat, und besitzt zugleich das Recht, sie durch Kugelung unbedingt zu verwerfen, oder sie zu Gesetzen zu erheben: nicht aber das Recht, Aenderungen oder Modificationen darin zu machen. – Wünscht es solche, so muss es den Gesetzbeschluss verwerfen, und nebst den Gründen, warum es eine Aenderung für nöthig hält, an das Er ste Colleg ium der Grossen Loge zurücksenden. §. 27. Der Wirkungskreis des Zweyten Colleg iums ist also ganz allein auf das Geschäft, Gesetz-Beschlüsse gutzuheissen oder zu verwerfen, beschränkt; Alles, was 316
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irgend zur verfügenden Ausübung und Aufrechthaltung der Gesetze gehört, steht dem Er sten Colleg io der Gr. Loge allein zu. §. 28. Kein Mitglied des Zweyten Colleg iums der Gr. Loge kann zugleich Mitglied des Er sten seyn, oder umgekehrt, ein Mitglied des Er sten im zweyten Colleg io Stimme haben. §. 29. Das zweyte Colleg ium der Gr. Loge versammelt sich immer nach den Versammlungen des Er sten, wird dazu durch ein Circular des zugeordneten Grossmeister s, der auch ohne Stimmenrecht den Vorsitz darin führt, eingeladen, und entscheidet bey allen seinen Verhandlungen durch Mehrheit der Stimmen. Wer von den Mitgliedern nicht erscheinen kann, schickt einen Meister, der nicht Mitglied des er sten Colleg iums ist, an seine Stelle. V i e r t e r A r t i ke l . Verhältniss der Grossen Loge zu den besonder n Logen und der Großbeamten unter einander. §. 30. Die Grosse Loge, in sofern sie aus den beyden Colleg ien besteht, übt die gesammte Maurerische Gewalt rechtmässig und so aus, dass ihren Verfügungen, insofer n sie auf allgemeine Maurer ische Anordnungen beschränkt sind, alle unter ihr vereinigten besondern Logen die genaueste Befolgung schuldig sind. Sollte jedoch eine solche Verfügung mit Localverhältnissen streitend befunden werden, so hat jede einzelne Loge das Recht, Vorstellungen dagegen zu machen. §. 31. Der Grossmeister und zugeordnete Grossmeister, sind die beyden er sten Vollzieher der, entweder für alle Fälle aufgestellten Gesetze, oder der für besondre Fälle gefassten Beschlüsse der Grossen Loge. Beyde sind sich an Rechten und Pflichten völlig gleich; keiner ist dem andern untergeordnet, sondern beyde handeln auf eine selbstständige Art nach der Vollmacht, welche Ihnen durch den Grundvertrag und die Gesetze ertheilt ist. Ihre vorzügliche Pflicht ist, auf die Beobachtung und Aufrechthaltung der Grundverfassung mit unerschütterlicher Festigkeit zu dringen, so wie über die Reinerhaltung des Systemes der Grossen Freymaurerloge R. Y. z. F. zu wachen. Auch liegt ihnen ganz vorzüglich ob, das Band der Eintracht unter den Brüdern, und der Einigkeit unter den verbundenen Logen zu erhalten. Endlich sollen Sie ihre Kräfte, ihr Ansehen und ihre Befugnisse vorzüglich dazu anwenden, um den Maurerischen Geist, Ordnung, Thätigkeit und Eintracht bey den besondern Logen zu unterstützen, und wo das Eine oder das Andre erschlafft ist, dasselbe wieder zu erwecken. 317
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§. 32. Die beyden Gross-Vor steher sind als Gehülfen der beyden Grossmeister zu betrachten und üben in Abwesenheit derselben, alle ihre Rechte und Pflichten aus. Ausserdem haben Sie die besondre Pflicht, in den Versammlungen der Grossen Loge dahin zu sehen, dass Niemand von dem, in dem Grundvertrage und den Gesetzen vorgeschriebnen Gange der Geschäfte abweiche, und wo sie dies bemerken, den Uebertreter, wer er auch sey, an das Gesetz zu erinnern, und wenn er auf ihre Ermahnung nicht achtet, der gesammten Grossen Loge davon Anzeige zu machen. §. 33. Der Grossredner ist der ordentliche Referent alles dessen, was in den bestimmten Versammlungen des er sten Colleg iums der Grossen Loge vorgetragen werden soll. Der Grosssecretair führt in den Versammlungen ein genaues und treues Protocoll, und sorgt für die Ausfertigung alles dessen, was von der gehörigen Behörde verfügt worden ist. Der Grossceremonienmeister ordnet die von der Grossen Loge angesetzten Feyerlichkeiten, und der Grossschatzmeister legt in den Quartal-Versammlungen über die Einnahmen und Ausgaben der Grossen Loge vollständige Rechnung ab. Zweiter Abschnitt. Von dem Gange der Geschäfte. Er ster Ar tikel. Aufstellung der Gesetze. §. 34. Jeder Meister aller besondern Logen hat das Recht, Vorschläge zu Gesetzen zu machen; Er muss aber dieselben schriftlich dem Beamten-Collegio seiner Loge übergeben, welches sie, mit seinen Bemerkungen begleitet, dem Er sten Colleg io der Grossen Loge übersendet. §. 35. Der Grossredner trägt den Vorschlag, ohne Nennung des Vorschlagenden, mit einer kurzen Auseinandersetzung der Gründe dafür und dawider vor. Jedes Mitglied des er sten Colleg iums hat das Recht, seine Meinung über den Vorschlag mit seinen Gründen vorzutragen; alsdann wird durch Mehrheit der Stimmen entschieden, ob der Vorschlag angenommen, verändert oder verworfen werden soll. §. 36. Wird der Beschluss durch Mehrheit der Stimmen ganz oder Theilweise angenommen, so wird der protocollirte Beschluss darüber in dem zweyten Colleg io der Grossen Loge vorgetragen, wo abermahls jedes zu diesem Collegio gehörige Mitglied das Recht hat, seine Meinung und Gründe dafür und dawider zu sagen, und den Be318
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schluss mit der durch Kugelung ausgemittelten Mehrheit der Stimmen unbedingt zum Gesetz zu erheben, oder ihn zu verwerfen. §. 37. Der Grossmeister, zugeordnete Grossmeister, die beyden Grossvor steher und der Grosssecretair unterschreiben das sanctionirte Gesetz als Zeugen, dass es rechtlich gefasst und angenommen worden sey, ohne Rücksicht auf ihre Privatmeinung, welche sie etwa vor der Fassung des Beschlusses dissentirend geäussert hatten.
§. 38. Sollte in irgend einem Falle, einer der er stgenannten Grossbeamten einem gesetzlich gefassten Beschlusse, oder einem sanctionirten Gesetze, seine Unter schr ift, das ist, das Zeugniss d e r pünctlich beobachteten gesetzlichen For m verweigern, und dadurch auf seine Privatmeinung einen grössern Werth legen, als auf das Ur theil der Grossen Loge, so sieht die Grosse Loge diese Verweigerung als eine Niederlegung seines Amtes an; und ist berechtigt, seinen Platz auf der Stelle durch eine andre Wahl zu besetzen. §. 39. Es steht aber jedem der genannten Grossbeamten frey, gleich nach Fassung des Beschlusses seine dissentirende Meinung an das Protocoll zu dictiren, oder sein Votum separatum dem Protocolle beyzulegen; nicht, um dadurch die Vollziehung des Beschlusses zu hinter treiben, oder aufzuschieben; sondern lediglich, um sich hierdurch für die Verantwortlichkeit der etwanigen Folgen zu decken. §. 40. Nach erfolgter Unterschrift wird der gefasste Beschluss, oder das sanctionirte Gesetz mit dem Grossen Siegel der Grossen Loge versehen, und allen Logen-Meistern der besondern Logen zur Bekanntmachung und Befolgung zugeschickt. Zweiter Ar tikel. Aufrechthaltung der Verf assung und Ausübung der Gesetze. §. 41. Hieher gehören alle Anordnungen, zu welchen das Er ste Colleg ium der Grossen Loge durch die Gesetze befugt ist, und wobey sie, ganz unabhängig von dem zweyten Colleg io der Grossen Loge, verfährt. Dahin gehören: §. 42. I. Alle Beschlüsse und Verfügungen, welche für dienlich erachtet werden, wenn sich Fälle ereignen sollten, die in den Gesetzen nicht enthalten sind; oder, wenn das Ge319
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setz wirklich, oder anscheinend dunkel, mithin ungewiss ist, ob der vorgelegte Fall im Gesetze enthalten sey, oder nicht; endlich, wenn irgend ein Beamten-Collegium einer besondern Loge sich von den bestehenden Gesetzen entfernen sollte, oder welche die Amtsführung ihrer eigenen Grossbeamten betreffen. II. Die Constituir ung neuer Freymaurer-Logen, oder die Auflösung und Ausschliessung der schon bestehenden; welches letztere nur nach erwiesenen grössern Vergehungen einer Loge und mit vollständiger Angebung der Gründe geschehen kann. III. Alle Entscheidungen bey Appellationen einzelner Mitglieder von dem BeamtenCollegio besonderer Logen. §. 43. In allen dringenden Fällen, wo aus dem Aufschub bis zu einer Versammlung des Er sten Colleg iums der Grossen Loge, dem Ganzen irgend ein Nachtheil erwachsen könnte, haben der Grossmeister und zugeordnete Grossmeister, und jeder von beyden, der zuerst Wissenschaft von dem Falle bekommt, a l l e i n das Recht, Nahmens der Grossen Loge auf der Stelle zweckmäßige Massregeln zu ergreifen, und solche Verfügungen zu treffen, welche Er für dienlich hält. Er ist indess sowohl für dies, als überhaupt für die ganze Verwaltung seines Amtes, der Grossen Loge auf das strengste verantwor tlich. Seine Verfügungen müssen, ausser seiner Nahmensunterschrift, auch mit der Unterschrift der beyden Grossvor steher und des Grosssecretair s, so wie mit dem Logensiegel versehen seyn, wenn sie als off iciel betrachtet werden sollen. §. 44. Versammlungen der Gr. Loge. Das Er ste Colleg ium der Grossen Loge versammelt sich viermahl des Jahres, um über die gemeinschaftlichen Angelegenheiten zu berathschlagen, bey welchen Versammlungen regelmässig der zugeordnete Grossmeister den Vorsitz führt. Sind über Gesetzvorschläge, Beschlüsse gefasst worden, so wird einige Tage darauf, das zweyte Colleg ium der Grossen Loge zur Sanction zusammen berufen.
§. 45. Bei dringenden Fällen hat der Grossmeister und der zugeordnete Grossmeister das Recht, eine ausserordentliche Versammlung des er sten Colleg iums, und nach Beschaffenheit der Verhandlungen, auch das zweyte zusammen zu berufen, und diese Versammlungen haben mit den ordentlichen Quartalversammlungen alle Rechte gemein.
§. 46. In diesen ausserordentlichen Versammlungen hat der Grossmeister den Vorsitz, welcher die Versammlung zusammen berufen hat. 320
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§. 47. Jedes Mitglied beyder Colleg ien der Grossen Loge, welches nicht persönlich erscheinen kann, hat die Pflicht, einen andern Bruder Meister an seine Stelle zu schicken, und wenn es dies vernachlässigt, hat der vorsitzende Grossmeister das Recht, einen Repräsentanten für diese Versammlung zu ernennen, um der repräsentirten Loge ihr Stimmenrecht zu retten. Dr itter Ar tikel. Schatz der Grossen Loge. §. 48. Da die Grosse Loge als solche, Ausgaben hat, so bedarf sie einer eignen Casse und besonderer Hülfsquellen, diese Ausgaben zu bestreiten. Diese Hülfsquellen sind: a) Die Stiftungsgelder, welche jede besondere Loge bey ihrer Constituirung zu entrichten hat. b) Freywillige Beyträge bey Versammlungen der Grossen Loge. c) Jährliche Beyträge der besondern Logen zur Casse der Grossen Loge. §. 49. Da diese letztern Beyträge aus dem Vertrage entspringen, welchen jede hinzugekommene Loge mit dem schon bestehenden Logenbunde als einer Grossen Loge schliesst, so kann über das Quantum dieses jährlichen Beytrages nichts im Allgemeinen festgesetzt werden, sondern es wird dem Eifer und der Anhänglichkeit jeder besondern Loge an die Grosse Loge überlassen, sich nach Massgabe ihrer Umstände, jährlich selbst zu taxiren. Dr itter Abschnitt. Von den Bedingungen, unter welchen eine besondere Loge neue Mitglieder unter sich aufnimmt. Er ster Ar tikel. Aufnahme-Gesetze. §. 50. Bey Aufnahme-Gesetzen wird jede besondere Loge als eine moralische Person betrachtet, welche mit dem Aufzunehmenden einen besondern Vertrag schliesst, worin sie die Bedingungen festsetzt, unter welchen sie ihm die Rechte ihrer Mitglieder zugesteht, und er sich die Bedingungen vorbehält, unter welchen er die Pflichten derselben übernimmt. §. 51. Die Loge hat drey Rücksichten, nach welchen sie die Bedingungen festsetzt, unter welchen jemand aufgenommen werden kann. Diese sind: I. in Rücksicht der Gesellschaft und Erreichung ihres Zweckes selbst; da soll der Aufzunehmende 321
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a) Ein rechtschaffener, für alles Gute leicht empfänglicher Mensch, und irgend einer im Staate geduldeten christlichen Religionsconfession zugethan seyn. b) Einen Grad von geselliger Bildung haben, der zu der Bildung der übrigen Glieder der Loge paßt. c) Mit Ausnahme durchreisender Ausländer, wenigstens 25 Jahr alt seyn: und d) alle Gesetze und Vorschriften befolgen, welche die Loge durch Mehrheit der Stimmen aufstellt. Alle diese Bedingungen sind unerlässlich, weil sie aus dem Zwecke der Gesellschaft selbst fliessen. §. 52. II. In Rücksicht des Oekonomie- und Localwesens der Loge. Der Neuaufzunehmende muss a) die festgesetzten Stiftungsgelder, und b) die monathlichen Beyträge zur Bestreitung der Logen-Ausgaben bezahlen. Diese Bedingungen sind erlässlich; und es hängt von dem Willen der Loge ab, aus besondern Ursachen beyde zu mildern oder ganz zu erlassen. §. 53. III. In Rücksicht der bürgerlichen Verhältnisse, unter welchen die Mitglieder leben. Der Neuaufzunehmende muss ein freyer Mann, in Ansehung seines Vermögens und eines Theiles seiner Zeit lediglich von sich abhängend, und weder durch seinen Stand noch seine übrigen Verhältnisse der Loge nachtheilig seyn. §. 54. Die Bedingungen des Aufzunehmenden sind: dass man nichts von Ihm fordere, was gegen seine Pflichten als Mensch und als Bürger streitet, oder sein Vermögen überwiegt; Ihn auf sein Ansuchen der Mitgliedschaft entlasse; Ihn aber aus der Gesellschaft nicht anders, als durch Urtheil und Recht ausschliesse. §. 55. Die Verfahrungsart bey Aufnahmen und Affiliationen wird von der Grossen Loge für den ganzen Logenverein durch allgemeine Maurer ische, und von den besonder n Logen durch ihre Localgesetze näher bestimmt. Z we i t e r A r t i ke l . Von Beförderungen. §. 56. Um den zweyten Maurerischen Grad zu erhalten, muß der Aufgenommene bereits Sechs Monate Lehrling gewesen seyn, und die Pflichten dieses Grades erfüllt haben.
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§. 57. Um zu dem dritten Maurerischen Grade, und mit ihm auch zu dem Rechte zu gelangen, in Oekonomie- und Localangelegenheiten mitzustimmen, oder in der Gr. Loge zu repräsentiren; muss der Bruder Ein Jahr Geselle gewesen, und in Erfüllung seiner Pflichten tadellos seyn. §. 58. Indessen kann aus besondern Ursachen, sowohl in den sechs Monathen des Lehrlings, als in dem Jahre des Gesellen, von der dazu autorisirten Behörde dispensirt werden. Die übrigen Bedingungen bey Beförderungen und die Verfahrungsart bey denselben, werden eben so, wie bei Aufnahmen, von der Grossen Loge, für den ganzen Logenverein durch allgemeine Maurer ische, und von den besonder n Logen durch ihre Localgesetze bestimmt. Vier ter Abschnitt. Oeconomie- und Local-Einr ichtung. §. 59. Jede einzelne Loge ist in der Verwaltung ihrer Casse und anderer Oekonomie-Angelegenheiten von der Grossen Loge völlig unabhängig, und daher berechtigt, über die Berechnung und Verwendung ihrer Einkünfte, ihre eigenen Localgesetze festzusetzen, und ihrem Schatzmeister, Allmosenpfleger und Stewards, die nöthigen Instructionen zu er theilen. §. 60. Was das gesammte Oekonomie- und Localwesen im Orient von Berlin betrift, so haben sich die hiesigen besondern Logen bey demselben vereinigt, und zwar so, dass sie nur Eine moralische Person ausmachen, und E i n gemeinschaftliches Eigenthum besitzen. §. 61. Die Befugniss, über Oekonomie- und Local-Angelegenheiten Gesetze aufzustellen und sie zur Vollziehung zu bringen, haben die hier vereinigten Logen von der Verwaltung der Grossen Loge dergestalt abgesondert, dass sie sich dieselbe allein vorbehalten haben. §. 62. Die hier vereinigten Logen haben daher nur Eine gemeinschaftliche Kasse, und Einen gemeinschaftlichen Armenkasten. §. 63. Sie wählen sich gemeinschaftlich einen Schatzmeister und einen Allmosenpfleger, unter dem Titel, Schatzmeister und Allmosenpfleger der vereinigten Logen, und jede Loge für sich zwey Stewards und einen Hospitalier. 323
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§. 64. Um die Oekonomie-Angelegenheiten desto leichter zu besorgen, errichten die hier vereinigten Logen ein besonderes Oekonomie-Collegium, unter dem Nahmen Stewards-Loge. Zum Vorsitzer desselben erwählen sie gemeinschaftlich durch Mehrheit der Stimmen einen Meister vom Stuhl, der mit dem Schatzmeister und Allmosenpfleger als erster und zweiter Aufseher die Stewardsloge dirigirt, welche sämmtliche Hospitaliers und Stewards der besondern Logen ausmachen. §. 65. Diesem Collegio übertragen die hier vereinigten Logen: a) Die Befugniss über Gesetzvorschläge, in Rücksicht der Oekonomie und des Locals, Beschlüsse zu fassen, mit Vorbehalt des Sanctionsrechtes: und b) Die Befugniss, alles zur Vollziehung der sanctionirten Oekonomie- und Localgesetze Erforderliche zu verfügen, unter Bedingung der Verantwortlichkeit. §. 66. Die Einrichtung der Stewardsloge und der Geschäftsgang in Oekonomie- und LocalAngelegenheiten wird von den hier vereinigten Logen durch besondere Gesetze bestimmt. §. 67. Fundamentalgesetze, den Gr undver trag überhaupt betreffend. Da allen menschlichen Werken und Unternehmungen der Character der Menschlichkeit, das ist, Unvollkommenheit anklebt; so hat auch dieser Grundvertrag seine Mängel und Gebrechen. Die Aufhebung derselben ist nicht das Werk einiger Monathe oder eines Jahres; sondern es wird Jahrelange Anwendung, Ausführung und Prüfung dazu erfordert. Es wird daher als Fundamentalgesetz angenommen, dass dieser Grundvertrag, so, wie er hier enthalten ist, von dem Tage seiner Sanction, Promulgation und feyerlichen Declaration der Anerkennung und Annahme, nur auf Sechs Jahre; das ist: bis im Junius 1806. in allen seinen Theilen und im Ganzen verbindende und gesetzliche Kraft haben soll. Gleich zu Anfange des Jahres 1806 wird es die vorzüglichste Pflicht der Grossen Loge seyn, mit Hülfe der eingekommenen Beiträge der ganzen Brüderschaft, die Revision dieses Grundvertrages wieder vorzunehmen, und die etwa nöthig befundenen Modificationen allen besondern Logen vorzulegen, und auf die zweckmässigen Vorschläge und Wünsche der Brüder Rücksicht zu nehmen. Alle besondere Logen haben dabey, durch ihre zu instruirende Repräsentanten entscheidende Stimme. Und nachdem alles geschehen ist, was Kraft dieses Gesetzes geschehen soll, wird dieser Grundvertrag mit den eingetragenen Modificationen, im Junius aufs Neue für neun Jahre, das ist, bis im Junius 1815 sanctionirt, promulgirt, und den 3ten August die Anerkennung und Annahme desselben feyerlich declarirt.
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Zu Anfange des Jahres 1815. geschiehet dasselbe, was für das Jahr 1806 Kraft dieses Gesetzes verordnet wird: und von 1815. an wird für alle Zukunft die Revision des Grundvertrages nur alle neun Jahre vorgenommen. Angenommen und sanctionirt Berlin, den 6ten Junius 1800. von Sellentin, Grossmeister. Fessler, zugeordneter Grossmeister. Für die Loge Friedrich Wilhelm zur gekrönten Gerechtigkeit: Amelang, Meister vom Stuhl. Röver, erster Aufseher. Rhode, zweiterAufseher. Für die Loge zur siegenden Wahrheit: Basset, statt des Meisters vom Stuhl. Rettcher, als Meister vom Stuhl. Clavin, erster Aufseher. Für die Loge Urania zur Unsterblichkeit: Hausmann, in Abwesenheit des Meisters vom Stuhl. Gr ündler, erster Vorsteher. Buchholz, zweiter Vorsteher. Für die Loge Pythagoras zum flammenden Stern: J. F. W. Herbst, Meister vom Stuhl. Buddèe, erster Vorsteher. Wendt, zweiter Vorsteher. Zehender, Repräsentant; für die Loge zur wahren Eintracht in Schweidnitz. Saltzmann, Repräsentant; für die Loge Socrates zu den 3 Flammen in Kalisch. Hiller, Repräsentant; für die Loge zur Standhaftigkeit in Potsdam. Röver, Repräsentant; für die Loge Pax inimica malis zu Emmerich. Amelang, Repräsentant; für die Loge St. Johannes zur Einigkeit in Danzig. Doer ing, Repräsentant; für die Loge Victoria zu den 3 gekrönten Thürmen in Graudenz. Nator p, Repräsentant; für die Loge zum Morgenstern in Hoff. Schmidt, Repräsentant; für die Loge Harmonie zu Hohenstein. Sig ismund, Repräsentant; für die Loge zu den 3 Flammen in Plauen, im Voigtlande. Feyerlich promulg ir t den 13 ten Junius 1800. von Sellentin, Grossmeister. Fessler, zugeordneter Grossmeister. Küster, Repräsentant; für die Loge Friedrich Wilhelm zur gekrönten Gerechtigkeit. 325
Freimaurerlogen
Mar malle, Repräsentant; für die Loge zur siegenden Wahrheit. Dracke, Repräsentant; für die Loge Urania zur Unsterblichkeit. C. von Moeller, Repräsentant; für die Loge Pythagoras zum flammenden Stern. Blumenthal, Repräsentant; für die Loge zur wahren Eintracht in Schweidnitz. Delattre, Repräsentant; für die Loge Socrates zu den 3 Flammen zu Kalisch. Fr iedr ich Saltzmann, Repräsentant; für die Loge zur Standhaftigkeit in Potsdam. Weber, Repräsentant; für die Loge Pax inimica malis zu Emmerich. Hey, Repräsentant; für die Loge St. Johannes zur Einigkeit in Danzig. J. Braun, Repräsentant; für die Loge Victoria zu den 3 gekrönten Thürmen in Graudenz. Feldmann, Repräsentant; für die Loge zum Morgenstern in Hoff. Labaye, Repräsentant; für die Loge Harmonie zu Hohenstein. Wenzlau, Repräsentant; für die Loge zu den 3 Flammen in Plauen. Quelle: Grundvertrag der Grossen Freymaurer-Loge Royale York zur Freundschaft oder des unter Constitution und zu dem Systeme der Grosse Mutterloge R. Y. z. F. vereinigten Logenbundes. Zweyte, durchaus revidirte Ausgabe. Im Orient von Berlin, 1800 [Separatdruck].
Die Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland Entwurf eines Gesetzbuches für ihre Tochterlogen, 1777 Gesetz-Buch / der Großen-Landes-Loge der Freymaurer in Deutschland zu Berlin / zum Gebrauch der von ihr / Abhängenden arbeitenden Logen / Berlin d. [Lücke im Text] 1777. // Einleitung Die allgemeinen Frey-Maurer Verordnungen, welche die oberste Große Loge zu London und Westmünster im Jahre 1723, unter der Großmeisterschafft des Herzogs von Montague, durch den Bruder Anderson aus alten Urkunden sammlen, und in ein regelmäßiges Gesez-Buch zusammentragen ließ; sind auch bisher die Regel und Richtschnur der Arbeiten der G.L.L. der Freymaurer von Teutschland zu Berlin im allgemeinen gewesen, und von Ihr Buchstäblich u Heilig beobachtet und befolget worden. In den ersten Zeiten ihrer Entstehung, und bey dem damaligen kleinen Bezirck ihres Gebietes waren die Engl. Verordnungen hinlänglich, um den noch zarten und schwachen Körper zu erhalten, u zu regieren. Und die besonderen arbeitenden Logen konnten wegen ihrer kleinen Entfernung von dem Sitze der G.L.L. sich leicht mit ihren Anfragen unmittelbar an sie wenden, wenn die Dunckelheit der Engl. Ausdrücke, der 326
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Mangel // der Ordnung, und die gänzliche Vorbeigehung verschiedener wesentlichen Verordnungen, manchmal zu gerechten Zweifel oder zweydeutigen Auslegungen Anlaß gaben. Allein! durch den sichtbaren Schuz und allmächtigen Beystand des allerhöchsten BauMeisters, durch den Eifer, Muth und Standhaftigkeit ihrer bisherigen GroßMeister und Beamten, hat die G.L.L. zu Berlin, in allen Gegenden des teutschen Reichs, die Strahlen ihres Lichts ausgebreitet und ihre Gerichtsbarkeit gesezmäßig gegründet u befestiget. Die Zahl der arbeitenden Logen wuchs täglich heran; die Geschäfte häuften sich bis ins unendliche; die Anfragen der neuerbauten Logen, über verschiedene unbestimmte Verabredungen des engl. Gesezbuches waren unzählig; und dieser großer Cörper, welcher nur durch die Uebereinstimmung des ganzen, durch die Ordnung seiner Theile, und durch ihre unabweichliche Richtung nach dem Mittelpunckt der Vereinigung, aufrecht erhalten werden konnte, mußte deutliche und unumstösliche Grundgeseze haben, nach welchen man ohne Streit, über // den Geist und den Buchstaben des Gesezes, und ohne zweideutige Auslegungen, einen jeden Bruder, und jeder besonderen Loge, ihre Pflichten, und Arbeiten auf das allergenauste bestimmen und festsezen konnte. Die große Loge der Freymaurer von Teutschland zu Berlin, wollte schon längstens nach dem Beyspiele der G.G. L.L. zu Paris und Haag, und in Kraft der ihr zukommenden Gerechtigkeit, die allgemeinen Engl. Verordnungen, ihrer inneren Verfaßung gemäß, verbeßern, u näher bestimmen, ohne jedoch die Grundgeseze der alten Maurer-Brüderschafft zu verändern, NB. noch die Gränzen zu überschreiten. Dieses nöthige, nüzliche u große Werck, konnte aber nicht eher ausgeführet und vollendet werden, bis die Gr. Landes Loge zu Berlin so wohl bey der Maurer, als auch der Profanen-Welt, ihr Ansehen befestiget, und die Gültigkeit ihrer Vorrechte bewiesen u dargethan hatte. Schon bey ihrer Errichtung hatte die Gr. L.L. der Teutschen, alle Gerechtigkeiten erhalten, welche einer großen Loge zu kommen; Allein, um nichts zu unterlaßen welches die Gesezmäßigkeit ihres // Ursprungs noch mehr an den Tag legen konnte; so vollzog sie nach einer alten hergebrachten Gewohnheit, am 30t. Novemb. 1773 unter der Goßmeisterschaft des Robert Petre, Lord Petre, Baron de Writtle, einen Vergleichungs-Act mit der obersten Großen Loge zu London und Westmünster, kraft welchen lezteren, die große Loge zu Berlin, für die rechtmäßige Gr. L.L. von Deutschland anerkannt; und alles gut heißet, was sie den Gesezen, Gebräuchen und Gewohnheiten der alten ächten Maurerey angemeßen, vom Anfang ihrer Stiftung gethan hatte und in diesem Lande auch hinkünftig handeln und einrichten würde. Diesem Vergleichs-Act sind die großen-Logen zu Stockholm u Paris beigetreten, u lautet derselbe nach der treuen Uebersezung aus dem Engl. Original, folgendergestalt: Allen Erleuchteten, rechtmäßig aufgenommenen, und anerkannten Brüder von der Sehr alten und pp. Kund und zu wißen sei hiedurch ppp. Diese Convention konnte der großen Landes-Loge zu Berlin zum öffentlichen Zeugniß, sowohl ihrer gesezmäßigen Entstehung, // als auch ihrer unverfälschten Kenntniße und 327
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Lehrart dienen. Damit aber diese so feierlichst bestätigte und bekräftigte Gerichtsbarkeit der G.L.L. zu Berlin, gegen alle Anfälle gesichert, und die Brüder derselben ihre Arbeiten ruhig und ungehindert betreiben könnten, so wandte sich die große Loge zu Berlin, durch eine nach Potsdam gesandte Deputation, an unseren allerdurchlauchtigsten Monarchen und guten Freymaurer-Bruder Se. Majestaet den König von Preußen, flehte Allerhöchst Dieselben um Dero Schuz, Huld und Gnade an; und bat um die Erlaubniß alle Rechte und Freiheiten einer Grosen Landes-Loge auszuüben, und zu Berlin öffentlich, frey und ohngehindert, nach den Gesezen und Statuten des alten ehrwürdigen F. M. Ordens zu arbeiten. Der ersten allerunterthänigsten Bittschrift der G.L.L. an Sr Majestaet, war die Abschrift des mit der großen Loge zu London und Westmünster vollzogenen Vergleichs-Act beigefüget. Beides empfiengen Sr Majestaet mit der Höchst-Denenselben angeborenen Huld u Gnade, und geruheten folgendes Huld-//reiches Schrei ben an die G.L.L. in französischer Sprache abzulaßen. „Le Roi ne trouve rien à dire à l’acte, que la suprême Grande-Loge des Francs-Maçons à Londres a passé avec la Grande Loge etablie à Berlin, et par lequel celle-ci est reconnue, pour la Grande-Loge nationale d’Allemagne; ainsi qu’il appert par la Traduction jointe à la requête, que cette dernière a présentée par les Deputés le 5, de ce mois. Sa Majesté laisse plutôt à la Grande-Loge nationale d’Allmagne à Berlin, pleine liberté, de remplir cette convention de la manière qu’elle jugera la plus convenable, à faire éprouver à ses Etats, particulièrement à Sa Capitale les heureux effets qu’elle s’en promet. Lui se fera toujours un Plaisir sensible de coopérer par Sa puissante Protection, au but principal de toute vraie Franche-Maçonnerie, celui de rendre les hommes plus sociables, plus vertueux, et plus bienfaisants. Potsdam ce 7. Juillet. 1774. Fréderic A la Grande Loge nationale de Fr. M. Teutons à Berlin“ // Die menschenfreundliche u grosmüthigen Gesinnungen S.r M. des Königs, welche aus jeder Zeile dieses Schreibens hervorleuchten, machten die Groß-Beamten so kühn, S.r Majestaet in einer zweiten allerunterthänigsten Bittschrift, um ein förmliches Protectorium für die G.L.L. anzuflehen. Auch diese Beehrten Sr Majestaet mit folgender allergnädigsten Antwort: „La Grande-Loge nationale des Francs-Maçons Teutons à Berlin, se rapprochant le plus de la première Institution de la Franche Maçonnerie, et s’occuppant surtout à rendre les hommes plus sociables, plus vertueux, et plus bienfaisants, Sa Majesté la trouve préférablement digne de Sa Protection et de Sa bienveillance royale. A ces causes, et afin de donner une marque publique de Son approbation, Sa Majesté vient d’ordonner à Son Département des affaires étrangères, cet acte formel de Protection qu’Elle // vient de solliciter par Sa requête du 9 de ce mois. Et elle espère que la Surdite Grande-Loge nationale des Francs-Maçons Teutons trouve dans cette nouvelle 328
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faveur, un nouveau motif de redoubler ses efforts pour travailler sans relâche au bien de la Société. Potsdam ce 10 Juillet. 1774. Frédéric a la G. L. nationale de F. M Teutons à Berlin.“ Dem zufolge erhielt die große Landes-Loge zu Berlin, am 18. Julii 1774. ein auf Pergament geschriebenes, in blauen Sammet gebundenes, mit goldenen Lahn-Tressen beseztes, u von S.r Majestaet allerhöchst Selbst vollzogenes Protectorium, welches folgender gestalt lautet: Wir Friedrich von Gottes Gnaden, König in Preußen pp thun kund und zu wißen, pp Nun war die große LandesLoge zu Berlin, dem äußern nach, auf allen Seiten geschüzt, und sie, // welche bis dahin mit allen Kräften gegen fast unübersteigliche Hinderniße ringen und kämpfen mußte, und noch bloß mit der inneren Einrichtung u Befestigung ihres Gebäudes beschäftiget war, konnte nunmehro auch eifriger, an der nähren Vereinigung der von ihr abhängenden Johannis-Logen arbeiten, und das nüzliche Werck eines Besonderen Gesezbuches auch unternehmen und vollenden. Man hat in diesen neuen Gesez-Buch, aller Artikul des Englischen unverändert beybehalten u am Rande angeführet. Nur ist man Bedacht gewesen, sie in gewiße Abtheilungen, mit mehr Ordnung u Methode zu bringen. Und selbst die neuen Zusäze und Verbeßerungen sind nichts, als deutlichere Erklärungen, und nähere Erläuterungen der Grundgeseze der Königl. Kunst, welche aufs genaueste Befolget, und nie aus den Augen gelaßen worden. Z. B. In dem // Englischen Constitutions-Buche, wird mit keinem Worte der Representanten der besonderen Logen, bey der G.L.L. gedacht; weil die größte Anzahl der Englischen arbeitenden Logen in London selbst, und die übrigen nahe genug an dem Sitze der Engl. G.L.L. befindlich sind, um ihre Meister u Aufseher persönlich zu ihren allgemeinen Versammlungen abzusenden. Allein die große Entfernung vieler teutschen Logen von Berlin, würde es ihnen zu einer beschwerlichen Last machen, wenn sie ihre Meister u Aufseher beständig dahin schicken müßten. Ueberdem erfodern die critischen Verwicklungen, worinnen sich die große Loge der Freymaurer von Deutschland in verschiedenen Absichten befindet, oft schleunige u außerordentliche Zusammenkünfte, wovon die besonderen Logen nicht zu gehöriger Zeit benachrichtigt, und also wegen Ermangelung ihrer vota, niemals gültige Entschlüsse, in Betracht des allgemeinen, gefaßt werden können. // Dem zufolge, und um den besonderen arbeitenden Logen, die Mittheilung alles desjenigen, was in der großen LandesLoge zu Berlin abgemacht wird, nicht zu entziehen, hat man ihnen Representanten gegeben, deren Pflichten und Vorrechte nach den Pflichten und Vorrechten bestimmt worden, welche die drey ersten Beamte, jeder besonderen Loge in der G.L.L. haben würden, wenn sie daselbst zugegen wären. Alle hierin befindliche Verordnungen sind überhaupt so eingerichtet und abgefaßt worden, daß die gro329
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ße L.L. der Teutschen zu Berlin sich berechtiget glaubet, die in diesem Gesez-Buche gegebene und enthaltene Vorschriften, allen u jeden einzelnen Logen und Brüdern, zur immerwährenden u gewissenhaften Beobachtung, auf das dringenste, u angelegenlichste anzuempfehlen, und von Ihnen diejenige Bereitwilligkeit, Folgsamkeit u Achtung zu erheischen, die sie der Quelle ihrer Maurerischen Glückseeligkeit, // und einem verehrungswürdigen Körper, deßen Glieder sie ausmachen helfen, schuldig sind. Sie achtet für unnöthig den guten Logen und Brüdern, das Vorurtheil zu benehmen, als wenn willkührliche Herrschsucht, und Beeinträchtigung der maurerischen Freiheit, der Grund u die Veranlaßung dieses Gesezbuches wären. Der tugendhafteste Mann, bei aller Freiheit des Geistes u der Seele, richtet seine Handlungen, nach den Gesezen der Rechtschaffenheit, und des Guten ein. Er erfüllt und befolgt sie nicht aus sclavischer Furcht u banger Erwartung der Strafe; sondern weil er sie sich selbst auferlegt hat; weil er sie als HülfsMittel betrachtet, den menschlichen Schwachheiten entgegen zu arbeiten; weil er sie als eine untrügliche Richtung seiner würckenden Kräfte ansiehet; weil er weiß daß selbst der Urheber aller Geseze, bey der unumschräncktesten Freiheit, nach unveränderlichen Gesezen handelt, durch deren mögliche Beobachtung und Nachahmung, nur // allein der Mensch zu den höchsten Gipfel der Glückseeligkeit, und den erhabenen Zweck seiner Bestimmung gelangen kann. Eben so muß der wahre FreyMaurer, die Geseze zu Weisheit, Schönheit u Stärcke in der Freymaurerei, nicht als Zwang Mittel, als schwere und unerträgliche Fesseln betrachten; sondern von deren freiwilligen Befolgung, diejenigen herrlichen Belohnungen erwarten, welche einem jeden, von Vorurtheilen u Lasten Befreyten arbeitenden guten Maurer, am Ziele seiner Laufbahn bestimmt sind. Gegeben zu Berlin den 177[ ] In Nahmen der Großen Loge der Frey-Maurer von Deutschland zu Berlin, (L. S.) // Entwurf zu Allgemeinen Freymaurer Verordnungen der H. W. großen Landes Loge v. Deutschland zu Berlin. Inhalt. I. Capitel. Von der großen Loge und ihren Beamten. II. Cap. Von den Zusammenkünften der großen Loge, der Wahl des Landes Groß Meisters, u der Feier des Allgemeinen FreyMaurer-Festes, am Tage St. Johannis des Täufers. III. Cap. Von dem Verhalten der arbeitenden FreyMaurer Logen, gegen die große LandesLoge überhaupt. IV. Cap. Von den Pflichten eines FreyMaurers insbesondere. 330
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I. Cap. 1. Art: Die Gr. Loge, was sie ist? § 19. Die große Loge der FreyMaurer von Deutschland in Berlin bestehet aus den jedesmahligen Logen-Meistern, deputirten Meistern, und // Brüder Aufsehern der besonderen St. Johannis Logen; Sie hat ihre eigene vier Große Beamte an ihrer Spize, nem[lich] den Landes-Grosmeister, den Deputirten Landes-Grosmeister, u die beiden Brüder Große Aufseher; denen nach, wie in den besonderen Logen, ein Groß-Secretair, ein GroßRedner, ein Groß-Schazmeister, und ein Groß-Ceremonien-Meister zur Seite gesezt werden. 2. Art: Wer in die Gr. Loge Eintritt hat. Kein Bruder kann Mitglied der großen-Loge werden, oder zu irgend einer BeamtenStelle in derselben gelangen, wenn er nicht Logen-Meister oder Aufseher einer Besonderen St. Johannis-Loge noch wircklich ist. Nur in der Person des Landes-Gros-Meisters kann eine Ausnahme statt finden, wenn sämmt[liche] Mitglieder der großen Loge in der Wahl des Landes Grosmeisters übereinkommen: Und es ist alsdenn hinlänglich, wenn selbiger nur Bloßer Meister ist. 3. Art: Abgegangene Gr. Beamte bleiben Mitglieder der Gr. L. Diejenigen Mitglieder, welche Landes-Großmeister, Deputirte // Landes-Grosmeister, oder Gros-Aufseher gewesen sind, bleiben allemal Mitglieder der großen Loge, und haben das Recht, bey allen ihren Versammlungen gegenwärtig zu seyn. Die Logen Meister, deputirte Logen Meister, u Aufseher der besonderen Logen, wenn sie nicht eine der vier Groß-Beamten-Stellen bekleidet haben, sind nur so lange Mitglieder der großen Loge, als sie diese Ehrenstellen in ihren Logen besizen; u wenn sie selbige niederlegen, hören sie eo ipso auf, Mitglieder der großen Loge zu seyn. 4. Art: Auf was Art, Brüder die nicht Mitglieder sind, in selbige eintreten können. §. 62. Wenn Brüder die nicht Mitglieder der großen Loge sind, vor selbiger als Zeuge oder Ansuchende, in einen Besonderen Vorfall, od. sonst bey einem Vortrag zur Mittheilung eines Unterrichtes, der Erläuterung einer Sache, von deer großen Loge berufen werden; so können sie der Versammlung nur so lange beiwohnen, als die Besondere Veranlaßung ihrer Berufung dauert, // haben keine Stimme, u treten wieder ab,m so bald der Landes-Großmeister ihre Gegenwart nicht mehr für nöthig findet. 5. Art: Keine Gr. Beamte können Aemter in den Besonderen Logen habe. §. 32, 33. Kein Grosmeister, oder Beamte der großen Loge, kann zu gleicher Zeit das Amt eines Logen-Meisters oder Aufsehers, einer besonderen Loge verwalten. Allein, so bald er sein Amt bei der Gr. Loge niedergelegt hat; so kan er von neuen das Amt in seiner Loge antreten, von welchen er ist weggerufen worden. Ebenfalls wird einem Groß-Beamten, der Beamte einer Besonderen Loge ist, nicht der Gebrauch der Gerechtigkeiten benom331
Freimaurerlogen
men, die ihm zukommen: aber er verordnet in solchen Fall, wenn es nöthig ist, jemanden pro tempore, in seiner besonderen Loge den Dienst zu verrichten. 6. Art: Der L. Gr. Meister ernennt seine Beamte. §. 26. Der Grosmeister bestellt jährlich den Secretair, Redner, Schazmeister u CeremonienMeister, oder bestätiget bey seinem Antritt die vorigen, indem er ihnen bey der Gelegenheit ihre // Bücher, und Ehrenzeichen wieder zustellet. 7. Art: Der Gr. Schaz Meister hat keine Stimme bey der Gros-Meister Wahl. §. 27. Obgleich der Gros-Schazmeister in allen andern Fällen, seine Stimme hat; so kan er doch in Ansehung seines Amts, bey der Wahl des Grosmeisters und der Groß-Aufseher keine Stimme haben. 8. Art: Wer in Abwesenheit des L. G. Meisters den Stuhl einnimmt? §. 28. In Abwesenheit des Landes Grosmeisters oder des Deputirten, nimmt ein voriger Grosmeister oder Deputirter den Stuhl ein. In deren Abwesenheit der ältere, darauf der jüngere Gros-Aufseher. In deßen Abwesenheit ein voriger Gros-Aufseher. Sind aber alle diese abwesend, so besteigt in der großen Loge, der Meister der ältesten St. Johannis Loge den Stuhl. 9. Art: Wer in Abwesenheit der Gr. Aufseher ihre Stelle einnimmt? §. 29. In Abwesenheit der Gros Aufseher müssen die vorigen Gros-Aufseher die Stellen einnehmen. Wenn aber kein solcher gegenwärtig ist; so ernennt der Landes Grosmeister oder sein Deputirter, pro tempore jemanden den Dienst vorzustehen. 10. Art: Die Gr. Officianten müßen in Berlin gegenwärtig seyn. Da die große Landes-Loge von Deutschland ihren Sitz in Berlin hat, so kann der Landes-Grosmeister zwar abwesend, die sieben übrigen Gros-Beamte aber müßen gegenwärtig seyn. // 11. Art: Dem L. Gr. Meister kann nichts mit Vorbeigehung des Deputirten vorgetragen werden. §. 30. Zur Bequemlichkeit des Landes-Grosmeisters, und zur Ehre u Ansehen des Deputirten wird festgesezt; das die Brüder-Gros-Aufseher, nicht mit Vorbeigehung des Deputirten, etwas besonderes bey dem L[andes]-Grosmeister anmelden dürfen: dafern die Sache nicht angelegen ist, und er ihnen seinen Beyfall verweigert hat. 12. Art: Der L. Gr. Meister muß einmal des Jahres die Logen bereisen. §. 35. Der Grosmeister muß mit seinen Amts-Brüdern, oder wenn dieses ohnmöglich ist, durch Deputirte und ausgesandte Brüder, wenigstens einmal, während seiner Amt-Zeit umher reisen, u die Besonderen Logen besuchen. 332
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13. Art: Nothwendigkeit des Deputirten Gr. Meister. §. 36. Diese alte u löbliche Gewohnheit macht einen Deputirten unumgänglich nothwendig, welchen er bisweilen hiezu an seiner Stelle verordnen, u ihm gleichfalls das Ruder führen laßen kann, wenn eine neue Loge aufgerichtet werden soll. 14. Art: Der L. Gr. Meister hat das Recht alle Arbeits Logen zu regiren. §. 1. Der Landes Grosmeister, oder sein Deputirter, hat Recht und Gerechtigkeit, nicht allein in jeder Arbeits-Loge gegenwärtig zu seyn, wenn er es für gut findet; sondern er hat auch die Gerech-//tigkeit, alsdann die Loge zu regieren, indem er den Logen-Meister zu seiner linken Seite hat, und die beiden Brüder Gros-Aufseher mit sich zu nehmen, um seine Befehle zu vollziehen: Gleichwohl können die Brüder Gros-Aufseher in einer besonderen Loge, ihr Amt nicht verwalten, oder daselbst als Wachthabende angesehen werden, ohne des Grosmeisters eigener Gegenwart u deßen Befehl. Der Landes Grosmeister kann aber den gewöhnlichen Brüdern-Aufsehern der Loge, oder einigen andern andeuten, pro tempore den Dienst zu thun. 15. Art: Die Gr. Loge eröfnet keine Aufnehmungs-Loge. Die große Landes-Loge versammlet sich nur zur Feier der drey bekannten Feste des Ordens, und um sich über die allgemeinen Angelegenheiten der Frey-Maurerey in ihrem Gebiethe überhaupt zu beratschlagen: und der Landes-Grosmeister kann daselbst keine Loge zur Aufnahme in irgend einem Grad eröfnen. 16. Art: Recht der Gr. Loge allgemeine Verordnungen abzufaßen. §. 70. Eine jede große Loge hat // vollkommen Macht, u Gewalt, um die alte Maurer-Brüderschaft aufzuhelfen, neue Verordnungen zu machen, doch auf solche Art: daß die alten beständig verwahret, die Grenzen nicht überschritten, u die neuen Anordnungen bey der nächsten Zusammenkunft vor den großen Fest-Tag, einem jeglichen Mitgliede der Gr. Loge schriftlich zur Durchlesung u Ueberlegung vorgezeigt werden; denn ein allgemeiner Beyfall aller versammleten Brüder ist unumgänglich nothwendig, dafern sie gültig, u verbindend seyn sollen. Ein solcher Beyfall muß gleich an dem Tag begehret werden, u die Brüder geben solchen, auf Maurer-Weise durch die Aufhebung ihrer rechten Hände zu erkennen. Doch stehet in keines Menschen Macht, und in keiner menschlichen Gewalt, einige Aenderung oder Neuheit, in der Freymaurer ArbeitsArt selbsten zu machen. 17. Art: Logen, die sich den allgemeinen Verordnungen u Schlüssen der Gr. L. wiedersezen, werden suspendirt. Wenn ein Gesez oder Verordnung auf solche feierliche Art // einmüthig bekräftiget, festgesezt, und denen besonderen Logen bekannt gemacht worden ist; so muß es auf das allergenaueste von denselben beobachtet werden, weil sie überzeugt seyn müßen, daß die Gr. Landes-Loge, blos die Wohlfahrth und Glückseeligkeit der Brüder u Logen, und 333
Freimaurerlogen
die Ausbreitung der Königl. Kunst, nicht aber Willkührlichkeit, Herrschsucht u Eigennuz zum Grund, und Gegenstand haben können. Sollte aber dennoch eine besondere Loge, sich denselben öffentlich wiedersezen, ohne vorher geziemende und anständige Vorstellungen deswegen gethan zu haben: so kann die Gr. Loge eine solche widerspenstige Loge nicht anders, als ein untaugliches u verderbliches Glied des Ganzen ansehen; und wird solche Loge desfalls so lange aus denen Listen, Protocollen und Matrikeln ausgestrichen, bis sie ihren Fehler erkannt, deshalb die gebührliche Genugthuung geleistet und ihre Wiederherstellung gehörig nachgesuchet hat. 18. Art: Wie Zwistigkeiten zwischen den Gr. Beamten beigeleget werden. §. 31. Sollte zwischen den Deputirten // und Aufsehern einige Uneinigkeit entstehen, so gehen beide Theile nach der Abrede zum Gros-Meister, welcher diese Irrung schlichtet. Eine solche Sache hat sich niemals begeben; u der GrosMeister hat zu allen Zeiten mehr durch allgemeine Liebe, in Kraft seines Ansehens seine Gerechtsame behauptet. 19. Art: Wenn der L. Gr. Meister selbst seine Rechte misbrauchet, wird eine besondere Verordnung deswesen abgefaßt. §. 37. Solte der Grosmeister seine Rechte misbrauchen, und sich des Gehorsams u Ergebenheit der Loge unwürdig machen; so wird mit ihm auf solche Art verfahren, als es eine neue Verordnung in diesem Fall angeben wird. Denn bisher ist sie noch nicht nöthig gewesen. Die alte Frey Maurer Brüderschaft ist auch fest u völlig vergewissert, daß diese neue Verordnung, niemals inskünftig nöthig seyn kann. 20. Art: Logen Meister u Aufseher müßen in der Gr. Loge das Zeichen ihres Amtes am Halse haben. §. 23. Alle wirckliche Logen-Meister und Brüder-Aufseher der Besonderen Logen, haben das Recht den gewöhnlichen u außerordentlichen Versammlungen der Gr. Loge beyzuwohnen. Jedoch // müßen sie allezeit, mit den Schmuck ihres Amts um den Halse, in der Gr. Loge erscheinen, denn ohne denselben können sie nicht in ihre Versammlungen eingelaßen werden. 21. Art: Wenn einer von diesen Beamten verhindert wird, so kann er um die Ehre seiner Loge zu erhalten, einen Bruder seiner Loge, mit seinem Schmuck zur gr. Loge an seine Stelle absenden; aber, dieser Bruder muß vorhero ein solcher Beamte gewesen seyn, daß er Mitglied der großen Loge seyn kann. 22. Art: Die drey Beamte einer Besonderen Loge haben nur eine Stimme. Die drey ersten Beamte, einer jeden besonderen, von der Gr. Landes-Loge von Deutschland zu Berlin constituirten anerkannten, oder gesezmäßig angenommenen arbeitenden Freymaurer-Logen haben in der Gr. Loge zusammen nur eine Stimme; weshalb sich 334
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die Logen-Meister, mit ihren Brüdern-Aufsehern, über das Vorgeschlagene vergleichen müßen. 23. Art: Alter u Rang der Logen. §. 3. Der Rang u Vortritt der arbeitenden Logen gründet sich auf ihr Alter in der Matrikel der G. L. L. und muß bey allen Umstimmungen, Wahlen, Deliberationen u.s.w. die älteste Loge zuerst, u dann die übrigen, nach ihrem Alter, ihr Votum geben. // 24. Art: Alle Vorschläge an die Gr. L. müßen schriftlich geschehen. Alle Vorschläge zu einer neuen Einrichtung in einer arbeitenden Loge u alle Gesuche an die Große Landes-Loge zu Berlin, müßen schriftl. an den jedesmahligen Gros-Secretair derselben geschehen, welcher sie sodann dem Landes Grosmeister vorleget, der sie laut in der Loge ablesen läßt, u die Meinungen u Stimmen der Mitglieder darüber einholt, wenn er für gut findet, die Sache in Ueberlegung zu nehmen. 25. Art: Die Stille u Ordnung in der Gr. L. L. betreffend. §. 61. Wenn der Landes-Grosmeister den dritten Schlag mit seinen Hammer thut, so muß ein allgemeines Stillschweigen in der Loge seyn, und derjenige, welcher ohne Erlaubniß dasselbe bricht, muß vom Stuhl bestrafet werden. Ueberhaupt müßen in der Gr. L. Loge, alle Ceremonien, Gebräuche und das der Würde des Ordens angemeßene Decorum, aufs äußerste beobachtet, u alle Unordnungen, Unanständigkeiten und Mißbräuche sorgfältigst vermieden werden. Man beziehet sich hier desfalls auf die allgemeinen oeconomischen Verordnungen der Frey Maurer, welche ein guter u eifriger Maurer, ohne wiederholte Einschärfung, aus // Liebe zum guten, u zur Wahrheit schon von selbst bestens beobachten wird. 26. Art: Besondere Pflichten des Gr. Secretairs usw. Die besonderen Pflichten, welche der Gr. Secretair, der Gr. Redner, der Gr. Schazmeister, u der Gr. Ceremonien Meister, in Ausübung ihrer Aemter zu beobachten haben, gründen sich auf die Instruction der Beamten der Besonderen Logen, welche ihnen zur genauesten Beobachtung aufs dringenste anempfohlen werden. 27. Art: Nothwendigkeit der Representanten. Die Weitläuftigkeit des Gebietes der Gr. Landes-Loge von Deutschland zu Berlin und die große Entfernung verschiedener Logen von ihrem Sitze zu Berlin, machen es ohnmöglich; das alle Logen-Meister u Aufseher der auswärtigen Logen, den Versammlungen der Gr. Loge, gehörig, und persönlich beywohnen können. Um also die Einigkeit und Verbindung unter den Logen, ohngeachtet ihrer Entfernung aufs genaueste zu unterhalten, und sie gehörig von den allgemeinen Angelegenheiten des Ordens zu unterrichten, ist es nöthig: das eine jede Loge einen bevollmächtigten oder Representanten zu Berlin habe, welcher ihre Stimme bey der // Versammlung führe, sie von den Behandlungen der Gr. 335
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L. L. benachrichtige, und mit hinlänglicher Vollmacht versehen sei, um für sie, u im Nahmen ihrer Brüder, ihre Angelegenheiten bey der Gr. Loge zu besorgen. 28. Art: Wer zu einer Representanten Stelle fähig ist? Zu solchen Representanten Stellen, können nur solche Brüder gelangen, die als LogenMeister, Deputirte Logen Meister oder Aufseher, Glieder der großen Loge sind, oder gewesen sind; in welche Qualitaet, ehemals gewesene Logen-Meister u Aufseher, wiederum in der Gr. Loge zu erscheinen, das Recht haben. 29. Art: Ernennung der Representanten. Einer jeden Freymaurer Loge stehet das Recht zu, ihre Representanten selbst zu wählen u zu bestimmen. Weil es aber nur wirckliche, oder gewesene Mitglieder der Gr. Loge seyn können, welche den auswärtigen Logen größtentheils unbekannt seyn möchten; so werden die jedesmaligen Gros-Beamte, jeder auswärtigen Loge, drey Brüder vorschlagen, aus denen sie sich einen zum Representanten wählen kann. 30. Art: Die Representanten müßen Vollmacht haben. Wenn eine solche Loge einen Bruder zu ihren Representanten, auf diese // Art gewählet u bestimmt hat, so muß sie ihn mit einer ausführlichen, u unumschränckten Vollmacht versehen; durch deren Vorzeigung sich der Bruder in geöfneter Grosen LandesLoge legitimiren kann. 31. Art: Ein Representant kann nicht mehr als 3. Logen vorstellen. Zur Vermeidung aller Partheylichkeit u Erhaltung des Gleichgewichtes wird festgesezet: das kein Mitglied mehr als drey Logen representiren kann. 32. Art: Die Wahl der Representanten geschiehet mit der Wahl der Gr. Beamten zugleich. An dem zum Grosmeister-Wahl bestimmten Tag, werden ebenso, wie die Gr. Beamte, auch die Representanten der auswärtigen Logen gewählet oder bestätiget, weshalb die Logen ihre Erklärungen hierüber zu rechten Zeit müßen eingeschickt haben. 33. Art: Die Gr. Beamten sind von den Repraesentanten Stellen befreyet. Die wircklichen Gros-Beamte sind wegen ihrer häufigen Geschäfte, von der Uebernahme der Representanten Stelle befreyt. 34. Art: Pflicht der Representanten. Die Pflicht der Representanten ist: denen Logen, deren Angelegenheiten sie aus bruderlicher Liebe besorgen, von allen Beschlüssen u Abhandlungen der Gr. Loge in so fern sie das allgemeine, oder ihre Loge besonders angehen, bei Zeiten Nachricht // zu geben; und da sie vermittelst der Vollmacht gehörig autorisiret worden; so haben ihre Stimmen bey der gr. Loge, dasselbe Gewicht, als wenn die Logen-Meister u Aufseher 336
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zugegen, u in Person ihre Stimmen gegeben hätten, welches auch bei der Landes G.Meister Wahl statt finden muß. 35. Art: Um das Zutrauen der Logen nicht zu schwächen, müßen die Representanten sich die Angelegenheiten ihrer Logen, so als ihre eigene anempfohlen seyn laßen; und ihr votum nach richtiger Ueberzeugung, u mit besten Wißen und Gewißen abfaßen. 36. Art: Reisende Brüder müßen an die Representanten empfohlen werden. Die Logen müßen ihre reisende Brüder, wenn sie nach Berlin kommen, mit Empfehlungs-Schreiben an ihre Representanten versehen; wenn diese Brüder aber, als LogenMeister oder Aufseher, Mitglieder der gr. Loge seyen, so müßen sie an den Gr. Secretair addressirt werden. 37. Art: Briefe an die Representanten müßen postfrey eingesandt werden. Da die Representanten nur als Sachwalter der Besondern Logen zu betrachten sind; so ist es billig, daß die Logen, alle an sie abgehende Briefe // postfrey senden, wie auch alle Kosten tragen, die die Representanten in ihre Angelegenheiten haben könnten. 38. Art: Die Representanten votiren nach dem Alter ihrer Logen. Die Representanten nehmen in der Gr. Loge ihren Plaz nach dem Alter der Logen ein, welche sie vorstellen und geben auch dem zufolge ihr votum u Stimme. II. Capitel. Von den Zusammenkünften der Gr. Loge, Die Wahl des Landes Gr. Meister und der Feyer des St. Johannis Festes. 1. Art: Wie oft sich die Gr. Loge versammlen muß. §. 20. Außer denen zufälligen Zusammenkünften, welche zuweilen erfordert werden könnten; muß sich die Gr. L. Loge von Deutschland jährlich siebenmal versammlen; neml. in jedem Quartal einmal, als: am 21.t Martii, am 17.t Junii (sieben Tage vor dem St. Joh. Fest), am 21.t Septembr. am 21.t Decembr. um die allgemeinen Angelegenheiten zu behandeln; u dreymal wegen der bekannten jährlichen drey großen Feste des Ordens. // 2. Art: Besondere wöchentliche Zusammenkünfte der Gr. Officianten. Um die Geschäfte u Correspondenz der Gr. L. Loge nicht zu verzögern oder zu sehr zu häufen, werden die Gr. Beamte von dem Landes Groß-Meister, oder, in Abwesenheit deßelben von dem deputirten GroßMeister wöchentlich versamlet, in welcher Versamlung alle Angelegenheitn überlegt u erwogen, alle eingelaufene Briefe vorgelesen, die Beantwortung derselben gemacht, und expedirt werden, wie dann auch die in solcher Zusammenkunft vorgenommene Behandlungen, jedesmal ad protocollum genommen 337
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werden. Die in diesen besonderen Conferenzen abgemachte Sachen, werden bey der nächsten vierteljährigen Zusammenkunft der Gr. Loge mitgetheilt u vorgelegt. 3. Art: Der L. Gr. Meister kann mit seinen 7. Beamten, in besonderen Conferenzen Conclusa abfaßen. Weil der Landes-Grosmeister, sein Verordneter und die Groß-Aufseher eigentlich die ersten u handelnden Glieder der Gr. Loge sind, (eben so wie in den Besonderen Logen) so haben sie das Recht, bey Vorfällen, welche keinen Aufschub leiden, in jeder dieser besonderen Zusammenkunft Sachen zu entscheiden, festzusezen, abzufaßen, u in Nahmen der Gr. Landes Loge auszufertigen. // 4. Art: Bey den 4teljährigen Zusammenkünften werden alle Entschlüsse genommen. §. 24. Bei der vierteljährigen Zusammenkunft der Gr. Loge, müßen alle Sachen, welche die Brüderschaft überhaupt, oder Besondere Logen, oder Besondere Brüdern angehen, mit Einigkeit u Friedlichkeit reiflich überlegt, abgefaßt u verglichen werden. Daselbst werden alle Zwistigkeiten abgemacht, welche in den Besonderen Logen nicht haben geschlichtet werden können: Und dafern sich ein Bruder mit demjenigen, was allda beschlossen worden ist, misvergnügt fände, so kann er an die jährl. nächste allgemeine Gr. Loge appelliren, u dahin seine Appellation, welche schriftl. abgefaßt werden muß, abgeben. Es versteht sich von selbsten, das dergl. Appellationes in geziemenden, und solchen Ausdrücken verfasset werden, welche dem Ansehen der Großen Landes Loge überhaupt angemeßen sind. // 5. Art: Jedes Mitglied hat 1. Stimme, der L. Gr. Meister aber zwey. Bey Ueberlegungen, Wahl, und Umstimmungen, hat der Grosmeister zwey Stimmen; die übrigen Mitglieder der Gr. Landes Loge aber haben jeder eine Stimme. 6. Art: An den Festtagen werden keine Appellationen angenommen. An den großen Fest-Tagen können keine Appellations angenommen, od. etwas vorgenommen werden, welches die Einigkeit und das Vergnügen hindern könne. 7. Art: Die Gr. Loge muß den St. Johannistag feyern. §. 37. Der Tag St. Johannis des Täufers ist festgesezt, um von allen aufrichtrigen, u wahren Maurer-Brüdern, vereinigt od. zerstreut auf der Oberfläche der Erden, feierlichst begangen zu werden. Die Gr. Loge muß auch an diesem Tage eine allgemeine Versammlung halten. 8. Art: Wahl des Landes Gros-Meisters. §. 40. Wenn der Landes Grosmeister es für dienlich hält, auf alte Löbliche Maurer-Weise, den allgemeinen Fest-Tag zu feyern; so veranstalten die Gr. Aufseher, das die Billets mit des Grosmeister oder der Gr. Loge Siegel versehen, ausgetheilt werden; und besorgen zu338
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gleich, daß das nöthige eingekauft, ein be-//quemer Ort zur Feier des Festtages ausersehen, u die Anstalten gehörig gemacht werden. 9. Art: §. 42. Die Eingänge in die Zimmer müßen an den Tag, so wie allezeit von schicklichen Ziegeldeckern, u dienenden Brüdern bewahret werden, welche sich daselbst bei Zeiten einfinden, u dahin sehen, das keine Unordnungen vorgehen mögen. 10. Art: §. 43. Es müßen taugliche Brüder zur Bedienung ausgesucht werden, denn an dem Tage ist es niemanden erlaubt, Dienste zu thun, welcher nich ein freyer u angenommener Maurer ist; damit die Zusammenkunft desto freier u ungehindert seyn möge.
11. Art: §. 44. Es werden von einer jeden Loge gewiße Brüder ernannt, die dahinkommende zu empfangen, dieselbige nehmen ihre Billet an, heißen Sie willkommen seyn, u führen sie ein, oder weisen sie ab, wenn die Umstände ein solches erfodern. Doch stehet es ihnen nicht frey, jemanden abzuweisen, ehe sie die Ursache dazu an alle Brüder in der Loge berichtet haben; damit alles Mißverständniß vermieden, u eben so leicht, ein // wircklicher Bruder ausgeschloßen, als ein falscher Bruder od. Betrüger eingelaßen werden möge. Diese Ernannte finden sich am gehörigen Ort zeitig ein, u ehe jemand von denen die Billet haben, od Besuch machen wollen, dahin zu kommen pflegen. 12. Art: §. 45. Die Glieder der Gr. Loge finden sich daselbst lange vor der Mahlzeit ein, u von dem Gros-Meister angeführt, treten sie eine kleine Zeit vor den übrigen ab; um: 1stens allen Streitigkeiten und Unordnungen, welche man an den Tage haben könnte, vorzubeugen, u alles so zu behandeln, daß nichts an dem Tag das Vergnügen u die Einigkeit der Gesellschaft stöhren möge. 2tens Rath zu pflegen, das Anständige und Decorum bey der Zusammenkunft betreffend; damit in einer so zahlreichen Gesellschaft, keine Unhöflichkeiten und nichts unanständiges vorfallen möge. 13. Art: §. 46. In den vorigen Zeiten versammleten sich die Brüder am St. Joh. Tage bey Aufgang der Sonne, entweder in einem Closter, oder auf dem höchsten // Berg, welchen man in der Nähe fand. Und wenn sie daselbst den neuen Grosmeister gewählt hatten, begaben sie sich von da, zu dem Orte hin, wo das Fest gefeiert werden sollte; welches entweder in einem Closter, oder in eines vornehmen Mannes Hauß, oder sonst in einem geräumigen Wirths-Hause war, welches sie gut gebauet funden. Bisweilen haben die Logen339
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Meister, u die Aufseher den Besonderen Logen, den Gros-Meistern u sein Gefolge am Eingange erwartet, empfangen, ihn in die Loge eingeführt, u ihn willkommen geheißen. Bisweilen ist er, u sein Gefolge vorher eingegangen, und hat seine Aufseher abgefertiget, die übrigen Brüder einzuladen. Beide Arten können gebraucht werden: Nur ist es nothwendig, daß die Loge vor der Mahlzeit eingerichtet werde. 14. Art: §. 47. Wenn dieses geschehen ist; so treten auf eine kleine Zeit, der Grosmeister, seine verordnete Gros-Aufseher, u die übrigen Beamte der Gr. Loge ab; u laßen die Meister u Aufseher der Besonderen Logen allein; um wegen der neuen Gros-Meister Wahl, od. Beibehaltung // des vorigen, Rath zu pflegen; dafern die Wahl nicht vorhero abgemacht worden. 15. Art: §. 47. Wird durch einmüthige Uebereinstimmung der vorige Grosmeister beibehalten; so wird er wieder eingelaßen, und mit gehörigen Ehrensbezeugungen ersucht, noch ein Jahr der Brüderschaft die Ehre und Freundschaft zu thun, und sie zu regieren. Und nach der Mahlzeit erfährt man, ob er die Regierung angenommen habe oder nicht. Denn solches wird nicht eher entdeckt, entweder von dem vorjährigen Grosmeister oder, wenn er es behält, von einem der vorigen Grosmeister. 16. Art: §. 47. Die eigentl. Grosmeister Wahl, muß allemahl in der vierteljährigen Versammlung der großen Loge, sieben Tage vor St. Joh: gehalten und vollzogen werden. Der neue Grosmeister muß am Johannistag mit dem annochseyenden, wenn er gegenwärtig ist, auf deßen Lincker Seite, in die Versammlung kommen; u solchergestalt ist die kurz vorher genannte Wahl, einzig u allein eine neue Uebereinstimmung u Ceremonie zu der Einnahme des neuen Grosmeisters. // 17. Art: §. 48. Nachdem dieses geschehen ist, so sezen sich die Brüder zu Tische und nach geschlossener Mahlzeit wird die gr. Loge insgemein, und in Gegenwart sämtl. Brüder FreyMaurer eröfnet. 18. Art: §. 49. Wenn der vorjährige Grosmeister vor der Mahlzeit ersucht worden, und es angenommen hat, die Regierung für das künftige Jahr ferner zu behalten, so stellet der hiezu ernannte Bruder, sämtlichen Brüdern seine gute Regierung vor; wendet sich alsdann zu ihm, und ersucht ihm im Nahmen der Gr. Loge, den Brüdern, die hohe Ehre u große Freundschaft, zu erweisen, Ihr Grosmeister für das folgende Jahr zu seyn. Und wenn er entweder mit einem Beyfalls-Zeichen oder durch eine Rede, wenn es ihm so gefällt, 340
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eingewileget hat, so wird er von demjenigen, welchem es gebührt, mit hoher Stimme zum Landes-Gros-Meister ausgerufen, u sämtl. Brüder vorrichten den Gruß, mit den gewöhnlichen Ehrenzeichen; indem es den Brüdern erlaubt ist, einzeln zu ihm zu gehen, u ihre Freude zu erkennen zu geben, worauf sie ihre Stellen wieder einnehmen. // 19. Art: §. 50. Sollten hingegen die Logen-Meister, od. die Brüder-Aufseher, weder an demselben Tage, noch zuvor, den vorigen Grosmeister angemuthet haben, diese Würde zu behalten, aber er dieses Gesuch nicht angenommen hätte; so ernennet der annochseyende Grosmeister, den Bruder, welcher zu seinen Nachfolger erwählet worden, u so bald er von der gr. Loge einmüthig ist genehmiget worden, wird er auf vorbeschriebene Art zum neuen Grosmeister, ausgerufen, gegrüßet, u von den vorigen eingesegnet. 20. Art: §. 51. Solte diese Wahl nicht einmüthig genehmiget werden, so wird zum andernmahle, von den Logen-Meister und Brüder-Aufsehern zu einer andern Grosmeister-Wahl geschritten: Und solte es sich zutragen, das auch die andere Wahl nicht genehmiget würde, so wird zum 3t. mahl, der vorige Grosmeister auf das verbindlichste ersucht, den Hammer selbst wieder anzunehmen, welches er in diesem Falle nicht abschlagen kann. 21. Art: §. 52. Solche erst gemeldete Wahl geschiehet durch das Loos; indem eine jede Loge, oder deren Representant ihres Candidaten Nahmen aufschreibet; und // Derjenige, deßen Nahmen zufälligerweise von den Grosmeister ausgezogen worden, wird für erwählt, zum Grosmeister für das folgende Jahr angesehen. 22. Art: §. 53. So bald der vorige Grosmeister bestätiget, oder der neue auf gehörige Weise in sein Amt eingeführt, u auf Salomons Stuhl gesezet worden, ernennet er seinen Zugeordneten, welcher ausgerufen, gegrüßet, und von dem vorigen installiret wird. Darauf ernennet er die Brüder-Gros-Aufseher, welcher einmüthig von der großen Loge genehmiget, oder auf vorbenannte Art, dafern die Wahl nicht genehmiget worden durch das Loos eingesezt werden. Alsdenn ernennt er die übrigen hohen Beamte, welche gegrüßet werden u ihre Stellen einnehmen. 23. Art: §. 54. Zum Schluß zeiget ein jeglicher Logen-Meister, die neuen Brüder-Aufseher an, welche in seiner Loge von ihm ernannt, oder auf obengenannte Weise durch das Loos eingenommen worden sind, welche als Mitglieder der großen Loge eingenommen und felicitirt werden.
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24. Art: §. 55. Solte der Bruder, welchen der ieztfolgende Grosmeister, zum Nachfolger ernennet, oder durch das Loos erwählt // hat, durch Krankheit oder andere Zufälle gehindert werden, bey dieser Zusammenkunft gegenwärtig zu seyn, so kann er nicht zum Grosmeister ausgerufen werden, dafern nicht der vorige Grosmeister, oder ein anderer Logen-Meister, auf Maurer-Brüder-Glauben Bürge wird, das der ernannte, oder erwählte Bruder, dieses Amt wirklich annehme. Und in solchem Fall, bezeiget sich der Grosmeister als sein Bevollmächtigster, und ernennet in seinen Nahmen u Stelle den Deputirten, und die Brüder Gros-Aufseher, wie auch die übrigen Hohen Beamte,: denn diese Aemter müßen nicht vacant seyn. Er nimmt auch für ihn, die gewöhnlichen Bezeugungen der Ehrfurcht, Ergebenheit und Freundschaft auf gewöhnliche Art u Weise an. 25. Art: §. 54. Der vorige Grosmeister, oder einer von den vorigen Grosmeistern ist, so lange der neuen bevollmächtigter, biß daß er selbst den Stuhl eingenommen hat: denn der Deputirte, oder die Gros-Aufseher können nicht den Plaz des Grosmeisters betreten, auf Verordnung des vorigen Grosmeisters, welcher selbst den Grosmeister-Schmuck // und Werkzeug in die Hände des neuen Grosmeisters überreichen muß. 26. Art: §. 55. Nachdem dieses alles vorgegangen erlaubt der Grosmeister, einen jeden gegenwärtigen Bruder, etwas zum Besten des Ordens vorzutragen, oder den Grosmeister anzureden; u werden die vorgetragenen Sachen, entweder sogleich abgeschloßen, oder zur nächsten gewöhnlichen, oder zufälligen Loge verwiesen. 27. Art: §. 56. Wenn dieses alles geschehen ist; so muß der Grosmeister, oder sein Verordneter, oder jemand anders der von ihm dazu ausersehen worden ist, an sämtliche Brüder reden, u ihnen guten Rath geben. 28. Art: §. 57. Hierauf können die gewöhnlichen Gesundheiten, getruncken, und Frey-Maurer-Lieder mit Einstimmung der besten Instrumente gesungen werden. Und nachdem alsdann verschiedene Dinge, welche die Verrichtungen u Pflichten des Grosmeisters, u den Brüdern Aufsehern betreffen vorgefallen, welche den Brüdern selbst bekannt u hier nicht vorgetragen // werden können; so stehet es den Brüdern frey, nach Hause zu gehen, oder nach Gefallen, länger dazu bleiben. Wenn nun das Logen-Zimmer, selbst, bey guter Zeit geschloßen wird.
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29. Art: Wenn der Landes-Grosmeister während seiner Meisterschaft stirbt, oder den Hammer, noch vor Verlauf des Maurer Jahres freiwillig niederlegt, so darf Salomons-Stuhl nicht ledig bleiben: Sondern der Deputirte L. G. M. muß sogleich die Groß-Beamte, u die Gr. Loge zusammenberufen, um ein neues Haupt der Brüderschaft zu erwählen. Er muß sogleich eine Deputation von drey Brüdern an den vorlezten Grosmeister absenden, um ihn zu ersuchen das Gros-Meister-Amt, welches natürlicher weise auf ihn zurückfällt, wieder anzunehmen. Schlägt er solches aus, so kommt es dem nächst vorhergehenden u.s.w. zu. Kann man aber keinen vorhergehenden Gros-Meister finden, so wird zu einer feierlichen Wahl, nach Anleitung des vorhergehenden Artikels geschritten, und derjenige Bruder // deßen Nahmen unter den Wahlzetteln ausgezogen werden, wird von denjenigen, welchen es gebühret, zum Landes Grosmeister ausgerufen, u verwaltet sein Amt, bis zum künftigen St. Johannis-Fest. 30. Art: Von der Schafner od. Stewards Loge. §. 96. Nach dem Beyspiele der großen Englischen-Landes-Loge, und den Gesezen unseres Erleuchteten Ordens gemäß wurde auch am 30.t Novembr 1770. die Schafner oder Stewards-Loge zu Berlin gestiftet, deren Nuzbarkeit und Nothwendigkeit daraus erhellet, weil derselben die ganze Besorgniß bey den großen Festtagen des Ordens übertragen ist. In Betracht ihrer vielen Beschwerden dabey, u der den Brüdern schon erwiesenen Dienste, wie auch des Nuzens welchen man in der Folge von ihr zu erwarten hätte, wurde ebenfalls festgesezet, daß: 1tens diese Loge in allen Büchern und Listen der großen Loge unter dem Nahmen der Schafner- oder Stewards-Loge aufgeführet, u angezeichnet werden sollte. 2tens daß aus ihr zwölf Mitglieder bestimmt werden, welche das Recht haben, allen Versammlungen der großen Loge beyzuwohnen. 3tens Wird ihnen ein besonderes rothes Band, u die Erlaubniß gegeben, auf ihren mit rothen seidenen Zeug gefutterten Schurzfellen, drey rothe band-Rosen zu tragen u ward verboten, daß keine Loge diese besondere Kleidung annehmen sollte. 4tens Diese Brüder der Stewards-Loge (den Logen-Meister u die Brüder Aufseher ausgenommen) haben in der großen Loge keine Stimme, als nur in solchn Fällen, die die Wirthschaft betreffen. 5tens Diese Loge nimmt die Gelder zum Festtage ein, u besorgt alle Anstalten dazu: aber wenn die Gelder nicht hinlänglich dazu sind, so muß ihre eigene Loge den Mangel ersezen, u befaßen sich die anderen Logen nicht damit. 31. Art: Feyer des St. Joh. Festes. Da die Stewards-Loge zu Berlin sich der Wirthschaft bey denen Festen annimmt: so wird noch außerdem folgendes Ceremoniell am St. Johannis Tage beobachtet.
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32. Art: Bey der sieben Tage, vor dem Johannis-Fest, von der Gr. Loge anzustellenden Zusammenkunft, muß sich der Stewards-Meister nebst seinen Brüdern-Aufsehern, u den übrigen dazu bestimmten neun Brüder von der Stewards-Loge einfinden. // 33. Art: Bemeldeter Logen Meister begehret von dem Groß-Meister ihm anzuzeigen, ob er gesonnen sey, die Brüder zur Feier des Tages, nach gewöhnlichen Gebrauch zusammen laden zu laßen: u in dem Fall bittet er sich, und den Brüdern seiner Loge die große Ehre und Freundschaft aus, sich nach alter Gewohnheit der Wirthschaft annehmen zu dürfen. Der Großmeister dancket dem Logen-Meister, im Nahmen der Brüder für sein Anerbieten. 34. Art: Der Stewards-Meister bittet den Grosmeister, u die hohen Beamte der großen Loge, sämtl. Frey-Maurer-Brüder, die große Ehre u Freundschaft nicht zu versagen, sich persönlich alsdenn einzufinden, u die Billet anzunehmen, welche er ihnen darreichet. Worauf er dem Groß-Meister für ihn, u die Höchsten Beamten der großen Loge neun Frey Billets, und neun für den Grosmeister, und die höchsten Beamte des künftigen Jahres austheilet: welche mit gewöhnlichen Freundschafts-Bezeugungen angenommen werden. 35. Art: Der Großmeister ersuchet sämtliche Logen-Meister, daß ein jeglicher für seine Loge, dem Stewards-Meister // das Verzeichniß der gegenwärtigen Brüder seiner Loge, von welchen er glaubet, daß sie der Zusammenkunft beywohnen wollen übergebe; welche bewerkstelliget wird. Da als dann bey dem Empfang des Verzeichnisses, der StewardMeister einem jeglichen Logen-Meister, drey Frey-Billets ertheilet. 36. Art: Der Stewards Meister zeiget den Brüdern an, wo u zu welcher Zeit in den folgenden Tagen, die Billets für die Brüder, welche der Zusammenkunft beyzuwohnen gedenken, ausgetheilt werden sollen. Hierauf macht er in seiner besondern Loge die Anstalt, das die Billets gegen den gewöhnlichen verabredeten Preiß, an die vornehmen u edlen Brüder, welche gegenwärtig zu seyn verlangen, umher gesandt und ausgetheilet werden können, u läßt übrigens allen u jeden ansagen, das ein jeglicher, welcher an dem Tag mit dabey seyn wollte, innerhalb den 17.t Junii oder sieben Tage von dem Feste sein Billet ausgelöset haben müße; Nach welchem Tage keine Billets weiter ausgetheilet würden, sondern die Mahlzeit nach der Anzahl der Personen, welche Billets gekaufet, oder empfangen hätten, eingerichtet werde. //
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37. Art: Wenn nun der Tag erschienen ist, finden sich bey guter Zeit, an dem zur Zusammenkunft ausersehen Orte, die Brüder der Stewards-Loge ein, welche verordnet sind, theils den Bau zu bedecken, theils den Tisch zierlich zuzubereiten, theils ferner die dahin kommende Brüder zu empfangen, u sie einzuführen; worauf die Ceremonie ihren Anfang nimmt, auf folgende Art: 38. Art: Eine jede Loge versamlet sich, in ihren gewöhnlichen Logen-Zimmern. Nachdem daselbst der Logen-Meister seine Beamte bestätiget, oder verordnet hat; so begiebt sich der Logen Meister mit den Brüdern Aufsehern des vorigen Jahres, in vollen Schmucke, u mit ihren Werkzeugen, nach der großen Loge; unterdeßen das sein Deputirter mit denjenigen Brüdern, die den Fest-Tag beywohnen wollen, sich nach dem allgemeinen Versammlungs-Ort verfüget, u sich daselbst alsobald schmücken; nachdem sie vor den Deputirten, u den Brüdern der Stewards-Loge, welche sich daselbst zuerst eingefunden haben, bewillkommet worden sind. 39. Art: In der großen Loge empfängt der Stewards-Meister sämtliche dahin // kommende Brüder der großen Loge; worauf sie gemeinschaftlich den Grosmeister u sein Gefolge erwarten, welchen der Stewards-Meister am westlichen Eingange des Logen-Zimmers empfängt. 40. Art: Der Groß Meister begleitet von seinen Groß-Beamten findet sich in vollem Schmuck ein, u hat den Bruder, welcher in der vorhergehenden Versammlung zu seinen Nachfolger erwählet worden ist, in Meistertracht gekleidet, zu seiner Linken Hand bey sich; indem man beobachtet, was die Artikel, 12, 14, 15, 16, dieses Capitels enthalten. 41. Art: Nachdem dieses alles geschehen ist; verfüget sich die große Loge, in den dazu bestimmten Wagen, nach der allgemeinen Versammlung, und in ihren Schmuck, in folgender Procession: 42. Art: 1t. Neun Brüder der Stewards-Loge, mit weißen Stäben, in drey Wagen. 2t. Beide Brüder Stewards-Aufseher. 3t. Der Stewards-Meister allein. 4t. Die vorigen Brüder Gros Aufseher in ihren Wagen. 5t. Die vorigen Deputirten-Gros-Meister in ihren Wagen. 6t. Die vorigen Groß-Meister in ihren Wagen. // 345
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7. Der Secretair, der Redner, der Schazmeister, u der Ceremonien Meister der großen Loge, welche auf vier Küßen, der erste, die Matrikel über die Logen, der zweite, die Casse in einem mit goldenen Spizen gezierten blauen Beutel; der dritte, die Constitutions-Acten, u der vierte, des Grosmeisters-Schwerdt tragen; alle viere in einen großen Wagen. 8t. Beide Brüder Gros-Aufseher in vollem Schmuck in einem Wagen, mit den Werkzeugen in den Händen. 9t. Der Deputirte Grosmeister allein in seinen Wagen. 10t. Der Grosmeister in seinen Schmuck, welcher den neuen gekleidet in gewöhnlicher Männer Tracht, im Wagen neben sich hat. 11t. Des neuen Großmeisters leerer Staats-Wagen, mit seiner gewöhnlichen Livrée. NB. Um des annoch seyenden Grosmeisters Wagen gehen die Dienenden Brüder, ein jeglicher in seines Grades-Tracht. 12t. Die Brüder Aufseher der besonderen Logen in einem Wagen, vor ihren Logen Meistern, deren Wagen von den Dienenden Brüdern umgeben wird. Die älteste Loge voran, die jüngste zulezt. // 13t. Drey Brüder der Stewards-Loge zu Pferd, ein jeglicher einen weißen Stab in der Hand, schließen den Zug. 43. Art: So bald der Zug angelanget ist, formiren die Brüder zwo Reihen, zwischen welchen der Zug, sobald derselbe aus denen Wägen gestiegen ist, unter den gewöhnlichen Marsch, u dienlicher Musick, in selbiger Ordnung in die Loge eintritt, u am Eingange, an die wachthabende Stewards-Brüder die Billets abgiebt. Worauf die Brüder welche das Geseze formirt hatten, gleichfalls eintreten, u wird die Tafel so gleich angerichtet. 44. Art: Während der Mahlzeit vertheilen sich die Stewards Brüder so um den Tisch herum, daß sie deutlich sehen u anschaffen können, was nöthig ist, und bemühen sich auf alle ordentliche Weise, die Brüder zu vergnügen. 45. Art: Nach geschlossener Mahlzeit helfen sie die Loge bedecken: worauf der Grosmeister die allgemeine Loge der FreyMaurer eröfnet, u die allgemeinen Frey-Maurer-Verordnungen, auch das Wahl-Protocoll der großen Loge verlesen, u endlich // nach erhaltenen allgemeinen Beyfalls-Zeichen, der Großmeister mit lauter Stimme ausrufen läßt: Der Bruder N. N. ist Grosmeister aller Brüder, freyen u angenommenen Maurer-Rittern in diesem Lande. Worüber sämmtl. Brüder auf würdige Maurer-Weise ihre Freude äußern.
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46. Art: Der vorige Grosmeister, u die Brüder Gros-Aufseher, nehmen von dem Stewards-Meister, un seinen Brüdern-Aufsehern, die drey großen Lichter, welche auf den Tisch brennen, u machen den ersten Umgang um den Altar, auf folgende Art: 47. Art: 1t. Die neun Stewards-Brüder, mit weißen Stäben, drey in jeden Glied. 2t. Die Brüder Stewards-Aufseher. 3t. Der Stewards-Meister. 4t. Der Ceremonien-Meister der Gr. Loge mit seinen Küßen u Schmuck. 5t. Der Redner der Gr. Loge mit den Acten. 6t. Der Schazmeister der Gr. Loge mit dem Beutel. 7t. Der Secretair der Gr. Loge, mit der Matrikel. 8t. Die Brüder Groß Aufseher mit dem Lichte in der lincken, u den Hammer in der rechten Hand. 9t. Der vorige Grosmeister, auf // eben dieselbe Art, indem er den neuen Grosmeister zu seiner Rechten neben sich hat. 10t. Drey Stewards Brüder mit Stäben. 48. Art: Nachdem der erste Umgang unter Freuden-Geschrey für beide Gros-Meister verrichtet ist; so sezet der vorige Grosmeister seinen Nachfolger auf Salomons-Stuhl, löset seinen Grosmeister Schmuck ab, bindet ihm an ein neues Band, und giebt ihm den Hammer; Worauf er seinen vorigen Groß-Aufsehern Danck saget, ihren Schmuck wieder zurück nimmt, und denselben vor den neuen Groß-Meister niederleget, vor welchen gleichfalls drey Lichter hingestellt werden. 49. Art: Der vorige Großmeister mit sämtlichen hohen Beamten, verrichten unter allgemeinen Freuden-Geschrey, die andere Procession, auf gleiche Art von der Stewards-Loge angeführt, doch nur in gewöhnlichen Maurer-Schmuck, und ohne daß der neue Großmeister mitfolget. Nachdem der Umgang von Osten, durch Süden, Westen und Norden geschlossen, nimmt der vorige Großmeister seinen Plaz zur rechten neben den neuen Großmeister ein; // und die übrigen hohen Beamte bleiben hinter ihren vorigen Stellen stehen, bis die neuen Beamte ernennet, und ausgerufen worden, deren Stellen sie einnehmen, nachdem sie eingekleidet worden. 50. Art: Darauf ernennet der Großmeister die neuen Beamte der großen Loge, rufet sie hervor, wünschet ihnen Glück (grüßet sie) u verrichtet mit ihnen auf gleiche Weise den dritten Umgang. Worauf sie von den vorigen Beamten eingekleidet werden, un ihre Stellen einnehmen. 347
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51. Art: Nachdem dieses geschehen ist, wird die Dancksagungs-Rede gehalten, so wohl an den vorigen als den neuen Großmeister: Worauf es allen Brüdern auf eine Zeitlang erlaubt ist, beiden Grosmeistern besonders ihre Freundschaft u Erkenntlichkeit zu äußern. 52. Art: Der Grosmeister läßt ansagen, das die neue große Loge formirt ist. Worauf nach den Alter der Logen, die Logen-Meister, welche neue Brüder Aufseher erwählet haben, dieselben dem Großmeister darstellen, damit sie in die Matrikel der großen Loge eingeschrieben werden, u sie ihre Tracht annehmen. // 53. Art: Darauf geschehen die gewöhnlichen Freundes-Bezeugungen, u wird in der ganzen Brüderschaft nichts als Freude, Freundschaft und Einigkeit verspürt bis die Brüder Gr. Aufseher Befehl erhalten die Loge zu schließen; Worauf die Brüder sich nach Belieben nach Hause begeben. 54. Art: Von den Provincial-Logen. Was Sie sind? Die starke Vermehrung der besondern Logen, in allen Provinzen des Deutschen Reichs, u die daraus entstehende überhäufte, u fast nicht zu bestreitende Geschäfte der G. L. L. zu Berlin, machen die Einrichtung der Provincial-Logen, welche in ihren Provinzen u Districkten, die G. L. L. vorstellen, u ihre Macht u Gerichtsbarkeit, in Betracht, der von ihnen besonders abhängenden Logen, per Depatationem ausüben, unumgänglich nothwendig: Derohalben wird in Betracht dieser Provincial-Logen folgendes festgesezt: 55. Art: Eine jede Provincial-Loge hat, so wie die G. L. L. ihren Provincial-Gr. Meister, Deput. Meister, Aufseher und übrigen Beamte, welche allemahl gegen Johanni eben so wie die Gros-Beamte gewählt werden; u bestehet aus den wirckl. Logen-Meister Aufsehern, oder Representanten der Besonderen Logen einer jeden Provinz. 56. Art: Alle Verordnungen u Geseze der Gr. L. Loge, müßen in den Provincial-Logen genau beobachtet werden; und sie üben in ihren respect. Destrickten eben die Gerechtsame aus, wie die Gr. Loge, welcher aber das Recht constitutirte Briefe zu ertheilen, nur allein zukommt. 57. Art: Die Provincial-Logen sind nur als Deputationen der G. L. L. anzusehen. Weshalb sie die von ihrer Provinz einlaufende Receptions-Drittel u denen Gelder, nicht für sich behalten, sondern zu den festgesezten Termin an die große Loge zu Berlin einsenden; auch 348
bey derselben die Bestätigung aller ihrer gefaßten Entschlüsse nachsuchen u erhalten müßen; dafern sie gültig seyn sollen. 58. Art: Eine jede Provincial-Loge kann zu den allgemeinen Versammlungen der Gr. Loge einen oder mehrere Deputirte absenden; oder wenn dieses nicht angehet, sich einen Representanten, bey der gr. Loge zu Berlin // unter den Vorgeschlagenen wählen; welche Deputirte oder Representanten eben so viel Stimmen in der Gr. Loge haben, als besondere Logen zu der Provinz gehören. 59. Art: Besondere Logen, welche von einer Provincial-Loge abhängen, müßen sich in allen Fällen an selbige wenden; welche alsdenn summariter, von allen denjenigen, Bericht abstatten, was vorgefallen ist. Die Einsendung der Verzeichnisse an den Bruder Gr. Secretair u Gr. Schazmeister aber geschiehet, zur bestimmten Zeit, unmittelbar an die große Loge zu Berlin. III. Capitel. Von den Verhalten der St. Joh. Logen gegen die Große Loge überhaupt. 1. Art: Jede gesezmäßige Loge muß von der Gr. Landes-Loge gestiftet seyn. §. 21. Keine neue Loge wird erkannt, und angenommen, oder ohre drey höchste Beamte in die Versammlungen der Gr. Landes-Loge von Deutschland eingelaßen, bevor sie nicht von der Gr. Loge constituiret, und von dem Landes-Grosmeister, oder seinen Deputirten, oder den Gr. Beamten gesezmäßig gegründet u errichtet; oder wenn die Entfernung des Orts es nicht erlaubt, wenigstens durch einen bevollmächtigten und authorisirten Bruder gehörig constitutiret worden. 2. Art: Einlösung des Constitutions-Briefes. Wenigstens drey Brüder, welche Meister seyn müßen, werden erfodert, um eine gesezmäßige Loge zu stiften; u wenn sie deswegen ge-//höriges Ansuchen bey der gr. Loge gethan haben; so müßen sie ihren Constitutions Brief mit achtzehn Ducaten von derselben einlösen; und von ihr den Nahmen u das Siegel ihrer Loge empfangen u annehmen. 3. Art: Jede neue Loge muß die Gr. L. L. kleiden. §. 9. Gleichwie ein jeder neu aufgenommener Bruder, oder ein Bruder, der das BürgerRecht in einer Loge erhalten will, dieselbe kleiden; d. h. nach seinen Umständen, u der besonderen Verfaßung der Loge etwas zu ihrer Unterhaltung u Einrichtung beitragen muß; eben so nothwendig ist es, daß eine neue Loge, welche den Zutritt zu der gr. Loge gewinnen will, außer der Constitutions-Gebühr derselben ein freywilliges Geschenck, es bestehe worinnen es wolle, mache. 349
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4. Art: Theilung einer Loge. §. 10. Keine Gesellschaft von Brüdern, oder kein einzelner Bruder, muß sich von der Loge trennen, wo sie es geworden sind, oder hernachmals das Bürgerrecht erhalten haben, wenn nicht die Loge allzu zahlreich ist, u solchergestalt müßen sie sich theilen. 5. Art: Theilung einer Loge. §. 19. Wenn eine besondere Loge so zahlreich ist, daß sie sich theilen will (denn die große Loge kann sich niemals theilen) so wird solches bey dem Logen-Meister // angemeldet, welcher in der Loge das Beyfalls-Zeichen so allgemein seyn muß, dafern die Theilung bewerckstelligt werden soll, fodert; und die Ansuchung bey der großen-Loge angemeldet ist, um sie zu bestätigen, um die neue Loge zu constituiren; nachdem die getrennten Brüder ihren Logen-Meister gewählet haben, u derselbe von dem Meister vom Stuhl der Mutter-Loge oder dem Grosmeister genehmiget worden. 6. Art: Des Landes Gr. Meister Dispensation wird hiezu erfodert. §. 10. Zu einer solchen Trennung od. Theilung wird des Landes Gr. Meisters, oder seines Deputirten ausdrückliche Dispensation erfodert. Aber wenn sie sich auf solche Art trennen, müßen sie sogleich nach eigenem Gutbefinden zu einer andern gesezmäßigen Loge treten, oder des Grosmeisters Erlaubniß suchen, zusammen zu treten, u eine neue Loge aufzubauen. 7. Art: Strafe derjenigen, welche ohne Erlaubniß Maurer gemacht haben. §. 12. Ein jeglicher Bruder, welcher ohne dazu befugt zu seyn, Maurer gemacht hat, muß in keiner Loge weder als Mitglied, noch als Besuchender eingelaßen werden, ehe u bevor er sein Verbrechen versühnt hat. Doch kann ein auf solcher Art gemachter Bruder, den Eintritt erlangen, wenn ihn die // Loge für würdig hält, u es einmüthig genehmiget worden. 8. Art: Verhältniß der neuen, gegen die Mutter-Loge. §. 60. So bald durch Theilung die neue Loge errichtet worden ist; so kan weder die alte von der neuen, noch die junge Loge von ihrer Mutter, irgend eine besondere Gerechtigkeit fodern, oder ein Mitglied der einen, zugleich als ein Mitglied der andern angesehen werden. 9. Art: Correspondenz der Logen unter sich. So bald eine neue Loge stehet, das heißt, wenn sie so eingerichtet ist, das sie wircklich arbeiten können, so muß sie alle andere, unter deren Jurisdiction der großen Loge, stehende besondere Logen, (deren Verzeichniß sie mit dem Constitutions-Buch erhält) alsbald von ihrer Errichtung Nachricht geben, ihnen das Verzeichniß ihrer Mitglieder übersenden, u sich der Freundschaft u Liebe der älteren Logen empfehlen, welche dieses Schreiben mit Beifügung ihrer eigenen Verzeichnisse, sogleich beantworten müßen. 350
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10. Art: Feier des Stiftungs Tages einer jeden Besonderen Loge. Eine jede besondere St. Johannis-Loge muß jährlich ihren besonderen Festtag, an welchen sie gestiftet worden ist, feyern. Allein sie darf keinen der allgemeinen Fest-Tage des Ordens dazu nehmen. // An diesem Tage müßen auch, so wie in der großen Loge am St. Johannis-Tag, ihre Beamte gewählet oder bestätiget werden; nach Anleitung der hierüber abgefaßten besonderen Verordnungen. 11. Art: Briefe wegen des Stiftungs-Tages. Den Secretairs der besonderen Logen wird der alte u ehrwürdige Gebrauch hiemit noch anempfohlen; alle Jahre nach der Feier des Stiftungs-Tages ihrer Logen, sowohl die große Loge, als auch die andern von ihr abhängenden besonderen Logen, von gedachter Begehung ihres Stiftungs-Festes zu benachrichtigen, und ihnen das genaue Verzeichniß ihrer Mitglieder zu übersenden, worinnen alle Veränderungen, in Ansehung der Beamten, alle Todes-Fälle, Beförderungen, u. s. w. genau u richtig angezeigt werden müßen. 12. Art: Verzeichniß an den Gr. Secretair u. Gr. Schaz-Meister. Außerdem muß eine jede Loge jährl. an ihren Stiftungs-Tag noch ein besonderes Verzeichniß, aller seit ihrer Stiftung auf u angenommenen Brüder, an den Gr. Secretair, u am St. Johannis-Tage, ein ähnliches Verzeichniß an den Bruder Gr. Schazmeister, worinnen die im verflossenen Jahre // vorgefallenen Aufnahmen u Beförderungen angemerckt worden, unausbleiblich einsenden. Diese Verzeichniße müßen von dem LogenMeister, den Aufsehern, u dem Secretair unterschrieben seyn. 13. Art: Alle Briefe an die Gr. Loge postfrey. O. de France. art. 27. Alle Briefe, Ansuchungen, Sendschreiben u. dgl. müßen postfrey an die gr. Loge eingesendet werden; widrigenfalls selbige ohnbeantwortet und auf Kosten der Loge, woher sie gekommen, zurückgeschicket werden. Briefe ohne Nahmen u Unterschrift, werden ohngelesen ins Feuer geworfen. 14. Art: Abgabe der Receptions-Drittel an die große Loge. Da die große Loge nicht für sich arbeitet, auch niemals eine Loge zur Aufnahme in irgend einen Grad eröfnet, und also auch in sich keine Mittel hat, die zur Bestreitung ihrer häufigen Ausgaben, und zur Erhaltung ihrer Würde nöthigen Fonds anzuschaffen; so kann sie mit Recht (und unsere Geseze, die einer jeden Loge bekannt sind, fodern es) Beyträge von den St. Johannis Logen verlangen, u erwarten. Das bekannte Gesez wird dennoch annoch wiederhohlet und bestätiget // das die St. Johannis Logen das Drittel von alen Receptions in den drey Frey-Maurer-Graden, richtig an die große Loge berechnen und abtragen müßen. Verschiedene Logen haben diese, in ihren Constitutions Brief nochmals wiederholte Bedingung vernachläßiget, und wenig oder nichts abgetragen. Da die große Loge hiedurch in die völlige Unvermögenheit versezt wird, bey ihren häufigen Ausgaben zu bestehen; so ist dieses alte Gesez, in ihrer Versammlung vom 351
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13.t. Julii 1776. von neuen wiederholet u festgesezt worden: das die St. Johannis Logen jährl. das Drittel für alle Aufnahmen u Beförderungen in den drey Frey-Maurer-Graden, zufolge der in den allgemeinen oeconomischen Verordnungen bestimmten Summe, abtragen sollen; neml. für den Lehrling zehn Reichs-Thaler, für den Gesellen drey Rthlr. acht Groschen, u für den Meister, sechs Rthlr. sechszehn Groschen. 15. Art: Dispensation wegen des an die Gr. L. abzutragenden Rec. Drittel muß eingeholet werden. Es bleibt zwar den Logen unbenommen, so viel ohnentgeldliche Aufnahmen zu machen, als sie // wollen. Nur kann die gr. Loge sich die ihr ohnstreitig zukommende Rechte nicht vergeben; sondern besagtes Drittel muß alsdenn aus der Logen-Casse erstattet werden. Es wäre denn, das man in einem ganz besonderen Fall, die gehörige Dispensation deswegen bey der gr. Loge nachgesuchet u erhalten hätte.
16. Art: Die große Loge kann u wird demnach von nun an keinen Bruder für den sie nicht das bestimmte Receptions-Drittel erhalten, oder darüber Despensation ertheilet hat, für rechtmäßig erkennen. 17. Art: Beytrag zur allgemeinen Armen-Casse resol. d. 13. Julii 1776. Den Constitutions Brief zufolge muß auch jede Loge jährlich zwanzig Rthlr. aus der Armen-Casse an der allgemeinen Armen-Casse der großen Loge entrichten. Auch diese Gelder müßen nach Verlauf jedes Frey-Maurer-Jahres neml. gleich nach Johanni an den Gr. Schaz Meister übermachet werden, welcher dagegen gehörig quittiren wird. 18. Art: Die Loge, welche drey Jahr lang, kein Drittel abgiebt, wird gestrichen, u muß die halbe Constitutions-Gebühr bey ihrer Wiederherstellung erlegen. Cod. de France art. 48. Die Saumseeligkeit einiger Logen in Erfüllung dieser Pflicht (wo-//rüber so wohl der Gr. Schaz-Meister als die Representanten häufiger Klagen führen) ist um so unbegreiflicher und unverantwortlicher, da selbst die Constitution einer jeden Loge diesen Punckt ausdrücklich enthält; und eben die gesezgebende Macht, der sich die Logen freywillig unterworfen haben, und die ihnen die Erlaubniß ertheilet, für die Aufnahme eine gewiße Summe zu fodern, es ihnen zur Pflicht auferleget, ein Drittel, von solchen eingenommenen Geldern, an die allgemeine Casse der gr. Loge, zur Bestreitung der allgemeinen Unkosten, zu eben so nothwendigen, als nüzlichen Einrichtungen, u zur Erhaltung der Ehre und des Glanzes des ganzen Ordens abzuliefern. Jener Erlaubniß bedienen sich zwar die auswärtigen Logen, aber die Bedingung, unter welcher sie ihnen ist ertheilt worden, erfüllen einige nicht. Eine jede Loge, die auf solche Weise, ihre Pflichten u Versprechen vergißt, ist als ein Glied anzusehen, das mit den Körper keine Ge352
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meinschaft hat, und keinen Antheil, an den daraus entspringenden Vortheilen verlanget. Derohalben // siehet sich die gr. Loge gezwungen, hiemit festzulegen: das wenn eine St. Joh. Loge drey Jahre hintereinander versäumen sollte, diese in der Natur der Sache so gegründete Pflicht zu erfüllen, sie als eingegangen u aufgehoben angesehen, u aus der Matrikel der gr. Loge ausgetrichen werden soll. 19. Art: Dienende Brüder gratis aufgenommen. ibidem. Jede Loge kan so viel Dienende Brüder von guten Sitten und Leumund, als sie benöthiget ist aufnehmen. Sie werden so wie die anderen fremde Suchende angemeldet u aufgenommen, aber ohnentgeldlich, u werden desfalls keine Receptions-Drittel an die gr. Loge berechnet. 20. Art: In dem ersten Jahr ist eine neue Loge frey von Abgaben. Wann eine neu erbaute Loge, die Constitutions-Gebühr bezahlet hat, so ist sie in dem ersten Jahr von dem Tage ihrer Stiftung an, bis zum nächsten Johannis-Fest (wie sie es verlanget) von den Abgaben an die große Loge frey gesprochen. Das gute Vorurtheil welches man aber von der Wohlthätigkeit der Brüder, u der Logen heget, machet es ohngezweifelt, daß für diese Dispen-//sation, wenigstens in Betracht der Armen-Cassen-Gelder nicht verlangen werden. 21. Art: Wenn eine Loge in zwölf Monate nicht arbeitet, wird sie gestrichen. §. 14. Dafern eine Loge in zwölf Monate nicht gearbeitet, sich gar nicht versammlet, u die nöthigste Correspondenz mit der Gr. Loge verabsäumet hat; so wird sie gleichsam für aufgehoben gehalten. Und dafern sie von neuen, für eine ordentliche Loge will angesehen werden, so muß sie um eine neue Constitution ansuchen, auch ihr ehemaliges Alter fahren laßen, u dasselbe von der Zeit an rechnen, da von neuen zu arbeiten angefangen hat. 22. Art: Aufgehobene Logen müßen ihre Acten an die Gr. L. L. senden. C. de France et d’Holland Wenn eine Loge biß auf weniger als drey Mitglieder geschmolzen ist, oder ganz aus einander gehen sollte; so sind die Beamten derselben verbunden, ihre Constitutionen, Handlungen, Verordnungen, Schriften, Protocolle, Matrikel u Werckzeuge u.s.f. an die gr. Loge zu übersenden, um alles daselbst auf zubewahren, bis zur Wiederherstellung der genannten Loge, wenn sie statt finden sollte. // 23. Art: Ibidem. Wenn diese Wiederherstellung in Zeit von einem Jahre geschiehet; so müßen ihr alle Sachen ohnentgeldlich wieder abgeliefert werden.
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24. Art: Wenn sie es nicht thut, muß sie bey Wiederherstellung die halbe Constitutions Gebühr bezahlen. Ibidem. Sollte aber die aufgehobene Loge verabsäumen, ihre Acten, Papiere u Werckzeuge an die Gr. Loge zu übersenden oder ihre Wiederherstellung nicht innerhalb Jahres Frist geschehen; somuß sie, wenn sie ihre Arbeiten wieder anfangen will, die halbe Constitutions-Gebühr bezahlen, u kann alsdann ihren vorigen Rang wieder einnehmen. 25. Art: Meister Certificate von der gr. Loge authorisirt. Code d’Holland. Alle Meister müßen Certificate haben, mit dem Siegel der Gr. Loge u der Unterschrift des Gr. Secretairs versehen. Derohalben können die Logen dergleichen gestempelte Bogen, welche adimirt sind, von den Gr. Secretair erhalten, und erlegen dafür einen Thaler, welcher zum Besten der Armen Anstalten angewendet werden. 26. Art: Ibidem. Certificat Gebühr an die gr. Loge. Es stehet aber einer jeden Loge frey, auf diese gestempelte Bogen die erwähnte Certificate, in welcher Sprache, u mit was für Verzierungen es sey, abzufaßen. // 27. Art: Der Log. Meister versammlet seine Loge so oft, u wo er will. §. 2. Der Logen-Meister einer jeden Besonderen Loge, hat Macht u Authoritaet, die Mitglieder seiner Loge, so oft er es für gut findet zusammen rufen zu laßen, u die Zeit u den Ort, zu den gewöhnlichen Zusammenkünften zu bestimmen. 28. Art: Besezung des Stuhls in Abwesenheit des Logen Meisters. §. 2. Wenn Kranckheit, Todes-Fall, oder Abwesenheit den Logen Meister verhindert, oder auch seinen Deputirten, gegenwärtig zu seyn; so nimmt der Bruder erster Aufseher seinen Siz ein, u vertritt sein Amt pro tempore. In deßen Abwesenheit thut es der zweite Aufseher, u wenn alle diese nicht zugegen seyn sollten, so besteigt der älteste Meister den Stuhl. 29. Art: Der Stifter einer Loge ist beständiger Meister derselben. §. 58. Der Logen Meister einer besonderen Loge, ist beständiger Meister derjenigen Logen, welche er aus eigener Gerechtigkeit, u mit Erlaubniß der großen Loge errichtet u gestiftet hat, oder dahin er gerufen worden ist. 30. Art: Der Stifter überträgt den Hammer, wem er will. §. 58. Wenn er die Regierung niederleget, übergiebt er dieselbe, welchen es ihm gefällt; dafern er nicht // Lieber verlanget, daß die Brüder durch das Loos, seinen Nachfolger vorschlagen sollen. Er ernennet eigenmächtig oder bestätiget seinen Deputirten, wie auch die Brüder-Aufseher u Beamte dafern die Loge ihre Einwilligung vorhero dazu giebt. Wenn sie aber dieselbe verweigert, so werden die Brüder-Aufseher u Beamte durch das Loos gewählet u eingesezt, nach den darüber besonders abgefaßten Verordnungen. 354
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31. Art: Qualitaet und Anzahl der Neuaufzunehmenden. §. 4. Keine Loge muß ohne des Landes Groß Meisters, oder seines Deputirten besonderen Erlaubniß, auf einen Tag mehr als fünf neue Brüder aufnehmen, oder jemanden aufnehmen, der nicht wenigstens 21. Jahre oder wenn es eines Maurers Sohn 18. Jahr alt, u sein eigner Herr ist. 32. Art: Kein Bruder kan Mitglied von mehr als einer Loge seyn. §. 5. Kein Bruder kan auf einmal innerhalb eines Gebietes, Bruder und Mitglied von mehr als einer Loge seyn. Er kan gleichwohl als Besuchender in mehr als einer Loge eingelaßen, zu den Aufnahmen u Tafel-Logen einge-//laden werden, u denselben beywohnen. Er mag aber keine oeconomische Zusammenkünfte, bey einer andern, als derjenigen Loge besuchen, deren Kleidung er trägt und zuerst empfangen hat. 33. Art: Die Beförderung fremder Brüder betreffend. resol. d. 5. 9br. [November] 1776. Die Logen Meister werden erinnert, in ihren Logen keinen Bruder, welcher ein Mitglied von einer unseren anderen guten Logen ist, weiter zu befördern, wenn er nicht von seinen Logen-Meister eine Empfehlung deshalb vorzuzeigen, oder nicht gänzlich den Ort seines Aufenthalts verändert hat; und dadurch ein Mitglied derjenigen Logen wird, welche ihn weiter befördert. Außerdem wird ein jeder Logen Meister schon von selbst am besten wissen, welche von den Brüdern seiner Loge Beförderung verdienen. Daher denn auch eine jede Loge, solcher oft schädlichen Eingriffe in die Rechte einer andern Loge, sich zu enthalten hat. 34. Art: Abgabe der Naturalisations Gebühr. §. 9. Wenn ein Bruder den Ort seines Auffenthaltes gänzlich verändert, u das Bürger-Recht in einer anderen Loge gewinnen will, so muß er dieselbe kleiden; u seine Naturalisations-Gebühr bezahlen, welche nach den Umständen, u der // besondern Verfaßung der Loge bestimmt wird. Und alsdann wird er, als ein einverleibtes Mitglied dieser Loge angesehen; u die Loge welche er verlaßen hat, führet ihn das erste Jahr in ihren Verzeichnißen, unter die Zahl der abgegangenen Brüder auf. 35. Art: Treue bey dem Wercke. C. d’Holland. Außer der Ursache der Veränderung des Aufenthaltes, muß kein Bruder den Logen Meister, u die Loge, welche ihn aufgenommen hat, verlaßen, bis das Werck zu Ende sey. 36. Art: Umstimmung ein Monat vorhero. §. 6. Niemand kann zum Mitglied einer Loge adoptirt werden, dafern er nicht einen Monat vorher dazu von einen Bruder, welcher ihn genau kennet, ist angemeldet worden; so das man Zeit gehabt habe, sich von seinen Leumund zu unterrichten, u vierzehn Tage darauf, die Ballotâge oder Umstimmung über ihn ergehen zu laßen.
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37. Art: Dispensation des Gr. Meister v. d. Umstimmung. §. 6. Der Grosmeister kann hievon Dispensation ertheilen. Zur Erhaltung einer solchen Dispensation für einen fremden Ort, pflegt die Loge, wenn es verlangt wird, durch ein // besonderes Schreiben, einen wegreisenden Bruder behülflich zu seyn. 38. Art: Allgemeiner Beyfall zur Aufnahme eines Fremden. §. 7. Bey der Umstimmung müßen die besonderen Geseze derselben, aufs genaueste beobachtet werden; u der einmüthige Beyfall sämtl. Brüder, welche gegenwärtig sind, wenn der Suchende vorgeschlagen, wird dazu erfodert. Diese Gerechtigkeit leidet keine Ausnahme, u kann der Logen Meister die Wahl nicht für gültig erkennen, so lange ein Bruder seinen Beyfall verweigert, u eine gültige Ursache dazu angiebt. Denn daferne der Loge ein Mitglied sollte aufgedrungen werden, welches nicht alle verlangten, so könnte es Mißvergnügen u Uneinigkeiten erregen, u die Freiheit u Eintracht stöhren, welche die Brüder bei ihrer Arbeit benöthiget sind, ja, die Loge gänzlich zerstreuen u aufheben. Wofür ein jeder guter u aufrichtiger Bruder sich in Acht nehmen muß. 39. Art: Besuchende müßen wohl untersuchet werden. §. 8. Keinem Besuchenden Bruder wird der Eintritt in die Loge verstattet, wenn er gleich bey einer gesezmäßigen // Loge aufgenommen, u in der Maurer-Kunst erfahren wäre, dafern er nicht vorher als Maurer erkannt, von seiner Loge wohl empfohlen oder von einen Mitgliede gut gekannt, u wohl empfohlen worden ist. 40. Art: Betragen gegen ungesezmäßige Brüder. resol. d. 13. Julii 1776. Da von verschiedenen unserer guten Logen angefragt worden wie sie sich gegen diejenigen Logen zu verhalten hätten, welche in ungesezmäßigen Logen, die nicht von der Constitution der Gr. Landes Loge von Deutschland sind aufgenommen, u zum Besuch zu den unsrigen zugelaßen zu werden verlangten; so wird hiemit festgesezt: daß ein solcher Besuchender schlechterdings nicht in die Loge gelaßen werden sollte, wenn er nicht zuvor verspräche, in geöfneter Loge den Lehrlings-Eid abzulegen, von allen u jeden ein unverbrüchliches Stillschweigen über unsere Arbeiten zu beobachten, u niemals wieder in eine andere, als von der großen Landes-Loge anerkannte gesezmäßigen Loge einzugehen. 41. Art: Bestrafung der Brüder, welche ungesezmäßige Logen besuchen. resol. d. 10. Julii 1776. Dem zu folge, u da die gr. Landes Loge von Deutschland, mit innigstem Mißvergnügen erfahren hat, daß // einige unserer Mitbrüder sich so weit vergeßen hätten, ihres Eides ohngeachtet, ungesezmäßige Logen zu besuchen, wird dem Meister vom Stuhl aufs nachdrücklichste anempfohlen: einen solchen schuldigen Bruder, das erstemal in Beyseyn des Deputiren u der Brüder Aufseher sein Vergehen vorzuhalten, u das zweite mal muß ganz ohnfehlbar nach der Strenge der Gesetze gegen ihn verfahren werden. 356
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42. Art: Besuchende bezahlen ihren Antheil an der Tafel-Loge. resolv. d. 13 Julii 1776. Um allen Zwang zu vermeiden u die Vereinigung unter den Logen zu vermehren; so kann man die Besuchende Brüder weder verhindern, noch frey sprechen, ihren Antheil an den Tafel-Logen zu bezahlen. Hingegen hat nach den Gesezen der Meister vom Stuhl, einer jeden schulden freyen, un eingerichteten Loge, das Recht, vier Brüder, welche er will, u also auch die Besuchenden, auf Unkosten seiner Loge, u deren oeconomischen Casse zur Tafel einzuladen, welches jedoch hauptsächlich armen Brüdern zu gute kommen muß. 43. Art: Ausschliessung derjenigen, welche ohne Erlaubniß Logen errichtet haben. §. 13. Von allen denjenigen, welche ohne // Erlaubniß eine beständige Loge errichtet haben, muß kein einziger zu einer gesezmäßigen Loge hinzugelaßen werden, ehe und bevor er sich unterwerfe u Vergebung erhalten habe. 44. Art: Idem ut supra. §. 11. Wenn eine Gesellschaft von Maurern sich verbindet, um ohne Gerechtigkeit dazu zu haben, oder ohne Erlaubniß des Landes Gros Meisters eine Loge aufzurichten, so sind die ordentlichen u gesezmäßigen Logen nicht verbunden, dieselben als aufrichtige u regelmäßige Brüder zu erkennen, vielweniger ihre Arbeiten u genommenen Schlüsse für genehm zu halten. Sondern sie müßen sie als aufrührerische Stümper ansehen, biß daß sie sich der Zurechtweisung u der Verordnung des Grosmeisters unterworfen haben, u Er Veranstaltungen zu ihren Arbeiten gegeben hat, u solches den anderen gesezmäßigen Logen kund gemacht worden. 45. Art: Idem ut supra. §. 15. Da eine traurige Erfahrung lehrt, das an verschiedenen Orten, Logen gestiftet worden, weder in […]habender Gerechtigkeit, noch mit Einwilligung des Landes Gros Meisters // noch gesezmäßig; sondern auf eine unanständige und den Statuten der königl. Kunst schnur stracks zuwieder laufende Art; so wird hiemit festgesezet: das niemand, welcher die Kunst also entehret hat, jemals weder in einer großen allgemeinen noch in einer Besonderen guten Loge angenommen werden könne; noch auch, wenn er in Noth geriethe, Unterstüzung von einer ächten Loge erhalten müße. 46. Art: Fleißige Beywohnung der Logenzusammenkünfte. Cod. de France. Kein rechtmäßiger aufgenommener Bruder, darf die Versammlungen seiner Loge, ohne wichtige Ursachen und Abhaltungen versäumen, wenn er nicht zuvor den Logen-Meister durch den zweiten Aufseher, davon hat benachrichtigen laßen, welcher die Gültigkeit seiner Ursachen untersuchen wird.
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47. Art: Ibidem. Strafe derjenigen, welche die Loge versäumen. Wenn ein Bruder ohne gültige Ursachen drey Logen hintereinander versäumet, so wird er auf drey andere Logen ausgeschlossen. 48. Art: ibidem. Wer eine oeconomische Loge ohne wichtige Ursachen versäumet, wird doppelt bestraft. 49. Art: Bestrafung der Vergehen gegen die Vorgesezten. §. 16. Sollte sich ein Bruder dergestalt gegen seinen Meister, oder die Aufseher // vergehen, das die Loge befugt ist, mit ihm mißvergnügt zu seyn, so muß er zweymal in öffentlichen Logen deswegen erinnert werden. Läßt er sich nicht zurechte weisen und unterwirft er sich nicht mit Gehorsam seinen Vorgesezten, so wird zum drittenmal nach den besondern Verordnungen der Loge mit ihm verfahren, oder die Sache an die Gr. Loge verwiesen, wenn es der Logen Meister für gut findet. 50. Art: Ausschließung der Brüder. Wenn ein Bruder vorsezlicher weise sich gegen seinen Meister auflehnet, und die in den Frey Maurer-Verordnungen enthaltene Geseze bricht; so muß der Verbrecher, durch einen einmüthig gefaßten Schluß der Loge, auf eine nach Befinden der Umstände zu bestimmende Zeit, suspendirt, wenn er sich aber grober und schändlicher Laster schuldig macht durch niederträchtige Handlungen den Nahmen Freymaurer entehrt u den Ruhm des Ordens dadurch entweihet; so muß er auf immer u ewig von denselben ausgeschlossen werden. Wovon der Secretair sogleich die gr. Loge sowohl, als auch alle besondere Logen // benachrichtigen muß. 51. Art: Ansuchen an die gr. Loge müßen schriftlich geschehen. §. 17. Wenn eine Besondere Loge eine Sache an die allgemeine gr. Loge gelangen läßt; so wird die desfalsige Instruction für den Logen Meister u die Brüder Aufseher, welche sie daselbst vortragen, nach den meisten Stimmen abgefaßt, und für gültig erklärt, dafern ihnen nicht die Loge zumuthet dasselbe mündlich vorzutragen. 52. Art: §. 64. C. d’Hollande p. 33. Kein Bruder muß über die nemliche Sache mehr als einmal sprechen, wenn es ihn nicht vom Stuhl befohlen wird. 53. Art: Ceremonie wann man das Wort nimmt. §. 65. Derjenige, welcher das Wort nimmt, muß aufstehen, u sich gegen den Stuhl wenden, u niemand darf ihm in seiner Rede unterbrechen. Wenn aber der Grosmeister findet, daß er von seiner Materie abgeht, u Er für nöthig erachtet, ihn wieder auf den rechten Weg zu bringen; so muß derjenige welcher spricht, sich niedersezen, u wenn er zurechte gewiesen worden, kann er von neuen aufstehen, u in seiner Rede fortfahren. 358
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54. Art: Bestrafung derjenigen, welche gegen die besonderen Verordnungen der Logen verbrechen. §. 66. Verbricht jemand an einem Tage, // zweimal gegen die Verordnungen der Loge; so wird ihm, wenn er sich zum drittenmal eines gleichen Verbrechens schuldig macht, mit Nachdruck anbefohlen, für den Tag aus der Loge zu bleiben. 55. Art: Idem ut supra. §. 64. Solte jemand einen Bruder, oder dasjenige was er gesagt hat, verhöhnen oder verspotten; so wird er von der Gemeinschaft der Brüder ausgeschlossen, u für unwürdig erkläret, jemals ein Mitglied einer gr. Loge zu werden, wenn er nicht öffentlich seinen Fehler erkannt, u des wegen Vergebung erhalten hat. 56. Art: Gleichheit bey der Arbeit. §. 18. Die arbeitenden Logen sind verpflichtet, so viel als möglich Gleichheit bey ihrer Arbeit zu gebrauchen, weshalb erfahrene Brüder oft ausgesandt werden müßen, Besuche zu machen, und zuzusehen, das überall gleichen Mustern gefolget werde. 57. Art: Gleichheit der Log. Geräthe. resol. d. 5t 9br. [November] 1776. Alle Logen-Geräthe u Werckzeuge müßen vorschrifts mäßig gemacht seyn. Sollte aber irgend eine Loge ungewiß seyn, welchergestalt dieses od. jenes verfer-//tiget werden müßte; so kann sie sich nur mit ihrer Anfrage an ihren Representanten wenden, der sich den weiter Raths zu erholen wißen wird [!]. 58. Art: Art, einen aufsehenden Bruder der Gr. L. zu empfangen. Code de France Wenn ein Aufsehender oder deputirter Bruder der gr. Loge, eine besondere Loge besucht, so muß der Logen-Meister, nachdem er die Loge gehörig geöfnet hat, ihm drey Officianten der Loge entgegen schicken, zwey mit gezogenen Degen und einer, welcher auf einen Küßen, ihm abseiten des Logen-Meisters, u der ganzen Loge, die Hammer überreicht. Er gehet alsdann in die Loge, unter dem Vortritt des Bruders, welcher die Hammer trägt, indem er zur rechten und zur Lincken, einen Bruder mit entblößten Degen neben sich hat. Wenn er nach Westen kommt, übergiebt er den beiden Aufsehern ihre Hammer, umarmt sie nach Maurerweise, wendet sich nach Osten, wo er, nach einer kleinen Anrede, dem Logen Meister seinen Hammer wieder zurückgiebt, ihn umarmt, u sich zu seiner Rechten sezt. Auf eben die Art, wird er wieder hinausbegleitet, aus-//genommen das Küßen, u die Hammer, welche in der Loge bleiben. 59. Art: Art, eine Deputation der Gr. Loge zu empfangen. ibidem. Wenn eine Deputation von mehrern Beamten der großen Loge, in eine Besondere Loge kommt; so muß der Logen-Meister, nach Oefnung der Loge, ihnen die fünf ersten Beamten entgegen schicken, davon vier mit blossen Degen, u der Redner, welcher ihnen auf einem Küßen die Hammer überreichet. Wenn sie in die Loge eingehen, stellen sie 359
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sich gehörig in Osten u Westen, und wenn sie den Zweck ihrer Absendung erfüllet haben, geben sie Hammer an den Logen-Meister, u die Aufseher zurück, welche alsdenn ihre Arbeiten fortsezen. Wenn sie wieder aus der Loge gehen, werden sie auf eben die Art wieder herausgeführet: die Hammer aber bleiben in der Loge. 60. Art: Verbot aller gedruckten Schriften ohne Erlaubniß der Gr. Loge. Es soll keiner Loge, oder irgend einem Bruder erlaubt seyn, Schriften, Lieder od. Bücher, welche die Maurerey betreffen, in den Druck zu geben; wenn sie nicht vorher der Revision und Recension der gr. Loge unterworfen u dieselbe ihre Einwilligung dazu ertheilt hat. // 61. Art: Oeconomische Logen. Zweymal des Jahrs, kurz vor dem St. Joh. Feste, u. vor Weynachten muß eine jede Loge ihre oeconomische Zusammenkünfte halten. wobey der Schazmeister den Schluß seiner Rechnungen vorlegen, den baaren Bestand seiner Casse darthun, und es jedem Bruder erlaubt seyn muß, selbige durchzusehen, u zu untersuchen. 62. Art: Zugleich werden auch bey diesen oeconomischen Zusammenkünften, die Cap. 3 art. 11 bestimmte Drittel der Receptions-Gebühren, und Armen-Gelder an die Gr. Loge abgesandt, nebst der beyzufügenden Berechnung. 63. Art: Am Sontag muß nicht gearbeitet werden. Der Sonntag ist der Tag des Herrn und darf also kein guter Frey-Maurer, u keine gute Loge, an diesen Tag nicht die allergeringste Freymaurerische Handlung, sie mag Nahmen haben, wie sie will, vornehmen. 64. Art: Von den Tafel-Logen. Zur Beobachtung der Gleichheit bey den Tafel-Logen, wird hiemit folgendes, in unsern Gesezen gegründetes Ceremoniel erneuert u festgesezet: // Wenn der Logen-Meister die Tafel-Loge gehörig geöfnet hat, so verrichtet er selbst ein kruzes Gebet, und bringt, während der Mahlzeit, die gewöhnlichen FreyMaurer-Gesundheiten, in folgender Ordnung aus: 1. Die Gesundheit unseres allerdurchlauchtigsten Königes, Bruders u Beschüzers der gr. Landes Loge (oder des Landes-Herrn) 2. Die Gesundheit unseres Durchl. Bruders, des Prinzen v. Preußen u der Königl. Familie. 3. Die Gesundheit des H[och] W[ürdigen] Landes Gros-Meisters, der großen Landes Loge, u der Groß-Officianten. 4. Die Gesundheit der großen Logen zu Stokholm, London u Paris 5. Die Gesundheit der Besuchenden Brüder, welche sich so gleich bedancken. 360
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6. Die Gesundheit der Neuaufgenommenen Brüder, wenn welche da sind. Bey dieser Gesundheit bleiben die Brüder sizen, der Neuaufgenommene aber muß stehen, u sich bedancken, indem der Ceremonien-Meister das Wort für ihn führet, u mit ihm zugleich trincket. Es stehet alsdann einem der Brüder Aufseher, oder dem Ceremonien-Meister frey, das Wort zu nehmen, und // die Brüder zu ersuchen, zu Bezeugung ihrer Danckbarkeit und Ehrfurcht gegen den Logen Meister, auf sein Wohl, nach unseren hergebrachten Gebräuchen zu trincken. Welches der Logen-Meister mit geziemenden Danck erwiedert. Zwischen den Gesundheiten, wird der Logen Meister, einem dazu schicklichen Bruder auftragen, Freymaurer-Lieder mit Einstimmung der besten Instrumente (wenn es sich thun läßt) zu singen: und wenn er es für dienlich hält, die Tafel-Loge zu schließen, so läßt er das Lied: Maurer! ächten Weisheit Kinder, u. s. f. singen. Bey deßen vorlezten Strophe der Bruder Schazmeister herumgehet, u von den Brüdern, zum Besten der Armen, eine milde Beysteuer einsammlet. Worauf noch das allgemeine Freymaurer-Lehrlings-Lied; Freres et Compagnons p gesungen, u nach Inhalt des lezten Verses, die Kette gemacht wird, zu der die Dienenden Brüder auch gelaßen werden, indem sie sich zwischen die Brüder Aufseher stellen. Wenn der lezte Vers dieses Liedes // dreymal abgesungen, u das nöthige dabey beobachtet worden, so bringt der Grosmeister 7. die Gesundheit, aller auf der Oberfläche der Erden zerstreuten u vereinigten Brüder aus worauf die Tafel-Loge geschlossen wird. IV. Capitel. Von den besonderen Pflichten eines jeden guten Freymaurers. 1. Art: Gegen Gott u die Religion. Ein Frey-Maurer ist verbunden, allen moralischen Gesezen zu gehorchen, u wenn er die Kunst wohl verstehet, wird er weder ein thörigter Gottes-Läugner, noch ein Leichtsinniger Freygeist seyn, sondern vielmehr ein aufrichtiger u redlicher Mann, zu welchen Glauben er sich auch bekenne; rechtschaffen, treu, sorgfältig in Beobachtung der Pflichten, die Gott, die Obrigkeit, sein Amt, u sein Nächster von ihm fodern können. Hieraus erhellet, das die Maurerey, der Mittelpunckt der Vereinigung, u das Mittel ist, welches Menschen aus allen Ständen, auf das genaueste verbindet, welches außerdem keine Gemeinschaft // miteinander haben würden. 2. Art: Gegen die Obrigkeit. Ein Freymaurer ist ein ruhiger Unterthan der bürgerlichen Gewalt, an welchen Ort er sich befinde oder arbeite; er muß sich niemals in schädliche, der öffentlichen Ruhe u dem Wohl des Staats zuwiederlaufende Rottierungen, u Verschwörungen einlaßen, noch seinen Vorgesezten ungehorsam seyn. Der der Krieg, das Blutvergiessen und die bürgerlichen Zerrüttungen dem Orden allezeit Schaden gethan haben; so sind vor alten 361
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Zeiten, Könige u Fürsten, und neuerlich Sr Königl. Maj. in Preußen um so geneigter gewesen, die Anhänger unserer Kunst zu beschüzen, da sie von ihren friedfertigen Gesinnungen, u ihre Treue hinlänglich überzeugt waren. Also müßen sie durch ihre Handlungen, die Verläumdungen ihrer Wiedersacher wiederlegen, u die Ehre der Brüderschaft aufrecht erhalten, welche immer in Friedens Zeiten im höchsten Flor gestanden hat. Sollte es aber möglich seyn, daß ein Bruder sich dennoch den Gesezen des Staats wiedersezen, so wird die Große-Loge, weit entfernet ihn zu unterstüzen, nicht einmal mit ihn, als mit einen Unglücklichen Mitleid haben; um // die ganze Brüderschaft, welche alle Aufwiegelungen verabscheuet, erklärt ihn aller Vorrechte unwürdig, welche mit den Nahmen eines Frey-Maurers verbunden sind, verbannet ihn aus allen regelmäßigen und guten Logen, indem sie keinen für einen Bruder erkennen kann, welcher gegen das erste Grundgesez der Brüderschaft verstößet, welches den Gehorsam, u die Treue gegen seinen rechtmäßigen Landesherrn einschärfet. 3. Art: Von den Logen. Eine Loge ist ein Ort, wo die Frey Maurer sich zur Arbeit versammlen. Jeder Bruder muß zu einer solchen Loge gehören, u sich sowohl ihren besonderen, als den allgemeinen Verordnungen der G. L. L. unterwerfen. Um sich aber genauer damit bekannt zu machen, muß er die Versammlungen der Brüder fleißig; u so oft besuchen, als es seine Geschäfte erlauben, welche er aber desfalls nicht verabsäumen darf. 4. Art: Eigenschaften eines Suchenden. Die Eigenschaften welche schlechterdings von einen Aufzunehmenden erfodert werden, sind: daß er von allgemeinen guten Leumund, ein rechtschaffener u ehrlicher Mann sey, von reifen Alter, gesezter Denckungs-Art, u in keiner // Art ausschweifend. 5. Art: Von den verschiedenen Stufen in der Frey Maurerey, vom Lehrling bis zum Gros Meister. Alle Beförderungen in der Frey-Maurerey gründen sich auf den innern Werth, u die persönlichen Verdienste, damit das Werck gut von statten gehe, die Brüder gegen alle Vorwürfe geschüzt seyn, und die Königliche Kunst nicht in Verachtung kommen möge. Was die Arbeit eigentlich sey, und worinnen sie bestehe, kann hier nicht beschrieben werden. Die Brüder aber müßen dabey aufmercksam seyn, u sie, auf eine der Kunst eigenen Art erlernen, denjenigen aber, welche unter uns aufgenommen zu werden verlangen, sey es hinlänglich zu wißen: das kein Meister mehr Lehrlinge annehmen darf, als für welche er hinlängliche Arbeit hat, daß sie gesund, u ganz ohne Mangel u Gebrechen am Cörper, von aufgeklärten u munteren Verstande seyn, und Fähigkeiten genug besizen müßen, die Kunst zu erlernen; ihren Meister zu dienen, um zu ihrer Zeit, in die höheren und höchsten Grade des Ordens befördert zu werden. Auch müßen sie von ehrlichen Eltern abstammen, Freygebohrene, u keine Leibeigene // seyn; damit sie
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zu der Ehre gelangen können, eine Aufseher-Stelle zu erhalten; hernach selbst LogenMeister, Groß-Aufseher, u endlich gar Landes-Gros-Meister zu werden. 6. Art: Keiner kan das Amt eines Aufsehers erhalten, er sey denn zuerst Meister; noch LogenMeister werden, wenn er nicht Aufseher gewesen, ausgenommen, bey außerordentlichen Fällen, als, bey Errichtung einer neuen Loge, oder wie es schon den den vorhergehenden Verordnungen festgesezt worden. 7. Art: Zu Groß-Aufseher, oder zum Landes-Gros-Meister aber müßen ganz besonders geschickte, u in der Kunst wohl erfahrene Brüder, gewählet werden. Der Gros Meister muß auch von adelicher Abkunft, ein großer Gelehrter, oder ein geschickter Architect, oder sonst ein berühmter Künstler seyn, deßen große Fähigkeiten, und Geschicklichkeit der ganzen Brüderschaft bekannt sind. 8. Art: Diesen hohen sowohl, als niedern Beamten der Gr. L. L. ingleichen den Beamten der einzelnen St. Johann-Logen, müßen die Brüder gebührende Ehre erweisen, mit // aller Achtung, Liebe, Ehrfurcht u möglichen Eifer, welche die alten Verordnungen u Geseze der Ehrwürdigen Brüderschaft erheischen. 9. Art: Ordnung bey der Arbeit. Alle Maurer müßen sechs Tage rechtschaffen u redlich arbeiten; damit sie am siebenten sich ausrühen, u ihr hinlängliches Auskommen haben mögen. 10. Art: Der erfahrenste Meister, wird zum Logen-Meister erwählet. Er muß die Arbeit treu, u fleißig führen, mit den Mitteln der Loge, als mit seinen eigenen umgehen, den Brüdern den gebührenden Lohn austheilen, aber nicht mehr, als ein jeder wircklich verdienet. 11. Art: Sowohl der Meister, als die arbeitende Maurer, welche ihren Lohn richtig empfangen, müßen ihre Pflichten treulich nachkommen, u das werck redlich vollenden; es sey verdungen oder auf Tage-Lohn gesezt; aber keine Arbeit verdingen, welche gewöhnlich nach Tage-Lohn gemacht wird. 12. Art: Keiner muß das Glück, u den guten Fortgang der Arbeit seines Bruders beneiden, oder ihn aus // der Arbeit zu sezen suchen, wenn er geschickt genug ist, das angefangene Werck selbst zu vollenden; da keiner mit mehreren Vortheil die Arbeit enden kan, als 363
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der, welcher sie angefangen hat; es sey denn, daß er völlig von der Absicht des Ersteren unterrichtet sey. 13. Art: Derjenige Bruder, welcher zum Aufseher des Wercks bestellet worden, muß so wohl dem Meister als der Loge, treu seyn, deren Arbeit er in Abwesenheit des Meisters regieret; u die Brüder müßen ihm Gehorsam leisten. 14. Art: Ein jeder arbeitender Maurer, muß seinen Lohn zur bestimmten Zeit, ohne Murren u Meuterey empfangen, u den Meister nicht eher verlaßen, als bis das Werck vollbracht sey. 15. Art: Neu aufgenommene Brüder, müßen von der Art ihrer Arbeit wohl unterrichtet werden, um so wohl dem Verderben der Materialien zuvorzukommen, als auch um die brüderliche Freundschaft zu vermehren, u zu bevestigen. 16. Art: Aufführung der Brüder 1.ens nach der Loge. Wenn die Loge geschlossen worden, so ist es den Brüdern erlaubt, noch zusammen zu bleiben, um sich // einen stillen, sanften, u reinen Vergnügen zu überlaßen, um sich nach ihren Vermögen einander zu bewirthen. Doch müßen sich schlechterdings alle Ausschweifungen vermeiden, und man kan keinen Bruder zwingen, gegen seine Neigung zu eßen, oder zu trincken, oder ihn verhindern nach Hause zu gehen, wenn seine Geschäfte es verlangen. Es muß nichts gesagt oder gethan werden, was irgend jemanden beleidigen, oder auch nur den freyen, ungezwungenen, und angenehmen Umgang der Brüder u die sanfte Harmonie stöhren könte, wodurch die Brüderschaft ihren größten Glanz erhält. Derohalben muß niemals von irgend einer profanen Streitsache in der Loge geredet werden; u noch weniger ist es erlaubt, Religions oder Staats Streitigkeiten auf das Tapet zu bringen, weloche allezeit dem Wohl der Brüderschaft höchst schädlich sind, da sie aus Menschen von allen Ständen, allen Secten, allen Völckern, u allen Sprachen bestehet. 17. Art: 2t außer der Loge. Wenn Sich Brüder außer der Loge an einem besondern Ort, // und nicht in Gegenwart von Fremden treffen; so grüssen sie einander, so wie es bey uns gebräuchlich, u es ihnen gelehrt worden ist; begegnen sich einander als Brüder, u geben sich wechselseitigen Unterricht, jedoch mit Vorsicht, damit sie von niemanden gehöret, oder belauschet werden. Sie müßen dabey nicht in Streit, und unangenehmen Wortwechsel gerathen, u der unerfahrene nicht klüger seyn wollen, als der Erfahrene, sondern vielmehr aufmercksam, auf die Lehren des erfahrnen seyn.
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18. Art: In solchen Privat-Gesprächen muß die vorzügliche Achtung, die man Brüdern von höheren Stande schuldig ist, nicht aus den Augen gesezt werden, u niemand auf den Wahn kommen, das weil sie Brüder sind, man ihnen weniger Hochachtung schuldig sey, als wenn sie es nicht wären. Die Frey-Maurerey vermindert das Ansehen, u die Vorrechte eines Mannes von Stande unter den Brüdern nicht, sie erhöhet es vielmehr; besonders, wenn ein solcher Bruder // sein Ansehen, seine Fähigkeiten pp zum Nuzen der Brüderschaft angewandt hat; welches sie allemal erkennen wird, da sie genau weiß, einen jeden das seinige zu geben. 19. Art: 3t In Gegenwart der Fremden, so nicht F. M. sind. In Gegenwart Fremder, die nicht Maurer sind, müßen die Brüder sich besonders klug, u vorsichtig betragen; um den klügsten u scharfsinnigsten nicht etwa durch Geberden, Worten u Handlungen, Anlaß zu geben, Sachen zu entdecken, welche wir geheim zu halten verbunden sind. Alle unbescheidene und verfängliche Fragen, müßen von den Frey-Maurern klüglich ausgewichen u abgelehnet werden. 20. Art: 4t. Zu Hause, u in der Nachbarschaft. Freye-Maurer müßen sich als wohl gesittete u weise Menschen aufführen, ohne ihre Familie, Freunde, Verwandten, u Nachbaren, das geringste von den Geheimnissen der Loge zu offenbahren; so wie es ihre eigene u die Ehre des Ordens erfodert, aus gewissen Ursachen, welche man hier nicht anführen will. Sie sind treue u zärtliche Ehe-// männer, gute u doch strenge Väter, gehorsame und erkenntliche Kinder, redliche und aufrichtige Freunde, friedfertige und stelle Nachbarn. Auch die Pflichten gegen sich selbst, beobachten sie auf das genaueste. Sie müßen Sorge für ihre Gesundheit tragen, nicht zu lange nach geschlossener Loge von Hause bleiben, ihre weltliche Geschäfte gehörig verstehen, und Schwelgerey, Unmäßigkeit und Unzucht fliehen, um sich nicht dadurch außer Stand zu sezen, für ihr, und ihrer Familie Wohl, die gebührende Sorge zu tragen. 21. Art: 5t. gegen einen fremden Bruder. Wenn ein Fremder sich für einen Frey-Maurer ausgiebt, so muß man ihn sorgfältig untersuchen, und erforschen, um nicht durch unwissende und unkundige Leute hintergangen zu werden, welche man mit Verachtung u Spott abweisen, u sich wohl hüten muß, ihnen den geringsten Lichtstrahl mitzutheilen. Wenn man aber entdeckt, daß der Fremde ein rechtmäßiger Bruder ist, so muß man ihm, als einen solchen aufnehmen, u wenn er sich // in Noth befände, ihn allen möglichen Beystand leisten, oder ihn wenigstens Mittel an die Hand geben, wo ihm geholfen werden könne; indem man allezeit einen nothleidenden Bruder, jeder andern Person welche sich in der nemlichen Verlegenheit befindet, vorziehen muß.
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22. Art: Kurz, ein guter Frey-Maurer muß beflissen seyn, in allen Stücken, den wohlthätigen Einfluß der Brüderschaft hervorleuchten zu laßen: denn so habe alle gute Freymaurer von Anbeginn der Welt gehandelt, u so werden sie bis an das Ende der Tage fortfahren. Quelle: GStA PK, FM, 5.1.3. Nr. 744 Bl. 35–42r. – Transkription Uta Motschmann. – Die kursiv gesetzten Passagen sind von anderer Hand auf den linken Blatträndern später hinzugefügt worden.
Strikte Observanz I) Entwurf für die Statuten der Strikten Observanz aus dem Jahr 1753 Constitutions-Puncte / vor / Die Fr[ei] Maurer / in VIII Abtheilungen §. 1. Was ein Fr[ei] M[aurer] von der M[aurer]ey überhaupt dencken soll Es sind viellerley Uhrsachen welche Fr[ei]M[au]rer hervorbringen, und nach diesen Uhrsachen richtet sich der Eyfer und die Aufführung eines neu aufgenomenen Br[uders]. Einige begeben sich in den Orden aus einer besondern HochAchtung für denselben. Sie sehen so viele vernünfftige Menschen sich unter einander vereinigen; dieses gefält ihnen und sie wünschen mit denselben verbunden zu seyn. Ein solcher Bewegungs-Grund ist der schönste unter allen. Andere werden aus Vorwiz F[rei] M[aurer]. Sie verlangen ein Geheimniß zu besitzen, welches in der Welt so viel zu reden macht. Unstreitig ist diese Uhrsache Strafbahr. Sich aus bloßer Neugier mit einer unbekanten Sache einzulaßen ist eben so viel, alß sich einer anscheinenden Gefahr auszustellen, und aus der Absicht um sie kennen zu lernen. Die dritte Arth kan aus einem unüberwindlichen Triebe entstehen alles mit zu machen, was Mode ist. Dieser Bewegungs-Grund ist der lächerlichste unter allen. Niemahls bringt er eyfrige Brüder hervor. Man leget den M[aurer] Schurz mit den altmodischen Kleidern ab, und ist niemahls ein Fr[ei] M[aurer] alß den Nahmen nach gewesen. Der Orden hat sich ein Gesetz gemacht keinen neu aufgenommenen Br[uder] sein ganz Geheimnüß anzuvertrauen. Die Behutsamkeit hat diese Regel hervorgebracht. Der O[rden] der nicht allmahl die aufzunehmenden Br[üder] volkommen kennen kan, und der weiß, wie schwer das Geheimniß wiege, würde // ohne diese Fürsicht sehr schlecht für seine Erhaltung sorgen. Der Vorwitzige würde zu viel erfahren, und der um der Mode willen gewordene Br[uder] würde vielleicht etwas lernen, das ihm nicht so wichtig vorkähme als die neue Figur eines Aufschlages. Dieses Gesetz muß keinen neuen Br[uder] der ein vernünfftiger Mann ist, abschrecken Es muß im Gegentheil seine HochAchtung gegen den Orden vermehren. Eine Behut366
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samkeit die in ihren Schritten gewis gehet ist verehrungs würdig, und die Probe, die mann auf eine solche Arth mit der Verschwiegenheit machet ist sicher. Weil aber einige seyn können, so sich an die Gewohnheit also mit Ihnen zu verfahren stoßen, so soll mit kurtzen gezeigt werden was ein Fr[ei]M[aurer] von der Fr[ei] M[aurerei] überhaupt dencken müße. Ein ieder rechtschaffener Bruder soll eine unüberwindl[iche] HochAchtung gegen seinen Orden hegen, und mit den ersten Eintritt in denselben kann er glauben, daß er mit einer sehr wichtigen Sache zuthun habe. Die Ceremonien bey seiner Aufnahme muß er nicht für wesentliche Stücke des O[rd]ens sondern für Merckzeichen ansehen, die sich seinem Gemüth eindrücken sollen. Inzwischen ist es nützlich und gut für ihn, wenn er den Gebräuchen, und allem demjenigen, was mit ihm vorgenommen worden fleißig nachdencket. Seine Obern versichern ihn heilig, daß das geringste hiervon seinen guten Grund habe. Mann würde der Denckungs Arth vernünfftiger // und redlicher Leuthe sehr unrecht thun, wenn man sich einbilden wolte, daß sich die Fr[ei] M[aurer] mit nichts beschäfftigten; daß sie sich zusammen verbunden hätten ohne einen gewißen Entzweck zu haben. Es solches Urtheil ist eine übertriebene Klügeley derer so außer den Orden leben, der Feinde, so nicht leiden können daß die □ [Loge] ein Geheimnüß besitzen soll. Gedancken von dieser Arth dürfen bey einem neuen Br[uder], er habe um so wenige Erfahrung alß er wolle, nicht Wurzel faßen. Sie sind alzu gefährlich weil sie höchst strafbar sind, und berauben ihn aller Hoffnung in den Graden unsers Ordens weiter fort zu kommen. Mann kan einen jeden versichern daß der O[rden] höchst gütig und höchst danckbahr sey: Zugleich aber muß er auch wißen, daß er an seinen Verächtern oder leichtsinnigen Gliedern sich räche. Wenn er sie zu erst ihrem Schicksaale überläßet, und sie bey dem Verlust aller Beßrung als faule Gliedmaaßen von seinem schönen Cörper trennet. Wenn in unsern Schrifften und von unsern Obern die M[aurere]y eine Kunst genennet wird, und von einem Baue geredet wird, so kan man dieses alß eine besondere Sprache des O[rdens] aufnehmen. Inzwischen wird mit allen diesen Wörtern ein gewißer Begriff verknüpffet. Mann ist nicht gewohnet ihn zu erklähren man überläßet ihn vielmehr der Überlegung und dem eignen Nachdencken fleißiger Brüder. // Dieses ist mit wenigen was ein jeder Br[uder] von der M[aurerei] überhaupt dencken soll. Dasjenige was er weiter in diesen Blättern lesen wird, kan ihm zeigen wie nöthig es gewesen eine algemeine Vorschrifft hierüber vorausgeschickt zu haben. §. 2. Von der allgemeinen Denckungs Arth eines F[rei] M[aurers] Ein ieder Mensch hat seine ihm eigne Denckungs Arth, aus welcher hernach seine Gesinnungen entspringen. Die Denckungs Arth ist fast so mancherley, alß es einzelne Menschen giebet, und die Ähnlichkeit so sich unter den verschiednen Arthen derselben befindet, ist die Mutter der Freundschaft.
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Die Fr[ei] M[aurer] sollen sich dahero angelegen seyn laßen, über die vorkommenden Dinge auf eine ziemlich gleiche Arth zudencken. Dieses ist der Kitt ihrer Vereinigung, der Ursprung ihres Vergnügens, und daßjenige wodurch sie sich ihr Leben erträglich und ihre Tage kostbahr machen. Ein Bruder der seinen Verstand schärfen und einstens mit demselben dem Orden dienen wil, muß von dem ihm vorkommenden Dingen und Gegenständen, so bey sich urtheilen, alß sie würcklich sind. Das sicherste Mittel hierzu ist, sie von den Umständen abzusondern, unter denen sie sich seinen Augen vorstellen. Der Unterschied der Stände und des Glücks gelten in seinen Begriffen nichts, // ob es gleich die Klugheit erfordert es zu verbergen. Auf diese Weise bleibet ihm das Laster in der Hoheit so gehäßig alß im Staube; die Tugend im Kittel so liebens würdig alß auf dem Throne. Hierinn bestehet die rechte Freyheit im Dencken. Diejenigen so sie vor ihrer Aufnahme in den O[rden] besitzen, sind eigentlich die Freygebohrnen so würdig geachtet werden, in das H[eilig]thum zutretten. Die M[aurere]y hat sich gewiße Wörter zum Sinnbilde erwählet, alß da sind, Freyheit, Schönheit, Gleichheit, Stärcke p Wörter mit welchen sie wichtige Begriffe verbindet. Ein wahrer Br[uder] muß über ein jedes nachdencken. Er muß gleichsam ein jedes davon seiner Denckungs Arth ein verleiben. Wer ohne Vorurtheile das ist wer Frey dencket, kan sich einer Stärcke des Geistes, einer Gleichheit der Gesinnungen, einer schönen Seele rühmen. Ein rechter Br[uder] muß um dieser Absicht willen, auf sich selbst und auf das innerste seiner Gedancken Acht geben. Einem Gegenstand bey einer aufsteigenden Leidenschafft zu betrachten, ist eben so viel alß mit Vorurtheilen zu dencken. Und wo diese sind da fehlet die Freyheit. §. 3. Von der Beschaffenheit des Hertzens Hierauf gründen sich die Empfindungen des Hertzens welche der Fr[ei] M[aurer] haben soll. Ein gutes und ein böses Hertz sind Dinge, wovon täglich geredet, wovon man stündlich Erscheinungen gewahr wird, ohne eigentlich im Stande zu seyn, sie zubeschrei-//ben. Das gute Hertz muß empfinden und das böse an andern erkandt werden. Von dem letztern sind die Unruhe des Geistes, und die Unbeständigkeit in den Handlungen sichre Merckmahle. Ein Fr[ei] M[aurer] muß ein gutes ein großmächtiges Hertz haben; weil es die Quelle aller der gutten Eigenschafften ist so man von einem wahren B[ruder] verlangt. Dieses ist die Grund Regel wornach Br[üder] so sich aufnehmen laßen wollen, müßen beurtheilet werden. Ein Mensch mit einen bösen Herzen ist ganz und gar untüchtig für den Orden Warum? Er ist untüchtig zur Freundschafft. Wird ein Br[uder] eines solchen Mitgliedes gewahr so kan er sicher glauben, daß er durch unrechte Wege oder weil er nicht gnugsam erkandt worden in die □ [Loge] gekommen. Es ist schwehr alle Merckmahle eines gutten Hertzens zubestimmen. Das böseste Gemüth berget auf einige Zeit das Ansehen des guten. Inzwischen bleibet doch eine Re368
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gel gewiß. Ein Mensch der nicht empfindet, der nicht mitleidig ist, der alles in Beziehung auf sich und aus Eigennuz thut, hat nimmermehr ein gutes Herz. §. 4. Von den nöthigen Eigenschafften eines Fr[ei] M[aurers] Die nöthigsten Eigenschafften so die □ [Loge] von ihren Gliedern fordert machen eines Fr[ei] M[aurers] Tugenden aus; Tugenden so ihn auch außer dem Orden können glücklich machen. Ein theil davon entspringet aus der oben beschriebenen Beschaffenheit // des Hertzens; der andere wird durch die Einrichtung des O[rdens] nothwendig. Die Uneigennützigkeit Die Uneigennützigkeit gründet sich auf das gutte auf das gros müthige Hertz. Ein Mensch der das Geld liebet wird es allezeit mehr lieben alß seine Freunde. Gütter müßen als ein Mittel wodurch man lebet nicht aber als ein Gegenstand um deßwillen man hier ist angesehen werden. Um die Uneigennützigkeit auf die Probe zustellen haben die □ [Loge] vor langen Zeiten feste gesetzet, ein geringes Geld von einem aufzunehmenden Br[uder] zufordern; deßen seine Umstände durch eine so kleine Summe nicht verschlimmert werden. Bey einem Br[uder] den die Noth drücket fält diese Probe hinweg, und er muß durch andere Wege erkandt werden. Es ist ferne das diese Uneigennützigkeit die Thür zur Verschwendung eröfne. Ein Verschwender ist nur freygebig in Beziehung auf sich selbst. Sein Vergnügen und die Beförderung seines eiteln Ruhms öfnen seinen Beutel. Die Grosmuth ist von einer andern Arth. Sie ist eine Haushälterin die ihren Vorrath nur zur Zeit der Noth aufthut. Die Gef älligkeit Auch die Gefälligkeit, eine wichtige Tugend der Fr[ei] M[aurer] wird durch das gute Hertz hervorgebracht. Das redliche Wesen eines gutten Willens gefält ohne Zwang; Das Gefällige zwischen Freunden machet ihren Umgang immer angenehmer; es nähret das Feuer der Freundschafft, welches, wenn es nur allein durch würckliche Dienstleistungen unterhalten werden solte, gar bald verleschen [!] würde. Ein Br[uder] // muß dahero gegen den andern so viel Gefälligkeit haben, alß ihm möglich ist. Niemahls muß er seinen Bruder einen Zwang anthun, oder ihnen zur Last seyn. So wird der Kaltsinn verhindert, und die Freundschafft dauerhafft gemacht. Die Br üderlichkeit Wer mit einer festen Denckungs Arth einig geworden, sichere Gesinnungen heget, und richtige Entschlüßungen faßet der ist in seinem Gemüthe beständig. Der O[rden] verlanget mit Recht von seinen Mitgliedern die Beständigkeit; weil er sich auf einen wanckelmüthigen Menschen niemahls eine sichere Rechnung machen kan. In dieser Beständigkeit lieget der Eyfer für den Or[den] eine Eigenschafft, welche uns unsere Obern so häufig anpreisen der Eyfer, welcher durch fleißige Zusammenkünffte unterhalten, und durch den Umgang mit rechtschaffenen Br[üdern] vermehret werden muß. 369
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Die Ver schwiegenheit Unter den Eigenschafften so man O[rdens] Tugenden nennen könte, hat die Verschwiegenheit den vornehmsten Plaz. Ihr vertrauet der Orden seine Geheimnüße an, weil er sich unter ihrem Schuz sicher zu seyn düncket. Diese Tugend ist nicht so leicht auszuüben alß man glaubet. Es giebet Leuthe denen ein Geheimnüß eine unerträgliche Last zu seyn scheinet. Sie haben die Gewohnheit, sich mercken zulaßen daß Sie etwas verschweigen sollen; und dieses ist der erste Schritt zur Entdeckung. Ein Fr[ei] M[aurer] fliehet dieses Kindische Bezeigen. Bey den größten Geheimnüßen müßen seine Reden so gleichgül-//tig seyn, alß wenn er von nichts wüste, und auf diese Weise kostet ihm das Schweigen keine Mühe. Die Behutsamkeit Die Behutsamkeit muß die Verschwiegenheit begleiten. Sie erstrecket sich aber noch weiter alß die letztere. Denn sie giebet nicht allein auf die Reden sondern auch auf die Handlungen Acht. Sie ist es, die mit dem unter uns bekandten Kennzeichen, wodurch man frembden Br[üdern] Gelegenheit geben kan sich zuentdecken; so sparsam verfähret. Sie muß einen Fr[ei] M[aurer] in die Gesellschafften begleiten und daselbst muß ihr kein Wort keine Mine entgehen. Sie hält die Gegenwart des Geistes eine fürtreffliche Eigenschafft für einen Eyfrigen Br[uder] in beständiger Munterkeit. Die Uner schrockenheit Der Or[den] begehret von seinen Mitgliedern daß sie unerschrocken seyn sollen. Die Unerschrockenheit ist das Siegel der Verschwiegenheit. Nimmermehr ist ein Geheimnüß vor der Gewalt sicher, wenn derjenige so es bewahren soll, nicht genug Muth und Standhafftigkeit besitzet, die drohende Gefahr zu verachten. Es erinnere sich ein Br[uder] desjenigen so man bey seiner Aufnahme mit ihm vorgenommen und wird erkennen, daß die □ [Loge] eine solche Eigenschafft stillschweigens von ihm verlanget haben. §. 5. Von der Aufführung eines Br[uders] gegen den O[rden]
□ [Loge].
In der Nach diesen Eigenschafften soll ein Fr[ei]M[aurer] seine Aufführung einrichten. Der O[rden] ist seiner // ersten und grösten Aufmercksamkeit würdig, und die □ [Loge] ist derjenige Orth, wo er in seiner Liebenswürdigsten Gestalt erscheinen soll. Wenn eine □ [Loge] zusammen gerufen wird so soll sich ein jeder Br[uder] angelegen seyn laßen, dabey erscheinen zu können. Es müsten ihn denn trifftige Uhrsachen daran verhindern, und ist er verbunden solche seinen Obern bekandt zumachen. Sobald die □ [Loge] eröfnet muß sich ein jedes Mitglied derselben angelegen seyn laßen, die Gewohnheiten und Gebräuche des Ordens zubeobachten. Unsere Vorfahren haben ihre gute Uhrsachen gehabt sie einzuführen. Ein Mensch der nicht im Stande ist wenige Stunden auf sich Achtung zugeben, von deßen Behutsamkeit kan man in seinen übrigen Handlungen, sich wenig gutes versprechen. 370
Strikte Observanz
Gegen die Obern muß ein jeder Br[uder] so lange alß die □ [Loge] währet eine Ergebenheit bezeigen welche aus Hochachtung und Liebe entspringet. Er hat sich freywillig in einen Orden begeben von dem er glauben konte daß er Obere hätte. Er hat sich also bey seiner Aufnahme freywillig anheischig gemacht, den schuldigen Gehorsam zuleisten. Sein Versprechen ja sein Eyd verbinden ihn darzu. Und wie leicht wird es ihm fallen zu gehorsamen wenn er sich unsern Or[den] alß eine Familie vorstellet, wo man aus Liebe und ohne allen Zwang folget. Gegen die Br[üder] muß mann sich in der □ [Loge] aus allen Kräfften liebreich und gefällig erweisen und auf diese Arth das allgemeine Vergnügen befördern. Solte ein Bruder wieder vermuthen von einer plötzlichen Melancholey derer er sich ganz und // gar nicht entschlagen könnte, überfallen werden, so stehet es ihm frey nach gebethener Erlaubniß die □ [Loge] zuverlaßen und den vergnügten Bruder die Traurigkeit seiner Minen zu entziehen. Eben so wohl ist aber auch die übermäßige oder die ausgelaßene Lust, welche mehr Unmuth alß Vergnügen zurückläßet, gäntzlich zu vermeiden. Hat ein Br[uder] was zu erinnern so muß er solches mit aller Bescheidenheit, und nach den Regeln des Or[dens] vorbringen, doch muß man sich hütten einen Bruder wegen Kleinigkeiten allzu offt anzugeben. Es hat dieses keinen andern Vortheil, alß denn Saamen eines gewißen Verdrußes auszustreuen. Um eben dieser Uhrsach willen müßen alle Spottereyen, so eine Empfindlichkeit erwecken könnten, schlechterdings aus der □ [Loge] verbannt seyn. Der Wahlspruch unserer Versammlung ist einigkeit und Vergnügen. Ein Br[uder] der nachdencket wird sich also von selbst bemühen etwas zuerhalten, welches alle menschliche Gesellschafft begeistern solte. Außer der □ [Loge]. Außer der □ [Loge] sind die Br[üder] verbunden sich gegen einander alß vertraute Freunde aufzuführen. Ihr Umgang muß durch Liebe und Hochachtung beseelet werden und mit einem Wort so eingerichtet seyn, daß er den Profanen in die Augen falle, und von Ihnen bewundert werde. In diesen Umgange muß man die oben angeführten Tugenden, die uneigennützigkeit und Gefälligkeit anwenden. Wenn ein Bruder den andern etwas vertrauet, so muß es ihm heilig seyn. Niemand auch kein anderer Br[uder] darf es Erfahren, denn die allgemeine Vertraulichkeit // des Ordens muß den besondern Gesetzen der Freundschafft nicht zuwieder laufen. Es ist oben gesaget worden, daß es Br[üder] mit einem bösen Hertzen geben könne. Eigennützigkeit, Anverwandschafft, Unwißenheit der Obern, und andere unrichtige Wege können sie in die □ [Loge] geführet haben. Gegen solche Br[üder] muß mann sich einer gantz besondern Behutsamkeit im Umgange bedienen. Mann muß sich so wenig mit ihnen, alß es seyn kan zuthun machen, und sie doch dabey nicht gäntzlich verstoßen. Sonst würde das Ansehen des Or[dens] darunter bey den Profanen leiden, weil Sie vielleicht wißen können, daß obige, obgleich unächte Kinder dennoch zum Orden gehören. 371
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In Erkändtnüß frembder Br[üder] muß man eben so behutsam seyn. Es ist ein Fehler vieler Fr[ei]M[aurer] daß sie ihnen ein Geschäfft seyn laßen, frembde Br[üder] auszumachen. Um dieser Uhrsach willen sagen Sie es nicht allein denen Leuthen daß sie Fr[ei]M[aurer] sind, sondern sie sind auch so freygebig und unbehutsam mit den Kennzeichen, daß Sie aus Blinden Eyfer wieder ihre eigene Pflicht handeln. Wenn mann also ja einen Br[uder] erkennen will so muß man ihn aus seinen Handlungen beurtheilen. So wird man die würdigen heraus finden, und die Erkändtnüß eines eintzigen würdigen Br[uders] ist beßer als die von zehn andern, so nur den Nahmen nach Fr[ei] M[aurer] sind. Überhaupt muß man sich angelegen seyn laßen dem Or[den] durch seine Aufführung zu dienen. Es ist dieses der Weg zu dem guten Ruf und der Ausbreitung // des hohen O[rdens]. Da nun die letztere einem jeden Eyfrigen Br[uder] an dem Hertzen liegen muß so ist seine Pflicht dem Orden durch sein Bezeigen Ehre zumachen. §. 6. Von der Aufführung gegen Frembde oder Profanen Ein Fr[ei]M[aurer] höret niemahls auf ein Mensch zu seyn, die M[aurere]y soll ihn vielmehr noch Menschlicher machen. Die Profanen müßen dahero nicht als Unthiere betrachtet werden, denen man auf eine gehäßige Arth begegnen könne. Sie sind gleichsam die Schule, woraus man einen fruchtbringenden Stamm nach den andern ausheben und in unsere □ [Loge] verpflanzen soll. Mann muß diesert wegen Höflichkeit und Bescheidenheit gegen sie anwenden, und es ist nöthig daß sich ihnen der Or[den] in der angenehmsten Gestalt von der Welt zeige. Wie leicht ist dieses zuerlangen, wenn sich ein jeder Bruder bestrebet die Eigenschafften eines wahren Fr[ei]M[aurers] zubesitzen, und sie nicht allein vor seinen Br[üdern] sondern auch vor andern Leuthen leuchten zulaßen. In zwischen ist es nöthig in den Umgang mit Profanen eine gewiße Behutsamkeit blicken zulaßen. Es giebet neugierige Leuthe, welche so bald sie hören daß jemand ein Fr[ei] M[aurer] ist, sich angelegen seyn laßen ihn auszuforschen. Weil sie nun niemahls so fein seyn können, daß mann es nicht mercken solte so ist es leicht sich vor den Nachstellungen dieser Leuthe zuhütten. Wenn Sie in ihren Reden auf die Fr[ei]M[aurerei] kommen, so muß mann den Discours nicht verfolgen sondern abbrechen, und daß um so viel mehr, wenn sie in // ihren Reden von ungefähr darauf gekommen und nicht gewust haben, daß mann ein Br[uder] ist. Wie unrecht thun also diejenigen, welche immer auf der Zungen tragen, daß Sie dem Or[den] angehören. Es ist diese Eitelkeit die zu nichts hilfft. Sie dienet zu nichts weiter alß daß sie öffters im Fall man sich etwas darauf einbildet, andere Leuthe beleidiget, und zu einem Streite Anlaß giebet, der dem Or[den] jederzeit nachtheilig ist. Da der übermäßige Trunck darzu leichtlich Gelegenheit geben kan, so muß sich ein jeder Br[uder] für denselben hütten. Solte er sich aber dennoch betruncken haben, so muß er zu der Zeit seine Zunge aus allen Kräfften bändigen; hierzu hilfft daß man sich im nüchtern Muthe fest vorsetze niemahls von Sachen zu reden so den Orden angehen. Höret ein Bruder von der M[aurere]y übel reden und er weiß daß man ihn nicht dafür halte in der Geselschafft, so kan er entweder dazu stillschweigen, oder dieselbe mit aller Bescheidenheit vertheidigen; doch so, daß er sich nicht alzu deutlich mercken laße, daß 372
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Er ein Fr[ei]M[aurer] sey. Ist ihm aber bekandt daß mann in der Gesellschafft wiße, daß er ein Br[uder] sey, so wird nicht allein in den Lästerungen der Or[den] sondern seine eigene Persohn beleidiget. In diesen Fall wird ein jeder Br[uder] wißen, was einen Ehrliebenden Manne zuthun oblieget. Zuletzt ist hierbey noch anzumercken wie mann sich bey dieser Überredung oder so genandten Anwerbung neuer Br[üder] zuverhalten habe. Ist iemahls Klugheit und Behutsamkeit nöthig so ists es hier; theils um den Or[den] tüchtige Mit-//glieder zu verschaffen, theils seine Sachen so gewiß zu seyn, daß man keine abschlägige Antwort erhalte, weil daß letztere allezeit unangenehm ist. Es gehöret eine große Kenntnüß des Menschen darzu, in der Wahl neuer Mitglieder sicher zu gehen, und um dieser Uhrsachen willen, muß sich ein Fr[ei]M[au]rer darauf legen seine Menschen kennen zulernen. §. 7. Von der wahren Ehre eines Fr[ei]M[aurer]s Weil es allen Menschen sehr nützlich ist sich von der wahren Ehre richtige Begriffe zu machen, so muß auch der Fr[ei] M[aurer] wißen worinnen seine wahre Ehre, sein eigentlicher Ruhm bestehe. Seine Gedancken müßen hierinnen so rein, alß sein Hertz und seine ganze Denckungs Arth seyn. Der Grund worauf er seine Ehre bauen soll, ist zeitlebens ein ehrlicher ein rechtschaffener Mann (honnet-homme) zubleiben: den Or[den] und jeden redlichen Br[uder] aus allen seinen Kräfften zu dienen. Hat ihn die Vorsehung in ein Weltliches Amt in eine gewiße EhrenStelle gesetzt, so muß er seinen Ruhm darinnen bestehen laßen, seiner Pflicht nach seinen Gewißen ein Gnüge thun. Will man ihn worzu brauchen, das dem Charakter eines ehrlichen Mannes zuwieder läufft, so muß er Standhafftigkeit gnug haben, es abzuschlagen. Keine Menschen Furcht, kein anscheinendes Glück muß im Stande seyn, ihn aus seiner Gemüths Verfaßung zubringen. Diß ist der Probier Stein seiner Standhafftigkeit, seiner unerschrockenheit, und mit einem Worte die Zeit, // wo der gröste Theil seiner Tugenden in den völligen Licht erscheinen soll. §. 8. Von der Arbeit eines Fr[ei] M[aurer]s Die Arbeiten eines Br[uders] sind so mancherley als die Absichten des Ordens seyn können, fürnehmlich muß seine Beßerung seinen Fleiß beschäfftigen. Seine natürliche und durch die Kunst erlangte Geschicklichkeit muß den Or[den] allezeit zu Dienste stehen. Was ihm von seinen Obern aufgetragen wird, muß er mit Bereitwilligkeit ausführen, ohne die Kühnheit zuhaben, ihre gantze Absicht zu erforschen. Den Müßigang muß er aus allen Kräfften fliehen; denn außer dem wird die Zeit, die ihm sonsten zu schwer fält zum bösen verschwendet. Auf diese Weise wird er ein MitArbeiter an dem allgemeinen Bau das ist, er befördert das beste des Ordens und das besondere gute seiner Brüder // Beschluß Wie nun der Or[den] geglaubet, durch diese kurzgefaste, aber sehr wichtigen Verordnungen sein eignes und seiner Mitglieder Wohl zu befördern. Also hat er auch zu ieden 373
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Br[uder] daß gute Vertrauen er werde mit Vergnügen seinen Fürschrifften nachkommen. Er bildet seinen Characteur nach diesen angegebenen Grundstrichen. In was vor einer Liebenswürdigen Gestalt wird er nicht erscheinen? Wie hoch wird man nicht einen Fr[ei]M[aurer] halten Gutte Thaten belohnen sich selber: und wie // herrlich ist ein Lohn welchen man sich allein zuzuschreiben hat? Außer den muß ein jeder Br[uder] wißen daß der Or[den] nicht undanckbar sey. Er hat ansehen gnug es rechtschaffenen Mitgliedern zu vergelten; aber auch zugleich hinlänglich macht die Verbrecher zubestraffen. Ich Carl Ritter von Degen D[es] H[ochehrwürdigen] O[rdens] Provincial OberMeister der ausländischen □ [Loge] zu Paris und der □ [Loge] zum [!] den 3. Säulen Uhrkunde und bekenne, daß der Ehrwürdige Schottische Meister George Ritter von der Säule1 OberMeister der □ [Loge] zum 3. Hammern dem von mir erhalten[en] Auftrage gemäß gegenwärtiges Manuscript Die Mau[r]erey überhaupt betr[effend] aufgesetzet hat. Nichts als die Aufnahme des hohen Ordens selbst und der Nuzen welche deßen Glieder aus demselben erlangen können, sind die Bewegungsgründe zu dieser Arbeit gewesen. Die sonst schon offt bekandt gewordene Geschicklichkeit des Verfaßer so wohl als deßen Erfahrung in Ordens Sachen, entdecket sich hierinnen aufs neue, und deßen Eyfer und Redliche Absichten, vor dem H[ochehrwürdigen] O[rden] blicken auf allen Seiten deßelben herfür. Da nun der Entzweck des Verfaßers eben so geschickt ausgeführet, als rühmlich // unternommen worden, auch nach genauer Prüfung dieser Schrifft nichts gefunden worden was denen Regeln und Geheimnüßen unserer Kunst zu wieder wäre: Als habe ich gegen wärtiges Manuscript Die Mau[r]erey überhaupt betreffende und in 8. Art[ikeln] und einem Beschluß bestehende, nicht nur approbiren sondern auch verordnen wollen daßelbiges als ein Gesetze zum Gebrauch derer Brüder in denen □ [Logen] eingeführet werden solle. Uhrkundlich habe ich gegenwärtige Approbation an das Original anhefften laßen und durch eigenhändige Unterschrifft und Vordruckung meines angenommenen Petschafftes corroboriren und bekräfftigen wollen. So geschehen den L. S. 5/16. Jan[uar] am Tage Simonis/Marcelli 5439/[1]753. [Unterschrift] Carl Ritter vom Degen2 [Unterschrift] Ernst Ritter vom Diamant3 Provincial. Canzl. Quelle: Den Danske Frimurerordens arkiv, Kopenhagen, Archivnummer FXXVI 2a4 Constitutions Patent. – Transkription Uta Motschmann. – Mit freundlicher Genehmigung des Freimaurerarchivs Kopenhagen. – Faksimiledruck einer anderen, leicht abweichenden Fassung in: Klaus C. F. Feddersen: Constitutionen. Statuten und Ordensregeln der Freimaurer in England, Frankreich, Deutschland und Skandinavien. Eine historische Quellensammlung aus den Constitutionen der freimaurerischen Systeme, insbesondere zur religiösen und christlichen Tradition in der Freimaurerei. Hg. von der freimaurerischen Forschungsvereinigung Frederik der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland. Husum 1989, S. 297–315.
1 = J. G. Schmid(t); Ordensname Eques a Columna (Georg zu der Säule). 2 Carolus Eques [= Ritter] ab Ense [= vom Degen] = Karl Gotthelf von Hund und Altengrotkau. 3 Ernestus Eques ab Adamante [= vom Diamant] = Ernst Gottlob von Kiesewetter. 374
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II) Statuten der Strikten Observanz für die VII. Provinz [= Deutschland zwischen Elbe und Oder]1 Statuta Fr. Fr. M. O. T. [Statuten der Brüder Mitglieder des Templerordens]2 1. Ein Ordens Bruder muß sich gänzlich dem dreyeinigen Gott widmen, und sich Ihm verloben. 2. Seine Lippen müssen mit einer Engel-gleichen Verschwiegenheit gebunden seyn. 3. Er muß dem Orden und seinen Regeln, insofern solche nicht dispensirt seyn, den strängsten Gehorsam leisten. 4. Er muß sich stets unsträflich in seinen Sitten und Lebenswandel zeigen, daher muß er stets gerecht und billig handeln; mäßig in Speiß und Tranck, wohlanständig in seinem Betragen, vorsichtig im Reden und gefällig im Umgang mit andern seyn. 5. Er muß allen Zanck, Streit, Wortwechsel, Beleidigungen, Ehrenrührige Beschimpfungen, und alle rachsüchtige Handlungen vermeiden, und sich in allen Orten und Zeiten sittlich betragen. 6. Er muß den unschuldigsten Umgang, die bewährteste // Treue und reineste Liebe gegen seine Brüder beobachten, und mit den bereitesten Mitteln seinen, durch ein wiedriges Schicksahl, oder sonst durch einen besondern Fall unterdrückten Brüdern zur Hülfe kommen: derohalben muß er seinen, entweder durch eigene oder durch fremde Schuld unglücklich gewordenen Bruder nicht strenge richten, vielmehr mit brüderli1 „Provincia VII. / Germania / Inferior ad Albim et Oderam / Continet maximum partem Bohe miae, Silesiam fere totam, Poloniam, Circulum Saxonicum, Sup. infer. Circ[uli] Westphalicum, partem Circu[lu]m Franconici et Rhenani, Belgium inferius nunc Rempublicam Batavorum Zeelandia excepta, Daniam totum Scaniam et Inf. maris Balthici. /Resid. Sonneburgum“ (zitiert nach: Winfried Dotzauer: Quellen zur Geschichte der deutschen Freimaurerei im 18. Jahrhundert unter besonderer Berücksichtigung des Systems der Strikten Observanz. Frankfurt a. M. [u. a.] 1991, S. 222 (Schriftenreihe der Internationalen Forschungsstelle „Demokratische Bewegungen in Mitteleuropa 1770–1850“, Bd. 3). 2 Die Statuten können nicht genau datiert werden, sind aber wahrscheinlich wie auch der vorangehende Text in den frühen 1750er Jahren, vor dem Siebenjährigen Krieg, verfasst, als Karl Gotthelf von Hund und Altengrotkau den Orden aufbaute.
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cher und gelinder Menschenfreundlichkeit ihm entgegen kommen, und zu Hülfe eilen, damit er aus den stürmischen Wellen seines Unglücks, und seines Fehlers errettet werden möge; ferner verbanne er aus der brüderlichen Gemeinschaft alle Verkleinerungen, alle Eyfersucht, Satyren und Beneidungen in Worten oder Gedanken; Überdies müßen die Sitten, die Stellung des Körpers und die Äuserungen seines Geistes so beschaffen seyn, daß sie von den Layen-Brüdern so wohl, als auch von denen so außer uns sind, Verehrung verdienen. 7. Die Ordens Capituls sollen nach alten Gebrauch stets zur Nachtszeit gehalten werden, wenn nicht Ursachen von Wichtigkeit erfordern, solche auf eine andere Zeit zu verlegen. 8. An denen gewöhnlichen Ordens Festen wird Capittul gehalten, als // 1) das Fest der heil. Dreyfaltigkeit wegen Stiftung des Ordens. 2) ” ” Sti Johannis wegen Wiederherstellung des Ordens. 3) ” ” Sti Jacobi wegen des Marter-Todes Jacobi de Molley. 4) ” ” Sti Hilarii wegen erhaltener Ordens Regeln. 5) ” ” Hugonis wegen Wiederherstellung des Ordens. 6) ” ” Dici XX Julii wegen der großen Niederlage bey Tiberias. 7) ” ” Sylvestris wegen Sylvestri a Grumbach als letztern Heer Mstr der VII. Prov. 9. Die Ordens Bedienungen sind auf Lebenszeit unveränderliche Würden, und die Stühle derer Capitularen stehen unverrückt bis zum Tode, es sey denn, daß ein Ordens Beamter sein Amt niederlegt, oder sich deßen unwürdig gemacht hat. In Abwesenheit des Beamten substituirt der Magister oder Cap: haltende einen Vicarium. 10. Ein Ritter oder Armig[er]1 des H[ochwürdigen] O[rdens] soll nicht ohne Stiefeln, nicht ohne Waffen, nicht ohne Waffen-Rock, noch ohne ☩ [Kruckenkreuz] in Capitul eintreten oder erscheinen. // 11. Ein Ordens Beamter oder Mitglied muß niemals dem Capitul seine Gegenwart entziehen, wenn er nicht die gerechtesten Ursachen, und die Erlaubniß des Magistri dazu erhalten hat.
1 Armiger (Socius ordinis), Grad der Strikten Observanz. 376
Strikte Observanz
12. Wenn eine Beamter oder Mitglied verreisen will, so ist er verbunden solches dem Magistro, in deßen Abwesenheit dem Priori, oder in deren beyder Abwesenheit, dem Seniori anzuzeigen. Im Fall einer geschwinden und unvermutheten Reise, muß er besorgt seyn, solche entweder durch ein zurückgelaßenes Schreiben, oder durch den nächsten Bruder dem Magistro zu melden. 13. Wenn ein Capitul zur Berathschlagung zusammen berufen wird, und der Magister oder der Vorsizzende den Beyrath und Gutachten aller Capitularen vernommen hat, so soll dasjenige, was der Magister vor das beste und nüzlichste erkennt, vollzogen werden, nach der 59sten Regel. 14. Es soll nach canonischen Gebrauch wie gewöhnlich // im Vorgemach des Capitels gespeiset werden. 15. Während der Speisung müßen gewöhnlich gute Gespräche untermengt, oder mit einer erbaulichen und gewürzten Rede die Brüder aufgemuntert; hingegen aber alles überlaute Gelächter und Plaudern verbannet werden. 16. Abwesende Ordens-Brüder müßen nach altem Gebrauch und Capitul-rechten zu denen Festen eingeladen werden. 17. Bey der Beförderung eines Ordens Bruders kömt kein Alter, keine lange Zeit-Dauer in den vorhergehenden Graden, keine Ahnen, sondern der Adel des Geschlechts mit seinen eigenen Verdiensten; seinen unbescholtenen Lebens-Wandel; sein ehrliches Herz; seine reine Sitten; seine glänzende Tugend; und vorzüglich seine Tapferkeit in denen Fällen, die das Wohl und Aufnahme des hohen Ordens betreffen, in Betracht. 18. Bey Aufnahme derer Brüder Armig[er] ist nicht der Adel der famille, sondern der ehrliche Nahme ihrer Eltern erforderlich. // 19. Bey der Aufnahme der Ordens Brüder kan keine andere als die lateinische Sprache statt haben; in Protocollen und Briefen aber ist es dem Secretaer erlaubt, sich jeder andern Sprache zu bedienen. 377
Freimaurerlogen
20. Nach vorher beschloßener Aufnahme muß ein Bruder Noviz seine Gebühren, nach dem alten Ordens-Gebrauch den Tag vorher dem Schatzmeister oder Procuratori entrichten; wenn solches nicht geschiehet, wird die Aufnahme aufgeschoben. 21. Da es im Gebrauch ist, daß ein jedweder Mitglied mit völliger Ordens-Kleidung angethan, im Capitulo erscheine; so muß der Ausgeber derer Kleidungen das, hiezu erforderliche dem Candidato darreichen; das dafür zuzahlende Geld aber dem Procuratori am Tage der Aufnahme gezahlt werden. 22. Muß alle Sorgfalt angewendet werden, daß keinem Novizen, er sey denn auf mancherley Art und Weise hinlänglich geprüft, und bewährt gefunden, der Zugang zum Innern des Ordens gestattet werden. L. S. Concordantiam cum Originali attestor. Fr[ater] Ern[nestus] Eq[ues] a Cruce Arm[ato] Sen[ior] Cptl. [Capituli] Prov[inciae] p.1 Quelle: Den Danske Frimurerordens arkiv, Kopenhagen, Nummer FXXVI 108a12 Statuta. – Mit freundlicher Genehmigung des Freimaurerarchivs Kopenhagen. – Druck in: Klaus C. F. Feddersen: Constitutionen. Statuten und Ordensregeln der Freimaurer in England, Frankreich, Deutschland und Skandinavien. Eine historische Quellensammlung aus den Constitutionen der freimaurerischen Systeme, insbesondere zur religiösen und christlichen Tradition in der Freimaurerei. Hg. von der freimaurerischen Forschungsvereinigung Frederik der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland. Husum 1989, S. 324–325.
1 Ernestus eq. a Cruce armato = Ernst Sigismund Baron von Lestwitz (1710–1779). 378
Der Gold- und Rosenkreuzerorden in Berlin
Der Gold- und Rosenkreuzerorden in Berlin I) Die Gesetze von der Brüderschaft des Ordens
genandt1
1. Muß, soll, kann, und will glauben ein jeder Bruder p das große All und Wesen, welches unanfänglich, unendlich, unermeßlich, allmächtig, allweiß, allwißend, allgegenwärtig, durch alles, in allem, bey allem, vor allen, welches Gerecht, Heilig, warhafftig, liebreich, barmhertzig, gütig und seelig ist, welches in allen seinen Geschäfften würckt, sich verherrlichet, und verklähret; In den Obern-Ungefallenen in Friede, Freude, Wonne, Seeligkeit und Gerechtigkeit; in den Unter Gefallenen aber in Beruffung, Straffung, Beßerung, Reinigung, Läuterung, und gäntzlicher Wiederherstellung. 2. Jesum von Nazareth, daß er sey der eingebohrne Sohn Gottes, durch des Geistes Hauch in der hochgelobten und reinesten Jungfrau Maria gezeuget, und von Ihr gebohren, und von Gott der ein unsichtbarer Geist ist, und von keinem Geschöpf gesehen werden kan, Er aber alles im Licht siehet, weis, erkennet, zum sichtbaren Herren, // König, Gott- und Erlöser über alle Geschöpffe im Himmel und auf Erden gesetzet worden, daß er durch sichtbare Anstalten des wunderlichen Kreutzes der Auferstehung, Himmel farth, Niederkunfft, und Scheidung der guten und Bösen und dieser verneuerung und Niederbringung aller irrgegangenen und abgefallenen Geschöpfe, es steke wo es wolle, nach und nach samle, zurechtbringe, und dem unsichtbaren Gott in seine Arme, Ruhe, Freude und des Ewigen Vergnügens wiederliefere, und dafür eine ewige sichtbare Hoheit, Herrlichkeit, und Verehrung in allen geschaffenen Welten habe. 3. Dem heiligen Geist als einen hauchenden Ausfluß aus der unendlichen Gottheit, wodurch alles geschaffen, gemacht und hervor gebracht worden, auch alles wesentlich erhalten, erleuchtet, regieret, beherrschet, verneuert, und wiedergebracht wird. 4. Gott in der Einheit und Dreyheit von gantzen Hertzen von gantzer Seele, von gantzen Gemüth, und aus allen Kräfften lieben, fürchten, ehren, und anbeten.
1 Wann die Gesetze verfasst wurden, ist unklar; möglicherweise 1747. 379
Freimaurerlogen
5. Seinen Nächsten lieben als sich selbsten, und krafft dieses ihm nichts zum Schaden seines Lebens, noch Nahrung, noch Ehre thun. 6. Ein Christ seyn und so leben und sterben, und als ein Christ Gott dienen, nach welcher Art es sey, nach einem // innerlichen und äußerlichen Gottes Dienst, doch nach einem innerlichen des Geistes und der Wahrheit mehr, als nach dem Äußeren. 7. Sich aller Sanfftmuth in wiedrigen Begebenheiten oder Begegnungen, aller Demuth gegen jedermann und bey allen glüklichen Bedingungen, aller Gedult in Unglücks-Fällen und Kreutzes Proben, auch aller Treue, Aufrichtigkeit, Gerechtigkeit, Wahrheit befleißigen, und dagegen den Zorn, Hochmuth, der Lieblosigkeit, Unfreundlichkeit, Ungerechtigkeit, und der Lügen Feind seyn. 8. Käusch Züchtig, mäßig, sittlich und von wohlgeziemenden holdseeligen und lieblich gewürtzten Worten seyn; hingegen alle Wollust und Üppigkeit in übermäßigen Eßen, Trincken und Kleider vermeiden; auch alles Fluchen, Schweren [schwören], alle zothen und unnütze schändliche Reden aus Hertzen und Mund ausrotten. Insonderheit 9. Gleichwie unser hohes Geheimniß das Mond und Sonnen Geschöpf gereiniget wird, auch sterben, faulen, verwesen und wieder aufstehen muß und hernach mit dem Kräfftigen Himmlichen Waßer, als den Balsam des Lebens, begoßen, und dadurch zu einem herrlichen Mond- und Sonnen-Leib verklähret wird, eben so sich täglich reinigen, auch täglich sterben, faulen verwesen und im Licht // und in einem neuen Leben auferstehen; Sich durch den Geist Gottes täglich beleben, bewürken, lehren und regieren laßen, und sodann endlich zu einem hellgläntzenden Geiste, der aller Heimlichkeiten der Natur fähig ist, und als ein Sonnen-Engel mit unaussprechlicher Hertzens Vergnügung, auf dem Ball der Erden, wallen und leben kan, würklich werden; Anders er auch keinen Segen, noch Glück in unsern Sonnen-Stern und Land, haben wird. 10. Täglich bey dem unendlichen großen Geiste bitten und flehen, mündlich und im Hertzen, kniend und stehend, liegend und sitzend, nach seinem Trieb, doch alles im Verborgenen, damit er dieses neuen Lebens in der Geistes Auferstehung, und auch der hellgläntzenden Auferstehung des Mondes- und der Sonnen theilhafftig werden möge.
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Der Gold- und Rosenkreuzerorden in Berlin
11. Bey Anfang dieses unsers großen Werks, zu förderst alle seine begangene Sünden erkennen und bereuen, und Gott auf den Nahmen Jesu um Vergebung der Sünden bitten, aus sich ins künfftige vor allen Mißhandlungen, Gewalthätigkeiten und Vervortheilungen an seinen Nächsten, absonderlich auch von Blut-Gerichten enthalten. Sollte also ein Kayser, König, Hertzog, Fürst, Graf, Edelmann, ein Pabst, Bischoff, Prelat, Abt, die Blut Gerichte haben, oder sonsten ein // Richter der mit Blut-Gerichten zuthun, wolle in die Brüderschafft aufgenommen werden, und die Vorsehung des großen Auges gönnet ihm dieses größeste und vergnügteste Glück unter der Sonnen, welches auch in allen Zeiten Könige und Großen auch Priester und hohen Priester gehabt, die Gott ergeben gewesen, und mehr lebendig gemacht, als getodtet haben; So muß 12. Er von Stund an sich der Blut-Gerichten entschlagen, und die Übelthäter und Strafbahre mit an den Leben schonenden, aber den Leib zwingenden, einschließenden mit Arbeit belegenden, und zum Leben- und Heil des unsterblichen Geistes abzielenden Straffe begnadigen, und dadurch den Geist zubeßern, und nicht zuverderben suchen, und solches alles in einem Göttlichen gearteten mitleidigen Hertzen, das von Barmhertzigkeit überläufft, nach der Gleichheit dem Gemüth und Gesetz des Königs der Herrlichkeit. Anders hat die Bruderschafft Beyspiele, daß denen die mit Blut-Gerichten umgegangen, und ob sie wohl gerecht waren nach dem Gesetz des Auges den Händen misrathen und verdorben ist. Die Ursach ist unergründlich. // 13. Das Werck im Nahmen Gottes und mit Gebet anfangen; den Armen nach seinem Belieben und Vermögen etwas austheilen, und während der Zeit der Arbeit, Gottes andächtig leben, und sich aller unnützen und Zeit und Werk verderbenden Gesellschafft entschlagen: Anders er sonsten auf keinen grünen Zweig kommen, noch den Königlichen Berg der Herrlichkeit ersteigen wird. 14. Wann er dann als ein Jesus den Mond bezwungen, und die Sonne zum stillstehn gebracht, und sie ins Meer gestürtzet, und aus ihnen ein unergründliches Meer gemacht, woraus die Gesundheits Quellen aus der Erden Quellen, und in den grünen Auen und Bergen und Thälern fließen, solches nicht mißbrauchen, und nicht zur Üppigkeit, noch Wollust, noch Verschwendung, noch auch zum ungerechten Blut vergießen, sondern zur nöthigen Unterhaltung der Seinigen und der Armen, anwenden, und diese mit Theil nehmen laßen: Denn dieses geschieht Gott, weil die Armen Gottes sind.
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Freimaurerlogen
15. Das unschätzbare Geheimniß vor den Unwürdigen Geheim, als geheimer halten, und daher keinen Gottlosen, Gottes und Religions-Verächter, keinen Flucher, keinen Ehr und Geldgeitzigen keinen Wucherer, keinen Verschwender, keinen Gewalthätigen, Rachgierigen, noch Menschen-Schinder, keinem Weichling in Völlerey, Saufferey- und Hurerey erschaffenen, kurtz keinen Lasterhafften, und keinem Läppischen, [es folgt ein unleserliches Wort] u. s. w. weder Vater noch Mutter, weder Bruder noch // Schwester, noch Mann noch Weib, und auch der eigen Kinder nicht die von gedachter Art sind, entdecken, das Allsehende Auge, der alles durchdringenden Gottheit wird einem solchen Bruder finden und straffen, daher ein jeder vorsichtig seyn soll, damit er nicht in die Sünde des Verraths und der Straffe fallen möge, wie es einigen Brüdern schon ergangen ist. 16. Niemahls mit dem Stern der Herrlichkeit prahlen, sondern allezeit zu verdecken suchen, auch denselben an Niemand, in Absicht groß, berühmt, hoh- und vornehm zuwerden geben, noch weniger solchen um Geld verkauffen, denn umsonst hat es Gott gegeben, umsonst sollen wirs dem, der würdig ist, und ein Bruder wird, mittheilen. 17. Niemand diesen kostbaren Schatz frech- und rühmend anbiethen, sondern alles der inwendigen Hertzens Neigung, oder den besondern Schicksahl der Göttlichen Allmacht, Vorsehung und Führung folgen, und dem es Gott gönnet gerne hingeben, doch auch auf die Spitze des Sonnen-Berges nicht so gleich auf einmahl aufsteigen laßen. 18. Sorgfältig vor der Ewa unser Heilgthum verwahren, doch aber einer Maria auch nicht versagen, die mit Männern gleiche Würdigkeit hat. Maria die sogenannte Prophetin, und Hildegarte und andere mehr sind würdig gewesen die Sonnen Crone auf ihren Häuptern zutragen. // 19. Wann die Mittheilung geschiehet, entweder bis aufs neue Licht, oder das erste Viertel, oder vollen Mond, oder bis auf den Sonnen Untergang, oder bis auf die Morgenröthe oder bis auf der Sonnen stehen im hohen Mittag, oder bis auf der Sonnen Verwandlung in ein unergründliches Meer, alles nach der mündlichen vorgepflantzten Richtschnur der Gesellschafft und ihrer Weise verrichten, auch nach seinem Gefallen, nachdem es die Umstände erfordern, besondere Bedingungen, Verbindungen und dergleichen zumachen, nicht aus der Acht laßen, wie es zu seinem und der Brüderschafft Besten rathsam und nützlich, und ihrer Verdeckung dienlich ist, so dann dem angenommenen Bruder p die Kennzeichen der Brüderschafft sagen, und ihm die Liebe, Pflege, Hochachtung, Verschwiegeheit derselben bestens empfehlen. 382
Der Gold- und Rosenkreuzerorden in Berlin
20. Da nun ein Bruder ein rarer Paradies-Vogel ist, indem die mehresten der Gesellschafft bald hier bald da bald unter diesem bald unter jenem Nahmen, bald so bald so gekleidet auf diesen Ball der Erden herum wallen, und wenige einen gewißen Sitz haben; So muß p. 21. Demohngeachtet ein jeder Bruder die verborgene Zusam-//menkunfft pflegen, und täglich bey der Sonnen Aufgang in seinem Gebets-Opfer dieser seiner mit ihm verbundenen unsichtbaren Brüderschafft gedencken, für Sie bitten, und täglich sich mit Ihnen zu einem Hertzens-Zweck und Sinn vereinigen, Herzen, und durch Urim- und Thumim stärcken, auch bey einer Zusammen-Kunfft sich hertzlich freuen, ergötzen, und dem der zwischen den Cherubinen und Seraphinen wohnt, loben und preisen. 22. Sein gantzes Hertz Gott und der Brüderschafft geben, in aller Treue, Aufrichtigkeit, Wahrheit p verflucht sey das geringste Äderchen das falsch ist, verflucht seynd alle heimliche Tücke gegen den Bruder, ja verflucht sey der, welcher seinen Bruder verräth, die gerechte Rache Gottes wird ihn treffen und straffen. Gott erbarme sich deßen und laße solchen gar nicht verderben. 23. Endlich seyn Leben für die Brüder laßen, niemahlen weder das Heilige noch allerheiligste vor den Handlangern entblößen, auch bey einer vorkommenden Verrathung weder eines noch das andere, und weder durch Zwang noch Gefängniß, weder durch Liebkosung noch Versprechungen, kurtz durch keinerley weise von sich in die Hände der Unwürdigen geben, und bey Plünderung und Raubung des Geheimnißes // den Sinbildischen und verblümten Aufsatz nicht erklähren, sondern lieber von Hertzen gerne Sterben, und also Gott, dem Geheimniß und der Brüderschafft getreu seyn bis in Todt. Alles im Nahmen Gottes Vaters, Sohnes und Heil. Geistes Halleluja, Halleluja, Halleluja. Amen. Amen. Amen. bis in Ewigkeit. Im Jahr nach der Göttlichen Geburt 1247.
Quellen: GStA PK, FM 5.1.3., Nr. 4245, Bl. 48r–52 v. – Transkription Uta Motschmann.
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Freimaurerlogen
II) Haupt-Plan für das gegenwärtige Decennium. Nach Übereinstimmung der Brüder des Goldnen Rosen Kreuzes bei der gewöhnlichen Ordens Reformation errichtet im Jahr des Herrn 1777 [s. Falttafel rechts] Quelle: (Hauptplan in der Fassung von 1777), in: GStA PK, FM 5.2 D 34, Nr. 1759. Mit freundlicher Genehmigung der Freimaurerloge Zum goldenen Apfel, Dresden, und des GStA PK. – Dass. in: Ch. K. F. W. Nettelbladt: Historische Instruktionen: Beiträge zur Geschichte und Rituation der Gold- und Rosenkreuzer. Bd. 5, (gedruckt 1836) (GStA PK, FM 5.1.3, Nr. 4245, Nr. 4238). Mit freundlicher Genehmigung der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland e. V., Berlin, und des GStA PK. – Der Plan ist transkribiert abgedruckt bei Karl R[ichard] H[ermann] Frick: Die Erleuchteten. Gnostisch-theosophische und alchemistisch-rosenkreuzerische Geheimgesellschaften bis zum Ende des 18. Jahrhunderts – ein Beitrag zur Geistesgeschichte der Neuzeit. Graz 1973, nach S. 368; als Kopie eines Manuskriptes bei Bernhard Beyer: Das Lehrsystem des Ordens der Gold- und Rosenkreuzer. Leipzig, Berlin 1925 (Das Freimaurer-Museum, 1) (Nachdruck Augsburg 1978 = Hiram-Edition, 8), Beilage, sowie gedruckt und beschrieben bei Renko D. Geffarth: Religion und arkane Hierarchie: Der Orden der Goldund Rosenkreuzer als Geheime Kirche im 18. Jahrhundert. Leiden 2007, S. 183 ff. – Zum Hauptplan in der Fassung von 1767 (GStA PK, FM 5.2 D 34 Nr. 1757) vgl. ebenfalls Renko D. Geffarth, a. a. O., S. 182.
Die christlich-jüdische Loge zur Toleranz I) Bekenntnis zur Loge der Toleranz, 1790 Freymaurerey ist das Vehiculum oder Verbindungsmittel aller Künste, Wissenschaften, Stände, Relig ionen, Systeme und Reg ier ungsfor men. Freymaurerey bestreitet nichts von allem diesen, weil ihr Zweck und Versammlungskreiss das ganze Menschengeschlecht befasset, und niemand durch Widerspruch von ihrer allgemeinen Harmonie abgehalten werden soll. Freymaurerey erweiter t auch nichts von allem diesen, um nicht dadurch die Gegengläubigen von der allgemeinen Verbindung und Harmonie auszuschliessen. Das Verbinden alles Wissens und Denkens der verschiedenen Menschen ist eben das grosse Geheimniss in der Freymaurerey. Dieses Geheimniss ist einem jeden nur so weit offenbar, als er in den Geist und Zusammenhang des Ganzen eingedrungen ist. Es kann nicht gelehrt, sondern nur in gleichem Verhältnisse mit der Erweiterung der maurerischen Kenntnisse in sich selbst entdeckt und erkannt werden. Das Verbinden alles Wissens und Denkens der verschiedenen Menschen kann nicht, weder durch Reden noch durch Schriften eines Einzelnen, noch auf einmal, sondern nur durch die vereinigten Kräfte einer stets thätigen Gesellschaft bewirkt werden. 384
Die christlich-jüdische Loge zur Toleranz
Staaten, geistliche und weltliche Tribunäle, sorgen nur für ihre Anhänger, und haben ihren bestimmten Kreiss, aber Freymaurerey arbeitet für das Ganze und ohne irgend eine Einschränkung. Da wahre Freymaurerey sich mit keinen Particularitäten beschäftigt, so ist sie jedem Staate und zu jeder Zeit unschädlich. Wesentliche Eigenschaften des wirklichen Freymaurers sind gerader Sinn und gerades Herz; ersteres, um r ichtig wahrzunehmen, und das andere, um unpar teyisch zu handeln. Ohne dieses kann man zwar Freymaurer heissen, aber es nicht in der That seyn. Wie bey allen Tribunälen, so ist auch von dem Freymaurerorden das weibliche Geschlecht ausgeschlossen, da sie der Naturbestimmung gemäss nur für ihres Mannes Glück, wir aber für das Ganze der Menschheit sorgen müssen. Auch diejenigen Männer schliesst der Orden zur Aufnahme aus, die nicht Herren ihrer Person, Stunden und Geschäfte sind. Geheime Erkennungszeichen dienen, um zu entdecken, wer mit einem zu gleichem Endzwecke arbeitet. Und mit Unkundigen von der Freymaurerey zu sprechen, erweitert nicht die Kenntnisse. Hieroglyphen sind Zeichen der freymaurerischen Resultate. Sie werden in eben dem Verhältnisse einem bekannter, als man in den Sinn der Stifter der verschiedenen Systeme eindringt. Alle die verschiedenen Systeme der Freymaurerey greifen in einander und bilden nur Eines. Ordnung und Heiterkeit sind die Hauptbande, so die Ordensbrüder an einander verkettet. Die Gestalten der Mysterien modificiren sich allemal nach der Lage und dem Zustande der Menschheit; daher ein anderes die alten als die neuen Mysterien. Ihre Wirkung bleibt aber immer die wohlthätige. Auch die zukünftigen Abwandlungen sind Ausflüsse des herrschenden und der Vollkommenheit sich nähernden Zustandes. Nur dann ist die Freymaurerey nicht mehr nöthig, wenn alle Menschen an Leib und Seele gesund sind; wenn alle Künste, Wissenschaften, Stände, Religionen, Systeme und Regierungsformen in Eins verschlungen sind; wenn durch das Bemühen der Freymaurerey der allgemeine glückselige Stand wieder ersetzt ist, der durch Naturbegebenheit zerrüttet worden; wenn wir ohne alles Dunkel im vollen Lichte und ganzer Wahrheit die reine Glückseeligkeit geniessen, und in ihr unzerrüttbare Menschen seyn werden !!! Quelle: Bekenntnis zur Loge der Toleranz. Berlin. Gedruckt bei Johann Friedrich Unger. 1790. – Druck u. a. in: Karlheinz Gerlach: Die Loge zur Toleranz 1782–1792 in Berlin. In: IF. Zeitschrift für Internationale Freimaurer-Forschung. Hg. von Helmut Reinalter in Zusammenarbeit mit der Wissenschaftlichen Kommission zur Erforschung der Freimaurerei. 1. Jahrgang, 2. Heft 1999. Wien, Köln, Weimar, S. 55–56.
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Freimaurerlogen
II) Protektorium Friedrich Wilhelms II. vom 21. Januar 1790 Se. Königliche Majestät von Preußen, Unser allergnädigster Herr, lassen dem OberHof-Banquier Itzig auf seine alleruntertänigste Vorstellung vom 14t. dieses zur Resolution erteilen, daß, wenn seine unter dem Namen Toleranz gestiftete Freimaurerloge nichts gegen die christliche Religion und gegen den Staat enthält, auch mit denen anjetzt so berüchtigten Illuminaten und andern aufrüherischen oder auch mit allerlei geheimen Künsten und Betrügereien sich abgebenden Sekten in keiner Konnexion stehet, sondern bloß die Verbesserung der Sitten ihrer Mitglieder, die Wohltätigkeit gegen die Armen, den Gehorsam der Untertanen gegen ihre Obrigkeit und andere dergl. bürgerliche Tugenden lehret, als welches nach dem Ermessen Sr. Königlichen Majestät der Endzweck einer jeden guten Freimaurerloge in allen Ländern sein muß: Allerhöchst Dieselben gefallen wollen, daß ged[a]cht[e] Loge ihre Versammlungen ungehindert fortsetzen könne und ihr unter obigen Bedingungen durch gegenwärtiges erteiltes Protektorium gegen alle Beeinträchtigungen und Störungen den landesherrlichen Schutz angedeihen lasse. F.W. Berlin den 20t. Januar 1790 An den Ober-Hof-Banquier Itzig allhier. praesent. den 21. Jan. 90 und der versamleten Loge publiziert den 27. ejd. Catter Quelle: GStA PK, FM, 5.2. B (Berlin) 60 (Toleranzloge in Berlin) Nr. 1 Bl. 17. – Druck in: Karlheinz Gerlach, a. a. O., S. 63–64.
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FREUNDESKREISE MIT VEREINSÄHNLICHER STRUKTUR
Tugendbund (um Henriette Herz) I) Wilhelm von Humboldt: Entwurf zu einer Statutenrevision des Tugendbundes, 1789 Vielleicht wünschest Du auch noch meine gedanken einmal ganz vollständig zu wissen. Die schreibe ich Dir also iezt, so gut es mir möglich ist. / Wäre unser zwek die erreichung irgend einer einzelnen absicht, wollten wir irgend ein einzelnes unternehmen ausführen; so wären die vorschriften [d. h. die ursprünglichen Statuten] vortreflich. Denn sie ziehen die bande so enge zusammen, dass ieder alle geheimnisse des andren weiss, dass keiner etwas thun kann, ohne dass es der andre erführe, und dass – was noch mehr ist – umgang, handlungen, art zu leben, und zu denken eines ieden gewissermaßen von den andren abhängt. So aber ist unser zwek ausbildung unsrer selbst, erhöhung unsrer inneren moralischen vollkommenheit; unsre mittel freundschaft und liebe. Allein dazu ist freiheit nothwendig; ohne sie kann iene vollkommenheit nicht wachsen, ohne sie freundschaft und liebe nicht gedeihen. Darum muss das erste gesez bei uns freiheit sein, und alles, was diese freiheit einschänkt ist dem zwekke entgegen. Wir haben uns verbunden weil durch freundschaft und liebe die vollkommenheit, nach der wir streben, am schnellsten und besten reift. Nun fragt es sich, warum es dazu einer ☉ [„Verbündung“] bedürfe? Freundschaft, wie sie gewöhnlich zwischen gleichgestimmten seelen entsteht, wäre ia hinreichend. Auf diesen einwurf antworten folgende 2 gründe: 1., wenn wir uns absichtlich mit einander zu höherer moralischer ausbildung verbunden haben, so behalten wir diesen zwek besser vor augen; suchen mehr durch gegenseitige mittheilung unsren ideen klarheit und bestimmtheit zu geben; mehr durch beispiel und rath auf den charakter einer des andren zu wirken; alle vor theile, die freundschaft gewährt, geniessen wir noch dazu. Freundschaft, wie veredelnd sie auch für den charakter ist, befördert ienen zwek doch nur gelegentlich. 2., bei einer ☉ ist es leichter neue mitglieder mit in den bund aufzunehmen, und dieser vortheil ist äusserst wichtig. Es ist so schwer, dass personen – vorzüglich beiderlei geschlechts – wie gleichgestimmt sie auch sein mögen, wie glüklich sie durch einander sein würden – sich kennen, sich finden, sich verstehn. Wie oft gehen nicht iahre darüber hin, die nun für den genuss verloren sind. So geschieht diess alles auf einmal durch die aufnahme. Weil aber freilich auf der andren seite von einer solchen ☉ auch mancherlei nachtheile zu besorgen sind, ein387
Freundeskreise mit vereinsähnlicher Struktur
schränkung der freiheit, gezwungene und unnatürliche wendung des charakters, intolerante ausschliessung aller nicht verbündeten von unsrer schäzung, wenigstens von unsrer liebe, daraus entspringende einseitigkeit, endlich misverstand, wenn ein dritter etwas von der ☉ erführe; so haben wir folgendes unter einander ausgemacht: 1., unverbrüchliche verschwiegenheit. 2., ausserdem aber hat keiner irgend eine pflicht gegen den andren. Niemand kann fordern, ieder muss verdienen. Was man thut, thut man aus liebe, weil man will, weil man freude, seeligkeit darin findet, nicht weil man muss, oder weil der andre ein recht hat. Von selbst versteht es sich also dass weder liebe, noch vertrauen, noch irgend sonst etwas zur pflicht gemacht wird. Denn die idee der pflicht raubt den empfindungen feinheit und stärke, nimmt dem Geben und Empfangen alle süssigkeit. 3., Es bleibt also ieder völlig frei. Die ☉ ändert nicht das geringste in dem Verhältniss, in dem er schon vorher mit iedem Einzelnen stand, wenn er schon vorher ihn kannte; und kannte er ihn nicht, so hindert sie ihn auf keine weise sich mit ihm in ein verhältniss zu sezen, in welches er will. Die einzige aenderung, die sie hervorbringt, ist die, dass iedem der gedanke lebendiger bleibt, dass sein verhältniss mit den übrigen den bestimmten zwek der moralischen ausbildung hat. 4., Allein nicht bloss in der ☉ hat ieder diese uneingeschränkte freiheit, sondern auch ausser derselben. Er kann iedem nicht verbündeten so nahe treten, als sein herz es ihm sagt, oder die umstände es ihm rathen, und keiner der verbündeten wird davon irgend einige rechenschaft verlangen. 5., Schon aus dem vorigen folgt, dass auch gegenseitiges vertrauen auf keine weise als pflicht gefordert werden kann, es möchte nun in sachen der verbündeten oder andrer sein. Allein da vertrauen von liebe unzertrennlich ist, so werden sie freilich ohne wichtigere gründe keine geheimnisse vor einander haben. In absicht des entdekkens von dingen, die von verbündeten oder fremden als geheimnisse anvertraut worden sind, ändert die ☉ nichts. Sie überlässt darin alles der beurtheilung, und dem moralischen Gefühl iedes Einzelnen. 6., Der zwek der ☉ ist moralische ausbildung. Die verbündeten werden daher suchen, gegenwärtig auf ihren charakter zu wirken. Allein sie werden kein bestimmtes ideal eines charakters vor augen haben, der nur charakter der ☉ wäre, den ieder verbündete haben, den sie in iedem hervorbringen müsste – ob sich gleich eigenschaften bestimmen lassen, die auch edle menschen völlig unfähig machen unter uns zu sein – sondern sie werden der richtung folgen, welche die natur dem bestimmten subiecte einmal gegeben hat. Sie werden auch nur da wirken sollen, wo es möglich ist; wenn sie also – was häufig geschieht – seiten in einem charakter finden, die nicht berührt werden dürfen, dieselben unberührt lassen. Sie werden auch nie durch andre mittel wirken wollen, als durch aufklaerung des verstandes, durch rath, durch beispiel. Was insbesondere den rath betrifft, so ist der, dem er gegeben wird, dadurch keineswegs gebunden. Gern wird er zwar, wo es ihm möglich ist, die gründe angeben, warum er ihm nicht folgt. Indess verpflichtung hat er auch dazu nicht. 388
Tugendbund (um Henriette Herz)
7., Neue mitglieder können nur mit einwilligung iedes Einzelnen aufgenommen werden. Dass ieder sie auch persönlich kennen [muss], ist nicht nothwendig, indess muss doch ieder Einzelne nicht bloss durch erzählungen, sondern durch briefe, oder andre schriftliche aufsäze, die iener ganz ohne allen verdacht, dass ein Dritter sie sehen würde, schrieb, in den stand gesezt werden, von der fähigkeit seines geistes und der güte seines charakters zu urtheilen. Dass ieder das recht hat[,] vorgeschlagne mitglieder zu verwerfen[,] versteht sich von selbst, er hat aber auch nicht einmal nöthig, seine gründe dazu anzugeben. […] Freilich sind nach diesem plan die bande der ☉ sehr lokker. Aber die bande der ☉ stehn mit den banden der freundschaft und liebe unter uns gerade im umgekehrten verhältniss. Nur wenn iene lokker sind, können diese festigkeit haben. Und die liebe, mit der wir uns alle umfassen, muss uns doch heiliger sein, als die ☉. Denn wir haben uns verbunden, weil wir uns lieben, und lieben uns nicht, weil wir verbunden sind. […] / K[arl] und die weiber – K. wirds auch Dir schon geschrieben haben – haben mit einander ausgemacht, dass sie fürs erste noch bei den vorschriften [d. h. den alten Statuten] bleiben wollen. Immerhin. Der unterschied beruht warlich nur auf worten. Sie gehn mit einander um als hätten sie alle ideen, die Du über die ☉ hast, sie haben sich nur diese ideen nie deutlich gemacht, Dein aufsaz wird sie dahin führen, und wir werden dann hören, was sie meinen. Quelle: Brief Wilhelm von Humboldts an Caroline von Beulwitz, Göttingen, 20. März 1789, in: WH/FC, S. 197–199 und S. 200, vgl. HKA-B-1, S. 172–175.
II) Verzeichnisse und Dokumente a) Quellenkritische Vorbemerkung In den von Joseph Fürst (1850) überlieferten Schilderungen des Tugendbundes um Henriette Herz [TBH] durch H. Herz schlichen sich an einigen Stellen gravierende Fehler ein (eindeutig nachweisbar bezüglich Therese Forster). Problematisch ist auch die oft zitierte, von Karl August Varnhagen wiedergegebene Charakterisierung des TBH durch seine Frau Rahel. Seine Ausführungen sind rückschauend geschrieben und erst von Ludmilla Assing herausgegeben worden; Varnhagens Einstufung von Kunth und Goeckingk als Mitglieder des TBH (VH, S. 4) ist ein Irrtum. Die spätere Sekundärliteratur ging oft unkritisch und phantasievoll mit der Überlieferung um. Auf ganz unsicherem Terrain bewegt sich Karl Hillebrands Essay (1870), der u. a. „Sarah und Marianne Meyer“ und „Sophie Schubarth“ (S. 26) nennt. Selbst der sonst so zuverlässige Kenner Hans Landsberg übernimmt diese unbewiesenen Zuschreibungen (S. 54–55). Paul Schwenke wies bereits 1891 auf Überlieferungsprobleme der Mitglieder des TBH hin. Albert Leitzmann, dem die Originale der relevanten Briefe vorlagen, lehnt in seiner Rezension der Humboldt-Briefausgabe von Anna von Sydow (1907) und im Vorwort seiner Editi389
Freundeskreise mit vereinsähnlicher Struktur
on der Brautbriefe W. und C. von Humboldts (1920) die meisten der traditionellen TBH-Zuschreibungen ab: „Von einem weitgreifenden Bunde vieler Mitglieder kann indessen gar keine Rede sein, obwohl man einen solchen, verführt durch die sogenannten Lebenserinnerungen der Henriette Herz und durch inkorrekte und kritiklose Bemerkungen Varnhagens, lange Zeit glaubte annehmen zu müssen. Zu den vier ursprünglichen Berliner Mitgliedern, Henriette Herz, Brendel Veit, Karl La Roche und Humboldt, traten nur noch Karoline von Dache röden und Karoline von Beulwitz hinzu: alle andern sonst erwähnten Mitgliedschaften gehören ins Reich der Fabel“ (Vorwort BB, S. XIII). Das ist richtig, doch erörterte Leitzmann die Problematik der dem TBH tatsächlich nahestehenden Personen (Alexander v. Humboldt, Brenna de Lemos, möglicherweise Henriette Mendelssohn) nicht im Detail, ebensowenig wie die von W. von Humboldt angedachte oder sogar betriebene Aufnahme Therese Forsters.
b) Angebliche Mitglieder des TBH, die indes keine waren (Personen, die dem TBH dennoch nahe verbunden waren, sind mit * gekennzeichnet.) Blankenburg, Friedrich von (1744–1796) – Brinckmann [Brinkmann, Brinkman], Karl Gustav von (1764–1847) – Dohna-Schlobitten, Alexander Graf zu (1771–1832) – *Forster, Therese (geb. Heyne, spätere Huber; 1764–1829) – Gentz, Friedrich (von) (1764–1832) – Goeckingk, Günther (von) (1748–1828; preußischer Adel 1789) – *Humboldt, Alexander von (1769– 1859) – Kunth, Gottlob Johann Christian (1757–1829) – *Lemos, Brenna de (1770–1815) – Leuchsenring, Franz Michael (1746–1827) – *Mendelssohn, Henriette (1775–1831) – Meyer, Marianne (Frau von Eybenberg, gest. 1814) – Meyer, Sara (Frau Liepmann-Wulf, Frau von Grotthuß, 1763–1828) – Meyering, Verehrer der Henriette Herz – Schubart, Sophie (verehelichte Mereau, 1770–1806). Alle zählten zum engeren oder weiteren Bekanntenkreis der tatsächlichen Mitglieder; einige (Brinckmann, Gentz, Leuchsenring) gehörten dem sog. „Teekränzchen“ an, das im Umkreis der Berliner Lesegesellschaften anzusiedeln ist (HH, S. 50; vgl. auch Handbuch I, S. 582).
c) Auszüge aus Dokumenten zur Geschichte des TBH Henriette Herz, Erinnerungen:
In dem Kreise der Bekannten wurde bald darauf ein Bund gestiftet, in welchem wir nach und nach auch uns persönlich Unbekannte, deren ernstes Streben und deren Bedeutung uns durch gemeinsame Freunde kundgeworden war, hineingezogen. Der Zweck dieses Bundes, einer Art Tugendbund, war gegenseitige sittliche und geistige Heranbildung sowie Übung werktätiger Liebe. Es war ein Bund in aller Form, denn wir hatten auch ein Statut und sogar eigene Chiffern, und ich besaß noch in späteren Jahren manches von der Hand Wilhelms von Humboldt in diesen Chiffern Geschriebene. Zu den Mitgliedern gehörten unter anderen Karl von La Roche, Sohn der trefflichen Sophie von La Roche […], Dorothea Veit und ihre Schwester Henriette Mendelssohn, aber auch die uns persönlich unbekannten: Caroline von [Beulwitz-]Wolzogen, Therese 390
Tugendbund (um Henriette Herz)
Heyne, die Tochter des berühmten Philologen, später [recte: damals schon!] Gattin des unglücklichen Georg Forster und dann L. Fr. [recte: Ludwig Ferdinand] Hubers, und Karoline von Dacheröden, mit welchen ein brieflicher Austausch von Gedanken und Gefühlen stattfand. […] / Unser Bund mußte in der Tat ganz achtunggebietend sein. Wir wollten auch Wilhelm von Humboldt in denselben aufnehmen, dieser kam jedoch […] und erklärte mir mit sehr zerknirschtem Gemüte, er fühle sich nicht würdig, in unseren Kreis einzutreten! – Aber wir rechneten dem Jünglinge die Reue und die Strenge gegen sich selbst, vielleicht auch den Respekt vor unserer sittlichen Größe, hoch genug an, um ihn dennoch aufzunehmen. – Dieser Bund gab auch später Anlaß zu seiner Heirat. Der Briefwechsel mit Karoline von Dacheröden, in welchem sie uns ihr Herz und ihren Sinn auf die gemütvollste und geistreichste Weise eröffnete, hatte sie uns als seiner völlig würdig kennen gelehrt. […] – / Wir Bündner duzten einander. Jedoch machten hinsichtlich mehrerer derselben spätere Lebensverhältnisse in Beziehung hierauf ihre Rechte geltend. Als Wilhelm von Humboldt mit seiner jungen Frau nach Berlin kam, nannte sie mich ‚Sie‘, und als fast notwendige Folge hörte später auch das ‚Du‘ zwischen ihrem Gatten und mir auf. / Mein Mann [Dr. Marcus Herz] sah dem bündnerischen Treiben lächelnd zu, ohne jedoch irgend störend einzugreifen. Als ich aber in tugendhafter Werktätigkeit ein wunderschönes Kind, Tochter jüdischer Bettler, an mich nahm, […] um es, wenngleich für den dienenden Stand, jedoch sehr zur Tugend zu erziehen, war er höchlich dagegen, ließ es jedoch am Ende geschehn. Aus meiner Erziehung ging aber leider ein Erztaugenichts hervor. Das Mädchen war mir weit über das Bestehen des Tugendbundes hinaus eine sehr herbe Frucht desselben. Sie machte mir vielen Kummer, und der Zögling der Tugend starb zuletzt als Dienstmädchen in der Charité im Wochenbette. (HH, S. 82–84; HF, S. 149–152) Wilhelm von Humboldt an die Verbündeten, Göttingen, 9. Mai 1788:
Gott! Gott! Ihr lieben, trauten Weiber, Schwestern, Freundinnen, wie glücklich, wie unbeschreiblich glücklich bin ich in diesem Augenblick [über ein bevorstehendes Treffen mit C. von La Roche]! […] Auch Kar. [C. v. Dacheröden] seh’ ich nun wahrscheinlich. […] Den Zirkel, den wird nun K[arl von La Roche] auch küssen, und Kar. wird ihn küssen, und dann geb’ ich ihn Euch zurück, und dann küßt Ihr ihn wieder. Und meinen Ring, Jette, wie wir alle die Verbundenen auf dem Sopha ihn küßten? Den küßt nun K[arl] auch. […] O B[rendel] […]! […] Du bist glücklicher durch mich geworden, sagst Du! O! B. sage das nicht, ich kann’s, ich vermag’s nicht fassen. […] O! wie es mich hinriß, als ich diese Stelle Deines Briefes las, es war mir dabei, als wären unsre Seelen nicht bloß mehr verschwistert, nein als wären sie Eins, Eins. […] Und du, geliebte, traute Jette, wie hat mich Dein Brief entzückt, wie der naive Ausdruck Deiner Liebe, die aus jedem Worte hervorleuchtet! Die ganze Nacht träumte ich von Dir, wie wir uns küßten, und wie ich vor Deinem Schoß auf den Knieen lag, und wie wir uns ansahen, und wie wir uns dann zuwinkten und zuriefen, wie wir von K[arl] und B[rendel] sprachen! […]. (VH, Nr. 19, S. 91–94; vgl. HKA-B-1, S. 93–95) 391
Freundeskreise mit vereinsähnlicher Struktur
Caroline von Dacheröden an Wilhelm von Humboldt, Erfurt, 3. und 4. Januar 1789:
Hier sind Briefe und Regeln. Gib, wenn Du sie gelesen hast, Caroline [v. Beulwitz] alles. Es ist zwar manches darunter von Carln, was sie schon gelesen hat, aber das kannst Du nicht aussuchen, also gib nur alles hin. Ihre Briefe sind für Dich, Du wirst sehen, daß sie zur Vereinigung wenig oder nicht vorbereitet ist. Carl hatte es übernommen und hat’s nicht getan; nur in ihrem letzten Briefe berührt sie zwei Worte davon. Das Geschäft bleibt also Dir. […] // [Brief vom 4. Januar 1789:] […] ich mag nichts denken als Dich und Caroline und unsere Verbündeten. Wenn ich einen denke, denk ich an alle, Ihr fließt so in meinem Herzen zusammen, daß es mir oft selbst unbegreiflich ist, wie aus getrennten Wesen mir ein Ganzes wird, und wie Ihr Euch verwebt habt in meine innerste Empfindung, daß ich nicht mehr sein könnte ohne Euch und nichts denke, nichts tue, woran nicht Euer Bild hinge. Was ich so gern denke, Wilhelm, und was mir immer gewisser wird, ist, daß dieses innige Verständnis der Seelen, dieses leise Überfließen immer mehr zunehmen muß, je höher wir steigen, je vollkommener wir werden, daß wir immer mehr eins werden müssen in unsern Gefühlen und daß mit der Veredlung unsres Wesens notwendig solche Liebe wie die unsre zunehmen muß. (WCH-1, S. 15–16; BB, S. 18–19) Caroline von Dacheröden an Wilhelm von Humboldt, Erfurt, 21. Januar 1789:
Ich habe sie [die Berlinerinnen im TBH] auch gebeten, uns ihre Meinungen über den bewußten Gegenstand ihres Mißvergnügens zu sagen, es ist nicht recht, daß ein so fühlbarer Unterschied unserer Denkungsart in einer Verbindung wie die unsere unerläutert bleibe. […] / Ich bin jetzt voller Erwartung, Briefe von unsern Lieben aus Berlin zu empfangen. C[aroline v. Beulwitz], die ihre Gedanken über die Vorschriften hingeschrieben hat, wird eine große Revolution in das bekannte System bringen, von der ich mir viel verspreche. Ich habe Carls Papier [d. h. La Roches Brief zur Statutenreform] nicht gesehen, aber ich kann mir denken, daß unsre Vorstellungsarten und die Deinige sich hier über sehr begegnen werden, und unter anderen die festgesetzten Regeln oder, wie Jette [Herz] immer schreibt, die „Statuta“ sich ein für allemal empfehlen werden. (WCH-1, S. 24; BB, S. 29) Wilhelm von Humboldt an Caroline von Beulwitz und Caroline von Dacheröden, Paris, 4. August 1789: […] Die Ideen unsrer ehemaligen Verbindung machten, daß Du und Lina so gleich, so ohne Prüfung mich in Eure innigste Liebe aufnahmt. (WCH-1, 51; vgl. HKA-B-1, S. 209) Wilhelm von Humboldt an Henriette Herz und Brendel Veit, Guttannen im Haslital (Schweiz), 24. Oktober 1789: […] Ich sehne mich unendlich wieder bei Euch zu sein, doch kürze ich meine Reise nicht ab, sondern verlängre sie vielmehr […]. Bald werden wir wieder glückliche Tage
mit einander genießen. Wir lebten doch eigentlich erst vierzehn Tage recht vertraut mit einander. O! ich kannte Dich nicht, nicht dies tief empfindende, so sanft, so innig, 392
II) Verzeichnisse und Dokumente
so ganz dahingebende liebende Herz; eh’ ich nach Frankfurt ging, kannte ich es mehr, aber nicht ganz[,] an dem Abend, da unser Kreis sich enger schloß, kannte es erst ganz, als Du mir, als ich Dir alles war, und da in den Tagen der seligsten Wonne trennte uns das Schicksal! […] Von L. [Lina / C. v. Dacheröden] und Kar. [C. v. Beulwitz] weiß ich eben so wenig etwas, als von Euch. […] Ich schrieb ihnen in meinem letzten Briefe, K. [C. v. La Roche] zu bitten, wenn es ihm möglich wäre, nicht eher nach Berlin zu kommen, bis ich auch da wäre. […] Es wäre so schön, wenn wir einmal wieder alle vier beisammen wären. Nur Einen Tag erst genossen wir diese Freude. Warum sollte das Schicksal uns nicht den zweiten gönnen? […]. (VH, Nr. 26, S. 125–127; vgl. HKA-B-1, S. 222–223) Petra Wilhelmy-Dollinger
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KUNSTAUSÜBENDE VEREINE
Berlinischer Künstler-Verein I) Gesetze, 1817 Gesetze des Berlinischen Künstlervereins, / Berlin 1. März 1817 Tit. I. Zweck des Künstler vereins. §. 1. Der Künstlerverein ist eine Vereinigung von Künstlern und Kunstfreunden zu einem denselben heiligen Zweck, nehmlich die möglichste Erhöhung und Verbreitung der Kunst, Kunstfertigkeit und des Kunstgeschmacks im mahlerischen, zeichnenden, architektonischen und Bildhauerfache, sowohl unter sich als im allgemeinen. §. 2. Jedes Mitglied verpflichtet sich daher durch seinen Eintritt in diesen Verein im allgemeinen so viel es kann zu diesem Zwecke beizutragen, und insbesondere die dahin abzielenden Gesetze des Vereins genau zu befolgen. §. 3. Diese Gesetze sollen die jetzigen und zukünftigen Mitglieder des Vereins so lange vollkommen verpflichten, bis durch die Gesammtheit des Vereins dieselben ganz oder zum Theil aufgehoben oder abgeändert seyn werden. Tit. II. Mittel zum Zweck des Künstler vereins. Abschnitt I. Thätigkeit des Vereins. §. 1. Die Mitglieder des Künstlervereins müssen sich, wenn sie nicht durch dringende Abhaltungen daran gehindert werden, jeden Mittwoch Abend in das zu den Sitzungen des Vereins für jetzt gewählte Locale des Englischen Hauses hieselbst einfinden, und zwar so, daß sie, wenn die Sitzung ihren Anfang nimmt, versammelt sind.
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Berlinischer Künstler-Verein
§. 2. Die Sitzung fängt jedesmal präcise um sieben Uhr an, und wird durch den Hammerschlag des vorsitzenden Vorstehers angekündigt. §. 3. Sobald der Hammerschlag geschieht, soll jedes Mitglied einen Platz an der zur Sitzung eingerichteten Tafel einnehmen, den Genuß der Erfrischungen und der Pfeife aufgeben, jedes Gespräch augenblicklich abbrechen, jede Nebenbeschäftigung fahren lassen, und den Vortrag ruhig und aufmerksam erwarten, der für die jedesmalige Sitzung bestimmt ist. Bevor diese Ordnung und vollständige Ruhe vorhanden ist, darf die Sitzung selbst nicht beginnen. §. 4. Ist die Sitzung beendigt, welche nicht über eine Stunde dauert, so soll dies ebenfalls durch einen Hammerschlag von dem Vorsteher angekündigt, und zugleich dem Verein bekannt gemacht werden, was der Gegenstand der nächstfolgenden Sitzung seyn soll. Abschnitt II. Gegenstände der Sitzungen. §. 1. Vorzugsweise soll ein Urtheil der Künstler über von Mitgliedern des Vereins angefertigte Kunstwerke, Kunstentwürfe und Skizzen ein Gegenstand der Sitzung seyn. §. 2. Sämmtliche dazu fähige Mitglieder, das heißt solche, welche eine schöne Kunst im Fache der Mahlerei, Zeichenkunst, Kupferstecherkunst, Bildhauerkunst, Modellierkunst oder im Baufache, insofern dieß sich durch Zeichnungen schöner Formen an die gedachten andern Künste anschließt, treiben; verpflichten sich jährlich wenigstens zweimal ein eigen gearbeitetes Kunstwerk oder einen Entwurf zu demselben dem Verein zur Beurtheilung vorzulegen. Die übrigen Mitglieder müssen durch eine andere, weiter unten vorkommende Thätigkeit, zweimal etwas in der Sitzung leisten, und zur Bestimmung der Reihenfolge soll durch das Loos der Tag der Thätigkeit jeden Mitgliedes festgesetzt, und in den Kalender eingetragen werden. §. 3. Es sollen Aufgaben zu Kunstwerken dieser Art von jedem Mitgliede angenommen, in den Sitzungen von dem Schreiber vorgelesen, und demnächst in eine Mappe geheftet werden, welche jedem Mitgliede zur Durchsicht nach der Sitzung auf der Tafel vorliegt.
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Kunstausübende Vereine
§. 4. Alle drey Monate sollen die gesammelten Aufgaben in ihre verschiedenen Fächer ver theilt, nochmals vorgelesen werden, und zwar am ersten Mittwoch eines jeden Quartals, und aus diesem Vorrath eine Auswahl zur Bearbeitung mittelst Concurrenz erfolgen. §. 5. Zur Wahl unter den Aufgaben sind nur diejenigen Mitglieder stimmfähig, welche sich sofort durch ihre Unterschrift auf einen vorzulegenden Bogen zur Auflösung einer Aufgabe eines bestimmten Faches verpflichten. §. 6. Diejenige Aufgabe welche in dieser Art gewählt wird, muß derjenige, welcher zum Fach, wozu sie gehört, sich verpflichtet hat, an einem nach sechs Wochen zu bestimmenden Tage zur Beurtheilung aufgelöst vorlegen, und zwar dergestallt, daß alle Auflösungen derselben Aufgabe zugleich erscheinen. §. 7. Die Auflösungen sollen keine eigentlichen Kunstwerke in ihrer Vollendung seyn, sondern soviel möglich nur in Conturzeichnungen und Skizzen bestehen. §. 8. Die Kritik beschränkt sich daher auch nur auf diese, nicht auf Eleganz, Färbung und Ausführung. §. 9. Es soll auch die Correctheit der Zeichnung kein Gegenstand der Kritik seyn, sondern nur die richtige Darstellung des Gedankens, Gruppirung, Stellung, Composition u. s. w. §. 10. Die Kritik soll offen und ohne Rückhalt, doch ohne Ironie und Leidenschaft und die Discussion über Verschiedenheit der Ansicht und über den Vorzug der einen vor der andern mit Bescheidenheit und Ruhe erfolgen, wobei insbesondere jede Persönlichkeit als zerstörend und zweckwidrig strenge untersagt bleibt. §. 11. Zur richtigen Stellung der Kritik soll der Künstler bei Vorzeigung seiner Arbeit selbst den Gedanken von dem er ausgegangen und den Moment den er gewählt hat vortragend entwickeln.
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§. 12. Bei allgemein anerkannter Vorzüglichkeit einer Auflösung soll dieselbe dadurch den Preis erhalten, daß sie einem dazu qualifizirtem Mitgliede zum Kupfer oder Steindruck übergeben, und dieses aufgefordert werde es dem Publiko zu überliefern. §. 13. Außer dieser allgemeinen Thätigkeit durch Auflösung allgemeiner Aufgaben vermittelst der Concurrenz, soll jedem Mitgliede verstattet seyn, mit mehreren Arbeiten in demselben Fache zu einem engeren Verein zusammenzutreten, in welchem sich dessen Mitglieder eigene Aufgaben zur Auflösung geben und wählen, und deren Auflösungen sie alle vier Wochen dem Verein zur Kritik vorlegen, bei welcher dieselben Regeln wie oben gelten. §. 14. Außerdem wird es dem Verein angenehm seyn, wenn Künstler von allen Arbeiten, welche sie zur Publicität bestimmt haben, dem Verein Skizzen vorlegen, ehe sie zu deren Ausführung schreiten. §. 15. Von allen vorgezeigten Kunstarbeiten und Entwürfen führt der Schreiber ein Verzeichniß als Belag der Kunstthätigkeit des Vereins. §. 16. Ein zweiter Gegenstand der Sitzung soll das Vorzeigen und Beurtheilen von Kunstwerken der alten und neuen Zeit seyn, welche den Stempel der Vollendung tragen, oder den Ruf derselben für sich haben. §. 17. Zu diesem können also nur Werke berühmter oder historisch merkwürdiger Künstler alter Zeit und vorzüglich schöne Werke der neueren Zeit, oder wenn sie sonst etwas vorzüglich merkwürdiges an sich haben, was der Gegenstand einer interessanten Künstlerdiskussion werden kann, gerechnet werden. §. 18. Die Kritik darüber muß frei seyn, und besonders kein Vorurtheil schonen. §. 19. Ein dritter Gegenstand soll die Vorlesung von interessanten Abhandlungen im Fach der schönen Kunst, Mittheilung von erworbenen Erfahrungen im Gebiete der Kunst, historische Nachrichten über interessante Kunstwerke und Künstler und über die Schicksale der Kunst in alter und neuer Zeit, ferner überdachte Urtheile und Raisonnements 397
Kunstausübende Vereine
über Kunst und Kunstgeschmack, welche über Discussion und Austauschung der Ideen die Veranlassung geben, seyn. Diese müssen eigene Arbeiten der Mitglieder oder noch unbekannte Produkte der Vorzeit oder des Auslandes seyn. §. 20. Während dieses Vortrages darf derjenige, der ihn hält nur unterbrochen werden, wenn er dazu auffordert, sonst muß durch Hammerschlag zur Ordnung verwiesen werden. §. 21. Bei den hier nachfolgenden Discussionen muß nur einer auf einmal sprechen, und nur wenn er vollendet hat, ein anderer seine Meinung äußern. Haben mehrere Bemerkungen vorzutragen, so geht die Ordnung des Sprechens von der Linken zur Rechten. Abschnitt III. Beamten des Künstler vereins und deren Pflichten. §. 1. Beamten des Künstlervereins sind, der erste und zweite Vorsteher, der erste und zweite Schreiber und der Seckelmeister. §. 2. Der zweite Vorsteher und der zweite Schreiber sind Substituten der ersten, und vertreten diese, wenn sie ihr Amt zu verwalten verhindert werden. §. 3. Der Vorsteher präsidirt in den Sitzungen, kündigt deren Anfang durch den Hammerschlag an, und leitet die Geschäfte derselben. Bey der Beendigung der Sitzung kündigt er diese an, und meldet den Gegenstand der nächstfolgenden Sitzung. Wenn beym Umstimmen die Stimmen gleich sind, giebt seine Stimme das Uebergewicht und den Ausschlag. §. 4. Der Schreiber führt über die Verhandlungen der Sitzungen ein Protokoll, in welchem er die Gegenstände der Sitzung ohne Urtheil darüber verzeichnet, und bey der nächsten Versammlung dem Verein vorlieset. – Außerdem führt er ein Verzeichniß der vorgezeigten Kunstarbeiten, Kunst-Entwürfe und Skizzen der Mitglieder des Vereins, und zugleich eine Kontrolle über die Kunstthätigkeit der Mitglieder wozu solche nach §. 2. Abschnitt II. dieses Titels verpflichtet sind. – Wenn Correspondenzen des gesammten Vereins vorfallen, so besorgt er diese nach dem Beschluß des Vereins, lieset jedoch die im Namen des Vereins erlassenen Schreiben im Concept der Versammlung vor, und wenn dies genehmigt wird, vollziehen die Beamten das Mundum. Endlich theilt er nach §. 2. und 3. Abschnitt II. Tit. II. die Aufgaben mit. 398
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§. 5. Der Seckelmeister zieht die Beyträge der Mitglieder zum gemeinsamen Zweck ein, und führt über Ausgabe und Einnahme Rechnung. Die bestimmten Beiträge sind für jetzt auf einen Thaler Cour. für drei Monate festgesetzt, und werden alle drei Monat unaufgefordert berichtigt. Der Seckelmeister nimmt an den ersten vier Mittwochen jedes Quartals die Beiträge an, und ertheilt darüber die Quittungen, sind sie in diesen Tagen nicht berichtigt: so wird der Beytrag in den Wohnungen der Restanten durch den Diener des Vereins eingefordert, welcher dafür von jedem Restanten zwey leichte Groschen erhält. Außerdem sorgt der Seckelmeister für gehörige Beleuchtung, Ordnung im Sitzungszimmer und erforderliche Aufwartung. Er macht Vorschläge zu Verbesserungen in ökonomischer Hinsicht, und es wird darüber vom Verein gemeinsam beschlossen. – Die Revision der Rechnung, welche er führt, geschieht halbjährig und zwar wird sie zur Durchsicht eines jeden, der sie sehen will vorgelegt, um jedoch die Zeit damit nicht zu verderben, von einem dazu jedesmal zu ernennenden Ausschuß revidirt, und mit den Belägen verglichen, der über den Bestand dem Verein einen kurzen Bericht abstattet. §. 6. Alle Jahre werden die Beamten des Vereins durch Ballotage von den versammelten Mitgliedern durch Stimmenmehrheit gewählt, und zwar jedes Mal am zweiten Mittwoch des Monats November. Abschnitt IV. Wahl der Mitglieder. §. 1. Jeder dem die wirkliche Mitgliedschaft des Vereins zu Theil werden darf, muß den Zweck derselben auf irgend eine Art zu befördern im Stande seyn, mithin zu einer Art von Kunstthätigkeit (Abschnitt II.) qualificirt seyn. §. 2. Es sind daher Kunstschüler von der Mitgliedschaft ausgeschlossen, und der Begriff der Kunstmeister wird für diesen Verein dahin festgestellt, daß derselbe die Kunst als ein selbstständiges Gewerbe treibt, und wirkliche Kunstwerke eigener Erfindung gearbeitet hat. §. 3. Außer den Kunstmeistern können wirkliche Mitglieder werden, a) Dilettanten, d. h. die mit der Kunst kein Gewerbe treiben, und sich auch zum Kunstgewerbe nicht bilden, jedoch in der Kunst etwas zu leisten qualificirt sind. b) Kunstfreunde, welche die Kunst gar nicht practisch üben, aber ihren Kunstgeschmack theoretisch gebildet haben, und auf diese Art durch Kunsttheorien, ästetische [!] Abhandlungen und Kunstkritiken, für den Verein arbeiten, und Gelegenheit zu Kunstdiscussionen geben können. 399
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§. 4. Ehrenmitglieder können Gelehrte und Künstler anderer Fächer der Kunst, als welche Gegenstände des Vereins sind, oder Kunstsammler welche Kunstverkehr befördern, werden, wenn der Verein sie dazu für würdig erklärt. §. 5. Wer ein wirkliches Mitglied werden will, muß dem Verein seinen Wunsch dazu schriftlich melden, und von seiner Qualifikation zur Mitgliedschaft, wenn solche nicht notorisch ist, Beweise beifügen. Seine Anzeige wird dem Verein vorgelesen, und nach vier Wochen über seine Reception ballotirt. §. 6. Ein Ehrenmitglied wird um Annahme der Mitgliedschaft schriftlich ersucht. §. 7. An den Beschlüssen des Vereins nehmen alle wirkliche Mitglieder desselben Theil und haben ein Stimmrecht, wogegen sie allein zu Beyträgen verpflichtet sind. Ehrenmitglieder haben keine Verpflichtungen gegen den Verein, sondern nur das Recht den Sitzungen desselben beizuwohnen Abschnitt V. Besuch der Fremden. §. 1. Jedes Mitglied hat das Recht hiesige und fremde Künstler, Kunstfreunde und Gelehrte dem Verein als Besuchende zuzuführen. §. 2. Ein Mitglied, welches einen Besuchenden einführt, muß diesen dem ersten Vorsteher vorstellen, welcher ihn wieder der Versammlung vorstellt. Der Einführende so wie der Besuchende trägt am Schlusse der Sitzung seinen Namen in das Fremdenbuch ein, welches ihm der Seckelmeister vorlegt. §. 3. Einheimische können nicht öfter als zwey Mal im Jahre als Besuchende eingeführt werden. §. 4. An Tagen, welche zu allgemeinen Beschlüssen und Umstimmungen bestimmt sind, darf gar kein Besuchender eingeführt werden.
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Berlinischer Künstler-Verein
Tit. III. Feste des Künstler vereins. §. 1. Ein Tag im Jahr ist zu einem Feste des Vereins bestimmt, nämlich der Sanct Lucas Tag, an welchem die Stiftung des Vereins feierlich begangen wird. §. 2. Das St. Lucasfest soll alle Jahr gefeyert werden, und besteht in der Versammlung der Künstler und ihrer Gäste zu einem frugalen Mahle; wobey der Versammlung Nachricht von der Kunstthätigkeit des Vereins im verflossenem Jahre ertheilt wird. §. 3. Dies Fest soll mit der Würde gefeyert werden, welche einem Künstlerverein Berlins ziemt. Da es sowohl von der Kunstthätigkeit als dem Kunstgeschmack des Vereins und der Freude desselben an der Kunst dem Publiko Rechenschaft giebt, so sollen die dort auszustellenden Kunstprodukte einen würdigen Grad der Vollendung haben, und die Wahl der Gegenstände der Darstellung und Feyer von dem Verein, oder einem von demselben zu erwählenden Ausschuß zeitig vor dem Feste erfolgen, indem ein jeder Künstler als Mitglied ein Interesse dabey hat, in welchem Grade der Achtung sein Stand im Publiko steht, und die Art wie sich das Treiben der Künstler gemeinsam vor dem Publico offenbart, auf diesen bedeutenden Einfluß hat. §. 4. Die Art wie ein jedes Mitglied mit Gästen und unter welchen Bedingungen an dem Feste Theil nehmen kann und soll, wird zum jedesmaligen Beschluß des Vereins vorbehalten. Berlin, im Jahre 1817. Urkundlich auf den Grund des über den Gesetzentwurf des Ausschusses verhandelten Protokolls, gezeichnet von den Beamten des Vereins. Schadow, erster Vorsteher. Helm, zweiter Schreiber.
Weitsch, zweiter Vorsteher. Pascal Seckelmeister
Catel, erster Schreiber.
Quelle: Gesetze des Berlinischen Künstlervereins. Berlin 1817 (Druckschrift, 16 S., SBB PK, Sign. 1196).
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Kunstausübende Vereine
II) Erläuternder Text von Johann Gottfried Schadow zur Vereinsgründung im Spiegel seines verschollenen Entwurfs zu einem Vereinsdiplom, 1817 [siehe Abb. im Handbuch Bd. 1, S. 467]
Im Jahre Ein Tausend Achthundert Vierzehn den zwei und zwanzigsten des Wintermondes haben die Mahler Bildhauer u Baukünstler u Kunstgenossen zuerst hier in Berlin einen freiwilligen Verein gebildet; sie kommen am Mittwoch Abend zusammen in dem sogenannten „Englisches Haus“ wähleten gleich drei Beamte, als einen Vorsteher, einen Schreiber, und eine Säckelmeister. Nach dem Loose hat Jeder, den Abend eine Stunde lang die Gesellschaft zu unterhalten. So haben Einige das Leben längst verstorbener Künstler vorgelesen, u die Zeichnungen von deren Wercken vorgewiesen, Andere haben ihre eigene Erfindungen ausgestellt, auch ihr Gedachtes darüber vorgetragen. Gleichfalls wurden Aufgaben gemacht, woran Mehrere desselben Kunstfaches arbeiteten, u so entstand dies Blatt, als die Umfassung zu einem Patente oder Lehrbriefe für einen Teutschen Künstler; als zu ertheilen von einer Teutschen Künstler Gesellschaft. Derohalben siehet man die Bilder des Peter Vischer u des Albert Dürer mit den Ruhmes Göttinnen Oben schweben! Am untern Rande als dem Elemente der Erde sind gezeichnet: Ein Ackermann und ein Schäfer. Diese urältesten Gewerbe der Menschen erregten die Stätigkeit und die Liebe zum Eigenthum, und bedingten zuerst das Obdach, woher dann die edle Baukunst, ihren Ursprung nahm. Solche ist vorgestellet durch einen geflügelten Knaben, mit Winkel u Senkblei; und sind die Schnörkel das Kennzeichen deutscher Art und Kunst; welche ist: schwierig künstlich und vielgeziered; dannenhero wir Deutschen hierin vor allen Andern den Ruhm hatten. Dies hier hat gezeichnet der Bildhauer Johann Gottfried Schadow geb. zu Berlin d. 20. May 1764. zur Zeit Vorsteher dieses Künstler Vereins der Schreiber ist der Baukünstler Ludwig Catel u der Säckelmeister H. Pascal ein Liebhaber in der Landschaftsmahlerei. Nach großen Kriegsdrangsalen genießt das Land den wohltätigen Frieden; u ist König u Volk mächtiger denn Je: Vereint vertilgen Sie die Spuren des Krieges, u rufen die Künste des Friedens zu Hülfe; Tugend u Frömmigkeit wird geachtet. Berlin den 7 May 1817. Quelle: Katalog „… und abends in Verein“. Johann Gottfried Schadow und der Berlinische KünstlerVerein 1814–1840. Berlin Museum 1983, Nr. 168, S. 173. Vgl. auch: Sibylle Badstübner-Gröger, Claudia Czok, Jutta von Simson: Johann Gottfried Schadow. Die Zeichnungen (3 Bände). Bd. 2, Berlin 2006, Nr. 1114, S. 431–432.
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III) Revidierte Statuten, 1843 Statuten des im Jahre 1814 gestifteten Berlinischen Künstler-Vereins. Revidirt und erneuert im Jahre 1843. Titel I. Zweck des Künstler-Vereins. §. 1. Der Künstler-Verein ist eine Vereinigung von Künstlern und Kunstfreunden zur möglichsten Verbreitung und Beförderung der Kunst, Kunstfertigkeit und des Kunstgeschmacks im Fache der Malerei, Bildnerei, Architectur und der sämmtlichen damit verwandten Kunstsphären. §. 2. Jedes Mitglied verpflichtet sich durch seinen Eintritt in denselben, so viel es vermag, diesem Zweck zu genügen und die Vorschriften dieses Statuts genau zu befolgen. §. 3. Diese Statuten sollen die jetzigen und zukünftigen Mitglieder des Vereins so lange verpflichten, bis dieselben ganz oder zum Theil durch gemeinsamen Beschluß des Vereins aufgehoben oder abgeändert werden. Titel II. Abschnitt I. Thätigkeit des Vereins. §. 1. Die Mitglieder des Vereins versammeln sich während der Winter-Monate, und zwar vom 1. September bis letzten Mai jeden Jahres, jeden Mittwoch Abend, während der Sommer-Monate aber alle vier Wochen in dem zu den Sitzungen für jetzt gewählten Locale des englischen Hauses. §. 2. Die Sitzung fängt jedesmal präcise um 7 Uhr an und wird deren Eröffnung durch den Hammerschlag des Vorsitzenden angekündigt. §. 3. Sobald der Hammerschlag geschehen, soll jedes Mitglied nebst den Besuchenden an der zur Sitzung eingerichteten Tafel einen Platz einnehmen, jede Privat-Unterhaltung und Nebenbeschäftigung aufhören und der Vortrag ruhig erwartet werden, der für die jedesmalige Sitzung bestimmt ist. Die Sitzung beginnt jedesmal mit der Vorlesung des Protokolls der letzten Sitzung. 403
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Abschnitt II. Gegenstände der Sitzungen. §. 1. Beschauung von Kunstwerken und Austausch gegenseitiger Kunst-Ansichten, so wie freundliche Besprechung über dergleichen sollen zunächst der Hauptzweck der Sitzungen als die belehrendste Unterhaltung über Kunstgegenstände sein. §. 2. Jedes Mitglied des Vereins ist verpflichtet, alljährlich wenigstens einmal für eine solche Unterhaltung Sorge zu tragen, entweder durch Vorlegung eigener Kunst-Arbeiten, Entwürfe, Skizzen u. s. w., oder auch durch Vorzeigung bemerkenswerther Kunstprodukte anderer, älterer oder neuerer Künstler in Original-Gemälden oder Kupferstichen, lithographirten Blättern und dergleichen. Um den Tag zu bestimmen, an welchem ein bestimmtes Mitglied des Vereins im laufenden Jahre zum Vortrag verpflichtet ist, soll im Anfange jeden Jahres ein Kalender für den Verein gedruckt und jedem Mitgliede ein Exemplar desselben mitgetheilt werden, in welchem vermerkt ist, welches Mitglied des Vereins an jedem Versammlungs-Tage den Vortrag hat, und da mehr Mitglieder als Vortrags-Tage im Jahre vorhanden sind, so werden von den Mitgliedern, von denen ihrer sonstigen Verhältnisse wegen weniger Kunstthätigkeiten als von andern gefordert werden können, mehrere auf einen Tag angesetzt werden. Für die Maler, von denen Original-Gemälde erwartet werden dürfen, soll eine günstige Jahreszeit zu ihren Vorträgen ausgewählt werden, um ihre Werke im besten Lichte beschauen zu können. Die Anfertigung dieses Kalenders wird dem Seckelmeister überlassen. Den einzelnen Mitgliedern wird gestattet, wenn sie an einem bestimmten Tage ihrer Vortrags-Verbindlichkeit zu genügen behindert sind, sich mit andern über einen Tausch ihrer Vortrags-Tage zu vereinigen, und wird hierdurch zu verhindern sein, daß kein Versammlungs-Tag ohne Vortrag eines Mitgliedes vorübergeht. §. 3. Die Kritik über eigene Werke der Mitglieder soll offen und ohne Rücksicht, jedoch ohne Ironie und Leidenschaft in der Sitzung erfolgen. §. 4. Es wird gewünscht, von allen Arbeiten, welche die Mitglieder zur Publicität bestimmt haben, wenn diesem nicht höhere Rücksichten widersprechen, Skizzen zur Ansicht vorgezeigt zu sehen. §. 5. Der das Protokoll führende Schreiber muß von allen vorgelegten Entwürfen und KunstArbeiten vollständige Notizen erhalten, um aus den Protokollen die Thätigkeit des Vereins vollständig überschauen zu können. 404
Berlinischer Künstler-Verein
§. 6. Ein anderer Gegenstand der Sitzungen soll die Vorlesung von Abhandlungen im Fache der Künste, Mittheilungen erworbener Kunst-Erfahrungen, historische Nachrichten über Kunstwerke und Künstler, über die Schicksale der Kunst in alter und neuer Zeit und Urtheile und Raisonnements über Kunst und Kunstgeschmack, so wie Discussionen über dergleichen sein. §. 7. Um dieser Thätigkeit des Vereins bestimmter zu genügen, soll in den Winter-Monaten am ersten Mittwoch eines jeden Monats eine Sitzung den historischen Vorträgen gewidmet sein, in welcher zugleich alle den Verein angehenden Gegenstände zur Berathung vorgelegt und etwanige Aufgaben verabredet werden sollen. Diese Sitzungen sollen jedesmal mit einem frugalen Mahle beschlossen werden. §. 8. Derjenige, welcher einen mündlichen Vortrag hält, darf während desselben nur in Gefolge seiner Aufforderung unterbrochen werden. Außerdem muß der Störende durch den Hammerschlag zur Ruhe verwiesen werden. §. 9. Bei erfolgenden Discussionen darf nur einer der Mitglieder sprechen und wenn er vollendet hat, ein anderer das Wort nehmen. Haben mehrere Bemerkungen vorzutragen, so geht die Ordnung des Sprechens von der Linken zur Rechten. §. 10. Um es dem Verein möglich zu machen, in seinem Archiv Stoff zu einer künftigen Kunstgeschichte unserer Zeit zu sammeln, soll jedes Mitglied im ersten Jahre seiner Mitgliedschaft seine getreue Biographie und sein wohlgetroffenes Bildniß dem Vereine überreichen und außerdem eine Zeichnung, Kupferstich, Steindruck oder Holzschnitt eigener Arbeit in das große Buch liefern. Die in den freimüthig eröffneten Lebens-Verhältnissen des Autobiographen anzugebenden Thatsachen sind nicht für Mittheilungen an fremde Personen geeignet und sollen im Bereich der Mitglieder verbleiben. §. 11. Als nützlich zu größerer Belebung der Kunstthätigkeit wird es wünschenswerth sein, wenn von Zeit zu Zeit in den verschiedenen Fächern der Kunst-Aufgaben zur beliebigen Bearbeitung der Künstler in Contour-Zeichnungen und Skizzen gegeben werden, und wird das Nähere über dergleichen Concurrenz-Arbeiten, etwanige Bestimmung eines Preises, Wahl der Schiedsrichter, gewünschte Veröffentlichung durch Steindruck, Kupferstich u. s. w., jedersmal durch allgemeine Berathung zu bestimmen sein, dessen Aufnahme in der Protokoll für diese Concurrenz gesetzliche Gültigkeit erlangen soll. 405
Kunstausübende Vereine
Abschnitt III. Beamte des Künstler-Vereins und deren Pflichten. §. 1. Die Beamten des Künstler-Vereins sind der erste, zweite und dritte Vorsteher, der erste und zweite Schreiber und der Seckelmeister. §. 2. Der zweite und dritte Vorsteher und der zweite Schreiber sind Substituten der erstern und vertreten diese, wenn sie ihr Amt zu verwalten verhindert sind. Sind alle drei Vorsteher verhindert, so führt eins der ältern Mitglieder in der Sitzung für sie den Hammer und eben so wird es gehalten, wenn keiner der beiden Schreiber anwesend sein kann. §. 3. Der Vorsteher präsidirt in den Sitzungen und leitet die Geschäfte. Am Schluß der Sitzung kündigt er den Gegenstand der nächstfolgenden an. Wenn bei Umstimmungen die Zahl der Stimmen pro und contra gleich sind, so giebt seine Stimme den Ausschlag. §. 4. Der Schreiber führt in den Sitzungen über die Verhandlungen in denselben ein Protokoll und führt die Gegenstände derselben ohne Urtheil in demselben auf. Er besorgt in vorkommenden Fällen die Correspondenz des Vereins nach dessen Beschlüssen, liefert den versammelten Mitgliedern die Concepte der im Namen des Vereins zu erlassenden Schreiben vor und wenn dieselben genehmigt werden, besorgt er das Mundum derselben, welches von sämmtlichen Beamten unterschrieben wird. Nach Eröffnung der Sitzung lieset er das Protokoll der letzten Sitzung vor. §. 5. Der Seckelmeister zieht die Beiträge der Mitglieder und für die Aufnahme eines neuen Mitgliedes von demselben ein Antrittsgeld von einem Friedrichsd’or zu gemeinsamen Zwecken ein, und führt über Einnahme und Ausgabe regelmäßige Rechnung. Die bestimmten fortlaufenden Beiträge, welche auf Einen Thaler Courant für drei Monate festgesetzt sind, läßt der Seckelmeister durch den Diener des Vereins einfordern. Werden diese nicht auf die erste Einforderung sogleich entrichtet, so erhält der Diener für seine fernere Bemühung zur Einziehung der Reste von dem Restanten zwei Silbergroschen. Außerdem sorgt der Seckelmeister für gehörige Beleuchtung, Ordnung im Sitzungszimmer und erforderliche Aufwartung. Er macht Vorschläge zu Verbesserungen in ökonomischer Hinsicht und wird über diese vom Verein gemeinsam beschlossen. Die Revision seiner Rechnung geschieht jährlich und kann jedes Mitglied deren Einsicht fordern, die Revision selbst mit Vergleich der Beläge geschieht aber durch einen dazu bestimmten Ausschuß, der darüber einen kurzen Bericht erstattet und eventualiter, wenn sich nichts zu moniren findet, Decharge ertheilt. 406
Berlinischer Künstler-Verein
Zur Unterstützung hülfsbedürftiger Künstler wird durch freiwillige vierteljährige Beiträge der Mitglieder eine besondere Kasse gebildet und von einem eigens dazu ernannten Almosenpfleger verwaltet. Aus dieser kleinen nur zu beschränkter Unterstützung zureichender Kasse sollen ausschließlich nur solchen Personen Unterstützungen verabreicht werden, welche der Verein für Künstler in zeichnendem, bildendem und plastischem Fach anerkennt, und wenn nach dem Ableben solcher Leute Beiträge zu den Kosten ihres Begräbnisses gefordert werden möchten, so können auch zu diesem Zweck Zahlungen aus der Armenkasse bewilligt werden. Alle sonstige Ansprüche an dieselbe sollen aber unbedingt zurückgewiesen werden. Die Gesuche um Unterstützungen werden, so wie sie eingehen, vom ersten Vorsteher dem Verein vorgetragen, ihre Statthaftigkeit nach Maaßgabe der vorstehenden Bestimmung geprüft und sodann durch Stimmenmehrheit der Mitglieder entschieden, ob und wie viel darauf bewilligt werden soll. §. 6. Alle Jahre werden die Beamten des Vereins durch Ballotage von den versammelten Mitgliedern unter ihnen durch Stimmenmehrheit erwählt, und soll zu dieser Wahl jedesmal der erste Mittwoch des Monats Dezember bestimmt sein. Auch Beamte, die bis dahin in Funktion waren, können dazu von Neuem erwählt werden. A b s c h n i t t I V. Wahl der Mitglieder. §. 1. Nur solche Personen, die den Zweck des Vereins auf irgend eine Art selbstständig zu befördern qualificirt sind, können zu ordentlichen Mitgliedern des Vereins ernannt werden. Ob sie diese Qualification haben, und wenn dies nicht notorisch feststeht, dies durch Production eigener Arbeiten in den im ersten Titel §. 1. angedeuteten Kunstsphären nachgewiesen haben oder nicht, wird den wählenden Mitgliedern bei der Ballotage zum Leitfaden dienen. §. 2. Wer ein wirkliches Mitglied zu werden wünscht, muß entweder dem Verein diesen Wunsch schriftlich melden, oder sich darüber als Besuchender zum Protokoll erklären und dies unterschreiben. Nach erfolgter Anmeldung und Bekanntmachung des Adspiranten an die versammelten Mitglieder wird ein Termin nach vier Wochen in den Kalender des Vereins zur Ballotage notirt, an welchem Tage alsdann die Ballotage erfolgt. §. 3. Außer wirklichen Künstlern können auch Dilettanten, die mit der Kunst kein Gewerbe treiben, sich auch dazu nicht bilden, aber etwas in der Kunst zu leisten im Stande und sonst selbstständig sind, zu ordentlichen Mitgliedern des Vereins gewählt werden. Ueber 407
Kunstausübende Vereine
ihre Aufnahme wird eben so wie über die wirklichen Künstler ballotirt. – Kunstfreunde, welche die Kunst praktisch zu üben zwar gar nicht geeignet sind, aber ihren Kunstgeschmack theoretisch gebildet haben, und deshalb durch Theorien, ästhetische Abhandlungen und Kunstkritiken, so wie durch Vorträge über Kunstgeschichte für den Verein arbeiten und Gelegenheit zu Kunst-Discussionen geben können, dürfen ebenfalls durch Ballotage zu ordentlichen Mitgliedern des Vereins erwählt werden. §. 4. Ehren-Mitglieder können nur durch Acclamation der anwesenden Mitglieder des Vereins erwählt werden, und wird ihnen eine solche Wahl mit dem Ersuchen bekannt gemacht, sich über die Annahme einer Ehren-Mitgliedschaft des Vereins zu erklären. Diese haben weder ein Antrittsgeld, noch einen Beitrag zu zahlen, können an den Sitzungen jederzeit Theil nehmen, haben aber bei den Wahlen und Beschlüssen des Vereins keinen Antheil, obgleich sie zu Beamten selbst gewählt werden können, wenn sie ein Amt zu übernehmen geneigt sind. §. 5. Wenn ein Mitglied, ohne durch Berufsgeschäfte dazu genöthigt zu sein, Berlin auf mehrere Zeit verläßt und deshalb oder aus einem andern Grunde aus dem Vereine förmlich ausscheidet, soll es, wenn es in der Folge den Wieder-Eintritt wünscht, verpflichtet sein, sich wie jeder Andere zur Mitgliedschaft von Neuem zu melden; es soll alsdann über seine Mitgliedschaft wie über die eines neuen Mitgliedes von Neuem ballotirt werden, und wenn er wieder aufgenommen wird, so soll er wie jedes neue Mitglied das Antrittsgeld bezahlen. Wenn dagegen ein Mitglied durch seinen Beruf und sonstige Verhältnisse genöthigt wird, Berlin auf längere Zeit zu verlassen, ohne der Mitgliedschaft zu entsagen, so soll er als ein abwesendes Mitglied betrachtet und während seiner Abwesenheit von Beiträgen dispensirt sein. Für ein solches Mitglied bedarf es daher, wenn er zurückkehrt, keiner Wieder-Aufnahme in den Verein. §. 6. Der Verein hat sich das Recht vorbehalten, einzelnde Mitglieder, welche durch Mangel an Theilnahme an den Zwecken des Vereins, oder wegen eines im Fache der Kunst oder sonst dem Vereine mißfälligen Betragens, ihre Ausscheidung aus dem Verein wünschenswerth machen, aus dem Verein zu excludiren. Wenn ein Antrag auf Ausschließung solcher Mitglieder von einem oder mehreren Mitgliedern in Antrag gebracht wird, so soll darüber in der nächsten Sitzung berathen, und wenn eine Verschiedenheit der Ansichten sich darbietet, unter den anwesenden Mitgliedern förmlich ballotirt werden. Wird für die Exclusion entschieden, so wird ein solcher Beschluß mit der Unterschrift der Beamten dem excludirten Mitgliede schriftlich bekannt gemacht, und dasselbe hört dadurch sofort auf, Mitglied des Vereins zu sein. 408
Berlinischer Künstler-Verein
Insbesondere sollen solche Mitglieder zur Exclusion geeignet sein, welche ein volles Jahr hindurch oder länger die vorschriftsmäßigen Beiträge zur Kasse des Vereins nicht einzahlen. Der Seckelmeister ist daher verpflichtet, dergleichen säumige Zahler dem Verein bekannt zu machen, und soll über ihre Exclusion, wenn sie nicht einstimmig beschlossen wird, sofort ballotirt werden. §. 7. Fremden, Berlin besuchenden anerkannten Künstlern wird gestattet, binnen drei Monaten die Sitzungen des Vereins zu besuchen; wollen sie dieses Besuchsrecht länger als drei Monate genießen, so müssen sie sich, wie jeder Dritter, förmlich zu Mitgliedern des Vereins aufnehmen lassen. Außerdem kann jedes ordentliche oder Ehren-Mitglied, fremde und hiesige Künstler, Kunstfreunde und Gelehrte, zu einzelnen Sitzungen des Vereins als Besuchende einführen. Ein solcher Besuchender wird von dem Einführenden dem ersten Vorsteher vorgestellt, der ihn den übrigen Mitgliedern präsentirt, und der Besuchende selbst schreibt sich in das Fremdenbuch ein, welches ihm von dem Seckelmeister vorgelegt wird. – Einheimische haben das Recht, dreimal im Jahre den Verein zu besuchen. An Tagen, welche zu allgemeinen Beschlüssen oder Ballotagen bestimmt sind, darf kein Besuchender eingeführt werden, oder muß wenigstens während solcher Geschäfte abtreten. §. 8. Da es nothwendig ist, den Wirth von der Zahl der zu dem monatlichen frugalen Mahl nach dem historischen Vortrage zu versammelnden Mitglieder im Voraus zu unterrichten, so soll in der letzten Sitzung vor diesem Tage den versammelten Mitgliedern eine Einladung dazu vorgelegt werden und diejenigen Mitglieder, die an dem Tage nicht anwesend sind, durch dies Circular in ihrer Wohnung eingeladen werden, um sich als erscheinend oder nicht erscheinend beim Mahle darauf zu notiren. Von denjenigen, welche von der Einladung dennoch keine Notiz nehmen und sich nicht aufschreiben, wird angenommen, daß sie nicht erscheinen und bei der Anzeige über die Zahl der Theilnehmenden an dem Mahle an den Wirth auf sie keine Rücksicht genommen werden. Für die Einladung jedes einzelnen Mitgliedes wird dem Diener der Vereins-Kasse 1 Sgr. verabfolgt, wenn er die Einladung selbst durch die Unterschrift des Eingeladenen nachweiset. Titel III. Feste des Künstler-Vereins. §. 1. Der St. Lucas-Tag jeden Jahres ist zu einem Feste des Vereins bestimmt, wenn nicht besondere Hindernisse der Feier desselben entgegenstehen. Es wird erwartet, daß die Mitglieder sich zu demselben möglichst vollständig versammeln, und wird ihnen einige Zeit vorher von der Thätigkeit des Vereins zu einer solchen Feier Nachricht gegeben, so wie 409
Kunstausübende Vereine
die Art, wie sie erfolgen soll, bekannt gemacht werden, über welche der Verein im Voraus das Nöthige beschließen wird. §. 2. Außerdem können auch andere Veranlassungen zu Festen des Vereins oder gemeinschaftlichen Wanderungen in die Umgegend oder Kunstwerkstätten, Gallerien, KunstCabinette und dergl. Gelegenheit geben. Hiervon wird, sobald der Verein dergleichen beschlossen hat, den Mitgliedern zeitig Nachricht gegeben werden. Von den Beschlüssen über die Feier des Lucas-Festes soll, wenn sechs Monate vorher der Plan dazu durch eine eigens zu ernennende Commission entworfen und vom Verein genehmigt ist, dem Verein mindestens vier Wochen vor dem Feste vollständige Auskunft gegeben werden. §. 3. Ob und unter welchen Bedingungen auch Fremde zu Festen zuzulassen sein werden, desgleichen, ob Damen daran Antheil haben sollen, und in welcher Zahl von den Mitgliedern Gäste mitgebracht werden können, und über den Preis, welchen jedes Mitglied für das Fest zu entrichten haben wird, werden die Beschlüsse dem Verein für jedes Fest vorbehalten. Durch diese Statuten sind die ältern resp. ergänzt und abgeändert, und bleiben bis zu neuern Beschlüssen der versammelten Mitglieder die Vorschriften, nach welchen sich alle Mitglieder des Vereins zu richten haben. So beschlossen im Jahre 1843 und von den Beamten des Vereins und dem Redacteur nach erfolgter Genehmigung der Mitglieder vollzogen. Berlin, den 1. März 1843. G. Schadow,
C. Seidel,
Hesse,
erster Vorsteher.
erster Schreiber.
Seckelmeister.
Begas, Kopisch, J. B. Pascal, Troschel. zweiter Vorsteher.
dritter Vorsteher.
zweiter Schreiber.
Redacteur.
Quelle: Akademie der Künste, Berlin, Historisches Archiv, PrAdK I / 367, Bl. 4 (Druckschrift, S. 1–12).
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Sing-Akademie zu Berlin
Sing-Akademie zu Berlin Verfassungsentwurf, 1816 Grundriß der Verfassung der Sing-Akademie zu Berlin, den Mitgliedern im Entwurf mitgetheilt von der jetzigen Vorsteherschaft. Wie die Sing-Akademie um das Jahr 1790 durch den Eifer des wohlseeligen Meisters Carl Friedrich Christian Fasch aus dem häuslichen Kreise einiger Kunstliebhaber ihren Anfang genommen, welche Einrichtung ihr derselbe gegeben, mit welcher unablässigen und zarten Sorgfalt Er bis zu Seinem Hintritt den heiligen Zweck Seiner Stiftung gepflegt, und den Geist, aus dem sie hervorgegangen, in ihr erhalten hat, dies lebt unter uns noch lange in dankbarer Erinnerung. Wir können dieserhalb nur auf die Denkschrift verweisen, die der mit unterzeichnete Director im Jahre 1801 auf den Verewigten verfaßt hat, indem wir hoffen, daß jeder ächte Theilnehmer der Gesellschaft sich in deren Besitze befinden werde. Erscheint es nun in dem Zeitalter der Unbeständigkeit wie ein Räthsel, daß dieser Kunstverein, ohne geschriebne Gesetze, ein Viertheil-Jahrhundert hindurch in Zweck und Wesen unverändert bestehen, und zu solchem Umfange gelangen konnte: so liegt in jener Schrift und dem darin niedergelegten Bekenntnisse der Tugenden, denen die Gesellschaft Entstehen und Gedeihen verdankt, die Lösung desselben. Ja, es ließe an diesem seltenen Beispiele sich wahrnehmen und erweisen, wie die Kraft des reinen Willens allein einer Verfassung Erfolg und Dauer geben kann; wie die Gesetze einer Gesellschaft erst aus ihrem Leben, gleich der Theorie aus den Werken der Kunst, hervorgehen, und wie vergeblich es wäre, einen gesellschaftlichen Zweck durch Gesetze ins Leben einführen zu wollen! Alles Menschliche muß aber mit den Generationen gleiche Veränderungen erleiden, und so kann, was ehedem gemeinsam bestand, heute nicht mehr durchaus dasselbe sein. Wünscht man gleichwohl jene Einheit des Zweckes, jene Kraft des einträchtigen Wirkens länger noch zu erhalten, ja, wenn es sein könnte, zu verewigen, so muß zu ihrem Schutze die bisher verborgen wirkende Verfassung kräftiger hervortreten; und so entstehen, aus natürlichem Bedürfniß, durch die Erinnerung, Betrachtung und Erwägung, kurz aus der Geschichte der Vergangenheit, die Rechte der Gegenwart und die Gesetze der Zukunft. So schien denn auch für uns jetzt der Zeitpunct eingetreten zu sein, in welchem es nothwendig ward, die ursprüngliche Verfassung der Sing-Akademie durch schriftliche Gesetze zu sichern, deren Grundzüge im Folgenden mitgetheilt werden, um insbesondere die neueren Mitglieder davon zu belehren, welche von den Festsetzungen des verewigten Meisters sonst nur durch unsichere Überlieferung unterrichtet werden würden. 411
Kunstausübende Vereine
§. 1. Die Sing-Akademie ist ein Kunstverein für die heilige und ernste Musik, besonders für die Musik im gebundnen Stihl, und ihr Zweck: practische Uebung an den Werken derselben, zur Erbauung der Mitglieder, daher sie nur selten und nie anders, als unter der Leitung ihres Directors öffentlich auftritt. §. 2. Nur derjenige ist fähig, Mitglied zu sein, welcher nicht nur den Grad der sittlichen und Kunst-Bildung besitzt, der erfordert wird, um an jenem Zwecke mitwirkend Theil nehmen zu können, sondern der diese Theilnahme auch wirklich leistet. §. 3. Wer in die Gesellschaft aufgenommen zu sein wünscht, hat sich zunächst bei dem Director zu melden und über seine musikalische Bildung auszuweisen, und wird auf dessen Vortrag, je nachdem es die, für jede Zeit nach den Umständen beschränkte Zahl der Theilnehmer gestattet, von der Vorsteherschaft erwählt, und von einem Mitgliede derselben in die Gesellschaft eingeführt. §. 4. Die Aufnahme geschieht nur bei dem Anfange eines jeden Vierteljahrs. §. 5. Das Eintrittsgeld beträgt zwei Thaler, eben so viel auch der fortlaufende vierteljährige Beitrag zur Kasse, welchen jedes Mitglied, so lange es die ihm bei seiner Aufnahme zugestellte Karte behält, also auch während einer kürzern oder längern Abwesenheit von Berlin, zu entrichten hat. §. 6. Die Zurücksendung der Karte zeigt an, daß man aufhören wolle, Mitglied zu sein, und um dann wieder beitreten zu können, hat man aufs neue sich zur Aufnahme zu melden. §. 7. Ausserordentliche, nur auf die kurze Dauer ihrer hiesigen Anwesenheit aufgenommene Mitglieder entrichten sowohl das Eintrittsgeld als den laufenden Beitrag doppelt. §. 8. Die Uebungen finden wöchentlich zweimal, Montags und Dienstags von 5 bis 7 Uhr statt. Zu denselben hat, ohne besondere Erlaubniß des Directors, ausser den Mitgliedern Niemand Zutritt, als an bestimmten Tagen, an welchen eine gewisse Zahl von Einlaßkarten für Zuhörer ausgegeben wird. Ohne solche darf kein Mitglied einen Fremden einführen. 412
Sing-Akademie zu Berlin
§. 9. Die Leitung der musikalischen Uebungen ist das Geschäft des Directors, der darin die vollkommene Freiheit hat und durch nichts, als durch den stiftungsmäßigen Zweck beschränkt ist. Dieser erfordert aber auch, daß jedes Mitglied seinen Anordnungen in diesem Geschäft unbedingt Folge leiste. §. 10. Der Director hat jetzt zwei Gehülfen, (die Herrn Musikdirektor Hellwig und Rungenhagen,) denen er beliebig die Direction übertragen kann, und denen dann, so wie überhaupt jedem Dirigenten, dieselbe Aufmerksamkeit gebührt wie ihm selbst. §. 11. Die Gesellschaft wird, sowohl in ihrem Verhältnisse zu dem Director, als gegen das Publikum, durch ihre Vorsteher repräsentirt, welche ihre Rechte vertreten, ihren Zweck schützen, und in jeder Beziehung über ihre unveränderliche Erhaltung wachen. §. 12. Es waren ihrer Anfangs sechs, drei Männer und drei Frauen, welche ihre Zahl aus den übrigen Mitgliedern wieder ergänzten. Es ist nöthig geworden, diese Zahl um zwei zu vermehren. §. 13. Zu ihren besonderen Geschäften gehört die ökonomische Verwaltung, deren einzelne Zweige zweckmäßig vertheilt sind, so daß z. B. Einer von ihnen die Rechnung der Kasse führt und alljährlich ablegt, ein Andrer in Gemeinschaft mit dem Director die Sammlung von Musikalien unter seiner Aufsicht hat, ein Dritter über die genaue Pflichterfüllung der Officianten wacht, u.s.w., über welches Alles noch besondre Festsetzungen bestehn, deren weitere Ausführung hier nicht an ihrem Ort sein würde. §. 14. Sie versammeln sich regelmäßig, um das Wohl der Gesellschaft zu berathen, und halten während der gewöhnlichen Uebungen, bei welchen regelmäßig zwei von ihnen anwesend sind, auf genaue Befolgung der herkömmlichen Ordnung. Berlin, am 1sten Mai 1816. Director und Vorsteher der Sing-Akademie. Carl Fr iedr ich Zelter. August Hartung. / Christ. Friedr. Schultz. / Friedrich Schultz. / Hinrich Lichtenstein. / Sidonie Voitus. / Wilhelmine Alberti. / Albertine Woltmann. / Henriette Rosenstiel. 413
Kunstausübende Vereine
Quelle: Grundriß der Verfassung der Sing-Akademie zu Berlin, den Mitgliedern im Entwurf mitge theilt von der jetzigen Vorsteherschaft. Berlin 1816. Gedruckt in der Johann Friedrich Ungerschen Buchdruckerei.
Liedertafel I) Karl Friedrich Zelter: Statutenentwurf vom 21. Dezember 1808 Das Bedürfniß deutscher, besonders mehrstimmiger Gesänge, die deutschen Sinn, Ernst und Fröhlichkeit athmen und also keine bloße Nachahmungen ausländischer Formen sind, nimmt in dem Maaße zu als der Gesang selbst ein Attribut geistreicher Tischgesellschaften geworden ist. Wenn nach und nach gute deutsche Lieder, gleichsam zufällig entstanden sind; so fehlt hergegen ein Ort sie zu sammeln, zu erhalten, zu vermehren; wodurch Dichter und Componisten belohnt und angeregt würden. Eine Lieder tafel könnte diesen Mangel herstellen und auf folgende Art eingerichtet werden: // § 1 Die Gesellschaft der Liedertafel besteht anfänglich in Mitgliedern der Singakademie. § 2 Es kann daher niemand ein Mitglied seyn der nicht singen, kein Lied dichten oder in Musik setzen kann. § 3 Die Zahl derselben ist nicht über 25 unter welchen ein Meister gewählt wird der den Vorsitz hat und die Zal 25 führt. § 4 Ob diese Meisterschaft auf bestimmte Zeit oder permanent sein soll kann durch die Mehrheit der Stimmen entschieden werden. § 5 Die Liedertafel besteht in der Regel aus männlichen Mitgliedern. Da jedoch die Gegenwart der Frauen die Zierde jeder Gesellschaft, wo Ordnung Heiterkeit und Anstand 414
Liedertafel
herrschen // sollen aus macht, auch zur Beschickung einer Tafel die Aufsicht einer würdigen Frau an ihrem Orte ist; so kann die Versammlung entscheiden: ob die Gattinn Schwester oder Verwandte eines Mitgliedes zugelassen werden kann? Ist dies der Fall so hat sie den Platz an der Tafel neben ihrem Manne, Bruder oder Verwandten und das Recht sich Eine beliebige weibliche Gesellschafterinn mitzubringen. § 6 Wenn bey der L.T. über irgend einen Gegenstand Streit entsteht; so ist er in dem Augenblicke aufgehoben als der Meister oder der den Vorsitz hat, das Zeichen zur Anstimmung eines Liedes gibt. // § 7 Die Mahlzeit darf in der Regel nicht über zwey Gerichte gehn. An festlichen Tagen kann die Mehrheit der Stimmen ein mehreres beschließen. § 8 Seinen Wein, sein Tischgedeck und alles dazugehörige besorgt sich jedes Mitglied selber, doch würde es gut sein wenn Tafelgedeck und Zubehör uniform seyn könte. Auf schöne klingende Gläser und gutes Trinkgeschirr überhaupt wird jeder gern sein Absehn richten. § 9 Gedichte und Lieder die eine persönliche, specielle Satyre enthalten sind von der Lieder Tafel ausgeschlossen. § 10 Dagegen sind die Gegenstände des Vaterlandes und allgemeinen // Wohlseins, in ihrem ganzen Umfange Dichtern und Componisten empfohlen. § 11 Eine Anzal silberner Medaillen wird angefertigt, die den Werth von 24 Silbergroschen haben können. Hat nun jemand ein Lied gedichtet oder in Musik gesetzt. So wirft jedes Mitglied (wenn ihm ein Lied gefällt) einen Silbergroschen in diese Büchse, als ein Zeichen seines Beifalls. Doch ist hiervon der Meister ausgenommen, welcher hier noch keine Stimme hat. § 12 Finden sich bey der Eröfnung und Auszälung der Büchse, welche an der Tafel öffentlich geschehen muß vier und zwanzig Silbergroschen beisammen; so theilt der Meister im Nahmen der Tafel dem Dichter oder Com-//ponisten die silberne Medaille zu. Es wird die Gesundheit des Preiserhalters getrunken und über die Schönheit des Liedes gesprochen. 415
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§ 13 Solten sich nur 20, 21, 22, oder 23 Groschen in der Büchse befinden so ist dem Meister erlaubt nach Gutbefinden, die erforderliche Anzal Groschen aus seinen Mitteln dazuzugeben und den Preis auszutheilen. § 15 [!] Der Name des Verfaßers kann bis dahin verschwiegen bleiben wenn er es wünscht und liegt jedem Mitgliede der L.T. ob, über ein ihm vertrautes Geheimniß, wie überhaupt in allen Dingen die die Tafel betreffen, Verschwiegenheit zu beobachten. // § 16 Wer von der Gesellschaft einer solchen Indiskretion überführt wird fällt in eine Geldstrafe von 8 bis 16 bis 24 gute Groschen § 14 [!] Kann Ein und eben dasselbe Mitglied der L.T. zwölf solche silberne Medaillen vorzeigen; so wird es auf Kosten der Gesellschaft Ein mal bewirthet. Es darf sich dabey den Wein fordern welches es zu trinken wünscht; ihm wird ein Kranz aufgesetzt und es erhält eine goldene Medaille 25 [Rtl.] an Werth. § 17 Ist die Liedert. erst eingerichtet, so können auch Gäste zugelassen werden, doch müßen die Mitglieder an der runden Tafel bleiben des Gesanges wegen. // § 18 Die Liedertafel versamlet sich jeden Monath einmahl und geht nie ohne Gesang auseinander. Der Dienstag auf oder nach dem Ersten jedes Monaths, nach Abhaltung der Singakademie würde vielleicht der schicklichste Tag sein. Die L.T. kann sich darüber vereinigen. § 19 Die L.T. muß Ein Jahr voraus festgestellet seyn. Ein Beitrag von 12 gg monathlich würde wohl das Geringste seyn. Jedes Quartal also wird pränumerando erhoben. Ob jedes Mitglied gleich Anfangs etwas Einzulegen habe kann entschieden werden. § 20 Jedes Mitglied macht sich über haupt auf ein ganzes Jahr verbindlich, wenn er auch ver//reisen oder in Jahres Frist abgehen müßte § 21 Von diesem Gelde wird das Lokal, Erleuchtung und Bedienung bezalt. Das Büchsengeld wenn es nicht zu einer Medaille hinreicht, fällt zugleich in diese Casse. 416
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§ 22 Die L.T. sieht sich als eine Stiftung an, welche die ersehnte Zurück kunft des Königs Hauses feiert und verewigt, wie überhaupt das Lob ihres Königes zu den ersten Geschäften der T. gehört. § 23 Es versteht sich von selber daß jedem Mitgliede der L.T. obliege für die Erhaltung und Verbesserung der Stiftung Sorge zu tragen weil sie sonst nicht bestehen kann. Deßwegen legt // jedes Mitglied am Tage seiner Aufnahme in die Gesellschaft der L.T. durch einen Handschlag seine Versicherung in die Hände des Meisters ab, daß er dies für seine Pflicht halte und hiermit zu thun verspreche, so lange er ein Mitgl. der L.T. ist. § 24 Das Lokal wird zu den ersten Gegenständen der gesellschaftl. Überlegungen gehören. Gut würde es sein wenn, wenigstens anfänglich, ein Mitglied seinen Sal hergeben könnte, doch muß der Raum nicht zu eng seyn, sowohl der Bequemlichkeit als eines guten Klanges wegen. § 25 Ließe sich der letzte Punkt ausführen; so könnte jedes Mitglied sein Gericht und seinen Wein an Ort und Stelle schicken welches zu angenehmen Vertauschungen Anlaß geben könnte. // § 26 Dem Wirthe der die L.T. auf diese Weise aufnähme, müßten jedoch dadurch keine größern Kosten entstehn. § 27 Der Famulus der Sing Akademie nebst dessen Frau könnten bey Tische aufwarten und alle Bothensachen ihnen übertragen werden. § 28 Ein Mitgl. der L.T. der sich gerne dazu verstände würde die Casse und Besorgung der Ökonomie übernehmen und alle halbe Jahre Rechnung ablegen. Quelle: Goethe-Museum Düsseldorf, Anton- und Katharina-Kippenberg-Stiftung: NW 2274/ 1997, fol. 1r–6r. – Transkription Axel Fischer und Matthias Kornemann. – Druck in: Integer vitae. Die Zeltersche Liedertafel als kulturgeschichtliches Phänomen (1809–1832). Hg. von Axel Fischer und Matthias Kornemann. Hannover 2014, S. 242–249 (Berliner Klassik. Eine Großstadtkultur um 1800, Bd. 20).
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II) Die Statutenkontroverse des Jahres 1812 A Entwurf der neuern Statuten der Liedertafel.1 NB: Einleitung. §. 1. Die Gesellschaft der Liedertafel besteht nur aus Mitgliedern der Sing-Academie. §. 2. Niemand kann Mitglied der Liedertafel seyn, der nicht entweder ein Lied dichten, in Musik setzen oder [durchgestrichen: componiren] singen kann. §. 3. Die Zahl der ordentlichen Mitglieder der Liedertafel ist fünf und zwanzig. Von diesen wird durch Stimmen-Mehrheit ein Tafel-Meister [eingefügt: der die Zahl 25 führt], ein Nebenmeister, ein Schreibmeister, ein Säkkelmeister und ein Schlüßelmeister jährlich gewählt oder bestätigt, nur vorausgesetzt, daß derjenige, auf den die Wahl fällt, dieselbe ehrt, und das Amt übernimmt. §. 4. Außer diesen 25 ordentlichen Mitgliedern, giebt es noch fünf außerordentliche Mitglieder der Lieder Tafel, welche aber kein Wahl- und kein Stimmrecht haben, so daß sie weder zu einem der im vorigen §pho gedachten Aemter wählen, noch selbst dazu gewählt werden können. Geht ein ordentliches Mitglied ab, so tritt ein außerordentliches Mitglied der Reihenfolge nach, in deßen Stelle, und dagegen kann ein neues außerordentliches Mitglied gewählt werden. §. 5. Sonach kann also für die Zukunft niemand ein ordentliches Mitglied der Liedertafel seyn, der nicht vorher ein außerordentliches Mitglied gewesen.2 Die Aufnahme eines solchen Mitgliedes geschieht auf folgende Art: Derjenige, der nach § 1 und 2. den Wunsch hegen darf, Mitglied der Liedertafel zu werden, meldet sich schriftlich deshalb bey der Gesellschaft durch den Meister oder Schreibmeister. Durch diese wird sein Wunsch der Gesellschaft bekannt gemacht und Mehrheit der Stimmen entscheidet über seine Aufnahme. Soll der sich meldende auf1 Vorausgegangen waren Statuten vom 24. Januar 1809, die sich jedoch nicht wesentlich vom Statutenentwurf Zelters vom 21. Dezember 1808 unterschieden; vgl. dazu: Integer vitae, a. a. O., S. 250–256.
2 Kommentar Zelter: Kann wohl kein Gesetz werden. 418
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genommen werden, so werden ihm die Gesetze der Liedertafel bekannt gemacht und er gelobt mit einem // Handschlage in die Hände des Meisters, daß er sich den Gesetzen unterwerfe und sie befolgen wolle. Hierüber nimmt der Schreibmeister eine Verhandlung auf, die der Aufgenommene unterschreibt. Demnächst wird er in der nächsten Versammlung der Gesellschaft unter einer zweckmäßigen Feyerlichkeit eingeführt, und bezahlt zur Kaße der Gesellschaft an den Säckelmeister Drey Thaler Antrittsgeld. §. 6. Die Liedertafel versammelt sich alle Monath einmal, und geht nie ohne Gesang auseinander. Derjenige Dienstag Abend, an welchem, oder welchem zunächst der Vollmond eintritt, ist der dazu festgesetzte Tag. §. 7. Nach Endigung der Sing-Akademie versammelt sich die Gesellschaft in das erwählte Local, und um 8 ½ Uhr geht man zur Tafel, an welcher nicht mehr als zwey Gerichte genoßen werden, festliche Tage ausgenommen, wo die Mehrheit der Stimmen, ein andres beschließen kann. §. 8. Nach dem ersten und nach dem zweyten Gericht wird gesungen, was und soviel der Gesellschaft beliebt. Das Zeichen hiezu giebt der Meister, der in der Mitte an der einen Seite der Tafel seinen Platz hat. Mit diesem Zeichen muß allgemeine Ruhe an der Tafel eintreten, selbst in dem Falle, wenn wider Erwarten sich ein Streit oder ein dem ähnliches lebhaftes Gespräch, entsponnen haben sollte. §. 9. Nur Lieder von einem moralischen Inhalt sind bey der Liedertafel willkommen; am meisten sind die, welche Gegenstände des Vaterlands und des allgemeinen Wohls enthalten, den Dichtern und Componisten empfohlen.1 Gedichte und Lieder dagegen, die eine persönliche specielle Satyre enthalten, sind von der Liedertafel ganz ausgeschloßen. §. 10. Jeder der ein Lied dichtet, oder eins von einem Andren gedichtetes ausfindet, kann es entweder selbst in Musik // setzen, einem andern Componisten geben, oder dem Meister daßelbe zustellen, der alsdann denjenigen bestimmt, der die Composition übernehmen soll. Die Dichter in der Gesellschaft sollen fortgesetzt darauf denken, die Liedertafel mit neuen Beyträgen ihrer Dichtkunst zu bereichern; und allen Mitgliedern wird
1 Kommentar Zelter: Warum ist der alte § nicht geblieben wie er war? Mich dünkt, er war nicht zu schlecht und nicht zu gut. Z. 419
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empfohlen, wenn sie in aeltern oder neuern Werken Gedichte finden, die sich für die Liedertafel zu eignen scheinen, solche darzubringen. §. 11. Jeder, der ein componirtes Lied mitbringt, bringt zugleich eine Abschrift des Gedichts mit, damit daßelbe vor dem Gesange, vom Dichter, vom Componisten, oder wer dazu aufgefordert werden möchte, vorgelesen werden kann. Nachher wird die Abschrift zu den Akten genommen. Jeder Componist schreibt ferner, im Fall er auch Solo Stimmen in der Composition seines Gedichtes angebracht hat, auf die mitgebrachten Stimmen die Namen derjenigen Mitglieder, von welchen er diese vorgetragen wünscht. §. 12. Damit dergleichen einzelne Lieder und Gesänge aufbewahrt bleiben und ein Ganzes ausmachen, so sind bereits und werden noch ferner aus der Gesellschafts-Kaße eingebundene Notenbücher nach dem Bedarf gekauft, in welche jedes einzelne Lied nach den verschiedenen Stimmen eingetragen wird. Jedes Mitglied hat seine Bücher, die auf dem Dekkel mit seinem Namen bezeichnet sind. Diese sind und bleiben jedoch, wie sich von selbst versteht, Eigenthum der Gesellschaft, und ein abgehendes Mitglied hat keinen Anspruch darauf, sondern überläßt sie dem jedesmaligen Nachfolger. Mit diesen Büchern zugleich existiren Partitur Bücher für den Meister, in welche die von einem jeden Componisten abzuliefernde Partitur einer Composition eingetragen wird. §. 13. Diese Bücher dürfen nie an Fremde verliehen werden. Dagegen können sie an Mitglieder der Liedertafel, gegen Bezahlung von 12 ggr zur Kaße für den jedesmaligen Gebrauch, und unter der ausdrücklichen Bedingung verliehen // werden, daß nichts daraus ausgeschrieben oder gegen den Willen der Componisten ins Publicum gebracht werde. §. 14. Jedes Mitglied, Dichter oder Componist, bezeichnet entweder die zu producirenden Lieder mit seinem Namen oder mit dem Vermerk „anonym“, wo dann, im letztern Falle, alle weitere Nachfrage nach dem Dichter oder Componisten wegfält, bis es demselben selbst gefällt, sich zu nennen. Sollte ein anderes Mitglied aber auch den Dichter oder Componisten kennen, so liegt ihm ob, darüber zu schweigen als über ein ihm anvertrautes Geheimniß, so wie überhaupt über alle die Tafel betrefende Gegenstände, die heiligste Verschwiegenheit zu beobachten ist. Wer von der Gesellschaft einer solchen Indiscretion überführt wird, fällt in eine Geldstrafe von 8 bis 24 guten Groschen. 420
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§. 15. Um die currenten Ausgaben der Liedertafel festzustellen, nehmlich für das Locale, Erleuchtung, Bedienung, Notenbücher, Notenschreiber, Druckkosten u.s.w. zahlt jedes Mitglied außer dem bestimmten Antrittsgelde einen monatlichen Beytrag von 12 gr Cour. an die Kaße, so oft der Säkkelmeister diese Erhebung nach dem Zustande der Kaße für nöthig findet. §. 16. Jedes Mitglied macht sich überhaupt auf Ein Jahr verbindlich, wenn es auch verreise oder in Jahresfrist abgehen müßte. §. 17. Der Famulus der Singakademie übernimmt die Mitaufwartung bey Tische, Besorgung der Bothensachen, Circulare etc., und erhält dafür monatlich aus der Kaße Einen Thaler Cour. §. 18. Um das störende Einsammeln und Einzahlen des Tischgeldes über Tafel zu vermeiden, über-//giebt der Säkkelmeister einem Margueur in dem Locale, wo sich die Gesellschaft versammelt, ein Namensverzeichniß der Mitglieder, worin die Zahl der Gäste zugleich bemerkt ist, und wird hierauf die Zahlung vor der Tafel abgemacht. §. 19. Um das Vergnügen der Gesellschaft nicht einzuschränken, im Gegentheil es zu befördern, steht es jedem Mitgliede frey, zu Neun Liedertafeln im Jahr Gäste mitzubringen, so weit es der Raum des Locals gestattet. Drey Liedertafeln im Jahr aber sind davon ausgenommen, nehmlich bey der Wahlversammlung im December jeden Jahres, und bey zweyen Liedertafeln, eine kurz vor Eintritt des Sommers, die andere kurz vor Anfang des Winters. Zu diesen dreyen Tagen sind die Mitglieder der Liedertafel allein beysammen, um zu berathschlagen, und zum Studium der Lieder. Die Mehrheit der Stimmen entscheidet, an welchem Tage diese zuletzt genannten beyden isolirten Liedertafeln gehalten werden sollen. §. 20. Bey einer jeden Versammlung, wo Gäste zugegen sind, sorgt der Schreibmeister dafür, daß dieselben sich eigenhändig in ein dazu bestimmtes, sogenanntes Fremdenbuch, eigenhändig namentlich vermerken. §. 21. Der Säkkelmeister legt alle halbe Jahre Rechnung von seiner Kaße an Einnahme und Ausgabe ab, und ladet durch ein Circular die Mitglieder zu einer jeden Liedertafel, die 421
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auf ein Jahr vorher bestimmt sind, ein. Hier bemerkt jedes Mitglied, ob es kömmt, und ob und wie viel Gäste er mitzubringen wünscht. Wer Gäste aufschreibt und sie den Tag vor der Liedertafel nicht bey dem // Säkkelmeister wieder absagt, bezahlt für die bestellten Plätze das Tischgeld ohne Ausnahme. §. 22. Jedes Mitglied hat sich bey seiner Aufnahme verpflichtet, jährlich 12 mal der Liedertafel beyzuwohnen, es ist also verbunden zu kommen; wer daher hievon abgehalten wird, sey es durch Abwesenheit, Krankheit, wegen Amts- oder Privatgeschäfte, oder wie die Ursach immer heißen möge, mithin ohne alle Modificationen, bezahlt zur Kaße das Tischgeld nach dem jedesmaligen Preise und Einen Thaler Cour. Für eine Flasche Wein, damit ein anderes angenehmes Mitglied der Singe Akademie einstweilen eingeladen werden könne, die vacante Stelle für diesen Abend zu ersetzen. Diese Einladung besorgt der Meister, doch steht es dem wegbleibenden Mitgliede frey, demselben zur Einladung ein Mitglied der Sing-Akademie an seiner Statt zu nennen, unter der Voraussetzung, daß der in Vorschlag Gebrachte fähig sey, die Stelle des Fehlenden bey der Liedertafel im Gesang, möglichst zu ersetzen. §. 23. Dasjenige Mitglied der Liedertafel hingegen, welches dreymal hintereinander bey der Tafel fehlt, ohne durch Krankheit, Reisen oder Berufsgeschäfte hinlänglich entschuldigt zu seyn, soll als ausscheidend aus der Liedertafel stillschweigend angesehen, und ihm das Circular wegen Einladung zur nächsten Tafel, nicht mitgetheilt werden. Aus den Protokollen des Schreibmeisters, worin jedesmal die Fehlenden benannt werden müßen, wird sich ergeben, auf wen dieses Gesetz anzuwenden. // §. 24. Da sich die Liedertafel als eine Stiftung ansieht, welche die ersehnte Zurückkunft des Königs Hauses feyert, und verewigt, wie denn überhaupt das Lob ihres Königs zu den ersten Geschäften der Tafel gehört, so rechnet die Liedertafel ihre Stiftung von dem 23ten December 1809 an, als dem Tage der Rückkehr des Königs, und begeht diesen Tag stets festlich. §. 25. Diese Gesetze und Statuten der Liedertafel sollen zweymal im Jahre, wenn die Liedertafel ohne Gäste beysammen ist, von dem Schreibmeister vorgelesen und dadurch in Erinnerung gebracht werden, und jährlich am Wahltage erfolgt eine Revision derselben, um das aufzunehmen oder wegzulaßen, was während des Jahres durch Mehrheit der Stimmen beschloßen oder verändert worden ist.1 1 Kommentar Zelter: Z25. Vidi d. 12 Januar 1812. 422
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§. 26.1 Damit die Liedert. Akten nicht unbequem werden möchte es gut seyn, jedes Jahr ein neues Heft anzulegen. §. 27. Nichts kann in den Akten aufbewahrt werden was nicht vom Meister signiert ist. §. 28. Die Eintheilung und Platzgebung an der Tafel bleibt das Geschäft des Meisters. Z25. [= Zelter, Nr. 25, „der Meister“] // B.2 So wie die Ordnung der L.T. eben besteht, ist es wenig besser, als ob gar keine Ordnung wäre und unsere Statuten sind daher nur anzusehn, als ein Plan, nach welchem die L.T. eingerichtet werde. Zwar hat jedes Mitglied diese Liedertafelordnung unterschrieben und genehmigt, aber es scheint als wenn3 keine Verbindlichkeit vorhanden wäre das Versprochene zu halten, indem der Nichtleister allein im Vortheil steht unterdessen das Plenum um so mehr leidet, je angesehener und nützlicher der fehlende ist. Der nagende Wurm vor dem sich eine Gesellschaft ernsthafter Freunde des Vergnügens in unsern Tagen am meisten zu bewahren hat ist Indifferentismus; denn es darf nur Kälte in der Gesellschaft selbst herrschen, so würde die Geringschätzung von aussen bald erfolgen. Die Zal der ordentl. Mitgl. der L.T. ist auf 25 bestimmt welche sich vereinigt und versprochen haben: in jedem Jahre 12 Mahl zu gemeinschaftl. Werke beyeinander zu seyn. Es war vorauszusehen, daß unter 25 Individuen in Familien- und Dienstverhältnissen, Hinderniße statt finden könten. Auch ist durch Krankheit und Abwesenheit von Berlin, mehr als ein schätzbares Mitglied vermißt worden. Wie gültig diese Entschuldigung nun auch sey, so hat die Tafelordnung immer darunter gelitten. Aber eine gänzliche Auflösung der guten Sache muß erfolgen, wenn die einzelnen Mitglieder gleichsam berechtigt wären, das Vergnügen was sie an einem bestimmten Tage jedes Monaths nehmen und geben könnten // gegen ein anderes an einem dritten Orte willkührlich zu vertauschen. Nun lassen sich die unzähligen Falle kaum berechnen in welchen ein Mitgl. der L.T. von derselben abgehalten und abgewendet werden könte; doch ist die Frage: ob das
1 Von hier an Fortsetzung durch Zelter. 2 Den folgenden Text schrieb Zelter auf ein Briefpapier. 3 Sechs Zeilen von Zelter gestrichen. Der Haupttext weicht auf den rechten Rand aus. 423
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Ganze durch besondere Verhältnisse Einzelner leiden und untergehen müsse? oder ob diesem Untergange vorzubauen sey? Mitgl. dieser Art laßen sich ein eintheilen [!]: A.) In solche die regelmäßig ausbleiben, B.) „ „ zufällig, willkürlich C.) „ „ Krankheits und D.) „ „ Geschäftshalber Daraus entstehen folgende Unbequemlichkeiten für die Gesellschaft: 1.) Das Verhältniß der Gäste zu den Mitgliedern hört auf; die Lieder klingen schwach und unerfreulich; ja manche beyfällige Stücke können nicht ordentlich gegeben werden, wenn der Charakter fehlt, d. h. die Mitglieder, auf deren persönl. Vortrag sie berechnet sind. 2.) Das Verhältniß der Stimmen selber, zu einander hört auf und die Anwesenden müßen sich abarbeiten anstatt sie Vergnügen und Lust genießen solten. Erweiterungsmodificationen zur Kompletirung der Tafel, die schon einmal getroffen sind, dienen zu nichts, wenn die Mitgl. zu gar nichts verbunden zu seyn glauben. Die Liedertafeltage nun sind für das ganze Jahr bestimmt; Entschuldigungen eines frühern Engagements sind daher in höchst seltenen Fällen anwendbar; wer aber im Ernste glauben solte, daß dies bey der L.T. nichts auf sich habe, dem fehlte schon eine der ersten Qualitäten eines Mitgliedes. // Zu Vermittlung dieses Übelstandes wäre nun folgendes vorzuschlagen: 1. Die Mitglieder der L.T. verbinden sich hiermit aufs Neue den ordentlichen Liedertafelversammlungen regelmäßig bey zu wohnen 2.) Solte ein Mitglied durch Krankheit u. Geschäfte davon abgehalten seyn; so erbietet es sich sein Couver t und eine Flasche Wein zu einem Thaler, als Representanten seiner Person baar zu bezalen damit 3.) ein anderes angenehmes Mitglied der Singakademie einstweilen eingeladen werden könne die vakante Stelle zu ergänzen Dies Opfer scheint mir keines weges zu groß, indem sich von selber versteht daß die L.T aus Mitgliedern bestehe, denen sämtlich eine Monathl. Ausgabe an der L.T. nicht zu lästig werde in so fern auch die ganze Sache nur auf gesunde und thätige Mitglieder zu berechnen ist. Heiter trete jeder Sänger Hochwillkommen in den Saal Denn nur mit dem Grillenfänger Halten wirs nicht liberal.1
1 Die Verse stammen aus dem von Goethe für die Liedertafel gedichteten und von Zelter vertonten Gedicht „Rechenschaft“.
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Übrigens ist in der letzten Wahlversammlung schon beschlossen, daß ein Mitglied welches zum dritten Mahle nacheinander an der Liedert. fehlend ist, damit zu verstehen gegeben habe, daß an seine Stelle ein anderes könne aufgenommen werden. In der letzten Wahlvers. wurde noch vorgeschlagen die Namen der Tafelbeamten deutsch zu geben. Das Wort Meister ist eine uralte Ehrenbenennung die jeder verdient der sich einer edlen Sache freywillig und beharrlich annimmt. // Die neu erwählten und bestätigten Tafelbeamten haben sich bereits zu Annahme folgender Namen bereit erklärt: 1. Meister 2. Beymeister 3. Schreibmeister 4. Tafelmeister 5. Schlüßelmeister Diese Namen sind bezeichnend genug, besonders da jedes Mitgl. unserer Tafel meisterfähig ist. Herr Schreibm. Hellwig hat für Tafelmeister den Namen Seckelmeister vorgeschlagen, welcher mir auch noch bezeichnender scheint u. es kommt auf Hrn Bornemann an diesen Namen an zu nehmen. Die Singbücher solten doch wohl bey Abgange eines Mitgl. bey der L.T. bleyben, selbst wenn sie der Abgegangene bezalt hätte, da sich kein guter Gebrauch von einer einzelnen Stimme machen läßt und die Tafel sie vermißt. Mit den gedruckten Liederbüchern ist es ein Anderes da ein solches Buch nicht vermißt wird u. ausser der L.T. brauchbar ist. Vorschlag, die Revision der Gesetze jährlich vorzunehmen. Z // C. Etwas über den §. 22. in dem Entwurf zu den neuen Statuten der Liedertafel.1 [Zur weiteren Satzungs-Diskussion vgl. Integer vitae, a. a. O., S. 270–284.] Quelle: Archiv der Sing-Akademie zu Berlin, Signatur: N. Mus. SA 280 fol. 79r–93r. – Transkription Axel Fischer und Matthias Kornemann. – Druck und Kommentar in: Integer vitae, a. a. O., S. 259–284.
1 Kommentar Zelter: Praes. den 14 Januar 1812. abends Z25. 425
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III) Statuten vom 1. Dezember 1819 Berlin, den 8ten October 1819. An den Stifter und die Mitglieder der Liedertafel, nebst einem Statuten-Entwurfe.1 Das mir übertragene Säckel- und Tafel-Meister Amt veranlaßte mich, mir die Acten des Schreibmeisters geben zu laßen und diese, so wie auch die Rechnungs-Acten durchzusehen, um daraus meine Amts-Obliegenheiten genauer, als durch blos mündliches Überkommen kennen zu lernen. Bei diesem Nachsuchen fand ich dann, daß die am 24ten Januar 1809 nach dem Plane des Meisters der Liedertafel entworfenen Statuten, laut Entschluß vom 3ten December 1811, am 7ten Januar 1812 revidirt wurden, die fernere, für jedes Jahr festgesetzte Revision aber nachher unterblieb, wovon dann die Folge war, daß mit dem Laufe der Zeit mehrere Gesetze (z. B. das Zahlen an die Casse, wenn ein Mitglied Stimmbücher zum Privatgebrauche sich geben läßt, Liedertafel-Verhandlungen nicht verschwiegen hält, den Namen eines unbekannt seyn wollenden Dichters und Componisten verräth, von der Liedertafel fortbleibt, u. dgl. m.) als ungeeignet befunden und deßhalb nicht mehr beachtet wurden, ungeachtet sie in den Statuten noch fortbestehen, dagegen wieder manche neuere Einrichtungen sich gleichsam von selbst fügten und wegen ihrer Zweckmäßigkeit beibehalten wurden, ohne schon in die Statuten als Gesetze aufgenommen worden zu seyn. // Da ich unsern Verein zu lieb habe, als daß ich nicht wünschen sollte, alles Gute in ihm auch für die Dauer erhalten zu sehen, so entschloß ich mich, alles, in den Statuten und in den einzelnen Blättern der Acten Enthaltene, so wie auch das blos in der Erfahrung Vorgefundene zusammenzustellen, die veralteten und nicht mehr befolgten Gesetze fortzulaßen, dagegen manches, blos von mir subjective für zweckmäßig Gehaltene hinzuzufügen und so beigehenden Statuten-Entwurf zu bilden, welchen ich jetzt dem würdigen Stifter unserer Liedertafel, und wenn dieser ihn brauchbar finden sollte, dann auch den übrigen Mitgliedern zur gefälligen Beurtheilung, Verbesserung und Genehmigung vorlegen, und den ich nur als Vorarbeit für eine beim Jahresschluße gesetzlich zulässige zweite Revision unserer Statuten, keineswegs aber als einen egoistischen Eingriff in unsere bestehende Verfassung anzusehen bitte. Um jedem Mißverständniße möglich vorzubeugen, scheint es mir gerathen, die Gründe für diese und jene Abweichung von den vorigen Statuten ganz kurz anzugeben. Im Allgemeinen beabsichtigte ich keine Vermehrung wohl aber eine // vollständigere und dabei doch einfache Übersicht der Statuten, besonders in Hinsicht der Function der Beamten, und gab darum den einzelnen, mehr ausgeführten Sätzen (ohne Abänderung des Sinnes) eine andere Stellung und Verbindung und brachte sie in eine systematische Reihenfolge von §.§. deren Inhalt ich behufs des besten Auffindens in einer kurzen Beischrift auszudrücken suchte. 1 Verfasst von Karl Alexander Kluge. 426
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Rücksichtlich der abgeänderten Überschrift bemerke ich, daß zur genauen Bezeichnung unseres Vereins der Name Liedertafel mir nicht mehr hinreichend scheint, seitdem es nachgebildete Institute der Art in Leipzig, Frankfurt a/O, Königsberg i/P und selbst in Berlin giebt; nun kann aber eine Liedertafel, in welcher Zelters Geist wirkt und lebt und, durch die von ihm gesetzte und unter seiner Leitung allmälig vervollkommnete Verfassung, auch fortleben wird, wenn selbst er hienieden nicht mehr wandeln sollte, wohl nicht treffender und zugleich würdiger, als mit des Meisters Namen bezeichnet werden, und darum hielt ich mich der Zustimmung aller Mitglieder und auch der Einwilligung des verehrten Mannes vergewissert, nach dem // Vorbild der Faschischen Singacademie (die gerade als eine solche von allen ähnlichen Instituten der Art sich characterisirt) den Namen: Zelter sche Lieder tafel in die Statuten aufnehmen zu dürfen. Der §. 1. fehlt in den älteren Statuten ganz, dünkt mich aber für die Statuten ganz unentbehrlich, weil man doch erst festsetzen muß, was man eigentlich will, um nachher festsetzen zu können, wie man es will. Über diesen §, hat natürlich nur Vater Zelter zu entscheiden, ob er in ihm seine Idee klar ausgesprochen findet. Ist dieser §. bewilligt, so müßen dann alle übrigen sich ihm unterordnen. Auch der §. 2., welcher den Übergang zur nachfolgenden Gesetzgebung bildet, fehlte in den älteren Statuten, schien mir aber nöthig, um den Charakter dieser und jeder künftigen Gesetzgebung festzustellen und zu verhüten, daß je ein finsteres Gesetz eingeführt werde, welches den frohen, heiteren Geist fessele und trübe. Der Sinn dieses §. ist aus der Vorrede zu unsern neugedruckten Textbüchern genommen und darum schon von dem Verein im Allgemeinen genehmigt. // Der §. 3. findet sich in den älteren Statuten, ist aber hier ausführlicher, um jeder späteren Verwechselung der 4 genannten Tage vorzubeugen. So erforderte, nach meinem Dafürhalten auch der §. 4. eine Vervollständigung, weil wir bei der Wahl unserer Mitglieder nächst der Kunstqualification auch noch andere Berücksichtigungen haben. Der §. 5. ist wie in den älteren Statuten, nur etwas bestimmter noch. Der §. 6. hat die beiden Zusätze des Stimmenrechtes erhalten, weil dies in der Natur der Sache liegt und deßhalb auch schon früher in den Acten, noch nicht aber in den Statuten, angedeutet worden ist. Der §. 7. enthält eine neue, der Gesellschaft vorzuschlagende Benennung für den Beamten, welchen wir alljährlich über uns alle setzen. Nach §. 1. und 4. muß jedes Mitglied bemüht seyn, als ein Meister im deutschen Liedergesange sich geltend zu machen, und erhält daher bei der Übernahme eines Amtes nur noch eine, dieses Amt bezeichnende Beibenennung. Der, welcher über Alle gesetzt ist, ging bisher ganz leer aus, könnte aber am füglichsten Ober meister genannt werden, da weder das Wort Meister, noch das Wort Altmeister so bezeichnend, als jenes ist. // Die §§. 8. bis 13. sind in den vorigen Statuten nur angedeutet, hier aber nach den Acten und nach dem gegenwärtig bestehenden Geschäftsgange ausführlich dargestellt, weil ich aus eigener Erfahrung mich überzeugt habe, wie gut und nöthig es ist, daß bei Übernah427
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me eines Amtes jeder durch die Statuten und nicht durch mündliche Übertragung (wo manches übersehen wird) sich mit dem bekannt mache, was ihm zu thun obliegt, und wiederum vom Obermeister dazu angehalten werden kann, dem Genüge zu leisten, was das Gesetz erheischt. Beobachten nur die Beamten streng die einmal festgestellte Form (ohne welche doch eigentlich nichts Irdisches bestehen kann), so fügt sich alles Andere von selbst, und die Verfassung bleibt, auch bei allen anderweitigen Gegenstrebungen unwandelbar in Kraft und Würde. Darum hielt ich diese Ausführlichkeit für ganz unerläßlich. Die §. 14. und 15. sind theils aus den älteren Statuten, theils aus den Acten entlehnt. Der §. 16. ist aus den Tafelmeister-Acten und aus der dort enthaltenen Handschrift des Stifters, und der §. 17. // aus der Vorrede zum neuen Liedertafel-Buche genommen und nur etwas erweitert. Die §§. 18 bis 22 wurden, ihren einzelnen Theilen nach, aus den Statuten und aus den Schreib- und Tafel-Meister-Acten herüber genommen. Der §. 23. ist theils nach den Statuten, theils nach der Vorschrift abgefaßt, welche der Stifter bei der Einführung des Herrn Lauska dem damaligen Nebenmeister, Herrn Gern, gab, und die noch in den Schreibmeister-Acten aufbewahrt wird. Nach der Zeit ist diese Förmlichkeit bei der Einführung nicht mehr beobachtet worden; allein ich halte eine gewisse Form (nicht, nach §. 2., ein bloßes Formenspiel) für höchst zweckmäßig, weil ein solcher er ster Eindr uck beim Beginnen eines edeln Unternehmens immer ein bleibender ist, und dann überdies ja auch nicht das bloße Eintreten in eine Gesellschaft, sondern zugleich das Eingehen in die Verpflichtung dieser Gesellschaft, Zweck der Einführung, und sonach ein ernster und wichtiger Moment ist. Liegt uns daher (und wie sollte es nicht!) das Fortbestehen des Guten, was wir haben, am Herzen, so müßen wir darauf bedacht seyn, daß bei dem // heitern Eintritt in unsere Mitte, der Neuling auch gleichzeitig das Gesetz beachten lerne, und wir mit ihm, auch uns es wieder vergegenwärtigen. Möge dies hinreichen, den Stifter und die übrigen Mitglieder des Vereins zu bestimmen, diese §. 23. angegebene, oder eine andere, unserer Verfassung angemessene Form der Einführung, vor oder bei Tafel, gesetzlich festzustellen. Die § 24. erwähnte 3tte Art des stillschweigenden Ausscheidens bestand nach den Statuten als ein Strafgesetz; der Stifter hat aber nachträglich in einem besonderen Schreiben, welches in den Schreibmeister-Acten enthalten ist, diesem Gesetzesausspruche die mildere Form des freiwilligen Ausscheidens verliehen, und ich habe daher, um nicht mit dem §. 2. und §. 26. aufgestellten Grundsätzen in Widerspruch zu gerathen, diese milde und doch dem Zweck vollkommen entsprechende Wortfolge aufgenommen und sie mit der §. 26. No. 3 aufgestellten Verpflichtung in Verbindung gesetzt. // Der §. 25. ist ausführlicher und bestimmter, als in den vorigen Statuten, damit jedes Mitglied hierüber völlig im Klaren sey, und, wenn ihm die Revision der Rechnungsacten übertragen wird, wisse, was er eigentlich zu revidiren habe. Der §. 26. soll den Schlußstein unserer Verfassung geben, mit welchem das Gebäude erst Festigkeit und Dauer erhält. – Die erste Feststellung ist ein Vorschlag von mir, den ich darum für nöthig hielt, weil ältere Mitglieder die in den Schreibmeister-Acten ru428
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henden Statuten meines Wissens seit sieben Jahren, und unsere neuen Mitglieder selbige noch garnicht gesehen haben. Damit nun dem Vergessen, so wie dem Nichtwissen begegnet werde, so mögen die Statuten bei allen Versammlungen offen daliegen, daß jeder, dem es beliebt, sich darin unterrichten und darnach richten kann. – Die zweite Feststellung ist aus den vorigen Statuten genommen und nur mit dem Gesetze der Abänder ungen durch Stimmengesammtheit versehen worden, weil dies einmal die Verpflichtung zur Befolgung der Statuten erheischt, dies aber auch zweitens // die Verfassung consolidirt und verhindert, daß selbige nicht wie eine Wetterfahne, nach dem jedesmaligen Windstriche vorwaltender Stimmen, bald süd- bald nordwärts gedreht werden kann, indem hiernach eine einzige Stimme die 29 übrigen zu lähmen vermag. – Die dritte, von mir vorgeschlagene Feststellung ist zugleich auch die letzte, über welche hinaus unsere Statuten wohl nicht reichen dürfen, wenn wir die edle Haltung nicht verlieren wollen. Sie bahnt uns den Weg, die Matten und Satten nach §. 24. sanft und mit Ehren entschlummern zu laßen und – sie zu vergessen. Ich übersende nun diesen Statuten-Entwurf, der gewissermaßen als das Resultat einer bereits zehnjährigen Erfahrung anzusehen ist, dem hochverehrten Stifter, mit der Bitte, gefällig zu erwägen, ob er dem Geiste seiner Liedertafel gemäß, und geeignet sey, so, oder mit noch etwanigen Abänderungen den Mitgliedern zur Prüfung und Annahme vorgelegt zu werden. Sollte dies geschehen, so würde es wohl (da bei Gesetzen nicht // blos die Sache, sondern auch zugleich die Wortstellung berücksichtigt werden muß) am zweckmäßigsten seyn, den Entwurf in Begleitung dieses Schreibens zuvor jedem Mitgliede auf 24 Stunden zuzusenden, und, wenn alle sich davon genau unterrichtet hätten, ihn dann erst in allgemeine Berathung zu nehmen. Der Liedertafel-Bothe würde sonach diese Papiere jedem Mitgliede den einen Morgen versiegelt überbringen und sie den folgenden Morgen wieder versiegelt in Empfang nehmen und weiter befördern; und die Mitglieder würden unterdeß den Entwurf mit Überlegung durchlesen und dann, zum Zeichen der vollkommenen Genehmigung ihren Namen zu Ende der Statuten (wo der des Tafelmeisters steht) schreiben, zum Zeichen der Nichtgenehmigung aber, bei jeder, nach ihrem Wunsche abzuändernden Stelle, auf der leeren Hälfte neben dem §. entweder blos ihren Namen (mit Vorbehalt mündlicher Erörterung), oder die gewünschte Abänderung selber ganz kurz oder, bei größerer Ausdehnung, auf eine angeheftete Beilage hinzuschreiben. // Ist dies von allen Mitgliedern geschehen, so kann dann in der December-Versammlung der Entwurf in der Art berichtigt werden, daß bei Vorlesung jedes einzelnen §. die Gegengründe der nebenstehenden Mitglieder vernommen und beurtheilt werden. Die Reihenfolge des Circulirens dieser Statuten bei den Mitgliedern dürfte ganz gleichgültig seyn, und daher der Bequemlichkeit des Botens überlaßen bleiben. Kluge. //
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Statuten / der / Zelterschen Liedertafel / nach / der zweiten im Jahre 1819 unter- / nommenen Revision § 1. Zweck des Institutes. Die Zeltersche Liedertafel hat den Zweck: durch einen Verein von Dichtern, Componisten und Sängern den mehrstimmigen Liedergesang überhaupt, besonders aber den Deutschen, als etwas Charakteristisches und Selbstständiges zu cultiviren und für das Leben in Kraft und Wirksamkeit zu setzen. Sonach geht ihr Erstreben dahin: 1tens nicht blos die besten Lieder aus der Vorzeit zu sammeln und für die Dauer zu erhalten, sondern vorzüglich Dichter und Componisten aufzuregen, neue, gediegene Kunstproducte der Art zu liefern; demnächst aber 2tens diese Lieder bei einer eben so heiteren als sittigen Wein- und Tischgesellschaft kunstgerecht ertönen zu lassen, und hierdurch das Gute und Schöne zu fördern und den frohen Lebensgenuß zu erhöhen. § 2. Geist der Gesetzgebung. Diese Ziel steets im Auge // behaltend, und darum auch nach ihm den Namen führend, bleibt die Liedertafel frei von nutzlosen Formenszielen und zu ängstlichem Erstreben moralischer Zwecke, beherrscht sich, bei möglichster Freiheit jedes Einzelnen, vorzüglich nur durch die aus ihrem eigenthümlichen Wesen hervorgehende Sitte, und was daher Verfassung bei ihr heissen kann, ist mit freiem Hinblick auf jenes Ziel und auf Zeit, Orts- und Personen-Verhältniße allmälig gebildet und statuterisch geltend gemacht worden und soll in diesem freien und milden Geiste auch für die Folge durchgeführt werden. § 3. Stiftungszeit Ob zwar die Errichtung einer solchen Liedertafel auf Veranlassung und nach dem Plane des Professor Zelter schon am 21sten December 1808 vorläufig besprochen, dann deren Verfassung am 24sten Januar 1809 entworfen und endlich am 2ten Mai desselben Jahres die Liedertafel selber förmlich eröffnet wurde, so betrachtet doch der Verein dies alles nur als Vorbereitung und rechnet seine eigentliche Stiftung erst vom 23ten December 1809 an, als dem Tage // der Zurückkunft des Königlichen Hauses und der Wiederkehr vaterländischer Freiheit. § 4. Numer ung und Qualif ication der Mitglieder. Der Verein besteht aus dreißig bewährten Sängern, welche Mitglieder der Faschischen Singacademie, und wo möglich auch noch Dichter oder Componisten seyn müßen, und die bei einem regen Eifer für die Sache zugleich Sinn haben für ein heiteres, geselliges Verhältniß, in welchem zwanglose Freude mit Anständigkeit sich paart.
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§ 5. Ordentliche Mitglieder. Die 25 ältesten Mitglieder der Liedertafel, welche, insofern deren Stellen bei Errichtung des Vereins (§ 3) die Gesammtzahl ausmachten, als ordentliche Mitglieder gelten, haben allein das Recht, durch Stimmenmehrheit 1tens über öconomische Angelegenheiten Beschlüsse zu fassen; 2tens alljährig aus der Mitte dieser Fünfundzwanziger die Beamten der Liedertafel zu wählen, (§ 14) oder die schon gewählten wieder zu bestättigen, und 3tens bei entstehenden Vacanzen aus der Zahl der Bewerber neue Mitglieder für die Liedertafel zu erwählen (§ 14). // § 6. Ausserordentliche Mitglieder. Die 5 jüngsten und darum ausserordentlichen Mitglieder, weil deren Einführung erst in späterer Zeit bei Erweiterung der Liedertafel (am 10ten December 1810) beschlossen wurde, treten der Reihenfolge nach in die erledigten Stellen der 25 ordentlichen Mitglieder ein, und haben bis dahin an den (§ 5) erwähnten Berathschlagungen und Wahlen keinen Theil, wohl aber ein Stimmrecht, wenn es 1tens eine Abänderung der Statuten (§ 26), oder 2tens die Erhebung eines ungewöhnlichen Geldzuschusses (§ 25) betrifft, indem diese nicht durch Mehrheit, sondern nur durch Gesammtheit der Stimmen zu Stande gebracht werden können. § 7. Beamten. Die alljährig neu zu wählenden oder wieder zu bestättigenden Beamten der Liedertafel (§ 5 und 21) sind: ein Obermeister, ein Nebenmeister, ein Schreibmeister, ein Säckel- und Tafelmeister, und ein Schlüsselmeister, von welchen der Verein gewärtigt, daß sie die Wahl nicht ausschlagen, sondern das in sie gesetzte Vertrauen ehren und, ihres Namens eingedenk, // durch eine meisterhafte Amtsführung auch rechtfertigen werden. § 8. Ober meister-Amt. Dem Obermeister ist die obere Leitung des Vereins nach Vorschrift der von sämmtlichen Mitgliedern genehmigten Verfassung (§ 26), für deren Aufrechthaltung er zu sorgen hat, übertragen, und jedes Mitglied hat ihm, als den Repräsentanten des Gesetzes, im Bereiche dieser Verfassung zu willfahren.
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§ 9. Nebenmeister-Amt. Der Nebenmeister tritt nur interimistisch in das (§ 8) angegebene Amtsverhältniß des Obermeisters, sobald und so lange dieser an seinen Amtsleistungen gehindert wird und ihm solche überträgt. Sollte aber auch der Nebenmeister abgehalten seyn, dem Obermeisterthum vorzustehen, so hat er dies dem Vereine anzuzeigen und anzuordnen, welches Mitglied für diesen Fall als ausserordentlicher Nebenmeister fungieren soll, indem ohne den Vorsitz eines solchen weder eine Liedertafel, noch eine bloße Liedertafel-Berathung gehalten werden und Gültigkeit haben darf. § 10. Schreibmeister-Amt. Dem Schreibmeister liegt es ob, // die Acten für die Geschäfte der Liedertafel zu führen, deshalb über alle Vorgänge, Verhandlungen und Beschlüße bei den Liedertafeln und Liedertafel-Berathungen einen, mit guter Laune gewürzten Aufsatz (Protokoll) zu machen, in welchem besonders die gesungenen (§ 18) oder erst neu eingereichten Lieder (§ 19), die bei der Versammlung fehlend gewesenen Mitglieder und deren Stellvertreter (§ 22), die er bei dem Tafelmeister zu erfragen hat (§ 11), so wie die eingegangenen Anstellungs- (§ 23) oder Entlassungs-Gesuche (§ 24) genau angegeben werden müssen. Diesen Aufsatz unterzeichnet er mit seinem Namen, überschickt ihn innerhalb der nächstfolgenden 3 Tage dem Obermeister zur Mitunterschrift (ohne welche nichts in die Acten aufgenommen werden darf) und trägt ihn dann bei der nächsten Privat-Versammlung den Mitgliedern vor (§ 21.) Beim Jahresschlusse legt er einen Extract aus den sämmtlichen Protokollen des verflossenen Jahres der Gesellschaft vor (§ 21), übergiebt die aneinander gehefteten Protokolle und Beilagen dem Obermeister, welcher sie durchsieht und dann dies Actenstück dem Schlüsselmeister zur Aufbewahrung einhändigt (§ 12), // dagegen der Schreibmeister den Extract daraus noch sich nimmt und den Acten des folgenden Jahres beilegt. Hiernächst führt der Schreibmeister noch die vom Obermeister ihm zugewiesene Correspondenz der Liedertafel (§ 23). Sollte der Schreibmeister durch wichtige Veranlassung gehindert werden, einer Versammlung beizuwohnen, so hat er dies dem Obermeister anzuzeigen, der dann für diesen einzelnen Fall einem andern Mitgliede interimistisch das Schreibmeister-Amt überträgt. Ein längeres Interimisticum erheischt zugleich die Abgabe der Acten an den Stellvertreter. § 11. Säckel- und Tafelmeister-Amt. Der Säckel- und Tafelmeister, in einer Person vereinigt, besorgt die öconomischen Angelegenheiten des Vereins. Als Säckelmeister erhebt er von den Mitgliedern pränumerando die Eintritts, Tafel und Beitrags-Gelder (§ 25), bestreitet hiervon die nöthigen Zahlungen, die, wenn sie nicht current sind, nur auf besondere schriftliche Anweisung des Obermeisters geleistet wer432
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den dürfen, macht alljährig Cassenabschluß und übergiebt die in einem Hefte vereinigten Rechnungen // und Beläge, in Begleitung des Rechnungsheftes vom vorigen Jahre, dem Obermeister, der dann dreien Mitgliedern die Revision (§ 21) überträgt, nach Zurückerstattung der beiden Actenstücke (welche schon bei der nächsten Versammlung erfolgen muß) das hinzugefügte Revisions-Protokoll mit unterzeichnet und dann, wenn diese Angelegenheit vollkommen berichtigt ist, das neuere, revidirte Aktenstück vom verflossenen Jahre wieder dem Säckelmeister, das ältere, zweijährige hingegen dem Schlüsselmeister (§ 12) zur Aufbewahrung zustellt. Für das Tafelmeister-Amt gehört die Besorgung alles dessen, was zur Bewirthung erforderlich ist. Daher schließt der Tafelmeister im Namen der Gesellschaft, mit der er zuvor Rücksprache nimmt, die Verträge mit dem Speisewirthe über das Versammlungs- und Speise-Locale, so wie über die Beleuchtung, Heizung, Beköstigung und Bedienung, entwirft und vertheilt an die Mitglieder ein Verzeichniß der Versammlungstage (§ 15) der Liedertafel für das laufende Jahr, benachrichtigt die Mitglieder 8 Tage vor jeder Liedertafel noch durch ein Umlaufschreiben, was der Verfassung, oder dem Beschlusse der Mehrzahl der Gesellschaft gemäß (§ 15 und 21) für eine Art der Versammlung gehalten werden soll, // befragt hierbei zugleich die einzelnen Mitglieder, ob sie der Versammlung beiwohnen können, und macht hiernach die Tafelbestellung bei dem Speisewirthe (§ 20). Die Namen der ausgebliebenen Mitglieder theilt er nicht blos dem Schreibmeister (§ 10) mit, sondern fügt sie auch noch nachträglich dem Umlaufsschreiben bei, welches er dann als Beleg für die Rechnung des Speisewirthes mit zu den Rechnungsacten legt. Am Tage der Liedertafel begiebt er sich mit dem Schlüsselmeister früher, als die übrigen Mitglieder, zum Versammlungslocale und sorgt dafür, daß im Versammlungszimmer bei etwanigen Berathungen ein großer Tisch mit Schreibmaterialien befindlich und in dem Speisesaale die Tafel gehörig und nicht zu eng gedeckt und gut beleuchtet sey; belegt dann nach der bestehenden Vorschrift (§ 16) die Plätze an der Tafel mit Marken, welche die Namen der Mitglieder enthalten, und nach denen der Schlüsselmeister die Liederbücher (§ 12) vertheilt; hält darauf, daß zur gesetzmäßigen Zeit (§ 15) zur Tafel gegangen werde, zu welcher er die Mitglieder einberuft, und sorgt endlich dafür, daß bei der Tafel kein ungebetener fremder Zuschauer // und Zuhörer sich einfinde, daß das Essen und die Bedienung gut sey und das Wechseln der Teller, so wie das Auf- und Abtragen der Gerichte nicht mit den Gesängen zusammentreffe (§ 18), worüber er sich mit dem Obermeister zu verabreden und die Bedienung darauf anzuweisen hat. Alle, gegen den Speisewirth und dessen Leute zu führende Beschwerden werden an den Tafelmeister gerichtet, der ihnen abzuhelfen bemüht seyn muß. Wird der Tafelmeister verhindert, seinem Amte vorzustehen, so hat er solches ebenfalls dem Obermeister anzuzeigen, der die Verwaltung dann einem andern, wo möglich schon früher Tafelmeister gewesenen Mitgliede überträgt.
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§ 12. Schlüsselmeister-Amt. Der Schlüsselmeister hat einmal die Aufbewahrung und Instandhaltung sämmtlicher der Liedertafel zugehörigen Acten (§ 10 und 11), so wie des Statutenbuches (§ 26), des Fremdenbuchs (§ 20), der Partitur- Stimm- und Text-Bücher, Tafelmarken und Geräthe (§ 17) unter sich, welche er zum Gebrauche für die Liedertafel (oder gegen eine besondere Anweisung des Ober-//meisters zum Privatgebrauche an einzelne Mitglieder) verabreicht und nachher wieder unter Verschluß nimmt; nächst dem sorgt er für das Einbinden und Bezeichnen der Bücher (§ 24), so wie für das Eintragen der Lieder in die Partitur- und Stimmen-Bücher (§ 19) und empfängt den Kosten-Betrag dafür von dem Säckelmeister gegen Erstattung einer von ihm unterzeichneten Quittung (§ 25). Dieses Amt kann auch von dem nicht in Mitgliedschaft stehenden Bibliothekar der Faschischen Singacademie mit verwaltet werden, welches dann der Einunddreißigste (§ 4.) ist und einen Ehrenplatz mit freier Bewirthung (§ 25) an der Liedertafel erhält. Im Falle der Abhaltung versieht mit Vorwissen des Obermeisters der Tafelmeister das Schlüsselmeister-Amt zugleich mit. § 13. Bothengeschäfte. Hiernächst versieht auch noch ein Famulus von der Singacademie bei der Liedertafel den Bothendienst, und erhält aus der Casse für das Umhertragen des Umlaufschreibens jedesmal 1 rtl., und für das vom Schlüsselmeister bescheinigte Hin- und Hertragen der Partitur- und Stimmenbücher beim Einschrei-//ben neuer Lieder jedesmal 12 Groschen (§ 25). Dieser Liedertafelbothe ist verpflichtet, die ihm anvertrauten Gegenstände nicht in unrechte Hände gelangen zu laßen, widrigenfalls er seines Dienstes verlustig geht. § 14. Wahl-Ordnung. Die Wahlen neuer Beamten und Mitglieder werden in der Art vollzogen, daß jedes der ordentlichen Mitglieder (§ 5) den Namen des von ihm Erwählten auf einen Zettel schreibt, diesen zusammenschlägt und in das Gefäß wirft, mit welchem der Schreibmeister die Zettel sammelt. Der Obermeister eröffnet dann sämmtliche Zettel und die Mehrzahl eines Namens bestimmt den Willen des Vereins. Sollten mehrere gewählte Individuen eine und dieselbe höchste Stimmenzahl haben, so wird, mit Fortlassung aller übrigen, über diese nochmals gestimmt, und wenn auch hier wieder ein gleiches Stimmenverhältniß eintreten sollte und dies nicht durch das Hinzukommen später anlangender, wahlfähiger Mitglieder abgeändert werden könnte, so wird über diese dem Verein gleich // werthen Individuen zuletzt durch den Obermeister (dem für diesen Fall noch eine zweite Stimme zusteht), oder, wenn dieser es genehmer finden sollte, auch durch das Loos entschieden. Abwesende Mitglieder können nicht mitwählen; wer daher zu der bestimmten Zeit nicht gegenwärtig ist, begiebt sich seines Antheils an der Wahl und läßt sich gefallen, was die gegenwärtig gewesenen Mitglieder entschieden haben. 434
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§ 15. Ver sammlungs-Ordnung. Die Liedertafeln haben gesetzmäßig 12 mal im Jahre, gewöhnlich zur Zeit des Vollmondes, und zwar an dem, diesem Zeitpunkte zunächst gelegenen Diensttage, Abends, nach Beendigung der Singacademie statt, beginnen pünktlich um 9 Uhr und dauern bis gegen 12 Uhr. Findet noch eine Berathung oder Wahl neuer Mitglieder oder Beamten statt, so zeigt der Tafelmeister dies im Umlaufschreiben (§ 11.) an, und die Mitglieder versammeln sich dann früher, um noch vor Tafel dergleichen Geschäfte im Nebenzimmer abmachen zu können, die nie während der Tafel unternommen werden dürfen. Ob ausser diesen 12 gesetzmäßigen Versammlungen noch an festlichen // Tagen (als z. B. zur Feier der Stiftung (§ 3), zum Geburtstage des Königs, des Obermeisters u.s.w.) besondere Liedertafeln gehalten werden sollen, hengt von dem jedesmaligen Beschluße des Vereins ab. § 16. Stimmen-Ordnung. Für die Ausführung des Gesanges sind die Mitglieder nach einem festgesetzten Stimmen-Verhältniß geordnet und bekommen auch hiernach vom Tafelmeister die ihnen zuerkannten Plätze bei der Tafel angewiesen. Der Obermeister sitzt an der Mitte der in grader Linie, oder in Form eines Hufeisens sich ausdehenden Tafel und dirigirt den Gesang, wobei er, wenn er zugleich Solo-Sänger ist, die ihm zugehörigen Solosätze mit vorträgt. Ihm zur rechten Seite befindet sich der achtstimmige erste Tenor, und diesem gegenüber der sechsstimmige erste Baß (beide den ersten Chor bildend); zur linken Seite des Obermeisters ist der siebenstimmige zweite Tenor und diesem gegenüber der achtstimmige zweite Baß befindlich (beide den zweiten Chor bildend). In diesen vier Stimmen-//Reihen erhalten die älteren Mitglieder dem Obermeister zunächst an der Mitte, die jüngeren Mitglieder hingegen an den Enden der Tafel ihre Plätze angewiesen, ausgenommen, der Obermeister fände es für zweckmäßig, in einzelnen Fällen eine Aenderung zu treffen und Solosänger in seine Nähe zu nehmen, stärkere Stimmen den schwächeren beizugesellen u. dgl., daher bei jedem Eintritte eines neuen Mitgliedes, der Tafelmeister über die Platzgebung desselben bei dem Obermeister Anfrage zu halten hat. § 17. Becher-Ordnung. Zum Gedächtnisse eines, dem Verein durch den Tod entrissenen lieben Mitgliedes (des am 27ten May 1813 als Opfer seines Berufes gestorbene Dr. Flemming), hat die Liedertafel seit dem 7ten December 1813 einen großen Bronze-Becher, in Form einer umgekehrten Glokke und mit dem Namenszuge des Verewigten versehen, eingeführt und beschloßen, daß dieser Becher 1tens der Flemmings-Becher benannt werden, 2tens jedesmal bei der Tafel zugegen seyn und vor dem Meister auf einem mit einer goldgestickten Purpurdecke // behangenen Fußgestelle (welches zugleich die 435
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für das Obermeister-Amt nöthigen Geräthe, als: Hammer, Siegel u. dgl. enthält) stehen, 3tens mit seinem Klange (der dem zweigestrichenen A. entspricht) als Leiteton beim Gesange dienen (§ 18), und 4tens bei feierlichen Gelegenheiten (Gesundheiten auf den König, Stiftungsfeier, Aufnahme neuer Mitglieder (§ 23) und dergl.), mit deutschem Rheinwein gefüllt, an der Tafelrunde kreisen soll, wobei es zufolge der Größe des Bechers so ganz von selbst zum Herkommen geworden ist, daß der, an welchen der Flemming-Becher gelangt, aufsteht, ihn mit der einen Hand am Fuße, mit der anderen am Dekkel ergreift, aufdeckt und so, beide Theile haltend, im Stehen trinkt, dann den Deckel wieder aufsetzt und den Becher dem folgenden Nachbar hinstellt, welcher eben so verfährt und, wenn er der Letzte ist, den Becher wieder auf sein Gestelle setzt. § 18. Tafel-Ordnung. Bei der Tafel, die nie ohne Ge-//sang verlaßen werden darf, wechseln drei Gerichte und der Nachtisch mit den Gesängen ab. Wie viele Lieder und welche gesungen werden sollen, bestimmt nur der Obermeister, und die Mitglieder haben daher auch diesem ihre desfalsigen Wünsche vorzutragen, denen er nach Möglichkeit genügen wird. Das Zeichen zur Ankündigung des Gesanges giebt der Obermeister jedesmal durch einen Hammerschlag, nach welchem sogleich allgemeine Stille an der Tafel eintreten und bis zur Beendigung des Gesanges dauern muß. Ist das Lied vom Obermeister angekündigt und von den Mitgliedern in ihren Stimmen-Büchern aufgeschlagen worden, so beginnt mit dem zweiten Hammerschlage der Gesang und wird in dem vom Obermeister angegebenen Character und Zeitmaße durchgeführt. Sollten die Sänger in dem Treffen der richtigen Tonhöhe nicht einig seyn, so giebt ihnen der Obermeister, durch das Anschlagen an den Flemming-Becher (§ 16) den Leiteton. Hätte, gegen alles Erwarten, ein Streit, oder ein dem ähnliches lebhaftes Gespräch sich entsponnen, so hebt solches der Obermeister plötzlich durch den Hammerschlag und nachherige Ankündigung eines Liedes [auf ]. // § 19. Lieder-Ordnung. Den bei der Liedertafel in Aufnahme zu bringenden Liedern muß, gleichviel, ein froher oder ernster, dabei aber kräftiger und vaterländischer, deutscher Geist (§ 1) einwohnen, denn die Liedertafel soll singen: dem deutschen Fürsten, Volke und Vaterlande, dem deutschen Sinne und der deutschen Sitte und Treue. Je mehr diese Lieder auf das Allgemeinwohl sich beziehen, um so brauchbarer und willkommener werden sie bei der Liedertafel seyn. – Hiernächst ist auch zarten und scherzhaften Liedern die Aufnahme gestattet, und müssen jene nicht bis zur Sentimentalität weichlich seyn, und diese keine specielle, am wenigsten eine persönliche Satyre enthalten. Von den Dichtern in der Gesellschaft wird erwartet, daß sie bemüht seyn werden, die Liedertafel fortwährend mit neuen Producten ihrer Kunst zu bereichern, und allen Mit436
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gliedern wird empfohlen, in älteren und neueren Werken Nachsuchungen anzustellen, und, wenn sie geeignete Gedichte finden sollten, solche darzubringen. Jeder, der ein für die Liedertafel geeignetes Lied dichtet // oder auffindet, kann solches entweder selber in Musik setzen, oder es einem der Componisten des Vereins übergeben, oder auch dem Obermeister es zustellen, der die Composition entweder selbst übernimmt, oder sie einem anderen Mitgliede überträgt. Findet der Componist das ihm übergebene Gedicht nicht genehm, so kann er die Composition ablehnen, und es bleibt dann dem Einreicher überlaßen, einem anderen Componisten es anzutragen. Alle Lieder, welche von Mitgliedern des Vereins gedichtet oder componirt werden, dürfen ohne vorherige Prüfung unmittelbar dem Schlüsselmeister eingehändigt werden, welcher sie nach der fortlaufenden Nummer in die Partitur- und Stimmen-Bücher eintragen läßt, wobei dem Componisten das Recht zusteht, zu bestimmen, welchen Sängern die Soloparthien zugetheilt werden sollen, deren Namen dann in das Partiturbuch mit einzutragen sind. Auch steht den Dichtern und Componisten der Liedertafel frei, ihren Liedern entweder den Autor-Namen, oder das Wort Anonymus vor-//setzen zu laßen, wo dann im letzteren Falle alle weitere Nachfrage so lange wegfällt, bis es dem Verfasser selbst beliebt, sich zu nennen. Sollte ein anderes Mitglied aber auch den Dichter oder Componist kennen, so liegt ihm ob, darüber, wie über ein anvertrautes Geheimniß, zu schweigen. Besondere Belobigungen und Belohnungen für eingereichte Gedichte und Compositionen finden in der Regel nicht statt, da den Meister das Werk selber lobet und der ungetheilte Beifall ihn lohnet. Sollte indeß der Verein den Dichtern und Componisten Strebelieder zur Aufgabe ertheilen und Scherzes halber für die gelungensten einen Preis setzen wollen, so darf solcher nur, nach alter Sängerart, in einem Pokale voll edeln Weines bestehen, der aus dem Flemmings-Becher gereicht, und dessen Betrag aus der Liedertafel-Casse bestritten werden kann. Obgleich die den Büchern der Liedertafel übertragenen Lieder fortwährend dem Institute verbleiben (§ 24), so ist doch damit keinesweges den Dichtern und Componisten das Eigenthumsrecht über ihre Kunstwerke benommen, // sondern es steht ihnen frei, das Gedicht und die Composition auch zu anderweitigen Zwecken zu bestimmen, ohne darüber dem Vereine Rechenschaft geben zu dürfen. Gegen den Willen des Dichters oder Componisten darf aber kein Lied aus den Liedertafel-Büchern abgeschrieben oder gar ins Publicum gebracht werden. Wünscht daher Jemand zu seinem Privatgebrauche ein Lied aus der Liedertafel-Sammlung zu haben, so hat er zuvor die Erlaubniß des Dichters und Componisten einzuholen und, wenn diese erfolgt, dann den Schlüsselmeister zu ersuchen, ihm gegen Erstattung der Kosten eine Abschrift daraus anfertigen zu laßen. Fremde Lieder, deren Gedicht oder Composition nicht von Mitgliedern des Vereins abstammt, sind zunächst immer erst der Gesellschaft zur Prüfung vorzulegen, und von dieser zu genehmigen, bevor sie dem Schlüsselmeister eingereicht werden dürfen, welcher sie dann in besonders dafür angelegte Partitur- und Stimmen-Bücher eintragen läßt. Die Vertheilung der Soloparthieen an die Sänger bleibt dem Einreichenden überlaßen, 437
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so wie auch // nur mit seiner Einwilligung Abschriften von dem durch ihn eingereichten Liede genommen werden dürfen. § 20. Lieder tafel mit Gästen. Um das Vergnügen der Geselligkeit zu erhöhen und zugleich der Liedertafel für die Förderung des Guten und Schönen einen noch größeren Wirkungskreis zu gewähren, ist Sechsmal im Jahre befreundeten Gästen und unter diesen auch einmal den Damen der Zutritt gestattet. Wird durch das Umlaufschreiben eine Liedertafel mit Gästen angesagt, so schreiben die Mitglieder die Zahl der Mitzubringenden wo möglich gleich, und mit einer deutlichen Ziffer ein, damit hiernach der Tafelmeister die Bestellung bei dem Speisewirthe machen kann. Sollten späterhin Zu- oder Abbestellungen der Gäste nothwendig werden, so haben die Mitglieder dies dann nachträglich blos dem Speisewirthe anzuzeigen, damit dieser sich darauf vorbereiten und nachher den Tafelmeister bei der Bezeichnung der Plätze davon in Kenntniß setzen kann. Diese Zu- oder Abbestellungen müssen aber schriftlich und spätestens noch 12 Stunden vor der Liedertafel // zum Speisewirthe gelangen; über diesen Zeitraum hinaus verlieren sie ihre Gültigkeit. Das Tischgeld für die Gedecke der Mitglieder bezahlt der Säckelmeister aus der Casse (§ 25), das Geld für den Wein und für die Gedecke der Gäste wird hingegen dem Speisewirthe durch die Mitglieder selber entrichtet und kommt daher nie in Berechnung bei der Liedertafel-Casse. Um das störende Einsammeln und Einzahlen dieses Wein- und Tischgeldes an der Tafel zu vermeiden, übergiebt der Tafelmeister einem Gehülfen des Speisewirthes ein Namenverzeichniß der gegenwärtigen Mitglieder, in welchem die Zahl ihrer Gäste zugleich bemerkt ist, und wonach die Zahlung noch vor Tafel abgemacht wird. Die Gäste erhalten an der Tafel die Plätze zur Seite ihrer Wirthe, und damit hierbei nicht zu große Lücken zwischen den Sängern entstehen, so gilt es als Regel, daß jedes Mitglied nicht mehr als zwei Gäste mitbringt, ausgenommen es hätten andere Mitglieder weniger Gäste, wo dann der Tafelmeister die überzähligen Gäste des Einen, diesem gegenüber in der anderen Sänger-Reihe unterzubringen sucht. // Hinsichtlich der Qualität der Gäste, wird vorausgesetzt, daß die Mitglieder nur solche einführen werden, die, als wirkliche Freunde der Tonkunst und der guten Sitte auch der Liedertafel entsprechen. Ist Liedertafel mit Damen, so sind (wenn das Locale es gestattet) drei Gäste erlaubt, und es wird dann den Mitgliedern anempfohlen, wo möglich zwei Damen und nur einen Herrn mitzubringen und bei der Auswahl der Damen besonders die bei der Faschischen Singacademie in Mitgliedschaft stehenden zu berücksichtigen, für welche eine eigene Liedersammlung angelegt ist, aus welcher auch sie, unter Anordnung und Leitung des Obermeisters und mit Unterstützung des LiedertafelChors, Tisch-Gesänge vortragen. Bei jeder Liedertafel mit Gästen legt der Tafelmeister in das Vorzimmer das sogenannte Fremdenbuch und läßt dies nachher auch an der Tafel circuliren, damit die Gesellschaft die Gäste ohne besondere Anfrage kennen lerne. Jeder Wirth hat darauf zu sehen, daß 438
Liedertafel
seine Gäste sich in dies Buch noch vor der Tafel eintragen, oder, wenn // dies bei einem später kommenden Gaste nicht hatte geschehen können, dieser bei Tafel es noch verrichtet. Nächstdem macht der Wirth seine Gäste mit der Tafelanordnung (§ 17) bekannt und hält darauf, daß beim Hammerschlage des Obermeisters jedes Geräusch von ihnen vermieden werde. Um den vorzutragenden Liedern besser folgen zu können, werden den Gästen gedruckte Textbücher hingelegt, von welchen sie bei Tafel Gebrauch machen, und die sie bei dem Schlüsselmeister auch käuflich erhalten können. Findet sich unter den Gästen ein Sänger, welcher im Chor mitzusingen wünscht, so hat der Wirth die Genehmigung des Obermeisters einzuholen und dann darauf zu sehen, daß kein Uebelstand für den Gesang daraus erwachse. An den Liedertafel-Tagen, wo Gäste zugegen sind, findet weder eine Berathung, noch das Verlesen des letzten Protokolles statt. § 21. Lieder tafel ohne Gäste. Die anderen Sechs Liedertafeln bleiben im Jahre ausschließlich nur für Privatversammlungen der Mitglieder bestimmt, und zwar, die eine am Jahresschlusse für die Beamten-Wahl (§ 7 und 14) Rechnungsabnahme (§ 11) und Revision der Ver-//fassung (§ 26) und Protokolle (§ 10); die Fünf übrigen für Berathungen, Studium der Lieder, Wahl und Einführung neuer Mitglieder (§ 23) u. dgl. Diese Privat-Liedertafeln wechseln gewöhnlich mit den öffentlichen ab, doch kann auch durch Mehrheit der Stimmen hierin eine Aenderung getroffen und das unmittelbare Aufeinanderfolgen gleichartiger Liedertafeln gestattet werden, so wie es auch von den Mitgliedern abhängt, mehr Privat-Liedertafeln und dafür weniger öffentliche im Laufe des Jahres zu veranstalten; nie dürfen aber umgekehrt die Sechs Privat-Liedertafeln vermindert werden. Bei diesen Privat-Versammlungen werden jedesmal die rückständig gebliebenen Protokollverlesungen (§ 20) durch den Schreibmeister nachgeholt; und zwar geschieht dies immer gleich bei Eröffnung der Tafel, noch vor dem Essen, wobei, wenn der Schreibmeister es für nöthig erachten sollte, der Tafelmeister die Tischbedienung einstweilen abtreten läßt. Ueber alle, in diesen Privat-Versammlungen verhandelten // Gegenstände haben die Mitglieder Verschwiegenheit zu beobachten. § 22. Stellver tretung für ausbleibende Mitglieder. Ob zwar jedes Mitglied verpflichtet ist, im Laufe des Jahres bei den 12 gesetzmäßigen Liedertafeln zu erscheinen und als Sänger zu fungiren, so erheischen doch Krankheiten, Reisen und Berufsgeschäfte mitunter eine Ausnahme. Es muß dann aber der Ausbleiben im Voraus und mit Grundanführung, entweder auf dem Umlaufschreiben bemerkt oder nachträglich durch ein besonderes Schreiben, spätestens auf der Singacademie vor der Liedertafel, dem Tafelmeister in Anzeige gebracht werden. 439
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Für solche ausbleibende Mitglieder sind dann bei den Liedertafeln mit Gästen (§ 20) Stellvertreter nicht blos zuläßig, sondern sogar nothwendig, um die sonst entstehenden Lücken und Mißverhältnisse in den Reihen der Sänger beim Chorgesange wieder auszugleichen. Zu dieser Stellvertretung sind aber ebenfalls nur Mitglieder der Faschischen Sing academie und besonders solche zu nehmen, welche sich schon um die Mitgliedschaft bei der Liedertafel beworben haben (§ 23). Dem ausbleiben-//den Mitgliede der Liedertafel steht es frei, unter jenen Sängern einen auszuwählen und in Vorschlag zu bringen. Findet der Obermeister (welchen der Tafelmeister wegen jeder Stellvertretung befragen muß) den Vorgeschlagenen geeignet, so läßt er die Einladung geschehen, oder bestimmt im entgegengesetzten Falle dafür einen Anderen. Der Tafelmeister läßt dann den eingeladenen Stellvertreter in das Fremdenbuch, als Gast der Liedertafel, sich einschreiben, weist ihm nach der Anordnung des Obermeisters den Platz bei der Tafel an und sorgt für dessen Bewirthung, welche aus der Liedertafel-Casse bestritten wird (§ 25). Da bei den Liedertafeln ohne Gäste keine Stellvertretung statt haben kann, so erheischt schon der Gesang, dann aber auch die Berathung, die Gegenwart sämmtlicher Mitglieder, daher es solchen obliegt, gerade bei diesen Privat-Versammlungen nie ohne die dringendste Noth auszubleiben. § 23. Mitglieder-Zugang. Wünscht ein Mitglied der Faschischen Singacademie auch bei der Liedertafel in Mitgliedschaft zu treten, so übergiebt er sein Gesuch mit gleichzeitiger Angabe, // ob er sich für den ersten oder zweiten Tenor oder Baß geeignet hält, schriftlich dem Schreibmeister, welcher es bei der nächsten Berathung dem Vereine vorlegt, hiernächst zu den Acten nimmt und den Namen des Bittstellers in die Expectantenliste einträgt. Bei entstehender Vacanz wird aus der Zahl der Expectanten nach der § 14 angegebenen Art gewählt, der Gewählte durch den Schreibmeister davon in Kenntniß gesetzt und bei der nächsten Liedertafel ohne Gäste eingeführt, bis dahin aber zu den etwa zwischen gelegenen Liedertafeln mit Gästen noch als bloßer Stellvertreter eingeladen, in welcher Qualität er selber noch keine Gäste mitbringen darf. Am Abende der Einführung begiebt sich der durch das Umlaufschreiben dazu eingeladene Candidat früher, als die übrigen Mitglieder zum Versammlungslocale, um die von dem Schlüsselmeister ihm dort eingehändigten Statuten der Liedertafel noch vor Tische durchsehen zu können, worauf er dann vom Tafelmeister den ihm zuerkannten Platz (§ 16) bei Tische angewiesen erhält. Die Einführung selber geschieht in der Art, daß, nachdem auf // Geheiß des Obermeisters, der Tafelmeister den Flemmings-Becher gefüllt und der Verein das Einführungslied gesungen hat, sich die ganze Gesellschaft von den Sitzen erhebt, der Obermeister den Candidaten zu sich beruft und ihm folgende 3 Fragen zur Beantwortung vorlegt: 1, Sind Sie von der Verfassung der Liedertafel genau unterrichtet? 2, Ist Ihnen solche vollkommen genehm? 440
Liedertafel
3, Wollen Sie dieser Verfassung gemäß bei der Liedertafel wirken, selbige unterstützen und aufrecht erhalten, und zur Gewährleistung dessen mir den Handschlag und zu den Statuten Ihre Namensunterschrift geben? Ist jede dieser 3 Fragen mit einem Ja beantwortet und der Handschlag gegeben worden, so ergreift der Obermeister den Flemmings-Becher, trinkt daraus und reicht ihn im Namen der Gesellschaft, nach alter deutscher Sitte, dem neuen Mitgliede zum Willkommen dar, welches auch daraus trinkt, (hierbei, nach eigenem Belieben, zugleich seinen Dank sagen kann) den Becher dem Obermeister // zurückerstattet und sich dann wieder auf seinen Platz begiebt, worauf auch die ganze übrige Gesellschaft sich setzt und der Obermeister nun den Flemmings-Becher nach Liedertafel-Herkommen (§ 17) kreisen läßt, unterdeß der Tafelmeister sorgt, daß der Becher während seines Umherganges nicht leer werde. Nach aufgehobener Tafel fordert der Schreibmeister den Neueingeführten auf, die Statuten nachträglich und mit Beifügung des Datums zu unterschreiben. § 24. Mitglieder Abgang. Will Jemand aus der Mitgliedschaft treten, so kann dies offenbar oder stillschweigend geschehen. Offenbar ist das Ausscheiden, wenn ein Mitglied sein Abgehen dem Schreibmeister zwar schriftlich, aber ohne weitere Grundanführung, anzeigt, wo dann dieser bei der nächsten Privat-Versammlung der Gesellschaft darüber berichtet, das Ausscheiden im Protokolle bemerkt und den Brief zu den Acten nimmt (§ 10). Stillschweigend erfolgt das Ausscheiden: einmal, wenn ein Mitglied dem Vereine durch den Tod entrissen wird; zweitens wenn Jemand aus der // Mitgliedschaft der Faschischen Singacademie tritt, wo er dann zugleich auch aufhört Mitglied der Liedertafel zu seyn (§ 4 und 23) dr ittens, wenn ein Mitglied dreimal hintereinander, ohne vorherige Anzeige und Grundanführung bei der Liedertafel-Versammlung fehlt (§ 22) und hiermit der Gesellschaft zu erkennen giebt, daß, bei dem Unvermögen, den Statuten gemäß zu handeln, es auf die fernere Mitgliedschaft freiwillig Verzicht leiste (§ 26) und daher genehmige, daß ein anderes Mitglied in seine Stelle gewählt werden könne. Der Verein bekundet die Anerkennung der beiden letzteren Arten des Ausscheidens dadurch ebenfalls stillschweigend, daß der Ausgeschiedene nicht mehr durch das Umlaufschreiben zur Liedertafel eingeladen und zugleich auch ein Nachfolger für ihn gewählt wird. Die Stimmen- und Textbücher, welche dem Ausgeschiedenen zugetheilt waren, bleiben Eigenthum des Vereins, werden dem Nachfolger übergeben und mit dessen Namen bezeichnet. //
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§ 25. Cassen-Verhältnisse. Zur Bestreitung der Kosten bei der Liedertafel sind folgende Geldabgaben an die Casse der Liedertafel als bestehend festgesetzt und durch den Säckelmeister von jedem Mitgliede gleichmäßig einzufordern. 1tens Zehn Thaler Antrittsgeld, welche jedes neu eintretende Mitglied sowohl zur Deckung der bei seinem Eintritte entstehenden Unkosten (Umänderung des Namens auf den Tafelmarken- Stimmen- und Textbüchern), als auch zur Beisteuer für die auf Kosten der Gesellschaft gedruckten Textbücher nur einmal zu entrichten hat. 2tens Acht Thaler jährliches Tafelgeld für die 12. gesetzmäßigen Liedertafeln, welches quartalweise, pränumerando erhoben und wofür beim Speisewirthe die Miethe, Heitzung, Beleuchtung und das Essen für die Mitglieder bestritten wird. Sollte ein Mitglied auch abwesend seyn, so muß dies Tafelgeld dennoch behufs der Bewirthung der Stellvertreter (§. 22.) entrichtet werden. 3tens Sechs Thaler jährlichen Beitrag, welcher zu unbestimmten Zeiten, nach Beschaf-// fenheit des Cassenstandes, ganz oder nur zum Theil eingefordert wird, und von welchem der Liedertafelbote (§ 13), die Bedienung bei Tische, das Eintragen der Lieder in die Partitur- und Stimmenbücher, die Buchbinderarbeit, die Füllung und nacherige Politur des Flemmings-Becher, die Bewirthung des etwanigen Subsituten für den Schlüsselmeister, die Beschaffung neuer Utensilien, so wie jeder extraordinaire Bedarf bezahlt wird. Nächst diesen currenten Einnahmen hat die Liedertafel-Casse noch eine unbestimmte Einnahme durch den vom Schlüsselmeister besorgten Verkauf, der auf Kosten der Gesellschaft, behufs der Gäste gedruckten Textbücher (§ 20), welche den Gästen, wenn sie es wünschen (das in Pappe gebundene Exemplar für 1 rthlr 4ggr das geheftete für 1 rthlr) käuflich überlaßen werden können, und wogegen das Einziehen des Beitrags nach Verhältniß der Größe der eingenommenen Summe vermindert wird. Alle diese Gelder fließen in eine gemeinschaftliche Casse, aus // der dann sämmtliche Kosten bestritten und durch den Säckelmeister im Allgemeinen berechnet werden. Sollten ungewöhnliche große Ausgaben noch einen besonderen Geldzuschuß erheischen, so kann dieser nur nach vorheriger Berathung und mit Zustimmung sämmtlicher Mitglieder der Liedertafel eingefordert werden (§ 6). § 26. Aufrechterhaltung der Verf assung. Bei einem so achtbaren Vereine edler, deutscher Männer, sind Zwangs- und Strafgesetze nicht nur unnöthig, sondern auch dem Geiste der Verfassung (§ 2) ganz entgegen. Die Mitglieder der Liedertafel suchen deshalb ihre Verfassung blos dadurch aufrecht zu erhalten, indem sie hiermit feststellen: 1tens, daß diese Statuten, besonders eingebunden, und, zum Zeichen ihrer Anerkennung, von allen Mitgliedern unterschrieben, bei allen Liedertafel-Versammlungen durch den Schlüsselmeister dem Obermeister zur Seite gelegt werden, um steets den Mitgliedern zur Einsicht und Berathung dienen zu können; 442
Privatgesellschaft junger Architekten
2tens, daß diese Statuten bei jedem Jahresschluße vorgelesen und revidirt, die im Laufe der Zeit nöthig gewor-//denen und mittelst Stimmengesammtheit (§ 6) beschloßenen Abänderungen, Auslassungen und Zusätze durch den Schreibmeister nachträglich hinzugefügt und solche dann ebenfalls von allen Mitgliedern wieder unterzeichnet werden; 3tens, daß jedes Mitglied mit seiner Namensunterschrift auch zugleich die Verpflichtung eingeht, bei seiner Nichtbefolgung der Statuten (mag die Veranlassung auch seyn, welche sie wolle) lieber freiwillig auszuscheiden, als dem Vereine ein Aergerniß zu geben. ___________________________ Angenommen und unterzeichnet von sämmtlichen Mitgliedern der Zelterschen Liedertafel, am 1sten December des Jahres Ein Tausend Acht Hundert und Neunzehn. Kluge. Quelle: Archiv der Sing-Akademie zu Berlin, Signatur: N.Mus.SA 281, fol. 140r–163v. – Transkription Axel Fischer und Matthias Kornemann. – Druck und Kommentar in: Integer vitae, a. a. O., S. 309–332.
Privatgesellschaft junger Architekten Friedrich Gilly: Konzept zum Einleitungsvortrag der 1. Sitzung der Privatgesellschaft junger Architekten, 30. Januar 1799 Die Einleitung zu unserer Gesellschaft konnte wohl keine paßendere und glüklicher[e] Betrachtungen mit ihren Zwecke vereinigen, als die über das ernstere Studium der Kunst, aus so vortreflichen Gesichtspunkten. Es war dem Sinne eines wahren Künstlers angemeßen, mit dieser Forschung alle Wege der weiten Laufbahn vorzuzeichnen, und als Muster zur Bildung das vor treflliche [!] aller Zeiten, – aller Zeiten des guten Geschmacks zur Empfehlung heraus zu heben. Die ältern ital. Baumeister, Palladio und seine Zeitgenoßen besonders, haben den Ruhm, nach den Zeiten der Alten, vorzüglich gewonnen [*Randnotiz: Vorbilder einer reinen unverfälschten Bauart in ihren Werken hinterlaßen zu haben, Vorbilder, die] die [!] ganz besonders zu näherer Anwendung dieser Kunst auf unsere Bedürfniße leiten, und zu einem einfachen schönen Geschmack den beobachtenden Archit[ekten] anführen werden. – Italien hat tausend Schätze dieser Art für den Studierenden, auch aus der neuern Periode der Kunst, neben dem herlichen Alterthume – und ist es ein Wunder daß hier, wo alle Kunst so fruchtbringend gedieh, auch diese immer vorzüglich blühte? – 443
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Wir können nicht genug wünschen, daß jene Werke durch die Auswahl geschickter Künstler, in treuen geschmackvollen Abbildungen möglichst bekandt gemacht und ausgebreitet werden mögen. Wie sehr müßen es besonders die wünschen, denen das Glück noch nicht zu Theil ward, den Anblick jener Meisterwerke und die Wärme des heiligen Landes selbst zu genießen. Der Vortheil den das Studium der Baukunst aus einer Sammlung und Bekandtmachung jener Schönheiten ziehen wird, das hervorstechende Verdienst jener genievollen Künstler hat die Herausgabe eines neuen Werks veranlaßt, welches eine Gesellschaft von Archit[ekten] in Paris unter dem Titel: Maisons et Palais de Rome pp herausgiebt.1 ich lege es Ihnen hiebey vor, mit einer Übersetzung der dazu gehörigen Einleitung, welche in vieler hinsicht interessant ist. – den 30ten Jan. 1799. – // [verso:]2
vereinigt den Künstlern, besonders denen Studirenden vorzulegen. Wir haben uns der abgemeßenen Verhältniße, wie der Form genau hierin befleißigt; jedoch mit der Freyheit von jeder dieser Vorstellungen nur die interessantesten Theile auszuheben. Deshalb wird man auch Aufriße und Durchschnitte von Gebäuden, ohne ihre Plane, und so umgekehrt finden. Wir muthen nicht zu daß man streng alle hier vorgelegten Gebäude geradezu nachahmen solle; wir wollen sie sogar nicht als ganz fehlerfrey angeben. Selbst unser Klima, unsere Lebensart, unsere Materialien u. s. w. schreiben oft andere Formen vor. Indeß kann man sagen daß in Betrachtung der Art und Weise wie die italiänischen Baukünstler ihre Compositionen behandelten, sie den zu erfüllenden Vorschriften anpaßten und wie sie das ganze im Zusammenhange studierten – jeder nachdenkende Künstler Nutzen aus den Betrachtungen ziehen wird, die eine solche Sammlung darbietet. Dies sind die Rücksichten worauf unsere Unternehmung sich gründet. Wenn wir sie mit unseren Kräften zu erfüllen vermögen, wenn wir dahin gelangen der Kunst die wir üben hierdurch zu frommen, so ist das Ziel unserer Wünsche erreicht und wir werden eifrigst bey der Herausgabe eines größeren Werks beharren, worauf wir schon Arbeit und Studium von mehreren Jahren verwandt haben. Quelle: Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin, Slg. W. Soldan, Inv.-Nr. 99-1997. – Transkription Uta Motschmann. – Druck 1 in: Ausstellungskatalog Friedrich Gilly, 1772–1800, und die Privatgesellschaft junger Architekten. Eine Ausstellung im Rahmen der Internationalen Bauausstellung Berlin 1987, Berichtsjahr 1984, 21.9.–4.11.1984. Berlin 1984, Nr. 97, mit Kommentar von Hella Reelfs S. 178;
1 Charles Percier und Pierre François Léonard Fontaine: Palais, maisons, et autre édifices modernes dessinés à Rome. Paris 1798.
2 Das Konzept steht höchstwahrscheinlich auf der Versoseite eines Blattes, auf dessen Rectoseite sich der Schluss eines fragmentarisch überlieferten anderen Textes von Gilly befindet. Beide Texte stehen vermutlich in inhaltlicher Verbindung: eventuell handelt es sich sogar um zwei Fassungen des Redeentwurfs.
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zusammengefasst auch bei Fritz Neumeyer (Hg.): Friedrich Gilly, Essays zur Architektur 1796–1799. Berlin 1997, S. 38. – Druck 2 in: Eva Börsch-Supan (unter Benutzung der Recherchen von Hella Reelfs (1928–2006): Zeichnungen, Druckgraphik und Briefe Friedrich Gillys und seines Kreises aus der Wilhelm-Soldan-Sammlung im Berliner Kupferstichkabinett. In: Jahrbuch der Berliner Museen 2010, S. 80.
Privattheatergesellschaft Urania Auszug der Gesetze, 1797 Auszug der Gesetze / des / Privat-Theaters Urania / zur Richtschnur / der Mitglieder desselben. Allgemeine und besondere Gesetze. §. 1. Alle Mitglieder haben gleiche Lasten, also auch gleiche Rechte, und gleiche Stimmen. §. 2. Jedes Mitglied hat das Recht etwas vorzutragen, so wie seine Meinung über das Vorgetragene zu sagen. §. 3. Kein Mitglied kann, wenn es aus Liebe zur Ordnung gegen ein Anderes auftreten, und sprechen muß, deshalb befeindet werden. §. 4. Das Gesetz ist für alle: Sicherstellung des einzelnen Rechts! es sey nun, daß es ver theidige oder bestrafe. §. 5. Eigenmächtige Handlungen, ohne von dem Gesetz dazu autorisirt zu seyn, sind strafbar. §. 6. Niemand kann ohne vorhergegangene Wahl durch Stimmenmehrheit, ein Amt bekleiden oder verwalten. §. 7. Zur Bildung der Gesetze, so wie zur Ernennung der Aemter, hat jedes Mitglied gleiches Recht. §. 8. Ueberzeugt von der Amtsführer Nachläßigkeit, kann jedes Mitglied dieselben an ihre Pflichten erinnern. §. 9. Alle Mitglieder sind gegenseitig verbunden, Einer für den Andern zu stehen, in so ferne es das allgemeine Interesse betrift, weil das Interesse Aller, das Interesse des Einzelnen, und so umgekehrt, ist. §. 10. Im nothwendigen Fall darf sich kein Mitglied sträuben, mechanische Arbeiten zu übernehmen; Unschickliche sind hierunter nicht verstanden. §. 11. Jedes Mitglied ist verbunden die jährliche Miethe im Monat Julii, und seinen monatlichen Kassenbeytrag noch in dem laufenden Monat zu bezahlen; das Ende des zweyten Monats, kündigt ihn im Ermangelungsfall als abgegangen der Gesellschaft an. §. 12. Demohngeachtet muß er seinen durch den Revers gesicherten Miethsbeytrag zahlen, oder gerichtliche Eintreibung desselben gewärtigen. 445
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§. 13. Von dem Conferenztage an, wo er sein Eintrittsgeld zahlt, ist er diesen Gesetzen unterworfen, und wer sie verletzt, durch List oder Feinheit denselben auszuweichen sucht, verletzt das Interesse Aller, und macht sich des Wohlwollens und Achtung der ganzen Gesellschaft unwürdig, sie rüget dies Verbrechen und bestimmt die Strafe. §. 14. Von diesen Gesetzen, und den gesetzmäßigen Ausspruch der Stimmenmehrheit von der Gesellschaft bey zweifelhaften Fällen, findet keine Appellation an irgend einen Gerichtshof statt, er sey welcher er wolle. §. 15. Chikane, Unordnung, unsittliches Betragen und Fraktionensucht, bestraft die Gesellschaft nach Verhältnissen aufs härteste. §. 16. Daher kann keine Parthey unter sich verhandeln, noch den Beschluß von der Gesellschaft erzwingen wollen. §. 17. Auch ist jedes Mitglied verbunden, seine Billets an Personen von Erziehung und gutem Ton zu vertheilen, weil er für alles aus dem Gegentheil entspringende Unheil haften muß; auch die Personen vom entgegengesetzten Betragen der Zurückweisung ausgesetzt werden. §. 18. Mißverständnisse zweyer oder mehrerer Mitglieder, welche den Zweck, der Gesellschaft beeinträchtigen, gehören für das Forum derselben, und werden durch sie geschlichtet, von Privatstreitigkeiten verbittet sie sich aber jede Erwähnung in ihrem Domicilio. §. 19. Jedes unsittliche Lautwerden, jede Veranlassung zum Lärmen, im Schauspiel oder in den Proben, werden im Erstern mit 16 Gr. und im Letztern mit 4 Gr. Strafe gerügt. §. 20. Das Einbringen fremder Personen in den Proben, wird ohne Erlaubniß von der Gesellschaft dazu zu haben, mit 8 Gr. Strafe belegt. §. 21. Ohne Einlaßbillet wird keinem Zuschauer, unter welchem Vorwand es wolle, der Eingang verstattet. Annahme der Mitglieder. §. 22. Jedes Individuum, welches zur Gesellschaft treten will, muß schriftlich einkommen, und Beweise seiner Unabhängigkeit beyfügen. Conferenz. §. 23. Die Conferenz wird wöchentlich einmal, an einem dazu festgesetzten Tage, Abends 2 Stunden, als so lange die Zeit der Verhandlungen hiedurch bestimmt wird, gehalten, um über den zu erreichenden Zweck der Gesellschaft, gegenseitige Verhältnisse, und allgemeine Bedürfnisse derselben gesellschaftlich übereinzukommen. §. 24. Mit dem Schlage 8 Uhr hebt die Verhandlung an, die Vorträge geschehen in folgender Ordnung: 1) der Rendant, 2) der Vorsteher, 3) der Justizverwalter, und 4) der Regisseur. §. 25. Keiner der Mitglieder darf den Vortrag eines dieser genannten Einzelnen unterbrechen; ist derselbe geendigt, so hat ein jedes Mitglied Fug und Recht seine Meinung glimpflich und bescheiden zu sagen. 446
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§. 26. Der vortragende Amtsführer hat das Recht Ruhe zu gebieten, erfolgt dieselbe nach dem dritten Rufe nicht, so verfällt der Tumultuant in eine Strafe von 4 Gr. §. 27. Wird hingegen der Tumult zu stark, und kann durch kein Mittel gestillt werden, so hat der gestörte Amtsführer das Recht sein Bureau zu schließen, ihm folgt das ganze Comité, und die Conferenz ist aufgehoben, denn außer der Comité findet keine Conferenz, statt. §. 28. Eben so darf sich kein Mitglied Persönlichkeiten und Herabwürdigungen der Vorsteher erlauben, bey einer Strafe von 8 gr. §. 29. Alle abwesende Mitglieder geben stillschweigend ihr Votum, zu den verhandelten Angelegenheiten und gefaßten Beschlüßen. §. 30. Ohne zwey Amtsführer und vier Mitglieder kann gar keine Conferenz statt haben. §. 31. Fremden, nicht zur Gesellschaft gehörenden Personen ist der Zutritt zu derselben durchaus versagt. §. 32. Alle Verhandlungen und Beschlüße werden vom Justizverwalter, als beständigem Secretair der Gesellschaft, protokollirt. §. 33. Lächerliche Anmerkungen, Witzeleyen über ernsthafte Gegenstände der Verhandlung, Einmischung fremder Dinge werden durchaus untersagt. §. 34. Nach geendigtem Vortrag der Amtsführer, und darüber gefaßten Beschlüßen, steht es jedem Mitglied frey ein Gleiches zu thun. Theater polizey. §. 35. Alle zur Vorstellung eines Stücks mitwürkende Aemter, als Decorateur, Maschinenmeister, Soufleur, Illuminateur u. s. w. werden sämmtlich dahin angewiesen, ihre Einrichtungen so zu treffen, daß durch ihre Saumseligkeit kein Aufschub des Stücks veranlaßt werde. Muß um eines Schuldigen willen, der Anfang desselben nur um eine Viertelstunde verschoben werden, so verliert er für das nächste Spiel zwey seiner Billets. §. 36. Der Anfang des Schauspiels wird hierdurch auf 5 ½ Uhr festgesetzt. §. 37. Ein gleiches, wie in §. 35. gesagt, gilt von den Schauspielern, wer mit seinem Anzug zögert, so daß vorhergehender Fall eintritt, erlegt dafür 16 Gr. Strafe. §. 38. Das nehmliche gilt auch den erst in den folgenden Akten des Schauspiels vorkommenden Spielern, wer die Musikintermezzo’s durch seinen Anzug verlängert, erlegt eben so viel Strafe. §. 39. Wer sich von den Schauspielern im Saal oder im Proscenio mit der Theaterkleidung den Zuschauern zeigt, erlegt 8 Gr. Strafe. §. 40. An öffentlichen Oertern sich damit zeigen, kostet 16 Gr. Strafe. §. 41. Alles Tabakrauchen, Schwatzen und Flüstern auf dem Theater während des Spiels, wird bey der Aufführung mit 4 Gr. und in den Proben mit 2 Gr. Strafe gerügt. §. 42. Jedes verhörte oder versäumte Schlagwort, so wie jede vergessene Requisite, werden mit 16 Gr., ersteres in der Generalprobe mit 4 Gr. Strafe gebüßt.
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§. 43. Die Schauspieler müssen sich besonders am Spieltage, gegenseitig durchaus alles Tadels des Spiels bey einer Strafe von 8 Gr. enthalten, sanfte Zurechtweisung bessert, aber Vorwürfe bringen den ohnehin Fassungslosen noch mehr ausser Fassung. §. 44. Die Proben jedes Stücks bestimmt der Regisseur. Kein in dem Stück spielendes Mitglied, darf ohne Krankheit oder die vollgültigsten Abhaltungen darthun zu können, bey einer Strafe von 8 Gr. in denselben fehlen. §. 45. Ausbleiben von der Generalprobe wird ohne obbemeldete Ursachen mit 12 Gr. Strafe belegt. §. 46. Zu spät kommen, wird in der ordinairen Probe mit 2 Gr., in der Generalprobe mit 8 Gr. Strafe gebüßt. §. 47. Wer aber am Spieltage ganz ausbleibt, zahlt, wenn die Rolle ohne Lächerlichkeit vor dem Zuschauer noch besetzt werden kann, 1 Rthlr. Strafe; auf eine Hauptrolle aber, wodurch das ganze Spiel vereitelt wird, und im Fall sein Ausbleiben nicht die unübersteiglichsten Hindernisse zur Ursach hat, steht: Verweisung von und aus der Gesellschaft. §. 48. Alle Vorfälle, welche Aufschub des Spiels veranlaßen könnten, müssen dem Regisseur ohne Verzug gemeldet werden. §. 49. Jeder Spieler bekommt sowohl seinen Kleiderplatz als auch Schubkasten in der Garderobe, es darf daher auf keinerley Art, es sey nun Theater- oder andere Kleidung, Jemand die seinige auf einen andern Platz hängen, bey einer Strafe von 2 Gr. §. 50. Rollen und Requisiten werden dem Regisseur am Conferenztage nach dem Spiel wieder eingehändigt, geht dem Spieler die Rolle verloren, so muß er dieselbe in Natura einliefern, und sie zu dem Ende, durch den Parthienschreiber von neuem gegen ein Abkommen mit demselben, abschreiben lassen. §. 51. Spott und unreifes Urtheil der Mitglieder unter den Zuschauern, über das Spiel einzelner Personen, wird mit einer Strafe von 16 Gr. belegt. §. 52. Jedes Mitglied, das ohne Erlaubniß der Gesellschaft auf fremden Theatern spielt, erlegt 3 Rthlr. Strafe. Zu Gastrollen fremder Liebhaber und Schauspieler muß die Einwilligung der Gesellschaft erst ausgewirkt werden. §. 53. Für sein Costüm muß jedes Mitglied so viel möglich selbst sorgen, und nur bey unvermeidlichen Fällen übernimmt die Theaterkasse die Ausgabe, dies muß aber am Conferenztage vor dem Spiel verhandelt und bewilligt werden. §. 54. Daß die Schauspieler sich unter einander, so weit es möglich ist, selbst damit aushelfen, braucht kaum einer Erwähnung, Gefälligkeit dieser Art und in dieser Verbindung schlagen sich Freunde nicht ab. Urkundlich ist dieser Auszug von der Comité des Privattheaters Urania unterzeichnet. Thieme. Wagler. Menz. Chabot. Quelle: Auszug der Gesetze des Privat-Theaters Urania zur Richtschnur der Mitglieder desselben. Berlin 1797 [Druckschrift, 8 S.; GStA PK, I. HA, Rep. 77 Ministerium des Innern, Tit. 420, Nr. 16 Bd. 1: Akten betreffend die Privat-Theater in Berlin, Bl. 24–27]. 448
Ressource und Privattheater zur Concordia
Ressource und Privattheater zur Concordia I) Gesetze für die Familien-Ressource, 1811 Gesetze / für die / Familien-Resource / zur / Concordia. / Neu entworfen / im / Jahre 1811. Einleitung. Zweck / der / Resource zur Concordia. Die zu der Gesellschaft gehörenden Familien versammeln sich, um theils an den policeilich gestatteten Theatralischen Vorstellungen, theils an Musik, Tanz, Spiel, Lecktüre von Journalen, und in unterhaltenden Gesprächen eine angenehme Erhohlung zu finden. Zu den Theatralischen Vorstellungen hat kein Fremder, nicht unmittelbar zur Familie der Mitglieder gehörender, Zutritt. Anstand und Würde, muß überall hervor glänzen, und jede Unsittlichkeit fern sein. Achtung gegen den Souverain und die Landesverfassung, pünktliche Unterwerfung gegen die Obrigkeit müssen überall sichtbar werden. Beleidigung der ganzen Gesellschaft wird jede öffentliche anstößige Aeußerung, jede Verächtlichmachung guter Sitten. – Alle Hazardspiele sind eben so strenge untersagt, als hohe Einsätze in den erlaubten Spielen wegfallen müssen, damit die Gesellschaft nicht in den übeln Ruf der Spielsucht gerathe, und muß überhaupt die Zeit so sparsam eingetheilt werden, daß nicht die Nacht das Vergnügen theile, was nur bis an den späten Abend gestattet ist. Die folgenden Gesetze, denen jedes Individuum unterworfen ist, bestimmen die näheren Verhältnisse. A. Allgemeine Gesetze. Die Gesellschaft verpflichtet sich, nachstehende Gesetze, so lange auf das genaueste zu befolgen, bis etwa, durch Mehrheit der Stimmen, in dem einen oder andern Punkte, eine Abänderung nöthig befunden worden. Eine solche Abänderung kann jedoch nur, mit Einstimmung von mehr als zwey Drittel sämtlicher Mitglieder, statt finden. I. Vor steher. Ihre Geschäfte und Pflichten. § 1. Für die pünktliche Beobachtung der Gesetze sorgen die von der ganzen Gesellschaft gewählten zwölf Vorsteher, welchen durch die Wahl die Vollmacht ertheilt wird, alle gesellschaftlichen Angelegenheiten, selbst die wichtigsten, nach Mehrheit der Stimmen unter sich entweder zu entscheiden, oder dieselben, wenn sie es nöthig finden 449
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sollten, dem Curator vorzutragen, oder zur Sprache vor die ganze Gesellschaft zu bringen. § 2. Unter diesen Vorstehern wird die Rangordnung durch das Loos bestimmt, und in Ansehung der zu übernehmenden Direction monatlich abgewechselt. Wünscht einer der Vorsteher von Führung dieser Direction dispensirt zu sein, so stehet ihm frei, einen der übrigen Vorsteher zu ersuchen, dieses Geschäft statt seiner zu übernehmen. a) Wahl der Vor steher. § 3. Vierteljährlich werden sechs Vorsteher gewählt. Diese Wahl geschiehet am ersten Montage des Quartals, durch Ballotirung über die von einem jedem Mitgliede dazu vorgeschlagenen Mitglieder, und zwar so, daß jedes Mitglied den Namen desjenigen auf ein dazu vorliegendes Blättchen mit seiner Unterschrift bemerkt, die alsdann gesammelt und durch Mehrheit der Stimmen, vermittelst einer Ballotirung zu Vorstehern erkohren werden. Nothwendig ist es, daß jedes Mal nur 6 neue Vorsteher gewählt werden, damit diese von den 6 ältern bleibenden Vorstehern die Geschäfte kennen lernen. Einer der Vorsteher aber muß aus dem Theater-Personale, und Einer aus den Orchester-Mitgliedern erwählet werden. Die Amts-Verwaltung der neu gewählten Vorsteher nimmt mit dem 1. October, 1. Januar, 1. April und 1. Juli ihren Anfang. Durch die Uebernahme macht sich jeder Vorsteher anheischig, sein Amt ein halbes Jahr hindurch zu verwalten, und es nicht anders, als durch sehr wichtige, der Gesellschaft einleuchtende Hindernisse nieder zu legen. § 4. Es wird Niemand gezwungen, das Amt eines Vorstehers zu übernehmen. Ereignet sich der Fall, daß der Gewählte den Antrag mit Gründen verbittet, so tritt derjenige in seine Stelle, der, besage des Wahl-Protokolls, zunächst auf diejenigen folgte, welche zu Vorstehern wirklich gewählt worden. Sollten die Stimmen so getheilt sein, daß für den Vorgeschlagenen nicht wenigstens ein Fünftheil derjenigen gestimmt hätte, welche an dem Wahl-Geschäft Theil genommen haben; so wird zu einer neuen Wahl geschritten. Zum Beispiel: Wenn fünfzig Mitglieder gestimmt, so können nur diejenigen für gewählt geachtet werden, welche zehn oder mehrere Stimmen erhalten haben. § 5. Sollte, während des Laufs des viertel Jahres, ein Vorsteher mit Tode abgehen, oder sich von der Gesellschaft trennen, oder durch Krankheit, oder Reisen eine geraume Zeit hindurch, an Ausübung seines Amtes verhindert werden, so müssen die übrigen Vor450
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steher aus der Gesellschaft einen Stellvertreter wählen, der die Geschäfte des Abgegangenen übernimmt. Kein Vorsteher aber darf willkührlich sein Amt nieder legen, es sei aus welchem Grunde es wolle; er ist verpflichtet in die Vorsteher-Conferenz, wozu alsdann der Curator einzuladen ist, seine Absicht anzuzeigen, die Gründe bekannt zu machen, und dann dem Beschluße des Curators, in Verbindung mit den Vorstehern, abzuwarten, und diesem zu folgen. b) Curator. § 6. Da nun häufige, nicht vorher einzusehende Fälle eintreten können, worüber die bestehenden Gesetze nicht mit Bestimmtheit entscheiden, und in streitigen Fällen, welche jedesmal in Güte möglichst beigelegt werden müssen, um die obrigkeitliche Entscheidung nicht grade zu jedes Mal einholen zu dürfen; so wählen die Vorsteher aus der Gesellschaft sich einen Curator, ein Mitglied, zu dem man allgemein das feste Vertrauen hegt, daß das Wohl der Gesellschaft ihm am Herzen liege, und davon bereits Beweise gegeben hat. Seiner Entscheidung muß sich ein jeder dann unbedingt unterwerfen. § 7. Der Policei-Commissar ius des Reviers wird als einziges Ehren-Mitglied betrachtet. Er erhält zu dem Ende, gleich den übrigen Mitgliedern, 4 Billets, die er jedoch an Niemand, als an seine Familie vertheilen darf. Er führt die strengste Controlle, und bemerkt alle Abweichungen von den Gesetzen, und zeigt solche dem hochlöblichen Policei-Präsidio zur weiteren Verfügung an, falls er in Verbindung mit dem Curator die Sache nicht abmachen, abändern oder beilegen kann. c) Geschäfte der Vor steher. § 8. Die Vorsteher vertheilen die vorfallenden Geschäfte unter sich in der Art, daß einer die Cassen-Verwaltung, einer die Oeconomischen Einrichtungen, einer die SecretariatsGeschäfte, einer die Angelegenheiten des Theaters, einer die des Orchesters, und zwei die Annahme der Billets beym Entrée übernehmen. Sollte sich bei der Uebernehmung des einen oder andern Geschäftes zu viel Arbeit finden, so müßen die Vorsteher ein Gesellschafts-Mitglied ersuchen, sich dieser Mühwaltung mit zu unterziehen, oder Assistenz zu leisten.
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II. Conferenzen. a) Zeit und Or t der Conferenzen. § 9. Zu den Berathschlagungen über Angelegenheiten, welche vor die ganze Gesellschaft gebracht werden sollen, wird der erste Montag eines jeden Monates, als die gesetzmäßigen General-Conferenz-Tagen, bestimmt. Vorfälle, welche sich nicht für das Allgemeine eignen, oder welche nicht bis dahin verschoben werden können, werden in der wöchentlichen, jedes Mal den Mittewoch Abend zu haltenden Vorsteher-Conferenz abgemacht. § 10. Die Berathschlagungen der Vorsteher werden in einem abgesonderten Zimmer, die General-Conferenzen aber in dem Saale gehalten, und nehmen beide jederzeit, im Winter um 6 Uhr, und im Sommer um 8 Uhr Abends ihren Anfang. Die alsdann nicht Anwesenden unterwerfen sich demjenigen, was vor ihrer Ankunft beschlossen worden. Einem Andern seine Stimme zu übertragen ist nicht erlaubt, und schriftliche Stimmen werden nicht zugelassen. b) Ar t und Weise die Conferenz abzuhalten. 1) Die Vor steher-Conferenz. § 11. Bei jeder Berathschlagung in der Vorsteher-Conferenz eröffnet der, in dem laufenden Monate den Vorsitz führende, Vorsteher, den Anwesenden die Ursache der Zusammenkunft, die ihm bekannten, über diesen Gegenstand obwaltenden verschiedenen Meinungen, und die zu deren Unterstützung angeführten Gründe. Hiernächst ersucht er die Anwesenden, dasjenige anzuzeigen, was einem jeden von der Willensmeinung der Gesellschaft bekannt geworden. Dieses geschiehet in der Ordnung, wie die Vorsteher jedes Mal Platz genommen haben, dergestalt, daß der, den Vorsitz führende Vorsteher, mit Eröffnung seiner Meinung den Beschluß macht. Sollte, wider Verhoffen, einer den andern unterbrechen, oder bei Verschiedenheit der Meinungen, sich persönliche Anzüglichkeiten erlauben, so wird dieses als eine Beleidigung der ganzen Gesellschaft angesehen, und der dirigirende Vorsteher muß an die Befolgung der Gesetze erinnern. Hat ein jeder seine Meinung gesagt, und es zeigt sich kein Widerspruch, so wird der Beschluß in das Protocollbuch niedergeschrieben, und von den Anwesenden unterzeichnet. Hat man sich hingegen, wegen des zufassenden Entschlusses, nicht geeinigt, so frägt der den Vorsitz führende Vorsteher, ob noch Jemand etwas zu mehrerer Erläuterung oder Wiederlegung seines Vorschlages, für die entgegen gesetzte Meinung anzuführen gemeinet sei. Wird dieses nöthig befunden, so beobachtet man wiederum die vorgeschriebene Ordnung, und in dieser Art wird so lange fortgefahren, bis nach dem Ermessen des den Vor452
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sitz führenden Vorstehers eine hinlängliche Erörterung der Streitfrage erfolgt ist. Alsdann wird zur Einsammlung der Stimmen geschritten, und wenn der die Direction führende Vorsteher es nöthig findet, eine Ballotirung zu veranlaßen, die streitige Frage in der Art geordnet oder zergliedert, daß sie durch Ja oder Nein beantwortet und durch die weißen und schwarzen Kugeln entschieden werden kann. Ist dieses geschehen, so wirft Jeder, der die Frage bejahen will, eine weiße, und derjenige, der sie verneinen will, eine schwarze Kugel in den Ballotier-Kasten. § 12. Sollte sich der Fall ereignen, daß die Stimmen gleich wären, so wird die Berathschlagung abgebrochen, und dieser Vorfall dem Curator der Gesellschaft eröffnet, um dessen gutachtliche Entscheidung einzuholen, oder, nach seinem Dafürhalten, denselben der ganzen Gesellschaft vorzutragen. 2) Die General-Conferenz. § 13. Die General-Conferenz wird durch einen Anschlag bekannt gemacht, worin nicht allein der zu entscheidende Punkt, sondern auch Tag und Stunde bemerkt wird, wenn die Conferenz beginnen soll. An dieser nehmen sämtliche, alsdann anwesende, Mitglieder Theil; ihnen werden die obwaltenden Meinungen von dem die Direction führenden Vorsteher getreulich eröffnet, und, wenn dieses geschehen ist, wird unverzüglich zur Ballotirung geschritten. Auf eine solchergestalt der Gesellschaft, in bedenklichen Fällen, zu überlaßende Entscheidung, ist jeder Vorsteher vor der Ballotirung anzutragen berechtiget. Wenn ein solcher Antrag durch Mehrheit der Stimmen entschieden ist, so wird die Berathschlagung abgebrochen, und in der oben vorgeschriebenen Art verfahren (§ 11 und 12.) Auf die Anzeige, daß Jemand aus Versehen eine seine wirkliche Meinung nicht andeutende Kugel eingeworfen habe, kann nur vor der Ballotage, nicht aber nach erfolgter Oeffnung des Ballotier-Kastens geachtet werden. § 14. Wider einen, nach gesetzmäßigem Ballotiren, durch Mehrheit der Stimmen, bestimmten Entschluß, wird keine Einwendung gestattet, und dieselbe Frage kann erst im folgenden Vierteljahre anderweitig zur Berathschlagung aufgestellet werden. III. Zahl der Mitglieder. § 15. Die Zahl sämtlicher Mitglieder wird für jetzt auf Einhunder t und Dreißig Familien bestimmet, und nur, wenn diese Anzahl nicht vollständig ist, können neue Mitglieder aufgenommen werden. 453
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Annahme und Wahl neuer Mitglieder. a) In der Vor steher-Conferenz. § 16. Wer in die Gesellschaft aufgenommen zu werden wünscht, ersucht ein Mitglied, einem der Vorsteher diesen Antrag zu eröffnen. Derjenige Vorsteher, an welchen sich der Proponent gewendet, muß über den Stand und Charakter des in Vorschlag gebrachten, von dem Proponenten genaue Erkundigung einziehen, und wenn sich ergeben sollte, daß der in Vorschlag gebrachte, nicht zu einem der Stände gehört, welche an der Gesellschaft bis dahin Theil genommen haben, dem Proponenten bekannt machen, daß das Gesuch nicht Statt finden könne. Sollte der Proponent sich bei einer solchen abschläglichen Antwort nicht beruhigen wollen, oder fände sich, in Ansehung des Standes des in Vorschlag gebrachten, kein Bedenken, so wird über dessen Annahme zum Expectanten, und Anschlagung seines Namens an die Anmeldetafel, in der nächsten Zusammenkunft, von den Vorstehern gestimmt. Sollte einer der Vorsteher Bedenken tragen, das vorgeschlagene Mitglied an die Anmeldetafel zu bringen, und ihm die Rechte eines Expectanten genießen zu laßen, und dieses Bedenken mit Gründen unterstützen, so wird dem Proponent bekannt gemacht, daß aus erheblichen Gründen das Gesuch nicht statt finden könne, und daß über diesen Vorfall ein unverbrüchliches Stillschweigen beobachtet werden solle. Zu mehrerer Schonung des Proponenten kann derselbe von dem Vorsteher, an den er sich gewendet, verlangen, daß sein, des Proponenten, Name auch nicht einmal den übrigen Vorstehern bekannt werde. § 17. Die Namen der zur Aufnahme vorgeschlagenen Expectanten werden 14 Tage lang öffentlich ausgehangen, so wie überhaupt 14 Tage vor der Wahl auf einem anzuheftenden Aushange vermerkt, wie viel neue Mitglieder an dem zu bestimmenden Wahltage erwählt werden sollen. b) In der General-Conferenz. § 18. Bei der Wahl in der General-Conferenz wird der, von den Vorstehern verschlossene, Stimmkasten bei jedem Mitgliede herum gereicht; der Wähler erhält zuvor 2 Kugeln, eine schwarze und eine weiße. Jede schwarze Kugel ist verwerfend, und jede weiße bejahend. Kennt ein Mitglied den zum Mitglied aufzunehmenden Expectanten nicht, so steht es ihm frei, entweder eine bejahende, oder gar keine Kugel in den Stimmkasten zu werfen. Drei schwarze Kugeln verwerfen das vorgeschlagenen Mitglied. Jeder aber, der eine schwarze Kugel geworfen hat, ist es seiner eigenen Achtung und Ehre, so wie der des Proponenten und der ganzen Gesellschaft schuldig, sich bei einem 454
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der Vorsteher zu melden, und die Gründe anzugeben, warum er eine schwarze Kugel zu werfen sich gedrungen gefühlt. Der Vorsteher kann auf Verlangen den Namen des sich Meldenden verschweigen, trägt die Bedenklichkeiten den Vorstehern vor, die darüber mit Rücksprache des Einwenders nach Pflicht und Gewissen sogleich entscheiden. Hat sich nach einer Stunde aber Niemand zu den schwarzen Kugeln gemeldet, so können die Vorsteher solche in weiße verwandeln, und den Vorgeschlagenen als Mitglied unbedenklich aufnehmen. § 19. Die durch die Wahl zu Mitgliedern angenommen, müßen zur nächsten Conferenz eingeladen und vorgestellt werden, wobei ihnen ein Exemplar der Gesetze überreicht und sie zur genauen Befolgung derselben aufgefordert werden. Bei diese Gelegenheit zahlt ein Jeder derselben sofort für den Eintritt Drey Thaler Courant, wenn solche nämlich als Expectant noch nicht gezahlt worden, pränumerirt den monatlichen Beitrag, und verpflichtet sich durch eigenhändige Unterzeichnung der Gesetze zu deren genauen Befolgung, so wie er auch, durch die Unterzeichnung eines ihm vorgelegten Contracts sich verbindet, auf eine bestimmte Zeit der Gesellschaft anzugehören. IV. Beiträge. § 20. Der monatliche Beitrag ist auf Ein Thaler Courant festgesetzt, und muß den ersten Montag eines jeden Monates berichtiget werden. § 21. Dieser Beitrag wird jedesmal pränumerando dem Herrn Rendanten gegen seine Quittung eingehändiget. Geschiehet solches nicht den ersten Montag eines jeden Monates, so erhält der Ausbleibende, der seinen Auftrag durch kein anderes Mitglied ausrichten läßt, die Beitrags-Quittung durch den Billetsausträger zur Bezahlung in seine Wohnung geschickt. Ist ein Mitglied verreiset oder gefährlich krank, so wird die Zeit der Zurükkunft oder der Genesung, rücksichtlich der Einziehung der Beiträge, abgewartet. Ist ein solches Hinderniß nicht vorhanden, und hat durch geziemendes Ersuchen der Beitrag nicht erhalten werden können, so ist das in Rückstand verbliebene Mitglied zu einer Zulage verpflichtet, welche, wenn die Zahlung einen Monat später erfolgt, auf 3 Groschen, zwei Monat auf 6 Groschen, und drei Monate später auf 12 Groschen bestimmt ist. Hat ein Mitglied, auf welches die oben gedachten Ausnahmen, wegen Krankheit oder Abwesenheit, nicht Anwendung finden, die nächsten drei Montage des rückständigen Monates verstreichen lassen, ohne den Beitrag nebst den festgesetzten Zulagen zu entrichten, so wird demselben von den Vorstehern schriftlich bekannt gemacht, daß wenn die Zahlung nicht binnen vier Tagen erfolgt, dafür gehalten werden solle, daß er die Gesellschaft zu verlaßen gesonnen ist, und wenn auch diese Frist verstrichen ist, wird des455
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sen Platz für erledigt geachtet, auch daß solches geschehen sei, dem Ausgeschlossenen schriftlich von den Vorstehern bekannt gemacht. Dessen ungeachtet aber muß er seinem Contrackte völlig gerecht werden, und wird das Mitglied, wegen nicht geleisteter Zahlung, bei seiner Obrigkeit belangt. V. Bestimmung derjenigen Per sonen, welche an den Theatralischen Vor stellungen Theil nehmen dürfen. § 22. Da die Gesellschaft nur unter der einzigen Bedingung die Erlaubniß erhalten hat, Theatralische Vorstellungen, zu ihrem Vergnügen, geben zu dürfen, daß nur die nächsten Verwandten der Mitglieder daran Theil nehmen, so darf an diesem Tage, unter welchem Vorwande es auch sei, kein Fremder, d. h., nicht zur Familie unmittelbar gehöriger, eingeführet werden, und wird daher von den Vorstehern genau darauf gesehen werden, daß kein Fremder eintrete. Ein Mitglied welches sich dessen schuldig machen sollte, hat es sich allein zuzuschreiben, wenn eine nicht in die Gesellschaft gehörige Person höflichst abgewiesen, und nach der Strenge der Gesetze gegen den Uebertreter verfahren wird. Zur Familie werden gerechnet: die Ehefrauen, imgleichen Eltern, Kinder, Geschwister, in so fern sie nicht etwa zu einem Stande gehören, welcher an der Gesellschaft keinen Theil nehmen darf. Theil nehmen an den Theatralischen Vergnügungen können außer den Mitgliedern: Unabhäng ige, zur Classe der Gewerbe treibenden, zu den Künstlern und Königl. Officianten Gehörenden und deren Wittwen. Männliche und weibliche Domestiquen, die als solche bekannt sind, können deshalb nicht zugelassen werden. Militairpersonen ist der Zutritt nur vom Feldwebel aufwärts, und zwar unter den bekannten policeilichen Gesetzen, nämlich mit Ablegung der Waffen, gestattet. Einführ ung der Fremden. § 23. Für die Einführung fremder Per sonen muß die Erlaubniß jedes Mal mit Angebung des Namens und Standes derselben bei den Vorstehern nachgesucht werden. Wird das Gesuch gestattet, so erhält der Nachsuchende die nöthigen Billets dazu mit der Aufschrift: Fremden-Billet. Einheimische können nur 3 mal eingeführt werden; Auswärtige aber so oft, als ihnen der Aufenthalt hierselbst solches gestattet. Wer einheimische Fremden einführt, muß seine Familien-Billets gegen Fremden-Billets umtauschen. Bei Einführung auswärtiger Personen fällt dieses weg. Da der Fall eintreten kann, daß ein Mitglied mit denen, welchen er das Eintritts-Billet gegeben, nicht zugleich eintritt, hier aber eine strenge Controlle eben so nöthig als schwierig ist, so ist ein jedes Mitglied verbunden, einem jeden, nicht mit ihm zugleich 456
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eintretenden unbekannen fremden Anverwandten, ein versiegeltes Billet an die Vorsteher und aufsehenden Mitglieder zu geben, worin des Ueberbringers Name und Character angemerkt, und von dem Aussteller unterschrieben sein muß. Ohne dieses kann einem nicht Gekannten der Zutritt nicht gestattet werden. § 24. Da das Locale der Resource von der Beschaffenheit ist, daß am Tage der Vorstellungen nur eine festgesetzte Anzahl von Personen ihre Bequemlichkeit haben können, so können und dürfen nur 3 Familienmitglieder von einem Mitgliede eingeführt werden, wer mehr einführen will, hat die Abweisung der übrigen durchaus zu erwarten. Weshalb jedes Mitglied auch 4 Billets empfängt. Kinder über 10 Jahr gelten wie Erwachsene, und Kinder unter 6 Jahr werden nicht zugelassen. Jedes Mitglied kann aber einem andern Mitgliede seine Billets überlassen, wenn er selbst verhindert werden sollte, davon Gebrauch zu machen, oder einem andern Mitgliede eine Gefälligkeit damit erwiese. Doch muß dies den Vorstehern angezeigt werden. VI. Bestimmung der Plätze. § 25. Die Plätze im Theater werden den Mitgliedern, nach der Zeit ihres Beitrittes, von den zeitigen Vorstehern angewiesen. Festgesetzt ist, daß die ersten 50 Mitglieder der Gesellschaft drei Sitz- und einen Stehplatz, sowohl oben als unten Parterre, die folgenden aber nur zwei Sitz- und zwei Steh-Plätze besitzen. Das Fortrücken in den Plätzen, nach etwanigem Abgange der Mitglieder, findet durchgängig statt, und darf sich kein Mitglied weigern, seinen Platz verlaßen zu wollen. Will ein Mitglied seinen einmal erhaltenen Platz aber dennoch behalten, so kann dies geschehen, es muß sich denn aber auch gefallen laßen, daß ein anderes Mitglied ihm vorgezogen wird, weshalb ein jedes Mitglied von einer vorzunehmenden Platzveränderung benachrichtiget werden wird. Die Billets werden jedem Mitgliede durch einen besonders dazu gewählten Mann in die Wohnung geschickt, um Ordnung zu erhalten, und allen zeitherigen Mißbrauch zu verhüten. Jedes Mitglied ist dabei verpflichtet, für die Erhaltung seiner Billets Sorge zu tragen. Gehen sie durch eine Schuld verloren, so werden sie nur auf sein Verlangen und seine Kosten angeschafft. § 26. Kein Mitglied, mit Ausnahme der Theater- und Orchester-Mitglieder, kann und darf sich, wenn es von den Vorstehern, nach der Zeit seines Beitrittes, zum Beistand an den Vorstellungstagen aufgefordert wird, davon ausschließen; sollten aber Umstände vorhanden sein, daß es für ihn unmöglich wäre, grade an diesem Tage zu erscheinen, so bleibt es demselben unbenommen, ein anderes Miglied an seine Stelle darum zu ersuchen. Doch sollte dieses auch nicht erscheinen, so wird das Mitglied, welches von den Vorste457
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hern darum ersucht wurde, dafür in eine Strafe von Sechs Groschen genommen, die sofort zur Casse an den Herrn Rendaten, ohne Widerrede, zu entrichten sind. VII. Exspectanten. § 27. Die zu Exspectanten notirten Mitglieder können an den Vorstellungstagen Niemand von ihrer Familie einführen, da sie nur einen Stehplatz erhalten können. Es steht ihnen frei, als solcher das Theater alle 14 Tage zu besuchen, um so die Gesellschaft kennen zu lernen, und sich kennen zu lehren. Jeder Exspectant muß, so bald er als solcher notirt worden, das Eintrittsgeld von Drei Thaler Courant an den Rendanten der Casse gegen Quittung zahlen. Diese drei Thaler fallen der Gesellschaft anheim, wenn der Exspectant vor der erfolgten Aufnahme, aus welchem Grunde es auch sei, zurück gehen sollte. Uebrigens können dem Exspectanten von den Mitgliedern Billets auf ihre Plätze gegeben werden, wenn sie solche entbehren wollen oder können, da ein Exspectant aufgehört hat, Fremder zu sein. VIII. Vor rechte der wirklichen Mitglieder. § 28. Jedes Mitglied hat das Recht: a) sich des, der Gesellschaft gehörigen, Locals zu bedienen, und an allen, daselbst vorfallenden Vergnügungen Theil zu nehmen; sollte es sich jedoch ein separat Vergnügen wünschen, so kann solches nur mit Zustimmung der Vorsteher geschehen. b) das Recht bei der Vorsteher Wahl seine Stimme zu geben. c) das Recht, einen seiner Freunde oder Bekannten, der in die Gesellschaft aufgenommen zu werden wünscht, schriftlich vorzuschlagen, oder solches Gesuch an einen der Vorsteher zur Eröffnung in der Vorsteher-Conferenz, oder an sämtliche Vorsteher ergehen zu laßen. d) das Recht, Vorschläge zu Aenderungen, Verbesserungen etc. den Vorstehern schriftlich oder mündlich privatim, oder in der Vorsteher-Conferenz zu machen. e) Jedes Mitglied kann, wenn es Beruf in sich fühlt, an den Theatralischen Vorstellungen unmittelbar Theil zu nehmen, sich irgend eine Proberolle erbitten, welche ihm, so bald das Stück, worin er aufzutreten wünscht, der übrigen Verhältnisse unbeschadet, gegeben werden kann, übertragen werden soll; nachdem es denn von demselben abhängt, ob es sich zu den Mitgliedern des Theaters rechnen, und ferner spielen will. Die bestehenden Gesetze werden ihm alsdann zur Unterschrift und genauen Befolgung vor[ge]legt. f ) Derselbe Fall gilt von den Orchester-Bestimmungen.
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IX. Nebenvergnügungen. a) Gastmähler. § 29. Einen jedem Mitgliede ist es erlaubt, eine geschlossene Gesellschaft von Mitgliedern oder Fremden, Mittags oder Abends, in den dazu bestimmten Zimmern der Resource zu bewirthen. Wählen mehrere Mitglieder denselben Tag, so hat derjenige den Vorzug, welcher zuerst bei den Oeconomen mit Benennung des Tages die Bestellung gemacht hat. Zu Abendmahlzeiten an Vorstellungstagen, darf der Oeconom keine Bestellungen auf Fremde annehmen. – Sollte Jemand zu dieser Abendtafel einen Fremden einführen, so wird zwar nicht, der allgemeinen Ruhe und des Anstandes wegen, auf unvorzügliche Entfernung gedrungen, jedoch dem Vorschriftswidrig handelnden Mitgliede von den anwesenden Vorstehern bekannt gemacht, daß die Wiederholung eines solchen Mißbrauches als eine Beleidigung der Gesellschaft werde angesehen werden. § 30. Wenn bei feierlichen Gelegenheiten ein gesellschaftliches Gastmahl, mit Einwilligung der Vorsteher, verabredet wird, so können Fremde daran, nicht aber an den damit vielleicht verbundenen Theatralischen Vorstellungen, Theil nehmen. b) Tanz. § 31. Wird eine Tanz-Gesellschaft beliebt, so übernimmt ein Vorsteher die erforderliche Einrichtung. Bei diesen müßen sich alle, welche allein, oder mit ihren Familien, oder mit Fremden, an einer solchen Festlichkeit Theil nehmen wollen, schriftlich mit Benennung derjenigen Personen melden, welche sie mit bringen wollen. In jedem solchen Falle, muß dahin gesehen werden, daß keine größere Anzahl angenommen werde, als es der vorhandene Raum erlaubt, und vorzüglich, daß nicht Mitglieder und ihre Familien, deshalb zurück gesetzt werden, weil das eine oder andere Mitglied Fremde einzuführen gedenkt. Derjenige Vorsteher, der die Einrichtung übernommen, muß dieserhalb die nöthigen Vorkehrungen treffen, und Fremde nur unter obigen Einschränkungen zu lassen. Er wählt jedesmal die Tänze, die getanzt werden sollen; die Anzahl muß mäßig sein, damit die Nacht nicht das Vergnügen theile. Jeder Männliche Tänzer zahlt pränumerando für die Musik an den Vorsteher, welcher die Besorgung übernommen hat, die zu bestimmenden Beiträge. Sollte ein Mitglied sich die solchergestallt zu treffenden Anordnungen nicht gefallen lassen wollen, und besonders wider Willen des die Einrichtung besorgenden Vorstehers handeln; so würde solches als eine Beleidigung der ganzen Gesellschaft angesehen werden. Damen können nur dann mit Damen tanzen, wenn der Raum dadurch nicht beengt wird; übrigens versteht es sich, daß alle Damen von den Musikbeiträgen befreiet sind. 459
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X. Geselliges, sittliches Betragen. § 32. Ein gesittetes, dem Zweck der Gesellschaft gemäßes Betragen, wird von jedem Mitgliede mit Recht erwartet. Sollte Jemand sich so weit vergessen, ein anderes Mitglied, bei den gesellschaftlichen Vergnügen und Zusammenkünften durch Anzüglichkeiten zu beleidigen, oder Streitigkeiten zu erregen, so werden die anwesenden Vorsteher unvorzüglich die Wiederherstellung der Ruhe und Eintracht zu bewirken suchen, und ist jedes Mitglied in solchem Falle verpflichtet, ihren Anweisungen nachzukommen, und den ihn darum ersuchenden Vorsteher, unverzüglich in ein anderes Zimmer zu begleiten. Sollten, wider Verhoffen, harte Beleidigungen oder wohl gar Thätlichkeiten vorfallen, und eine augenblickliche Aussöhnung nicht bewirkt werden können, so muß, wenn der beleidigte Theil Genugthuung verlangt, am nächstfolgenden Tage, eine außerordentliche Zusammenkunft der Vorsteher veranstaltet werden, zu welchen auch diejenigen Mitglieder einzuladen sind, welche bei dem Streite gegenwärtig gewesen. Wenn Letztere über den eigentlichen Hergang der Sache hinlängliche Auskunft gegeben haben, so berathschlagen die Vorsteher, in einem abgesonderten Zimmer, welche Maasregeln zu treffen sein dürften, um Versöhnung zu stiften. Wenn dieserhalb eine Verschiedenheit der Meinungen obwaltet, entscheidet die Ballotage nach Mehrheit der Stimmen. Der Entschluß wird den im Streit befangenen Mitgliedern, mit dem Beifügen bekannt gemacht, daß, in so fern nicht sonst unter ihnen eine Vereinigung bewirkt werden könnte, ein jeder dem getroffenen Beschluß binnen einer bestimmten Frist nachkommen, oder gewärtigen müsse, daß dafür gehalten werde, der Widerspenstige wolle die Gesellschaft verlaßen. Diese Drohung muß auf Verlangen des beleidigten Mitgliedes, nach Verlauf der angeordneten Frist in Erfüllung gebracht, und zur Wahl eines neuen Mitgliedes geschritten werden. – Der deshalb zu veranlaßende Conferenz-Beschluß wird den betreffenden Mitgliedern bekannt gemacht, und an die Anmeldetafel die Anzeige befestigt, daß das Mitglied N. N. die Gesellschaft nicht wieder besuchen werde. § 33. Sollte Jemand in der Gesellschaft in seinen Aeußerungen die dem Souverain schuldige Achtung aus den Augen setzen, oder sich Reden erlauben, welche auf Veränderung der Landesverfassung oder Störung der allgemeinen Ruhe abzweckten, und auf die Warnung der Vorsteher oder übrigen Mitglieder, sich nicht binnen 24 Stunden zum Widerruf bequemen wollen, so wird ihm, ohne daß es deshalb einer Ballotage bedürfe, der Eintritt in die Gesellschaft nicht weiter gestattet. Außerdem wird eine jede öffentliche Aeußerung, gotteslästerlicher oder solcher Gesinnungen, welche gute Sitten verächtlich machen, oder so beschaffen sind, daß die anwesenden Frauenzimmer, sich zu entfernen gezwungen werden, als eine Beleidigung der ganzen Gesellschaft angesehen.
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§ 34. Diejenigen, welche Billard spielen wollen, und solches bei ihrer Ankunft besetzt finden, verzeichnen ihren Namen an die Tafel. Sind so viel Spiellustige vorhanden, daß ein allgemeines Spiel, als a la guerre, a la ronde, a la chasse etc., statt finden kann, so sind die Spielenden verbunden, einen solchen Vorschlag, nach geendigter Partie, statt finden zu laßen, und müßen sich begnügen, an dieser Art von Spiel mit Theil zu nehmen. Wünschen die an der Tafel verzeichneten Personen, nur Partieen zu spielen, so können diejenigen, welche im Spiel begriffen sind, nur so lange den Vorzug verlangen, bis sie drei Partieen gespielt haben. Ist außer ihnen nur ein Spiellustiger vorhanden, so tritt derselbe in die Stelle desjenigen, der die letzte Partie verloren hat. Mehrere Spiellustige folgen, in der Befugniß, drei Partieen zu spielen, in der Ordnung, wie sie ihre Namen an die Tafel verzeichnet haben. § 35. Bei der Kegelbahne können, nach Beendigung eines jeden Stammes, so wohl die inzwischen ankommenden Mitglieder, als die, von ihnen mitgebrachten Fremden, den Eintritt verlangen. § 36. Die in dem Lesezimmer befindlichen Zeitungen, Journale, Bücher und Karten, wird ein Jeder nach gemachtem Gebrauche an den dazu bestimmten Ort legen, oder dem Oekonomen einhändigen. Stücke dieser Art mit nach Hause nehmen, ist eine Beleidigung der Gesellschaft. § 37. Das Tabackrauchen in dem Theater-Saale, es mag gespielt oder getanzt werden, ist unten so wohl, als oben strenge untersagt, und wird jeder Betretungsfall mit zwölf Groschen bestraft, die sofort an den Rendanten zu zahlen sind. Ein gleiches geschiehet in Ansehung des Speisesaals, so lange die speisende Gesellschaft sich bei Tische befindet. § 38. Wohlerzogenen Kindern, doch nicht unter 6 Jahr, wird unter Begleitung ihrer Vorgesetzten der Eintritt verstattet. Sie können an den Tänzen Theil nehmen, wenn sie nicht den Hauptpaaren hinderlich sind. Sollte aber ein Kind in dem Garten oder an den Effekten, Meubles, etwas muthwillig beschädigen, sich bei den Spieltischen, dem Billard oder der Kegelbahn, auf eine, die Spieler hindernde Art eindrängen, oder wohl gar während des Schauspiels zu Beschwerden Anlaß geben, so sind die anwesenden Vorsteher berechtigt, die Eltern des Kindes 461
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zu ersuchen, die Gesellschaft so lange mit dessen Gegenwart zu verschonen, bis sie einer gesitteteren Aufführung versichert sein können. Wenn es an hinlänglichen Raume ermangelt, müßen Kinder, unter zehn Jahr, sich gefallen laßen, an einem abgesonderten Tische Platz zu nehmen. § 39. Domestiquen bei Tische zur Aufwartung zu bestellen, ist zwar erlaubt, sollte aber einer derselben einem Mitgliede, oder dem Oeconomen und dessen Gehülfen zu gegründeten Beschwerden Veranlassung geben; so können die anwesenden Vorsteher die Entfernung eines solchen Domestiquen verlangen, so wie es solchen nie erlaubt ist, sich in den Saal zu drängen. § 40. Hunde in die Gesellschaftlichen Zimmer oder in den Garten mit zu bringen, ist nicht erlaubt. Sollte ein Hund seinem Herrn nach gelaufen sein, so muß einer der Dienstleute des Oeconomen, solchen so lange in sicherer Gewahrsam bringen, bis dessen Herr den Rückweg antritt. XI. Austr itt aus der Gesellschaft. § 41. Einem jeden Mitgliede steht es frei, zu jeder Zeit, wenn es ihm gefällig ist, aus der Gesellschaft zu scheiden, und es wird als eine Höflichkeit angesehen werden, wenn von diesem Entschluße den Vorstehern schriftliche Anzeige geschiehet, damit die erledigte Stelle so bald als möglich besetzt werden kann. Wer aus der Gesellschaft scheidet, begiebt sich alles Rechtes an dem Eigenthum derselben, und muß die gesetzmäßigen Beiträge so lange regelmäßig entrichten, bis sein Contrakt beendet ist. Sollte er in der Folge wieder einzutreten wünschen, so muß er sich als Exspectant anmelden laßen. Nur in dem Fall, wenn Jemand seinen Wohnsitz verändert, oder in eine langwierige Krankheit verfällt, und darum von der Gesellschaft Abschied genommen hat, kann er, bei seiner Zurückkehr oder Genesung, den Vorzug vor allen Exspectanten verlangen, wird mit Entrichtung des Eintrittsgeldes verschont, und zahlt den Beitrag nur von der Zeit an, da er wieder in die Gesellschaft aufgenommen worden. § 42. Wenn ein Mitglied wegen Veränderung des Wohnortes von der Gesellschaft Abschied genommen hat, und sich hiernächst wieder eine kurze Zeit hierselbst aufhält, so wird ihm, ohne daß er einer besondern Einführung bedürfe, der Eintritt gestattet. Kein ausgetretenes Mitglied aber, welches aus, ihm hinlänglichen, Gründen die Gesellschaft verlassen hat, ohne daß jene Ausnahmen statt finden, kann von einem Verwand462
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ten, als zur Familie gehörend, eingeführt werden. Der Ruf und das Bestehen der Gesellschaft gestatten solches nicht. XII. Cassenbesorgung. § 43. Der Rendant erhält zu Anfang des Cassen-Jahres, einen von den übrigen Vorstehern unterschriebenen Etat der fixirten Einnahmen und Ausgaben, und, bei jeder nicht Etatsmäßigen Auszahlung, eine von den Vorstehern unterzeichnete besondere Anweisung. Er führt, unterstützt von einem der Vorsteher, oder auch von einem, durch ihn selbst gewählten, Mitgliede, über sämtliche Einnahmen und Ausgaben ein genaues Journal, welches der, die Direction führende, Vorsteher, von Zeit zu Zeit nachzusehen berechtigt ist. Im October und April jedes Jahres wird der Rendant, den, nach Abzug der Erfordernisse des ersten Cassen-Quartals, und eines verhältnißmäßigen Vorschusses, zur Bestreitung der laufenden Ausgaben, verbleibenden Bestand sicher mit dem Beifügen belegen, daß solches in der Qualität als Rendant der Resource Concordia geschehen sei. Die etwanigen Documente werden den übrigen Vorstehern vorgezeigt, und verbleiben hiernächst im Gewahrsam des Rendanten, um nach und nach, wenn der baare Cassenbestand erschöpft ist, das Erforderliche abschläglich einzuziehen. Inzwischen wird das Eigenthum der Gesellschaft, durch einen, von dem Rendanten auszustellenden und von den übrigen Vorstehern aufzubewahrenden Revers, auf den Todesfall, gesichert. Bei einer gefährlichen Krankheit des Rendanten, oder wenn Derselbe verreisen sollte, oder wenn sonst eine hinlängliche Veranlassung vorhanden, sind die übrigen Vorsteher berechtiget, die Documente oder den Cassen-Bestand in gemeinschaftlichen Gewahrsam zu nehmen. Am ersten Montage des Monats October und April wird die Rechnung des verflossenen Cassen-Jahres mit Zuziehung sämtlicher anwesenden Mitglieder, durch die neuerwählten Vorsteher abgenommen, und jedem Mitgliede die Einsicht der Rechnung und Beläge verstattet. Für die Cassen-Verwaltung des Rendanten sind die übrigen Vorsteher der Gesellschaft nicht verhaftet. § 44. In allen, die Verhältnisse der Gesellschaft gegen den Oeconomen betreffenden Punkten, dienet die demselben ertheilte, von der Gesellschaft genehmigte, Instruktion, überall zur Richtschnur, und enthalten sich die Mitglieder aller Anmuthungen, welche diesen Vorschriften zu widerlaufen. Gleichergestalt ist ein Jeder verbunden, die wegen der Speisen, Getränke, Spiel-, Partieund Bahngelder bestimmten Taxen zu beobachten. Ueberhaupt darf ein einzelnes Mitglied sich keiner Anordnung in Gesellschaftlichen Angelegenheiten anmaßen, und wenn der Oeconom oder dessen Diener zu gegründe463
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ten Beschwerden Anlaß geben, wird dieses den anwesenden Vorstehern, oder in deren Ermangelung, bei der nächsten Vorsteher-Conferenz angezeigt, welche alsdann das Erforderliche verfügen. § 45. Von diesen Gesetzen wird jedem Mitgliede ein Abdruck ertheilt, und erwartet die Gesellschaft, daß ein Jeder sich beeifern werde, alles mögliche dazu beizutragen, daß diese Resource sich durch gute Ordnung und zweckmäßige Einrichtung vorzüglich auszeichne, und ihrem Namen Concordia völlig entspreche. Hierzu verpflichtet sich jedes Mitglied durch eigenhändige Unterzeichnung dieser Gesetze. Berlin, den 1sten Januar 1811. Curator und Vor steher der Resource zur Concordia.
B. Gesetze für das Theater-Per sonale. Das Theater-Personale der Resource zur Concordia verpflichtet sich nachstehende Gesetze so lange auf das genaueste zu befolgen, bis, durch Mehrheit der Stimmen, in dem einen oder andern Punkte, eine Abänderung nöthig befunden werden sollte. Zu einer solchen Abänderung gehören indeßen nicht weniger als zwei Drittel der stimmfähigen Mitglieder des Theaters. § 1. Das Theater-Personale wählt unter jedesmaliger Leitung eines dazu bevollmächtigten Vorstehers, aus ihrer Mitte drei Direktoren, die für die Ausführung der Ordnung durchaus Sorge tragen, und eine Art von Direktion über das Ganze führen, sich darüber besprechen, und wechselseitig unterstützen. Diese Direktoren werden halbjährig ernannt, und haben während ihres Amtes unumschränkte Macht unter Leitung der Gesellschafts-Vorsteher. Einer der Direktoren muß zugleich Vorsteher der Gesellschaft sein. § 2. Ihre Pflicht ist zuvörderst die Besetzung und Vertheilung der Rollen. Dies geschiehet also: Sie besprechen sich unter einander über die Besetzung eines Stükkes, tragen das Resultat in der Conferenz der Vorsteher vor, und vertheilen demnächst nach dem Beschluße der Vorsteher-Conferenz, die Rollen in der öffentlichen Conferenz des Theater-Personals. Sie müssen besonders dahin sehen, daß jeder Spieler so viel als möglich in seinem Fache bleibe, und wechselseitig zum Spiele gelange. Zu dem Ende sollen die Rollenfächer in 464
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alle nur mögliche Klassen getheilt, das Personale aber wieder in diese Klassen und Fächer vertheilt werden. Jedoch erlaubt der Mangel an Personale, oder eine bessere Besetzung, Ausnahmen, die lediglich von der Direktion abhängen, mit jedesmaliger Genehmigung des Vorstehers. Sollten indessen Krankheiten, Abhaltungen etc. Aufschub verursachen, oder wohl gar die Aufführung eines Stückes hindern, so hat der Theater-Direktor, der in der Vorsteher-Conferenz Sitz und Stimme hat, die Befugniß, die Rolle nach seinem besten Dafürhalten einem andern Mitgliede zu ertheilen. Sollte aber durch ein Hinderniß ein Stück gar nicht gegeben werden können, so kann der Direktor, nach vorheriger Anzeige an die Vorsteher, den vielleicht schon versammelten Mitgliedern anzeigen: „daß aus besondern Ursachen die heutige Vorstellung ausfallen müsse“ etc., ohne daß es nöthig wäre, in aller Eile noch ein anderes Stück auszusuchen, um den versammelten Mitgliedern wenigstens etwas aufzutischen. Dieses schadet der Kunst, und ist dem Sinne eines Familientheaters, wo jeder Spieler dies Geschäft blos aus Liebe zur Kunst, und Freundschaft gegen die Gesellschaft übernimmt, durchaus entgegen. § 3. Was die Direktoren in Ansehung der Besetzung besprochen, darf von keinem derselben früher als bei der Vertheilung zum Gespräch oder in Umlauf gebracht werden, widrigenfalls derjenige zu der fundirten Kasse eine Strafe von 8 Gr. zahlen muß. § 4. Es stehet Jedem frei, seinen Wunsch gegen ein einzelnes Glied der Direktion zu äußern, diese oder jene Rolle spielen zu wollen, welches dann bei der Berathung und Wahl der Stücke von der ganzen Direktion in Erwähnung gezogen werden soll. § 5. Die 3 Direktoren schlagen 3 Stücke zum nächsten Vorstellungstage vor, aus denen die Mitglieder des Theaterpersonals eins wählen müssen. Soll ein neues Stück aufgeführt werden, so muß dieses in der Vorsteher-Conferenz 6 Wochen zuvor bekannt gemacht werden, damit die Vorsteher das deshalb Nöthige einleiten können. § 6. Ansprüche von ältern Zeiten auf gespielte Rollen finden durchaus nicht statt; der beste Spieler ist der Gesellschaft der Beste, der Liebste. Sollte aber Jemand wegen Krankheit, oder sonst dringender Abhaltung seine Rolle nicht spielen können, und solche ein anderer zu übernehmen sich bereit finden; so bleibt diese Rolle jedoch dem ältern Mitgliede, welches solche schon gehabt, vorbehalten, und kann diese interimistische Uebernahme keinen fortwährenden Anspruch machen. 465
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§ 7. Jeden Montag Abend ist Conferenz, alle 14 Tage aber, an dem Montage, da keine Probe ist, Haupt-Conferenz. In denselben werden für 2 Vorstellungen die Rollen vertheilt, und für die nächstfolgenden Vorstellungstage, zwei andere Stükke gewählt, deren Rollen aber erst in der nächsten Haupt-Conferenz vertheilt werden. § 8. Wer eine Rolle übernommen hat, ist verbunden sie zu spielen, nur Krankheit können ihn davon frei sprechen, und dann ist er verbunden, dieselbe 8, spätestens 5 Tage vor der Aufführung des Stükkes, an den dazu bestimmten Direktor, zurück zu schicken; es sei denn, daß die Krankheit in kürzerer Zeit vor dem Spiele erfolgte, wo aldenn eine Ausnahme zu machen ist. Wer aber sein Rolle nicht zur bestimmten Zeit zurück schickt, verfällt in eine, von den Mitgliedern des Theaters zu ernennende, Strafe; im zweiten Falle wird es angesehen, als ob ein solches Mitglied das Spiel zu hindern suche, und wird sogleich aus der Gesellschaft gestrichen. § 9. Sollte ein zugebendes Stück nicht gegeben werden können, und die Mitglieder des Theaters werden zu einer außerordentlichen Conferenz zusammen berufen, so ist ein jedes Mitglied verbunden, zu erscheinen. Sollte es aber dringender Geschäfte wegen nicht kommen können, so muß es einem andern spielenden Mitgliede den Auftrag geben, für ihn zu sprechen, widrigenfalls es die ihm zugetheilte Rolle spielen muß, und dieselbe unter keinem Vorwande zurück geben kann. Sollte es sie aber doch zurück schicken, so verfällt es in dieselbe Strafe des vorigen Paragraphs. Was von den Vorstellungen gilt, gilt auch von den Proben. § 10. Die Proben nehmen, Sommer und Winter, um 7 Uhr ihren Anfang. Wer nach Verlauf einer Viertelstunde nicht gegenwärtig ist, zahlt für jede Viertelstunde, die er alsdann später kommt, 1 Gr. § 11. Am Tage der Vorstellung muß jedes mitspielende Glied bei dem ersten Klingeln, im Sommer um 3 Viertel auf 6 Uhr, und im Winter um 1 Viertel auf 6 Uhr, komplett angezogen und gehörig kostümirt sein, bei einer Strafe von 2 Gr., und nach Verhältniß, wenn der Anfang des Stükkes dadurch aufgehalten werden sollte, bei einer verdoppelten Strafe. Nur diejenigen, die im zweiten Akte zu thun haben, können auf eine halbe Stunde, und die im dritten Akte, auf eine Stunde Nachsicht Anspruch machen. 466
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§ 12. Wer eine Rolle übernommen, oder schon gespielet hat, darf dieselbe, ohne Ausnahme der Person, weder aus Freundschaft, noch auf Bitten eines Andern, abgeben; Will Jemand solche nicht mehr spielen, so giebt er sie der Direktion zurück. § 13. Jedes Mitglied zeigt in der ersten Probe auf einem dazu bereit liegenden Buche schriftlich an, was es für Kostüm und Requisiten aus der Garderobe gebraucht, im entgegen gesetzten Falle hat sich ein solches es selbst beizumessen, wenn es deshalb in eine ansehnliche Strafe genommen wird, so bald nachtheilige Folgen seines Kostüms die Rolle verunstalten sollte. § 14. Die an seiner Stelle hängende Garderobe muß jeder nach Beendigung seiner Parthie, wieder auf denselben Ort anhängen, und die etwa gebrauchte Perüke etc. in das dazu vorhandene Spinde legen, nicht etwa auf Tisch und Stühle etc., werfen, bei Strafe von 2 Gr., welche dem jedesmaligen Innhaber zur Schadloshaltung anheim fallen. § 15. Jeder Spielende, der etwas aus der Garderobe erhält, ist verpflichtet, dasselbe in demselben brauchbaren Zustande, demjenigen namentlich, der von dem Innhaber dazu beauftragt ist, zu überliefern, und verpflichtet sich zugleich, jeden Schaden auf seine Kosten ersetzen zu laßen, widrigenfalls die Gesellschaft solches auf seine Kosten bewirken wird. § 16. So auch wird, um alle Streitigkeiten zu vermeiden, jeder ersucht, nichts unter eines andern Namen anzuhängen, bei Strafe von 2 Gr. § 17. Es muß Jeder seine Rolle, nach Beendigung derselben, dem dazu bestimmten Abnehmer, reinlich und im guten Zustande zurück liefern, bei einer Strafe von 2 bis 4 Gr. Fehlt die Parthie ganz, so muß solche von dem ersetzt werden, durch dessen Schuld sie verloren ging. § 18. Unrichtiges Abgehen, oder zu Spätkommen, wird mit 1 bis 6 Gr. bestraft. § 19. Tabackrauchen, während der Probung einer Scene, wird durchaus nicht geduldet; und an den Vorstellungstagen wird auch hinter dem Theater solches nicht gestattet, bei Strafe von 4 Gr. 467
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§ 20. Während der Probung eines Stückes darf Niemand mehr seinen Stand oder Sitz außer den Coulissen nehmen, noch weniger sich neben dem Souffleur placiren, weil dadurch das Theater verengt, und der Spieler in der Uebung seiner Rollen gestört wird; eben so wird auch auf dem Theater alle laute Unterhaltung und jedes Geräusch während der Proben und Vorstellungen, selbst in der Garderobe, bei 2 bis 4 Gr Strafe untersagt. § 21. Wer durch schlechtes Memoriren und Executiren seiner Rolle, dem Mitspieler in seinem Spiele Nachtheil bringt, so, daß des Andern Rolle dadurch verliert, oder das ganze Stück darunter leidet, und man überzeugt ist, es hätte besser sein können, zahlt 4 Gr. Strafe. Daher ist Niemand, dem es nicht möglich ist, seine Rolle bis zu der angesetzten Zeit zu studiren, verpflichtet, dieselbe anzunehmen. § 22. Wer betrunken auf das Theater kommt, zahlet 6 Gr. Strafe. § 23. Diejenigen Herren und Damen, welche keine Rollen im Stück haben, sind verbunden, wenn es die Noth erfordert, mit zu figuriren. §. 24. Es bedarf wohl keiner Erwähnung bei einem gebildeten Zirkel, daß alle unanständige Reden, Sticheleien, Schimpfwörter und dergleichen, auf das sorgfältigste vermieden werden müssen. Ebenfalls gehöret auch dahin, wenn etwa Zwist oder Uneinigkeit entstehen sollte. Dergleichen darf durchaus nicht laut werden, sondern ein Jeder ist im Gegentheil gehalten, seine Beschwerde dem Direktor vorzubringen, der die Lage der Sache untersuchen, und in der Vorsteher-Conferenz zur Berathung bringen wird. Wer dagegen handelt, wird in eine Strafe von 8 Gr. genommen. Sollten sich aber Kabalen finden, so tritt das, in dem § 9 darüber Bestimmte so fort ein. Ein solches Mitglied wird sofort aus der Liste gestrichen, und ihm auf immer der Zutritt versagt. § 25. Jeder von den Herren, ohne Ausnahme, wird noch die unten genannten Nebenämter übernehmen, und damit abwechseln; auf solche Art wird die kleine Beschwerde in 3 bis 4 Monate herumkommen. Derjenige, der an einem Vorstellungstage die Aemter übernommen, hat folgende Beschäftigung: 1) Daß die Glocke zum Anfange des Stückes zu rechter Zeit gezogen wird. 2) Keine überflüßige und neugierige Personen, überhaupt Niemand, der nicht auf dem Theater gehört, zu dulden. 468
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3) Die Rollen von dem Personale, welches spielt, nach deren Beendigung einzufordern, und die fehlenden zu notiren. 4) Die Notirung sämtlicher Theaterrequisiten, die das Personale selbst, oder die auf dem Theater sich befinden, haben müssen, und zur weiteren Beförderung dem jedesmaligen Eigenthümer derselben zu überreichen; jedoch muß dieses 3 Tage vor der Vorstellung geschehen, und am Tage der Vorstellung, 2 Stunden vor derselben, revidirt werden, ob alles da sei. § 26. Jedes spielende Mitglied ist verbunden, seine Requisiten bei der ersten Probe in das dazu bestimmte Buch zu notiren. So auch, wenn um eine Gruppe oder sonstige außerordentliche Scene die Dekoration länger, kürzer, oder etwas vor oder zurück fallen muß, oder eine besondere Einrichtung erfordert, eine Anzeige davon zu machen. § 27. Sollte es Jemanden von der Gesellschaft, der sich nicht zu dem spielenden Personale zählt, etwa belieben, eine Vorstellung zu geben, vorausgesetzt, daß die Direktion davon wissen muß, so liegt das Arrangement demselben allein ob, und das spielende Personale ist von allen hierin gemachten Verbindlichkeiten frei gesprochen. §. 28. Der Herr, der das Soufliren übernommen, verpflichtet sich ebenfalls, keine Probe zu versäumen, oder zu spät zu kommen, schickt derselbe keinen an seine Stelle, so verfällt er bei den ersten Proben in 6 Gr., bei der letzten aber in 8 Gr. Strafe. § 29. Es wird auch bei einer Strafe von 4 Gr. untersagt, nicht an den Lampen zu drehen, sondern nur die, welche Kenntnisse davon haben, an eine Verbesserung zu erinnern. § 30. Niemand darf sich unschicklicher Zusätze, Extemporationen, unanständige und nicht zweckmäßige Reden, bedienen, bei einer Strafe von 2 bis 4 und 8 Gr. § 31. Zu dem im § 16 angeführten Satze gehört besonders, daß Niemand von eines Andern Nagel oder Namen etwas nehme oder herunter werfe, bei einer Strafe von 6 Gr. § 32. Jeder, der ein Amt oder Geschäft, laut dieses Reglements, übernimmt, und sich einer Vernachläßigung zu Schulden kommen läßt, zahlt 4 bis 6 Gr. Strafe.
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§ 33. Die eingegangenen Strafgelder werden von einem der Mitglieder in einer Kasse aufbewahrt, und von einem Andern controllirt. Berlin, den 1sten Januar 1811. Die Direktoren und die Mitglieder des Theater s.
C. Gesetze für das Orchester-Per sonale. § 1. Jedes Mitglied der Resource kann, wenn es Beruf dazu in sich fühlt, und das nöthige Talent besitzt, als Orchester-Mitglied eintreten, weshalb es sich an den jedesmaligen Direktor des Orchesters, der zugleich Vorsteher ist, zu wenden, ihm seinen Wunsch zu eröffnen, und das Instrument, welches er spielen möchte, zu nennen hat. Der Direktor macht solches alsdann in der Vorsteher-Conferenz zur weiteren Verfügung bekannt. § 2. Jedes Orchester-Mitglied ist Mitglied der Resource, genießt als solches gleiche Vorrechte, und ist zur Aufrechthaltung und eigener pünktlicher Befolgung der bestehenden Gesetze der Resource verbunden. § 3. An den Vorstellungstagen muß jedes Orchester-Mitglied sich zu rechter Zeit auf seinem Platze einfinden, und zwar spätestens eine viertel Stunde vor Anfang der Anfangs-Ouvertüre, damit alle Mitglieder des Orchesters zeitig genug zusammen sind, um gemeinschaftlich einstimmen zu können. § 4. Sollte ein Orchester-Mitglied wegen höchst nöthiger Geschäfte, Reisen, Krankheit, oder sonst wichtiger Angelegenheiten an dem bestimmten Vorstellungstage nicht erscheinen können, so ist es dessen Pflicht, einen zum Orchester brauchbaren und zugleich anständigen Mann in seine Stelle, und zwar mit dem ihm obliegenden Instrumente zu stellen. Sollte dieses ihm aber nicht möglich sein, so ist er schuldig, dem jedesmaligen Direktor des Orchesters, wenigstens drei Tage vorher, davon Anzeige zu machen, damit derselbe seine Maßregeln darnach nehmen, und dessen ledige Stelle nach Möglichkeit ersetzen kann. Es kann aber kein Orchester-Mitglied in einem solchen Falle Ansprüche auf seine Billets machen, weil höchst wahrscheinlich seine Plätze durch die Familie desjenigen Gehülfen, der von dem Direktor besorgt ist, besetzt werden müßen. 470
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§ 5. Sollte ein Orchester-Mitglied zu spät kommen, und das Schauspiel schon angegangen sein, so zahlt es eine, von dem jedesmaligen Direktor zu bestimmende Strafe. Hatte derselbe es aber vorher schon ungewiß gemacht, so daß seine Stelle bereits besetzt wäre, so fällt zwar die Strafe weg; aber auf seinen Platz kann er, falls er noch erschiene, keine Ansprüche machen, nicht zu gedenken, daß die jedem Fremden schuldige Achtung und Bescheidenheit es durchaus nicht gestattet, solchen von seinem Platz zu verweisen, wodurch außerdem noch Stöhrung entstehen könnte. § 6. Zur Anschaffung der zum Orchester, nach dem Urtheile des jedesmaligen Direktors, nöthige Musikalien, tragen sämtliche Orchester-Mitglieder gleichmäßig ihren Antheil bei. § 7. Wenn Schauspiele mit Singe-Chöre gegeben werden, so verpflichtet sich ein jedes Orchester-Mitglied, in den dazu bestimmten Musik-Proben sich zur rechter Zeit [!] einzufinden. Hier gelten dieselben Gesetze, wie bei den Theaterproben. Berlin den 1sten Januar 1811. Der Direktor und die Mitglieder des Orchester s. Sämtliche Gesetze sind gelesen und genehmigt von allen Mitgliedern der Resource zur Concordia. Der Curator. Die zeitigen Vor steher. Sämtliche Mitglieder. Quelle: Gesetze für die Familien-Resource zur Concordia. Neu entworfen im Jahre 1811. Berlin [o. J.] [Druckschrift, 56 S.; GStA PK, I. HA, Rep. 77 Ministerium des Innern, Tit. 420, Nr. 16 Bd 1: Akten betreffend die Privat-Theater in Berlin, Bl. 28–55].
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II) Gesetze für die Familien-Ressource, 1815 Gesetze / für die / Familien-Ressource. / Neu aufgelegt / im Junius 1815. Einleitung. Zweck der Familien-Ressource. Die zur Gesellschaft gehörenden Familien versammeln sich, um theils in den polizeylich gestatteten theatralischen Vorstellungen, theils in Musik, Tanz, Spiel, Lektüre, und in unterhaltenden Gesprächen eine Erholung zu finden. Anstand und Würde, muß überall sichtbar, und jede Unsittlichkeit fern seyn. Achtung gegen den Souverain und Unterwerfung gegen die Obrigkeit darf nicht vergessen werden. Alle Hazard-Spiele sind strenge verboten, so wie hohe Einsätze in erlaubten Spielen wegfallen müssen, damit die Gesellschaft nicht in den übeln Ruf der Spielsucht gerathe, und es muß überhaupt die Zeit so eingetheilt werden, daß nicht die Nacht das Vergnügen theile, welches nur bis an den späten Abend gestattet ist. A. Allgemeine Gesetze. Die Gesellschaft verpflichtet sich, nachstehende Gesetze, so lange auf das genaueste zu befolgen, bis etwa, durch Mehrheit der Stimmen, in dem einen oder andern Punkte, eine Abänderung nöthig befunden worden. Eine solche Abänderung kann jedoch nur, mit Einstimmung des Drittheils der sämmtlicher Mitglieder Statt finden. Vor steher, ihre Geschäfte und Pflichten. § 1. Für die pünktliche Beachtung der Gesetze sorgen die, von der ganzen Gesellschaft gewählten sechs Vorsteher, und denen zunächst die Direktoren des Theaters und Orchesters; welchen die Vollmacht ertheilt wird, alle gesellschaftliche Angelegenheiten, selbst die wichtigsten, nach Mehrheit der Stimmen unter sich entweder zu entscheiden, oder: vor der ganzen Gesellschaft zur Sprache zu bringen. Außer dem sind auch die Vorsteher verpflichtet, den Direktoren des Theaters und Orchesters in Ausübung ihrer Gesetze, den von ihnen zu fordernden Beistand zu leisten. Wahl der Vor steher. § 2. Vierteljährlich werden drei Vorsteher gewählt, und zwar auf folgende Weise: Die Vorsteher schlagen der Gesellschaft aus ihrer Mitte sechs Candidaten zu den neu zu wählenden Vorstehern vor, über welche alsdann ballotirt wird, und diejenigen drei Glieder von den sechs Candidaten welche die mehresten Stimmen haben, werden zu Vorstehern ernannt. 472
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§ 3. Die Wahl, und die Antretung der Amtsverwaltung der neu gewählten Vorsteher findet den 1sten Januar, 1sten April, 1sten Julius und den 1sten October Statt. Auch wird an vorgenannten Tagen jedes Mal die Kassen-Rechnung abgelegt, und über die Einnahme und Ausgabe im verwichenen Quartal, Auskunft gegeben. § 4. Sollte, während des Laufs des Vierteljahrs, ein Vorsteher mit Tode abgehen, durch Krankheit oder Reise abgehalten werden sein Amt auszuüben; so wählen die Vorsteher ein Mitglied, welches die Geschäfte interimistisch versieht. Kein Vor steher aber darf willkührlich, es sey aus welchem Gr unde es wolle, sein Amt niederlegen. § 5. Durch die Uebernahme macht sich jeder Vorsteher anheischig, sein Amt ein halbes Jahr hindurch zu verwalten, und es nicht anders nieder zu legen, als durch sehr wichtige, der Gesellschaft einleuchtende, Hindernisse dazu veranlaßt. § 6. Ein gleiches Verhältniß findet mit den Direktoren des Theaters und Orchesters Statt, nur mit der Ausnahme, daß dieselben zur Billet-Abnahme nicht verpflichtet sind, sondern ganz denen, über Theater und Orchester bestehenden Gesetzen nur nachzukommen haben. § 7. Es wird Niemand gezwungen das Amt eines Vorstehers zu übernehmen. Ereignet sich der Fall daß der Gewählte den Antrag aus Gründen verbittet, so tritt derjenige in seine Stelle, der, besage der Wahl-Verhandlungen, zunächst auf denjenigen folgte, welcher als Candidat durch die Ballottage die Stimmenmehrheit hatte. § 8. Der Policei Commissarius des Reviers wird als Ehren-Mitglied betrachtet, und erhält gleich den übrigen Mitgliedern 4 Billets. Er hat das Recht, die strengste Controlle zu führen, und jede Abweichung der Gesetze dem hohen Policei-Präsidium anzuzeigen, falls er in Verbindung mit der Gesellschaft die Sache nicht abändern, oder beilegen kann. Eintheilung der Vor steher-Geschäfte. § 9. Die Vorsteher vertheilen die vorfallende Geschäfte unter sich in der Art, daß einer die Kassen-Verwaltung und Sekretariats-Geschäfte, einer die ökonomischen Einrichtungen, einer die Direktion des Theaters, einer die des Orchesters, und die übrigen die Annah473
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me der Billets beym Eingang übernehmen, ferner das Zuschließen der Thüren, sobald durch Klingeln auf dem Theater das Zeichen dazu gegeben worden. Während des Akts kann niemanden der Zutritt gestattet werden, und muß der zu spät gekommene es sich gefallen lassen, die Beendigung desselben abzuwarten. Conferenzen. § 10. Zu den Berathschlagungen über Angelegenheiten, welche vor die ganze Gesellschaft gebracht werden sollen, wird der erste Donnerstag eines jeden Monats an welchem keine Theater-Probe ist, als gesetzmäßiger General-Conferenz-Tag bestimmt. Vorfälle, welche sich nicht für das Allgemeine eignen, oder welche bis dahin nicht verschoben werden können, werden in der wöchentlichen, jedes Mal alle 14 Tage an dem Donnerstag Abend, an welchem keine Probe Statt findet, zu haltenden Vorsteher-Conferenz abgemacht, von welcher kein Vorsteher, ohne sehr dringende Entschuldigung, bei einer Strafe von zwei Groschen, ausbleiben darf. § 11. Die Berathschlagungen der Vorsteher werden in einem abgesonderten Zimmer, die General-Conferenzen aber im Saale gehalten. Die alsdann nicht Anwesenden unterwerfen sich demjenigen, was vor ihrer Ankunft oder bei gänzlicher Abwesenheit beschlossen worden. Einem Andern seine Stimme übertragen, ist nicht erlaubt, und schriftliche Stimmen werden nicht zugelassen. § 12. Die Conferenzen nehmen beide jederzeit im Winter um 7 Uhr und im Sommer um 8 Uhr ihren Anfang. § 13. In der Vorsteher-Conferenz werden die neu hinzutretenden Glieder aufgenommen, mit Contract und Statuten bekannt gemacht und dieselben zur Unterschrift vorgelegt. Ferner wird über die im vergangenen Monate vorgefallenen Gegenstände berathschlagt, die obwaltenden verschiedenen Meinungen, und die zu deren Unterstützung angeführten Gründe berücksichtigt. Hat ein jeder seine Meinung geäußert, und zeigt sich kein Widerspruch, so wird der Beschluß in das Protokoll-Buch eingetragen, und von den Anwesenden unterzeichnet. Hat man sich hingegen wegen des zu fassenden Beschlusses nicht geeiniget, so wird die Sache bis zur General-Conferenz verschoben, von der ganzen Gesellschaft darüber abgestimmt, und die streitige Frage in der Art geordnet, oder zergliedert, daß sie durch Ja oder Nein beantwortet, und durch die weißen oder schwarzen Kugeln entschieden werden kann. Zur Abstimmung erhält jeder Stimmfähige eine weiße und eine schwarze Kugel, die weiße ist für, und die schwarze wider die Sache. 474
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§ 14. Die General-Conferenz wird durch einen Anschlag bekannt gemacht, worin Tag und Stunde bemerkt wird, wann die Conferenz beginnen soll. An dieser nehmen sämmtliche Mitglieder Theil; Ihnen werden die im Laufe des Monat vorgefallene Gegenstände getreulich eröffnet, und in schwierigen Fällen wird zur Abstimmung geschritten, damit wie in § 13 verfahren, und das Resultat der Sache in das Protokoll-Buch geschrieben. § 15. Auf die Anzeige daß Jemand, aus Versehen, seine wirkliche Meinung, aus der Ursache, weil er seine Kugel falsch eingeworfen, nicht angedeutet habe, kann nur vor der Abstimmung, nicht aber nach erfolgter Oeffnung der Stimm-Kästchen geachtet werden. § 16. Wider einen, nach gesetzmäßigem Ballottiren, durch Mehrheit der Stimmen gefaßten Beschluß, wird keine Einwendung gestattet. Annahme der Glieder. § 17. Wer in die Gesellschaft aufgenommen zu werden wünscht, ersucht einen der Vorsteher oder ein Mitglied, diesen Antrag zu eröffnen. Die Namen der Vorgeschlagenen werden 14 Tage lang öffentlich ausgehängt. § 18. Derjenige an welchen sich der Proponent gewendet, muß über den Charakter und Stand des in Vorschlag gebrachten genaue Erkundigung einziehen; und wenn sich ergeben sollte, daß der in Vorschlag gebrachte, nicht zu einem der Stände gehört, welche an der Gesellschaft bisher Theil genommen haben, oder, wenn der Fall auch nicht ist, und der in Vorschlag gebrachte in einem Rufe steht, der Nachtheil für die Gesellschaft bringen könnte, und dieses mit Gründen unterstützt werden kann, so wird demselben bekannt gemacht, daß aus erheblichen Gründen das Gesuch um Aufnahme nicht Statt finden könne, und über diesen Vorfall ein unverbrüchliches Stillschweigen beobachtet werden solle. § 19. Ist aber während der Zeit, daß der Name des Vorgeschlagenen ausgehangen war, von keinem der Mitglieder ein Einwand gegen die Aufnahme erfolgt, so wird derselbe zur nächsten Conferenz eingeladen und vorgestellt, wobei ihm ein Exemplar der Gesetze überreicht, und die genaue Befolgung derselben empfohlen wird; dabei macht er sich zugleich, durch Unterzeichnung der Gesetze und des ihm vorgelegten Contrakts, verbindlich, auf eine bestimmte Zeit der Gesellschaft anzugehören. 475
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Beiträge. § 20. Das Eintritts Geld ist auf 2 Thaler, 8 Groschen Courant festgesetzt, welches so bald sich jemand zur Aufnahme meldet, gezahlt wird. Acht Groschen Courant fallen der kleinen Kasse zu. § 21. Der monatliche Beitrag ist für jetzt auf einen Thaler, wie der Contrakt besagt, bestimmt, wovon dann die kleine Kasse vier Groschen erhält, und muß den ersten Montag voraus bezahlt werden; geschiehet solches nicht, so erhält der Ausbleibende die Quittung durch den Billet-Austräger in seine Wohnung geschickt; und hat, durch geziemendes Ersuchen, der Beitrag nicht erhalten werden können, so ist das in Rückstand gebliebene Mitglied zu einer Zulage verpflichtet, welche, wenn die Zahlung einen Monat später erfolgt, auf drei Groschen, zwei Monat auf sechs Groschen, und drei Monate später auf zwölf Groschen bestimmt ist. Ist auch diese Frist verstrichen, so wird ein solches Mitglied dafür gehalten, als ob es die Gesellschaft verlassen wolle, dessen ungeachtet muß es seinen Contrakt halten, und wird wegen etwa nicht geleisteter Zahlung bei seiner Obrigkeit belangt. Zahl der Glieder. § 22. Die Zahl der Glieder wird für jetzt auf 125 Familien bestimmt, und können wenn diese Zahl nicht vollständig ist, neue Mitglieder aufgenommen werden. Expectanten. § 23. Wenn die Zahl der 125 Glieder voll ist, so können die neu gemeldeten nur als Expectanten zur Gesellschaft treten, bis eine Stelle durch Abgang erledigt wird. § 24. Die zu Expectanten aufgezeichneten Mitglieder können daher an den Vorstellungstagen niemanden von ihrer Familie einführen, indem sie nur einen Steheplatz erhalten, es bleibt ihnen aber unbenommen von andern Mitgliedern sich Billets zu erbitten. Billets. § 25. Da das Lokale der Ressource von der Beschaffenheit ist, daß an Tagen wo Vorstellungen und Conzerte gegeben werden, nur eine festgesetzte Anzahl von Personen ihren Platz haben kann, so dürfen von jeder Familie an gedachten Tagen nur Vier Personen eingeführt werden; wer mehr einführen will, hat die Abweisung der Uebrigen zu erwarten, weßhalb auch jede Familie 4 Billets empfängt. Ohne Billet kann niemandem der Zutritt 476
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gestattet werden; Kinder über 10 Jahr gelten wie Erwachsene, und Kinder unter 6 Jahr werden an solchen Tagen der Störung wegen nicht zugelassen. § 26. Jedes Mitglied kann aber einem andern Mitgliede seine Billets überlassen, wenn es selbst verhindert werden sollte, davon Gebrauch zu machen. § 27. Die Billets müssen reinlich und in gutem Stande erhalten werden, so wie auch der Verlust eines Billets mit 2 Groschen bezahlt werden muß. § 28. Da die Gesellschaft die polizeiliche Erlaubniß zu den theatralische Vorstellungen nur unter der ausdrücklichen Bedingung erhalten hat, daß selbige unentgeldlich und zu ihren Vergnügen gegeben werden, so darf unter keinerlei Vorwand ein Mitglied seine Billets für Geld an Fremde überlassen; im Fall solches geschehen sollte, wird das Mitglied, als die Gesellschaft und ihre Vergnügungen störend, aus dem Verzeichniß ihrer Glieder gestrichen, und ist dennoch verpflichtet seine Contrakts-Verbindlichkeit zu erfüllen. § 29. Militair Personen ist der Zutritt nur unter den bekannten polizeilichen Gesetzen, nämlich nach Ablegung der Waffen, gestattet. Plätze. § 30. Die Plätze im Theater werden den Mitgliedern nach der Zeit ihres Beitritts, angewiesen. Festgesetzt ist, daß die ersten 50 Mitglieder 3 Sitz- und 1 Stehplatz, und zwar 34 davon auf den Logen und 16 auf dem Parterre erhalten, die folgenden aber nur 2 Sitz- und 2 Stehplätze haben können. § 31. Das Fortrücken in den Plätzen, nach etwanigem Abgange der Mitglieder, findet durchgängig Statt, und darf sich kein Mitglied weigern seinen Platz zu verlassen; will ein Mitglied seinen ein Mal erhaltenen Platz aber dennoch behalten, so kann es geschehen, doch muß es sich auch gefallen lassen, daß ein anderes Mitglied ihm vorgezogen wird. § 32. Kein Mitglied, mit Ausnahme der Theater- und Orchester-Glieder, kann und darf sich, wenn es von den Vorstehern um Beistand an Vorstellungstagen aufgefordert wird, da477
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von ausschließen. Und da dergleichen Beistands-Leistungen, am äußersten Eingange bei der Billets-Vorzeigung erfordert wird, und solches jährlich nur ein Mal geschehen kann, so wird um so eher darauf gerechnet das [!] ein jedes Mitglied für die gute Ordnung kräftig mitwirken, und den dabey nöthigen Vorschriften getreulich nachkommen werde. § 33. Sollten aber Umstände vorhaben seyn daß es dem dazu berufenen Mitgliede unmöglich wäre, grade an diesem Tage zu erscheinen, so bleibt es demselben unbenommen, sich durch ein anderes Miglied vertreten zu lassen. Sollte aber auch dieses nicht erscheinen, so wird das von den Vorstehern zuerst aufgeforderte Mitglied in Anspruch, und in eine Strafe von 6 Groschen genommen. Vor rechte der Mitglieder. § 34. Jedes Mitglied hat das Recht a) Sich des der Gesellschaft gehörigen Lokal’s zu bedienen, und an allen, daselbst vorfallenden Vergnügungen Theil zu nehmen; sollte es sich jedoch dieses Lokals dazu bedienen wollen, um in besonderen Fällen in demselben eine Feierlichkeit zu begehen oder sonst ein Vergnügen zu veranstalten, so kann solches nur mit Zustimmung der Vorsteher geschehen; b) bei der Vorsteher Wahl seine Stimme zu geben; c) einen seiner Freunde oder Bekannten, der in der Gesellschaft aufgenommen zu werden wünscht, vorzuschlagen; d) Vorschläge zu Aenderungen Verbesserungen u.s.w. den Vorstehern schriftlich oder mündlich, besonders, oder in der Vorsteher-Conferenz zu machen; e) an den theatralischen Vorstellungen Theil zu nehmen, wenn es Beruf dazu fühlt, irgend eine Proberolle zu erbitten, welche ihm, so bald das Stück, worin er aufzutreten wünscht, den übrigen Verhältnissen unbeschadet, gegeben werden kann, zu Theil werden soll. Für die Folge aber hängt es von den Theater Direktoren ab, welche Parthien das Mitglied, nach den Theater Gesetzen, welche zuvörderst unterschrieben werden, zu Theil werden können; f ) dasselbe gilt von den Orchester-Belustigungen. Nebenvergnügungen. § 35. Jedem Mitgliede ist erlaubt, eine geschlossene Gesellschaft von Mitgliedern oder Fremden, Mittags oder Abends, in den dazu bestimmten Zimmern der Ressource zu bewirthen. Wählen mehrere Mitglieder denselben Tag, so hat derjenige den Vorzug, welcher zuerst bei dem Oeconomen, mit Benennung des Tages, die Bestellung gemacht hat.
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§ 36. So stehet auch jedem Mitgliede frey, bei feierlichen Gelegenheiten, ein gesellschaftliches Mahl, eine zu dem Tage gewünschte Vorstellung oder ein Tanz-Vergnügen auf eigene Kosten zu veranstalten. Es soll dabey dem Unternehmer frey stehn, dazu einladen zu dürfen, wen er will, es mögen Fremde oder Mitglieder seyn, die daran Theil nehmen, so wie überhaupt wenn dergleichen Festlichkeiten Statt finden, das Lokale zum beliebigen Gebrauch frei stehet. § 37. Indessen dürfen die Tage, wo die Gesellschaft, ihr gewöhnliches Vergnügen hat, nicht gestört werden, und muß ein so getroffenes Arrangement zuvörderst den Vorstehern bekannt gemacht, deren Einwilligung dazu eingezogen; und wenn diese finden, daß es den gegenwärtigen Gesetzen zuwider ist, der Gesellschaft in einer außerordentlichen Conferenz zur Entscheidung vorgelegt werden. § 38. Die damit verbundenen Kosten fallen nur demjenigen, der die Einrichtung übernommen hat, und sind keines Weges die gesellschaftliche Casse, oder Eigenthümer der dazu nöthigen Effekten in Anspruch zu nehmen. § 39. Wenn jemand einen Ball auf eigene Kosten arrangirt, so finden vorerwähnte Bestimmungen ebenfalls Anwendung. § 40. Wird ein Ball von sämmtlichen Gliedern arrangirt, so treten die von den Vorstehern durch ein Circular und durch Anschläge bekannt gemachten Bedingungen ein. § 41. Jeder Tänzer ist verpflichtet, sich mit den Tänzen nach der in der Tafel vorgeschriebenen Reihenfolge zu begnügen, es dürfen daher die Tänze nicht verwechselt, sondern höchstens nur ausgelassen werden. § 42. Damen können nur mit Damen tanzen wenn der Raum dadurch nicht beengt wird; überhaupt ist ein jeder Theilnehmer verpflichtet, sich nach den Anordnungen der Vorsteher zu richten, wenn es nicht als eine Beleidigung gegen die Gesellschaft angenommen werden soll.
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§ 43. Diejenigen welche Billard spielen wollen, und es besetzt finden, verzeichnen ihren Namen an die Tafel, als Beweis daß sie den nächsten Anspruch haben, wenn die eben Spielenden aufhören sollten. § 44. Sind so viel Spiellustige vorhanden, daß ein allgemeines Spiel, als à la guerre, à la ronde, à la chasse u. s. w. Statt finden kann, so sind die Spielenden verbunden, einen solchen Vorschlag nach geendigter Partie anzunehmen, und sich damit zu begnügen, an dieser Art von Spiel Theil zu nehmen. § 45. Bei dem Kegelspiel können, nach Beendigung eines jeden Stammes, sowohl die inzwischen ankommenden Mitglieder, als die von ihnen mitgebrachten Fremden, den Eintritt verlangen. § 46. Hazard Spiele werden nicht gestattet. § 47. Das Spiel- Partie- und Bahnen-Geld fällt dem Oekonomen zu, und wird ihm, nach dem Maßstabe anderer bürgerlichen Ressourcen, pünktlich gezahlt. Gesellschaftlich-sittliches Betragen. § 48. Ein gesittetes dem Zweck der Gesellschaft angemessnes Betragen, wird von jedem Mitgliede mit Recht erwartet. § 49. Besonders sind die Mitglieder verbunden, sowohl wechselseitig mit einander, als mit dem Eigenthümer des Lokals, fest und einträchtig zusammen zu halten; die Stimme niemals zu einer Veränderung des Lokals zu geben, noch weniger Partheien zu bilden, wodurch die Gesellschaft ihrer Auflösung entgegen geführt werden könnte. Wer sich dergleichen zu Schulden kommen läßt, gehört von dem Augenblick der Gesellschaft nicht mehr an. § 50. Sollte jemand sich so weit vergessen, ein anderes Mitglied, bei den gesellschaftlichen Vergnügungen und Zusammenkünften, durch Anzüglichkeiten, zu beleidigen, oder Streitigkeiten zu erregen, so werden die anwesenden Vorsteher unvorzüglich die Wiederherstellung der Ruhe und Eintracht zu bewirken suchen, und ist jedes Mitglied in solchem Falle verpflichtet, ihren Anweisungen nachzukommen, und den ihn darum er480
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suchenden Vorsteher, unverzüglich in ein anderes Zimmer zu begleiten. Sollten, wider Vermuthen harte Beleidigungen oder wohl gar Thätlichkeiten vorfallen, und eine augenblickliche Aussöhnung nicht bewirkt werden können, so müssen, wenn der beleidigte Theil Genugthuung verlangt, zu der nächstfolgenden Vorsteher-Conferenz, die Entzweiten und auch diejenigen Mitglieder, welche bei dem Streite gegenwärtig gewesen, eingeladen werden. § 51. Wenn Letztere über den eigentlichen Hergang der Sache hinlängliche Auskunft gegeben haben, so berathschlagen die Vorsteher, in einem abgesonderten Zimmer, welche Maßregeln zu treffen seyn dürften, um Versöhnung zu stiften. § 52. Wenn dieserhalb eine Verschiedenheit der Meinungen obwaltet, entscheidet die Mehrheit der Stimmen. Der Entschluß wird den im Streit befindlich gewesenen Mitgliedern mit dem Beifügen bekannt gemacht, daß, in so fern nicht sonst unter ihnen eine Vereinigung bewirkt werden könnte, ein jeder dem getroffenen Beschlusse, binnen einer bestimmten Frist, nachkommen müsse, oder zu gewärtigen habe, daß man dafür halten werde, der Widerspenstige wolle die Gesellschaft verlaßen. § 53. Außerdem wird eine jede öffentliche Aeußerung, oder solche Gesinnung, welche gute Sitten verächtlich machen, oder so beschaffen sind, daß die anwesenden Frauenzimmer, sich zu entfernen gezwungen werden, als eine Beleidigung der ganzen Gesellschaft angesehen. § 54. Sollte jemand in der Gesellschaft in seinen Aeußerungen die dem Souverain schuldige Achtung aus den Augen setzen, oder sich Reden erlauben, welche auf die Landesverfassung oder Störung der allgemeinen Ruhe abzwecken, und auf die Warnung der Vorsteher oder übrigen Glieder, sich nicht zum Wiederruf binnen 24 Stunden bequemen wollen, so wird ihm, ohne daß es einer Abstimmung bedarf der Eintritt in die Gesellschaft nicht weiter gestattet. § 55. In jedem Falle aber ist das Mitglied verbunden, wenn es auch nicht bei der Gesellschaft länger verbleiben darf, seine Contrakts-Verbindlichkeit in Ansehung des Beitrags, zu erfüllen. § 56. Das Tabackrauchen in dem Theater-Saale, es mag gespielt, oder getanzt werden, ist unten so wie oben, nicht zu dulden, und wird jeder Betretungsfall mit 8 Gr. bestraft. 481
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§ 57. Wohlerzogenen Kindern, doch nicht unter 6 Jahr, wird in Begleitung ihrer Vorgesetzten der Eintritt gestattet. Sie können nur an den Tänzen Theil nehmen wenn sie den Hauptpaaren nicht hinderlich sind. § 58. Sollte ein Kind in dem Garten, an den Theater Effekten oder Meubles, etwas muthwillig beschädigen, sich bei den Spieltischen, bei dem Billard oder der Kegelbahn, auf eine die Spieler hindernde Art eindrängen oder wohl gar während des Schauspiels zu Beschwerden Anlaß geben, so sind die Anwesenden Vorsteher berechtiget, die Aeltern des Kindes zu ersuchen, die Gesellschaft so lange mit dessen Gegenwart zu verschonen, bis sie einer gesitteten Aufführung versichert seyn können. So wie überhaupt ein jedes Mitglied verpflichtet ist, allen verursachten Schaden zu ersetzen. § 59. Domestiken bei Tische zur Aufwartung zu bestellen, ist zwar erlaubt, sollte aber einer derselben einem Mitgliede oder dem Oeconomen und dessen Gehülfen zu Beschwerden Veranlassung geben, so können die anwesenden Vorsteher die Entfernung eines solchen Domestiken verlangen, so wie es solchen nie erlaubt ist, sich in den Saal zu drängen. Auch darf kein Mitglied an Domestiken Billets geben, sollte solches dennoch geschehen, so ist dasselben zur Verantwortung zu ziehen. § 60. Hunde in die gesellschaftlichen Zimmer oder in den Garten mit zu bringen ist nicht erlaubt, sollte aus Versehen ein Hund seinem Herrn nachgelaufen seyn, so muß einer der Dienstleute des Oeconomen, solchen so lange in sichern Verwahrsam bringen, bis dessen Herr den Rückweg antritt. § 61. In allen, die Verhältnisse der Gesellschaft gegen den Oekonomen betreffenden Punkten dienet die demselben, von der Gesellschaft, nach erfolgter Genehmigung, ertheilte Instruktion überall zur Richtschnur, und haben sich die Mitglieder aller Anmuthungen zu enthalten, welche diesen Vorschriften zuwider laufen. § 62. Ueberhaupt darf ein einzelnes Mitglied sich keiner Anordnung in gesellschaftlichen Angelegenheiten anmaßen. Sollte der Oekonom oder dessen Leute zu gegründeten Beschwerden Anlaß geben, so wird dieses den anwesenden Vorstehern und, in deren Abwesenheit, bei der nächsten Vorsteher-Conferenz angezeigt, und alsdann das Erforderliche verfügt.
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Austr itt aus der Gesellschaft. § 63. Einem jeden Mitgliede stehet frei, zu jeder Zeit, wenn es ihm gefällig ist, aus der Gesellschaft zu scheiden, wenn wie der Contrakt besagt, die gehöhrige Aufkündigung erfolgt ist. § 64. Es begiebt sich bei der Ausscheidung alles Rechtes an dem Eigenthum der Gesellschaft, und hat nur die gesetzmäßigen Beiträge so lange zu entrichten, als sein Contrakt dauert. § 65. Sollte ein Mitglied in die Folge wieder einzutreten wünschen, so findet dasselbe Gesetz wie bei einem neu hinzu tretenden Mitgliede Statt, nur eine langwierige Krankheit oder Abwesenheit, machen eine Ausnahme dahin, daß dasselbe den Vorzug vor mehreren sich etwa gemeldeten neuen Gliedern hat.
§ 66. Ein ausgetretenes Mitglied aber, welches nicht aus hinlänglichen Gründen die Gesellschaft verlassen hat, kann von keinem Mitgliede als Fremder eingeführt werden indem das Bestehen der Gesellschaft solches nicht gestattet. §. 67. Von diesen Gesetzen wird jedem Mitgliede ein Exemplar überlassen, und es erwartet die Gesellschaft, daß ein jeder sich beeifern werde, alles mögliche beizutragen, daß diese Gesellschaft sich durch gute Ordnung, höfliches Benehmen und zweckmäßige Einrichtung als Ressource vorzüglich auszeichne. Hierzu verpflichtet sich jedes Mitglied durch eigenhändige Unterzeichnung der Gesetze. Berlin, den 1sten Januar 1811. Er neuer t den 1sten Julius 1815. Die Vor steher und Mitglieder der Familien-Ressource.
B. Gesetze für das Theater-Per sonal. Außer den allgemeinen gesellschaftlichen Gesetzen, verpflichten sich diejenigen Mitglieder, welche Theil an dem Theater-Vergnügen nehmen, noch besondere nachstehende Gesetze, auf das pünktlichste zu halten, bis durch Mehrheit der Stimmen in dem einen oder andern Punkte eine Abänderung nöthig befunden werden sollte. Zu einer solchen Abänderung gehören aber die Stimmen aller Theater-Glieder. 483
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§ 1. Das Theater-Personal wählt aus seiner Mitte drei Direktoren, welche für die Ausführung der Ordnung durchaus Sorge tragen, die Direktion über das Ganze führen, und sich wechselseitig besprechen und unterstützen. § 2. Ihre Pflicht ist zuvörderst die Besetzung der Stücke und Vertheilung der Rollen. Sie müssen besonders dahin sehen, daß jeder Spieler so viel als möglich in seinem Fache bleibe, und wechselseitig zum Spiel gelange, zu dem Ende sollen die Rollenfächer in alle nur mögliche Klassen getheilt, das Personal hingegen wieder in diese Klassen und Fächer vertheilt werden; jedoch erlaubt der Mangel an Personen, oder eine bessere Besetzung, Ausnahmen, welche lediglich von der Direktion abhängen. § 3. Die Direktoren haben sich vorher allein über die Wahl und Besetzung der Stücke zu besprechen und es darf keiner von Ihnen solches früher als in der Conferenz zum Gespräch und Umlauf bringen, widrigen Falls derjenige zu der fundirten Kasse eine Strafe von 8 Gr. zu zahlen verpflichtet ist. § 4. Alle 14 Tage aber, an dem Montage wo keine Probe, gehalten wird, ist Conferenz. In derselben schlagen die Direktoren den Anwesenden mehrere Stücke zu den nächsen Vorstellungen vor, aus denen die Mitglieder des Theaters sich die erforderlichen Stücke wählen, es haben die Direktoren jedoch darauf zu achten, daß solche gewählt weden, die der Gesellschaft Vergnügen gewähren und die Spielenden auch nicht zu sehr mit Studieren überhäufen, oder, im Gegentheil, einen Spieler zu lange ohne Beschäftigung in Ansehung des Studierens lassen. § 5. Sollten Umstände es erfordern, daß die Glieder zu einer außerordentlichen Conferenz berufen würden, so ist jedes Mitglied verpflichtet zu erscheinen, und zwar aus dem Grunde weil vielleicht eine Anfrage an den Ausbleibenden am ersten zu machen steht. Halten ihn dringende Geschäfte davon ab, so muß er einem andern spielenden Mitgliede den Auftrag geben für ihn zu sprechen, wiedrigen Falls er die ihm vielleicht zuge theilte Rolle spielen, und die Bewilligung zu den etwa vorgekommenen Fällen geben muß. Eben so hat es auch seine Bewandtniß mit der gewöhnlichen Conferenz, wer in derselben nicht zugegen ist, muß sich jeden gemachten Beschluß gefallen lassen. § 6. Wer eine Rolle übernommen hat, ist verbunden, sie zu spielen, nur Krankheit kann davon frei sprechen, jedoch ist der Kranke verpflichtet, seine Rolle sogleich unmittelbar 484
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dem dazu bestimmten Direktor zurück zu schicken. Wenn in solchem Falle ein anderer sich bereit findet, die Partie des Kranken zu übernehmen, so bleibt solche jedoch dem Gliede, welchen sie zuerst zugetheilt war, und kann diese interimistische Uebernahme keinen fortwährenden Anspruch gewähren, es sey denn, die Direktoren fänden daß die Rolle gut gespielt worden sey; nur in solchen Fällen können dieselben die Partie letzterem, wenn ersterer für die Folge keinen Anspruch darauf macht, überlassen. § 7. Sollten andere dringende Abhaltungen eintreten, wodurch ein Aufschub verursacht, oder wohl gar die Aufführung des bestimmten Stückes gehindert würde, so hat einer der Theater-Direktoren die Befugniß, die Rolle nach seinem besten Wissen einem anderen Mitgliede zu ertheilen; und wenn die Zeit zum Einstudieren zu kurz ist, oder die Rolle gar nicht besetzt werden kann, ein anderes Stück zu arrangiren, sollte aber auch dieses nicht möglich gemacht werden können, so muß der Direktor den Vorstehern anzeigen daß die Vorstellung ausfalle, und soll nicht in aller Eile, bloß um der Gesellschaft etwas aufzutischen, der Kunst geschadet werden, denn solches steht dem Sinne eines Familien-Theaters, wo jeder Spieler dieß Geschäft bloß aus Liebe zur Kunst und aus Freundschaft gegen den Verein übernimmt, durchaus entgegen. § 8. Jedes Glied ist verbunden in vorerwähnten Fällen, seine Rolle bei Zeiten zurück zu schicken. Wer solches unterläßt, verfällt in eine von den Gliedern zu erkennende Strafe. Im zweiten Falle wird es angesehen, als ob ein solches Glied das Spiel zu hindern suche, und wird deshalb aus der Gesellschaft gestrichen. § 9. Wer eine Rolle übernommen, oder schon gespielt hat, darf dieselbe in keinem Falle, weder aus Freundschaft, noch auf Bitten eines andern, ohne Wissen der Direktoren, abgeben oder vertauschen. Die Direktoren entscheiden erst, ob die Partie auch nicht schlechter durch anderweitige Besetzung gespielt wird; und tritt ein solcher Fall ein, so darf dieselbe nicht abgegeben werden. Eben so finden auch Ansprüche auf früher anderweitig gespielte Rollen nicht Statt. § 10. Es stehet jedem spielenden Gliede frei, seine Wünsche einem der Direktoren zu äußern, diese oder jene Partie spielen zu wollen, welches alsdann bei der Berathung und Wahl der Stücke von den Direktoren in Erwähnung gezogen werden soll. § 11. Wer durch schlechtes Memoriren und Exekutiren seiner Rolle, dem Mitspieler in seinem Spiele Nachtheil bringt, so daß des andern Rolle und Spiel dadurch verliert oder 485
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das ganze Stück leidet, und wenn man überzeugt ist, es hätte besser seyn können, zahlt eine Strafe von 4 Gr. Daher ist niemand, dem es nicht möglich ist, seine Rolle bis zu der angesetzten Zeit zu studieren, verpflichtet, dieselbe anzunehmen. § 12. So darf sich auch niemand unschicklicher Zusätze, unanständiger und nicht zweckmäßiger Reden bedienen, bei einer Strafe von 2, 4 bis 8 Gr. In eine gleiche Strafe verfällt derjenige, welcher betrunken auf das Theater kommt, zu spät auftritt oder unzeitig und unrichtig abgeht. § 13. Die Proben nehmen im Sommer und im Winter um halb acht Uhr Abends ihren Anfang. Wer nach Verlauf einer Viertelstunde nicht gegenwärtig ist, zahlt für jede Viertelstunde 1 Gr. und wer die ganze Probe ohne vorher gemachte schriftliche Entschuldigung ausbleibt, je nachdem die Rolle von Wichtigkeit ist, 4 bis 6 Gr Strafe; vorerwähnte Entschuldigung muß jedoch mit hinlänglichen Gründen unterstützt werden, worüber den sämmtlichen Gliedern noch eine Entscheidung vorbehalten wird. § 14. Sollten Mehrere zum Anfangen der Probe fehlen, so ist jeder einzelne straffällig, und kann sich der zu erst Nachkommende nicht damit entschuldigen, daß der Andere noch nicht da, oder die Probe noch nicht angefangen sei, indem manchmal durch das Ausbleiben von mehreren die Probe auch nicht ein Mal angefangen werden kann. § 15. Ein gleiches Verhältniß tritt am Tage der Vorstellung ein. Jedes Glied muß an demselben bei dem ersten Klingeln im Sommer um 6 ½ Uhr und im Winter um 6 Uhr vollständig angezogen und kostümirt seyn, bei einer Strafe von 2 Gr. für jede Viertelstunde, und nach Verhältniß, wenn der Anfang des Stücks dadurch aufgehalten werden sollte, eine verdoppelte Strafe. Sollte ein großes oder langes Stück gegeben werden, so erfolgt das Klingeln eine halbe Stunde oder mehr, nach Verhältniß früher, wobei wie oben, der Anzug bei Strafe vollendet seyn muß. Nur diejenigen welche im 2ten Akt zu thun haben, können eine halbe, und die im dritten Akt, auf eine Stunde Nachsicht Anspruch machen; deßhalb hat einer der Direktoren die zu spät kommenden sowohl in den Proben als in den Vorstellungen in Gegenwart des ersten besten Mitglieds zu notiren, und wird der zu spät gekommende nur erst in der nächsten Conferenz zur Verantwortung gezogen. § 16. Gleiche Verpflichtung hat sowohl bei den Proben, als bei der Vorstellung, das Mitglied, welches das Souffliren übernommen, und es verfällt, wegen etwaniger Versäumniß, in dieselbe Strafe, wie das spielende Glied, nach § 13, 14 und 15. 486
Ressource und Privattheater zur Concordia
§ 17. Das Mitglied welches das Arrangement des Theaters übernommen, und der Direktor des Orchesters, sind wegen etwanigen Aufenthalts des Anfangens, derselben Strafe, wie die spielenden Glieder, (§ 14) unterworfen. § 18. Jedes Mitglied zeigt in der ersten Probe auf einem dazu bereit liegenden Buche schriftlich an, was es für Kostüm oder Requisiten aus der vorhandenen Garderobe gebraucht. So auch wenn einer Gruppe oder sonstiger außerordentlichen Scene halber, die Dekoration länger, kürzer, etwas vor oder zurück fallen muß, oder das Theater eine besondere Einrichtung erfordert. Im Unterlassungsfall hat sich ein solches Mitglied es selbst beizumessen, wenn es deßhalb in eine ansehnliche Strafe genommen wird, sobald nach theilige Folgen seines Kostüms oder Spiels, in der Vorstellung, die Rolle verunstalten sollte. § 19. Bei Vermeidung nachstehender Strafe, darf niemand auf eines andern Stelle etwas anhängen, abnehmen oder herunter werfen. Die auf seiner Stelle hangende Garderobe muß jeder nach Beendigung seiner Partie wieder auf denselben Ort anhängen, und die etwan gebrauchte Perücke u.s.w. in den dazu vorhandenen Schrank legen, und nicht auf Tischen oder Stühlen herumwerfen, bei einer Strafe von 2 Gr. welche dem jedesmaligen Innhaber zur Schadloshaltung anheim fallen, so wie überhaupt jeder Spielende verpflichtet ist, das aus der Garderobe erhaltene, in demselben brauchbaren Stande, wieder zu überliefern, wie derselbe solches empfangen oder den verursachten Schaden auf seine Kosten ersetzen zu lassen, widrigenfalls die Gesellschaft solches bewirken wird. § 20. Es muß jeder seine Rolle nach Beendigung derselben, in den dazu bestimmten Kasten reinlich und in gutem Zustande zurück liefern, bei einer Strafe von 2 Gr. Fehlt die Par thie ganz, so muß solche von demjenigen welcher sie empfangen, ersetzt werden. § 21. Jeder Spieler ist verpflichtet, während der Probe sich in seinen Scenen des Tabakrauchens zu enthalten; an Vorstellungstagen kann dasselbe weder auf dem Theater noch hinter den Coulissen gestattet werden, bei einer Strafe von 2 Gr. § 22. Während der Probe eines Stücks darf niemand seinen Stand oder Sitz außer den Coulissen, noch weniger neben dem Soufleur Platz nehmen, weil dadurch das Theater verengt, und der Spieler in seiner Uebung gestört wird; eben so werden auch auf dem Theater, alle laute Unterhaltungen und Gespräche während der Proben und Vorstellungen, selbst 487
Kunstausübende Vereine
in der Garderobe, bei 2 bis 4 Gr. untersagt. So darf auch, bei derselben Strafe, niemand, der nicht dazu autorisirt ist, an den Lampen schrauben oder drehen. § 23. Diejenigen Herren und Damen, welche keine Rollen im Stück haben, sind verpflichtet, wenn es die Noth erfordert, mit zu figuriren, bei einer Strafe von 2 bis 4 Gr. §. 24. Diejenigen Herren, welche zum spielenden Personal gehören, übernehmen, ohne Ausnahme, abwechselnd, unten genannte Neben-Aemter anVorstellungstagen: 1) daß die Glocke zum Anfangen des Stückes zu rechter Zeit gezogen wird; 2) keine überflüssige und neugierige Personen, überhaupt niemand, der nicht zum Theater gehört, zu dulden; 3) den Theatermeister und Requisiteur zu recherchiren ob Dekorationen, Möbel und Requisiten, zum Anfangen des Aktes bereit seyn, überhaupt darauf zu achten, was nur die Ordnung, Bequemlichkeit, und das baldige Anfangen der Akte herbei führen kann; 4) eben so ist auch eine Erinnerung an die spielenden Glieder, sich anzuziehen, bisweilen nöthig, damit der Anfang nicht aufgehalten werde; und sollte der Fall eintreten, denjenigen zu notiren, durch dessen Schuld der Anfang gehemmt wird. § 25. Jeder der ein Amt oder Geschäft, laut dieser Vereinigung übernommen, und sich eine Vernachlässigung zu Schulden kommen läßt, zahlt eine Strafe von 4 bis 6 Gr. § 26. Sollte einem Mitgliede, es möge zum spielenden Personal gehören oder nicht, etwa belieben, eine Extravorstellung zu arrangiren, vorausgesetzt, das die Direktion und Vorsteher davon wissen müssen, so liegt das Arrangement demselben allein ob, und kann er daher das Stück nach Belieben besetzen. Dagegen ist bei dergleichen Vorstellungen das spielende Personal zu vorstehenden Gesetzen nicht verpflichtet, sondern nur Freundschafts-Bezeugung kann an die Stelle der Gesetze treten. §. 27. Kein Mitglied, der Gesellschaft es sey vom spielenden Personal oder nicht, darf auf einem anderen, als dem der Gesellschaft gehörenden Theater spielen, wenn nicht angenommen werden soll, als wolle es damit zugleich aller Rechte welche ihm die Mitgliedschaft gewährt, entsagen. In Familien-Cirkeln spielen, macht eine Ausnahme hiervon, und kann dagegen, wenn es dem Spiele der Familien-Resoursse [!] nicht hinderlich ist, nichts gesagt werden.
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Ressource und Privattheater zur Concordia
§ 28. Es bedarf wohl keiner Erwähnung bei einem gebildeten Zirkel, daß alle unanständige Reden, Sticheleien, Schimpfwörter, Kabalen und dergleichen auf das sorgfältigste zu vermeiden sind. Sollte dadurch Zwist und Uneinigkeit entstehen, so ist jeder verpflichtet, seine Beschwerden der Direktion vorzubringen, welche die Lage der Sache untersuchen, und wenn sie nicht auszugleichen ist, den Vorstehern, zur Anwendung des § 1 der allgemeinen Gesetze, vortragen wird. § 29. Die Strafgelder werden von einem der Mitglieder in einer Kasse aufbewahrt, worüber ein anderes Controlle und Rechnung führt, und sie zu eß- oder trinkbarer Requisiten verwendet, sollte sich jemand der baaren Zahlung zu entziehen suchen, so werden für jeden Gr. 4 Billets zu den Vorstellungstagen in Abzug gebracht. § 30. Auf Minderung oder Verdopplung der Strafe können die Mitglieder nur in der Conferenz antragen. Berlin, den 1sten Januar 1811. Er neuer t den 1sten Junius 1815. Von den Direktoren und Mitglieder n des Theater s unterzeichnet.
C. Gesetze für das Orchester-Per sonale. § 1. Jedes Mitglied der Ressource kann, wenn es Beruf dazu in sich fühlt, und das nöthige Talent besitzt, als Orchester-Mitglied eintreten, weßhalb es sich an den jedesmaligen Direktor des Orchesters, der zugleich Vorsteher ist, zu wenden, ihm seinen Wunsch zu eröffnen, und das Instrument, welches er spielen möchte, zu nennen hat. Der Direktor macht solches alsdann in der Vorsteher-Conferenz zur weitern Verfügung bekannt. § 2. Jedes Orchester-Mitglied ist Mitglied der Ressource, genießt als solches gleiche Vorrechte, und ist zur Aufrechthaltung und zu eigener pünktlichen Befolgung der bestehenden Gesetze der Ressource verbunden. § 3. An den Vorstellungstagen muß jedes Orchester-Mitglied sich zur rechter [!] Zeit auf seinem Platze einfinden, und zwar spätestens eine Viertelstunde vor der Anfangs Ouvertüre, damit alle Mitglieder des Orchesters zeitig genug zusammen sind, um gemeinschaftlich einstimmen zu können. 489
Kunstausübende Vereine
§ 4. Sollte ein Orchester-Mitglied, höchst nöthiger Geschäfte, Reisen, Krankheit, oder sonst wichtiger Angelegenheiten wegen, an dem bestimmten Vorstellungstage nicht erscheinen können, so ist es dessen Pflicht, einen zum Orchester brauchbaren und zugleich anständigen Mann in seine Stelle, und zwar mit dem ihm obliegenden Instrumente zu stellen. Sollte dieses ihm aber nicht möglich seyn, so ist er schuldig, dem jedesmaligen Direktor des Orchesters wenigstens 3 Tage vorher, davon Anzeige zu machen, damit derselbe seine Maßregeln darnach nehmen, und dessen ledige Stelle nach Möglichkeit ersetzen könne. Es kann aber kein Orchester-Mitglied in einem solchen Falle Ansprüche auf seine Billets machen, weil höchst wahrscheinlich seine Plätze durch die Familie desjenigen Gehülfen, der von dem Direktor besorgt ist, besetzt werden müssen. § 5. Sollte ein Orchester-Mitglied zu spät kommen, und das Schauspiel schon angegangen seyn, so zahlt es eine von dem jedesmaligen Direktor zu bestimmende Strafe. Hätte derselbe es aber vorher schon ungewiß gemacht, so daß seine Stelle bereits besetzt wäre, so fällt zwar die Strafe weg; aber auf seinen Platz kann er, falls er noch erschiene, keine Ansprüche machen, nicht zu gedenken, daß die jedem Fremden schuldige Achtung und Bescheidenheit es durchaus nicht gestattet, solchen von seinem Platz zu verweisen, wodurch außerdem noch Störung entstehen könnte. § 6. Zur Anschaffung der zum Orchester, nach dem Urtheile des jedesmaligen Direktors, nöthige Musikalien, tragen sämmtliche Orchester-Mitglieder gleichmäßig ihren Antheil bei. § 7. Wenn Schauspiele mit Singe-Chören gegeben werden so verpflichtet sich ein jedes Orchester-Mitglied, in den dazu bestimmten Musik-Proben sich zur rechter Zeit [!] einzufinden. Hier gelten dieselben Gesetze, wie bei den Theater-Proben. Berlin, den 1sten Januar 1811. Er neuer t den 1sten Julius 1815. Der Direktor und die Mitglieder des Orchester s. Quelle: Gesetze für die Familien-Resource. Neu aufgelegt im Junius 1815. Berlin. Gedruckt, bei A. Obst, Adlerstrasse No. 14. [Druckschrift, 32 S.; GStA PK, I. HA, Rep. 77 Ministerium des Innern, Tit. 420, Nr. 16 Bd. 1: Akten betreffend die Privat-Theater in Berlin, Bl. 56–71].
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Der sittlich wissenschaftliche Verein (Tugendbund) I) Vorform der Satzungen, ca. Juli 1808 Ueber den Tugendbund. Vorwor t. Seit dem Jahr 1810 ist immer vom Tugendbund die Rede gewesen. Ja er war in Aller Munde. Napoleon fürchtete ihn, Davoust sagte einem preußischen Offizier 1812 in Hamburg: Er hasse nicht Preußen, sondern den Tugendbund. Jetzt ist er ein ewiger Vorwurf, den die Allemannia bearbeitet. Was war, was ist an diesem Tugendbunde? Diese Frage ist schon oft öffentlich und in Privatzirkeln gehört worden. Vorläufig folgt hier die Konstitution dieses Bundes von 1808, die uns anonym zugesandt wurde. Diese Konstitution wurde 1809 verbessert, in demselben Jahre aber vom König von Preußen vernichtet. Dies ist das Offizielle der Sache; welches unbedenklich öffentlich bekannt gemacht werden kann, da in der Konstitution §. 27 gesagt wird: „der TugendVerein ist eine öffentliche Gesellschaft, welche sich des Beifalls jeder Regierung zu erfreuen sucht.“ Die Grundgesetze der Verfassung, wovon §. 1 die Rede ist, werden am Ende der Urkunde nachfolgen, nach der Reform, welche jene 1809 erlitt. Verf assung der moralischen und scientif ischen Gesellschaft zur Uebung öffentlicher Tugenden, genannt: der Tugendverein. Einleitung. §. 1. Der Zweck des Vereins ist bereits in den Grundgesetzen ausgesprochen, und kann nicht verändert, sondern nur genauer entwickelt werden. §. 2. Solche Deutungen und Entwickelungen haben nur dann verbindliche Kraft, wenn sie Ausflüsse der gesetzgebenden Macht des Vereins sind. §. 3. Eine Verbesserung des sittlichen Zustandes, und die Wohlfahrt des Preußischen und hiernächst des Deutschen Volkes, durch Einheit und Gemeinschaft des Strebens tadelloser Männer hervorzubringen, ist der Zweck des Vereins. §. 4. Der Kreis seiner Thätigkeit ist jedoch an keine örtliche Grenze gebunden. §. 5. Die Mittel der Gesellschaft sind: Wort, Schrift und Beispiel. 491
Patriotisch-nationale Vereinigungen
§. 6. Durch sie soll den Gesetzen des Staats weder etwas zugesetzt, noch davon abgenommen werden. §. 7. Der Verein würkt jedem Gemeinschädlichen, dessen Entstehung, Ausbruch oder nachtheilige Folgen zu seiner Notiz kommen, vorzüglich dem Privat-Eigennutze und solchen Lastern entgegen, welche gegen das öffentliche und allgemeine Interesse laufen. §. 8. Er bemüht sich, Sinn und Begriffe von Pflichten für das Allgemeine mehr zu erwecken, mehr zu schärfen, und in dem Volke einen moralischen Richterstuhl gegen die öffentlichen Verbrechen zu errichten. §. 9. Der Verein wirkt mit den tugendhaften Staatsbürgern, in Veredelung und Beglückung des Volks Hand in Hand; die Schritte des schlechten Bürgers werden von ihm mit angestrengter Aufmerksamkeit verfolgt, um sie auf gesetzlichem Wege unwürksam zu machen. §. 10. Der Verein repräsentirt den tugendhaften Theil des Volks, um in Verbindung mit der Regierung, zur schnellern und würksamen Verbreitung aller ihrer Maaßregeln, dem gesunkenen Vaterlande aufzuhelfen. §. 11. Er bildet eine Schutzmauer in der Mitte des Volks, um den Thron des jetzigen Beherrschers von Preußen, und des Hauses Hohenzollern, gegen die Attentate des unsittlichen Zeitgeistes. §. 12. Er bildet keine eigene Macht im Staate (statum in statu), sondern er macht die vernünftige Unterwerfung unter die Befehle und Anordnungen der Regierung allgemeiner. §. 13. Sein Zweck ist daher: vaterländisch, insofern er dem preußischen Volke durch Veredelung seiner selbst aufhilft, aber auch weltbürgerlich, weil er zur Thätigkeit in Wahrheit und Tugend führt. §. 14. Er ist philantropisch, weil er auf Bildung des gegenwärtigen und künftigen Geschlechts ausgeht, insofern aber die Erziehung der vaterländischen Jugend sein vorzügliches Augenmerk ist, ist er pädagogisch; politisch allein aus der Beziehung, daß er der gesunkenen National-Oekonomie, durch werkthätige Unterstützungen aufhilft, den Gemeingeist, Liebe fürs Vaterland, Verfassung und Regenten weckt, den Maaßregeln der Regierung zum allgemeinen Besten nicht nur vorarbeitet, sondern auch die Gemein-Meinung dafür gewinnt und leitet. §. 15. Wenn gleich der praktisch-tugendhafte Mensch Gegenstand der Wirksamkeit des Vereins ist, so ist es doch zunächst der gute Bürger und zuvörderst der gute preußische Staatsbürger. §. 16. Der Verein wirkt darauf hin, daß im Vaterlande die Hindernisse einer zwekmäßigen Bevölkerung gehoben werden. §. 17. Desgleichen prüft er die Natur der allgemeinen Ernährungs-Mittel, die Gründe ihrer Wohlfeilheit und Theurung, ihre Surrogate auf Vaterländischem Boden, um so wohl durch Vorschläge, als auch durch thätige Hülfsleistungen der Entartung des physischen Menschen vorzubeugen. §. 18. Er unterrichtet sich von der Beschaffenheit der Findel-, der Waisenhäuser und Gefängnisse, und anderer öffentlichen, so wie der Privat-Erziehungs-Anstalten, um den 492
Der sittlich wissenschaftliche Verein (Tugendbund)
sichtbaren Uebeln auch ohne Concurrenz der Regierung Abhülfe zu verschaffen, und den wohlthätigen Zweck dieser Anstalten zu befördern. §. 19. Er schützt und befördert das System der Armen-Versorgung, durch Bildung und Nachweisungen von Anstalten und Verrichtungen. §. 20. Er beschäftigt sich ganz vorzüglich mit Verbesserungen der Erziehungs-Methoden, nach folgenden vier Gesichtspunkten: a) Die Einsichten der Jugend sollen mehr als bis jetzt geschehen, auf das Allgemeine und Beurtheilung ihrer Pflichten für das Vaterland, und die Vorzüge seiner Verfassung gerichtet werden. b) Das Gemüth der Jugend soll von dem ersten Unterricht an, durch Erweckung und Schärfung des religiösen und des Kunst-Sinns die Richtung auf kräftige Humanität erhalten. c) Die Gymnastik soll in den regelmäßigen Unterricht öffentlicher Schulen aufgenommen werden. d) Es soll ein zweckmäßiger und vollständiger Unterricht der ganzen Kriegeskunst und Wissenschaft als wesentlicher Theil erst der Gymnastik, dann der theoretischen und practischen Mathematik in den Lectionsplan aller öffentlichen Schulen aufgenommen; in den untern Classen mit dem Exercitio angefangen, solches auch bis zur höchsten Vollkommenheit fortgesetzt, mit dem Unterrichte von Strategie und Fortification aber der Cursus auf hohen Schulen dergestalt geschlossen werden, daß Niemand sich diesem Unterrichte entziehen kann, wenn er gleich sich für andere Wissenschaften, als Theologie- u. s. w. vorzüglich auszubilden gesucht hat. §. 21. Der Tugend-Verein bildet eine Gemeinmeinung in den niedern Volksclassen für Regenten und Regierung, und sucht dieselbe auf practische Uebung der Tugend und die Zwecke der Gesellschaft zu leiten. §. 22. Der Verein wiederstrebt der Ausbreitung jenes gemeinschädlichen Einflusses, welchen erkaufte Schriftsteller zur allgemeinen Erschlaffung, Vernichtung der bestehenden Ordnungen bürgerlicher Gesellschaften zur Herbeyführung allgemeiner Muthlosigkeit, eines alles verachtenden Eigennutzes, und die Herrschaft des Knechts-Sinnes bey den Völkern, anwenden. Er beschützt das Vaterland gegen den Spott und Hohn solcher Schriftsteller, und vertritt die Denk- und Gewissens-Freyheit, gegen die Frechheit und Ausfälle sclavischer Zeitgenossen. §. 23. Bey der Aufhülfe der Religion und des geistlichen Standes, hält er die schickliche Mitte zwischen Freygeisterei, dummer Frömmeley, Heucheley und Affektation. §. 24. In der vaterländischen Litteratur unterstützt er das Classische, erweckt Gleichgültigkeit gegen das herrschende Mittelmäßige, und Verachtung des Schlechten. §. 25. Durch den Verein sollen die öffentlichen Spiele veredelt, vermehrt und als Mittel zur physischen und moralischen Aufhülfe der Nation mehr geeignet werden. §. 26. Die Acker-Cultur, Beförderung des Anbaues wüster Stellen, und Unterstützung thätiger Landwirthe, Errichtung öffentlicher Etablissements, ohne Opfer der Regierung, wenn auch mit Zutritt derselben machen eine wichtige Sorge des Vereins aus. 493
Patriotisch-nationale Vereinigungen
§. 27. Der Tugendverein ist eine öffentliche Gesellschaft, welche sich des Beifalls jeder Regierung zu erfreuen sucht. §. 28. Er ist den geheimen, vom Staats-Oberhaupte nicht sanctionirten Verbindungen sowohl mehrerer Staatsbürger untereinander, als auch einzelner Unterthanen mit fremden Mächten, abgeneigt. Gesetz I. Von den Eigenschaften, Rechten und Pflichten der Mitglieder des Tugendvereins. §. 1. Nur Männer können zur Mitgliedschaft des Tugendvereins gelangen. §. 2. Das Alter derselben kann nicht unter 18. Jahr seyn. §. 3. Nur wer den unbescholtenen Ruf eines thätigen und rechtlichen Mannes, und treuen Staatsbürgers für sich hat, kann zur Wahl vorgeschlagen werden. §. 4. Wer wegen Verbrechen gegen den Staat oder das Staats-Oberhaupt, oder als Beamter wegen Dienstvergehungen, zur Criminal-Untersuchung gezogen, und nicht vollständig freygesprochen worden, kann nicht recipiret werden. §. 5. Desgleichen Niemand der als Soldat vor ein Ehrenreinigungs-Tribunal gestellt, und nicht ehrenvoll freigesprochen worden. §. 6. Die Adepten sind schuldig ihre gänzliche, oder ehrenvolle Lossprechung nachzuweisen. Soldaten werden bis zu dieser [!] Nachweise notirt, und können vor erfolgter ehrenvoller Freisprechung zu keinem Censor-Amte gewählt werden. §. 7. Sollte das Erkenntniß gedachten Tribunals gegen sie ausfallen, so sind sie hierdurch schon an sich selbst vom Verein ausgeschlossen. §. 8. Jedes Mitglied vom Militair-Stande ist bei Strafe der Exclusion verbunden, die Resultate des gedachten Tribunals hinsichts der Mitglieder vom Militair, sobald sie zu seiner Notiz kommen, dem vorsitzenden Geschäftsführer, oder dem Censor seiner Arbeitskammer bekannt zu machen. §. 9. Kein Officiant aus den abgetretenen Süd- und Neuostpreußischen Provinzen, der sich einer Theilnahme bei dem dortigen Aufruhr, der Beyhülfe der insurgirenden Macht verdächtig, oder auch nur Pflichtwidrigkeiten dabei schuldig gemacht, ist zur Aufnahme geeigenschaftet. §. 10. Officianten aus jenen Provinzen, müssen sich hinsichts dieses Theiles ihres Lebens, schriftlich gegen denjenigen erklären, bei dem sie sich zur Reception melden; diese Erklärung wird hiernächst vor der Wahl vorgelesen, etwanige Anstände zur Discussion gebracht, und müssen von dem, an den sich der Adept gewandt, durch Rücksprache mit ihm gehoben werden. Die Erklärung wird zu besonderen Akten genommen, welche jedem beigetretenen ehemaligen Officianten aus dieser Provinz zu etwanigen Bemerkungen und Anführungen über die geschehenen Erklärungen vorgelegt werden. §. 11. Wer einmal als Mitglied aufgenommen worden, kann durch bloßen Verdacht nicht verunglimpft, sondern seine Strafwürdigkeit muß durch Beweise dargethan werden. 494
Der sittlich wissenschaftliche Verein (Tugendbund)
§. 12. Niemand kann aufgenommen werden, der sich geweigert hat, auf Befehl des Staats-Oberhauptes die Waffen zu ergreifen und zu führen. §. 13. Jeder Adept muß vor seiner Aufnahme zuvörderst nachweisen, daß er mindestens auf zehn Personen, einen nicht geringen zum Zwecke des Vereins zureichenden Einfluß habe, und solchen noch vermehren könne. §. 14. Zureichend für den Zweck des Vereins wird jeder Einfluß geachtet, der sich auf Wohlwollen oder Achtung stützt, und den Wohlwollenden geneigt macht, besondere Aufmerksamkeit auf die Wünsche des Begünstigten zu wenden. §. 15. Männer von allgemein anerkannten Vorzügen, und unzweideutigem Einflusse, können jedoch von dem Nachweise §. 12. befreiet werden. §. 16. Mitglieder von Nebenkammern §. 33. Gesetz 2 können durch den Rath ihrer Hauptkammern, Mitglieder von diesen, gleichfalls durch ihren Rath, bis auf den Nachweis von Fünf Männern, die auf sie Einfluß haben, entbunden werden. §. 17. Die Zehn Männer §. 13. ist er zu benennen verpflichtet, und werden solche in dem, vom Censor zu führenden Buche neben seinem Namen eingetragen. §. 18. Jeder Adept vom geistlichen Stande, ist demjenigen, durch den seine Aufnahme bewürkt werden soll, nachzuweisen verbunden, daß er innerhalb seiner Gemeinde, wenn solche eine städtische wenigstens auf dreyßig, wenn sie aber eine Landgemeinde, wenigstens auf 16 bis 20, einen unzweideutigen Einfluß durch seine Amts-Würdigkeit habe, und solche in Zukunft um das Doppelte vermehren könne. §. 19. Geistliche von bekannt großem und ausgebreiteten Rufe, können von dem Rathe der Kammer, bei der sie sich melden, von diesem Nachweise dispensiret werden. §. 20. Keiner von geistlichem Stande, kann zur Würde des General-Censors oder obersten Gewalthabers gelangen, bevor er nicht innerhalb seiner städtischen oder ländlichen Gemeine einen Freyverein angelegt hat. §. 56. Gesetz 3. §. 21. Jeder Besitzer ländlicher Grundstücke muß sich, sofern er Unterthanen hat, vor seiner Reception verpflichten, solche im Viertel-Jahr nach seiner Aufnahme, oder wenigstens zu Ende desselben Wirthschaftsjahres, noch vor 1810, der Unterthänigkeit zu entlassen. §. 22. Zugleich muß er sich verpflichten, seinen bisherigen Unterthanen durch Auseinandersetzung hinsichts der Natural-Dienste, und ihres bedingten Eigenthums an der Nahrung, ein freies möglichst eine fleißige Familie vollständig ernährendes Eigenthum zu constituiren. §. 23. In den Verein der Tugendhaften hört jeder Unterschied des Standes und Amtes auf. §. 24. Jedes Mitglied im ganzen Verein, ohne Rücksicht auf die Eintheilung in verschiedene Kammern, ist berechtigt und verpflichtet, an der Gesetzgebung und Verwaltung des Vereins Theil zu nehmen, und sich ihr zu unterziehen. §. 25. Adeliche Mitglieder müssen sich verpflichten, im öffentlichen und Privatleben besonders Bürgerliche, Bürgerliche sich verpflichten, vorzüglich Adeliche zu unterstützen und zu vertreten. Mitglieder vom Civil vertreten bei öffentlichen Gesprächen das 495
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Militair, diese den Civilstand. Alles jedoch ohne Nachtheil der Wahrheit und ohne Beschönigung des Lasters oder Verbrechens. §. 26. Jedes Mitglied ist den Gesetzen des Vereins Folge zu leisten schuldig; jedoch gehen die Pflichten, welche der Staat von demselben fordert, überall den Pflichten gegen die Gesellschaft vor. §. 27. Jeder, der dem Verein beitritt, unterschreibt somit seine Unterwerfung unter die Pflicht, sich dem Kriegsdienst auf Befehl des Staats-Oberhauptes zu unterziehen. §. 28. Wer sich dessen in der Folge weigern sollte, ist für immer ausgeschlossen. §. 29. Jeder hat die Verbindlichkeit, durch sein eigenes Leben, die Absichten des Vereins, wie die einzelnen Arbeits-Sectionen sofort in Ausübung zu bringen. §. 30. Die Censoren der respectiven Kammern wachen über die unerläßliche Erfüllung dieser Bedingung. §. 31. Jedes Mitglied des Vereins ist ohne Unterschied verpflichtet, auf die Warnungen und ErMahnungen der Censoren, bei Vermeidung der deshalb festgesetzten Strafen, zu achten und ihnen Folge zu leisten. §. 32. Jedes Mitglied ist verpflichtet, bei seinem Eintritte sich in eine der ArbeitsAbtheilungen nach Maaßgabe seiner Fähigkeiten einzuschreiben. Die besondern Verbindlichkeiten, welche es sich dadurch hinsichts der Geschäfte unterzieht, sind gehörigen Orts vorgetragen. Gesetz 3 u. s. w. §. 33. Jeder ist schuldig, Aufträge nicht nur von dem Präsidenten der Section, sondern auch von den verschiedenen Autoritäten des Vereins anzunehmen und pünktlich auszuführen. §. 34. Niemand darf ohne besondern Auftrag, Layen mit den Geschäften und Arbeiten des Vereins bekannt machen. §. 35. Niemand ohne besondern Auftrag etwas durch den Druck für oder wider den Verein, auch nicht zu seiner Vertheidigung, publiciren. §. 36. Jeder ist verpflichtet, vor seiner Aufnahme nachstehenden Revers zu unterzeichnen: Ich der Unterschriebene habe mich durch Handschlag dem Verein zu Uebung öffentlicher Tugenden verpflichtet, für den Fall daß mir die Gesetze und Zwecke desselben nach deren Bekanntmachung nicht gefallen, und ich ihm nicht beitrete, mich aller öffentlichen Aeußerungen, besonders des Tadels darüber, zu enthalten. §. 37. Hiernächst und wenn er nach der Lectüre der gesammelten Gesetze sich zum Beitritte erkläret, hat er sich mittelst Handschlag zur Unterwerfung unter die Gesetze und Zwecke des Vereins zu verpflichten, und nachstehenden Revers zu unterzeichnen: Ich der Unterschriebene habe mich durch Handschlag verpflichtet: mich eines würdigen, im guten Werk thätigen und anständigen Lebens ganz vorzüglich zu befleißigen, meine Pflichten als Staatsbürger mit größter Aufmerksamkeit zu erfüllen, dem jetzigen Könige und seinem Hause mit ganz besonderer Treue anzuhängen, mich der Controlle der Censoren des Vereins, hinsichts meines Privat- und öffentlichen Lebens zu unterwerfen, mich allen mir nach dem Geiste und den Gesetzen des Vereins von seinen constituirten Autoritäten, gemachten Aufträgen, Anordnungen und Befehlen zu unterziehen, gesetzmäßig über mich verhängten Strafen, mich zu unterwerfen und selbst nach 496
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freiwilligem oder durch den Verein veranlaßten Austritte, mich jedes öffentlichen Tadels desselben oder gehässigem Gegenwürkens zu enthalten. Ich habe mich für den Fall der Nichterfüllung dieser Verpflichtung der Geringschätzung und Verachtung aller bessergesinnten Menschen freiwillig unterworfen, und mich ihres Umganges überall unwürdig erkläret. §. 38. Von der Verbindlichkeit des Handschlages, von der Unterschrift, kann Niemand als die allerhöchste Person des Königs selbst befreiet werden. §. 39. Außer den angegebenen Fällen soll ein Mitglied auch dann sofort ausgeschlossen werden, wenn es, aus Unbesonnenheit oder bösem Willen, dem Vereine im Gespräche mit Nichtmitgliedern gemeinschädliche, oder politische, oder mystische Zwecke unterlegt. §. 40. Jedes Mitglied ist vielmehr verbunden, jedem Streite über den Werth des Vereins mit Nichtmitgliedern auszuweichen, da aber, wo es nicht zu vermeiden ist, mit Ernst und bescheidener Würde die Sache des Vereins und seiner Glieder zu vertreten. §. 41. Mitglieder, welche ihren Verheißungen nicht gemäß leben, sich in Bearbeitung der, ihnen aufgetragenen Geschäfte saumselig zeigen, werden erst von dem unmittelbar vorgesetzten Arbeits-Direktor, dann vom Präsidenten, gewarnet, hiernächst vom Censor der resp. Kammer in Geldstrafe genommen, endlich vom Verein, unter den annoch näher zu bestimmenden Feierlichkeiten, ausgeschlossen. §. 42. Mitglieder sind sich gegenseitig schuldig einander zu vertreten, und den ausgezeichneten und achtungswürdigen Männern, wie jedem Verdienste, Ehrfurcht zu leisten und zu verschaffen. Gesetz II. Von der Verfassung des Tugendvereins als eines solchen. §. 1. Der Tugendverein ist eine freie und liberale Gesellschaft, in welcher keine andere Unterwerfung statt findet, als allein unter selbst gegebenen Gesetzen. §. 2. Sie ist in der Form frey, allein geschickt genug aneinander geschlossen, um mit möglichster Schnellkraft und Uebereinstimmung, ihre nützlichen Zwecke zu erreichen. §. 3. Die Funfzig ersten Mitglieder des Vereins, welche zu Königsberg in Preußen auf die Grundgesetze zusammengetreten sind, machen den Stamm des Vereins aus. §. 4. Von ihnen geht die Verbreitung des Vereins über alle Provinzen des Reichs aus. §. 5. Sie erwählen aus ihrer Mitte, Fünf Geschäftsführer und einen Wächter über die Aufrechthaltung der Gesetze, unter dem Namen eines Sittenrichters (Censors). §. 6. Die Fünf Geschäftsträger und der Censor bilden in sich den Rath des Tugendvereins. §. 7. Der Rath erwählt unter seinen Mitgliedern, unter Aufsicht des Censors, einen Vorsitzer für einen Monat, hiernächst bestimmen sie durch Loos ihre Folgereihe für die folgenden Monate. §. 8. Der Censor selbst kann nicht gewählt werden. §. 9. Unter den sämtlichen schon gewählten, in Königsberg in Preußen wenigstens auf einige Zeit fixirten, Mitgliedern, werden hierauf zehn Mitglieder als Stifter und Direk497
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toren für zehn besondere Seiten-Vereine gewählt, welche den Namen von Arbeitskammern führen. §. 10. Die Fünf Geschäftsträger und der Censor, können nicht zu den ersten Zehn Directoren ernannt werden. §. 11. Die übrigen Mitglieder werden durch das Loos in die verschiedenen Arbeitskammern gleichmäßig vertheilt. §. 12. Die Zehn Directoren oder Stifter, und der Rath, zusammen Sechzehn Mitglieder, bilden die erste Kammer für das Königreich Preußen, und behalten bis zu ihrer Auflösung als Provinzial-Kammer den Namen des Stammvereins bei. §. 13. Die Zahl der Mitglieder des Stammvereins §. 12. sollen jedoch bis auf 30 erhöhet werden. §. 14. Die Stifter und die, ihnen durch das Loos zugefallene, Mitglieder machen den Stamm von den Zehn ersten Arbeitskammern für die Stadt Königsberg aus. §. 15. Nur durch sie können künftig in Königsberg in Preußen, Mitglieder in den Tugend-Verein aufgenommen werden, §. 16. Jeder der Stifter und seine Gehülfen sind verbunden, sich möglichst schnell auf die Zahl von wenigstens Zehn Mitglieder zu ergänzen. §. 17. Sobald eine Arbeitskammer Zehn Mitglieder zählt, erwählt sie ein neues Mitglied unter ihren vorzüglichsten Männern für den Stamm-Verein, damit derselbe so bald als möglich, mindestens auf zwanzig Glieder ergänzt werde. §. 18. Erst wenn die Zahl sämmtlicher Mitglieder in den Arbeits-Kammern auf Hundert angewachsen ist, wählen je Zehn Mitglieder ein neues Mitglied für den Stamm-Verein. §. 19. Die gesetzmäßige Mitglieder-Zahl des Stammvereins, mit Inbegriff seines Raths und Censors, ist Dreißig. §. 20. Bei dem Rathe des Stamm-Vereins ist einstweilen die oberste Leitung aller Angelegenheiten und Arbeiten des Vereins und die Aufsicht über die Arbeits-Kammern; bei dem Stamm-Vereine selbst ist aber die Gesetzgebung, das oberste Gericht und die Beamten-Wahl. §. 21. Außer in Königsberg, sollen auch in Memel, Tilsit, Gumbinnen, Insterburg und Braunsberg für Ostpreußen; Elbing, Marienwerder, Conitz, Graudenz für Westpreußen; Stettin, Stargard, Colberg, Stolpe, Cöslin, für Pommern; Cüstrin, Landsberg an der Warthe, Frankfurt an der Oder, Berlin, Züllichau, Potsdam, Brandenburg, Burg für die Marken; und in Breslau, Brieg, Neiße, Hirschberg, Glaz, Glogau und Liegnitz für Schlesien, sofort Arbeits-Kammern angelegt werden. §. 22. Jedes Mitglied hat bei seiner Aufnahme zugleich diejenigen seiner Bekannten und Vertrauten zu benennen, welche nicht nur der Aufnahme würdig, sondern auch geschickt sind, die Geschäfts-Einleitung zu übernehmen. §. 23. Der Geschäftsträger oder Director jeder Geschäfts-Kammer muß die Anzeige solcher Mitglieder dem Censor des Stamm-Vereins sogleich mittheilen. §. 24. Hierauf wird ein solches Mitglied authorisirt, sich mit den abwesenden Fremden zu verständigen, und darf auch gegen Einreichung des Reverses, Gesetz I. §. 63, eine Abschrift der Grundgesetze der Verfassung für denselben nehmen. 498
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§. 25. Dem Censor, als Director der Polizey und Verbreitung, liegt die Leitung dieser Geschäfte zwar vorzüglich ob, und die Mitglieder sind verbunden, sich in allen Angelegenheiten ihres Correspondenten an ihn zu wenden, allein der Censor muß seinem Rathe Bericht abstatten, und nur dieser kann Auftrag zur Gründung einer Arbeits-Kammer ertheilen. §. 26. Die Autorisation wird erst dann ertheilt, wenn das abwesende Mitglied den Revers §. 37, Gesetz I. unterschrieben, durch seinen Correspondenten oder unmittelbar einreicht. §. 27. Den verschiedenen Mitgliedern einer Provinz, soll von einander Auskunft gegeben werden, um in Gemeinschaft und Verständigung zu handeln. §. 28. Der Rath des Stamm-Vereins ist berechtigt, Bevollmächtigte in den verschiedenen Provinzen zur Anlegung von Arbeits-Kammern und zur Einheit der Geschäfte und Mittheilungen zu erwählen. §. 29. Jede Arbeits-Kammer muß wenigstens Zehn, höchstens Funfzig Mitglieder enthalten. In den Hauptstädten des Reichs kann jedoch die Anzahl sich auch höher belaufen. §. 30. Ehe deshalb nicht Zehn Mitglieder würklich beisammen sind, kann einem Stifter Abschrift der Gesetze nicht ertheilt werden. §. 31. Der Rath der vorgesetzten Arbeitskammer kann jedoch davon Ausnahmen gestatten, und der Rath des Stamm-Vereins ist an diese Regel gar nicht gebunden. §. 32. Unter diesen Zehn Mitgliedern müssen wenigstens Fünf an dem Orte befindlich seyn, wo der Sitz der Arbeitskammer bestimmt ist. §. 33. Jede Arbeitskammer kann sich mehrere Seitenkammern anlegen, zu denen sie sich wie Mutter zur Tochter verhält. Eine Kammer als Stifterinn heißt: Haupt-Arbeits-Kammer – Haupt-Kammer; jede gestiftete: Neben-Arbeits-kammer, – Neben-Kammer. §. 34. Jedes Mitglied ist verpflichtet, dergleichen Arbeits-Kammern zu stiften, berechtigt kann es jedoch nur dazu durch Auftrag seines Raths oder dessen vorgesetzten Behörde, werden. §. 35. Wer sich herausnimmt aus eigner Autorität, Arbeitskammern oder sonstige Verbindungen zu stiften, soll sofort aus dem Stamm-Verein ausgeschlossen werden. §. 36. Nicht eher ist jedoch eine Arbeitskammer, außer denen §. 21. benannten Städten zuerst errichteten, der Rechte einer Haupt- oder Mutter-Kammer theilhaft, bevor sie nicht selbst wenigstens Dreyßig Mitglieder und Drey Töchter- oder Neben-Kammern zählt. §. 37. Frey-Vereine, Gesetz III. 56., werden den Haupt-Kammern als Neben-Kammern angerechnet, jedoch nur, wenn dergleichen Freyvereine nicht nur von ihnen ausgingen, sondern auch von ihnen, den Ortsverhältnissen nach, unter Aufsicht können gehalten werden. §. 38. Gesetze und Anweisungen erhalten die Nebenkammern von ihren Müttern. §. 39. Je zehn Mitglieder einer neuen ArbeitsKammer wählen einen Geschäftsträger, zwanzig deren zwei, dreißig deren aber fünf Geschäftsträger, welche unter sich den Rath der Kammer bilden. 499
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§. 40. Jede Arbeits-Kammer wählt sich, ohne Rücksicht auf ihre Zahl, einen Censor und Secretair. §. 41. Sobald in einer Provinz Zehn-Hauptarbeitskammern von Dreißig Mitgliedern, in den Hauptorten aber, als in Berlin für die Marken, in Breslau für Schlesien, in Pommersch-Stargard für Pommern von wenigstens Sechszig Mitgliedern, beisammen sind, sollen, und zwar für die Marken in Berlin, für Schlesien in Breslau, für Pommern in Stargard, Provinzial-Arbeitskammern, – Provinzial-Kammern, – gebildet werden. §. 42. Alles was von Westpreußen am rechten Ufer der Weichsel liegt, gehört zum Königreich Preußen, was am linken Ufer gelegen, zu Pommern. §. 43. Die Zahl der Mitglieder einer Provinzial-Arbeitskammer beläuft sich auf Dreißig, von denen wenigstens Achtzehn an Ort und Stelle gegenwärtig seyn müssen. §. 44. Sie werden von den Kammern einer Provinz erwählt. §. 45. Die am Orte anwesenden Mitglieder erwählen unter sich Fünf Geschäftsträger und einen Provinzial-Censor, welche den Provinzial-Rath bilden. §. 46. Bei der Provinzial-Kammer ist die Gesetzgebung der Provinz, beim Rathe aber die Leitung aller Geschäfte, und die Aufsicht über die Hauptkammern einer Provinz. §. 47. Sobald, mit Inbegriff des Stamm-Vereins von Königsberg, Drei Provinzial-Kammern vorhanden sind, muß aus denselben ein hoher Rath von Sieben Mitgliedern erwählt werden. §. 48. Die hohen Räthe werden aus den verdientesten und vorzüglichsten Männern ohne Rücksicht auf Provinz, auf den Ort, auf Haupt- oder Nebenkammern, oder Freivereine gewählt. §. 49. Der hohe Rath bildet 1) die Vollziehungs-Kammer, 2) die Gesetzgebungs-Kammer und 3) das Sittengericht oder Censor-Amt. §. 50. Die Sieben Mitglieder des hohen Rathes wählen unter sich zuvörderst einen 1) Obersittenrichter. Unter der Aufsicht desselben geschieht die Wahl, 2) des obersten Gewalthabers, – 3) des Obersten Richters, – (Oberrichters) 4) der zwei Räthe für die Gesetzgebung, (Rechtsräthe) 5) der beiden Räthe für die Vollziehungs-Kammer – (Vollziehungsräthe.) §. 51. Der hohe Rath repräsentirt den gesammten Verein. Der oberste Gewalthaber, den hohen Rath. Gesetz. III. Von der Geschäfts-Vertheilung §. 1. Zur wirksamen Thätigkeit des Vereins nach seinem Zweck, wird solcher unter Sechs Geschäftszweige oder Abtheilungen gebracht, nämlich in die erste Abtheilung, der Erziehung; zweite Abtheilung, der Volksbildung; dritte Abtheilung, der Litteratur; vierte Abtheilung, des Ackerbaues; fünfte Abtheilung, des Handels und Gewerbewesens, wie der öffentlichen Schulden; sechste Abtheilung, der Polizey und Ausbreitung. 500
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I. Abtheilung, der Erziehung. §. 2. Zu dieser Abtheilung gehören alle diejenige, welche sich mit dem Unterrichte der Jugend beschäftigen, abgesehen davon, daß sie auch bei andern Geschäftszweigen angestellt werden können. §. 3. Jedes Mitglied des Vereins, welches sich zu Arbeiten in dieser Abtheilung geeigenschaftet glaubt, kann sich darin einschreiben lassen. §. 4. Vom obersten Gewalthaber des Vereins, einstweilen von dem stellvertretenden Rathe des Stammvereins, wird der berühmteste und notorisch geschickteste Mann in diesem Fache unter den Mitgliedern, zum Präsidenten der Erziehung ernannt. §. 5. Ehe und bevor nicht mindestens drei Provinzial-Kammern formiret sind, kann kein Präsident, sondern nur Verweser des Erziehungs-Fachs erwählt werden. §. 6. Der Präsident ist an keinen fixen Sitz gebunden, doch hängt von ihm die oberste Leitung des gesammten Wissenschaftlichen seiner Abtheilung ab. §. 7. Unter die Directoren in jeder Provinzial-Kammer werden die verschiedenen Ab theilungen eingetheilt; doch können auch Mehrere in einer Abtheilung, Einer in mehreren Abtheilungen arbeiten. §. 8. Die gesammte Thätigkeit wird durch die Vollziehungs-Kammer geleitet, bei welcher der Präsident jeder Abtheilung auch seine Vorschläge einzureichen hat. §. 9. Jede Abtheilung enthält auch zu gleicher Zeit eine Pflanzschule für junge Staatsdiener, bei welcher sie eingeschrieben und durch Aufträge geübt werden. §. 10. Die Abtheilung der Pädagogik zerfällt in drei Classen: 1) der physischen Erziehung, 2) der wissenschaftlichen und sittlichen Bildung, 3) der Philantropie. Erste Classe der physischen Erziehung. §. 11. Jedes Mitglied der Gesellschaft welches Vater ist, verpflichtet sich, seine Kinder nicht nur zur Gymnastik, sondern auch auf die allgemeine Einführung derselben in allen Schulen zu dringen, derjenigen aber vor den andern den Vorzug zu geben, in welcher solche bereits eingeführt sind. §. 12. Es soll ein Plan, mit Zuziehung militairischer Mitglieder, von einem Ausschusse dieser Classe entworfen werden, den §. 20. der Einleitung No. 4 in Ausübung zu bringen. Der Plan muß dem Rathe des Stamm-Vereins zur Genehmigung vorgelegt werden. §. 13. Sämmtliche öffentliche Erziehungs-Ansichten, stehen unter der geheimen Aufsicht dieser Classe. §. 14. Es sollen in jeder Stadt, wo dergleichen Anstalten, als Waisen- oder Findel-Häuser vorhanden sind, aus der Zahl der Mitglieder so genannte Waisen-Väter ernannt werden, welche sich über solche Anstalten unterrichten, und der Direction der Classe Bericht abstatten. §. 15. Es soll ein Verzeichniß dieser Anstalten und der Anzahl der Kinder, für jede Provinz angelegt werden. 501
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§. 16. Weil sich aber gefunden, daß Kinderlose Eltern oft gewünscht, dergleichen Kinder zu erziehen, so soll in jeder Provinz ein Verzeichniß solcher Eltern gehalten und ihren Wünschen durch Anbieten und Unterbringung von Findel- und Waisen-Kindern möglichst begegnet werden. §. 17. Jedes Mitglied hat, wenn dergleichen Eltern zu seiner Wissenschaft kommen, solche seinem Rathe oder Geschäftsträger anzuzeigen, von denen sie auf dem gewöhnlichen Wege zur höhern Kenntniß gebracht werden. §. 18. Mitgliedern welche in Kinderloser Ehe leben, wird zur Pflicht gemacht, gutes Beispiel zu geben, wie nicht minder, wenn sie reich genug sind, neben ihren Kindern noch andere zu erziehen. §. 19. Da die Erfahrung gelehrt, daß kindisch besorgte und feige Eltern ihre Kinder verzärtelt haben, so wird der Verein die Freyheit und Rechte der Jugend reklamiren und vertreten. §. 20. Der Verein beschützt alle Sinnschärfenden Uebungen in dem gymnastischen Unterrichte und den Spielen der Jugend. §. 21. In Städten sollen Schwimmmeister gezogen, bekannt gemacht, unterstützt und Prämien für sie beschaft werden, wenn sie die Geschicklichkeit des Schwimmens und Wassertretens allgemeiner machen. §. 22. Der Präsident der Erziehung hat annoch einen ausführlichen Plan für die Einrichtung dieser Classe aus dem Gesichtspuncte zu entwerfen, daß nicht bey Rohheit und Barbarey, sondern bey dem geschicktesten Gebrauche der Kräfte, das möglichst größte physische Vermögen, Wohlsein und wahre Schönheit des Menschen wohnen. Zweite Classe, der wissenschaftlichen und sittlichen Jugend-Bildung. §. 23. Es soll ein Katechismus, kurzer, faßlicher, kräftiger Sätze und Sprüche für die frühere Jugend aufgesetzt werden, welcher die Grundwahrheiten des Lebens und der Religion, einfache Vorstellungen von Familie, Stadt und Regenten enthält, und auf eindringliche Weise, die damit verknüpften Rechte und Pflichten lehrt. §. 24. Dieser Katechismus soll von dem Präsidenten der Abtheilung, oder dem Verweser, dem obersten Gewalthaber, oder dem Rathe des Stamm-Vereins, vorgelegt werden, und wenn er die Zustimmung desselben, oder des von ihm zu ernennenden Ausschusses erhalten, mit den erforderlichen Vorschlägen zu seiner allgemeinen Einführung der Regierung eingereicht werden. §. 25. Erhält er die Allerhöchste Approbation, so ist der Vollziehungsrath für die allgemeine Einführung und Anwendung verantwortlich. §. 26. Die Beförderung des Unterrichts auf dem platten Lande ist eine vorzügliche Sache dieser Classe. §. 27. Den Charlatanerien, welche sich mit dem öftern Wechsel der Unterrichtsmethoden, und durch das Vergnügen des Publikums an öffentlichen Prüfungen, in die Schulen eingeschlichen, den wissenschaftlichen Ernst vertrieben und den Geist der Flachheit und Tändelei eingeführt haben, soll von den Mitgliedern entgegengearbeitet, und 502
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die allgemeine Stimmung dagegen, und für die Ansichten, Einleitung §. 20. Nr. 2 und 3, gewonnen werden. §. 28. Diese Classe hat dem hohen Rath Vorschläge zu thun, wie der Geist der Erschlaffung von der Akademie zu vertreiben, und durch thätige Unterstützung und Verbreitung ihres gelehrten Ansehens ein besseres Geschlecht von Lehrern auf die Lehrstühle der Universitäten hervorzurufen und zu befördern ist. §. 29. Eben so soll die allgemeine Stimmung gegen den Geist auf vaterländischen Akademien, nach welchem nur das Nützliche betrieben wird, weil es Kunden und Absatz findet, gewonnen werden. §. 30. Auf Universitäten sollen Frei-Vereine unter den Studenten, unter dem Namen der deutsche Bund, angelegt werden, welche den Orden und den Zwiespaltungen der Landsmannschaften den Rohheiten, Duellen und Unsittlichkeiten entgegen arbeiten, und die Aufrechterhaltung deutscher Sitten, kräftiger Natur, vernünftiger Freiheit, wissenschaftlicher Jugend, Uebung in den Waffen, und Ausbildung menschlicher, sowohl physischer als sittlicher Schönheit zum Zwecke haben. §. 31. Durch den deutschen Bund soll ein Ehren- und Sittengericht auf Universitäten unter den Studirenden selbst errichtet werden. §. 32. Es soll eine eigene Verfassung für den deutschen Bund entworfen, und solche der Regierung zur Prüfung vorgelegt werden. §. 33. Ohne Zustimmung der Regierung soll in diesem Punkt §. 30 et seq. nichts unternommen werden. §. 34. Junge Männer, welche sich dem Schulfache widmen, werden dieser Classe zugeschrieben, um vom Director der Abtheilung beschäftigt zu werden. Dritte Classe, der Philantropie. §. 35. Die Abtheilung der Pädagogik soll eine Schrift zur allgemeinen Verbreitung ihrer Ansichten und Belehrung des gelehrten Theils des Publikums herausgeben. §. 36. Die Redaction dieser Schrift liegt dem Präsidenten oder Verweser ob. §. 37. Sie soll eine Auswahl der Vorschläge und Ausarbeitungen, welche von den Mitgliedern eingereicht werden, nebst andern Abhandlungen über Gegenstände der Erziehung, vorzüglich aber eine Kritik sämmtlicher Schulen und öffentlichen Lehr- und Erziehungs-Anstalten, ihrer Lections-Pläne, – Lehrmethoden, der Vorlesungen auf den Akademien, und eine Recension der neuesten Schriften dieses Fachs enthalten. §. 38. die Kritik soll durchaus gerecht, aber ohne Schonung des Fehlerhaften seyn. §. 39. Ohne Erlaubniß des obersten Gewalthabers oder Raths des Stamm-Vereins, darf jedoch kein Stück herausgegeben werden. §. 40. Der Verein vertritt alle Schriften, die unter Autorität seiner obern Verwaltung herauskommen. §. 41. Nichts darf in das Publikum unter Autorität der Verwaltung oder des Raths des Stamm-Vereins herausgegeben werden, das nicht den unzweideutigsten Stempel des Classischen hätte, oder an sich träge. 503
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§. 42. Mittelmäßige, oder auch gute aber nicht vorzügliche Schriften müssen dem Verfasser überlassen bleiben und werden vom Vereine nicht vertreten. §. 43. Der Präsident der Abtheilung ist für die Beobachtung dieser Regel verantwortlich. §. 44. Die etwanigen Einkünfte, welche ein solches Journal eintrüge, machen den Fond dieser Abtheilung aus. II. Abtheilung, der Volks-Bildung. §. 45. Die Abtheilung der Volks-Bildung zerfällt in drei Classen: 1ste Classe der Kirchenzucht. 2. ” ” öffentlichen Spiele und Volksfeste. 3. ” ” Aufklärung. §. 46. Auch für diesen Geschäftszweig wird ein Präsident oder Verweser durch diesen ein Secretair, unter denselben Modalitäten des §. 4. erwählt. Erste Classe der Kirchen-Zucht. §. 47. Zu dieser Classe gehören an sich alle Mitglieder aus dem geistlichen Stande. §. 48. In dieser Classe bildet sich der Richterstuhl für die gesammte Geistlichkeit des Reichs. §. 49. Die gesammte Geistlichkeit des Preußischen Staats soll durch den Verein in gewisse Diöcesen getheilt und, für jede, ein Inspector zur geheimen Aufsicht aus den Mitgliedern ernannt werden. §. 50. Eintheilung und Vertheilung hängen von der Bestimmung des obersten Gewalthabers oder dessen Stellvertreters ab. §. 51. Diese geheime Aufsicht hat zum Zwecke, die würdigen Mitglieder dieses Standes in ihren Bemühungen im geheimen wie öffentlich zu unterstützen, schlechte Beispiele der Pflichtwidrigen unwirksam zu machen, solche zur Kenntniß der ordentlichen Behörden zu bringen, anfänglich zu warnen, dann aber durch Ausschließung aus dem Umgange mit seinen bessern Amtsgefährten den Unwürdigen bloß zu stellen. §. 52. Die Warnung geschieht durch Auftrag des Directors. §. 53. Candidaten der Theologie werden in den Diöcesen verzeichnet, in welchen sie sich aufhalten. §. 54. Nur wenn sie vorzügliche, oder Männer sind, die sich zu ihrem Fache nicht qualificiren, wird die Veränderung ihres Sitzes dem Rathe der Provinzial-Kammer, oder dem Director der Classe angezeigt um die fernere Inspection über sie in ihrem neuen Wohnsitze zu veranlaßen. §. 55. Unter der Aufsicht dieser Classe geschehen die Stiftungen und Arbeiten der FreyVereine. Von den Frey-Vereinen. §. 56. Die Geistlichen in Städten und auf dem platten Lande sollen möglichst alle Vierzehn Tage, Sonntags Nachmittags, eine Zusammenkunft mit den vorzüglichsten und einflußreichsten Gliedern ihrer Gemeine aus dem niedern Bürger- und dem Bauernstande halten. 504
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§. 57. Die Veranlassung zur Errichtung solcher Gesellschaften soll dem Ermessen des Stifters ganz überlassen sein. §. 58. Solche Gesellschaften führen ausschließlich den Namen von Freyvereinen. §. 59. Die Form der Gesellschaft, die Zahl der Mitglieder, der Gegenstand der Unterhaltung, die Mittel zur Erweckung des Interesses dafür, hängt lediglich vom Gutbefinden des Stifters ab. §. 60. Die Erlaubniß, solchen Gesellschaften beizuwohnen, muß als eine Auszeichnung für die bessern Mitglieder einer Gemeine angesehen werden. §. 61. Es soll Alles in diesen Versammlungen vermieden werden, was den Eigennutz der Mitglieder verletzen könnte, bis sie für solche Collisionen reif sind. §. 62. In diesem Verein soll jedoch die Volksschrift §. 99. vorgelesen und ihre Ansichten nach und nach den Mitgliedern mehr verständigt werden. §. 63. Durch solche Versammlungen sollen Einigkeit unter den Staatsbürgern, Liebe zum Umtausch der Ideen, Einsicht in die Verfassung und National-Stolz hervorgebracht und genährt werden. §. 64. Der Stifter ist fortwährend Geschäftsträger solcher Vereine. §. 65. Er hat bei allgemeinen Angelegenheiten, als: Wahlen u. s. w. zwei Stimmen. §. 66. Schlägt er ein Mitglied eines Frei-Vereins für eine Kammer vor, so ist auf solchen Vorschlag ganz besonders Rücksicht zu nehmen. §. 67. Es sind Drei Mitglieder zur nähern Prüfung eines solchen Adepten zu ernennen, welche innerhalb Drei Wochen öffentlichen Bericht abzustatten haben, worauf die Wahl geschehen soll. §. 68. Geistliche sind zwar ganz besonders zur Anlegung von Frei-Vereinen verpflichtet, aber sonst auch jedes Mitglied und vorzüglich Justiz- und Domainen-beamte, Pächter – Oberförster, Förster u. s. w. §. 69. Es bedarf jedoch der Autorisation des Rathes der Mutter-Kammer dazu. §. 70. Die Einrichtung und Fortsetzung eines Frei-Vereins wird dem Stifter als ein ganz vorzüchliches [!] Verdienst angerechnet, derselbe von dem Commissario des Gewalthabers, oder des Stammvereins, angezeigt, und von diesem in das Buch der verdienten Mitglieder eingetragen werden. §. 71. Sämmtliche Mitglieder sind verpflichtet die Gebräuche und Grundsätze ihrer Religion öffentlich in Ehren zu halten, und sich anstößigen Redens oder Handelns dagegen zu enthalten. §. 72. Sie suchen zugleich der Verbreitung unsittlicher allgemeinschädlicher Schriften entgegen zu wirken. §. 73. Diese Classe soll zugleich die Pflanzschule öffentlicher Beredsamkeit werden. Zweite Classe, der öffentlichen Spiele und Volksfeste. §. 74. Die Vermehrung und Veredlung der Volksfeste gehört zur Aufhülfe des Wohlseyns eines Volks.
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§. 75. In die Spiele und Ergötzlichkeiten des Volks soll mehr Sinn in Beziehung auf das Allgemeine gebracht werden. §. 76. Die Schauspiele gehören zur Belustigung des höhern und vorzüglich des wohlhabenden Mittelstandes und müssen unter den Einfluß des Vereins gesetzt werden. §. 77. Die sogenannten Schauspiele, welche das Volk erschlaffen, und den Geschmack gänzlich verderben sollen durch die reine Tragödie und Comödie je mehr und mehr verdrängt werden. §. 78. Mittelst einer Theater-Zeitung soll auf den Geschmack des Publikums selbst, durch Vorhaltung seines unnatürlichen Gefallens an dem Albernen und Schlaffen, durch Tadel solcher Theater-Directionen und Schauspieler, welche, um des Vortheils oder zweideutigen Beifalles Willen, Kunst und Beruf verachten und entwürdigen, und durch scharfen Tadel der ältern wie neuern Producte solcher Art, zweckmäßig gewürkt werden. §. 79. Junge Künstler von Talent, die sich die Veredlung des guten Geschmacks besonders angelegen seyn lassen, sollen in dieser Schrift rühmlich gedacht, und auch in andern Schriften, auf welche die Mitglieder Einfluß haben, vortheilhaft erwähnt werden. §. 80. Dagegen sollen die Direktoren, die sich mit Bildung des Publikums weniger als mit Plünderung desselben beschäftigen, in Verachtung und Miscredit gebracht werden. §. 81. Zur Belustigung des Bürgers sollen die Scheiben- und Freischießen wieder ganz vorzüglich unterstützt werden. §. 82. Sobald Bürgermeister oder Rathsglieder, oder Bürger von Einfluß, aus kleinen Städten, aufgenommen werden, ist ihnen die Errichtung einer sogenannten Schützengilde zur besondern Pflicht zu machen. §. 83. Adeliche Guthsbesitzer, Domainen-Pächter, Arrendatoren, Oberförster und Förster, die Justizbeamten und Justitiarien unter den Mitgliedern, sind verbunden, aus allen Kräften, mit Zuziehung der Jäger auf dem platten Lande, gleichfalls die Neigung für solche Volksfeste unter den Bauernstand einzuführen. §. 84. Das Scheiben- und Freischießen soll möglichst über die ganze Nation ausgedehnt werden, und die Freivereine darauf hinwürken. §. 85. Kein Mitglied des Vereins, die vom geistlichen Stande ausgenommen, darf sich von der Verbindlichkeit ausschließen, zu der Gilde seines Wohnorts zu gehören; vielmehr muß er seine Aufnahme sogleich nachsuchen, und den Beitritt dieser nützlichen Volksergötzung sich möglich angelegen seyn lassen. §. 86. Damit auch ärmere Bürger zu diesen Vergnügungen zutreten können, soll es den Mitgliedern des Vereins zur Pflicht gemacht werden, sich nach ihren möglichsten Kräften in den Besitz von Flinten und Büchsen, Schützen-Armaturen und Schieß-Materialien zu setzen, um damit ärmeren Bürgern auf dem platten Lande und in den Städten zu versehen. §. 87. Diejenigen ärmeren Bürger, welche sich durch einen besondern Grad von Fertigkeit in dem Spiele auszeichnen, sollen die Armatur als eine Aufmunterung erhalten, und deshalb Vorschläge von der Classe an den obersten Gewalthaber oder seinen Stellvertreter gemacht werden. 506
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§. 88. Nur ordentliche, gesittete, patriotisch gesinnte Bürger sollen zu den Gilden hinzugelassen werden. §. 89. Mit diesen Festen sollen öffentliche Spiele und Prüfungen der Jugend im Laufen, Lasttragen, Werfen, Springen, Schießen, Schwimmen und Reiten verbunden werden. §. 90. Ueber diese Spiele soll die Classe annoch einen eigenen Plan durch ihren Präsidenten, beim Rathe des Stammvereins einreichen. §. 91. Es soll eine Pflanzschule junger Krieger angelegt, zu derselben alle jungen Offiziere des Stammvereins eingeschrieben werden, und solche zu dieser Classe ressortiren. §. 92. Da der Verein mit diesem Geschäfte nur in so fern zusammenhängt, als er überhaupt körperliche Fertigkeiten, den Muth und die Ausbildung der Staatsdiener begünstigt, so ist dies Institut bloß unter seiner Oberaufsicht. Die Pflanzschule der Offiziere. §. 93. Diese Pflanzschule bildet ein eigenes Institut, unter Vorsitz eines Directors und Secretairs. §. 94. Der Director wird von dem obersten Gewalthaber, oder dem Rathe des Stammvereins, erwählt, und ernennt sich selbst einen Secretair. §. 95. Durch dies Institut sollen nicht nur die Zwecke, §. 20 No. 4 der Einleitung, leichter erreicht, sondern auch die jungen Offiziere unmittelbar durch Aufgaben für ihr Fach beschäftigt, an ernste Beschäftigungen gewöhnt, von Gefallen am Müßiggang abgezogen werden. §. 96. Der Verein nimmt aus ihnen die Feldmesser, fordert vom Director der Pflanzschule die Vorschläge über Verbesserungen der Sittlichkeit des Militairs u. s. w. §. 97. Es soll ein Ausschuß ernannt werden, welcher einen vollständigen Plan dieses Instituts zu entwerfen und solchen dem Rath zur Approbation vorzulegen hat. 3te Classe, der Volksaufklärung. §. 98. Die Aufklärung des Volks über seine sittlichen, wie seine Zwangspflichten und Rechte, über seine gesellschaftliche Bestimmung und Vorzüge, soll durch die mündliche Belehrung der Mitglieder in ihren verschiedenen Kreisen und in den Freivereinen bewirkt werden. §. 99. Zur Einheit und bessern Verbreitung soll jedoch eine periodische Volksschrift, unter dem Titel: Der Volksfreund unter Autorität des Vereins herausgegeben werden. §. 100. In dieser perodischen Schrift sollen Gegenstände von allgemeinem Interesse für den minder Gebildeten enthalten seyn. §. 101. Durch dieses Journal will der Verein die Gemeinmeinung im Volke verbreiten, und es soll desfalls gleichsam eine Vertretung desselben gegen die Anmaßung der höhern Stände vorschützen, und dadurch die Zuneigung der Menge zuerst zu gewinnen suchen. 507
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§. 102. Die Schrift soll für den möglichst wohlfeilsten Preis verkauft werden. §. 103. Der Verein wird sich Einfluß auf die öffentlichen Zeitungen zu verschaffen suchen, um den elenden, nichtswürdigen, zum Theil lügenhaften, zum Theil schwankenden Ton und Geist dieser Zeit herauszubringen, und den einfachen schicklichen Vortrag darin zurückzuführen. III. Abtheilung, der Litteratur. §. 104. Der Verein soll sich den möglichst ausgedehnten Einfluß auf die deutsche Litteratur verschaffen, und die Gemeinmeinung überall für Wahrheit, practische Tugend, und kräftige Festhaltung des Deutschen und Nationalen, gewinnen und leiten. §. 105. Diesen Einfluß soll er sich auf dem Wege litterarischer Mittheilungen verschaffen. §. 106. Für diese Abtheilung soll gleichfalls ein Präsident wie §. 4. gewählt werden, welchem die Ernennung seines Secretairs zusteht. §. 107. Die vorzüglichsten Schriftsteller in dem Vereine sollen eine periodische Schrift unter dem Titel: Die Widergeburt der sittlichen Welt, unter Autorität nach den Bestimmungen des §. 41. seq. herausgeben. §. 108. Diese Schrift soll Denk-, Gewissens-Freiheit und die deutsche Sprache vertreten. §. 109. Die Redaction dieser Schrift ist bei dem Präsidenten dieser Abtheilung. §. 110. Sie soll Aufsätze über die Geschichte des Tages, die politischen Systeme dieser Zeit, Staatswirthschaft, Geschichte, Völker-Kunde, Kunst- und Litteratur enthalten. §. 111. Die letzte Rubrik wird eine Rezension derjenigen Schriften enthalten, welche sich über Verfassungen der Staaten, politische Systeme, Meinungen u. s. w. ausbreiten, sofern sie eine unsittliche oder gemeinschädliche Richtung haben, und besonders Preußisches Volk und Regierung verletzen. §. 112. Die Mitglieder müssen ihre Beiträge gratis geben; Beiträge anderer Gelehrten und berühmter Männer können vom Präsidenten honorirt werden. §. 113. Der etwanige Ertrag vom Absatze dieses Journals fällt dem Schatze des Vereins zu. §. 114. Zu dieser Abtheilung ressortirt die Pflanzschule der Politiker für den Dienst des Staats. Die Vollziehungs-Kammer fordert vom Präsidenten der Abtheilung die Berichte über die Lage der Litteratur, des Handels, der Weltangelegenheiten und der Verhältnisse der wichtigsten Staaten unter einander und gegen das Vaterland, so weit sie auf den Gang der Arbeiten Einfluß haben. IV. Abtheilung, des Ackerbaues. §. 115. Der Verein untertützt die Thätigkeit, die erste Production und die Freiheit des Ackers. §. 116. Auch für diese Abtheilung wird nach den Bestimmungen des §. 4. seq. ein Präsident und Secretair erwählt. 508
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§. 117. Sie zerfällt in die Classe: 1) der Ackerkultur, und 2) der Armen-Colonien. Erste Classe, der Acker-Kultur. §. 118. Die Behinderungs-Gründe der allgemeinern Neigung für den Stand der Ackerbauer sollen aufgesucht werden. §. 119. Erprüfte und nützlich befundene Erfindungen und Ackergeräthe sollen durch diese Abtheilung möglichst verbreitet werden. §. 120. Der Verein, indem er die Freiheit des Ackerbaus vertritt, wacht er zugleich über Aufkäuferei und Verkäuferei, so weit beide gemeinschädliche Absichten oder Folgen haben. §. 121. Zur Vorbeugung des Verbrechens gewinnsüchtigen Vorenthaltens der LebensMittel (Dardanariat) müssen sich die Mitglieder dieser Classe von den Vorräthen des Landes die detailliertesten Kenntnisse verschaffen. §. 122. Nur wenn sie aufgefordert werden, oder bei vorherzusehenden Drangsalen des Staates, haben sie der Regierung Anzeige von ihrer Wissenschaft zu machen. §. 123. Da die Publicität dieser Kenntnisse auf den Wohlstand einzelner Staatsbürger und die Freiheit des Handels Einfluß haben könnte, so ist Niemand, bei Strafe der Ausstoßung aus dem Vereine, befugt, ohne Erlaubniß des obersten Gewalthabers, oder des Stellvertretenden Rathes des Stammvereins, seine Kenntnisse davon, so weit er sie durch den Verein erhalten, Jemanden weder officiel noch auch privatim mitzutheilen. §. 124. Selbst Mitglieder des Vereins, die zu andern Abtheilungen gehören, erhalten darüber keine Auskunft, als wenn ihnen solche vom Präsidenten oder der höchsten Behörde des Vereins gebracht wird. 2te Classe, der Armen-Colonien. §. 125. Da durch die Unruhen des Krieges in den Städten eine Menge Arbeiter geschäftlos geworden, andern Theils aber auf dem Lande viele Wirthe theils freiwillig ihre Wohnungen verlassen, theils ausgestorben sind, auch durch die Aufhebung der Unterthänigkeit den gegenwärtigen Verhältnissen auf dem platten Lande manche Aenderungen bevorstehen; da hiernächst die Zahl der Müßiggänger oder Bettler sich je mehr vergrößert, so soll beiden Uebeln durch die Armen-Colonien abgeholfen werden. §. 126. Es sollen Listen von diese Classe, über alle in den Städten befindliche sogenannte Armen, gehalten, zugleich aber für Guthsbesitzer ein Büreau eröffnet werden, bei welchem sie sich mit dem ihnen fehlenden Gesinde versorgen können. §. 127. Für diese Armen-Colonien sollen unter den Mitgliedern und denen, auf die sie Einfluß haben, Kollekten veranstaltet werden, um solche Armen an den Ort ihrer Bestimmung zu befördern. §. 128. Ehe den Guthsbesitzern Gesinde oder Häusler nachgewiesen werden, müssen die Bedingungen, unter welchen die Ansetzung geschehen soll, auf Veranlassung die509
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ser Classe festgestellt, und das Beste der Colonisten aus allen Kräften dabei wahrgenommen werden. §. 129. Den Guthsbesitzern wird eine, so viel als möglich, genaue Nachweisung der Eigenschaften und des Schicksals der Colonisten gegeben. §. 130. Dergleichen Colonisten und ihr Aufkommen, bleiben, auch nach ihrer Ansiedelung die Sorge dieser Classe. §. 131. Zur Bewirkung einer schnellen Mittheilung zwischen dem Vereine und den Guthsbesitzern, soll sich diese Classe eines Journals bedienen, wenn nicht der Präsident es zweckmäßiger findet, sich des Journals §. 99. und §. 107. zu bedienen, oder für seine Arbeiten eine eigene periodische Schrift herauszugeben. §. 132. Die Theilnahme des Publikums soll immer mehr von der Unterstützung und Begünstigung der Müßiggänger abgezogen und für die Unterbringung zur Arbeit, gewonnen werden. §. 133. Dagegen vertritt der Verein, Sieche, Krüppel, vorzüglich aber die Invaliden des Soldatenstandes. §. 134. Guthsbesitzer, welche Mitglieder sind, haben überall das beste Beispiel zu geben, selbst unter Aufopferung ihrer Vortheile, um diese Ideen auszuführen, und ihnen allgemeinen Eingang zu verschaffen. V. Abtheilung, des Handels, des Gewerbes und des Staates-Schulden-Wesens. §. 135. Bei den Zerrüttungen, welche der Staat durch den jüngsten Krieg erlitten, kann den Unterthanen durch eigene Thätigkeit nur allein aufgeholfen werden. Ihre Mitbürger darauf hinzuführen, sie den Werth, Gebrauch und Erfolg ihrer eigenen Anstrengung genauer kennen zu lehren, vor allem aber die Kraft der Einheit und gemeinschaftlichen Thätigkeit, einleuchtend zu machen, soll die vorzüglichste Sorge der Mitglieder dieser Abtheilung des Vereins seyn. §. 136. Zu ihm gehören alle Kaufleute, so wie die theoretischen Finanziers und die Beamten, deren Wirksamkeit sich auf Gegenstände dieser Classe erstreckt. §. 137. Auch für diese Abtheilung wird ein Präsident nach der Bestimmung §. 4. erwählt. §. 138. Diese Abtheilung zerfällt in drei Classen: 1) der Fabriken, 2) des Handels, 3) des Staats-Schulden-Wesens. 1te Classe, der Fabriken. §. 139. Viele Gewerbe beschäftigen den Mann, welche sich mehr für das Weib eigenschaften, als Schneider, Weber, Posamentirer sc. Indeß liegt der Ackerbau. Der Verein soll die Männer von weibischen Arbeiten abziehen und für die schwierigern Producte gewinnen.
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§. 140. Die Mitglieder des Vereins, obwohl sie Freiheit des Gewerbes und Handels vertreten, verpflichten sich dennoch, im eigenen Verbrauch sich vorzüglich einheimischer Fabrikate zu bedienen. 2te Classe, des Handels. §. 141. Die Classe des Handels sucht die Menge über alle Vorurtheile zu belehren, welche der Freiheit desselben entgegenstehen, um den Kaufmannstand mit der Nation auszusöhnen. §. 142. Gleichergestalt arbeitet sie aber aller Handels-Despotie entgegen, und vertritt die allgemeine Freiheit menschlicher Thätigkeit. §. 143. Zur genauern Darstellung der Thätigkeitsgegenstände für diese beiden Classen, muß der Präsident derselben noch Vorschläge der Behörde vorlegen. 3te Classe, des Staats-Schulden-Wesens. §. 144. Bei der allgemeinen Verschuldung der Gemeinheiten, soll diese Classe sich in die Kenntniß des gesammten Schulden-Wesens der einzelnen Kommunen, und aller zu ihrer billigmäßigen Vertheilung und Bezahlung gemachten Vorschläge, setzen. §. 145. Hiernächst soll sich diese Classe, möglichst genaue Kenntniß von den Hülfsmitteln und Kräften einer Gemeine, besonders solcher verschaffen, deren Gebrauch bis jetzt vernachläßigt worden, Z. B. Bepflanzung wüster Stellen zur Waldung, gemeinschaftliche Thätigkeit und Aufsicht, Aufhebung von Gemeinheiten, Entdeckung und Bearbeitung von Torf-Steinkohlen sc. §. 146. Sobald ein Mitglied einer solchen Gemeinheit, oder wer es sey, dergleichen Entdeckungen macht, soll er sich vollständig davon unterrichten und darüber an seinen vorgesetzten Director unmittelbar berichten. §. 147. Es sollen wo möglich Fonds und Hülfsmittel für jede Gemeinheit ausgemittelt, ihr ein Vorschlag gebracht, darüber mit der Regierung verhandelt, und die Bürger zum Enthusiasmus für die Bewerkstelligung der erforderlichen Operationen, durch die Mittel des Vereins §. 5. der Einleitung erweckt werden. Wer einer Stadt aufhilft, erhält im Buche des Ruhms eine Stelle (Gesetz 4. §. 11, No. 10.) VI. Abtheilung, der Polizei und Verbreitung. §. 148. Die Polizei und Verbreitung des Vereins steht überall unter den Censoren; ihr sind keine Mitglieder besonders zugeschrieben, sondern jedes muß sich den Aufträgen und Geschäften derselben unterziehen. §. 149. Diese Abtheilung hat keinen besondern Präsidenten, jeder Provinzial-Censor ist Director seiner Provinz; die oberste Leitung geht von der Verwalthungs-Kammer aus. Der Censor des Stammvereins ist einstweilen allgemeiner Director. §. 150. Sie zerfällt in 1) Classe der Polizei 2) Classe der Ausbreitung (Propaganda) 511
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1te Classe, der Polizei. §. 151. Die Polizei des Vereins ist eine innere und eine äußere. §. 152. Die innere Polizei wird von dem Censor jeder Kammer verwaltet, und besteht in einer Kontrolle des sittlichen und gesetzlichen Verhaltens ihrer Mitglieder (§. 32 seq. Gesetz IV.) §. 153. In der äußern Polizei unterstützt der Verein die Staatspolizei, zur Vorbeugung und Entdeckung von Verbrechen. §. 154. Staatsverrätherischen Verbindungen soll mit größter Beharrlichkeit nachgespürt, verdächtigen Personen aber geheime Wächter zugeordnet werden. §. 155. Schöpft ein Mitglied Verdacht gegen Jemand, so muß er solches seinem Censor anzeigen, bis zur Anweisung seine Beobachtungen mit größter Verschwiegenheit fortsetzen, und sich in den Besitz vollständigen Beweises zu setzen suchen. §. 156. Anzeigen darüber an die Landesregierung können allein durch die höchste Autorität des Vereins geschehen. §. 157. Verdächtige Ausländer, welchen erlaubt ist, oder die ein Recht haben, sich im Lande aufzuhalten, sollen durch den Verein, sowohl ihrer Gestalt als auch ihrem Geschäfte und Absichten nach, möglichst allgemein geschildert und bekannt gemacht, auch ihre Zuträger verrathen werden, um ihren schädlichen Einfluß zu vermindern. §. 158. Ist durch den Verein einem Verbrechen vorgebeugt, so hält er sich nicht unbedingt verpflichtet, der Obrigkeit Anzeige davon zu machen, weil ihm daran liegt, Verbrecher selbst auf dem Wege der That zum Guten zurückzuführen. §. 159. Da nach dem Kriege die Verbrecher sich sichtbar vermehren, die projectirten Besserungs-Anstalten bei der Armuth des Staats nicht wohl realisirt werden möchten, so soll dem hülf- und aussichtslosen Zustande entlassener Verbrecher durch Unterbringen in Fabriquen und Anstalten, und bei Privatleuten, vorzüglich bei Mitgliedern, und durch ihre Aufsicht möglichst abgeholfen werden. §. 160. Diese Classe soll sich in die Kenntniß der Zeit setzen, wenn dergleichen Verbrecher entlassen werden, und ihrer Angabe wohin sie sich begeben wollen; hievon wird sogleich der Kammer, oder dem Stifter des Frei-Vereins, in dessen Sprengel sie sich aufhalten wollen, Anzeige gemacht. §. 161. Bei jeder Kammer ist ein Verzeichniß von solchen Bürgern und Mitgliedern, welche fähig und bereitwillig sind dergleichen Gesinde anzunehmen. §. 162. Ist das Gesinde untergebracht, so muß die Herrschaft solches der Orts-Obrigkeit vorstellen, die Annahme anzeigen, es auch zu dem Geistlichen des Ortes führen und zur Begehung kirchlicher Feierlichkeiten anhalten, den Geistlichen aber ersuchen, ihm seine Pflichten gehörig einzuschärfen. §. 163. Der zu Bessernde soll mit Ernst, doch mit Wohlwollen, zu seinen Geschäften und einem regelmäßigen religiösen Leben an- und vom Umgange liederlicher Menschen abgehalten, bei Rückfällen und Ungehorsam aber, ohne Erlaß vor die Orts-Polizei zur Bestrafung geführt werden.
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§. 164. Bei jungen Verbrechern soll dieses Verfahren und das Anhalten zu gewissen Lehrstunden und zur Beiwohnung des Gottesdienstes an Sonntagen, vorzüglich angewendet werden. §. 165. Solchen Dienstboten wird, jedoch ihnen selbst unbewusst, wenn sie nicht bei einem Mitgliede, dienen, doch aus dem Verein ein Vormund bestellt, welcher dieselben geheim beobachtet und gegen zu große Strenge oder Ungerechtigkeit ihres Herrn vertritt. §. 166. Sollte ein solches Gesinde den Dienst der Herrschaft wieder verlassen, so soll nicht nur der Orts-Polizei davon Anzeige gemacht, sondern auch von dem Vormunde, der Kammer seines künftigen Aufenthalts Nachricht davon ertheilt werden. §. 167. Zur Bewürkung dessen sollen, sobald eine gehörige Anzahl von Kammern vorhanden ist, der Landes-Regierung Vorschläge gemacht werden, um im Verständniß mit der Landes- und Orts-Polizei die beabsichtigten Zwecke erreichen zu können. 2te Classe, der Verbreitung. §. 168. Der Verein soll sich möglichst schnell in alle Provinzen des Reichs verbreiten, und obwohl Niemand aufgenommen werden darf, der nicht die, Gesetz I. aufgestellten Eigenschaften in mehrerem oder minderem Grade besitzt; so dürfen doch auch Mitglieder, wenn sie für das Gute und Wahre empfänglich sind, schon deshalb aufgenommen werden, um im Guten bestärkt zu werden. §. 169. Auf solche Mitglieder muß jedoch der Censor so viel möglich strenge wachen, und er kann ihnen, unter seinen vertrautesten Freunden von den Mitgliedern, noch einen besondern Wächter bestellen. §. 170. Sobald sich in andern Provinzen Deutschlands der Verein ausbreitet, darf, nach der Oertlichkeit und Verfassung solcher Länder, an den einzelnen Bestimmungen der Gesetzgebung geändert werden. §. 171. Doch müssen die Kommissarien hiezu autorisirt seyn, und die Haupteinrichtung des Vereins: Werktätigkeit in öffentlichen Tugenden, darf niemals verändert werden. §. 172. Sobald sich der Stammverein zu Königsberg, nach §. 9 seq. Gesetz II., gebildet hat, muß der Rath desselben sogleich unter sich die Directoren für 1) Pädagogik, 2) für Volksbildung, 3) für Litteratur erwählen; die Leitung der Polizei und Verbreitung seinem Censor aber besonders übertragen. §. 173. Hierauf sollen aus den geschicktesten Mitgliedern des gesammten Vereins für jene 4 Geschäfts-Abtheilungen, Verweser ernannt und von diesen im Rathe der Plan zum sofortigen Anfange der Arbeit, nach Maasgabe der Mitgliederzahl, und der örtlichen Verhältnisse, vorgelegt werden. §. 174. Die beiden andern Abtheilungen müssen sofort eröffnet werden, wenn die Wahl des hohen Rathes eintritt.
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Gesetz IV. Von den Geschäften der Beamten und Autoritäten. §. 1. Die Quelle aller Autorität sind die Versammlungen aller Arbeits-Kammern, ohne Unterschied des Ranges. §. 2. Sie werden durch den hohen Rath repräsentirt. §. 3. Der Sitz des hohen Raths ist um die Person des obersten Gewalthabers. §. 4. Vierteljährig versammelt sich der hohe Rath zur Revision aller Geschäfte, Berathschlagung über Gesetzes-Vorschläge, so weit sie sich auf die Verfassung beziehen, und hält Gericht über die höchsten Beamten. §. 5. Können Räthe wegen Orts-Entfernung zur Sitzung nicht gelangen, so müssen ihre Bevollmächtigten zugelassen werden; der Gewalthaber muß persönlich erscheinen. Von der Vollziehungs-Kammer. §. 6. Die Vollziehungs-Kammer besteht aus zwei Vollziehungsräthen und den Gewalthabern; ihr Sitz ist der gewöhnliche Aufenthaltsort des letztern. §. 7. Sind die beiden Räthe nicht im Aufenthaltsort des Gewalthabers, oder in einer Entfernung von Acht Meilen von ihr, so müssen sie zwei gemeinschaftete Mitglieder als ihre Bevollmächtigte zur Vollziehungs-Kammer ernennen. §. 8. Sie hält ihre Versammlungen monatlich, und entwirft in der ersten ihre Geschäftsordnung. §. 9. Den Secretair dieser Kammer erwählt der Gewalthaber. § 10. Die Vollziehungs-Kammer berathschlagt über Verwaltung des Ganzen, Fortgang der Geschäfte, über die Gesetzes-Vorschläge des Gewalthabers und Obercensors, und erledigt die Beschwerde-Sachen. Vom obersten Gewalthaber. §. 11. Er bekleidet die höchste Würde auf Jahresfrist. In seiner Person stellt sich der Verein als Einheit dar. Er hat: 1) den Vorsitz im hohen Rath und der Vollziehungs-Kammer. 2) Er schreibt den hohen, wie den Vollziehungs-Räthen, ihre besondern Geschäftszweige bei der allgemeinen Direction und Aufsicht zu. 3) Er wacht über die Vollziehung aller Gesetze und Verordnungen, ist allein berechtigt Gesetzes-Vorschläge bei der Gesetzes-Kammer anzuregen, dagegen der Obercensor nur durch Bitte und Berichte an sie, Gesetze vorschlagen darf. 4) Von ihm geht die Leitung aller Geschäfte aus. 5) Er wählt die Präsidenten zu den verschiedenen Geschäfts-Abtheilungen und den Director der Militair-Pflanzschule Gesetz, IV. No. 6. §. 94. 6) Ihm steht die Wahl eines Secretairs um seine Person, eines zweiten für den hohen Rath, eines dritten für die Vollziehungs-Kammer zu. 7) Die Wahl der Provinzial-Kammern geschieht unter seiner Leitung; eben so die des General-Censors §. 40 Gesetz V 514
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8) Strafen, welche die Provinzial-Kammer verhängt, kann er, wenn sie willkührlich und nicht nach klar ausgesprochenem Strafmaaße verhängt werden, ohne Anführung der Gründe mildern. Bei Veranlassung wichtiger Art, §. 42. Gesetz IV., müssen die Gründe aufgestellt werden. 9) Alle Mitglieder ohne Ausschluß müssen Aufträge von ihm aufnehmen. 10) Er führt die Liste der Mitglieder, welche sich im Vereine vorzüglich ausgezeichnet, oder das Buch des Ruhms. 11) Den Aussprüchen des hohen Raths muß er sich jedoch, hinsichts eigener Amtsführung, unterwerfen. Auch die Ermahnungen und Bitten des Obercensors annehmen und achten. 12) Er hat das Recht, Commissarien oder Abgeordnete zu erwählen, und sie mit seiner ganzen Machtvollkommenheit zu bekleiden. 13) Während der Dauer solcher Aufträge stehen die Commissarien, nur unter seiner Controlle, und geben nur ihm Rechenschaft. 14) Dergleichen Aufträge kann er jedoch nach Gutbefinden einschränken, erweitern, aufheben, oder Andern übertragen. 15) Bei ihm ist das große Siegel des Vereins. Kammer der Gesetzgebung. §. 12. Sie berathschlagt über die vom Gewalthaber angetragenen Gesetz-Vorschläge. §. 13. Ihre Gesetzgebung bezieht sich jedoch nur: a) auf die Form der Wahlen. b) Erklärung und Entwicklung der Verfassung und Gesetze. c) Revision der von den Provinzial-Kammern sich selbst gegebenen Gesetze. §. 14. Der Sitz dieser Kammer ist im gewöhnlichen Aufenthaltsort des Oberrichters. §. 15. Die Mitglieder der Raths müssen entweder in der Nähe des Oberrichters wohnen §. 7, oder durch Bevollmächtigte ihre Stellen vertreten lassen. §. 16. Die Kammer versammelt sich monathlich einmal, muß immer vollständig seyn, und in erster Sitzung ihre Geschäftsordnung festsetzen. §. 17. Dem Ober-Censor oder seinem Bevollmächtigten, muß jede Sitzung bekannt gemacht, er auch zugelassen, und die Gesetze von ihm unterzeichnet werden, wenn er gleich keine Stimme bei der Berathschlagung hat. §. 18. Alle Gesetze dieser Kammer muß, ehe sie Kraft haben, der Ober-Censor contrasigniren. Lehnt er dies ab, so muß er Gründe angeben, und das Gesetz von neuem zur Berathschlagung gezogen werden. §. 19. Verwirft die Kammer des Gesetz, oder vollzieht es der Ober-Censor, so hat es dabei sein Bewenden. Geht das Gesetz aber noch einmal in der Kammer durch und der Ober-Censor genehmigt es nicht, so muß es von dem Oberrichter oder dessen Bevollmächtigten in der nächsten Sitzung des hohen Rathes vorgetragen werden.
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Vom Oberrichter. §. 20. 1) der Oberrichter ist auf ein Jahr gewählt. An ihn gehen die Gesetz-Vorschläge und die Mittheilungen des Oberrichters ein, §. 21., No. 5. 2) Ueber diese Mittheilung führt er eine Liste, um bei dem Ausbleiben der dadurch veranlaßten Gesetz-Vorschläge beim Gewalthaber anzufragen. 3) Erhält er nach zwei verschiedenen Anfragen keine Antwort, so macht er dies dem Ober-Censor bekannt, welcher die Sache beim hohen Rath in nächster Sitzung vorträgt. 4) Der Ober-Censor wählt den Secretair, und schreibt den Räthen oder ihren Commissarien ihre Vorträge zu. Bei ihm ist das Siegel dieser Kammer. Vom Ober-Censor. §. 21. Der Inbegriff aller Censoren des gesammten Vereins macht das Censoren-Collegium aus, welches von dem Ober-Censor repräsentirt wird. §. 22. Der Ober-Censor ist auf zwei Jahr gewählt; ihm liegt ob: 1) über die Erhaltung der Verfassung zu wachen. 2) Die Controlle des sittlichen Verhaltens über die höchsten Beamten zu führen. 3) Er repräsentirt die Regierung des Staats, in welchem der Verein arbeitet, in allen Collisionen mit dem Verein. 4) Nur im hohen Rathe hat er bei den Berathschlagungen Stimme. 5) Er macht Gesetzes-Vorschläge, jedoch nur zur Verhinderung von Missbräuchen, und nicht directe, sondern nur durch Anzeige und Bitte beim Gewalthaber, indem er zugleich eine Anzeige davon dem Präsidenten der Gesetzkammer einreicht. 6) Er hat das Recht, alle Gesetze, welche von der Kammer unmittelbar gegeben werden, zu contrasigniren, oder sein Veto anzugeben, wenn solche gegen die Verfassung und das Interesse des Staats laufen. 7) Er ist berechtigt, den Versammlungen der Gesetz-Kammer, wie allen Versammlungen des Vereins, persönlich beizuwohnen, ohne jedoch sich in die Berathschlagung derselben zu mischen. 8) Eben so kann er um die Person des Oberrichters und des Gewalthabers einen Bevollmächtigten wählen. 9) Wenn einer der hohen Beamten seinen bürgerlichen und sittlichen Pflichten, oder den Gesetzen des Verein oder seines eigenen Berufs zuwider handelt, so hat er das Recht, solche zu erinnern, aufzufordern und zu warnen. 10) Den Gewalthaber, Oberrichter und die hohen Räthe kann er jedoch nur auf dem Wege collegialischer Bitte warnen. 11) Dagegen er alle übrige hohe Beamte, im Fall sie auf seine Warnung nicht hören, nach dreimaliger Wiederholung, dem Gewalthaber selbst anzeigt. 12) Im Fall auf seine Warnung überall nicht gehört wird, trägt er demnächst der General-Versammlung des hohen Raths seine Anklage vor, worauf das angeklagte Mitglied die Sitzung verlassen, und über seine Vergehungen entschieden werden muß. 516
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13) Wo der General-Censor Ankläger ist, hat er niemals selbst eine Stimme. 14) Er führt eine Liste aller derer, welche aus dem Verein gestoßen werden, den Titel führend: Buch der Schande. §. 23. Zu der Würde eines General-Censors, kann nur ein Mann von den unbescholtensten Sitten gewählt werden, und über ihn ist kein höherer Richter, als der gesammte Verein, dergestalt, daß über seine Bestrafung auf Vortrag jedes präsidirenden Geschäftsträgers in allen Kammern, mit Ausnahme der Freivereine, geurtheilt werden muß. §. 24. Die Anklage gegen ihn kann nur durch den Gewalthaber in pleno des hohen Raths veranlaßt werden, und der hohe Rath den Provinzial-Kammern, nach einer darüber zu entwerfenden Ordnung, den Ausspruch auftragen. §. 25. Sobald der Ober-Censor bemerkt, daß irgend ein Gesetz des Vereins gegen das Interesse und die bestehende Ordnung des Staats läuft, auch von ihm nicht contrasignirt worden, so hat er darüber dem Gewalthaber Vorstellungen zu machen, §. 21, No. 10. Im Fall das Gesetz oder die Verordnung jedoch schon den Provinzial-Kammern publicirt worden, hat er deren Censoren das Veto aufzutragen, welche hiernächst solches in allen Kammern durch das Censoren-Collegium aussprechen lassen, worauf es überall suspendirt ist. §. 26. Die Oberleitung gewisser Geschäfte kann dem Ober-Censor nicht aufgetragen werden, ausgenommen das Präsidiren einer Arbeits-Abtheilung. Von den hohen Räthen. §. 27. Sie sind auf zwei Jahre erwählt. 1) Die vier hohen Räthe haben unter sich einen gleichen Rang. 2) In ihrem Aufenthaltsorte sind sie durch ihre Würde, Commissiarien des Gewalthabers, und stehen nur unter dem hohen Rathe selbst. 3) Wohin sie kommen, führen sie in den Kammern den Vorsitz, und wenn mehrere Räthe zusammentreffen, der älteste von ihnen, doch geht ihnen der Obercensor, diesem der Oberrichter und diesem der Gewalthaber vor. 4) Sie können nicht mehr als einen Bevollmächtigten unmittelbar zu ihrer Kammer und den Sitzungen des hohen Rathes wählen. 5) Als Commissiarien des Gewalthabers sind sie diesem wegen seiner Geschäftsführung verantwortlich. 6) Sie stehen unter keiner Kammer, sondern brauchen nur vom Gewalthaber und dem hohen Rathe Aufträge anzunehmen. Vom Präsidenten und den Geschäftszweigen. §. 28. 1) Die Präsidenten der verschiedenen Geschäfts-Abtheilungen haben die Leitung des Wissenschaftlichen ihres Fachs, und wenn sie am Orte des Sitzes ihrer ProvinzialKammern sind, alle den Vorsitz bei den Theilungsgeschäften ihrer Abtheilung. 2) Unter ihre Redaction gehören: die Flugschriften und litterarischen Arbeiten, welche ihre Abtheilung erfordert. 517
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3) Sie haben das Recht, sich einen Secretair zu wählen; 4) die Verbindlichkeit, auf Erfordern dem Gewalthaber Bericht zu erstatten und Aufträge anzunehmen. 5) Ihre Würde ist bleibend, so lange sie nicht aus dem Vereine treten. 6) Ueberträgt der Gewalthaber ihr Fach einem besondern Commissair, so sind sie sich zu bescheiden und Folge zu leisten verbunden. Von den Geschäfts-Verwesern. §. 29. 1) Die Verweser haben alle Rechte und Verbindlichkeiten der Präsidenten. Es liegt ihnen aber besonders ob, den detaillirten Geschäftsplan für ihre Geschäftszweige bei deren ersten Organisation zu entwerfen, und dem Rathe des Stamm-Vereins vorzulegen. 2) Ihre Würde hört auf, wenn die Bestimmungen §. 5. Gesetz III. eintreten. Von dem Rathe der Provinzial-Kammer. §. 30. Der Rath der Provinzial-Kammer hat: 1) die Leitung aller Angelegenheiten für eine Provinz und die Direction aller Arbeiten. 2) Nur vom Gewalthaber und seinen Commissarien wird er dirigirt, die Arbeits-Präsidenten würken nur auf ihre resp. Abtheilungen. 3) Er wählt einen Secretair aus den Mitgliedern der Provinzial-Kammer. 4) Die Haupt-Kammern der Provinz berichten an ihn und werden beschieden. Er führt die Liste sämmtlicher Mitglieder der Provinz. 5) Im pleno der Provinzial-Kammer präsidirt der Geschäftsträger derselben und trägt die Befehle der Vollziehungs-Kammer, die Gesetzes-Vorschläge, Streitigkeiten der Rathsglieder u. s. f. wie nicht minder die Berichte über den Fortgang der Geschäfte, vor. 6) Der Rath wird in einer Reihenfolge und monatlicher Abwechselung von sämmtlichen Mitgliedern mit Ausschluß des Censors präsidirt. 7) Alle Vierzehn Tage versammelt sich der Rath, in dringenden Fällen kann der Geschäftsführer auch außerordentliche Sitzungen veranlassen. 8) Die Räthe sind verpflichtet, auf Ermahnungen und Warnungen ihres Censors wohl zu achten. Geschieht es bei dreimaliger Wiederholung nicht, so muß der Censor sie im pleno des Raths, und ist der Censor mit dessen Urtheile nicht zufrieden, vor dem pleno der Kammer, anklagen, und ihre Verurtheilung und Bestrafung veranlassen. In den Händen des Geschäftsführers ist das Provinzial-Siegel. 9) Die Räthe sind auf ein Jahr gewählt. §. 31. In der Eigenschaft als die fünf Geschäfts-Directoren leitet 10) Jeder eine Abtheilung der Geschäfte in der Provinz. 11) Jeder Director wählt sich in den Kammern der Provinz Geschäfts-Inspectoren. 12) Von dem Präsidenten nehmen sie nur Aufträge in Betrieb des Wissenschaftlichen ihres Faches an, beim Practischen sind sie demselben nicht unter-, sondern zugeordnet, und hängen zunächst vom Pleno ihres Rathes selbst ab. 518
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13) Den Plan zur Verwaltung ihres Geschäfts-Zweiges, arbeiten sie mit dem Präsidenten oder Verweser ihres Geschäfts-Zweiges gemeinschaftlich aus. Von dem Fortgange geben sie demselben collegialische Auskunft. Bei Zwistigkeiten müssen sie ihre Meinung der des Präsidenten oder Verwesers unterwerfen, bis die Vollziehungs-Kammer oder die sie vertretende Behörde entschieden hat. 14) Die Verwaltung der Kasse oder des Fonds ihrer Abtheilung steht allein unter ihnen, doch müssen sie dem Pleno des Raths und der Vollziehungs-Kammer Rechenschaft ablegen. 15) Der Director der Offizier-Pflanzschule §. 39. Gesetz III. steht unmittelbar unter dem Gewalthaber, oder seinen Commissarien. 16) Die Dauer ihrer Würde hängt von der Zeit ab, daß sie Mitglieder des Provinzial-Rathes sind. Das Directoriat der Offizierschule hängt lediglich vom Gewalthaber ab. Vom Provinzial-Censor. §. 32. Er ist auf Jahresfrist gewählt und hat die Bestimmung des Ober-Censors §. 22. No. 1.2. Jedoch ist er den Aussprüchen des hohen Raths und der Controlle des Ober-Censors unterworfen. §. 33. Er hat das Recht, sich einen Arbeits-Secretair zu wählen, und unterscheidet sich vom OberPräsidenten durch die Direction der Sechsten Abteilung, hinsichts welcher er vom Provinzial-Rath, und durch ihn von der Vollziehungs-Kammer abhängt; zugleich hat er das Ankläger- und Sühne-Richter-Amt. §. 34. Der Censor führt die Sitten-Liste der Mitglieder seiner Kammer, und seine Controlle erstreckt sich über die ganze Provinz. §. 35. Bei Anklagen von ihm ladet der Geschäftsträger des Raths den Angeklagten vor, und legt ihm bei geringen Vergehen mäßige Strafe auf. Bei größeren Vergehen, oder wenn der Angeklagte sich dem Ausspruche des Geschäftsträgers nicht unterwerfen will, trägt der Censor die Sache bei nächster Session der Kammer in Gegenwart des Angeklagten vor. In derselben Session finden weitere Verhandlungen darüber nicht statt. Der Angeklagte wählt sich einen Vertheidiger und zwei Richter; der Geschäftsträger erwählt deren gleichfalls zwei. §. 36. In folgender Sitzung sucht der Defensor den Angeklagten zu rechfertigen, welcher dieser Sitzung nicht beiwohnt. Die vier Richter und der Geschäftsträger machen das Gericht, sie sprechen das Urtheil, welches dem Vertheidiger bekannt gemacht wird. §. 37. Dem Verurtheilten bleibt die Appellation an den Vollziehungsrath übrig. §. 38. Bei Zwistigkeiten der Mitglieder untereinander vertritt der Censor die Stelle des Sühne-Richters. §. 39. Sobald er Ruhe und Sitte, in der Formel: „Vermöge meines Censors-Amts gebiete ich Frieden“ befiehlt, muß ihm gehorcht werden. §. 40. Wer das erstemal darauf nicht achtet, soll 5. Thlr., das zweitemal 20 Thlr. an Geldstrafe, und zum drittenmal mindestens halbjährigen Ausschluß und 25 Thlr. Geldstrafe erleiden. 519
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§. 41. Diese Strafen werden von der Kammer selbst erkannt. §. 42. Sehr verdiente und gemeinnützliche Handlungen berechtigen den Rath der Kammer oder den Gewalthaber, die Strafe zu mildern oder aufzuheben. §. 43. Bei Streitigkeiten von Mitgliedern müssen solche zur Wissenschaft des Censors gebracht werden, welcher zu zweimalen, nämlich höchstens vierzehn Tage nach der Anzeige, und wenn das erstemal der Versuch fehl schlägt, acht Tage darauf, die Sühne versucht. §. 44. Schlägt der Sühneversuch fehl, so wählt jede Partei zwei Richter, trägt ihre Sache vor, der Censor den Sühnebericht, und der Streit wird nach den Bestimmungen §. 36, unter Vorsitz des Geschäftsträgers, von der ganzen Kammer entschieden. §. 45. Fällt der Ausspruch so aus, wie der Censor vorgeschlagen, so muß der, welcher den Vergleich nicht annahm, und wenn dies vom Bunde geschah, beide eine Sühnestrafe von 2 Thlr. zur Straf-Kasse der Kammer zahlen. §. 46. Ist der Geschäftsträger in einen solchen Streit verflochten, so leitet sein Nachfolger das Gericht. §. 47. Jedes Mitglied muß, bei nachdrücklichen Strafen, gesetzwidrige und unwürdige Handlungen der Mitglieder dem Censor anzeigen. Dieser ist, bei Verlust seiner Würde und alles Vertrauens im Vereine, den Namen des Anzeigers zu verschweigen verbunden. §. 48. Jede Anzeige muß möglichst mit Beweisen unterstützt, und nicht eher darf vom Censor der Angeklagte genannt werden, bevor er nicht von der Richtigkeit der Angabe überzeugt ist. §. 49. Hat er sich von der Unrichtigkeit eines allgemein eingerissenen Verdachts überzeugt, so muß er bei nächster voller Versammlung mit lauter Stimme verkündigen: N. N. war angeklagt, daß er u. s. w. gethan, ich halte mich von seiner Unschuld überzeugt. §. 50. Mehr Erklärung darf er nicht geben, und bei Strafe von ihm nicht gefordert werden. §. 51. Nicht bloß in Beziehung auf den Verein, sondern auch als Mensch und Staatsbürger, steht jedes Mitglied unter Censur seiner Kammer. Von den Provinzial-Kammern. §. 52. Provinzial-Kammer ist der Inbegriff von 30 auf 30 Jahr gewählten Deputirten der gesammten Kammer einer Provinz; bei ihr ist: 1) die Gesetzgebung jeder Provinz. 2) Die verschiedenen Abtheilungen der Geschäfte. 3) Der Richterstuhl für die Zwistigkeiten der Provinzial-Rathsglieder. 4) Aus ihnen wird der hohe Rath gewählt und integrirt und sie erwählen den Provinzial-Rath und den Censor. 5) Ihre Gesetze gelten jedoch nur so lange einstweilen, bis sie von der Gesetzkammer bestätigt werden, §. 13. Lit. 6. §. 53. Mitglieder, die nicht am Orte des Sitzes wohnen, sind als Mitglieder der Provinzial-Kammer unausgesetzt vorsitzende Geschäftsträger der Kammer, wo sie sich aufhalten, 520
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und präsidiren in allen Kammern wohin sie kommen. Nur bei Provinzial-Kammern kann Rüge wider sie erhoben werden. Sie sind die natürlichen Inspectoren für die Arbeits-Zweige in der Provinz. Von den Räthen der verschiedenen Haupt-Kammern. §. 54. Die Räthe der Hauptkammern oder der Inbegriff von Geschäftsträgern, welche in den ersten Jahren der Stiftung auf ¼, nachher auf ein Jahr gewählt werden, haben: 1) die Geschäftsführung ihrer Haupt-, Nebenkammern und Freivereine. 2) Die Betreibung der Geschäfte und Arbeiten nach Auftrag der Provinzial-Kammern. 3) Der Buchführende Geschäftsträger präsidirt im Rathe und in der Kammer, und hat das Recht, mäßige Ordnungs-Strafe zu erkennen. 4) Der Rath ertheilt Autorisation zur Gründung von Nebenkammern die zu ihm ressortiren. 5) Bei ihm ist, a) das Siegel der Kammer; die Liste der Mitglieder, ihrer Nebenkammern und Frei-Vereine, b) das Buch der Einschreibung (Reversbuch), c) Buch Südpreußischer Offizianten, und des Ehrenreinigungs-Tribunals §. 6 u. 10. Gesetz I. Von den Haupt-Kammern. §. 55. Bei ihnen ist die Gesetzgebung, Betrieb der Geschäfte unter Anleitung ihres Raths; das Recht über die Vergehungen eigener Glieder, ihrer Geschäftsträger, Entscheidung in Appellationen ihrer Nebenkammern. Endlich wählen sie die Mitglieder der Provinzial-Kammern. Von den Neben-Kammern. §. 56. Je nachdem sie mehr oder weniger Mitglieder haben, nähern sie sich in ihren Einrichtungen und Bestimmungen den Haupt-Kammern, §. 55. Von den Censoren der Haupt- und Neben-Kammern. §. 57. Ihre Bestimmung, Pflichten und Geschäfte, sind denen des Provinzial-Censors gleich, nur stehen sie unter der Kontrolle des Provinzial-Censors, und wenn sie zu einer Neben-Kammer gehören, des Censors der Hauptkammer. Sie führen die Liste der Fehlenden, aus welcher sie den vorgesetzten Censoren, bis hinauf zum Obercensor, berichten; überdies halten sie das Buch des Einflusses, §. 17. Gesetz I. Vom Stammverein. §. 58. Der Stammverein zu Königsberg vertritt die Stelle: 1) sämmtlicher Provinzial-Kammern bis zu deren Stiftung; 2) des hohen Rathes. 521
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§. 59. Der Rath des Stammvereins vertritt die Stelle: 1) des Gewalthabers; 2) des Vollziehungs-Raths; 3) des Raths aller Provinzial-Kammern, bis zu ihrer Einrichtung. §. 60. Der Censor des Stammvereins vertritt: 1) den Obercensor; 2) die sämmtlichen Provinzial-Censoren, bis zu ihrer Einführung. §. 61. Der Stammverein bildet aus sich einen Ausschuß, zur Erläuterung und Ergänzung der Gesetze, welche gesammelt, und nach Errichtung des hohen Rathes, von demselben revidirt, und die Verfassung vervollständigt werden soll. Bis dahin gelten sie interimistisch wenn der Stammverein, bei dem die Gesetzgebung ist, sie annimmt. §. 62. Jede der Zehn Hauptkammern in Königsberg muß innerhalb drei Monat von ihrer Stiftung, sich wenigstens auf Zehn Mitglieder ansammeln, sonst wird sie, nach Bestimmung des Raths des Stammvereins, unter die übrigen eingetheilt. Im Januar künftigen Jahres werden die Zehn Hauptkammern bis auf Fünf verringert, so daß die Schwächste der Stärksten zuwächst, und auch diese Zahl muß in der Folge bis auf höchstens Drei verringert werden. Gesetz V. Grundsätze der Wahlen. §. 1. Die Wahlen im Verein werden in der Regel durch Stimmenmehrheit entschieden. §. 2. Jeder Stifter ist im ersten Vierteljahre Geschäftsträger und Censor seiner Kammer. Tritt er in dieser Zeit aus, so müssen beide gewählt werden. §. 3. Wächst die Zahl der Mitglieder auf Zwanzig, so wird ein zweiter Geschäftsträger durch Stimmenmehrheit auf ein Vierteljahr gewählt. §. 4. Jeder, der seine Aufnahme wünscht, muß von einem Mitgliede vorgeschlagen und vertreten, auch von demselben beim Vorschlage in der General-Versammlung eine kurze Schilderung seiner Eigenschaften gemacht, und Gewährsmännern, ihrer Richtigkeit genannt werden. §. 5. Die Wahl wird erst in nächster Sitzung der General-Versammlung vorgenommen. §. 6. Wer verneinend stimmt, muß seinen Namen beisetzen, innerhalb drei Tagen dem buchführenden Geschäftsträger seine Gründe anzeigen, widrigenfalls auf die Weigerung nicht Rücksicht genommen wird; worauf dann in nächster Sitzung die Wahl wieder vorgenommen, die Gründe erwogen werden und von neuem gestimmt wird. §. 7. Ist die Mehrheit verneinend, so muß der Vorschlag für immer von derselben Kammer verworfen werden, stimmt aber ein Drittel verneinend, so muß der Adept auf einige Zeit abgewiesen werden. §. 8. Ist die Zahl der Mitglieder auf Dreißig erhöht, so werden die fünf Geschäftsträger, nebst dem Censor für die ersten zwei Jahre der Dauer halbjährig, nach jener Zeit aber auf zwei Jahre, gewählt.
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§. 9. Die neue Wahl geschieht unter Vorsitz des Censors, in der General-Versammlung, welcher dann aber keine Stimme hat. §. 10. In den ersten zwei Jahren treten halbjährig zwei Monat zwei Geschäftsträger aus dem Rath, dergestalt, daß nach Ablauf der ersten zwei Monate die fünf Geschäftsträger, nach Ablauf der folgenden zwei Monate die drei alten Geschäftsträger über den Austritt loosen, endlich nach Ablauf des halben Jahres der Censor, und der letzte alte Geschäftsführer ohne Loosen austreten. §. 11. Dieselben Mitglieder können wieder gewählt werden, doch müssen sie wenigstens Dreiviertel sämmtlicher Stimmen der Mitglieder einer Kammer für sich haben. §. 12. Kammern, die weder Dreißig Mitglieder, noch auch bereits drei andere Nebenkammern oder Freivereine in ihren Sprengeln angelegt haben, ressortiren zu bereits gestifteten Hauptkammern. §. 13. Sind mehrere Hauptkammern ihr gleich nahe, so bestimmt die Provinzial-Kammer oder der Stammverein ihr Ressort. §. 14. Die Wahl der ersten Provinzial-Kammer geschieht unter Aufsicht des Stammvereins oder des von ihr ernannten Commissarius. Bis zur Errichtung derselben kann der Stammverein die Geschäfte durch die älteste Hauptkammer in einer Provinz leiten. §. 15. Wird die Wahl der Provinzial-Kammer nöthig, so bestimmt der Stammverein durch Commissarien, nach der Zahl sämmtlicher Mitglieder einer Provinz, auf wie viel Mitglieder die Wahl eines Deputirten fällt. Stifter von Freivereinen haben zwei Stimmen in ihrer Hauptkammer, Freivereine aber werden nicht gerechnet. §. 16. Neben-Kammern schicken ihre Stimmen an ihre Haupt-Kammern ein; ist ein Ueberschuß an Mitgliedern vorhanden, auf die keine Wahl fällt (z. B. 19, wenn 10 wählen), so wächst die Ueberzahl der Haupt-Kammer zu, welche sich solche anrechnet, und die Neben-Kammer selbst darf nur ihrer Haupt-Kammer annoch einen Deputirten in Vorschlag bringen. §. 17. Der Rath der Haupt-Kammer dirigirt das Geschäft, und hat die Einsicht in den Wahlbericht der Neben-Kammern. Erst wenn die Neben-Kammern ihre Wahl eingesandt, wählt die Haupt-Kammer. §. 18. Der Commissarius des Stammvereins empfängt die Wahlberichte von den HauptKammern unmittelbar; er versammelt die in der Provinzial-Hauptstadt befindlichen Räthe der Haupt-Kammer um sich, eröffnet in ein und derselben Sitzung sämmtliche Wahlzettel, und proklamirt nach derselben die Mitglieder der Provinzial-Kammer zum schriftlichen Protokoll. §. 19. Wäre ein Mitglied, von mehreren Haupt-Kammern zugleich gewählt, oder fehlten Mitglieder durch die Ueberschüsse in sämmtlichen Haupt-Kammern, so steht dem Stamm-Vereine, oder nach Maaßgabe seiner Vollmacht, dem Commissair, die Ergänzungs-Wahl zu. §. 20. Jede Haupt-Kammer, welche Ueberfluß an Mitgliedern hat, darf dennoch einen Deputirten in Vorschlag bringen; die Namen derselben werden gleichfalls zu Protokoll 523
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proclamirt, aus ihnen muß die Ergänzungs-Wahl und möglichst so geschehen, daß die Zahl der Mitglieder in Hauptorten vermehrt werden. §. 21. In den ersten 2 Jahren von der definitiven Einrichtung des Vereins, oder, wenn ihre Stiftung später fällt, vom Stiftungs-Tage an gerechnet, sind die Mitglieder der Provinzial-Kammer zwar nur auf ein Jahr nach jener Zeit aber auf 3 Jahr gewählt. §. 22. Dieselben Mitglieder können jedoch wieder gewählt werden. §. 23. Der Commissair zeigt allen Mitgliedern ohne Unterschied an, daß sie gewählt worden, und bestimmt den ersten Sitzungs-Tag zur Wahl der Beamten. §. 24. An diesem Tage macht er die Ergänzungs-Wahlen bekannt, führt die im Ort befindlichen Mitglieder ein, und läßt die Wahl des Raths unter seinem Vorsitz geschehen. §. 25. Im ersten Jahre tritt alle Vier Monat ½ der Mitglieder durch das Loos aus. Für die abwesenden Mitglieder zieht der Censor. Zu Ende der Ersten Acht Monate ziehen die alten Mitglieder, jedoch beide Male der Censor und die Fünf Geschäftsträger nicht mit, welche zu Ende des Jahres mit dem letzten alten Drittel austreten. §. 26. Die neue Wahl geschieht unter Aufsicht und Anweisung des Gewalthabers oder seiner Stellvertreter. Nach Ablauf der Ersten Zwei Jahre geschieht der Austritt nach Ordnung §. 25. nur jährlich, jedoch müssen immer Zwei Mitglieder einer Provinz daran Theil nehmen, mit dem Unterschied, daß wenn die Zahl der wählenden zu groß ist, die Vertheilung bloß auf die Haupt-Kammern geschieht, und daß bei zu großer Menge immer die nächst zusammenliegenden Kammern gemeinschaftlich sich über ihre Wahl des Deputirten zur Ergänzung vereinigen müssen. §. 27. Bei der Wahl des hohen Raths kommt es darauf an, ob nur Drei oder Vier Provinzial-Kammern daran Theil nehmen. Sind deren schon Vier, so wählen die, welche die zahlreichsten Provinzen repräsentiren, Zwei, die welche die schwächste Provinz vertritt, Ein Mitglied. Sind nur Drei so wählt die stärkste Provinz Drei, die übrigen nur Zwei Mitglieder zum hohen Rath. Bei gleicher Mitglieder-Menge, entscheidet erst das Alter, ist auch dies gleich, dann das Loos. §. 28. Die Provinzial-Kammern fertigen ihre Wahl durch ihren Rath, in der von ihm bestimmten Zeit, dem Censor des Stamm-Vereins, bei der ersten Wahl, und in den folgenden Ergänzungs-Wahlen dem Ober-Censor zu. §. 29. Bei der ersten Wahl treten die Censoren der Haupt-Kammern zu Königsberg in Preußen, und sämmtliche Haupt-Kammern dieser Provinz, so weit sie daran Theil nehmen wollen, unter dem Vorsitz des Censors des Stamm-Vereins, in Königsberg zusammen. An sie werden die Wahlberichte der Provinzial-Kammer und des Stamm-Vereins nach §. 28. eingereicht. §. 30. Der Censor des Stamm-Vereins hat bei der ersten Wahl in derselben keine Stimme, und kann auch selbst nicht, wohl aber die übrigen Censoren, zum Mitglied des hohen Raths gewählt werden. §. 31. In der Sitzung werden die Wahl-Berichte der Provinzial-Kammer eröffnet, recognosciret und attestiret, hierauf von dem Vorsitzer laut vorgelesen und zu Protokoll verzeichnet. 524
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§. 32. In derselben Sitzung wird den Neugewählten ihre Wahl angezeigt, und ihnen die Sitzung bestimmt, in welcher die Wahl des Gewalthabers (Ober-Richters, Ober-Censors) der Rechts- und Vollziehungsräthe ergehen soll. §. 33. Dasselbe Censoren-Collegium versammelt sich von neuem, doch darf keiner der Gewählten Theil an dieser Sitzung nehmen. §. 34. Hätte sich ergeben, daß bei den Wahlberichten §. 32. einzelne Gewählte mehrere Stimmen haben, so müssen sogleich so viel Loose als erforderlich sind, gemacht, und darin die Namen der Zwei, Drei oder Vier Provinzial-Kammern eingereicht werden. Der jüngste Censor zieht das Loos derjenigen Kammer, welche nicht an der neuen Wahl Theil nehmen soll. Hat eine Kammer zuerst nur ein Mitglied gewählt, so muß ihr ohne Loos die Wahl der Ergänzung sofort aufgetragen werden, und dieß wird so lange wiederholt, bis die Zahl von sieben Mitgliedern vollständig ist. §. 35. Die Wahl-Berichte der hohen Räthe zu den höchsten Beamten werden gleichfalls versiegelt eingesandt, und die Proclamation derselben geschieht, wie §. 31; vor den Wahlen selbst erhalten durch das Censoren-Collegium sämmtliche Provinzial-Kammern Bericht. §. 36. In derselben Sitzung werden die Glückwunsch-Schreiben an die hohen Beamten erlassen, eine Deputation des Stamm-Vereins überreicht das große Siegel, die General-Listen, die Bücher des Ruhms und der Schande, das ursprüngliche Gesetzbuch, und die Ergänzungs-Artikel, welche zugleich mit den Schreiben an die resp. hohen Beamten eingesandt werden. §. 37. Hierauf geht das Censoren-Collegium auseinander, und der Stammverein tritt durchaus in das Verhältniß der Provinzial-Kammern für das Königreich Preußen zurück. §. 38. In den ersten beiden Jahren seiner Stiftung scheiden aus dem hohen Rathe halbjährig, dann jährlich zwei Mitglieder aus. Im ersten halben Jahre loosen die vier Räthe allein, im zweiten werden der Ober-Censor und die zwei neuen Mitglieder nicht mitloosen, im dritten treten die beiden ältesten Glieder, mit Ausschluß des Ober-Censors, im vierten diese allein ohne Loos aus. §. 39. Immer muß den Provinzial-Kammern vor ihrer Wahl der Erfolg des Looses bekannt gemacht werden. §. 40. Der Ober-Censor leitet die Ergänzungs-Wahl, außer bei seinem Austritt, wo sie vom Gewalthaber dirigirt wird. §. 41. Bei der Wahl der Ergänzung wählen Preußen und Pommern zusammen, Schlesien und die Marken gleichfalls zusammen, ein Mitglied des hohen Raths. §. 42. Die Bestimmung über die Form solcher Wahlen, soll vom hohen Rathe in seinen ersten General-Sitzungen noch genauer, nach den dann vorhandenen örtlichen Verhältnissen, bestimmt werden. §. 43. Die Mitglieder des Stamm-Vereins sind zwar auf ein halbes Jahr gewählt, indessen treten alle zwei Monate ein Drittel durch das Loos aus, dergestalt, daß im ersten Termine die Mitglieder des Raths nicht mitloosen; im zweiten loost der Censor und die neuen Mitglieder nicht mit, und im dritten tritt der Censor und das letzte Drittel der Mitglieder ohne Loos aus. 525
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§. 44. Bei den ersten Ergänzungs-Wahlen nehmen bloß die Haupt-Kammern zu Königsberg Antheil, bei den folgenden auch die andern Kammern im Königreich Preußen. §. 45. Dieselben Mitglieder können wieder gewählt werden, und es muß deshalb der Erfolg des Looses den Haupt-Kammern bekannt gemacht werden. §. 46. Die Mitglieder des Raths sind im ersten Jahre von der Stiftung an gerechnet, und bis der Stamm-Verein sich in die Provinzial-Kammer auflöset, für ein Vierteljahr, der Censor für ein halbes Jahr gewählt. Alle Monate müssen im ersten halben Jahre Zwei Glieder ausscheiden und in den Stammverein zurücktreten. §. 47. Der Austritt geschieht durch das Loos, an welchem jedoch der Censor nicht Theil nimmt, welcher zuletzt ohne Loos austritt. §. 48. Dieselben Mitglieder können, jedoch nur wenn sie drei volle Drittheile der gesammten stimmgebenden Mitglieder für sich haben, wieder gewählt werden. §. 49. Der Censor dirigirt das Geschäft des Loosens im Rathe und der Wahl im StammVerein, bis er selbst, austritt, wo der buchführende Geschäftsträger vorsitzt. Gr undsätze der Verf assungs-Urkunde des Tugend-Vereins. Die wesentlichen Punkte in den Grundgesetzen zu der Zeit als die Urkunde, nach den in der Einleitung berührten Veränderungen, zur Königlichen Genehmigung (welche nicht erfolgte) vorgelegt wurde, bestanden in folgendem: 1) Sittlichkeit, Religiosität, ernster Geschmack und Gemeingeist befördern die Wirksamkeit der Gesetze und unterstützen die Machthaber in der Verwaltung des Staates, denn gutes Bürgerthum gründet sich auf wahre Menschheit. 2) Die Bildung zur wahren Menschheit ist Sache der Freiheit des Einzelnen; allein der Begriff der Menschheit selbst schließt den Begriff der Allgemeinheit in sich, und weist in diesem hin auf einen Verein der Kräfte, zur gemeinschaftlichen Ausbildung. 3) Dieser Verein, obgleich den bürgerlichen voraussetzend, und sich ihm anschließend, weil die Zwecke des Staates auch die Zwecke der Menschheit sind, ist dennoch selbst von nicht bürgerlicher Verfassung, weil seine Zwecke durch Zwang nicht erreichbar sind. 4) Die drückenden Zeitumstände, das Streben nach äußern Dingen, die Vernachlässigung des innern Menschen, die Ueberladung bürgerlicher Geschäfte, lassen Ausgelassenheit des Volkes fürchten, wenn die Gutgesinnten sich nicht vereinigen, um dem drohenden Uebel entgegen zu würken. 5) Es entstehe also ein Verein, dessen Mitglieder das Gute erkennen und mit Festigkeit wollen, den Zweck der Menschheit selbst erstrebend, ein gleiches Streben im Volke zu erringen suchen. 6) Dieser Verein sey nicht geheim, nicht mystisch, kein Orden, schreite aber nicht vorschnell zu Tage. 7) Der Verein arbeite durch Wort und Schrift und Beispiel darauf hin: daß Vaterlandsliebe, Deutschheit, Geradsinn, Bürgersinn, Liebe für den König, für die Gesetze, Fröm526
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migkeit, Religion, Gottesdienst, Liebe zu der Kunst und Wissenschaft, Menschlichkeit und Brudersinn, Muth und Hoffnung, Freimüthigkeit und körperliche Festigkeit – daß der Haß gegen Ueppigkeit, Falschheit, Selbstsucht, Kriecherei, Verweichlichung, wachse, und daß Jeder den Menschen an allen Orten aufsuche, um ihn zu diesem Zweck zu führen, damit sich der bessere Theil des Volks mehre, und mit der Regierung zur wirksamern Ausführung ihrer Maßregeln vereinige. 8) Da der große Haufe so leicht irre geführt werden kann, so suche der Verein vorzüglich eine Gemeinmeinung für die Regierung in der Volksmenge zu bewürken, erhebe sich gegen zügellose Schriften und Reden zum Nachtheil des Staates, der Religion und guter Sitten. 9) Der Verein ist gegen keine Gesellschaft und kein Volk, denn er hält sich in den Grenzen der Landesgesetze und entsagt aller gesetzwidrigen Einmischung. Er bildet keine eigne Macht im Staate. Seine Würksamkeit ist bedingt durch die Anordnung in der Regierung, obgleich nicht durch örtliche Grenzen beschränkt. Sein Zweck ist daher vaterländisch, sofern der Verein zur Veredlung des preußischen Volks; weltbürgerlich, sofern er zur Beförderung des wahren Guten und Schönen, überhaupt thätig seyn soll. Quelle: Ueber den Tugendbund. In: Freimüthige Blätter für Deutsche, in Beziehung auf Krieg, Politik und Staatswirthschaft. Eine Zeitschrift in zwanglosen Heften. 1. Bd., Berlin 1815, H. 4, S. 113–143, und 2. Bd., Berlin 1816, H. 5, S. 1–44.
II) Endfassung der Statuten, 28. Juli 1808 Verfassung / der Gesellschaft zur Uebung öffentlicher Tugenden, / oder / des sittlichwissenschaftlichen Vereins. / 1808 I. Grundartikel. §. 1. Wenn es in einem Volk an Sittlichkeit, Religion, ernstem Geschmack und Gemeingeist fehlt, so sind die Gesetze der Obern kraftlos, und in der Verwaltung des Staats arbeitet der bürgerliche Tod. §. 2. Selbst das Schicksal der Armeen einer Nazion hangt von der Bildung im Volke ab; werden die Heere des Volks bis zur Vernichtung besiegt, ohne daß neue wieder aufstehn, so liegt die halbe Schuld im lockern Volke. §. 3. Es ist also zweifellos, daß das Wohl des Staats auf seiner Bürger Geiste ruhe, daß die Staatsverwaltung durch die Willigkeit im Volk ihren Nachdruck bekomme, und daß überhaupt ein gutes Bürgerthum auf gute Menschheit warte. §. 4. Die Theile der bürgerlichen Verfassung selbst bilden zum Bürgerthum, aber nicht zur Menschheit; denn die Verwalter der Schulen, der Kirchen, des Rechts, der Polizei u. dgl. müssen selbst zuvor gute Menschen sein, ehe sie in ihren bürgerlichen Zöglingen wahre Menschheit bilden können. 527
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§. 5. Zwar ist die Bildung zur wahren Menschheit eine Sache der Freiheit jedes Einzelnen; allein die Menschheit ist doch eine Idee von Allgemeinheit, und in dieser weiset sie auf einen Verein hin. §. 6. Also wird sie nur durch einen Verein von nichtbürgerlicher Verfassung ins Leben gerufen. §. 7. Zwar sind freie Verfassungen in literarischen, religiösen und freimaurerischen Vereinen da. Diese aber liegen unter Theorien oder Formen, oder gehn mit ihrem Einflusse nicht über ihren Kreis hinaus zur Welt. §. 8. Der Krieg, welcher in seinen Folgen immer drückender wird, weil seine Verbreitung wächst und er in jedem Friedensschlusse neue Nahrung bekommt – das allgemeine Hinstreben auf Politik mit Abneigung von Seelenbildung und mit Ungeschmack an stillern Studien – die durch den Wechsel großer Staatenverhältnisse entstandene Neuerungssucht – die durch Kriege herbeigeführte Ueberladung und Verwirrung in den bürgerlichen Geschäften – endlich die wachsende Unzufriedenheit mit den Machthabern u. dgl. – geben die bange Furcht, es werden Wildheit und Zügellosigkeit in die Völker einkehren. §. 9. Solches zu verhüten und die Völker in die Leitung der Vernunft zu nehmen, ist das Streben jedes bessern Menschen. §. 10. Doch ist Jeder einzeln zu schwach für diesen Zweck; es sei denn, er trage sich mit dem Gefühle von wechselseitiger Treue, Liebe und Achtung dem Sturm entgegen. §. 11. Ein Verein allein kann dieses Gefühl geben und ist daher eine sichere Burg, wenn jene Ungewitter kommen. §. 12. Damit die Heere, welche vor Aufruhr schützen sollen, nicht selbst Unmenschlichkeiten begehen, müssen auch sie einen guten Geist aus der Idee eines Vereins zur wahren Menschheit nehmen. §. 13. Eine Genossenschaft wirkt mit mehr Macht und Furchtlosigkeit auf die Zwecke der Einzelnen hin, als diese allein wirken können. §. 14. Es entstehe also ein Verein, welcher durch sein Streben nach wahrer Menschheit die Ideen derselben im Volke zu beleben suche. §. 15. Ein musterhaftes Leben, Humanität und Anfesselung jedes Menschen an jeden und an das Gesetz, ist das Ziel dieses Vereins. §. 16. Festigkeit im Sinne und irgend welche gute Auszeichnung, sind die Bedingungen zur Wahl der Mitglieder. §. 17. Der Glaube, daß ein solcher Verein schon da sei, muß von den Mitgliedern befördert werden, weil der Verein durch diesen Glauben an würdiger Mehrheit gewinnt und zunimmt. §. 18. Dieser Verein ist nicht geheim und scheuet nicht das Licht; aber die Mitglieder schreiten auch nicht vorschnell zu Tage, sondern treten zur Verborgenheit zurück, wenn nicht die Pflicht sie aufruft. §. 19. Die Anstalten jedes Mitgliedes zur Mehrung der Genossenschaft und zur Erreichung des Zwecks werden von den Mitgliedern gefördert. 528
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§. 20. Die Mitglieder arbeiten mündlich oder schriftlich und durch alle Mittel ihrer Macht darauf hin, daß Vaterlandsliebe, deutsche Selbheit, Geradsinn, Liebe zu den natürlichen Verhältnissen der Familie, Anhänglichkeit an den Monarchen und die Verfassung, Achtung gegen Gesetz und Obere – daß Religiosität, Liebe zur Wissenschaft, Humanität und Brüderlichkeit, Muth und Hoffnung, Freimütigkeit und körperliche Festigkeit – daß der Haß gegen den Luxus, dieses Gift der Treue, der Natürlichkeit und offenen Schlichtheit, und diesen Pfleger von Falschheit, Selbsucht und gekünstelten Sitten, der Haß gegen Schmeichelei, Kriecherei, Verweichlichung und Menschenscheu – wachse, und daß ein Jeder den Menschen an allen Orten aufsuche, um ihn zu diesem Zwecke zu führen. §. 21. Dieser Verein ist gegen keinen Menschen, keine Nazion: aber wahre Menschheit soll seine Liebe seyn, und das Laster sein Haß. §. 22. Er entsagt in seinen Grundsätzen aller unmittelbaren und machthabenden Einwirkung auf Politik und Staatsverfassung. §. 23. Er soll kein Strafgericht gegen die Großen des Landes bilden, noch auch sich Anmaßungen gegen ihren Wirkungskreis erlauben; er will mit Liebe zu den Herzen gehen, und in die Tiefe wahrer Menschheit sich versenken. §. 24. Jedes Mitglied erhebt sich gegen zügellose Reden zum Nachtheile des Landesherrn, der Religion und der guten Sitten; dagegen Jeder laut wird für den edeln Sinn unsres jetzigen Königs, und zur Belehrung über seine Anordnungen. §. 25. Milder Ernst gegen Untergebne, Nichtduldung der Frechheit und des vorlauten Geschwätzes, müssen in der Familie der Mitglieder eben so herrschen, als jedes Mitglied die Aufsuchung des gemeinen Volks sich zum Zwecke stellt, um demselben sittlichen Enthusiasmus einzuflößen. §. 26. Werthaltung des Gottesdienstes gehört zu den Pflichten dieses Vereins. §. 27. Die Organisazion des Vereins und deren Abtheilungen sind in der besondern Verfassung desselben bestimmt angegeben. II. Verfassung. Einleitung. §. 1. Der Zweck des Vereins – Verbesserung des öffentlichen Zustandes des Preußischen, und hiernächst des Deutschen Volks, durch gemeinschaftliches Wirken tadelloser Männer – ist bereits in den Grundartikeln ausgesprochen, und kann nicht verändert, sondern nur entwickelt werden. §. 2. Solche Deutungen haben nur als Ausflüsse der gesetzgebenden Macht des Vereins verbindliche Kraft. §. 3. Wort, Schrift und Beispiel, nicht beschränkt durch örtliche Grenzen, sind die Mittel des Vereins. §. 4. Durch ihn soll den Gesetzen des Staates weder etwas zugethan noch genommen werden.
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§. 5. Der Verein wirkt jedem Gemeinschädlichen, dessen Entstehn oder Folgen ihm bekannt werden, vorzüglich dem Eigennutz und solchen Lastern entgegen, welche das allgemeine Wohl und das der Mehrzahl angreifen. §. 6. Er weckt und schärft den Sinn für öffentliche Pflichten, und errichtet im Volke selbst einen Richterstuhl gegen Verletzung derselben. §. 7. Die Staatsgewalt in Veredlung und Beglückung des Volks zu unterstützen, werden die Schritte des schlechten Bürgers vom Vereine mit angestrengter Aufmerksamkeit verfolgt und auf gesetzlichen Wegen unwirksam gemacht; er vereint daher den bessern Theil des Volks mit der Regierung zur schnellern und wirksamern Ausführung ihrer Maßregeln, dem gesunkenen Vaterlande wieder aufzuhelfen. §. 8. Er bildet eine Schutzmauer um den Thron des jetzigen Beherrschers von Preußen und des Hauses Hohenzollern gegen den Andrang des unsittlichen Zeitgeistes. §. 9. Er bildet keine eigne Macht im Staate (statum in statu), vielmehr ist vernünftige Unterwerfung unter die Anordnungen der Regierung ausschließliche Bedingung seiner eignen Wirksamkeit. §. 10. Sein Zweck ist daher vaterländisch, sofern er zur Veredlung des Preußischen Volks – weltbürgerlich, sofern er zur Beförderung der Wahrheit und Tugend überhaupt thätig ist. §. 11. Wenn also gleich der thätig tugendhafte Mensch Gegenstand der Wirksamkeit des Vereins ist, so ist es doch zunächst der gute Bürger, und zuvörderst der gute Preußische Staatsbürger. §. 12. Demnach beschäftigt sich der Verein vorzüglich mit Verbesserung der Erziehung nach folgenden Gesichtspunkten: a) Die Einsichten der Jugend sollen mehr, als bis jetzt geschehn, auf das Allgemeine, zur Beurtheilung ihrer Pflichten gegen das Vaterland und der Vorzüge seiner Verfassung, gerichtet werden. b) Das Gemüth der Jugend soll von dem ersten Unterricht an, durch Erweckung und Schärfung des religiösen und des Kunstsinnes zur kräftigen Menschheit empor gehoben werden. c) Die Gymnastik soll in den regelmäßigen Unterricht öffentlicher Schulen aufgenommen werden. d) Es sollen eine zweckmäßige und vollständige Unterweisung in der ganzen Kriegskunst und Wissenschaft als wesentlicher Theil, erst der Gymnastik, dann der theoretischen und praktischen Mathematik, in den Unterrichtsplan aller öffentlichen Schulen aufgenommen, in den untern Klassen mit dem Exerziren angefangen, solches auch bis zur höchsten Vollkommenheit fortgesetzt, mit dem Unterricht in Taktik und Strategie aber der Kursus auf hohen Schulen dergestalt geschlossen werden, daß Niemand sich diesem Unterricht entziehen kann, wenn er gleich sich für andre Wissenschaften, als Theologie u. s. w. vorzüglich auszubilden sucht. §. 13. Der Verein bildet eine Gemeinmeinung in den niedern Volksklassen für Regenten und Regierung, und sucht dieselben auf praktische Uebung der Tugend und die Zwecke der Gesellschaft zu leiten. 530
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§. 14. Der Verein widerstrebt der Ausbreitung jenes gemeinschädlichen Einflusses, welchen erkaufte Schriftsteller zur allgemeinen Erschlaffung, zur Vernichtung der bestehenden Ordnung bürgerlicher Gesellschaften, zur Herbeiführung allgemeiner Muthlosigkeit, eines alles Edlere verachtenden Eigennutzes und der Herrschaft des Knechtssinnes bei den Völkern anwenden. Er beschützt das Vaterland gegen den Spott und Hohn solcher Schriftsteller, und vertritt die Denk-und Gewissensfreiheit gegen die frechen Ausfälle sklavischer Zeitgenossen. §. 15. Bei seiner Thätigkeit für die Religion und öffentlichen Gottesverehrung hält er die schickliche Mitte zwischen Freigeisterei, dummer Frömmelei und Heuchelei. §. 16. In der vaterländischen Literatur unterstützt er das Klassische, erweckt Gleichgültikeit gegen das herrschende Mittelmäßige und Verachtung des Schlechten. §. 17. Durch den Verein sollen die öffentlichen Spiele verbessert, vermehrt und vornehmlich zu Mitteln körperlicher und geistiger Veredlung der Nazion geeignet werden. §. 18. Ackerkultur, Beförderung des Anbaus wüster Stellen und Unterstützung thätiger Landwirthe, Errichtung gemeinnütziger Anstalten ohne Opfer von Seiten der Regierung, wenn auch mit Zutritt derselben, machen eine wichtige Sorge des Vereins aus. §. 19. Eben so unterrichtet er sich von der Beschaffenheit der Findel- und Waisenhäuser, der Gefängnisse und andrer öffentlichen Zuchtanstalten, wie auch von den Mitteln, den Fehlern solcher Anstalten abzuhelfen. §. 20. Der Verein ist demnach eine Gesellschaft, welche sich des Beifalls jeder Regierung zu erfreuen sucht, und daher jeder geheimen, vom Staatsoberhaupte nicht anerkannten Verbindung sowohle mehrer Staatsbürger unter einander, als auch einzelner Unterthanen mit fremden Mächten, abgeneigt ist. Gesetz I. Von den Eigenschaften, Rechten und Pflichten der Mitglieder des Vereins. §. 1. Nur Männer können zur Mitgliedschaft des Vereins gelangen. §. 2. Das Alter derselben kann nicht unter achtzehn Jahren sein. §. 3. Nur wer den unbescholtnen Ruf eines rechtlichen und thätigen Mannes und treuen Staatsbürgers vor sich hat, kann zur Wahl vorgeschlagen werden. §. 4. Wer wegen Verbrechen gegen den Staat oder das Staatsoberhaupt, oder als Beamter wegen Dienstvergehungen zur peinlichen Untersuchung gezogen und nicht vollständig freigesprochen worden, kann nicht aufgenommen werden. §. 5. Eben so Niemand, der als Soldat vor das Ehrenreinigungs-Tribunal gestellt und nicht ehrenvoll freigesprochen worden ist. §. 6. Die Aufzunehmenden sind schuldig, ihre Freisprechung nachzuweisen. Soldaten werden bis zu diesem Nachweise in einem besondern Buche bemerkt, und können vor erfolgter ehrenvoller Freisprechung zu keinem Zensoramte gelangen. §. 7. Sollte das Erkenntniß gedachten Tribunals gegen sie ausfallen, so sind sie hiedurch schon an sich selbst vom Verein ausgeschlossen. 531
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§. 8. Jedes Mitglied vom Militär ist bei Strafe der Ausschließung verbunden, die Entscheidungen gedachten Tribunals, Hinsichts der Mitglieder seines Standes, sobald sie ihm bekannt werden, dem vorstehenden Geschäftsführer oder dem Zensor seiner Arbeitskammer bekannt zu machen. §. 9. Kein Offiziant aus dem abgetretnen Süd- und Neuostpreußischen Provinzen, der sich einer Theilnahme an dem dortigen Aufruhr oder auch nur Pflichtwidrigkeiten dabei schuldig gemacht hat, ist zur Aufnahme geeignet. §. 10. Offizianten jener Provinzen müssen sich, Hinsichts dieses Theils ihres Lebens, schriftlich gegen denjenigen erklären, bei dem sie sich zur Aufnahme melden; diese Erklärung wird hienächst vor der Wahl vorgelesen, damit etwanige Anstände gehörig erledigt werden können. §. 11. Niemand kann aufgenommen werden, der sich geweigert hat, auf Befehl des Staatsoberhauptes die Waffen zu ergreifen und zu führen. §. 12. Jeder muß vor seiner Aufnahme zuvörderst nachweisen, daß er mindestens auf zehn Personen einen nicht geringen, zum Zwecke des Vereins zureichenden Einfluß habe, und solchen noch vermehren könne. §. 13. Zureichend für den Zweck des Vereins wird jeder Einfluß geachtet, der sich auf Wohlwollen oder Achtung stützt und den Wohlwollenden geneigt macht, besondre Aufmerksamkeit auf die Wünsche des Begünstigten zu wenden. §. 14. Männer von allgemein anerkannten Vorzügen und unzweideutigem Einflusse können jedoch von dem Nachweise (§. 12.) befreit werden. §. 15. Mitglieder von Nebenkammern können durch den Rath ihrer Hauptkammern, Mitglieder von diesen gleichfalls durch ihren Rath, bis auf den Nachweis von fünf Männern, auf die sie Einfluß haben, entbunden werden. §. 16. Die zehn Männer (§. 12.) müssen benannt und in das vom Zensor zu führende Buch neben dem Namen des Aufgenommenen eingetragen werden. §. 17. Jeder Aufzunehmende vom geistlichen Stande ist demjenigen, durch den seine Aufnahme bewirkt werden soll, nachzuweisen verbunden, daß er innerhalb seiner Gemeine, wenn solche eine städtische – wenigstens auf dreißig, wenn sie aber eine Landgemeine – wenigstens auf funfzehn bis zwanzig Mitglieder derselben einen unzweideutigen Einfluß durch seine Amtswürdigkeit habe, und solchen in Zukunft um das Doppelte vermehren könne. §. 18. Geistliche von bekannten großen und ausgebreiteten Rufe können von dem Rathe der Kammer, bei der sie sich melden, von diesem Nachweis entbunden werden. §. 19. Keiner vom geistlichen Stande kann zur Würde des Generalzensors oder obersten Gewalthabers gelangen, bevor er nicht innerhalb seiner städtischen oder ländlichen Gemeine einen Freiverein angelegt hat. §. 20. Jeder Besitzer ländlicher Grundstücke muß sich, sofern er Unterthanen hat, vor seiner Aufnahme verpflichten, solche ein Vierteljahr nach der Aufnahme, oder wenigstens zu Ende desselben Wirthschaftsjahrs, noch vor 1810, der Unterthänigkeit zu entlassen. 532
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§. 21. Zugleich muß er sich verpflichten, seinen bisherigen Unterthanen durch Auseinandersetzung, Hinsichts der Naturaldienste und ihres bedingten Eigenthums an der Nahrung, ein freies, eine fleißige Familie möglichst ernährendes Eigenthum zu verschaffen. §. 22. In dem Verein hört jeder Unterschied des Standes und Amtes auf. §. 23. Jedes Mitglied im ganzen Verein ohne Rücksicht auf die Eintheilung in verschiedne Kammern ist berechtigt und verpflichtet, an der Gesetzgebung und Verwaltung des Vereins Theil zu nehmen und sich ihr zu unterziehn. §. 24. Adliche Mitglieder müssen sich verpflichten, im öffentlichen und Privatleben besonders Bürgerliche, Bürgerliche aber vorzüglich Adliche zu unterstützen und zu vertreten. Mitglieder vom Zivile vertreten bei öffentlichen Gesprächen das Militär, dieses den Zivilstand. Alles jedoch ohne Nachtheil der Wahrheit und ohne Beschönigung des Lasters oder Verbrechens. §. 25. Jedes Mitglied ist den Gesetzen des Vereins Folge zu leisten verpflichtet; jedoch gehen die Pflichten, welche der Staat von demselben fordert, überall den Pflichten der Gesellschaft vor. §. 26. Daher ist auch jedes Mitglied verbunden, wenn der Staat die allgemeine Verpflichtung zum Kriegsdienste, wie anderwärts schon geschehn, ebenfalls einführen sollte, sich derselben nicht nur selbst bereitwillig zu unterziehn, sondern auch dem Widerstreben Andrer entgegen zu wirken. §. 27. Jedes Mitglied des Vereins ist ohne Unterschied verpflichtet, auf die Warnungen und Ermahnungen der Zensoren bei Vermeidung der festgesetzten Strafen zu achten und ihnen Folge zu leisten. §. 28. Jedes Mitglied ist verpflichtet, bei seinem Eintritte sich in einer der Arbeitsab theilungen nach seinen Fähigkeiten einzuschreiben. Die besonderen Verbindlichkeiten, welchen es sich dadurch Hinsichts der Geschäfte unterzieht, sind gehörigen Orts vorgetragen. §. 29. Jeder ist schuldig, Aufträge von den Autoritäten des Vereins anzunehmen und pünktlich auszuführen. §. 30. Niemand darf ohne besondern Auftrag Nichtmitglieder mit den Geschäften und Arbeiten des Vereins bekannt machen, noch etwas durch den Druck, für oder wider den Verein, auch nicht zu eigner Vertheidigung veröffentlichen. §. 31. Jeder ist verpflichtet, vor seiner Aufnahme nachstehenden Revers zu unterzeichnen: „Ich der Unterschriebne habe mich durch Handschlag dem Vereine zur Uebung öffentlicher Tugenden verpflichtet, für den Fall, daß mir die Gesetze und Zwecke desselben nach deren Bekanntwerdung nicht gefallen und ich ihm nicht beitrete, mich aller öffentlichen Aeußerungen, besonders des Tadels darüber zu enthalten.“ §. 32. Hienächst, und wenn er nach Durchlesung der gesammten Gesetze sich zum Eintritt erklärt, hat er sich mittels Handschlags zur Unterwerfung unter die Gesetze und Zwecke des Vereins zu verpflichten und folgenden Revers zu unterzeichnen: 533
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„Ich der Unterschriebne habe mich durch Handschlag verpflichtet, mich eines würdigen und anständigen Lebens ganz vorzüglich zu befleißigen, als Preußischer Staatsbürger meine Pflichten mit größter Aufmerksamkeit zu erfüllen und dem jetzigen Könige und seinem Hause mit ganz besondrer Treue anzuhangen, mich der Kontrolle der Zensoren des Vereins in Hinsicht meines privaten und öffentlichen Lebens zu unterwerfen, mich allen mir nach dem Geiste und den Gesetzen des Vereins von seinen Behörden gemachten Aufträgen, Anordnungen und Befehlen zu unterziehn, gesetzmäßig über mich verhängte Strafen willig zu übernehmen, und selbst nach freiwilligem oder durch den Verein veranlaßtem Austritte mich jedes öffentlichen Tadels desselben oder gehässigen Gegenwirkens zu enthalten. Ich habe mich für den Fall der Nichterfüllung dieser Verpflichtungen der Geringschätzung und Verachtung aller bessergesinnten Menschen freiwillig unterworfen und mich ihres Umgangs überall unwürdig erklärt.“ §. 33. Von der Verbindlichkeit zum Handschlag und zur Unterschrift kann niemand befreit werden. §. 34. Außer den angegebnen Fällen soll ein Mitglied auch dann sofort ausgeschlossen werden, wenn es aus Unbesonnenheit oder aus bösem Willen dem Verein im Gespräche mit Nichtmitgliedern gemeinschädliche oder politische oder mystische Zwecke unterlegt. §. 35. Jedes Mitglied ist vielmehr verbunden, jedem Streit über den Werth des Vereins mit Nichtmitgliedern auszuweichen, da aber, wo es nicht zu vermeiden ist, mit Ernst und bescheidner Würde die Sache des Vereins und seiner Glieder zu vertreten. §. 36. Mitglieder, welche ihren Verheißungen nicht gemäß leben, und sich in Bearbeitung der ihnen aufgetragnen Geschäfte saumselig zeigen, werden erst von dem unmittelbar vorgesetzten Arbeitsdirektor gewarnt, hienächst vom Rath ihrer Kammer in Geldstrafe genommen, endlich vom Verein unter den noch näher zu bestimmenden Feierlichkeiten ausgeschlossen. §. 37. Mitglieder sind sich gegenseitig schuldig, einander zu vertreten und den ausgezeichneten und achtungswürdigen Männer im Vereine, wie jedem auswärtigen Verdienste, Ehrfurcht zu leisten und zu verschaffen. Gesetz II. Von der Verfassung des sittlich-wissenschaftlichen Vereins. §. 1. Der sittlich-wissenschaftliche Verein ist eine freie Gesellschaft, in welcher keine andre Unterwerfung statt findet, als allein unter selbst gegebne Gesetze. §. 2. Sie ist in der Form frei, jedoch so geschlossen, daß sie mit möglichster Schnelle, Kraft und Uebereinstimmung ihre nützlichen Zwecke erreichen kann. §. 3. Die funfzig ersten Mitglieder des Vereins, welche in Königsberg auf die Grundartikel zusammentreten, sollen in ein Buch verzeichnet, und die Namen derselben als erste Stifter bei Stiftungsfeierlichkeiten in Königsberg laut verlesen werden, um ihr Gedächtniß zu bewahren. §. 4. Sie und die hienächst zutretenden Mitglieder des Vereins bilden zuvörderst eine Arbeitskammer für die Stadt Königsberg. Sie erwählen aus ihrer Mitte fünf Geschäfts534
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führer und einen Wächter zur Aufrechthaltung der Gesetze unter dem Namen eines Sittenrichters oder Zensors. §. 5. Die fünf Geschäftsträger und der Zensor bilden den Rath der Kammer von Königsberg. §. 6. Von derselben Kammer wird zugleich noch aus den vorzüglichsten Mitgliedern ein zweiter Zensor und ein zweiter Rath für die Direkzion der gesammten Geschäfte des Königreichs Preußen, und einstweilen der gesammten preußischen Staaten, gewählt. §. 7. Die Kammer zu Königsberg und ihr Rath stehen unter Aufsicht und Leitung dieses Provinzialraths. §. 8. Die sechs Mitglieder desselben und die sechs Mitglieder des Raths der Königsberger Kammer treten als Provinzialkammer für das Königreich Preußen zusammen; bis zur Errichtung des hohen Raths aber erhält diese Kammer den Namen Stammverein, und der Provinzialrath (§. 6.) den Namen Rath des Stammvereins. §. 9. Außer diesen zwölf Mitgliedern sollen noch die Rathsgehülfen der fünf Geschäftszweige der Königsberger Kammer und der Direktor des Offizierinstituts zu den Sitzungen des Stammvereins mit Stimmrecht zugelassen werden. §. 10. Außer in Königsberg sollen noch in Tilsit, Memel, Gumbinnen, Insterburg und Braunsberg für Ostpreußen – Elbing, Marienwerder, Konitz und Graudenz für Westpreußen – Stettin, Stargard, Kolberg, Stolpe und Köslin für Pommern – Küstrin, Landsberg an der Warthe, Frankfurt an der Oder, Berlin, Züllichau, Potsdam, Brandenburg und Burg für die Marken – und in Breslau, Brieg, Neiße, Hirschberg, Glatz, Glogau und Liegnitz für Schlesien fördersamst Hauptkammern angelegt werden. §. 11. Jede Arbeitskammer kann sich mehrere Seitenkammern anlegen, zu welchen sie sich wie Mutter zur Tochter verhält. Eine Kammer als Stifterin heißt: Haupt-Arbeitskammer – Hauptkammer; jede gestiftete: Neben-Arbeitskammer – Nebenkammer. §. 12. Jedes Mitglied ist, wenn es dazu beauftragt wird, dergleichen Kammern zu stiften verbunden; ohne Auftrag darf niemand bei Strafe des Ausschlusses neue Arbeitskammern oder dergleichen Verbindungen anlegen. §. 13. Gesetze und Anweisungen erhalten die Nebenkammern von ihren Müttern. §. 14. Die Stifter neuer Kammern sind im ersten Vierteljahre natürliche Geschäftsführer derselben; oder wenn sie nicht am Orte der Kammer fixirt sind, so haben sie die Würde eines Deputirten derselben bei der Hauptkammer, in deren Bezirke die neugestiftete Kammer liegt. §. 15. In neuen Arbeitskammern wählen die ersten zehn Mitglieder ihren Zensor und einen Geschäftsträger; zwanzig Mitglieder wählen einen zweiten Geschäftsträger, dreißig aber deren fünf, welche hienächst mit dem Zensor den Rath dieser Kammer bilden. §. 16. Die Quelle aller Autorität sind die Versammlungen aller Arbeitskammern ohne Unterschied des Ranges. §. 17. Bei den Räthen der Kammern ist die Aufsicht über die Arbeiten in ihren eignen, so wie in ihren Nebenkammern und Freivereinen, und die Ertheilung der Aufträge nach den verschiednen Geschäftsabtheilungen. Der buchführende Geschäftsträger 535
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präsidirt in der Kammer und hat das Recht, Ordnungsstrafen zu erkennen. Der Rat er theilt Vollmacht zu Errichtung von Nebenkammern und Freivereinen, und bei ihm ist das Siegel der Kammer, die Liste sämmtlicher zur Kammer gehörenden Mitglieder, das Reversbuch, das Buch der Süd- und Neuostpreußischen Offizianten, des Ehrenreinigungs-Tribunals u. s. w. §. 18. Bei den Hauptkammern selbst ist die lokale Gesetzgebung. Sie umfassen alle sechs Geschäftsabtheilungen; bei ihnen ist die Wahl neuer Mitglieder, ihres Rath und der höchsten Beamten, das Gericht über die Vergehungen ihrer eignen Mitglieder, ihrer Vorsteher, jedoch mit Ausschluß des Zensors, und die Entscheidung in Appellazionen ihrer Nebenkammern. §. 19. Die Zensoren einer Kammer stehen allein unter Kontrolle ihrer vorgesetzten Zensoren. §. 20. Nebenkammern haben mit den Hauptkammern gleiche Einrichtung und Bestimmung, und sind unabhängig, sobald sie ihren eignen Rath gebildet und wenigsten drei Nebenkammern gestiftet haben, wobei ihnen Freivereine als Kammern angerechnet werden. §. 21. Sobald in einer Provinz mindestens zwanzig Hauptkammern von zusammen tausend Mitgliedern, im Hauptort aber, als in Berlin für die Marken, in Breslau für Schlesien, in Stargard oder Stettin für Pommern, wenigstens sechszig Mitglieder beisammen sind, sollen, und zwar an den benammten Orten, Provinzial-Arbeitskammern oder Provinzialkammern errichtet werden. §. 22. Die Mitglieder werden als Deputirte von allen Kammern gewählt; die Zahl derselben beläuft sich auf dreißig, von denen wenigstens achtzehn an Ort und Stelle gegenwärtig sein müssen. §. 23. Die am Ort anwesenden Mitglieder erwählen aus ihrer Mitte gleichfalls fünf Geschäftsträger und einen Provinzialzensor, welche den Provinzialrath bilden. §. 24. Bei den Provinzialkammern ist die Gesetzgebung für die ganze Provinz, der Richterstuhl für die Zwistigkeiten der eignen Mitglieder, wie auch ihrer Geschäftsträger, mit Ausschluß des Provinzialzensors; durch sie geschieht die Wahl nicht nur ihres eignen, sondern auch des hohen Raths; in ihnen bilden sich durch ihre fünf Räthe und den Zensor, als Geschäftsdirektoren, die sechs Arbeitsabtheilungen. Ihre Gesetze gelten jedoch nur einstweilen, und so lange, bis sie von der Kammer der Gesetzgebung bestätigt werden. – Mitglieder, welche nicht am Orte des Sitzes ihrer Provinzialkammer wohnen, bleiben, so lange sie diese Würde bekleiden, unausgesetzt vorsitzende Geschäftsträger der Kammer, wo sie sich aufhalten, und nur bei der Provinzialkammer kann Anklage wider sie erhoben werden. Der Provizialrath muß wenigstens alle Monate eine Sitzung halten. §. 25. Der Rath der Provinzialkammer leitet alle Angelegenheiten des Vereins, besonders den Geschäftsgang in seiner Provinz, und wird dabei nur von der höchsten Vollziehungsgewalt angewiesen und kontrollirt. An ihn gehen die Berichte sämmtlicher Hauptkammern der Provinz ein, und er führt die Generalliste seiner Provinzialen. Sein vorsitzender Geschäftsträger präsidirt auch bei den Sitzungen der Provinzialkammer, 536
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bringt die Gesetzvorschläge in Anregung, und veranlaßt die Beschlüsse darüber. Dergleichen Sitzungen müssen monatlich wenigstens einmal gehalten und vom vorsitzenden Geschäftsträger ausgeschrieben werden. §. 26. Beim Rath ist die Verwaltung der Hauptkasse einer Provinz, worüber vierteljährlich er einer hiezu von der Provinzialkammer aus ihren Gliedern zu ernennenden Kommission Rechnung ablegt. §. 27. Der Provinzialrath bewahrt das große Siegel. §. 28. Der Provinzialzensor hat gleich allen übrigen Zensoren das Recht, sich bei nothwendigen Abhaltungen Stellvertreter, sowohl beim Rath als bei der Kammer, zu erwählen. §. 29. Ohne Beisein eines Zensors oder eines von ihm bevollmächtigten Stellvertreters kann sich niemal, außer dem ersten Vierteljahr ihrer Stiftung, eine Kammer gültig versammeln, oder verbindende Beschlüsse abfassen. §. 30. Sämmtliche Zensoren einer Provinz stehen unmittelbar unter dem Provinzialzensor und bilden das Zensorat der Provinz. An den Provinzialzensor geschehn geheime Anklagen vorzüglicher Vergehungen der Mitglieder, besonders in Hinsicht des Vereins selbst; denn obwohl der Provinzialzensor seine Kontrolle über die ganze Provinz erstrecken kann, so ist der doch nur, Hinsichts der Sittlichkeit der Mitglieder, der Spezialzensor des Provinzialraths und der Provinzialkammer. §. 31. Vergehungen der Zensoren der Hauptkammer müssen von deren Amtsbrüdern oder von den Räthen der Kammern dem Provinzialzensor angezeigt werden, und diesem liegt hienächst ob, solche entweder zu warnen, oder aus dem gesammten Zensorate drei Richter über das Vergehn zu ernennen, gegen deren Ausspruch dem Verurtheilten allein die Appellazion an den Generalzensor des Vereins offen steht, dessen Entscheidung jeder Zensor sich unbedingt unterwerfen muß. §. 32. Jeder Provinzialzensor führt eine sogenannte Liste der Schande, in welche schwere Vergehungen der Mitglieder eingezeichnet werden. §. 33. Bei der Leitung der sechsten Geschäftsabtheilung für die Provinz, jedoch nur Hinsichts der Verbreitung, hat der Provinzialzensor den Vortrag beim Provinzialrath und muß sich dessen Beschlüssen unterwerfen, dagegen die innere Polizei von ihm allein unter Aufsicht des Generalzensors verwaltet wird. §. 34. Sobald mit Inbegriff des Stammvereins zu Königsberg für jede Provinz eine Provinzialkammer nach den Bestimmungen des §. 21. u. ff. vorhanden ist, erwählen sämmtliche vier Provinzialkammern aus den verdientesten, würdigsten und geschicktesten Männern des ganzen Vereins, ohne Rücksicht auf Provinz, Haupt- oder Nebenkammer oder Freiverein, sieben Mitglieder zu dem hohen Rathe des Vereins. §. 35. Der hohe Rath stellt den gesammten Verein dar, und bei ihm ist die oberste Gewalt und Gesetzgebung des ganzen Vereins. §. 36. Der hohe Rath trennt sich in drei hohe Kammern, in 1) die Vollziehungskammer, 2) die Gesetzkammer, und 3) das Generalzensorat. 537
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§. 37. Der hohe Rath wählt aus seinen Mitgliedern 1) seinen eignen Präsidenten, welcher den Namen des Gewalthabers führt, 2) einen Generalzensor, 3) einen Oberrichter des Vereins, 4) zwei Vollziehungsräthe, und 5) zwei Rechtsräthe. §. 38. Die Vollziehungskammer besteht aus dem Gewalthaber, als dem bleibenden Präsidenten, und den beiden Vollziehungsräthen, und ihr Sitz ist im gewöhnlichen Aufenthaltsorte des Ersten. §. 39. Sind die beiden Räthe nicht im Aufenthaltsorte des Gewalthabers, oder in einer Nähe von wenigstens acht Meilen, so haben sie das Recht, aus den gesammten Mitgliedern zwei geeignete Männer als ihre Bevollmächtigte zur Vollziehungskammer zu ernennen, welche in ihrem Namen den Berathschlagungen der Vollziehungskammer beiwohnen, solche vollziehn, und darüber ihren Machtgebern Bericht erstatten. §. 40. Von der Vollziehungskammer geht der ganze Betrieb der Geschäfte des Vereins aus und werden die Gesetzvorschläge des Gewalthabers und des Generalzensors geprüft, um entweder der Gesetzkammer oder dem hohen Rathe vorgelegt zu werden. Bei ihr werden die Beschwerdesachen der höhern Beamten untersucht und erledigt, und muß sich selbige wenigstens vierteljährlich einmal versammeln. §. 41. In der Person des Gewalthabers wird der hohe Rath als Einheit repräsentirt, er schreibt im hohen Rathe den Mitgliedern ihre Arbeiten zu, und ist für den gesetzlichen Betrieb der Geschäfte verantwortlich. §. 42. Der Gewalthaber wählt die Präsidenten der verschiednen Geschäftsabtheilungen und den Direktor der Militär-Pflanzschule, einen Sekretär um seine Person – Generalsekretär –, einen zweiten für den hohen Rath – Sekretär des hohen Raths –, und einen dritten für die Vollziehungskammer – Sekretär der Vollziehungskammer. §. 43. Unter seiner Direkzion geschehn in Zukunft die Wahlen der Provinzialkammern, jedoch mit Zuziehung des Generalzensors. §. 44. Alle Mitglieder des Vereins, mit Ausschluß der übrigen hohen Räthe und ihrer Kommissarien, müssen unmittelbar Aufträge von ihm annehmen und vollziehn, und er hat das Recht, in allen Provinzen Abgeordnete zu erwählen und sie mit seiner ganzen Machtvollkommenheit zu bekleiden; jedoch muß er dergleichen Bevollmächtigte dem Generalzensor anzeigen, unter dessen Kontrolle sie während der Dauer eines solchen Auftrags gleichfalls stehn. §. 45. Die Kommissarien des Gewalthabers geben nur ihm Rechenschaft, und er kann seine Aufträge nach Gutbefinden einschränken, erweitern, aufheben, oder auch andern übertragen. §. 46. Bei dem Gewalthaber ist die Liste sämmtlicher Mitglieder des Vereins, das Buch, in welches diejenigen eingeschrieben werden, welche sich vorzüglich ausgezeichnet haben – Buch des Ruhms –, und er bewahrt das große Siegel.
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§. 47. In Rücksicht seines sittlichen Verhaltens ist er von dem Generalzensor kollegialische Bitten und Ermahnungen anzunehmen verbunden, in seiner Amtsführung aber den Festsetzungen des hohen Raths unterworfen. §. 48. Die Kammer der Gesetzgebung hat zu ihrem fortgehenden Präsidenten den Oberrichter; ihr bestimmter Sitz ist der Aufenthalt desselben, und sie muß sich wenigstens vierteljährlich einmal versammeln und immer vollzählig sein. §. 49. Wohnen die Rechtsräthe nicht in der Nähe des Oberrichters, so müssen auch sie (nach §. 39.) ihre Stelle durch Bevollmächtigte vertreten lassen. §. 50. Die Kammer der Gesetzgebung berathschlagt über die vom Gewalthaber gemachten Gesetzvorschläge, jedoch bezieht sich ihre Gesetzgebung bloß auf Erklärung und Entwicklung der Verfassung, auf Revision der von den Provinzialkammern sich selbst gegebnen Gesetze und auf die Form der Wahl. §. 51. Der Generalzensor oder sein Bevollmächtigter muß von jeder Sitzung in dieser Kammer benachrichtigt und dabei zugelassen werden, um die Gesetze zu unterzeichnen, wenn er gleich keine eigentliche Stimme bei den Berathschlagungen hat. Lehnt er jedoch die Unterzeichnung ab, so muß er die Gründe der Weigerung angeben, und wenn dessen ungeachtet die Kammer bei nochmaliger Prüfung das Gesetz durchgehn läßt, so muß es in der nächsten Sitzung des hohen Raths vorgetragen werden, welcher es annehmen oder verwerfen kann. §. 52. Der Oberrichter vertheilt die Arbeiten bei den übrigen Räthen; an ihn gehn die Gesetzvorschläge des Gewalthabers ein, und die sogenannten Mittheilungen des Generalzensors (§. 58). §. 53. Ueber die Mittheilungen des Generalzensors führt er eine Liste, und beim Ausbleiben der dadurch veranlaßten Gesetzvorschläge ist er berechtigt, beim Gewalthaber anzufragen; erfolgt nach zweimaliger Anfrage der Gesetzantrag nicht, so macht er dieß dem Generalzensor bekannt, welcher die Sache beim hohen Rath in der nächsten Sitzung vorträgt. Der Oberrichter erwählt den Sekretär der Gesetzgebung. §. 54. Der Generalzensor führt die Kontrolle über das sittliche Verhalten der höchsten Beamten, ihrer Kommissäre, und der Provinzialzensoren. §. 55. Er repräsentirt die Regierung des Staats, in welchem der Verein arbeitet, zur Wahrnehmung der Rechte desselben in allen Kollisionsfällen. Diese Bestimmung ist jedoch ausschließlich nur bei ihm und nicht beim Zensorate. §. 56. Als Haupt des Zensorenkollegiums wacht er über die Erhaltung der Verfassung. §. 57. Im hohen Rath hat er bei den Berathschlagungen eine Stimme und kann einen Kommissarius um die Person des Gewalthabers und für die Vollziehungskammer, in welcher er jedoch keine Stimme hat, erwählen. §. 58. Er kann Gesetzvorschläge machen, jedoch nur solche, welche die Aufrechterhaltung der Verfassung und die Vermeidung ihr nachtheiliger Mißbräuche zum Gegenstand haben. Dergleichen Vorschläge können aber von ihm nur durch den Gewalthaber bei der Gesetzkammer oder dem hohen Rath in Anregung gebracht werden. Damit jedoch auf solche vom Gewalthaber Rücksicht genommen werde, macht er dem 539
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Oberrichter Anzeige davon, welcher dafür zu sorgen hat, daß sie bei seiner Kammer eingehn. §. 59. Gesetze, welche die Gesetzkammer giebt, müssen von ihm kontrasignirt, oder bei seinem Veto der Versammlung des hohen Raths zum Beschlusse darüber vorgelegt werden. §. 60. Rügen über das sittliche Betragen der wirklichen Mitglieder des hohen Raths darf er diesen nur auf dem Wege kollegialischer Bitten vortragen. Nur erst nach dreimaliger Wiederholung solcher Bitten darf er in nächster Generalversammlung des hohen Raths seine Anklage öffentlich vortragen; hierauf muß das angeklagte Mitglied die Sitzung sofort verlassen und der Rath über die Vergehung desselben entscheiden, wobei der Generalzensor aber als Ankläger keine Stimme hat. §. 61. Ueber den Generalzensor selbst kann nur der gesammte Verein Gericht halten. §. 62. Wenn sich derselbe Versäumung seiner Amtspflichten zu Schulden kommen ließe, so stände es dem Gewalthaber zu, bei voller Versammlung des Raths darüber Antrag zu formiren; der Generalzensor darf gegenwärtig sein, und nur erst, wenn er sich nicht zu rechtfertigen vermöchte, muß er oder sein Kommissär die Sitzung verlassen. Der Rath überträgt dann den Provinzialkammern nach einer darüber noch zu entwerfenden Ordnung den Ausspruch, dem sich der Generalzensor unterwerfen muß. §. 63. Es müssen die Kommissäre des Generalzensors zu seinen Aufträgen geeignet sein, und die Ausstellungen des Gewalthabers und der übrigen Rathsglieder gegen sie von ihm berücksichtigt werden. §. 64. Sobald der Generalzensor bemerkt, daß irgend ein Gesetz des Vereins das Interesse und die bestehende Ordnung des Staats gefährdet, oder gegen den Geist der Gesellschaft ist, hat er darüber dem Gewalthaber Vorstellungen zu machen. Im Falle das Gesetz oder die Verordnung den Provinzialkammern schon publizirt worden, hat er den Provinzialzensoren und durch sie dem Zensorate das Veto aufzutragen, welches, in allen Kammern ausgesprochen, Gesetz und Vorschlag suspendirt. §. 65. Dem Generalzensor kann die Leitung bestimmter Geschäfte niemals aufgetragen werden. §. 66. Mitglieder des hohen Raths, welche nicht in dem Sitz ihrer Kammer befindlich sind, können nur zwei Bevollmächtigte, nämlich für ihre respektive Kammer und die Sitzungen des hohen Raths wählen; sie stehen unter keiner Kammer, sondern nehmen nur vom Gewalthaber, dem hohen Rath und seinen Kammern Aufträge an, und präsidiren bei den Sitzungen der Provinzialversammlungen, wenn sie sich in deren Nähe aufhalten. §. 67. Das Plenum des hohen Raths muß sich mindestens halbjährlich zur höchsten Gesetzgebung, Anhörung der Berichte und Entscheidung der Rechtsfälle versammlen. §. 68. Den Aussprüchen desselben sind außer dem §. 62. angegebnen Falle alle Mitglieder unbedingt unterworfen, und nur wenn Staat oder Verfassung gefährdet werden, hat der Zensor ein Veto. §. 69. Der Stammverein zu Königsberg vertritt die Stelle 540
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1) sämmtlicher Provinzialkammern bis zu deren Stiftung, 2) des hohen Raths bis zu seiner Wahl. In Vertretung des letzten hat er die oberste Gesetzgebung auch dann noch, wenn sich schon wirklich einzelne Provinzialkammern gebildet haben. §. 70. Der Rath des Stammvereins vertritt die Stelle 1) des Gewalthabers, 2) des Vollziehungsraths, 3) des Raths der Provinzialkammern bis zur Errichtung dieser und zur Wahl jener. §. 71. Der Zensor des Stammvereins vertritt unter gleicher Bedingung 1) den Generalzensor, 2) die sämmtlichen Provinzialzensoren bis zu ihrer Wahl. §. 72. Der Stammverein bildet aus sich einen Ausschuß zur Gesetzgebung, welcher die Stelle der Gesetzkammer bis zu ihrer Errichtung vertritt. Die Gesetzvorschläge dieses Ausschusses müssen von einem Sprecher desselben im Stammvereine vorgetragen werden, und können nur durch Genehmigung des Letzten Kraft erhalten. Solche Gesetze gelten jedoch nur einstweilen und bis zur Errichtung des hohen Raths, und ihre nachmalige Revision und Bestätigung liegt der künftigen Gesetzkammer selbst ob. §. 73. Die Mittel, welche zur Betreibung der Geschäfte, der erforderlichen Mittheilungen u. s. w. nothwendig sind, müssen durch Geldbeiträge der Mitglieder nach billigen Verhältnissen und freier Wahl herbeigeschafft werden. §. 74. Die Einrichtung eines Schatzmeisteramts und der Geschäftsordnungen der verschiednen Aemter und Behörden muß von dem Rathe des Stammvereins bei seinen ersten Versammlungen berathschlagt werden, um die Regeln darüber festzusetzen. Gesetz III. Von der Geschäftsvertheilung. §. 1. Zur wirksamen Thätigkeit des Vereins nach seinem Zwecke wird solcher unter sechs Geschäftszweige oder Abtheilungen gebracht, nämlich: 1) der Erziehung, 2) der Volksbildung, 3) der Literatur und Kunst, 4) des Volkswohlstandes, 5) der äußern Polizei, und 6) der innern Polizei und der Ausbreitung. Erster Abschnitt. Geschäftsverwaltung. §. 2. Die hier aufgestellten Geschäftszweige wirken gemeinschaftlich zum allgemeinen Zwecke, greifen unter sich ineinander, und werden von der höchsten Behörde des Vereins im allgemeinen geleitet.
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§. 3. Die fünf Mitglieder des Raths einer Kammer leiten im besondern den Betrieb der Geschäftszweige. Der Zensor steht immer der sechsten Abteilung vor. §. 4. Jedes Rathsmitglied kann sich jedoch aus den Arbeitern der Kammer, welche zu seiner Leitung gehören, einen Gehülfen zuordnen, welcher aber nur, so weit es die besondern Geschäfte betrifft, bei Abhaltung seines Konstituenten den Rathssitzungen beiwohnen darf. §. 5. Jedes Mitglied bestimmt bei seinem Eintritt in eine Kammer die Abtheilung der Geschäfte, in der es mit besonderm Erfolge zu arbeiten hofft. Nach dieser Bestimmung theilen sich die Mitglieder in die fünf Geschäftszweige, deren jeder nach §. 3 und 4. einen Direktor und Rathsgehülfen an der Spitze hat. §. 6. Direktor und Rathsgehülfe haben die Befugniß, die Mitglieder ihrer Abtheilung zu versammeln, um über den Fortgang und den Betrieb ihrer Arbeiten zu berathschlagen, doch müssen dabei keine andern Gegenstände abgehandelt werden. Der Zensor ihrer Kammer ist deshalb von dergleichen Versammlungen zu benachrichtigen, und steht diesem der Zutritt offen. §. 7. Jedes Mitglied ist verpflichtet, die ihm von dem Direktor übertragnen Geschäfte zu übernehmen und in der ihm gesetzten Frist zu bearbeiten. Die Vorschläge und Gutachten, welche einzelne Arbeiter einreichen, ist der Direktor oder sein Gehülfe zu prüfen verbunden. Sind diese dagegen, so steht es dem Einsender frei, solche dem Direktor dieser Abtheilung bei der Provinzialkammer vorzulegen. §. 8. Von der Leitung und dem Fortgange der Arbeiten ist der Direktor verbunden in der Versammlung des Raths eine allgemeine Uebersicht vorzulegen. Dieser muß wiederum von jeder Abtheilung besonders monatlich an den Rath der Provinzialkammer berichten. §. 9. Die von der Provinzialkammer erlaßnen Verfügungen werden bei versammeltem Rath einer Kammer vorgetragen und dem gehörigen Direktor zugeschrieben. Der Rath ist für deren Erfüllung verantwortlich; von ihm werden daher auch die Direktoren der verschiednen Abtheilungen kontrollirt. §. 10. Wenn bei einer Abtheilung neue Einrichtungen getroffen oder Entwürfe ausgeführt werden sollen, so trägt der Direktor solche dem Rathe vor, der darüber den Beschluß abfaßt. Ist dieser einstimmig erfolgt, oder sind die Meinungen verschieden, so wird an den Rath der Provinzialkammer berichtet. Dessen Zustimmung giebt erst die Befugniß zur Ausführung. §. 11. Ueber die Bearbeitung der Geschäfte formirt der Direktor seine Handakten; diese Akten werden bei seinem Ausscheiden aus dem Rath dem Nachfolger übergeben, damit die entworfnen Pläne von diesem verfolgt und ausgeführt werden können. §. 12. Bei den Provinzialkammern findet derselbe Geschäftsgang statt, und auch bei ihnen kann sich jeder Direktor einer Abtheilung, jedoch aus den gesammten Kammern einer Provinz, einen Gehülfen wählen. §. 13. So wie das Verhältniß der einzelnen Kammern zur Provinzialkammer festgestellt worden, so ist das Verhältnis der Provinzialkammer zum Vollziehungsrathe. 542
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§. 14. Bei ihm befindet sich die oberste Leitung der Geschäfte. §. 15. Für jede der ersten fünf Abtheilungen ernennt der Gewalthaber aus den anerkannt gelehrtesten Männern in den verschiednen Gegenständen der Arbeiten einen Präsidenten, von welchem der Vollziehungsrath die wissenschaftlichen Ansichten und die Vorschläge zum Betriebe der Geschäfte annimmt. Zweiter Abschnitt. Von den Geschäften selbst. Erste Abtheilung, der Erziehung. §. 16. Diese Abtheilung zerfällt in drei Klassen 1) der körperlichen Erziehung, 2) der wissenschaftlichen und sittlichen Bildung, 3) der pädagogischen Literatur. Erste Klasse, der körperlichen Erziehung. §. 17. Jedes Mitglied der Gesellschaft, welches Vater ist, verpflichtet sich nicht nur seine Kinder zur Gymnastik, besonders zur Uebung kriegerischer Fertigkeiten, anzuhalten, sondern auch auf die allgemeine Einführung derselben in allen Schulen zu dringen, und derjenigen vor andern den Vorzug zu geben, in welcher die Einführung schon erfolgt ist. §. 18. Es soll ein Plan mit Zuziehung militärischer Mitglieder von einem Ausschusse dieser Klasse entworfen werden, um den §. 12. der Einleitung ad d. in Ausübung zu bringen. Der Plan muß dem Rathe des Stammvereins zur Genehmigung vorgelegt werden. §. 19. Sämmtliche öffentliche Erziehungsanstalten stehen unter der geheimen Aufsicht dieser Klasse. §. 20. Es sollen in jeder Stadt, wo dergleichen Anstalten, als Waisen- oder Findelhäuser, vorhanden sind, aus der Zahl der Mitglieder sogenannte Waisenväter ernannt werden, welche sich über solche Anstalten unterrichten, und der Direkzion der Klasse Bericht abstatten. §. 21. Es soll ein Verzeichniß dieser Anstalten und der Anzahl der Kinder jeder Provinz angelegt werden. §. 22. Weil sich aber gefunden, daß kinderlose Eltern oft gewünscht, dergleichen Kinder zu erziehn, so soll in jeder Provinz ein Verzeichniß solcher Eltern gehalten und ihren Wünschen durch Anbieten und Unterbringen von Findel- und Waisenkindern möglichst begegnet werden. §. 23. Jedes Mitglied hat, wenn dergleichen Eltern ihm bekannt werden, solche seinem Rath oder Geschäftsträger anzuzeigen, von denen sie auf dem gewöhnlichen Wege zur höhern Kenntniß gebracht werden. §. 24. Mitgliedern, welche in kinderloser Ehe leben, wird zur Pflicht gemacht, gutes Beispiel zu geben, wie nicht minder denen, welche Kinder haben und reich genug sind, neben ihren Kindern noch andre zu erziehn. 543
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§. 25. Der Verein schützt alle sinnschärfenden Uebungen in dem gymnastischen Unterricht und den Spielen der Jugend. §. 26. In die Städte sollen Schwimmmeister gezogen, bekannt gemacht, unterstützt und Prämien für sie beschafft werden, wenn sie die Geschicklichkeiten des Schwimmens und Wassertretens allgemeiner machen. §. 27. Der Präsident der Erziehung hat annoch einen ausführlichen Plan für die Einrichtung dieser Klasse aus dem Gesichtspunkte zu entwerfen: daß nicht bei Rohheit und Barbarei, sondern bei dem geschicktesten Gebrauche der Kräfte das möglich größte physische Vermögen, Wohlsein und wahre Schönheit des Menschen wohne. Zweite Klasse, der wissenschaftlichen und sittlichen Bildung. §. 28. Es soll ein Katechism kurzer, faßlicher, kräftiger Sätze und Sprüche für die frühe Jugend aufgesetzt werden, welcher die Grundwahrheiten des Lebens und der Religion, einfache Vorstellungen von Familie, Staat und Regenten enthält, und auf eindringliche Weise die damit verknüpften Rechte und Pflichten lehrt. §. 29. Dieser Katechism soll von dem Präsidenten der Abtheilung oder dem Verweser dem obersten Gewalthaber oder dem Rathe des Stammvereins vorgelegt werden, und wenn er die Zustimmung desselben oder des von ihm zu ernennenden Ausschusses erhalten, soll das Publikum für die allgemeine Annahme desselben möglichst gewonnen werden. §. 30. Die Beförderung des Unterrichts auf dem platten Lande ist eine vorzügliche Sorge dieser Klasse. §. 31. Den Scharlatanerien, welche sich mit dem öftern Wechsel der Unterrichtsmethoden und durch das Vergnügen des Publikums an öffentlichen Prüfungen in den Schulen eingeschlichen, und den wissenschaftlichen Ernst vertrieben, und den Geist der Flachheit und Tändelei eingeführt haben, soll von den Mitgliedern entgegen gearbeitet, die allgemeine Stimmung dagegen, und für die Ansichten, Einleitung §. 12. b. und c. gewonnen werden. §. 32. Eben so soll die allgemeine Stimmung gegen den Geist auf vaterländischen Akademien, nach welchem nur das nützliche betrieben wird, weil es Vortheile gewährt, gewonnen werden. §. 33. Die Klasse hat dem hohen Rathe Vorschläge zu thun, wie der Geist der Erschlaffung von den Akademien zu vertreiben und ein besseres Geschlecht von Lehrern durch thätige Unterstützung derselben und Verbreitung ihres gelehrten Ansehns hervorzurufen ist. §. 34. Auf Universitäten sollen Freivereine der Studenten unter dem Namen: der deutsche Bund, angelegt werden, welche den Orden, Landsmannschaften, den Rohheiten, Duellen und Unsittlichkeiten entgegen arbeiten, und die Aufrechterhaltung deutscher Sitten, kräftiger Natur, vernünftiger Freiheit und schicklichen Sinnes, imgleichen die Uebung in den Waffen und die Ausbildung menschlicher, sowohl körperlicher als geistiger, Schönheit zum Zweck haben. 544
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§. 35. Durch den deutschen Bund soll ein Ehren- und Sittengericht auf Universitäten unter den Studirenden selbst errichtet werden. §. 36. Es soll eine eigne Verfassung für den deutschen Bund entworfen, und solche der Regierung zur Prüfung vorgelegt werden. §. 37. Ohne Zustimmung der Regierung soll in diesem Punkte nichts unternommen werden. §. 38. Junge Männer, welche sich dem Schulfache widmen, werden dieser Klasse zugeschrieben, um vom Direktor der Klasse beschäftigt zu werden. Dritte Klasse, der pädagogischen Literatur. §. 39. Die Abtheilung der Pädagogik soll eine Schrift zur allgemeinen Verbreitung ihrer Ansichten und zur Belehrung des gebildeten Theils des Publikums herausgeben. §. 40. Die Redakzion dieser Schrift liegt dem Präsidenten oder Verweser ob. §. 41. Die Schrift soll eine Auswahl der Vorschläge und Ausarbeitungen, welche von den Mitgliedern eingereicht worden, nebst andern Abhandlungen über Gegenstände der Erziehung, vorzüglich aber eine Kritik sämmtlicher Schulen und öffentlichen Lehranstalten, ihrer Lekzionspläne, Lehrmethoden, der Vorlesungen auf den Akademien, und der neusten Schriften diese Fachs enthalten. §. 42. Die Kritik soll durchaus gerecht, aber auch ohne Schonung des Fehlerhaften sein. §. 43. Ohne Erlaubniß des obersten Gewalthabers oder Rathes des Stammvereins darf jedoch kein Stück herausgegeben werden. §. 44. Der Verein vertritt alle Schriften, die unter Autorität seiner obersten Gewalt herauskommen. §. 45. Nichts darf unter Autorität des Vereins herausgegeben werden, was nicht den Stempel des Klassischen an sich trägt. §. 46. Mittelmäßige oder auch gute, aber nicht vorzügliche Schriften müssen dem Verfasser überlassen bleiben und werden vom Vereine nicht vertreten. §. 47. Der Präsident der Abtheilung ist für die Beobachtung dieser Regel verantwortlich. §. 48. Die etwanigen Einkünfte, welche solche Journale bringen, fallen dieser Abtheilung zu. Zweite Abtheilung, der Volksbildung. §. 49. Diese Abtheilung zerfällt in drei Klassen 1) der Kirchenzucht, 2) der öffentlichen Spiele und Volksfeste, 3) der Aufklärung. Erste Klasse, der Kirchenzucht. §. 50. Zu dieser Klasse gehören an sich alle Mitglieder vom geistlichen Stande. §. 51. Durch diese Klasse soll Einigkeit unter den Geistlichen und Einheit in ihrer Wirksamkeit hervorgebracht werden. 545
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§. 52. Die gesammte Geistlichkeit des Preußischen Staats soll durch den Verein in gewisse Diözesen getheilt, und für jede ein Inspektor zu geheimer Aufsicht aus den Mitgliedern ernannt werden. §. 53. Eintheilung und Vertheilung hangen von den Bestimmungen des obersten Gewalthabers oder seines Stellvertreters ab. §. 54. Die geheime Aufsicht hat zum Zwecke, die würdigen Mitglieder dieses Standes in ihren Bemühungen geheim wie öffentlich zu unterstützen, schlechte Beispiele der Pflichtwidrigen unwirksam zu machen, solche zur Kenntniß der ordentlichen Behörden zu bringen, anfänglich zu warnen, dann aber durch Ausschließung aus dem Umgange mit bessern Amtsbrüdern den Unwürdigen bloß zu stellen. §. 55. Die Warnung geschieht durch Auftrag des Direktors. §. 56. Unter der Aufsicht dieser Klasse geschehn die Stiftungen und Arbeiten der Freivereine. Von den Freivereinen. §. 57. Die Geistlichen in den Städten und auf dem platten Lande sollen wenigstens alle vierzehn Tage Sonntag Nachmittags eine Zusammenkunft mit den vorzüglichsten und einflußreichsten Mitgliedern ihrer Gemeine aus dem niedern Bürger- und Bauernstande halten. §. 58. Die Verfassung zur Errichtung solcher Gesellschaften soll dem Ermessen der Stifter ganz überlassen sein. §. 59. Solche Gesellschaften führen ausschließlich den Namen: Freiverein. §. 60. Die Form der Gesellschaft, die Zahl der Mitglieder, der Gegenstand der Unterhaltung, die Mittel zur Erweckung des Interesses dafür, hangen lediglich vom Gutbefinden des Stifters ab. §. 61. Die Erlaubniß solcher Gesellschaft beizuwohnen muß als eine Auszeichnung für die bessern Mitglieder einer Gemeine angesehn werden. §. 62. Es soll alles in diesen Versammlungen vermieden werden, was den Eigennutz der Mitglieder verletzen könnte, bis sie für solche Kollisionen reif sind. §. 63. In diesem Vereine soll jedoch die weiter unten zu bezeichnende Volksschrift (§. 95.) vorgelesen, und deren Geist den Mitgliedern nach und nach enthüllt werden. §. 64. Durch solche Versammlungen sollen Einigkeit unter den Staatsbürgern, Liebe zum Umtausche der Ideen, Einsicht in die Verfassung und Nazionalstolz hervorgebracht und genährt werden. §. 65. Der Stifter ist fortwährend Geschäftsträger solcher Vereine. §. 66. Er hat in der Kammer, zu der er gehört, bei allgemeinen Angelegenheiten, als Wahlen u. s. w., zwei Stimmen. §. 67. Schlägt er ein Mitglied eines Freivereins für eine Kammer vor, so ist hierauf besonders Rücksicht zu nehmen. §. 68. Geistliche sind zwar ganz besonders zur Anlegung von Freivereinen verpflichtet, doch liegt es auch ob Justiz- und Domänenbeamten, Pächtern, Oberförstern, Förstern und andern mit den untern Volksklassen in naher Berührung stehenden Personen. 546
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§. 69. Die Einrichtung und Fortsetzung eines Freivereins wird dem Stifter als ein vorzügliches Verdienst angerechnet, und macht ihn würdig in das Buch der verdienten Mitglieder eingetragen zu werden. §. 70. Sämmtliche Mitglieder sind verpflichtet, die Gebräuche und Grundsätze ihrer Religion öffentlich in Ehren zu halten, und sich anstößigen Redens oder Handelns dagegen zu enthalten. §. 71. Sie suchen zugleich der Verbreitung unsittlicher, allgemein schädlicher Schriften entgegen zu wirken. §. 72. Für die Ansichten der ersten Abtheilung suchen sie die Bewohner des platten Landes zu gewinnen und die Verbesserungen im Erziehungsfache unter ihnen einzuführen. Zweite Klasse, der öffentlichen Spiele und Volksfeste. §. 73. Die Vermehrung und Veredlung der Volksfeste gehört zur Aufhülfe des Wohlseins eines Volks. §. 74. In die Spiele und Ergötzlichkeiten des Volks soll mehr Sinn in Beziehung auf das Allgemeine gebracht werden. §. 75. Die Schauspiele gehören zur Belustigung der höhern und wohlhabendern Stände und müssen daher unter Einfluß des Vereins gesetzt werden. §. 76. Die im engern Sinne sogenannten Schauspiele, welche das Volk erschlaffen und den Geschmack verderben, sollen durch die reine Tragödie und Komödie je mehr und mehr verdrängt werden. §. 77. Mittels einer Theaterzeitung soll auf den Geschmack des Publikums selbst durch Vorhaltung seines unnatürlichen Gefallens an dem Albernen und Schlaffen, durch Tadel solcher Theaterdirekzionen und Schauspieler, welche um des Vortheils oder zweideutigen Beifalls willen Kunst und Beruf entwürdigen, und durch scharfen Tadel der ältern und neuern Produkte solcher Art, zweckmäßig gewirkt werden. §. 78. Junge Künstler von Talent, die sich die Veredlung des guten Geschmacks besonders angelegen sein lassen, sollen in dieser sowohl als andern Schriften, auf welche Mitglieder Einfluß haben, rühmlich erwähnt werden. §. 79. Zur Belustigung des Bürgers sollen die Scheiben- und Freischießen wieder ganz vorzüglich unterstützt werden. §. 80. Sobald Bürgermeister, oder Rathsglieder, oder Bürger von Einfluß aus kleinen Städten aufgenommen werden, ist ihnen die Errichtung einer Schützengilde zur besondern Pflicht zu machen. §. 81. Adliche Gutsbesitzer, Beamte, Pächter, Förster u. dgl. so wie die Justizbeamten und Justiziarien unter den Mitglieder sind verbunden, aus allen Kräften mit Zuziehung der Jäger des platten Landes gleichfalls die Neigung für solche Volksfeste unter dem Bauernstande einzuführen. §. 82. Die Scheiben- und Freischießen sollen möglichst über die ganze Nazion verbreitet werden, und die Freivereine darauf hinwirken. 547
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§. 83. Kein Mitglied des Vereins, die vom geistlichen Stande ausgenommen, darf sich von der Verbindlichkeit ausschließen, zu der Gilde seines Wohnorts zu gehören, vielmehr muß es seine Aufnahme sogleich nachsuchen, und den Betrieb dieser nützlichen Volksergötzung sich möglichst angelegen sein lassen. §. 84. Nur ordentliche, gesittete, patriotischgesinnte Bürger sollen zu den Gilden gelassen werden. §. 85. Mit diesen Festen sollen öffentliche Spiele und Prüfungen der Jugend im Laufen, Lasttragen, Werfen, Springen, Schießen, Schwimmen und Reiten verbunden werden. §. 86. Ueber diese Spiele soll die Klasse annoch einen eignen Plan beim Rathe des Stammvereins einreichen. §. 87. Es soll eine Pflanzschule junger Krieger angelegt, und zu derselben jeder Offizier des Vereins eingeschrieben werden. §. 88. Da der Verein mit diesem Geschäfte nur insofern zusammenhängt, als er überhaupt körperliche Fertigkeiten und Ausbildung der Staatsdiener begünstigt, so ist dieß Institut bloß unter seiner Aufsicht. Die Pflanzschule der Offiziere. §. 89. Diese Pflanzschule bildet ein eignes Institut unter Vorsitz eines Direktors und Sekretärs. §. 90. Der Direktor wird vom obersten Gewalthaber oder dem Rathe des Stammvereins gewählt; er ernennt sich selbst den Sekretär. §. 91. Durch dieß Institut sollen nicht nur die oben und in der Einleitung §. 12. d. angeführten Zwecke leichter erreicht, sondern auch junge Offiziere unmittelbar durch Aufgaben für ihr Fach beschäftigt, an ernste Arbeiten gewöhnt, und vom Gefallen am Müßiggange abgezogen werden. §. 92. Der Verein fordert vom Direktor der Pflanzschule die Vorschläge über Verbesserungen der Sittlichkeit des Militärs u. s. w. §. 93. Es soll ein Ausschuß ernannt werden, welcher einen vollständigen Plan des Instituts zu entwerfen und solchen dem Rathe zu Genehmigung vorzulegen hat. Dritte Klasse, der Volksaufklärung. §. 94. Die Aufklärung des Volks über seine sittlichen wie seine Zwangspflichten und Rechte, über seine gemeinschaftlichen Bestimmungen und Vorzüge, soll durch die mündliche Belehrung der Mitglieder, besonders in den Freivereinen bewirkt werden. §. 95. Zur Einheit des Wirkens soll jedoch eine periodische Volksschrift unter dem Titel: der Volksfreund, unter Autorität des Vereins herausgegeben werden. §. 96. In dieser periodischen Schrift sollen Gegenstände von allgemeinem Interesse für den minder Gebildeten enthalten sein. §. 97. Durch dieß Journal will der Verein die Gemeinmeinung im Volke bearbeiten, und es soll deshalb gleichsam eine Vertretung desselben gegen die Anmaßungen der höhern Stände vorschützen, und dadurch die Zuneigung der Menge zuerst zu gewinnen suchen. 548
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§. 98. Die Schrift soll möglichst wohlfeil verkauft werden. §. 99. Der Verein wird sich Einfluß auf die Zeitungen zu verschaffen suchen, um in denselben den Geist der Wahrheit und Anständigkeit herrschend zu machen. Dritte Abtheilung, der Literatur und Kunst. §. 100. Der Verein soll sich den möglichst ausgedehnten Einfluß auf die deutsche Literatur verschaffen, und die Gemeinmeinung überall für Wahrheit, praktische Tugend und kräftige Festhaltung des Nazionalen gewinnen und leiten. §. 101. Diesen Einfluß soll er sich auf dem Wege literarischer Mittheilungen verschaffen. §. 102. Die vorzüglichsten Schriftsteller im Vereine sollen eine periodische Schrift unter dem Titel: die Wiedergeburt der sittlichen Welt, unter Autorität des Vereins nach den Bestimmungen §. 45. u. ff. herausgeben. §. 103. Diese Schrift soll Denk- und Gewissensfreiheit, deutsche Sitten und deutsche Sprache vertreten. §. 104. Die Redakzion derselben ist beim Präsidenten dieser Abtheilung. §. 105. Sie soll Aufsätze über die Geschichte des Tages, die politischen Systeme der Zeit, Staatswirthschaft, Geschichte, Völkerkunde, Kunst und Literatur enthalten. §. 106. Die letzte Rubrik wird Rezensionen derjenigen Schriften liefern, welche sich über Verfassungen der Staaten, politische Systeme, Meinungen u. s. w. ausbreiten, sofern sie eine unsittliche oder gemeinschädliche Richtung haben, oder besonders die Preußische Regierung verletzen. §. 107. Die Mitglieder müssen ihre Beiträge ohne Entschädigung liefern; Beiträge andrer Gelehrten und berühmter Männer können vom Präsidenten honoriert werden. §. 108. Der etwanige Ertrag vom Absatze des Journals fällt dem Schatze des Vereins zu. §. 109. In der Unterstützung der Künste sucht der Verein ernsten und reinen Geschmack und Gefallen an dem Klassischen immer allgemeiner zu machen. §. 110. Zu dieser Abtheilung gehört die Pflanzschule der Politiker für den Dienst des Staats. Die Vollziehungskammer fordert vom Präsidenten der Abtheilung Berichte über die Lage der Literatur, des Handels, der Weltangelegenheiten, und die Verhältnisse der wichtigsten Staaten untereinander und gegen das Vaterland, sofern sie auf den Gang der Arbeiten Einfluß haben. Vierte Abtheilung, des Volkswohlstandes. §. 111. Diese Abtheilung zerfällt in drei Klassen 1) der Landwirtschaft, 2) der Manufakturen und Gewerbe, 3) des Handels. §. 112. Bei den Zerrüttungen, welche der Staat durch den jüngsten Krieg erlitten, kann dem Unterthane nur durch eigne Thätigkeit aufgeholfen werden. Ihre Mitbürger darauf hinzuführen, sie den Werth, Gebrauch und Erfolg ihrer eignen Anstrengung genauer kennen zu lehren, vor allem aber die Kraft der Einheit und gemeinschaftlichen Thä549
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tigkeit einleuchten zu machen, soll die vorzüglichste Sorge der Mitglieder dieser Ab theilung sein. §. 113. Zu ihnen gehören alle Kaufleute, wissenschaftliche und praktische Wirthe und die Beamten, deren öffentliche Wirksamkeit sich auf Gegenstände dieser Abtheilung erstreckt. Erste Klasse, der Landwirthschaft. §. 114. Die Gründe der Geringschätzung des Städters gegen den Ackerbau sollen aufgesucht und gehoben werden. §. 115. Erprüfte und nützlich befundne Ackergeräthe und Erfindungen sollen durch diese Klasse möglichst verbreitet werden. §. 116. Da durch die Folgen des Kriegs in den Städten eine Menge Arbeiter geschäftlos geworden, andern Theils aber auf dem Lande viele Wirthe theils freiwillig ihre Wohnungen verlassen, theils gestorben sind, auch durch Aufhebung der Unterthänigkeit den gegenwärtigen Verhältnissen auf dem platten Lande manche Veränderungen bevorstehn; da hienächst die Zahl der Müßiggänger und Bettler sich mehr und mehr vergrößert, so soll diesen Uebeln durch Einrichtung sogenannter Armenkolonien abgeholfen werden. §. 117. Es sollen von dieser Klasse Listen über alle in den Städten befindlichen Armen gehalten, und zugleich für Gutsbesitzer ein Büreau eröffnet werden, bei welchem sie sich nach Anleitung jener Listen mit dem ihnen fehlenden Gesinde versorgen können. §. 118. Für diese Armenkolonien sollen unter den Mitgliedern und denen, auf die sie Einfluß haben, Kollekten veranstaltet werden, um solche Armen an den Orten ihrer Bestimmung zu befördern. §. 119. Ehe den Gutsbesitzern Gesinde oder Häusler nachgewiesen werden, müssen die Bedingungen, unter welchen die Ansetzung geschehn soll, auf Veranlassung dieser Klasse festgestellt und das Beste der Kolonisten dabei aus allen Kräften wahrgenommen werden. §. 120. Den Gutsbesitzern wird so viel als möglich genaue Nachweisung des Schicksals und der Eigenschaften des Kolonisten gegeben. §. 121. Dergleichen Kolonisten und ihr Auskommen bleibt auch nach ihrer Ansiedlung die Sorge dieser Klasse. §. 122. Zur Bewirkung einer schnellen Mittheilung zwischen dem Verein und den Gutsbesitzern soll sich diese Klasse eines eignen Journals bedienen, wenn es der Präsident nicht zweckmäßig findet, sich eines der übrigen Journale dazu zu bedienen. §. 123. Die Theilnahme des Publikums soll immer mehr von der Unterstützung und Begünstigung der Müßiggänger abgezogen, und für die Unterbringung zur Arbeit gewonnen werden. §. 124. Gutsbesitzer, welche Mitglieder sind, haben überall das beste Beispiel zu geben, selbst mit Aufopferung ihrer Vortheile, um diese Ideen auszuführen und ihnen Eingang zu verschaffen. 550
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Zweite Klasse, der Manufaktur und Gewerbe. §. 125. Viele Gewerbe beschäftigen den Mann, welche sich mehr für das Weib eignen als Verfertigung weiblicher Kleidung, Weberei, Posamentirarbeit u. dgl., indessen der Ackerbau liegt. Der Verein soll die Männer von weiblichen Geschäften abziehn und für die schwierigern Produkzionen gewinnen. §. 126. Den Verbrauch einheimischer Fabrikate suchen die Mitglieder dieses Vereins zu befördern. Zur Verbesserung derselben müssen sie nützliche Erfindungen in den kleinen Städten bekannt machen, und unter den Handwerkern einen bessern Geschmack einzuführen suchen. §. 127. Unverschuldet verarmte Handwerker sind durch Beschaffung des Handwerkszeugs aufzuhelfen, und ihnen Arbeit und Absatz zuzuwenden. §. 128. Die Mitglieder dieser Klasse suchen sich Eingang und Einfluß auf die Zünfte und Korporazionen zu verschaffen, um dadurch aus diesen das theils dem Gewerbebetriebe theils der Sittlichkeit Nachtheilige zu verbannen. Dritte Klasse, des Handels. §. 129. Diese Klasse sucht zu ihren Mitgliedern Männer aus dem Handelsstande sich näher zu bringen, durch welche gegen den Handelszwang gewirkt werden kann. Auch sorgt sie für die Verbreitung der kaufmännisch wissenschaftlichen Ausbildung. §. 130. Mit dem Emporkommen des Gewerbebetriebs ist der Wohlstand der Gemeinheiten und Korporazionen verbunden. Dieser ist durch die Kriegsvorfälle sehr gesunken. Diese Klasse sucht sich von dem Schuldenwesen dieser Gemeinheiten zu unterrichten, und bemüht sich Vorschläge zur Tilgung derselben zu entwerfen und auszuführen. §. 131. Die Mittel, welche dem Wohlstand’ einzelner Gemeinheiten aufhelfen und bis jetzt wenig bekannt oder genutzt sind, sucht diese Klasse auf und sorgt für die zweckmäßige Anwendung. §. 132. Sobald ein Mitglied einer solchen Gemeinheit, oder wer es sei, dergleichen Entdeckungen macht, soll der sich vollständig davon unterrichten, und davon seinem vorgesetzten Direktor unmittelbar Anzeige machen. §. 133. Es sollen wo möglich Fonds und Hülfsmittel für jede Gemeinheit ausgemittelt, ihr in Vorschlag gebracht, darüber mit der Regierung verhandelt, und die Bürger zum Eifer für den Fortgang solcher öffentlichen, ihre Schulden deckenden Vorrichtungen erweckt werden. Fünfte Abtheilung, der äußern Polizei. §. 134. Die Ursachen der häufigen Klagen über schlechte Polizei haben weniger Grund in den Polizeigesetzen und der Verwaltung, als vielmehr in dem Publikum, welches den Aufforderungen der Polizeibehörden zu thätiger Mitwirkung, wenn sie nicht Zwangspflichten enthalten, nicht Folge leistet. §. 135. Deshalb widmen sich die Mitglieder des Vereins dem Dienste der Polizei in solchen Fällen, wo dieselbe das Publikum zur Theilnahme und Mitwirkung auffordert. 551
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§. 136. Es soll ein Polizeikatechism von dieser Abtheilung entworfen werden. §. 137. Die im Vereine befindlichen Aerzte sind verpflichtet, das Volk zu belehren, wie es sich bei ansteckenden Krankheiten und bei Lebensgefahren zu verhalten habe. Diese Belehrungen sind faßlich darzustellen, und dem im §. 136 angeordneten Katechism einzuverleiben. §. 138. Der Verein unterstützt ferner die Staatspolizei zur Vorbeugung und Entdeckung von Verbrechen und Verbrechern. §. 139. Ist durch den Verein einem Verbrechen vorgebeugt, so hält er sich nicht unbedingt verpflichtet, der Obrigkeit Anzeige zu machen, weil ihm daran liegt, Verbrecher selbst auf dem Wege der That zum Guten zurückzuführen. §. 140. Da nach dem Kriege die Verbrecher sich sichtbar mehren und die Besserungsanstalten bei der Armuth des Staats nicht wohl ausgeführt werden möchten, so soll dem hülf- und arbeitlosen Zustande entlaßner Verbrecher durch Unterbringung in Fabriken und bei Privatleuten, vorzüglich bei Mitgliedern, und durch deren Aufsicht möglichst abgeholfen werden. §. 141. Diese Abtheilung soll sich in Kenntniß der Zeit setzen, in welcher dergleichen Verbrecher entlassen werden, und ihrer Angabe, wohin sie sich begeben wollen. Hievon wird sogleich der Kammer oder dem Stifter des Freivereins, in deren Sprengel sie sich aufhalten wollen, Anzeige gemacht. §. 142. Bei jeder Kammer ist ein Verzeichniß von solchen Bürgern und Mitgliedern, welche fähig oder bereitwillig sind, dergleichen Leute als Gesinde in Dienst zu nehmen. §. 143. Ist jemand so untergebracht, so muß die Herrschaft solchen der Ortsobrigkeit vorstellen, die Annahme anzeigen, ihn auch zu dem Geistlichen des Orts führen, und zur Begehung kirchlicher Feierlichkeiten anhalten, den Geistlichen aber ersuchen, ihm seine Pflichten gehörig einzuschärfen. §. 144. Der zu Bessernde soll mit Ernst, jedoch mit Wohlwollen zu seinen Geschäften und einem regelmäßigen und religiösen Leben an- und vom Umgange lüderlicher Menschen abgehalten, bei Rückfällen und Ungehorsam aber ohne Erlaß vor die Ortspolizei zur Bestrafung geführt werden. §. 145. Bei jungen Verbrechern soll dieses Verfahren und das Anhalten zu gewissen Lehrstunden, und zur Beiwohnung des Gottesdienstes an Sonntagen, besonders angewendet werden. §. 146. Sollte ein solches Gesinde den Dienst der Herrschaft wieder verlassen, so soll nicht nur der Ortspolizei, sondern auch der Kammer seines künftigen Aufenthalts davon Anzeige gemacht werden. §. 147. Es sollen, sobald eine gehörige Anzahl Kammern vorhanden ist, der Landesregierung Vorschläge gemacht werden, um im Verständnisse mit der Landespolizei die beabsichtigten Zwecke erreichen zu können. §. 148. Staatsverrätherischen Verbindungen soll mit großer Beharrlichkeit nachgespürt, verdächtigen Personen aber ein geheimer Wächter zugeordnet werden. 552
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§. 149. Schöpft ein Mitglied Verdacht gegen Jemand, so muß es solchen schnell seinem Zensor mittheilen, bis zur nähern Anweisung seine Beobachtungen mit größter Verschwiegenheit fortsetzen, und sich vollständige Beweise zu verschaffen suchen. §. 150. Anzeigen darüber an die Landesregierung können allein durch die höchste Autorität des Vereins geschehn. §. 151. Verdächtige Ausländer, welchen erlaubt ist, oder die berechtigt sind, sich im Lande aufzuhalten, sollen durch den Verein sowohl ihrer Gestalt als ihren Geschäften und Absichten nach, möglichst allgemein geschildert und bekannt gemacht, auch all ihren Zuträgern nachgespürt werden, um ihren schädlichen Einfluß zu vermindern. Sechste Abtheilung, der innern Polizei und Ausbreitung. Erste Klasse, der innern Polizei. §. 152. Die innere Polizei wird durch den Zensor einer jeden Kammer verwaltet und besteht in der Kontrolle des sittlichen Verhaltens ihrer Mitglieder. §. 153. Bei Anklagen ladet der Geschäftsträger des Raths den Angeklagten vor und legt ihm bei geringen Vergehen mäßige Strafe auf. Bei größern Vergehen, oder wenn der Angeklagte sich dem Ausspruche des Geschäftsträgers nicht unterwerfen will, trägt der Zensor die Sache bei nächster Sitzung der Kammer in Gegenwart des Angeklagten vor. In derselben Sitzung finden weitere Debatten darüber nicht statt. Der Angeklagte wählt sich seine Vertheidiger und zwei Richter, der Geschäftsträger wählt deren gleichfalls zwei. §. 154. In nächster Sitzung sucht der Vertheidiger den Angeklagten zu rechtfertigen, welcher nicht anwesend sein darf. Die vier Richter und der Geschäftsträger sprechen hierauf das Urtheil, welches dem Verteidiger bekannt gemacht wird. §. 155. Dem Verurtheilten bleibt die Appelazion an den Vollziehungsrath übrig. §. 156. Bei Zwistigkeiten der Mitglieder unter einander vertritt der Zensor die Stelle des Sühnerichters. §. 157. Sobald er Ruhe und Stille in der Formel: Vermöge meines Zensoramts gebiet’ ich Friede! befiehlt, muß ihm gehorcht werden. §. 158. Wer das erste Mal darauf nicht achtet, soll Fünf Thaler Strafe, das zweite Mal Zwanzig Thaler und das dritte Mal mindestens halbjährigen Ausschluß und Fünf und Zwanzig Thaler Geldstrafe erleiden. §. 159. Die Strafen werden von der Kammer selbst zuerkannt. §. 160. Sehr verdiente und gemeinnützige Handlungen berechtigen den Rath der Kammer oder Gewalthaber, die Strafe zu mildern oder aufzuheben. §. 161. Bei Streitigkeiten der Mitglieder müssen solche zur Wissenschaft des Zensors gebracht werden, welcher zu zweien Malen, nämlich höchstens vierzehn Tage nach der Anzeige, und wenn das erstemal der Versuch fehlschlägt, acht Tage darauf die Sühne versucht. §. 162. Schlägt der Sühneversuch überhaupt fehl, so wählt jede Partei zwei Richter, trägt ihre Sache vor, der Zensor den Sühnebericht, und der Streit wird nach den Be553
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stimmungen (§. 153.) unter Vorsitz des Geschäftträgers von der ganzen Kammer entschieden. §. 163. Fällt der Ausspruch so aus, wie der Zensor vorgeschlagen, so muß der, welcher den Vergleich nicht annahm, eine Sühnestrafe von Zwei Thalern zur Strafkasse entrichten. §. 164. Ist der Geschäftsträger in einen solchen Streit verflochten, so leitet dessen Nachfolger das Gericht, wo nur einer vorhanden ist, der Sekretär. §. 165. Jedes Mitglied muß bei nachdrücklichen Strafen gesetzwidrige und unwürdige Handlungen der Mitglieder dem Zensor anzeigen. Dieser ist bei Verlust seiner Würde und alles Vertrauens im Vereine den Namen des Anzeigers zu verschweigen verbunden. §. 166. Jede Anzeige muß möglichst mit Beweis unterstützt, und nicht eher darf vom Zensor der Angeklagte gewarnt werden, bevor er nicht von der Richtigkeit der Anzeige überzeugt ist. §. 167. Hat er sich von der Unrichtigkeit eines allgemein eingerißnen Verdachts überzeugt, so muß er bei nächster voller Versammlung mit lauter Stimme verkündigen: N. N. war mir verdächtig, daß er u. s. w. – ich habe mich von seiner Unschuld überzeugt. §. 168. Mehre Erklärung darf von ihm nicht gefodert werden. §. 169. Nicht bloß in Beziehung auf den Verein, sondern auch als Mensch und Staatsbürger, steht jedes Mitglied unter Zensur seiner Kammer. Zweite Klasse, der Verbreitung. §. 170. Der Verein soll sich möglichst schnell in allen Provinzen des Reichs verbreiten, und obwohl niemand aufgenommen werden darf, der nicht die im Gesetz I. aufgestellten Eigenschaften mehr oder weniger besitzt, so können doch auch durch Versehn aufgenommene Mitglieder, wenn sie nur für das Gute und Wahre empfänglich sind, beibehalten werden, um sie im Guten zu bestärken. §. 171. Ueber solche Mitglieder muß jedoch der Zensor möglichst streng wachen, und er kann ihnen unter seinen vertrautesten Freunden noch einen Wächter bestellen. §. 172. Sobald sich in andern Provinzen Deutschlands der Verein ausbreitet, darf nach der Oertlichkeit und Verfassung solcher Länder an den einzelnen Bestimmungen des Gesetzes geändert werden. §. 173. Doch müssen die Kommissäre hiezu autorisirt sein, und die Hauptrichtung des Vereins – Werkthätigkeit in öffentlichen Tugenden – darf nie verändert werden. §. 174. Jedes Mitglied hat bei seiner Aufnahme zugleich diejenigen seiner Bekannten und Vertrauten zu benennen, welche außerhalb nicht nur der Aufnahme würdig, sondern auch geschickt sind, die Verbreitung zu befördern und eine Kammer zu stiften. §. 175. Hierauf wird ein solches Mitglied autorisirt, sich mit den abwesenden Fremden zu verständigen, und darf auch gegen Einreichung des Reverses §. 31. Gesetz I. ein Exemplar der Verfassung für denselben nehmen. 554
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§. 176. Dem Zensor, als Direktor der innern Polizei und Verbreitung, liegt die Leitung dieser Geschäfte zwar vorzüglich ob, und die Mitglieder sind verbunden, sich in allen Angelegenheiten ihrer Korrespondenten an ihn zu wenden: allein der Zensor muß seinem Rathe Bericht abstatten, und nur dieser kann Auftrag zur Gründung einer Arbeitskammer ertheilen. §. 177. Die Bevollmächtigung wird erst dann ertheilt, wenn das abwesende Mitglied den Revers §. 32. Gesetz I. unterschrieben und durch seinen Korrespondenten oder unmittelbar eingereicht hat. §. 178. Den verschiednen Mitgliedern einer Provinz soll voneinander Auskunft gegeben werden, um in Gemeinschaft und Verständigung zu wirken. Gesetz IV. Grundsätze der Wahlen. §. 1. Die Wahlen im Vereine werden in der Regel durch Stimmenmehrheit entschieden. §. 2. Jeder Stifter ist im ersten Vierteljahre Geschäftsträger und Zensor seiner Kammer. Tritt er innerhalb dieser Zeit aus, so müssen beide gewählt werden. §. 3. Wächst die Zahl der Mitglieder auf zwanzig, so wird ein zweiter Geschäftsträger durch Stimmenmehrheit auf ein Vierteljahr gewählt. §. 4. Es muß, wenn jemand die Aufnahme wünscht, von einem Mitgliede derselbe vorgeschlagen und vertreten, auch beim Vorschlage eine kurz Schilderung der Eigenschaften desselben gemacht, und für deren Richtigkeit ein Gewährsmann angegeben werden. §. 5. Die Wahl wird erst in nächster Sitzung der Generalversammlung vorgenommen. §. 6. Wer verneinend stimmt, muß seinen Namen beisetzen, innerhalb drei Tagen dem buchführenden Geschäftsträger seine Gründe anzeigen, widrigenfalls auf die Weigerung nicht Rücksicht genommen wird, worauf dann in nächster Sitzung die Wahl wieder vorgenommen und nach Erwägung der Gründe das Resultat der Stimmenmehrheit festgesetzt wird. §. 7. Ist die Mehrheit verneinend, so muß der Vorschlag für immer von derselben Kammer verworfen werden; stimmt ein Drittel verneinend, so muß der Aufzunehmende auf einige Zeit abgewiesen werden. §. 8. Ist die Zahl der Mitglieder auf dreißig erhöht, so werden die fünf Geschäftsträger nebst dem Zensor für die ersten zwei Jahre der Dauer halbjährlich, nach jener Zeit aber auf zwei Jahre gewählt. §. 9. Die neue Wahl geschieht in der Generalversammlung unter Vorsitz des Zensors, welcher dann aber keine Stimme hat. §. 10. In den ersten zwei Jahren treten halbjährlich alle zwei Monate zwei Geschäftsträger aus dem Rathe dergestalt, daß nach Ablauf der ersten zwei Monate die fünf Geschäftsträger, nach Ablauf der folgenden zwei Monate die drei alten Geschäftsträger über den Austritt loosen, endlich nach Ablauf des halben Jahres der Zensor und der letzte alte Geschäftsführer ohne Loosen austreten. 555
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§. 11. Dieselben Mitglieder können wieder gewählt werden; doch müssen sie wenigstens drei Viertel sämmtlicher Stimmen der Mitglieder einer Kammer vor sich haben. §. 12. Kammern, die weder dreißig Mitglieder noch auch bereits drei andre Nebenkammern oder Freivereine in ihrem Sprengel angelegt haben, gehören zu bereits gestifteten Hauptkammern. §. 13. Sind mehre Hauptkammern ihr gleich nahe, so bestimmt die Provinzialkammer oder der Stammverein, wohin sie gehört. §. 14. Die Wahl der ersten Provinzialkammer geschieht unter Aufsicht des Stammvereins oder des von ihm ernannten Kommissärs; bis zur Errichtung derselben kann der Stammverein die Geschäfte durch die älteste Hauptkammer in einer Provinz leiten. §. 15. Wird die Wahl einer Provinzialkammer nöthig, so bestimmt der Stammverein durch Kommissäre nach der Zahl sämmtlicher Mitglieder einer Provinz, auf wieviel Mitglieder die Wahl eines Abgeordneten fällt. Stifter von Freivereinen haben zwei Stimmen in ihrer Hauptkammer, Freivereine werden aber nicht gerechnet. §. 16. Nebenkammern schicken ihre Stimmen an ihre Hauptkammern ein; ist ein Ueberschuß an Mitgliedern vorhanden, auf welche keine Wahl fällt (z. B. neunzehn, wenn zehn wählen), so wächst die Ueberzahl der Hauptkammer zu, welche sich solche anrechnet, und die Nebenkammer selbst darf nur ihrer Hauptkammer annoch einen Abgeordneten in Vorschlag bringen. §. 17. Der Rath der Hauptkammer dirigirt das Geschäft und hat die Einsicht in die Wahlberichte der Nebenkammern. Erst wenn die Nebenkammern ihre Wahl eingesandt, wählt die Hauptkammer. §. 18. Der Kommissär des Stammvereins empfängt die Wahlberichte von den Hauptkammern unmittelbar; er versammelt die in der Provinzial-Hauptstadt befindlichen Räthe der Hauptkammer um sich, eröffnet in einer und derselben Sitzung sämmtliche Wahlzettel, und verkündet nach denselben die Mitglieder der Provinzialkammer zum Protokoll. §. 19. Wäre ein Mitglied von mehren Hauptkammern zugleich gewählt, oder fehlten Mitglieder durch die Ueberschüsse in sämmtlichen Hauptkammern, so steht dem Stammvereine, oder nach Maßgabe seiner Vollmacht dem Kommissär, die Ergänzungswahl zu. §. 20. Jede Hauptkammer, welche Ueberschuß an Mitgliedern hat, darf annoch einen Abgeordneten in Vorschlag bringen; die Namen solcher Vorgeschlagenen werden gleichfalls zu Protokoll verkündet; aus ihnen muß die Ergänzungswahl und möglichst so geschehn, daß die Zahl der Mitglieder im Hauptorte vermehrt werde. §. 21. In den ersten zwei Jahren nach vollständiger Einrichtung des Vereins, oder, wenn ihre Stiftung später fällt, vom Stiftungstag an gerechnet, sind die Mitglieder der Provinzialkammer zwar nur auf ein Jahr, nach jener Zeit aber auf drei Jahre gewählt. §. 22. Dieselben Mitgliedern können jedoch wieder gewählt werden. §. 23. Der Kommissär zeigt allen Mitgliedern ohne Unterschied an, daß sie gewählt worden, und bestimmt den ersten Sitzungstag zur Wahl der Beamten. 556
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§. 24. An diesem Tage macht er die Ergänzungswahlen bekannt, führt die im Orte befindlichen Mitglieder ein, und läßt die Wahl des Raths unter seinem Vorsitze geschehn. §. 25. Im ersten Jahre tritt alle vier Monat ein Drittel der Mitglieder durch das Loos aus. Für die abwesenden Mitglieder zieht der Zensor. Zu Ende der ersten acht Monate ziehn die übrigen alten Mitglieder, jedoch beide Male ohne den Zensor und die fünf Geschäftsträger, welche zu Ende des Jahrs mit dem letzten alten Drittel austreten. §. 26. Die neue Wahl geschieht unter Aufsicht und Anweisung des Gewalthabers, oder seiner Stellvertreter. Nach Ablauf der ersten zwei Jahre geschieht der Austritt nach Ordnung des §. 25. nur jährlich. Ist die Zahl der Wählenden alsdann zu groß, so geschieht die Vertheilung bloß auf die Hauptkammern, und bei zu großer Menge müssen sich die nächstzusammenliegenden Kammern über ihre Wahl des Deputirten zur Ergänzung vereinigen. §. 27. Bei der Wahl des hohen Raths kommt es darauf an, ob nur drei oder vier Provinzialkammern daran Theil nehmen. Sind deren schon vier, so wählen die, welche die zahlreichsten Provinzen vertreten, zwei Mitglieder, die, welche die schwächste Provinz vertritt, eins. Sind nur drei, so wählt die stärkste Provinz drei, die übrigen nur zwei Mitglieder zum hohen Rathe. Bei gleicher Menge der Mitglieder entscheidet erst das Alter, ist auch diese gleich, das Loos. §. 28. Die Provinzialkammern übersenden ihre Wahlberichte durch ihren Rath dem Zensor des Stammvereins in der von ihm bestimmten Zeit. §. 29. Bei der ersten Wahl treten die Zensoren der Hauptkammer zu Königsberg in Preußen und sämmtliche Hauptkammern dieser Provinz, soweit sie daran Theil nehmen wollen, unter dem Vorsitze des Stammvereins in Königsberg zusammen. §. 30. Der Zensor des Stammvereins hat bei der ersten Wahl in derselben keine Stimme und kann auch selbst nicht, wohl aber jeder andre Zensor, zum Mitgliede des hohen Raths gewählt werden. §. 31. In der Sitzung werden die Wahlberichte der Provinzialkammern eröffnet, sämmtlichen Zensoren vorgelegt und von ihnen unterzeichnet, hierauf von dem Vorsitzer laut vorgelesen und zu Protokoll genommen. §. 32. In derselben Sitzung wird den Neugewählten ihre Wahl angezeigt und ihnen bestimmt, wann die Wahlen des Gewalthabers, Oberrichters, Oberzensors, der Rechtsund Vollziehungsräthe vor sich gehn sollen. §. 33. Dasselbe Zensorenkollegium versammelt sich von neuem, doch darf keiner der Gewählten (§. 30.) Theil an dieser Sitzung nehmen. §. 34. Hätte sich ergeben, daß bei den Wahlberichten (§. 31.) einzelne Gewählte mehre Stimmen haben, so müssen sogleich soviel Loose, als erforderlich sind, gemacht und darin die Namen der zwei, drei oder vier Provinzialkammern eingezeichnet werden. Der jüngste Zensor des Kollegiums zieht das Loos derjenigen Kammer, welche nicht an der neuen Wahl Theil nehmen soll. Hat eine Kammer zuerst nur ein Mitglied gewählt, so muß ihr ohne Loos die Wahl der Ergänzung sofort aufgetragen werden, und dies wird so lange wiederholt, bis die Zahl von sieben Mitgliedern vollständig ist. 557
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§. 35. Die Wahlberichte wegen der höchsten Beamten werden gleichfalls versiegelt eingesandt und die Proklamation derselben geschieht wie §. 31. Vom Erfolge der Wahlen erhalten sämmtliche Provinzialkammern durch das Zensorenkollegium Nachricht. §. 36. Eine Deputazion des Stammvereins überreicht in derselben Sitzung das große Siegel, die Generallisten, die Bücher des Ruhms und der Schande, das ursprüngliche Gesetzbuch, und die Liste der Mitglieder des Stammvereines, welche an die Behörden eingesandt werden. §. 37. Hierauf geht das Zensorenkollegium auseinander, und der Stammverein tritt durchaus in das Verhältniß der Provinzialkammern für das Königreich Preußen. §. 38. In den ersten beiden Jahren seiner Stiftung scheiden aus dem hohen Rathe halbjährlich, dann jährlich zwei Mitglieder aus. Im ersten Halbjahre loosen die vier Räthe allein, im zweiten werden der Oberzensor und die zwei neuen Mitglieder nicht mit loosen, im dritten treten die beiden ältesten Glieder mit Ausschluß des Oberzensors, im vierten dieser allein ohne Loos aus. §. 39. Immer muß den Provinzialkammern vor ihrer Wahl der Erfolg des Looses bekannt gemacht werden. §. 40. Der Generalzensor leitet die Ergänzungswahl, außer bei seinem Austritte, wo der Gewalthaber diesem Geschäfte vorsteht. §. 41. Bei der Ergänzung wählen Preußen und Pommern zusammen, Schlesien und die Marken gleichfalls zusammen, ein Mitglied des hohen Raths. §. 42. Die Bestimmungen über die Form solcher Wahlen sollen vom hohen Rath in seinen ersten Generalsitzungen noch genauer nach den dann vorhandenen örtlichen Verhältnissen festgestellt werden. §. 43. Die Mitglieder des Stammvereins sind zwar auf ein halbes Jahr gewählt; indeß tritt alle zwei Monate ein Drittel durch das Loos aus, dergestalt, daß im ersten Termine die Mitglieder des Raths, und im zweiten der Zensor und die neuen Mitglieder nicht mit loosen; im dritten tritt der Zensor und das letzte Drittel der Mitglieder ohne Loos aus. §. 44. An den ersten Ergänzungswahlen nehmen bloß die Hauptkammern zu Königsberg Theil, an den folgenden auch die andern Kammern im Königreiche Preußen. §. 45. Dieselben Glieder sind wieder wählbar, und es muß deshalb der Erfolg des Looses den Hauptkammern bekannt gemacht werden. §. 46. Die Mitglieder des Raths und der Zensor sind im ersten Jahre von der Stiftung an gerechnet, und bis der Stammverein sich in die Provinzialkammern auflöst, für ein halbes Jahr gewählt. Alle zwei Monate müssen im ersten halben Jahre zwei Mitglieder ausscheiden und in den Stammverein zurücktreten. §. 47. Der Austritt geschieht durch das Loos, an welchem jedoch der Zensor nicht Theil nimmt, welcher zuletzt ohne Loos austritt. §. 48. Dieselben Mitglieder können, jedoch nur wenn sie drei volle Viertel der gesammten stimmgebenden Mitglieder für sich haben, wieder gewählt werden. §. 49. Der Zensor leitet das Geschäft des Loosens im Rathe und der Wahl im Stammvereine, bis er selbst austritt, wo der buchführende Geschäftsträger vorsitzt. 558
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Quelle: August Lehmann (Hg.): Der Tugendbund. Aus den hinterlassenen Papieren des Mitstifters Professor Dr. Hans Friedrich Gottlieb Lehmann. Berlin 1867, S. 147–192.
III) Zweitfassung der Statuten, 28. Januar 1809 bzw. 30. Juni 1809 Gr undverf assung des sittlich wissenschaftlichen Vereins. Zweite verbesserte Ausgabe. Vom 30. Juni 1809. Sinnspruch. Vieles sah ich – ich weiß was groß und schön ist in dem Leben, allein das ist das höchste, was des Sterblichen Auge sehen kann: Bund der Edlen, der glücklich macht. Klopstock. Vorwor t. Die Verfassungsurkunde, welche die Freimüthigen Blätter 4. 5. Heft enthalten, war der erste Entwurf, nach der Redaktion desselben entstand die gedruckte Akte, welche noch in einigen Händen ist. Diese Verfassungsurkunde ist diejenige, welche 1809. nach der Reformation des ersten Entwurfs und des Bundes selbst niedergeschrieben, dem König von Preußen vorgelegt, aber nicht genehmigt wurde. Wir haben uns veranlaßt gesehen, dieser Verfassungsurkunde Noten beizufügen. Gr undsätze. §. 1. Sittlichkeit, Religiosität, ernster Geschmack und Gemeingeist befördern die Wirksamkeit der Gesetze, und unterstützen die Machthaber in der Verwaltung des Staats, denn gutes Bürgerthum muß sich auf wahre Menschheit gründen. §. 2. Zwar ist die Bildung zur wahren Menschheit Sache der Freiheit des Einzelnen; allein der Begriff der Menschheit selbst, schließt den Begriff der Allgemeinheit in sich, und weißt in diesem hin auf einen Verein der Kräfte zur gemeinschaftlichen Ausbildung. §. 3. Dieser Verein, obgleich den Bürgerlichen voraussetzend, und sich ihm anschließend, weil die Zwecke des Staats auf Zwecke der Menschheit gegründet sind, ist dennoch selbst von nicht bürgerlicher Verfassung, weil seine Zwecke nicht durch Zwang erreichbar sind. §. 4. Die jetzigen Zeitumstände, welche in ihren Folgen immer drückender werden, das allgemeine Hinstreben auf äußere Zwecke, mit Abneigung von Seelenbildung und stillern Beschäftigungen, die durch außerordentliche Vorfälle herbeigeführte Ueberladung und Verwirrung in den bürgerlichen Geschäften, lassen Ausartung und Zügellosigkeit der Völker fürchten, wenn nicht die einzelnen Kräfte der Gutgesinnten vereinigt, und vom Gefühle wechselseitiger Treue, Liebe und Achtung gestärkt, dem drohenden Uebel entgegen würken. 559
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§. 5. Es entstehe also ein Verein, dessen Glieder, das Gute mit Wahrheit erkennend, und mit Festigkeit wollend, durch kräftiges und furchtloses Streben, nach den Zwecken der Menschheit, ein gleiches Streben im ganzen Volke zu erregen suchen, dessen Ziel mithin Beförderung eines würdigen, wahrhaft menschlichen Lebens, und Anfesselung des Einzelnen an Alle und an das Gesetz sey. §. 6. Dieser Verein sey nicht geheim, und scheue nicht das Licht, schreite aber auch nicht vorschnell zu Tage, sondern halte sich in wirksamer Zurückgezogenheit, wenn nicht die Pflicht ihn hervorruft.1 Er soll demnach kein Orden seyn, keine auf einen Orden hindeutende Formen und Grade haben, auch soll er sich auf keine Art mit Politik und Mistik befassen.2 §. 7. Der Verein arbeite durch Wort, Schrift und Beispiel darauf hin, daß Vaterlandsliebe, deutsche Selbstheit, Geradsinn, Liebe zu den häußlichen Verhältnissen, Anhänglichkeit an das Staats-Oberhaupt und die Verfassung, Achtung gegen Gesetze und Obere, daß ächte Frömmigkeit, Werthaltung des öffentlichen Gottesdienstes, Liebe zur Wissenschaft und Kunst, Menschlichkeit und Brudersinn, Muth und Hoffnung, Freimüthigkeit und körperliche Festigkeit – daß der Haß gegen die Ueppigkeit, diesem Feind der Treue, der Natürlichkeit und offenen Schlichtheit, daß der Haß gegen die Falschheit, Selbstsucht, Künstelei, Schmeichelei, Kriecherei, Verweichlichung und Menschenscheu – wachse, und daß jeder den Menschen an allen Orten aufsuche, um ihn zu diesem Zwecke zu führen, damit sich der bessere Theil des Volks mehre, und mit der Regierung zur schnellern und wirksamern Ausführung ihrer Maasregeln vereinige. §. 8. Da der große Haufen so leicht irre geführt werden kann, so suche der Verein vorzüglich in der Volksmenge zu bilden, befleißige sich, dieselbe auf Uebung öffentlicher Tugenden, und Ausführung großer und schöner Zwecke zu leiten, erhebe sich gegen zügellose Reden und Schriften zum Nachtheile des Staats, der Religion und guter Sitten, vertheidige den edeln Sinn unseres Königs, und bemühe sich, die Irrenden über seine Anordnungen zu belehren. §. 9. Ein solcher Verein ist also gegen keine Gesellschaft und gegen kein Volk, denn er hält sich unbedingt und fest in den Schranken der Landesgesetze, und entsagt aller gesetzwidrigen Einmischung in Staats-Angelegenheiten. Er bildet keine eigene Macht im Staate, denn seine ganze Wirksamkeit ist bedingt durch die Anordnungen jeder Regierung, obgleich nicht durch örtliche Gränzen beschränkt. Sein Zweck ist daher vaterländisch, so fern der Verein zur Veredlung des preußischen Volks, weltbürgerlich, sofern er zur Beförderung des wahren Guten und Schönen überhaupt, thätig seyn soll.
1 Diese Halbheit, dieser Widerspruch hätte den Tugendverein vernichtet, wäre er auch nicht aufgehoben worden. Der aus ihm erwachsene deutsche Bund war desto geheimer. 2 Eine Verbindung, die durch Zwang und Furcht vor Strafe und kräftigen Exekutionsmitteln keine Haltung erhält, kann nur durch den Reiz der Verborgenheit, des Uebernatürlichen, des Inter esse oder des Ehrgeizes, Festigkeit bekommen. 560
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Er ster Abschnitt. Von den Mitgliedern des Vereins, ihren Rechten und Pflichten, ihrer Aufnahme und Ausscheidung. §. 10. Nur Männer, die das zwanzigste Jahr zurückgelegt haben, können Mitglieder des Vereins werden. §. 11. vid. §. 3. pag. 119. IV. Heft. der freimüthigen Blätter. §. 12. vid. §. 4. do.1 §. 13. Auch darf der nicht aufgenommen werden, der sich geweigert hat, auf Befehl des Staats-Oberhaupts die Waffen zu ergreifen, indem jedes Mitglied verbunden ist, wenn der Staat die allgemeine Verpflichtung zum Kriegsdienste gesetzlich machen sollte, sich denselben nicht nur persönlich mit aller Bereitwilligkeit zu unterziehn, sondern auch dem Widerstreben anderer entgegen zu wirken. §. 14. Im Verein hört jeder Unterschied des Standes und Amtes auf,2 ohne daß jedoch dadurch ausgezeichneten und ehrwürdigen Männern, sowohl in als außer dem Vereine, die ihnen gebührende Achtung entzogen werde. Insonderheit verpflichten sich die Mitglieder, das gemeinschaftliche Gegeneinanderwirken der Stände und Innungen, durch Bewirkung einer schicklichen und heilsamen Annäherung derselben, und durch gegenseitige Vertretung und öffentlichen Verkehr, jedoch ohne Nachtheil der Wahrheit, und ohne Beschönigung des Lasters oder Verbrechens, möglichst zu vermindern. §. 15. Jedes Mitglied ist zwar den Gesetzen des Vereins Folge zu leisten verpflichtet, jedoch gehen die Pflichten, welche der Staat von demselben fordert, überall den Pflichten gegen die Gesellschaft vor. §. 16. Jedes Mitglied ist berechtigt und verpflichtet, an der Gesetzgebung und Verwaltung des Vereins Theil zu nehmen, zugleich aber auch verbunden, bei seinem Eintritt in den Verein, sich in eine, der im dritten Abschnitt näher zu bestimmenden ArbeitsAbtheilungen, nach seinen Fähigkeiten einzuschreiben. §. 17. vid. §. 33. Seite 123. IV. Heft. f. 6. §. 18. Die Mitglieder des Vereins sind auch ohne Unterschied verpflichtet, auf die Warnungen und Ermahnungen der Zensoren zu achten, und ihnen Folge zu leisten. §. 19. Männer, von allgemein anerkannten Verdiensten um den Staat, können, wegen überhäufter Dienstgeschäfte, auf eine von dem Rathe der Kammern jedesmal zu bestimmende Frist, von den eigentlichen Geschäften und Arbeiten des Vereins entbunden werden, und sind während dieser Frist als geschäftsfreie Mitglieder zu betrachten; ob sie gleich nicht als solche in einer besondern Liste aufgeführt werden. §. 20. Dergleichen Mitglieder sind jedoch verpflichtet, zu den allgemeinen Zwecken des Vereins, nach Maaßgabe ihrer Verhältnisse, kräftigst mitzuwirken, auch über die Art dieser Mitwirkung, bei ihrer Aufnahme und Entbindung von den Geschäften, sich näher zu erklären, im übrigen aber den Gesetzen des Vereins genau nachzuleben; allein sie 1 N. d. R. Hier stimmt diese Urkunde wörtlich mit der, in dem f. 6. überein. 2 N. d. R. Dies ist den Illuminaten nach geschrieben. 561
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sind während ihrer Befreiung zu keinem Amte im Verein wählbar, und haben selbst in seinen Versammlungen keine entscheidende Stimme. Nach Ablauf der Befreiungsfrist treten sie, wenn nicht dieselbe, auf ihr Ansuchen, verlängert wird, sogleich in alle Rechte und Pflichten der übrigen thätigen Mitglieder ein. §. 21. Jedes Mitglied ist zwar berechtigt und verpflichtet, die Verbreitung des Vereins in allen Ständen zu befördern, jedoch muß dieß ohne Zudringlichkeit und Anwendung von Ueberredungskünsten geschehen. Auch darf niemand ohne besonderen Auftrag Nichtmitglieder mit den Geschäften und Arbeiten des Vereins bekannt machen, und selbst bei eigner Vertheidigung nichts davon veröffentlichen. Vielmehr ist jedes Mitglied verbunden, allem Streit über den Werth des Vereins mit Nichtmitgliedern möglichst auszuweichen, aber da, wo ein solcher nicht zu vermeiden ist, mit Ernst und bescheidner Würde die Sache des Vereins und seiner Glieder zu vertreten. §. 22. Die Vorschläge zur Aufnahme neuer Mitglieder geschehen schriftlich an den Zensor, und durch diesen an den Rath der Kammer in nachstehender Form: ich, der Unterschriebene, trage darauf an, den N. N. in den Verein aufzunehmen, weil nach meiner Ueberzeugung, derselbe die in der Verfassung §. 11. benannten Eigenschaften besitzt. Darunter schreiben zwei andere Mitglieder mit Beisetzung ihrer Namen: Wir bezeugen ein Gleiches. Sollte der Vorzuschlagenden nicht zweien Mitgliedern des Vereins bekannt seyn, so muß der Vorschlagende zwei andere Gewährsmänner außer dem Verein nennen, deren Urtheil von Gewicht ist. §. 23. Dieser schriftliche Vorschlag wird zuvörderst bei sämmtlichen Mitgliedern des Raths herumgegeben, welche darunter bescheinigen, daß ihnen nichts Nachtheiliges von dem Vorgeschlagenen bekannt sey. Befinden sich die Gewährsmänner außer dem Verein, so sucht der Zensor auf eine schickliche Art genaue Kenntniß von dem Rufe des Vorgeschlagenen einzuziehen, und ergänzt durch seine eigenhändige Bemerkung auf dem schriftlichen Vorschlage, die fehlende Gewährsleistung. §. 24. Ist auf diese Art keine Stimme gegen den Vorgeschlagenen, so wird er dadurch wahlfähig. Die Wahl geschieht durch sämmtliche Mitglieder einer Kammer in der Art, daß bei den allgemeinen Versammlungen der Vorschlag, jedoch ohne Namen der Vorschlagenden, verlesen, und der Name des Vorgeschlagenen in den Versammlungszimmern aufgezeichnet wird. Vierzehn Tage lang steht es jedem Mitgliede frei, gegen die Aufnahme zu stimmen; nach Ablauf dieser Frist aber; wird in der öffentlichen Versammlung, wenn niemand sich gegen die Aufnahme erklärt hat, solche als zuläßig bekannt gemacht. §. 25. Findet ein Mitglied des Raths gegen den Vorgeschlagenen etwas zu erinnern, so müssen von demselben, mit Zuziehung des Zensors, die Bedenklichkeiten dem Vorschlagenden bekannt gemacht werden. Ueberzeugt sich der Letzte von der Gründlichkeit des Einwandes, so fordert derselbe seinen Vorschlag zurück. Wird der gemach562
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te Einwand von dem Vorschlagenden gehoben, so bescheinigt das Rathsmitglied, welches die Bedenklichkeit hatte, zum Beweise, daß solche gehoben sind, den schriftlichen Vorschlag. Können sich aber beide Theile über ihre Meinungen nicht einigen, so wird die Sache mit Anführung der beiderseitigen Gründe, der nächsten höheren Behörde, nehmlich dem Rathe der Provinzial-Kammer, zur Entscheidung vorgetragen, bei welcher es sein Bewenden hat. §. 26. Die Stimmen der übrigen Mitglieder gegen eine Aufnahme, müssen mit Anführung der Gründe schriftlich dem Zensor und durch diesen dem Rathe der Kammern übergeben werden. Findet dieser die Ausstellungen erheblich, so werden sie durch dem [!] Zensor dem Vorschlagenden bekannt gemacht, jedoch mit Verschweigung des dagegen stimmenden Mitgliedes. Nach erfolgter Ausmittelung der Wahrheit, wobei jedoch alles Aufsehen zu vermeiden ist, bestimmt der Rath, und zwar nach den Umständen, ob der Vorgeschlagene auf immer oder nur auf eine gewisse Zeit vom Eintritt in den Verein auszuschließen sey. In gleicher Art kann die obige Bestimmung der höhern Behörde wegen, der Wahlfähigkeit erlassen werden. (§. 25.) §. 27. Von dieser Entscheidung wird nichts bekannt gemacht, nur der Zensor bemerkt in seinem Buche diejenigen, die auf immer vom Eintritt ausgeschlossen bleiben, und zwar ohne Angabe der Gründe. Diejenigen, die nur auf eine gewisse Zeit von Eintritt ausgeschlossen worden, werden in diesem Buche auf ein besonderes Blatt verzeichnet, dabei die Gründe im Allgemeinen angegeben. Findet der Rath späterhin die Ursachen gehoben, so wird das Blatt vernichtet. §. 28. Ist der Aufnahme nichts entgegen gestellt, so wird der Aufzunehmende aufgefordert, bevor ihm die Gesetze bekannt gemacht werden, nachstehende Versicherung zu unterzeichnen: Ich, der vid. pag. 124. d. Heft IV. f. 6. §. 29. Hiernächst, und wenn er nach Durchlesung der Gesetze sich zum Eintritt erklärt, hat er sich mittelst Handschlages zur Befolgung der Gesetze und Beförderung der Zwecke des Vereins zu verpflichten und folgende Versicherung zu unterzeichnen: Ich, der Unterschriebene, habe mich dem sittlich-wissenschaftlichen Verein durch Handschlag verpflichtet, mich eines würdigen und anständigen Lebens vorzüglich zu befleißigen, als preußischer Staatsbürger meine Pflichten mit vorzüglicher Aufmerksamkeit zu erfüllen, und dem jetzigen Könige und seinem Hause mit ganz vorzüglicher Treue anzugehören, allen mir nach dem Geist und den Gesetzen des Vereins, von seinen Behörden gegebenen Aufträgen, Anordnungen und Erinnerungen, nach meinen Kräften, gebührende Folge zu leisten, überhaupt aber die genaueste Erfüllung der Gesetze des Vereins mir auf das sorgfältigste angelegen seyn zu lassen, und selbst nach freiwilligem oder durch den Verein veranlaßten Austritte, mich jeder Verunglimpfung desselben und alles gehäßigen Gegenwirkens zu enthalten. Ich habe mich auf den Fall der Nichterfüllung dieser Verpflichtungen der Geringschätzung aller Vereinsmitglieder freiwillig unterworfen. §. 30. Von der Verbindlichkeit zum Handschlag und zur Unterschrift kann niemand befreit werden. Auch muß beides öffentlich in einer allgemeinen Versammlung geschehen, 563
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wo der Eintretende die Versicherung im Hauptbuche der Kammer unterschreibt und der Zensor den Handschlag empfängt. §. 31. Tritt ein zur Aufnahme Gewählter dem Verein nicht bei, so zeigt dieß der Vorschlagende, ohne Anführung der Gründe, dem Rathe der Kammer durch den Zensor an. Eine solche Weigerung hebt die Wahlfähigkeit für die Folge nicht auf. §. 32. In der Regel muß die erste Versicherung (§. 20.) binnen vierzehn Tagen, und die Erklärung des Gewählten binnen vier Wochen eingereicht, etwaige Hinderungsursachen aber dem Zensor angezeigt werden. §. 33. Jeder Kammer werden von der nächsten vorgesetzten Behörde Bezirke angewiesen, in welchem sie die Aufnahme neuer Mitglieder bewirken kann. §. 34. Von diesen Vorschriften, wegen der Aufnahme neuer Mitglieder, darf nur der Rath der Provinzial-Kammer in derselben abweichen, wo er auswärtige Männer aufnehmen will, um die Ausbreitung des Vereins zu befördern. Aber auch in solchen Fällen muß die oben bestimmte Bürgschaft (§. 22.) wenigstens von dem Vorschlagenden geleistet werden, und kein Mitglied des Provinzial-Raths darf gegen die Aufnahme stimmen, wenn sie statt finden soll. Die Aufnahme geschieht dann beim Zensor in Gegenwart zweier Mitglieder als Zeugen. §. 35. Das Ausscheiden aus dem Verein geschiehet entweder aus freier Wahl, oder durch den Beschluß des Vereins. §. 36. Im ersten Fall wird dem Austritt nicht entgegengearbeitet, nur ist der Austretende verpflichtet, seinen Abdruck der Verfassung unentgeldlich zurückzugeben. In der nächsten allgemeinen Versammlung wird vom Rath bekannt gemacht, daß N. N. den Verein verlassen habe. Sucht späterhin der Ausgetretene die Wiederaufnahme nach, und hat derselbe den Verpflichtungen der zweiten Versicherung (§. 29.) nach, seinem Ausscheiden genügt, so ist er wieder wahlfähig, und geschiehet die Wahl und Aufnahme wie bei jedem andern. §. 37. Durch den Beschluß des Vereins werden diejenigen ausgeschieden, welche ihren Verheißungen nicht gemäß leben, und sich in Bearbeitung der ihnen aufgetragenen Geschäfte unthätig zeigen, wenn sie erst erinnert, dann gewarnt, dennoch fortdauernde Anzeigen eines widerstrebenden Willens geben. §. 38. Ferner diejenigen, welche sich, wider Verhoffen, während ihrer Verbindung mit dem Verein, solche Dinge zu Schulden kommen lassen sollten, wegen welcher sie nach §. 11–13. gar nicht hätten aufgenommen werden können, wenn dergleichen vor dem Zutritt geschehen wäre. §. 39. Außerdem soll ein Mitglied auch dann ausgeschlossen werden, wenn es dem Vereine gemeinschaftliche politische oder mystische 1 Zwecke unterlegt, oder überhaupt durch unbesonnene Geschwätzigkeit sich des, in seine Klugheit und seinen guten Willen gesetzten Vertrauens, unwürdig zeigt.
1 N. d. R. Da waren wahrscheinlich sehr viele ausgeschieden. 564
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§. 40. In Fällen, wo eine Vertheidigung gewünscht worden, wird solche gehört. Beruhigt sich der Auszuscheidende bei dem gefaßten Beschlusse, den Verein zu verlassen, so wird er aus der Liste gestrichen, und der Kammer bekannt gemacht, N. N. hört auf ein Mitglied des Vereins zu seyn. Beruhigt sich der Angeklagte nicht, so wählt er drei Mitglieder und eben so viele der Rath, welche unter Aufsicht des Zensors die Anklage näher untersuchen und darüber entscheiden. Der Zensor hat nur dann eine Stimme, wenn die gegenseitigen Meinungen gleich sind, sonst entscheidet die Mehrheit. Wird der Angeklagte von diesem Gerichte frei gesprochen, so bedarf es keiner weitern öffentlichen Bekanntmachung. §. 41. Vierteljährig senden die Kammern die Nachweisungen von den aufgenommenen Mitgliedern an die vorgesetzten Behörden, welche wiederum sämmtlichen Kammern von den zugetretenen Mitgliedern der andern Kammern Nachricht geben. Von ausgetretenen Mitgliedern aber erfolgt die Nachricht von beiden Seiten sogleich. Zweiter Abschnitt. Von den verwaltenden Behörden, deren Wahl, Geschäften und Verhältnissen gegeneinander. §. 42. vid. §. 1. u. 2. pag. 126. IV. Heft. §. 43. Die oberste Behörde des Vereins ist der hohe Rath; welchem die allgemeine Geschäftsleitung und Gesetzgebung zukommt.1 §. 44. Ihm sind zunächst untergeordnet der Provinzial-Rath.2 1) zu Königsberg in Preußen für Ost-Preußen, Litthauen und den am rechten Weichselufer belegenen Theil von West-Preußen. 2) einstweilen in Kolberg für die zwischen der Weichsel und Oder belegenen Theile West-Preußens, Pommern und der Neumark. 3) in Berlin für die zwischen der Oder und Elbe liegenden Provinzen und 4) in Breslau für Schlesien und dem am rechten Oderufer liegenden Theil der Neumark. §. 45. Dem Provinzial-Rathe sind alle Kammern seiner Provinz untergeben, von welchen eine jede zur Verwaltung ihrer gesammten Angelegenheiten einen eignen Rath bildet. §. 46. Die an einem Orte schon vorhandenen, in einer, verfassungsmäßig bereits bestehenden Kammer, aufgenommenen Mitglieder, sind befugt, zur Stiftung einer Kammer an ihrem Orte einen Geschäftsführer unter sich zu erwählen, und für diesen einen schriftlichen Auftrag, zur Errichtung der Kammer, bei dem Provinzial-Rathe nachzusuchen.
1 N. d. R. Bei der Fortsetzung des T. B. blieb dieser hohe Rath in Berlin und bestand aus 12 Mitgliedern. 2 Diese verwandelten sich in einzelne Vorstände in der Provinz. 565
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§. 47. Die Befugniß, sich zur Stiftung einer Kammer vom Provinzial-Rathe bevollmächtigen zu lassen, steht auch einem einzelnen Mitgliede zu, wenn ausser demselben kein bereits angenommenes Mitglied an dem Orte vorhanden ist. §. 48. Ist an einem Orte gar kein Mitglied, so steht dem Provinzial-Rathe frei, durch einen schriftlich dazu beauftragten Abgeordneten an diesem Orte, wenn er denselben dazu angethan findet, eine Kammer errichten, und für dieselbe einen Geschäftsführer, der die Stelle des Stifters, nach dessen Entfernung, vertritt, ernennen zu lassen. §. 49. Der Stifter oder der statt desselben ernannte Geschäftsführer, ist so lange einziger Vorsteher der Kammer, bis an dem Orte zehn Miglieder zusammen sind; alsdann wählen diese einen Rath und den Zensor, und nächstdem bleibt der Kammer die Erwählung der übrigen Räthe überlassen, bis die Zahl der Mitglieder zu funfzig herangewachsen ist, dann müßen fünf Räthe und ein Zensor gewählt werden. §. 50. Diese Räthe und der Zensor machen den Rath der Kammer aus, führen die Aufsicht über die Arbeiten der Kammer, ertheilen die Aufträge nach den verschiedenen Geschäftsabtheilungen, haben die örtliche Gesetzgebung, besorgen alle bei ihrer Kammer vorkommenden Wahlen, und führen durch den Zensor das Verzeichniß sämmtlicher Mitglieder ihrer Kammer, sammeln auch die Versicherungen, welche die aufzunehmenden Mitglieder, nach §. 28. und 29., ausstellen. §. 51. Die Räthe und der Zensor bleiben ein volles Jahr in ihrem Amte; jedoch treten im ersten Jahre alle vier Monate zwei von ihnen durch Loos, der Zensor mit dem fünften Rathe zuletzt, ohne Loos aus. Nachher geschieht der Austritt nach der Zeitfolge des Eintritts, so daß stets vier alte und zwei neue Mitglieder im Rathe sitzen. §. 52. Jeder Ausgeschiedene kann wieder gewählt werden, muß aber von den zur Wahl gegenwärtigen Mitgliedern zwei Drittel der Stimmen für sich haben, und wenn die Mehrheit nicht so viel beträgt, ist er für diesmal gar nicht wählbar, sondern es wird in Ansehung seiner eine neue Wahl veranlaßt. §. 53. Länger als ein Jahr ist kein Mitglied verpflichtet, das ihm anvertraute Amt zu verwalten; mit Ablauf des nächstfolgenden Jahres aber, tritt die ursprüngliche Verbindlichkeit wieder ein. §. 54. Der Rath einer Kammer kommt zur Besorgung der ihm obliegenden Angelegenheiten wöchentlich einmal zusammen, und wechselt die Rathsglieder, mit Ausschluß des Zensors, bei diesen Sitzungen den Vorsitz monatlich. §. 55. Alle Monate hält die Kammer wenigstens eine allgemeine Versammlung; öftere Zusammenberufungen hängen von dem Gutbefinden des Raths ab. §. 56. Das im Rathe der Kammer vorsitzende Mitglied, führt auch in den allgemeinen Versammlungen den Vorsitz. §. 57. Der Zensor ist bei seiner Kammer verpflichtet, für die Aufrechthaltung der Gesetze des Vereins in den Schranken der Landesgesetze, auf das sorgfältigste zu wachen, und in seiner Amtsführung nur dem Provinzial-Zensor, so wie dem gesammten Rath der Kammer und dem Provinzial-Rath verantwortlich.
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§. 58. Der Provinzial-Rath wird, an den §. 44. benannten Haupt-Orten, aus der Mitte der dasigen Kammern erwählt. §. 59. Die Wahl geschieht so, daß jede Kammer der Provinz entweder aus ihren eignen Mitgliedern, oder aus denen der Kammer, im Hauptorte einen Abgeordneten ernennt; welche Abgeordnete zusammengenommen die Mitglieder des Provinzial-Rathes wählen. §. 60. Der Abgeordneten müssen wenigstens zehn seyn; sollten daher in der Provinz noch nicht zehn Kammern errichtet, oder an dem zur Wahl bestimmten Tage noch nicht so viel Abgeordnete ernannt seyn, so ergänzt die Kammer im Hauptorte aus ihrer Mitte die fehlende Zahl. §. 61. Der Provinzialrath besteht ebenfalls aus fünf Räthen und einem Zensor, welche drei Jahre in ihrem Amte bleiben; doch tritt in den ersten zwei Jahren halbjährlich ein Rath durch Loos, im dritten Jahre zu, erst der fünfte Rath und zuletzt der Zensor ohne Loos aus, daher wird von den Abgeordneten nach der ersten Wahl jedes halbe Jahr wieder ein neues Mitglied gewählt, welches dann der Reihe nach ausscheidet. §. 62. Zur Wahl eines neuen Zensors werden auch neue Abgeordnete von den Kammern erwählt, so, daß die Abgeordneten jedesmal drei Jahre lang ihr Wahlgeschäft verwalten. §. 63. Die Geschäfte des Provinzial-Rathes sind: 1) Die Errichtung neuer Kammern. 2) Die Aufsicht über die schon bestehenden Kammern und ihre Geschäfte. 3) Die Prüfung der von den Kammern einlaufenden Gesetz-Vorschläge und die Einreichung derselben beim hohen Rath, mit einem Gutachten. 4) Der Einsendung vierteljähriger Listen und Geschäftsberichte von allen einzelnen Kammern der Provinz, und die Einsendung derselben an den hohen Rath. 5) Die Bekanntmachung der Verfügungen des hohen Raths innerhalb der Provinz, und 6) Die Untersuchung und Entscheidung in Ansehung etwaiger Vergehungen der Beamten der Kammern. §. 64. Der Vorsitz bei den Versammlungen des Provinzialraths, die wenigstens zweimal monatlich statt finden müssen, wechselt unter den Mitgliedern, mit Ausschluß des Zensors, alle Monate; die besondere Geschäftsbearbeitung theilen sie unter sich, nach den im dritten Abschnitte zu bestimmenden Abtheilungen. §. 65. Jedes Rathsmitglied hat das Recht, sich aus der Kammer im Hauptorte einen Geschäftsbeistand zu wählen, welchen dasselbe nicht nur bei der Leitung der besondern Geschäfte seiner Abtheilung zuzieht, sondern auch in dringenden Fällen bei den Rathsversammlungen seine Stelle vertreten lassen kann. §. 66. Der Provinzial-Zensor hat in Ansehung seiner Provinz dieselbe Verpflichtung, welche nach §. 57. der Kammer-Zensor in Ansehung seiner Kammer hat, und ist in seiner Amtsführung nur dem Ober-Zensor, so wie der Provinzial-Rath nur dem hohen Rathe verantwortlich. 567
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§. 67. Zur Bildung des hohen Raths, welcher aus acht Mitgliedern besteht, wählt jeder Provinzial-Rath, mit Zuziehung der Geschäftsbeistände (§. 66.) und der Abgeordneten (§. 59. und 60.) aus sämmtlichen Mitgliedern des Vereins zwei; jedoch müssen die zu erwählenden dem Sitz der Regierung möglichst nahe seyn, weil in diesem die Zusammenkünfte des hohen Raths gehalten werden sollen. §. 68. Die Mitglieder des hohen Raths wählen unter sich den Ober-Zensor ; fünf Räthe führen die oberste Leitung der ersten fünf Geschäftsabtheilungen, und zwei Räthe nebst dem Ober-Zensor bilden die oberste Gesetzgebungskammer. §. 69. Der Vorsitz bei den Versammlungen des ganzen Raths, welche monatlich wenigstens einmal Statt finden, wechselt halbjährig unter den sieben Räthen, und der vorsitzende Rath führt den Titel des Ober-Vor steher s; die Gesetzgebungskammer hält ihre Sitzungen nach Maaßgabe der vorkommenden Arbeiten, und wird vom OberZensor zusammenberufen. §. 70. Die Mitglieder des hohen Raths sind auf vier Jahre gewählt, alle Jahre treten zwei Mitglieder aus, und zwar tritt in den ersten drei Jahren halbjährig ein Rath durch das Loos, im siebenten Halbjahr der letzte Rath, und dann der Ober-Zensor ohne Loos aus. In den folgenden Jahren geschieht der Austritt nach der Zeitfolge der Wahl. Diese Wahl geschieht von dem Provinzial-Rathe, der nach §. 67. den Abgehenden gewählt hat, auf gleiche Weise. In den ersten drei Jahren muß die neue Wahl binnen Monatsfrist beendigt seyn, und bis dadurch das neue Mitglied bestimmt ist, vertritt das Abgehende noch dessen Stelle. Vom vierten Jahre an muß die neue Wahl vor dem Austritte besorgt seyn, damit das neue Glied sogleich eintreten kann. §. 71. Der hohe Rath leitet die Geschäfte des Vereins im Allgemeinen durch Verfügungen an die Provinzial-Räthe, entscheidet die im Verein vorfallenden Streitigkeiten in höchster Instanz, und vertritt den Verein bei der Regierung, der auch von ihm vierteljährig die allgemeine Liste der Mitglieder vorgelegt wird. §. 72. Die Wirksamkeit der Gesetzgebungs-Kammer bezieht sich theils auf Entwickelung und Erklärung der in gegenwärtiger Verfassung begriffenen Gesetze, theils auf Prüfung der sowohl von einzelnen Gliedern des hohen Raths als von den Provinzial-Räthen gemachten Gesetz-Vorschläge, selbst wenn diese sich auf ein örtliches Verhältniß beziehen, zugleich aber auch einen wesentlichen Einfluß auf die Grundverfassung haben. Aus den bei der Prüfung als zweckmäßig befundenen Gesetz-Vorschlägen bildet die Kammer Gesetz-Entwürfe, welche der Rath selbst durch Stimmen-Mehrheit entweder verwirft, oder zu wirklichen Gesetzen erhebt, und als solche den Provinzial-Räthen bekannt macht. Auch kann der hohe Rath den Gesetz-Entwurf der Kammer abändern, bevor er ihm Gesetzkraft ertheilt. Die Ausarbeitung der Gesetz-Entwürfe geschieht wechselsweise von den beiden Räthen und der Kammer, und der Vortrag derselben im Rathe vom Zensor. Wenn dieser einen von den beiden Räthe unterzeichneten Gesetz-Entwurf nicht mit unterzeichnen will, so ist er zwar verbunden, ihn dennoch vorzutragen, es muß aber auf seine Einwendungen dagegen vorzügliche Rücksicht genommen werden, und nur dann, wenn der 568
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Ober-Vorsteher nebst noch zwei andern Räthen einen solchen Gesetz-Entwurf billigt, kann derselbe Gesetz-Kraft erhalten. §. 73. Der Ober-Vorsteher und der Ober-Zensor haben das Recht, Mitglieder des Vereins als Abgeordnete mit besondern Aufträgen in die Provinzen zu senden; jedoch müßen sie sowohl einander gegenseitig, als auch den Provinzial-Rath derjenigen Provinz, in welche der Abgeordnete geschickt wird, von der Person und den Aufträgen des Abgeordneten unterrichten. Desgleichen können sie unter dieser Bedingung ihre Aufträge nach Gutbefinden einschränken, erweitern, aufheben und anderen übertragen. Auch kann jedes Mitglied des hohen Raths, gleich den Provinzial-Räthen (§. 65.) einen Geschäftsbeistand erwählen; nur kann der Geschäftsbeistand des Ober-Vorstehers nicht den Vorsitz im hohen Rathe führen, und die damit verbundenen Rechte ausüben, sondern es wird der Vorsitz in den Versammlungen, wo der Ober-Vorsteher nicht selbst erscheinen kann, von dem nächstfolgenden Rathsgliede geführt. §. 74. Der Ober-Vorsteher ist in Hinsicht auf sein Verhalten, vom Ober-Censor freundschaftliche Vorstellungen anzuhören verbunden, und wenn er denselben kein Gehör geben will, ohne ihnen doch etwas gründliches und entscheidendes entgegen setzen zu können, hat der Ober-Zensor davon den übrigen Rathsgliedern Meldung zu thun, der Ober-Vorsteher aber den hierauf erfolgenden Festsetzungen bei Verlust seines Amtes Folge zu leisten. – Dasselbe findet Statt in Ansehung der übrigen Rathsglieder, nur daß bei Rügen gegen diese der Ober-Zensor erst Rücksprache mit dem Ober-Vorsteher zu nehmen hat, ehe sie im versammelten Rathe zur Sprache gebracht werden. Beschwerden gegen den Ober-Zensor selbst, sind beim Ober-Vorsteher anzubringen, und von diesem, nach vergeblich versuchten Vorstellungen, dem ganzen Rathe vorzutragen. In dringenden Fällen kann der hohe Rath jedes seiner einzelnen Mitglieder einstweilen ausser Amtsthätigkeit setzen, die Untersuchung der angeblichen Vergehungen aber und die Entscheidung über Freisprechung oder Entsetzung des Beklagten, kann nur bei der Behörde, die ihn nach §. 67. gewählt hatte, Statt finden. §. 75. Der Ober-Zensor sammelt alle von den Provinzial-Räthen eingehende Verzeichnisse sämmtlicher Mitglieder und allgemeine Berichte von der Beschaffenheit und Thätigkeit der Kammern. Er hat daher auch beim hohen Rathe den Vortrag aller, die Vorbereitung und die innere Ordnung des Vereins betreffenden Sachen, sofern dieselben nach der Verfassung einer Mitwirkung des gesammten Raths bedürfen. §. 76. Alle Beamte des Vereins und alle Abgeordnete, selbst des Ober-Vorstehers, stehen zwar in Ansehung ihres sittlichen Verhaltens unter Aufsicht des Ober-Zensors, und er ist befugt, in dieser Hinsicht für sich allein alles zu thun, was zur Einziehung vollständiger Nachrichten über eine von ihm bemerkte Unregelmäßigkeit, oder bei ihm gemachte Anzeige nöthig ist; ein eigentliches Verfahren aber gegen jene Personen zur nähern Untersuchung und Entscheidung über angebliche Vergehungen derselben, kann nur beim ganzen hohen Rathe von ihm in Antrag gebracht werden. §. 77. Bei allen Vorträgen, Verhandlungen und Beschlüssen des Vereins, ohne irgend eine Ausnahme, vertritt der Ober-Zensor die Rechte des Staats, und hält theils selbst, 569
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theils durch alle ihm untergeordnete Zensoren mit größter Sorgfalt darauf, daß nirgend im Vereine gegen die Landes-Gesetze und die der sittlich-wissenschaftlichen Wirksamkeit des Vereins vorgezeichneten Schranken, etwas gelehrt oder gethan werde. Eben so wacht er über die Erhaltung dieser Verfassung, und die Befolgung der in ihr enthaltenen Gesetze mit allen ihm untergeordneten Zensoren, welche daher verbunden sind, ihm über alle, in seinen Wirkungskreis gehörige Sachen, Mittheilungen zu machen. §. 78. Die Leitung und Besorgung anderweiter Geschäfte kann ihm und den übrigen Zensoren niemals aufgetragen werden; nur liegt ihnen noch die Leitung der Ergänzungswahlen bei den verschiedenen Behörden, zu welchen sie selbst gehören, ob; wenn sie aber selbst austreten, so wird dies Geschäft von den vorsitzenden Räthen übernommen. §. 79. Die abgehenden Mitglieder des Provinzial-Raths und des hohen Raths können unter der §. 52. bestimmten Bedingung ebenfalls wieder gewählt werden, haben aber auch das Recht, jene während der ersten drei, diese während der ersten vier Jahre nach ihrer Amtsführung, die Uebernahme irgend eines neuen Amtes im Vereine abzulehnen. §. 80. Jede Raths-Behörde ist befugt, sich noch ein oder mehrere Mitglieder des Vereins als Arbeits-Gehülfen oder Sekretaire zuzuordnen, die jedoch kein Stimmrecht haben. §. 81. Jedes Rathsglied ist in unvermeidlichen Hinderungsfällen befugt, und verpflichtet, zur Besorgung seiner ämtlichen Angelegenheiten aus der Zahl der am Orte befindlichen, sonst mit keinem Amte im Verein versehenen Mitglieder, einen Stellvertreter mit vollem Sitz- und Stimmenrechte, entweder für einzelne Sitzungen und Geschäfte, oder auch für einige Zeit, selbst zu wählen, und dazu schriftlich zu bevollmächtigen. §. 82. Alle Beschlüsse und Wahlen geschehen nach der Stimmen-Mehrheit der anwesenden Mitglieder, wo nicht Ausnahmen in dieser Verfassung ausdrücklich festgesetzt sind. §. 83. Wenn die Stimmen gleich getheilt sind, so ist in den Angelegenheiten der Verbreitung und der innern Ordnung des Vereins die Stimme des Zensors, in allen anderen Fällen die Stimme des vorsitzenden Raths entscheidend; entstehet aber darüber Zweifel, welchem von beiden das Recht der Entscheidung gebühre, so giebt das Loos den Ausschlag. Dieses entscheidet auch bei den Wahlen, wenn keine Stimmenmehrheit vorhanden ist. §. 84. In der Sitzung selbst leitet der vorsitzende Rath die Geschäfte, und eröffnet sie jedesmal mit Ablauf des ersten Viertels der bestimmten Versammlungsstunde, indem er seinen Sitz einnimmt und die Mitglieder zur Einnahme der ihrigen und zur Aufmerksamkeit einladet. §. 85. Ueber die Vorträge wird ein Tagebuch von dem Sekretair des Raths geführt, in welches alles der Reihe nach unter folgenden Ueberschriften eingetragen wird: fortlaufende Nummer, – Tag des Empfangs bei eingelaufenen Schriften, – Name des vortragenden Mitgliedes, – kurzer Inhalt des Vortrages, – was darauf beschlossen worden. §. 86. Von den Vorträgen kommen diejenigen zuerst, welche aus den Verhandlungen der frühern Sitzungen gezogen worden, und der vorsitzende Rath sorgt dafür, daß dergleichen Vorträge für die gegenwärtige Sitzung, vor deren Eintritt, ins Tagebuch nach der Zeitfolge eingetragen werden. 570
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§. 87. Die Beendigung der Sitzung wird vom vorsitzenden Rathe, wenn nichts mehr vorzutragen, oder sonst Veranlassung da ist, angekündigt. §. 88. Wenn eine Raths- oder Zensor-Stelle durch Todesfall, Austritt, oder andere Umstände erledigt wird, so besetzt solche bis zur neuen ordentlichen Wahl derjenige Rath, bei welchem die Erledigung vorgefallen ist, durch ein Mitglied der an demselben Orte befindlichen Kammern. Die abgehenden Abgeordneten für einen Provinzial-Rath können aber immer nur von ihrer Machtgebenden Kammer ersetzt werden. §. 89. Zwei Aemter zugleich kann niemand im Verein verwalten, wohl aber kann jeder in mehr als einer Geschäftsabtheilung arbeiten; auch steht es den Rathsgliedern frei, in solchen Geschäftsabtheilungen mitzuarbeiten, die nicht zu ihrer besondern Leitung gehören, doch sind sie dazu nicht verpflichtet. §. 90. Jedes Bestreben, sich einen ungebührlichen Einfluß auf Andere bei den Wahlen oder Beschlüssen zu verschaffen, ist unerlaubt. §. 91. Um durchgängige Gleichheit und Vollständigkeit bei den einzureichenden Listen zu bewirken, muß das Hauptbuch eines jeden Censors folgende Ueberschriften enthalten: fortlaufende Nummer der aufgenommenen Mitglieder, – Vor- und Zunamen derselben, – Stand, Amt oder Gewerbe, – Alter und Religion, – Wohnung, – Tag des Eintritts in den Verein, – Betrag des monatlich zu leistenden Kosten-Beitrags, – Geschäftsabtheilung, in welcher das Mitglied arbeiten will. §. 92. Bei jedem Rathe wird ein Schatzamt errichtet, welches aus einem Schatzmeister und einem Buchführer besteht; die innere Einrichtung desselben und die Wahl der Beamten aus der Zahl der aufgenommenen Mitglieder bleibt dem Rathe überlassen. §. 93. Jedes Mitglied giebt zu den vorfallenden Kosten des Geschäftsbetriebes einen bei seinem Eintritt nach eignem Belieben zu bestimmenden Beitrag, den es bei Veränderung seiner Lage auch erhöhen oder vermindern kann. §. 94. Jedes Schatzamt einer Kammer zahlt den vierten Theil seiner Einnahme von den Beiträgen an das Schatzamt des ihm vorgesetzten Provinzial-Raths, und dieser giebt wieder den vierten Theil seiner Einnahme an das Schatzamt des hohen Raths. Dr itter Abschnitt. Von den Geschäftsabtheilungen des Vereins. §. 95. Zur wirksamen Thätigkeit des Vereins nach seinem Zwecke, bildet derselbe, vermöge der nach §. 16. von jedem Mitgliede gleich bei seinem Eintritt abzugebenden Erklärung, sechs verschiedene Geschäftsabtheilungen; nemlich: 1) Für die Erziehung, 2) Für die Volksbildung, 3) Für Wissenschaft und Kunst, 4) Für den Volkswohlstand, 5) Für die äussere Polizey, und 6) Für eine Polizei-Ordnung und Ausbreitung des Vereins.
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Er ste Abtheilung. Für die Erziehung. §. 96. Diese Abtheilung, die, wo möglich, aus erfahrenen Schul- oder doch sonst mit der Erziehungs-Wissenschaft gründlich bekannten Männern, sich zusammensetzt, wird sich zunächst mit Erforschung der vorzüglichsten Erziehungs- und Unterrichtsweisen beschäftigen, durch welche die Jugend zum möglichst vollständigen Gebrauch aller ihrer körperlichen und geistigen Kräfte gelange. Demnächst wird sie alle Mittel ausfindig zu machen und anzuwenden suchen, wodurch eine bessere Weise allgemeiner ins Werk gesetzt werden könne. §. 97. Sie wird daher die in dieser Hinsicht vom Staate gemachten zweckmäßigen, neuen Anordnungen des öffentlichen Unterrichts eifrig befördern, vorzüglich auf die Verbesserung der ersten häuslichen Erziehung wirken, daher auch nach der bessern Erziehung des weiblichen Geschlechts zu tauglichen Hausmüttern trachten, und überall ihr Augenmerk darauf richten, wie der körperlichen Erschlaffung und geistigen Oberflächlichkeit vorgebeugt, Liebe zu gründlichem Wissen geschaffen, Verstandes-Einsicht, mit sittlich gutem Willen, eng verbunden, und religiöser Sinn und Vaterlandsliebe kräftigst aufgeregt werde. §. 98. Sie wird daher als wesentlichen Theil einer bessern Volkserziehung alles das betrachten, und in Anwendung bringen, wodurch das physische Vermögen der Kinder vollkommen entwickelt, ihre Sinne geschärft, die Anwendung ihrer Kräfte geschickter gemacht, und so Gesundheit mit Stärke, Gewandtheit mit Schönheit, erhöht werde. §. 99. Eben so ernstlich wird sie sich bemühen, durch eigene Ausarbeitung oder Bekanntmachung der zweckmäßigsten Lehrbücher den Grundwahrheiten der allgemeinen Sittlichkeit, des Bürgersinns, und der Religion bei Hausvätern, und insonderheit Hausmüttern, kräftigen Eingang zu schaffen, durch Verbreitung der bewährstesten Erziehungsart, den bisherigen Fehlern, insonderheit auch dem so schädlichen öftern Wechsel der Lehrart vorzubeugen, die bessern Lehrer durch kräftige Mitwirkung, zu ihren Absichten, und durch Verbreitung ihres amtlichen und persönlichen Ansehens, zu unterstützen, der schädlichen Wirksamkeit der, durch Unwissenheit und schlechten Willen untauglichen Lehrer aber, so weit es immer auf erlaubte Art geschehen kann, entgegen zu arbeiten, und alles aufzubieten, daß Rohheit, Unsittlichkeit und Zeitversplitterung von den hohen Schulen verbannt, dagegen deutsche Sitten, kräftige Natur, vernünftiger Freiheits- und Volkssinn, sittlicher Anstand, ernste Arbeitsliebe und das Ergreifen einer gediegenen Wahrheit, statt der nothdürftigen Brodwissenschaft, wieder hergestellt werden. §. 100. Sie wird auch nicht verabsäumen, die zur Verbesserung der Gewerbe so nöthigen naturgeschichtlichen, mathematischen und chemischen Kenntnisse mit Hinweisung auf ihr[e] Anwendbarkeit, unter das Volk zu bringen. §. 101. Indem diese Abtheilung eine vollkommene Erziehung durch Schrift und Rede zu bewirken sich kräftigst anstrengt, sind alle Mitglieder des Vereins, welche Familienväter sind, verpflichtet, durch das Beispiel eigner Anwendung, mit zu wirken. 572
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§. 102. Noch wird diese Abtheilung besorgt seyn, Kinder, die elternlos sind, oder unvermögende Eltern haben, unterzubringen, und für ihre Erziehung zu sorgen. §. 103. Junge Männer, welche sich dem Schulfache widmen, werden besonders dieser Abtheilung zugeschrieben, und in derselben zweckmäßig beschäftigt. Zweite Abtheilung. Für Volksbildung. §. 104. Der Zweck dieser Abtheilung ist: Beförderung richtigen Denkens überhaupt, insonderheit die Pflichten des Menschen, zur Erhaltung und fernern Ausbildung seines Körpers und Geistes, so wie überhaupt die Pflichten, welche aus seinen ehelichen, elterlichen, herrschaftlichen, gewerblichen, bürgerlichen und kirchlichen Verhältnissen hervorgehen. Man wird daher die zweckmäßigsten Mittel erdenken und ergreifen, um diese richtige Denkart allgemeiner zu machen. §. 105. Da die Geistlichen größtentheils ein Ziel mit ihr haben, so wird sie diese Achtung für den öffentlichen Gottesdienst, und das Ansehen würdiger Geistlichen, nach Möglichkeit zu befördern sich angelegen sein lassen, und das böse Beispiel Unwürdiger, so viel als thunlich, entkräften. §. 106. Sie wird auf Einführung von eigentlichen Volksfesten, die neben Frohsinn, auch bürgerlichen Gemeinsinn atmen, so wie auf Veredlung der Volksergötzlichkeit, überhaupt bedacht seyn. §. 107. Sie wird es sich angelegen sein lassen, bei den Volksfesten solchen Uebungen Eingang zu schaffen, durch welche der Körper an Gewandtheit und Stärke gewinnt, z. B. Laufen, Springen, Werfen, Klettern, Reiten, Schiessen, Schwimmen. §. 108. Dem Hange zu Liebhaber-Theatern, besonders bei den untern Volksklassen, in Gemeinschaft mit der fünften Abtheilung entgegenwirkend, wird sie auch in Verbindung mit der dritten Abtheilung suchen, den Geschmack des Volks an unsitlichen oder albernen Schauspielen, und das Gefallen an unwürdigen Darstellungen der öffentlichen Bühnen, auszurotten. Eben so wird sie dem Lesen schlechter Romane und unsittlicher Gedichte entgegenarbeiten. §. 109. Da die untere Volksklasse in den Städten und auf dem Lande des Wirkens dieser Abtheilung vorzüglich bedarf, so wird letztere so viel als möglich Freivereine, d. h. solche Gesellschaften stiften, welche aus den für Bildung empfänglichsten, aber zu den eigentlichen Arbeiten des Verein[s], noch nicht hinlänglich vorbereiteten Mitgliedern, der Gemeine bestehen. §. 110. Die Mitglieder solcher Freivereine können in den Feierstunden, oder Sonn- und Festtags, zusammen kommen, und durch Vorlesung gemeinnützlicher Schriften, (welche diese Abtheilung auszumitteln und zu verbreiten hat), oder durch nützliche Gespräche sich zu unterhalten suchen; zugleich aber sind sie verpflichtet, durch Wort und Beispiel auf ihre Umgebung zu wirken, um diese vernünftige Einsicht und reinsittliche Gesinnung zu gewinnen, und ihr wärmere Liebe für die vaterländische Verfassung, und ein lebendiges Gefühl für die Ehre der Nation, einzuflößen. 573
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§. 111. Jedes Mitglied des Vereins ist befugt, dergleichen Freivereine an seinem Wohnorte zu stiften, und bleibt dasselbe fortwährender Geschäftsträger oder Vorsteher derselben, bis es für gut findet, das Amt einem andern Mitgliede zu übertragen. §. 112. Der Stifter oder Vorsteher eines Freivereins, hat in seiner Kammer bei allen, den Freiverein betreffenden Angelegenheiten, zwei Stimmen. Der Freiverein gehört mit ihm zu einer und derselben Kammer, und wenn er ein Mitglied des Freivereins zur Aufnahme in den Verein selbst vorschlägt, so muß darauf ganz besonders Rücksicht genommen werden. §. 113. Die ersten fünf Mitglieder eines Freivereins wählt der Stifter desselben nach seiner Einsicht und Ueberzeugung, alle übrigen werden durch Stimmenmehrheit gewählt, jedoch können nur solche Personen darin aufgenommen werden, welche die nach §. 10. bis 13. zur Aufnahme in den Verein erforderlichen Eigenschaften besitzen, und eben so finden die Vorschriften §. 38. und 39. in Ansehung solcher Mitglieder Statt, welche im Verein nicht geduldet werden dürfen. §. 114. Von der Klasse für die Volksbildungen übernimmt eine besondere Nebenabtheilung, zu welcher alle Mitglieder des Vereins vom Soldatenstande gehören, das Geschäfte, theils eigener gemeinschaftlicher Ergründung der Kriegswissenschaft, nach deren ganzem Umfange, theils der Einwirkung, sowohl auf Vorbildung junger Offiziere in Wissenschaftlichkeit und Sittlichkeit, als auch auf den gemeinen Soldaten, für den sie einen vollständigen Unterricht über seine Pflichten, in allen Verhältnissen seines Standes, ausarbeiten. Diese Nebenabtheilung erhält einen eigenen Vorsteher, der aus den geschicktesten und erfahrendsten Offizieren im Vereine, vom Rathe der Kammer auf Vorschlagen gewählt wird, als ein Mitglied des Raths aber selbst in Thätigkeit bleibt. (§. 51.) Dr itte Abtheilung. Für Wissenschaft und Kunst. §. 115. Diese Klasse wird theils durch ernste Unterhaltung, theils durch gegenseitige Mittheilung und Beurtheilung schriftlicher Ausarbeitungen, über wichtige Aufgaben der Wissenschaft und Kunst, gründliche Erkenntniß des wahren und geläuterten Geschmacks in den schönen Wissenschaften unter sich zu verbreiten, theils in gleicher Rücksicht auch auf andere zu wirken suchen. §. 116. Die Mittel, wie sie insonderheit das letzte zu bewerkstelligen habe, ohne sich in Sachen der Wissenschaft und Kunst eine Art von Gesetzgebung oder Richteramt anzumassen, wird sie mit allem Ernst erforschen und brauchen. S. 117. Sie wird aber nicht versäumen, auf die vorzüglichsten Meisterwerke alter und neuer Zeit aufmerksam zu machen, um die Liebe zu den alten Sprachen wieder zu erneuern. §. 118. In ihren zu veröffentlichenden Schriften wird sie nicht nur den allgemeinen Pflichten der Vereins-Mitglieder gemäß sich bezeigen und die Gemeinmeinung für Wahrheit, ächte Tugend- und Vaterlandsliebe zu gewinnen suchen, sondern auch überall Denk- und Gewissensfreiheit, deutsche Sitten und deutsche Sprache vertreten. 574
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§. 119. An denjenigen Zeitschriften, die der Verein zur Leitung der öffentlichen Denkart herauszugeben für gut findet, wird sie als Mitarbeitende vorzüglichen Antheil zu nehmen. Vier te Abtheilung. Für den Volkswohlstand. §. 120. Diese Abtheilung bildet sich aus solchen Mitgliedern, die von den verschiedenen, sowohl ländlichen, als städtischen Gewerbszweigen, die mehrste theoretische und praktische Kenntniß haben. §. 121. Der Zweck ihrer Arbeiten geht dahin, die jeder Provinz eignen Quellen des Wohlstandes aufzusuchen, diejenigen Gewerbsarten, welche nach der örtlichen Begünstigung zur Erweiterung oder neuen Errichtung vorzüglich angethan sind, zu erforschen, die bewährtesten Mittel zur Vermehrung der Betriebsamkeit und des Gewinns ausfindig zu machen, und durch Belehrung und Aufmunterung, die Einsicht, die Emsigkeit und den Geschmack der Arbeiter, wie die Annehmlichkeit und Güte der Arbeit zu befördern. §. 122. Nächstdem aber wird sie der schuldlos Zurückgekommenen durch Verleihung des nöthigen Kredits, durch zweckmäßige Vorschüsse, durch Verschaffung von Absatz, oder auf andere zum Ziele führende Art, sich annehmen; für die durch Krankheit und Alter zur Arbeit unfähig Gewordenen sorgen, die vortheilhaftere Beschäftigung, und in Verbindung selbst die sittliche Besserung der, in den Strafanstalten befindlichen Personen befördern, und überall der Verwirrung und dem Müßiggange entgegenarbeiten. §. 123. Um die Gewerbe immer mehr zur Blüthe zu bringen, wird sie nicht verabsäumen, sich mit allen einheimisch oder auswärts gemachten neuen Erfindungen und verbesserten Verfahrungsarten bekannt zu machen. Die ihr bekannt gewordenen, wird sie durch eigene, oder mit aller Sorgfalt unter ihren Augen angestellte Versuche; wie weit sie bewährt und nach der Oertlichkeit anzuwenden sind, prüfen, die bewährt gefundenen aber, durch mündlichen und schriftlichen Unterricht, und wo es nöthig ist, durch Vorzeigung von Mustern, allgemein bekannt machen. §. 124. Sie wird sich beeifern, ächt erfinderische Köpfe aufzumuntern, daß ihnen in wichtigen Fällen Belehrungen ertheilt werden, und dazu beitragen, daß sie wenigstens auf das, was vorzügliches geleistet ist, möglichst aufmerksam gemacht werden. §. 125. Sie wird sich in Gemeinschaft mit der Erziehungs-Abtheilung, der Industrieund Kunstschulen annehmen, und zur Errichtung von Schulen für Landeswissenschaft, Schiff- und Seefahrtskunde mitwirken. §. 126. Ausserdem macht sie sich’s zum Zwecke, dem gesetzwidrigen Zunftgeist entgegen zu arbeiten, die abstoßende Gesinnung von Stadt- und Landbewohnern zu vertilgen, so wie auch solche Vorurtheile zu bekämpfen, welche der allgemeinen Einführung heilsamer Anstalten (z. B. der Schutzblatterimpfung) entgegen stehen.
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Fünfte Abtheilung. Für die äußere Polzei. §. 127. Diese Abtheilung wird sich bemühen, das Volk in vorkommenden Fällen zu überzeugen, daß die weisesten Polizei-Gesetze, und die regelmäßigste Verwaltung derselben, die beabsichtigten Zwecke nicht erreichen, sobald nicht jeder Bewohner, so viel an ihm ist, dabei mitwirkt. §. 128. Sie wird in dieser Hinsicht ein Lehrbuch in allgemein faßlichen Sätzen herausgeben, worinn die Wohlthätigkeit der polizeilichen Ordnung in Hinsicht auf Erhaltung des Lebens, der Gesundheit, des Eigenthums, der häuslichen Zufriedenheit u. s. w. dargestellet wird. §. 129. In der Ausübung der polizeilichen Pflichten, werden die Mitglieder des Vereins überall mit gutem Beispiele vorgehen. §. 130. Insbesondere wird diese Abtheilung den Staatsbehörden bei Ausmittlung der Verbrecher aller Art, und bei deren Unterbringung, nachdem das Gesetz an ihnen erfüllt worden, möglichst behülflich seyn. §. 131. Einzelne Mitglieder des Vereins müßen zwar die ihnen bekannt werdenden Vergehen und Verbrechen, dem Zensor ihrer Kammer, zur weitern Beförderung an den Rath der Kammer, und durch diesen an die ordentlichen Behörden anzeigen, indessen können sie in dringenden Fällen diese Anzeigen unmittelbar bei der Ortsobrigkeit machen, und dann sind sie nur schuldig, dem Zensor davon Meldung zu thun. Sechste Abtheilung. Für die innere Ordnung und die Ausbreitung des Vereins.1 §. 132. Die innere Ordnung besteht in der Aufsicht über das gesetzliche Verhalten der Mitglieder des Vereins, und wird durch die Zensoren verwaltet, wobei sie durch alle übrigen Mitglieder unterstützt werden müßen. §. 133. Ein jeder Verstoß gegen die Gesetze des Vereins, muß daher von demjenigen Mitgliede, welches davon Wissenschaft erhält, dem Zensor gemeldet, und demselben auch von den vorhandenen Beweisen ausführliche Nachricht gegeben werden. §. 134. Ueber unbedeutende Versehen ist der Zensor befugt und verbunden, mit den Fehlenden gebührende Rücksprache zu nehmen, und denselben zur Hebung des Fehlers, oder zur künftigen Vermeidung, die nöthigen Eröffnungen zu machen. §. 135. Sollte der Fehlende dergleichen Eröffnungen nicht annehmen wollen, so müßte der Fall dem Rath der Kammer vom Zensor ausführlich vorgetragen, und dessen Entscheidung überlassen werden, welche letzte dann der Fehlende, bei Vermeidung des Ausschließens, ohne Weiteres anzunehmen schuldig ist. §. 136. Im Wiederholungsfall findet eben dasselbe Verfahren Statt; allein die dem Fehlenden zu machenden Eröffnungen werden dann mit einer anständigen und liebreichen,
1 Diese Abtheilung ist den Illuminaten nachgebildet, wo einer dem andern aufpaßte. 576
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aber dennoch ernsten Zurechtweisung, und beigefügter Hindeutung auf die gesetzlichen Folgen, für den nächsten ähnlichen Fall begleitet. §. 137. Ob dergleichen Eröffnungen schriftlich, oder durch einen Abgeordneten mündlich, oder auch im versammleten Rathe dem Fehlenden persönlich zu ertheilen, bleibt dem Gutbefinden des Raths und der Zensoren, nach Bewandniß der Umstände, überlassen. §. 138. In einer Allgemein-Versammlung können dergleichen Eröffnungen an den Fehlenden nur in dem einzigen Fall geschehen, wenn sich der Angeschuldigte gegen den ganzen Verein, oder gegen die Kammer, vergangen haben möchte. §. 139. Auch die Vergehungen der Mitglieder des Vereins, welche nach §. 37. bis 39. und 135. und 136. das Ausscheiden zur Folge haben, müßen zuerst dem Zensor gemeldet, von diesem vorläufig untersucht, und dann dem Rathe der Kammer in der Sitzung, oder in dringenden Fällen, durch Umlaufschreiben, der Vortrag gemacht werden. §. 140. Der Rath verfügt alsdann die Befragung des Angeschuldigten durch ein dazu abgeordnetes Mitglied, mit Zuziehung des Zensors, und entscheidet in der nächsten Sitzung ohne Weiteres, wenn das Vergehen klar ist, und zur Entschuldigung des Fehlenden von ihm selbst nichts Erhebliches angeführt werden kann. §. 141. Glaubt der Angeschuldigte einer Vertheidigung zu bedürfen, so muß ihm freigestellt werden, selbige in einer bestimmten Frist schriftlich, oder mündlich, selbst, oder durch ein anderes Mitglied, einzugeben, und es wird sodann die Angeschuldigung und Vertheidigung von einem, nach §. 40. anzusetzenden Gericht, untersucht, und darüber entschieden. §. 142. Die etwanigen Beschwerden gegen dergleichen Aussprüche, gehen an den Provinzial-Rath, welcher darüber von dem Rath der Kammer Bericht und Verhandlungen erfordert, und nach Befund den Verurtheilten weiter hört, und entscheidet. §. 143. Ist der Angeschuldigte auch mit dieser Entscheidung nicht zufrieden, so steht ihm frei, seine Beschwerden dagegen an den hohen Rath zu richten; dieser fordet Bericht und Verhandlungen vom Provinzial-Rathe, verordnet in der Sache ganz nach eigenem Befinden, jedoch den Gesetzen des Vereins gemäß, und bei dieser Entscheidung muß es lediglich sein Bewenden behalten. §. 144. Zwistigkeiten der Mitglieder unter einander, welche auf die Angelegenheiten des Vereins unmittelbaren Bezug haben, schlichtet der Zensor als Schiedsrichter, jedoch steht es den Mitgliedern frei, ihren Streit vor die §. 141. und 143. verordneten Behörden, zur Untersuchung und Entscheidung zu bringen, in welchen Fällen diese den Erfolg eines schiedsrichterlichen Ausspruches behält. §. 145. Wird ein Beamter des Vereins eines Vergehens beschuldigt, so geschieht zwar die Anzeige davon ebenfalls bei dem Zensor, und dieser zieht die nöthigen Erkundigungen ein; die Befragung des Angeschuldigten, die Eröffnungen an ihn, und jedes fernere Verfahren gegen ihn kann aber immer nur nach geschehenem Vortrage des Zensors im versammelten Rath, entweder von dem vorsitzenden Rathsgliede, oder von einem Abgeordneten des Raths, überall aber mit Zuziehung der übrigen Rathsglieder, welche, 577
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durch das in der bestehenden Reiheordnung dem Vorsitzenden zunächst folgende Mitglied besonders zusammen zu berufen wären, geschehen. §. 146. Sollte die Anschuldigung ein vorsitzendes Rathsglied betreffen, so könnte der Zensor überall nur mit Zuziehung der übrigen Rathsglieder, welche, durch das in der bestehenden Reiheordnung dem Vorsitzenden zunächst folgende Mitglied zusammen berufen waren, verfahren. §. 147. Verschwiegenheit muß in allen diesen Fällen von allen Seiten, besonders vom Zensor, selbst im Verein, bei Vermeidung der nach §. 39. eintretenden Folgen der Geschwätzigkeit, unverbrüchlich gehalten werden, wo nicht die Bekanntwerdung ausdrücklich verordnet ist. §. 148. Die Verbreitung des Vereins leiten ebenfalls die Zensoren der Kammern, jedoch unter beständiger Mitwirkung ihres Raths, unter Aufsicht der Provinzial-Zensoren, und unter Oberaufsicht des Ober-Zensors. §. 149. Die Zensoren können sich auch bei diesem Geschäfte der Hülfe aller Mitglieder des Vereins bedienen. §. 150. Sind aus Irthum [!] Personen, die nicht ganz zur Aufnahme geeignet waren, dennoch aufgenommen worden, so können sie zwar, wenn sie für das Gute und Wahre überhaupt empfänglich sind, im Verein bleiben, müßen aber unter besonderer Aufsicht anderer Mitglieder gestellt, und im Guten nach Möglichkeit bestärkt werden. §. 151. Alle sechs Geschäftszweige wirken gemeinschaftlich zum allgemeinen Zweck, greifen unter sich in einander, und werden von der höchsten Behörde des Vereins im Allgemeinen geleitet. §. 152. Die fünf Räthe einer Kammer, leiten, als Vorsteher im Allgemeinen, den Betrieb der fünf ersten Geschäftsabtheilungen, der Zensor steht aber immer der sechsten Abtheilung vor. §. 153. Jedes Rathsglied erwählt, oder läßt durch die Abtheilung erwählen einen Gehülfen, welcher die Arbeiten der Abtheilung selbst im Besondern anordnet. §. 154. Jede Geschäftsabtheilung versammelt sich zum Betrieb ihrer Arbeiten wöchentlich einmal, außerdem steht aber dem Vorsteher, oder leitendem Rathe frei, in nöthigen Fällen eine außerordentliche Versammlung der Mitglieder zusammen zu rufen. §. 155. Der leitende Rath muß darauf halten, daß in diesen Versammlungen nichts weiter verhandelt werde, als was zu den eigentlichen Geschäften der Abtheilung gehört. §. 156. Auch ist der Zensor von jeder Sitzung der Geschäftsabtheilungen zu benachrichtigen, und hat zu jeder offnen Zutritt. §. 157. Die Mitglieder der Geschäftsabtheilungen können wechselseitig den Versammlungen aller Abtheilungen beiwohnen, wenn sie gleich zu demselben sich nicht eingeschrieben haben. §. 158. Die fünf Räthe bestimmen unter sich, entweder nach ihren überwiegenden Kenntnissen in einem Fache, oder in streitigen Fällen durchs Loos, welcher Geschäftsabtheilung ein jeder von ihnen vorstehen soll. 578
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§. 159. Ein solcher Vorsteher, oder dessen Gehülfe (§. 153.) oder, wenn beide nicht anwesend seyn können; ein von dem ersten zu ernennener Stellvertreter aus der Zahl der arbeitenden Mitglieder seiner Abtheilung, führt den Vorsitz in ihren Versammlungen. §. 160. Zur Besorgung der Schreiberey wählt der Vorsteher einen zweiten Gehülfen als Sekretär, und nöthigenfalls mehrere von den arbeitenden Mitgliedern. §. 161. Die Versammlungsstunden müssen von allen Mitgliedern auf das pünktlichste und fleißigste inne gehalten werden. §. 162. Diejenigen Mitglieder, welche der Sitzung beizuwohnen abgehalten werden, sind verbunden, dies dem Vorsteher oder dessen Gehülfen zu melden. §. 163. Wer ohne diese Meldung in drei nacheinander folgenden Sitzungen ausbleibt, wird von dem Vorsteher an seine Pflicht erinnert, und wenn dies nichts fruchten möchte, zur weitern Veranlassung nach §. 37. dem Zensor der Kammer angezeigt. §. 164. Die erste Viertelstunde der Versammlungsfrist wird zum Zusammenkommen der Mitglieder bestimmt; und dann eröffnet der Vorsteher, dessen Gehülfe oder Stellvertreter die Sitzung damit, daß er seine Stelle als Vorsitzer einnimmt, und die Mitglieder zu ihren Sitzen und zur Aufmerksamkeit einladet. §. 165. Ueber die Vorträge der Geschäftsabtheilung wird von dem zweiten Gehülfen (§. 160.) ein Tagebuch geführt, in welches alle Vorträge der Reihe nach unter folgenden Ueberschriften eingetragen werden: Nummer des Vortrags, – Name des vortragenden Mitgliedes, – kurzer Inhalt des Vortrags, – was darauf beschlossen worden. §. 166. Unter den Vorträgen kommen diejenigen zuerst, welche aus den Verhandlungen der voherigen Sitzungen gezogen worden, und der Vorsteher sorgt dafür, daß dergleichen auf die früheren Verhandlungen Bezug habenden Vorträge, für die gegenwärtige Sitzung, vor deren Eintritte, nach der Zeitfolge ins Tagebuch eingetragen werden. §. 167. Sind die eigentlichen Vorträge beendigt, so steht es noch jedem Mitgliede frei, Gegenstände zur Bearbeitung vorzuschlagen, welche vor diese Geschäftsabtheilung gehören, und diese Vorschläge werden den Vorträgen selbst, im Tagebuche nachgetragen, auch dasjenige Mitglied dabei namentlich bemerkt, welches die Bearbeitung des Gegenstandes übernommen hat. §. 168. Greift ein solcher Vorschlag in die Arbeiten einer andern Geschäftsabtheilung, so wird derselbe sofort dem Vorsteher derselben mitgetheilt, so wie denn auch eine solche Mittheilung in jedem Falle statt findet, wenn die Arbeit der einen Abtheilung in einer andern auf irgend eine Weise mit Nutzen gebraucht werden kann. §. 169. Bei jedem Vortrage wird die größte Aufmerksamkeit beobachtet, und erst nach Beendigung desselben steht jedem Mitgliede frei, entweder in einer durch gütliches Uebereinkommen sich von selbst ergebenden, oder, wenn mehrere Mitglieder zugleich sprechen wollten, in einer von dem Vorsitzer zu bestimmenden Ordnung, seine Meinung darüber sogleich zu sagen, oder auch selbige sich für die nächste Sitzung zum schriftlichen, oder mündlichen Vortrage vorzubehalten. 579
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§. 170. Freimüthigkeit muß in den Vorträgen und in den Erinnerungen dagegen, oder in den Bemerkungen darüber herrschen, aber der Ton des Tadels und des einseitigen Absprechens muß immer eben so entfernt bleiben, als Heftigkeit, bloß spielender Witz oder sonstige schriftstellerische Untugenden. §. 171. Ueber die Beendigung der unnöthigen, diesem Grundsatz entgegenlaufenden, oder sonst zur Uebereilung führenden Wortstreitigkeiten, entscheidet der Vorsitzer, indem er den fernern Streit verbietet. §. 172. Werden gegen einen Vortrag bedeutende Einwendungen oder Ausstellungen gemacht, so wählt der Verfasser ein, und der Vorsitzer zwei Mitglieder zur Prüfung der Arbeit, und diese tragen ihr Urtheil in der nächsten Sitzung vor, damit über die Sache, wenn sie dazu geeignet ist, durch Stimmenmehrheit entschieden werde. §. 173. Eben eine solche Entscheidung wird alsdann erfordert, wenn es beim Vortrage zweifelhaft bleibt, ob ein Aufsatz unterm Ansehn des Vereins zum Drucke, oder für eine seiner Zeitschriften geeignet sey. §. 174. Glaubt ein Arbeiter sich bei dieser Entscheidung nicht beruhigen zu können, so überreicht er seine schriftliche Ausführung dagegen dem Vorsteher, und dieser sendet selbige, nach vorherigem Vortrage beim Rathe der Kammer, mit der Ausarbeitung selbst, und mit dem Gutachten der drei ausgewählten Beurtheiler (§. 172.) dem Provinzial-Rath zur Prüfung und Entscheidung ein, bei welcher letzten es dann lediglich sein Bewenden behält. §. 175. Die Aufhebung einer Sitzung kündigt der Vorsitzer damit an, daß er sie für beendigt erklärt, und der zweite Gehülfe schreibt sämmtliche anwesende Mitglieder ins Tagebuch ein, unterschreibt auch die Verhandlung im Tagebuch mit dem Vorsitzer. §. 176. Jedes Mitglied ist verpflichtet, die ihm von dem Vorsteher, oder dessen Gehülfen übertragenen Geschäfte, zu übernehmen, und in der gesetzten Frist zu bearbeiten. §. 177. Von dem Fortgange der Arbeiten ist der vorstehende Rath in den Rathsversammlungen eine allgemeine Uebersicht vorzulegen, und diese in der nächsten Allgemein-Versammlung der Kammer bekannt zu machen, verbunden. §. 178. Vierteljährig berichtet davon der Rath der Kammer an den Provinzial-Rath, und nach den Festsetzungen des Letztern, wird von dem Ersten das Weitere veranlaßt. §. 179. Die Ausarbeitungen der Mitglieder werden in allen Fällen von den Gehülfen einer jeden Abtheilung gesammelt, und dem jedesmaligen Nachfolger übergeben. §. 180. Arbeiten von Werth und entschiedener Gemeinnützigkeit werden dem Provinzial-Rathe mit dem vierteljährigen Bericht überreicht, und die Mittheilung derselben an den gesammten Verein, seinem Befinden anheim gestellt. §. 181. Der Provinzial-Rath übersendet solche Arbeiten dem hohen Rathe, und dieser verordnet, wie und wo selbige durch den Druck bekannt, oder was sonst für ein Gebrauch davon zu machen sey. §. 182. Die nützlichen Aufsätze werden in zweckmäßigen Zeitschriften allgemein bekannt gemacht, und können diese entweder nach ihren Gegenständen für mehrere der 580
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fünf ersten Geschäftsabtheilungen, oder auch für jede derselben besonders, je nachdem die Vorräthe dazu vorhanden sind, herausgegeben werden. §. 183. Der hohe Rath allein bestimmt den Ort und die Fristen der Herausgabe einer jeden Zeitschrift, die äußere Gestalt und die Herausgeber, auch die Preise derselben, welche letzte so niedrig als möglich zu stellen sind, damit die nützliche Verbreitung der Aufsätze nicht verhindert, und der schädliche Nachdruck gehemmet werde. §. 184. Alle Einnahmen und Ausgaben für dergleichen Zeitschriften besorgt der hohe Rath durch sein Schatzamt. §. 185. Vermögende Mitglieder des Vereins liefern ihre Arbeiten unentgeldlich, und wo ein Ehren-Lohn nöthig ist, werden die Herausgeber nach einem billigen, von dem hohen Rathe zu bestätigenden Uebereinkommen, das Erforderliche einzeln festsetzen. §. 186. Die Geldüberschüsse von der Einnahme für dergleichen Zeitschriften sollten zu den von dem Verein zu gründenden wohlthätigen Stiftungen und sonstigen Unterstützungs-Anstalten verwendet werden. Anhang. Die einstweilige ober ste Verwaltungs-Behörde des sittlich wissenschaftlichen Vereins betreffend. §. 187. So lange der hohe Rath und die Provinzial-Räthe noch nicht eingerichtet und in Thätigkeit gesetzt sind, vertritt die Stelle aller dieser Behörden, der Stamm-Verein zu Königsberg in Preußen. §. 188. Er besteht aus dem Rathe des Stamm-Vereins, welcher sechs Mitglieder hat, nämlich fünf Räthe und einen Zensor; aus dem Rathe der Königsberger Kammer, welcher ebenfalls fünf Räthe und einen Zensor hat; aus den fünf Gehülfen dieser Räthe und dem Vorsteher der §. 114. bezeichneten Anstalt, mithin aus achtzehn Personen. §. 189. Die Kammer zu Königsberg wählt alle diese Beamten nach den Wahlgesetzen der Verfassung, mit Ausschluß des Vorstehers §. 114., welchen der Rath des StammVereins ernennt. §. 190. Der Rath des Stamm-Vereins vertritt überall die Stelle eines verfassungsmäßigen Provinzial-Raths und des hohen Raths, mit Ausschluß der Gesetzgebung, der Zensor desselben aber die Stelle des Ober-Zensors und aller Provinzial-Zensoren. §. 191. Zur Gesetzgebung wählt der Stamm-Verein drei seiner Mitglieder, und noch vier mit keinem Amte versehene Mitglieder der Kammer, welche zusammen den Gesetzgebungs-Ausschuß bilden. §. 192. Der Rath des Stamm-Vereins ertheilt dem Gesetzgebungs-Ausschuße die Gesetzvorschläge, und dieser trägt die hiernach ausgearbeiteten Entwürfe durch ein dazu von ihm zu beauftragendes Mitglied desselben, im Stamm-Verein zur Bestätigung vor. §. 193. Die Festsetzungen des gesammten Stamm-Vereins nach der Stimmen-Mehrheit erheben die vorgetragenen Entwürfe zu Gesetzen für den ganzen Verein. 581
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§. 194. Die auf diese Art abgefaßte und zum Gesetz erhobene Verfassung des Vereins, kann bis zur Einführung des hohen Raths von keiner Behörde des Vereins, überhaupt aber nie ohne Genehmigung des Staats-Oberhauptes, abgeändert werden. §. 195. Die Wahl der ersten Provinzial-Räthe geschieht unter Leitung und Aufsicht des Stamm-Vereins, welcher zu dem Ende in jeder Provinz einen Bevollmächtigten ernennen, so wie derselbe auch die Geschäfte eines Provinzial-Raths dem Rathe einer der bedeutendsten Kammern in der Provinz, übertragen kann. §. 196. Der Beauftragte des Stamm-Vereins leitet alles zur Errichtung des ProvinzialRaths nach §. 58 bis 60. ein, und besorgt alles, was dazu gehört, bis zur beendigten Wahl der sechs Mitglieder desselben. §. 197. Er meldet daher den Kammern einer Provinz, daß sie bis zu einer gewissen Zeit Abgeordnete nach dem Sitze des Provinzial-Raths senden, oder daselbst ernennen sollen, versammelt die Abgeordneten an einem bestimmten Tage, läßt durch sie die Glieder des Provinzial-Raths wählen, macht den Gewählten ihre Ernennung bekannt, und hält mit denselben die erste Sitzung. §. 198. Sobald auf diese Art alle vier Provinzial-Räthe eingerichtet sind, schreitet der Stamm-Verein sofort zur Wahl des hohen Raths, indem er einen jeden Provinzial-Rath auffordert, zwei Mitglieder des Vereins zu Gliedern des hohen Raths nach §. 67. zu erwählen, und darüber in einer bestimmten Frist mit Einsendung der Wahlverhandlung, zu berichten. §. 199. Die Berichte darüber sammelt der Zensor des Stamm-Vereins, und sobald er sie beisammen hat, trägt er sie im versammelten Stamm-Verein vor, und macht solchergestalt die Mitglieder des hohen Raths bekannt. Der Stamm-Verein erwählt sodann einen Abgeordneten, welcher den hohen Rath einsetzt und ordnet. §. 200. Der Abgeordnete beruft nämlich die gewählten Mitglieder des hohen Raths an dem zu dessen Sitz bestimmten Orte zusammen; diese erwählen unter seinem Vorsitze den Ober-Vorsteher und den Ober-Zensor, worauf dann unter den sechs übrigen Mitgliedern die Geschäftsabtheilungen durch gütliches Uebereinkommen, oder durchs Loos vertheilt werden. Durch denselben Abgeordneten müssen alsdann sämmtliche bisherige Verhandlungen und Bücher, auch das Siegel des Stamm-Vereins dem hohen Rathe übergeben, und dem Stamm-Verein, so wie auch von diesen den sämmtlichen Provinzial-Räthen, daß dieß alles geschehen, bekannt gemacht werden, womit denn die Geschäfte des Stamm-Vereins ganz beendigt sind. Quelle: Der Fürsten- und Volksfreund. Zeitschrift in zwanglosen Heften. 1. Heft, 1. Abtheilung, Schleiz 1816, S. 48–64 und 1. Heft, 2. Abtheilung, 1816, S. 65–92.
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Fechtbodengesellschaft
Fechtbodengesellschaft Gesetze, 1810 Gesetze für den Fechtsaal. §. 1. Die feste Überzeugung, daß man nur durch Fertigkeit in den Waffen, wenn solche von persönlichem Muth unterstützt wird, seine Selbstständigkeit gegen jegliche Anmaßung behaupten könne, hat Unterschriebene veranlaßt, sich zu gemeinsamen Waffenübungen zu vereinigen. §. 2. Sämmtliche Mitglieder sind weit entfernt diese Übungen zu Streitigkeiten und Renommisterei mißbrauchen zu wollen, vielmehr glauben sie dadurch allen Veranlassungen hierzu gerade entgegen zu wirken. §. 3. Nachfolgende Gesetze sind durch Vereinigung dahin festgesetzt, daß durch Übertretung derselben man fernerhin ein Mitglied der Gesellschaft zu sein aufhört. §. 4. 1. Die durch Stimmenmehrheit erwählten 5 Vorsteher der Gesellschaft leiten die Fechtübungen derselben. Scheidet einer der Vorsteher aus, so wird an dessen Stelle ein anderer durch Stimmenmehrheit gewählt. Sämmtliche Mitglieder verpflichten sich, den speziellen Anordnungen, welche jene treffen, unbedingt Folge zu leisten. §. 5. 2. Der gemeinschaftliche Geschäftskreis der Vorsteher wird also näher bestimmt: es liegt ihnen ob die allgemeine Leitung der Fechtübungen und das Einschlagen neuer Mitglieder, wozu sie allein // das Recht haben geübte Mitglieder zur Beihülfe zu wählen; ferner das Vorfechten mit den Hospiten und die Entscheidung ob jemand zum ContraFechten zugelassen werden solle. §. 6. 3. Weil die Fertigkeit des Fechtens auf Hieb und Stoß selten in einer Person in gleicher Vollkommenheit vereinigt ist, so wird einer der Vorsteher die Leitung des Hauens und ein anderer die Leitung des Stoßens besonders übernehmen, welchen die desfalsigen Anordnungen allein überlassen bleiben müssen.1 1 Anmerkung des Abschreibers: Im Original mit Bleistift durchgestrichen. 583
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a) Der erste Vorsteher, Herr … hat das Vorrecht, daß ohne seine Zustimmung keine Abänderungen oder Anordnungen getroffen werden können, so wie er als Repräsentant des Fechtens (auf den Hieb) betrachtet wird und sämmtliche ausschließlichen Rechte der übrigen Vorsteher in sich vereinigt. Er und b) der zweite Vorsteher, Herr … welcher bei Abwesenheit des ersten die Stelle desselben gänzlich vertritt, haben das ausschließliche Recht, die tiefer unten erwähnten Einlaß-Carten für die Mitglieder und Hospiten auszufertigen. c) Einer der übrigen 3 Vorsteher, Herr … hat die oben angezeigte spezielle Aufsicht des Fechtens auf den Stoß. d) Ein anderer, Herr … unterstützt die übrigen im allgemeinen und hat die alleinige Revision des Rappierbodens. Hierzu gehört die Untersuchung des Schlag-Apparats, Reparatur desselben etc. etc. // e) Der letzte endlich, Herr … unterstützt den vorhergehenden in dessen speziellen Geschäften und hat ausschließlich die Führung der Casse. §. 7. 4. Da die Gesellschaft aus guten Freunden besteht und der Unterricht unentgeltlich er theilt wird, so hält sie sich berechtigt die Aufnahme neuer Mitglieder der Ballotage zu unterwerfen und sollen ¾ der Anwesenden nöthig sein um den zum Vorschlag gebrachten Fremden aufzunehmen. Der erste Vorsteher hat immer zwei Stimmen; kein anderer außer ihm kann bei Abwesenheit seine Stimme übertragen.
§. 8. 5. Wer als Mitglied der Gesellschaft aufgenommen zu werden wünscht, meldet sich persönlich in den gewöhnlichen Übungsstunden einem der Vorsteher, welcher denselben in der nächsten Fechtstunde zum Vorschlag bringt, welches durch öffentlichen Anschlag geschieht. Die Ballotage wird gehalten sobald der Vorgeschlagene 3 Übungsstunden besucht hat und die Entscheidung sodann demselben schriftlich mitgetheilt. Nach Unterzeichnung der Gesetze wird das neue Mitglied in das Namensverzeichniß der Gesellschaft eingetragen. Die Anzahl derjenigen Mitglieder, welche erst von den Vorstehern eingeschlagen werden müssen, ist vom Gutbefinden dieser abhängig. §. 9. 6. Jedes Mitglied ist verbunden sein eigenes Rappier und eigenen Fechthandschuh zu halten und für deren Ausbesserung Sorge zu tragen. //
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Fechtbodengesellschaft
§. 10. 7. Wer nach den ersten 3 Fechtstunden von der Aufnahme an gerechnet, dem Revisor nicht sein eigenes Rappier und Handschuh vorzeigt, dispensirt sich von den Fechtübungen bis zur Anschaffung des nöthigen Eigenthums. §. 11. 8. Damit nicht Fremde sich des Saales und der Rappiere bedienen, so wird der Portier des Hauses, außer den gewöhnlichen Übungsstunden, nur gegen Vorzeigung einer, vom ersten Vorsteher ausgestellten Einlaßkarte den Schlüssel verabfolgen. §. 12. 9. Wer öfter als einmal hospitiren will, muß sich einem der Vorsteher persönlich melden, welcher ihm eine Hospiten Carte, jedoch auf höchstens sechs Fechtstunden besorgt. Nach Verlauf derselben muß er wegbleiben oder der Gesellschaft unter den im §. 7. bemerkten Modifikationen beitreten. Es wird ein eigenes Buch gehalten werden, in welches die Hospiten ihre Namen einschreiben, und ist es Pflicht der Vorsteher, dahin zu sehen, daß das Hospitiren nicht gegen die in diesem § gegebene Vorschrift geschieht. §. 13. 10. Der Gebrauch der Schulrappiere und Handschuh[e] wird nur nach ausdrücklicher Erlaubniß des mit der Revision beauftragten Vorstehers zugestanden a) allen Hospiten, b) allen neuen Mitgliedern in den ersten 3 Übungsstunden nach der Aufnahme bei Bedingung der Wiedererstattung der etwa nöthigen Reparatur; c) jedem Mitglied in Einer Stunde, wenn sein Rap-//pier oder Handschuh beschädigt ist. Es ist also ein jeder verbunden Schulrappier und Handschuh aus der Hand des genannten Vorstehers zu empfangen und zur Beurtheilung des Zustandes des gebrauchten gemeinsamen Eigenthums, demselben zurückzugeben. §. 14. 11. Zu den gewöhnlichen laufenden Ausgaben, als: Miethe für den Saal, Reparatur der Schulrappiere, Handschuhe etc. etc. ist ein monatlicher Beitrag von 12 Groschen klingendes Courant für jedes Mitglied festgesetzt, welcher am Anfange jedes Monats praenumerando an den hierzu beauftragten Vorsteher bezahlt wird. Dieser legt über die Verwendung der eingegangenen Beiträge den übrigen Vorstehern, an dem im folgenden §. erwähnten Revisionstage Rechnung ab, welche sie revidiren und demnächst zur allgemeinen Einsicht vorlegen.
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Patriotisch-nationale Vereinigungen
§. 15. 12. Am ersten Sonntag jedes Monats ist eine allgemeine Zusammenkunft zur Revision, wo ein jeder ohne Ausnahme, bei Vermeidung der Zahlung eines monatlichen Beitrages als Strafe, zugegen sein muß. §. 16. 13. Neue Gesetze werden der Entscheidung durch Stimmenmehrheit nach §. 4. unterworfen. Die Fechtstunden sollen durch Bekanntmachung näher bestimmt werden. Berlin den 13ten Februar 1810. Salemon Reg. Referend. Vorsteher
Imprimatur. Gruner.
Friesen Vorsteher Oetzel Vorsteher Starck Vorsteher.
Mit dem Originale verglichen und vollkommen übereinstimmend befunden. Berlin den 27sten Februar 1820. [Unterschrift Polizei-Rat] Kayser Quelle: LA Berlin, APr.Br. Rep. 030 Nr. 19601, Bl. 103r–105r [Mit Anmerkungen versehene Abschrift des Polizeirats Kayser]. – Transkription Josef Ulfkotte.
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Der deutsche Bund
Der deutsche Bund Stiftungsurkunde, 1810 [Auszug] Stiftungs-Urkunde1 § 1. Wir Endesunterzeichnete verbinden uns durch diesen Stiftungsbrief in eine Gesellschaft, der deutsche Bund genannt, und verpflichten uns gegenseitig auf Treue und Glauben zu ihrer Erhaltung und möglichen Verbreitung, so wie zu Erfüllung ihres Zweckes und Beobachtung ihrer Gesetze. § 2. Der Zweck des deutschen Bundes ist überhaupt: „Beförderung des Wohlseyns und der Ehre unsrer Nation, durch Erweckung des Gemeingeistes, Wiederherstellung ihres alten Ruhms der Biederkeit und Treue, Ausbildung unsrer Sprache, Wetteifer in der Vervollkommnung der Wissenschaften, Künste und Fertigkeiten jeder Art, Entsagung erkünstelter Bedürfnisse, die nur auf Kosten des allgemeinen Wohls befriedigt werden können; Entfernung gemeinschädlicher Mißbräuche und Vorurtheile.“ § 3. Die Bedingungen der Aufnahme in den deutschen Bund sind folgende: a.) Nur geborne Deutsche können Mitglieder des Bundes seyn. b.) Es darf nie gefragt werden, ob der Aufzunehmende ein Sachse, Preuße, Oesterreicher, Baier, Schwabe, Franke, Rheinländer, Westphale etc. sondern nur ob er ein Deutscher sey? c.) Niemand kann die Mitgliedschaft erlangen, von dem ungesetzmäßige oder unsittliche Handlungen bekannt sind, oder gegen dessen Rechtschaffenheit und edle Denkungsart Zweifel obwalten. § 4. Die gesellschaftliche Verfassung des deutschen Bundes ist folgende: a.) Alle Mitglieder haben, als solche, gleichen Rang. Ist in den gesellschaftlichen Verhandlungen eine Reihenfolge zu beobachten, so wird sie nach den Anfangsbuchstaben der Namen der Mitglieder und dem Alphabet bestimmt. 1 Der Herausgeber Rudolph Zacharias Becker hat dem Text folgende Einleitung vorangestellt: Der deutsche Bund, eine geheime Gesellschaft. / In den bis jetzt erschienenen sechs und zwanzig Jahrgängen dieses Blattes sind schon mehrere geheime Ordensverbindungen aus der Verborgenheit gezogen und dem Publikum in der Absicht vorgeführt worden, um solche, als gemeinschädlich oder doch verdächtig, zu zerstören, wenigstens ihre Wirksamkeit und weitere Verbreitung zu hemmen, und der Erfolg hat die heilsame Wirksamkeit des Lichts der Publizität bewähret. Jetzt hat nun der Herausgeber von einer unbekannten Hand Papiere zugeschickt erhalten, welche eine neue, wie es scheint, auf einer Universität errichtete geheime Gesellschaft betreffen, und glaubt, daß deren Mittheilung dem Leser nicht unangenehm seyn werde. Ob er übrigens dabey auch die oben erwähnte Absicht habe, oder nicht, mögen sie aus dem Inhalte dieser Papiere schließen, welche hier theils ganz, theils auszugsweise folgen. 587
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b.) Die Mitglieder theilen sich, nach ihrer Wahl in zwey Klassen, nämlich in arbeitende und Ehren-Mitglieder. In die erste Klasse treten solche Personen, welche, wenn sie auch nicht schulgerecht studirt haben, doch die Feder zu führen und schriftliche Aufsätze abzufassen im Stande und geneigt sind: in die zweyte Vaterlandsfreunde aus allen Ständen, bey welchen die Bedingungen der Aufnahme §. 3. Statt finden. c.) Die arbeitenden Mitglieder vereinigen sich an jedem Orte in besondere Gesellschaften, welche mit den Namen alter um die Nation verdienter Männer bezeichnet und unterschieden werden. Eine solche Gesellschaft des deutschen Bundes darf nicht über sechszehn, und nicht unter zwölf Mitglieder zählen. d.) Die Leitung der gesellschaftlichen Angelegenheiten und Verhandlungen besorgt ein jährlich aus ihrem Mittel durch Abstimmung gewählter Vorsteher, mit zwey Beysitzern und einem Geheimschreiber. e.) Jede solche Gesellschaft hält monatlich eine Versammlung, worin jedesmal ein Mitglied eine selbst verfaßte Abhandlung über einen beliebigen Gegenstand, deutsche Sprache, Geschichte, Alterthümer, Literatur, Kunst, Landwirthschaft, Gewerbfleiß, Handel etc. betreffend, vorliest, und worüber sich die Mitglieder freundschaftlich unterreden. Darauf theilt jeder Anwesende nach der Reihe irgend eine, den Monat über beym Lesen gefundene, oder sonst erfahrne Thatsache, oder selbst gemachte Bemerkung, die Ehre oder den Nutzen der Nation betreffend, zur Unterhaltung mit. f.) Jährlich wird eine allgemeine Versammlung gehalten, und dazu auch die Ehrenmitglieder des Orts eingeladen. Hier gibt der Vorsteher eine Uebersicht von dem, was die Gesellschaft im Laufe des Jahres zur Erreichung des Zweckes gethan hat, und berichtet, was bey andern Gesellschaften merkwürdiges in dieser Hinsicht geschehen ist. Der Geheimschreiber verliest die Listen der Mitglieder mit Bemerkung des Zuwachses und Abganges etc. Dann wählt man neue Vorsteher und Beamten und erlauben es die Verhältnisse, so wird diese Versammlung mit einer gesellschaftlichen Mahlzeit beschlossen. § 5. Jedes Mitglied des deutschen Bundes verpflichtet sich bey seiner Aufnahme, durch Handschlag an den Vorsteher der Gesellschaft und seiner Beysitzer, folgende Gesetze des Bundes gewissenhaft zu befolgen. a.) Alle Mitglieder des deutschen Bundes sollen sich als zu gleichem Zweck vereinigte Freunde ansehen, und einander, wenn sie sich kennen, oder sich durch das geheime Zeichen – – – zu erkennen geben, jeden möglichen Dienst zu erweisen, jeden gerechten Vortheil zuzuwenden, in Nothfällen Hülfe zu leisten bereit seyn. b.) Zwischen den Gliedern des Bundes soll bey Versprechen und Zusagen keine Art von Betheurung durch Schwüre, oder Berufung auf Ehre u. s. w. Statt finden, sondern die alte deutsche Regel: Ein Wort ein Wort, ein Mann ein Mann – wieder in volle Giltigkeit treten. c.) In den gesellschaftlichen Versammlungen und ihren Arbeiten soll sich kein Mitglied ausländischer Wörter und Redensarten bedienen, sondern ein vorzügliches Augenmerk auf Richtigkeit, Reinheit und Vervollkommnung unsrer Sprache gerichtet werden. 588
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d.) Kein Mitglied, desen Gesundheitsumstände oder Alter es nicht nothwendig fordern, soll sich den Genuß des Kaffe’s, chinesischen Thees und andrer ausländischen Getränke zum täglichen Bedürfniß machen. e.) Kein Mitglied darf Kleidungsstücke von ausländischen Stoffen tragen, oder sich ausserhalb Deutschland verfertigter Geräthschaften irgend einer Art bedienen, die der deutsche Fleiß von gleicher oder ähnlicher Güte hervorbringt. Wer mit solchen Gegenständen Handel treibt, ist der Aufnahme unfähig. f.) Jedes Mitglied soll sich beeifern, im Kreise seiner Bekanntschaften die Befolgung der Gesetze c. d. und e. zur Sitte und Ehrensache zu machen. g.) Jedes Mitglied, das Gelegenheit dazu hat, soll sich bemühen, den Bund weiter zu verpflanzen, neue Gesellschaften desselben zu stiften, oder doch dessen Zweck und Geist in seinem Wirkungskreise möglichst zu verbreiten. § 6. Da die Theilnahme am deutschen Bunde ganz freywillig seyn und bleiben soll, so steht es jedem Mitgliede immer frey, der Verbindung wieder zu entsagen. § 7. Die Vorsteher der Gesellschaften des deutschen Bundes dürfen sich keine Gerichtsbarkeit über die Mitglieder anmaaßen. Um jedoch den Zweck der Verbindung nicht durch unwürdig gewordene Mitglieder vereiteln zu lassen, werden solche, auf den Antrag des Vorstehers, durch Stimmenmehrheit ausgeschlossen. Die Fälle, wo dieses geschieht, sind: a.) Alle gesetzwidrige, die Ahndung der bürgerlichen Gerechtigkeit nach sich ziehende Handlungen. b.) Wortbruch und Unredlichkeit in Geschäften. c.) Erklärte Zahlungsunfähigkeit oder Bankrut. d.) Erwiesene Uebertretung des Gesetzes § 5. e, die Anschaffung und den Gebrauch ausländischer Stoffe betreffend, noch nach der Aufnahme in den Bund. e.) Verrath des Erkennungszeichens – – – an Personen, die nicht Mitglieder sind. (Hier folgen die Unterschriften.) (Für die bey den erhaltenen Papieren den deutschen Bund betreffend, noch befindlichen umständlichen Anweisungen zur Einrichtung der Gesellschafts-Versammlungen, zur Geschäftsführung der Beamten, Eröffnung eines dem Zwecke gemäßen Briefwechsels zwischen den Gesellschaften verschiedener Orte, Anlagen kleiner Kassen zur Bestreitung des Porto etc., ist der Raum dieses Blattes zu beschränkt.) Quelle: National-Zeitung der Deutschen, 9. Stück, 11. Februar 1811, S. 169–173. Auch in: Rudolph Zacharias Becker: Leiden und Freuden in siebzehnmonatlicher französischer Gefangenschaft von ihm selbst beschrieben. Ein Beytrag zur Charakteristik des Despotismus. Gotha 1814, S. 33–39.
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Turngesellschaft I) Hans Ferdinand Maßmann: Ansichten über die ganze Turngemeinschaft in Deutschland und über zu verfassende Urkunden und Textentwurf einer „Urkunde der ganzen Turngemeinschaft“, 1816 Die Turnkunst ist entstanden, der erste Turnplatz oder Urturnplatz geschaffen, die Turngesellschaft wächst an zur größeren Turngemeinschaft, selbst andere Turnplätze als Sprosse sind bereits geworden und nehmen zu: die Sache will eine Verfassung. Wo zwey vereint sind, bindet allein wohl die Liebe, wo drey aber beisammen, da ist der eine bereits fast der Vorwalt, der Obmann. Je größer die Zahl einer Sippschaft, Genossenschaft oder Gemeinde wächst, desto mehr fühlt man die Noth, daß es eines Oberhauptes bedarf, und da bildet sich auf dem natürlichsten Wege alsbald eine Sitte und Brauch und wird durch Dauer und Uebung geheiligt zur festen Verfassung. Verfassung aber, soll sie eine gute dauernde werden, muß rechtmäßig seyn, wo jedem genügt wird, wo der Menge, der ganzen Genossenschaft Recht nicht gefährdet wird, und die Freiheit nicht untergeht. Verfassung also ist die unänderliche Bedingung und Nothwendigkeit jeder Gemeinde und Gemeinschaft auf Erden. Und so bleibt denn nun in allen Verhältnissen und entstehenden Gemeinschaften, großen wie kleinen, ins Alleben der Welt eingreifenden als für sich bestehenden und ruhig im Laufe der Dinge hingehenden, die Eine Verfassung, das Urbild, der Umriß, der Urgedanke derselben so zu Grunde liegt, ewig derselbe, mag er nun sich darstellen auf die verschiedenste besondere Art und Gestalt in Sach und Namen. An der Spitze jeder Gemeinschaft stehet das Oberhaupt, als Vertreter des Ganzen, Ausüber ihres Willens und ihres Rechtes. Er trägt in den großen Allgemeinschaften der Menschheit, der Staaten, den geheiligten Schein der Unverletzbarkeit, stehet da als Abglanz der göttlichen waltenden Herrlichkeit. Und auch in jede kleinere Verbindung fällt ja eben so ein Schimmer von diesem gewaltigen Glanze auf den Ersten, das Haupt derselben, und stehet doch da als das Ehrenhaupt. Unter demselben aber wachet der Volksrath, Ausschuß der Gemeinde, die Aeltesten Aller, damit das Oberhaupt ordentlich das Recht handhabe, daß der Gemeinde nichts gefährdet werde an ihrer Freyheit. So wachen die einen über den andern, und der eine waltet als Richter über alle, auf daß durch dieses Wechselwirken das ganze Walten und Weben rein gehalten werde, und die Kräfte alle gleichmäßig und gleichmächtig beisammen wirken können in Eintracht und Einklang. So hat diese Verfassung sich geoffenbaret und verwirklicht in großem Glanze und Herrlichkeit weiland in unserm Volke, wie wir ja von neuem derselben harren, daß sie zurückkehren als unser alleiniges Heil und Wohl. Und auf gleiche Weise, in kleinern Verhältnisse hat sich ja auf ganz natürlichem Wege und Zusammenstimmen der Verhältnisse, in denen es geschaffen und gewirkt worden, 590
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unser neu begonnenes Werk, die Turnkunst bisher seit dem Anfangsjahre 1811 ausgebildet und gestaltet. Anerkannt ist von Allen, selbst außen stehenden Männern, ein Oberhaupt in der Sache (zu Zeiten Friedrich Ludwig Jahn, zugleich als Gründer und Erneuer der alten löblichen Turnkunst). Unter ihm nun arbeitet zunächst der Turnwart des Ortes und Gründortes also zu Berlin (zeitig E. Eiselen), mit diesem in Gemeinschaft alle andern Aeltesten des Turnplatzes und der Turngemeinschaft, als gemeinsame Wächter der Lauterkeit und Reinheit der ganzen Sache, daß sie die wahre Kraft bewahre, weiter und größer sich zu gestalten und auszubilden. Da nun nach unserer Hoffnung und Glauben das Turnwesen über ganz Deutschland sich verbreiten wird und muß, und dadurch eine Allgemeinschaft zumal der deutschen Jugend geschaft werden, und es ein Mittel sein soll unter den manchen andern (ja fast das Grundmittel) das deutsche Volk in Liebe und Kraft zu binden; so kommen uns eben diese unsere eignen Verhältnisse in der Sache, wie wir alle durch Zeit und Gott zusammengestellt, zusammenberufen und verbrüdert sind, für ein Ziel gemeinsam zu leben und wirken, so natürlich und leicht entgegen, die Verfassung zu verwirklichen, welche ich oben als die tauglichste, beste und schicklichste aufgestellt habe. – Ueber alle Turnplätze und einzelne Turngesellschaften waltet also demnach der Turnmeister als Hauptvertreter und Anwalt aller Turngemeinschaft im Staate, zu Zeiten Friedrich Ludwig Jahn in Berlin, wo er alsdann doch immer wohl (höchstwahrscheinlich und eigentlich am besten und nothwendigsten) verbleiben wird. Unter ihm stehen sämmtliche Turnlehrer als Turnwarte in Deutschland; demselben am nächsten der Turnwart zu Berlin, welcher Turnwart des Ur-Richt-Muster- oder Oberturnplatzes (zu Berlin) als Oberturnwart der erste fürnehmste der andern alle ist, gleichsam der Ehrenturnwart und zu ihnen allen in Oberverhältniß steht. Derselbe wird dann auch aufs natürlichste Anwart auf Turnmeister Amt und zeitigen Turnmeisters Nachfolger seyn. Gegen all dieses, als erstens, hochtrabendes, hochhinauswollendes, stolzes, eitles Wesen, möchte wohl mancher außerdem noch beonders einwenden, daß auf diese gar bald und scharf sich festsetzende, abschließende, abrundende Einrichtung und Verfassung des Turnwesens sich leicht ein Staat im Staate bilden könnte, und nothwendig bilden würde, ein scharfes Eigenwesen in Deutschland, mit eignem Herrn und Meister, Gesellen und Junggesellen, besonders aber auch auf diese Weise zu sehr und zu scharf gesondert von dem sonstigen Schulwesen, wo die Geister besonders und vorzüglich gebildet würden, sich hinstellen und gestalten lassen würde, wie solches gar gewöhnlich und gar leicht im menschlichen Leben zu geschehen pflege. Beide Einwürfe, besonders der letztere sind, nach meiner Ansicht, gar bald verwerflich, das ganze Turnwesen wird sich nie zu einem besonderen gleichsam bürgerlichen Staat im Staate gestalten, da es ja eben die Jugend zu wahren Männern und Bürgern im deutschen Vaterland und für dasselbe mit erziehen, kräftigen und stärken soll, also recht eigentlich in und für das Volk lebt, webt, wirkt und waltet, aus dem Volkssinn und Leben hervorgehend, und für dasselbe arbeitend, also allein zum Heil und Frommen des Va591
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terlandes; und dasselbe alles offenkundig handelt und schafft. So wird also der Turnmeister immer ein Diener und getreuer Walter fürs Vaterland seyn und seyn müssen, ohne dieß ist ja all dieß sein Streben und Leben mit und für des Vaterlands Jugend unwirksam, ohne Frommen und Segen. Ueberhaupt wird sich dieß ganze verfassungsartigeund mäßige Verhältniß im Turnwesen, nie so scharf und ernst ausgestalten, verwirklichen und abscheiden, sondern es wird muß und kann ja nur immer ein freudiges, frisches, lebensfrohes Verhältnis aller zu einander und zu dem Einen seyn, welcher über alle als Bruder, Verweser und Mahner des Turnthums gesetzt ist. Dem andern Einwurf ist dasselbe fast zu erwidern. Die Schule, das heißt die gelehrte, die Geistesschule bildet, der Turnplatz bildet, beide erziehen; haben also einen und denselben Zweck und Ziel; sie können sich daher nicht einander entfremden; und überdieß ist ja eben zu hoffen und nothwendig, daß beide Zweige, Leibes- und Geisterziehung von ihrer bisherigen ganzen scharfen Getrenntheit sich einigen und zusammenziehen werden, wenigstens auf einander weit mehr Rücksicht nehmen, so in Zeitbestimmung als allen andern Jugendverhältnissen. – Das allerbeste freylich wäre, der deutsche Kaiser selber wäre unser löblicher Turnmeister, wie weiland Heinrich der Vogler, Maximillian [!] der Erste und andere Kaiser Horte der Leibeskunst waren. Da wir nun aber des deutschen Kaisers jetzt noch harren, aber nicht harren sollen, mit den Händen im Schoos, und so gar Manches bevor schon gethan seyn soll und muß, weil es eben kann, und von uns besonders das Turnen, so muß das ganze Turnthum bey jetzigem zeitigen Bestande im deutschen Vaterlande selbst eigner Kraft und Verfassung von unten herauf arbeiten, zu der Stufe, so ihm gebührt. – Das allgemeine, innere und äußere sich darstellende Verhältniß der ganzen deutschen Turngemeinschaft wäre nun also, nach meiner Meinung gefunden und befriedigt, daher nun insbesondere von der Urkunde der Turngemeinschaft. Da nun Berlin als Ur-Richt-Muster-Oberturnplatz (oder wie mans nennen mag) anzusehen ist, gelten und dastehen wird, und besonders als Sitz des Turnmeisters, so muß natürlich auch der dort zu errichtende Turnrath in Ansehen und Wirken eines Oberturnraths stehen (besonders da ja auch eben von Berlin aus als dem Richtturnplatz so manche Turnwarte abgehen werden). Die in den andern Turnörtern zu errichtenden (zum Einzelwohl des dortigen Turnplatzes, natürlich immer mit Rücksicht und Hinsicht auf das Ganze) Turnräthe ständen zu ihm in Unterverhältniß: als Unterturnräthe. Und jeder Turnwart andern Ortes hätte alsdann an den Turnmeister (zu Berlin) solches mit[zuteilen], wodurch es an den (Ober-)Turnrath (zu [dem] nach den Gesetzen von jeglichem berichtet werden muß; der Turnmeister giebt und theilt dann dem Oberturnwart (zu Berlin) solches mit, wodurch es an den (Ober-)Turnrath Berlin) kommt. Die Urkunde der Turngemeinschaft also nochmals kurz enthielte zwey Haupttheile: 1) über das allgemeine Verhältnis aller Turnplätze und Turnwarte in Deutschland zum Turnmeister, und also zum Oberturnplatz zu Berlin. Ihre Pflichten zur Allturngemeinschaft. Ueber den Zweck des Turnrathes. 592
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2) Besondere Urkunden vom Turnrathe als der Hauptsache zum Wohle der Turngemeinschaft und deren Verfassung vorzüglich als den Oberturnrath zu Berlin ins Besondere angehend; also Gesetze der Gesellschaft. Allein diese Gesetze müssen gehörig verallgemeinert und allpassend immer im Unterverhältniß bleiben. Freilich in einzelnen unbedeutenden örtlichen Gesellschaftseinrichtungen und kleinen Anordnungen, örtlicher gelegentlicher Ermäßigung der Gesetze, als über Sammelzeit, Sammelort u. s. w. (wie bei den Turngesetzen ja auch kleines Oertliches hinzugefügt und geändert werden kann) muß gestattet seyn, damit eben Freyheit und Frische beim ganzen Volke erhalten werden, denn auch durch Zwang und hölzernem Wesen und Gehorchen ginge das ganze gute und löbliches Werk, zum Heile des Vaterlandes begonnen, unter. – (Vor allem aber muß die ganze Urkunde kurz und bündig verfaßt seyn). Inhalt derselben (der großen Urkunde der Turngemeinschaft): I. Turngemeinschaft A. Turnmeister im Unterturnplatz, Turnwarte, Unterturnplätze, Oberturnwart, Unterturnwarte. B. Ueber den Turnrath. Wechselverhältniß a) des Turnmeisters und Oberturnwarts und der Turnwarte zu einander. b) der Turnplatz und Turnräthe zum Oberturnrathe. II. Turnrath ins Besondere 1. Zweck 2. Innere Verfassung: vom Ordner, Pfleger u. s. w. 3. Beschäftigung 4. Gesetze, Sitzungssitte, Singen 5. Zuziehbarkeit, Stimmfähigkeit 6. Strafe, Klage 7. Sammelzeit, Sammelort 8. Nebendinge (Geldsammlungen, Papiere u. s. w.). III. Turngesetze H. F. Maßmann. Diese Sende soll zweymal bey den Mitgliedern herumgehen, um ihre Meinung und Gegenmeinungen hinzuzufügen, jeder auf eignem Bogen mit Namensunterschrift. Jeder behält es nur Einen Tag, und besorgt es in seinem Namen weiter, nachdem er den Tag des Empfangs bemerkt hat. Folge .... Urkunde / der / ganzen Turngemeinschaft I. Turngemeinschaft §. 1. Ueber alle Turnplätze (und einzelne Turngesellschaften) waltet der Turnmeister als Hauptvertreter und Anwalt aller Turngemeinschaft im heiligen deutschen Reich. Er waltet und wacht über die Lauterkeit der löblichen Turnkunst, daß sie rein erhalten werde, ungefährdet und unbetrübt, daß sie sich mehre und gefördert werde.
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§. 2. Der Turnplatz zu Berlin ist Richt-, Muster-, Oberturnplatz, und als solcher Urturnplatz, der Sitz des Turnmeisters. §. 3. Alle Turnlehrer aller Orten heißen Turnwarte, also giebt’s auch einen ur wart im Urturnplatz (zu Berlin) und giebt’s auch einen Turnwart im Urturnplatz (zu Berlin) und ist als Turnwart eben des Oberturnplatzes auch Oberturnwart, d. h. der erste, fürnehmste der andern Alle, der Ehrenturnwart. §. 4. Der Oberturnwart ist Anwart auf Turnmeisters Amt und zeitigen Turnmeisters Nachfolger. (Oder soll der Turnmeister von allen Turnwarten und ihrem Allturnrath gewählt werden können? Nach der Turnfestigkeit und Männlichkeit, Biederkeit und sonstige größte Tüchtigkeit). S. §. 1. §. 5. Alle Turnwarte im deutschen Vaterland stehen unter dem Turnmeister. Jeder Turnwart ist dem andern gleich, so wie jeder Turner in allen deutschen Landen dem andern und nur vorzüglich durch Festigkeit und Tüchtigkeit, Liebe zu dem Vaterlande, kurz in Herz und Handel, Gemüth und That. §. 6. Jeder Turnwart andern Ortes hat an den Turnmeister zu berichten (nach Turngesetz 21) alles was zu wissen Noth thut, von Freund und Feind, Glimpf und Schimpf, Gutem und Bösen; kurz alles gute, ins Turnfach einschlagende (dazu auch alles der Erziehung u. s. w., als von Gesang, Liedern u. s. w.). §. 7. Wenigstens [?] alle Vierteljahr hat jeder Turnwart einmal von seinem Orte und über denselben zu berichten. §. 8. Zu Ende jeden Turnjahres (mit dem 18/10) sendet jeder Turnwart den Turnbericht des Turnsommers ein (und zu Anfang jeden Turnsommers den des Winterturnens). §. 9. Dieser Bericht muß, und zwar auf das Genaueste (und Treueste) enthalten: Erzählung dessen, was geleistet in den Uebungen (und darum besonders von den großen Turntagen), welche Ergebnisse sich dargethan, die vorzüglichsten Grade und Stufen und Fortschritte in den Uebungen, die geübtesten Turner (ihre Namen?), überhaupt die ganze Turnfähigkeit und Festigkeit, von neuen Erfindungen, Auffindungen, Einrichtungen des Raumes, Geräthes, der Zeit und Betreibung, besonders aber Berichte über den Geist, welcher und wie er waltet, Zunahme der turnerischen Gesinnung in Jung und Alt; von den Schlechtheiten der Gesinnung, von der Turnerzahl, Anzahl der jährlichen Gerüste u. s. w. Am Ende muß man von allen Oertern die jedesjährige Turnjugend der Zahl nach (in Berlin) wissen. Darüber hält der Oberturnwart oder Turnmeister Bücher der Turngeschichte, überhaupt von der ganzen Turngemeinschaft und dann insbesondere als wichtiges Ergebniß die Geschichte des Urturnplatzes (zu welcher Geschichte jetzt Dürre die ersten Jahre bearbeitet). Die großen Jahrbücher der Turnkunst, darin die Geschichte der Turnkunst und deren Uebung in ganz Deutschland (auf ’s genaueste nach Jahren, Turnplätzen u. s. w.), die Geschichte der einzelnen Turngegenstände: des Turngeistes, Turnübung, Turngröße, Feyer 594
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des großen Turntags (besonders Leipziger Schlachtfeyern), über die Wirkung des Turnens auf die Jugend und Vaterlandsgeist, wie die einzelnen zu Männern und tüchtigem Rüstzeug fürs Vaterland aufgewachsen, welche früher geturnt haben, so daß man diese in ihrem Leben (auch wenn sie unmittelbar und offenbar für die Turnsache nichts späterhin thun können) verfolgt, und sie betrachtet und sie so ansieht, als gehörten sie somit dem Ganzen noch als zu eigen; wie die jungen Turner als Männer nun treu bleiben der guten Sache, so ihnen durch die Turngemeinschaft und Erziehung (wahre) eingeimpft wird in ihr Innerstes hinein; welchen Einfluß die Turnerziehung auf ihr männliches Leben hat (und haben wird von so Vielen) und auf ihre Thaten u. s. w. Von Gönnern und Fördern der Turnkunst, von Turnfeinden, besonders wie der alte Erbund Erzfeind wider die löbliche fröhliche Turnkunst, so von Gott stammt, wie immer mehr und mehr aus dem Vaterlande weicht und abzieht, wie das Turnreich wächst und steigt (ob etwa Turn-Ebben wieder eintreten hie und da, dann und wann, nach großen Turnfluthen u. s. w.). §. 10. Jeder Turnwart hält außerdem für seinen Ort (und somit zur bessern Turngeschichtssammlung fürs’ Ganze) Jahrbücher, darinnen er seine örtliche Turngeschichte aufzeichnet. Zumal hat der Oberturnwart (s. §. 9.) solche Bücher von Berlin und allen andern Orten, jeder Turnwart von seinem Ort nach §. 9. §. 11. Dagegen aber muß der Turnmeister mit Hülfe des Oberturnwartes, alle Turnwarte in Bekanntschaft und Wissenschaft dessen setzen, das allen zu wissen Noth thut, an Beschlüssen zum Wohl des Ganzen, an Erlaß von Rath und Hülfe, in Briefangelegenheiten u. s. w. Dazu ist das beste ein (vierteljährliches) Turntaschenbuch (oder zu Ende jedes Neujahrs?) Turnblatt? (dieß ist alles früher geschrieben als das Turnbuch und sein Vorbericht). Berlin 8/4 1816 H. F. M. Jahrbuch der Turnkunst. Anhang: Fechtende und heimsuchende Turnwarte und Turner sollen allerorts wechselseitig gastlich und gut turnerisch aufgenommen seyn, doch soll jeder zuvor sich ausweisen in der That, ob er ein guter gastwürdiger Turner und Kerl sey; Proben: 1. im Ringen, 1. im Klimmen, 1. im Lauf (Wettlauf, Dauerlauf), 1. im Schwingen, 1. im Springen, doch muß nach Ziem und Recht, Maaß, Billigkeit bey den Forderungen an ihn immer ein gleicher an Kraft, Uebung und Fertigkeit des probenden und prüfenden Ortes ihm gegen- und nebenstehen, sonst gelten die etwa zu großen Forderungen nicht. II. Vom Turnrath A. Zweck, Rechte und Wirksamkeit des Turnrathes §. 12. Jeden Turnortes bildet sich ein Turnrath, eine Gemeinschaft und Gesellschaft der Aeltesten und Wackersten des Turnplatzes und jedesmaligen Turnjahres. §. 13. Jeder Turnrath andern Ortes steht zum Oberturnrath (zu Berlin) in Unterverhältniß als Unterturnrath. 595
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§. 14. Jeder Turnrath soll dem Turnlehrer in Amt und Geschäften behülflich seyn, und soll sich zusammenthun- und halten zur Aufrechterhaltung und Förderung der löblichen Turnkunst und lautern Turnsitte. Besonders aber soll der Oberturnrath als des Muster- und Richtturnplatzes zu Berlin darauf wachen, daß da vor allem Lauterkeit der Sitten herrsche, ein guter Turngeist, rüstig und frisch; und die Turner zu Berlin als die Besten zu rühmen sind, als die Geübtesten, Fertigsten, Anstelligsten und Ausrichtigsten [!]. – Alle Turnräthe aber wachen über das Wohl ihres örtlichen Turnplatzes. – So hat jeder Turnrath besonders die Besorgung und Anordnung der großen Turntage, da sie dann, nach dem, was jener beschlossen, gefeyert werden. §. 15. Kein Unterturnrath kann zum allgemeinen Wohl und in allgemeinen Turndingen einen Brauch festsetzen und beschließen (s. Turngesetz 21), welche eben so gut alle von Turnlehrern, wie von Turnern ihrem Amt gemäß zu halten sind. Jeder Turnwart muß über solches und dergleichen Dinge an den Turnmeister berichten und anfragen, worauf (§. 11.) ihm Antwort und Bescheid wird. §. 16. Der Oberturnrath (zu Berlin) darf ebenfalls nicht eigenmächtig beschließen, ohne Turnmeisters Entschluß, in allgemeinen Turnangelegenheiten. – Was seines Ortes, die Oertlichkeit und Ordnung des einzelnen Turnplatzes betrifft, (kann und muß jeder können) jeder Turnwart ändern, zuthun und abnehmen, wie’s ihm das Beste, Tauglichste und Tüchtigste scheint. B. Werkthätigkeit §. 17. Und so sollen denn jegliche Mitglieder des Turnrathes darauf sehen, jeglicher seines Amtes als Vorturner u. s. w., daß besonders die Turngesetze Allgemein befolgt und gehalten werden, ohne Aenderung und ungefährdet. §. 18. Auch sollen sie merken auf den Geist des Turnplatzes, berichten und kund thun in den Versammlungen und Sitzungen. §. 19. Auch sollen die Mitglieder des Turnrathes Jeglicher vorzüglich merken und berichten über die Uebungen, was neues darin geschaffen und erfunden zur weitern Vollkommnung der Turnkunst. §. 20. Was allbekanntlich vom Turnrathe erkannt und beschlossen wird, soll bekannt gemacht werden auf dem Turnplatze. C. Innere Einrichtung des Turnrathes §. 21. Der Turnrath wird immer gehalten unter Vorsitz des Turnwartes und ist derselbe nicht anwesend, so kann nichts ausgemacht werden. (Sonst kann wohl der Ordner seine Stelle vertreten in der Sitzung, oder ein anderer Vorsitzender gewählt werden? Aber beschlossen wird nichts!) §. 22. Bei streitigen und schwierigen Fällen und Verhandlungen soll auch der Turnmeister unmittelbar in den Oberturnrath selbst zur augenblicklichen Entscheidung geladen seyn. In Sachen des Platzes und Ortes stimmt und bestimmt der Turnwart ohne ihn. Auch berathet der Oberturnrath (zu Berlin) nach Erkundigung der Lage und Sachen mit dem Turnmeister und Oberturnwart das Allwohl des Turnwesens, und ob und was vom Beschlossenen andern Oertern bekannt zu machen. 596
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§. 23. Sobald der Turnwart zugegen ist, wird die Sitzung eröffnet. §. 24. Der Turnwart ist Richter und Pfleger, so in Sachen und Angelegenheiten der Gesellschaft, als seines Turnplatzes; doch soll er sämmtliche Mitglieder, ehe er richtet, befragen. Auch kann jeder einzelne widersprechen, doch soll der Widerspruch begründet seyn. §. 25. Zum Aufzeichnen dessen, was in den Sitzungen des Turnrathes verhandelt wird, und zur Anfertigung eines Turnrathes geschieht, soll ein Schreiber ernannt werden. Auch hat derselbe die Wohnung der Rathglieder jederzeit zu wissen. §. 26. Der Schreiber des Turnrathes soll stets ein Liederbuch halten, worin die Lieder gesammelt werden, so vom Turnrath (Oberturnrath besonders) als gut turnerisch, passend und tüchtig erfunden worden sind. Zum andern soll er halten ein Buch der Liederweisen, so weit und so viel derselbe tongesetzt erlangen kann. Ferner hat der Schreiber ein Berichtbuch über die Sitzung und Verhandlungen des Turnrathes zu halten. §. 27. Ferner soll ein Ordner gewählt werden, so auf die Ordnung und Gehörigkeit in den Versammlungen zu sehen hat. §. 28. Es soll jedesmal nur Einer reden, und wenn ein Mitglied vorträgt, sollen die andern nicht ungehörig darein reden; und dann weiter jeder Einzelne seine Meinung sagen. (Vom Ordner rechts ab bis zum Schreiber links auf). Turnwart Ordner Schreiber Mitglieder ...... ...... Wohl die beste Art! §. 29. Wenn dieß Gesetz übertreten wird, soll der Ordner aufklopfen und die Ungehörigen stillen; und so Einer dann nicht hört auf den Wink, soll er vom Turnwart zurecht gewiesen oder bestraft werden. §. 30. Auch soll der Ordner darauf achten, daß Keine in den Sitzungen undeutsche Wörter, Worte und Reden im Munde führen. Und soll, so dasselbe geschieht, aufklopfen und den Undeutschen dessen mahnen, welchem, bey öfterem Uebertreten widerfährt, was §. 30 [!] bemerkt ist. §. 31. Nur die beiden Beamten: Ordner und Schreiber können ihres Amtes entsetzt werden, und wieder ersetzt werden, sei’s aus welchen trüftigen Gründen. Der Turnwart bleibt stets Vorsitzender des Turnrathes. – Oder ist’s nicht besser, daß die 2 Beamten (besonders Ordner, da man gern einen guten Schreiber festhält, oder auch diesen nach Gerechtigkeit und Maaß) öfter von Zeit zu Zeit durch Wahl wechsele? D. Von Zuziehbarkeit zum Turnrathe, und Stimmfähigkeit der Mitglieder §. 32. Rathfähig und zuziehbar zum Turnrath ist Jeglicher, der als ein wackerer Turner erfunden wird, so vom Turnwart als den andern Mitgliedern; und soll dann mit Zustimmung sämmtlicher Mitglieder aufgenommen werden. – Wie oft soll gestimmt werden über neue Mitglieder? 597
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§. 33. Wahlfähig und stimmfähig sind sämtliche Rathglieder, doch bedarf es nur 2drittel derselben gegenwärtig; um etwas bestimmen und festsetzen zu können. Unter dieser Zahl kann nicht beschlossen werden. – ? §. 34. Der Turnwart hat 2 gültige Stimmen, doch nur anwendbar bey Gleichheit der andern Stimmen. E. Von Klagen und Strafen §. 35. Das Klagen über einzelne Mitglieder des Turnraths und über Turner überhaupt soll Jeglichem im Turnrathe erlaubt und gestattet seyn, – und ist gerade da der rechte Ort zu solchen Dingen. §. 36. Straferklärung, Austheilung und Gradbestimmung derselben bleibt dem Turnwart nach allgemeiner Berathung anheim gestellt. Geld- und Leibstrafen finden natürlich nie statt! §. 37. Wer oftmals des Versäumnisses und Ausbleibens, oder unziemenden kindischen Betragens in den Sitzungen und sonstigen unturnerischen Wandels, soll aus dem Turnrath geschieden werden. F. Von Versammlungszeit und Sammelort §. 38. Der Turnrath versammelt sich (wenigstens der zu Berlin) in Winterzeiten (d. h. vom ersten Sonntag nach dem 19. bis 1. April [!]) alle Sonntage Nachmittags von 5–8 Uhr, bis auf jedesjährige abändernde örtliche und zeitliche Verfügung; zur Sommerzeit, da das Turnen im Freyen selber frisch vor sich geht, wird es jedesmal, wenn die Versammlung Noth thut, näher bestimmt und bekannt gemacht. G. Von Nebendingen §. 39. III. Die Turngesetze Urkunde der ganzen Turngemeinschaft 1. Turngemeinschaft, 2. Turnrath, 3. Turngesetze1 1 1. Zum folgenden Absatz ist vom Kanzleischreiber am Rande vermerkt: Dieß ist im Original ganz durchstrichen.
2. In der Kopie ist nach dem Original hier ein Umlaufschema eingezeichnet, in dem folgende Namen aufgeführt sind: Eiselen, Dürre, Rötger, Nicolovius, Sonntag, Wohlbrück, Kalic. 3. Es folgt an dieser Stelle noch eine „Bey- In- Aus- Zulage“ Maßmanns, in der es u. a. heißt: Inliegende
Blätter … enthalten die nähere Ausführung des Aufsatzes: Ansichten über die ganze Turngemeinschaft in Deutschland und über zu verfassende Urkunden von H. F. Maßmann. … Aber es soll ja auch das Ganze nur zeigen, wie Verfasser sein Urbild von der Sache aus gedacht und gebildet habe, welche Ansicht des ganzen Wesens ihm zu Theil geworden, und wie sie stimme mit dem zeitlich gegebenen Inhalt und Gestalt und ob darauf hinzusteuern sei als dem alleinigen Ziel … Auch möge das Ganze insofern den geschichtlichen Werth haben, daß darin die früher geschriebene Gesetz-Urkunde des Turnraths meist ganz beibehalten worden ist und eingeschaltet, da ja doch im selben Geiste unsere wirkliche Verfassung des Turnrathes jetzt, wiewohl ungeschrieben, ausgeübt wird. Auch möchte die Urkunde des Turnrathes wohl gut seyn, wenigstens zu einstzeitiger Erklärung des Berichtbuches von den Turnrathsitzungen. Berlin 1816 H. F. Maßmann 598
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Quelle: BGStA München, MA 7744, Mainzer Zentral-Untersuchungs-Kommission [MZUK], Spezialbericht XX, Turnwesen, Beilagen. Beilage F: H. F. Maßmann, Ansichten über die ganze Turngemeinschaft in Deutschland und über zu verfassende Urkunden und Textentwurf einer „Urkunde der ganzen Turngemeinschaft“ vom Jahre 1816. – Abschrift in den Akten der MZUK nach den Papieren des stud. med. W. Wesselhöft. – Zitiert nach: Horst Ueberhorst: Zurück zu Jahn? Gab es kein besseres Vorwärts? Bochum 1969, Dok. 5, S. 94–109.
II) Friedrich Ludwig Jahn: Turnkunst, 1816 I. Über die Art, wie die Tur nübungen zu treiben und im Gange zu erhalten. Tur nkunst. Die Tur nkunst soll die verloren gegangene Gleichmäßigkeit der menschlichen Bildung wieder herstellen, der bloß einseitigen Vergeistigung die wahre Leibhaftigkeit zuordnen, der Überverfeinerung in der wiedergewonnenen Mannlichkeit das nothwendige Gegengewicht geben, und im jugendlichen Zusammenleben den ganzen Menschen umfassen und ergreifen. So lange der Mensch noch hienieden einen Leib hat und zu seinem irdischen Dasein auch ein leibliches Leben bedarf, was ohne Kraft und Stärke, ohne Dauerbarkeit und Nachhaltigkeit, ohne Gewandtheit und Anstelligkeit zum nichtigen Schatten versiecht – wird die Turnkunst einen Haupttheil der menschlichen Ausbildung einnehmen müssen. Unbegreiflich, daß diese Brauchkunst des Leibes und Lebens, diese Schutz- und Schirmlehre, diese Wehrhaftmachung so lange verschollen gewesen. Aber diese Sünde früherer leib- und liebloser Zeit wird auch noch jetzt an jeglichem Menschen mehr oder minder heimgesucht. Darum ist die Turnkunst eine menschheitliche Angelegenheit, die überall hingehört, wo sterbliche Menschen das Erdreich bewohnen. Aber sie wird immer wieder in ihrer besondern Gestalt und Ausübung recht eigentlich ein vaterländisches Werk und volksthümliches Wesen. Immer ist sie nur zeit- und volkgemäß zu treiben, nach den Bedürfnissen von Himmel, Boden, Land und Volk. Im Volk und Vaterland ist sie heimisch, und bleibt mit ihnen immer im innigsten Bunde. Auch gedeiht sie nur unter selbständigen Völkern, und gehört auch nur für freie Leute. Der Sklavenleib ist für die menschliche Seele nur ein Zwinger und Kerker. Tur nanstalten. Jede Turnanstalt ist ein Tummelplatz leiblicher Kraft, eine Erwerbschule mannlicher Ringfertigkeit, ein Wettplan der Ritterlichkeit, Erziehungsnachhülfe, Gesundheitspflege und öffentliche Wohlthat; sie ist Lehr- und Lernanstalt zugleich in einem stäten Wechselgetriebe. Zeigen, Vormachen, Unterweisen, Selbstversuchen, Üben, Wettüben und Weiterlehren folgen in einem Kreislauf. Die Turner haben daher die Sache nicht von Hörensagen, sie haben kein fliegendes Wort aufgefangen; sie haben das Werk erlebt, eingelebt, versucht, geübt, geprüft, erprobt, erfahren und mit durchgemacht. Das 599
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erweckt alle schlummernden Kräfte, verleiht Selbstvertrauen und Zuversicht, die den Muth niemals im Elend lassen. Nur langsam steigert sich die Kraft, allmälig ist die Stärke gewachsen, nach und nach die Fertigkeit gewonnen, oft ein schwer Stück vergeblich versucht, bis es nach harter Arbeit, saurer Mühe und rastlosem Fleiß endlich gelungen. Das bringt das Wollen durch die Irrwege der Willelei zum folgerechten Willen, zum Ausharren, worin aller Sieg ruht. Man trägt ein göttliches Gefühl in der Brust, so bald man erst weiß, daß man etwas kann, wenn man nur will. Gesehen haben, was anderen endlich möglich geworden, gewährt die freudige Hoffnung es auch zu leisten. In der Turngemeinschaft wird der Wagemuth heimisch. Da wird alle Anstrengung leicht, und die Last Lust, wo andere mit wetttur nen. Einer erstarkt bei der Arbeit an dem andern, stählt sich an ihrer Kraft, ermuthiget sich und richtet sich empor. Ein Beispiel wird so das Vorbild, und reicht weiter als tausend Lehren. Eine echte That ist noch nie ohne Nachkommen geblieben. Ohne eine Turnanstalt sollte billig keine namhafte Stadt in Deutschen Landen forthin bleiben. Den Einwurf: „Es kostet was“ können nur Tröpfe vorbringen, die gern als Köpfe spuken möchten. Menschen werden gezählt, Männer gewogen und sind nicht zu erdrillen. Tur nplätze. Auch der kleinste Ort könnte und sollte von Rechts wegen, wenn er eine Schule hat, auch nach seinen beschränktern Bedürfnissen einen Turnplatz haben. In jedem Kirchspiel des platten Landes müßte wenigstens ein vollständiger Turnplatz sein, wo sich dann aus den größern und kleinern Ortschaften die turnfähige Jugend zusammenfinde, und in jugendlichem Wettturnen versuche. Wenigstens an den Denktagen der Erlösung, Auferstehung und Rettung des Deutschen Volks sollte dazu Rath werden. Der 31te März, 18te Junius und 18te October sind recht eigentlich zu g roßen Tur ntagen gewonnen. Im Laufe der Zeit können gar leicht aus diesen kleinen Anfängen größere Feste werden. Wann dann die gesammte Jugend erst eingeturnt ist, so wandern die Turnfertigsten aus dem kleinern Ort in den größern, von dort am folgenden g roßen Tur ntage die Preiserringer zur Gaustadt, und so an jedem kommenden Feste immer weiter zur Mark- und Landesstadt, bis sich endlich die besten Turner des ganzen Volks am großen Hauptfeste in der Hauptstadt treffen. Wer den ersten Abschnitt des Buchs: die Tur nübungen, und den dritten: I. Über Anlegung eines Tur nplatzes mit Aufmerksamkeit gelesen, und beide verglichen hat – wird auch gewiß einsehen, daß es durchaus nothwendig ist, Tur nzeug in gehöriger Zahl und Zweckmäßigkeit anzuschaffen. Dies gilt ganz besonders von Reck, Bar ren, Spr ingel und Schwingel. Die drei ersten sind überall wohlfeil zu bekommen. Sind einem aber die Schwingel zu theuer, so muß man in solchem Fall nur einige hinsetzen, und sich darauf beschränken, daß nur die größeren Turner das Schwingen treiben. Schon eher ist ein kostspieliges Klettergerüst zu ersparen. Ein niedriges und ein hohes Tau allenfalls an Rahen in Bäumen angebracht, eine kleine, und eine große Klimmleiter reichen zur Noth schon hin. 600
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Wer aber den Schluß machen wollte, daß, wenn für vierhundert (400) Turner das in dem Anschlag (Siehe Seite 199)1 angegebene Turnzeug nöthig wäre, man alsdann für 200 Turner nur die Hälfte, für 100 das Viertel und für 50 bloß das Achtel gebrauche, würde einen großen Fehlschluß machen. Denn funfzig (50) Turner von jedem Alter und jeder Größe brauchen eigentlich Turnzeug von eben so viel Abstufungen, als die vierhundert (400), wenn auch nicht von jedem Grad zwei bis drei Stück. Für Diejenigen, welche sich sonst noch nicht mit dem Turnwesen beschäftigt haben, und doch die Grundsätze kennen zu lernen wünschen, nach denen das Turnzeug anzuschaffen ist, folgt hier noch ein Beispiel, was vielleicht an kleinern Orten, Dörfern u. s. w. öfters Anwendung finden möchte. Das nothwendige Turnzeug für achtzig Turner. Spr ingel: 2 zum Freisprung, mit Schnüren, Beuteln und Bolzen. 2 zum Stabsprung; Spr ingstangen . 1 Spr ingg raben . Recke : 4 Stück: 16 F. lang, von 3 F. 6 Z., 4 F. 6 Z., 5 F. 6 Z. und 6 F. 6 Z. Höhe. Bar ren : 4 Stück: 8 F. lang und 2 F. 6 Z., 3 F., 3 F. 6 Z. und 4 F. 6 Z. hoch, und 14, 15, 16 und 18 Z. breit. Schwingel : 4 Stück: mit Pauschen, 3 F., 3 F. 4 Z., 3 F. 8 Z. und 4 F. hoch. 1 Schwebebaum . 1 Pf ahlkopf und wenigstens für die drei ersten Abtheilungen Gere. 1 Nachziehseil . 1 Seil : von 20–30 F. Länge und ¾ Z. Stärke, als Ziehtau und zu den Seilübungen. Kurze Seile: für die erste und zweite Abtheilung. 2 Kletter taue : etwa von 20 und 30 F., so einfach als möglich angebracht. 1 Kletter mast : etwa 20–30 F. hoch und 6–8 Z. stark; eingegraben. 2 Kletter stangen : von 10–20 F. Höhe und 2–3 Z. Stärke; an Baumästen oder dergleichen befestigt, und eingegraben. 1 Klimmleiter : von 12–15 F. Höhe; die Sprossen 10 Z. von Mittel zu Mittel.
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Tur nlehrer. Ein Vorsteher einer Turnanstalt (Tur nwar t) übernimmt eine hohe Verpflichtung, und mag sich zuvor wohl prüfen, ob er dem wichtigen Amte gewachsen ist. Er soll die jugendliche Einfalt hegen und pflegen, daß sie nicht durch frühreife Unzeitigkeit gebrochen werde. Offenbarer als jedem andern entfaltet sich ihm das jugendliche Herz. Der Jugend Gedanken und Gefühle, ihre Wünsche und Neigungen, ihre Gemüthsbewegun1 Anschlag des Turnzeuges und -Geräthes und der Vorrichtungen für einen vollständig eingerichteten Turnplatz, auf dem sich 400 Turner reihenweise zugleich üben können [Die deutsche Turnkunst, a. a. O., S. 199–206]. 601
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gen und Leidenschaften, die Morgenträume des jungen Lebens bleiben ihm keine Geheimnisse. Er steht der Jugend am Nächsten, und ist ihr darum zum Bewahrer und Berather verpflichtet, zum Hort und Halt und zum Anwalt ihres künftigen Lebens. Werdende Männer sind seiner Obhut anvertraut, die künftigen Säulen des Staats, die Leuchten der Kirche, und die Zierden des Vaterlandes. Keinem augenblicklichen Zeitgeiste darf er fröhnen, keine Rücksichtelei auf Verhältnisse der großen Welt, die oft im Argen liegt. Wer nicht von Kindlichkeit und Volksthümlichkeit innigst durchdrungen ist, bleibe fern von der Turnwartschaft. Es ist ein heiliges Werk und Wesen. Einzig nur im Selbstbewußtsein der Pflichterfüllung liegt der Lohn. Später beschleicht einen das Alter, unter dem Tummeln der Jugend. Auch in den bösesten Zeitläuften bewahren sich Glaube, Liebe und Hoffnung, wenn man schaut, wie sich im Nachwuchs des Volks das Vaterland verjüngt. Vom Schein muß der Turnlehrer abstehen, für die Außenwelt kann jeder Gaukler besser prunken. Unter allen Lehrern der Jugend hat ein Tur nlehrer den schwersten Stand. Bei andern Lehrern beruht das Geschäft auf Wissen und Wissenschaft, in denen beim allstündlichen und alltäglichen Betreiben von Zeit zu Zeit weitere Fortschritte zu machen sind. Des Turnlehrers Würken ist unzertrennlich von Kennen und Können. Ein anderer Lehrer wird dem größten Theile seiner Schüler immer voraus bleiben; einen Turnlehrer müssen aber die Knaben und Jünglinge bald in den Turnübungen einholen, und können ihn dann leicht übertreffen. Dennoch muß ein Turnlehrer vor allen Dingen bemüht sein, sich in den Turnübungen so viel Fertigkeit zu erwerben und zu erhalten – als seine Leibesbeschaffenheit erlaubt. Nur eigenes Selbstversuchthaben und Erproben geben ihm einen deutlichen und klaren Begriff von der einzelnen Bewegung und Übung, und von den Wirkungen, so sie hervorbringen. Dabei muß er sich sehr hüten und sorgfältig in Acht nehmen, daß er den kleinern Turnern kein Bild der Lächerlichkeit und auffallender Ungeschicklichkeit giebt. Größere ehren schon den guten Willen und das mühevolle Bestreben. Geht ihm auch die Erwerbung einzelner Turnfertigkeiten nicht von Statten; so muß er doch in alle Theile der Turnkunst eindringen, und in den Geist des Turnwesens. Die Turnschüler müssen den Turnlehrer als Mann von gleichmäßiger Bildung und Volksthümlichkeit achten können, der Zeit und Welt kennt und das Urbild, wonach zu streben ist; sonst wird er bei aller turnerischer Fertigkeit ihnen nur wie ein Faselhans und Künstemacher vorkommen. Ein Turnlehrer muß: 1. der Jugend kein böses Beispiel geben, weder auf noch außer dem Turnplatze; 2. sich während der Turnzeit aller solcher Genüsse enthalten, die der Jugend nicht geziemen z. B. Toback rauchen, Schnapps trinken u. a. dgl.; 3. sich nicht vornehmthuerisch und aufthuerisch gebärden, sondern stets leutseelig sein und bleiben; 4. nicht zu spät auf den Turnplatz kommen, sondern wo möglich immer mit den Frühsten da sein; 5. als Gesetzbewahrer die Gesetze zuerst halten, und sich nicht hoffährtig davon ausnehmen, sondern der strengste Richter gegen sich selbst sein; 602
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6. es bei Leibe nicht allen Turnern zuvor- oder gleichthun wollen, sondern sich still und bescheiden, ohne Lärm und Geschrei einturnen; 7. die Gespräche der Jugend so leiten, daß sie lehrreich und unterhaltend werden, und in Wort und Werk keinen Anstoß geben; 8. auch den Schein von Schulsteifheit vermeiden, und in seinem Betragen und Benehmen freundschaftlich mit Ernst und herzlich mit Würde sein; 9. es deutlich an den Tag legen, daß er von der Wichtigkeit der Sache begeistert ist, und nicht von feiler Selbsucht und schnöder Eitelkeit getrieben wird; 10. mit seinen Schülern, Zöglingen und Anvertrauten zu leben verstehen und umzugehen wissen, daß sie ihn als Menschen lieben und als Mann achten; 11. die versteckten Eigenthümlichkeiten auffinden, die keimenden Tugenden pflegen, und die hervorgesprossenen volksthümlich ausbilden; 12. als der ältere Freund, Ordner, Schiedsrichter, Rathgeber und Warner unter den Turnern walten. Tur nübungen. Alles Turnen hat sein Gesetz und seine Regel, seine Schule und Zucht, sein Maaß und sein Ziel. Die höchste Eigenthümlichkeit beim Einzelnen und die höchste Volksthümlichkeit bei Allen. Lehre und Leben bilden hier keinen Gegensatz. Beide sind einträchtig und eins. Daher ist es möglich und findet würklich Statt, daß auf einem und demselben Turnplatze jeder Turner sein eigen Gepräge erhält nach seinem eigenen Schrot und Korn. Die Turnkunst als Pflegerin der Selbstthätigkeit, führt auf geradem Wege zur Selbständigkeit. Sie fördert die leibliche Gesammtausbildung des Menschen durch gesellige Regsamkeit in lebensfrischer Gemeinschaft. Bei den Turnübungen muß sich immer eins aus dem andern ergeben, ohne Drillerei, so die freie Eigenthümlichkeit der Einzelnen durch ihr Schalten gefangen nimmt. Die Turnübungen in Folge und Folgerung ergänzen sich wechselseitig, und können und müssen umzechig getrieben werden. Die richtige Vertheilung von Rast und Last gewährt die Dauerkraft. Indem einige müde geturnte Glieder feiern, arbeiten die andern wieder. Die Turnkunst ist gegen jede Einseitigkeit. Links und rechts sind ihr Bedingnisse, wovon keins erlassen werden darf. Sie will einen ganzen Mann, und ist mit keinem zufrieden, dessen Leib in die Brüche geht. Übereinstimmung und Folgerechtheit entwickeln die allseitige Kraft. Es giebt freilich Übungen, die nach dem Wesen der Sache hintereinander getrieben werden müssen, und erst dann, wenn die Vorübung beendigt ist und ein Ganzes bereits ausmacht. Viele Übungen müssen aber schlechterdings gleichzeitig getrieben werden, weil sonst die Besonderheit und Einerleiheit auch selbst der besten Übung der Gesammtbildung widerstreiten würde. Wollte man bloß eine Übung erst bis zur höchsten Vollkommenheit bringen, um dann zu einer andern überzugehen; so würde die Jugendzeit nicht lang genug sein, um nur in ein Paar Hauptturnübungen Fertigkeit zu erlangen. Die leibliche Kraft läßt es auch nicht dahin kommen. In solchem Zerren und Renken 603
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würde sie erlahmen und erstarren. Nur die öftere Wiederholung erzeugt die Vollkommenheit, wenn anders die Wechselwürkung anderer Übungen hinzukommt. So wenig man aber einen Knaben in einem fort immer nur bloß mit einer Übung beschäftigen soll, so giebt es doch gewisse, mit welchen man den Anfang machen muß, und die gleichsam Einleitung und Vorschule zum Ganzen der Turnkunst sind. Jeder nicht eingeturnte Knabe oder Jüngling ist entweder versteift, oder wenn er auch noch Gelenkigkeit besitzt, so versteht er wenigstens selten mit seinen Gliedern regelrechte Bewegungen zu machen. Allen diesen Mängeln helfen die beschriebenen Spr ingund Schwingvor übungen (Siehe Seite 15–21 und Seite 39–42.) am Zweckmäßigsten ab. Sie muß man mit jedem Neuen, der zur Turnanstalt kommt, zuerst und viel üben, und dann oft wiederholen. Nach dieser Einleitung muß man nun die leichtesten Anfänge jeder Übung vornehmen, als: die ersten Lauf- Spring- und Kletterübungen, das Ziehen, Hangeln, Handeln am Barren und Schwebegehen. Hiedurch prüft man am besten die Kraft, sieht wo es diesem oder jenem fehlt, und wie dem Mangel abzuhelfen. Im Anfang, besonders wenn ein Turnplatz gleich ganz, oder auch nur meisten Theils eingerichtet ist, thut man wohl festzusetzen, daß die Turner nur solche Übungen treiben, die ihnen erlaubt, und nur solche Stücke machen, die ihnen bereits gezeigt sind. Ungeübte können, sich selbst überlassen, bei ihnen unbekannten Übungen leicht Schaden nehmen. Sobald in einer beginnenden Turnanstalt nur einige Fortschritte gemacht sind, muß der Vorsteher (Turnwart) oder Turnlehrer, aus den Verständigsten und Turnfertigsten – Vor tur ner erwählen, oder erwählen lassen. Die Vorturner müssen die Neuen in den Vorübungen unterweisen, und bei den Übungen, wo es Noth thut, selbst vormachen (vorturnen). Sie müssen Hülfen zu geben wissen, und, wo ein Ausgleiten oder Fallen leicht möglich ist, besonders Acht geben und bei der Hand sein, um allen Schaden zu verhüten. Auch müssen sie die Besonnenheit besitzen, aus den einzelnen Stücken einer vielgestalten Übung jedes Mal eine zweckmäßige Auswahl zu treffen. Bei der Aufsicht über Jüngere und Schwächere müssen sie besonders berücksichtigen, daß es hier nicht sowohl auf Erlangung von Fertigkeiten, als auf allgemeine Vorbereitung zur Turnfähigkeit ankommt. Tur nzeit. Auf dem Turnplatze ist die Aufgabe zu lösen, viele Turner zu gleicher Zeit planmäßig zu beschäftigen. Zur Tur nzeit sollten immer billig ganze Nachmittage verwandt werden. Mittwoch und Sonnabend Nachmittag sind auch in der ganzen Deutschen Welt sogar durch hohe landesherrliche Gesetze schulfrei. In der neuern Zeit ist der Misbrauch eingerissen, daß man auch auf Schulen das Lernen in Hefte zwängt, wodurch blutwenig im Gedächtniß haftet, und die arme Jugend in der Schreibfrohne dem lieben Gott den Tag abschmiert. Je mehr Leben wieder in die Welt gekommen, desto weniger dürfen die Schulen am Buchstaben hangen. Von bloßen Augenblicken, wo sich die Jugend nur kümmerlich auslüftet, ist natürlich hier nicht die Rede. An Turntagen wird der ganze Nachmittag in zwei gleiche 604
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Hälften getheilt. Die erste Hälfte ist für die freiwillige Beschäftigung (Tur nkühr), die andere Hälfte für die vorgeschriebene (Tur nschule). In der ersten Hälfte wählt sich jeder seine Beschäftigung selbst, und treibt Übungen, die ihm am meisten behagen, oder in welchen er sich schwach fühlt, oder auch in denen er sich vorzüglich ausbilden will. Lehrer und Vorturner müssen aber immer in Thätigkeit sein, um die Ordnung zu erhalten, bald diesen bald jenen, auch manchmal eine ganze Riege zu unterweisen. Während dieser freiwilligen Beschäftigung (Tur nkühr) hat der Lehrer die beste Gelegenheit, sich von dem Selbsttriebe und der Selbstthätigkeit eines jeden, und von den Neigungen, Anlagen, Bestrebungen, Entwickelungen, Fortschritten und Fertigkeiten anschaulich zu überzeugen. Am Ende dieser Zeit werden die Turner durch ein überall auf dem Turnplatze hörbares Zeichen z. B. Klapper, Glocke o[der] dgl. auf dem Tie versammelt. Dies ist die beste Zeit, wo die Turner nach gehörigem Ausruhen und Abkühlen mit Brot und Wasser ihren Hunger und Durst stillen können. Das Brot bringt sich jeder von Hause mit. Es würde die ganze Turnordnung stören und ein unbändiges Hin- und Hergelaufe geben, dürfte es während der Tur nrast etwa in der Nähe des Platzes erkauft werden. Überhaupt ist das Verlassen des Turnplatzes während der Turnzeit nur in dringenden Fällen zu gestatten, aber niemals um Lebensmittel zu holen. Das Wasser wird auf den Turnplatz geschafft, aber außer der Turnrast darf keiner trinken. Sobald alle getrunken haben, wird wieder ein Zeichen gegeben, worauf alle Turner sich nach ihren Jahren auf einen für alle Mal angewiesenen Stand stellen. Hier werden die Listen verlesen, und die Fehlenden sogleich aufgezeichnet. Über den Nichtbesuch des Turnplatzes wird Nachfrage gehalten, damit nicht böse Buben unter dem Vorwand und Behelf des Turnplatzes sich auf den Müßiggang geben und jugendwidrigen Zeitvertreib. Nun fängt die vorgeschriebene Beschäftigung (Turnschule) an. Die Turner sind ein für alle Mal nach ihrem Alter in bestimmte Abtheilungen gebracht. Alle in einem Jahr Geborne gehören zu einer und derselben Abtheilung. Sollten sich einige finden, die eine Ausnahme von der Regel machen, entweder bei weitem größer oder kleiner, oder stärker oder schwächer als ihre Jahrgenossen sind, und sich also nicht mit diesen zugleich üben können; so müssen sie in die zunächst ältere oder jüngere Abtheilung versetzt werden. Ist eine Abtheilung unverhältnißmäßig gering, so muß man sie mit einer andern Abtheilung vereinigen. Ist sie hingegen sehr zahlreich, so muss sie getheilt werden. Alle Übungen werden nun in so viele einzelne Schulen getheilt, als Turnerabtheilungen sind. Hienach werden jeder Abtheilung für einen Tag bestimmte Haupt- und Nebenübungen angewiesen, damit jeder Turner in einer Reihe von Turntagen die Schule von sämmtlichen Turnübungen durchmacht, und nach einander in allen Unterweisung erhält. Jeder Abtheilung ist ein Vor tur ner zugesellt, der die Abtheilung in Riegen theilt, und ihre Übungen leitet. Vorzuturnen braucht er nicht immer selbst, sondern das thut der Er ste oder der Anmann von jeder Riege. 605
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Bei dieser Tur nweise ist es einzig und allein möglich, die Zahl und den Grad (Abstufungen) des Turnzeuges zu berechnen. Es muß nämlich so viel da sein, daß alle Turner, man mag den Abtheilungen Übungen anweisen, welche man will, sich zugleich riegenweise üben können. Allerdings erfordert dies viel Turnzeug, und mit unter wohl zwei Stück von jedem besondern Grad (Siehe Reck, Barren, Schwingel); aber statt dessen die Abtheilungen aus allen Jahren und Altern zu mischen ist nicht rathsam und thunlich. Wollte man solch Gemisch zusammen wettturnen lassen, z. B. ringen, so könnte der Schwächere leicht Schaden nehmen. Ohne jene Tur nweise können aber nicht die Turner ihre Stärke und Turnfertigkeit gegen ihres Alters Gleichen prüfen und abwägen. Tur ntracht. Ohne eine bleibende Tur ntracht kann keine Turnanstalt gedeihen. Der leidige Trachtwechsel würde bald nach einander alle Übungen unmöglich machen, und so das Turnwesen wieder vernichten. Eine Turntracht muß dauerhaft und wohlfeil sein, und zu allen Bewegungen geschickt. Graue ungebleichte Leinwand ist der beste Stoff. Alle andere Zeuge sind weniger dauerhaft und wohlfeil, und doch nicht so leicht zu reinigen. Eine g rauleinene Jacke und eben solche Beinkleider kann sich jeder anschaffen. Würden Zeuge aus ausländischen Stoffen geduldet; so müßten sich die Übungen gar bald in Übungen für Reiche, Vermögende, Bemittelte, Wohlhabende, Unbemittelte, Dürftige und Ar me theilen. Die Turntracht muß eine Gleichtracht von gleichem Stoff und gleichem Schnitt sein; damit sie nicht den einen fördert und den andern hindert. Alle Turnübungen werden barhand und barhaupt vorgenommen, auch im Winter braucht der Deutsche keine Pelzmütze. Halstücher sind auf keinen Fall unter keinerlei Bedingung zu dulden, sie mögen den Wundbinden oder Hunde-Halsbändern gleichen, galgenstrickmäßig umgelegt sein oder gar wie Drohnenschleifen. Hosenträger dürfen sich nicht vorn kreuzen; hinten mögen sie gekreuzt oder besser noch durch zwei Querstreifen verbunden sein. Stiefel dürfen keine schwere Reuter- und Postknecht-Stiefel sein, oder gar Gebäue wie Löscheimer. Sporen können sogar lebensgefährlich werden. Zugstiefel gehören mit den Schnürbrüsten zu dem Foltergeräth, was die Putzwuth für Zierlinge erteufelt hat. Die zweckmäßigste Fußbekleidung für Turner sind Halbstiefel – aber keine Schnürstiefel –, die eben über die Knöchel hinaufreichen, zum Anziehen weit genug sind und mit einem Überschlag versehen, mit einem Riemen oberhalb der Knöchel befestiget werden. In solches Schuhzeug fällt beim Gehen kein Steinchen und kein Sandkorn, und doch wird die Wade nicht eingezwängt, wie bei den Überstrümpfen. Leder ne Beinkleider taugen nicht auf den Turnplatz, auch Überziehhosen sind nichts nutz, selbst wenn sie auch nur zum Schein falsche Knopfreihen haben. Tur nbeinkleider müssen gehörigen Schritt haben, im Bund gebührend weit sein, daß sie 606
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den Bauch nicht pressen; und an einem Hosenträger hangen. So hoch dürfen sie nicht hinauf gehen, daß das Herz in den Hosen sitzt. Es ist sehr zweckwidrig und der Gesundheit nachtheilig, sie mit Riemen, Knöpfen und dergleichen über Schuh und Stiefeln zu befestigen. Im Gegentheil sollen sie auch nicht auf der Erde schleppen. Ein ordentliches Maaß kommt ihnen zu, was jede Gliederbewegung erlaubt und erleichtert. Es versteht sich von selbst, daß sie weder weit wie ein Sack, noch eng wie ein Darm sein dürfen. Am aller Ungesundesten ist es, sie über die Hüften zu schnallen und zu schnüren. Das giebt einen Schmachtriem, wodurch die Wohlgestalt des Menschenleibes als Wespenleichnam von einander zu brechen scheint, und die Hälften wie Vorder- und Hinterwagen nur noch nothdürftig zusammenhangen. Bei den Turnübungen selbst kann man nicht kühl gekleidet genug gehen; nach vollendeter Arbeit, nach dem Abmüden und dem Erhitztsein muß man einen Rock zum Überziehen haben, um sich gegen plötzliche Erkältung zu schützen. Tuchene Jacken sind gar nichts werth, und müssen von jedem Turnplatze verbannt sein. Ein Frack, Wrack, das heißt zerbrochener Rock, auch Kluft genannt, weil er mitten von einander gespalten – ist ein höchst unnützes Gepäck, und nur eine Scheinkleidung. Die nothwendigsten Theile bleiben unbedeckt – Bauch und Kreuz. Statt dessen flattert der Zwieselschwanz der Rockfittige wie ein Fächer und Fliegenwedel hinterher. Ein Deutscher Rock, der hinten zu ist und vorn zu geht – bleibt immer die angemessenste und anständigste Tracht. Er muß so weit sein, daß er bequem über die Turnjacke gezogen und doch zugeknöpft werden kann. Über die Kniee darf er nicht hinunter reichen, weil er sonst den Gang schwer macht. Auf kleinen Wanderungen (Tur nf ahr ten) vertritt er dann zugleich die Stelle eines Mantels. Tie. Der Turnplatz ist kein Drillort, und kann also nicht von Schulsteifheit starren. Bei den Übungen selbst darf ausdrücklich nichts anders von den Turnern gesprochen werden, als was zur Sache gehört. Dafür muß aber natürlich jeder Turnplatz einen der Größe der Turnanstalt angemessenen Tie haben. Der Tie ist Versammlung-, Erholung-, Unterhaltung-, und Gesellschafts-Platz. Schattenbäume müssen ihn umgeben. In der Mitte muß eine etwas erhabene Dingstatt sein, und ein Dingbaum, woran an einem schwarzen Brette die Turngesetze und andere Dinge zu lesen. Von der Dingstatt herab wird den Turnern das Nöthige bekannt gemacht. Hier werden die neuen Turner eingeschrieben und die etwanigen Händel geschlichtet. Hier sind die Anzeigetafeln von verlornen und gefundenen Sachen. Hier hangen die Gesetze. Hier ist das Tagebuch. Hier ist die Glocke oder ein ähnliches Werkzeug, womit man die Turner zusammenruft. Auf dem Tie stehen Bänke zur Bequemlichkeit der Turner, wo sich die eben Angekommenen ausruhen, die Turnmüden erholen und die Freunde gegenseitig etwas mit theilen können. Hier werden mancherlei Geschäfte abgemacht. Hier ist fröhliches Gespräch, munterer Scherz, jugendlicher Witz und Gesang. Hier einzig und allein darf auf 607
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dem ganzen Turnplatz nur gegessen und getrunken werden. Dafür kann auf dem Tie schlechterdings keine Turnübung Statt finden. Auf dem Turnplatze wird nur trocken Brot gegessen und Wasser getrunken. Wem trocken Brot nicht mundet, hat keinen Hunger, und kann füglich warten, bis er nach Hause kommt. Wen Wasser nicht erquickt, hat entweder keinen Durst, oder noch nicht lange genug geturnt, vielleicht auch sich überhaupt zu wenig in freier Luft bewegt. Zuschauer. Der Turnplatz ist keine Bühne, und kein Zuschauer hat Recht, auf ihm ein Schauspiel zu erwarten. Aber er ist eben so wenig eine geheime Halle: feste Schranken muß er freilich haben, die den Turner von dem bloßen Zuschauer absondern. Dafür müssen die Übungsplätze nach den einzelnen Orten und Stellen so angeordnet werden, daß sie von außen hinreichend zu sehen sind, und sich gerade von dort für den Zuschauer am besten ausnehmen. So hat alsdann jedermann hinlängliche Gelegenheit, sich durch den Augenschein von dem Wesen und Werth der Turnübungen zu überzeugen. An den Turntagen aber auf dem Turnplatze selbst Besuche anzunehmen und anderweitige Anfragen zu beantworten, ist die Zeit zu kurz. Wer noch etwas Anderes wissen will, als der Augenschein lehrt und die eigene Ansicht, muß zu seiner Belehrung eine andere Zeit wählen. Durch die Öffentlichkeit der Turnübungen werden die nachgeglaubten und nachgelallten Vorurtheile am besten bekämpft und in ihrer grundlosen Nichtigkeit und argen Blöße dargestellt. Viele geschämige Leute, Knaben wie Jünglinge und Männer, lernen vom Zusehen und üben zu Hause nach, was ihnen auf dem Turnplatze vorgeübt wurde. Die Menge bekommt dadurch Geschmack und Gefallen am Turnen, und selbst ältere versteifte Leute sehen so viel ab, um manches Versäumte nachzuholen. Die Ältern, Lehrer, Pfleger und Vormünder der Jugend haben so die schönste Gelegenheit, ihre Kinder, Schüler und Zöglinge sich selbst überlassen unter und neben ihres Gleichen unvermerkt zu beobachten. So können sie tiefer in die Kindlichkeit der Ihrigen blicken, als wenn sie dieselben immer um und neben sich wie am Schnürchen haben. Bei zweckmäßig eingerichteten Turnplätzen haben alle Leute zugleich die Mitobhut und Mitaufsicht. Während sie zuschauen, verwalten sie zugleich eine Anwaltschaft der Sitten. Dafür müssen sie sich aber gänzlich bescheiden, draußen zu bleiben, und sich nicht müßig feiernd unter die arbeitenden Turner mischen wollen. Zärtliche Mütter und andere Verwandtinnen sind auf dem Turnplatze nur im Wege. Das giebt dann Gelegenheit zu Hätschelei, Loberei, Rühmerei und Markelei, impft dadurch jugendliche Gemüther mit Eitelkeit, die sie von Grund aus verdirbt. Quelle: Die deutsche Turnkunst zur Einrichtung der Turnplätze, dargestellt von Friedrich Ludwig Jahn und Ernst Eiselen, a. a. O., S. 209–232. – Auch in: Nachdruck der Original-Ausgabe Berlin 1816. Dresden 1927. Mit einem Vorwort von Max Schwarze, S. 225–250 (Quellenbücher der Leibesübungen, Bd. 4).
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III) Friedrich Ludwig Jahn: Die Turngesetze, 1816 II. Die Tur ngesetze A. Geist der Tur ngesetze. Gute Sitten müssen auf dem Turnplatz mehr würken und gelten, als anders wo weise Gesetze. Die höchste hier zu verhängende Strafe bleibt immer der Ausschluß aus der Turngemeinschaft. Man kann es dem Turner, der eigentlich leibt und lebt und sich leibhaftig erweiset, nicht oft und nachdrücklich genug einschärfen, daß keiner den Adel des Leibes und der Seele mehr wahren müsse, denn gerade er. Am wenigsten darf er sich irgend eines Tugendgebots darum entheben, weil er leiblich tauglicher ist. Tugendsam und tüchtig, rein und ringfertig, keusch und kühn, wahrhaft und wehrhaft sei sein Wandel. Fr isch, frey, fröhlich und fromm – ist des Turners Reichthum. Das allgemeine Sittengesetz ist auch seine höchste Richtschnur und Regel. Was andere entehrt, schändet auch ihn. Muster, Beispiel und Vorbild zu werden – danach soll er streben. Dazu sind die Hauptlehren: nach der höchsten Gleichmäßigkeit in der Aus- und Durchbildung ringen; fleißig sein; was Gründliches lernen; nichts Unmännliches mitmachen; sich auch durch keine Verführung hinreißen lassen, Genüsse, Vergnügungen und Zeitvertreib zu suchen, die dem Jugendleben nicht geziemen. Die meisten Ermahnungen und Warnungen müssen freilich immer so eingekleidet sein, daß die Tugendlehre keine Lasterschule wird. Aber im Gegentheil darf man nie verhehlen, daß des Deutschen Knaben und Deutschen Jünglings höchste und heiligste Pflicht ist, ein Deutscher Mann zu werden und geworden zu bleiben, um für Volk und Vaterland kräftig zu würken, unsern Urahnen den Weltrettern ähnlich. So wird man am besten heimliche Jugendsünden verhüten, wenn man Knaben und Jünglingen das Reifen zum Biedermanne als Bestrebungsziel hinstellt. Das Vergeuden der Jugendkraft und Jugendzeit durch entmarkenden Zeitvertreib, faulthierisches Hindämmern, brünstige Lüste und hundswüthige Ausschweifungen wird aufhören – sobald die Jugend das Urbild männlicher Lebensfülle erkennt. Alle Erziehung aber ist nichtig und eitel, die den Zögling in dem öden Elend wahngeschaffener Weltbürgerlichkeit als Irrwisch schweifen lässet, und nicht im Vaterlande heimisch macht. Und so ist auch selbst in schlimmster Franzosenzeit der Turnjugend die Liebe zu König und Vaterland ins Herz gepredigt und geprägt worden. Wer wider die Deutsche Sache und Sprache freventlich thut oder verächtlich handelt, mit Worten oder Werken, heimlich wie öffentlich – der soll erst ermahnt, dann gewarnt, und so er von seinem undeutschen Thun und Treiben nicht ablässet, vor jedermann vom Turnplatz verwiesen werden. Keiner darf zur Turngemeinschaft kommen, der wissentlich Verkehrer der Deutschen Volksthümlichkeit ist, und Ausländerei liebt, lobt, treibt und beschönigt. So hat sich die Turngemeinde in der dumpfen Gewitterschwüle des Valand [!], für das Vaterland gestählet, gerüstet, gewappnet, ermuthiget und ermannt. Glaube Liebe Hoffnung haben sie keinen Augenblick verlassen. Gott verläßt keinen Deutschen ist 609
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immer der Wahlspruch gewesen. Im Kriege ist nur heim aber nicht müßig geblieben, der zu jung und zu schwach war. Theure Opfer hat die Turnanstalt in den drei Jahren dargebracht. Sie ruhen auf den Wahlplätzen von den Thoren Berlins bis zur feindlichen Hauptstadt. B. Allgemeine Tur ngesetze. 1. Jeder, der Mitglied der Turngemeinschaft werden will, muß zuvor versprechen, der Turnordnung nachzuleben, und nicht anders zu handeln – auf keinerlei Weise. 2. Jeder soll nur in grau leinener Turntracht auf den Turnplatz kommen. 3. Kein Turner soll einigen Unwillen, Fehd und Feindschaft, so er mit einem und dem andern Mitturner hat, während der Turnzeit und auf dem Turnfelde äußern; sondern jeder soll bloß turnen – und in Friede, Freude und Freundschaft. 4. Es soll auch keines Hasses oder Grolles auf dem Turnfelde gedacht werden; und eben so wenig auf dem Hingang und Heimgang, auch auf keinen Turnfahrten.1 5. Jeder Turner darf nur auf den bezeichneten Wegen und Stegen zum und vom Turnplatze kommen und gehen (weder durchkriechen, noch übersteigen, auch nicht überspringen). 6. Beim Kommen und Gehen muß jeder Turner auf den Tie gehen, und am Dingbaum schauen, was vor ist, was es giebt und was jedermann kund und zu wissen Noth tut. 7. Welcher Turner irgend etwas erfährt, was für und wider die Turnkunst und unsre Übung derselben Freund oder Feind sprechen, schreiben und wirken: muß davon sogleich Anzeige machen, damit zu seiner Zeit und an seinem Orte aller solcher Kunden – mit Glimpf oder Schimpf – könne gedacht werden. 8. Und so soll ein Jeder nach unserm löblichen Turnbrauch sich richten und nicht neusüchtig Neuerungen aufbringen, ohne vorherige Rücksprache und Berathung. C. Besondere Tur ngesetze. (Übungsgesetze) 1. Jeder Turner soll nur nach Ablegung von Rock und Stock, Hut und Halstuch turnen. 2. Jeder Turner soll nach der Ordnung turnen, wie er auf den einzelnen Turnstellen ankommt, und seine Reihe halten. 3. Die Turner theilen sich bei den Übungen in Riegen.2 4. Die Richtzahl einer Riege darf nicht überschritten werden. 5. Es darf kein Turner von einer Riege zur andern laufen, so lange die Mitturner bei dieser Übung bleiben; es sei dann, daß ihm diese zu schwer fiele.
1 Wanderfahrten, Fußreisen. 2 S. Erst. Abschn.; II, Laufen A., 1. Anmerk. 610
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6. Es darf sich keiner in eine Riege eindrängen oder einschleichen, sondern muß, wenn sie vollzählig ist, auf der Reede 1 warten, bis einer abgeht, oder die ganze Riege aufhört. 7. Die Richtzahl der Riegen ist folgende: Wurfr iegen: Ger r iege: nicht über 12. Schockr iege: nicht über 12. Stoßr iege: nicht über 12. Spr ing r iegen: Freispr ung r iege nicht über 12. Stabspr ung r iege nicht über 8. Riege zum Grabenspr ung: frei – : nicht über 20. mit Stab – : nicht über 12. Schwing r iege: nicht über 10. Reckr iege: nicht über 8. Bar renr iege: nicht über 8. Schweber iege: nicht über 12. Schwungseilr iege: nicht über 12. Schlängelr iege: (wenn die Schlängelbahn 30 F. breit) nicht über 8. 8. Jeder Turner soll die Bahn frei lassen, bei jeder Turnübung, und auf den Ruf: „Bahn frei!“ sogleich und willig folgen, ohne Widerrede und Verzug. 9. Jeder Turner soll alles und jedes Turnzeug und Turngeräth nur zur bestimmten Turnübung gebrauchen und bloß an seinem gehörigen Orte. – Eben so soll alles bewegliche Turngeräth (als Ger, Springstäbe u. s. w.) nach der Übung an seine Ruhstelle kommen. 10. Bei keiner Übung darf etwas Anderes gesprochen werden, als was zur Sache gehört. 11. Welcher Turner einer Übung zusehen will, mag sich auf den Reeden stellen, setzen oder lagern. 12. Niemals sollen die Übungen nach der Außenseite durch Zwischensteher gedeckt sein. 13. Versammlungen und Unterhaltungen, Gespräche und Mittheilungen, Essen und Trinken gehören auf den Tie. Vom Laufen. 14. Es soll beim Laufen, zumal beim Massenlauf nicht gesprochen werden. 15. Nach dem Laufen soll keiner gleich still stehen, noch sich setzen oder gar lagern, sondern zur allmäligen Abkühlung und Erholung umhergehen.
1 R e e d e (die): Ort, wo man sich zu etwas bereit macht: (daher dann auch ein Platz, wo sich die Schiffe zur Abfahrt bereit machen). 611
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Vom Spr ingen. 16. Die Stab- und Freispringel, so wie die zu ihnen gehörenden Bolzen und Schnüre dürfen nicht verwechselt werden. 17. Es soll an keinem Springel gezerrt, gestiegen, geklettert, noch irgend eine Üung an den Lochpfählen vorgenommen werden. Auch sollen immer zwei an angebrachten Knaggen lochen: der eine rechts, der andre links. 18. Die Springstäbe; welche auf dem Turnplatze gehalten werden, sind 7 F., 8 F., 9 F., 10 F. und 11 F. lang und verhältnißmäßig dick. Wenn ein Turner sich einen eignen Springstab hält, soll er ihn nach diesen Maaßen einrichten, und mit seinem Namen bezeichnen. Zu dünne und unbenamte Stäbe werden weggenommen. 19. Niemand darf seinen Springstab verleihen, noch sich selbst eines fremden bedienen. Wer keinen eignen hat, soll die allgemeinen gebrauchen und anwenden. 20. Wem ein Springstab von sieben Fuß Länge und verhältnißmäßiger Dicke zu schwer fällt – der ist noch nicht reif zum Stabspringen. Vom Schwingen. 21. Es soll niemand, so er nicht schon Fertigkeit in den Vorübungen erlangt hat, eigentliche Schwingstücke sich einüben. 22. Solche, die Theil nehmen wollen an den ordentlichen Schwingstunden außerhalb des Turnplatzes, sollen nur unter folgenden Bedingungen dazu gelassen sein: 1. Gehörige Fertigkeit in allen Hauptübungen, als: a. das Einbaumtau erklettern; b. den Felgaufschwung aus dem Hange; c. den Freisprung bis zur Nabelhöhe; d. das Barrenanmunden rechts und links; 2. Fertigkeit in allen Spring- und Schwingvorübungen. Vom Schweben. 23. Der Schwebebaum soll nur am Stammende bestiegen werden. 24. Es sollen beim Schwebekampf nur drei Turner darauf sein: 2 Schläger (in der Mitte) und einer auf Anwartschaft (am Gestell). 25. Beim Schwebegang sollen auch nur drei Turner darauf sein: 2 Schweber und ein Wartender. Sobald der Erste an das Zopfende gelangt, steht der Zweite still. 26. Jeder vom Kopfende Abgesprungene soll dasselbe anhalten, und auf den Ruf: „Stopp!“, so er es vergessen, dessen sich mahnen und rathen lassen. 27. Schaukeln und Reiten, Kippen und Wippen auf dem Schwebebaum soll nicht gestattet werden; auch soll keiner unter dem Baum durchlaufen, durchgehen oder durchkriechen. Vom Reck. 28. Es soll niemand an einem Reck turnen, das er nicht erreichen kann, im Stand oder Hangsprung.
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Vom Bar ren. 29. Es soll sich niemand an einem Barren üben, an dem er nicht in den Stütz hüpfen oder stemmen kann; denn nicht zum Klettern sind die Barren. 30. Die Barrenstellen sollen rings herum frei bleiben. Vom Kletter n. 31. Es sollen die Taue nicht geschwenkt werden, auch soll keiner daran sich schaukeln. 32. Wenn einer bereits klettert, soll ein anderer ihn nicht hindern, sei’s durch Nachklettern, sei’s durch Straffhalten des Taues; wenn er’s nicht selber verlangt. 33. Keiner darf die Leiter an einem Klettergerüst ersteigen; es sei dann, daß er das Tau desselben Gerüstes erklettern kann. 34. Nur beim Einbaum ist es erlaubt, nach Ersteigung des Taues die Leiter herabzukommen; beim Vierbaum und Zweibaum hingegen muß ein jeder am Tau selbst oder an den Stangen und Masten herabklettern. 35. Oben auf allen Klettergerüsten dürfen höchstens 2 zugleich sein; und einer muß sogleich herab, sobald ein Dritter das Tau erklettert. 36. Auf den Kreuzen der Klettermaste soll nur Einer sitzen und auch dieser nur so lange, als Noth thut und gehörig ist. 37. Es darf sich niemand an einem Tau üben, sobald er das nächst niedrige nicht erklettern kann. 38. Im Klimmel, so wie innerhalb der andern Klettergerüste, darf niemand, besonders kein Schaulustiger stehen. Vom Gerwerfen. 39. Jeder Turner und Werflustige soll seinen eigenen Ger halten, und mit seinem Namen am Schaftende. 40. Die Maaße für einen Ger sind: 6 F., 7 F. oder 8 F. Länge und 1 Z., 5/4 Z. und 6/4 Z. Stärke. Es soll daher kein Ger geduldet werden, wenn er nicht eines der angegebenen Maaße hat. 41. Niemand soll mit einem fremden Gere werfen, auch soll es keiner dem andern zulassen und erlauben. Vom Schocken und Stoßen. 42. Niemand darf eine Kugel in der Bahn liegen lassen, sondern er muß sie wieder in den Kasten legen. 43. Schock- und Stoßbahnen müssen von schaulustigen Turnern vermieden werden; diese dürfen nur schräg rückwärts vom Werfenden stehen, d. i. auf der Seite der Riege. Vom Ringen. 44. Es darf kein Turner eine Ausforderung zum Zweikampf im Ringen ausschlagen; er sei dann krank, unwohl, turnmüde oder durch ein örtliches Übel verhindert; – die Kleidung entschuldigt nicht. Von Tur nspielen. 45. Von Turnspielen sollen alle Schwache und sehr Kleine ausgeschlossen bleiben, auch die, so noch nicht über die Vorübungen weg sind. 613
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46. Es soll kein Spiel ohne Erlaubniß unternommen werden. 47. Niemand soll mitspielen, der nicht vorher bei der Theilung zugegen gewesen und abgetheilt worden. 48. Überhaupt soll sich keiner in irgend eine Spielschaar einschleichen oder eindrängen; es sei denn für diesen Tag besonders gestattet und vorher bekannt gemacht. 49. Die allgemeinen Turngesetze sind auch bei den Turnspielen gültig, wie in jedem Vielkampf; doch kann gemeinsame Übereinkunft vor Beginn eines Spieles in Nebendingen einen Spielbrauch ordnen, stellen und festsetzen. Quelle: Die Deutsche Turnkunst zur Einrichtung der Turnplätze dargestellt von Friedrich Ludwig Jahn und Ernst Eiselen. Berlin 1816. Auf Kosten der Herausgeber, S. 233–244. – Dass.: Nachdruck der Originalausgabe von 1816. Mit einem Vorwort von Max Schwarze. Dresden [1928], S. 251–263 (Quellenbücher der Leibesübungen, Bd. 4).
IV) Friedrich Ludwig Jahn: Bericht über die Turnanstalt, 1818 [An die] Kirchen- und Schul-Commission der Königlichen Regierung zu Berlin.
Der verlangte Bericht über die Berlinische Turnanstalt erfolgt hier als Anlage A. Das Verzeichniß der Turner, die an den Winterübungen auf dem Turnsaale – Behrenstraße 57 – theilgenommen haben, enthält Anlage B. Noch erfolgen zum Beleg zwei Bücher: 1) Dank- und Denk-Lieder zur Jahresfeier der Leipziger Schlacht, und 2) das Deutsche Hiebfechten der Berliner Turnschule von E. Eiselen. Berlin 1818. Da ich ganz dem vorgeschriebenen Gange gefolgt bin, so hoffe ich alle Fragen genügend beantwortet zu haben. Berlin den 26ten März 1818 Friedrich Ludwig Jahn. – 21. Wallstraße – // A. Bericht über die Berlinische Turnanstalt. [1.] Die Berlinische Turnanstalt besteht seit 1810. Seit dem Jahr 1815 erhält sie aber erst Unterstützung vom Staate. Der Staat giebt zur Unterhaltung der Anstalt jährlich hundert und fünfzig Thaler, die von der General-Staats-Casse gezahlt werden. Außerdem ist der Anstalt frei Bau- und Nutz-Holz zu den nöthigen Gerüsten und Geräthen, und den nothwendigen Schranken zugesichert. Zuerst ist davon im Frühjahr 1816 Gebrauch gemacht, das Holz kam aber wegen des Anfahrens dennoch sehr teuer zu stehen. Die Theilnehmer an den Turnübungen, geben wenn sie bemittelt sind, zu allererst einen Thaler Legegeld, was sie als solches nur ein für alle Mahl entrichten, und einen jährlichen Beitrag von sechzehn Groschen. Legegeld und Beitrag werden den Unbemittelten sehr gern und willig // erlassen. Beim Sommerturnen im Jahr 1817 waren über hun614
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dert solcher Freiturner, die keinen Beitrag entrichteten. Nicht mit einbegriffen sind in dieser Zahl die Zöglinge der Taubstummen-Anstalt, die alle 14 Tage des Montags den Turnplatz frei besuchen. Den hiesigen Waisenhäusern ist bereits vor mehren Jahren der Turnplatz zum unentgeldlichen Besuch für ihre Zöglinge angeboten worden; bis jetzt hat aber nur das Schindlersche Waisenhaus davon Gebrauch gemacht. Die GarnisonSchule hat von Anfang an immer Schüler nach dem Turnplatz geschickt, welche denselben frei besuchen. Von dem Vorsteher der Turnanstalt ist es dem Rector der Garnison-Schule freigestellt welche und wie viel von seinen Zöglingen // er nach dem Turnplatz hinausschicken will. Sehr gern würde auch die Turnanstalt mit andern Schullehrern ähnlicher Schulen gleiche Übereinkunft treffen. Die Ausgaben für den Turnplatz richten sich nach der Einnahme. Wie der Platz sein müßte und billig sein sollte ist er noch lange nicht. Es wird aber alle Jahre etwas daran gethan, um ihn vollkommener und vollständiger zu machen. Viel Arbeit und Kosten haben die Fortschaffung der Sandbühel veranlaßt, und das Bedecken der Sandschellen. Der Spielplatz ist nur durch öfteres Überfahren mit gebrauchter Lohe zur nöthigen Pfadfestigkeit gelangt. Wegen der diebischen Nachbaren, muß der Turnplatz sich Winter und Sommer einen // eigenen Wächter halten. Außerdem bekommt der Holzaufseher Christoph auch eine monatliche Vergütigung, um für die Sicherheit des Turnplatzes zu sorgen. Die Unterweisung selbst ist frei, von den Beiträgen werden nur die nothwendigen Kosten der Instandhaltung bestritten. 2. An den Winterübungen auf dem Turnsaale haben vom 19ten Oktober 1817, bis zum 17ten März 1818 hundert und sieben und dreißig Turner Theil genommen, von denen ein besonderes Verzeichniß als Anlage erfolgt. Wie viele an den diesjährigen Sommerübungen Theil nehmen werden, ist jetzt noch nicht zu bestimmen, da nach der Eröffnung noch immer Neue hinzukommen. // 3. Die Turnanstalt hat außer dem Vorsteher nur einen eigentlichen Turnlehrer: Ernst Eiselen, der zugleich Lehrer an der Plamannschen Erziehungsanstalt ist. Er bezieht seit 1815 ein Gehalt von 400 Thaler, was aus der General-Staats-Casse bezahlt wird. Die andern Mitunterweiser helfen unentgeldlich. Doch ist für das Sommerturnen, demjenigen Vorturner, der des Sonntags Nachmittag die Aufsicht auf dem Turnplatz führt, und hauptsächlich bei der Unterweisung Dienste leistet eine kleine Ehrengabe gereicht worden. Dies ist dann für Unbemittelte zugleich eine Unterstützung gewesen. In diesem Winter sind auf dem Turnsaal als Gehülfen bei der Unterweisung thätig gewesen, als Vor schwinger : Calix, ein Instrumentenmacher G. Lieber, der Heilkunde Beflissener Steinecke, Turnlehrer zu Bückeburg; // 615
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als Einhauer : Baur 1, Schüler auf dem Berlinischen Gymnasium, Berg ius, der G.G. Beflissener, Bor nemann d. Staatswissenschaft Beflissener, Eysenhardt 1, Schüler auf dem Berl. Gymnasium, Holz, der G.G. Beflissener, Knesebeck, Schüler auf dem Berl. Gymnasium, Köhler, Schüler auf dem Berl. Gymnasium, G. Lieber, der Heilkunde Beflissener, Rumschöttel (hat häuslichen Unterricht), Wohlbr ück 1, Schüler auf dem Berlinischen Gymnasium; als Einstoßer : Calix Berger, der Heilkunde Beflissener, G. Lieber, Wesselhöfft, der Heilkunde Beflissener Auf dem Turnplatze wird den Vorturnern jeden Turntag zu ihrer Weiterbildung eine besondere Turnschule gewidmet. Im Winter aber alle // Sonntage des Abends von 6–8 Uhr eine Zusammenkunft gehalten, um das Ganze der Turnkunst zu besprechen. 4. Einer von den Vorturnern hat für einen Turntag den Tag. Der muß von Anfang bis zu Ende anwesend sein, und auch das Geräthe herausgeben, und nach der Turnzeit verwahren lassen. Die Verhaltungsregeln im Allgemeinen, stehen auf einer großen Tafel, die mitten auf dem Platze hängt. Bei jeder besondern Übungsstelle hängt wieder eine Tafel mit den Verhaltungsregeln für die besondere Übung. Um der übermäßigen Erhitzung vorzubeugen, darf keiner turnen, er habe denn Hut (Mütze), Rock und Halstuch abgelegt. Es soll aber jeder einen Rock bei sich haben, um ihn nach der Übung anzuziehn. Getrunken wird nur während der Turnrast, und auch dann nur Wasser, was durch Becher vertheilt wird. Bis dahin ist es verschlossen. Die Abwesenden werden // jeden Turntag aufgezeichnet, damit auf Verlangen Ältern, Vormündern und Aufsehern Nachricht gegeben werden kann: Ob ihre Anbefohlenen die erhaltene Erlaubniß zum Besuchen des Turnplatzes auch gehörig benutzen. Die Aufeinanderfolge, und das Auseinanderfolgen der Übungen, in einem stufenmäßigen Fortschreiten ist ein Vorbauungsmittel gegen Unglücksfälle, die aus Unkunde, Unachtsamkeit, und Unüberlegtheit entstehen könnten. Die Übungen an sich, sind sammt und sonders gefahrlos. An den Turntagen ist das Baden und Schwimmen den Turnern strenge untersagt. 616
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Da bei den Übungen nur gesprochen werden darf, was zur Sache gehört, so kann das Turnen keine Gelegenheit zum vorlauten Reden geben, und da nur übungslustige junge Leute auf dem Platze sind, diese auch gehörige Beschäftigung finden; so können sie we-//der aus langer Weile, Nichtsthun und Müßiggang, auf dumme Streiche verfallen, noch ist bei der großen Öffentlichkeit des Platzes und der Übungen kein Versteck für heimliche Sünder. Niemahls darf auch der Turner auf dem Turnplatze die Hände in den Taschen verbergen; sie müssen durchaus frei sein. Beispiel ist immer für Knaben und Jünglinge die eindringlichste Lehre. Und wenn sie nur Gutes sehen, können sie nicht auf Arges verfallen. Darum ist voriges Jahr einer entfernt worden, weil er unter dem Vorwand nach Groß-Beeren zur Schlachtfeier zu gehen, sich umhergetrieben hat, und bei unnützen Buben in Gesellschaft geblieben, die unterweges Schnapps getrunken. Der Vater nahm dies sehr übel, und fand die Strafe eines vierwöchentlichen Ausschlusses zu hart. Die Sittlichkeit wird gewiß // während der Turnzeit nicht gefährdet, wohl aber erweckt und gesteigert. Vertragsamkeit, Leutseeligkeit, frohe Laune, Milde, Nachgiebigkeit, und wieder Beharrlichkeit in Vorsätzen, müssen hier ganz ungezwungen aus dem gesellschaftlichen Leben hervorgehen. Die besten Turner sind auch zugleich die friedfertigsten, die am Wenigsten etwas übel nehmen. Jederzeit nehmen sich auch die größern und stärkern Turner der kleinern und schwächern an. Die Aufsicht kann sich dem Wesen der Turnanstalt nach nur so lange und so weit erstrecken als die Theilnehmer an den Übungen würklich Tur ner sind. Für die Zeit außerhalb des Turnplatzes und Turnsaals müssen wir sie den Ältern Vormündern, Pflegern und Lehrern gänzlich überlassen. Wissent-//lich übrigens wird kein verderbter Knabe, und verführter Jüngling geduldet werden, bis Beweise und sichere Gründe von seiner Änderung und Besserung vorhanden. Auch wird immer darauf gesehen, daß die Vorturner außer ihrer leiblichen Fertigkeit sich durch allgemeine Bildung des Geistes und Herzens auszeichnen. Sie werden außer ihrer leiblichen Tauglichkeit, mit nach ihrem Benehmen und Betragen ausgewählt. Und so wird sorgfältig beobachtet, daß kein Vorturner einer Abtheilung als Unterweiser vorgesetzt erscheint, wo die einzelnen Turner ihn an allgemeiner Ausbildung übertreffen. Für die Erwachsenern werden // die Meistgebildeten ausgesucht, für die Jüngern aber die mildesten und die sich der kindlichen Einfalt am meisten hinzugeben wissen. Beim Nach-Hause-Gehen sind Vorsteher und Turnlehrer fast immer die Beschließer. Eiselen, mein Gehülfe, geht zum Hallischen Thor in die Stadt, ich hingegen zum Kottbusser Thor. Wir leiden nicht, daß die Turner beim Abzuge vom Platze singen und singend und schreiend bei den Häusern und Gärten in der Hasenheide vorbeigehen. Unten auf der Aue, im offenen freien Blachfeld, gestatten wir ihnen das Singen und Lautwerden jugendlicher Lustigkeit. Auch bedienen wir uns der Aue zu großen Wettläufen, und Wettspielen, wenn es die // Witterung erlaubt und der Boden. Das Singen und Spielen hört aber jederzeit unten auf der Aue auf, und nachher geht alles ruhig nach Hause. Wer den Tag über turnlustig und turnfleißig gewesen, sehnt sich gewiß 617
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nach Abendbrot und Ruhe. Mir ist auch nichts von Unfug und Unanständigkeit bekannt geworden, als was gewisse Turnfeinde den Turnern ohne allen Beweis nachsagen. Doch will ich nicht in Abrede stellen, daß von der Jugend die nicht turnen darf, und die Übungen nur anschaut Manches auf Rechnung der Turner möchte verübt werden. – Ist doch von einem Anfeinder in die Welt hin-//eingelogen worden, daß der Sohn des Prediger Möhring darum nicht im verwichenen Sommer vor Sr. Majestät dem Könige den Hut abgenommen, weil er ein Turner gewesen. Dieser Möhring, hat aber im Jahr 1817 gar nicht mitgeturnt. Da hier vom Singen die Rede gewesen, so will ich nur kurz angeben, was die Turner draußen singen, nähmlich nur Lieder so sich für die Jugend schicken: 1) Jugendleben, 2) vaterländische Gesinnungen, 3) geschichtliche Erinnerungen. Eine Sammlung einiger Lieder lege ich bei, mit der die übrigen nicht zusammengedruckten in keinem Widerspruch, // sondern im vollkommsten Einklang stehen. Singen, Sprechen und Rufen in freier Luft sind gewiß sehr nothwendiges Zugehör des Turnens, was auch alte Ärzte längst erkannt haben. 5. Die Winterübungen beziehen sich wegen Mangel an Raum nur auf: Schwingen, Hiebfechten und Stoßfechten. Das Schwingen ist in der von mir und E. Eiselen herausgegebenen Deutschen Turnkunst Seite 35 bis 71. abgehandelt. Das Hiebfechten, wie es auf unserm Turnsaale getrieben wird, hat E. Eiselen in einem jetzt eben erschienenen Büchlein bekannt gemacht, was als Anlage erfolgt. Das Stoßfechten geschieht ganz nach der Deutschen Schule von Kreusler, die zuerst Kahn Göttingen 1739 beschrieben hat. // Das Schwingen wird in acht Riegen (Siehe Turnkunst 10. die Anmerkung) vorgenommen, Abends von 6–8 Uhr. Das Hiebfechten hat drei Abteilungen, Anf änger und Geübtere. Die Zeit ist Mittwochen und Sonnabend von 2 ½ bis 5 ½ Uhr. Das Stoßfechten hat zwei Abtheilungen, die sich Sonntags Morgens von 7 bis 9 Uhr üben. Der Turnsaal ist in der Behrenstraße 57, hinten auf dem Hofe zwei kleine Stiegen hinauf. Am 31. März fangen die Übungen auf dem Turnplatze an, und währen bis zum 18ten October. Die Turnzeit ist Mitwoche und Sonnabend Nachmittag, auch Sonntags nach der Predigt. Friedrich Ludwig Jahn. Quelle: LA Berlin, Signatur: A Pr. Br. Rep. 030 Polizeipräsidium Berlin, Nr. 7376 (Turnanstalt von Professor Friedrich Ludwig Jahn), Bl. 19r, 20r–27v. – Transkription Josef Ulfkotte. 618
PATRIOTISCHE UNTERSTÜTZUNGSVEREINE WÄHREND DER ANTINAPOLEONISCHEN KRIEGE / FRAUENVEREINE
Erster Frauenverein zum Wohl des Vaterlandes Stiftungs Urkunde des Ersten Frauen Vereins zum Wohl des Vaterlandes unter der obern Leitung Ihro Koenigliche Hoheit der Frau Marianne Prinzessin Wilhelm von Preußen, März 1813 Aufruf an die Frauen im Preußischen Staate. Das Vaterland ist in Gefahr! so sprach der König zu seinen treuen Ihn liebenden Untertanen, und alles eilt herbei um es dieser Gefahr zu entreißen. Männer ergreifen das Schwert und reißen sich los aus dem Kreise ihrer Familien, Jünglinge entwinden sich der zärtlichen Umarmung liebender Mütter, und diese – voll edlen Gefühls – unterdrücken die heilige Mutter-Thräne. Alles strömt zu den Fahnen, rüstet sich zu dem blutigen Kampfe für Freyheit und Selbstständigkeit; die Flamme die in dem Busen eines Jeden lodert, sichert den glücklichen Ausgang. Aber auch Wir Frauen müssen mitwirken die Siege befördern helfen, auch Wir müssen Uns mit den Männern und Jünglingen einen, zur Rettung des Vaterlandes. Darum gründe sich ein Verein, er erhalte den Namen der Frauen-Verein, zum Wohl des Vaterlandes. – Gern stellen Wir Uns, die Wir dem Vaterlande angehören, an die Spitze dieses Vereins. Wir hegen das feste Vertrauen, es wollen die edelmüthigen Frauen und Töchter jedes Standes mit Uns dazu beitragen, daß Hülfe geleistet werde, den Männern und Jünglingen, die für das Vaterland kämpfen, damit es wieder in die Reihe der glücklichen Staaten stehe, in welchen der Friede seine Seegnungen ausströmen könne. Zu diesem Zweck wird gegen eine mit einem Siegel versehene und von Einer Kommißion die Wir ernennen werden, unterzeichnete Quittung in einem Lokale, welches noch näher angezeigt werden wird, jede Gabe, jedes Geschenk, nicht nur dankbar angenommen, sondern auch gesammelt verzeichnet und durch öffentliche Blätter bekannt gemacht werden. Diese Gaben und Geschenke geben fortan das Recht, sich Theilgenossin des Frauen-Vereins zum Wohle des Vaterlandes zu nennen und vorzugsweise das zur Ausrüstung vorzustellende Individuum der Kommißion zu empfehlen. Nicht blos baares Geld, wird dieser Verein, als Opfer dargebracht annehmen, sondern jede entbehrliche werthvolle Kleinigkeit. – Das Symbol der Treue, der Trauring, die glänzende Verzierung des Ohrs, der kostbare Schmuck des Halses. Gern werden mo619
Patriotische Unterstützungsvereine / Frauenvereine
natliche Beyträge, gern Materialien, Leinewand, gesponnene Wolle, Garn, angenommen, und selbst unentgeltliche Verarbeitung dieser rohen Materialien als Opfer angesehen werden. Alles was auf diese Art gesammelt wird, gehört dem Vaterlande: Diese Opfer dienen dazu, die Vertheidiger, die es bedürfen, zu bewaffnen, zu bekleiden, auszurüsten, und wenn die reiche Wohlthätigkeit der Frauen Uns in den Stand setzt noch mehr zu thun, dann sollen die Verwundeten gepflegt, geheilt dem dankbaren Vaterlande wiedergegeben werden, damit auch von Unserer Seite erfüllt werde das Große, das Schöne, damit das Vaterland, das in Gefahr ist, auch durch Unsere Hülfe gerettet werde, sich neu gestalte und durch Gottes Kraft wieder aufblühe. Berlin, den 6ten März 18131 Louis Epenstein. Marianne Pr. Wilhelm v. Preußen. Charlotte Pr. von Preußen. Wilhelmine Pr. von Orange. Alexandrine Pr. von Preußen. Auguste Kurprinzessin v. Hessen. Luise Pr. von Preußen. Wilhelmine verwittwete Pr. von Orange. Friedericke Pr. von Preußen. Luise verwitt. Erb. Pr. zu Braunschweig. Prinzessin Ferdinand Pr. v. Preußen. Caroline Pr. von Hessen. Luise Pr. von Preußen Radziwill. Marie Pr. von Hessen. Die Abschrift obigen Aufrufs ist mit dem Original ganz gleichlautend welches Unterzeichneter Pflichtmäßig attestirt. Berlin, den 13. October 1820. Wilhelm Ludwig Graf von der Groeben Koeniglich Preußischer Hofmarschall bei Sr. Königlichen Hoheit dem Prinzen Wilhelm von Preußen Bruder Sr. Königl. Majestät Majestät des Koenigs Ritter mehrerer Orden und Praeses der Direction des ersten Frauen-Vereins. Quelle: Paul Seidel [Hg.]: Hohenzollern-Jahrbuch. Forschungen und Abbildungen zur Geschichte der Hohenzollern in Brandenburg-Preußen. Berlin, Leipzig, 18. Jg. (1914), S. 237.
1 Das Datum der Stiftungsurkunde, der 6. März 1813, ist irritierend. Der Aufruf des Königs An mein Volk, auf den sich der Aufruf der Prinzessinnen eindeutig bezieht, datiert erst vom 17. März und wurde am 20. März veröffentlicht. Auch im Tagebuch von Prinzessin Marianne von Preußen ist erst am 25. und 26. März vom Verein die Rede, so dass das Datum 6. März in Frage gestellt werden muss.
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Frauenverein für das Privat-Lazareth in der Friedrichstraße No. 101
Frauenverein für das Privat-Lazareth in der Friedrichstraße No. 101 I) Bekanntmachung der Regularien, 1813 Es wird, unter dem höchsten Schutze, und unter der obersten Leitung Ihrer Königl. Hoheit der Prinzessin Wilhelm von Preußen, und unter dem erhabenen Beistande Ihrer Königl. Hoheiten der übrigen Prinzessinen des Königl. Hauses von mehreren Berliner Frauenzimmern, eine Heilungs- und Verpflegungs-Anstalt für verwundete Freiwillige aus den bisher der Kontenpflichtigkeit nicht unterworfen gewesenen Klassen der Königl. Unterthanen errichtet. Die Absicht bey diesem Institute gehet dahin, diesen jungen Kriegern eine ihrer bisherigen Lebensweise und Angewöhnung mehr angemessene Pflege zu verschaffen, und durch eine mütterliche Sorgfalt deren Herstellung zu befördern, damit sie desto früher ihren heiligen Pflichten wiedergegeben werden. Da die Zahl der darinn aufzunehmenden vorläufig nur auf 40 bestimmt werden kann; so ist festgesetzt worden, daß nur Freiwillige aus Berlin und einem Umkreise von 10 Meilen, also die Mittelmark, Aufnahme finden sollen. Wenn indessen, wie wir alle es mit freudigem Muthe hoffen, Gott die Waffen der in diesem heiligen Kriege für die hohnlachend niedergetretene Tugend Wahrheit und Recht Kämpfenden, seegnet, und unsre junge Mitbürger bald an der Weser und vielleicht am Rhein fechten; so würde die fromme Wohlthätigkeit der Unternehmerinnen vielleicht bald keine Gegenstände mehr finden, indem aus so weiter Entfernung nur Wenige hieher würden gebracht werden können. Dieses würde aber viel-//leicht schon früher der Fall seyn, da sich voraussehen läßt, daß hiesige Einwohner, wenn sie nicht zu der bedürftigsten Klasse gehören, ihren verwundeten Söhnen und Angehörigen meistentheils in ihren Häusern verpflegen würden. Es wird daher in Vorschlag gebracht, und Ihrer Königl. Hoheit höchsten Entscheidung ehrerbietigst unterworfen: ob nicht die erste Idee dahin zu erweitern sey, daß alle Freiwillige, so weit der Umfang der Stiftung es gestattet, in derselben Aufnahme finden sollen? Wäre wider Erwarten die Zahl der die Aufnahme wünschenden zu groß, so könnten alsdann Modifikationen festgesetzt, und darnach die Auswahl bestimmt werden. Was diese Abänderung noch mehr wünschenswerth zu machen scheint, ist, daß aller Wahrscheinlichkeit nach, bey dem Vorschreiten der Teutschen und alliirten Truppen, durch dieses erhabene Beispiel aufgemuntert, edle Einwohnerinnen in den größern und großen Städten, Leipzig, Hamburg, Braunschweig, Cassel, Bayreuth, Nürnberg, Ansbach und mit Gottes Hülfe auch Frankfurth am Mayn und Düsseldorf, ähnliche Institute errichten, und die geborne Berliner, Märker und andre Königl. Unterthanen in diesen um so mehr Aufnahme finden würden, je weniger Berlin sich isolirt, und nur auf einen kleinen Umkreis eingeschränkt hätte. 621
Patriotische Unterstützungsvereine / Frauenvereine
1. Die Anstalt wird, wie oben schon gedacht, auf 40 Verwundete gestiftet. Wenn aber der Verwundung eine andre bösartige Krankheit // sich beigesellet, so wird der Kranke an die andern Anstalten abgegeben. 2. Zum Lokal wird den Unternehmerinnen das im Achteck befindliche Krankenhaus eingeräumt werden. 3. Es werden in diesem Gebäude 11 Krankenstuben eingerichtet, in jeder werden 4 Lagerstellen aufgeschlagen, und das übrig bleibende 11te Zimmer ist für gefährlich Verwundete, die einer besondern Pflege und Ruhe bedürfen, bestimmt. Über jeder Lagerstelle wird eine schwarze Tafel, zu nöthigen Bemerkungen, über die Diät pp. des Kranken befestigt. 4. Im untern Stockwerk wird ein Zimmer unweit der Küche zur Reinigung der ankommenden Verwundeten bestimmt, mit einer oder etlichen Badewannen versehen, in welchen die Ankömmlinge entweder gebadet, oder wenn ihr Zustand dieß nicht zuläßt, gewaschen, oder sonst gereinigt werden. 5. In diesem Zimmer wird der Ankömmling mit reiner Wäsche und Kleidungsstücken, mit letztern nach Beschaffenheit seines Zustandes, versehen. 6. Die Qualifikation des Verwundeten zur Aufnahme in der [!] Institut zu prüfen, muß die Gesellschaft dann das große Hospital dirigirenden Arzte überlassen, welcher zu diesem Behuf täglich die Zahl der offenen Stellen bekannt zu machen ist. 7. Jedes Krankenzimmer wird mit 4 Lager-//stellen, theils Betten, theils Madratzen, versehen, und jede Lagerstelle erhält ihre Nummer, welche auch auf das Recept für den sie inne habenden Kranken, und auf die Etikette der Medizin zu setzen ist, um Verwechselungen vorzubeugen. 8. Das Zimmer für die schweren Kranken wird mit dunklen Rouleaux versehen; das übrige Mobiliar weiset das beiliegende Inventarium nach.
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Frauenverein für das Privat-Lazareth in der Friedrichstraße No. 101
9. Die oberste Leitung der Anstalt werden, wie oben gedacht, der Prinzessin Wilhelm von Preussen Königl. Hoheit zu übernehmen geruhen. 10. Unter Höchstihrem Befehlen, wird eine von den Vorsteherinnen auf gewisse Zeit gewählte Dame die Oberaufsicht führen. 11. Jeden Tag werden zwey Damen die Pflege der Patienten, die Versorgung derselben mit der Medizin übernehmen. 12. Die Haus-Ökonomie werden zwey Vorsteherinnen, welche sich unter monatlicher Abwechselung dazu erboten haben, unter ihre Aufsicht nehmen, und zugleich, wenn zu einem so weitläufigen Geschäfte ihre Kräfte ihrem guten Willen gleich sind, die Rechnung führen. 13. Unter deren Befehlen werden das Übrige gegen Bezahlung besorgen: a) eine Köchin b) fünf Wärterinnen c) zwey Wäscherinnen, von denen eine der Köchinn beim Einholen der Lebensbedürf-//nisse und andern Geschäften zur Hand gehen muß. d) ein Hausknecht. Ihm liegt die Reinigung der Ankömmlinge, das Einholen an Fleisch, Brod, Bier pp. das Rollen der Wäsche, letzteres mit Hülfe der zweiten Wäscherinn, ob. 14. Die ärtztliche Hülfe wird geleistet von einem oder zweyen Ärzten, fünf Chirurgen. Des Nachts haben zwey Pensionair-Chirurgen und zwey Wärterinnen die Wache. 15. Zu den Operationen wird ein besonderes Zimmer eingerichtet, desgleichen zu den Versammlungen der Ärzte und Chirurgen und mit den nöthigen Mobiliar versehen. Ein besonderes Behältniß wird zu den Bandagen und anderen Apparat eingeräumt. 16. Ausserdem werden 2 Zimmer eingerichtet für die Damen, welche die Ökonomie dirigiren, und das Rechnungswesen besorgen. //
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Patriotische Unterstützungsvereine / Frauenvereine
Von der Ver pflegung der Kranken. Die Verpflegung der Kranken ist ein Haupt-Artikel bey der Einrichtung eines Hospitals. Von der zweckmäßigen und schmackhaften Zubereitung der Speisen hängt das Leben und das Wohl der Kranken ab, und es ist daher ein dringendes Bedürfniß, die Speisen für die Kranken zu wählen, die ihrem Zustande die angemessensten und passendsten sind. In großen Hospitälern wird die Nahrung der Kranken gewöhnlich zu animalisch eingerichtet, und ihnen Fleisch und Fleischbrühen, die am leichtesten zu haben sind, am häufigsten gereicht. Außer dem Nachtheil, daß diese immerwährende Fleisch-Diät nicht ganz gesund seyn mag, mag selbige auch noch das Unangenehme haben, daß die Kranken des gekochten Fleisches bis zum Erbrechen überdrüssig werden. Gewöhnlich wird auch nicht oft genug mit den Speisen gewechselt, und es muß billig der Bestimmung des Arztes mit überlassen bleiben, die Fleischsuppe mit einer andern Suppe vertauschen zu können, da er am besten beurtheilen kann, welche Diät für den Kranken die zweckmäßigste ist. Oft wird auch durch eine zu kärgliche Einrichtung bey mehrern Artikeln der Verpflegung gefehlt, und in großen Hospitälern fehlt es dem Kranken, der um 6 ½ Uhr früh die Morgensuppe erhält, an einem erquickenden, seinem Zustande angemessenen Frühstück, // und da ihm von 6 ½ Uhr früh bis Mittags nichts gereicht wird, so verzehrt er sein Mittags-Essen mit zu großem Appetite, und schadet dadurch seinem Zustande. Wünschenswerth dürfte es daher seyn, denen Kranken, die nach ihrem Krankheitszustande einen guten Appetit haben, des Morgens nach 9 Uhr ein kleines Butterbrodt oder Buttersemmel zu verabreichen. Ob ihnen zugleich ein Gläschen Branntwein zu verabreichen, wird anheim gestellt, jedoch bemerkt, daß der Soldat an diesem Reitzmittel gewöhnt, und ihm dieß nicht schädlich wird. In dem angefertigten Speise-Reglement ist auf Abwechselung der Speisen möglichst Rücksicht zu nehmen, und es wird nun spezialiter bemerkt: 1., Die Morgensuppen sind nahrhaft, und in den Hospitälern gebräuchlich; indessen kömmt es auf eine höhere Festsetzung an: ob es zweckmäßiger seyn dürfte, den Kranken statt Morgensuppe Kaffee mit Zucker oder Sirub und dazu für 6 d [Pfennig] ¹⁄₂₄tel Semmel zu verabreichen und ihnen nach 9 Uhr ein Butterbrodt zu geben. In großen Hospitälern ist dieß zwar nicht der Fall, bey einem kleinern könnte jedoch dieses Getränk eingeführt werden, da jetzt der Kaffee und Zucker nicht mehr so theuer ist, und für 40 Kranke dieß Getränk nicht zu hoch zu stehen kommt, wenn auf eine Portion von 3 Tassen mit Milch ½ Loth Kaffee gerechnet wird. Ist die Einführung dieses Getränks aber nicht möglich oder nicht rathsam, so können die Suppen sub b und c mit Zusatz von Milch // sehr verbessert, genießbarer gemacht, und dann die Quantität Butter bis zu ¼ Loth vermindert werden. Bey der halben Portion 624
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wird ¹⁄₆ Loth und bey der viertel Portion ⅛ Loth Butter ausreichen. Können diese Suppen ganz mit Milch abgemacht werden, dann wird die Butter ganz wegfallen können. 2., Das Mittags-Essen. Bey diesem ist besonders auf den Genuß der Gartengewächse gerechnet, und es können diese noch sehr vervielfältigt werden, ohne die Ausgaben sehr zu vergrößern, wenn bey dem Ankauf der Gartengewächse mit Vorsicht zu Werke gegangen wird. Das Rindfleisch ist in allen Lazarethen das vorzüglichste Fleisch, weil es die besten Brühen giebt; der tägliche Genuß desselben wird dem Kranken ekelhaft und daher ist auch Kalb- und Hammelfleisch mit in Ansatz gebracht worden. Täglich gekochtes Fleisch zu essen, verursacht sehr leicht Überdruß, und bey einem Lazareth von 40 Kranken wird es wohl möglich seyn, das Rind- oder Hammelfleisch schmoren, und das Kalbfleisch braten zu lassen, wenn die Gemüße-Arten dieß gestatten. Die desfalsige Kosten können nur unbedeutend größer seyn. 3., Bey den Abendsuppen. Die verschiedenen Arten dienen zur Abwechselung, und es kömmt darauf an, ob diese nicht durch Zusatz von Milch und durch eine verhältnißmäßige Verringerung der angesetzten Butter verbessert werden können. // 4., Vom Brodte. Die allgemeinste Nahrung in den Hospitälern bleibt immer das Brodt, und es hängt daher von der guten oder schlechten Beschaffenheit desselben die Gesundheit oder Krankheit des Soldaten ab. Es muß daher für Kranke ein gutes ausgebackenes nicht zu frisches Brodt besorgt werden, und dessen Lieferung für 40 Kranke kann ein Stadtbäcker übernehmen, der die Stücke zu ½ bis 1 ℔ [Pfund] zu backen verpflichtet würde. Eben so wird für schwächere Kranke Semmel von einem Stadtbäcker zu entnehmen, und mit diesem wegen eines zu gebenden Rabatts zu unterhandeln seyn. 5., Vom Fleische. Rindfleisch ist unstreitig das gesündeste, und es kann wegen seiner vielen guten Eigenschaften zum Hauptfleische in den Hospitälern erhoben werden. Soll es aber für die Kranken gesund seyn, so ist darauf zu sehen, daß es nicht zu trocken ausgekocht wird. Je trockener das Fleisch ist, desto mehr Kräfte gehören dazu, um es zu verdauen, und desto weniger Kräfte und Nahrung giebt es. Die Suppe wird durch das starke Auskochen zwar stärker, die Nahrung aber im ganzen nicht besser. Kalb- und Hammelfleisch werden aber nicht allein der Abwechselung wegen zu geben, sondern auch besonders denen Kranken nützlich seyn, deren Magen ein feineres 625
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Fleisch besser als ein gröberes verträgt. Das Fleisch wird // täglich von einem Schlächter genommen werden können, und es wird bey dem abzuschließenden Contrakte dahin zu sehen seyn, daß das erforderliche Rindfleisch nur in Hinterviertel Stücken, das Hammelfleisch in Hinter oder Vorderkeulen und Bruststücken, und ebenso das Kalbfleisch geliefert werde. 6., Von der Butter. Die Butter ist so frisch als möglich zu kaufen welche zu Butterbrodt gebraucht werden soll. Zum Fettmachen der Suppen und Speisen dürfte gute Meklenburger Butter anzuempfehlen seyn. 7., Von den Vegetabilien. Mit einer guten zweckmäßigen animalischen Nahrung ist die Beköstigung mit Vegetabilien aller Art, und besonders frischer Gartengewächse zu vereinigen, weil schon in gesunden Tagen die Einrichtung des menschlichen Körpers eine vermischte Nahrung von Fleisch und Vegetabilien verlangt. 8., Von der Zubereitung der Speisen. Die Zubereitung der Speisen ist eine Hauptsache, sie müssen möglichst schmackhaft, jedoch auch möglichst sparsam zubereitet, und die nahrhaften Theile nicht nur nicht zerstöhrt, sondern so vorbereitet werden, daß der Magen des Kranken sie leicht verdaue. Auf diesen großen Vortheil des Kochens muß sorgfältig gesehen werden, weil er leicht durch die Nachläßigkeit der Köchinn oder Unbekanntschaft derselben mit dem eigentlichen Zweck dieser Kunst ganz verloren geht. Besonders ist bey der Bereitung der Speisen ein gelindes langsames Kochen // zu beobachten, wodurch die Speisen für die Kranken verdaulicher und nahrhafter werden. Eine gute Kost wird pro Person täglich im Durchschnitt nicht über 9 g[ute] gr[oschen] zu stehen kommen. 9., Vom Getränke. Die Beschaffenheit des Getränks trägt auch zur Wiederherstellung des Kranken oder zu dessen Verschlimmerung bey. Die Bestimmung und die Quantität des Getränks kann daher nur der Arzt bestimmen, der am besten weiß, welches Getränk dem Zustande des Kranken am zuträglichsten ist. Er wird daher den Genuß eines guten frischen Wassers allein, oder dessen Mischung mit Säure pp bestimmen. Zu dem Getränke gehört auch ein gutes ausgegohrnes auf Bouteillen gezogenes nicht zu junges, weißes oder braunes Bier, weil es den meisten Kranken gut bekommt, und sie dessen selten überdrüssig werden.
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Dieß wird von einem Bierschänker gegen eine contraktmäßige Zahlung zu nehmen seyn, und der Empfangnehmer muß aus der Zahl der täglich gelieferten Bouteillen einige herausheben und prüfen ob das Bier die gehörige Probe habe ob es gut gegohren ob es von gutem Geschmack und nicht zu frisch sey. 10., Vom Taback. Dieser ist ein den meisten Kranken zur Gewohnheit gewordenes Bedürfniß, und wird Rauch- und Schnupftaback zu halten seyn, um denen, die ihn vertragen können, und für welche der Arzt ihn gut hält, dergleichen zu verabreichen. Er kann daher an eine gewisse Portion nicht bestimmt, sondern es muß Gebrauch vom Arzte verfügt werden. Quelle: HStA Darmstadt, D22, Nr. 26/1, Bl. 498–503. – Transkription Uta Motschmann.
II) Danksagung und Rechenschaft, April 1815 Es sind gegenwärtig gerade zwei Jahre verflossen, seit unter besonderem Schutze Ihrer Königl. Hoheit der Prinzessin Wilhelm von Preußen, die Wirksamkeit des unterzeichneten Vereins zur Pflege und Heilung erkrankter und verwundeter Vaterlandsvertheidiger, begann. Von ferne und nahe mit allen unterstützt was dieser Zweck forderte, glaubt der Verein das tiefe Gefühl seiner Verpflichtung gegen die milden Theilnehmer am besten auszudrücken, wenn er jetzt, wo seine Thätigkeit endet und beinahe die letzten Pfleglinge entlassen werden, die Resultate berechnet, welche durch die Gaben, wofür den Dank die letzten Worte manches Sterbenden sprechen, und noch unendlich öfterer die Erquickten, die Geheilten, so wie diejenigen, welche, wenn gleich verkrüppelt im unvermeidlichen Gefolge erhaltener Verwundungen, hinreichend unterstützt werden konnten, um dennoch einer freundlichen Zukunft entgegen zu gehn. Dieser Dank gehört vorzüglich auch den vielen hiesigen Einwohnern, die den Verein mit Rath und That unterstützten, so wie den aufopfernden, ganz uneigennützigen Anstrengungen der medizinischen und chirurgischen Dirigenten des 1 ½ Jahr hindurch bestandnen Pr ivatlazarethes in der Fr iedr ichsstraße Nr. 101., den Herren Doktoren Meyer und Br ucker t. Die empfangenen Beiträge aller Art hier einzeln mit ihren Gebern zu nennen, unterläßt der Verein, wenn gleich in seinen Büchern über beides die genausten Nachweisungen zu entnehmen sind, der Ueberzeugung wegen, daß der empfangenen Gaben zu viele aus jenem reinen Gefühle kamen, welchem die öffentliche Aufzählung schmerzt. Er bemerkt daher hier nur, daß die Summe des ihm theils an Lebensmitteln, theils in baarem Gelde oder dessen Werth, seit dem 1sten April 1813. anvertrauten, betragen habe 627
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Rtl. Gr. Pf. 30653 8 8 wovon ausgegeben sind: 1) für 238485 an kranke und verwundete Krieger gereichte Portionen 2) für Arzneien und künstliche mechanische Gliedmaßen 3) zur Unterstützung und Versorgung invalider Vaterlandsvertheidiger 4) 2 ½ jährige Miethe des Locales für das Privat-Lazareth in der Friedrichstraße Nr. 101. 5) für Utensilien aller Art, Krankenbekleidungen und Begräbnißkosten 6) Beitrag zur Pflege der Kranken und Verwundeten in der Königl. Garde-Kaserne a) an Mad. Welper 300 Rt. b) für Lazarethstroh ebendaselbst 19 – 12 Gr. 7) Zur Bekleidung des Königl. 3ten Bataillons preuß. Landwehr an den Herrn Major Friccius
Rtl. 21756
Gr. 11
Pf. –
1730
1
2
2636
22
–
600
–
–
3227
7
–
319
12
–
100 – – 30370 5 2 es ist noch baar in der Kasse 283 3 6 30653 8 8 desgleichen ein schlesischer Pfandbrief auf die Summe von ein tausend Thaler, welcher Ueberschuß fernerhin noch angewandt wird, theils für die Kranken und Verwundeten, die nach Auflösung des mehrgedachten Privat Lazarethes auf Kosten der Kasse desselben in dem hiesigen Königl. Charité-Krankenhause geheilt werden, theils zur Versorgung invalide gewordener Krieger. Den theilnehmenden Unterstützern des Vereines darf derselbe zugleich das erfreuliche Resultat nicht vorenthalten, daß in der erwähnten, unter seiner Aufsicht bestandenen Pflegeanstalt in der Friedrichstraße Nr. 101., den Pfleglingen unausgesetzt täglich und nach dem jedesmaligen Bedürfniß, gereicht worden ist: Kaffee, gutes Bier, Fleischbrühen, Wein, Fleisch und Gemüse; dabei ferner: Wäsche, Heizung, Erleuchtung und Aufwartung, ohne, zufolge einer Durchschnittsberechnung von einem Jahre, mehr zu verausgaben als für den Mann täglich 7 Gr. 2 ½ Pf., mit Arznei 8 Gr. 6 ¾ Pf. Wenn die oben den gegebenen Portionen gegenüber gestellt, dafür verausgabte Geldsumme, nicht dasselbe Resultat ergiebt; so liegt dieses in dem Umstande, daß der Ver-
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ein oft in mehreren Lazarethen zugleich Speisen reichen ließ, deren Bereitung zuweilen durch unabwendbare Localumstände vertheuert wurde. Sämmtliche Rechnungsbücher des Vereines nebst gehörigen Belägen, hat derselbe nach erhaltener gütiger Erlaubniß, bei dem Herrn Präsidenten von Schewe, Friedrichstraße Nr. 38, niedergelegt zur Einsicht für jeden der daraus Auskunft wünschen möchte. Berlin, am 18ten April 1815. Der Frauen-Verein für das nunmehr aufgelöste Privat-Lazareth in der Friedrichstraße Nr. 101. Quelle: Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen (Haude und Spenersche Zeitung), Nr. 51 v. 29. April 1815.
Mädchenverein vom 20. April 1813 I) Anzeige vom 8. Juli 1813 Bekanntmachung. Die Handarbeiten des Mädchenvereins werden vom 12ten bis zum 20sten dieses Monats, von Vormittags 10 bis Nachmittags 5 Uhr, unter den Linden Nr. 35. zwei Treppen hoch, ausgestellt sein, und zu festgesetzten Preisen verkauft werden. Der Verein bittet eben so um Nachsicht, als er hofft, daß wenn nicht der Gegenstand, doch der Zweck recht viel Käufer herbeiführe, und dem Verein dadurch Gelegenheit geben werde, auch seinerseits seine Gefühle für König und Vaterland zu bethätigen. Zur Vermehrung des kleinen Fonds wird jeder Besuchende die Güte haben, beim Eingang eine Eintrittskarte für 4 Groschen Courant zu lösen. Sämmtliche Theilnehmerinnen des Mädchenvereins. Berlin, den 8. Juli 1813. Quelle: Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen (Haude und Spenersche Zeitung) Nr. 82 v. 10. Juli 1813.
II) Anzeige vom 14. Oktober 1813 Bekanntmachung. Die früher beabsichtigte Ausstellung von Handarbeiten des Mädchenvereins, bleibt, da jetzt eine ähnliche statt findet, bis gegen Weihnachten ausgesetzt. Die bisherige Annahme der Arbeiten unter den Linden No. 35. hört mit heute auf; dagegen geschieht sie fortgesetzt und bis zum 4ten December in der letzten Strasse No. 28. und Charlotten 629
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strasse No. 67 links par terre, Taubenstrasse No. 29 rechts par terre, und neue Friedrichsstrasse No. 9. eine Treppe hoch. Für sämmtliche auswärtige Mitglieder bleibt die schon angegebenen Adresse, „an den Mädchenverein zu Berlin, abzugeben neue Friedrichsstrasse No. 9. eine Treppe hoch.“ Der Verein bittet, dass die Theilnehmerinnen den vorliegenden bedeutenden Zeitraum benutzen mögen, um durch schöne und geschmakvolle Arbeiten dem beabsichtigten Zweck näher zu treten. Er bittet zugleich zur Vermeidung möglicher Missverständnisse, für jede abgelieferte Arbeit eine mit dem Namen der Vorsteherinnen unterzeichnete, und auf der Rückseite mit den Buchstaben ALC gestempelte Karte, welche bei der bevorstehenden Ausstellung zum freien Eintritt berechtigt, abfordern zu lassen; und hat in den genannten Ablieferungsorten, eine Abschrift des an den Mädchenverein ergangenen Allerhöchsten Kabinetsschreibens vom 26sten August, zur gefälligen Einsicht niedergelegt. Berlin, den 12ten Oktober 1813. Quelle: Königlich privilegierte Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen (Vossische Zeitung), 123. Stück v. 14. Oktober 1813.
III) Anzeige vom 19. April 1814 Anzeige Die Unterzeichneten erfüllen eine eben so angenehme als heilige Pflicht, indem sie vom Erfolg ihres Unternehmens die versprochene Rechenschaft geben. Sie danken zuvörderst ihren unbekannten und fernen Freundinnen in Schlesien, Pommern, den Marken und im Herzogthum Warschau, für die freundliche und herzliche Aufnahme, die ihre Aufforderung überall gefunden, und die so bedeutende Beiträge bewirkt hat, dass überhaupt zur zweiten Sammlung 593 Arbeiten eingesandt worden, wofür nach Abzug aller Kosten 1845 Thlr. eingekommen sind. Von dieser Summe sind der erhabenen Beschützerin des Vereins 1000 Thlr. in Golde oder 1100 Thlr. Cour. baar zur Disposition gestellt, der Ueberrest aber unter Ihrer Leitung und höchsten Genehmigung zu andern patriotischen Zwecken verwandt, und Höchstderselben nachgewiesen worden, da wir jede öffentliche Anzeige der Empfänger ablehnen zu müssen glaubten. Mit Zurechnung des bereits angezeigten Ertrages der ersten Sammlung ist also die ganze Einnahme 2595 Thlr. gewesen. Wir beendigen mit dieser Anzeige ein Geschäft, das uns um so mehr Vergnügen machte, als der Eifer und die Thätigkeit unsrer Freundinnen uns dabei unterstützte. Möchten Sie mit unserm wiederholten Dank, Sich noch lange der Erinnerung erfreuen, auch nach unsern schwachen Kräften für die heilige Sache mitgewirkt zu haben, deren glänzender Erfolg die Herzen aller Unterthanen mit Freude, und mit erneuter Liebe und
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Anhänglichkeit für den besten der Könige, und für das theure Vaterland erfüllt. Berlin, den 15ten April 1814. Die Vorsteherinnen des Mädchenvereins vom 20sten April 1813. Quelle: Königlich privilegierte Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen (Vossische Zeitung), Nr. 47 v. 19. April 1814.
IV) Neugründung, Juli 1815 Aufforder ung. Veranlaßt und beauftragt von der erhabenen Beschützerin des Mädchen-Vereins vom 20sten April 1813, Ihro Königlichen Hoheit der Prinzeß Wilhelm von Preußen, fordern die ehemaligen Vorsteherinnen desselben ihre hiesigen und auswärtigen Freundinnen hierdurch auf, sich neuerdings mit ihnen zu vereinigen, um durch Unterhaltung und Versorgung hülfloser Vaterlandsvertheidiger, ein Denkmal deutscher Liebe und Dankbarkeit stiften zu können. Dieser Verein führt von heut ab den Namen – Mädchen-Verein, – und seine frühere Verfassung ändert sich nur dahin ab, daß seine Leitung unmittelbar von seiner hohen Beschützerin ausgeht, daß er, wie wir zu erklären ausdrücklich berechtigt worden, unter deren besonderem Schutz steht, und daß wir unter diesem das Annehmen der Arbeiten und den Briefwechsel besorgen werden. Diejenigen unserer Freundinnen, welche sich dem Geschäft des Sammelns unterziehen wollen, bilden den Verein im engern Sinn; im weitern alle diejenigen, welche die Güte haben werden, uns mit ihren Arbeiten zu unterstützen, und wir sind zu versichern berechtigt, daß jede noch so kleine Gabe mit höchstem Wohlwollen aufgenommen, und der Name der lieben Geberin unserer gütigen Vorsteherin bekannt werden soll. Wir hoffen und bitten, daß auch edle deutsche Frauen, deren frühere schöne Wirksamkeit, jetzt keinen so dringenden Vorwurf findet, uns als ihre Töchter ansehen, und mit mütterlicher Liebe und Güte mit dem unterstützen werden, was ihre Geschicklichkeit, uns zu bereiten, oder ihre Ersparniß uns mitzutheilen für gut finden möchte. Wir werden von jetzt ab bis den 1sten November unter der Adresse: An den Mädchen-Verein zu Berlin, abzugeben letzte Straße No. 31, oder Taubenstraße No. 29. im Erd-Geschoß, Beyträge, auswärtige unfrankirt, annehmen, da wir hoffen dürfen, daß uns dafür die Post-Freiheit bewilligt werden wird; wogegen wir jeder freundlichen Geberin mit umgehender Post eine, oder in so fern sie Sammlerin ist, die erforderlichen Empfangs-Karten zusenden werden. Einst baten wir in diesen Blättern nicht vergebens, unsere Erwartungen wurden übertroffen. Wir glauben unsere gegenwärtigen nicht zu hoch spannen zu können, da unsere frühere Gehülfinnen in der huldvollen Herablassung unserer erhabenen Vorstehe631
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rin, mit dem Lohn für ihre frühere Thätigkeit, die Veranlassung zur erneuerten finden werden; und da wir hoffen dürfen, daß auch unsere jüngern, jetzt dem kindlichen Alter entrückten Schwestern, sich freudig einem so schönen Bunde anschließen werden, der ihnen mit Wohlwollen, mit Liebe und mit Nachsicht engegen kommen wird. Berlin, den 8ten July 1815. Der Mädchen-Verein. Quelle: Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen (Haude und Spenersche Zeitung) Nr. 83 v. 13. Juli 1815. – Dass. auch in: Ernst Julius Gurlt: Zur Geschichte der internationalen und freiwilligen Krankenpflege im Kriege. Leipzig 1873, S. 334.
V) Anzeige vom 29. September 1815 Bekanntmachung. Wir säumen nicht, unsern Freundinnen und Gehülfinnen nachrichtlich bekannt zu machen, daß nach den uns verschiedentlich geäußerten Wünschen wir die Zustimmung der erhabenen Vorsteherin unsers Vereins erbeten und erhalten haben, die uns bestimmten Arbeiten, deren Ausstellung und Verkauf Anfangs December beginnen wird, bis zum letzten November annehmen zu dürfen. Wir benutzen diese Gelegenheit, schon jetzt herzlich zu danken für die Bereitwilligkeit und Freundlichkeit, mit der unser Unternehmen so gütige und zum Theil so überaus reiche Unterstützung gefunden, und die uns bereits in den Stand gesetzt hat, bedeutende Versendungen zu machen und noch damit fortzufahren. Wir bitten, um bei fernern Zusendungen, die wir unfrankirt annehmen, da uns die Postfreiheit bewilligt ist, jede mögliche Verwechslung mit dem anderweit noch bestehenden Verein Deutscher Mädchen zu vermeiden, unsrer Addresse, Letzte Straße 3a und Taubenstraße 29. eingedenk seyn, und gefälligst bemerken zu wollen, daß die Empfangs-Karten, die wir Namens und in Auftrag unserer erhabenen Vorsteherinn, der Prinzessinn Wilhelm von Preußen Königl. Hoheit austheilen, Hochero Namenszug tragen, und daran kenntlich sind. Der Mädchen-Verein. Berlin, den 29sten September 1815. Quelle: Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen (Haude und Spenersche Zeitung), Beilage zum 118. Stück v. 3. Oktober 1815.
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Weiblicher Wohlthätigkeitsverein
Weiblicher Wohlthätigkeitsverein I) Wilhelmine von Boguslawski: Vorschlag zur Milderung des menschlichen Elends, vorzüglich in den niedern Klassen. Erste Ausgabe, 1813 Die drückende Noth so vieler Wittwen und Waisen gebliebener Soldaten; das nicht minder in die Augen fallende Elend so vieler Soldaten-Familien von der activen Armee und der Landwehr; der gänzliche Verfall so vieler Handwerks-Familien und Fabrikanten; der Jammer hülfloser Krüppel; unheilbarer Kranken; ohne Erquickung hinschmachtender Sterbenden; die bedauernswürdige Lage arbeitsunfähiger Alten u. s. w.; kurz das ganze Herr von Uebeln das die Menschheit verfolgt, und dessen Plage der Staat bei dem besten Willen, nur wenig mildern kann: diese Betrachtung veranlaßt folgenden Vorschlag, den die Verfasserin mit Mut und Vertrauen, ihrem Geschlecht, als die nächsten Ausführerinnen, und allen edlen Männern als die kräftigsten Beförderer, vorlegt. Die zu erreichenden Hauptzwecke sind: Nahrung, Kleidung, Unterricht. Letzterer besteht in gründlichem Religions-Unterricht, lesen, schreiben, etwas rechnen und Handarbeit. Daher sucht man zu bewirken: 1) Abhelfung der drückendsten Noth, in Absicht der Nahrung und Kleidung; Unterstützung der Kranken, Sterbenden und arbeitsunfähigen Alten. 2) daß Väter und Mütter in den Stand gesetzt werden, ihren bisherigen Nahrungserwerb wieder zu ergreifen, oder um [ihm] desto eifriger nachzugehen; 3) daß da, wo große Kinder in den Familien sind, die schon dienen oder bei einem Handwerk gebraucht werden können, diese untergebracht werden; 4) daß die kleinern, die ihnen nächsten Schulen ordentlich und fleißig besuchen, daß sie zu Hause Wolle oder Flachs zum spinnen, Garn zum stricken etc. erhalten, wovon ihnen wöchentlich Rechenschaft abgenommen wird. So, daß sie durchaus von dem d i e M e n s c h h e i t e n t e h r e n d e n S t r a ß e n b e t t e l n abgehalten werden. Ich nehme im Durchschnitt 4 Kinder auf die Familie an, und glaube, daß wenn man die Unterstützung jedes Kindes aus der gemeinen Klasse auf 1 Thaler, so wie die Kinder aus den höhern, aber eben so unbemittelten Ständen auf 2 Thaler monatlich anschlägt, sie mit dem Ertrage, der neu belebten Thätigkeit aller Mitglieder der Familie, sie weder Noth leiden noch betteln gehen dürfen. Aber diese Wohlthaten sollen nicht allein in Geld gereicht werden. Wäre es nicht möglich 3 Magazine anzulegen, 1) von Getraide, Hülsenfrüchte, Graupen, Fleisch; 2) von Feuerungsmaterialien, als: Holz, Torf, Steinkohlen; 3) von neuen und alten Kleidungsstücken, Materialien dazu, Wäsche, Leinwand, Flachs, Zwirn, Wolle, Baumwolle etc. 633
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Gutsbesitzer werden gern und lieber ihre Gaben in Naturalien liefern. Um eine genaue Kenntniß aller Armen und eine zweckmäßige Abhelfung ihrer drückenden Bedürfnisse möglich zu machen, wende ich mich an die zartere Hälfte des menschlichen Geschlechts, an alle edle fein fühlende weibliche Seelen. O wer kennt sie nicht die Thräne, die der Anblick der Leidenden dem Auge entlockt! und wer kennt auch nicht das herzzerreißende Gefühl: helfen wollen und nicht können! Sollte daher nicht ein Vorschlag Eingang finden, der so mannigfaltige Gelegenheit darbietet, zu dem großen Zweck der Minderung des menschlichen Elends mitzuwirken? Eine jede Frau, deren Verhältnisse es erlauben, übernimmt die specielle Aufsicht von 6 ihr nahe wohnenden Familien, und wählt sich unter den jungen Mädchen ihrer Bekanntschaft, zur Besorgung der Geschäfte, eine Gehülfin. Sie sorgt, daß die im Eingang angeführten Zwecke, so gut als es der Fond erlaubt, erfüllt werden. Daß die Kinder ordentlich in die Schule gehen und zu Hause gehörig beschäftigt werden. Nach den schriftlichen Zeugnissen der Lehrer, läßt sich der Kopf des Kindes, so wie durch eine genauere Bekanntschaft, seine Moralität beurtheilen. In Krankheit der Kinder oder eines Mitgliedes der Familie sorgt sie, daß die Hülfe des ArmenArztes gesucht werde, und daß dieser seine Pflicht gewissenhaft erfülle. Den Kranken wird Erquickung gereicht. Die eigentliche Krankenpflege ist der Mutter und nächsten Verwandten natürlicher Beruf. Die Verhältnisse einer jeden Frau müssen bestimmen, wie oft sie ohne Hintenansetzung ihrer häuslichen Pflichten, die Familien überhaupt, die Kranken insonderheit, besuchen kann. In ansteckenden Krankheiten rathe ich’s gar nicht, weil da höhere Pflichten, die, gegen seine eigenen Kinder und Hausgenossen, damit in Collision kommen könnten. Jeden Monat ein persönlicher Besuch in jeder Familie, und wöchentlich ein Bericht von jeder derselben, wird hinlänglich seyn, um die Verpflegung von 6 Familien mit Erfolg zu leiten. 24 Frauen machen eine Abtheilung des weiblichen Vereins zur Verpflegung armer Familien aus. Zu einer jeden Abtheilung gehören außerdem noch 3 Frauen als Magazin-Verwalterinnen und 3 andere, welche monatlich alle Rechnungen durchsehen, so daß eine Abtheilung aus 30 Frauen besteht, welche 144 arme Familien verpflegen. Zum Exempel: Nr. I der 1. Abtheilung hat, wie jede Nummer, 6 Familien, welche durch Buchstaben a, b, c, d, e, f, bezeichnet sind. Jede Familie bekömmt, auf einer Karte von Pappe oder auf ein Blech, außer ihren Namen, einen der 6 Buchstaben, die Nummer der Frau, unter deren Aufsicht sie steht, und die Nummer der Abtheilung, zu der diese gehört. Zieht nun eine der Frauen in eine andre Gegend der Stadt, so tauscht sie ihre Familien mit denen, die ihr näher wohnen. Jedes Mitglied des weiblichen Vereins, hat in ein eigenes Buch, ihre Nummer, dann die der Abtheilung, und die Buchstaben und Namen der 6 in Aufsicht habenden Familien; ferner auf dieselbe Art alle 24 Nummern der Abtheilung, unter der sie gehört, verzeichnet. Diese Einrichtung wird sich nach und nach, in sich, immer mehr vervollkommnen. Wird man nun in irgend einen Theil der Stadt von einem Bettler angesprochen, so forscht man mit Hülfe der Polizey-Beamten, zu welcher Nummer und zu welcher Ab 634
Weiblicher Wohlthätigkeitsverein
theilung des weiblichen Verpflegungs-Verein, er gehört. Dahin, wird der Bettler gebracht, und nun forscht die Nummer, unter der er als Mitglied einer Familie gehört, nach den Ursachen des Bettelns. Ist seiner Armuth nicht gehörig und zweckmäßig abgeholfen, so wird die Unterstützung vermehrt; sind aber unverbesserliche Faulheit oder Liederlichkeit etc. daran Schuld, so wird er der Polizey übergeben, die ihn ins Arbeitshaus bringen muß. So auch derjenige Vater oder Mutter, deren Schlechtigkeit so erwiesen ist, daß sie keiner natürlich guten Empfindung fähig, daß sie weder durch Wohlthaten noch durch die Furcht dieselben zu verlieren, zu einem ordentlichen Leben zu bringen sind, deren Laster also offenbar die Kinder verderben würden: diese Eltern kommen ins Arbeits- und die Kinder ins Armenhaus, oder sie werden bei andern guten Familien untergebracht. Frägt man: wo soll der Fond zu dieser Unternehmung herkommen? so ist die Antwort leicht. Erstlich berechtigt die so allgemeine Wohlthätigkeit der deutschen Nation, und insbesondere des Berliner Publikums, zu den größten Erwartungen, die um so gegründeter sind, als die Nützlichkeit des Vorschlags und seine leichte Ausführung, vielleicht den meisten Lesern einleuchten wird. Auch wird man leicht zugeben, daß auf so viele Gegenstände auch die Aufmerksamkeit des höchst wohlthätigen Publikums, schon gerichtet ist, dennoch dieser: die Armuth und das Elend der niedern Klassen etc. nicht d a r f außer Acht gelassen werden, weil es auf eine oder die andere Art, doch dem Publikum zur Last fällt. Gewiß werden die Beiträge bald zu feststehenden monatlichen werden, da ja des Bettler- und Armen-Geldes immer weniger, und dieses letztere nach und nach in der bisherigen Form ganz aufhören würde, so daß jeder, der seinen Beitrag in Geld oder Geldeswerth, Victualien, Feurungsmaterialien, neuen und alten Kleidungsstücken, Materialien dazu, Wäsche, Leinewand, Flachs, Zwirn, Garn, Wolle, Baumwolle etc. dem weiblichen Verpflegungs-Verein, anvertrauen wollte, sicher seyn könnte, daß er zweckmäßig angewendet würde. Denn außerdem, daß es dem Ehrgefühl jeder Frau zuzutrauen ist, daß sie die bestmögliche Verpflegung ihrer 6 Familien in physischer wie in moralischer Hinsicht, sich zum Ziele machen wird: so werden auch diejenigen 3 Frauen, die bei jeder Abtheilung, die Durchsicht der Rechnungen über sich nehmen, eine Art von Ober-Aufsicht führen können. Mehr aber als alles, wird der Erfolg die Güte dieses Unternehmens bewähren. Ein Fond zum Anfang ist freilich eben so wünschenswerth als nothwendig, aber auch dieser findet sich gewiß. Wer irgend noch ein Stück von Werth zum Nothpfennig sparte, o der theilt ihn gewiß mit seinen armen Bruder, dessen Familie oft nicht hat, worauf sie ruhen könne, und die ihr kärgliches trocknes Brod mit Thränen netzet. So sind gleich nach der ersten Bekanntmachung dieser Idee in Zeitungen, 12 silberne Eß- und 3 silberne Theelöffel eingekommen und mehrere versprochen worden; auch sind einige Prätiosa, nebst 8 Pfund Flachs abgeliefert, und an monatlichen Beiträgen 30 Thaler 8 Groschen unterzeichnet. Die I. Nummer I. Abtheilung hat nun schon 6 Familien in spezieller Aufsicht genommen, als: 3 Soldaten-Familien, 2 von der Landwehr, und 1 Wollenspinner-Familie, wo 635
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8 meistens kleine Kinder sind. Die II. Nummer I. Abtheilung hat deren ebenfalls 6. Zu 4 neuen Nummern haben sich bis heute den 26. July 4 edle Frauen gemeldet, und viele Menschen haben die thätigste Unterstützung versprochen. Es sey meiner Phantasie erlaubt sich in einer Reihe von Jahren, den weiblichen Verein zur Verpflegung armer Familien, über ganz Berlin ausgebreitet zu denken. Die Folgen davon wären höchst wahrscheinlich: 1) Veredlung der niedern Klassen, durch Wegräumung der Hindernisse, welche drückende Armuth, crasse Unwissenheit und der aus beiden entspringenden Unsittlichkeit veranlassen. 2) Allgemeine Abschaffung der Bettelei durch die einfachsten Mittel. Welch ein schöner würdiger Beruf wäre dies für unser Geschlecht, und welch eine neue herrliche Richtung erhielte der weibliche Geist überhaupt! Die erwachsne Jungfrau, die ihrer Mutter oder Freundinn in der so leichten Verpflegung von 6 Familien beisteht, wird sich edler Nützlichkeit bewußt, dadurch erhoben fühlen; und die heranwachsende Tochter, Zeugin der schönen Thätigkeit ihrer Mutter und Schwester, wird dem Augenblick mit Ungeduld entgegen sehen, wo ihr Alter und ihre Fähigkeit sie zu dem Vorzug berechtigen werden, an dem menschenbeglückenden Geschäft Antheil zu nehmen. Lassen wir uns durch die ewige Wahrheit, daß Unvollkommenheit das Loos der Menschheit ist, nicht abschrecken. In einer Welt, die nur von Menschen, nicht von Engeln bewohnt ist, kann das Ziel der Vollkommenheit, die Verbannung alles Elendes, nicht erreicht werden. Aber durch eifriges und fortgesetztes Streben, uns dem Ziele nähern, das können wir, wenn wir ernstlich wollen, und edle Männer uns unterstützen. So werden denn diese, freundlich ersucht, sich mit uns zur Annahme von Beiträgen zu vereinigen. Bisher nahmen an: Herr Probst Hanstein, Beide Zeitungs-Expeditionen und Burgstraße Nr. 19. unten rechts, Vormittag von 9–12 und Nachmittag von 2–5 Uhr. So wie auch ein jeder, der seine Gedanken über diesen Vorschlag mittheilen will, an den letztgenannten Ort, willkommen seyn wird. Quelle: Wilhelmine von Boguslawski: Vorschlag zur Milderung des menschlichen Elends, vorzüglich in den niedern Klassen. Den Edlen aus allen Ständen, so wie allen Behörden gewidmet, und zu warmer Beherzigung empfohlen. Berlin 1813 [Druckschrift; HStA Darmstadt, D 22, Nr. 25/27, Bl. 1–7r].
II) Erster öffentlicher Aufruf, Juli 1813 Die drückende Noth so vieler Wittwen und Waisen gebliebener Soldaten; das nicht minder in die Augen fallende Elend so vieler Soldaten-Familien von der activen Armee, so wie von der Landwehr, haben zwei edle Frauen bewogen, einen Versuch zu machen, wie auf eine ganz einfache Art diese Noth, wenigstens theilweise, zu mildern sey. Sie ha636
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ben sich daher der speciellen Aufsicht von 12 der ärmsten ihnen nahe wohnenden Familien unterzogen. Ihr Zweck ist für diese Familien, Nahr ung, Kleidung und Unter r icht zu bewirken. Nachdem die Unternehmerinnen sich erst durch den Augenschein von den dringendsten Bedürfnissen der Familien überzeugt haben, sorgen sie, so weit es ihre Kräfte erlauben, erstlich: 1) für Abhelfung der drückendsten Noth in Absicht der Nahrung und Kleidung, für Unterstützung in Krankheit u. s. w.; 2) daß die Mütter in den Stand gesetzt werden, ihrem bisherigen Nahrungserwerb um desto eifriger nachzugehen; 3) daß da, wo große Kinder sind, die schon dienen, oder bei einem Handwerk gebraucht werden können, diese untergebracht werden; 4) daß die kleinern, die ihnen nächsten Schulen, ordentlich und fleißig besuchen, und sie zu Hause, Wolle und Flachs zum spinnen, Garn zum stricken etc. erhalten, wovon ihnen wöchentlich Rechenschaft abgenommen wird. So, daß sie durchaus von dem die Menschheit entehrenden Straßenbetteln, abgehalten werden. Mit hoher Zuversicht wenden sich die Unternehmerinnen an das durch die rührendste Wohlthätigkeit bekannte Publikum, und laden es ein, sie in den Stand zu setzen, dieses Ziel zu erreichen, nemlich durch Beiträge von: 1) Getreide, Hülsenfrüchten, Graupen, Fleisch etc.; 2) von neuen und alten Kleidungsstücken etc.; 3) Flachs, Wolle, Garn etc.; 4) Geld oder Geldeswerth, wobei bemerkt wird, ob monatlich oder zur ersten Einrichtung. Wer irgend noch ein Stück von Werth, zu einem Nothpfennig spende oder theilt ihn gewiß, mit seinem für ihn Blut und Leben hingebenden Bruder, dessen Familie oft nicht hat worauf sie ruhen könne, und die ihr kärgliches trocknes Brod mit Thränen netzet. Gott segne diese kleine Unternehmung, er lasse sie ein Saamenkorn zu hundertfältiger Frucht werden. Möge das wohlwollende Publikum sie begünstigen, und möchte besonders in die Herzen unserer edlen Mitbürgerinnen, die Ueberzeugung eindringen, daß ihre thätige allgemeine Theilnahme daran, das große und tiefe Elend, der um uns her Lebenden, um vieles mindern würde. Beiträge aller Art, werden gegen Quittung angenommen, Burgstraße Nr. 19, unten rechts, Vormittags von 9–12, Nachmittag von 2 bis 5 Uhr, und bei Unterzeichnetem. Alle Vierteljahre, wird dem Publikum öffentlich Rechenschaft von dem Fortgange dieses Unternehmens gegeben. Eingekommen sind bereits: 1) v. B. 6 silberne Eßlöffel, 2 Trauringe, monatlich 12 Gr.; 2) Emilie, 1 Schnur ächte Granaten mit einem goldenen Herzen; 3) Albertine, 1 Paar goldene Ohrringe; 4) Wilhelm, eine silberne Medaille; 5) Ernestine ditto; 6) v. P. 2 silberne Eßlöffel, monatlich 637
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12 Gr.; 7) G. v. R. monatlich 1 Thlr. 12 Gr.; 8) F. v. A. monatlich 3 Thlr.; 9) F. H. H. viele Kleidungsstücke. Der Propst Hanstein. Auch die unterzeichnete Zeitungs-Expedition ist erböthig, zu diesem Zweck Beiträge anzunehmen, und es sind bereits bei derselben eingegangen: 1) von H. et S. bis zum Frieden monatlich zehn Thaler. Berlin, den 13. Juli 1813. Haude- u. Spenersche Zeitungs-Expedition. Quelle: Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen (Haude- und Spenersche Zeitung) Nr. 84 v. 15. Juli 1813.
III) Wilhelmine von Boguslawski: Öffentlicher Aufruf, Januar 1815 Der tägliche Anblick der unbeschreiblichen Noth von Armen, die auf faulem Stroh, ohne Betten, ohne warme Kleidung, fast nur in Lumpen gehüllt, ohne Heitzung, oft mit zerrütteter Gesundheit liegen; der Schmerz, ihnen wiederholt sagen zu müssen: „Kinder, mit blutendem Herzen schicke ich euch fort, jetzt kann ich noch nicht helfen, aber sobald meine Hülfsmittel sich vermehren, komme ich mit Trost und Hülfe zu euch.“ Dieses herzzerreissende Gefühl erhebt mich über eine sonst unüberwindliche Blödigkeit, und läßt mich das Publikum um Rath und Unterstützung anflehen. Zwei hundert Familien und unzählige mir noch Unbekannte, warten auf die Wohlthat, vom weiblichen Verein etc. aufgenommen zu werden, und die edelsten Damen, sich an ihm anzuschließen, um diese Unglücklichen unter Aufsicht und Pflege zu nehmen. Aber die monathlichen Beiträge reichen nicht hin, die schon Aufgenommenen mit den unerläßlichsten Bedürfnissen zu versehen. Wenn man den Zustand jener Elenden mit dem derjenigen Familien vergleicht, die seit 1 ½ Jahre von dem weiblichen Verein in physischer und moralischer Hinsicht verpflegt, zur Selbstthätigkeit ermuntert und durch die unausgesetzteste mütterliche Aufsicht, die dem Armen sein lebelang wie ein freundlicher Schutzgeist umgeben muß, zu allem Guten geführt werden: so fühlt man den lebhaften Wunsch, daß alle Armen nach und nach daran Antheil nehmen möchten, denn glückt die Erreichung des erhabenen Ziels, daß der weibliche Verein etc. sich einst über ganz Berlin ausbreitet, so wird in dieser Residenz keine Thräne wahrer Noth unbemerkt fließen, kein entmenschendes Elend ungekannt statt finden und die Hülfe wird nicht fern seyn. Wird diese herrliche Aussicht nicht in jeder weiblichen Brust den lebhaftesten Enthusiasmus entzünden, wird sie nicht Männer vermögen, kräftige Beförderer dieser Unternehmung zu werden! Leider ist die Behauptung nicht gewagt, daß in Berlin wohl 10,000 Menschen geradezu vom Elend zer treten werden. Wenn wir auf jeden derselben monathlich 1 Thlr. 638
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zu seiner Rettung rechnen, und wenn ich sage, daß die monathlichen Beiträge jetzt 192 Rthlr. 16 Gr. betragen, so sehen wir, nicht ohne Schmerz, uns noch sehr weit von dem schönen Ziele. Aber dies soll uns nicht muthlos machen, denn wer nach dem Höchsten strebt, kann wohl das Höhere erreichen. Das Publikum wird uns nicht verlassen. Die nahen und fernen Wohlhabenden der Nation, die minder Bemittelten, werden mit Freuden (wir leben des festen Zutrauens), zu ihren gewöhnlichen Ausgaben für die Armen, noch einen außerordentlichen Beitrag für diese Unternehmung hinzufügen, bis daß Beide nur Eins seyn werden; der Unbemittelte wird durch sein Scherflein sich Dank und Seegen holen, und wer alles dies nicht kann, wird alte und neue Kleidungsstücke, Materialien dazu, oder Beiträge zu Feurungsmaterialien sammeln, oder Viktualien geben. Je weiter diese Unternehmung gedeiht, je sichtbarer wird ihr Nutzen werden. Jetzt, da wir genau den Grundsatz befolgen, jeder Aufsicht habenden Dame, die ihr zunächst wohnenden 6 Familien zur Aufsicht und Pflege zu geben, (obwohl einige sich zur Uebernahme von weit wohnenden entschließen müssen, es auch gerne thun, weil die meisten und elendesten Armen, wegen der wohlfeilern Miethen, in den entlegendsten Gegenden wohnen,) so sind die verpflegten Armen in der ganzen Stadt zerstreut. Je mehr Damen in Thätigkeit kommen, (es sind deren jetzt 17), je klarer und deutlicher wird sich die Ueberzeugung bewähren, daß nur durch die Aufhelfung der häuslichen Verhältnisse des Ar men, verbunden mit dieser immerwährenden, aber sehr leicht zu leistenden Aufsicht, dem Armen gründlich geholfen werden kann, indem er zugleich zum bessern Menschen gebildet werde. Wenn einst der heilige Kreis aufsichthabender Frauen, aus 300 besteht, wenn wir seegnend auf noch weit mehr Männer blicken, die uns ihre hülfreiche Hand reichen: durch Beiträge, durch einsichtsvollen Rath, bei Behandlung der Armen in schwierigen Fällen, durch polizeiliche Unterstützung, wenn wir die schlechten unverbesserlichen Subjekte für ihre Familien, wie für den Staat, wenigstens unschädlich zu machen wünschen, wenn wir die großen oft verwilderten Knaben und Mädchen bei Meistern und in Dienste unterzubringen suchen, u. s. w. Es würde zu weitläuftig seyn, alle die Fälle anzuführen, wo wir nichts ohne den Rath und die Hülfe der Männer wirken können. Wenn einst dieser schöne herrliche Bund aller Edlen zu Stande kommt, wird es da nicht besser um die Armen in Berlin stehen, als bis jetzt? Der gedruckte Plan dieser Unternehmung, mit dem Titel: „Vorschlag zur Milderung des menschlichen Elends, vorzüglich in den niedern Klassen,“ ist zum Besten der Wittwen und Waisen des Militairs für 4 Gr. Courant in der Haude- und Spenerschen Buchhandlung und Burgstraße Nr. 19. zu haben. An beiden Orten, wie auch bei dem Propst Hanstein, werden Beiträge aller Art mit Dank und Freude angenommen. Berlin, Burgstraße Nr. 19., den 31sten Januar 1815. Die Generalin v. Boguslawski geb. v. Radecke. 1ste Nr. 1ste Abtheilung des weiblichen Vereins zur Verpflegung der Armen, 639
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mit besonderer Rücksicht auf die Wittwen und Waisen der im glorreichen Befreiungskampfe gebliebenen Krieger. Quelle: HStA Darmstadt, D 22, Nr. 25/27, Bl. 17r–v und Bl. 28r–v [Druckschrift].
IV) Wilhelmine von Boguslawski: Vorschlag zur Milderung des menschlichen Elends vorzüglich in den niedern Klassen. Dritte verbesserte Auflage, 1815 Die drückende Noth so vieler Wittwen und Waisen im Streit getödteter Krieger, das nicht minder in die Augen fallende Elend zahlreicher Soldaten-Familien von Linientruppen und von der Landwehr; der gänzliche Verfall so mancher Handwerks-Familien und Fabrikanten; der Jammer hülfloser Krüppel; unheilbarer Kranken; ohne Erquickung hinschmachtender Sterbenden; die bedauernswürdige Lage arbeitsunfähiger Alten u. s. w., kurz die ganze Fluth von Noth und Elend, mit welcher die Menschheit in einer großen Hauptstadt kämpft und unter welcher sie beinahe versinkt, kann von dem Staate, selbst bei dem reinsten und edelsten Willen seines tugendhaften Oberhauptes, nur wenig gemildert werden. Dies ist eine Betrachtung, welche nach öfterer Wiederholung die Verfasserin dieses Aufsatzes endlich veranlaßt, folgenden Vorschlag, mit Mut und Vertrauen an ihre Mitbürgerinnen ergehen zu lassen und sie zur Ausführung, alle edlen Männern aber, zur kräftigen Beförderung desselben aufzufordern. Die hierbei zu erzielenden Hauptzwecke können nur folgende sein: Der Armen E r n ä h r u n g , B e k l e i d u n g und U n t e r r i c h t , welcher letztere, in gründlicher Religionsbelehrung, im Lesen, Schreiben, etwas Rechnen und Handarbeit bestehen kann. Ueberhaupt also möchte man zu bewirken und zu erreichen suchen: 1) Abhelfung der drückendsten Noth, in Absicht der Nahrung und Kleidung, Erquickung der Kranken, Sterbenden und arbeitsunfähigen Alten; 2) Hülfsmittel, wodurch Väter und Mütter in den Stand gesetzt werden, ihr verlassenes Gewerbe wieder zu ergreifen oder demselben eifriger nachzugehen; 3) Maaßregeln, wodurch erwachsene Kinder armer Familien, welche schon dienen, oder bei einem Handwerk gebraucht werden können, untergebracht werden; 4) Veranstaltungen, wodurch die kleinern Kinder die nächsten Schulen ordentlich und fleißig besuchen, und damit sie zu Hause Wolle oder Flachs zum Spinnen und Garn zum Stricken etc. erhalten, wovon ihnen dann wöchentlich Rechenschaft abzunehmen seyn würde. Hierdurch würde man sie von dem, Staat und M e n s c h h e i t b e s c h ä m e n d e n S t r a ß e n b e t t e l n kräftig abhalten können. Ich nehme im Durchschnitt vier Kinder auf die Familie an, und glaube, daß wenn man die Unterstützung jedes Kindes aus der gemeinen Klasse auf 1 Rthlr., jedes aus den höhern, aber eben so unbemittelten Ständen, auf zwei Thaler monatlich anschlägt und den Ertrag der neu belebten Thätigkeit aller Mitglieder der Familie dazu nimmt, solche Kinder weder Noth leiden, noch betteln gehen dürfen. 640
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Aber diese Wohlthaten sollen nicht allein in Geld gereicht werden, sondern wo möglich auch in Naturalien. Man könnte 3 Magazine anlegen: 1) Von Getraide, Hülsenfrüchten, Graupen, Fleisch. Gutsbesitzer werden gern und lieber ihre Gaben in Naturalien liefern, und den Nutzen eines solchen Magazins einleuchtend finden. Selten oder fast nie können arme Leute mehr verdienen als Brod, Salz und Kartoffeln. In der Zeit, wenn die letztern fehlen, tritt ein schmerzlicher Mangel ein. Frisches Gemüse ist dann viel zu theuer, und so bleibt dem Armen nichts übrig, als Mehlsuppe. Mit Sehnsucht erwartet er die neuen Kartoffeln, mit Gierigkeit verschlingt er sie – und wird krank. An Fleisch ist selten zu denken. Ist aber das Magazin erst im Gange, giebt erst der Grund-Eigenthümer etwas von seinen Produkten, interessiren sich Bäcker und Fleischer für unsere Anstalt, dann kann der Arme, der dürftige Alte bisweilen mit gesunder und stärkender Speise unterstützt und gelabt werden. 2) Ein Magazin von alten und neuen Kleidungsstücken. Jeder, der sich von dem Nutzen dieser Unternehmung überzeugt, wird lieber veraltete Kleidungsstücke ins Magazin liefern, als dem Trödler überlassen. Kaufleute, die mit Tuch oder anderm Zeuge handeln, werden die ihnen nur lästigen Reste gern und willig geben, und Schuster und Schneider sie ohne großen Lohn verarbeiten. Im Kleinen findet dieses Magazin immer bei Nr. I des Vereins, Burgstraße Nr. 19. statt. Aber der Vorrath von Kleidungsstücken und Schuhen für jedes Alter, von Madratzen, Decken, Ueberzügen, Inletten, Hemden, u. s. w. ist nur mit dem Bedürfniß noch in keinem richtigen Verhältniß. 3) Ein Magazin von Feuerungsmaterialien. Dieses ist eigentlich unentbehrlich. Unbeschreiblich ist das Elend, das Krankheiten aller Art, aber besonders die Gicht, unter dem armen Volke anrichtet. Mangel an Bedeckung und Feurung ist wohl die Hauptursache davon, und unser eifrigstes Bestreben geht dahin, diese Quelle des Jammers zu verstopfen. Ja ich wiederhole es, unbeschreiblich ist der Jammer und das Elend, das in dem größten Theil der niedern Klasse herrscht, wie unzählige Beispiele in dem Voigtlande, vor dem Rosenthaler Thore, beweisen. Viele Unglückliche liegen ohne alle, oder bei der schlechtesten Bedeckung auf faulem Stroh. Manche Kinder, mit Lumpen bedeckt, wachsen gleich den Thieren auf, wie ich denn dort häufig Knaben und Mädchen von 14 bis 19 Jahren gefunden habe, die nicht lesen und daher nicht konfirmirt werden können. Die Seele entsetzt sich vor dem Gedanken, daß der Arme das einzige Hülfsmittel seines Unterrichts, das Lesen der Bibel, entbehren soll. Alle diese Betrachtungen leiteten mich zu untersuchen, ob der Zweck einer bessern Versorgung der Armen nicht zu erreichen wäre, wenn der wohlhabende Theil der Nation die Versorgung des andern, vom Elend zertretenen, übernähme und wenn man darnach strebte, die häuslichen Verhältnisse des Armen, als die natürlichsten, zu verbessern. Der Mann sucht sich eine Gehülfin, und nur nach Maaßgabe, als er guter Gatte und Vater, also guter Mensch ist, wird er guter Staatsbürger seyn. 641
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Den Armen, in diesen heiligen Verhältnissen, in eine würdige, rein-menschliche Lage zu versetzen, scheint mir ein großes, ein erhabenes Ziel zu seyn. Um nun eine genaue Kenntniß aller Armen und eine zweckmäßige Abhelfung ihrer drückenden Bedürfnisse möglich zu machen, wende ich mich an die zartere Hälfte des menschlichen Geschlechts, an alle edle fein fühlende weibliche Seelen. O wer kennt sie nicht, die Thräne, die der Anblick der Leidenden dem Auge entlockt! und wer kennt auch nicht das herzzerreißende Gefühl: helfen wollen und nicht können! Sollte daher nicht ein Vorschlag Eingang finden, der so mannigfaltige Gelegenheit darbietet, zur Minderung des menschlichen Elends mitzuwirken? Mein Wunsch ist, durch die Verbesser ung der häuslichen Verhältnisse der Ar men, durch die rechte Benutzung der vorhandenen Hülfsmittel, als der Freischulen und Ar menärzte, durch Unter stützung der letzter n, wo sie nicht ausreichen (mit Erquickung und stärkender Speise) und ganz besonder s durch eine immerwährende, leicht organisir te, ver ständige Aufsicht, auf die Veredlung der nieder n Klassen zu wirken. Das weibliche Geschlecht mit den Grundzügen von Demuth, Geduld und Ergebung, womit es in die oft kleinlichen Verhältnisse des häuslichen Lebens eingreift, scheint mir vorzüglich dazu geeignet; und so wage ich es, zum Grundgesetz dieser Unternehmung vorzuschlagen, daß jede Frau die Aufsicht über 6 Familien übernehme. Sie wählt sich unter den jungen Mädchen ihrer Bekanntschaft, zur Besorgung der Geschäfte, eine Gehülfin, und erhält dazu Geld, Viktualien, Feuerungsmaterialien etc. aus der Hauptkasse. Um nun diese Aufsicht so einzurichten, daß sie sich dereinst zur allgemeinen Angelegenheit eignen könne, mußte sie bey der höchsten Wirksamkeit doch so einfach seyn, daß sie mit dem Berufe der beschäftigtesten Hausfrau und Mutter vereinbar sey. Das Ziel jeder aufsichthabenden Frau ist, zu bewirken, daß jedes Individuum ihrer 6 Familien in eine seinen Jahren und seiner Fähigkeit angemessene Thätigkeit komme, und dadurch ein nützliches Mitglied des Staats werde. Sie sorgt daher: 1) Daß den Eltern in ihrem Gewerbe fortgeholfen werde. 2) Daß die Kinder in die Schule gehen, wozu die Freischulen benutzt werden. Sind darin aber alle Plätze besetzt, so wird Schulgeld bezahlt. Die Kinder werden zu Hause beschäftigt, und die schon eingesegneten Knaben und Mädchen müssen die erstern bei guten Meistern, die andern in gute Dienste gebracht werden. (Nach dem monatlichen Zeugnissen der Lehrer läßt sich der zunehmende Verstand jedes Kindes, so wie durch eine genaue Bekanntschaft, seine Sittlichkeit beurtheilen.) 3) Jedes Mitglied der Familie muß 2 Hemden haben und anständig gekleidet seyn. 4) Die Miethen müssen monatlich richtig bezahlt werden. 5) Von dem Augenblick, da eine Familie aufgenommen wird, darf sie nie mehr von ihren Sachen verkaufen oder versetzen, vielmehr werden die versetzten Sachen nach und nach eingelößt. Bei leichtsinnigen und unordentlichen Familien müssen die Sachen oft vorgezeigt werden.
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6) In Krankheit der Kinder oder der Mitglieder der Familien sorgt die Aufseherin, daß die Hülfe des Armenarztes nachgesucht werde. Die eigentliche Krankenpflege ist der Mutter und der nächsten Verwandten natürlicher Beruf. Die Verhältnisse einer jeden Frau müssen bestimmen, wie oft sie, ohne Hintenansetzung ihrer häuslichen Pflichten, die Familien überhaupt, die Kranken insonderheit besuchen kann. In ansteckenden Krankheiten rathe ich den Besuch gar nicht, weil da die höhern Pflichten gegen eigene Kinder und Hausgenossen, mit jenen in Collision kommen könnten. Da wir jetzt vorzüglich Rücksicht auf den Soldatenstand nehmen, so werden auch diejenigen Mitglieder unserer Familien, welche als Krüppel zurückkehren, sogleich zur Erlernung eines, ihrem physischen Zustande angemessenen Gewerbes angeführt, damit sie, die uns die edelsten Güter, Unabhängigkeit und Freyheit, erkämpfen halfen, nicht zu der eben so erniedrigenden als Seelen verderbenden Nothwendigkeit, zu betteln, gebracht werden möchten. Vom Müßiggang müssen auch diese abgehalten werden, weil derselbe gemeiniglich die Sitten verschlechtert. Ein jeder dieser Unglücklichen muß sich dabei erklären, welch ein Gewerbe sein physischer Zustand ihm zu betreiben verstattet, und zu welchem er sich geneigt fühlt. Das Schneiderhandwerk, die Korbmacherei u.s.w. eignen sich für den einfüßigen, für den einärmigen, wenn er den Gebrauch der rechten Hand behalten hat, das Geschäft des Schreibens und Rechnens. Alle kleine Aemter, die nicht besondere Kenntnisse erfordern, werden gewiß von den menschenfreundlichen Behörden diesen Unglücklichen gegeben werden. Diejenigen, die noch ein Handwerk erlernen müssen, sind dazu auf alle Weise zu begünstigen. Lehre und Kost wird für sie bezahlt. Der Meister muß auf den körperlichen Zustand dieser Art von Lehrlinge Rücksicht nehmen, und sie nicht, gleich den ganz gesunden, anstrengen. Für die Kleidung wird gesorgt. – Auch erhält ein solcher Armer zu seinem freien Gebrauch, so lange er sich nicht selbst hinlänglich erhalten kann, eine kleine Pension, die er, nach Beschaffenheit der Umstände, auch Lebenslang behält. Mit dieser und dem erlernten Gewerbe, kann er ein Seegen seiner Familie, ja selbst Familienvater seyn. Unter den mannigfaltigsten Modifikationen der mütterlichsten Pflege, wird das Wohl dieser durch ihre außerordentlichen Aufopferungen für den Staat interessanten Mitglieder solcher Familien besorgt. Sie sollen den Lohn ihrer Anstrengungen in einem gemächlichen, aber durchaus nicht müßigen und trägen Leben genießen. Aber auch alle andere Mitglieder werden wie Kinder unsers gemeinschaftlichen Vaters behandelt. Tritt eine wirkliche Noth in den Familien ein, so dürfen sie nicht mehr zu den verderblichen Hülfsmitteln des Verkaufens oder Versetzens ihrer Kleider und Betten greifen, mit Zutrauen dürfen sie sich an die aufsichthabende Frau wenden, und ihre genaue Kenntniß aller Verhältnisse des Hülfesuchenden macht es fast unmöglich, sie zu hintergehen. Noch einmal sey es mir erlaubt, auf die traurige und beschämende Wahrheit zurückzukommen, daß des Elends unter unsere armen Mitbrüder weit mehr statt findet, als es, 643
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besonders bei der unverkennbaren Neigung unsers Zeitalters zum Wohlthun, statt finden sollte. Es wird so viel gegeben, und doch mit so wenigem Erfolg. Woran kann das liegen? Ich wage es zu behaupten, an dem Mangel wahrhaft mütterlicher Aufsicht, die den Armen sein ganzes Leben hindurch, wie ein freundlicher sorgsamer Schutzgeist, umgeben muß. Wenn eine Mutter in einer zahlreichen Familie ein an Geist oder Körper schwächliches Kind hat, wird sie es nicht vorzugsweise mit einer immer regen zärtlichen Sorgfalt auf jeden seiner Schritte bewachen? Wäre es nun nicht zu wünschen, daß es mit den, durch Natur und Schicksal minder bedachten, Mitmenschen eben so gemacht würde? Wenn ein Hausstand anfängt, ein Gesell oder Taglöhner heirathet, so sind Mann und Frau jung und gesund, und können leicht sich, und in der Folge auch ein Paar Kinder ernähren. Hätte der Geselle gleich so viel Vorschuß erhalten, daß er Meister hätte werden können, so würde er zu der Zeit, als die geringe Zahl seiner Familie noch wenig Ausgaben erforderte, leicht den Grund zu demjenigen Wohlstande haben legen können, der es ihm leicht gemacht hätte, eine zahlreiche Familie zu ernähren. Jetzt, bei 4 bis 8 Kindern, reicht auch der redlichste Fleiß nicht hin, alle Bedürfnisse der Nahrung, Kleidung und Erwärmung anzuschaffen. Schlechte Zeiten, die damit verbundene Nahrungslosigkeit, oder eine eintretende Krankheit, oft alles zusammen, richten die Familie zu Grunde, ehe es der Staat nur gewahr werden kann. Um nicht Hungers zu sterben, versetzt oder verkauft man Kleider und Betten! Ach, die Unglücklichen denken nicht an den Winter. Nun tritt er mit allen seinen Schrecknissen ein, und der Mangel an Bekleidung und Betten bringt ein Heer von Krankheiten über diese schon so unglückliche Klasse. Die in Lumpen gehüllten Kinder können dann nicht mehr in die Schule gehen. Viele der erwachsenen Mädchen sind ohne Dienst, theils weil sie keine Gelegenheit dazu finden, theils weil sie einer anständigen Bekleidung ermangeln. Da ergeben sie sich dem Müßiggang mit allen seinen verderblichen Folgen, und so hat die Unsittlichkeit einer künftigen Generation ihre Quellen in der Armuth der vorhergehenden. Wäre dies aber möglich gewesen, wenn die Familie unter der speziellen Aufsicht einer mütterlich gesinnten Freundin gestanden hätte? Durch die Belebung der allgemeinen Thätigkeit der Familien suchen wir das Uebel in der Wurzel zu vernichten. Wir geben ihnen daher Arbeit und bezahlen diese auch gut, weil es uns zweckmäßiger scheint, den Armen durch den Ertrag seiner Arbeit, als durch bloße Wohlthat, zu unterstützen. Er entwickelt, übt und stärkt seine Kräfte, und lernt am Ende die Wohlthat entbehren, welche nur da zutreten muß, wo der Ertrag, auch bey dem redlichsten Fleiße, nicht hinreicht, oder wo Krankheit, Alter und Arbeitsunfähigkeit statt finden. Daneben halten wir auf Ordnung und Reinlichkeit. So wird auch der schlechte Mensch nach und nach etwas besser; denn auch die schlechten gehören mit in unsern Gesichtskreis, und werden nur unter desto sorgfältigere Aufsicht gesetzt. Gott läßt seine Sonne aufgehen über Gute und Böse. Ahmen wir ihm nach! Unser höchster Wunsch ist, dem Staate die guten, aber durch das Elend zertre644
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tenen Mitbürger nützlich, und die schlechten wenigstens unschädlich zu machen. Dies kann nur durch eine sorgfältige Aufsicht erreicht werden. Die Arbeiten der Armen werden in einer eigenen Bude des Jahrmarkts verkauft, auch sind dem Verein, von Sr. Majestät dem Könige, die Verfertigung von Hemden und Socken für die Armen bewilligt worden. Mit dieser sorgfältigen Pflege der Familien, ist auch eine Aussteuer für ganz arme Dienstmädchen verbunden. Jedes Mädchen, die zehn Jahre treu und redlich dient, erhält eine Aussteuer von funfzig Thlr., diejenige aber, welche 10 Jahr bei Einer Herrschaft dient, hundert Thaler. Um das Kapital dazu zusammen zu bringen, geben wir in dem ersten Jahre jeden Monat 10 Rthlr. auf Interessen, in dem 2ten Jahre monatlich 20 Thlr., in dem 3ten Jahre monatlich 30 Thlr., und in dem 10ten Jahre monatlich 100 Thlr. Bei dieser Höhe des Beitrags bleibt es nun, und das daraus erwachsene Kapital ist mehr als hinlänglich zu seinem Zweck. Der Fond zu dieser Unternehmung liegt in der Menschenliebe des Publikums. Ueberzeugt es sich von der Nützlichkeit des Vorschlags und seiner leichten Ausführung, so werden die Beiträge sich vermehren, und zu feststehenden monatlichen werden. Das gewöhnliche Bettler- und Armen-Geld wird sich immer mehr vermindern, denn jeder, der seinen Beitrag an Geld oder Geldeswerth, Viktualien, Feuerungsmaterialien, neuen und alten Kleidungsstücken, Materialien dazu, Wäsche, Leinewand, Flachs, Zwirn, Garn, Wolle, Baumwolle etc. dem weiblichen Verpflegungs-Verein anvertrauen will, kann sich einer zweckmäßigen Verwendung versichert halten. Nicht mehr, darf die Verfasserin, diese Unternehmung als ein bloßes Saamenkorn für die Zukunft ansehen, fast darf sie es als ein gegenwärtiges fortschreitendes Gut betrachten. Die stets bereitwillige Güte des wohlthätigen Publikums und die musterhafte Menschenliebe unserer verehrungswürdigen Prinzen und Prinzessinnen haben es möglich gemacht, in der Ausführung schon ziemlich weit vorzuschreiten. 17 Damen sind nun schon in Thätigkeit gesetzt und verpflegen 102 Familien. Außerdem werden noch sehr viele Familien, worunter auch viele verschämte Arme, mit Arbeit versehen. Vom 15ten Juli 1813 bis 31sten Decbr. 1814 betrug die Einnahme . . . . . . . . . . 8141 Thl. 5 Gr. die Ausgabe . . . . . . . . . . . 7801 Thl. – Gr. Kassenbestand 340 Thl. 5 Gr. Es sey meiner Phantasie erlaubt, in einer Reihe von Jahren den weiblichen Verein zur Verpflegung armer Familien über ganz Berlin ausgebreitet zu denken. Die Folgen davon wären höchst wahrscheinlich: 1) Veredlung der niedern Klassen, durch Wegräumung der Hindernisse, welche drückende Armuth, krasse Unwissenheit und der aus beiden entspringenden Unsittlichkeit veranlassen. 2) Allgemeine Abschaffung der Bettelei durch die einfachsten Mittel. Welch ein schöner würdiger Beruf wäre dies für unser Geschlecht, und welch eine neue herrliche Richtung erhielte der weibliche Geist überhaupt! Die erwachsene Jungfrau, 645
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die ihrer Mutter oder Freundin in der so leichten Verpflegung von 6 Familien beisteht, wird sich, edler Nützlichkeit bewußt, dadurch erhoben fühlen, und die heranwachsende Tochter, Zeugin der schönen Thätigkeit ihrer Mutter und Schwester, wird dem Augenblick mit Ungeduld entgegen sehen, wo ihr Alter und ihre Fähigkeit sie zu dem köstlichen Vorzug berechtigen werden, an dem menschenbeglückenden Geschäft Antheil zu nehmen. Lassen Sie uns, meine theuern Mitschwestern und Brüder, das große erhabene Ziel einer allgemeinen Verbesserung der hiesigen Armenpflege durch eine gründliche Aufhelfung der häuslichen Verhältnisse der Armen, unausgesetzt im Auge behalten. Ob wir es erreichen, steht in Gottes Hand. Aber indem wir unabläßig darnach streben, wird Er uns stärken in jener frommen Begeisterung, welche allein uns geschickt machen kann, die bei jedem Schritt uns aufstoßenden Schwierigkeiten zu besiegen. Lassen Sie uns dann nie vergessen, daß, wer nach dem Höchsten strebt, wohl das Höhere erreicht. Die ewige Wahrheit, daß Unvollkommenheit das Loos der Menschheit ist, darf uns nicht abschrecken. In einer Welt, die nur von Menschen, nicht von Engeln bewohnt ist, kann das Ziel der Vollkommenheit, die Verbannung alles Elendes, nicht erreicht werden, aber uns ihm nähern, das können wir, wenn wir ernstlich wollen, und edle Männer uns unterstützen. So werden denn diese freundlich ersucht, sich mit uns zur Annahme von Beiträgen zu vereinigen. Bisher nahmen an: 1) Der Herr Propst Hanstein. 2) Beide Zeitungsexpeditionen. 3) Burgstraße Nr. 19, die Wohnung unten rechts, Vormittags von 9 bis 12, und Nachmittags von 2 bis 5 Uhr. Eben so wird auch jeder, der seine Gedanken über diesen Vorschlag mittheilen will, an dem letztgenannten Orte willkommen seyn. Siebzehn Damen bilden bis heute den 31. December 1814 den weiblichen Verein etc. Wie sich die Hülfsmittel vermehren, erweitert sich der heilige Kreis, der sich nur dann schließen wird, wenn alle Armen in Berlin unter Aufsicht und Pflege gestellt seyn werden. Quelle: Wilhelmine von Boguslawski: Vorschlag zur Milderung des menschlichen Elends vorzüglich in den niedern Klassen. Den Edlen aus allen Ständen, so wie allen Behörden gewidmet und zu warmer Beherzigung empfohlen. Dritte verbesserte Auflage. (Wird zum Besten der Wittwen und Waisen gebliebener Krieger für 4 Gr. verkauft.). Berlin, gedruckt bei W. Dieterici, 1815 (HStA Darmstadt, D 22, Nr. 25/27, Bl. 18r–27v).
V) Wilhelmine von Boguslawski: Bericht, September 1816 Der Zweck des weiblichen Wohlthätigkeits-Vereins ist: den Armen gründlich aufzuhelfen und Veranstaltungen zu treffen, daß sie nicht von jedem Unglüksfall gleich wieder ins Elend gestürzt werden, zugleich aber auch, auf ihre Moralität zu wirken, indem 646
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man sie zur Ordnung und zum Fleiß gewöhnt, und sie der Tugend und der Religion anerzieht. Wir denken uns die niedern Klassen, in dem Verhältniß zum Staat, wie das schwächliche, von der Natur zurükgesetzte Kind einer zahlreichen Familie, zu seiner es mit besonderer Sorgfalt umfassenden Mutter, und durch die Erfahrung belehrt, daß bey der musterhaftesten colegialischen Armenpflege dennoch im Innern der Hütten des Volks, das unbeschreiblichste Elend herrscht; wagten wir den Versuch, die Armenpflege zur allgemeinen Angelegenheit zu machen, und die kleinlichen Details derselben, unter die weiblichen Berufspflichten aufzunehmen, eine Aufnahme, die frey aus dem Gemüth edler Frauen hervorgehen muß. Demnach nimmt jede Dame meines Vereins, nebst einer Gehülfin 6 Familien, unter besonderer Aufsicht, und sorgt dafür: 1) Daß den Eltern in ihrem Gewerbe fortgeholfen wird. 2) Daß die Kinder anständig gekleidet in die Schule gehen. 3) Daß die Miethen monatlich bezahlt werden. 4) Daß die Kranken außer ärztlicher Hülfe, auch erquickende und stärkende Speise erhalten. 5) Daß Alte, Arbeitsunfähige versorgt werden. Jede Dame hat eine Nummer, und hält über alle von der Haupt-Direction empfangenen Hülfsmittel, Rechnung, und über die Familien ein Tagebuch. Sie besucht diese mehreremalen des Monats, merkt den Besuch, so wie das Wichtigste in physischer und moralischer Hinsicht im Journal an, und schreibt die unerläßlichen Bedürfnisse ein, die der Arme auch bey dem redlichen Fleiße nicht verdienen kann. Jeden Monat am Tage der Nummer der Dame, werden diese Bücher der Haupt-Direction zugeschikt. Diese macht Auszüge daraus, läßt alle Kleidungsstüke, Bettzeug, Bettstellen, und dergleichen, im Ganzen machen, und schikt sie den Damen zur Vertheilung zu. Das einfache Argument den Armen fortdauernd vorgehalten: „Wir können euch nicht zum Guten zwingen, aber wir sind Herren unserer Wohlthaten, und ihr würdet uns für thörigt halten, wenn wir diese schlechten Leuten geben.“ Diese Vorstellung verbunden mit der Überzeugung, die sie bald erhalten; Es waltet nur eine mütterliche Liebe als Schutzgeist über uns, von der wir, bei Erfüllung der einzigen Bedingung, gut, fleißig und ordentlich zu sein, in Unglücksfällen und Krankheiten, Rath und Trost ohnfehlbar erhalten. Diese beiden Wahrheiten müßen endlich, und wäre es erst in 10 Jahren (oder alle Verbindung zwischen Ursache und Wirkung müßte aufhören) wohlthätig auf unsere armen Nebenmenschen wirken. // Die Schwachen werden geleitet und getragen, die Fühllosen als Unwürdige behandelt, beide dadurch unschädlich gemacht. Berlin hat ohngefähr 12000 Arme, die ohne Hülfe nicht bestehen können, diese unter weise mütterliche Aufsicht von 300 Damen vertheilt, würde für jeden Armen wenigstens 1 rthlr monatlich nöthig machen. Gelingt es uns, die Sache bis zur Hälfte zu bringen, so wird sich die andere von selbst bilden. Denn jede Commune fühlt gewiß lebhaft die Pflicht, ihre Armen zu versorgen, 647
Patriotische Unterstützungsvereine / Frauenvereine
und jeder wird gern zu dem, was er ihnen schon giebt, noch etwas hinzufügen, wenn er nur gewiß weiß, den Armen wird dadurch gründlich geholfen. Bis heute den 14ten September verpflegen nach beigefügter Liste, 31 Aufsicht habende Damen 186 Familien, oder gegen 1200 Arme. Monatliche Beiträge sind 300 rthl, obwohl schon jeden Monat über 1500 rthl nöthig sind. Der reine Ertrag der Ausstellung der Giustinianischen Gemälde Sammlung betrug 3500 rthlr, davon wird seit dem 12ten Maii zugeschoßen. Man beurtheile nun den Zustand der Kasse. Aber bey der festen Überzeugung, daß nur auf diese Art eine gründliche und zwekmäßige Armenverpflegung, zwischen den Stürmen der Zeit; der Verzweiflung, hervorgebracht, durch den unzählich oft, erfahrnen Mangel aller Hülfsmitte, dem Streiten gegen // widerstrebende Meinungen, sich dennoch nicht allein erhalten, sonders aufs erfreulichste erweitert hat: o so müßte Religion ein bloßes leeres Wort sein, wenn sie nicht den festen Glauben bewirkte, daß diese Unternehmung mit dem Schutz und den Seegen des Himmels, auch ferner bestehen und gedeihen werde. von Boguslawski gb v. Radecke Quelle: HStA Darmstadt, D 22, Nr. 25/27, Bl. 62r–63v. – Transkription Uta Motschmann.
Frauenverein zur Pflege der Kranken und Verwundeten im Lazareth am Schlesischen Tor Öffentliche Danksagung des Generalstabschirurgen Görcke, Mai 1815 Berlin, vom 16. Mai. Zu den Denkmälern der höhern und edlern Gefühle, die die jüngstvergange Zeit errichtet hat, gehören einstimmig die Bildungen der Wohlthätigkeits-Vereine, die ihre rastlosen und uneigennützigen Bemühungen einzig und allein dem blessirten und kranken Vaterlands-Vertheidiger und, wie die Erfahrung gelehrt hat, mit dem glänzendsten Erfolge, widmeten. Ich würde ein überflüssiges Geschäft übernehmen, wenn ich hier die Vortheile, die jene Vereine gestiftet haben, anführen, oder das Schwierige und Gefahrvolle, das mit seiner Wirksamkeit und Ausübung verbunden ist, schildern wollte: erstere mag die große Zahl der Verwundeten und Kranken, die die Lazarethe gesund verlassen haben, nennen; letzteres beweisen die theuren Opfer, die dem menschenfreundlichen Streben unterlagen. Dankbar erkennt der Staat alle diese Bemühungen, dankbar werden sie in den Herzen derjenigen leben, auf die die Vortheile dieser edlen Stifungen zunächst flossen, oder, die als Zeugen mit ihnen in näherer Verbindung zu stehn, das Glück hatten. – Mir aber, 648
Frauenverein zur Pflege der Kranken und Verwundeten im Lazareth am Schlesischen Tor
der ich das Schwierige und Wichtige dieses Theils der Lazareth-Verwaltung im ganzen Umfange kenne, mir ist es auch die angelegentlichste Pflicht, den edlen Männern und Frauen dieser Wohlthätigkeits-Vereine, die mich, hier und in andern Provinzen auf eine so seltene Weise unterstützt haben, den innigsten Dank darzubringen, jenen Dank, der auf die Anerkennung eines wahren Werthes sich stützend, die einfache und prunklose Sprache des Herzens spricht, und den ich hiemit feierlichst abstatte. Ganz besonders aber richte ich diese Zeilen an jenen Verein von edlen Männern und Frauen, welche namhaft zu machen die Anspruchslosigkeit derselben mir verbietet, der in dem Lazareth Nr. 1. durch eine Reihe von zwanzig Monaten seine rastlosen Bemühungen für das Wohl der Vaterlandsvertheidiger fortsetzte und jetzt am 1sten Mai h. seine Wirksamkeit zum allgemeinen Bedauern einzustellen sich genöthigt gesehen hat. Ihre Bemühungen, Ihr reges Streben, verehrungswürdige Vorsteher und Mitglieder dieses Vereins, sind den Blicken des besten Königs nicht entgangen, jeder Ihrer Mitbürger erkennt diese Beweise der Menschenfreundlichkeit, der Aufopferung und des Patriotismus, und ich, den das Wohl des kranken Kriegers zunächst angeht, werde dieselben stets dankbar ehren und hochschätzen. Mit mir thun es alle diejenigen, die in näherer Verbindung mit Ihnen standen, so wie alle die Tapfern, die die Beweise Ihres Edelsinns erprobt haben. Eben so aufrichtig und innig wie unser Dank, ist auch die Trauer um die theuren Glieder, die der Tod der milden Stiftung aus ihrer edlen Wirksamkeit entrückte, und voll Wehmuth im Herzen legen wir den Ehrenkranz auf ihre Grabeshügel, der die irdischen Reste deckt. An diesen herzlichen und aufrichtigen Dank knüpfen sich die Wünsche, die bereits früher die edelste der deutschen Frauen, die Prinzessin Wilhelm von Preußen Königl. Hoheit in diesen Blättern ausgesprochen hat, zur Bildung eines neuen Vereins, der in die Wirksamkeit des vorigen treten möchte, da es der Hülfsbedürftigen dort noch sehr viele giebt. Ich glaube meine Wünsche nicht angelegentlicher wiederholen zu dürfen, da ich die humanen Gesinnungen der Bewohner Berlins kenne, und sehe schon mit Vergnügen der Erfüllung derselben entgegen. Berlin, den 8ten Mai 1815. General-Staabs-Chirurgus und Chef des Militair-Medicinal-Wesens der Königl. Preuß. Armee.Görcke. Quelle: Beilage zum 58. Stück der Berlinischen Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen (Haude und Spenersche Zeitung) v. 16. Mai 1815.
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Patriotische Unterstützungsvereine / Frauenvereine
Verein zur Aushilfe der hilfsbedürftigen Einwohner der unmittelbar durch Ereignisse des Krieges zerstörten Gegenden der Länder zwischen Elbe und Oder Aufruf, 1813 Aufruf Die südlichen Kreise des Landes zwischen der Elbe und Oder, namentlich der größere Theil des Teltowschen und des Luckenwaldschen, sind durch den Krieg, welchem sie zum Schauplatze gedient haben, sehr hart betroffen, ihre Bewohner aller Vorräthe, des Viehes und ihrer Habseligkeiten verlustig gegangen. Der Krieg und die Befreiung des Vaterlandes verlangen große schwere Opfer; diese Gegenden, diese Einwohner haben sie für uns im Uebermaaße gebracht. – Die schleunigste Hülfe ist nöthig, um das Elend, welchem diese Einwohner sonst unwiederbringlich und in täglich zunehmendem Maaße ausgesetzt sind, zu erleichtern. Wer von uns wünscht nicht, daß dies geschehe? Der Staat besitzt dazu jetzt, wo alle seine Kräfte auf die Herbeischaffung der Mittel zur Fortführung des Krieges gerichtet sind, die Mittel nicht. Liegt die Ueberzeugung davon allen klar vor; so ist es bei dem Sinne und dem Geiste der Nation für alles, was diesen heiligen Krieg betrifft, keinem Zweifel unterworfen, daß ein Verein zur Aushülfe der hülfsbedürftigsten Einwohner der, seit dem 17ten vorigen Monats, als dem Wiederanfange des Krieges, unmittelbar durch Ereignisse des Krieges zerstörten Gegenden der Länder zwischen Elbe und Oder, dem allgemeinen Wunsche zuvorkommen und überall, wo Gottes Vorsicht, und die Tapferkeit der Armee, vor der bittern Nothwendigkeit bewahrt hat, dem Kriege alles zum Opfer darbringen zu müssen, heiligen Eifer, und die Bethätigung dankvoller Gesinnungen erwecken werde. Im Vertrauen darauf sind die Unterzeichneten, unter Genehmigung der betreffenden höhern Staatsbehörden, zu einem solchen Verein zusammengetreten. Wir theilen die innige Ueberzeugung, daß unser Unternehmen, der vielfachen Anstrengungen ungeachtet, welche alle Unterthanen des Königs jetzt machen müssen, oder aus edlem Herzenstriebe darbringen, mit derjenigen Wärme und Liebe allgemein aufgenommen werden wird, welche, den schönen Endzweck fest im Auge habend, sein Gelingen mehr als zur Hälfte sichert. Was einer Nation, welche, wie die preußische, das erhebendste Beispiel der Vaterlandsliebe ihren Zeitgenossen und der Nachwelt aufstellt, mit Zuversicht hingegeben wird, das kann nicht untergehen! – Es bleibt nur noch übrig, zu bemerken, daß durch die Königliche Kurmärkische Regierung, wegen Ausmittelung der hülfsbedürftigsten Einwohner in den vorerwähnten Gegenden; und der einstweiligen Unterstützungen mit Lebensmitteln durch die verschont gebliebenen Kreise, die nöthigen Verfügungen an die landräthlichen Behörden bereits 650
Verein zur Aushilfe der hilfsbedürftigen Einwohner … zwischen Elbe und Oder
erlassen sind, und daß der Verein die Hülfsbedürftigkeit gewissenhaft würdigen und darnach, und nach Maaßgabe der eingehenden Mittel, individuelle Unterstützung zu leisten, sich angelegen seyn lassen, demnächst über den Fortgang des Unterstützungs-Geschäfts ausführlicher und öfter zu dem Publikum reden und Rechenschaft über die sorgfältige Verwendung der eingehenden Beiträge geben wird. Der Kaufmann Hotho (am Monbijouplatz) hat es übernommen, die Beiträge, welche bei jedem Mitgliede der Gesellschaft abgegeben werden können, zu sammeln, und an sie wolle also jeder dasjenige schicken, was er zur Erleichterung des wirklich großen Elendes in jenen Gegenden von dem Seinigen, es sei in baarem Gelde oder anderen Unterstützungs-Gegenständen aufopfern möchte. Naturalien sind den landräthlichen Behörden eines jeden Gebers anzuzeigen, welchemnächst die Gesellschaft darüber zu dem vorgedachten Zwecke disponiren wird. Gesuche und Schreiben an den Verein sind an den Justizrath Langerhans zu richten, welcher sie im Auftrage der Gesellschaft, als ihr Geschäftsführer beantworten wird. Unser gütiger Monarch, der Stolz und das Glück seines dankbaren Volks, vernimmt es gewiß mit Beifall und hoher Zufriedenheit, daß seine treuen Unterthanen, so viel sie auch schon thaten und noch thun, auch derer, welche alles um der Sache des Vaterlandes willen haben hingeben müssen, nicht vergessen, sondern ihnen hülfe, und so viel zu verschaffen eilen, daß sie mit verjüngter Betriebsamkeit wieder arbeiten, und Gottes Seegen auf unsern allgeliebten Monarchen und das Vaterland mit uns erflehen können! Berlin, den 23sten September 1813. der Banquier Herz Baer, Regierungspräsident von Bassewitz, Banquier Brose, Geheime Kriegsrath u. Bürgermeister Büsching, Staatsrath u. Polizeipräsident Le Coq, Banquier Friebe, Geheime Justizrath Gerresheim, Servisverordnete Goldhammer, Servisverordnete Haseloff, Landrath von Hake, Kaufmann Hotho, Stadtverordneten-Vorsteher Humbert, Oberst Jordan, Kaufmann Krutisch, Stadt-Baurath Langerhans, Justizrath Langerhans, Kaufmann Paul Matthis, Banquier Mendtheim, Stadtrath Oertel, Landrath von Pannewitz, Staatsrath Rosenstiel; Zivilgouverneur, Geheime Staatsrath Sack, Stadtgerichts-Direktor Schönermark, Geheime Staatsrath v. Schuckmann, Buchhändler Spener, Kammerherr von Stengelin, Stadtverordnete Wegener, Kaufmann Woltersdorff. Quelle: Amts-Blatt der Königlichen Kurmärkischen Regierung. Jg. 1813. Potsdam 1813, Amtsblatt No. 43 v. 8. Oktober 1813, S. 472–474.
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Patriotische Unterstützungsvereine / Frauenvereine
Berliner Frauen- und Jungfrauen-Verein zum Dank für die Siege bei Groß-Beeren und Dennewitz I) Stiftungsurkunde, August 1814 Stiftungsurkunde Die unterzeichneten Frauen und Mädchen wünschen den tief empfundenen Dank für die Tapferkeit der vaterländischen Krieger an den Tagen von Groß-Beeren und Dennewitz, durch welche die Hauptstadt der Preußischen Monarchie zunächst aus der dringendsten Gefahr gerettet wurde, nach möglichsten Kräften thätig auszudrükken, und treten deshalb zu einem Verein zusammen, deßen Wirksamkeit durch diese Urkunde festgesezt wird. § 1 Frauen und Mädchen, welche in Berlin wohnen, und den [!] Verein beitreten wollen, müßen unbescholten sein, haben sie diese Eigenschaft nicht, oder verliehren sie solche nach der Aufnahme, so scheiden sie aus dem Verein, sobald zwey Drittel der Vorsteherinnen dafür stimmen. Das Zartgefühl wird in jeder Hinsicht hierbei geschont, und alles Aufsehen vermieden. § 2 Jedes Mitglied giebt sein gantzes Leben hindurch unter allen Verhältnißen einen monatlichen Beitrag, welcher noch so gering sein kann, der aber dafür auch unfehlbar eingezahlt wird, um die beschloßenen Unterstützungen für die Dauer zusichern zu können. § 3 Von diesen Beiträgen werden invalide Berliner Landwehr-Männer oder Freiwillige, welche an den Tagen von Groß-Beeren oder Dennewitz zum tüchtigen Betriebe ihres Gewerbes unbrauchbar geworden sind, nach denjenigen Grundsätzen unterstützt, welche die für Berlin zu diesem Zweck niedergesezte Commission feststellt. Letztere wird um Zuweisung der Subjecte ersucht. Für diejenigen, welche auf diese Art an den Verein gewiesen sind, wird von den Mitgliedern, auch noch in der Art gesorgt werden, daß ihnen und ihren Angehörigen bedürfenden Falls, Arbeit, Kleidung, Speisung an festlichen Tagen, und den Kindern Schulunterricht verschaft werde. Der Verein überträgt einem seiner Mitglieder die specielle Aufsicht und Fürsorge für eine solche Familie. § 4 Die monathliche Geldunterstützung wird den Bedürftigen, je nachdem sie bey GroßBeeren oder Dennewitz verwundet worden, am 23sten oder 6ten jeden Monats im voraus verabreicht und mit dem nächsten Monath der Anfang gemacht. 652
Berliner Frauen- und Jungfrauen-Verein zum Dank für die Siege bei Groß-Beeren und Dennewitz
§ 5 An jedem Jahrestage der Schlachten bey Groß-Beeren und Dennewitz werden sämtliche hier lebende dürftige Berliner Landwehr-Männer und Freywillige, welche in diesen Schlachten invalide geworden sind und außerdem eine den Mitgliedern angemeßene Anzahl vaterländischer verwundeter Krieger, auf Kosten des Vereins, welche die Mitglieder außer den monathlichen Beiträgen hergeben, gespeiset. § 6 Der Verein ist überzeugt, daß es nur eines Beispiels bedarf, um die Frauen und Mädchen in den Provinzen zu veranlaßen, auf eine ähnliche Art, die heilige Schuld gegen die vaterländischen Invaliden abzutragen. Jene Frauen und Mädchen werden vom Verein dazu eingeladen werden. § 7 Für jetzt nennt sich die Gesellschaft: Frauen- und Mädchen-Verein zum Dank für Groß-Beeren und Dennewitz Sobald sie wird darthun können, daß sie den sich vorgesezten Zweck mit Eifer zu erreichen bemüht gewesen, wird sie Se Königliche Majestät unterthänigst bitten, ihr huldreichst einen Namen zu verleihen, welchen jedes Mitglied noch mehr begeistern wird, die unsern tapfern Rettern schuldige Dankbarkeit durch wohlthätiges Wirken für sie nach Kräften abzutragen. Sie wird auch alsdann Ihre Königliche Hoheit Prinzeßin Wilhelm ehrfurchtsvoll bitten, Höchstderselben über Ihr Wirken Rechenschaft ablegen, und Höchstdero Anweisungen folgen zu dürfen. § 8 Der Verein wählt auf Ein Jahr mit der Vollmacht im Nahmen und für die Gesellschaft nach den hier aufgestellten Bestimmungen zu handeln, zu Vorsteherinnen die Demoiselles Haendel, Knape, Ziegler [gestrichen: Illaire], Francke, Grantzow und Madame Nüske zum Cassen-Verwalter den Rentier Herrn Plantier und zum Secretair den Particulier Herrn Nüske, welcher zugleich Mitglied der Berliner städtischen Invaliden Commission ist. Mehrheit der Stimmen entscheidet, blos dann, wenn sie gleich getheilt sind, hat die Meinung für welche sich beide Beisitzer erklären, den Vorzug. § 9 Monathlich versammelt sich der Verein Ein mahl, um von dem, was gethan und vorgefallen, benachrichtigt zu werden. Die Mitglieder schließen sich an eine Vorsteherin an, um von ihr über das Wirken des Vereins fortdauernd in Kentniß gesezt zu wer653
Patriotische Unterstützungsvereine / Frauenvereine
den. Mehr als 25 Mitglieder vereinigen sich nicht mit einer Vorsteherin; wird der Verein zahlreicher, so werden mehrere Vorsteherinnen gewählt. § 10 Jedes Mitglied unterschreibt mit der Verpflichtung, obigen Bestimmungen nachzukommen, dieses Uebereinkommen mit Vor- und Zunahmen, zugleich mit Bemerkung der Wohnung, die später eintretenden auch mit Angabe des Tages ihres Eintritts. Berlin den 29sten August 1814. Auguste Francke, Sophie Nüske, Friederike Haendel, Charlotte Granzow, Caroline Knapp. [Es folgen die Unterschriften:]
Friederike Haendel / Auguste Franke / Charlotte Granzow / Caroline Knapp / Friederike Ziegler / Sophie Nüske / Caroline Harder / Dorothea Louise Braun / Wilhelmine Hauer / Wilhelmine Schmetzer / Friederice Hamann / Caroline Rummelspacher / Charlotte Zahn / Henriette Röseler / Caroline Händel / Marie Händel / Wilh. Peters / Wilhelmine Tanerés / Caroline Tanerés / Louise Tanerés / Wilhelmine Schäfer / Emilie Wagner / Henriette Bielert / Dorothea Kochhann / Caroline Schwandt / Louise Jacoubowsky / Amalia Kampfmeier / Emilie Wartenberg / Caroline Wallroth / Dorothea Vogt / Sophie Kröcher / Auguste Buge / Sophie Hackenschmidt / Emilie Ohm / Auguste Weber / Wilhelmine Merlon [oder: Merton?] / Eleonore Ebel / Louise Wöllmer / Louise Gain / Friedeka Leolfinz / Emilie Lüdicke / Amalie Lüdicke / Henriette Otto / Bertha Hoffmann / Louise Pahl / Wilhelmine Gemmel / Maria Granzow / Sophia Wernicke / Charlotte Maske Quelle: GStA PK, I. HA Rep. 89 Geh. Zivilkabinett, jüngere Periode Nr. 15614 (Gründung von Frauenvereinen in Berlin und in Anklam), Bl. 2r–4r. – Transkription Uta Motschmann.
II) Anzeige, August 1815 Auf Veranstaltung des Frauen- und Mädchen-Vereins, der sich zum Dank für die Siege von Groß-Beeren und Dennewitz gebildet hat, wurden am 23sten dieses Monats, als dem Jahrestage dieser glorreichen Schlacht, achtzig wackre Krieger, welche damals bei Vertheidigung der Hauptstadt verkrüppelt worden waren, in dem Locale der Loge zu den drei Weltkugeln, mit einer festlichen Mahlzeit bewirthet. Seine Königliche Hoheit der Prinz Carl von Preußen, nebst des Gouverneurs, Herrn Feldmarschall Grafen von Kalkreuth Excellenz etc. etc., beehrten dieses Mahl mit Ihrer Gegenwart, ließen sich an der Tafel nieder, und tranken auf das Wohl der braven Vaterlandsvertheidiger. Zwischen den ausgebrachten Gesundheiten wurden, von den dazu eingeladenen 654
Verein teutscher Mädchen
Mitgliedern des Königl. Nationaltheaters, patriotische Gesänge angestimmt, und dieser denkwürdige Tag mit Dank gegen Gott, mit den besten Segenswünschen für König und Vaterland, und mit einer Sammlung für die im Dienst derselben so ehrenvoll invalide gewordenen beschlossen. Quelle: Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen (Haude und Spenersche Zeitung), Nr. 102 v. 26. August 1815.
Verein teutscher Mädchen I) Bekanntmachung, Juli 1815 Bekanntmachung Von inniger Vaterlandsliebe beseelt, und von dem Wunsche durchdrungen, auch, so viel es in unsern Kräften steht, zur Linderung unsrer, fürs Vaterland leidenden Mitbrüder, beyzutragen, haben wir einen Verein, der Verein teutscher Mädchen genannt, gestiftet, der zum Zweck hat, Handarbeiten jeder Art einzusammeln und diese spätestens im September zum öffentlichen Verkauf auszustellen. Bis dahin bittet man die gütigen Geberinnen, die Arbeiten an jedem Vormittage, Sonntag nicht ausgenommen, von 9 bis 1 Uhr, an der Kontr’escarpe und Prenzlauerstraßen-Ecke Nr. 52. eine Treppe hoch, gefälligst einzusenden. Auswärtige werden um postfreie Einsendung unter der Adresse: Verein teutscher Mädchen, gebeten. Wir behalten es uns vor, den Tag der Eröffnung und das Lokal der Ausstellung in öffentlichen Blättern bekannt zu machen. Möchte doch unsre Bitte, nah und fern, recht viel Erhörung finden! Wir legen sie unsern Mitschwestern, vorzüglich unsern lieben Berliner Mitbürgerinnen, recht dringend ans Herz, und der erhebende Gedanke, wenn auch nur einigen Leidenden durch ihren Fleiß, Erquickung und Linderung zu schaffen, wird unsre Bitte am kräftigsten unterstützen. Wollen auch gütige, helfende Frauen uns Gaben verleihen, so werden wir uns sehr geehrt dadurch finden. Jede, noch so kleine Gabe, ist uns willkommen – Der Verein teutscher Mädchen. Quelle: Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen (Haude und Spenersche Zeitung), Nr. 80 v. 6. Juli 1815.
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Patriotische Unterstützungsvereine / Frauenvereine
II) Aufforderung an das Publikum, Oktober 1815 Aufforderung. Es wird dem Publikum bekannt gemacht, daß die Ausstellung und der Verkauf unserer gesammelten Arbeiten, Dienstag den 31sten von 10 Uhr Morgens bis 6 Uhr Abends, seinen Anfang nimmt, und einige Wochen damit fortgefahren wird; wir den Schluß der Ausstellung aber aldann noch angeben werden. Die an die Mitglieder des Vereins ausgetheilten Karten gelten stets als Einlaßbillets, und müssen alle nicht zu demselben gehörige Personen sich gefälligst jedesmal, gegen 4 Gr. Cour. eines lösen. Mögte der allgemeine Sinn der Wohlthätigkeit auch bei diesem Unternehmen uns offenbar werden, und uns freudige Käufer zuführen, wie er uns freudige Arbeiterinnen gab. – Das Lokale des Verkaufs ist Königsstraße Nr. 32. eine Treppe hoch. Auch dies wurde uns durch die thätige Vaterlandsliebe einer edlen Frau zu Theil. Berlin, den 25sten Oktober 1815. Der Verein deutscher Mädchen. unter dem Schutze der Prinzessin Wilhelm Königl. Hoh., Contre carpe Nr. 52. Quelle: Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen (Haude und Spenersche Zeitung), Nr. 129 v. 28. Oktober 1815.
Vaterländischer Verein zur Verpflegung der in den Feldzügen 1813, 1814, 1815 hilflos gewordenen Krieger von der Berliner Garnison I) Statut zur Verpflegungs-Anstalt, November 1814 Statut / zur Verpflegungs-Anstalt / für hülflose Krieger, / aus den Jahren 1813 und 1814. / Errichtet unter dem Namen: / Vaterländisches Institut. Abschnitt I. Von der Bestimmung des Instituts. §. 1. Die Bestimmung des Instituts gehet dahin, alle in den Jahren 1813 und 1814 entstandene Invaliden der Berliner Garnison, Landwehr und Freywilliger Jäger, welche in dem letzten Kriege für König, Vaterland und Deutschlands Freyheit treu gekämpft haben, und dabey verstümmelt, hinfällig oder kränklich geworden sind, dergestalt zu verpflegen, und zu versorgen, daß sie ihre künftige Tage ruhig und sorgenfrey verleben können. 656
Vaterländischer Verein zur Verpflegung der … hilflos gewordenen Krieger von der Berliner Garnison
§. 2. Auf die Wohlthat des Instituts können nur solche Invaliden Anspruch machen, welche außer Stand gesetzt sind, durch Anwendung ihrer Kräfte und Fähigkeiten sich ihren Unterhalt erwerben zu können, und dabey auch nicht hinlängliches Vermögen besitzen, sich die nothwendigen Bedürfnisse des Lebens aus eignen Mitteln anzuschaffen. // §. 3. Diejenigen anspruchsfähigen Invaliden, welche unverheirathet sind, werden in einem dazu bestimmten Lokale verpflegt und mit allem Erforderlichen vollständig versehen. Sind sie zu irgend einer nützlichen Beschäfftigung noch brauchbar; so sollten sie ernstlich dazu angehalten werden, und vom Ertrage ihres Erwerbes erhalten sie zur Aufmunterung ein Drittheil, und zwey Drittheile fallen dem Institut anheim. §. 4. Alle verheirathete Invaliden, welche auf die Wohlthat des Instituts gerechten Anspruch haben, können in das § 3 erwähnte Lokal nicht aufgenommen werden, sondern sie erhalten, nach Maaßgabe ihrer Familien-Verhältnisse, eine wöchentliche Geld-Unterstützung, wobey jedoch das Maximum auf drey Thaler, und das Minimum auf zwey Thaler wöchentlich festgesetzt ist. Nur in außerordentlichen Fällen kann die Direction von dieser Bestimmung abweichen. §. 5. Wenn ein verheiratheter Invalide mit Tode abgeht, so erhält seine hinterlaßene Wittwe, im Fall sie noch unerzogene Kinder zu ernähren hat, zwey Drittheile, und wenn sie keine hat, ein Drittheil von der wöchentlichen Unterstützung, die ihr Mann bey seiner Lebenszeit vom Institut genossen hat. In besondern Fällen stehet der Direction auch frey, einer Wittwe mit Kindern das Ganze, und ohne Kinder die Hälfte von dem, was ihr Mann erhalten hat, wöchentlich zukommen zu laßen. §. 6. Die hinterlaßene Wittwe eines Invaliden kann nur dann auf Unterstützung Anspruch machen, wenn sie im Wittwenstand verbleibt. Im Falle aber eine solche Wittwe sich wiederverheirathet; so fällt die Unterstützung für ihre Person ganz weg, und was ihre vom ersten Manne hinterlaßene Kinder betrifft; so hängt es lediglich von der Bestimmung der Direction ab, ob, und auf welche Weise sie solchen eine Unterstützung zu er theilen für nöthig erachten wird. //
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Patriotische Unterstützungsvereine / Frauenvereine
Abschnitt II. Von den Einkünften des Instituts, und der Ar t ihrer Erhebung. §. 1. Die Einkünfte des Instituts bestehen aus freiwilligen Beyträgen zweyer Klassen Kontribuenten, von denen: Die erste Klasse wöchentlich einen Groschen Courant, und Die zweyte Klasse monathlich einen Groschen Courant beytragen. §. 2. Zu diesem Ende sollen alle nur einigermaaßen bemittelte Einwohner Berlins öffentlich aufgefordert werden, sich zu erklären: Wer von ihnen zur ersten, und wer zu zweyten Klasse sich bestimmen will. Bey dieser Aufforderung werden zugleich sechs achtbare Bürger in einem jeden Bezirk nahmhaft gemacht, bey denen die Kontribuenten ihre Erklärungen abgeben können. §. 3. Die im § 2. erwähnten sechs Bezirks-Sammler werden die Bewohner ihres Bezirks zur Theilnahme an diesem wohlthätigen Zweck gehörig auffordern, und ein genaues Namens-Verzeichniß der Kontribuenten mit deren Stand, Karakter und Wohnung in zwey Rubriken für wöchentliche und monathliche Beyträge vollständig anfertigen. Diese Bezirks-Listen müssen sie der Direction zuschicken; damit diese das Ganze übersehen und eine Hauptnamensliste von den Kontribuenten aller Bezirke, nach alphabetischer Ordnung und fortlaufender Nummer, mit Eintheilung der Bezirke, anfertigen könne. §. 4. Aus dieser Haupt-Namensliste macht die Direction Auszüge für ein [!] jedes Bezirk, und schickt solche den sechs Bezirks-Sammlern zu. In diesen Auszügen wird bey einem jeden Kontribuenten die Nummer, welche derselbe in der Hauptliste hat, deutlich bemerkt. §. 5. Wenn die sechs Bezirks-Sammler das Namens-Verzeichniß ihrer Kontribuenten von der Direction erhalten haben; so übernimmt ein jeder von ihnen die Einkassirung bey dem Theil // der Kontribuenten, welcher ihm am nächsten und bequemsten liegt. §. 6. Ein jeder von den sechs Bezirks-Sammlern richtet sich ein Buch ein, worin alle Kontribuenten, von denen er die Einkassirung übernommen hat, namentlich, mit der Bestimmung ihres Beytrags aufgeführt werden. In diesem Buche erhält jeder Kontribuent sein besonderes Folium, worauf der ganze Jahrgang in zwölf Monathe durch Felder einge theilet wird. Diejenigen Kontribuenten, welche einen monathlichen Beytrag leisten, 658
Vaterländischer Verein zur Verpflegung der … hilflos gewordenen Krieger von der Berliner Garnison
bezeichnen ihren bezahlten Beytrag durch einen Strich in jedem Felde, und die, welche einen wöchentlichen leisten, bemerken ihre Bezahlung mit so viel Strichen in einem Felde, als der darüber stehende Monath Wochen enthält. Durch diese einfache Prozedur wird die Quittungs-Ertheilung, welche bey der großen Anzahl der Kontribuenten zu weitläuftig seyn würde, gänzlich vermieden. §. 7. Die sechs Bezirks-Sammler wählen unter sich einen Kassier, dem sie am Ende jedes Monaths ihre gesammlete Beyträge abliefern, und laßen sich darüber in einem dazu bestimmten Buche quittiren. §. 8. Jeder Bezirks-Kassier muß, am Ersten jedes Monaths, alle von seinem Bezirke eingegangene Beyträge dem Haupt-Kassier des Instituts vollständig abliefern, und läßt sich in einem Buche vom demselben darüber quittiren. §. 9. Wenn in einem Bezirk Kontribuenten abgehen, oder welche zukommen; so müssen die Bezirks-Sammler, bey denen der Ausfall, oder Zuwachs geschiehet, der Direction sogleich schriftliche Anzeige davon machen. // §. 10. Am Ende eines jeden Jahrs müssen die Bezirks-Kassier, die etwanigen Restanten ihrer Bezirke dem Haupt-Kassier des Instituts einreichen, und die Quittungs-Bücher, worin ihre monathliche Ablieferungen quittirt sind, schicken sie dem Kontrolleur des Instituts zu, damit derselbe solche mit den Büchern des Haupt-Kassiers vergleichen, und deren Richtigkeit ausmitteln könne. Abschnitt III. Von der Organisation der Direction. §. 1. Die Direction soll bestehen aus 1 Präsidentin 11 weiblichen und 5 männlichen Mitgliedern. §. 2. Die Stelle der Präsidentin werden Ihre Königliche Hoheit, die Prinzessinn Wilhelm, gnädigst übernehmen. Die edle Humanität und milde Theilnahme, womit diese erhabne Fürstin alles Gute und Würdige lebendig ergreift, und wirksam erhält, sichern diesem wohlthätigen Institut, unter Ihrem seegensreichen Schutze, den glücklichsten Fortgang. 659
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§. 3. Die 11 weiblichen Mitglieder wählen unter sich eine Vorsteherin, welche bey allen Berathungen, die weibliche Administration betreffend, den Vorsitz hat, und bey einer Stimmengleichheit den Ausschlag giebt. Die zehn Uebrigen übernehmen die im Abschnitt 4 vorgeschriebene und der weiblichen Aufsicht übertragene Verwaltung. §. 4. Unter den fünf männlichen Mitgliedern wird bestimmt: // 1 Vorsteher 1 Kassier 1 Kontrolleur 1 Secretair 1 Staabsoffizier zur Inspection, deren Funktionen weiterhin näher bestimmt sind. §. 5. Bey der Wahl der Direction muß vorzüglich auf Rechtlichkeit, Gemeinsinn und Ordnungsfähigkeit gesehen werden. Zum Kassier kann nur ein solcher Mann gewählt werden, dessen Solidität und reelle Vermögens-Verhältnisse ganz notorisch bekannt sind. §. 6. Da ursprünglich sieben weibliche Mitglieder unter dem hohen Schutze Ihrer Königlichen Hoheit, der Prinzessin Wilhelm, zur Errichtung des Instituts, aus reiner Vaterlandsliebe, sich vereinigt haben; so ist es auch zweckmäßig, daß die erste Wahl der übrigen männlichen und weiblichen Mitglieder ihnen anheim gestellt bleibe. Wenn hingegen in der Zukunft ein Mitglied, es sey weiblich, oder männlich, von der Direction abgehen sollte; so wählt die ganze Direction, durch die absolute Stimmenmehrheit, ein Andres in gleicher Qualität an die Stelle des Abgegangnen. §. 7. Alle Montag nach dem Ersten jedes Monaths, hält die Direction eine bestimmte Session, welcher alle Mitglieder derselben beywohnen müssen, und worin alle Angelegenheiten des Instituts verhandelt werden. Ein Mitglied, welches durch Krankheit oder sonst unvermeidliche Hindernisse, der Session nicht beywohnen kann, ist verpflichtet, solches, mit dem Grund seines Ausbleibens, dem Vorsteher schriftlich anzuzeigen. // §. 8. Bey allen Verhandlungen und Beschlüssen der Direction, entscheidet die absolute Stimmenmehrheit. Sind die Stimmen der Mitglieder, über irgend einen Gegenstand, ge theilt; so entscheidet der Ausspruch der Präsidentin. In ihrer Abwesenheit hingegen er660
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hält die Stimme des Vorstehers die Qualität von zwey Stimmen, und die Meinung, welcher er beygetreten ist, wird als Beschluß gefaßt. §. 9. Die Direction kann nur dann einen gültigen Beschluß fassen, wenn wenigstens neun Mitglieder derselben gegenwärtig sind. §. 10. Von allen Verhandlungen und Beschlüssen muß die Direction ein vollständiges Protokoll führen, und solches von den anwesenden Mitgliedern unterzeichnen laßen. §. 11. Wenn ein Mitglied der Direction Vorschläge zur Verbesserung des Instituts zu machen hat; so kann es solche in den Konferenzen mündlich vortragen, außer den Konferenzen hingegen reicht es die zu machenden Vorschläge dem Vorsteher schriftlich ein, und dieser trägt sie der Direction zur Prüfung und zur Entscheidung vor. §. 12. In dem Lokal, wo die Verpflegungs-Anstalt errichtet wird, muß auch ein KonferenzZimmer für die Direction bestimmt seyn. In diesem Zimmer hält sie alle ihre Sessionen; auch werden darin die Acten des Instituts, in einem dazu bestimmten V [!] Behältniß sorgfältig aufbewahrt. §. 13. Die Direction übernimmt, nach folgender nähern Bestimmung, die ganze Verwaltung des Instituts, die specielle Aufsicht darüber, und die damit verbundene Geschäfftsführung unentgeldlich. Von der Kasse des Instituts kann für die Administration weiter nichts gefordert werden, als was die Anschaffung der Schreibematerialien und die Besoldung des Bothens kostet. // §. 14. Wenn ein Mitglied von der Direction abgehen will; so ist es verbunden, seinen Austritt vier Wochen vor der Ausführung dem Vorsteher schriftlich anzuzeigen, damit bey Zeiten ein Andres an seine Stelle gewählt werden könne. §. 15. Alle Mitglieder der Direction sind verpflichtet, dieses Statut zu unterzeichnen, welches als Urkunde des Instituts aufbewahrt wird.
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Abschnitt IV. Von den Obliegenheiten der 10 weiblichen Mitglieder der Direction. §. 1. Die Pflichten der zur Verwaltung bestimmten zehn weiblichen Mitglieder umfassen alles, was zur Erhaltung der innern Oekonomie, Ordnung und zweckmäßigen Reinlichkeit erforderlich ist. Sie übernehmen die specielle Aufsicht über die Verpflegungs-Anstalt, und haben demnach dafür zu sorgen: a) daß alle zur Verpflegungs-Anstalt erforderliche Gegenstände mit der strengsten Oekonomie angeschafft und erhalten werden. b) daß die nöthigen Lebensmittel von guter und der Gesundheit nicht nachtheiliger Beschaffenheit zur rechten Zeit angekauft werden. c) daß auf die Zubereitung der Speisen die erforderliche Sorgfalt verwendet werde. d) daß die Betten, Wäsche und Kleidungsstücke der Invaliden stets in gutem Zustande erhalten werden. e) daß das Haus und alle darin befindlichen Geräthschaften vollständig und reinlich erhalten werden. f) daß in Krankheitsfällen die Vorschrift des Arztes genau befolgt, und die Arzeneymittel von guter und wirksamer Qualitaet angeschafft werden. // §. 2. Es gehört ferner zu den Obliegenheiten der weiblichen Mitglieder, daß sie allen Invaliden, welche Geld-Unterstützungen erhalten, jeden Sonntag in der Woche die bestimmten Unterstützungen nach der specificirten Liste gehörig ertheilen. §. 3. Die zur Verwaltung bestimmten zehn weiblichen Mitglieder vertheilen ihre Geschäffte dergestalt unter sich, daß wöchentlich zwey von ihnen die Administration übernehmen. Diese müssen wärend [!] der ganzen Woche die Verpflegungs-Anstalt täglich besuchen, alle in dieser Woche vorfallende Ausgaben bestreiten, und das Ganze auf eine zweckmäßige Weise anordnen und bewirken. §. 4. Das Geld, welches zur Bestreitung der wöchentlichen Ausgaben erforderlich ist, erhalten die weiblichen Mitglieder gegen eine schriftliche Anweisung von dem Haupt-Kassier des Instituts. §. 5. Alle dergleichen Anweisungen müssen von zwey weiblichen Mitgliedern unterzeichnet, und vom Kontrolleur contrasignirt seyn.
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§. 6. Die zehn weiblichen Mitglieder richten sich ein Buch ein, worin sie alle durch Anweisung eingegangene Gelder, als auch alle Ausgaben mit Bemerkung des Datums gehörig eintragen. Auf der linken Seite notiren sie die Einnahmen, und auf der rechten Seite die specificirten Ausgaben. Ein solches Buch wird für jeden Jahrgang neu angefertiget. §. 7. Die weiblichen Mitglieder der Direction müssen über alle ihre Ausgaben Quittungen und Beläge haben. Diese werden wöchentlich zusammengeheftet und aufbewahrt. // §. 8. Da die weibliche Administration wöchentlich abwechselt; so ist zur Uebereinstimmung in der Geschäfftsführung erforderlich, daß das im § 6 erwähnte Buch, nebst den dazu gehörigen Belägen, in einem Bureau, welches im Konferenz-Zimmer einzurichten ist, gehörig asservirt werde. Zu diesem Bureau erhalten immer zwey Frauen einen Schlüssel, und diejenigen, welche die erste Woche ihr Amt vertreten, führen ihre Einnahmen und Ausgaben in das bestimmte Buch ein, und heften die dazu gehörigen Beläge zusammen. Am Ende der Woche schließen sie die Einnahmen mit den Ausgaben in dem Buche ab, tragen den etwanigen Kasse-Bestand aufs neue vor, unterzeichnen den Abschluß mit ihrer Namens-Unterschrift, und verschließen das Buch, die Beläge, wie auch den Kassa-Bestand im gedachten Bureau. Eben auf solche Weise verfahren ihre zwey Nachfolger und in dieser Ordnung wird der ganze Jahrgang durchgeführt; damit man zu jeder Zeit wissen kann, durch welche zwey Frauen jede wöchentliche Einnahme und Ausgabe geschehen ist. §. 9. Die weiblichen Mitglieder erhalten eine vollständige Namensliste von allen Invaliden, welche in der Anstalt verpflegt, wie auch von denen, die eine wöchentliche Geld-Unterstützung erhalten. Gehet ein Invalide ab, oder kömmt einer zu; so muß dieses auf der Liste sogleich bemerkt werden. §. 10. Am Ende eines jeden Jahrs schließen die Frauen ihr Buch ganz ab, und schicken solches nebst den dazu gehörigen Belägen dem Kontrolleur zur Revision zu, welche[r] ihnen nach Rechtbefinden eine Decharge über ihre richtige Verwaltung ertheilt und die Beläge nebst dem Buche zurücksendet. //
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Abschnitt V. Von den Obliegenheiten des Vor steher s. §. 1. Die Pflichten des Vorstehers bestehen im Allgemeinen darin, daß er auf die verfassungsmäßige Verwaltung des Instituts, und auf die Erhaltung einer dem Zwecke entsprechenden Ordnung, ein wachsames Auge habe. §. 2. In den bestimmten monathlichen Konferenzen ist er verbunden, alle Angelegenheiten des Instituts vorzutragen, dessen Interesse mit gehöriger Aufmerksamkeit wahrzunehmen, das Erforderliche zu veranlaßen und zu verfügen, über alle Versammlungen und Beschlüsse ein förmliches Protokoll zu führen, und für die ordnungsmäßige Aufbewahrung der Acten gehörige Sorge zu tragen. §. 3. Wenn im Laufe der Geschäfftsverwaltung eine außerordentliche Konferenz nöthig ist; so läßt der Vorsteher alle Mitglieder der Direction durch ein Circular dazu einladen, und diese sind verbunden, nach der Bestimmung § 7 Abschnitt 3, solcher beyzuwohnen. §. 4. Der Vorsteher ist verpflichtet, sich jährlich einen Abschluß, conform mit den Büchern, vom Kassier abzufordern. Dieser Abschluß muß vom Kontrolleur revidirt und contrasignirt seyn. Nach Erhaltung dieses Abschlusses ertheilt er dem Kassier eine Decharge über die richtige Verwaltung seines Amtes und legt den Abschluß der ganzen Direction zur Einsicht vor. §. 5. Wenn aus dem jährlichen Abschluß sich ein bedeutender Ueberschuß ergiebt; so muß von demselben ein Fond formirt, und gegen vollständige Sicherheit auf Zinsen belegt werden. Das darüber zu erhaltende Dokument wird auf dem Namen des Instituts ausgefertiget und beym Vorsteher asservirt. // §. 6. Wenn ein vom Institut ausgeliehenes Capital gekündigt werden soll; so muß der Vorsteher die Kündigung von allen Mitgliedern der Direction unterzeichnen, und über den Empfang des Geldes Quittung ertheilen laßen. §. 7. Es gehört zu den Pflichten des Vorstehers fest darauf zu halten, daß dem Publiko von der Verwaltung des Instituts jährlich öffentlich Rechnung abgelegt werde.
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§. 8. Wenn ein Mitglied der Direction das ihm anvertraute Amt vernachläßigt, oder vorschriftswidrig dabey verfährt; so ist der Vorsteher verbunden, dieses Mitglied darüber zur Verantwortung zu ziehen, und im Fall es einen erweislichen Schaden vorsetzlich verursacht hat, zum Schadenersatz ernstlich anzuhalten. §. 9. Wenn ein Mitglied der Direction sich dreymahl ein verfassungswidriges Verfahren vorsetzlich zu Schulden kommen läßt; so ist der Vorsteher verpflichtet, solches der ganzen Direction anzuzeigen, welche alsdann durch eine Stimmenmehrheit von ²⁄₃ gegen ⅓ entscheidet, ob dieses Mitglied entlaßen und ein Andres an seine Stelle gewählt werden soll. §. 10. Der Vorsteher ist verbunden, die Verpflegungs-Anstalt einmahl wöchentlich zu besuchen, und im Fall er Mängel entdeckt, solche der Vorsteherin der weiblichen Administration anzuzeigen. §. 11. Der Bothe des Instituts wird vom Vorsteher engagirt. Er bestimmt dessen jährliche Besoldung, welche quartaliter vom Kassier des Instituts gegen Quittung ausgezahlt wird. // Abschnitt VI. Von den Obliegenheiten des Kassier s. §. 1. Der Kassier formirt sich ein Hauptbuch aus der Hauptliste der Kontribuenten. In diesem Buche wird ein jeder Bezirk mit dem Namen des darin befindlichen Kassiers auf ein besondres Folium aufgeführt. Auf der linken Seite wird der volle monathliche Betrag der sämmtlichen Beyträge des Bezirks, und auf der rechten Seite die monathliche Ablieferung der Bezirks-Kassier gehörig notirt. Durch diese Verfahrungs-Weise kann der Kassier gar leicht übersehen, ob und wie viel Rückstand bey einem jeden Bezirk monathlich geblieben ist. §. 2. Im Fall er einen Rückstand bemerkt; so ist er verbunden, sich nach der Ursache beym Bezirks-Kassier zu erkundigen, und bleibt es seinem Ermessen anheim gestellt, ob er für nöthig erachtet, dem Vorsteher Anzeige davon machen zu müssen. §. 3. Außer dem Hauptbuche muß der Kassier ein Kassabuch sich anfertigen, worin er auf der linken Seite alle von den Bezirks-Kassiern eingegangene Gelder, und auf der rechten Seite die durch Anweisungen und Quittungen ausgezahlten Summen, mit Bemerkung des Datums, gehörig notirt. 665
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§. 4. Über die monathlichen Ablieferungen der Bezirks-Kassier, muß der Haupt-Kassier denselben eine förmliche Quittung in ihren dazu bestimmten Büchern ertheilen. §. 5. Der Kassier darf nur dann eine Anweisung auszahlen, wenn solche von zweyen weiblichen Mitgliedern der Direction unterzeichnet und vom Kontrolleur contrasignirt ist. §. 6. Am Ende jedes Jahrs muß der Kassier einen genauen Abschluß von allen Einnahmen und Ausgaben, conform mit seinen Büchern, anfertigen. Diesen Abschluß schickt er, nebst dem dazu gehörigen Kassa-Buch, dem Kontrolleur zur Revision zu. Dieser bemerkt mit seiner Namens-Unterschrift, die Richtigkeit des Abschlusses, und sendet ihn, nebst dem Kassabuch, // dem Kassier wieder zurück, welcher alsdann den Abschluß dem Vorsteher zufertiget, und sich von demselben über die richtige Führung seines Amtes dechargiren läßt. Abschnitt VII. Von den Obliegenheiten des Kontrolleur s. §. 1. Der Kontrolleur muß sich ein Kontroll-Buch einrichten, worin er alle ihm zugeschickten Anweisungen mit Bemerkung des Datums und der Summa, gehörig einträgt. Nach geschehener Eintragung contrasignirt er die Anweisungen. §. 2. Er darf nur solche Anweisungen eintragen, und contrasigniren, die von zweyen weiblichen Mitgliedern der Direction unterzeichnet sind. §. 3. Am Ende jedes Jahrs muß er den Geschäfftsgang der ganzen Administration genau revidiren. Es sind dazu erforderlich: a) der jährliche Abschluß des Kassiers, nebst dem dazu gehörigen Kassa-Buch b) alle Quittungs-Bücher der Bezirks-Kassier c) das Einnahme- und Ausgabe-Buch der 10 weiblichen Mitglieder der Direction nebst den dazu gehörigen Belägen d) das von ihm selbst geführte Kontroll-Buch. Wenn er in allen diesen Büchern eine genaue Übereinstimmung findet; so unterzeichnet er den vom Kassier erhaltnen Abschluß; ertheilt den zehn weiblichen Mitgliedern eine Decharge unter ihre richtige Verwaltung, und schickt alle erhaltene Bücher und Beläge einem jeden wieder zurück. //
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Abschnitt VIII. Obliegenheiten des Secretair s. §. 1. Aus den Partial-Listen der Bezirks-Sammler fertiget der Secretair zwey vollständige Hauptlisten der Kontribuenten an. Diese Listen müssen nach Eintheilung der Bezirke, in fortlaufender Nummer und alphabetischer Ordnung in zwey Rubriken, für wöchentliche und monathliche Beyträge eingerichtet werden. Eine von diesen Listen erhält der Kassier, um sein Hauptbuch daraus formiren zu können, und eine wird ad Acta bey der Urkunde des Instituts aufbewahrt. §. 2. Von allen Invaliden, welche in der Anstalt verpflegt werden, als auch von diesen, welche wöchentliche Geldunterstützungen erhalten, muß der Secretair drey vollständige Listen, nach fortlaufender Nummer anfertigen. Bey den unverheiratheten Invaliden wird bemerkt: Namen, Alter, Geburtsort und seine physische Mängel. Bey den Verheiratheten: Namen, Alter, Geburtsort, physische Mängel, Wohnung, Familienzahl und seine bestimmte wöchentliche Unterstützung. Von diesen 3 Invaliden-Listen erhält eine der Staabsoffizier, eine die zehn weiblichen Mitglieder der Direction und eine wird ad Acta aufbewahrt. §. 3. Der Secretair ist verpflichtet, alle schriftliche Verfügungen der Direction unter der Leitung des Vorstehers anzufertigen. Abschnitt IX. Von den Obliegenheiten des Staabsoff izier s. §. 1. Der zur Direction gewählte Staabsoffizier übernimmt die Inspection und polizeyliche Aufsicht über alle Invaliden, welche vom Institut verpflegt und unterstützt werden. §. 2. Zu diesem Ende ist erforderlich, daß der Staabsoffizier in dem zur Verpflegungsanstalt bestimmten Lokal seine Wohnung nimmt. // §. 3. Der Staabsoffizier erhält vom Secretair eine vollständige Namensliste von allen Invaliden, welche der Fürsorge des Instituts anvertraut sind, damit er sie alle unter genauer Aufsicht halten könne.
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§. 4. Bey der in dem Lokal der Verpflegungs-Anstalt befindlichen Invaliden hat er dafür zu sorgen, daß sie sich ruhig, sittlich, ordnungsmäßig und mit erforderlichem Gehorsam betragen; ferner den schädlichen Einfluß des Müßiggangs so viel, als möglich, zu verhindern, und diejenigen, welche zu irgend einer nützlichen Thätigkeit brauchbar sind, ernstlich dazu anzuhalten. Auch ist es seine Pflicht, darauf zu sehen, daß sie, unter der Leitung eines für das Institut zu wählenden Geistlichen, ihre Religions-Übungen zu gehöriger Zeit halten. §. 5. Auf die gute und sittliche Aufführung der außer der Anstalt zu versorgenden Invaliden, muß der Staabsoffizier ebenfalls ein wachsames Auge haben. §. 6. Wenn einer von den Invaliden, welche außer der Anstalt unterstützt werden, krank wird; so ist der Staabsoffizier verbunden, solches der weiblichen Direction anzuzeigen, damit diese für ärztliche Hülfe und erforderliche Heilmittel sogleich sorgen könne. Abschnitt X. Von der einstigen Auflösung des Instituts. §. 1. Wenn alle jetzt vorhandene anspruchsfähige Invaliden einst nicht mehr existiren werden, und das Institut alsdann keine neue Bestimmung erhält; so wird solches völlig aufgelöst. §. 2. Bey der Auflösung werden alle Gegenstände, die zum Eigenthum des Instituts gehören, öffentlich verkauft, und das daraus gelöste Geld sowohl, als auch der vorräthige Fond des Instituts, fallen der Königlichen Invaliden-Anstalt zum ewigen Fond anheim. Quelle: HStA Darmstadt, D22, Nr. 26/1, Bl. 406r–413v. – Transkription Uta Motschmann.
II) Öffentliche Bekanntmachung, Juli 1815 Kurze Uebersicht des Plans des vaterländischen Vereins zur Verpflegung der in den Jahren 1813, 1814 und 1815 verwundeten Berliner Krieger. 1) Die Bestimmung dieses mit Allerhöchster Genehmigung Sr. Maj. des Königs, und unter Höchstem besondern Schutz Ihrer Königl. Hoheit der Prinzessin Wilhelm von Preussen gebildeten Vereins ist, die verwundeten Krieger der Berliner Garnison vollständig zu ernähren und zu verpflegen, so wie er auch diejenigen Berliner Landwehr668
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männer und Freywilligen, welche von der zu ihrer Verpflegung bestehenden Behörde werden vorgeschlagen werden, bereitwillig und gern aufnehmen wird. 2) Auf diese Wohlthat können jedoch nur diejenigen Krieger Anspruch machen, welche in den Kriegen von 1813, 1814 und 1815 ausser Stand gesetzt sind, durch Thätigkeit oder andere Mittel die nöthigen Lebensbedürfnisse sich zu verschaffen. 3) Die anspruchsfähigen Krieger werden nach Maasgabe ihrer Verhältnisse entweder in dem dazu bestimmten Lokale verpflegt, oder erhalten eine angemessene wöchentliche Unterstützung, von welcher nach ihrem Ableben Wittwe und Kinder einen Theil fortbeziehen. 4) Zur Erreichung dieses Zweckes werden freywillige Beyträge unter Leitung der Herren Geistlichen in den verschiedenen Pfarrsprengeln durch Kirchenbediente gesammelt. 5) Die Beyträge werden entweder Wöchentlich oder Monatlich bezahlt. Hiernach zerfallen die Contribuenten in Zwey Klassen, von welchen die erste Wöchentlich Zwey Groschen Münze, und die andere Monatlich Zwey Groschen Münze zahlt. Die Beyträge können zwar nicht höher als zu 2 schlechten Groschen wöchentlich oder monatlich angenommen werden; es steht jedoch einem jeden Contribuenten frey, diese Zwey Groschen Beytrag für mehrere ungenannten Personen zu leisten, z. B. für 4, 6, 12, 16 etc. etc. Personen, und alsdann wöchentlich oder monatlich 8, 12, 24, 32 u. s. w. Groschen Münze beyzutragen. 6) Die Subscriptions-Erhebung der Beyträge erfolgt, wie oben bemerkt ist, durch Kirchenbedienstete, welche mit dem Anfange des bevorstehenden Julius-Monats die Sammlung der Subscription und zugleich in eigends dazu bezeichneten und mit dem Kirchensiegel verschlossenen Büchsen die Erhebung der Beyträge für die erste Woche oder den ersten Monat anfangen werden. Berlin, den 26. Juny 1815. Vaterländischer Verein zur Verpflegung Berliner Krieger. Namens desselben: Gräfin v. Ar nim. v. Kamptz. Quelle: Berlinischen Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen (Haude und Spenersche Zeitung), Nr. 78 v. 1. Juli 1815; zitiert nach: Ernst Julius Gurlt: Zur Geschichte der internationalen und freiwilligen Krankenpflege im Kriege. Leipzig 1873, S. 332–333.
III) Öffentliche Bekanntmachung, Juli 1815 Nachstehender Plan einer Verpflegungs-Anstalt für verwundete Krieger aus den Jahren 1813, 1814 und 1815 hat die Allerhöchste Genehmigung Sr. Königl. Majestät erhalten; die gewählten Mittel sind einfach und bedürfen nur einen geringen Aufwand von Kräften; der dadurch zu erreichende Zweck ist gross und von heilsamer Wirkung. 669
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Die Einwohner Berlins haben ihre entschiedene Neigung zur Beförderung alles Guten so oft und so mannigfaltig thätig an den Tag gelegt. Bey dieser Gelegenheit wird ihr edler und liberaler Sinn sich gewiss um so kräftiger aussprechen, als dadurch ihre Dankbarkeit gegen die Erretter, Befreyer und Vertheidiger des Vaterlandes in lebendiger Wirksamkeit erhalten, und ein schöner Vereinigungspunkt zu diesem wohlthätigen Zwecke für alle Klassen gebildet wird. Die Herren Geistlichen aller Confessionen in der hiesigen Residenz haben ihren edlen und ehrwürdigen Beruf auch durch besondere Theilnahme an dieser Anstalt bewährt, die Einwohner Berlins werden sie gleichfalls bethätigen, und diesen patriotischen Eifer werden des Königs Majestät mit dem Höchsten Wohlgefallen und ich mit inniger Dankbarkeit erkennen. Berlin, den 26. Juny 1815. Marianne, Prinzessin Wilhelm von Preussen. Contrasignirt von der Vorsteherin des Vereins Gräfin v. Arnim. Quelle: Berliner Intelligenz-Blatt, 1815, No. 156, S. 2465; zitiert nach: Ernst Julius Gurlt: Zur Geschichte der internationalen und freiwilligen Krankenpflege im Kriege. Leipzig 1873, S. 332.
IV) Bekanntmachung der Geistlichen Berlins an ihre Gemeinden, Juli 1815 Die Geistlichen Berlins an ihre sämmtlichen Gemeinden. Die vorstehende Aufforderung des vaterländischen Vereins zur Verpflegung Berlinischer Krieger an die, durch Wohlthun und Hülfeleisten der mannichfachsten Art ausgezeichneten Bewohner unserer Stadt, kann, wie alles Gute, was unter uns in Anregung gebracht wird, keinen andern als einen erwünschten Eindruck auf die Gemüther der edlen und frommen Menschenfreunde gemacht haben. Diese Aufforderung spricht zugleich den thätigen Antheil aus, welchen die hiesige Geistlichkeit an dem bezweckten guten Werke zu nehmen bereit ist, und, eben weil es ein gutes Werk ist, sich auch verpflichtet fühlt. In Folge dieser Erklärung ermuntern wir daher alle und jede Mitglieder unserer werthen Gemeinden, durch freundliche Aufnahme der, von uns gemeinschaftlich an sie zu sendenden Sammler der monatlichen oder wöchentlichen, für eine einzelne Person nur in zwei Münzgroschen bestehenden Beiträge, und durch zahlreiche Unterzeichnung und Darlegung dieser Gaben, einen neuen Beweis ächtchristlicher und eben so patriotischer Gesinnung abzulegen. Eine Bitte, die Allen um so willkommener seyn wird, da die herrlichen Siege der vergangenen, und die nicht minder glorreichen Siege der neusten Zeit den Dank des Volks, auch gegen Die, welche für das Vaterland kämpfen und bluten, laut und dringend aufrufen, und da es dem einzelnen Herzen ein wahres Bedürfniß ist, diesen Dank durch kräftige und liebreiche, den Verwundeten aus der Garnison unserer Stadt und aus der Mitte unserer Familien, so wie ihren Wittwen und Kindern zu leistende Hülfe, in die That übergehen zu lassen. 670
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Wöchentlich und monatlich, das erstemal in der ersten Woche dieses Monats, werden wir daher die Unterbedienten unserer Kirchen, oder andere redliche Männer, mit Büchsen, welche ein Kirchensiegel verschließen, und eine Inschrift des Vereins bezeichnen wird, in bestimmten Bezirken der einzelnen Gemeinden umhersenden, um die wöchentlichen oder monatlichen Gaben, nach eines jeden willigen und freundlichen Gebers freier Erklärung, entweder wöchentlich oder monatlich, oder auch, zu mehrerer Bequemlichkeit, für ein ganzes Vierteljahr auf einmal, in Empfang nehmen, und in die Wochen-, Monatsoder Quartal Listen eintragen zu lassen. Die Gaben selbst, nebst den Verzeichnissen der Geber, werden monatlich bei der Kasse des Vereins von uns abgegeben. Da dies Opfer nur wöchentlich oder auch nur monatlich zwei Münzgroschen beträgt, so wird dadurch dem Aermsten im Volke, auch dem Gesinde und den Kindern eine Gelegenheit geöffnet, ihr Schärflein zur Ernährung und Erquickung der Vaterlandsvertheidiger beizutragen, und eben Das wird die Sammlungen reich machen, und den wohlthätigen und frommen Sinn Berlins aufs neue verherrlichen. Berlin den 2ten Juli 1815. Die Berlinische Geistlichkeit aller Konfessionen und Kirchen. Quelle: Beilage zum 85. Stück der Berlinischen Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen (Haude und Spenersche Zeitung) v. 18. Juli 1815.
V) Öffentliche Bekanntmachung des Vereins, März 1816 Bekanntmachung. Auf Veranlassung mehrerer Anfragen, wegen Unterstützung der, durch die Feldzüge von 1813, 1814 und 1815 hülflos und invalide gewordenen Krieger der Berliner Garnison, imgleichen der Wittwen und Waisen der in diesen Feldzügen gebliebenen oder an ihren Wunden und Anstrengungen verstorbenen Krieger, finden wir uns veranlaßt, als Ergänzung der von uns über die Bestimmung und Wirksamkeit des vaterländischen Vereins mehrmals durch die königlichen Blätter bekannt gemachten Nachrichten, noch folgendes zur allgemeinen Kenntniß zu bringen. I. Nach den Statuten des Vereins beschränkt sich derselbe nur auf die Unterstützung und Pflege der in und durch die drei letzten Feldzüge hülflos und invalide gewordenen Krieger der Berliner Garnison, so wie der hier gebürtigen Freiwilligen und Landwehrmänner, denen aus gesetzlichen Gründen durch Communal-Fonds nicht zu Hülfe gekommen werden kann, wenn diese sämmtlichen Krieger entweder schon früherhin hier gewohnt oder gleich nach ihrer Entlassung aus dem Militair-Dienst ihren Wohnsitz in Berlin und in dem Polizei-Bezirk der Stadt genommen haben.
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II. Zur Berliner Garnison gehörend, werden die Königlichen Garden, ein Theil der Grenadier-Brigade, das Leib-Infanterie-Regiment, das 1ste Westpreußische Infanterie-Regiment, das Brandenburgische Husaren-Regiment, das Brandenburgische Ulanen-Regiment, das Brandenburgische Kürassier-Regiment, ein Theil der Brandenburgischen Artillerie-Brigade, eine Compagnie Pionier gerechnet, aus welchen Truppen-Theilen die Garnison von Berlin im Jahr 1812 größtentheils bestanden hat und in die letzten vaterländischen Kriege gezogen ist. III. Die Unterstützungen werden nach genauer Ausmittelung der Hülfsbedürftigkeit der invaliden Krieger durch die Mitglieder des Vereins, ihren Erwerb und sonstigen Verhältnissen angemessen fortlaufend monatlich oder in Krankheits- und Sterbe-Fällen, zur Aufhülfe in ihren Gewerben, Anschaffung von Handwerkszeug u. m. ausserordentlich ein für allemal verabreicht, ohne daß deren Betrag durch einen Normal-Satz beschränkt ist. Verbessert sich die Lage des Individuums, so wird nach Umständen seine laufende Unterstützung im Betrage verringert, oder wenn eine Verschlimmerung in seiner Lage eingetreten ist, solche angemessen erhöhet. IV. Auch hülflose Wittwen, Waisen und Eltern der von vorgedachten Truppen-Theilen in den letzten Feldzügen verstorbener Krieger nehmen nach ausgemittelter Bedürftigkeit an den Unterstützungen des Vereins, verhältnißmäßig Theil. V. Durch die vorzüglich thätige und begünstigende Theilnahme, deren sich der Verein sowohl von dem hiesigen als auswärtigen Publikum erfreut, hat derselbe mehr als 300 Individuen theils fortlaufende, theils außerordentliche Unterstützungen bisher gewähren können, und ist in den Stand gesetzt, noch fernerhin den Kriegern und Wittwen der vorgedachten Klassen zu Hülfe zu kommen, welche deren bedürftig sind. Wir bitten daher angelegentlichst, solche Krieger, Wittwen u. m., welche aus Unkunde sich noch nicht bei uns gemeldet haben möchten, an die Direktion oder an den Kapitain von Rentzell, Mitglied des Vereins, Laufgasse Nr. 4 wohnhaft, gütigst zu weisen, und wird hiernächst für ihre Unterstützung und Pflege auf das schleunigste nach Möglichkeit gesorgt werden. Berlin, den 21. März 1816. 672
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Die Direktion des vaterländischen Vereins zur Verpflegung hülfloser Krieger aus den Feldzügen von 1813, 1814 und 1815. Gräfin Arnim. v. Kamptz. Quelle: GStA PK, I. HA, Rep. 74 Staatskanzleramt O. R. Nr. 15 (Acta der geheimen Registratur des Staats-Kanzlers betreffend: die vaterländischen Vereine zur Verpflegung der, in den Feldzügen von 1813/15 hülflos gewordenen Krieger), Bl. 20r–21r [Druckschrift].
VI) Kurze Darstellung von der Entstehung und dem bisherigen Wirken des vaterländischen Vereins zur Verpflegung der in den Feldzügen von 1813, 1814 und 1815 hülflos gewordenen Krieger von der Berliner Garnison, 1816 Die dankbare Theilnahme an dem Schicksal der braven Krieger, die im Kampfe für des Vaterlandes Freiheit und Unabhängigkeit durch Verstümmelung und Wunden außer Stand gesetzt sind, sowohl ihren ehrenvollen Beruf ferner zu erfüllen, als auch durch eigene Kräfte sich zu erhalten, hat, so wie in allen Provinzen der Monarchie, so auch in ihrer Hauptstadt, nicht bloß durch Gefühl und Worte, sondern auch durch die That sich laut und herrlich ausgesprochen. Im Vertrauen auf die den Einwohnern Berlin’s so eigenthümliche Neigung zur Wohlthätigkeit, und auf die davon schon vorhandenen, so ehrenvollen Denkmäler, bildete sich im Herbst 1814 der vaterländische Verein zur Verpflegung der in den glorreichen Feldzügen gegen Frankreich zur eigenen Erhaltung unfähig gewordenen Krieger von der Berliner Garnison, damit sie ihre ferneren Tage ohne Kummer und Nahrungssorgen in wohlverdienter Ruhe und Zufriedenheit verleben können. Des Königs Majestät ertheilte diesem Verein die allerhöchste Genehmigung. „Ich finde,“ sagte unter andern der Monarch in dem, an der Prinzessin Wilhelm Königliche Hoheit, Höchstwelche die Stelle der Präsidentin des Vereins anzunehmen geruhet hatte, am 8ten November 1814 erlassenen Antwortschreiben – „die Absicht der Verpfle-
gung und Versorgung der im letzten Kriege verstümmelten Krieger von der Berliner Garnison, zu welcher Eure Königliche Hoheit mit mehreren Damen Sich vereinigt haben, ganz des Sinnes würdig, in welchem Dieselben schon bisher so wesentlich und menschenfreundlich gewirkt haben, und zweifle auch nicht, daß das Berliner Publikum, so geneigt zur Wohlthätigkeit, durch freiwillige Beiträge diesen Zweck gern unterstützen werde.“ Die Bewohner der Königsstadt haben dies allerhöchste Königliche Vertrauen redlich und treu erfüllt. Der Verein, dessen Wirksamkeit auf ein Gebäude zur Verpflegung jener Krieger mitgegründet war, machte nach erhaltener Königlicher Genehmigung mehrere, obwohl vergebliche Versuche, ein solches Lokale zu erhalten. Auch noch jetzt ist ihm keiner derselben gelungen. 673
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Er beschloß jedoch, um den Kriegern der Berliner Garnison so bald, als möglich, die ihnen vom Publikum so einstimmig gewünschte Hülfe zu gewähren, auch noch vor Anschaffung des Lokales in Thätigkeit zu treten. Der Verein kann hiebei der Hülfe und des Beistandes der Herren Prediger aller Konfessionen nicht dankbar genug gedenken, indem sie das so mühsame als wesentlich verdienstvolle Geschäft der Leitung der Sammlung der freiwilligen Beiträge übernahmen. Mit dem 1sten Julius 1815 begann die Sammlung dieser freiwilligen Beiträge und die Unterstützung der hülfsbedürftigen Krieger, mithin die Thätigkeit des Vereins. Mit dem Gefühl des innigsten Dankes erkennt der Verein die Theilnahme und Unterstützung, welche er hiebei von den Einwohnern Berlin’s erhalten hat. Die Mildthätigkeit und der Patriotismus der Berliner hat sich auch hier wieder trefflich bewährt. Der Verein ist hiedurch und durch die, auch von Auswärtigen bewiesene Theilnahme in den Stand gesetzt worden, in dem Rechnungsjahre vom 1sten Julius 1815 bis dahin 1816 aus den eingegangenen Beiträgen I. for tlaufende, monatliche Unterstützungen von 1 bis 10 Rthlr. an a) 142 Krieger und b) 240 Wittwen, Waisen und Eltern derselben, also an 382 Individuen, und II) außerordentliche Unter stützungen von 3 bis 50 Rthlr. an 143 Personen zukommen zu lassen; jene haben 4375 Rthlr. diese aber . . . . . . . . . . . . . . . . . 1106 – das Ganze der bisherigen Unterstützungen also . . . . . . . . . 5481 Rthlr. betragen. Der Verein beschränkt sich auf die Unterstützung und Pflege der in den Feldzügen von 1813–1815 hülflos gewordenen Krieger der Berliner Garnison, so wie der in Berlin gebornen Freiwilligen und Landwehrmänner, welche aus gesetzlich gültigen Gründen keinen Anspruch auf Hülfe aus Communalfonds machen können, wenn diese sämmtlichen Krieger entweder schon früher in Berlin gewohnt, oder gleich nach ihrer Entlassung aus dem Militär sich in Berlin und dem Berlinischen Polizeibezirk niedergelassen haben. Zur Berliner Garnison werden in dieser Beziehung die Königlichen Garden, ein Theil der Grenadier-Brigade, das Leib-Infanterie-Regiment, das erste Westpreußische Infanterie-Regiment, das Brandenburgische Husaren-Regiment, das Brandenburgische Uhlanen-Regiment, das Brandenburgische Kürassier-Regiment, ein Theil der Brandenburgischen Artillerie-Brigade und eine Pionier-Kompagnie, gerechnet, da aus diesen Truppentheilen im Jahre 1812. die Garnison von Berlin bestand. Da jedoch theilnehmende Patrioten sowohl in, als außerhalb Berlin bei Einsendung ihrer Beiträge den Wunsch ausgesprochen haben, daß hülfsbedürftige Krieger, auch wenn sie nicht zur Berliner Garnison gehören, Unterstützung erhalten mögen; so ist für sie ein eigener außerordentlicher Fonds errichtet.
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Vaterländischer Verein zur Verpflegung der … hilflos gewordenen Krieger von der Berliner Garnison
Allein in jedem Fall können nur solche Invaliden und nur solche Wittwen und Waisen gebliebener Krieger auf die Wohlthaten des Instituts Anspruch machen, welche außer Stande sind durch Anwendung ihrer Kräfte sich selbst ihren Unterhalt zu erwerben. Diese Hülfsbedürftigkeit wird durch ein Mitglied des Vereins unter Rücksprache mit den Bezirksvorstehern, Hausgenossen, Nachbaren und anderen, von den Verhältnissen des Aufzunehmenden unterrichteten Personen untersucht, zu welchem Ende die Stadt Berlin unter die Mitglieder des Vereins in Reviere getheilt ist. Das schriftliche Gutachten des untersuchenden Mitgliedes kommt demnächst in einer der beiden monathlichen Konferenzen zum Vortrage und zur Abstimmung. Die laufenden Unterstützungen werden von dem Mitgliede, in dessen Revier der Invalide wohnt, demselben monatlich gezahlt, und dabei auf die zweckmäßige Verwendung möglichst gesehen. Die Beiträge der hiesigen Einwohner werden, unter der obern Leitung der Herren Geistlichen, von Kirchenbedienten in den verschiedenen Kirchspielen gesammelt, von den Herren Geistlichen in Empfang genommen und an den Rendanten des Vereins, Herrn Banquier Herz Beer, abgeliefert. In einigen Kirchspielen leisten achtungswerthe Bürger, welchen der Verein dafür hiemit öffentlich dankt, bei der Einsammlung so zweckmäßig und erfolgreich Hülfe, daß der Verein nicht dringend genug wünschen kann, daß auch in andern Kirchspielen gleich patriotisch gesinnte Bürger diesem menschenfreundlichen Geschäfte sich mit unterziehen mögten. Der Banquier Herr Beer, und unter ihm der thätige Buchhalter, Herr Bleichröder, führt das Haupt-Kassenbuch; Ausgaben und Einnahmen erfolgen nur auf schriftliche Autorisation der Vorsteher, und werden durch den Herrn General-Inspektor Weymann, als Rechnungsführer, controllirt; letzterer hat auch die Revision der QuittungsBücher und übrigen Rechnungsbeläge, und besorgt gemeinschaftlich mit dem Rendanten die monatlichen und jährlichen Abschlüsse, welchemnächst der Herr Hauptmann von Rentzell der Nachrevision sich unterzieht. Der Herr Hauptmann von Rentzell hat auch die vorläufige Untersuchung und Prüfung, und demnächst die Kontrolle der Invaliden, welche sich zur Aufnahme melden, so wie der Herr Brigade-Prediger Mann die Fürsorge für den religiösen und sittlichen Zustand der aufgenommenen Krieger, und für den Schul-Unterricht ihrer Kinder und Waisen gegenwärtig übernommen hat. So ist der Verein schon im ersten Jahre seiner Wirksamkeit durch das unschätzbare Vertrauen, und durch die Mildthätigkeit seiner Mitbürger in den Stand gesetzt worden, den Kriegern, die für uns alles geopfert haben, und durch deren Wunden unsere Ruhe und Unabhängigkeit so glorreich begründet ist, die treue Fürsorge und dankbare Theilnahme der edlen Bewohner Berlins in deren Namen zu bethätigen.1 1 Mehrere achtungswürdige Einwohner haben dem Verein ihre Theilnahme neben ihren baaren Beiträgen auch auf andere Art bewiesen; so hat z. B. der Herr Geheime Ober-Hofbuchdrucker D e c k e r alle Rechnungs-Formulare, Ankündigungen u. s. w. unentgeldlich gedruckt. 675
Patriotische Unterstützungsvereine / Frauenvereine
Der Verein fühlt sich durch dies Vertrauen seiner Mitbürger hochgeehrt und zum innigsten Danke verpflichtet. Mit unbegränztem Vertrauen empfiehlt er die wohlverdienten Krieger und deren Wittwen und Waisen dem fernern großmüthigen und theilnehmenden Andenken der wohlwollenden Berliner, und aller andern Freunde und Verehrer des Preussischen Namens. Er wird sich fernerhin eifrigst bemühen, das ihm geschenkte Vertrauen durch treue Verwaltung der ihm anvertrauten Mittel zu verdienen. Mit Recht betrauert er den, im ersten Jahre seiner Wirksamkeit erlittenen Verlust zweier, ihm vorzüglich schätzbaren Mitglieder, der Frau Professorin Spalding, gebornen Müller und des Fräuleins von Dewitz; auch für ihn zu früh, hemmte der Tod ihre menschenfreundliche Thätigkeit. Der Verein besteht gegenwärtig aus folgenden Mitgliedern: Präsidentin. Ihre Königliche Hoheit, die Prinzessin Wilhelm von Preussen. Ehren-Vorsteher. Seine Durchlaucht, der General-Feld-Marschall Fürst Blücher von Wahlstatt. Vorsteher. 1) Ihre Excellenz, die verwittwete Geheime Staats-Ministerin, Gräfin von Ar nim. 2) Geheimer Legationsrath und Kammerherr von Kamptz. Mitglieder. I. ordentliche. 1) Madame Beer, geborne Liepmann, (Ehegattin des Banquier Herz Beer.) 2) Königliche Hof- und Staatsdame, Fräulein von Bischoffswerder. 3) Madame Fetschow, (Wittwe des Banquiers Fetschow.) 4) Kriegsräthin Krahmer. 5) Madame Mendelssohn, (Ehegattinn des Banquiers Joseph Mendelssohn.) 6) Madame Meyer, geborne Mendelssohn. 7) Königliche Hof- und Kammerfrau, Demoiselle Rhode. 8) Fräulein von Röper t. 9) Präsidentin von Scheve, geborne v. Leskow. 10) Demoiselle Türk. 11) Banquier Herz Beer. 12) Banquier Broose. 13) Kaufmann Franke. 14) Professor Gubitz. 15) Brigade-Prediger D. Mann. 16) Hauptmann von Rentzell. 17) Major von Schreiber. 18) General-Inspektor Weymann. II. Ehren-Mitglieder. 1) Majorin von Budberg, geborne von Sobbe. 676
Stellung der Wohltätigkeitsvereine zu den Provinzial-Lazaretten
2) Ober-Konsistorialrath, Propst Ribbeck. 3) Assessor Schlesinger. Quelle: Kurze Darstellung von der Entstehung und dem bisherigen Wirken des Vaterländischen Vereins zur Verpflegung der in den Feldzügen von 1813, 1814 und 1815 hülflos gewordenen Krieger der Berliner Garnison. Nebst der am Geburtsfeste des Königs von Brigade-Prediger Mann gesprochenen Rede. Berlin 1816. Gedruckt bei Georg Decker, Königl. Geh. Ober-Hofbuchdrucker, S. 4–12 (HStA Darmstadt, D22, Nr. 26/1, Bl. 276r–281v).
Stellung der Wohltätigkeitsvereine zu den Provinzial-Lazaretten I) Bestimmungen zur freiwilligen Krankenpflege in den Lazaretten, August 1813 […] 8) Es wird soviel als möglich die Bildung besonderer Wohlthätigkeits-Vereine beför-
dert werden müssen, um die Theilnahme menschenfreundlicher Patrioten an der Krankenpflege rege zu erhalten und die öffentlichen Ausgaben, besonders Rücksichts der Besoldungen von Aerzten, Krankenwärtern und dergleichen zu vermindern. […] Quelle: Auszug aus einem Schreiben des General-Intendanten, Generalmajor Grafen v. Lottum an die Militär-Intendanten. Reichenbach, 9. August 1813. In: Sammlung einzelner Vorschriften, Dienstanweisungen und sonstiger Ausarbeitungen über Verwaltung der Lazarethe bei der Königl. Preuss. Armee. 2. Aufl. Berlin 1815, S. 349; zitiert nach: Ernst Julius Gurlt: Zur Geschichte der internationalen und freiwilligen Krankenpflege im Kriege. Leipzig 1873, S. 224.
II) Festsetzung des Wirkungs-Kreises für die Mitglieder der den einzelnen Lazarethen zur Seite stehenden Wohlthätigkeits-Vereine, September 1813 § 1. Der Wohlthätigkeits-Verein eines jeden Militair-Lazareths bildet sich aus denjenigen Bewohnern der Stadt, die sich ganz besonders durch regen Eifer für das Wohl der kranken und verwundeten Krieger ausgezeichnet haben. Seine eben so ehrenvolle als uneigennützige Bestimmung ist, unmittelbar in Verbindung mit dem ökonomischen und ärztlichen LazarethPersonale zur bestmöglichsten Verpflegung und Wartung der Kranken beizutragen. § 2. Ein jeder Wohlthätigkeits-Verein bestehet wenigstens aus 12 Mitgliedern, in der Regel 4 Hausfrauen und 8 Männern. Ausser diesen Mitgliedern wird ein Vorsteher für jeden Verein ernannt, welcher des öffentlichen Vertrauens in einem vorzüglich hohen Grade geniessen muss. § 3. Die Mitglieder wechseln sich in ihren Geschäften so ab, dass täglich von jedem Vereine drei Mitglieder, nämlich 1 Hausfrau und 2 Männer im Lazarethe thätig sind, so, 677
Patriotische Unterstützungsvereine / Frauenvereine
dass, da sich ihre Anzahl auf 12 beläuft, stets den 4ten Tag die nämlichen die Reihe trifft, im Lazareth gegenwärtig zu sein. Der Vorsteher leitet das Ganze des Vereins, hat sich daher vorzüglich mit den dirigirenden Aerzten, wie auch ersten Oekonomie-Inspektoren über das Wohl der Kranken zu besprechen, und wohnt deshalb auch den verschiedenen Konferenzen bei, die in Lazareth-Angelegenheiten täglich gehalten werden. § 4. Die gerade den Dienst versehenden Mitglieder bleiben den ganzen Tag über im Lazareth gegenwärtig, sorgen für die gehörige Reinlichkeit im Ganzen und Einzelnen, für die gehörige nützliche Anwendung und Aufbewahrung der Utensilien, für die gleichmässige und pünktlich zu den bestimmten Stunden stattfindende Vertheilung der Speisen und Getränke, für die gehörige Zubereitung und Quantität derselben, und überhaupt für alles, was zu einer zweckmässigen Pflege und Wartung der Kranken nach einem billigen und vernünftigen Maassstabe nöthig ist. § 5. Von den 3 Mitgliedern, welche an einem Tage ihre Sorge dem Lazareth widmen, a. inspicirt und specificirt das Eine die Einnahme der freiwilligen Beiträge aller Art an Geld, Utensilien und Lebensmitteln in einem besonders dazu bestimmten Buche. Mit Ablauf des Tages wird die Summe des Eingekommenen zusammengezogen, und das Mitglied unterzeichnet den Abschluss. b. Das andere Mitglied besorgt die Verausgabung aus dem Magazine der freiwilligen Beiträge gegen Quittungen der Ober-Aerzte und Lazareth-Inspektoren. Erstere quittiren über chirurgische, letztere über ökonomische Bedürfnisse. Dasselbe Mitglied zeichnet das Verausgabte in das Ausgabe-Buch. Allwöchentlich am Sonnabend vergleicht der Vorsteher des Vereins die Bücher, um die Balance zu ziehen, und der Direktor macht selbige, nachdem sie dem chirurgischen Staabe zur Genehmigung vorgelegt worden, dem Publikum durch das Intelligenz-Blatt bekannt. c. Die Hausfrau inspicirt die Küche, Wasch-Anstalt und das zu vertheilende Essen, sieht zugleich auf Reinlichkeit, und macht die nöthige Anzeige an den Lazareth-Inspektor oder an den Dirigenten, wenn es ihrem Urtheile nach daran fehlt. § 6. Da es die Absicht der Lazareth-Anstalt ist, die Kranken möglichst schnell zu heilen, und zum Dienste des Vaterlandes wieder tüchtig zu machen, zu diesem Endzweck aber bei weitem vor allem andern das chirurgische Personal und vorzugsweise der LazarethDirigent beitragen kann und muss: so ist es wohl sehr natürlich und billig, dass die Mitglieder des Vereins sich in allen Anordnungen nach ihm zu richten haben, ohne ihm jedoch deswegen gerade untergeordnet zu sein. Sie werden daher, da sie lediglich reger Eifer für das Wohl der kranken Krieger beseelt und auf ihren ehrenvollen Posten gestellt hat, sicher auf das allergenaueste allen Anordnungen des Arztes überall Folge leisten, wogegen sie von dem gesammten dienstthuenden Personal im Lazareth mit Achtung und Zuvorkommenheit behandelt werden. § 7. Durch den Verein gesammelte Geldbeiträge können nicht nach Willkür von demselben verwandt werden; die Bestimmungen hiezu giebt der Dirigent und vorstehende Lazareth-Inspektor, die theils mit den dringendsten Bedürfnissen, theils mit den gesetzlichen Verordnungen bekannt sind. 678
Stellung der Wohltätigkeitsvereine zu den Provinzial-Lazaretten
§ 8. Es ist natürlich, dass die verschiedenen, durch die milden Geber eingesandten Speisen und Getränke, theils einzelnen Kranken vorzugsweise nöthig und nützlich, theils anderen wieder unnöthig und selbst schädlich sind; die Vertheilung derselben darf daher unter keiner Bedingung der Willkühr der Unkundigen überlassen werden. Die Mitglieder des Vereins haben diese Speisen und Getränke von den Einsendern anzunehmen und sie sodann mit Zuziehung der Lazareth-Chirurgen, allenfalls in ihrem Beisein, ver theilen zu lassen. Ein jeder billiger Wunsch deshalb wird nach den Umständen gern erfüllt werden. Sollte der Lazareth-Dirigent gerade gegenwärtig seyn, so kann auch dieser durch die Mitglieder zu Rathe gezogen werden, und wenigstens muss er bei den verschiedenen Kranken-Besuchen der Lazareth-Chirurgen im Allgemeinen angeben, welche Gattungen von Speisen und Getränken den einzelnen Kranken zuträglich oder nachtheilig sind. Das was hierdurch nicht zusammenkommt, wird von der Oekonomie der Anstalt nach der ärztlichen Vorschrift in guter Qualität beschafft. § 9. Ausser den diensthabenden Mitgliedern ist niemanden der Zutritt in das Lazareth erlaubt, der nicht in demselben ordnungsmässig zu thun, oder zuvor eine Erlaubniss vom Lazareth-Dirigenten erhalten hat. Die in den Lazarethen Kommandirten Offiziere haben hierauf genau zu halten. § 10. Sollten die Mitglieder über einzelne Personen, seyen es nur Kranke, Krankenwärter, Wasch- und Koch-Weiber, oder selbst Lazareth-Chirurgen, oder OekonomieInspektoren, Klage zu führen haben, so zeigen sie dieses dem Ober-Arzt der Station oder dem Dirigenten an, welcher verpflichtet ist, die Sache auf frischer That zu untersuchen und mit Zuziehung der Mitglieder des Wohlthätigkeits-Vereins die nöthigen Verweise und selbst Strafen auszutheilen. Sollte endlich ein Mitglied Ursache zu haben glauben, selbst mit dem Lazareth-Dirigenten, oder vorstehenden Lazareth-Inspektoren unzufrieden zu seyn: so hat es sich entweder an den chirurgischen Staab unsers Gouvernements, bestehend aus dem OberstaabsChirurgus Welle und Ober-Lazareth-Inspektor Schirmer, oder unmittelbar an den Königl. dirigirenden Divisions-General-Chirurgus Dr. Gräfe zu wenden, welchem die Inspektion über die sämmtlichen Provinzial-Lazarethe zwischen der Elbe und Weichsel aufgetragen worden ist. Da uns an der Verbesserung des Lazareth-Wesens äusserst viel gelegen ist, so werden wir allem, was darauf Bezug hat, wie bisher, eine vorzügliche Aufmerksamkeit widmen, und glauben durch diese Einrichtung vorzüglich in der Rücksicht Gutes zu stiften, weil dadurch immer mehr Achtung, Vertrauen, Liebe und Theilnahme an der guten Sache, welche die Verwaltung in Händen hat, eingeflösst wird. Berlin, den 14ten September 1813. Allerhöchstverordnetes Militair-Gouvernement für das Land zwischen der Elbe und Oder. (gez.) L’Estocq. Sack. 679
Patriotische Unterstützungsvereine / Frauenvereine
Quelle: Sammlung einzelner Vorschriften, Dienstanweisungen und sonstiger Ausarbeitungen über Verwaltung der Lazarethe bei der Königl. Preuss. Armee. 2. Aufl. Berlin 1815, S. 363; zitiert nach: E. Gurlt: Zur Geschichte der internationalen und freiwilligen Krankenpflege im Kriege. Leipzig 1873, S. 225–227.
III) Bekanntmachung des Militär-Gouvernements des Landes zwischen Elbe und Oder, April 1814 Es gereicht uns zur besondern Freude, fortdauernd der thätigen Theilnahme ehrend erwähnen zu können, welche das Schicksal der in den Lazareth-Anstalten befindlichen kranken und verwundeten Vaterlandsvertheidiger findet. Die Gaben welche einzelne Wohlthäter hier, in den Provinzen und im Auslande den hiesigen bedeutenden Lazareth-Anstalten, und den in denselben befindlichen Kriegern bisher gewidmet haben, sind unter der strengsten Aufsicht pflichtmässig verwendet worden, es ist aber dabey weniger auf das Bedürfniss der einzelnen Kranken und Verwundeten, als das der Lazareth-Anstalten im Ganzen Bedacht genommen worden, und zwar aus der Absicht, dass, wo dem letzteren gründlich abgeholfen wird, auch jeder Einzelne, in jedem der verschiedenen Lazarethe auf eine gleichmässige Art den Nutzen davon empfindet. Auf diesem Wege ist des Guten hier sehr viel gewirkt, und es bey der seitdem sehr verminderten Anzahl der Kranken jetzt möglich geworden, die einzelnen Kranken und Verwundeten zum Gegenstand wohlthätiger Fürsorge zu machen, und damit den Wünschen derjenigen Geber zu entsprechen, welche eine solche unmittelbare Verwendung für die Kranken und Verwundeten vorziehen, und deshalb ihre Geldbeyträge dem allgemeinen Fonds nicht darbringen, da sie dieselben auf dem vorerwähnten Wege nicht verwendet zu sehen wünschen. Unter diesen Umständen haben wir beschlossen, die Verwendung sämmtlicher bey uns und den Provinzial-Behörden vom 1sten v. M. ab, eingegangenen und ferner eingehenden freywilligen Geldbeyträge für die Lazareth-Anstalten, und die darin befindlichen Kranken und Verwundeten einer eigenen Commission anzuvertrauen, welche unter unsrer obersten Leitung bestehen wird: aus dem Herrn Major von Zechlin, dem Krieges- und Domainen-Rath Herrn Bergmann, als demjenigen, welcher in dem Büreau des Provinzial-Intendanten Regierungsrath Carow die Lazarethsachen bearbeitet, und auf diese Weise mit der allgemeinen Lazareth-Verwaltung die nöthige Verbindung erhält; dem Königl. Ober-Staabs-Chirurgus Herrn Welle, dem Königl. Hofmarschall Herrn Grafen v. d. Gröben, Vorsteher des Wohlthätigkeits-Vereins im Lazareth am Schlesischen Thore, dem Kaufmann Herrn Welper, als Vorsteher des Wohlthätigkeits-Vereins im Lazareth der Garde-Caserne, und dem Stadtverordneten Herrn Laspeyres. Diese Commission wird pflichtmässig und nach bester Ueberzeugung die eingegangenen freywilligen Geldbeyträge für die Verwundeten und Kranken der sämmtlichen La680
Stellung der Wohltätigkeitsvereine zu den Provinzial-Lazaretten
zareth-Anstalten verwenden, und alle 14 Tage, wie dieses geschehen, öffentlich bekannt machen. Die zweckmässigste Benutzung wird im Allgemeinen sich jetzt darauf erstrecken, dass für eine passende gute Bekleidung der Kranken und Verwundeten in den Lazarethen, also für Krankenmäntel, Pantalons, Pantoffeln etc., für die nöthige Stärkung derselben, wie sie nach dem Ermessen des Arztes eintreten kann, und hiernächst nach Möglichkeit dafür gesorgt wird, dass Invaliden, wenn sie aus dem Lazareth ins Land zurückgeschickt werden, aus diesem Fonds eine Unterstützung gegeben wird und zwar a) einem blessirt gewesenen, der einen Fuss verloren hat, 10 Thlr., b) dem, der einen Arm verloren 10 Thlr., c) dem, welcher durch schwere Verletzung den Gebrauch eines Gliedes verlor, oder einen bleibenden Nachtheil an seiner Gesundheit gelitten 6 Thlr., und d) jedem andern aus dem Lazareth in seine Heimath zurückkehrenden Invaliden 3 Thaler. Dadurch, dass die Vorsteher der Wohlthätigkeits-Vereine, oder diejenigen, welche sie aus demselben an ihre Stelle dazu deputiren möchten, an dem Geschäft dieser Commission unmittelbaren Theil nehmen, wird eine gleichmässige Verwendung der eingehenden Geldbeyträge sehr erleichtert, und es kann fortan nicht in einem Lazareth an etwas fehlen, was in dem andern vielleicht im Ueberfluss durch die Wohlthätigkeit Einzelner angeschafft worden ist. Wir dürfen daher auch mit Recht erwarten, dass nunmehr das einzelne Verwenden baaren Geldes für die Kranken und Verwundeten wegfallen und jeder es vorziehen wird, dieser Commission die Verwendung zu überlassen, daher denn auch alles und jedes Sammeln baaren Geldes für die Verwundeten, namentlich durch die Wohlthätigkeitsund andere Vereine und durch Privatpersonen, wie es auch geschehe, von jetzt ab völlig aufhören soll, wenn diese Vereine oder Privatpersonen nicht durch uns dazu eine Authorisation erhalten haben, welche wir nicht, ohne diese Commission gehört zu haben, ertheilen werden, damit dieselbe in den Stand gesetzt wird, sich in einer vollständigen Uebersicht über alle freywilligen Geldbeyträge für die Verwundeten und Kranken und deren Verwendung zu erhalten. Uebrigens soll die öffentliche Anzeige der eingegangenen Beyträge durch die Commission von jetzt ab erfolgen. Berlin, den 6ten April 1814. Allerhöchst verordnetes Militair-Gouvernement des Landes zwischen Elbe und Oder. v. L’Estocq. Bülow. Quelle: Berliner Intelligenz-Blatt, 1814, S. 1208; zitiert nach: Ernst Julius Gurlt: Zur Geschichte der internationalen und freiwilligen Krankenpflege im Kriege. Leipzig 1873, S. 324–326.
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RESSOURCEN / GESELLIGKEITSVEREINE
Casino-Gesellschaft Grundgesetze für die Casino-Gesellschaft, 1809 Ueber sicht des Inhalts. Er ster Abschnitt. Zweck der Casinogesellschaft und deren allgemeine Einrichtung. §. 1. Zweck derselben. §. 2. Entfernung einer lästigen Etiquette. §. 3. Local zu den Versammlungen. §. 4. Direction. §. 5. Verkündigung der allgemeinen Versammlungen, und ihrer Gegenstände. §. 6. Ordnung derselben. §. 7. Art der Verhandlungen. §. 8. Abfassung und Entscheidung des Vorschlags. §. 9. Anerkennung der erklärten Entscheidung als Gesetze. §. 10. Unterbrechung der vorgeschriebenen Ordnung. §. 11. Einkommende Gelder. §. 12. Wohlthätigkeitskasse. §. 13. Disposition hierüber. §. 14. Gesellschafts-Stempel und Petschaft. §. 15. Das Archiv. §. 16. Zusätze und Abänderungen der Gesetze. §. 17. Aufhebung der Gesellschaft und Anwendung ihres Eigenthums. Zweiter Abschnitt. Erwählung der Mitglieder, ihre Rechte und Pflichten. §. 18. Rechte und Verpflichtungen der Mitglieder im Allgemeinen. §. 19. Nothwendige Eigenschaften eines Candidaten. §. 20. Eintheilung der Klassen. §. 21. Gehören in die erste. §. 22. Gehören in die zweite. 682
Casino-Gesellschaft
§. 23. Gehören in die dritte. §. 24. Uebertritt von der ersten zur zweiten, oder von dieser zu jener. §. 25. Rechte und Verbindlichkeiten der Mitglieder erster Klasse. §. 26. Dauer dieser Verbindlichkeiten. §. 27. Vom Einführen der Fremden und ihrer Befugnisse. §. 28. Verhältnisse der Mitglieder zweiter Klasse. §. 29. Verhältnisse der Mitglieder dritter Klasse. §. 30. Vorausgesetzte Bedingung bei dem Vorschlag eines Candidaten. §. 31. Wie der Vorschlag geschehen soll. §. 32. Tag des Ballotements und Anschlagen der Nahmen des Candidaten. §. 33. Erforderliche Anzahl stimmberechtigter Personen zur Aufnahme eines Mitglieds. §. 34. Verfahren beim Ballotement. §. 35. Dauer desselben. §. 36. Von der Eröffnung des Kastens währen dem Ballotement und Entscheidung der Kugel. §. 37. Von der Eröffnung des Kastens zur bestimmten Zeit. §. 38. Von der Aufnahme oder Verwerfung des Candidaten. §. 39. Resultat des Ballotements. §. 40. Von dem erneuerten Vorschlag eines schon ausballotirten Candidaten. §. 41. Von der Zurückweisung eines Vorschlags zur Aufnahme eines Candidaten. §. 42. Ausübung des Stimmrechts abwesender Mitglieder. §. 43. Eintrittsgeld der Mitglieder. §. 44. Beiträge derselben. §. 45. Zutritt zu der Gesellschaft für die neu aufgenommenen Mitglieder. §. 46. Unterzeichnung der Gesetze. §. 47. Pränumeration der Beiträge. §. 48. Die Einforderung derselben findet nicht statt; Verfahren gegen die zahlungssäumigen Mitglieder. §. 49. Vom Streichen der Restanten. §. 50. Verlust des Antheils an den gesellschaftlichen Eigenthum. §. 51. Ausgeschlossene Mitglieder. §. 52. Von dem Zutritt und Aufenthalt. §. 53. Benutzung des Eigenthums. §. 54. Scheidung aus der Gesellschaft. §. 55. Scheidung aus der Gesellschaft auf unbestimmte Zeit. Dr itter Abschnitt. Direction. §. 56. Anzahl der Directoren. §. 57. Anzahl der Directions-Assistenten. §. 58. Wahl des Ausschusses. 683
Ressourcen / Geselligkeitsvereine
§. 59. Geschäfte der Direction im Allgemeinen. §. 60. Vertheilung der verschiedenen Directions-Geschäfte. §. 61. Versammlung der Direction. §. 62. Von dem Vorsitz. §. 63. Von der erforderlichen Anzahl anwesender Mitglieder der Direction zu einem gültigen Beschluss. §. 64. Provisorische Verfügungen. §. 65. Vom Protocoll der Directionsversammlungen. §. 66. Vom Rechenschaftgeben der Verhandlungen. §. 67. Ertheilung der Instructionen für den Oeconomen und die Aufwärter. §. 68. Geschäfte des Rechnungsführers. §. 69. Hebung der einkommenden Gelder und Führung der Zahlungsbücher. §. 70. Von der Bezahlung der etatmässigen Posten, und von der Ueberschreitung der Einnahme. §. 71. Belegung der Ausgaben durch Quittungen. §. 72. Hauptrechnung über Einnahme und Ausgabe. §. 73. Geschäfte des Secretairs. §. 74. Dessen fernere Obliegenheiten. §. 75. Geschäfte des Bibliothekars. §. 76. Obliegenheiten des Censors. §. 77. Obliegenheiten des Intendanten. §. 78. Obliegenheiten des Administrators. §. 79. Eingriff in eines andern Verwaltung. §. 80. Alle Glieder der Direction müssen sich bei der allgemeinen Versammlung einfin den. §. 81. Vom Annehmen oder Ausschlagen der Wahlen. §. 82. Dauer der Verantwortlichkeit der Directoren. §. 83. Von dem Ausschuss. §. 84. Versammlung des Ausschusses. §. 85. Befugnisse des Ausschusses. §. 86. Vom Einhohlen der Meinung der Gesellschaft. §. 87. Von der erforderlichen Anzahl anwesender Mitglieder des Ausschusses zu einem gültigen Beschluss. Vier ter Abschnitt. Oeconomie der Gesellschaft und ihre Unterhaltungen. §. 88. Anstellung eines Oeconomen. §. 89. Anstellung eines Bedienten. §. 90. Von dem Donnerstags-Diner. §. 91. Unterhaltungen der Gesellschaft und Untersagung der Hazard-Spiele. §. 92. Vom Lese- und Landkarten-Zimmer. 684
Casino-Gesellschaft
§. 93. Von den übrigen Zimmern. §. 94. Stöhrung der Lesenden zu vermeiden. §. 95. Wiederhinlegen der Bücher und Zeitschriften. §. 96. Schreibgeräthe zum Excerpiren. §. 97. Bedingungen beim Leihen einer Schrift. §. 98. Erstattung des verlohrnen, beschädigten oder vernichteten Eigenthums der Ge sellschaft. §. 99. Wegtragen der Schriften. §. 100. Tarif der Speisen und Getränke. §. 101. Baare Bezahlung der Bedürfnisse. §. 102. Bezahlung der Karten. §. 103. Aufstellen der Billards. §. 104. Vom Trictrac-, Toccadille-, Schach- und anderen Brett-Spielen. §. 105. Verschicken der Bedienten aus dem Hause. §. 106. Vom Hereingehen der Bedienten in die Gesellschaftszimmer. §. 107. Wem Vorschläge einzureichen sind. §. 108. Ablegen der Mäntel oder der Ueberröcke in der Entrée. §. 109. Untersagung des Tabackrauchens und des Mitbringens der Hunde. ________ Er ster Abschnitt. Zweck der Casino-Gesellschaft und deren allgemeine Einrichtung. §. 1. Bei Errichtung des Casino hat man hauptsächlich beabsichtiget, den Genuss gesellschaftlicher Unterhaltung und erlaubter Vergnügungen, desgleichen Erwerbung und Mittheilung gemeinnütziger Kenntnisse durch Vereinigung der verschiedenen gebildeten Stände zu befördern. §. 2. Da sich mit diesem Zwecke die Beobachtung einer lästigen Etiquette nicht vertragen würde: so ist als ein unabänderlicher Grundsatz angenommen worden, dass aller Zwang, welcher daraus und aus der Verschiedenheit des Standes und Ranges entstehen kann, nicht Statt finden dürfe, sondern stets davon entfer nt bleiben müsse. Dass jedes Mitglied der Gesellschaft die gewöhnlichen Gesetze der Höflichkeit gern beobachten wird, versteht sich von selbst, wie auch, dass die Freiheit des Einen nicht zur Unbequemlichkeit des Ander n gereichen soll. §. 3. Die Gesellschaft bestimmt zu dem Ende ein schickliches Local zu ihrem gemeinschaftlichen Versammlungsorte, das allen Mitgliedern und eingeführten Fremden täglich offen stehen soll. Sie trifft in demselben die Einrichtung zu Unterhaltungs-, Spiel- und 685
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Lesezimmern, und sorgt für Bewirthung. Ihre Kasse erwächst aus den sämmtlichen Eintrittsgeldern und Beiträgen ihrer Mitglieder, welche zur Unterhaltung der ganzen Anstalt, zum Nutzen, Unter r icht und Vergnügen der gesammten Gesellschaft, so wie zu wohlthätigen Absichten verwendet werden soll. Zu diesem leztern Behuf wird der 4te Theil dessen bestimmt, was von der laufenden Einnahme eines jeden Jahres überschiesset. Um dieses Viertheil zu bestimmen, ist dasjenige vorher abzuziehen, was als Ueberschuss von vergangenen Jahren oder an vorräthigen Capitalien in der Rechnung zur Einnahme gebracht worden. §. 4. Die Gesellschaft erwählt jährlich aus ihrer Mitte eine Anzahl Vorsteher, welche für gute Ordnung und Beobachtung ihrer Gesetze, für Bewahrung und zweckmässige Verwendung ihres Eigenthums sorgt, ihre Geschäfte verwaltet, und ihre Unterhaltung anordnet, auch sie zu allgemeinen Versammlungen nach Erforderniss der Umstände beruft. §. 5. Drei Wochen vor jeder Versammlung verkündiget die Direction den dazu bestimmten Tag vermittelst Anschlags, an einer in den Gesellschaftszimmern aufgehängten Tafel, mit der Bemerkung, bis zu welcher Zeit Vorschläge eingereicht werden können. Am letzten Donnerstag des Monats Februar jeden Jahres, wird Nachmittags um 4 Uhr eine bestimmte allgemeine Versammlung gehalten, wobei alle bisherigen Vorsteher der Anstalt, ohne hinlängliche – anzuführende Beweggründe, nicht ausbleiben dürfen. Es werden alsdann: a) die Rechnungen des verflossenen Jahres, die Catalogen der Bücher und Landkarten und das Inventarium der Mobilien durchgesehen, und wenn solche richtig befunden, bestätigt. b) der Zustand der Kasse erwogen; c) der durch die Direction ausgearbeitete Ueber schlag von den Ausgaben bis zur nächsten allgemeinen Versammlung geprüft und festgesetzt; d) wie der zu wohlthätigen Absichten bestimmte Ueberschuss anzuwenden sey, entschieden; e) die besondern Vorschläge der Direction, auch einzelner Mitglieder zur Wissenschaft, Berathschlagung und Entscheidung der Gesellschaft gebracht, und f) die Wahl bekannt gemacht, welche die stimmberechtigten Mitglieder für die neue Direction getroffen haben. §. 6. Alle diese Geschäfte und Vorträge werden in der Ordnung, wie sie vorkommen sollen, von der Direction, und zwar wenigstens 8 Tage vorher an die Versammlungsorte, vermittelst Anschlags an einer Tafel angezeigt. Vorschläge einzelner Mitglieder müssen der 686
Casino-Gesellschaft
Direction zuvor mitgetheilt werden, damit solche mit ihrem Gutachten oder Gegenbemerkungen begleitet, und auf diese Weise gleich den übrigen Gegenständen vorgetragen werden, ohne dass das Mitglied, welches den Vorschlag gethan, vor dem darüber zu nehmenden Beschluss, genannt werden darf. §. 7. In diesen Generalversammlungen führt Einer der Directoren das Wort, und darf nicht unterbrochen werden. Vor der Abstimmung kann aber jedes Mitglied nach der Reihe von der rechten zur linken seine etwa entgegengesetzte Ansicht des verhandelten Gegenstandes bekannt machen, oder ein grösseres Licht darüber zu verbreiten suchen. §. 8. Jeder Vorschlag soll kurz gef asst, der Sinn desselben bestimmt, und deutlich ausgedrückt, und die auf Ja und Nein zu reducirende Frage durch die Kugelung entschieden werden, bei gleicher Anzahl bejahender und verneinender Stimmen giebt das Gutachten der Direction den Ausschlag. §. 9. Die erklärte Entscheidung der Generalversammlung wird unter Beifügung der Anzahl der gegenseitigen Stimmen im Directionsprotokoll eingetragen, demnächst den schon bestehenden Gesetzen nach Erforderniss beigeschrieben, und ist sofort verbindendes Gesetz für alle Mitglieder. §. 10. Man erwartet von der Bescheidenheit eines jeden Mitglieds, dass weder in den Vorträgen Anzüglichkeiten eingemischt; die Reden eines Andern unterbrochen; die Stimmen zu leiten versucht; die Entscheidung der Gesellschaft verworfen, noch die Ordnung der Vorträge und Berathschlagungen gestöhrt werden kann. Sollte es wider Vermuthen dennoch geschehen, so wird sich ein solches Mitglied gefallen lassen müssen, dass der wortführende Director ihn auf den Inhalt dieses §. verweise. §. 11. Alle einkommende Gelder der Gesellschaft werden von den Oeconomen erhoben und bescheinigt; dieser berechnet sich darüber mit dem Director, welcher die Verwaltung der Kasse übernommen hat. §. 12. Die Gesellschaft hat eine Wohlthätigkeitskasse. Diese erwächst aus den freiwilligen Beiträgen ihrer Mitglieder und der eingeführ ten Fremden, und aus den einkommenden Strafen der zahlungssäumigen, oder der sich gegen die Gesetze vergehenden Mitglieder. Den Nutzen dieser Kasse zu befördern ist demjenigen Director 687
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empfohlen, welchem die specielle Censur über alle Vorfälle, die mit den Gesetzen der Gesellschaft in Widerspruch sind, obliegt. §. 13. Die Disposition über diese mit eben so vieler Oekonomie als Milde zu verwaltende Kasse behält sich die Gesellschaft uneingeschränkt vor, es müsste denn eine sehr schleunige Hülfe nothwendig seyn, in welchem einzigen Falle der Direction nach ihrem Ermessen darüber zu verfügen überlassen ist. §. 14. Die Gesellschaft hat ein angenommenes Petschaft und einen Stempel. Ersteres wird durch den Director, welcher das Secretariat verwaltet, aufbewahrt, und darf nur von der Direction gebraucht werden; der Stempel bleibt in Händen des Bibliothekars der Gesellschaft, um die angeschafften Bücher und Monatsschriften zu bezeichnen. §. 15. Die Hauptbücher der Gesellschaft, ihre Urkunden, Verträge und andere wichtige Schriften sollen in dem Archive aufbewahrt werden, und unter der besondern Aufsicht des Sekretariats stehen. §. 16. Die Gesellschaft behält ihren jetzigen und künftigen Mitgliedern das Recht vor, ihre Gesetze und Verfassung nach Gutbefinden, Umständen und Bedürfnissen in Folge eines, nöthigen Falls von der Direction zu machenden Entwurfs, durch Stimmenmehrheit in einer Generalversammlung zu verändern. §. 17. Sollte die Gesellschaft nach einem durch die Mehrheit der Stimmen gefassten Beschlusse, oder aus einer durch zufällige Umstände erzeugten Nothwendigkeit dereinst auseina nder zu gehen veranlasst werden, so kann das gemeinschaftliche Eigenthum derselben nicht unter die Mitglieder vertheilt, sondern es soll wieder zu der Absicht, welche in der letzten Versammlung des Casino genehmigt werden wird, angewandt werden. Zweiter Abschnitt. Erwählung der Mitglieder, ihre Rechte und Pflichten. §. 18. Alle Mitglieder des Casino haben im Allgemeinen gleiche Rechte und Verpflichtungen, diejenigen Fälle ausgenommen, welche durch die nachfolgenden Gesetze besonders und ausdrücklich bestimmt sind.
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§. 19. Bei der Annahme eines Mitglieds wird nicht auf Stand, sondern nur darauf gesehen, dass es Eigenschaften besitze, welche seinen Umgang nützlich und angenehm machen. §. 20. Die Gesellschaft theilet sich in drei Klassen von Mitgliedern ein: a) die verbindlichen stimmberechtigten und wahlfähigen Mitglieder auf unbestimmte Zeit machen die er ste Klasse der Gesellschaft aus; b) die Mitglieder auf unbestimmte Zeit, welche weder stimmberechtigt noch wahlfähig sind, gehören zur zweiten Klasse der Gesellschaft; c) die Mitglieder auf bestimmte Zeit machen die dr itte Klasse der Gesellschaft aus. Die Zeit ihres Bleibens in dieser Klasse ist auf sechs Monate bestimmt. Nach Ablauf dieser Zeit müssen sie, wenn sie ferner bei der Gesellschaft bleiben wollen, sich zur Aufnahme in die erste oder die zweite Klasse melden. §. 21. Wer in Berlin wohnhaft ist, und ein Mitglied des Casino zu werden wünscht, muss sich zur Aufnahme in die er ste Klasse melden. Gesandte, Gesandtschaftsräthe und Sekretarien, Chargé d’Affaires und Residenten fremder Höfe an dem hiesigen, werden als Bewohner von Berlin behandelt, so lange sie sich hier aufhalten. Mit dem in Berlin garnisonirenden Militair hat es dieselbe Bewandniss. §. 22. Wer ausserhalb Berlin wohnt, und nicht über die Hälfte des Jahr s in Berlin zubr ingt, eignet sich zum Mitglied zweiter Klasse. §. 23. Fremde oder Preussische Unterthanen, welche nur zuf ällig nach Berlin kommen, können sich zur Aufnahme in die dr itte Klasse melden. §. 24. Ein Mitglied der ersten Klasse kann sich, wenn es seinen Wohnort Berlin verändert, in die zweite Klasse einschreiben lassen, sobald es seinen Wunsch der Direction schriftlich anzeigt, und der Wahlfähigkeit zu Aemtern des Casino (weil diese eine beständige Anwesenheit in Berlin voraussetzt) entsagt. Gleichergestallt soll es den Mitgliedern von der zweiten Klasse freistehen, in die erste Klasse zu treten, sobald sie die Verbindlichkeiten dieser Klasse zu übernehmen sich erbieten, und brauchen selbe alsdann nicht wieder ballotirt zu werden.
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§. 25. Nur die Mitglieder er ster Klasse haben das Recht, die Direction zu wählen, die Personen zur Aufnahme als Mitglieder in den drei Klassen vorzuschlagen, und vermittelst des Ballotements aufzunehmen, auch Fremden [!] in die Gesellschaft einzuführen. Sie allein stimmen und entscheiden in allen gesellschaftlichen Angelegenheiten ohne Ausnahme. Sie allein stehen der von ihnen erwählten Direction des Casino sowohl für die Kosten, welche mit dem zum gesellschaftlichen Gebrauch gemietheten Locale verbunden sind, als für die Sicherheit der etwa contrahirten Schulden ein, und sind deshalb die Verbindlichen. §. 26. Alle Verbindlichkeiten der Mitglieder erster Klasse hören mit ihrem Austritt aus dieser Klasse auf. Es kann sich jedoch kein Mitglied durch seine Scheidung aus der Gesellschaft ihnen entziehen, wenn dasselbe durch die Direction früher darum in Anspruch genommen worden, als erwähntes Mitglied abgehen zu wollen sich erklärte. §. 27. Ein Mitglied, welches einen Fremden einführt, ist verbunden, dessen Namen, Stand und Wohnung in das vorhandene Buch einzuzeichnen, ihn den anwesenden Mitgliedern zu präsentiren, und dafür einzustehen, daß er ein Mann sey, von welchem ein anständig gesittetes Betragen im Versammlungshause der Gesellschaft erwartet werden könne. Ein solcher eingezeichneter und präsentir ter Fremder erhält hierdurch die Befugniss, das Casino vom Tage der Einführung an, drei Wochen lang hintereinander besuchen, und dessen Anstalten zum Unterricht und Vergnügen benutzen zu dürfen; doch kann dieser Zutritt, für welchen der Fremde nach Belieben etwas in die Wohlthätigkeitskasse giebt, ihm nur einmal, in einem Jahre bewilliget werden. §. 28. Die Mitglieder zweiter Klasse haben keine Verbindlichkeiten in Rücksicht des Contracts wegen des zum gesellschaftlichen Gebrauch gemietheten Locale und der daraus entstehenden weiteren Kosten, wie auch wegen der etwan von der Direction Namens der Gesellschaft aufgenommenen Capitalien. Sie haben aber dagegen nicht das Recht, an der Erwählung der Direction Theil zu nehmen, auch Personen zu Mitgliedern vorzuschlagen, oder zu deren Erwählung mitzuwirken. Sie dürfen keinen Fremden in die Gesellschaft einführen, welches lediglich der er sten Klasse zukömmt. Jedoch werden sich die Mitglieder der ersten Klasse ein Vergnügen daraus machen, die ihnen bekannten Fremden einzuführen, wenn sie von einem Mitgliede der zweiten Klasse darum ersucht werden; auch können die Glieder dieser letztern in keiner Gattung von gesellschaftlichen Angelegenheiten mitstimmen, und zu keiner Direction erwählt werden. 690
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§. 29. Die Mitglieder dr itter Klasse geniessen dieselben Annehmlichkeiten gleich den Mitgliedern der zweiten Klasse. Nur müssen sie diese Vortheile auf ein halbes Jahr einschränken; dagegen sind sie zu Bezahlung eines Eintrittsgeldes nicht verpflichtet, sondern entrichten überhaupt nur auf die ganze Zeit der sechs Monate, welche für diese Klasse bestimmt ist, Sechs Thaler in klingendem Courant. §. 30. Niemand soll zum Mitglied vorgeschlagen werden, für dessen Wunsch der Gesellschaft beizutreten, der Proponirende nicht bürget, und welchem nicht zuvor ihre Gesetze und die Bedingungen der Aufnahme hinlänglich bekannt gemacht worden sind. Damit aber auch ein jeder welcher mit der Anstalt unbekannt ist, sich eine richtige Vorstellung von den Annehmlichkeiten machen könne, welche die Gesellschaft darbietet, so ist es den Mitgliedern er ster Klasse erlaubt, diejenigen Bewohner Berlins, nur für einen Tag einzuführen, welche sich wahrscheinlich um die Aufnahme bewerben mögten; die in gedachter Absicht eingeführten Personen werden aber nicht in das Fremden-Buch eingezeichnet, sondern blos den anwesenden Mitgliedern präsentirt. §. 31. Wer zum Mitgliede des Casino aufgenommen zu werden wünschet, muss sich deshalb bei einem der Mitglieder der er sten Klasse melden. Dieses giebt sodann einem der Directoren einen Zettel folgenden Inhalts: Herr N. N. (hier muss der volle Nahme, Stand oder Beruf des Candidaten aufgeschrieben seyn, und wenn er ausserhalb Berlin wohnet, auch sein gewöhnlicher Wohnort mit bemerket werden) bittet um die Aufnahme zum Mitgliede des Casino (erster, zweiter, dritter Klasse) durch N. N. Diesen Zettel, wovon gedruckte zum Ausfüllen eingerichtete Formulare bei dem jedesmahligen Oekonomen abgefordert werden können, heftet der Director, dem er zugestellt worden, auf dem Casino an, schreibt unter denselben den Tag, an welchem über den Candidaten ballotirt werden soll, und unterschreibt ihn mit Bemerkung des Tages, an welchem er ihn angeschlagen. §. 32. Zum Ballotiren über die Candidaten ist der Donner stag festgesetzt. Es muss aber der Name des Candidaten zur er sten und zweiten Klasse wenigstens 8 Tage angeschlagen seyn, damit sein Gesuch und der Tag, an welchem darüber entschieden werden soll, hinlänglich bekannt werden könne; folglich darf über den, der sich später als an einem Donnerstage meldet, erst am folgenden Donnerstage über 8 Tage ballotirt werden. Die Kugelung über Mitglieder zur dr itten Klasse, muss aber wenigstens drei Tage vorher, folglich mit Einschluss des Tages, an welchem sie vorgenommen wird, Vier Tage durch den Anschlag angekündigt seyn. 691
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§. 33. Zur Aufnahme eines Mitglieds zur er sten und zweiten Klasse wird erfordert, dass wenigstens Acht und Zwanzig stimmberechtigte Personen Kugeln eingelegt haben, desgleichen müssen über die Aufnahme zum Mitgliede der dritten Klasse 21 Mitglieder der er sten Klasse ballotiren. §. 34. Damit bei der Kugelung keine Irrungen vorgehen, muss ein jeder der die Kugel einlegt, seinen Namen auf das Ballotements-Protocoll schreiben, und es muss beständig einer der Directoren oder ein Directions-Assistent dabei gegenwärtig seyn, welcher jedem Stimmfähigen die Kugel einzeln in die Hand giebt, und dafür sorgt, dass der Votirende das Protocoll unterschreibe. Ueber jede Kugelung wird ein besonderes Protocoll abgehalten. §. 35. Die Ballotements fangen Mittags 12 Uhr an, und werden um 9 Uhr Abends geschlossen, es sey denn, dass die zur Aufnahme eines Mitglieds vorgeschriebene Anzahl der stimmberechtigten Personen noch nicht beieinander wären, in welchem Falle am folgenden Tage mit dem Ballotement von 12 Uhr an fortgefahren werden soll, bis dass solches vollzählig sey, in der Zwischenzeit aber soll der Kasten weggeschlossen werden. §. 36. Während dem Ballotement darf der Kasten von Niemanden, auch von keinem der Directoren oder Directions-Assistenten eröffnet werden; folglich kann auch nicht darauf geachtet werden, wenn einer der Stimmberechtigten angeben sollte, dass er sich versehen, und mehr wie eine Kugel, oder aber, wieder Willen die seinige links oder rechts eingeworfen habe; sondern jede Kugel entscheidet von dem Augenblicke an, da sie in den Kasten gelegt ist, unwider r uflich. §. 37. D i e Eröffnung des Kastens geschiehet von dem Director oder DirectionsAssistenten, welcher dem Ballotement vorgestanden, in Gegenwart wenigstens zwei anderer Mitglieder der er sten Klasse. Vor der Eröffnung werden die Unterschriften des Ballotementsprotocolls gezählt. Trifft die Zahl der Kugeln damit überein, so ist das Ballotement ohne Fehler. Ist dazwischen ein Unterschied, oder findet sich der Name eines Mitgliedes, das kein Recht zum Stimmegeben hatte, auf dem Protocolle, so kömmt es darauf an, ob ohne diesen Irrthum das Resultat des Ballotements anders hätte ausfallen können. Ist dieses nicht, so bleibt die Kugelung gültig. Im entgegengesetzten Fall aber ist das Ballotement für nicht geschehen zu achten, und es muss am nächstfolgenden Donnerstag von neuem ballotirt werden. 692
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§. 38. Bei der Wahl eines Mitgliedes zur ersten und zweiten Klasse schliesset ein Viertheil der Kugeln, und bei der Wahl eines Mitgliedes zur dritten Klasse ein Drittheil der Kugeln aus. Sobald sich nicht ein volles Viertheil von der gesammten Anzahl der eingelegten Kugeln auf der negativen Seite befindet, ist der Candidat zur ersten oder zweiten Klasse angenommen. §. 39. Das Resultat des Ballotements wird, so wie auch der dabei etwa vorgekommene Irr thum, unter das Protocoll gesetzt, und dieses von dem Director, oder dem DirectionsAssistenten und von zwei andern Mitgliedern der ersten Klasse, als Zeugen, unterschrieben. §. 40. Ein Candidat, dessen Aufnahme durch die Kugelung verweigert worden, darf in den nächsten Hundert Drei und Achtzig Tagen nicht wieder angeschlagen werden; und wer dreimal proponirt und dreimal ausballotirt worden, soll nie wieder in Vorschlag gebracht, oder zur Gesellschaft des Casino zugelassen werden. §. 41. Nur in dem Falle, dass die vorhin bestimmte Zeit von Hundert Drei und Achtzig Tagen noch nicht abgelaufen wäre, darf ein einzelner Director den an ihn gebrachten Vorschlag eines Candidaten für sich zurückweisen. In jedem andern Falle, wenn er den Vorschlag nicht für zulässig ansehen sollte, muss er mit sämmtlichen übrigen Directoren, so viel davon in der Stadt gegenwärtig seyn werden, Rücksprache halten, und wenn diese durch Mehrheit der Stimmen sodann seiner Meinung beipflichten, so wird solches dem Mitgliede, das den Vorschlag gethan hat, zu erkennen gegeben, und ihm überlassen, sich allenfalls die Entscheidung der ganzen Gesellschaft zu erbitten. §. 42. Abwesende Mitglieder der ersten Klasse können auf keine Weise, auch nicht durch einen Bevollmächtigten ballotiren; wer also sein Stimmrecht ausüben will, muss persönlich erscheinen. §. 43. Jedes aufgenommene Mitglied der ersten oder der zweiten Klasse zahlt binnen 8 Tagen nach seiner Aufnahme das Eintrittsgeld mit Sechs Thaler in klingendem Courant an die Gesellschaftskasse, für dessen sichere und prompte Entrichtung derjenige haftet, welcher das neue Mitglied in Vorschlag gebracht hatte.
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§. 44. Ausser dem Eintrittsgelde sind noch folgende Beiträge festgesetzt: a) Für jedes Mitglied der ersten Klasse vierteljährlich Fünf Thaler in klingendem Courant, und wird das Vierteljahr, in welchem das Mitglied aufgenommen worden, für voll gerechnet. b) Für jedes Mitglied der zweiten Klasse halbjährig Sechs Thaler in klingendem Courant. Ein Mitglied der zweiten Klasse ist schuldig, bei seiner Aufnahme Jemand zu nennen, der in seiner Abwesenheit den halbjährigen Beitrag zur Verfallzeit für ihn bezahlt, und den Namen dieses seines Geschäftsträgers in die dazu bestimmte Columne des Zahlungsbuches einzuschreiben. §. 45. Ein neu angenommenes Mitglied erhält nicht eher den Zutr itt zur Gesellschaft, als bis er zuvor durch Zahlung des Eintrittsgeldes die Rechte älterer Mitglieder erworben, und zwar a) das Mitglied der er sten Klasse das Eintr ittsgeld, und den festgesetzten dreimonatlichen Beitrag; b) das Mitglied der zweiten Klasse das Eintr ittsgeld, und den ersten halbjähr igen Beitrag zur Casinokasse bezahlt hat. §. 46. Ein neuaufgenommenes Mitglied verbindet sich zu der pünktlichsten Beobachtung der Gesetze, durch Unterzeichnung der selben in dem Statutenbuch der Gesellschaft, und erhält hievon einen Abdruck, mittelst eines von den Directoren unterzeichneten Schreibens. §. 47. Die Beiträge der Mitglieder der ersten und zweiten Klasse werden resp. vier tel- und halbjähr ig praenumerando entrichtet; jedoch stehet den Mitgliedern beider Klassen auch frei, ihre Beiträge auf ein ganzes Jahr mit einem Mal im Voraus abzuführen. §. 48. Es ist als ein unveränderlicher Grundsatz angenommen, dass von nun an die Beiträge niemals eingeforder t, sondern die Nahmen derjenigen Mitglieder, welche im verflossenen Vier teljahr mit ihren Beiträgen rückständig geblieben sind, am Ersten der Monate Februar, Mai, August und November in dem Lese- und in einem der Gesellschafts-Zimmer zur Erinnerung aufgehangen werden. Sobald aber ein Mitglied die rückständige Zahlung geleistet, wird sein Nahme von dem Tableau der Zahlungssäumigen abgenommen, wenn er zuvor Einen Thaler in die Wohlthätigkeitskasse erlegt hat. 694
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§. 49. Sollte aber dieser Anschlag für einige Mitglieder ohne Erfolg bleiben, so werden nach drei Monaten alle Zahlungssäumigen ohne die mindeste Nachsicht aus den Listen gestrichen, die gerichtliche Eintreibung ihres Rückstandes von Seiten der Direction einem Rechtsverständigen übertragen und ihre Nahmen auf der Liste der ausgetretenen Mitglieder eingezeichnet, welche ihre Beiträge nicht berichtiget haben. Diese Liste wird in dem Lesezimmer niedergelegt und der Schuldenbetrag darin bemerkt. §. 50. Ein Mitglied, welches auf diese Art die Gesellschaft verlässt, verliert nicht nur dadurch allen Antheil an dem gesellschaftlichen Eigenthume und alles Recht an dessen Benutzung, sondern kann sich nicht wieder als Mitglied vorschlagen lassen, bevor er nicht seinen Rückstand und Zehn Thaler in die Wohlthätigkeitskasse bezahlt hat. §. 51. Ein Mitglied, welches sich gegen die Gesellschaft so vergehet, dass es von derselben ausgeschlossen wird; gehet ebenfalls alles Antheils an dem gesellschaftlichen Eigenthume und der Befugniss, dasselbe zu benutzen, verlustig, und kann nie wieder als Mitglied vorgeschlagen werden. §. 52. Alle Mitglieder der drei Klassen der Gesellschaft haben in den auf gemeine Kosten gemietheten Zimmern des Casino täglich von Morgens 9 Uhr an bis Abends um 11 Uhr und später, wenn Gesellschaft darin anwesend ist, den Zutritt und Aufenthalt, so lange es ihnen beliebt. §. 53. Die in diesen Zimmern vorhandenen Bücher, periodische Schriften, Landkarten, Meubles und sonstige Effecten, sind zur zweckmässigen Benutzung aller Mitglieder bestimmt. §. 54. Jedem Mitgliede stehet zu jeder Zeit frei, aus der Gesellschaft zu treten; nur ist eine schr iftliche Anzeige an die Direction und die Ber ichtigung der r ückständigen Beiträge nothwendig. Auf den unerwarteten Fall, dass die §. 47. festgesetzten Vorauszahlungen der Beiträge nicht geleistet seyn sollten, sind die ausscheidenden Mitglieder verbunden, wenn sie zur er sten Klasse gehören, noch für das laufende Vierteljahr, und wenn sie in der zweiten Klasse sind, für das laufende halbe Jahr zu bezahlen. Es versteht sich von selbst, dass die im §. 26. gemachte Bedingung in ihrer ganzen Kraft verbleibt. 695
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§. 55. Wenn hiesige Dienstverhältnisse ein Mitglied erster oder zweiter Klasse von Berlin entfer nen, und es dadurch verhindert wird, die Anstalt zu benutzen, so steht es ihm frei, auf der im vorigen §. vorgeschriebenen Art mit dem Vorbehalt aus der Gesellschaft zu gehen, bei seiner Rückkehr wieder in solche eintreten zu dürfen, ohne dem Ballotement und der Bezahlung eines Eintrittsgeldes von neuem unterworfen zu seyn. Gegen diejenigen aber, welche ihren Wunsch hierüber der Direction schriftlich anzuzeigen versäumen, findet die Vorschrift des 49sten und 50sten § ihre Anwendung. Dr itter Abschnitt. Direction §. 56. Die Mitglieder der ersten Klasse des Casino übergeben die Direction der gesellschaftlichen Angelegenheiten nach §. 4. Sechs Directoren, welche sie jährlich im Monat Januar aus ihrer Mitte durch die Mehrheit der Stimmen erwählen. §. 57. Diesen Sechs Directoren werden 12 Directions-Assistenten beigegeben. Sie ersetzen diejenigen Directoren, welche durch Krankheit, Abwesenheit oder Abdankung verhindert werden, die Geschäfte zu besorgen. §. 58. Die Wahl dieser 18 Männer, welche den Ausschuss bilden, geschieht durch Zettel, auf welche die Wählenden, ohne sich zu nennen, die Namen derjenigen schreiben, denen sie ihre Stimme geben wollen. Diese Zettel werden in einem besonders dazu bestimmten verschlossenen Kasten, welcher zu diesem Zweck in einem der Versammlungszimmer drei Wochen lang ausgestellt wird, gesammlet. Nach Ablauf der drei Wochen soll dieser Kasten in Gegenwart der Directoren und anderer Mitglieder, denen hiezu Auftrag ertheilet wird, eröffnet, der Inhalt der Zettel laut abgelesen, und solchergestalt die Mehrheit der Stimmen unpartheiisch erforschet werden. Den Wählenden wird blos empfohlen, auf die Mannigfaltigkeit der Stände, woraus die Gesellschaft bestehet, und auf die Nothwendigkeit, dass die Achtzehn Mitglieder des Ausschusses aus diesen verschiedenen Ständen, zu Beförderung mehrerer Geselligkeit, genommen werden, bei dem Stimmengeben einige Rücksicht zu nehmen. Diejenigen Sechs Männer von den Achtzehn Mitgliedern des Ausschusses, welche die grösste Anzahl Stimmen haben, sollen die Direction des Casino für das laufende Jahr führen, und die übrigen Zwölf deren Assistenten hiebei seyn. §. 59. Die Gesellschaft überträgt ihren Directoren die Sorge für gute Ordnung und Beobachtung ihrer Gesetze, für Bewahrung ihres Eigenthums und zweckmässige Verwaltung je696
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der Art ihrer Geschäfte, desgleichen die Anordnung ihrer Unterhaltungen und ihrer allgemeinen Versammlungen. Die Direction, welcher die Kasse der Gesellschaft unter gemeinschaftlicher Garantie anvertraut ist, schliesst im Namen der Gesellschaft Contracte, besorgt die häusliche Einrichtung und Bedürfnisse, und leistet überhaupt alles, wozu die Directoren in den Gesetzen angewiesen sind, und was sonsten das Beste und der Zweck dieser Anstalt erfordert. Es ist die Pflicht der Direction dafür zu sorgen, dass Alles wohlfeil und in gutem Stande angeschafft und erhalten werde, dass der Oekonom und die Bedienten der Gesellschaft ihre Instructionen befolgen; sie entwirft die Ueberschläge von den jährlichen Ausgaben, unterschreibt alle Anweisungen und Bezahlungen, welche von der Gesellschaft gutgeheissen sind, und revidirt die Rechnungen des Cassirers. Die Vorschläge zur Aufnahme neuer Mitglieder werden an die Direction abgegeben, und diese besorgt alles, was wegen der Bekanntmachung und wegen des Ballotirens weiter erforderlich und vorgeschrieben ist. Jeder anwesende Director hat die Verpflichtung zur Aufsicht über Anstand und gesetzliche Ordnung, und ist zur Abhelfung gegründeter Beschwerden und zu freundschaftlicher Beilegung der etwa entstehenden Zwistigkeiten, ohne öffentliches Aufsehen in der Gesellschaft selbst zu erregen, auch zum Empfang der Fremden angewiesen. §. 60. Um alles dieses mit desto grösserer Ordnung und Genauigkeit bewirken zu können, hat die Direction ihre Geschäfte nach Gutdünken unter sich zu theilen, und nach jeder Wahl mittelst Anschlags an einer Tafel anzuzeigen, wer von ihr das a) Amt des Rechnungsführers, b) Amt des Sekretairs, c) Amt des Bibliothekars, d) Amt des Censors, e) Amt des Intendanten, f ) Amt des Administrators übernommen hat. §. 61. Die Direction versammlet sich wenigstens zweimal monatlich, um über das Beste der Gesellschaft und einzelne dahin zweckende Anträge zu berathschlagen; gemeinschaftliche Ausfertigungen zu machen; die von den Gliedern derselben gemachten Bemerkungen einander mitzutheilen, oder den Zustand der Kasse zu untersuchen. §. 62. Jeder der sechs Directoren hat nach der Reihe zwei Monate lang den Vorsitz nicht nur im Directorio, sondern auch in den Versammlungen des Ausschusses und in den Generalversammlungen. Der Präses, oder in seiner Abwesenheit sein Stellvertreter, eröffnet alle an die Gesellschaft oder an die Direction gerichtete Missive, Berichte, Anträge, 697
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und Anzeigen, und theilt solche nach Erforderniss der Umstände und des Inhalts an die übrigen Glieder der Direction zum Vortrag aus. Er beruft diese, oder statt der Verhinderten, deren Stellvertreter zu den Directionsversammlungen; bei welchen er die Ordnung der Vorträge bestimmt, die nach den Umständen erforderliche Zusammenkunft des Ausschusses oder einer allgemeinen Versammlung, und die Ordnung der dabei vorkommenden Vorträge proponirt, die Stimmen aufruft und die seinige zuletzt abgiebt. §. 63. Es müssen wenigstens drei Mitglieder in den Versammlungen der Direction gegenwärtig seyn, wenn etwas Gültiges unternommen werden soll. Bei allen Gelegenheiten, wo gleiche Anzahl Stimmen für und gegen einen Vorschlag sich finden, giebt jene des Präses den Ausschlag. §. 64. Die Direction kann bei unvorhergesehenen durch die Gesetze der Gesellschaft nicht entschiedenen Fällen provisorisch gesetzliche Beschlüsse nehmen, welche aber in der nächsten allgemeinen Versammlung vorgelegt werden müssen, wo dann ihre Genehmigung oder Verwerfung, für die Zukunft entschieden wird. Es verstehet sich von selbst, dass solche provisorische Directionsbeschlüsse den bestehenden Grundgesetzen der Gesellschaft nicht widerstreiten dürfen, als welche nur durch einen förmlichen Beschluss der Gesellschaft abgeändert werden können. §. 65. Das Protocoll der Directionsversammlungen wird von allen anwesenden Mitgliedern unterschrieben, und kann jedes Mitglied der Gesellschaft von der ersten und zweiten Klasse sich solches von dem Secretair zum Durchlesen abfordern. §. 66. Die Direction giebt in jeder Versammlung des Ausschusses Rechenschaft von dem, was binnen der Zwischenzeit vorgefallen ist, von eingereichten Vorschlägen zur Verbesserung des Instituts u. s. w. §. 67. Die Direction ertheilt dem Oekonomen und den Aufwärtern ihre Instructionen, die aber bei vorfallenden Ereignissen von dem Ausschusse oder der Generalversammlung zweckmässig abgeändert werden müssen. §. 68. Der Rechnungsführer übernimmt die Verwaltung der Kasse. Er leistet alle von der Direction angewiesene Zahlungen, führt die Bücher und Rechnungen der Gesellschaft, und ist für deren Ordnung verantwortlich. Er ist verbunden, jedes Jahr über den Vermö698
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genszustand der Gesellschaft dem gesammten Ausschuss eine Bilanz vorzulegen, welche alsdann von demselben durchgesehen und von sämmtlichen Mitgliedern unterzeichnet in einer Generalversammlung der Gesellschaft zur Einsicht dargelegt wird. §. 69. Der Oeconom, welcher die einkommenden Gelder erhebt und solche dem Rechnungsführer abliefert, hält ein Register gleich demjenigen, worin ein jedes Mitglied einschreibt, wenn, wieviel und bis wann es bezahlt hat; der Rechnungsführer muss aber ein Gegenbuch halten, und so oft der Oeconom ihm Geld abliefert, eines jeden Zahlungen darin eintragen, um durch Vergleichungen dieser beiden Bücher miteinander, alle Irrthümer möglichst zu vermeiden. §. 70. Für solche Posten, die nicht schon durch Beschlüsse der Gesellschaft oder der Direction genehmigt und daher Etatmässig sind, zahlt der Cassirer kein Geld aus, ohne besondere, wenigstens von zwei seiner Mitdirectoren unterschriebene Anweisungen darüber in Händen zu haben, wobei zu bemerken ist, dass die Ausgaben nie die Einnahmen überschreiten dürfen. §. 71. Alle Ausgaben müssen durch Quittungen belegt werden. §. 72. Ueber Einnahme und Ausgabe stellt der Cassirer alle Jahre eine förmliche Rechnung nebst Rubriquen auf, welche, wenn sie vorher von den gesammten Directoren und deren Assistenten unterschrieben ist, 14 Tage vor der General-Versammlung der ganzen Gesellschaft zur Einsicht auf den Tisch im Lesezimmer nebst den Belägen vorgelegt wird. §. 73. Die Abfassung der schriftlichen Anschläge, die Ausfertigung der Circulare und Wahlzettel zu neuen Wahlen des Ausschusses, und die Correspondenz der Gesellschaft, vorzüglich die Führung richtiger, vollständiger Protocolle in allen Versammlungen sowohl der Direction, als des Ausschusses und der Gesellschaft; die Abfassung der genommenen Beschlüsse und anderer schriftlichen Aufsätze, die sorgfältigste Sammlung, Registrirung und Erhaltung der Acten ist die Obliegenheit jenes Directoren, welcher das Secretariat übernommen hat. Er kann hierzu den Schreiber der Gesellschaft zu Hülfe nehmen, und lässt nöthigenfalls von den Directoren die Aufsätze berichtigen, welche im Namen der Gesellschaft geschrieben werden, und unterzeichnet sie mit den übrigen Gliedern der Direction. Seiner besondern Obsorge ist laut §. 14. der gesetzliche Gebrauch des Gesellschafts-Siegels empfohlen, und er fertigt das §. 48. angeordnete Verzeichniss der zahlungssäumigen Mitglieder aus, damit ihre Namen der Vorschrift gemäss aufgehangen werden. 699
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§. 74. Er fertiget einen tabellarischen Auszug aus allen Protocollen an, und legt ihn der General-Versammlung vor. Er entwirft nach alphabetischer Ordnung ein Verzeichniss der Mitglieder des Instituts, wobei bemerkt werden soll, zu welcher Klasse das Mitglied gehört, und seit wenn es in der Gesellschaft ist. Er steht auch für die Richtigkeit der beiden Tableaux der Mitglieder erster und zweiter Klasse. Er fertiget die Benachrichtigungen für die aufgenommenen Mitglieder aus, und trägt alle Gesetze der Gesellschaft in das Statutenbuch des Instituts ein. Das Tableau der Direction, wie solche die Geschäfte unter sich getheilt, wird von ihm mit dem Namen der Directions-Assistenten angefertigt, und in der ersten Pièce aufgehangen, wobei bemerkt wird, wer denen successiven Ballotements vorstehen soll. §. 75. Der Bibliothecar besorgt den Ankauf der Bücher, Journale, Landkarten u. s. w. und führt ein genaues Verzeichniss alles dessen, was zur Bibliothek der Gesellschaft gehört. Er macht dem Directorio die nöthigen Vorschläge zur Anschaffung interessanter Schriften, und richtet beständig seine Aufmerksamkeit dahin, den Genuss litterarischer Erholungen und die möglichste Vervollkommnung dieser Unterhaltung zu erhöhen, ohne jedoch die Summe zu überschreiten, welche Etatsmässig bestimmt worden, indem die Leseanstalt nach Maasgabe der Einnahme organisirt werden muss. Er sorgt, dass eine genaue Ordnung im Lese- und Kartenzimmer beobachtet werde, dass Journale und Zeitungen ohne Zeitverlust herbeigeschaft [!], gleich eingeheftet und gestempelt, und die Bücher nach der angenommenen Art gebunden werden, wobei alle anständige Ersparniss zu machen ist. Seiner besondern Obsorge ist der Gebrauch des Gesellschaft-Stempels empfohlen. Er verfertigt eine Tabelle, worauf angezeigt wird, zu welchen Tagen Journale und Zeitungen gewöhnlich ankommen. §. 76. Der Censor hat die Aufsicht über die innere Policey in der Gesellschaft. Er richtet seine besondere Aufmerksamkeit auf die Aufrechterhaltung der Gesetze, und ist verpflichtet, jedes Mitglied, welches dagegen handelt, zu deren Beobachtung zu erinnern. Ihm fällt vorzüglich anheim, den Nutzen der Wohlthätigkeitskasse zu befördern, und er hat die Geldstrafen einzukassiren, in welche die Mitglieder verfallen können. §. 77. Der Intendant hat die specielle Aufsicht über das ganze Mobiliar, die Erhaltung und Ergänzung desselben; er hält ein genaues Inventarium der Effecten der Gesellschaft, um solches jährlich und sonst auf Verlangen jedesmal vorlegen zu können. Ihm ist die Aufsicht über die Erleuchtung und Feuerung, so wie über die Reinlichkeit im ganzen Local der Gesellschaft übertragen.
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§. 78. Der Administrator, welchem die Oeconomie anvertraut worden, hat die Aufsicht über die Verhältnisse der Gesellschaft mit dem Oeconomen, vorzüglich über die Bewirthung der Mitglieder. Er hat die directe Anordnung über alles, was zur Bedienung gehört; und besorgt die Verfertigung der Livréen nach den etatsmässigen Bestimmungen. Er führt die specielle Aufsicht über den Tisch, die Güte und möglichste Billigkeit der taxemässigen Erfrischungen und Getränke, und hält den Vortrag bei den Directions-Versammlungen über alle dahin einschlagende Gegenstände. Bei vorkommenden Beschwerden gegen den Oeconomen oder die Bedienten, wendet man sich an ihn zunächst, dessen Pflicht es dann ist, die Beschwerde zu unter suchen und gleich abzustellen. §. 79. Keiner der Directoren soll in irgend einem Falle, welcher nicht unmittelbar und ausschließlich in seine Verwaltung einschlägt, für sich allein handeln, sondern bei allen Vorfällen und Unternehmungen, welche zu jener Categorie nicht gehören, den Rath und Beschluss der gesammten Direction einholen, und gemeinschaftlich mit derselben das Beste der Gesellschaft zu bewirken und zu befördern suchen. §. 80. Da bei der jährlichen allgemeinen Versammlung der Gesellschaft die Direction Rechenschaft ihrer Verwaltung abzulegen hat, so müssen sich auch alle Glieder derselben dazu einfinden, oder hinlängliche Gründe ihres Aussenbleibens angeben. §. 81. Es steht jedem Mitgliede der ersten Klasse frei, die auf dasselbe gefallene Wahl zur Direction, oder Directions-Assistenz, anzunehmen oder auszuschlagen. Gleichergestalt kann jeder das übernommene Amt vor Ablauf des Jahres niederlegen; nur ist er verpflichtet, seinen Vorsatz Vierzehn Tage vor der Ausführ ung, der Direction schr iftlich anzuzeigen. Diese veranlasst sodann in der nächsten Versammlung des Ausschusses die Wahl eines Stellver treter s, welcher das verlassene Amt bis zum Ablauf des Jahres gesetzmässig verwaltet. §. 82. Alle und jede Verantwortlichkeit der Directoren erlöscht mit geendigter Amtsführung; sie werden aller Ansprüche der Gesellschaft entlassen, sobald ihre Rechnungen, die Catalogen und das Inventarium nach dem 5ten §. durchgesehen, und richtig befunden worden, und ihre Nachfolger, welche alsdann ihre Contracte und übrigen Verpflichtungen übernehmen, ihr Amt angetreten haben.
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§. 83. Der Ausschuss besteht aus Achtzehn Personen, nemlich den sechs Directoren und den zwölf Assistenten derselben. Ihm ist übertragen zu sorgen, dass die Gesetze beobachtet, die gesellschaftlichen Einkünfte getreu verwaltet werden, auch hat er die provisorischen Polizeygesetze der Direction zu prüfen und dann zu bestätigen, oder zu verwerfen. §. 84. Der Ausschuss versammelt sich gewöhnlich zweimal im Jahr, nemlich in der letzten Hälfte der Monate Januar und September; die Stunde der Versammlung des Ausschusses wird von dem Directorio bestimmt, und den Mitgliedern desselben durch den Director, der den Vorsitz hat, bekannt gemacht. Findet die Direction eine ausserordentliche Zusammenkunft des Ausschusses nothwendig, so macht sie solche diesen Mitgliedern durch ein Circular bekannt, und setzt den Tag dazu fest. Ohne wichtige Hindernisse sollte kein Mitglied ausbleiben; wenn es nicht kommen kann, so lässt es sich entschuldigen oder thut es selbst schriftlich. §. 85. Da es weder möglich ist, alle Fälle im Voraus zu bestimmen, noch bei einzelnen Vorfällen, die keinen Aufschub leiden, den Beschluss der Gesellschaft durch eine ausserordentliche Generalversammlung zu bewirken, so wird dem Ausschuss die Befugniss er theilt, in allen Angelegenheiten, bei welchen Schaden auf den Verzug haftet, oder welche sonst zum Besten der Gesellschaft eine schleunige Veranstaltung nothwendig machen, ohne vorhergegangene Anfrage bei der Gesellschaft, sogleich die erforderliche Verfügung und Einrichtung zu treffen. Diese Befugniss erstreckt sich auf alle Angelegenheiten der gedachten Art, und es ist davon nichts ausgenommen, als: a) Hauptveränderungen der Grundverfassung des Casino, so wie solche in gegenwärtigen Grundgesetzen enthalten ist; b) solche ausserordentliche Ausgaben, welche einzeln genommen, von einer GeneralVersammlung zur andern über Einhunder t Thaler betragen, und welche den von der letzten General-Versammlung angenommenen Anschlag der Ausgaben um diese Summe vermehren würden. §. 86. Was der Ausschuss vermöge dieser Befugniss verfügt hat, ist bis zur nächsten GeneralVersammlung eben so gültig, als ob es von der ganzen Gesellschaft beschlossen wäre, und es findet so lange weder von einzelnen noch von mehreren vereinigten Mitgliedern eine Opposition dawider statt. Sollte jedoch der Ausschuss rathsam finden, von der General-Versammlung die Meynung der Gesellschaft über einen solchen Vorfall sich zu erbitten, welches der Beur theilung desselben lediglich überlassen bleibt, so wird alsdann erfordert, wenn beson702
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dere Umstände eine einzelne Ausnahme von den Grundgesetzen nothwendig machen sollten, dabei auf folgende Art zu verfahren: a) Der Ausschuss macht der Gesellschaft den Vorfall durch einen schriftlichen Aufsatz nebst seinem Gutachten bekannt, welcher in einem der Lese-Zimmer angeheftet wird, und acht volle Tage aushängen muss; b) mit Ablauf dieser acht Tage muss aber die Frage: ob der Vorschlag des Ausschusses angenommen werden soll oder nicht, an einem von dem Ausschusse in dem Anschlags-Zettel bestimmten Tage auf die gewöhnliche Art ballotirt werden, und der dadurch herausgebrachte Schluss gilt sodann bis zur nächsten General-Versammlung. §. 87. Das Protokoll des Ausschusses muss wenigstens von zehn Mitgliedern desselben unterschrieben seyn, wenn etwas Gültiges unternommen werden soll. Vier ter Abschnitt. Oeconomie der Gesellschaft und ihre Unterhaltungen. §. 88. Die Gesellschaft überträgt einem Oeconomen die Lieferung alles dessen, was die Mitglieder verzehren wollen, und die Direction bestimmt, wo möglich, jedes halbe Jahr die Preise der Speisen und Getränke. Der Direction und besonders jedem Gliede derselben, welches die Aufsicht über das öconomische Fach übernimmt, liegt es ob, darauf zu sehen, dass jeder Konsumtions-Artikel in bester Qualität geliefert, und den hierüber etwa vorkommenden Beschwerden möglichst abgeholfen werde. Die Direction wird dem Oeconomen die ganze erforderliche Beleuchtung des Versammlungs-Hauses, die Besorgung der Spieltische aller Art, und die Feuerung zu verpachten suchen. §. 89. Die Direction bestellt die zur Aufwartung nöthigen Bedienten in hinlänglicher Anzahl, welche zunächst unter der unmittelbaren Aufsicht jenes Mitglieds derselben stehen, dem das öconomische Fach anvertraut ist. §. 90. Der Donnerstag Mittag ist vorzüglich zum Essen im Versammlungs-Hause bestimmt, und die Mitglieder, welche daran Theil nehmen wollen, unterzeichnen sich auf dem umlaufenden Zettel. Wer unterzeichnet, wenn die Zahl der im Saal anzubringenden Couverts voll ist, muss sich gefallen lassen, statt an der grossen Tafel, in einem der Nebenzimmer zu speisen. §. 91. Die Unterhaltungen der Gesellschaft bestehen in Lecture, dem Billard, Karten und sonstigen Gesellschaftsspielen. Die in den Landesgesetzen verbothenen Hazardspiele werden aber im Casino n i c h t g e d u l d e t . 703
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§. 92. Zum Lesen und Nachschlagen der Landkarten sind zwei Zimmer bestimmt, worin die Mitglieder, welche sich damit beschäftigen wollen, ungestöhrt seyn können. §. 93. Die übrigen Zimmer sind zu den gewöhnlichen Versammlungen der Gesellschaft und zum Speisen der Mitglieder und der Fremden, welche vorschriftsmässig präsentirt worden, bestimmt. §. 94. Um keine unangenehme Stöhrung der Lesenden zu veranlassen, darf in dem Lesezimmer nicht war m gegessen werden; dazu sind die übrigen Zimmer zu gebrauchen. Der Genuss einiger Erfrischungen ist jedoch im Lesezimmer jedem Mitglied erlaubt, wenn nur die erforderliche Stille dadurch nicht unterbrochen wird. Dem zufolge dürfen auch keine laute Gespräche darin geführt werden. Sollte sich dennoch Jemand hierin vergessen, so muss er gewärtig seyn, und darf es nicht übel nehmen, dass einer der anwesenden Directoren oder Directions-Assistenten ihn bescheiden daran erinnern. §. 95. Ein jedes Mitglied ist verbunden, Bücher, Zeitungen und Journale, sobald es sie gebraucht hat, wieder an den Ort ihrer Bestimmung hinzulegen. §. 96. Vollständige Schreibgeräthe werden zum Gebrauch der Mitglieder und der eingeführten Fremden auf jedem Tische des Lesezimmers beständig bereit gehalten. §. 97. Von denen Schriften, welche noch im Repositorio sind, darf schlechterdings nichts verliehen werden; wollte aber in der Folge ein Mitglied etwas aus der Bibliothek leihen, so kann es nur mit Vorwissen des Bibliothecars längstens auf acht Tage, geschehen; dies wird in ein Buch eingeschrieben, und die erfolgte Zurücklieferung ebenfalls darin bemerkt. §. 98. Wer das Geliehene verliert, verdorben zurück giebt, oder durch offenbare Verschuldung irgend etwas von dem Eigentume der Gesellschaft beschädigt oder vernichtet, muss alsbald den ursprüngliche Werth desselben erstatten, oder ein neues Exemplar liefern. §. 99. Es darf Niemand ein Buch, eine Zeitung, Monatsschrift oder sonst ein gedrucktes Blatt, welche in das Lesezimmer gehören, in ein anderes Zimmer, vielweniger mit nach Hau704
Casino-Gesellschaft
se nehmen; wer dagegen handelt, hat im ersten Fall Vier Groschen Courant, im letztern aber Fünf Thaler in die Wohlthätigkeitskasse zu bezahlen. §. 100. Die Preise der gewöhnlichen Bedürfnisse an Speisen und Getränken werden halbjährig durch einen von der Direction unterzeichneten, in den Lese- und BillardZimmern aufzuhängenden Tarif bestimmt, nach welchem die Mitglieder zu bezahlen haben. Ueberschreitung dieses Tarifs von Seiten des Oeconomen oder der Aufwärter wird streng geahndet. §. 101. Alle Bedürfnisse werden gleich baar nach der Taxe bezahlt. Sollte aber ein Mitglied dem Oeconomen für im Versammlungs-Hause genossene Erfrischungen an Zehn Thaler schuldig bleiben, so ist dieser verbunden, solches der Direction schriftlich anzuzeigen, welche alsdann dem Debenten eine Frist von drei Tagen bestimmt, um seine Schuld abzutragen, widrigenfalls er ganz unfehlbar ausgeschlossen wird. §. 102. Für einen Spieltisch, zwei Wachslichter und zwei neue Spiel Karten, nebst den Marquen (welche alles der Oeconome zu liefern hat) wird ein von der Direction bestimmter Preis bezahlt; die Qualität der Karten muss gut und der Probe gemäss seyn, welche der Oeconome jedes halbe Jahr der Direction vorzulegen, und von ihr genehmigen zu lassen verbunden ist. Neue Karten werden versiegelt auf den Spieltisch gelegt. Wollen aber einige Mitglieder ein kleines Spiel machen, so soll auch die Direction dafür sorgen, dass sie für einen mässigen Preis Karten erhalten, mit welchen einmal gespielt worden. §. 103. Die Gesellschaft wird zwei Billards aufstellen, und da ihre Unterhaltung dem Oeconomen obliegt, so soll er auch berechtigt seyn, ein von der Direction zu bestimmendes Parthiegeld zu erheben. §. 104. Für Trictrac, Tocadille, Schach und andere Brettspiele, darf bei Tage, als für das Eigen thum der Gesellschaft, nichts bezahlt werden; bei Licht wird nur dies allein vergütigt. §. 105. Es darf kein Mitglied einen Bedienten aus der Gesellschaft in seinen Privat-Angelegenheiten aus dem Hause verschicken. Wer dagegen handelt, bezahlt Vier Groschen Courant in die Wohlthätigkeitskasse, und Acht Groschen, wenn es während dem Tisch gewesen ist. 705
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§. 106. Es soll kein Bedienter, ausser denen, welche die Gesellschaft angenommen hat, unter keinerlei Vorwande, in den Gesellschaftszimmern Zutritt haben; und unber ufen soll auch keiner der wirklich angenommenen sich in denselben aufhalten. §. 107. Wenn ein Mitglied wünscht, dass Zeitschriften von gemeinsamen Interesse angeschafft, oder sonst irgend zweckmässige Anstalten getroffen werden, so macht es seinen Wunsch demjenigen Director schriftlich bekannt, in dessen Fach die Sache einschlägt. Die Direction eröffnet ihn dann der Gesellschaft mittelst eines Anschlages in einem der Lesezimmer, und sammelt darüber die Meinungen derselben. Finden sich innerhalb Acht Tagen mehrere Stimmen für oder wider den Wunsch, so wird alsdann derselbe nach der Stimmenmehrheit ausgeführt oder verworfen. Ein allgemeines Stillschweigen gilt für Bewilligung. Man kann auf eben diese Art verfahren, wenn man in Vorschlag bringen will, dass man ein Journal oder eine Zeitung nicht mehr halte. §. 108. Da sich stets ein Bedienter in der Entrée aufhalten soll, um den ankommenden Mitgliedern Mäntel und Ueberröcke abzunehmen, und zu verwahren, so soll es Niemanden erlaubt seyn, seinen Mantel oder Ueberrock in den Gesellschafts- oder Lese-Zimmern abzulegen. §. 109. Das Tabackrauchen im Casino, und das Mitbringen der Hunde wird der nöthigen Reinlichkeit willen untersagt. Berlin, den 23. Februar 1809. Quelle: Grundgesetze für die Casino-Gesellschaft in Berlin. Separatdruck Berlin 1809. – Dass. als fotomechanische Wiedergabe für die Mitglieder der Casino-Gesellschaft, Berlin 1998.
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STUDENTENVERBINDUNGEN
Corps Marchia Entwurf (Skizze) einer Konstitution der märkisch-pommerschen Landsmannschaft in Frankfurt/Oder1 Einleitung: Allgemeine Grundgesetze von den Zwecken der Landsmannschaften überhaupt, der unsrigen insbesondere, und den Mitteln sie zu erreichen, meistenteils aus dem Kartelle übertragen. I. Von der Beschaffenheit und Einrichtung der Verbindung. 1. Die Verbindung besteht nächst den übrigen Mitgliedern aus einem Senior, zwei Vorstehern und einem Sekretär. Sie sind Repräsentanten der Verbindung und allein aus diesem Gesichtspunkte sind ihre Verhältnisse zu den übrigen Mitgliedern zu betrachten. – Daher sind sie keine Oberen und haben weiter keine Macht als die, die Gesetze auszuüben und die Mitglieder zur Befolgung der Gesetze anzuhalten. 2. Daraus ergibt sich, daß alle Mitglieder in der Regel gleiche Rechte haben und nur Ausnahmen stattfinden, wo die Gesetze sie ausdrücklich billigen. 3. Es sollen öfters Zusammenkünfte gehalten werden, in denen über die Angelegenheiten der Verbindung gesprochen wird. Hier muß Ruhe und Ordnung herrschen. Der Senior trägt vor, ein jedes Mitglied kann seine Meinung sagen, über streitige Sachen wird abgestimmt. 4. Alles Zeremonielle und Mysteriöse soll schlechterdings aus unserer Verbindung verbannt sein, und nie eine unnötige Feierlichkeit aufgeführt werden. Übrigens ist unser Motto: ‚Succurre cadenti!‘, welches einen der Hauptzwecke der Verbindung ausdrückt. 5. Deswegen geschieht auch die Rezeption neuer Mitglieder ohne alle Feierlichkeit. Der Senior hält eine kurze Anrede, durch die die Pflichten eines Mitgliedes deutlich 1 Diese ältesten bekannten Gesetze der Marchia sind zwar 1802 an der Viadrina in Frankfurt/Oder verfasst worden, behielten aber, mit einigen Modifikationen, ab 1810 in Berlin ihre Gültigkeit. – Spätere Konstitutionen der Marchia waren nicht zugänglich.
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Studentenverbindungen
dargestellt werden, und das neue Mitglied gibt sein Ehrenwort, so viel als möglich seine Pflichten zu erfüllen und über das Stillschweigen zu beobachten, was nicht bekannt werden darf ohne uns der Gefahr auszusetzen als Übertreter der bürgerlichen Gesetze bestraft zu werden. Nur solche Studierende werden aufgenommen in diese engere freundschaftliche Verbindung, die der Mehrteil der Mitglieder als brav und rechtschaffen kennt, nachdem sie vorher mit der Einrichtung, den Zwecken und Gesetzen bekannt gemacht sind. II. Rechte und Verbindlichkeiten der Mitglieder gegen die Verbindung als solche. 1. Befolgung der Gesetze der Verbindung; Strafe der Übertretung ist Exklusion, nachdem der Exkludierte sein Ehrenwort schriftlich zurückläßt, über alles zu schweigen. 2. Im Notfall die Ehre der Verbindung mit der Klinge zu verteidigen. 3. Dagegen gewährt ihm die Verbindung Sicherheit gegen Unterdrückung des Stärkeren und unterstützt dürftige Mitglieder hier auf der Akademie. 4. Kein Mitglied darf über eine Beleidigung Klage bei der bürgerlichen Obrigkeit führen, sobald der Beleidigende auch Mitglied unserer Verbindung ist. Die Schlichtung dieser Streitigkeiten bleibt der Verbindung vorbehalten. 5. Jedes Mitglied muß sich auch in bürgerlichen Verhältnissen so betragen, daß man ihm die gewöhnliche Achtung als Mensch nicht versagen kann. 6. Ohne hinlänglichen Grund darf niemand austreten. Kann jemand seine Gründe zum Austritt nicht öffentlich sagen, so zeigt er sie zwei Mitgliedern an, welche mit ihrem Ehrenworte für die Hinlänglichkeit der Gründe bürgen. 7. Jedes Mitglied muß die festgesetzten Rappierstunden möglichst fleißig besuchen und sich einige Fertigkeit im Rappieren erwerben. 8. Zur Bestreitung der nötigen Ausgaben zahlt jedes Mitglied monatlich 4 % und bei seinem Eintritt in die Verbindung von jedem Hundert seines Wechsels 1 %. III. Rechte und Verbindlichkeiten der Chargierten gegen die Verbindung. 1. Sie müssen sich vorzüglich strenge Befolgung der Gesetze angelegen sein lassen und darauf wachen, daß jedes Mitglied sie erfülle. 2. Sie repräsentieren die Verbindung und dürfen also nichts tun, als was diese genehmigt hat, und wo sie nicht befragt werden kann, gilt ihr Votum, und das, was sie taten, wie das der ganzen Verbindung. 3. Sie haben ein Vorrecht zu Chargen bei öffentlichen Aufzügen und Entreprisen. 4. Sie sind vor allem befugt und verpflichtet, die Ehre der Verbindung mit Wort und Tat zu verteidigen. 5. Insbesondere hat der Senior diese Rechte und Pflichten auf sich, er bestimmt Zeit und Ort der Konvente usw. 6. Die Vorsteher müssen sich es vorzüglich angelegen sein lassen, den Füchsen das Rappieren beizubringen, desgleichen machen sie auch den Mitgliedern die Konvente bekannt. 708
Corps Marchia
7. Der Sekretär führt über die Verhandlungen eines jeden Konvents ein Protokoll, desgleichen führt er Rechnung über die Einnahmen und Ausgaben der Verbindung und legt selbige den Älteren der Verbindung nebst den Belegen von Zeit zu Zeit vor. IV. Rechte und Pflichten der Mitglieder gegen die Chargisten. 1. Ein jedes Mitglied muß den Aufforderungen der Chargisten zur Befolgung der Gesetze Folge leisten. 2. Denselben bei Ausübung ihrer Pflichten nicht hinderlich sein. 3. Dagegen darf kein Chargist sich eine Herrschaft gegen die Mitglieder anmaßen und von ihnen im Namen der Verbindung etwas fordern, wozu ihn nicht die Gesetze berechtigen. V. Verhältnis der Mitglieder gegeneinander. 1. Ein freundschaftliches Verhältnis zwischen den Mitgliedern zu erhalten, ist einer der Hauptzwecke unserer Verbindung. Danach muß ein jeder seine Handlungsweise einrichten. 2. Nie dürfen sich zwei Mitglieder unserer Verbindung irgendeine Beleidigung nachtragen, ein Mißtrauen hegen, sondern sogleich das, was sie gegeneinander haben, entweder im Konvente oder in Gegenwart einiger Älteren vortragen, damit die Streitigkeit beigelegt und der Beschuldigte sich rechtfertigen und entschuldigen kann. 3. Bei vorkommenden Streitigkeiten zwischen den Landsleuten haben die älteren der Verbindung die Befugnis und Verpflichtung auf sich, auf Ruhe mit Verweis auf die Gesetze zu dringen. Wer nicht dieser Erwähnung Folge leistet, zieht die Vermutung nach sich, daß er der schuldige Teil ist. 4. Nie dürfen sich zwei Mitglieder unserer Verbindung schlagen. Es soll alle Mühe angewendet werden, jede Streitigkeit gütlich beizulegen und jedesmal der Schuldige einen Verweis bekommen. 5. Wer oft Händel mit seinen Landsleuten hat, wird unter Beistimmung des Mehrteils der Verbindung exkludiert. 6. So wird auch derjenige exkludiert, welcher der schuldige Teil einer Streitigkeit, wegen welcher ein Duell geschehen soll, und kann selbiger nur nach einem halben Jahre wieder aufgenommen werden, wenn er Besserung bewiesen hat. 7. Unter den Landsleuten können alle Beleidigungen zurückgenommen werden, und nie darf jemand bei Strafe der Exklusion dem anderen einen Vorwurf deswegen machen, daß er eine ihm zugefügte Beleidigung habe zurücknehmen lassen. VI. Verhältnis der Mitglieder gegen Ordensgesellschaften. 1. Oben ist schon manches über dieses Verhältnis bestimmt worden, es wird nur noch hier hinzugesetzt, daß sich jedes Mitglied unserer Verbindung bemühen muß, Ordensgesellschaften zu entdecken und die entdeckten mit aller Kraft zu vertilgen.
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Studentenverbindungen
2. Es versteht sich von selbst, daß gleich bei der Aufnahme jedes Mitglied verspricht, nie Ordensbruder zu werden, – ausgenommen die Orden der Freimaurer, da dieser von den Gesetzen selbst privilegiert ist. [Anmerkung des Verfassers:] Eine einwandfreie Ergänzung der Gesetze des märkisch-
pommerschen Kränzchens geben die in den Untersuchungsakten enthaltenen Konvents protokolle über die von der eingesetzten Kommission gemachten Vorschläge zur Verbesserung und Ergänzung der Konstitution der Landsmannschaft. Leider sind nur kurze Notizen vorhanden, die jedoch immerhin ersehen lassen, daß die wirklichen Gesetze des Kränzchens der in der ersten Eingabe an die Universitätsbehörde enthaltenen Skizze sowohl nach der Einteilung wie nach ihrem Inhalt ähnlich sind. Der erste Abschnitt der Gesetze behandelt „die Pflichten der Mitglieder überhaupt“ und entspricht dem Teil II der Skizze. Hiernach ist die Pflicht des Märkers gegen die Obrigkeit, durch gutes Betragen sich als tüchtiger und fleißiger Student zu zeigen, für die Vervollkommnung seines Geistes und Körpers zu sorgen und sich durch biederes und gerechtes Betragen der Freundschaft der Mitbrüder für würdig zu zeigen. Nicht durch niedriges Renommieren, unzeitiges Übelnehmen und ungerechte Kränkungen soll er Anlaß zu Störungen der Freundschaft geben und auch mit Landsleuten, die nicht Kränzianer sind, keinen Streit anfangen. „Tätliche Beleidigungen können nicht zurückgenommen werden, desgleichen ‚der dumme Junge‘, sondern sind durch Klage auszumachen.“ Der Besuch der Rappierstunde ist Zwang, sie soll so gelegt werden, daß jeder teilnehmen kann. Die Älteren, ganz besonders die Chargierten haben die Pflicht, die Füchse einzupauken. Außerdem findet wöchentlich zweimal eine Extrastunde im Rappieren für Ältere statt, bei denen die Jüngeren zur Belernung zugegen sein müssen. Der Artikel II enthält die „Pflichten der Mitglieder insbesondere“, und gleicht im allgemeinen dem Inhalt nach den Abschnitten I und III der Skizze. Der Senior soll das Muster für alle sowohl als Student als auch ganz besonders als Märker zu werden versuchen und alle Mitglieder privatim und öffentlich zur Nacheiferung auffordern können. Er hat für die Beschaffung der Rappiere und Fechthandschuhe zu sorgen, wozu er sich Gehilfen nehmen kann. „Er muß sich nötigenfalls für die Ehre der Verbindung schlagen, wenn die Verbindung es für gut bestimmt.“ Die Vorsteher sind Gehilfen des Seniors, sie haben „eine bestimmte Kompagnie“, was wohl bedeuten soll, daß jedem der beiden Vorsteher ein Teil der Landsmannschaft besonders zugewiesen war. Die Vorsteher müssen in der Regel sekundieren, „wenn nicht der Schlagende ein anderes Mitglied wählt, denn wer ein guter Schläger ist, braucht nicht immer ein guter Sekundant sein. Daher sollen die Sekundanten vom Senior genau beobachtet werden und dann bestimmt werden können.“ – Artikel III gibt Vorschriften für die Wahl der Chargierten. Sie sollen durch Stimmzettel gewählt werden, die, um Beeinflussungen zu vermeiden, bereits vor dem Konvent geschrie710
Berliner Burschenschaft
ben sein müssen. Die Artikel IV und V behandeln die Aufnahme neuer Mitglieder, den Austritt und die Exklusion. Nicht jeder Märker von Geburt ist zur Aufnahme ohne weiteres berechtigt, Gegengründe werden dem Senior angegeben, auch können Leute vor ihrer Aufnahme acht Wochen bis ein Vierteljahr beobachtet werden. „Damit die Landsmannschaft nicht in einen Orden ausartet“, muß die Aufnahme ohne Zeremonien sein. „Nachdem dem neuen Mitgliede die Stunde angesagt, in welcher er seine Mitbrüder versammelt finden werde, so kommt er selber ohne von jemand nochmals gerufen zu werden. Erscheint er dann, so führt ihn der Senior bei uns ein und läßt sich dann öffentlich das Ehrenwort von dem neuen Mitglied geben, daß es die Gesetze genau beobachten wolle, die ihm schon vor einigen Tagen zur Durchsicht übergeben.“ – Die Gründe zum Austritt können nicht nur dem Senior, sondern auch einem anderen angegeben werden. Dieser verbürgt sich mit dem Ehrenwort für die Triftigkeit der Gründe. Quelle: Albert Marth: Geschichte des Corps Marchia zu Berlin. Berlin, im November 1919 (109. Stiftungsfest), S. 35–38 und 39–40. – Die Konstitution ebenfalls in: Einst und Jetzt, Sonderheft 1981 des Jahrbuches des Vereins für corpsstudentische Geschichtsforschung: 21 der ältesten Constitutionen der Corps und ihrer Vorläufer bis zum Jahre 1810, S. 51–55.
Berliner Burschenschaft Als sich die Berliner Burschenschaft im Juni 1818 gründete, lag – anders als bei der Urburschenschaft in Jena – noch keine ausgearbeitete Verfassungsurkunde vor, doch bestanden bei einzelnen Mitgliedern, wie etwa bei Karl Ulrich oder Wilhelm Wesselhöfft, sehr eindeutige Vorstellungen vom burschenschaftlichen Leben, die sich auch im Entwurf zur Verfassung der Berliner Burschenschaft widerspiegeln. Wohl lag aber den Verhandlungen, die im Zeitraum vom 20. bis 24. Juni 1818 zwischen den burschenschaftlich gesinnten Studenten und den Landsmannschaften (den späteren Corps) stattfanden, ein Verfassungsentwurf zugrunde, der in den Akten des Ministeriums des Innern mehrfach zu finden ist. Die wohl direkt auf Ulrich zurückgehende Fassung des Verfassungsentwurfes liegt in den beschlagnahmten Papieren der Burschenschaft (GStA PK, I. HA, Rep. 77 Ministerium des Innern Tit. XXVIc Nr. 1, Bl. 194r–195v), eine andere, leicht im Wortlaut abweichende Abschrift findet sich auch bei den Ermittlungsakten der Polizeibehörden (GStA PK, I. HA, Rep. 77 Ministerium des Innern Tit. XVIII Nr 1, Bd. 1, Bl. 104 ff.). In beiden Aktenbänden sind die Dokumente durch die Aktenvermerke auf den dazugehörenden Deckblättern in einem eindeutigen Zusammenhang mit der Berliner Burschenschaft zu sehen. Auf dem Deckblatt in den Ermittlungsakten der Polizeibehörden heißt es: „ad acta die Burschenschaft betr. / Anliegende von der Untersuchungs Com/mission ad acta @Wilhelm Wesselhöft eingereichte Abschriften gehen zu den / die Burschenschaft betr. Acten / B. d. 13. Aug. 1819 / vKamptz“; das andere Deckblatt be711
Studentenverbindungen
nennt dagegen die „Verhandlungen mit den Abgeordneten der Landsmannschaften über die Verfassung“ und den Entstehungszeitraum („vom 20–24 Jun. 1818.“). Werden diese Fakten mit den aus der Literatur, den bekannten Protokollen der Berliner Burschenschaft und den Dokumenten der Behörden in Zusammenhang gebracht, so liegt der Schluss nahe, dass es sich bei dem benannten Verfassungsentwurf wohl auch um die erste Verfassung der Berliner Burschenschaft handelt.
Verfassung, Juni 1818 (A. Vorwor t) B. Verf assung. § 1. Jedem Burschen steht der Gedanke einer allgemeinen deutschen Burschenschaft oben an, deren Glieder die Burschenschaften auf den einzelnen Hochschulen sind. § 2. Der allgemeinen deutschen Burschenschaft steht die Entscheidung zu, ob die Verfassung der einzelnen Burschenschaft der Geist des ganzen Großen im Vaterlande erfülle oder nicht. § 3. Es tritt in Kraft, was hierüber am Burschentage Ostern 1818 zu Jena verhandelt ist. § 4. Burschenschaft ist die Gemeinschaft aller christl. deutschen Burschen in Einer Verfassung, die ihnen die Freiheit sichert, Gottesruf und dem des Vaterlandes auf gradem Wege zu folgen. I. Ver sammlungen. § 5. Die Burschenschaft versammelt sich alle 14 Tage u. so oft es sonst Noth thut. § 6. Bei Wahlen entscheidet Stimmenmehrheit, bei Gesetzen 2⁄₃. § 7. Die Abstimmung geschieht in den einzelnen Abtheilungen nach Berathung des Falls. § 8. Ausländer u. Juden haben weder Sitz noch Stimme in deutscher Versammlung. 712
Berliner Burschenschaft
§ 9.1 Wer von deutschen Eltern geboren, durch deutsche Sprache u. deutsches Leben bekundet, daß er uns zugehöret, ist kein Ausländer, ob auch das Unglück seinen Stamm unter fremde Herrschaft gebracht hat. § 10. Die Burschenschaft wählt alle 2 Monate ein Drittheil des Vorstandes u. Ausschusses. § 11. Der Wiedergewählte kann die neue Wahl ablehnen NB. § 12. Haben mehrere, als nöthig sind, gleich viel Stimmen, so wird aus ihnen auf der Stelle gewählt. § 13. Beleidigungen in den Versammlungen fallen nicht vor, der Schein wird auf der S[telle zurück] genommen. // § 14. Mit Gesang hebt die Versammlung an, mit Gesang endet sie. II. Vor stand. § 15. Der Vorstand hält die jedesmalige Verfassung der Burschenschaft aufrecht. § 16. Er wählt aus seiner Mitte monatlich den Sprecher, Schreiber, Rechnungsführer, Fechtwarte. § 17. Jeder Bursch hat den Zutritt zu den Sitzungen des Vorstandes und Ausschusses. § 18. Vor dem Schlusse jeder Versammlung liest der Schreiber die Verhandlungen vor.
1 Andere Fassung: Wer nicht von deutschen Eltern geboren, durch deutsche Sprache u. deutsches Leben bekundet, daß er uns zugehöre, ist kein Ausländer, ob auch das Unglück seinen Stamm unter fremde Herrschaft gebracht hat (GStA PK, I. HA, Rep. 77 Ministerium des Innern Tit. XVIII Nr. 1, Bd. 1, Bl. 104r).
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§ 19. Der Sprecher ist Ordner in den Versammlungen; vor dem Schlusse einer jeden ruft er laut: Hat jemand zum Besten der Burschenschaft noch etwas zu reden? § 20. Die Versammlung ist geschlossen, wenn auf die Frage keine Antwort erfolgt. III. Ausschuß. § 21. Der Ausschuß macht den Vorstand aufmerksam auf seine Pflicht, billigt die Beschlüsse des Vorstandes, oder verwirft sie, und bürgt der Burschenschaft dafür, daß der Vorstand die ihm verliehene Macht um kein Haar überschreite. § 22. Ihm ist die halbjährig zu ändernde Abtheilung nach den Wohnungen zu überlassen. IV. Gegenseitiges Verhältniß beider. § 23. Der Vorstand sieht auf die Vollziehung des Gesetzes. Der Ausschuß steht ihm entgegen, als der weiter bildende Geist der Burschenschaft, als Anwald [!] u. Vertreter der Gemeine, wo sie es nicht thut. § 24. Die Entscheidung des Vorstandes nach den Gesetzen tritt erst in Kraft, nachdem sie vom Ausschuß gebilligt. Im Streit entscheidet die Burschenschaft. V. Verhältniß des Bur schen zur Gemeine. § 25. Jeder ehrliche, wehrliche deutsche Bursch hat gleiches Recht und gleiche Pflicht zur Burschenschaft zu treten, in den Versammlungen zu erscheinen, und frei heraus zu // reden u. zu stimmen über das, was vor ist. § 26. Der Beschluß der Gemeine ist Gesetz. Ihm gelobt er nachzuleben, und nicht anders zu handeln auf keinerlei Weise. § 27. Ist der Beschluß gegen des Einzelnen Ansicht, so schweigt er nicht, sondern sucht mit aller Kraft der Rede sich den Sieg zu verschaffen.
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Berliner Burschenschaft
§ 28. Er thut willig, was der Vorstand nach dem Gesetze von ihm fordert. § 29. Thut der Vorstand ihm oder einem Dritten Unrecht, so steht ihm die Berufung einer1 Burschenschaft zu. § 30. Wer ausgetreten ist kann nur wieder aufgenommen werden, wenn er haltbare Gründe seines früheren Austretens anzugeben im Stande ist. § 31. Strafen: Erinnerung des Sprechers unter vier Augen: – für jedes laue Betragen, als zu spätes Erscheinen in der Versammlung ect. Verweis vor dem Vorstande – auf Verstoß gegen die Verfassung zum ersten Male. Verweis vor der versammelten Burschenschaft – auf Verstoß gegen die Verfassung zum 2ten Male. Ausschluß aus der Burschenschaft – auf Beleidigung der Burschenschaft, Beleidigung des Vorstandes, und dreimaliges Fehlen in der Versammlung ohne Grund. Aufhebung des Umganges – auf Wortbruch, Verweigerung der Genugthuung, auf im Zweikampf an den Tag gekommene Feigheit. § 32. Wiederaufnahme eines Ausgeschlossenen ist nicht anders möglich, als nach Besserung von Grund aus, worüber d. Burschenschaft einig ist. § 33. Jerde Bursch zahlt ha[l]bjährig ein gewisses von seinem Wechsel in die Gemeinkasse. § 34. Jeder Bursch, der um der Gemeine willen in Noth steckt, hat sich des Beistandes der Burschenschaft zu versehen. VI. Verhältniß der Bur schen unter einander. § 35. Alle Burschen leben unter einander in Fried’ und Freundschaft u. halten immer und überall auf gutes Vernehmen unter einander. //
1 Andere Fassung: an die (GStA PK, I. HA, Rep. 77 Ministerium des Innern Tit. XVIII Nr. 1, Bd. 1, Bl. 104r). 715
Studentenverbindungen
§ 36. Kein Bursch beleidigt den Andern. Ist es in der Uebereilung geschehn, so eilt der Beleidiger durch Abbitte sich der Schuld zu entladen, gleichviel, ob er schon gefordert ist, oder nicht. § 37. Die Burschenschaft versucht auf jede Weise die Sühnung; hilfts nicht, so ist das Letzte der Zweikampf. § 38. Jede Forderung wird ohne Verzug einem der Vorsteher angezeigt. VII. Verhältniß der Bur schenschaft zu den Studirenden, die nicht Mitglieder der Bur schenschaft sind. § 39. Jeder Bursch läßt es sich besonders angelegen seyn, dahin zu wirken, daß es keinen deutschen Burschen gäbe, der nicht Mitglied der Burschenschaft sey. § 40. Jedes Nichtmitglied bringt zum Zweikampf mit einem Mitgliede der Burschenschaft nach eigner Wahl einen Kampfwart, 2 Zeugen u. einen Wundarzt. § 41. Zu jedem Zweikampf von deutschen Nichtmitgliedern unter einander schickt die Burschenschaft einen Zeugen, den der Vorstand bestimmt, und der darauf sieht, was Brauch und Recht ist. § 42. Ausländer halten es mit der Genugthuung u. dem Brauche unter einander wie sie wollen, im Zweikampf mit deutschen Burschen besteht der Brauch und die Verfassung der Burschenschaft. § 43. Verbindungen neben der Burschenschaft, die der Verfassung u. dem Brauch derselben zuwider sind, sie mögen einen Namen haben, welchen sie wollen, werden nicht anerkannt. VIII. Verhältniß der Bur schen zum Bürger. § 44. Es ist jedes Burschen höchstes u. heiligstes Ziel ein Ehrenmann und guter Bürger zu werden, auf den das Vaterland rechnet. 716
Arminia
§ 45. Der Bursch hält aller Welt sein ehrliches Wort. § 46. Kein Bursch der einen Bürger beleidigt, hat bei seinem Unrecht auf Schutz und Schirm der Gemeine zu rechnen. § 47. Wird dem beleidigten Burschen Genugthuung auf den Schläger versagt, und er will nicht die Waffe des Bürgers, so berathet die Burschenschaft, was mit dem Kerl geschehn soll. §48. Eben so tritt die Burschenschaft für den angetasteten Burschen in die Schranken, wenn eine Forderung im Voraus nicht rathsam ist. Quelle: Der Text folgt der wohl auf Ulrich zurückgehenden Fassung in den beschlagnahmten Papieren der Burschenschaft (GStA PK, I. HA, Rep. 77 Ministerium des Innern Tit. XXVIc Nr. 1, Bl. 194r–195v). – Transkribiert und mit Anmerkungen versehen von Torsten Lüdtke.
Arminia Verfassung des Herminenbundes, 1822
I. Allgemeine Bemerkungen über den Zweck, die Rechte und Pflichten des Menschen als Mitgliedes einer Gesellschaft. Das Streben des Menschen kann vernunftrechtlich nur den Zweck haben, daß er das Gute des Guten willen thue und alle Nebenrücksichten verschmähe. Um diesen Zweck kräftig ins Leben zu führen bedarf der Mensch einer fortdauernden Ausbildung. Um diese Grundbildung zu erlangen, sind Hochschulen errichtet; in diesen Anstalten soll sich der junge Mann vervollkommnen, um sich kräftig dem Dienste der Menschheit zu weihn. Doch die allschaffende Natur theilte die Menschheit in Völker, sie bildete verschiedene Sprachen und Sitten und bahnte den Völkern den Weg zu einem erhabenen Volksthume. 717
Studentenverbindungen
Jedem Einzelnen steht sein Volk in der Menschheit am nächsten; es ist daher die // erste unserer Pflichten, unsere Kraft dem theuren Vaterlande zuer st zu weihen. Um aber in der Erfüllung dieser Pflichten nichts zu vernachlässigen, soll der Mensch nach wahrer Vervollkommnung streben. Nicht die Wissenschaften allein sind vermögend, uns hinreichend zu bilden; diese geben uns nur Stoff; sie lassen uns Wahrheit und Recht erkennen, während uns die Erfahrung die Art und Weise zeigt, wie wir diese Ideale des Erhabenen am besten ins Leben führen. Diese Erfahrung kann uns gewiß am besten ein Bund der Burschen geben, denn jeder Bund ist ein Vertrag, den nur der Gemeinwille zum Herrn erhebt; ist das Vorbild eines reinen Staatslebens, welches in der Burschenzeit uns alle nur zu erlangen mögliche Erfahrung darbietet, um nach im Allgemeinen vollendeten Studien kräftig im bürgerlichen Leben auftreten zu können. Unser Bund ist im Kleinen, was ein // vernunftmäßiger Staat im Großen, nämlich ein Verein, in welchem jeder überzeugt ist, daß er den Gemeinwillen befolgen, diesen immer zu verbessern streben, und für das Wohl des Ganzen leben müsse. Aus diesen Gründen stiften wir teutsche Bursche unseren Bund, welcher in der Verfassungsurkunde der allgemeinen teutschen Burschenschaft seine Ueberzeugung wieder findet und diese daher als Grundlage der seinigen anerkennt und durch den Gemeinwillen ins Leben führen will. Freiheit, Gleichheit, Einheit sey unser Wahlspruch, Willkühr sey von uns verbannt; wir wollen nur frey seyn, wir wollen keinem verweigern, was wir selbst von andern fordern, wir wollen nach unseren gegebenen Gesetzen leben, vor denen jeder gleich ist; alle ehrenhafte Teutsche können unsere Brüder werden, und in dieser Beziehung wünschen wir Einheit. Diese Grundpfeiler – Urrechte – des Menschen // sollen die Stützen unseres Bundes seyn, ihnen wollen wir unser Wirken weihen, wir wollen zeitig sie zu verwirklichen lernen, um einst dem Deutschen Vaterlande als kräftige Bürger zu dienen. Her r mann’s Andenken zu Ehren nennen wir uns Her minen; die teutsche Tracht sey unser Feyerkleid; roth, schwarz, gelb ist die Farbe unseres Banner’s, denn sie ist die des ungestörten tausendjährigen teutschen Reiches. Heilig ist uns teutsche Sitte, verächtlich jeder wälsche Tand, wir befolgen und vertreten daher den vaterländischen Brauch, dessen Verbesserung nur dem Gemeinwillen allein obliegt. ‚Vervollkommnung ist unser Zweck, möge er uns für’s Edle begeistern und einst das Recht zum Siege gegen die Lüge führen.‘ //
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II. Gesetze des Vereins der Herminen. A. Im Allgemeinen. § 1. Den Geist der Verfassungsurkunde der allgemeinen teutschen Burschenschaft erkennen die Herminen als den ihrigen und suchen ihn ins Leben zu führen. § 2. Zweck des Vereins ist ein volksthümliches Zusammenleben teutscher Burschen, welches sich äußert: 1) durch Freiheit, welche darin besteht alles thun zu können, was nicht unrecht ist, 2) durch Gleichheit, welche darin besteht, daß das Gesetz für alle dasselbe ist. 3) durch Einheit, welche darin besteht, daß alle diejenigen, welche durch die Natur als Einheit geschaffen, es auch in der Wirklichkeit sind. // § 3. Wahre Bildung ist das erste Mittel zur Beförderung des Guten, daher legt der Bund jedem Mitgliede christliche teutsche Ausbildung seiner geistigen und körperlichen Kraft zum Dienste des Vaterlandes ans Herz. § 4. Der Verein erkennt, vertritt und verbessert den herkömmlichen Brauch, wie es der Gemeinwille als der Ausspruch des Geistes der Zeit gebietet. § 5. Um die Gesetze des Gemeinwillens aufrecht zu erhalten, erwählt der Verein einen Vorstand, welcher als Stellvertreter der Gesammtheit Unterthan des Gemeinwillens ist. § 6. Da es die Umstände der Zeit nicht gestatten, daß sich der Gemeinwille öffentlich in einer allgemeinen Versammlung // äußern kann, so ist der teutsche Verein ein geheimer, welcher sich in Abtheilungen von 10 Mann unter einem Vorsteher versammelt. § 7. Ohne gehörige Prüfung kann kein Mitglied aufgenommen werden, welcher bey der Aufnahme feierlich sein Wort giebt, so wie dem Vereine, auch ewig treu dem Deutschen Vaterlande zu seyn. § 8. Jeder Aufzunehmende muß Teutscher und Christ seyn.
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§ 9. Eine Strafordnung sichert die Befolgung der Gesetze des Gemeinwillens. § 10. Die Mitglieder errichten eine Kasse zur Bestreitung nöthiger Ausgaben. § 11. Damit jedes Mitglied zum Kampfe für Ehre und Recht vorbereitet sey // und um dem Zwecke der körperlichen Ausbildung nachzukommen, gebietet der Verein die Fechtübungen. § 12. Tage, welche jedem, der den Namen eines Deutschen verdient, heilig sind, sind die Festtage der Burschen. § 13. Der Gemeinwille ist der alleinige Beherrscher des Vereins, dem jeder Einzelne Unterthan ist, und dessen Ausspruch er befolgen muß, wenn er auch gegen seine Meinung seyn sollte, denn nur der kann Mitglied des Bundes werden, der überzeugt ist, daß das, was der Gemeinwille des Ausspruchs des Geistes der Zeit beschließt, für diese passend ist. B. Im Besonderen. a. Rechte und Pflichten der Mitglieder. § 14. Genaue und pünktliche Befolgung aller Gesetze ist Grundgesetz des Vereins. // § 15. Die Mitglieder sind verbunden, von allen Sachen, deren Mittheilung dem Vereine gefährlich werden könnten, nicht zu sprechen. § 16. Wer in Verbindungssachen vor Gericht gefordert wird, hört dadurch auf, Mitglied der Verbindung zu seyn und muß wieder aufgenommen werden. § 17. Jedes Mitglied hat das Recht, nicht allein seine eigene äußere Ehre, sondern auch die des Vereins zu vertheidigen. § 18. Um den Bund für Freiheit, Gleichheit, Einheit näher zu verbinden, nennen sich alle Mitglieder Du. 720
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§ 19. Jedes Mitglied muß seinen Kampfwart aus der Verbindung nehmen. § 20. Da die Natur der Sache es mit sich // bringt, daß nur die Aufrechthaltung der Gesetze zum Ziele führt, so wählt der Gemeinwille für jede 10 Mitglieder einen Stellvertreter, und zwar am Ende eines jeden halben Jahres für das folgende. b. Geschäftsgang im Vereine. § 21. Der Verein hat so viel Abtheilungen, als 10 Mitglieder vorhanden sind, welche jedesmal eine Abtheilung bilden und sich für sich versammeln. § 22. Jede dieser Abtheilungen hat einen Vorsteher, welcher in derselben zugleich Sprecher ist. Er hat seiner Abtheilung alle Verhandlungen des Vorstandes mitzutheilen, so wie auch bey einer Abstimmung die Stimme für und wider zu bemerken, nach welcher in der Vorstandssitzung durch Zusammenziehung sämmtlicher Stimmen für und sämmtlicher gegen der Gemeinwille bestimmt wird. // § 23. Es kann keine gültige Versammlung der Abtheilung gehalten werden, wenn nicht ²⁄₃ der Mitglieder vorhanden sind. § 24. Alle 14 Tage ist regelmäßig eine Versammlung der Abtheilungen, welche den Zweck hat: 1) daß der Verein durch seine Vertreter benachrichtigt werde, was sich Gemeinwichtiges ereignet hat, 2) damit nöthige Vorschläge an die Gesammtheit gebracht werden, 3) die nöthigen Wahlen vorzunehmen, 4) Anklage gegen Beamte zu richten. § 25. Die Berufung zu solchen Versammlungen beruht durch halbjährige Festsetzung eines bestimmten Tages. § 26. Alles Ueberflüssige, was nicht zum Zwecke der Versammlung gehört, muß // vermieden werden, z. B. Rauchen, Mitbringen der Hunde u. s. w.
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§ 27. Der Sprecher sorgt für Ordnung. § 28. Wer während der Versammlung beleidigt, muß abbitten. § 29. Außerordentliche Versammlungen veranstalten die Vorsteher durch Zusammenberufung ihrer Abtheilungen, welches den jüngeren an Burschenjahren (Füchsen) einer jeden Klasse obliegt, indem sie am meisten Zeit übrig haben. § 30. Alle Vorschläge zu Verbesserungen müssen beym Vorstande eingereicht werden; dieser versieht sie mit einem Gutachten, und übergiebt sie den Abtheilungen. In der nächsten Vorstandssitzung ergiebt sich der Gemeinwille, welcher in der darauf folgenden Versammlung der // Abtheilungen diesen mitgetheilt wird. § 31. In allen Fällen, wo im Verzuge Gefahr für die Verbindung entstehen könnte steht dem Vorstande als Stellvertreter die Entscheidung zu, doch sind sie dem Ganzen verantwortlich. § 32. Dem Gemeinwillen steht die höchste gesetzgebende und gesetzverwaltende Gewalt zu. § 33. In ²⁄₃ von Stimmen erkennt der Verein den Gemeinwillen. § 34. Wo kein Gesetz ist, entscheidet der Gemeinwille. § 35. Auch alle außerordentlichen Steuern bewilligt der Gemeinwille. § 36. Alle Wahlen zu Aemtern geschehen in der Klasse aus dem Ganzen. // C. Vom Vor stande. § 37. Die Vorsteher sind die Stellvertreter des Vereins, indem sie die Gesetze des Gemeinwillen in dessen Namen vollziehen und diesem verantwortlich sind. 722
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§ 38. Das Ansehn und die Ehre des Vereins soll der Vorstand nach allen Kräften aufrecht erhalten; Beleidigungen gegen den Verein hat er daher die Pflicht nach dem Geist der Zeit zu ahnden. § 39. Die Vorsteher haben das Recht und die Pflicht, den Mitgliedern freundschaftliche Ermahnungen zu geben. § 40. Dem Vorstande obliegt die Sorge für Feyerlichkeiten, das Burschenhaus, die Fechtübungen und Geldangelegenheiten, so wie auch Ort und Zeit der Versammlungen zu bestimmen. // § 41. Die Vorsteher haben durch Wahl folgende Aemter unter sich zu vertheilen: 1) das Amt des Sprechers 2) das Amt des Schreibers 3) das Amt des Aufsehers des Fechtbodens 4) das Amt des Aufsehers des Burschenhauses 5) das Amt des Rechnungsführers. § 42. Das Amt des Sprechers wechselt alle 4 Wochen, alle übrigen Aemter werden für das halbe Jahr ertheilt. § 43. Das Amt des Sprechers müssen auch Vorsteher übernehmen, die schon ein Amt haben außer dem Schreiber. § 44. Vom Sprecher Der Sprecher ordnet sowohl die Versammlungen des Vorstandes als die der Abtheilungen des Vereins, muß // indessen auf den Wunsch eines jeden Mitglieds Versammlung halten. § 45. Der Sprecher vertheilt am Anfange eines jeden halben Jahres die Burschen nach dem Burschenalter in Abtheilungen durch’s Loos. § 46. Ist der Sprecher verhindert, so versieht der zuletzt abgegangene Sprecher sein Amt. 723
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§ 47. Vom Schreiber Der Schreiber führt das Verhandlungs-Buch in den Sitzungen des Vorstandes, bewahrt die Papiere und hat neue Gesetze in die Verfassungsurkunde einzutragen. § 48. Bey Abhaltung des Schreibers führt der Rechnungsführer sein Amt. // Vom Rechnungsführer. § 49. Der Rechnungsführer bewahrt die Kasse des Vereins, über welche er ein genaues Einnahme und Ausgabebuch dem Vorstande monatlich vorzuzeigen hat. § 50. Der Vorsteher des Burschenhauses versieht sein Amt, wenn er abgehalten ist. Vom Vor steher des Fechtbodens. § 51. Der Aufseher des Fechtbodens führt die Aufsicht über die Fechtübungen, verwahrt die Waffen der Verbindung und ernennet bey jedem Zweikampf einen unpartheiischen Zeugen. Von dem Vor steher des Bur schenhauses. § 52. Er führt die Aufsicht über das Burschenhaus und ein etwaniges Lesezimmer, und besorgt alle Einrichtungen // bey feierlichen Gelagen, Commerschen, worüber er indessen mit dem Vorstande Rücksprache zu nehmen hat. Von den Ver sammlungen des Vor standes. § 53. Die Versammlungen des Vorstandes sind so lange geheim, als die Verbindung geheim bleiben muß, jedoch werden mit Erlaubniß des Vorstandes Zuhörer geduldet. § 54. Der Vorstand soll wöchentlich eine Sitzung halten und am Anfange des halben Jahres hierzu regelmäßig einen Tag festsetzen. § 55. Der Sprecher, welcher den Vortrag hat muß während der Sitzung die Gesetze vor sich liegen haben.
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§ 56. Bey Abstimmungen stimmt der Sprecher zuerst, dann die übrigen // Vorsteher nach der Reihe, wie sie sitzen. § 57. Am Schlusse der Sitzung liest der Schreiber die Verhandlungen vor. § 58. Alle Entscheidungen des Vorstandes geschehen durch Stimmenmehrheit. § 59. Kein Vorsteher darf sich während der Sitzung beleidigender Worte bedienen. § 60. In Sachen, welche zu erweisen sind, gelten Zeugen, Urkunden, Ehrenwort als Beweis; zum ganzen Beweise sind zwey Zeugen, welche auf ’s Ehrenwort verpflichtet sind, hinreichend. § 61. Beschuldigungen gegen Einzelne untersucht der Vorstand. // D. Eintr itt und Austr itt. § 62. Jeder Aufzunehmende muß folgende Eigenschaften in sich vereinigen: 1) er muß ein Teutscher seyn, wozu wir alle rechnen, deren Muttersprache die Teutsche ist. 2) er muß Christ seyn. 3) er muß ehrenhaft seyn, d. h. es darf ihm weder aus dem bürgerlichen noch aus dem Burschenleben ein Flecken anhängen. 4) er darf in keiner anderen Verbindung seyn, deren Geist und Gesetze mit der unsrigen im Widerspruch stehen. 5) er muß schon ein halbes Jahr Bursch gewesen seyn. § 63. Wer jemand zur Aufnahme vorschlägt, hat dessen Namen dem Sprecher anzuzeigen: dieser theilt ihn // dem Vorstande mit, welcher ihn den Klassen bekannt macht. Jedes Mitglied hat nun die Pflicht, sich so viel wie möglich nach ihm zu erkundigen und nach Verlauf von 14 Tagen wird abgestimmt; zur Aufnahme sind ²⁄₃ der Stimmen nöthig. Die Stimmung geschieht laut; wer gegen ihn stimmt, muß seine Gründe ergeben [!]; der Gemeinwille untersucht ihre Triftigkeit.
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§ 64. Die Aufnahme geschieht vor dem Vorstande. § 65. Tüchtige Burschen können schon im ersten halben Jahre (Füchse) die Erlaubniß erhalten den Versammlungen beizuwohnen, können jedoch nicht als Mitglieder sondern als Anwarte beobachtet werden, haben daher auch kein Stimmrecht, da ihnen die Erfahrung ²⁄₃ fehlt, und versprechen bey der Erlaubniß den Versammlungen beizuwohnen nichts, als alles unvorsichtige Geplauder zu vermeiden. § 66. Dem Aufzunehmenden wird von einem Vorsteher unter dem Worte der Verschwiegenheit die Verfassungsurkunde gezeigt; wünscht er nun Mitglied zu werden, so wird er in der nächsten Sitzung des Vorstandes folgendermaßen aufgenommen: Der Schreiber liest ihm die Verfassungswerte vor, welche der Aufzunehmende mit einem deutlichen: Ja ! – beantwortet. – Sie sind: „Giebst Du Dein Ehrenwort, die Gesetze des Gemeinwillens, so lange Du Mitglied bist, nie mit Willen zu übertreten und bey etwanigen Austritt dem Vereine nicht zu schaden, versprichst // Du vielmehr, eben so wie dem Herminenbunde auch ewig treu dem Deutschen Vaterlande zu seyn? – So gieb Dein Ehrenwort in die Hand des Sprechers.“ – § 67. Mitglied des Vereins hört man auf zu seyn: 1) wenn man ausgeschlossen wird. 2) wenn man austritt. 3) wenn man aufhört Bursch zu seyn. § 68. Tüchtige Burschen, welche nicht eintreten können, können Ehrenmitglieder werden, so wie dies auch alle von der Hochschule abgehenden Herminen bleiben. § 69. Ehrenmitglieder behalten die Rechte wirklicher Mitglieder, in so weit kein wirkliches Mitglied sie in Anspruch nehmen kann, sie haben // berathende Stimmen, nehmen an allen Feierlichkeiten Theil, u. s. w. jedoch übernehmen sie die Verbindlichkeiten, die den Genuß jenes Rechtes möglich machen.
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E. Kasse. § 70. Die Füllung der Kasse geschieht durch 3 Mittel: 1) halbjährige Wechselabgaben 2) außerordentliche Beysteuer 3) Strafgelder § 71. Jedes Mitglied bezahlt vom halbjährigen Wechsel ½ vom Hundert auf ’s Ehrenwort. § 72. Wer kein vorräthiges Geld hat, muß sich vom Rechnungsführer einen Termin setzen lassen auf ’s Ehrenwort. F. Vom Fechten. § 73. Der Verein sorgt für einen Fechtboden. // § 74. Der Fechtboden muß viermal wöchentlich besucht werden. § 75. Jede Stunde in welcher gefochten wird, hat einen Vorsteher zur Aufsicht, welcher die Fechtenden aufzeichnet. G. Bur schenhaus. § 76. Da ein gemeinschaftliches Burschenhaus ein vorzügliches Mittel zur Einigkeit und Geselligkeit ist, so verpflichtet sich ein jeder es so oft als ihm möglich zu besuchen. § 77. Um das Burschenhaus in gutem Ansehen zu erhalten, verpflichtet sich jedes Mitglied aufs Ehrenwort zur ordentlichen Bezahlung des Wirthes. H. Oeffentliche Feyerlichkeiten. § 78. Der Verein veranstaltet zu Anfang eines jeden halben Jahres einen Kommersch, // so wie auch am Ende desselben einen Abschieds-Kommersch. § 79. Kleine Kommersche kann der Vorsteher des Burschenhauses zuweilen ausrichten. 727
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§ 80. Allgemeine Feste sind: der 18te des Brachmonds zur Feyer der Schlacht bey Waterlow. der 18te des Siegesmonds zum Andenken der Leipziger Freiheitsschlacht, und der Vereinigung der Deutschen Burschen zur Burschenschaft auf der Wartburg. J. Von den Strafen. § 81. Der Verein straft 1) als Vertreter des Brauchs, indem er die Strafe ausspricht, die dieser bestimmt; 2) als Gemeinwesen die Uebertretung seiner Verfassungsurkunde. // § 82. Die Strafen sind: 1) Geldstrafe 2) Verweis 3) Ausschließung 4) Verruf § 83. Geldstrafen: Jeder Vorsteher, welcher ohne hinlängliche Gründe in einer Vorstandssitzung fehlt, zahlt 1 Rthlr. Strafe, wer eine Viertelstunde zu spät kommt, 8 gute Groschen. § 84. Wer in einer Abtheilungsversammlung fehlt, zahlt 12 g. Groschen, wer ¼ Stunde zu spät kommt, 4 g. Gr. § 85. Wer eine Fechtstunde versäumt, zahlt 4 gute Groschen. § 86. Verweis: Diesen ertheilt der Sprecher vor dem Vorstande, welcher ihn zuerst // prüft und billigt. § 87. Ausschluß: Ausschluß erfolgt, wenn jemand sich unwerth gemacht, Mitglied des Vereins zu bleiben, welches der Gemeinwille entscheidet. § 88. Ver r uf: Verruf erfolgt in allen Fällen, welche der Brauch bestimmt und außerdem, wenn ein Mitglied sich absichtlich dem Gemeinwillen widersetzt; Freunde eines Ver728
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rufenen erhalten, wenn sie Mitglieder des Vereins sind, von diesem auf Nachsuchen die Erlaubniß mit ihm umzugehen, da sie die Pflicht haben, den irrenden Freund unter keinem Verhältnisse zu verlassen, ihm vielmehr in allen Fällen beizustehen. – [Daran anschließend folgt: III / Verfassungsurkunde der allgemeinen Deutschen Burschenschaft.] Quelle: GStA PK, I. HA, Rep. 77 Ministerium des Innern Tit. 17 Gen Nr. 44, Bd. 1, Bl. 255r–269v: Abschrift vom 27. März 1822, angefertigt von Universitätsrichter F. Krause für den Königl. außerordentlichen Bevollmächtigten an der Universität, Geh. Oberregierungsrat und Ritter Schultz. – Transkription Uta Motschmann.
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Gesetzlose Gesellschaft (Nr. 1) (Die Zwanglose)
Organisatorische Festlegungen, 1810–1820 (Auswahl) Die Gesellschaft hatte keine Statuten, dafür aber organistorische Festlegungen, wie den Ausführungen des späteren Mitglieds Ernst Soehlke zur Geschichte der Gesellschaft zu entnehmen ist. Danach habe anfangs unter dem „Direktoren“amt von Heinrich Menu von Minutoli das einzige Gesetz dieser sonst gesetzlosen Gesellschaft in dem Beschluss bestanden, alle 14 Tage im heiteren Freundeskreise beim Mittagessen zusammenzukommen (Soehlke, S. 3). Das Eintrittsgeld betrug 2 Taler 12 Groschen. Es wurde nur ein einmaliger Beitrag gezahlt, durch den der Eintretende „Anteil an dem silbernen Humpen gewann“(ebd., S. 16). Dieses Trinkgefäß mit dem eingravierten Datum Den 23. Dezember 1809 wurde aus Anlass der Rückkehr des Königs nach Berlin angeschafft. Fortan galt der 23. Dezember als eigentlicher Stiftungstag, auf dem jährlich der Humpen auf das Wohl des Königs geleert wurde. Er sei das einzige Kleinod der Gesellschaft gewesen. Im Sommer wurde in einem Lokal im Tiergarten getafelt, im Winter in der Stadt, meist bei Bandemer (zuerst in der Börsenhalle, dann im Casino, Ecke Charlotten- und Behrenstraße). Pünktlich 15 Uhr wurde aufgetischt. Die Teilnehmer hatten zuvor ihr Kommen schriftlich anzukündigen wie auch die Zahl der Gäste zu melden. Im Herbst 1810 wurde die Gesellschaft durch den neuen Direktor Rosenstiel in SonnabendsGesellschaft Nr. 1 umbenannt. Da beim 5. Stiftungsfest, das am 23. März 1811 begangen wurde, nur neun Mitglieder anwesend waren, richtete Rosenstiel einen Appell an die Gesellschaft, dem auch Hinweise auf die Struktur und Organisation der Gesellschaft zu entnehmen sind:
Die Sonnabendsgesellschaft Nr. 1 gestiftet den 8. März 1806 von 9 geselligen Männern ist zu einer Anzahl von 46 Mitgliedern zwar angewachsen und hat sich also in den verflossenen fünf Jahren sozusagen verfünffacht; es sind aber unter diesen 46 leider Gestorbene . . . . . . . . . . . . . . . . . .4 ganz aus Berlin Geschiedene . . . . . . . . . . . . 2 730
Gesetzlose Gesellschaft (Nr. 1) (Die Zwanglose)
die Gesellschaft nie besuchende . . . . . . . . . . .3 ” ” sehr selten besuchende . . . . . 8 ” ” selten besuchende . . . . . . . 15 32 und so schwindet die Zahl der zusammenkommenden Mitglieder bis auf 14, ja sie war beim letzten Mittagsmahl auf die reine ursprü[n]gliche Stammzahl 9 zurückgekommen. Soll das so bleiben? sollen die gestorbenen, die in weiter Ferne von Berlin lebenden, die nie besuchenden Mitglieder unseres Vereins nicht ersetzt, die sehr selten und die selten Erscheinenden nicht ersucht werden, das Vergnügen des Mahls durch ihre Gegenwart zu erhöhen? liegt der eingerißene Mangel des zahlreichen Zusammenkommens vielleicht an dem Tage S o n n a b e n d , der Geschäftsmänner und Mitglieder der Universität oft bis zum späten Abend beschäftigt? Wer hindert uns, daß wir einen anderen Tag, z. B. Mittwoche, zu unserer frohen Zusammenkunft bestimmen? denn durch das ursprüngliche Wort: Sonnabendsgesellschaft, werden die Gesetzlosen sich doch nicht tyrannisieren lassen? wiewohl freilich auch ein Gesetz – ich weiß nicht, ob ich sagen soll: sich ihnen aufgedrungen? oder sich bei ihnen eingeschlichen? hat – das Gesetz: „daß bei der Wahl eines durch ein Mitglied vorgeschlagenen Kandidaten zwei verneinende Stimmen ausschließen“ ein Gesetz, dessen Befolgung uns schon einige treffliche Kandidaten entzogen hat; dessen tötliche Folgen für unseren Verein am Tage liegen, weil sich kein Mitglied zum Vorschlag eines Kandidaten weiter entschließen will. Ist endlich vielleicht manchem Mitgliede der jetzige Preis des Mittagsmahles, welcher ursprünglich sechszehn, dann zwanzig Groschen gewesen, zu hoch? zumal zu dem Thaler sich bekanntlich noch allerlei Nebenspesen, als: Pfropfengeld, für Kaffee u. s. w. gesellen. Der Unterzeichnete, welchem die Gesellschaft aus freier Wahl und nach der Stimmenmehrheit für ein Jahr den Auftrag erteilt hat, ihr Interesse, so viel ers vermag, zu besorgen, glaubet der übernommenen Pflicht gemäß zu handeln, indem er alles Vorstehende zur Sprache bringt und vorschlägt: nächsten Sonnabend den 4ten Mai, Nachmittags um zwei Uhr sich bei Bandemer, am bekannten Orte, zu versammeln, um vor dem Mittagsmahl in Überlegung zu ziehen und durch die Mehrheit zu entscheiden: 1. ob wir uns ferner alle 14 Tage Sonnabends, oder an welchem anderen Tage zu einem Mittagsmahle vereinigen wollen? 2. ob wir die Abgeschiedenen, Wegbleibenden, Seltenerkommenden durch Wahlen neuer Mitglieder ersetzen; 3. ob wir das unserm Vereine Gefahrbringende, für eine Gesetzlose Gesellschaft unpassende Gesetz: daß zwei verneinende Stimmen einen vorgeschlagenen ausschließen, gleichwohl stehen lassen, oder wieder abschaffen; 4. ob wir bei den Mittagsmahlpreisen der beiden letzten Jahre, 1 Thaler für die Person, der jetzt wohlfeiler gewordenen Lebensmittel ungeachtet, ferner beharren, 731
Tischgesellschaften
oder wiederum zu den ursprünglichen 16 Groschen oder den nachherigen 20 Groschen zurückkehren wollen? 5. ob wir endlich die nächste Zusammenkunft nach der diesmal noch bei Bandemer angesagten, im Thiergarten, bei Kempfer, oder bei dem Nachfolger von Burtheaux oder wo sonst? halten, und allenfalls einen Ausschuß zur näheren Prüfung der Wirthe und des Lokals ernennen wollen? Ich darf hoffen, daß aus dem bisher Gesagten wenigstens soviel hervorleuchten wird, daß mein eifriges Bestreben dahin gerichtet ist: ne quid respublica detrimenti capiat nostra, und bitte nur noch zum Schlusse: diesen Umlauf dem Boten ver siegelt zuzustellen und dann: daß diejenigen unserer geehrtesten Mitglieder, welche nächsten Sonnabend persönlich zu erscheinen abgehalten werden, Ihre Antworten auf vorstehende Fragen schriftlich entweder hier anfügen, oder mir bis Sonnabend, zum getreuen Vortrag an die Anwesenden, gefällig zusenden. Berlin den 30ten April 1811 Rosenstiel. (Soehlke, S. 18–20.)
Aus den eingegangenen Antworten formulierte Rosenstiel gewissermaßen die Verfassung für die ehemals „gesetzlose“ Gesellschaft (Soehlke, S. 20):
Die Sonnabendgesellschaft No. 1 hat in ihrer letzten zahlreichen Versammlung durch Stimmenmehrheit folgendes beschlossen: 1. Es sollen zum Ersatz der gestorbenen, von Berlin entfernt wohnenden, oder die Gesellschaft sechs Monatelang nicht besuchenden Mitglieder, neue gewählt, jedoch die Zahl, aus wie viel Mitgliedern überhaupt diese Gesellschaft bestehen soll, noch nicht bestimmt werden. 2. Die Wahl geschiehet auf die bisherige Art, durch Herumtragen des Wahlkästchens mit den Übersichten pour und contre, in welches jedes wählende Mitglied, nachdem es seinen Namen auf den Wahlzettel geschrieben hat, seine Stimme in eine der Ritzen des verschlossenen Kästchens stecket. Bei Eröffnung des Kästchens, am Tage der nächsten Zusammenkunft der Mitglieder, wird die Anzahl derer, die ihre Stimme gegeben haben, zusammengerechnet; befindet sich der vierte Teil dieser Anzahl in der Abteilung contre: so ist der Vorgeschlagene ausgeschlossen. 3. Die Gesellschaft versammelt sich, statt bisher Sonnabends, künftig alle vierzehn Tage Mittwochs nachmittags gegen drei Uhr. Die Benennung: Sonnabendsgesellschaft Nr. 1 hört also nun auf und statt ihrer heißen wir künftig die Mittwochsgesellschaft. 4. Von sechs zu sechs Monaten fordert der zeitige Direktor die sämtlichen Mitglieder auf: sich in der Beilage des Umlaufbogens, welche die Nahmen der Mitglieder in alphabetischer Ordnung enthalten soll, schriftlich zu erklären: ob sie bei der Gesellschaft
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Gesetzlose Gesellschaft (Nr. 1) (Die Zwanglose)
bleiben, oder ausscheiden wollen? Die Abgehenden werden dann durch die Wahl neuer Mitglieder ersetzt. Nachträglich werden noch zwei frühere Beschlüsse hierher vermerkt: 1. Der Bote der Gesellschaft bekommt für jedesmalige Ueberbringung des Umlaufbogens von jedem Mitgliede einen guten Groschen. 2. Die Gesellschaft feiert jährlich drei Festtage: den Stiftungstag – achten März; den Geburtstag des Königs Maj. – den dritten August; die Rückkehr des Königs und Seiner Familie in die hiesige Residenz nach dem Kriege – drei und zwanzigster Dezember. An diesen Festtagen wird der silbervergoldete Humpen – an welchem jedes neu aufgenommene Mitglied durch baare Bezahlung von zwei Thalern und zwölf Groschen in Courant Antheil erhält – aufgestellt. Jeder Anwesende, welcher daraus trinken will, bringt mit lauter Stimme einen Trinkspruch aus. Dieß für sämmtliche geehrte Mitglieder zur Nachricht. Die nächste Zusammenkunft hat den 15ten dieses Monats, bei Kempfer, im Tiergarten, statt. Der freundliche Mann hat mir gute und abwechselnde Gerichte und gute Bedienung, ohne Horcher und Zuträger, versprochen. Er behauptet auch, recht gute Weine und Biere zu billigen Preisen zu haben. Das lästige Herumgehen eines der Musikanten mit dem Notenbogen soll vermieden werden. Er nimmt auch die Bezahlung des Thalers für das Essen in Münz Courant an. Der gestorbenen Mitglieder sind vier; der ferne von Berlin wohnenden zwei. Für diese stelle ich folgende 6 Kandidaten auf die Wahl: Herr Staatsrath Süvern Herr Obrist von Schlieffen Herr Staatsrath Graf Dohna-Wundlaken Herr Geheime Oberhofbuchdrucker Decker Herr Staatsrath Wloesner und Herr Regierungsrath von Koenen. Jeden dieser Nahmen habe ich 36mal geschrieben und dem Boten übergeben. Ich ersuche jedes Mitglied ergebenst: Von jedem Nahmen ein Exemplar in eine der beiden Wahlspalten des lakirten Kästchens zu stecken und auf der folgenden Seite zu bemerken, daß Sie gewählt haben; Herrn Hofrath Hirt bitte ich aber noch besonders, den versiegelten Schlüssel des Wahlkästchens von dem Boten anzunehmen und ihn nächste Mittewoche mitzubringen. Wer an diesem Tage der Oeffnung des Wahlkästchens und Sortirung der Nahmen beiwohnen, besonders aber an dem Mittagsmahle Theilnehmen will, entweder allein, oder mit Gästen, der wolle solches gefälligst bei seinem Nahmen anzeigen. Berlin, den 12. Mai 1811. Rosenstiel kommt und bringt wenigstens einen Gast mit. (Soehlke, S. 20–21.)
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Tischgesellschaften
Nachdem die Gesellschaft im Jahr 1812 erneut wenig besucht wurde und Rosenstiel daraufhin verschiedene Festlegungen zur Wahl stellte, vor allem, um den Wirt eine regelmäßige Einnahme zu gewährleisten, wurde Folgendes beschlossen:
1. Jedes Mitglied, welches nicht kommen kann, bezahlt bei der Unterschrift des Zettels zur Einladung vier Groschen Courant und bemerkt es neben seinem Namen, daß sie von dem Boten gegeben werden. (Das Botenlohn wird außerdem von Jedem bezahlt). 2. Die vier Groschen der Nichtkommenden werden in die besonders zu errichtende Speisungskasse gelegt. 3. Aus dieser Speisungskasse wird dem Wirte der Zuschuß der an 12 fehlenden Zahlen geleistet. 4. Für das Bestehen und Gedeihen der Gesellschaft ist zu wünschen, daß ein solcher Zuschuß nie erforderlich sei; Etwas kommt dann doch – experto credite! – zur Speisungskasse ein; dieses Etwas vergrößert sich vierzehntägig um Etwas, und wenn etwas Erkleckliches beisammen sein wird, so läßt sich daher am Stiftungstage der Stoff zur Ausübung einer Cardinal-Tugend nehmen [= Anspielung auf eine Punschbowle namens „Kardinal“]. 5. Wer sich zum Kommen unterzeichnet, der bezahlt seinen Thaler für das Mahl, er komme oder nicht. Doch kann er noch bis Mittwoch Abends beim Speisenwirt absagen lassen, und bezahlt dann nur vier Groschen Courant, keinen Thaler. Diese placita der Anwesenden (Beschlüsse oder Gesetze kann eine Gesetzlose Gesellschaft nicht haben) den anwesend gewesenen bekannt zu machen, ist des zeitigen unterzeichneten Geschäftsführers Schuldigkeit. Berlin, den 23. Juni 1812. Rosenstiel. (Soehlke, S. 27.) Kurz darauf beschloss man, zum Sonnabend als Versammlungstag zurückzukehren, die Gesell schaft demzufolge wieder Sonnabendsgesellschaft No. 1 zu nennen, sowie die letzten Beschlüsse dahingehend zu modifizieren:
1. Daß der Speisenwirth stets für zwölf Personen kochen und anrichten lassen und daß er für die Minderzahl stets mit einem Thaler für jedes an den 12 fehlende Haupt entschädigt werden soll. 2. Daß diese Entschädigung von den fehlenden Mitgliedern in Masse aufgebracht werden soll; doch so, daß Mitglieder, welche durch Dienstobliegenheiten auf mehrere Monate von hier entfernt werden, dazu nichts beitragen. 3. Daß, um den Speisenwirth gleich befriedigen zu können, alle 14 Tage, oder jeden Monat das fehlende von den ausgebliebenen Mitgliedern einzuziehen, jedes Mitglied dem Geschäftsführer zwei Thaler zustellen soll. Diese machen ein Stammkapital aus, woraus im Laufe von 3 oder 6 Monaten die Ergänzung der Normalzahl 12 geleistet wird. Jedes Mitglied bekommt nun für 26 Tage der Zusammenkunft in einem Jahre sein Conto bei Geschäftsführer. Bleibt es nicht weg, so bleiben seine 2 Thl. unangetastet. 734
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Bleibt es oft weg: so trägt es zur Befriedigung des Speisewirths seine Rate nach Maaßgabe der an 12 Gefehlten mit den übrigen Weggebliebenen aus den 2 Thl. bei. Der Betrag hiervon wird jedem Mitgliede nach Ablauf von 3 oder 6 Monaten durch Vorlegung der Rechnung angezeigt und es erstattet den aus seinen 2 Thl. geleisteten Beitrag für den Speisewirth baar, um diese Summe wieder voll zu machen. 4. Daß der Unterzeichnete die Geschäfts- und Rechnungsführung vorerst noch übernehmen soll. Er wird das bis zum nächsten Stiftungstage gern thun, in der angenehmen Erwartung, daß die ihm so liebe Gesellschaft wieder recht aufblühen und sich erkräftigen wird. [Rosenstiel] Diese Beschlüsse wurden in einem ‚quasi-organischen Circular‘ vom 19. August [1812] niedergelegt und von allen Mitgliedern unterschrieben. (Soehlke, S. 29–30.) Infolge der Kriegsereignisse ließ Rosenstiel am 26. April 1813 über folgende Vorschläge abstimmen:
Ich bitte um Stimmen über meine unmaasgeblichen Vorschläge: ob wir uns in den nächsten sechs Monaten versammeln wollen 1. im Thiergarten? 2. monatlich einmal? 3. Mittags oder Abends? 4. an den genannten oder welchen anderen Tagen? Die Mehrheit der Mitglieder stimmte darauf „für den Thiergarten monatlich einmal Zusammenkommen mittags an den vorgeschlagenen Tagen.“ (Soehlke, S. 33.) Am 9. November 1813 schrieb Rosenstiel anlässlich der Völkerschlacht bei Leipzig an die Gesellschaft:
Die 15 Mitglieder der Sonnabendsgesellschaft Nr. 1 haben bei ihrem letzten Zusammenseyn sich dahin geeinigt, daß, wenn die übrigen Mitglieder einstimmen, der 18. October zu einem Festtage für die Gesellschaft erhoben, auf dem silbernen Humpen dessen Andenken eingegraben, und zum 13. d. M. die Nachfeier dieses unvergeßlichen Tages begangen werden soll. Die Zustimmung Alles vorausgesetzt, lade ich also Alle zur Feier des 18. Octobers auf die Bör senhalle zur Mittagstafel ein, und stelle anheim, mich von der Anzahl der Kommenden, es seyn Mitglieder oder Gäste, bald gefällig zu unterrichten. Der Humpen wird aufgestellt; gute Toaste bringt gewiß jeder mit. Für einen guten Punsch zum Schlusse will ich auch sorgen und bin der Meinung, daß die Kosten desselben aus den im vorigen Jahre zusammen gebrachten Entschädigungsgeldern für den Speisewirth auf den Fall der Minderzahl 12 bestritten werden könnten, und daß das Uebrigbleibende auf ein Werk der Menschenliebe am füglichsten zu verwenden sey, daß nämlich genehmigt werde, solches dem Vereine zur Unterstützung der Verheerten, abgebrannten, geplünderten Mitbrüder in dem Ziesar’schen, Luckenwald’ischen und Teltow’schen Kreise zuzustellen. (Soehlke, S. 33 f.) 735
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Am 23. Dezember 1815 fasste die Gesellschaft folgenden Beschluss:
Die unterzeichneten Mitglieder der Sonnabendsgesellschaft haben heute folgendes beschlossen: 1. Jedes Mitglied bezahlet vierteljährlich zum voraus vier Reichsthaler Courant; 2. dafür findet dasselbe einen Sonnabend um den andern, während des ganzen Vierteljahres, sein Couvert bei Hr. Bandemer auf der Börsenhalle und bezahlt nichts dafür. 3. für den Gast aber, den es mitbringt, bezahlt es einen Thaler Courant an den Cassenführer. 4. Der Bote geht, wie bisher, von Mittwochs bis Freitag bei den sämtlichen Mitgliedern herum und sagt die Zusammenkunft an, bittet auch um Namensunterschrift zum Kommen oder Wegbleiben. 5. Wenn das Quartal herum ist, wird die Kasse gestürzt, und was noch darin übrig ist, auf einen guten Cardinal oder kalten Punsch, oder wozu es sonst die Gesellschaft anwenden will, verwendet. So beschlossen wie oben Rosenstiel (Soehlke, S. 39 f.) Als die Gesellschaftskasse 1818 ins Minus geriet, hatte Rosenstiel die lumineuse Idee, das Jahr in ein Quintal einzuteilen, denn: Den Gesetzlosen ist alles möglich! (Soehlke, S. 42.) Im August 1820 wurde die Mitgliederhöchstzahl mit 75 festgelegt. Sofort kam Rosenstiel
auf den lukrativen Gedanken, ältere, weniger häufig erscheinende Mitglieder zu Ehrenmitgliedern zu ernennen, um für neue ‚Expectanten‘ Platz zu schaffen. (Soehlke, S. 42.) Quelle: [Ernst Soehlke]: Die Zwanglose 1806–1906. [Berlin 1906].
Gesetzlose Gesellschaft (Nr. 2) Philipp Karl Buttmann: Pragmatische Statuten, 4. November 1809 Durch eine seit mehreren Jahren in Berlin bestehenden gesetzlose Gesellschaft, welche aber von der Idee einer solchen noch in verschiedenen Punkten entfernt war, war im Winter 1809-10 bei einigen Personen die Ueberzeugung entstanden, daß auch sie zu einer gesetzlosen Gesellschaft gehörten, die sich nur noch nicht gesetzt habe, und welche bestimmt sei dem Ideal näher zu kommen. Sie setzte sich also am 4ten November 1809 vierzehn Personen stark. Sie beschäftigte sich hierauf mit ihrer Vervollständigung, und fuhr damit fort so lange und so oft innere Regungen ihr kund thaten, daß in der großen Welt außer ihr geborne 736
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Mitglieder der Gesellschaft seien, die nur noch nicht anerkannt wären. Der Operation, wodurch diese Anerkennungen jedesmal zum Durchbruch kamen, gab man die äußern Formen von dem was gemeinhin Vor schlag und Wahl heißt. Um auch möglichst vor Irrthümern sich zu sichern, ward festgesetzt, daß derjenige den unter Zwölf Mitglieder n Eines nicht anerkenne, auch kein Mitglied sei. (In gewöhnlichen weltlichen Verhältnissen heißt dies: unter Zwölf Stimmenden schließt Ein Nein aus.) Die Liste der Mitglieder die sich auf diese Art nach und nach entdeckten liegt hier bei. Es wurde dabei von Anfang folgendes als Grundsatz anerkannt. Gesetzloser Gesellschaften können nicht nur unendlich viele neben einander bestehen, sondern man kann auch unendlich vieler solcher Gesellschaften Mitglied zugleich sein, aus dem einfachen Grunde weil kein Gesetz vorhanden ist, wodurch ein Mitglied verbunden wäre, in irgend einer derselben zu erscheinen. Eben dieser Grund zerstört daher auch jeden Einwand, warum irgend jemand nicht Mitglied irgend einer solchen Gesellschaft sein oder werden könne. Ja selbst das Nichtwollen findet nicht statt; denn obige Gesellschaft zum Beispiel existirte, so wie die Idee davon in der Seele derjenigen sich vollendete die den Gedanken gefaßt hatten, und jedes Mitglied ist Mitglied, so wie die übrigen sich überzeugt haben daß er es ist. So oft also die Mittheilung einer solchen Anerkennung an ein bis dahin noch unbekanntes Mitglied ergeht, so verbittet man sich von jedem die etwanige Verweigerung, als eine baare Absurdität. Jeder hat von dem Augenblick an das Recht alle vierzehn Tage an dem jedesmal von der Gesellschaft gewählten Ort, mit so viel Gästen als er will, aus der Zahl der noch nicht anerkannten Personen, zum Mittagsessen sich einzufinden. Er kann dies jedesmal thun; er kann es immer unterlassen. Der Zweck bei Setzung dieser Gesellschaft war, durch Vermehrung der gesetzlosen Gesellschaften, diese nützlichen Anstalten zu verbessern, indem dadurch eine Wahl, ein Wetteifer, ein Spiegeln der einen an der andern zwischen denselben entsteht, und indem jedes Mitglied, wenn es Lust hat in einer gesetzlosen Gesellschaft zu speisen, unter den vielen deren Mitglied er ist, diejenige wählen kann, wo er sich am angenehmsten befindet, folglich allmählig in der Wirklichkeit sich nur solche Personen in den einzel[n]en Versammlungen der verschiedenen Gesellschaften zusammen finden werden, die zu einander passen, diejenigen gesetzlosen Gesellschaften aber, die etwas Fehlerhaftes, ist zu sagen, etwas von der Geselligkeit entfernendes, oder der Gesetzlichkeit sich näherndes, in sich haben, nach und nach eingehen. Jede Anstalt, sie sei so gesetzlos als nur irgend denkbar, muß indessen ein Analogon einer Gesetzgebung haben, nämlich ein Regulativ, bestehend aus einer Anzahl von Ungesetzen, mit deren Haltung es jeder halten kann wie er will. Solche Einrichtungen sind bis jetzt folgende getroffen worden. Es muß ein Or t sein, wo man sich zum Mittagsmahl versammele. Dieser ändert sich indessen nach Belieben und durch eine unsichtbare Lenkung. Jedes neu anerkannte Mitglied erfährt gleich anfangs den Ort des nächsten Mahles, und überläßt das übrige der Zukunft. 737
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Es muß eine Zeit sein, zu der man sich versammle. Bis jetzt ist es immer derjenige Sonnabend gewesen, der zwischen je zwei Sonnabenden liegt, an welchen sie sich nicht versammelte, weil an ihnen die früher gesetzte gesetzlose Gesellschaft sich versammelt. Es geht ein Bote in der Woche jedes so bestimmten Sonnabends herum, mit einem Zettel, worauf Zeit und Ort genannt sind. Auf demselben sind ferner zwei Kolummnen [!] angelegt. Unter die Ueberschrift Ader unt (aderuntes) schreiben sich diejenigen, welche gemeint sind zu kommen, unter Vider unt (videruntes) diejenigen, bei welchen diese Meinung sich noch nicht ausgebildet hat. Bei dem Namen unter Aderunt vermerkt jeder auch die Anzahl der Gäste, die er vor hat mit zu bringen. Aendert, während des Laufes der Woche, einer seine Ansicht von Kommen und Nichtkommen, und die Anzahl der Gäste, so meldet er es, wenn es noch Zeit ist, dem Mitglied das um jene Zeit die mechanische Besorgung der Zusammenkünfte hat. Wenn keine Zeit mehr ist, so kommt der früher nicht gemeldete doch, oder bringt doch den Gast oder die Gäste mit, die er nicht gemeldet hat. Denn für diese Fälle ist der Wirth immer ungefähr eingerichtet. Wenn keine Zeit mehr war abzusagen, so kommt der früher gemeldete doch nicht, und bringt den Gast oder die Gäste, welche gemeldet waren doch nicht mit. Die ökonomischen Inkonvenienzen, welche daraus in Beziehung auf den Wirth entstehen können, pflegen nämlich durch die schon erwähnte unsichtbare Lenkung ausgeglichen zu werden. Und in den seltnen Fällen, wo dies einst nicht möglich wäre, haften die ohne Absagung ausgegbliebenen in corpore für so viel Speisesätze als dem Wirth an seiner der Ankündigung gemäß getroffenen Einrichtung fehlen. Die Beiträge dazu werden jedem der nicht komparenten alsdann abgefordert. Der Bote erhält, so oft er in diesem Geschäft oder jedem andern zu einem der Mitglieder kommt, von diesem Einen Groschen Courant. Jedes Mitglied richtet es zu Hause so ein, daß auch, wenn es nicht zu Hause ist, der Bote dieses sein Honorarium immer vorfinde und erhalte; auch, wo möglich, daß die Angehörigen des Mitgliedes den Bescheid auf den Zettel schreiben. Muß der Bote bei einem Mitgliede zu lange verweilen, oder öfter wiederkommen, so überlegt ein solcher, ob und wieviel er ihm zu dem oben bestimmten Honorar zulegen will. Der Speise-Satz ist, so lange nichts anders abgemacht wird, zu 1 Rthlr. die Person. Alles übrige wird mit dem Wirth und der eignen Börse verabredet. Frauen und Kinder können weder Mitglieder noch Gäste sein. Mehrere Mitglieder erscheinen äußerst selten. Der Natur unserer Gesellschaft nach ändert dies nicht nur nichts in ihren Rechten, sondern sie sind auch die wenigen male, da sie erscheinen, nicht minder von den übrigen gern gesehen. Aber eine Belästigung für sie muß der sie stets überlaufende Bote sein. Wenn also ein solcher dem Boten die Weisung geben will, künftig nicht zu kommen, so wird die Gesellschaft 738
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dies in keinem Fall als einen ihr gegebenen Abschied ansehen. Es bleibt solchen Mitgliedern unbenommen, sobald sie Lust haben – womöglich nach vorgängiger Meldung, doch auch ohne diese – zu erscheinen und die Gesellschaft angenehm zu überraschen. Es kann auch eine solche Absagung für einen bestimmten Zeitraum geschehen; doch scheint es in diesem Fall billig, dem Boten eine Entschädigung für den Ausfall zu reichen. Wer auf unbestimmte Zeit absagt, stimmt so lange bei keiner Stimmung mit, als er diese Unthätigkeit dauern läßt. Wer sehr lange Zeit nicht erscheint, zu dem kommt der Bote nach Verlauf einer gewissen Zeit von selbst wieder. Doch alles dies seinen Rechten gänzlich unbeschadet. Quelle: Pragmatische Statuten der gesetzlosen Gesellschaft von Buttmann. In: [Klenze]: Ph. Buttmann und die Gesetzlosen. Am 4. November / 5. December 1834. Statt Handschrift für die Mitglieder der gesetzlosen Gesellschaft. Berlin 1834, Beilage I, S. 13–16.
Deutsche Tischgesellschaft I) Zirkular Ludwig Achim von Arnims, Ende 1810 Vorschlag zu einer deutschen Tischgesellschaft. Es wird mit dem Anfange des Jahres 1811 eine, so Gott will, fröhlige deutsche Tischgesellschaft alle vierzehn Tage Dienstags zum Mittagessen zusammenkommen; der Ort (beym Wirthe des Casino soll der Zahl dieser Gesellschaft angemessen ausgewählt werden, der Preis des Mittagessens ist auf einen Thaler festgesetzt. Den 18ten Januar am Krönungstage ist die erste Versammlung dieser Gesellschaft angeordnet, dieser Stiftungstag soll alljährlich wiedergefeiert werden. Niemand ist verpflichtet an jedem Versamlungstage zu erscheinen, als der Sprecher, oder einer der Gesellschaft, dem er sein Geschäft übertragen hat, welches darin besteht, die Ordnung der Tafel, das Verhältniß zum Gastwirth und das Gastbuch zu halten. Die Umfrage, wer jedesmal erscheinen wird, geschieht einige Tage vor jeder Versammlung, der Diener erhält dafür von jedem Mitglieden jedesmal einen Groschen. Jedes Mitglied ist befugt Fremde mitzubringen, doch muß dem Gastwirthe davon Nachricht gegeben werden. Bey künftig aufzunehmenden Mitgliedern findet kein Ballotieren statt, weil es die Ehre des Einzelnen bey einem Vergnügen aufs Spiel setzt, wer von zehn Mitgliedern als der Gesellschaft wohlanständig und angemessen eingeführt wird, ist dadurch ordentliches Mitglied. Die Gesellschaft versteht unter dieser Wohlanständigkeit, daß es ein Mann von Ehre und guten Sitten, und in christlicher Religion geboren sey, unter dieser An739
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gemessenheit, daß es kein lederner Philister sey, als welche auf ewige Zeiten daraus verbannt sind. Jedes Mitglied ist zu jeder Zeit berechtigt, ohne Anzeige der Gründe aus der Gesellschaft zu treten. Die Erklärung von zehn Mitgliedern mit ihres Namens Unterschrift, daß jemand ein Philister geworden, bestimmt dessen Trennung von der Gesellschaft, was nimmermehr hoffentlich der Fall seyn wird. Gesang ist willkommen, Frauen können nicht zugelassen werden. Mitglieder der deutschen Tischgesellschaft 2. Lud: Achim von Arnim. 1. Adam Müller 4. L Beckedorff 3. H von Vohs. 6 Pistor. 5. Cl: Brentano 8. Kleist 7. G v Bülow 10. v. LaRoche 9. v Dalwigk 12. PrWeiss. 11. v Savigny 14. Graf Arnim 13. v Röder 16. v. Clausewitz 15. Möllendorf 18. v Voss. 17. Otto. 20. Staegemann 19. D Hnh. Meyer 22. Vollank. 21. Fr Schulz 24. Zelter. 23 Reimer 26. C v Arnim 25. Eichhorn 28. Schwink 27. Reichardt. 30. Alberti 29. v Gerlach 32 v Röder. 31 v Hedemann 34 Vogel 33 Graf v Brühl 36 Wissmann. 35 Grapengiesser 37 Pfuel. 38 Hermensdorff 40 Göschen 39 Prinz Lignowski 42. Genelli 41. Büry 43. v Hymmen 44. v Zschocke 46. Siebmann 45. Fichte. Quelle: GSA 03/262,7, S. 3; Nr. 2. – Druck in: Ludwig Achim von Arnim, Werke und Briefwechsel. Historisch-kritische Ausgabe. In Zusammenarbeit mit der Stiftung Weimarer Klassik und Kunstsammlungen hg. von R. Burwick, L. Ehrlich, H. Härtl, R. Moering. U. Ricklefs, C. Wingertszahn. Bd. 11: Texte der deutschen Tischgesellschaft, hg. von Stefan Nienhaus. Tübingen 2008, S. 4–5.
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II) „Bericht“ Ludwig Achim von Arnims [„Erstes Tagblat der deutschen Tischgesellschaft“, 18. Januar 1811] Am Krönungstage des 1811ten Jahres nach Christi Geburt (am 18 Januar) ist die deutsche Tischgesellschaft durch freye Uebereinkunft der versammelten Männer gestiftet und durch mündliche Verhandlung folgende Gesetze verabredet worden. I Art der Zusammenkunft und Form der Verhandlung Alle vierzehn Tage Dienstags gegen drei Uhr Tags versammelt sich die deutsche Tischgesellschaft zum Mittagsessen bey dem Wirthe des Casino, jedoch ist niemand verpflichtet an jedem Versammlungstage zu erscheinen als der Sprecher oder einer der Gesellschaft, dem er sein Geschäft übertragen hat, welches darin […] besteht [1]) das Tagblatt von jedem Versammlungstage zu schreiben, worin die neu eingeführten Gesetze eingetragen, die gehaltenen Reden so wie alle andre allgemeine Mitheilungen an Kunstsachen, Büchern, Gesängen erwähnt oder beygelegt die aufgenommenen Mitglieder genannt werden, den Schluß jedes Tagblats macht die Zahl der gegenwärtig gewesenen Mitglieder // und die Namen der Gäste und derer, die sie eingeführt haben. 2) Das Verhältniß zum Gastwirth, und die Umfrage bey den Mitgliedern zu besorgen. 3) Alle öffentlichen Verhandlungen der Gesellschaft zu ordnen, alles ihm schriftlich darüber mitgetheilte zu verlesen, die Ordnung der Tafel zu erhalten, die Gesundheiten auszubringen, an ihn werden alle mündlichen Vorträge, die in Beziehung auf die Gesellschaft stehen, gerichtet, er beantwortet sie entweder gleich, oder verlangt eine bestimmte Zeit zur Ueberlegung Alle Verhandlungen über die Gesetze geschehen nach der Suppe, nach Gefallen darf jeder stehend oder sitzend seinen Vortrag halten. II Zahl der Mitglieder und Gäste im Allgemeinen und insbesondre an jedem Tage Die Zahl der Mitglieder darf in Hinsicht des Raumes nicht über sechzig steigen. Erscheinen an einem Versammlungstage weniger als zehn, so müssen // alle Nichterscheinenden dem Gastwirthe die Zahl der Fehlenden vergüten, um ihm eine bestimmte Einnahme für die Freyhaltung des Zimmers zu sichern. Die Umfrage, wer erscheinen wird, geschieht einige Tage vor jeder Versammlung, der Diener erhält dafür von jedem Mitgliede jedesmal einen Groschen Münze; Jedes Mitglied ist befugt, Fremde mitzubringen, doch muß dem Gastwirthe davon voraus Nachricht gegeben werden, theils seiner Einrichtung wegen, theils wegen des möglichen Falles, daß die Zahl der kommenden Mitglieder den Raum des Saales so füllte, daß die Gäste keinen Platz fänden. III Vorläufige Bestimmungen über künftig aufzunehmende Mitglieder Bey künftig aufzunehmenden Mitgliedern findet kein Ballotieren statt weil es die Ehre des Einzelnen bey einem Vergnügen aufs Spiel setzt, wer von zehn Mitgliedern mit ih741
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res Namens Unterschrift beym Tagblat als der Gesellschaft wohlanständig und angemessen eingeführt wird, ist dadurch ordentliches Mitglied. // Die Gesellschaft versteht unter dieser Wohlanständigkeit, daß es ein Mann von Ehre und guten Sitten und in christlicher Religion geboren sey, unter dieser Angemessenheit, daß es kein Philister, als welche auf ewige Zeiten daraus ve[r]bant sind IV Vom Austrit aus der Gesellschaft Jedes Mitglied ist zu jeder Zeit berechtigt ohne Anzeige der Gründe aus der Gesellschaft zu treten Die Erklärung von zwanzig Mitgliedern mit ihres Namens Unterschrift, daß eins der Mitglieder zum Philister herabgesunken, bestimmt dessen Trennung von der Gesellschaft. Wer nach dem Essen der Suppe erscheint, deren Auftragen durch den Sprecher bestimmt wird zahlt acht Groschen Strafe, eben so wer ohne voraus zu sagen kommt, oder wer nicht kommt nachdem er zugesagt hat. Die zehn vorschlagenden zahlen jeder zwölf Groschen Quelle: GSA 03/262,1. – Druck in: Ebd., S. 6–7.
III) Ludwig Achim von Arnim: Stiftungslied der deutschen Tischgesellschaft, 18. Januar 1811 Unsre Krone ward erstritten Durch der deutsche Ritter Blut, Als die Heiden mußten bitten Um des ew’gen Friedens Gut; Seit die Heiden sich bekehret, Kam die gnadenfrohe Zeit, Und der Adel währt und lehret Freiheit in Ergebenheit; Freiheit christlich deutscher Treue Uns mit deinem Segen weihe! Ew’ger Glaube lebe hoch! Chor. Unser Glaube lebe hoch! Als am ersten Krönungstage Friedrich setzte auf die Stirn Unsre Krone, daß er trage Unsres Reiches Glanzgestirn, Einte uns mit höhrer Krone, 742
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Zu dem großen Weltgeschick, Gott der Herr auf seinem Throne Mit der Hoffnung Segensblick, Ließ dem Könige zum Zeichen Seine heil’ge Salbung reichen, Daß die Krone lebe hoch. Chor. Unsre Krone lebe hoch! Unsres Volkes alte Rechte Halten beide Kronen fest, Schützt sie kommendem Geschlechte, Schützt die Adler in dem Nest, Bis sie auf den jungen Schwingen Ueber uns in hohem Flug Zu dem Glanz der Sonne dringen, Im vereinten Heldenzug; Schwört dem alten Herrscherhause, Bei der Krönung Jubelschmause, Ruft dem König Lebehoch! Chor. Unserm König Lebehoch! Nimmer sollen Fremde herrschen Ueber unsern deutschen Stamm, Allen wilden Kriegesmärschen Setzt die Treue einen Damm. Unsres Volkes treue Herzen Bindet eine Geisterhand, Und wir fühlen Sie in Schmerzen, Sie, die uns von Gott gesandt, Daß sich Glaub’ und Liebe finde, Und in Hoffnung sich verkünde, Ewig lebt die König in Chor. Ewig lebt die König in! Steigt der Wein uns in die Krone Bei der Krone frohem Fest, Freudengeber schone, schone, Daß uns Demuth nicht verläßt; Ernstes Leben muß uns weihen, Was der Einzelne vermag, soll er dienend Allen leihen, 743
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Viele Strahlen machen Tag. Schwört, daß keiner will vor allen, Jeder treu mit allen schallen, Hier zu Preußens Lebehoch. Chor. Alle Preußen leben hoch! Quelle: Ludwig Achim von Arnim: Stiftungslied der deutschen Tisch-Gesellschaft am Krönungstage dem 18ten Januar 1811 vom Stifter L. A. v. Arnim. Berlin, gedruckt bei August Wilhelm Petsch, 1811. – Zitiert nach: Ebd., S. 8–9.
IV) Clemens Brentano: Rede auf der zweiten Versammlung am 30. Januar 1811 Vorschläge zur aüßeren Verzierung der deutschen christlichen Tischgesellschaft Wenn gleich eine deutsche altchristliche Tischgesellschaft gerne eingeständig sein wird, daß es nächst dem Tisch hauptsächlich die darauf zu verzehrenden Speisen und Getränke sind, welche nächst der Deutschheit und dem Altchristenthum sie bewogen haben eine Gesellschaft zu werden, so liegt doch in der Wahl ihres ersten Versammlungstages, des Jahrestages de[r] preußischen Krone, wie auch in der durch den verehrten Stifter in seinem Stiftungsliede trefflich ausgesprochenen Gesinnung der ganzen Gesellschaft deutlich vor Augen, daß der Mensch, und die als aus solchen bestehende Gesellschaft ein[e] Freude an aüßerlichen Zeigen (z. B. an Kronen) habe, worin beide ihren erhabenen Ursprung nicht ganz verlaügnen können, da unser Herr Gott selbst eine solche Freude an aüßerlichen Zeichen sich zu Schulden kommen ließ, von welcher die ganze herrliche Welt, nebst den Menschen, der Deutschheit, dem Christenthum, und dieser verehrten Tischgesellschaft ein hinlänglicher Beweiß zu sein scheinen. Aus reiflicher Ueberlegung alles dessen nun legt ein Mitglied, der Gesellschaft oder dem Ausschuße folgende Vorschläge zur aüßeren Verzierung und Ergötzlichkeit der Gesellschafft, welche nach seiner Meinung als deutsche, und christliche und also als keine Gesetzlose, auch als keine kunstlose erscheinen kann, wohlmeinend vor, und bittet den Herrn Sprecher selbige, sollte wegen zu naheliegendem Haubtzwecke des Essens heute in der Versammlung selbst keine öffentliche Meinung über die selbe zu Stande kommen können, bei dem nächstens cursirenden Einladungs Zettel versiegelt zur Bei oder Abstimmung umlaufen zu laßen. 1°. Wird vorgeschlagen, daß bei jedesmahlicher Zusammenkunft von dem Herrn Sprecher, oder einem zu ernennenden Groß Almosenier in eine Büchse ein Beitrag gesammelt werde, um einen Fond zu gründen, aus welchem ein kunstreiches Trinckgeschirr altdeutscher Art von edlem Metall könne gewonnen werden, der immer auf der Tafel, als ein ergötzliches Wahrzeichen und Angedenken ihrer wohlmeinenden Vereinigung ausgesezt sei, und aus welchem bei festlichen Gelegenheiten ein guter Rheinwein
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zu den von dem Herrn Sprecher auszubringenden Gesundheiten gemeinschaftlich getrunken werde. 2°. Daß jedes Mitglied sich gelegentlich sein eignes Trinckglas anschaffe, worauf ein von ihm zu wählender deutscher christlicher Kernspruch ein geschnitten sey, welcher zu rechter Zeit bei irgendeiner Gesundheit ausgesprochen, der Gesellschaft sowohl zur Belustigung und Erweckung, als auch zu einem lauten Evangelium ihrer deutschen und christlichen Gesinnung werden können. 3°. Daß jeder der einen unbekannten Zug Vaterländischer Treue und Tapferkeit, oder einen ehrbaren Schwanck weiß, ihn der Gesellschaft zu allgemeiner Ergötzung kürzlich vortrage und es dem Herrn Sprecher anzeige, welcher ist es ein Ernstes mit der Meßerklinge an das Glaß schlagend, ist es ein Scherzzhaftes mit dem Meßerstiele auf den Tisch schlagend, die gehörige Aufmerksamkeit erbitte, – sollten aber sechs Mitglieder die Geschichte bereits kennen, so melden sie es nach ihrer Vollendung dem Herrn Sprecher und der Erzähler erlegt eine kleine Strafe in den Fond. 4°. Daß ein großes Buch angelegt werde in welches immer die beste Geschichte, die erzählt worden, eingetragen werde, zu eigner und der Nachwelt Ergötzung, und daß zur Vorstehung dieses Buchs, dem Herrn Sprecher, ein Herr Schreiber zugeordnet werde. 5°. Wäre es sehr erwünscht, daß der in dem ersten Plane geäußerten Willkommenheit des Gesanges, welcher heutzutage nie recht von selbst kommen will, der Willen gebrochen, und das Kommen sehr nahe gelegt werde, denn Gesang ist die Seele des Mahls, und er zeichnet außer den Vögeln, den Menschen besonders aus. Die Gesellschaft umfaßt einige Musicker, und Sänger, und viele gesunde Stimmen und fröhliche Herzen, den ersten wäre das Vorsingen, den andern der Chor erfreulich, Poeten fehlen gar nicht, da kein einziger Philister nach den Statuten in der Gesellschaft sein kann, es fehlt daher nur ein engeres Einverständniß, um jedesmahl einen Rundgesang zu Stande zu bringen, nach neuer oder bekannter guter Weiße, welchen Wunsch ich mit des Dichters Worten schließe, Eins nur gilt für den Tag, das Vaterland – und des Opfers Festlicher Flamme wirft jeder das Eigene zu. Darum kränzt der Gemeinsame Gott umsäuselnd das Haar uns Und den eigenen Sinn schmelzet, wie Perlen, der Wein. Dies bedeutet der Tisch, der geehrte, wenn, wie die Bienen Rund um den Eichbaum, wir sitzen und singen um ihn, Dies der Pokale Klang und darum zwinget die wilden Seelen der streitenden Männer zusammen der Chor. Hölderlin. Quelle: GSA 03/262,11. – Zitiert nach: Ebd., S. 14–16. 745
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V) Abschiedsrede von Georg Philipp Ludolph Beckedorff, 18. Juni 1811 Verehrte Tischgenossen! Heute zum letzten Male habe ich die Gesundheit der Krone in Ihrer Mitte ausgebracht. Ich verlasse Berlin und bin also genöthigt, das Amt, welches zu bekleiden ich mir zur großen Ehre geschätzt habe, in Ihre Hände zurück zu legen, und Sie zu ersuchen, einen anderen Sprecher zu erwählen, dem ich die Tischkleinodien, die Tischgesetze und den Tischschatz übergeben könne. […] Ehe ich aber mein Amt nieder lege, erlauben Sie mir, mit kurzen Worten die Geschichte dieser Tischgesellschaft zu berühren, an die Gesinnung und die Absicht derselben zu erinnern, und meine wohlgemeinten Wünsche für ihren fortdauernden Flor vor Ihnen auszusprechen. Gestiftet von Herrn L. A. v. Arnim versammelte sich diese Deutsche christliche Tischgesellschaft am Krönungstage dieses Jahres, dem 18. Januar, also gerade heute vor fünf Monaten, zum erstenmale in dem Locale des Wirths vom Casino. Wenige Gesetze, aber die nach mehreren lüstern machten, und ein schönes Stiftungslied waren die erste Mitgift derselben. Von den unterschriebenen 55 Mitgliedern waren 35 gegenwärtig. Die achtbaren Namen dieser Mitglieder indessen, die heitere Gesinnung der Gesellschaft, die lebhaften und ergötzlichen Debatten in derselben, ihr constitutioneller und gesetzbegieriger Character und vor allen Dingen der halb scherz- halb ernsthafte Krieg, den sie den Philistern und Juden ankündigte, machten ihre folgenden Zusammenkünfte bald zahlreicher und verschaften ihr im Verlaufe weniger Wochen eine Menge neuer, sehr ehrenwerther Mitglieder. Unter solchen Umständen // wurde das bisherige Local bald zu klein für uns, und wir verlegten unsere Zusammenkünfte in den Sal der Börsenhalle. Da ich selbst die Wahl dieses Versammlungs Ortes verursacht habe, so darf ich wohl sagen, daß in derselben sich eben keine große Weisheit geoffenbart hatte. In die Börsenhalle, so dicht an die Spree sich zu wagen, jenseits welcher Juden und Philister schon einheimisch seyn dürfen, war ein gefährliches Unternehmen; auch bekams uns übel. Wir wurden von dort vertrieben, wie die traurige Geschichte davon Allen bekannt ist, und zogen nunmehr in’s Englische Haus, als in die letzte Freystatt für uns bedrängte Deutsche christliche Tischgenossen, von wo nur der Frühling uns hier in den Thiergarten auf eine Weile gelockt hat und wohin Sie dereinst zurückzukehren gedenken. Indessen ist dies nicht die einzige Verfolgung, die wir haben erdulden müssen; Stadtgeträtsch und Judengeklatsch haben uns auf alle mögliche Weise zu verunglimpfen getrachtet. Man hat uns Gott weiß was für Dinge angedichtet, und uns zuletzt sogar in den Mund der Journale gebracht. Daß die Gesellschaft indessen unter diesen Umständen sich nur kräftiger und rüstiger entwickeln muste, war die natürliche Folge. An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen! Und so kann ich dreist auf das Stiftungslied, auf die Abhandlungen über die Philister und über die Juden, auf das Gedicht zum Andenken des Prinzen Ludwig und auf die Glockentaufe verweisen, worin der Geist und das Leben dieser Tischgenossenschaft sich zur Genüge verkündigt haben. Kurz: sie ist gewachsen, hat gegrünt, hat Blumen getragen und Früchte gebracht, und wenn gleich 746
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eine Rose1 darin nicht hat gedeihen wollen, so kann’s daran liegen, daß sie sollte getrieben werden und wir nur frey und naturgemäß uns entfalten wollen. Heute ist die zwölfte Versammlung; wir haben wenig Gesetze, aber viel // Geschichte, mehr Reputation und noch mehr Feinde, wir haben 108 rthl. 8 gr. baares Vermögen und nicht unbeträchtliche Forderungen, wir haben endlich – was in heutiger Zeit viel ist – eine Gesinnung und eine Absicht, welche anjetzt vor Ihnen auszusprechen mir vergönnt seyn möge, nicht sowohl um Sie daran zu erinnern, als vielmehr um Ihnen zu beweisen, daß mir, Ihrem bisherigen Sprecher, beide nicht fremd gewesen sind. Und nun zuvörderst von der Gesinnung dieser Tischgesellschaft zu reden, so drückt sich dieselbe, meines Bedünkens, am vollständigsten in ihrem Namen selbst aus. Wir nennen uns eine Deutsche, christliche Tischgesellschaft, Deutsch, in dem Sinne, den dieses Wort hatte, ehe Deutsche Christen wurden, wo schon Tacitus von ihnen rühmt, daß zu keiner Zeit ihr Gemüth so offen für einfache und so erwärmt für große Gedanken gewesen sey, als bey Tische, christlich, ebenfalls in dem Sinne, den dieses Wort hatte, ehe das Christenthum nach Deutschland kam, wo die jungen Christen bey Tische sich versammleten zu einem Mahle der Liebe. Also Männer, die das Leben mit seinen wunderbaren Krümmungen auseinander zu führen scheint, versammlen sich um diesen Tisch mit feier, heiterer, offener, als Deutscher Stirne, Brust und Zunge, und mit wohlwollendem, liebevollem, also christlichem Herzen; und damit keiner dieser Seegnungen des Tisches entbehren möge, sind durch die Gesetze jedem Neuaufgenommenen zehn freundliche und gewogene Gesichter gleich bey seinem Eintritt zugesichert worden. Was aber Deutsch und christlich seyn will, das muß auch streitbar seyn, nennt doch die Kirche selbst sich eine streitbare (ecclesia miltans) und darum sind auch wir es. Wir führen Krieg, und zwar einen doppelten, einen oberflächlichen, scherzhaften und ironischen gegen die Philister, gegen ein Geschlecht, welches, wenn es überhaupt existirt, wohl ebenso schwer zu vertilgen oder nur abzuhalten seyn möchte, wie Fliegen und // Flöhe, und einen andren gründlichen, ernsthaften und aufrichtigen gegen die Juden, gegen ein Gezücht, welches mit wunderbarer Frechheit, ohne Beruf, ohne Talent, mit wenig Muth und noch weniger Ehre, mit bebendem Herzen und unruhigen Fußsohlen, wie Moses ihnen prophezeit hat,2 sich in den Staat, in die Wissenschaft, in die Kunst, in die Gesellschaft und letztlich sogar in die ritterlichen Schranken des Zweikampfes einzuschleichen, einzudrängen und einzuzwängen bemüht ist. Vom Staat, von der Wissenschaft und von der Kunst es zurückzuweisen, stehet nicht in unserer Macht; aber vom Hufeisen dieses Tisches zu verbannen, das steht nicht blos in unsrer Gewalt, sondern halten wir für unsre Pflicht. In einer Zeit, wo die Satzungen der Väter größten theils umgestoßen werden, wo heilig Altes mit dem geistlos Veralteten in dieselbe Gruft begraben wird, wo eine große Verwirrung und Vermischung Alles Dinge, Gesetze, Stände und Religionen, kurz, ein allgemeiner plebejischer Zustand herbey geführt 1 Anmerk. Eine mystische Anspielung! 2 5. B. Mosis 28,65. 747
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werden soll, in solcher Zeit kann eine Tischgesellschaft ihre gründliche Protestation gegen die ephemeren Neuerungen der Tageswelt nicht besser zu erkennen geben, als durch Verbannung der Juden, dieses Erbfeindes der Christenheit, dieses Wiedersachers aller Ordnung, dieses neugierigen und neuerungssüchtigen Volkes, welches noch immer den weltlichen Messias in seiner Mitte erwartet, da wir den geistlichen doch schon seit 1800 Jahren gläubig anbeten. Nein! kein Beschnittener nahet diesem Tische, und zum ewigen Schrecken für sie, uns aber zur Erinnerung unsrer Gesinnung stehe künftig immer auf diesem Tische ein großer Schinken, gleichviel ob frisch oder geräuchert, roh oder gekocht, in einer Pastete oder mit einem Guß, nur daß ich aus patriotischen Rücksichten einen ächten Pommerschen lieber sehen würde, als einen noch so fetten Westphälischen. Soviel von unsrer Gesinnung; was aber die Absicht dieser Tischgesellschaft betrift, so muß aufrichtig gestanden werden, daß eine solche bey ihrer Gründung gänzlich gemangelt hat. Zusammen zu // kommen, zusammen zu essen, in Lust und Heiterkeit des eignen Geistes unter Scherz und Ernst uns zusammen zu bewegen, war unser Wunsch, und so thaten wir’s, zweck- und absichtslos. Da aber vielfältig von außen her ein Zweck uns hat aufgedrungen werden sollen, so hat aus natürlicher Gegenwirkung ein solcher auch unter uns sich nach und nach gestalten müßen, und ich glaube denselben nunmehr auf folgende Weise am besten ausdrücken zu können. Die Absicht dieser Tischgesellschaft ist: sich ohne alle äußere Absicht um diesen Tisch zu versammeln, ohne Absicht daran zu essen und zu trinken, ohne Absicht Juden und Philistern, als welche bey allen Dingen eine Absicht haben, ein Schnippchen zu schlagen und endlich ebenfalls ohne alle Absicht jedesmal auf das Wohl unsrer Krone und unsres Königshauses mit immer größerer Liebe und höherem Jubel laut und jauchzend anzustoßen. – […]. Quelle: GSA 03/262,13. – Zitiert nach: Ebd., Nr. 21, S. 151–154.
VI) Aus einer Rede Ludwig Achim von Arnims auf dem Stiftungsfest der Gesellschaft am 24. Januar 1815 Verehrte Tischgenossen! Nach längerer Abwesenheit kehrte ich mit der Hoffnung hieher zurück, der Friede werde seine Segnungen wie über alle deutsche Staaten, so auch über unsre deutsche Tischgesellschaft verbreitet haben, daß sie reich an Zahl, reicher an Lustigkeit aus der Zerstreuung, welche der deutsche Krieg nothwendig machte, wieder gesammelt, sich offen ihrer ursprünglichen Gesinnung freuen könnte. Aber der Courszettel unsrer Gesellschaft, das Namensverzeichniß welches für den heutigen Tag umherging bezeugte mir in Hinsicht der Zahl der Mitglieder ein bedeutendes Sinken ihres Credits. Ausser den verehrten Todten vermisste ich eine Zahl treflicher Männer, die ehemals unsern Kreis geschmückt hatten. Mehrere der noch theilnehmenden Mitglieder klagten mir 748
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bald, daß die Gesellschaft auch von der Zahl der noch Vereinigten so selten besucht werde, daß sie einmal sogar nicht versammelt werden konnte. Bey dem Sinken eines Staates in seinen Innern ist es oft // von guter Wirkung gewesen auf den Ursprung, auf die Entstehung seiner Verfassung zurück zu blicken, und ihn darauf zurückzuführen so sey es auch mir vergönnt, der ich Stifter dieser Gesellschaft zu seyn die Ehre hatte, der grössern Zahl von Mitgliedern, die damals nicht gegenwärtig waren, die Geschichte dieser Gesellschaft zurückzurufen. Man könnte sagen, ein Kind das nicht auf den Tisch steigen wolle komme nicht bis auf die Bank und so trieb uns damals manche grosse Frage herum, die in der Heiterkeit dieser Gesellschaft und ihrem anfänglichen Wohlbestehen ihre einzige Antwort erhielt. Es war eine seltsame Zeit, in welche diese Stiftung fiel. Unser Staat stand durch die äussere Noth und Unbedeutendheit gedrängt, auf dem Scheidewege, sich entweder gänzlich dem gleisnerischen französischen mechanischen Staatseinrichtungen nachzubilden, oder sich innerlich treflich zu ordnen, sich eine freye Verfassung zu geben, welche nothwendig seine künftige allgemeine Herrschaft über Deutschland begründet hätte, wenn der äussere Feind endlich von uns hätte weichen müssen, wie damals schon jeder Wohlgesinnte lange vor dem Russischen Froste ahndete und mit Bewustseyn der Gründe sich tröstend vorrechnete. // Der Moment war groß, aber die alten Staatssünden verblendeten. Heimlich sollte sich bilden, was nur freye Hingebung an offene Wahrheit schaffen kann. Ohne Zutrauen zu dem Charackter des Volkes, daß es mit Ergebenheit und Einsicht sich selbst nach seinem Bedürfniß eine Verfassung schaffen könnte, wenn ihm nur freye Berathung gelassen würde, konnte man auch diesem Volke keine heimlich erdachte geben denn das diese gehalten würde, forderte noch grösseres Zutrauen. Gab es also gleich in den Einzelnen manches Wohlgedachte über Verfassung, so kam es doch nie zur Ausführung, die eine Hälfte ging in dem Berathen unter, die andre wagte man nicht auszusprechen. So ging die kostbare Zeit vorüber, nur das erschien, was der harte Drang äusserer Verhältnisse erpresste, drückende Abgaben gesetze alle Art, andres drang aus Nachahmerei Frankreichs zu uns, insbesondre Policeyanstalten, manches darin heimlich gegen Frankreich gerichtet blieb endlich, da so viele dabey angestellt worden, zu unsrer ewigen Höllenqual übrig. Die Preßfreiheit über innere Angelegenheiten schon // seit älterer Zeit bey uns beschränkt, obgleich durch Landesgesetze erlaubt, wurde durch Policeygewalt immer mehr unterdrückt, so fehlte auch diese Stellvertretung der öffentlichen Meinung. Immer abgeschlossener da manche Einrichtungen neu waren, standen die Ge[s]chaftsführer von dem Volke, sie wusten nicht wo sie wohl und wehe thaten, höchstens war es ein System was den Einzelnen in seinen Gesetzgebungen leitete, wo dann wenigstens über viele das Uebel gleichmässig vertheilt war. Die Volksmeinung verwirrte sich immer mehr bey dieser Heimlichkeit der Unterrichteten, so kam es, daß Einrichtungen, die zum Besten der ackerbauenden Klassen gegeben wurden, diese in mehreren Gegenden zum Aufruhr reitzte. Was vermochte dagegen eine sogenannte Nationalrepräsentazion, die durchaus kein Recht zum heimlichen Besprechen // über allerlei vorgeschriebene Gegenstände zusammenberufen, von deren Arbeiten dem Volke 749
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nichts kund wird als die Unterhaltungskosten, was kann diese gegen das drückende Gefühl der Menge machen, nichts von dem allen zu wissen, wovon das Wohl und Wehe aller abhängt, gegen das drückende Gefühl im Einzelnen sich die Nachrichten über das, was etwa über die inneren Verhältnisse vorbereitet wird auf den schmutzigsten Nebenwegen sich verschaffen zu müssen. Was kann die zuweilen ergangene Aufforderung, Meinungen über streitige Gegenstände schriftlich einzureichen, gegen den Mangel öffentlicher allgemeiner Berathung nutzen? Der Tüchtige wird sich nicht vordrängen, wird sich nicht gemeint denken, wo so allgemein aufgerufen wird, der Absichtliche hingegen wird die Gelegenheit zu nutzen suchen, seinen Vortheil geltend zu machen, und die flachste Ansicht, eben weil sie am sichersten sich mittheilt und mit sich immer auf dem Reinen ist, wird sich am mannigfaltigsten eindrängen. Was können Amtsblätter gegen diese Heimlichkeit wirken, die wiederum nur die Gesetze mehren, ohne sie zu rechtfertigen // und ihren Raum mit Steckbriefen, Schulmeisterpromotionen, mit Theeranstrich und dergl füllen, die das Gehässige an sich tragen, gekauft werden zu müssen und deswegen von keiner Gemeinde gelesen werden. Diese neueren Sonderbarkeiten verbunden mit dem Nachklänge älterer Willkührlichkeit in Staatseinrichtungen sind es, die Preussens Herrschaft in Sachsen und Schwedisch Pommern, und wohin wir den Wunsch nach Entschädigung richten mögen, als täuschend und hemmend, als neuerungssuchtig und willkührlich, als scheinständlich, scheinpreßfrey, und scheinheilig verrufen machten, während keiner die hohe achtbare Ausdauer und Aufopferung unserer Völker im letzten Kriege mißkennt, noch den Ruhm unsrer Heere bestreitet. Es ist ein fester Glaube in mir, den ich aber niemand beweisen kann, daß Preussen bei Lützen gesiegt hätte und der ordnende Mittelpunkt von ganz Deutschland geworden wäre, daß es weder der müssigen Quälerei des Wiener Congresses noch der Ungewißheit über alle // seine künftigen Verhältnisse unterworfen worden sey, wenn es in jener Zeit sich eine Verfassung durch öffentliche Verhandlung gebildet hätte, die keine Wahrheit zu fürchten hätte, weil sie aus der Wahrheit geboren. Der religiöse Sinn, der Wahrheit und Schönheit mit einander einigt, beyden Lebensfähigkeit einhaucht fehlte wahrlich nicht in jener Zeit, er war im Unglück wiedererwacht, und ahndete eine neue Kirche ohne sie von neuen heimlich bereiteten liturgischen Formen abhängig zu glauben, er grünte unter dem Schnee und erhielt sich durch den Schnee gegen die Kälte, bis der himmlische Frühling Kälte und Schnee ohne Zuthun der Menschen löst, diese aber fühlen ohne Unterweisung, wann der Frühling gekommen ist, denn der Frühling kommt auch aus ihnen. Wir haben nun die Elemente beysammen, aus welchen die Idee einer christlich deutschen Gesellschaft hervorging, wie sie sich in erster spielender // Bewegung als christlich deutsche Tischgesellschaft darstellte, auch wurde noch gern das Wort fröhlige zu dem Namen der Gesellschaft hinzugefügt, um zu bezeichnen, daß wir weder um politischen Gram, wozu damals so vielfacher Anlaß war, zusammen kämen, noch einen andern ernsten Zweck vor Augen hätten, wir wollten einander selbst in einer gewissen Gesinnung etwas seyn, nichts scheinen nichts wirken, nur diese Gesellschaft in sich begründen und durch sich unterhalten, den Geist bey gutem leiblichen Genuß zu ehren 750
Deutsche Tischgesellschaft
und zu sammeln, und eine Geselligkeit aufrecht zu erhalten, die durch Kriegsstörung allmälig unterzugehen drohte. So wurde nun der erste Versuch am 18 Jan 1810 [recte: 1811] gemacht, ob eine gemischte Gesellschaft // aus vielen treflichen, aber einander wenig bekannten Menschen zur gemeinsamen Berathung über Gesetze, und zur gemeinsamen Lust führen könnte, ob sich darin feste Anhänglichkeit an Gemeingeist bilde, ob sich wohl eine öffentliche Anerkenntniß des Christlichen und Deutschen unter so vielen ohne einen Spott darüber denken lasse, ob sich eben so allgemein die Verachtung gegen erstorbenen Mechanismus in der Welt gegen das Judenthum und gegen das Philisterthum wie Verehrung gegen das Bewährte in der Geschichte sich zeige, insbesondre gegen die Krone, unter der wir vereinigt leben. Daß wir aus Liebe zu dieser Krone und zu Deutschland alles Französische herzlich hassen, daß wir uns als Deutsche nach deutscher Art herzlich und offen lustigmachen wollten versteht sich da bey allen von selbst, daß man sich vereinigte, um nicht durch Andersgesinnte gestört zu seyn, war auch natürlich, daß sich diese Gesinnung in manchem Trinkspruch äusserte folgte von selbst, aber gegen Frankreich in einer Gesellschaft etwas Geheimes, wie es die Zeit forderte, wirken zu wollen, die jedem Gast und vielen // Dienern zugänglich war, konnte nur thörigten Schwätzern und französischen Spionen einfallen, die darüber in unsreren öffentlichen Blättern, sogar im Moniteur sich äusserten und die Besorgnisse manches hohen Depertemantschefs so lebhaft erregten, daß Beamttete gewarnt wurden, diese gefährliche deutsche Gesellschaft nicht zu besuchen. So verhasst dieses Aufsehen der Gesellschaft war, sie ließ sich dennoch nicht trennen, die Gesetzgebung schritt fort. Besänftiger wurden ernant zur Stillung grosser Unruhen, auch die jüdischen Stimmen in öffentlichen Blättern, die sich gegen die Gesellschaft erhoben, wurden zurückgewiesen. Ich bemerke bey dieser Gelegenheit, daß ein Gesetz, welches auch getaufte Juden von der Gesellschaft aus schliest durch // Stimmenmehrheit gegen meine Ueberzeugung durchgeführt worden ist, daß ich vielmehr es Pflicht aller guten Christen glaube, diese Täuflinge unter sich aufzunehmen mit Milde und Nachsicht und sie durch Freundlichkeit ganz aus den Schlingen des alten Bundes zu lösen. Zugleich mag es aber die innere Freyheit der Gesellschaft beweisen, daß ich mit dieser Meinung am ersten Stiftungstage überstimmt und zurückgewiesen wurde, als noch die höchste Gewalt in meinen Händen war. Unser kleiner Freystaat hatte sich wohlgestaltet zu seinem Zwecke, zum Essen und Trinken, als es deutlich wurde, daß dieser Zweck allein in so karger Zeit, eine Gesellschaft nicht zusammenhalte, daß der Mitgeborne Scherz über Philister und Juden seinen Kreislauf vollendet, vollständig belacht und ausgesprochen sey und daß eine feste Bestimmung die Gesellschaft beleben müsse. Politische Wirksamkeit muste wegen der Oeffentlichkeit ausgeschlossen werden, es blieben also uns allgemeine deutsche Bestrebungen zur Wahl übrig, sey es für deutsche Geschichte, Kunst und Wissenschaft // für Sprache oder andre allgemeine Bedürfnisse zu sammeln, zu wirken. Manches der Art wurde vergeblich in Vorschlag gebracht, insbesondre Gesang, andres wurde versucht, Kupferstiche aus älterer Zeit vorgezeigt, ältere seltsame Geschichten gelesen, lustige Aneckdoten gesammelt, ein Berliner Idiotikon angelegt. Aber zu bald bestätigte es sich, ei751
Tischgesellschaften
nestheils plenus venter non studet libenter, vor dem Essen war Hunger störend, während dem Essen das Essen, nach dem Essen die Füllung, auch war die Gesellschaft zu mannigfaltig, als daß ein Gegenstand alle angesprochen hätte, Viele Mitglieder der Gesellschaft waren zurückhaltend mit dem, was sie der Gesellschaft hätten mittheilen könnten, so daß die wenigen, die sich thätig bezeigten, endlich einen Ueberdruß empfanden, sich selbst immer wiederhören // zu müssen, die Geistesluft Berlins, mehr kritisierend als produzierend, übte auch ihre alte zerstörende Kraft, auch wurden schon vor dem Kriege mehrere thätige Mitglieder durch andre Bestimmung und Reisen zerstreut, ich nenne insbesondre unsern treflichen Sprecher Bekkendorf, selbst das Essen wurde schlechter. Vielleicht hätte damals die Gesellschaft, nachdem sie ihren Zweck erreicht, und ihre Blüthe überlebt hatte sich aufgelöst, aber sie sollte noch einen ungeahndeten Zweck in den Begebenheiten der letzten Jahre erfüllen, und zwey grosse Freuden erleben. Bedeutende Gelder waren zur Anschaffung eines Bechers gesammelt, theils freywillige Gaben, theils als Abgabe beym Eintrit, theils Strafgelder. Doch verzögerte sich durch Uneinigkeit über die Gestaltung dieses Bechers der ganze Plan, darin lag aber eine der geheimen Absichten, über die wir Menschlein lange verdrießlich sind, bis sie sich uns freudig erklären. Dies Geld war bestimmt // einen tapfern Reiter auszurüsten, als der Ruf des Königs die Jugend zu seinem Heere versammelte, Der Reiter kam mit Wunden und Ehre bedeckt nach dem Feldzuge heim und auch der von der Gesellschaft erkaufte Schimmel hatte alles Verderbliche des Krieges glücklich überstanden, und freudig aus französischen Quellen seinen Durst gestillt: Hoch lebe der deutsche Ritter und sein treues Roß. Dies war ausser dem allgemeinen Triumphzuge über Frankreich eine der Freuden zu welchen die Gesellschaft als Gesellschaft noch aufgespart war, aber sie erlebte noch einen Triumph, daß einer der geistreichsten Schriftsteller unsrer Nazion in einer allgemein gelesenen Schrift, deutsche // Gesellschaften ganz in der Art wie die unsre als ein schönes Band deutscher Gesinnung anrieth, daß seine Ermahnung an mehreren Orten solche Gesellschaften sammelte daß uns die beste Hamburger Zeitung erzehlt, wie am Rhein insbesondre in Rödelheim Butzbach Giessen usw. schon solche Gesellschaften beständen, die alles Französische verbannten und auch die Juden ausschlossen, ja daß es eigentlich jezt kaum mehr einer Vereinigung bedarf, um Gesellschaften zu finden, die in dieser allgemeinen deutschen Gesinnung einträchtig bestehen. Unsre ursprüngliche Gesellschaft ist Deutschland geworden, also ist sie noch zerstreut, denn Deutschland hat noch nicht zur ruhigen Verbindung gelangen können und nur wenn Deutschland seine Einigung erhalten, wenn seine Erwählten versammelt sind, dann erst ist auch unsre deutsche Tischgesellschaft am ersten Ehrenmahle wieder vereinigt, dann haben auch unsre für Deutschland Verstorbenen ihre Stimme wieder in der allgemeinen Stimme und ihr // Leben ist nicht verloren, nicht vergebens ihr Tod. Hoch leben unsre Todten! Hoch lebe in aller Herzen auch Friedrich, der in dem willenlosen allem Fremden und Ausländischen hingegeben Deutschlande Preussen begründete, daß Deutschland daraus hervorgehe, gerüstet wie Minerva aus dem Haupte Jupiters. Hoch lebe Friedrich und Preussens Krone! Ob unsre Tischgesellschaft bis dahin zu vertagen sey, wie mehrere geehrte 752
Mitglieder mir begreiflich zu machen suchten, ist nun eine Frage die sich billig für den Stiftungstag eignet, deren Beantwortung ich aber als ein gewöhnlich Abwesender von Berlin am wenigsten übernehmen möchte. Gewiß ists, daß es besser wäre eine grössere Periode sey es monathlich, oder Viertheljahre zum Zusammenkommen in kleiner Zahl die Idee der grossen christlich deutschen Tischgesellschaft aussterben zu lassen. Selbst der irdische Genuß sinkt bey so kleiner Zahl immer tiefer, grosse seltsame Schüsseln sind dann scher zu unternehmen und so wenig die Gesellschaft auf den Speisemeister Rücksicht zu nehmen hat, desto mehr Rücksicht verdient die Zufriedenheit der Mitglieder, von denen mancher durch eine schlechte Mahlzeit zurückgeschreckt der Tref lichkeit aller folgenden wo grössere Zahl sich versammelt, absagt, ja ich würde in der Gesellschaft einen wohlerfahrenen und bewährten Mund als Schmecker zu erwählen rathen, daß jede Gesellschaft durch ein besonders seltenes Gericht ausgezeichnet würde, das durch den Umlaufzettel zur Anmahnung der Gäste bekannt gemacht werde, wie das zum Erstenmal aufgeführt auf Komödienzetteln // Wie reichhaltig konnte nachher das Tageblat durch Beurtheilung dieser Schüsseln werden. Ist aber endlich die freye geistige Zeit mit freyer Verfassung erschienen, die alles im Staate bis zur ärmsten Hütte zum Wohl desselben gliedert und belebt, dann seyen die grossen Fragen, welche immerdar den Völkern zur Lösung aus der Zeitgeschichte vorgelegt worden, die Schüssel, zu welchen jede Versammlung einladet, dann werden wie in England bey öffentlichen Mittagsmahlen, ehe das Parlament eine Angelegenheit entscheidet, die Redner für und gegen eine Angelegenhet abgehört, denn nur so, und nicht durch Bücher oder Zeitungen allein, entsteht öffentliche Meinung und wahre Kenntniß von innern Verhältnissen, die Wahrheit // hat wie eine Kokosnuß viele Schalen, wer sich unvorsichtig närt, dem fliest der milde Lebenssaft aus, ehe er ihn geniessen kann, vom äussersten muß das Eindringen zum Kern versucht werden, während in jeziger Zeit die Staatsverfassungsmacher meist nach Art der Maden von innen, von innen heraus zu bohren anfangen bis die Nuß leer ist und alles nur zum müssigen Spiel taugt. Aber der Ernst der Zeit erlaubt kein Bestehen ohne innere Kräfte // dazu, ganz Europa selbst darf nicht mehr einschlafen, nun sich die neue Welt, Amerika, in eignen Kräften regt, bis China hat sich die allgemeine Bewegung verbreitet und in diesem Bewegen in diesen Untergange der Gewohnheit, in dieser allgemeinen Prüfung ob etwas abgelebt sey glauben wir zu erkennen, was die alten Schriftsteller vom tausendjährigen Reiche gefabelt, das bald für eine Universalmonarchie, bald für eine geistliche allgemeine Herrschaft gehalten worden, das aber die Herrschaft des ewig einigen Geistes über das Irdische auszudrücken scheint. Diese ist voraus kündigt worden. Wird unser Volk, werden die andren Völker vor solcher Gewalt bestehen? Wer wagte das zu beantworten über dessen Haupte nicht ein höheres Feuer rauschte, aber hören wir wenigstens ein Wort des tiefsten Geistes unsrer Zeit: Wo ein Volk das Schöne liebt, wo es den Genius in seinen Künstlern ehrt, da weht wie Lebensluft ein allgemeiner Geist, da öffnet sich der scheue Sinn, der Eigendünkel schmilzt und fromm und groß sind alle Herzen, und Helden gebiert die Begeisterung. Die Heimath aller Menschen ist bey solchem Volke und 753
Tischgesellschaften
gern mag der Fremde sich verweilen. Wo aber beleidigt wird die göttliche Natur, da ist des Lebens beste Lust hinweg und jeder andre Stern ist besser, denn die Erde. Wüster, immer öder werden da die Menschen, die doch alle schön geboren sind, der Knechtsinn wächst mit ihm der grobe Muth, der Rausch wächst mit den Sorgen und mit der Ueppigkeit der Hunger und die Nahrungsangst, zum Fluche wird der Segen jedes Jahres, wie es dem Schicksal entlaufe, indessen wandelt harmlos droben das Gestirn. Quelle: GSA 03/262,7. – Zitiert nach: Ebd., Nr. 37, S. 202–209. – Transkription aller Texte von Stefan Nienhaus.
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VEREINE IN DER JÜDISCHEN GEMEINDE
Bikur Cholim (Gesellschaft für Krankenbesuch) I) Statut von 1744, mitgeteilt von L. Landshuth 1867 Bezugnehmend auf den gediegenen Artikel in Nr. 33 der „Gegenwart“ „das jüdische Krankenhaus in Berlin, vom Königlichen Geheimen Sanitätsrath Dr. H. W. Berend“ glaube ich den hiesigen Lesern d. Bl., die sich für den betreffenden Gegenstand interessiren, einen kleinen Dienst zu leisten, indem ich von obgenanntem, vor 117 Jahren bereits im Druck erschienenen Statut (S. Maaber Jabock Berlin 1750, Anhang) hier einen neuen Abdruck liefere. Ich wollte durch keine Umarbeitung den Eindruck schwächen, den es durch seine Eigenthümlichkeiten in Form und Sprache auf den Leser macht; es schien aber angemessen, die ursprüngliche jüdisch-deutsche Schrift mit der deutschen zu vertauschen und einigen minder verständlichen hebräischen Ausdrücken deutsche Uebersetzungen an die Seite zu setzen. Die folgenden Bemerkungen über einige in dem Statut vorkommenden Sachen und Personen, dürften, wie ich hoffe, manchem Leser erwünscht kommen. Wenn in §. 1. von einem bereits damals (1750) in Berlin vorhanden gewesenen Hekdesch (Krankenhaus) die Rede ist, so ist darunter keinesweges das Oranienburgerstraße Nr. 7 belegene und unter diesem Namen bekannte Gebäude zu verstehen, das damals noch gar nicht existirte. Aus den vorliegenden jüdischen Quellen ergiebt sich nicht einmal der Ort, wo das ältere Krankenhaus gestanden. Um einem bekannt gewordenen Wunsche Friedrichs des Großen zu entsprechen, fand sich im Jahre 1753 die Berliner Beerdigungsgesellschaft veranlaßt, das bisher ihren Zwecken bestimmt gewesene, in der Oranienburgerstraße Nr. 8 vor dem Friedhofe stehende, unansehnliche, baufällige Gebäude abzubrechen und ein anderes an dessen Stelle zu errichten. Gleichzeitig sollte auch das angrenzende Grundstück Nr. 7 bebaut werden, damit von der Straße aus die Ansicht des Friedhofes verschwinde. Diesen bedeutenden Bau auszuführen fehlte es der Beerdigungsgesellschaft an genügenden Fonds. Andererseits sah sich die damals seit 1703 bestehende Gesellschaft der Krankenbesucher, ebenfalls genöthigt das vorhandene ihr gehörige Krankenhaus aufzugeben und ein neues dafür zu errichten.
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Vereine in der jüdischen Gemeinde
Um diesen lautgewordenen Wünschen zu entsprechen, ermächtigte der damalige Gemeindevorstand die Gesellschaft der Krankenbesucher, das alte Krankenhaus zu verwerthen, von andern milden Stiftungen die ihr bereitwilligst angebotenen disponiblen Gelder leihweise annehmen zu dürfen, wozu die Hauptkasse der Gemeinde ebenfalls noch einen beträchtlichen Beitrag vorschußweise gewährte. Es ergab sich hierdurch eine Summe von 4000 Thlr., die die Gesellschaft der Krankenbesucher an die Beerdigungsgesellschaft zahlte, wofür letztere die Verpflichtung übernahm, außer dem auf ihre Kosten und für ihre Zwecke auf dem Grundstücke Nr. 8. herzustellenden Gebäude, auch noch auf dem benachbarten Grundstücke Nr. 7, ein diesem gleichhohes Gebäude, zum Zwecke der Unterbringung jüdischer Kranken herzustellen. Gerade am heutigen Tage (15. Ab) vor 114 Jahren (1753) kam eine Vereinbarung zwischen den betheiligten 3 genannten Vorständen zu Stande. Es betheiligten sich bei diesem Beschlusse außer einigen anderen Vorstehern, die heute noch in gutem Andenken stehenden Aeltesten und Vorsteher: Veitel Ephraim, Moses Gumpertz, Hirsch David (Bendavids Großvater), Abraham Rintel (Leffmann), Joel Bendix (Ahn der Bendemann’schen Familie), Meyer Grätz (Ahn der Herrn Banquier Hartwig Hirschfeld, Gebert und Israel), Veist Herfort sen., I. Levy (Großvater des Herrn I. Levy, Ritters etc. etc. und der Frau Comm.-R. Liebermann, Gemahlin des gegenw. Gemeindevorstehers), Meyer Wulff (Meyerbeers Urgroßvater), Itzig Rieß u. A. Folgendes nun ist das erwähnte Statut: „Das seinen gewesen die heiligen Satzungen und Einrichtungen was sich die קדישא ( חברהheilige Genossenschaft) haben unterschrieben und auf sich מקבלgewesen ת׳ס׳ג ( בשנתgenommen haben im Jahre 1703) und ( אחר זאתin der Folge) sehen sie noch יום ( כלfortwährend) zu verbessern was möglich ist. Und das seinen die Verbesserungen bis den heuntigen Tag wie wir da werden melden ( בץ״הmit Beistand Gottes). Gott gebe, daß der ( זכותdas Verdienst) von die heilige Genossenschaft soll uns beistehen mit אמן ( כל ישראלund ganz Israel, Amen). 1) Ist aufgericht worden ein Heckdesch (Krankenhaus) wenn, was verhütet werden möge, ein Fremder ( חולהKranke) kommt oder wenn gleich aus der hiesigen Gemeinde (die Gott beschützen möge) der kein nanten (nahen) Freund hott (hat) der wert darin gebracht. 2) Sorgt der ( גבאי חודשMonatsvorsteher) ( תיכףsofort), daß er sein gut Bett weiß überzogen bekommt. 3) Sorgt der Vorsteher, daß er sein nöthige Aufwartung bekommt. 4) Bekommt er gleich sein Schlafrock der bei den Bett hängt. 5) Hat die heilige Genossenschaft ein נאמןin ( הקדשBeglaubigten im Krankenhause) wohnen, der das Essen von den ( חולהKranken) besorgen muß. 6) Kummt der Monatsvorsteher alltäglich 2 mal in ( הקדשKrankenhaus) und sehet ob auch der ( חולהKranke) ( הןso wohl) in Aufwartung, ( הןals auch) in Speisen und Getränken als gut und zur rechten Zeit bekummt.
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Bikur Cholim (Gesellschaft für Krankenbesuch)
7) Hot die ( חברה קדישאheilige Genossenschaft) ein jüdischen ( רופאArzt), den sie Jahrgelder geben, der muß sowohl die Kranken in Krankenhaus, als auch ענייםin ( קהלהdie zur Gemeinde gehörigen Armen) besuchen und sobald, daß er ein Rezept geschrieben, unterschreibt sie der ( גבאיVorsteher) und der ( שמשBote) aus dem Krankenhaus traegt sie in der Medizin Apteig (Apotheke) und holt die ( רפואהHeilmittel). Derselbe muß auch Achtung geben, daß der Kranke zur rechten Zeit einnemt und den Vorsteher berichten, wie es sich mit dem Kranken verhält, ob er geschlafen hat oder sonst was sich bei ein Kranken pflegt einzufinden, sowohl an Vorsteher als an Arzt, ( וגםauch) hot die heilige Genossenschaft ein eignen Balbierer, der ebenfalls täglich, sowohl das Krankenhaus, als ענייםin der ( קהלהGemeindearmen) muß מרפאsein (kuriren) mit göttlichem Beistand. 8) Und wenn der Vorsteher befindet, daß der Kranke ein gefährliche מכהoder חולאת (Wunde oder Krankheit) hot, so rot (räth) der Arzt selber, man sol noch mehr Aerzte nehmen. ( בקיצרMit einem Worte) an kein Geld wird nischt gespahrt, wie auch לכל ( ידועallgemein bekannt ist), daß man ( ח״וGott behüte) die großte gefährliche חולאים (Krankheiten) ( ממשthatsächlich) hot ( מרפאgeheilt) gewesen ב״הmit Beistand Gottes. 9) Befragt der Vorsteher ( תירףalsbald) בקורzu halte (Besuche zu veranstalten) und ( משמורתWachen) und מתפללzu sein (Gebete zu verrichten) für den Erkrankten, auch denselben zu veranlassen um מתפללzu sein (selbst zu beten) und ( מוסר מודעהspecielle Beichte) und ( ווידויSündenbekenntniß) zu sagen, wie oben steht in den heiligen Statuten. 10) Seinen (Es sind) auch in Krankenhause ( דרחיםZimmer) wenn ein ( ענייהarme Frau) in Kindbett kummt, wert (wird) ihr ein Bett gegeben und ( כל שבועהwöchentlich) bekummt sie 1 Thlr. und zwar aus den Spenden die der Gemeindevorstand verwaltet. 11) Und wenn ein Armer in Krankenhaus ein בריתmacht (Beschneidungsfest begeht), wert der Verein zum Beistand armer Wöchnerinnen bei ein נורלgemacht (geloost): wer das Gevatterschaft gewinnt, der giebt dem ( בעל בריתVater) 1 ¹⁄₃ Thlr. und die מוהלים (Beschneider), was aus den ( גורלLoos) herauskumen, gibt jeden 17 Groschen und der Gevatter und die מוהליםmachen die ( סעודת ברהיםdas Beschneidungsmahl). Die Kindbetterin bekummt 3 Wochen lang ihr Geld und wenn sie wegreist, bekumt sie noch ein Stücke Bett ( מחיקvon der Genossenschaft) und ihr Abfertigungsgeld aus der Gemeindekasse. 12) Was an belangt die ( ח״ק ג״חBeerdigungsgesellschaft) haben (hat dieselbe) alle die heilige Observanzen und Einrichtungen, was ( ידאהReligion) an belangt, wie die ב״ח ( ח״קGenossenschaft für den Krankenbesuch). 13) Ist auf obengedacher Manier ein ( נשים צדקניות חברהVerein frommer Frauen), die in all Ding wie vorgemeldet ist, so wohl im Krankenhause als auch bei den Hausarmen ihre Ordnung haben. Dabei seinen (fungiren) ( ב׳ גבתות2 Vorsteherinnen): die erste ist: die durch Alter und Sitten ehrwürdige Frau Gelle, verwittwete Hirsch Kalisch und die andere ist die würdige Frau Hendel verwittwete Mordche Batelborn, bei der im Hause weren (werden) auch die Todtengewänder bei vorkommenden Sterbefällen genäht. 757
Vereine in der jüdischen Gemeinde
Und die ( גבתותVorsteherinnen) seinen auch über ( נשיםFrauen) über ( ג״חBeerdigungsangelegenheiten). 14) Haben ( נשים צדקניותfromme Frauen) ein neue ( חברהGenossenschaft) aufgericht, eben für Haus ( ענייםHausarme) im Jahr 505 (1745). a. Die würdige Frau Golde verehelichte Seelig Hildesheim. b) Die würdige Frau Lea verehelichte Wolff Fürst. Dieselbe haben Unterschriften frommer Frauen der hiesigen Gemeinde gesammelt. 15) Bei der ( חברהVerein) 1. die vielvermögende Frau Sara, verehelichte Jeschaja Holländer, Vorsteher der Beerdigungsgesellschaft; 2. die vielvermögende Frau Elke, verehelichte Gemeindevorsteher Veitel; 3. die vielvermögende würdige Gelle, Frau des Vorstehers des Krankenbesucher-Vereins Joel Sanvil Dajan. Erste Beide haben die Kasse in Händen und die Einkassirung besorgt die andere Vorsteherin von den ersten Verein frommer Frauen. Dieselbe besorgen bei Hausarmen sowohl die nothwendige Kost oder die Labung. Kurz es tor (darf) nischt fehlen. Sie haben auch ihr gwisse Aufwarters, die Gelder (Monatsgelder) bekommen, dermit (damit) sie jederzeit bereit sein wenn sie gebraucht weren. Sie geben auch gewisse Spenden an Kindbetterin aus der Vereinskasse. 16) Besorgen auch die frommen Frauen was Beerdigungsangelegenheit an belangt. Da seinen aber aparte noch fromme Frauen die derzu hören. Durch den Verdienst von Krankenbesuch und der Todtenbestattung wert uns Gott, gelobt sei er, schicken unsen gerechten Erlöser Amen. Im Jahre 504 = 1744. Quelle: L. Landshuth: Ein altes Statut der jüdischen Krankenverpflegungsanstalt zu Berlin. In: Die Gegenwart. Berliner Wochenschrift für Jüdische Angelegenheiten 1 (1867), S. 267–268.
II) Statut von 1822 Statuten für den gottesdienstlichen Verein, welcher im Jahre 1703 von mehrern Mitgliedern der Judenschaft in Berlin unter dem Namen Bikur Cholim, gegründet, und bis zum Jahre 1821 mit der Kranken-Verpflegungs-Anstalt vereinigt gewesen ist. / Nach der zuvor Statt gefundenen Trennung sind die Gesetze des Vereins am 22. Ellul 5582 (8. Sept. 1822) von seinen zeitigen Repräsentanten und Vorstehern erneuert und vollzogen worden. Vorwort. Umstände haben es nothwendig gemacht, den im Jahre 1703 gestifteten frommen Verein, Bickur Cholim, oder Krankenbesucher, welcher bis zum Jahre 1821 mit der Anstalt der Krankenverpflegung vereinigt war, von einander zu trennen. Aus den unterm 24. Oktober 1821 vollzogenen und im Druck erschienenen Statuten dieser Anstalt ist das Nähere hierüber zu ersehen.
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Bikur Cholim (Gesellschaft für Krankenbesuch)
Durch diese Trennung aber soll der durch seinen religiösen Zweck geheiligte, und durch sein Alter ehrwürdige Verein nicht nur in seinem wohlthätigen Wirkungskreise nicht gestört, es soll vielmehr erstrebt werden, ihn im Geiste der entschlafenen frommen Väter mit Würde und Anstand fortdauernd aufrecht zu erhalten. Zu dem Ende sollen hier die Gesetze des Vereins, wie solche zum Theil bei der Stiftung, zum Theil aber in den folgenden Jahren nachträglich abgeändert oder neu abgefaßt worden, mit den nothwendig gewordenen zeitgemäßen Bestimmungen zusammengetragen und geordnet werden, ferner und bis dahin, daß die jedesmaligen Repräsentanten und Vorsteher sie abzuändern für gut finden, den Verein-Mitgliedern zur Norm dienen. Die Vereinsmitglieder so wie ihre Repräsentanten und Vorsteher werden in der Folge ihre Gerechtsame sowohl als ihre Verpflichtungen daraus wahrnehmen können, und Niemand wird aus Mangel an Gesetzkunde, wie bisher leicht Statt finden konnte, dieselben verabsäumen oder übertreten. Erster Abschnitt. Ueber den Zweck des Vereins. §. 1. a) Der Zweck des Vereins ist: Mitglieder in Krankheitszufällen, falls solche nicht ansteckend sind, auf ihren Wunsch zu besuchen; wo es dann dem Monatsvorsteher obliegt, sich über die Wahl der Besuchenden mit dem Kranken zu besprechen; b) nachdem die Krankheit drei Tage gewährt hat, in der Synagoge die übliche Absingung der Psalmen und Gebete für den Kranken zu verrichten; c) bei zunehmender Krankheit, und besonders während des Todeskampfes, im Zimmer des Kranken, falls er oder seine Familie es wünscht, Andachten zu verrichten, welche nach Anordnung des Monatsvorstehers von den Mitgliedern, sowohl des Tages als des Nachts von zwei zu zwei Stunden abwechselnd, abgehalten werden; d) nach Absterben eines Mitglieds bei den nächsten Leidtragenden in den ersten sieben Trauertagen durch Vereinglieder Morgens und Abends Gottesdienst zu halten; e) während der ersten dreißig Trauertage im Hause der Leidtragenden einen Abschnitt aus der Mischna, und das gewöhnliche Anna-Gebeth mit Einschaltung des Namens des Verstorbenen, durch ein hierzu besonders zu autorisirendes, und allenfalls zu besoldendes Vereinmitglied vortragen zu lassen. – (Es kann solches auch in der Synagoge geschehen, wenn Umstände es im Sterbehause verhindern.) §. 2. Mitglieder der Gemeinde, wenn sie auch nicht zum Vereine gehören, haben das Recht von demselben zu verlangen: a) die Andachtsübung im Krankenzimmer (§. 1. c.) unentgeltlich; b) den Gottesdienst in den sieben Trauertagen (wie bei d.); jedoch nur wenn der Hingeschiedene keinen Sohn hinterläßt, gleichfalls unentgeltlich; c) das Singen der Psalmen mit den dazu gehörigen Gebeten (nach §. 1. b.) bei dreitägiger Krankheit; jedoch bei Wohlhabenden gegen eine Geldvergütung, dessen Stipulati759
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on dem Monatsvorsteher zusteht, der die Vermögens-Umstände des Kranken dabei berücksichtigt. – Es darf diese Vergütung, die den zum Dienst Beauftragten anheim fällt, nicht unter 3 ⅓ Rthlr. seyn, und 10 Rthlr. nicht übersteigen. §. 3. Jährlich am Vortage des Neumonds Kislaw, und wenn dieser auf Sonnabend oder Sonntag fällt, am vorangehenden Donnerstag, soll auch fernerhin Fasttag, und des Nachmittags vor dem Mincha-Gebet in der Synagoge der Gemeinde, von allen drei Klassen des Vereins, unter oberer Leitung des Monatsvorstehers, Gottesdienst, so wie von einem Rabbiner-Assessor eine passende Rede gehalten werden. Statt des Fastens kann das gewöhnliche Pidion Nefesch entrichtet werden. §. 4. Es sollen bei allen gottesdienstlichen Verrichtungen und Gebeten die Gebräuche und Vorschriften, wie sie in den Büchern Mabor Yabock und Torath Chajim vorgezeichnet sind, befolgt werden. §. 5. Vermächtnisse, die bestimmt sind, um dafür gleich nach dem Tode, oder auf ewige Zeiten an dem Sterbejahrstage, oder auch zu andern Zeiten a) gottesdienstliche Handlungen zu begehen, b) ein brennendes Licht zu unterhalten, c) die Mischna oder den Talmud zu lesen, d) Geld unter die Armen zu vertheilen, sie mögen dem Vereine bei seiner Trennung von der Kranken-Verpflegungs-Anstalt übertragen worden seyn, oder es erst in der Folge werden, gehören von nun an und weiter dem Vereine ausschließlich in der Art, daß seine Vorsteher die Vermächtnisse verwalten, die künftig zu diesem Zwecke eingehenden Legate pupillar-sicher belegen, und von den Zinsen, oder wenn keine Kapitalien für ewige Zeiten ausgesetzt werden, die für den momentanen Gebrauch bestimmten Gelder vorschriftmäßig verwenden. §. 6. Legate, welche vor der Trennung beider Institute eingegangen, und deren Fonds bereits zur Kranken-Verpflegungs-Anstalt übergegangen sind, bleiben zwar wegen der Schwierigkeit der Absonderung, bei dieser Anstalt, der Verein wird aber ein Verzeichniß hiervon einholen, und dafür sorgen, daß die Zinsen der gedachten Kapitalien durch seine Vorsteher, der Bestimmung gemäß, verwendet werden. §. 7. Die Fonds der Legate, in so fern solche zu ewigen Zeiten bestimmt sind, werden von den Vorstehern unter Siegel genommen, und in der eisernen Kiste des Instituts, Keren Hajobel, deponirt. 760
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§. 8. Wenn sich der Verein auflösen sollte, so haben die Vorsteher davon die Anzeige an die Aeltesten der hiesigen jüdischen Gemeinde zu machen, damit diese für die dauernde Erhaltung der zu frommen Handlungen vorhandenen Legate, und zur zweckmäßigen Verwendung der Zinsen, wie solche von den Legatoren bestimmt worden, pflichtgemäß und gewissenhaft sorgen. Zweiter Abschnitt. Ueber die Vereinglieder. §. 1. Jedes selbstständige Gemeindeglied unbescholtenen Rufes, religiös und moralisch gebildet, ist berechtigt dem Vereine beizutreten, wenn es sich dessen Gesetzen unterwerfen will. §. 2. Der Verein soll aus vier Klassen bestehen, und zwar aus Mitgliedern, welche a) alle Dienstleistungen der §§. 1. und 2. des ersten Abschnitts – b) ausschließlich a) und c) §. 1., und a) §. 2. – c) ausschließlich die gottesdienstlichen Handlungen b) d) e) §. 1., und b) c) §. 2. übernehmen; – endlich d) aus solchen, die persönlich keine Dienste leisten, statt dessen aber an die Kasse nach Uebereinkunft mit den Vorstehern, außer dem Quartal-Beitrage eine Geldvergütung zu entrichten wünschen. Es kann jedoch Jeder zu einer andern Klasse übertreten, wenn er ihre Verpflichtungen übernimmt. §. 3. Wer dem Vereine beizutreten wünscht, hat seinen Antrag schriftlich beim Monatsvorsteher einzureichen und sich zu erklären, welcher Klasse er angehören wolle. Erfolgt seine Aufnahme durch die Vorsteher und Repräsentanten, so erhält er von den Vorstehern die Anzeige, mit der Aufgabe, sich in ihre Sitzung einzufinden, um die erforderlichen Förmlichkeiten zu beobachten. §. 4. In dieser Sitzung werden ihm die Gesetze des Vereins mitgetheilt, und wenn er solche zu befolgen, durch seine Unterschrift verspricht, auch das Eintrittsgeld berichtigt, so erhält er eine von den Vorstehern vollzogene Ausfertigung über seine Aufnahme zum Mitgliede des Vereins. §. 5. Die bisherigen Mitglieder des Vereins bleiben auch ferner als solche, ohne sich einer Prüfung zu unterwerfen oder Eintrittsgeld und monatliche Beiträge zu entrichten verpflichtet zu seyn. – Sie müssen jedoch 761
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a) die Gesetze des Vereins, der Verfassung gemäß zu befolgen, durch ihre Unterschrift versprechen, und b) sich erklären, welcher Klasse des Vereins sie beizutreten wünschen. Ist dieses geschehen, so erhalten sie von den Vorstehern, wie die neuen Mitglieder, eine Ausfertigung über ihre Aufnahme. §. 6. Unterlassen oder verweigern die alten Mitglieder die Vollziehung der Verfassung in dem von den Vorstehern anberaumten Termine ohne dringende Ursache, oder versäumen sie nach vollzogener Unterschrift ihre Pflichten, so werden sie bei Strafgeldern oder bei verwirkter Ausscheidung wie neue Mitglieder behandelt. Eine Ausnahme findet Statt, wenn ein Mitglied ein Alter von 60 Jahren erreicht, und mindestens fünf Jahre in dem Vereine als thätiges Mitglied gewesen ist, in welchem Falle es auf sein Verlangen von allen Dienstleistungen befreiet wird, die Rechte eines Mitgliedes aber beibehält. Dieses kommt auch den neuen Mitgliedern zu Statten. §. 7. Die noch lebenden Stifter des Instituts Keren Hajobel, welchen im August 1803 alle Gerechtsame der Mitglieder, ohne Uebernahme der den Mitgliedern obliegenden Verbindlichkeiten, zuerkannt worden sind, behalten diese Begünstigung fernerhin, ohne Dienstverrichtung oder Beitrag von Geld etc., bei. §. 8. Jedes neue Mitglied bezahlt an Eintrittsgeld zur ersten Klasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 gGr. zur zweiten und dritten Klasse . . . . . . . . . . . . . 1 Rthlr. zur vierten Klasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Rthlr. in Curant. und an Beitrag zur ersten Klasse vierteljährl. pränumerando . . . . 6 gGr. zur zweiten und dritten Klasse desgl. . . . . . . . . 12 gGr. zur vierten Klasse desgl. . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Rthlr. in Curant. §. 9. Jedes Mitglied ist gehalten, die Dienstleistungen, zu denen es der Monatsvorsteher auffordert, pünktlich zu erfüllen.
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§. 10. Kein Mitglied darf für einen Andern Functionen, die dem Vereine obliegen, ohne Vorwissen der Vorsteher übernehmen, sondern es ist die Pflicht der Mitglieder, dergleichen Anforderungen den Vorstehern mitzutheilen. §. 11. Der Monatsvorsteher wird den Dienst nach der Reihenfolge vertheilen. Krankheit, Abwesenheit oder andere dringende Abhaltung eines an der Reihe seienden Mitgliedes machen eine Ausnahme von der Regel, und berechtigen den Vorsteher, den Zunächstfolgenden zum Dienste aufzufordern. §. 12. Wer ohne vorgedachte gegründete Ursachen den Dienst versäumt, verfällt in folgende Geldstrafen: a) Für Unterlassung des Krankenbesuches: zum ersten Male . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 gGr. zum zweiten Male in demselben Jahre . . . . . . . . . . . . 16 gGr. b) Für Unterlassung der Andachten im Krankenhause: das erste Mal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 gGr. das zweite Mal in demselben Jahre . . . . . . . . . . . . . . 16 gGr. c) Für Unterlassung des Gottesdienstes im Trauerhause: Für jedesmalige Versäumung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 gGr. d) Für Unterlassung der Psalmen und Gebete: das erste Mal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 gGr. das zweite Mal in demselben Jahre . . . . . . . . . . . . . . . 4 gGr. e) Für Verabsäumung des jährlichen Gottesdienstes und der Predigt in der Synagoge . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 gGr. in Curant. Alle Strafgelder sind binnen 14 Tagen zu entrichten. §. 13. Wer die Strafgelder nicht zur rechten Zeit entrichtet, so wie derjenige, welcher sich derselben Dienstvernachlässigung drei Mal im Jahre hat zu Schulden kommen lassen, verliert das Recht eines Mitgliedes, und kann erst nach Verlauf von dreien Jahren, unter Beobachtung der vorgeschriebenen Förmlichkeiten bei Aufnahme eines neuen Mitgliedes, wieder in den Verein treten. §. 14. Außerdem wird man seiner Rechte verlustig und als ausgeschieden betrachtet: a) durch Vergehungen, welche den Verlust bürgerlicher Ehre nach sich ziehen;
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b) durch solche unmoralischen Handlungen und Gesetzübertretungen, welche zwar von dem weltlichen Richter nicht geahndet werden können, aber die Würde der Mitglieder des frommen Vereins kränken. Es soll jedoch über Letzteres der gemeinschaftliche Beschluß der Vorsteher und Repräsentanten vorangehen. §. 15. Sollte ein Mitglied Beschwerde gegen die Vorsteher zu führen haben, so kann es solche bei den Repräsentanten schriftlich anbringen und deren Entscheidung gewärtigen, welcher beide Theile sich unterwerfen müssen. §. 16. Jedem Mitgliede stehet es frei, nach sechsmonatlicher Kündigung aus dem Vereine zu scheiden. Es muß aber solches den Vorstehern schriftlich anzeigen, und vor seinem Ausscheiden seine Bestallung ausliefern. Ein solches Mitglied kann nach Beobachtung der Förmlichkeiten, zu allen Zeiten wieder in den Verein eintreten. §. 17. Die alten und die neuen Mitglieder sollen nach der Reihe wie sie aufgenommen, in ein besonderes Register eingetragen werden. Dritter Abschnitt. Ueber die Repräsentanten des Vereins. §. 1. Der Verein soll wie früher durch achtzehn seiner ältesten Mitglieder, d. h. die ihm am längsten angehören, repräsentirt werden, wobei es nicht in Betracht kommt, zu welcher Klasse sie gehören. Die bisherigen Mitglieder sind in das Stiftungsbuch der Reihe nach wie sie aufgenommen worden, verzeichnet, und da sie wie die neuen nach §. 17. des zweiten Abschnitts in ein Registerbuch der Reihe nach aufgeführt werden, so ist ihre Anciennität leicht daraus zu entnehmen. §. 2. Wenn von den Repräsentanten durch den Tod oder andere Ursachen welche ausscheiden, so treten der Reihe nach die Folgenden an ihre Stelle. §. 3. Zum Geschäftskreise der Repräsentanten gehört: a) Die Wahl der Vorsteher; b) die Aufnahme neuer Mitglieder; c) die Abänderung der Verfassung;
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d) die Beurtheilung und Beschließung über die Vergehungen der Mitglieder nach §. 14. b) des zweiten Abschnitts; e) die Beschwerden der Mitglieder gegen die Vorsteher nach §. 15. des zweiten Abschnitts zu beseitigen; und zwar über den Gegenstand a) und e) berathen, stimmen und beschließen sie nach ihrer Stimmenmehrheit allein; über die Gegenstände b) c) d) aber muß der Antrag der Vorsteher an sie vorangehen, und sie können hierüber nur in Gemeinschaft mit den Vorstehern berathen, stimmen und beschließen. §. 4. Bei den Berathungen, welche Personen zum Gegenstande haben, wie die Wahl der Vorsteher, der Beurtheilung der Vergehungen der Mitglieder und deren Beschwerden gegen die Vorsteher, worüber die Stimmenmehrheit entscheidet, soll durch verdecktes Ballottiren gestimmt werden. Eine überwiegende Stimme entscheidet für oder wider, und wenn die Stimmen getheilt sind, das Loos. Bei andern Gegenständen kann die Entscheidung durch Ballottement oder durch offnes Stimmen geschehen, je nachdem die Mehrheit sich für das eine oder andre neigt. §. 5. Die Repräsentanten ernennen Einen unter sich, der den Vorsitz führt, an welchen alle sie betreffende Angelegenheiten ergehen, der die Sitzungen und alles Erforderliche veranlaßt, und unter dessen Leitung die Verhandlungen niedergeschrieben werden. Falls jedoch die Vorsteher dabei concurriren, so präsidirt der Monatsvorsteher. Kein Beschluß ist gültig, wenn nicht mindestens zehn Repräsentanten zugegen sind. §. 6. Die Verhandlungen werden in deutscher Schrift und Sprache niedergeschrieben, und was die Mehrheit beschlossen, muß von allen Anwesenden durch Unterschrift vollzogen werden. Es darf Niemand solche verweigern; dagegen es einem Jeden frei steht, seine abweichende Meinung zu Protocoll zu geben. – Wer seine Unterschrift durchaus verweigert, verliert für die Folge sein Stimmrecht, das ein Anderer für ihn erhält. §. 7. Die Einladung zu einer Session geschieht mittelst eines Circulars, dessen Vorzeigung durch Unterschrift bescheinigt wird. Dringende Ursachen des Nichterscheinens werden darauf bemerkt, oder vor der Sitzung schriftlich mitgetheilt. Gutfindend können andre zunächstfolgende Mitglieder statt der fehlenden eingeladen werden. Wer die schriftliche Anzeige unterläßt, und drei Mal hinter einander sich zur Sitzung nicht einfindet, wird für immer als ausgeschieden von den Repräsentanten betrachtet, und das zunächst folgende Mitglied nimmt seine Stelle sofort ein.
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§. 8. Bei der Wahl der Vorsteher haben die Wähler darauf zu sehen, das Amt mit solchen Männern zu besetzen, welche einen allgemein unbescholtenen Ruf haben und moralisch-religiös gebildet sind. Die Wahl soll in der Regel, dem Herkommen gemäß, an den Halbfesttagen der jüdischen Ostern geschehen. Bei hindernden Umständen aber auch zu jeder andern Zeit. §. 9. Die Repräsentanten können Männer aus ihrer Mitte zu Vorständen wählen, jedoch muß der Gewählte mindestens zehn Stimmen haben. – Die alten Vorsteher können immer wieder gewählt werden. §. 10. Von den drei Vorstehern müssen zwei aus der ersten Klasse seyn; der dritte kann aus der zweiten oder dritten Klasse, so wie auch alle drei aus der ersten Klasse seyn. Aus der vierten hingegen, kann keiner zum Vorsteheramte gelangen. Die Vorsteher dürfen auch nicht unter einander im zweiten Grade verwandt oder verschwägert seyn. §. 11. Nach erfolgter Wahl laden die Repräsentanten die alten und die neuen Vorsteher zu ihrer nächsten Sitzung ein, wo sie mit dem Geschehenen bekannt gemacht werden, und die hierüber geführte Verhandlung durch ihre Unterschrift vollziehen. Vierter Abschnitt. Von den Functionen der Vorsteher. §. 1. Die Vorsteher sind es, denen die oberste Leitung des Vereins nach den bestehenden Gesetzen übertragen ist, und die berechtigt sind, von den Mitgliedern eine pünktliche Erfüllung der übernommenen Verpflichtungen zu fordern, und auf deren Ausführung mit Ernst und Unpartheilichkeit zu halten. §. 2. Die Dauer ihres Amts ist vom Wahltermine ab auf drei Jahre, falls sie bei Ablauf derselben nicht wieder erwählt werden.
§. 3. Sie rangiren bei einem gleichzeitigen Amtsantritte nach der Mehrheit der erhaltenen Stimmen. Sonst entscheidet hierüber das Amtsalter.
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§. 4. In Abwesenheit oder Krankheit eines Vorstehers, wählen die Uebrigen an dessen Stelle einen der Repräsentanten, welcher während der Zeit die Geschäfte des Verhinderten zu versehen hat. Er wird hiezu von den Vorstehern eingeladen. §. 5. Tritt der Fall ein, daß ein oder mehrere Vorsteher während der Amtsführung durch irgend eine Veranlassung ausscheiden, so müssen solche durch eine vorschriftmäßige Wahl sofort ersetzt werden. §. 6. Von den Vorstehern wählen die Repräsentanten einen aus, der zugleich als Rendant fungirt, und als solcher das Kassen- und Rechnungswesen führt. Zu seinem Amte gehören alle Gelderhebungen und Auszahlungen. Er darf jedoch keine in einem von sämmtlichen Vorstehern anzulegenden Etat nicht feststehende Ausgabe in Rechnung bringen, wenn nicht die andern Vorsteher damit einverstanden sind und ihn besonders dazu autorisirt haben. Er stellt die erforderlichen Quittungen unter der Firma: „Kassa des gottesdienst lichen Vereins“ aus, und setzt seinen Namen darunter. §. 7. Der Vorsteher-Rendant muß jährlich mit Ablauf des bürgerlichen Jahres die Bücher schließen, solche dem Collegio vorlegen, welches sie alsdann an die Controlleurs der Kranken-Verpflegungs-Anstalt zur Prüfung und Dechargirung übergiebt. Diese bescheinigen den Befund. – Ergiebt sich ein Kassenbestand, so wird er der Kranken-Verpflegungs-Anstalt abgeliefert. Ist aber die Kassa im Vorschuß, so muß diese Anstalt solchen vergütigen, wie es ihr in ihren im Vorworte gedachten Statuten zur Pflicht gemacht worden. §. 8. An den übrigen Amtsverrichtungen nehmen alle drei Vorsteher gleichen Antheil. Einer von ihnen führt jeden Monat die obere Leitung. Dieser veranlaßt die Vereinglieder zu den Dienstverrichtungen, und beraumt die erforderlichen Sessionen der Vorsteher unter sich, so wie die in Gemeinschaft mit den Repräsentanten an. §. 9. Kein Beschluß ist gültig, wenn die drei Vorsteher darüber nicht berathen, solchen niedergeschrieben und durch ihre Unterschrift vollzogen haben. Wenn drei zusammen sind, so entscheidet der Beschluß von zweien, wozu der dritte beitreten muß, wenn er auch anderer Meinung ist, die er jedoch zu Protocoll bringen kann. Wer aber die Vollziehung des von zweien gefaßten Beschlusses verweigert, ist seiner Vorsteherstelle ent-
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setzt, und die Repräsentanten, denen solches angezeigt werden muß, wählen einen Andern an seine Stelle. §. 10. Zu den Obliegenheiten des Monatsvorstehers gehören zwar nach §. 8. die Veranlassung der Mitglieder zur Dienstleistung. Sollten aber Mitglieder den Dienst verweigern, so muß solches dem Rendanten zur Einziehung der Strafgelder mitgetheilt werden. Verweigert das Mitglied die Bezahlung der ihm zukommenden Geldstrafe, so muß der Rendant wiederum solches sofort den Vorstehern anzeigen. §. 11. Beim Synagogen-Gottesdienst muß der Monatsvorsteher, und wenn er daran verhindert wird, ein anderer Vorsteher zugegen seyn, der die Mitglieder zur Andacht und Ordnung anhält. §. 12. Wenn ein Gemeindeglied dem Vereine beizutreten wünscht, so ist der Monatsvorsteher nach eingegangener schriftlicher Anzeige verpflichtet, eine gemeinschaftliche Session der Vorsteher und der Repräsentanten zu veranlassen, um über den Candidaten zu ballotiren. Ferner müssen die Vorsteher die Repräsentanten zur gemeinschaftlichen Berathung und Beschließung einladen, wenn sie in der Verfassung Abänderungen für nöthig halten, und wenn Vereinglieder sich Uebertretungen zu Schulden kommen lassen, worüber keine Geldstrafen feststehen. §. 13. Die Vorsteher engagiren auf eine von ihnen zu bestimmende Zeit einen Boten, welcher alle Einladungen zu Dienstverrichtungen den Vereingliedern mittheilt, und überhaupt alle Geschäfte des Vereins auf Anweisung der Vorsteher auszuführen hat. §. 14. Die Vorsteher bestimmen den Gehalt des Boten, die Belohnungen derjenigen Mitglieder, welche Dienstleistungen für Nichtvereinglieder (Erster Abschnitt §. 2 c) gegen Bezahlung übernehmen, so wie die Vergütung, welche Nichtvereinglieder dafür zu leisten haben, und endlich die Vergütung der vierten Klasse (Zweiter Abschnitt §. 2 d). §. 15. Die Vorsteher sind berechtigt, die Vereinglieder und die Repräsentanten in corpore einzeln zu ihrer Sitzung einzuladen, und diese verpflichtet, zu erscheinen. §. 16. Alle Sitzungen, welche den Verein betreffen, werden im Sessionszimmer der Vorsteher der Kranken-Verpflegungs-Anstalt abgehalten. Damit aber die betheiligten Sitzun768
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gen nicht zusammentreffen, so ist die Zeit dieser Sitzungen mit denselben zeitig zu verabreden. Quelle: Statuten für den gottesdienstlichen Verein, welcher im Jahre 1703 von mehrern Mitgliedern der Judenschaft in Berlin unter dem Namen Bikur Cholim, gegründet, und bis zum Jahre 1821 mit der Kranken-Verpflegungs-Anstalt vereinigt gewesen ist. / Nach der zuvor Statt gefundenen Trennung sind die Gesetze des Vereins am 22. Ellul 5582 (8. Sept. 1822) von seinen zeitigen Repräsentanten und Vorstehern erneuert und vollzogen worden. Berlin 1822. Gedruckt bei Carl Friedrich Amelang. – Der Druck wurde uns freundlicherweise zugänglich gemacht durch: Leopold Muller Memorial Library, Oxford Centre for Hebrew and Jewish Studies, Yarnton, United Kingdom, Sign.: Foyle-Montefiore Collection: Mont. Misc. XI-25.
Hachnassath Kallah (Gesellschaft zur Unterstützung armer Bräute) Statuten der Gesellschaft Hachnassath Kallah הכנסת כלהzur Ausstattung der Bräute in Berlin, 1858
כל בנסיה שחיא לשם שמים סופה להתקים Jeder Verein in Gottgefälliger Absicht gestiftet ist von Bestand. Aboth 4. 14. Die Anstalt ( הכנסת כלהHachnassath Kallah) zur Ausstattung der Bräute ist gegründet am 28. des Monats Ijar 5481. (23. Mai 1729.) Auf Grund statutenmäßiger Berechtigung (§. 32.) verwaltet der Gesellschafts-Vorstand im Interesse der Anstalt, unter mehreren anderen Legaten, seit dem Jahre 5544 (1784) mit höherer Genehmigung noch eine bedeutende Familienstiftung der Salomon Aron Cohn’schen Eheleute für ewige Zeiten. A. Allgemeine Bestimmungen. §. 1. Zweck der Gesellschaft. Die Gesellschaft Hachnassath Kallah oder zur Ausstattung der Bräute ist eine Wohlthätigkeits-Gesellschaft in der jüdischen Gemeinde zu Berlin mit der Tendenz: nach Maaßgabe ihrer Einkünfte unbemittelten israelitischen Jungfrauen bei ihrer Verheirathung eine Unterstützung in baarem Gelde zu gewähren. §. 2. Mitglieder. Der Eintritt in die Gesellschaft steht allen männlichen Personen offen, welche beitragende Mitglieder der hiesigen jüdischen Gemeinde sind. 769
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§. 3. Verwaltung. Die Gesellschaft wird durch eine aus ihrer Mitte gebildete Direction verwaltet. Sie besteht: a) aus einem engeren Ausschuß von fünf Mitgliedern, (Vorstand); b) aus einem größeren Ausschuß von drei und zwanzig Mitgliedern. (§. 39). B. Von den Leistungen der Gesellschaft. §. 4. Unterstützungs-Gesuche. Jungfrauen, welche Behufs ihrer Verheirathung eine Unterstützung Seitens der Gesellschaft ansprechen wollen, haben sich dieserhalb durch ihren gesetzlichen Vertreter, und resp. wenn sie großjährig und selbständig sind, unter eigenem Namen schriftlich an den Vorstand zu wenden, und ihrem Gesuche das rechtsgültig abgeschloßene Ehegelöbniß und ein glaubhaftes Attest über ihren unbescholtenen Lebenswandel beizufügen. §. 5. Ueber jedes eingehende Gesuch hat der Vorstand binnen längstens vier Wochen Beschluß zu fassen und dem Antragsteller unter Rückgabe des Ehegelöbnisses Bescheid zu ertheilen. §. 6. Voraussetzungen einer Bewilligung. Unterstützungs-Gesuche für Wittwen, geschiedene Frauen und solche Personen, welche den Nachweis eines unbescholtenen Lebenswandels nicht zu führen vermögen, werden nicht berücksichtigt. §. 7. Eben so wird eine Unterstützung nicht bewilligt, wenn in dem Ehegelöbniß eine Mitgift von mehr als zwölfhundert Thalern versprochen ist, oder anderweitig eine diese Summe übersteigende Mitgift ausgemittelt wird. §. 8. Für mehrere Schwestern kann zu gleicher Zeit eine Unterstützung nicht nachgesucht werden. Erst nach Ablauf von fünf Jahren seit Auszahlung der für die eine bewilligte Unterstützungssumme kann ein Gesuch für eine andere Schwester berücksichtigt werden. §. 9. Verfahren. Soll nach dem Beschlusse des Vorstandes eine Unterstützung gewährt werden, so wird zugleich die Höhe derselben und die Zeit, zu welcher die Auszahlung erfolgen soll, festgesetzt und dem Petenten bekannt gemacht. §. 10. Höhe der Unterstützungs-Summe. Klasse I. Den ehelichen Töchtern eines hier ansäßigen Mitgliedes der Gesellschaft, welches zwölf Jahre lang den statutenmäßigen Beitrag entrichtet hat und zur Zeit der Anbringung des 770
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Gesuchs noch zur Gesellschaft gehört oder welches seit acht Jahren perpetuelles Mitglied ist, (§. 29.) kann Behufs ihrer Verheirathung eine Unterstützung bis zur Höhe von 250 Thalern gewährt werden. §. 11. Eine gleich hohe Unterstützung kann den Töchtern eines solchen Mitgliedes (§. 10) auch nach seinem Tode bewilliget werden: a) wenn die Beiträge nach seinem Tode ununterbrochen fortgezahlt worden sind, oder b) wenn das Mitglied binnen drei Monaten nach der Verlobung seiner Tochter oder erst nach Einreichung des Unterstützungs-Gesuches gestorben ist. In beiden Fällen wird jedoch vorausgesetzt, daß zu der Zeit, wo das Gesuch eingeht (ad a.) und resp. zur Zeit des Todes (ad b.) die Beiträge von vier Quartalen nicht im Rückstande geblieben sind (§. 33). §. 12. Die Unterstützungs-Summe kann nur bis auf die Höhe von Hundert Thalern festgesetzt werden: a) für die ehelichen Töchter verstorbener, mit ihrem Tode ausgeschiedener Mitglieder, welche zwölf Jahre zur Gesellschaft beigetragen haben, es wäre denn, daß der Fall der §.§. 10. 11. vorläge. b) für die ehelichen Töchter solcher Mitglieder, welche seit wenigstens fünf Jahren in der Gesellschaft sind; c) für die ehelichen Töchter des Boten der Gesellschaft, wenn dieser mindestens fünf Jahre im Dienste der Gesellschaft steht. §. 13. Klasse III. Den ehelichen Töchtern von Nicht-Mitgliedern, welche seit fünf Jahren hier ansäßig und in dem Register der jüdischen Gemeinde eingetragen sind, kann zu ihrer Verheirathung eine Unterstützung bis auf die Höhe von Fünfzig Thalern gewährt werden. Der vor Ablauf der obengedachten fünfjährigen Frist erfolgte Tod des Vaters soll der Petentin unnachtheilig sein, wenn dieselbe ihr hiesiges Domicil nicht verändert hat. §. 14. Zu den in den §. §. 12 und 13 gedachten Unterstützungen von 100 und resp. 50 Thalern sollen jährlich in der Regel nicht mehr als 250 Thaler, und überhaupt erst dann verwendet werden, wenn der Vorstand sich die Ueberzeugung verschafft hat, daß die den Töchtern von Gesellschafts-Mitgliedern etwa zugedachten Unterstützungssummen (§. §. 10. 11.) im Laufe desselben Jahres werden berichtigt werden können.
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§. 15. Unter der am Schlusse des vorigen §. gedachten Voraussetzung soll auch anderen, als den in den §§. 10 bis 13. bezeichneten Personen bei Verheirathungen eine Unterstützung jedoch nur bis zum Betrage von Fünf und zwanzig Thalern gewährt werden, und sollen alle derartige Unterstützungen zusammen jährlich in der Regel die Summe von 150 Thalern nicht übersteigen. Der Vorstand hat bei gleicher Würdigkeit der Petenten, die hier wohnenden vor den auswärtigen zu berücksichtigen. Unterstützungen bis zu zehn Thalern kann der Vorsitzende ohne Rückfrage an die übrigen Vorstands-Mitglieder bewilligen. §. 16. Zeit u. Bedingungen der Auszahlung. Die Auszahlung der versprochenen Unterstützungs-Summe darf in keinem Falle früher, als einen Tag nach erfolgter Trauung geschehen. Die Ehe muß neben den nach den Landesgesetzen zu beobachtenden Formalitäten nach jüdischem Ritus vollzogen sein, und hierüber ein glaubwürdiges Zeugniß beigebracht werden, widrigenfalls die Auszahlung unterbleibt. §. 17. Kann die Hochzeit innerhalb zweier Jahre von der im Ehegelöbniß bestimmten Zeit ab nicht stattfinden, so ist, wenn nicht triftige Gründe diese Verzögerung rechtfertigen, die Zusicherung der Unterstützung als annullirt zu betrachten. Der Vorstand hat die in diesem und dem vorhergehenden §. festgesetzten Bestimmungen den Antragstellern bekannt zu machen. §. 18. Ist die Hochzeit vor der im Ehegelöbniß bestimmten Zeit vollzogen worden, so kann die Auszahlung der bewilligten Unterstützungs-Summe, wenn disponible Mittel vorhanden sind, auch vor dem in dem Bewilligungsschreiben bestimmten Termine erfolgen. §. 19. Berücksichtigung der Gesuche nach der Zeit ihres Einganges. Modificationen Die Anträge auf Unterstützung, werden mit der aus dem §. 14. sich ergebenden Modification, nach dem Datum ihres Einganges bei dem Vorstande berücksichtigt und solche, denen im Laufe desselben Jahres nicht deferirt werden kann, auf das nächstfolgende verwiesen. Unter solchen Anträgen, welche an einem und demselben Tage eingehen, entscheidet das Loos. §. 20. Ueberzählige Gesuche. Sollten in einem Jahre so viele Anträge eingehen, daß durch deren Gewährung voraussichtlich die Einkünfte des laufenden und nächstfolgenden Jahres consumirt werden, so 772
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wird auf ferner eingehende Gesuche nur dann Rücksicht genommen, wenn sie durch die §§. 10 und 11 gerchtfertigt sind und im dritten Jahre wiederholt werden. – Die inzwischen erfolgte Verheirathung steht jedoch in diesem Falle der Unterstützung nicht entgegen. C. Von den Mitgliedern. §. 21. Meldung zur Aufnahme. Wer in die Gesellschaft als Mitglied aufgenommen werden will, hat sich unter Beibringung des Nachweises, daß er beitragendes Mitglied der hiesigen jüdischen Gemeinde ist, schriftlich an den Vorstand der Gesellschaft zu wenden. Auf mündliche Anträge kann keine Rücksicht genommen werden. §. 22. Verfahren. Von der eingegangenen Meldung setzt der Vorsitzende die übrigen Vorstands-Mitglieder mittelst Circulairs in Kenntniß und ordnet eine Sitzung an, welche nicht über vier Wochen hinausgeschoben werden darf. In der Zwischenzeit haben die Vorstands-Mitglieder über die Person des Aufzunehmenden die nöthigen Erkundigungen einzuziehen. §. 23. Eignet sich derselbe zur Aufnahme, so wird über ihn ballotirt. Fällt die Stimmenmehrheit zu seinen Gunsten aus, so wird solches, unter Beifügung eines Exemplars der Statuten, durch den Secretair angezeigt. Acht Tage nach erfolgter Aufnahme wird demselben ein mit dem Siegel der Gesellschaft bedrucktes und von den Vorstands-Mitgliedern unterzeichnetes Diplom zugestellt. Die Mitgliedschaft datirt von dem Tage der Insinua tion dieses Diploms. §. 24. Erfolgt die Aufnahme des Angemeldeten nicht, so wird ihm solches vom Secretair ebenfalls schriftlich angezeigt. Gründe der nicht erfolgten Aufnahme sollen weder im Protokoll vermerkt, noch überhaupt kund gemacht werden. §. 25. Wiederholte Meldung. Vor Ablauf von sechs Monaten kann eine wiederholte Meldung nicht berücksichtigt, und die Aufnahme überhaupt nicht mehr als dreimal beantragt werden. §. 26. Das aufgenommende Mitglied wird nach einer auch im Diplom zu vermerkenden Nummer in die Gesellschaftsbücher eingetragen. Die durch den Abgang von Mitgliedern erledigten Nummern werden durch die neu eintretenden ersetzt und mit a. b. c. und so weiter bezeichnet. 773
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§. 27. Eintrittsgeld. Jedes Mitglied zahlt beim Empfang des Diploms zwei Thaler Eintrittsgeld und sieben und einen halben Silbergroschen für das Exemplar der Statuten. §. 28. Beitrag. Der in Quartals-Raten pränumerando zu entrichtende Beitrag beträgt für jedes Mitglied mindestens zwei Thaler pro Jahr, und ist auch für das Quartal, in welchem die Aufnahme erfolgt ist, zu bezahlen. §. 29. Perpetuelle Mitglieder. Wer an Stelle des jährlichen Beitrages ein Kapital, dessen Zinsen jenem gleichkommen, an die Kasse der Gesellschaft entrichtet oder derselben durch letztwillige Verfügung zuwendet, wird als perpetuelles Mitglied in dem Register bezeichnet. – In dem zuletzt gedachten Falle wird der Tag der Auszahlung des Legats als der des Eintrittes in die Gesellschaft angesehen. Ist das Legat der Stempelsteuer unterworfen, so wird diese von der Gesellschaft nur dann entrichtet, wenn die Zinsen desselben nach Abzug der Steuer wenigstens zwei Thaler jährlich betragen. §. 30. Wenn ein perpetuelles Mitglied der Gesellschafts-Kasse eine Summe mit dem Wunsche überweist, daß alljährlich an seinem Sterbetage ein Licht in der Synagoge gebrannt oder das Kadisch-Gebet oder eine ähnliche religiöse Handlung verrichtet werde, und die desfallsigen Kosten durch die Zinsen des Kapitals bestritten werden können, so muß der Vorstand dasselbe annehmen und für die Erfüllung der übernommenen Pflichten Sorge tragen. §. 31. Ein Vermächtniß dieser Art soll von nicht perpetuellen Mitgliedern nur dann angenommen werden, wenn außer dem zur Deckung der entstehenden Kosten erforderlichen Kapitale fünfzig, und von einem Nicht-Mitgliede nur dann, wenn außer jenem Kapitale hundert Thaler an die Kasse der Gesellschaft gezahlt werden. Der Testator soll jedoch hierdurch in die Reihe der perpetuellen Mitglieder aufgenommen sein. §. 32. Ueberhaupt ist der Vorstand berechtigt, die Verwaltung jedweder wohlthätigen Stiftung gegen eine zur Gesellschaftskasse fließende Remuneration von 50 Thalern, und wenn das Stiftungs-Capital 10,000 Thlr. oder mehr beträgt, von 100 Thalern zu übernehmen. §. 33. Ausscheiden d. Mitglieder. Wer mit seinem Beitrage vier Quartale rückständig geblieben ist, hört auf Mitglied zu sein und wird in dem Register gestrichen. Will ein solches Mitglied später wieder auf774
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genommen sein, so ist es von Neuem dem Ballotement unterworfen, und muß im Falle der Aufnahme das Eintrittsgeld noch einmal bezahlen. §. 34. Ein Mitglied tritt aus der Gesellschaft, sobald es aufhört zum Verbande jüdischer Gemeinden zu gehören. §. 35. Ein Mitglied, welches wegen eines gemeinen Vergehens oder Verbrechens rechtskräftig verurtheilt worden, wird von der Gesellschaft ausgeschlossen. Seinen ehelichen Töchtern können jedoch diejenigen Unterstützungen gewährt werden, welche nach den §§. 11. uns 12, den ehelichen Töchtern eines verstorbenen Mitgliedes bewilligt werden dürfen. §. 36. Weder ein austretendes noch ein ausgeschlossenes Mitglied kann die an die Kasse der Gesellschaft geleisteten Beiträge und sonstigen Zahlungen zurückfordern. §. 37. Die Bestimmungen der §§. 34. bis 36. finden auch auf perpetuelle Mitglieder Anwendung. §. 38. Das austretende oder ausgeschlosse Mitglied muß binnen zwei Monaten nach seinem Ausscheiden sein Diplom an den Vorstand zurückgeben, widrigenfalls solches öffentlich als ungültig erklärt wird. C. Von der Verwaltung. a. Von der Wahl und Thätigkeit des Vorstandes und des größeren Ausschusses. §. 39. Bildung beider Ausschüsse. Der engere Ausschuß (Vorstand), welcher alle drei Jahre neu gewählt wird, besteht aus fünf Mitgliedern, und zwar: einem Vorsitzenden, einem Secretair, einem Kassirer, einem Kontrolleur und einem Beisitzer. Der größere Ausschuß besteht aus drei und zwanzig Mitgliedern, und zwar den vorgedachten fünf Vorstands-Mitgliedern und achtzehn der nach der Zeit ihrer Aufnahme ältesten Mitgliedern der Gesellschaft. Die Mitglieder des engeren Ausschusses dürfen weder in grader noch in der Seitenlinie bis einschließlich zum dritten Grade mit einander verwandt sein. 775
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§. 40. Wahl d. Vorstandes u. der Stellvertreter. Alle drei Jahre in der ersten Hälfte des Monats [ איירIjjar] findet eine Neuwahl des Vorstandes statt. Der fungirende Vorstand ladet zu diesem Behufe die Mitglieder des größeren Ausschusses und die diesen nach dem Zeitpunkte ihrer Aufnahme nächstfolgenden neuen Gesellschafts-Mitglieder zu einer Versammlung ein. Die Einladung erfolgt durch einmalige Einrückung in die Vossische und Spenersche Zeitung mindestens vierzehn Tage vor dem Termine. Der Vorstand hat die zur Wahl zwar noch besonders durch Circular-Schreiben einzuladen; der Nachweis der Behändigung desselben ist jedoch für die Gültigkeit der Wahl nicht erforderlich. Jeder der Erschienenen schreibt fünf Kandidaten auf einen Zettel; unter den vorgeschlagenen bilden diejenigen fünf, welche die relative Stimmenmehrheit haben, den Vorstand für die nächsten drei Jahre. Ganz in derselben Weise werden sodann fünf Stellvertreter gewählt, die nach der Zahl der erhaltenen Stimmen an die Stelle der während des vorgedachten Zeitraumes etwa verhinderten oder abgehenden Vorstands-Mitglieder einberufen werden. Für den Fall der Stimmengleichheit entscheidet unter den Vorgeschlagenen das Loos. Die ausscheidenden Vorstands-Mitglieder sind wieder wählbar. Das Wahlprotokoll muß von mindestens zwölf Wählern unterzeichnet werden. – Die Gewählten vertheilen die einzelnen Aemter unter sich nach eigenem Ermessen. §. 41. Zur Gültigkeit der Wahl müssen von den Vorstands-Mitgliedern wenigsten drei, von den übrigen achtzehn Mitgliedern des größeren Ausschusses zwölf und von den übrigen wenigstens sechs anwesend sein. §. 42. Den neugewählten Vorstands-Mitgliedern und resp. den Stellvertretern derselben wird die auf sie gefallene Wahl binnen drei Tagen nach deren Vollziehung schriftlich angezeigt. Die betreffenden Schreiben muß der Gesellschafts-Bote den Adressaten i n Pe r s o n behändigen, welche ihrerseits den Empfang zu bescheinigen haben. Erfolgt binnen drei Tagen nach der Behändigung von Einem oder dem Anderen keine Antwort, oder wird die Annahme des Amtes ausdrücklich verweigert, so werden die Stellvertreter in der in §. 40. angegebenen Reihefolge einberufen. §. 43. Die Legitimation des Gesellschafts-Vorstandes wird durch ein von dem Vorstande der jüdischen Gemeinde zu Berlin auf Grund des Namensverzeichnisses (§. 53 d,) der öffentlichen Bekanntmachung und des Wahlprotokolls (§. 40.) auszustellendes Attest geführt.
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§. 44. Dechargirung des abgehenden Vorstandes. In den auf die Neuwahl folgenden vier Wochen revidiren die neuen Vorstands-Mitglieder in Gemeinschaft mit den abgehenden die bisherige Verwaltung und dechargiren die letzteren zu Protokoll. Beschlüsse über eingehende Anträge, welcher Art sie auch sein mögen, können während dieser Zeit nicht gefaßt werden. Scheiden jedoch nur zwei der früheren Vorsteher durch die Neuwahl aus, so leidet der Gang der Geschäfte keine Störung. – Werden sämmtliche Vorsteher oder der größere Theil derselben wieder gewählt, so wird die Decharge von fünf Mitgliedern des größeren Ausschusses, welche dieser aus seiner Mitte hierzu wählt, ertheilt. – §. 45. Scheidet ein Mitglied des größeren Ausschusses aus, so tritt das nächstälteste Gesellschafts-Mitglied an seine Stelle. Dies ist insbesondere der Fall, wenn ein Mitglied des größeren Ausschußes in den Vorstand gewählt wird. §. 46. Die Mitglieder beider Ausschüsse verwalten ihre Aemter als Ehrenämter unentgeltlich, und sind zur Verschwiegenheit über amtlich ihnen bekannt gewordene Thatsachen verpflichtet. §. 47. Thätigkeit. a) des Vorstandes. Der Vorstand leitet alle die Gesellschaft betreffenden Angelegenheiten, faßt die Beschlüsse, führt sie aus und verwaltet insbesondere die Fonds und das Eigenthum der Gesellschaft. §. 48. Zu den Sitzungen des Vorstandes ladet der Vorsitzende mittelst Circulairs drei Tage vorher ein. Zu den Sitzungen des größeren Ausschusses (§. 49 b) geschieht die Einladung von dem Vorstande fünf Tage vorher. Der Gegenstand der Berathung soll jedesmal im Circulair angegeben sein. §. 49. b) des größeren Ausschusses. Der größere Ausschuß versammelt sich: a) Behufs der Neuwahl der Vorstands-Mitglieder; b) wenn einzelne Bestimmungen der Statuten einer Auslegung oder Abänderung bedürfen, so wie wenn über einen in den Statuten nicht vorhergesehenen Fall eine Bestimmung getroffen werden soll. §. 50. Bei allen Sitzungen entscheidet die Mehrheit der Stimmen. In den Sitzungen des Vorstandes müssen wenigstens drei, bei Verhandlungen des größeren Ausschusses wenigs777
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tens siebenzehn Mitglieder gegenwärtig sein. Im Falle der Stimmengleichheit entscheidet die Ansicht des Vorsitzenden. §. 51. Betrifft der Gegenstand der Verhandlung einen nahen Verwandten (§. 39.) eines anwesenden Mitgliedes oder ein solches selbst, so darf dieses an der Berathung und Beschlußnahme keinen Theil nehmen. §. 52. Siegel und Stempel der Gesellschaft. Die Gesellschaft führt ein Siegel und einen Stempel; jenes hat die Inschrift:
ח״ק הכנסת כלה בברלין
(Gesellschaft zur Ausstattung der Bräute in Berlin), dieser enthält die Anfangs-Buchstaben der Siegel-Inschrift. Das Siegel hat der Secretair, den Stempel der Beisitzer in Verwahrung. Briefe, Verträge und deren Ausfertigungen müssen gesiegelt, die Quittungen über die Beiträge gestempelt werden. §. 53. Bücher derselben. Die Bücher, welche die Verwaltung der Gesellschaft betreffen, sind folgende: a) ein Vortrags-Buch, in welches die eingehenden Schreiben, Anträge u. s. w. nach Nummern und nach dem Hauptinhalte mit den dieselben betreffenden Beschlüssen eingetragen werden; geführt vom Vorsitzenden; b) ein Protokoll-Buch, in welches der Secretair in den Sitzungen die von den Theilnehmenden zu unterzeichnenden Verhandlungen einträgt; c) ein Kassa-Buch, in welches die Einnahmen und Ausgaben, letztere mit den Nummern der Beläge, eingetragen werden; geführt vom Kassirer; d) ein Namens-Verzeichniß, in welchem sämmtliche Mitglieder mit Angabe ihrer Nummern, des Tages ihrer Aufnahme, der Höhe ihres Beitrags und mit einer Notiz darüber, ob sie perpetuell sind, aufgeführt werden; geführt vom Vorsitzenden. Dieses Namens-Verzeichniß liefert den vollen Beweis für die Dauer der Mitgliedschaft; e) ein Donations-Buch zur Bezeichnung der eingehenden Geschenke, der Namen der Geschenkgeber, und mit einer Rubrik, ob die Geschenke zum Grundkapital oder zu den laufenden Ausgaben bestimmt sind. Die aus Sammlungen eingehenden Gelder werden summarisch notirt; geführt vom Controlleur; f) ein Ausstattungs-Buch, in welches die Namen der Unterstützungs-Empfänger unter Angabe der bewilligten Summe eingeschrieben werden; geführt vom Secretair; g) ein Dokumenten-Buch, zur Verzeichnung der der Gesellschaft gehörigen ActivForderungen; geführt vom Vorsitzenden; h) ein Journal- und ein Hauptbuch, in welche halbjährlich übertragen wird und die alle Jahre abgeschlossen werden. Die Ausgaben und Einnahmen werden in dem Hauptbuche nach ihren verschiedenen Benennungen summarisch notirt; geführt von einem nöthigenfalls hierzu bestellten Buchhalter. 778
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§. 54. Functionen der einzelnen Vorstands-Mitglieder. Die Functionen der einzelnen Beamten des Vorstandes sind folgende: a) des Vorsitzenden: er nimmt die eingehenden Schreiben an, notirt auf denselben die laufende Nummer und den Tag des Einganges und führt das Vortrags-Buch, das Namens-Verzeichniß und das Documenten-Buch. Er ordnet die Sitzungen an und führt in denselben den Vorsitz oder ernennt hierfür einen Stellvertreter. Er überliefert die bei ihm eingehenden Gelder dem Cassirer. Ihm liegt es ob, die Ordnung in dem Gange der Verwaltung aufrecht zu erhalten; b) des Secretairs: er führt das Protokoll in den Sitzungen, fertigt die Erlasse und Bescheide an, besorgt die Reinschriften und befördert sie; er sorgt für den Druck der Statuten, Namens-Verzeichnisse, Diplome, Bilanzen, Circulaire u. s. w., stattet den Bericht in den General-Versammlungen ab und hat das Siegel der Gesellschaft in Verwahrung; c) des Cassirers: er nimmt die an ihn kommenden Gelder an und quittirt darüber; er fertigt die Quittungen über die Beiträge aus und läßt dieselben vom Beisitzer mit unterschreiben und stempeln. Er übergiebt dem Vorsitzenden den Kassenbestand, so weit er die Summe von 150 Thalern übersteigt, schreibt die Mahnbriefe an die säumigen Zahler, und macht in den Sitzungen diejenigen Mitglieder namhaft, welche seit vier Quartalen mit ihrem Beitrage im Rückstande geblieben sind. Er leistet die vorkommenden Zahlungen gegen Quittung, führt das Kassa-Buch, läßt dieses vom Controlleur revidiren und schließt es ab; d) des Controlleurs: er revidirt halbjährlich das Kassa-Buch. Etwaige Monita läßt er vom Cassirer berichtigen. Er sieht den Abschluß des Hauptbuches nach und bescheinigt die Richtigkeit der ihm vorgelegten Bilanz. Er führt das Donations-Buch; e) des Beisitzers: er unterzeichnet mit dem Cassirer die Quittungen über die Beiträge und stempelt sie. Er hat die Registratur unter seiner Aufsicht und führt ein Register darüber. Er hat den Stempel der Gesellschaft in Verwahrung. Der Vorstand ist ermächtigt zur Ausführung der ihm obliegenden Arbeiten sich in außergewöhnlichen Fällen der Hülfe eines besonderen Beamten zu bedienen und denselben zu remuneriren. §. 55. Bote. Die Gesellschaft besoldet einen Boten. Er wird vom Vorstande angestellt und muß eine Caution oder einen sicheren Bürgen auf Höhe von mindestens hundert Thalern stellen. b. Vermögens-Verwaltung. §. 56. Grund-Kapital. Das der Gesellschaft gehörige Grund-Kapital ist feststehend, die Verwendung desselben zu laufenden Ausgaben bleibt dem Beschlusse der General-Versammlung vorbehalten.
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§. 57. Die zu dem Grund-Kapitale fließenden Einnahmen sind: a. die von den perpetuellen Mitgliedern zur Ablösung ihrer Beiträge einzuzahlenden Kapitalien; b. solche Schenkungen und Legate, welche nach der Bestimmung des Gebers dem Grundkapitale einverleibt werden sollen. Fehlt es an einer entsprechenden Bestimmung, so sollen dergleichen Geschenke und Legate unter 25 Thaler zu den laufenden Ausgaben verwendet werden. §. 58. Das Grund-Kapital muß pupillarisch sicher belegt werden. Die dasselbe bildenden Staatspapiere und Documente, ingleichen diejenigen Documente, welche die Verfassung der Gesellschaft betreffen, müssen mit einem Verzeichniße ihres Inhalts, in einem eisernen Kasten aufbewahrt werden. Derselbe muß mit drei verschiedenen Schlössern versehen sein, zu welchen der Vorsitzende, der Kassirer und der Kontrolleur je einen Schlüssel führen, so daß beim Oeffnen des Kastens diese drei Beamten gegenwärtig sein müssen. Ein Duplikat des Verzeichnisses über den Inhalt des eisernen Kastens verbleibt in den Händen des Vorsitzenden. §. 59. Ist einer der drei Beamten verhindert, beim Oeffnen des Kastens gegenwärtig zu sein, so kann dieser an seiner Stelle den Secretair oder den Beisitzer damit beauftragen. §. 60. Der eiserne Kasten wird entweder bei der Königlichen Hauptbank oder beim Vorstande der hiesigen jüdischen Gemeinde deponirt. – Den Ort, wo die sonstigen, der Gesellschaft gehörigen Mobilien aufbewahrt werden sollen, bestimmt der Vorstand. Ein Verzeichniß der letzteren wird gleichfalls in den eisernen Kasten gelegt. Ueber jede Veränderung seines Inhalts wird ein Protokoll aufgenommen und nach Maaßgabe desselben das Verzeichniß und das Duplikat berichtigt. §. 61. Die zu den Staats-Papieren gehörigen, im Laufe eines Jahres zahlbaren Coupons und Zinsscheine können dem Cassirer gegen Empfangsschein, der in den eisernen Kasten gelegt werden muß, in Verwahrung gegeben werden. §. 62. Einkünfte zur Bestreitung der laufenden Ausgaben. Die Einkünfte der Gesellschaft, welche für die Zwecke derselben verwendet werden, sind: a) die Zinsen des Grund-Capitals; b) die Eintrittsgelder neuer Mitglieder; c) die jährlichen Beiträge derselben; 780
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d) die eingehenden Geschenke, so weit sie nach §. 57b nicht zum Grund-Capital fließen; e) die bei den Vorlesungen aus der Thora in der hiesigen jüdischen Synagoge und in sonstigen Gebets-Versammlungen oder bei Hochzeiten gespendeten milden Gaben; f) diejenigen Gaben, welche bei Beerdigungen für die ( שבץ צדקותsieben Wohlthätigkeits-Anstalten, zu welchen auch diese Gesellschaft gehört) gespendet werden. §. 63. Der Kassen-Vorrath soll, mit Ausnahme von 150 Thalern, welche in den Händen des Cassirers baar verbleiben, in der Art zinstragend angelegt werden, daß die vorkommenden Ausgaben zur gehörigen Zeit bestritten werden können. §. 64. Zahlungen die mehr als zehn Thaler betragen, darf der Cassirer nur auf schriftliche Anweisung von zwei Vorstands-Mitgliedern leisten. §. 65. Abschluß der Bücher. Ueberschüsse. Mit dem Ablaufe eines jeden Jahres werden die Bücher der Gesellschaft abgeschlossen, und der Rechnungs-Abschluß dem Vorstande der jüdischen Gemeinde (§. 70.) mitge theilt, wobei demselben freisteht die Bücher und Beläge durch einen Commissarius einsehen zu lassen. Die bei dem Abschluß sich etwa ergebenden Ueberschüsse sollen nicht zum Grund-Capital gethan, sondern zu den laufenden Ausgaben des nächsten Jahres verwendet werden. §. 66. Vertheilung der Bilance. Alle drei Jahre soll eine Bilanz über die dreijährige Einnahme und Ausgabe angefertigt und den Mitgliedern gedruckt zugestellt werden. In derselben werden die Empfänger der Ausstattungsgelder nicht namentlich, sondern nach folgenden Rubriken: Unterstützungen zur Aussteuer: Klasse I. (Zahl und Summe.) (dito) Klasse II. Klasse III. (dito) aufgeführt. c. Von der General-Versammlung. §. 67. Berufung der General-Versammlung. Nach geschehener Vertheilung der Bilanz, wo möglich am Stiftungs-Tage der Gesellschaft ()כ״ח אייר, am 28. des Monats Ijar soll eine General-Versammlung stattfinden, zu welcher die Mitglieder der Gesellschaft vier Wochen vorher durch einmalige Bekanntmachung in der Vossischen und Spenerschen Zeitung und mittelst besonderer Schreiben überall unter Angabe der vom größeren Ausschuße etwa vorzulegenden Anträge 781
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eingeladen werden. Die Beschlüsse der Majorität der erscheinenden Mitglieder sind, bei Beobachtung der angegebenen Förmlichkeiten, auch für die Ausbleibenden bindend. – Der Nachweis der Behändigung der Einladungschreiben ist indessen nicht erforderlich. §. 68. In der General-Versammlung soll ein specieller Bericht über die Wirksamkeit der Gesellschaft in den verflossenen drei Jahren erstattet werden. Anträge der Mitglieder, welche eine Aenderung der Statuten (§. 70) bezwecken, können in der General-Versammlung nur dann zur Sprache gebracht werden, wenn diese Anträge dem GesellschaftsVorstande derzeitig früh mitgetheilt werden, daß sie den Mitgliedern zugleich mit der Einladung bekannt gemacht werden können. §. 69. Wird am Tage der General-Versammlung ein geselliges Mahl veranstaltet, so können die Kosten des Lokals, der Beleuchtung und Bedienung aus der Kasse der Gesellschaft bestritten werden. d. Aufsichts-Behörde §. 70. Die unmittelbare Aufsichts-Behörde der Gesellschaft ist der Vorstand der hiesigen jüdischen Gemeinde. Demselben ist außer dem alljährlichen Rechnungsabschlusse (§. 65) auch die jedesmalige Bilanz über die dreijährigen Einnahmen und Ausgaben (§. 66) eine Abschrift des Protokolls über jede General-Versammlung mitzutheilen, sowie auch über die jedesmalige Wahl der Vorstands-Mitglieder und über die Personen des größeren Ausschusses Anzeige zu machen. – Eine Abänderung des gegenwärtigen Statuts kann nur mit Zustimmung des gedachten Gemeinde-Vorstandes geschehen. Berlin, den 28. October 1857. Der grössere Ausschuss der Gesellschaft. M. I. Hauff. S. L. Jacob. A. H. Heymann. Vorstands-Mitglieder. Joel Wolff Meyer. A. L. Wolffram. L. Davidsohn. A. M. Kalisch. Joseph Israel. B. Goldschmidt. N. M. Silberstein. A. S. Landsberger. S. Edinger. L. A. Marcuse. S. H. Schlesinger. E. Rosenstein. Z. I. Hirschfeld. L. Fernbach jun. Samuel Levy. E. A. Salomon. H. Demuth. H. R. Weyl. Daß der unterzeichnete Vorstand der hiesigen jüdischen Gemeinde den vorstehenden statuarischen Bestimmungen für die Gesellschaft Hachnassath Kallah seine Zustimmung gegeben hat, wird hiermit attestirt. Berlin, den 7. December 1857. 782
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Der Vorstand der jüdischen Gemeinde. Baswitz. Magnus. Carl Heymann. _________________________ Vorstehende Statuten werden auf Antrag der Gesellschaft bestätigt. Berlin, den 16. December 1857. Königliches Polizei-Präsidium. Freiherr von Zedlitz. Quelle: Statuten der Gesellschaft Hachnassath Kallah הכנסת כלהzur Ausstattung der Bräute in Berlin. Berlin, ה׳ תר׳ח1858 (Archiv der Stiftung „Neue Synagoge Berlin. Centrum Judaicum“).
Beth Hamidrasch („Haus des Lernens“) Zur Geschichte des Beth Hamidrasch (Auszüge) und Satzung von 1912 Zur Geschichte des Beth-Hamidrasch in Berlin. Die Bemühungen, in der durch den Großen Kurfürsten im Jahr 1671 wiederhergestellten jüdischen Gemeinde Berlins ein Beth-Hamidrasch, wie es fast alle größeren Gemeinden besitzen, herzustellen, waren lange ohne Erfolg geblieben. Das durch Jost Liebmann und seine Frau Ester unterhaltene Privat-Beth-Hamidrasch, an welchem Michel Chasid und Aron b. Bejamin Wolff , gen. Ar ndt wirkten, war nach dem Tode Jost Liebmann’s und dem Sturze der Ester, der mit dem Regierungsantritt Friedrich Wilhelm I. (1713) zusammenfiel, wieder eingegangen. Im Verlaufe der nächsten Jahrzehnte wurde durch Vermächtnisse, wie Elchanan b. Joseph Sofer mit 800 Thlr., Samuel Halber stadt mit 1000 Thlr. und durch Privatsammlungen für die sich besonders das Rabbinatsmitglied Mordechai Tokles bemühte, die Herstellung eines eigenen Baues für das Beth-Hamidrasch angebahnt. Bald nach dem Amtsantritt des Rabbiners David Fränkel (1743), zu dessen zahlreichen Schülern auch der junge Moses Mendelssohn gehörte, bildete sich mit Genehmigung des Aeltesten-Kollegiums ein Komitee zur Errichtung und Erhaltung eines Beth-Hamidrasch. Diesem Komitee, dessen Hauptaufgabe zunächst in der Sammlung freiwilliger Beiträge bestand, gehörten die Vorsteher Bendit Cohn und Löb Halber stadt, das Rabbinatsmitglied Lipmann Necker stein und der Privatgelehrte Herz Kößlin (Borchardt) an. Die Aeltesten selbst kamen dem Unternehmen dadurch zu Hülfe, daß sie den projektierten Bau auf einem der Gemeinde gehörigen Grundstück auszuführen erlaubten. Die Gemeinde besaß nämlich in der Heidereutergasse ein für Gemeinde zwecke bestimmtes Haus, das mit einer in gleicher Fluchtlinie stehenden und mit zwei 783
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Torwegen versehenen Mauer in Verbindung stand. Ueber diesem einstöckigen Hause und dieser Mauer, deren Torwege, wie noch heute, auf den Vorplatz der Synagoge führten, wurde ein neues Stockwerk für die Zwecke des Beth-Hamidrasch errichtet; das Aeltesten-Kollegium kam den Wünschen des Baukomitees entgegen, indem es ihm 1000 Thlr. zur Verfügung stellte, welche unter gewissen Bedingungen von den Kuratoren des Samuel Halber städt’schen Nachlasses hergegeben wurden. Die gedachten, aus den Mitteln des Beth-Hamidrasch-Fonds hergestellten Bauten sollten nach dem Uebereinkommen mit dem Aeltesten-Kollegium den Zwecken des Beth-Hamidrasch dienen und unwiderruflich für ewige Zeiten im alleinigen Besitz dieses Institutes verbleiben. Dagegen wahrte das Aeltesten-Kollegium das bisherige ausschließliche Besitzrecht der Gemeinde an dem Parterre des Hauses und an der Mauer mit ihren beiden Torwegen. Der Bau begann im Jahre 1744 und wurde Anfang 1746 vom Baukomitee, dem Aeltesten-Kollegium und dem Beth-Hamidrasch-Vor stand abgenommen und seiner Bestimmung übergeben. Im Interesse einer geordneten Verwaltung und Beaufsichtigung des Instituts, das nun eine feste Stätte gewonnen, im Uebrigen aus regelmäßigen Beiträgen seiner Mitglieder, aus Geschenken, gelegentlichen Spenden und letztwilligen Zuwendungen seine Einkünfte bezog, wurde ein Statut entworfen, das aber – nachdem das einzige, nur handschriftlich vorhandene Exemplar bei einer Feuersbrunst vernichtet worden – im Jahre 1768 durch ein neues Statut ersetzt wurde. Dieses Statut, dasselbe, welches 1868 noch einmal zum Abdruck gekommen, enthielt neben älteren aus dem Gedächtnisse bewahrten, auch neue, zeitgemäße Bestimmungen. Im genannten Jahre 1768 hatte das Institut 109 Mitglieder, unter diesen befanden sich: Moses Mendelssohn, dessen Brotherr, der Seidenzüchter Ber nhardt, der Hof-Bankier Itzig Jaffe, Schwiegervater David Fr iedländer s, Juda Witzenhausen, Ahn der Familie Veit, Samuel Aron (Bleichröder), Lipmann Meyer Wulf , (Großvater von Meyerbeer, Michel Beer und Wilhelm Beer) usw. Die bedeutsamste Stellung an dem Beth-Hamidrasch nahmen die für dasselbe berufenen Talmudlehrer (Beth-Hamidrasch-Rabbiner) ein. Ein noch erhaltener Verfassungsbrief vom Jahre 1766 präzisiert die Funktionen eines solchen in folgender Weise: 1. Derselbe soll die Vormittagsstunden dem Unterricht seiner Schüler widmen, die noch nicht das 18. Lebensjahr überschritten. 2. Der Unterricht soll das ganze Gebiet des Talmud und der damit zusammenhängenden casuistischen Literatur גפתumfassen. 3. Bei den Nachmittagsvorträgen ist der Zutritt auch Nichtstudierenden erlaubt. 4. Am Sabbath-Nachmittag vor dem Mincha-Gebet soll der Beth-HamdiraschRabbiner über ein Thema aus dem Gebiete der Hagada einen Vortrag halten, in den Sommermonaten soll das betreffende Kapitel aus den Pirke Abot zu Grunde gelegt werden. 5. Keiner der Beth-Hamidrasch-Rabbiner darf außerhalb des Beth-Hamidrasch Unterricht erteilen, es sei denn nach dem Mincha-Gebet; auch darf derselbe 784
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nicht ohne Genehmigung des Monatsvorstehers während der Unterrichtszeit Rabbinatssitzungen beiwohnen. 6. Der Beth-Hamidrasch-Rabbiner erhält freie Wohnung und drei Taler Gehalt. […] Was die Verwaltung des Beth-Hamidrasch betrifft, so liegen aktenmäßige Nachrichten erst seit dem Jahre 1827 vor. […] Schon im September 1827 wurde die Notwendigkeit eines neuen Statuts in einer Konferenz der Vorsteher des Beth-Hamidrasch mit den Aeltesten der Judenschaft anerkannt. […] Am 8. Juni 1834 wurde zwischen den Aeltesten und Vorstehern der Judenschaft einerseits und den Vorstehern des Beth-Hamidrasch andererseits ein Vertrag abgeschlossen, vermöge dessen zu den Kosten des Neubaues des Hauses Heidereutergasse Nr. 4, aus den Fonds des Beth-Hamidrasch 3000 Tlr. gegeben werden sollten. […] [1862] wurde in Folge einer Verfügung des Königl. Polizei-Präsidiums zur Ausarbeitung eines neuen Status geschritten; nach Erledigung der nötigen Vorarbeiten wurde ein Entwurf zum neuen Statut im Jahre 1864 vorgelegt. Allein die vom Vorstande der jüdischen Gemeinde beanspruchte Oberaufsicht, welche von den Vorstehern des Instituts, ebenso wie ein schon im Jahre 1830 vom Gemeindevorstande gemachter Versuch auch jetzt wieder zurückgewiesen wurde, hinderte das Zustandekommen des Statuts. Ein gleiches Schicksal hatte in Folge der nicht ausgeglichenen Divergenz der beiderseitigen Vorstände in Betreff der Berechtigung des Gemeindevorstandes zur Beaufsichtigung des Beth-Hamidrasch ein im Jahre 1866 nach langwierigen Verhandlungen zu Stande gekommener revidierter Statutenentwurf. Ungeachtet eines lebhaften bis in das Jahr 1867 fortgesetzten Schriftwechsels zwischen dem Polizei-Präsidium und den beiderseitigen Vorständen rückte die Angelegenheit nicht von der Stelle. […] Der von dem letztgenannten Vorstande gefaßte Plan [1870], das Beth-Hami drasch zu einer höheren Lehranstalt für jüdische Wissenschaft und Talmudstudium zu erweitern, kam nicht zur Ausführung. […] [1872] wurde in Folge eines gegen den stattgehabten Wohlmodus des Achtzehner-Ausschusses von einem Mitgliede des Beth-Hamidrasch bei dem Königl. Polizei-Präsidium erhobenen Protestes von dieser Behörde von neuem die Aufforderung wegen Aufstellung eines neuen Statutes an den Vorstand des Beth-Hamidrasch gerichtet. Von neuem trat die schon erwähnte Meinungsverschiedenheit über die Berechtigung des Gemeindevorstandes, sich in die inneren Angelegenheiten des Beth-Hamidrasch zu mischen, hindernd entgegen. Indes gelang es endlich den ununterbrochenen, durch sachgemäße Darstellung der obwaltenden Verhältnisse unterstützten Bemühungen des derzeitigen Vorstandes, die Selbständigkeit des Beth-Hamidrasch zu wahren. So ist nun endlich das nachstehende Statut von den derzeitig im Amte befindlichen Vorstehern und Mitgliedern des Achtzehner Ausschusses vereinbart, am 3. Februar 1873 vollzogen und vom Königl. Polizei-Präsidium am 20. April 1875 bestätigt worden. [...] 1910: Eine gründliche Umarbeitung der Statuten erweist sich als dringend erforderlich, nachdem sich herausgestellt hat, daß die alten, seit Bestehen der Gesellschaft nicht 785
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revidierten Statuten sich tatsächlich als Hemmschuh für eine günstige weitere Entwickelung der Gesellschaft erweisen. [...] 1912: In der Generalversammlung vom 31. März, zu der sich 92 Mitglieder eingefunden haben, also mehr als die für Statutenänderung erforderliche Zahl, wird das vorgelegte neue Statut einstimmig genehmigt und die anzustrebende Eintragung der Gesellschaft ins Vereinsregister beschlossen. Satzung / des / Beth-Hamidrasch zu Berlin / (Eingetragener Verein) I. Name, Sitz und Zweck des Vereins. § 1. Der Verein, welcher den Namen „Beth-Hamidrasch“ führt, hat den Zweck: 1. das als Lehrhaus für das Tora- und Talmudstudium errichtete Institut zu erhalten und zu fördern. 2. die dazu gehörige Synagoge nach dem überlieferten Ritus zu führen. Der Verein hat seinen Sitz in Berlin. Er soll in das Vereinsregister eingetragen werden. § 2. In dem Beth-Hamidrasch sollen durch regelmäßige Lehrvorträge die Hörer zu einem tieferen Verständnis der talmudischen Lehrobjekte geführt, und es soll zu einer Ausbildung Gelegenheit geboten werden, welche die Erlangung eines Rabinatsdiploms ( )התרת הנראהermöglicht. § 3. Außerdem sollen homiletische und gemeinverständliche Vorträge über biblische Bücher oder talmudische, rituelle, auch jüdisch-religionsphilosophische Werke gehalten werden. § 4. Die unentgeltliche Teilnahme an den Vorträgen (§ 2, 3) steht jedermann frei, jedoch kann auf Antrag des betreffenden Lehrers diese Berechtigung vom Vorstande entzogen werden. Der hierauf bezügliche Beschluß wird unter Zuziehung des betreffenden Lehrers gefaßt. § 5. Die Benutzung der Bibliothek ist dem Publikum innerhalb der Lehrräume des Beth-Hamidrasch unter Beachtung des hierfür vom Vorstande erlassenen Reglements gestattet. § 6. Wenn ein Mitglied des Vereins erkrankt, so sollen auf seinen oder seiner Angehörigen Antrag nach beendetem Gottesdienste in der Synagoge die üblichen Psalmen und Gebete für seine baldige Genesung verrichtet werden. 786
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§ 7. Zum ehrenden Andenken an verstorbene Mitglieder sollen nach Meldung an den Vorstand der Synagoge während der ersten 30 Trauertage ( )שלשיםnach dem beim Morgengottesdienste üblichen Vortrage eines Mischna-Abschnittes die אנא- und קדישGebete und während des Trauer-Jahres allsabbathlich das אל מלא רחמים-Gebet mit Namensnennung des Verstorbenen verrichtet werden. Auch können vorgedachte oder andere religiöse Liebespflichten gegen Personen, die durch Geschenke, Legate oder auf andere Weise die Zwecke des Vereins gefördert haben, durch Beschluß des Vorstandes übernommen werden. § 8.
Am 7. Adar, dem Todestage Moses ( )משה רבנו ע״הfindet eine auf die Bedeutung des Tages bezügliche religiöse Feier in der Synagoge statt. II. Mitgliedschaft. § 9. Als Mitglieder können nur Personen jüdischen Glaubens, männliche und weibliche, aufgenommen werden. Der jährliche Beitrag beträgt wenigstens 6 M. Durch einmalige Zahlung von mindestens 150 M. wird die Mitgliedschaft für ewige Zeiten erworben. Auch kann zum ehrenden Gedächtnisse eines bezw. einer Verstorbenen gegen Zahlung von mindestens 150 M. das Recht erworben werden, daß der Name desselben (derselben) als eines immerwährenden Mitgliedes in dem Namensverzeichnisse des Vereins fortgeführt werde. Personen weiblichen Geschlechts, Minorenne, sowie die besoldeten Beamten des Vereins haben weder Stimmrecht noch aktives oder passives Wahlrecht. § 10. Die Aufnahme erfolgt durch Beschluß des Vorstandes, die Angabe von Gründen für eine evtl. Ablehnung ist unstatthaft. § 11. Diejenigen Mitglieder, welche a. zum Verluste der bürgerlichen Ehrenrechte verurteilt, b. oder aus dem Judentum ausgeschieden sind, c. oder durch Nichteinführung ihrer Kinder in den Bund des Judentums ihre Mißachtung gegen dasselbe kundgegeben haben, hören dadurch auf, Mitglieder des Vereins zu sein. Auch diejenigen sind als ausgeschieden zu betrachten, welche mit einem fälligen Beitrage ganz oder zeitweise trotz wiederholter schriftlicher Aufforderung zwölf Monate in Rückstand sind. Jedoch ist der Vorstand befugt, diese Rückstände zu stunden oder ganz zu erlassen und die fernere Mitgliedschaft zu gewähren.
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§ 12. Ausgeschiedene oder ausgeschlossene Mitglieder haben weder an dem Vermögen des Vereins noch an den von ihnen gezahlten Beiträgen oder Schenkungen irgendwelchen Anteil oder sonstigen Anspruch. III. Verwaltung. A. Verwaltungsper sonal. § 13. Der Verein wählt in der Hauptversammlung eine aus 18 Mitgliedern bestehende Kommission (die 18er Kommission), deren Befugnisse in den §§ 14, 17, 19, 24, 25, 26 angegeben sind. Die Kommission wählt den Vorstand, welcher den Verein nach außen vertritt. Der Vorstand besteht aus: einem Vorsitzenden, einem Schriftführer, einem Schatzmeister. Zur Gültigkeit von Urkunden genügen die beiden Unterschriften des Vorsitzenden und entweder des Schriftführers oder des Schatzmeisters. Im Falle der Verhinderung tritt für den Verhinderten dessen Stellvertreter ein. Stellvertreter der Vorstandsmitglieder werden ebenfalls von der 18er Kommission gewählt. § 14. Zur Verwaltung der Synagoge erwählt der Vorstand in Gemeinschaft mit der Kommission für die Dauer seiner eigenen Amtstätigkeit zwei Synagogen-Vorsteher, die an Beratungen und Beschlüssen ihres Ressorts teilnehmen. § 15. Vorstand und Kommission sind in Anwesenheit von mehr als der Hälfte ihrer Mitglieder beschlußfähig. Beschlüsse werden mit einfacher Stimmenmehrheit gefaßt. Bei Stimmengleichheit entscheidet der Vorsitzende. Der Vorsitzende oder sein Vertreter hat zu allen Sitzungen die Kollegen des Vorstandes resp. der Kommission schriftlich unter Angabe der Tagesordnung einzuladen. § 16. Ist die Kommission nicht beschlußfähig, so entscheiden in der nächstfolgenden Sitzung die anwesenden Mitglieder unbedingt über die in der vorhergegangenen Versammlung eingebrachten Anträge nach Majorität. Sämtliche Beschlüsse müssen in ein Protokollbuch eingetragen und das Protokoll von dem Vorsitzenden und mindestens noch zwei der anwesenden Mitglieder der Kommission unterzeichnet werden.
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§ 17. Die Kommission berät und beschließt in gemeinschaftlichen Sitzungen mit dem Vorstande. § 18. Die Amtszeit des Vorstandes dauert drei Jahre, die der Kommission sechs Jahre. Jedoch scheidet von dieser je nach drei Jahren die Hälfte nach Maßgabe ihrer Amtsdauer aus. Die Ausscheidenden sind wieder wählbar. § 19. Die Wahl der 18er Kommission erfolgt durch die Hauptversammlung mittels Stimmzettel. Der Vorstand ernennt in der Hauptversammlung ein aus drei anwesenden Mitgliedern bestehendes Komitee zur Prüfung der Stimmzettel und endgültigen Feststellung des Wahlresultats. § 20. Die Neugewählten haben sich binnen 14 Tagen nach erfolgter Benachrichtigung über die Annahme der Wahl zu erklären, widrigenfalls diese als abgelehnt zu betrachten ist. Bis zur Einführung der neuen Kollegen, welche spätestens 6 Wochen nach der Wahl erfolgen muß, bleiben die Ausscheidenden im Amte. § 21. Falls ein Mitglied des Kollegiums die auf ihn gefallene Wahl nicht angenommen hat, oder ein Amt vakant wird, vollzieht die Kommission in Gemeinschaft mit dem Vorstand eine Ersatzwahl für die Amtsdauer, bezüglich deren Ersatz stattfinden soll. Jede Wahl erfolgt nach einfacher Stimmenmehrheit, bei Stimmengleichheit entscheidet das Los, das durch die Hand des beim Wahlakt Vorsitzenden gezogen wird. Ist die Wahl innerhalb eines Kollegiums auf Vater und Sohn oder Bruder gefallen, so gilt nur der für gewählt, der die meisten Stimmen hat, bei Stimmengleichheit der ältere. § 22. Die Wahl sämtlicher Beamten erfolgt durch den Vorstand und die Kommission. Niemand darf zum Lehrer für talmudische Fächer berufen werden, der nicht im Besitz zweier rabbinischer Diplome התרת הוראהvon gesetzestreu lebenden Rabbinern ist, von denen mindestens einer anerkannte Autorität sein soll. B. Ver mögensverwaltung. § 23. Das bisher gesammelte Vermögen des Vereins bildet einen eisernen Fond. In denselben fließen ferner: a. Legate und Geschenke, die ausdrücklich dafür bestimmt sind. 789
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b. Legate und Geschenke von 300 M. und darüber, insofern nicht vom Geber eine andere Verfügung getroffen ist. c. die Beiträge zur Erwerbung der ewigen Mitgliedschaft. § 24. Neben dem eisernen Fond wird ein Reservefond zur Bestreitung außerordentlicher, aus den regelmäßigen Einnahmen des Vereins nicht zu deckender Ausgaben gebildet. Derselbe wird mit 450 M. fundiert, ferner fließen in denselben: a. alle Geschenke und Legate, die ausdrücklich dafür bestimmt sind, b. alle Geschenke unter 300 M., sofern nicht vom Geber eine andere Verfügung getroffen ist. c. der jährliche Ueberschuß der Kasse, nach Abzug von 600 M., die derselben verbleiben. Zur Verwendung von Geldern aus dem Reservefond ist außer dem Beschluß des Vorstandes die Zustimmung der Kommission erforderlich. Die zinsbare Anlegung des Reservefonds erfolgt nach denselben Grundsätzen wie die des eisernen Fonds. (s. § 25.) § 25. Ueber außerordentliche Ausgaben von mehr als 150 M. hat der Vorstand in Gemeinschaft mit der Kommission zu beschließen. Ueber Verwendung von Kapitalien des eisernen Fonds steht nur der Hauptversammlung ein Beschluß zu. Die Kapitalien des Beth-Hamidrasch sollen in mündelsicheren Effekten, Hypotheken oder Grundstücken angelegt sein. Die Effekten- und Hypotheken-Dokumente sollen bei der Reichsbank, der Deutschen Bank oder der Direktion der Diskonto-Gesellschaft hinterlegt werden. Barbestände, die für die laufende Verwaltung erforderlich sind, sind von einer der obengenannten Banken zinstragend zu verwalten. § 26. Die Prüfung des Vermögens und der Kasse erfolgt jährlich einmal durch einen aus der Mitte der Kommission zu wählenden Prüfungsausschuß von 3 Mitgliedern. Etwaige Monita sind der Kommission zur Beschlußfassung vorzulegen. § 27. Alle älteren, gegen Testatoren und Geschenkgeber übernommene Verpflichtungen, soweit sie durch Urkunden, insbesondere durch Vorstands-Protokolle anerkannt sind, sind unabhängig von den Statuten ohne Einschränkung zu erfüllen. IV. Mitglieder-Ver sammlung. § 28. In den ersten vier Monaten des Kalenderjahres findet die ordentliche Hauptversammlung statt. Zu dieser hat der Vorstand mindestens 14 Tage vorher die Mitglieder unter 790
Beth Hamidrasch („Haus des Lernens“)
Angabe der Tagesordnung, und wenn Wahlen stattfinden, unter Zusendung von einem Mitglieder-Verzeichnisse schriftlich zu laden. Zeit und Ort der Hauptversammlung sind ferner in einer in Berlin erscheinenden jüdischen und einer berlinischen Tages-Zeitung durch den Vorstand bekannt zu geben. Letzteres genügt zur Gültigkeit der Einberufung, wenn die Veröffentlichung mindestens 3 Tage vor dem Tage der Versammlung erfolgt. ist. Anträge, welche in der Hauptversammlung zur Beratung kommen sollen, müssen von mindestens 20 Mitgliedern unterzeichnet und mindestens acht Tage vor der Hauptversammlung dem Vorstande eingereicht werden. § 29. Gegenstände der Beratung und Beschlußfassung der Hauptversammlung sind: a. der Jahresbericht. b. der Rechenschaftsbericht des Schatzmeisters und der Bericht des Prüfungsausschusses, c. Wahlen der 18er Kommission, d. Anträge. § 30. Die Beschlüsse der Hauptversammlung werden mit einfacher Mehrheit gefaßt. Bei Stimmengleichheit entscheidet der Vorsitzende. Zur Abänderung der Satzungen, Verwendung des eisernen Fonds und Auflösung ist die Anwesenheit von mindestens ¼ aller beschlußfähigen Mitglieder und eine Mehrheit von ¾ der abgegebenen Stimmen erforderlich. § 31. Eine außerordentliche Hauptversammlung ist einzuberufen: a. auf den Antrag von mindestens ¼ der Mitglieder, b. auf Beschluß des Vorstandes. Für dieselbe gelten die Bestimmungen über die ordentliche Hauptversammlung. § 32. Die Beschlüsse der Mitgliederversammlung sind schriftlich aufzuzeichnen und vom Vorsitzenden und Schriftführer zu unterschreiben. § 33. Im Falle der Auflösung des Vereins ist das Vermögen einem gleichen Zwecke zuzuführen. Berlin, den 31. März 1912. Der Vor stand des Beth-Hamidrasch. Salli Brilles Dr. L. Caro Direktor S. J. Leszynsky 791
Vereine in der jüdischen Gemeinde
Der Achtzehner-Ausschuss des Beth-Hamidrasch. M. Altmann S. Loewenthal Geh. reg.-R. Prof. Dr. Barth Caspar Markwald Sam. Engel M. Merzbach Rabbiner Dr. Eschelbacher Abraham Meyer Raphael Gradenwitz J. Plachta J. Hamburger H. Pollak M. Hirsch Sanitätsrat Dr. J. Preuß Eli Lazarus A. Seegal J. Lindenberger Felix Struck Als Synagogen-Vorsteher fungieren die Herren: M. Hirsch. J. Lindenberger. Es wird hiermit bescheinigt, daß vorstehend benannter Verein am 6.11.1912 unter Nr. 1532 in das Vereinsregister des unterzeichneten Gerichts eingetragen worden ist. Berlin, den 6.11.1912. Königliches Amtsger icht Berlin-Mitte Abt. 167. gez.: Riefenstahl. Quelle: Satzung des Beth-Hamidrasch zu Berlin. (Eingetragener Verein). Berlin 1913 (Separatdruck; Satzung: S. 21–30).
Heiratsgesellschaft Plan und Einrichtung einer Heiratsgesellschaft, 1776 Plan und Einr ichtung einer Heiratsgesellschaft, welche im Beg inn des Jahres 5537 [= Herbst 1776] ihren Anf ang nehmen soll Es verbinden sich eine Anzahl Hausväter unserer Gemeinde in Kraft ihrer Unterschrift sich einander die Last und schweren Ausgaben bei der Aussteuer und Verheiratung ihrer Töchter zu erleichtern, und so oft einer von ihnen das Glück hat, eine Tochter zu 1 Anmerkung im Druck: Der nachfolgende Abdruck wurde zuerst von Rabbiner Dr. Meyer Kayserling – geb. Hannover 1829, seit 1870 Oberrabbiner in Budapest, gest. daselbst 1905 – im Anhang der 1. Auflage seiner Leipzig 1862 im Verlage von Hermann Mendelssohn erschienenen Biographie Moses Mendelssohns veröffentlicht. Dies geschah offenbar in der Annahme, daß dieser Plan 792
Heiratsgesellschaft
verheiraten, ihn durch einen zu bestimmenden Beitrag gemeinschaftlich zu unterstützen. Um nun diesen Beitrag auf eine leichte und sichere Art zu leisten, wird Folgendes festgesetzt: 1 Sollte ein jedes Mitglied jedes Mal, daß ein Mitinteressente das Glück hat, eine Tochter auszugeben, einen Beitrag, der nicht weniger als 16 Groschen und nicht mehr als einen Reichsthaler in Courant sein soll, wie unten Artikel 13 hierüber das Nähere bestimmt und festgelegt werden wird, [leisten]. 2 Damit die Gesellschaft einen Vorstand habe, die erste vorfallende Auszahlung ohne Zeitverlust bestreiten zu können, so zahlt jedes Mitglied, sobald die Gesellschaft zustande kömmt, einen Reichsthaler zum Antrittsgeld. Diese Antrittsgelder sollen
3 sobald eine Summe von zweihundert Reichsthaler beisammen sein wird, dergestalt sicher ausgethan werden, daß auf Erfordern die benötigte Summe sogleich ausgezahlt werden könne. Damit aber 4 dieses alles in gehöriger Ordnung und mit zuverlässiger Sicherheit der Theilhaber gehandelt werden möge, so übernehmen vorderhand die ersten fünf Mitglieder der Gesellschaft, deren Namen unten genannt sind, als Vorsteher die Direktion und machen sich anheischig, alles der Vorschrift gemäß zu besorgen, welche daher auch vorjetzt, so lange die Gesellschaft noch nicht geschlossen ist, sich die Befugnis vorbehalten, die sich zu dieser Gesellschaft meldende[n] Personen entweder anzunehmen oder abzuweisen. Sobald aber die Gesellschaft geschlossen sein wird, müssen sie mit zehn Mitgliedern, die durchs Los gezogen werden, über wichtige Vorgänge deliberiren und mit Stimmenmehrheit beschließen. auf die Initiative Mendelssohns zurückging. In der 2. Auflage des Kayserlingschen Werkes, 1888, erschien dieser „Plan“ nicht mehr. Aber Moritz Steinschneider, der Meister der hebräischen Bibliographie, nimmt auch noch an, daß Moses Mendelssohn „ohne Zweifel“ Verfasser des Planes der Heiratsgesellschaft war (vgl. ZGJD, Bd. V, Braunschweig 1892, S. 164), den man nach Prof. Bernhard Weinryb als einen Versuch praktischer Mittelstandshilfe ansehen könnte (siehe Jüdische Wohlfahrtspflege und Sozialpolitik, IV, N. F. 1933/34). – Dem vorliegenden Abdruck liegt das seltene Exemplar der Stadt- u. Universitätsbibliothek Frankfurt am Main – Jüd. Gem. 765 – zugrunde. Es enthält auch die handschriftlichen Zusätze, die Kayserling bei seiner Publikation fortgelassen hatte, die aber im Rahmen der gesamten vorliegenden Publikation sehr wohl ihren Platz verdienen. 793
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5 Sollte einer oder mehrere dieser Vorsteher abgehen, so wählen die noch übrigen Vorsteher mit Stimmenmehrheit andere tüchtige Subjekte von den Mitgliedern an deren Stelle und haben sie hierbei besonders dahin zu sehen, daß vorzüglich wahrheitsliebende und gottesfürchtige Männer dazu erwählt werden, welche das Zutrauen der Gesellschaft verdienen. Diese Wahl ist den Vorstehern um so mehr zu überlassen, da sie unentgeltlich wegen richtige[r] Berechnung der Einnahme und Ausgabe in solidum haften müssen. 6 Ein jeder Vorsteher muß dieses Amt wenigstens ein Jahr übernehmen, bevor er um dessen Entledigung antragen kann. 7 Einer dieser Vorsteher, nämlich der sehr geehrte Herr Eisik Dessau [= Isaac Benjamin Wulff ] übernimmt für dieses Mal die Einnahme und Ausgabe und sorgt dafür, daß das Gelt [!] sicher untergebracht wird. Wenn eine Tochter ausgestattet werden soll, so besorgt er den Beitrag von den Interessenten und die Auszahlung an denjenigen, der solchen haben soll; weshalb diejenigen Mitglieder, die ihre Töchter wirklich verlobt haben werden und im Laufe des Jahres Mitgift geben sollen, es im Beginn des Jahres den Vorstehern zu melden haben, die ihnen das Erforderliche besorgen. Und bekömmt der Vater der Braut sogleich eine von den Vorstehern unterschriebene Anweisung gegen welcher ihm acht Tage vor der Hochzeit die fixierte Summe ausgezahlt werden soll. 8 Wenn jemand zehn Jahr kontribuirt hat und sich nicht imstande findet, den Beitrag fortzusetzen, so soll ihm solcher auf die Hälfte heruntergesetzt und nach Befinden ganz erlassen werden, ohne daß deshalb seine Benefiz aufhören soll. 9 Ein jedes Mitglied, welches in diese Gesellschaft aufgenommen wird, empfängt ein Buch, auf dessen ersten Blatt die sämtlichen Vorsteher und im Namen aller der vorgenannte Herr Eisik [= Isaac Benjamin Wulff ] schriftlich attestirt, daß der Inhaber zum Besten einer von ihm mit Namen anzuzeigenden Jungfrau von den Töchtern unserer Gemeinde in die Gesellschaft getreten, einen Reichsthaler zum Eintrittsgeld und 2 Groschen bei Empfang des Buches zu allerhand nötige Ausgaben, als Drucker, BuchbinderLohn und dergleichen erlegt habe. In dieses Buch wird auch der jedesmalige Beitrag von einem der Vorsteher attestirt. Und da es nötig,
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Heiratsgesellschaft
10 daß diese Gesellschaft einen Schammasch [= Boten] habe, so soll solcher von den Vorstehern angenommen, und von den eingehenden Interessen nach Billigkeit bezahlt werden. 11 Der Beitrag der sich hierbei interessirten Mitglieder geschieht am Sonntag und am Mittwoch nachmittags von 2 bis 4 Uhr nach jedesmaliger Ankündigung zu Händen des vorgemerkten Herrn Eisik [= Isaac Benjamin Wulff ], welcher die Einnahme hat, und müssen die Bücher von den Interessenten mit eingeschickt werden, damit dieser den Empfang attestiren kann. 12 Daferne aber ein Mitglied in Entrichtung seines jedesmaligen Beitrages nachlässig sein möchte, so soll solcher zwar einmal umsonst durch den Boten erinnert werden, und wenn er nach Verfließung [von] acht Tagen mit seinem Beitrag noch zurückbleibt, so soll solcher zum letzten Mal gegen Bezahlung [von] 2 Groschen an den Boten erinnert werden. Und wenn er dieser Erinnerung ungeachtet mit seinem Beitrag aufs höchste noch acht Tage zurückbleibt, so verliert solches Mitglied sein Recht an diese Gesellschaft, geht seines Beitrags bis dahin verlustig und wird nicht anders angesehen, als wenn er niemals zur Gesellschaft gehört hätte. 13 Die Anzahl der Mitglieder [ist] vorderhand auf dreihundert und der jedesmalige Beitrag auf sechszehn Gute Groschen in Courant festgesetzt, damit jedes Mitglied bei Verheiratung einer Tochter, seinen eigenen Beitrag mit eingerechnet, die Summe von 200 Reichsthalern zu genießen habe. Sollten sich nur zweihundert oder weniger Mitglieder melden, so wird der Beitrag auf einen Reichsthaler festzusetzen sein, welches den Mitgliedern um so weniger lästig werden kann, da in diesem Falle nach Verhältnis auch weniger Heiraten vorfallen können. Es versteht sich aber von selbst, daß im Falle die Anzahl der 200 Mitglieder nicht beisammen ist keinem Teilhaber ein Mehreres gereicht werden kann, als von den wirklichen Mitgliedern à 1 Rtl. zusammen gebracht wird. Ist die Anzahl zwischen 200 und 300, so wird der Beitrag von den Vorstehern pro rata zu 18, 20 oder 22 Groschen ausgeschrieben und zum Heiratsgeld gegeben. 14 Da man zu Gunsten der Mitglieder unserer auf Gottes Hilfe vertrauenden Gemeinde diese Gesellschaft zur Wirklichkeit zu bringen gedenkt, so wird man sich zur Aufnahme der Mitglieder ohne Unterschied und Ausschließung, mögen es wenig Bemittelte oder Reiche sein, bis zum Anfang des Monats Tebeth 537 [= 20.12.1776] willig finden lassen, und können auch Witwen für ihre Töchter und Waisen für sich selbst 795
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mit eintreten, jedoch müssen die Töchter hiesige Stadtkinder sein. Es wird auch bei der ersten Aufnahme auf keinen Unterschied des Alters gesehen, nur werden wirkliche Bräute hiervon ausgeschlossen. Von dem erwähnten Beginn des Monats Tebeth [= 20.12.1776] an wird keine Aufnahme für eine Tochter angenommen, die über 10 Jahre alt ist, jedoch hat derjenige welcher vor dem erwähnten Beginn des Monats Tebeth eingetretn [!], den Vorzug, daß er nach Verheiratung seiner ältesten Tochter allsofort für eine der folgenden eintreten kann, wenn sie nicht über achtzehn Jahre alt ist, worüber er sich bei Empfang des Heiratsgeldes zu erklären und bei dem Vorsteher die nötige Anzeige zu tun hat. 15 Wenn aber leider ein Mitglied mit Tode abgeht, so hat diejenige Tochter, welche der Vater dazu ernennt hat, bei ihrer Verheiratung den Beitrag zu genießen, wenn sie gleich nach dem Tode ihres Vaters nicht kontinuiren kann. Jedoch dependirt es von der Disposition des Verstorbenen, ob der Beitrag nicht sofort nach seinem Tode seiner Witwe und seinen Waisen zum Lebensunterhalt gegeben werden soll. Wenn aber die von dem Vater ernennte Tochter, sei es bei seinen Lebzeiten oder nach seinem Tode unverheiratet mit Tode abgehen sollte, so fällt das Benefiz auf die nächste folgende Tochter und im Falle er keine mehr hat, so cessirt solches völlig, wenn sie zu Lebzeiten ihres Vaters verstorben. Ist sie aber nach dem Tode ihres Vaters ihm unverheiratet gefolgt, so verbleibt das Benefiz seinen Waisen oder seiner Witwe, wenn er keine Kinder hinterlassen hat. Zu mehrere[r] Beglaubigung ist die in fünfzehn Punkten verfaßte Einrichtung der etablirten Heirats-Gesellschaft von denen zeitigen fünf Vorstehern eigenhändig unterschrieben. Berlin, Anfang des Monats Elul 536 [= 16.8.1776] Quelle: Jüdische Trauungen in Berlin 1759–1813. Mit Ergänzungen für die Jahre von 1723 bis 1759. Bearbeitet und herausgegeben von Jacob Jacobson. Mit einem Geleitwort von Hans Herzfeld. Berlin 1968, Dok. 1, S. 619–625.
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Chevrat Chinuch Ne’arim (Gesellschaft für Knabenerziehung)
Chevrat Chinuch Ne’arim (Gesellschaft für Knabenerziehung) I) Nachricht von dem gegenwärtigen Zustand, bisherigen Fortgang, und eigentlichen Endzweck der Freischule (Chevrat Chinuch Ne’arim) zu Berlin; wie auch Erklärung des Instituts, unter welchen Bedingungen es gesinnt sei, von ihrem ersten Plan abzugehen, und den Unterricht ausgebreiteter und nützlicher zu machen, 1783 Seit dem 26. April 1781, da unser Joseph Bielfeld, Lesser Beschütz, und Lesser Krotoschin [Joseph Lesser], verschiedene Lehrämter in dem Institut übernommen, und damit die Aufsicht über die Freyschule überhaupt, unter unsrer Haupt Direktion vereinigen, ist bei der ansehnlichen Anzahl der Lehrlinge, die sich zur Zeit auf drei und siebenzig erstreckt, nicht allein für Unterricht in mehreren nützlichen Kenntnissen, als zum Beispiel: in Grammatik der deutschen Sprache, in Geographie, im Zeichnen, und so weiter, gesorgt worden; sondern wir haben uns gemeinschaftlich bemüht, den Unterricht überhaupt ordentlicher und fasslicher einzurichten, auch die Lehrbegierde der Kinder durch Nacheifer zu beleben und zu unterhalten. Beides ist uns Lob dem Herrn gelungen, und der augenscheinliche Fortschritt, den wir bei den Zöglingen zu bemerken das Vergnügen haben, so wie der Beifall aufgeklärter und redlicher Männer, hat uns unsre Mühe und Arbeit hinlänglich vergolten. Bey allen diesen Verbesserungen, die wir bisher vorgenommen, haben wir niemals das Ziel aus den Augen gelassen, das wir uns bei Stiftung dieser Schule gesetzt, und vorerst zu erreichen gesucht haben. Wir haben nämlich uns bisher noch nicht vornehmen können, die völlige Erziehung der Kinder zu dirigieren, als wozu uns die Fonds, die Zeit, und die Kräfte vor der Hand fehlen; sondern wir haben uns eingeschränkt: Bloß die Kenntnisse die ein jedes Kind bisher in Nebenstunden in seinem väterlichen Hause zu erlernen pflegte, methodischer, fasslicher, und gründlicher in unsrer Schule lehren zu lassen, und den Unterricht in demselben, zum Teil ganz unentgeltlich, zum Teil weniger kostbar zu machen. Wir haben uns aus dieser Ursache, niemals mit Talmud Tora, Gottesfurcht und Sittlichkeit, befassen können und wollen. Diesen weit wichtigeren Teil der Erziehung haben wir völlig den Eltern und Vorstehern der Kinder, wie auch dem Institut Talmud Tora überlassen; und wir wiederholen nochmals, dass unser Endzweck kein andrer gewesen, noch jetzo ist: als die Kinder in den Nebenstunden auf eine lehrreichere Art als bisher geschehen, zu beschäftigen. Diesen Grundsätzen zu Folge, sehen wir zwar sehr darauf, dass die Kinder in ihren Lehrstunden, so lange sie bei uns in der Freischule sind, sich der Ordnung und Sittlichkeit befleißen, aber so bald sie solche verlassen, kann und soll uns ihre Aufführung nicht mehr obliegen; sondern wir überlassen solche der Fürsorge und der Aufmerksamkeit jedes Hausvaters oder Vorgesetzten, der das Hauptgeschäft der Erziehung des Kindes zu besorgen hat. 797
Vereine in der jüdischen Gemeinde
Bei dieser Gelegenheit finden die Unterzeichnenden für nötig öffentlich bekannt zu machen, dass sie kein Kind, weder ein Einheimisches noch ein Auswärtiges, in die Freischule aufnehmen, auf dessen gute Aufführung außer den Lehrstunden, nicht entweder die Eltern oder sonst ein angesehner Mann die Aufsicht übernimmt, weil wir unsrerseits diese nicht übernehmen können, solange unsre Absicht bei der jetzigen Einschränkung bleiben muss, mittlerweile aber doch auch kein zuchtloses Kind gern in unsrer Schule hegen, und dadurch der Unschuld, böses Exempel, und dem Institut selbst, üble Nachrede zu Wege bringen können. Sollten aber, wie es verlauten will, sich bemittelte Mitglieder unsrer Gemeinde zu Berlin finden, denen unser Institut und unsre Ordnung, dermaßen gefällt, dass sie gesinnt sind, dem Institut Kapitalien zu einem Fond zu schenken, damit unser Schulunterricht größeren und ausgebreiteteren Nutzen haben könne; so sind wir nicht abgeneigt ihrem Verlangen zu willfahren. In diesem Fall, wenn uns diese Männer, Fähigkeit, guten Willen, und redliche Absichten zutrauen, sind wir bereit, das ganze Erziehungsgeschäft zu übernehmen, und unsre Sorgfalt auch auf das Studium von Tora, Gottesfurcht und Sittlichkeit auszudehnen. Zu dem Ende, machen wir ihnen den Vorschlag, dass wenn entweder die geschenkten Kapitalien hinreichend sein sollten, die weiterhin genannten erforderlichen Lehrer zu besolden, dass also der Unterricht unentgeltlich geleistet werden kann! Oder wenn sich vor der Hand eine Anzahl von zehn Hausvätern finden sollte, die binnen dato und vier Wochen sich willig finden lassen, über das Honorarius, (welches nach einem wahrscheinlich gemachten Überschlag etwa zwanzig bis höchstens dreißig Reichstaler für den Unterricht eines Kindes sein dürfte) mit uns sich zu verstehen, wir sofort mit Gottes Hilfe am 3. Mai 1783 mit diesem neuen Unterricht den Anfang machen lassen wollen. Wir bestimmen alsdann dazu, die Elementarschule Chinuch Ne’arim [die Freischule] in der Spandauer Straße, wo diese Kinder den ganzen Vormittag unter guter Aufsicht stehen und guten Unterricht genießen sollen: Und zwar (1) In den Religionsgesetzen des Talmud oder dem Sefer ha-Halachot des Isaac Alfasi; in den Sammlungen rabbinischer Entscheidungen, nämlich: Maimonides und Schulchan aruch, nach einer in unsren Händen befindlichen schriftlichen, und vom Ober-Rabbiner und höchsten Richter unserer Gemeinde approbierten Methode. Dieses Studium soll 2 ½, auch 3 Stunden dauern, je nachdem man es näher überlegt haben wird. (2) Der übrige Teil der Zeit, soll dem Unterricht von der fünf Bücher Moses, der Propheten und Schriften, alles mit Approbation des oben erwähnten Oberrabbiners, gewidmet sein. Alle halbe Jahr soll öffentliches Examen gehalten werden, der oben erwähnte Oberrabbiner wird die Gefälligkeit haben, dabei zu präsidieren, und wir werden nicht unterlassen, dessen Erinnerung auf die Zukunft jedes mal zu benutzen. Wir werden uns nicht verdrießen lassen, darüber die Oberaufsicht zu führen, und dafür Sorge zu tragen, dass der gute Rat des oben erwähnten Oberrabbiners, so wie eines jeden wohlmeinenden Kinderfreundes bestmöglichst befolgt werde. 798
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Ist es nach diesem Vorschlag, unsern wohltätigen und reichen Männern ein Ernst, der Erziehung überhaupt, durch Schenkung ansehnlicher Kapitalien, einen ersprießlichen, und für die ganze Nachwelt fortdauernden Nutzen zu verschaffen, so erwarten wir je eher je lieber tätige Beweise ihrer Großmut. Sie belieben alsdann ihre Geschenke an unsere Hauptkassierer Benjamin Daniel Itzig oder Jacob Isaac Wulff gegen Quittung gelangen zu lassen. Auch werden wir die anberaumte Zeit von vier Wochen abwarten, um zu erfahren, ob es etwa einzelnen Hausvätern ein Ernst sei, die Erziehung ihrer Kinder nach dem vorgeschlagenen Plan, unsrer Aufsicht zu überlassen. Wir können nur mit Zuversicht versichern, dass wir die angetrauten Güter so verwalten werden, dass keiner sich zu beschweren Ursache haben soll, indem unsre einzige und Hauptabsicht sein wird, sie so zu wenden, dass reine Gottesfurcht und echte Gelehrsamkeit unter unsren Nebenmenschen verbreitet wird. Auch sind wir ehrerbietig, die Berechnung der Ausgaben und Einnahmen, wie bei öffentlichen Stiftungen üblich, durch den Druck bekannt zu machen. Berlin, Mittwoch den 19. Februar 1783 Die Direktion des Instituts Chinuch Ne’arim zu Berlin Isaac Daniel Itzig, David Friedländer Quelle: Chevrat Chinuch Nearim. Die jüdische Freischule in Berlin (1778–1825) im Umfeld preußischer Bildungspolitik und jüdischer Kultusreform. Eine Quellensammlung. Hg. von Ingrid Lohmann, mitherausgegeben von Uta Lohmann, unter Mitarbeit von Britta L. Behm, Peter Dietrich und Christian Bahnsen. Teil 1: Münster, New York, München, Berlin 2001, Dok. 49, S. 206–208 (Jüdische Bildungsgeschichte in Deutschland 1). – Transkribiert aus dem Jüdisch-Deutschen von Uta Lohmann. (Übersetzungen aus dem Hebräischen und Übertragungen jüdischer Daten sind kursiv gesetzt.)
II) Gesetze für die Schüler der jüdischen Freischule, Dezember 1796 Erneuerte Gesetze für die Lehrlinge der jüdischen Freyschule zu Berlin. 1. Die Lehrstunden werden Nachmittags von 2 bis 7 gehalten, in welchen im Schreiben, Rechnen, Buchhalten, Zeichnen, Lesen, deutscher und französischer Sprache, auch Geographie Unterricht gegeben wird. 2. Die Lehrlinge müssen die Lehrstunden fleißig und unausgesetzt besuchen, und geschieht es, daß jemand 3 mal hintereinander, oder auch nur in derselben Woche ohne hinlängliche Ursache ausbleibt: so wird dieses den Eltern oder Vorgesetzten angezeiget, und der Lehrling verliert bei Wiederholung dieser Nachläßigkeit den Unterricht, dessen er sich unwürdig gemacht. 3. Jeder Lehrling, der an dieser oder jener Stunde Theil nimmt, muß sich gleich im Anfange derselben einfinden; bleibt er eine viertel Stunde aus, so wird er für dieses Mal gar nicht zugelassen, läßt er sich dieses Versehen noch einmal zu Schulden kommen, so gilt die Strafe des 2ten. 799
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4. Ein jeder Lehrling muß sich der Reinlichkeit, so wohl in seinen Kleidern, sie mögen übrigens neu oder alt sein, als in Ansehung seines Körpers, des Kopfes, der Hände und dergleichen befleißigen, welches er so wohl den Lehrern, als den Mitschülern schuldig ist, und übrigens still bescheiden auf und ab gehen, Lehrern und Vorgesetzten in allen folgsam und gehorsam seyn. 5. Aus eben diesem Grunde darf niemand während des Unterrichts weder mit seinem Nachbarn plaudern, noch essen, noch überhaupt etwas von dem thun, was ihn oder die andern Schüler in der Aufmerksamkeit stört, welche sie dem Unterricht widmen müssen. In jedem Uebertretungs-Fall wird so gleich eine verhältnißmäßige Strafe, und bei fortdauerndem Ungehorsam die gänzliche Verweisung aus der Schule erfolgen. 6. Jedem jüdischen Feyer und Fasttage, worunter auch Neumonde begriffen sind, bleibt die Schule geschlossen, und dieses sind alsdenn die Ferien, so wie diese in allen übrigen Schulen üblich sind. 7. Damit die Lehrlinge Gelegenheit erhalten, die Fortschritte, welche sie in den Wissenschaften gemacht haben, zu zeigen, und durch die Ehre, welche ihnen dafür zu Theil wird, eine Aufmunterung für die Zukunft zu haben, so sollen jährlich zwei Privat, und Eine öffentliche Prüfung gehalten werden. Das Privat-Examen geschiehet in Gegenwart der Direction und der Lehrer, und zwar Ende des Monaths Adars und Ende ” ” Eluls Das öffentliche aber wird einige Tage nach dem Privatexamen zu Ende Adars vorgenommen. Außer der Ehre, welche die fleißigen unter den Lehrlingen erwartet, sollen sie auch noch anderweitig belohnet werden; besonders durch die besten Zeugnisse, durch Empfehlungen, welche zu ihrem Fortkommen in der Welt beitragen, u. s. w. Jedoch wird hiebey nicht auf die erworbenen Kenntnisse allein, sondern auch sehr auf das sittliche Betragen in der Schule Rücksicht genommen, und soll das zuertheilende Lob darnach eingerichtet werden. 8. Bey dem geringen Beytrag, welchen die vermögendere Zöglinge zur Unterhaltung der Schule zu leisten haben, darf man wohl verlangen, daß er gehörig und zu rechten Zeit abgeliefert werde. Wenn daher die Quitung darüber dem Lehrer nicht am Tage nach Verlauf eines Monaths vorgezeiget werden kann, so muß der Schüler bis zur Beybringung derselben wegbleiben, und wenn diese sich bis zum 14ten verzögert, so ist er aus dem Register der Lehrlinge gestrichen. Die monathlichen Beyträge erstrecken sich auf jeden Monath im Jahre, es mögen in demselben Feyer oder Fasttage gewesen seyn, und die Strafe im ausbleibenden Falle, bleibt immer dieselbe. Berlin den 1sten December 1796 Direction der jüdischen Freyschule I[saac] D[aniel] Itzig. Quelle: Chevrat Chinuch Nearim, a. a. O., Dok. 108, S. 336.
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III) Nachricht von dem gegenwärtigen Zustande der jüdischen Freischule in Berlin, 1803 Fünf und zwanzig Jahre sind nunmehr verflossen, seitdem eine Anzahl wohldenkender Menschen unter unsern Glaubensgenossen den ersten Grund zu einer Anstalt gelegt hat, deren Stiftung in den Annalen der Aufklärung eine nicht unbedeutende Epoche macht. Unter günstigen und ungünstigen Umständen ist sie bisher im Stillen ihren ruhigen Gang fortgeschritten. Mit frohem Bewußtseyn stellt sie sich in die Reihen ihrer Mitschwestern, auf eine sehr beträchtliche Anzahl von Zöglingen hinweisend, die ihr Unterricht und Bildung verdanken. Ja, sie darf kühn behaupten, daß wohl nicht leicht ein von unsern Glaubensgenossen bewohnter Ort sich finden wird, der ihr nicht einen oder den andern von den Männern verdankt, auf deren Besitz er mit Recht selbstzufrieden hinblickt; und wenn anders unsre Glaubensgenossen jetzt wirklich auf einer Stufe der Cultur stehen, die sie über unsre Voreltern aus der ersten Hälfte des verflossenen Jahrhunderts erhebet: so darf unsre Anstalt, ohne den Vorwurf einer eiteln Prahlerei zu befürchten, es laut sagen, daß auch sie in dem großen Triebwerke der Vorsehung ein kräftig wirkendes Rad gewesen sei, und noch ist. Heil den edeldenkenden Männern, durch deren menschenfreundliche Unterstützung sie das, was sie geleistet hat, hat leisten können! Heil und Dank den noch Lebenden! Heil und Dank dem Andenken der schon Verstorbenen! Denn ach! Auch uns hat der alles hinraffende Tod so manchen Freund, so manchen Beförderer geraubt. Mit Trauer stehen wir an deinem Grabe, großer Lehrer und hohes Vorbild, unsterblicher Mendelssohn, der Du unsre Wiegenjahre gepflegt, und unsre kindlichen Tritte geleitet hast! Mit gerührtem Herzen trauern wir an dem Deinigen, unvergeßlicher Daniel Itzig, der du so viele Jahre hindurch mit milder, freigebiger Hand Oel in die Flamme gegossen, die Deinen von Dir so geliebten Mitbrüdern Wärme und Licht geben sollte! Nach Euch allen sehnt sich unser dankbarer Blick, die ihr während Eures Lebens diese Anstalt zu einem Felde gewählt habt, auf dem ihr den Saamen des Guten auszustreuen getrachtet! Nach Euch allen, die ihr sie mit Euren Kenntnissen, dem Opfer Eurer Zeit, Eurer Erfahrung und Eures Vermögens unterstützt habt! So manche trübe Wolke hat seit Eurem Hintritt unsern sonst so heitern Himmel verdunkelt. Mißgeschick, Irrthum, Neid und Mißgunst haben seitdem unsre Thätigkeit nicht so viel wirken lassen, als sie nach Euren Zwecken vielleicht hätte wirken sollen. Aber noch leben der Edeln im Volke viele; noch erfreuen wir uns der Unterstützung so manches Menschen- und Jugendfreundes; noch ist unsre eigne Kraft und unser eigner Wille nicht erstorben. Wir thun was wir nach unserm Vermögen thun können, und nur wenig bedarf es vielleicht, um unsre Anstalt auf einen Gipfel der Vollkommenheit zu erheben, auf dem sie, wie die dem Zahne der Zeit trotzende Eiche, eine späte Nachwelt noch beschatten kann. Wir glauben uns nicht zu irren, wenn wir den Mangel der Theilnahme, der uns leider seit einiger Zeit betroffen hat, mehr auf Rechnung einer Unbekanntschaft mit unsrer jetzigen Lage und Verfassung schreiben, als auf das Ersterben des Gemeingeistes, der unsre Glaubensgenossen, und die jüdischen Bewohner Berlins insbesondere, Jahrhunderte hindurch vor vielen andern auf das Vortheilhafteste ausgezeichnet hat. Wir sehen ja täglich noch neue Be801
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weise seines lebhaftesten Daseyns uns von allen Seiten umringen; uns selbst, wir gestehen es gern, strömen ja noch jetzt so manche Ausflüsse desselben zu. Und wir sollten die Hoffnung auf ihn sinken lassen? Wir, die wir ihn in die Herzen so vieler gepflanzt und gepflegt haben? Die wir noch täglich ihn zu pflanzen und zu pflegen beflissen sind? Die Direction unsrer Anstalt hat, geleitet von diesen Betrachtungen, den Entschluß gefaßt, die seit mehrern Jahren schon stockenden jährlichen öffentlichen Prüfungen der Zöglinge wieder einzuführen, und bei Gelegenheit derselben ihren Committenten und dem ganzen Publiko eine fortlaufende Nachricht von dem jedesmaligen Zustande der Anstalt vorzulegen. Möchte diese Publizität uns wenigstens den Vortheil verschaffen, das dabei interessirte Publikum zu der Ueberzeugung zu bringen, daß unsre Mitarbeiter, soviel an ihnen liegt, sich weder Mühe noch Zeit verdrießen lassen, um die ihnen anvertraute Anstalt im Flor zu erhalten, und ihren Mängeln bestmöglichst abzuhelfen; möchten durch sie so manche falsche Gerüchte widerlegt werden, durch welche Privatleidenschaften sogar das allgemeine Wohl ihren niedrigen Begierden zum Opfer bringen! Bei der Beurtheilung und Bestimmung dessen, was man von unsrer Anstalt fordern kann und darf, kommen einige Rücksichten in Betracht, die man wohl bei keiner ihrer Mitschwestern in dem Umfange und in der Zusammenstellung vorfinden wird. 1) Die Lehrlinge kommen zu uns größtentheils ganz roh und unvorbereitet an Kenntnissen und Sitten. Unsre Lehrlinge, so gering ihre Anzahl in Vergleichung mit der anderer Lehranstalten ist, haben doch unter sich die größte Verschiedenheit der Geburtsörter und der Herkunft. Wir schränken uns bei der Aufnahme nicht auf Söhne der gebildetern Juden Berlins, nicht auf die Unterthanen der ältern oder neuern preußischen Provinzen ein; sondern lassen jeden, der sich uns mit Lernbegierde und gutem Willen darbietet, Theil an unsern Bemühungen nehmen. Der verwilderte Pohle hat auf sie dieselben Ansprüche, wie der gesittete Deutsche. Von den 65 Zöglingen die jetzt bei uns unterrichtet werden, sind 23 aus Berlin, 3 aus Schlesien, 5 aus Westpreußen, 9 aus Südpreußen, 11 aus den übrigen preußischen Provinzen und 14 Ausländer. 2) Der bei weitem größere Theil derselben ist so arm, daß vielen unter ihnen nicht bloß die Bezahlung des an sich so geringen Lehrgeldes von 1 Rthlr. 12 Gr. monatlich schon schwer wird, und daher bei der Aufnahme ganz erlassen, oder sehr gemildert werden muß1; sondern daß ihnen sehr oft auch die nöthigen Lehrbücher und Schreibmaterialien abgehen. 1 Von unsern 65 Zöglingen bezahlen jetzt das monatliche Lehrgeld 6 mit 3 – 19 – 1 – 2 – 18 – 9 – 7 sind frei Summa 802
8 Gr. macht 12 Gr. – 16 – – 18 – – 20 – – 1 Thl. – 1 – 12 Gr. –
2 Thl. 1 – 12 Gr. 12 – 16 – 18 – 1 – 16 – 18 – – – 13 – 12 –
65 Lehrlinge zahlen
50 Thl. 2 Gr.
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3) Eine Folge dieser Armuth ist, daß sie ihre Zeit nicht ganz allein dem Genuß des Unterrichts widmen können. Angehörige oder Wohlthäter fordern nicht selten von denen, für welche sie das Lehrgeld bezahlen, oder die sie anderweitig unterstützen, kleine Dienstleistungen, die gering und unbedeutend an sich, doch den Lehrlingen Zeit rauben, ihnen zum Versäumen der Lehrstunden und zum Vernachläßigen der häuslichen Aufgaben Anlaß geben. Andere, die nicht so glücklich sind, zum Auskommen hinreichende Unterstützung zu finden, müssen einen großen Theil ihrer kostbaren Zeit auf den Erwerb ihrer unentbehrlichsten Bedürfnisse wenden, und ihn der Absicht unsrer Anstalt entziehen. Eine Erfahrung von 25 Jahren hat auch gelehrt, daß größtentheils wegen dieser Armuth 4) nur sehr wenige Lehrlinge die Schule länger als zwei Jahre, viele nicht einmal so lange, besuchen. In diesem kurzem Zeitraume müssen sie also durch alle Classen durchgewandert seyn, wenn sie den Unterricht nur irgend reif verlassen sollen. 5) Die Bestimmung des allergrößten Theils unsrer Zöglinge, ja fast aller, ist der Handelsstand, und zwar nicht jener höhere, der nach bestimmten Regeln und mit eigenen Mitteln seine Geschäfte selbst treibt, sondern das Conditioniren als Ladendiener, Buchhalter, Comtoiristen u. s. w. Nur sehr wenige widmen sich den Wissenschaften oder Künsten. Handwerke sind bis jetzt unsern Glaubensgenossen ja ganz versagt. 6) So wie unsre Schule fast allen ihren Zöglingen den ersten Unterricht ertheilen muß, so treten sie aus ihr auch sogleich in das Geschäftsleben über, (ein bürgerliches haben wir leider nicht.) Unsre Zöglinge gehen nicht, wie die Zöglinge christlicher Schulen, durch mehrere Mittelstufen als Gymnasiasten, Studirende, Handlungsbeflissene, Lehrlinge u. s. w. zu ihrer bleibenden Bestimmung über. Sie treten unmittelbar aus der Reihe der Schüler in die der Geschäftsmänner über. Keine Scheidewand trennt bei ihnen die Beschäftigungen des Knaben- und jugendlichen Alters von denen des männlichen; alles läuft bei ihnen durch einander. 7) Sehr viele unsrer Zöglinge haben schon das Knabenalter über schr itten, wenn sie in unsre Anstalt eintreten; im jugendlichen müssen sie daher mit Mühe das in jenem Versäumte nachholen. 8) Die Erziehungsweise eines großen Theils unsrer Glaubensgenossen gibt ihrem Geiste eine gewisse Lebhaftigkeit und Selbständigkeit, die die Vorsteher und Lehrer unsrer Anstalt sowohl beim Unterricht, als bei der Ausbildung ihrer Sitten, stets vor Augen haben müssen. Jene Eigenschaften haben so manches Gute, das durchaus nicht unterdrückt werden darf, wenn man nicht in Gefahr gerathen soll, mit der besten Absicht mehr zu schaden, als zu nützen. Auf der andern Seite legen sie aber auch dem Gange eines methodischen Unterrichts sehr große Hindernisse in den Weg, deren Hinwegräumung gewiß sehr schwierig ist. 9) Die fr ühere Erziehung eines großen Theils unsrer Zöglinge ist so vom Grunde aus fehlerhaft, daß es unsern Lehrern oft eben so große Anstrengung kostet, das Mangelhafte zu verbessern, als selbst Gutes zu bewirken; ein negatives Verdienst, welches gewiß nicht weniger zu erwerben kostet, als jedes andere positive. 803
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Einsichtsvolle Beurtheiler werden aus diesen Bemerkungen von selbst den Schluß ziehn, daß unsre Schule unter solchen Umständen nicht nach dem Leisten irgend einer andern zugeschnitten seyn darf; ja sie werden ohne weitre Auseinandersetzung aus ihnen auch die Nothwendigkeit der Existenz einer nach eignem Plane handelnden Schule für die jüdische Jugend folgern. Eine solche Schule darf weder auf den Rang einer gelehr ten Anspruch machen, noch sich bloß mit dem einer nieder n bürgerlichen begnügen. Sie darf auch nicht eigentlich Handlungsakademie, Handlungsschule, oder wie man das Ding in neuern Zeiten sonst hat nennen wollen, zu werden trachten: Ihr Ziel muß eine solche Bildung ihrer Zöglinge seyn, durch welche sie in den Stand gesetzt werden, sich zu brauchbaren Geschäftsmänner n durch eignen Fleiß selbst weiter auszubilden, die Gelegenheiten, die sich ihnen hier oder an andern Orten anderweitig dazu darbieten, gehörig zu benutzen. Sie kann sie nur auf den Weg der Cultur führen, aber es sich nicht anmaaßen wollen, sie auf seiner ganzen Strecke zu gängeln. Nach diesem eben so schwer zu erreichenden, als von dem aller andern Schulen verschiedenen Ziele haben wir bis jetzt gestrebt. Wir dürfen nicht behaupten, es ganz erreicht zu haben; aber, wir wiederholen es, wir haben gethan, was beim Mangel aller Fonds, bei sehr beschränkten und unsichern Einkünften und bei einem sehr engen Lokale in unsern Kräften zu thun stand. Folgende Lehrgegenstände beschäftigen für jetzt die verschiedenen Classen unserer Schule. A. Sprachkenntnisse. 1) Die Mutter sprache unsers Vaterlandes, die deutsche Sprache. 2) Die französische, als diejenige, die niemand, der auf einen gewissen Grad von Cultur Anspruch machen will, besonders aber kein Geschäftsmann, entbehren kann. 3) Die hebräische, deren Verständniß unsre Zöglinge gegen so viele Vorurtheile, die sich in die Ausübung unsrer Religion eingeschlichen haben, bewahren, sie gegen ein sinnloses Herplappern der Gebete beim Gottesdienst schützen, und ihnen bei einem künftigen Handelsverkehr mit ihren Glaubensgenossen sehr nützlich seyn kann. B. Wissenschaftliche Kenntnisse. 1) Relig ion und Moral. 2) Geog raphie, sowohl die mathematische, als die politische verbunden mit Statistik, und die physische verbunden mit dem Wissenswürdigsten und Gemeinnützigsten aus der Naturkunde, sowohl der Physik, als der Naturgeschichte, mit vorzüglicher Rücksicht auf diejenigen Naturproducte, die zur Befriedigung der Bedürfnisse der Menschen von Künstlern und Handwerkern verarbeitet werden, oder in den Handel kommen; also in Verbindung mit Technolog ie und Waarenkunde. 3) Die Rechenkunst in ihrem ganzen Umfange. 4) Maaß-, Münz- und Gewichtskunde. 5) Das kaufmännische Buchhalten .
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C. Künste. 1) Jüdisch Schönschreiben. 2) Deutsch u. lateinisch Schönschreiben. 3) Zeichnen . I. Der deutsche Sprachunter r icht ist in drei Classen vertheilt. In der ersten werden wöchentlich in vier Stunden die richtige Anwendung der syntactischen, schwierig orthographischen und Interpunctions-Regeln gelehrt, die Eigenheiten des kaufmännischen sowohl als des übrigen Geschäfts- und freundschaftlichen Briefstyls, der Syno nimen, Tropen, Bilder u. s. w. erklärt, wobei, so viel es sich thun läßt, auf die Rhetor ic Rücksicht genommen wird, in so fern ihre Kenntniß nehmlich zur richtigen ästhetischen Beurtheilung einer guten oder schlechten Schreibart nothwendig ist. Als Ver standes - und Stylübungen werden von den Lehrlingen schriftliche Aufsätze, besonders kaufmännische und freundschaftliche Briefe, Ausarbeitungen über moralische Gegenstände, Beschreibungen, Erzählungen, verfertigt. Zur Uebung des Gedächtnisses und zur Verbesserung der fehlerhaften Dialecte mancher Lehrlinge, werden sie öfters im Declamiren prosaischer und poetischer Stellen aus klassischen deutschen Schriftstellern geübt. Als Lehrbuch wird für diese Classe Heinsius deutsche Sprachlehre benutzt. In der zweiten werden in 5 wöchentlichen Stunden die vorzüglichsten Regeln der Etymologie und die minder schwierigen der Orthographie, besonders aber die Biegung und Anwendung der Zeitwörter und der Gebrauch der Präpositionen gelehrt. Als Stylund Verstandesübungen werden theils die schwerern Stellen in Wilmsens brandenburgischen Kinderfreund gelesen, und statarisch erklärt, theils schriftliche Aufsätze, als kurze Briefe über häusliche Gegenstände, kleine Aufsätze über moralische, naturhistorische Gegenstände, über welche sich der Lehrer vorher jedesmal mit den Lehrlingen unterhält, von den Geübtern im zusammenhängenden Vortrage und von den Schwächern in Antworten auf die vom Lehrer dictirten Fragen verfertigt. Als Lehrbuch dient Hartungs deutsche Sprachlehre. In der dritten Classe wird das richtige und schöne Lesen, und was zum Verstehen des Gelesenen gehört, in den leichtern Stellen des erwähnten brandenburgischen Kinderfreundes, die Classification der Wörter, die Biegung der Haupt- Eigenschafts- und Beschaffenheitswörter gelehrt, auch werden die Unterscheidungszeichen und deren Bedeutung erklärt. Es wird dabei besonders auf Verstandesübung Rücksicht genommen. In einer Unterabteilung dieser Classe übt ein Unterlehrer (ein fleißiger und geschickter Lehrling der ersten deutschen Classe, Israel Jacob aus Berlin) die ersten Anfänger in der Buchstabenkenntniß und die etwas weiter Fortgerückten im richtigen und schönen Lesen kleiner Sätze des erwähnten Kinderfreundes. Der Lehrer dieser drei Classen ist Herr Fr iedr ich August Garlipp, Lehrer an der zweiten Erwerbschule. II. Der Unterricht in der französischen Sprache ist in vier Classen vertheilt, und wird von zwei Lehrern besorgt. Mit der ersten Classe liest ihr Lehrer, Herr Salomon Pon805
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ge, Lehrer der französischen Sprache am Schindlerschen Waisenhause, in vier wöchentlichen Stunden cursorisch den Telemach, dictirt ihnen Briefe und Fabeln zum Uebersetzen aus dem Deutschen ins Französische, und aus dem Französischen ins Deutsche, übt sie in der Verfertigung eigner französischer Aufsätze, läßt sie Fabeln und andere poe tische Stellen auswendig lernen und declamiren, und geht mit ihnen die Syntaxis nach Anleitung von Gr ünings französischer Gramatik durch. Eine Stunde wöchentlich ist zur Conversation bestimmt. Bei allen Lectionen dieser Classe darf zwischen Lehrer und Lehrlingen durchaus nur französisch gesprochen werden. In der zweiten werden in vier wöchentlichen Stunden unter Herrn Ponge’s Leitung die schwerern Stellen in Gedicke’s Lesebuch gelesen und übersetzt, die Conjugation und Anwendung der regulairen und irregulairen Zeitwörter, theoretisch und practisch durch Uebersetzung deutscher Formeln oder kleiner Sätze gelehrt, zur Uebung in der Orthographie Gespräche u. s. w. dictirt, und von den Schülern auswendig gelernt. – Wöchentlich wird eine Stunde zum Declamiren einer leichten Fabel oder einer andern poetischen Stelle verwendet. Bis jetzt diente die Meidinger sche Gramatik zum Lehrbuch. Künftig wird auch für diese Classe die Gr üningsche gewählt werden. In der dritten Classe lehrt Herr Salomon Mur ret die Biegung der Fürwörter und Hülfszeitwörter, übt seine Schüler nach Anleitung der Grüningschen Gramatik in der Anwendung der auf sie Bezug habenden etymologischen Regeln durch Uebersetzen aus dem Deutschen ins Französische. Stoff zu Leseübungen liefern theils die von Herrn Ponge herausgegebenen Contes moraux, theils Gedicke’s Lesebuch. Die Lehrlinge müssen zur Erlangung eines reichlichen Wortschatzes die in jedem Stücke vorkommenden Wörter auswendig lernen, und schriftlich ins Deutsche übersetzen. Nachdem die Stücke gelesen sind, läßt der Lehrer kleine Formeln nach denselben auf der Stelle aus dem Deutschen ins Französische übersetzen. In der vierten Classe übt Herr Mur ret die ersten Anfänger im richtigen Lesen in Ponge’s französischem Lesebuche für die er sten Anf änger, läßt sie die in demselben vorkommenden Vocabeln auswendig lernen, die kleinen Sätze mündlich übersetzen, und lehrt die Classification der Wörter und die Biegung der Haupt- und Eigenschaftswörter. III. Beim Unterricht in der hebräischen Sprache werden bloß die vorhin bestimmten Absichten ins Auge gefaßt; keineswegs aber kann es unser Zweck seyn, vollkommene Kenner der hebräischen Sprache bilden zu wollen. In dieser Hinsicht haben wir den Unterricht in drei Classen vertheilt, deren beiden ersten der durch seine hebräische Gramatik und andre hebräische Schriften rühmlichst bekannte Herr Salomon Jacob Cohen als Lehrer, der letztern aber, unter seiner Leitung, ein sich durch Fleiß, Geschicklichkeit und gute Sitten vortheilhaft auszeichnender Lehrling der ersten deutschen Classe, Jacob Pinsk aus Breslau, vorsteht. In allen dreien Classen wird 1) die Uebersetzung und Erklärung der Bibel aus dem hebräischen Original und 2) die hebräische Gramatik betrieben. Zum ersten Zweck dienen die fünf Bücher Mosis nach Anleitung der Mendelssohnschen Ausgabe und Uebersetzung. Dabei sucht der Lehrer vor806
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züglich darauf aufmerksam zu machen, ob die Uebersetzung wörtlich ist, oder wegen der Verschiedenheit beider Sprachen von den Worten des Originals abweicht, und nur den Sinn wiedergibt. Er sucht die ursprüngliche Bedeutung der Worte anzugeben, und die abgeleitete auf jene zurückzuführen. Die Exegetik wird nach Anleitung des Mendelssohnschen Commentars und der besten andern hebräischen Commentatoren gelehrt. Mit diesem Unterricht ist zugleich der in der Relig ion und Moral verbunden. Bei ihm bestrebt sich der Lehrer, seine Schüler mit den Gr undsätzen der jüdischen Religion, mit den positiven Vorschriften des Ceremonialgesetzes, besonders aber mit den Lehren einer reinen ver nünftigen Sittenlehre, bekannt zu machen. Er bedient sich dazu, außer der hierher zu beziehenden Stellen der fünf Bücher Mosis, auch der Sprüche Salomonis nach der meisterhaften Euchelschen Ausgabe und Uebersetzung, wie auch der Spr üche der Väter. Wo ihm gar nicht vorgearbeitet ist, sucht er die Lücken durch eigne Ausarbeitungen zu ergänzen. Beim Unterricht in der Gramatik wird Herrn Cohens kurzgef aßte und deutliche hebräische Sprachlehre zum Grunde gelegt. Die dr itte Classe beschäftigt der Unterlehrer unter Leitung des Lehrers, mit der Kenntniß und Eintheilung der Buchstaben und Wörter, wie auch mit den nöthigsten orthographischen Regeln und läßt ausgewählte leichte Stellen der Bibel exponiren. Die zweite lernt die Declination und Eintheilung der Namen und das Allgemeinste der Lehre von den Zeitwörtern nebst ihrer Anwendung. Die er ste endlich hat die specielle Lehre von den Zeitwörtern und Partikeln nebst dem Allgemeinsten und Nothwendigsten von der Syntaxis zum Gegenstande ihres Unterrichts. In den beiden letzter n Classen werden die fünf Bücher Mosis und die Sprüche Salomonis statarisch gelesen, und kleine hebräische Aufsätze, theils Uebersetzungen, theils Originale, verfertigt. Zu dem moralischen Unterricht werden in allen drei Classen wöchentlich eine Stunde, zu der Gramatik zwei, und zur Uebersetzung und Erklärung der Bibel ebenfalls zwei angewandt. IV. Der Unterricht in der Geog raphie, Naturkunde, Waarenkunde und Technolog ie ist für jetzt noch verbunden, so schwierig und mit so vielen Nachtheilen verknüpft die Verbindung so reichhaltiger Disciplinen auch ist. Wir waren bei dieser Vereinigung theils durch den Mangel an Fonds und Einkünften, theils an einem geräumigen Lokale gezwungen. Wir dürfen aber hoffen, daß bessre Unterstützung auch in diesem Punkte, wie in manchen andern, eine Verbesserung zur Folge haben wird. Die Lehrlinge sind in Rücksicht dieser Lehrgegestände in zwei Classen vertheilt. In der ersten lehrte Hr. Garlipp im letztverflossenen Schuljahre wöchentlich in drei Stunden das Wissenswürdigste aus der mathematischen Geog raphie, und gab eine statistische Uebersicht der Erdtheile Asien, Afrika, Amerika und Südindien und deren verschiedenen Völkerschaften vorzüglich in Hinsicht auf den europäischen Handel. Auch wurde in dieser Classe das Allgemeinste von der Geographie und Statistik von Europa gelehrt. In drei andern wöchentlichen Stunden trug derselbe Lehrer den Schülern der zweiten Classe die Geographie und Statistik und eine kurze Uebersicht der Geschichte der Churmark Brandenburg, eine Uebersicht aller zum preußischen Staate gehörigen 807
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Länder, (nach Herzberg) und das Nöthige von Deutschland vor. Sowohl in der ersten Classe, als bei Deutschland in der zweiten diente Fabr is kurzer Abr iß zum Leitfaden. V. und VI. Die Rechenkunst und die Münz- Maaß- und Gewichtskunde wurden in dieser Anstalt seit ihrer Stiftung mit vorzüglicher Aufmerksamkeit und in ihrer weitesten Ausdehnung gelehrt. Der jetzige Lehrer dieser beiden verbundenen Fächer, Hr. Abraham Beschütz, ist selbst ein ehemaliger Zögling unsrer Anstalt. Seine Lehrlinge sind in drei Classen vertheilt. In der ersten lehrt er in vier wöchentlichen Stunden die Rabatt- und Kettenrechnung, Wechselreductionen, Coursen- Gewinn und Verlust-, Wechselarbitragen-, Wechselcommissionsrechnungen u. s. w. sowohl theoretisch, als praktisch. Hierbei haben die Lehrlinge Gelegenheit nach Anleitung des von Gebhard verbesserten Nelkenbrecher schen Taschenbuchs den Gehalt und die Verhältnisse der Münzen, Maaße und Gewichte aller Handelsplätze ihrem Gedächtnisse einzuprägen, und dasjenige zu wiederholen, was sie in der zweiten Classe hiervon schon erfahren hatten. Der Lehrer nimmt auch Gelegenheit seine Schüler mit der Lehre vom Wechselgeschäfte und der Beschaffenheit der Wechselbr iefe theoretisch und praktisch bekannt zu machen. In der zweiten Classe beschäftigt er die Lehrlinge mit der Lehre von der Regula de tri mit Brüchen, sowohl in hiesigen, als in ausländischen Münzen, Maaßen und Gewichten, mit der Regula de tri inversa, Regula quinque directa et inversa, mit der Agiorechnung, sowohl in Beziehung auf einen Platz, als auf verschiedene Plätze. Die dr itte Classe hat wegen der Wichtigkeit des ersten Unterrichts und der langen Uebung, die die Lehrgegenstände derselben erfordern, 4 Unterabtheilungen. In der ersten trug der Lehrer selbst die Bestimmungen der Theiler und des gemeinschaftlichen Maaßes der Zahlen und die 4 Species mit Brüchen vor, die drei folgenden Unterab theilungen unterrichteten, unter Leitung des Lehrers, drei unsrer vorzüglichsten Zöglinge der ersten deutschen und Rechenklasse, Wolff Isaac Cohn aus Rossow in Meklenburg, Hir sch Gabr iel aus Berlin und Wolff Joseph Beer Curländer aus Hasenpoth, der erstere im Nummeriren und Addiren, der zweite im Subtrahiren und Multipliciren, der dritte im Dividiren sowohl mit benannten, als unbenannten Zahlen, wobei wir ganz besonders den Fleiß, die Geschicklichkeit und die Vortragsgabe des erstern zu rühmen haben. Jeder dieser Classen und Unterabtheilungen sind wöchentlich 5 Stunden gewidmet. VII. Im Buchhalten, besonders dem italienischen und deutschen, unterrichtete derselbe Hr. Beschütz die am weitesten vorgerückten Schüler der ersten Rechenklasse. Eigentliche Classen können bei diesen Gegenständen nicht füglich statt finden. Um aber so wenige Lehrlinge, als möglich, in einer Stunde zu haben, und jedem derselben die erforderliche Aufmerksamkeit widmen zu können, sind sie in zwei Abtheilungen gebracht, und jeder von diesen wöchentlich drei Stunden derselbe Unterricht, sowohl theoretisch, als practisch, ertheilt worden. Es schien bei diesem Lehrgegenstande zweckmäßig, die Lehrlinge so zu üben, daß sie auch in fremden Münzsorten Buch zu führen im Stande wären. Der Lehrer wählte deshalb vorsätzlich eine auswärtige zur Norm. Er 808
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suchte bei Gelegenheit dieses Unterrichts seine Lehrlinge mit allen verschiedenen Arten von Wechsel- und Waarengeschäften bekannt zu machen. VIII. und IX. Im Schönschreiben unterrichten die beiden ältesten Lehrer unsrer Anstalt, der Inspector Hr. Joh. Fr iedr ich Meyer und Hr. Heymann Züllichauer. Auch bei diesem Lehrgegenstande schienen keine Classen, wohl aber wegen der Menge der Schüler mehrere Abtheilungen nothwendig. Jeder der genannten beiden Lehrer unterrichtet täglich drei Abtheilungen in drei verschiedenen Stunden. X. Im Zeichnen gibt zweien Abtheilungen in zwei Stunden täglich an den 5 zum Unterricht bestimmten Tagen Hr. Isaac Bar uch Aron Anleitung, der diesem Unterricht gleichfalls seit der Stiftung der Anstalt vorsteht. Diese allgemeine Uebersicht dessen, was in unsrer Schule im verflossenen Schuljahre von Ostern 1802 bis Ostern 1803 gelehrt worden ist, mag für dießmal hinreichend seyn, die Leser dieser Einladungsschrift mit dem bekannt zu machen, was unsre Anstalt zu leisten bemühet war. Die Enge des Raums verbietet uns, den Lehr plan, der obigem Unterricht zum Grunde lag, mit einzurücken. Wir versparen dessen Mittheilung für die nächste öffentliche Prüfung, und fügen nur noch einige Worte über das Geschäft der Direction bei. Diese besteht aus dem Director, jetzt der Stifter der Anstalt, Hofbaurath I.D. Itzig, und dreien Inspectoren, nehmlich dem Doctor der A. und W.A.K. Jacob Ezechiel Aronsson, dem Lehrer der Schule Hrn. Johann Fr iedr ich Meyer, und bisher Hrn. Nathan Ulmann. Sie hält jeden Sontag vor dem ersten eines jeden Monats eine Versammlung zur Berathschlagung über alle auf den Unterricht, die Oeconomie oder die Cassengeschäfte der Stiftung Bezug habende Gegenstände, die in dieser Versammlung nach Mehrheit der Stimmen entschieden werden. Der Director hat in den Versammlungen den Vorsitz und die Entscheidung bei getheilten Stimmen, jedes Mitglied aber den Vortrag über die in sein Departement einschlagende Gegenstände. Jedoch steht es jedem von ihnen frei, auch seine Bemerkungen und Anträge über die Gegenstände der Verwaltung seiner Collegen vorzutragen. Das Protocoll führt derjenige Inspector der die Secretairiatsgeschäfte besorgt. Die Execution der Beschlüsse haben die Inspectores dergestalt unter sich vertheilt, daß ein Inspector, der Dr. Aronsson , alles dasjenige, was zum Unterricht gehört, und zugleich die Lehrclassen und die Disciplin der Lehrlinge; der andere, der Inspector (usw.) Meyer, alles was in das Fach der innern Oeconomie einschlägt, die Einnahme und Ausgabe mit einbegriffen, und ein dritter bisher, der um die Anstalt sehr verdiente Inspector, Hr. Nathan Ulmann, die Bibliothek, das Archiv, die Controlle der Casse und die Secretar iatsgeschäfte unter seiner speciellen Besorgung hat. Ein besoldeter Copist ist ihnen zur Erleichterung bei ihren Arbeiten, besonders bei denen des dritten Inspectors beigeordnet. Der Director leitet das Ganze, ertheilt das Mundetur für alle schriftlichen Ausfertigungen, nimmt die Lehrlinge an, bestimmt das Lehrgeld, die außerordentlichen Versammlungen, und verrichtet überhaupt alles, was gewöhnlich zu den Geschäften eines Directors gerechnet wird. Jeden Sonntag nach dem ersten eines jeden Quartals hält die Direction
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eine Generalversammlung, zu welcher sämmtliche Lehrer eingeladen werden, und ihre Anträge, Vorschläge und Bemerkungen mittheilen können. Zur Beförderung des häuslichen Fleißes und der Cultur unsrer größtentheils armen Lehrlinge haben wir im vergangenen Jahre den Anfang mit der Anlegung einer kleinen Schulbibliothek gemacht. Wir fordern alle gutdenkenden Menschen hiermit auf, unsre wohlmeinende Absicht durch Beiträge für diese Bücher sammlung, sey es an Büchern oder baarem Gelde, zu unterstützen. Eben diese Aufforderung müssen wir überhaupt zur Unterstützung eines Fonds und unsrer Einkünfte machen. Nur wenn diese sich vermehren, können wir einige von uns für wesentlich nothwendig erachtete Verbesserungen und Erweiterungen für die Zukunft versprechen und ausführen. Unsre monatlichen Einkünfte betragen jetzt, wenn alle eingehen, (was nicht immer geschieht) an Lehrgeld von 65 Lehrlingen 50 Thl. 2 Gr. – Schreibmaterialiengeld à 1 Gr. monatlich 2 – 10 – – Beiträgen von 93 Contribuenten 42 – – – – Pacht der von den Aeltesten der Judenschaft bewilligten wöchentl. Hauscollecte 6 – 16 – Summa 101 Thl. 4 Gr. Unsere bestimmten monatlichen Ausgaben sind dagegen Gehalt von 8 Lehrern 72 Thl. 8 Gr. dito der beiden Pedelle 9 – 8 – Für Copialien 1 – 16 – Bei der Stiftung angewiesene Almosen 1 – 4 – Miethe für die Schulwohnung 8 – – – Summa 92 Thl. 12 Gr. Es bleiben uns also für unbestimmte Ausgaben an Geräthschaften, Schreibmaterialien, Holz, Licht, Binderlohn der Bücher, Druckkosten der Conduitenlisten, Conduitenzettel, Quittungen, u. s. w. 8 Thl. 16 Gr. monatlich übrig. Sie betragen aber gewöhnlich über 12 Thl., so daß wir monatlich ein Def icit von wenigstens 3 Thl. 8 Gr. haben, welches durch die sehr geringen Einkünfte aus der der Schule gehörigen, von des hochseligen Königs Fr iedr ichs des Einzigen Majestät privilegirten orientalischen Buchdruckerei und einige dann und wann eingehende freiwillige Geschenke ganz und gar nicht gedeckt wird; wie wir jedem der Herrn Contribuenten durch Vorlegung unsrer Bücher und Rechnungen gern darzuthun erböthig sind. Menschenfreunde, denen das Wohl der Menschheit, die Bildung einer sonst verlassenen, zahlreichen Jugend, die Verbreitung wahrer Aufklärung und die Beförderung des Fortkommens so vieler braven Jünglinge am Herzen liegt, tretet herbei, und folget unserm Rufe, die wir für unsre Bemühungen, für den Aufwand unsrer Zeit und für die vielen mit der Führung der Direc810
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tion dieser Anstalt verbundenen Verdrießlichkeiten keinen andern Lohn haben, keinen andern fordern, als das Bewußtseyn, das Gute gewollt, und, wenigstens nach unsern Einsichten und unsrer Ueberzeugung, das Beste gethan zu haben. […] Quelle: Nachricht von dem gegenwärtigen Zustande der jüdischen Freischule in Berlin. Womit zu der öffentlichen Prüfung, welche in der Schulwohnung Klosterstraße No. 35. Mittwoch d. 1. u. Donnerstag d. 2. Junii 1803. Vormittags von 9 u. Nachmittags von 2 Uhr an veranstaltet werden soll, die wohlthätigen Theilnehmer an dieser Stiftung die resp. Eltern und Vorgesetzte unsrer Lehrlinge und alle Freunde und Gönner des Schulwesens ehrerbietigst einladen der Direktor, die Inspektoren und Lehrer der jüdischen Freischule. Berlin, gedruckt bei Joh. Wilh. Schmidt, 1803. – Druck in: Chevrat Chinuch Nearim, a. a. O., Dok. 141, S. 393–400.
IV) Dritte Nachricht von dem Zustande der jüdischen Freischule in Berlin, 1809 Seit dem Jahre 1804 ist den Wohlthätern dieser Anstalt keine Nachricht von dem Zustande derselben gegeben worden. Große, traurige Begebenheiten haben sich unterdeß ereignet; aber hoch sey der Name des Ewigen gepriesen, der uns bey dem Sturme, der unser Vaterland erschütterte, nicht untergehen ließ, und uns die Hoffnung bessrer Zeiten einflößte. Wir halten, trotz den die Anstalt selbst betroffnen Unglücksfällen unser Haupt noch empor; und wenn es Euch, edle Menschenfreunde! die Ihr uns die Mittel verschafftet, zur Bildung der Jugend beyzutragen, wenn es Euch noch ferner gefällt, diesen hohen Zweck mit Liebe zu umfassen, so werden wir mit sichern Schritten auf dem begonnenen Wege fortwandern, und Euch die Früchte Eures Edelsinns dankbar zeigen können. Schmerzhaft war der Verlust, den die Schule am 7ten July 1806 durch den Tod ihres Directors und Wohlthäters, des Königl. Hofbauraths Itzig erlitt. Mit seinem Tode hatten die Unglücksfälle sich gleichsam das Wort gegeben, um Schlag auf Schlag die Ruhe der Anstalt zu untergraben, und ihren Fortgang zu hemmen. Viele Kontribuenten sowohl als Schüler gingen ab, und verminderten durch ihren Abgang die schon an sich geringe Einnahme; die orientalische Druckerey maßte sich, auf eine noch bis jetzt unerklärbare Art, ein ganz fremder Mensch an, und die Schule hatte von ihr gar keinen Vortheil; ein ehemaliger Lehrer benutzte den, durch jenen Tod ins Stocken gerathnen Geschäftsgang, und verwickelte sie in einen kostspieligen Proceß, den sie, aus Mangel an hinreichenden Beweisen, verlor; kurz, alles schien auf den Untergang dieser damals seit 27 Jahren bestehenden Anstalt auszugehen. – Am 12ten July 1806 trugen die Inspectoren und Lehrer dieses verwaisten Instituts bey den resp. Kontribuenten darauf an, dem L. Bendavid das Directorat zu übertragen. Von diesen erwählt, und von dem Königl. Staatsminister, Herrn v. Massow Excellenz, bestätigt, trat derselbe sein neues Amt mit dem ganzen bangen Gefühl an, das aus dem deutlichen Bewußtseyn entsteht, daß hier der beste Wille es nicht vermag, allen Uebeln zugleich abzuhelfen: es mußte zuerst für 811
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das nothdürftige Auskommen der Schule gesorgt werden, ehe man auf die Verbesserung ihrer Einrichtung denken konnte. Aber, wenn jenes schon bisher auf schwankenden Füßen gestanden hatte, wie war es möglich, ihm in der Folge einen festern Grund unterzulegen, da der leidige Krieg ausbrach, und alles noch so Haltbare mit sich fortriß! Es erfolgte ein neuer Verlust an Kontribuenten und an Schülern, und die Einnahme reichte nicht einmal hin, die schon an sich kärgliche Besoldung der Lehrer zu bestreiten. Nur durch das edelmüthige Anerbieten der Lehrer leuchtete der erste Hoffnungs-Strahl wieder, der aus diesem dunklen Labyrinth zu führen vermochte: sie, die christlichen Lehrer sowohl als die jüdischen, entsagten freiwillig bis auf beßre Zeiten eines Theils von ihrem Gehalte, begnügten sich mit dem wenigen, was ihnen gereicht werden konnte, und – Dank Euch Biedermännern! – arbeiteten dennoch zum Besten der Schule, aus bloßer Liebe zum Guten, mit eben dem Fleiße, als würde ihr zeitliches Wohl dadurch errungen. Unglückliche, die Ihr an der Menschheit verzweifelt; solch’ ein einziger Zug muß Euch Euren Wahn benehmen, und Euch mit derselben aussöhnen; Ihr aber, Menschenfreunde, denen das Geschick ein beßres Loos zugetheilt hat, beherzigt diese Seelengröße, und haltet sie in Würden. Mit diesem Opfer von Seiten der Lehrer war aber nicht alles gethan. Es war noch die Miethe, die Feurung und Beleuchtung, es waren noch unsäglich kleine Ausgaben zu bestreiten, die alle keinen Fonds hatten. Es ergingen daher Circuläre an die noch vorhandene geringe Zahl der Kontribuenten zur Erhöhung ihrer Beyträge und zu freiwilligen Geschenken. Diese Aufforderungen blieben nicht ohne Wirkung. Viele haben ihre Beyträge edelmütig erhöhet, und dankbar erwähnen wir die Gaben, mit welchen Madam S. Levy geb. Itzig, Madam S. Ephraim geb. Liepmann M. Wulf , Herrn S. M. Levy, Gebr. Dellmar, und Abr. Bendemann in Berlin, und die Herrn Simon und Beer mann aus Kassel, theils aus eignen Mitteln, theils durch Collecten die Schule unterstützt haben. Gerührt waren wir durch das ansehnliche Geschenk der edlen Gesellschaft der Freunde; leider aber! können wir, seiner Bestimmung gemäß, bis jetzt noch keinen Gebrauch davon machen! Aber fort und fort die Wohlthätigkeit in Anspruch zu nehmen, heißt: sie ermüden wollen. Es mußte das Auskommen der Anstalt auf anderm Wege gesichert werden. Deßhalb wurde die Druckerey wieder unter die Aufsicht der Schule gebracht, und späterhin verpachtet. Dies Mittel brachte zwar nur wenig ein, aber es war doch immer ein Vortheil, den die Kasse bisher entbehrt hatte. Ergiebiger war die Erwerbsquelle, die sich die Schule dadurch eröffnete, daß sie von der Königl. Akademie der Wissenschaften die jüdischen Kalender pachtete. Denn nun war sie im letzten Jahr dadurch in den Stand gesetzt, ihre Ausgaben selbst zu bestreiten, ohne von ihren Wohlthätern etwas weiter, als die richtige Leistung ihres versprochenen Beytrags, zu verlangen. Sie wird sich glücklich fühlen, wenn sie in einer weniger trüben Zukunft einen jetzt noch nicht ausführbaren Plan ins Werk setzen, und dadurch die fernere Unterstützung, dankbar für das bisher Genossene, ablehnen könnte.
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Wäre die Schule nicht so glücklich gewesen, durch Geschenke, die Druckerey, den Kalenderpacht und den Verkauf von Moses Mendelssohns Portrait1 einen Zuschuß zu erlangen; durch ihre stehende Einnahme hätte sie sich nicht erhalten können. Denn da die Anzahl der Kontribuenten sich bis auf 61, und die der Schüler von 61 auf 27 vermindert hat, so ist auch die monatliche Einnahme stets geringer als die Ausgabe. Es ist nämlich seit dem 1sten May 1808, monatliche Ausgabe An 7 Lehrer 55 Thlr. 10 Gr. An den Pedell 7 – 13 – Für Miethe 4 – Summa der Ausgabe 66 Thlr. 23 Gr. monatliche Einnahme Von 61 Kontribuenten Von 27 Lehrlingen Von der Hauscollecte Summa der Einnahme
35 Thlr. 6 Gr. 16 – 11 – 4 – 55 Thlr. 17 Gr.
Die Ausgabe übersteigt demnach die Einnahme um 11 Thlr. 6 Gr. welches jährlich 135 Thlr . beträgt; wobei die Feurung, Beleuchtung und andre kleine Ausgaben nicht einmal gerechnet sind. Durch die oben erwähnten Hülfsmittel sind aber seit dem 1sten May 1808, 232 Thlr. 14 Gr. 6 Pf. aufgebracht, und davon bis zum 1sten May 1809 sowohl zur Deckung des erwähnten Ausfalls, als zur Bestreitung der Auslagen für den Kalender 196 Thlr. 17 Gr. 6 Pf. verausgabt worden; so daß sich jetzt ein baarer Bestand von 35 Thlr. 21 Gr. in Cassa befindet. Was die innere Einrichtung der Schule betrifft, so sind die Schwierigkeiten, mit denen sie zu kämpfen hat, in der ersten Nachricht (1803) richtig angegeben worden. Wir müssen uns, des beschränkten Raums wegen, darauf beziehen; und bemerken nur, daß in unsrer Schule, als zur untersten Bildungsstufe gehörig, zwar nur Objecte gelehrt werden können, die unmittelbar ins praktische Leben eingreifen, daß sie es aber größten theils mit Kindern jüdischer Nation zu thun hat, deren praktisches Leben leider noch ein ganz andres ist, als das des Christen, und sie daher auch darauf Rücksicht nehmen muß. Aus diesem doppelten Gesichtspunkt betrachtet, ist es natürlich, daß eins Theils die hebräische Sprache und die Dogmatik der jüdischen Religion, als nicht zum praktischen Leben gehörig, keine Gegenstände des Unterrichts abgeben können, daß hin-
1 Von Müller in Stuttgard gestochen; und ist bey dem Direktor der Schule à 16 Gr. kl. Courant zu haben. 813
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gegen andern Theils auf das kaufmännische Rechnen und Buchhalten viel Sorgfalt verwendet werden muß. Mit einem Gebete um Fleiß und unbescholtenen Lebenswandel, wobey die jüdischen Kinder das Haupt bedecken, die christl. hingegen es entblößen, beginnt der Unterricht Morgens um 8 Uhr, und dauert bis 12 Uhr. Nachmittags um 2 fängt er wieder an, und beschließt um 5 Uhr mit einer Danksagung an Gott für den glücklich verlebten Tag und den genossenen Unterricht. In diesen 7 Stunden täglich trägt A. Herr Fr iedr ich August Garlipp, Inspector der Anstalt, vor: In der er sten deutschen Classe . Anwendung der syntaktischen, orthographischen und Interpunction-Regeln; Erklärung der Synonime und Tropen. Nach Adelung und eignen Diktaten. Zugleich werden die deutschen Classiker gelesen und erklärt. In der zweiten deutschen Classe . Kenntniß sämmtlicher Redetheile, deren Biegungen, nebst Anleitung zur Bildung der Sätze und Uebung in schriftlichen Aufsätzen. Nach Heinsius und eignen Diktaten. In der dr itten deutschen Classe . Anweisung zur Buchstabenkenntniß, zum richtigen und deutlichen Lesen, verbunden mit Erzählungen und Verstandesübung. In der er sten geog raphischen Classe . Die Hauptmomente der mathemat. Geographie; Übersicht der 5 Welttheile und ihres Handels in Hinsicht auf Europa. Nach eignen Diktaten nach Fabr i. In der zweiten geog raphischen Classe . Einleitung in die Geographie; Kenntniß der Karte von Europa und besonders von Deutschland. In der combinir ten zweiten und dr itten Classe . Eintheilung der Naturreiche und deren Classification, mit Hinsicht auf Technologie. Nach Hoffmann und eignen Diktaten. B. Herr M. W. Koch, (ehemals Schüler der Anstalt) führt die Anfänger im Rechnen bis zur Regula de tri, von wo an C. Herr Abraham Beschütz die zweite Classe durch die Kettensätze und Agio-Rechnung begleitet, so daß die er ste Classe in dem Ganzen, was zum kaufmännischen Rechnen gehört, und im doppelten italienischen Buchhalten, sowohl theoretisch als praktisch unterrichtet werden kann. Besonders wird hier auf das Kopfrechnen Rücksicht genommen. D. Herr Jean André. Lehrer an noch andern Anstalten, hat das Gesammte des französischen Unterrichts über sich genommen. In der er sten Classe wird der Syntax, und alles, was zur Grammatik gehört, gelehrt und werden Uebersetzungen aus dem Deutschen vorgenommen. Die Unterhaltung ist größten Theils in franz. Sprache.
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In der zweiten Classe wird nach Gedikens Lesebuch aus dem Französischen ins Deutsche übersetzt, und werden die Redetheile analysirt. In der dr itten Classe macht das Lesen und die Vorbereitung zur Grammatik die Hauptbeschäftigung aus, und den Schülern wird ein Pensum von Vocablen zum Auswendiglernen aufgegeben. E. Herr Joh. Fr iedr ich Meyer, Inspector der Anstalt, giebt täglich 3 Stunden im deutschen und lateinischen Schönschreiben. F. Herr Heymann Züllchauer übt in 2 Stunden täglich die Schüler im jüdischen Schönschreiben, woran auch die christlichen Lehrlinge Theil nehmen müssen, nicht bloß, damit sie in den dazu gewidmeten Stunden nicht müßig gehen sollen, sondern weil dem christlichen Kaufmann das Jüdisch-Geschriebene zu lesen, bei seinem nothwendigen Verkehr mit polnischen Juden sehr nützlich ist. Endlich giebt G. Herr Isaak Bar uch Aron täglich 2 Stunden in freiem Handzeichnen. Herr Garlipp führt die Aufsicht über die Lehrgegenstände. Herr Meyer hat die monatlichen Cassengeschäfte und alles, was die Oekonomie betrifft, unter sich; Herrn Koch sind die Sekretairs-Geschäfte und die Controlle übertragen, und der Direktor hat sich die Oberaufsicht über das Ganze der Anstalt vorbehalten. Von dem Betragen der Schüler während der Lehrstunden, von ihrem fleissigen oder nachlässigen Besuchen der Classen, wird ein genaues Verzeichniß geführt, und ihnen nach den Resultaten desselben in der vierteljährigen Censur ein beyfälliges oder tadelndes Zeugniß ertheilt. Oefftre Censuren vorzunehmen, scheint uns nicht rathsam, weil das jugendliche Gemüth zu leicht an Lob und Tadel gewöhnt wird, und beydes durch die Gewohnheit an Wirksamkeit verliert. Am 3. May d. J. sollen Vormittags von 9 bis 12 die untern Classen, und Nachmittags von 2 bis 5 Uhr die obern Classen öffentlich geprüft; dabey Probeschriften und Zeichnungen vorgezeigt, beym Wechsel der Classen einige Deklamationen gehalten, am Schlusse die Censur vorgenommen und die Preise vertheilt werden. Herr Beer Flies hat die Güte gehabt, uns in seiner Wohnung (Spandauerstraße Nr. 21. zwey Treppen hoch) ein Zimmer zum Examen einzuräumen. Zu dieser Schulfeierlichkeit ladet der Direktor der Schule die wohlthätigen Beförderer der Anstalt, die resp. Eltern und Vorgesetzten der Lehrlinge, so wie alle Kenner, Freunde und Gönner des Schulwesens hierdurch ehrerbietigst ein. Quelle: Dritte Nachricht von dem Zustande der jüdischen Freischule in Berlin. Womit zu der öffentlichen Prüfung, welche in dem Fliesschen Hause, Spandauer No. 21, Mittwoch den 3ten May, Vormittags 9 bis 12 und Nachmittags von 2 bis 5 Uhr gehalten werden soll, ehrerbietigst einladet L. Bendavid, zeitiger Director der Schule. Berlin 1809. – Druck in: Chevrat Chinuch Nearim, a. a. O., Dok. 225, S. 569–572.
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V) Achte Nachricht von dem Zustande der jüdischen Freyschule in Berlin, 1815 Froh im Herzen und heiter im Gemüthe, beginnt die Direction der jüdischen Freyschule die Einladungsschrift zur dießjährigen Prüfung; denn in keinem der vorhergehenden Jahre fand eine solche Theilnahme für diese Anstalt Statt, wie in dem so eben abgelaufenen. Die hohen, glücklichen Ereignisse der Zeit, die jeden redlichen, für das Fortkommen der Künste und Wissenschaften, für die Fortschritte der Sittlichkeit und die Ausbildung der Jugend fühlenden, Deutschen die Gewißheit gaben, daß dieser echt deutsche Sinn nicht ferner unterdrückt, sondern daß er für lange Zeit sein Eigenthum bleiben wird – diese Ereignisse haben freylich viel dazu beygetragen, den Blick auch auf unsre Anstalt zu richten, und ihr wohlwollend die Hand zu biethen. Allein die Direction hält es für eine gegen die Lehrer derselben unerläßliche Pflicht, hier zu bekennen, daß die letzte Prüfung, welche viele sachkundige Männer mit ihrer Gegenwart beehrten, sehr zum Vortheile der Schule gewirkt hat. Man überzeugt sich von der Zweckmäßigkeit des Unterrichts und dem Werthe der Anstalt; und seit diesem Tage schlossen sich viele an die Zahl der gewöhnlichen Contribuenten an, so wie andre die Casse durch Geschenke bereicherten. In der That ist wohl keinem, auch nur flüchtigen Beobachter der Charakter entgangen, der diese Anstalt von andern unterscheidet. Die unsrige ist zwar keine öffentliche, im eigenthümlichen Sinne des Worts, dennoch läßt sie sich, aus mehr als einem Grunde, nicht geradezu für eine Privat-Anstalt erklären. Er stens schenkt ihr der Königl. Consistorial- und Regierungs-Rath, Herr Nolte eine besondere Aufmerksamkeit, besucht sie fleißig und zu verschiedenen Stunden des Tages, und hebt sie dadurch in die Classe der öffentlichen; zweitens, wenn in Privat-Anstalten nur die Eltern oder Vormünder der Lehrlinge sich von den Fortschritten derselben zu überzeugen brauchen, ist, bey der unsrigen, das Auge aller ihrer Wohlthäter darauf gerichtet, und alle wollen, wenigstens Ein Mahl im Jahre, erfahren, ob sie ihre Wohlthaten nicht einer Undankbaren spenden; ja viele derselben – mit Dank erkennt dieß die Direction – besuchen die Classen im Laufe des Jahres, um sich von Ordnung und Fleiße als Augenzeugen zu überführen. Endlich dr ittens aber werden hier die Kinder nicht, wie in einer Privat-Anstalt, deßhalb unterrichtet und erzogen, damit der Vorsteher derselben zu leben habe, sondern die Lehrer werden – da die Leitung des Ganzen unentgeltlich geschieht – nur besoldet, weil die Kinder unterrichtet und erzogen werden sollen: sie würden von der Schule sofort entfernt und durch bessere ersetzt werden, sobald sie ihren Zweck nicht erfüllten. Ferner erlaubt der häufige Wechsel der Kinder, und die oft nur kurze Zeit ihres Aufenthalts in der Anstalt, nicht, einen sogenannten Cursus einzuführen. Der Unterricht kann sich an keine Zeit binden, und Ein Gegenstand muß so lange vorgetragen werden, bis alle Kinder, von denen eigentlich jedes eine besondere Classe ausmacht, ihn begriffen haben. Wie schwierig dies auch den Lehrern fällt, so führt es doch ausser dem innern Vortheile, für die Schüler noch den äussern herbey, daß an jedem Tage eine Prüfung über das was sie wissen, angestellt werden kann, daß jeder Tag Vorbereitung zu der am folgenden Tage möglichen, sowie das ganze Jahr Vorbereitung zur öffentlichen Prüfung ist, daß also diese letztere kei816
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ne, die Moralität der Kinder so sehr untergrabende, Abrichtung erfordert. Kinder sind sehr scharfe Beobachter. Bemerken Sie nur Ein Mahl, daß man durch das Abrichten sie für weiser als sie sind ausgeben und es daher aufs Windmachen anlegen will, so geht alles Predigen der Sittlichkeit durchaus verlohren. Sie sagen: wir verstehen Euch besser, wir beurtheilen Euch nicht nach Euren Worten, sondern nach Euren Thaten! Die Art und Weise, wie die Kinder unsrer Anstalt in der letzten Prüfung bestanden, und worüber die anwesenden Sachkenner ihre Freude laut geäussert haben, zeigte zu deutlich, daß man solch ein inniges Wiedergeben des Gelernten durchs Abrichten nie erreichen wird. Ueberdieß geschieht die Versetzung eines Knaben in die erste Classe mit äusserster Behutsamkeit. Die Anzahl der Schüler in derselben ist daher zwar nicht immer so klein wie jetzt, wo mehrere derselben kürzlich von der Schule zu ihrer Bestimmung abgegangen sind, aber doch klein genug, um den in ihr ertheilten Unterricht, einem Privat-Unterricht gleich achten zu können. Der Lehrer fühlt sich im Stand die Classe zu übersehen, und die eignen Ausarbeitungen der Schüler mit Muße zu bessern. Endlich gereicht es der Anstalt zu großem Vortheile, daß Christen und Juden ohne Unterschied Theil an dem Unterrichte nehmen. Nicht bloß der sehr wesentliche Nutzen wird dadurch herbeygeführt, daß die Kinder, die durchaus keinen Unterschied in ihrer Behandlung wahrnehmen, sich mit dem Gedanken vertraut machen, daß sie alle Kinder Eines Vaters sind, sondern auch der schnellere Fortschritt in der Ausbildung erhält dadurch einen großen Vorschub. Denn keine Religions-Partey will gern hinter der andern zurückbleiben, und der daraus entspringende liebenswürdige, den Kindern unbewußte und nur leise abgelauschte Wetteifer bewirkt das Gute, daß alle sich das Vorgetragene mit gleicher Sorgfalt anzueignen suchen. Ehe nun berichtet werden soll, wie menschenfreundliche Sachkenner diesen eigen thümlichen Charakter der Anstalt aufgefaßt und ihren Beyfall durch thätige Theilnahme an den Tag gelegt haben, sey es erlaubt, folgendes zu erzählen. Die Versetzung aus einer niedren Classe in eine höhere geschieht gewöhnlich nur nach den alle drey Monath gehaltenen Censuren. Allein Liebe zum Vaterlande und mithin zu dessen erhabenen Vater ist eine so heilige Pflicht, daß man keine Gelegenheit vorübergehen lassen darf, die man nicht benutzt, diese hohe Tugend in der Brust der angehenden Menschen zu wecken. Darum wurden an dem freudigen Tage des Geburtsfestes unseres guten und glorreichen Monarchen einige zur ersten Classe reife Knaben in diese Classe aufgenommen. Durch eine vom Director, in Gegenwart des ganzen Schulpersonale, gehaltene Rede, wurde allen Kindern die hohe Würde dieses Tages begreiflich gemacht, den neuen Primanern eingeschärft, daß, wie am heutigen Tage so im ganzen Leben hätten sie nur dem Landesvater und seiner huldreichen Regierung ihr Fortkommen im Staate zu verdanken; daß sie daher ihr eigenes Wohl nie von dem des Monarchen trennen könnten. Nach einem herzlichen Gebethe und einem, mit Andacht ausgebrachten: Hoch lebe der König! wurden die Kinder, Nachmittags, unter Aufsicht der Lehrer, ins Freye geführt und bewirthet. Zu den geringen Kosten dieser Feyerlichkeit steuerten bey: einige 817
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bemittelte Schüler, und zwey ehemalige Lehrer der Anstalt, die sich angeschlossen hatten, um ihre Theilnahme zu beweisen; das übrige schoß die Schulcasse zu. Der Gaben, wodurch edelmüthige Menschenfreunde, der Anstalt Ihre Zufriedenheit bewiesen, und ihr dadurch die Kraft verliehen haben, auch im abgelaufenen Jahre ihr Werk mit Eifer und Treue fortzusetzen, sind so viele gewesen, daß jeder, der einen Begriff von Jugendbildung hat, wohl von selbst einsieht, welchen Dank die Anstalt ihren Wohlthätern, den alten sowohl, als den neuen schuldig ist. Beyde machen sich wetteifernd um Menschenwohl verdient. Beyde verschmähen aber die Lobpreisung Ihrer edeln Handlungen, weil Sie in Ihrem Herzen und der aus Erzeugung von Wohlthaten entspringenden Beruhigung, Ihre wahre Belohnung finden. Dennoch sey es der Direction, ohne der Bescheidenheit der Geschenkgeber im mindesten zu nahe treten zu wollen, bloß als eine Art Rechnungsablegung vergönnt, die Gaben, die aufs neue eingegangen sind, nebst den Nahmen der Geber – sofern Sie es nicht ausdrücklich untersagt haben – hier der Reihe nach aufzuführen. A. Vermehrte jährliche Einnahme 1) Herr Elias Meyer hat seinen Beytrag von 1 auf 2 Thaler jährlich erhöhet; 2) Hr. David Liebmann trägt vierteljährlich 2 Thlr.; 3) Hr. Mos. I. Hir sch jährlich 2 Thlr.; 4) 5) Hr. von C. monathlich 1 Thlr.; und Hr. M. Caspar i halbjährl. 3 Thlr. bey. 6) Die edle Frau B. H. Ephraim geb. Liepmann Meyer Wulf hat ihren jährlichen Beytrag von 10 auf 20 Thlr. erhöhet. 7) Ihre Schwester, die edle Frau M. H. Ephraim giebt vierteljährl. 2 Thlr. 12 gr. als Beytrag. 8) Frau Baronin von Ar nstein in Wien hat ihren monatlichen Beytrag von 3 Thaler Courant in einen jährlichen von 60 Thlr. Frd’or verwandelt. 9), 10), 11) Die Herren A. Beschütz, J. M. Wolf und S. Philipp bewilligten jeder einen jährlichen Beytrag von 2 Thlr. 12), 13), 14) Die Herren Heiner sdorf , (Kupferstecher) S. Sachs und M. M. Meyer jeder einen vierteljährlichen Beytrag von 12 gr. 15) Hr. Bar uch Simon 1 Thaler vierteljährlich. Endlich 16) Hr. Adolph Flesch einen vierteljährlichen Beytrag von 1 Thaler. Die dadurch entspringende ver mehr te jährliche Einnahme beträgt zusammen 95 Thlr. Courant nebst dem Aufgelde von 60 Thaler Golde. B. Geldgeschenke 1) Frau Wittwe M . 2 Thaler; 2) Hr. A. B., 3 Thlr.; 3) Hr. P. 3 Thlr.; 4) Hr. Stadtrath …r. 2 Frdor; 5) Hr. Geheime Seehandlungsrath Nicolai, 1 Frdor; 6) von einem Freunde des Schulwesens durch den Schulvorsteher, Hrn. Dr. Bock, eingegangen, 1 Frdor; 7) der vereidete Mäckler Hr. F… 1 Frdor; 8) Hr. Geheim-Finanzrath Jacobson 1 bey verschiedener Gelegenheit, zusammen 55 Thlr. Courant; 9) Hr. Baron 1 Die Bemerkung darf nicht unterbleiben, daß Derselbe manchen armen und verdienten Knaben der Anstalt auf die großmüthigste Weise unterstützt. 818
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v. Dellmar, zu Holz, 6 Thlr. 12 gr.; 10) Hr. Demuth, deßgleichen, 2 Thlr.; 11) Hr. Banquier Magnus, deßgleichen, durch Hrn. Beschütz eingegangen, 10 Thaler; 12) Hr. Samuel Berends, bey Gelegenheit der Einweihung seines Sohnes, 3 Thlr.; endlich 13) von der Geldaustheilung am Grabe des verstorbenen Hrn. Sel. Laz. Lessing, durch Hrn. Benj. Fränkel, eingesandt, 5 Thaler. Diese Geschenke betragen zusammen 88 Thlr. 12 gr. Cour. und 25 Thlr. Gold. C. Geldwerthe Geschenke 1) Hr. Graf v. Rost, verehrte der Anstalt, bey Seiner Anwesenheit im vorigen Examen, die silberne Friedens-Medaille von 1814 zur dießjährigen Preisaustheilung; 2) 3) 4) zu eben dem Zwecke weiheten die Hrn. M. M. Meyer, Royer, ehemaliger Lehrer der Anstalt, und Joh. Friedr. Meyer, Schreiblehrer und Oekonomie-Inspector derselben, jeder eine silberne Schaumünze; 5) der Schulvorsteher, Hr. Dr. Bock schenkte die 3 Theile seines Kinderfreundes, und 6) der Kupferstecher Hr. Heiner sdorf 2 Hefte kleiner Landkarten, jedes enthaltend, die fünf Theile unsrer Erde. Die Direction nahm diese beyden letztern Geschenke zwar mit Dank an, bedauert aber, daß sie dem Willen der Geschenkgeber nicht nachleben und die erhaltenen Sachen als Preise für gute Schüler zuwenden kann, da es mit ihren Grundsätzen nicht zusammenstimmt, aus Büchern und Landkarten Preise zu machen. D. Anderweitige Wohlthaten 1) Die königl. Kalender-Deputation hat der Schule den Absatz der jüdischen Kalender gänzlich überlassen und läßt dieselben unentgeltlich stempeln; 2) der Kupferstecher Hr. Heiner sdorf 1 ertheilt den Schülern der ersten Classe wöchentlich zwey Freystunden im Planzeichnen, unentgeltlich; 3) die edle Frau Levy geb. Itzig nebst Ihrer Schwester Fräulein Rebecca schenken der Anstalt fortwährend ihre besondere Theilnahme. Die orientalische Druckerey bringt, leider! bis jetzt noch nicht die erhöhte Miethe auf, die ihretwegen bezahlt werden muß, indem der Zustand, in welchem man sie den Händen des letzten Pächters gleichsam entriß, so betrübt gewesen ist, daß es an Allem mangelt: nicht einmahl eine Presse ist in Ordnung. Dennoch hofft die Direction dereinst Vortheil für die Schulcasse daraus zu ziehen, und sie ist in diesem Jahre, durch ein glückliches Ereignis, ihrem Ziele etwas näher gerückt. Es wurde nähmlich der Ort ausgemittelt, wo der vorige Pächter mehrere Centner sogenanntes Zeugs versteckt hatte, die von dem redlichen Inhaber sofort mit Freuden an die Schule, als rechtmäßige Eigenthüme1 Hr. H e i n e r s d o rf , ein Schüler von Jäck, sticht jetzt jüdisch-deutsche Vorschriften des Schreibmeisters der Anstalt Hrn. War schauer in Kupfer, die für jüdische Schulen von Nutzen seyn können, da die Eleganz der Handschrift, die Sicherheit des Gradstichels und die Anordnung der Blätter nichts zu wünschen übrig lassen, und selten eine Schule solche schöne Vorschriften aufzuweisen haben dürfte. 819
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rin, ausgeliefert wurden. Dieses Zeug betrug so viel, daß man dafür 2 Centner neue Schrift gießen lassen, und eine der nothwendigsten Lettern-Arten anschaffen konnte. Weder in der Methode noch in dem Lehrerpersonale ist in diesem Jahre eine Veränderung vorgegangen. Beyde haben sich als gut bewährt gefunden, und durch die Treue des Letzteren, so wie durch die Zweckmäßigkeit der erstern sind abermahls mehrere Knaben sofort aus der Anstalt theils als Kanzelisten bey öffentlichen Büreaus, theils als Gehilfen in Handlungshäuser getreten. – Die Anzahl der jüdischen und christlichen Contribuenten ist in diesem Jahre zwar durch einige schmerzhafte Todesfälle vermindert worden, im Ganzen aber, durch den Beytritt jener Wohlthäter von 85 auf 90, gestiegen. Hingegen ist die Anzahl der Schüler um 9 kleiner geworden, und es sind jetzt deren nur 38 jüdische und 15 christliche, zusammen 55, von denen 22 den Unterricht frey genießen. Bey dem am 1. September d. J. erfolgten Abschlusse des Cassen-Buches – um dessen Einsicht am Tage der öffentlichen Pr üfung die Direction ganz ergebenst er sucht – ergab sich folgendes Resultat: Laut p. 11 des vorigen Berichts über den Zustand der Anstalt, war am 10. Aug. 1814
der Bestand neue Einnahme Summa Ausgabe Bleibt Bestand
Thlr. Gold Gr. 115: – ” 102: 12 ” 217: 12 ” 90: – ” 127: 12 ”
Thlr. Cour. Gr. 60: 18 ” 956: 9 ” 1017: 3 ” 955: 15 ” 61: 12 ”
Thlr. ¹⁄₄₂ Gr. Pf. 16: 1: 2 488: 12: 10 504: 14 – 447: 1: – 57: 13: –
Durch die Vergleichung dieses Bestandes mit dem vorigen, und durch die Anzeige, daß in diesem Jahre den wenigen Lehrern, welche noch persönlichen Anspruch auf rückständige Gehalte haben, abermahls 36 Thlr. 12 gr. Courant abschläglich darauf bezahlt worden sind, ergiebt sich, daß der Cassen-Zustand sich theils durch vermehrte Baarschaft, theils durch verminderte Schulden in etwas gebessert hat. Diese äussere Verbesserung verdankt die Anstalt bloß den edeln Menschen, die im vorigen Jahre so wohlwollend sich ihrer angenommen haben. Wollten doch diese sich in der Prüfung auch von den Fortschritten der Schüler als Augenzeugen überführen! o, sodann lebt die Direction der süßen Hoffnung, daß die bisherigen Gönner die Anstalt nicht verlassen und neue sich an jene anschließen werden! Die Vergleichung der so eben angegebenen Ausgabe mit der vorjährigen kann aber einen aufmerksamen Leser zu einer Frage veranlassen, die eine Antwort verdient. Nach dem p. 11 der vorigen Nachricht gemachten Anschlage der dießjährigen Ausgabe sollte diese in runder Summe nur 1365 Thaler betragen. Nimmt man aber die 3 Geldsorten der Ausgabe zusammen, so ist sie auf 1492 Thlr. 16 gr., also bedeutend höher gestiegen. Woher dieses? – Die, einem Cassenmanne gewiß genügende, Antwort ist folgen820
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de: durch die Umsetzung verschiedener Münzsorten in Courant, entstehen im Buche bekanntlich die sogenannten durchlaufenden Posten, welche Einnahme und Ausgabe um eine gleiche Summe erhöhen, und daher den Bestand unverändert lassen. Diese betrugen in diesem Jahre – wie das Cassen-Buch Fol. 1. 5 u. 6 nachweiset – zusammen 145 Thlr. 10 gr. Vermindert man daher Einnahme und Ausgabe um diese Summe, so fallen beyde um dieselbe geringer aus, als das Buch sie angiebt, und nahmentlich ist dann letztere zwar scheinbar 1492 Thlr. 16 gr. in der That aber nur 1347 Thlr. 6 gr. also sogar etwas kleiner als der Anschlag vermuthete. Der Unterricht selbst wird von den Herren Lehrern folgender Maßen ertheilt: A. Herr Aron. Wöchentlich 7 Stunden. Er ste Classe. Freye Handzeichnungen, Grundrisse auf dem Reißbrette und mit der Schiene, Landkarten und Tuschen. Zweyte und dr itte Classe combinir t. Zeichnungen von Hausgeräthen u. dgl. nach Thomsens Vorlegeblättern. B. Herr Bonte. Lehrer der französischen Sprache. Wöchentlich 11 Stunden. Er ste Classe . Syntax und alles, was zur Grammatik gehört; Uebersetzung aus dem Deutschen; statarische Erklärung franz. Classiker und franz. Conversation. Zweyte Classe . Uebersetzungen ins Deutsche nach Gedikes Lehrbuch und Analys. der Redetheile. Dr itte Classe . Französ. Lesen, cursorisches Erklären eines franz. Schriftstellers, und Vocabeln, als Pensum zum Auswendiglernen. C. Herr Fr iedr. Aug. Garlipp, Studien-Inspector der Anstalt. Wöchentlich 23 Stunden. In der er sten deutschen Classe. Anwendung der syntaktischen, orthographischen und Interpunction-Regeln; Erklärung der Synonime und Tropen. Nach Adelung und eignen Dictaten. Zugleich werden die deutschen Classiker gelesen und erklärt. In der zweyten deutschen Classe . Kenntniß sämmtlicher Redetheile, deren Biegungen, nebst Anleitung zur Bildung der Sätze und Uebung in schriftlichen Aufsätzen; nach Heinsius und eignen Dictaten. In der dr itten deutschen Classe. Anweisung zur Buchstabenkenntniß, zum richtigen und deutlichen Lesen, verbunden mit Erzählungen und Verstandesübungen. In der er sten geog raphischen Classe. Die Hauptmomente der mathemat. Geographie; Uebersicht der 5 Welttheile und ihres Handels in Hinsicht auf Europa. Nach eignen Dictaten nach Fabr i. Zwey Stunden: Brandenburgische Geschichte nach Tzschuke. In der zweyten geog raphischen Classe . Einleitung in die Geographie; Kenntniß der Karte von Europa und besonders von Deutschland. In der combinir ten zweyten und dr itten Classe . Eintheilung der Naturreiche und deren Classification, mit Hinsicht auf Technologie. Nach Hoffmann und eignen Dictaten. 821
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D. Herr Heiner sdorf . S. oben p. 9 [hier S. 819]. In der er sten Classe wöchentlich 2 Freystunden im Planzeichnen. E. Herr Leg rom, wöchentlich 6 Stunden. Zweyte Classe . Geometrische Constructionen. Er ste Classe. Die bereits bekannten Constructionen werden demonstrirt, und die Nothwendigkeit des Erfolgs gezeigt. F. Herr Magnus, wöchentlich 14 Stunden. Dr itte Classe . Die 5 Species und Regula de tri. Zweyte Classe. Kettensätze, Agiorechnung und Kopfrechnen. Er ste Classe . Höhere kaufmännische Rechnungen und das doppelte italienische Buchhalten, theoretisch und praktisch. G. Herr Joh. Fr iedr. Meyer, Oekonomie-Inspector der Anstalt, wöchentlich 11 Stunden; lehrt in allen Classen das Schreiben mit deutschen und lateinischen Lettern. H. Herr Meyer II, wöchentlich 10 Stunden. Dr itte Classe . Hebräisches Lesen nach den Regeln der Grammatik, wörtliches Uebersetzen und Erklärung der allgemeinsten Bedeutung der Hülfsbuchstaben. Zweyte Classe. Zusammenhängende Uebersetzung aus dem Hebräischen, De cliniren und Einleitung in die Redetheile. Er ste Classe. Uebersetzung aus dem Hebräischen ins Deutsche und umgekehrt; Conjugationen und Syntax; die 5 Bücher Mosis in der Grundsprache, im Zusammenhange, und nach Perikopen zum Behuf der Geschichte der Israeliten. Eine Stunde Religions-Unterricht.1 I. Herr War schauer, Controlleur der Anstalt. Wöchentlich 7 Stunden. Lehrt in allen Classen das Jüdisch-Schreiben. Am 27. Sept. d. J. Vormittags von 9 bis 12, und Nachmittags von 2 bis 5 Uhr, sollen die Schüler in allen Gegenständen des Unterrichts öffentlich geprüft, dabey Probe-Schreiben und Zeichnungen vorgezeigt, beym Classenwechsel einige Declamationen gehalten, und am Schlusse die Censur und die Preisvertheilung vorgenommen werden. Zu dieser Schulfeyerlichkeit ladet der Director der Anstalt die wohlthätigen Beförderer derselben, die resp. Eltern und Vorgesetzten der Lehrlinge, so wie alle Kenner, Freunde und Gönner des Schulwesens hierdurch ehrerbietigst ein. Quelle: Achte Nachricht von dem Zustande der jüdischen Freyschule in Berlin. Womit zur öffentlichen Prüfung, welche in der neuen Friedrich-Straße No. 56, Mittwoch den 27ten Septbr., Vormittags von 9 bis 12 Uhr und Nachmittags von 2 bis 5 Uhr gehalten werden soll, ehrerbietigst einladet, Lazarus Bendavid, zeitiger Director der Schule. Berlin 1815. – Druck in: Chevrat Chinuch Nearim, a. a. O., Teil 2, Münster, New York, München, Berlin 2001, Dok. 478, S. 843–848.
1 Die christlichen Schüler werden in der Zeit, wo Herr Meyer unterrichtet, anderweitig beschäftigt 822
Chavurat Mazdiqej haRabim (Vereinigung der Wohltäter für die Vielen)
Chavurat Mazdiqej haRabim (Vereinigung der Wohltäter für die Vielen) Statuten „Pinqas uChetav haDat“, Oktober 1785 Protokoll und eine Abschrift der Schrift des Gesetzes eingegraben in die Tafeln. Das sind die Worte des Bundes, die gesprochen und gegeben wurden in der Versammlung einer Gruppe von Leuten, welche viele zur Wohltätigkeit führen; deren Geist ihre Buchstaben willig antreibt, um dem Silber seine Quelle zu geben, damit neue und alte Bücher zugunsten Vieler gedruckt werden können. Hier, Berlin im Verlag der Chinuch Ne’arim im Jahr 1785/86.
Aber die Verständigen werden glänzen wie der Glanz des Himmels, und die, welche viele zur Wohltätigkeit führen, wie die Sterne, immer und ewig [Dan 12,3]. Dies sind die Statuten, welche die Mitglieder der Gesellschaft aufstellten und denen sie mit ihrer Unterschrift zustimmten: (1) Die ganze Gruppe – sie alle sind Gottesfürchtige – soll mit dem Namen Chavurat Mazdiqej haRabim benannt werden, denn dies ist der passende Titel für sie, gemäß dem Tun ihrer Hände. (2) Jeder Mensch aus dem Hause Israel, in allen seinen Wohnorten, der uns sein Herz schenken will, um teilzuhaben an dieser wohlgefälligen Sache, wird in die Gemeinschaft der Gruppe der Mazdiqej haRabim aufgenommen. Alsdann ist es an ihm, das heilige Werk mit Geldesgabe zu unterstützen. Die Vorsteher der Gesellschaft nehmen für jede Schrift, die durch sie verlegt wird, pro Bogen eine Summe von einem Groschen und Holländisch eine Summe von sechs Dreiern. Wer von seinem Geist dazu angetrieben wird, mehr als einen Bogen zu nehmen, der sollte dies bei seiner Namensunterschrift angeben. (3) Jedes Buch, sei es alt, neu oder übersetzt, das durch die Vorsteher der Gesellschaft zum Druck gebracht werden soll, wird nicht ohne Überprüfung der in der betreffenden Schrift abgehandelten Wissenschaft für geeignet erklärt werden; dies soll durch Gelehrte, die in Glaubens- und Gesetzesangelegenheiten unterrichtet sind, geschehen. Handelt die Sache, über die gesprochen wird, von Gemara, Peruschim, Tosafot [talmudische Schriftauslegungsliteratur], dann soll sie vom Oberrabbiner und dem obersten Gerichtshof dieser heiligen Gemeinde hier in Berlin geprüft werden. Entsprechend soll auch mit jeder vernünftigen Wissenschaft verfahren werden, von der das Buch handelt; es wird geprüft werden von den Gelehrten des Volkes, die in der Wissenschaft, von der in den Kapiteln des betreffenden Buches gesprochen wird, unterwiesen sind. Gemäß drei Gutachtern wird die Angelegenheit zum Gefallen der Vorsteher der Gesellschaft geregelt werden, um dem Silber seine Quelle zu geben und das Buch zu verlegen. 823
Vereine in der jüdischen Gemeinde
Die Herausgabe wird nur unter diesen Bedingungen und mit Genehmigung der Vorsteher geschehen. (4) Die Bücher sollen hier in der heiligen Gemeinde Berlin zu einem günstigen Preis in der Druckerei des Instituts Chinuch Ne’arim gedruckt werden. (5) Die Vorsteher der Gesellschaft und die Govim [Kassierer, Korrespondenten in anderen Städten] sind verantwortlich für die gesamte Gruppe der Mazdiqej haRabim, dies sind die Vorsteher des Instituts Chinuch Ne’arim hier in Berlin. (6) Jedes Mitglied der Gruppe der Wohltäter muss nicht mehr als vier Bogen monatlich entgegennehmen, es sei denn, man verpflichtet sich mehr zu nehmen. Nach dem Einverständnis der ganzen Gesellschaft soll so verfahren werden. (7) In jeder Stadt, in der Menschen gewillt sind, zur Gesellschaft der Wohltäter beizutreten, sollen für sie in den jeweiligen Städten Govim angestellt werden, die zum Gespräch und zur Aufnahme der Unterschriften zur Verfügung stehen, die Bücher empfangen und sie verteilen sowie das Geld hierher, in die Hände der verantwortlichen Govim der Direktion der Gesellschaft schicken. Und dies sind die Namen der Govim, welche sich in ihren jeweiligen Städten, den heiligen Gemeinden befinden [es folgt eine Leerzeile ohne Eintrag]. (8) Jedes einzelne Mitglied der Gruppe der Wohltäter, dem ein Kind geboren wird, dem ein Sohn geschenkt wird oder der einem seiner Söhne eine Hochzeit ausrichtet, soll eine Gabe an die Kasse entrichten, ganz nach Herzenswunsch, der eine viel und der andere wenig, wie es ihm das Werk seiner Hände erlaubt. (9) Jeder soll ein Gelübde ablegen auf sein Festhalten an der Tora und auf das Einhalten von Sabbat-, Fest- und Feiertagen und alles Silber der Schätzung von Personen, das sein Mund entbehren kann, an die Kasse der Wohltäter übergeben. Er soll das Geld demjenigen Korrespondenten aushändigen, der sich in seiner Stadt befindet, und dieser Korrespondent wird den Betrag hierher an die Vorsteher der Gesellschaft schicken. (10) Nach Ablauf von drei Jahren werden die Spenden jedes Mitglieds namentlich in einer Liste mit einem eisernen Griffel in Blei abgedruckt werden, zu Ruhm und Ehre. (11) In jedem durch die Direktion der Gesellschaft verlegten Buch, das im Druck einen Umfang von zwölf Bogen erreichen wird, werden die Namen aller Gesellschaftsmitglieder nach alphabetischer Ordnung und mit ihren Herkunftsorten und Wohnsitzen abgedruckt werden. Es wird ihnen also zugute kommen, dass man inmitten ihres Volkes eine Aufbewahrungsstätte errichtet, den Generationen zum ewigen Andenken und die Frucht der Wohltätigkeit zum Stolze und zur Pracht. (12) Die Bücher, die die Druckgenehmigung der Vorsteher der Gesellschaft und einiger ihrer Wohltäter bereits erlangt haben, sind die fünf Bücher Moses, die Propheten und die Schriften in der deutschen Übersetzung, von der ein Teil der Feder des berühmten Weltweisen, unseres Herrn und Lehrers Moses Dessau, s. A., entstammt, und ein Teil ist die Übersetzung eines verständigen Mannes, reich an Wissen und bekannt für seine Gedichte. Der oben genannte Weise sah diese Übersetzung und gab seine Zustimmung. Und nach seinem Vorbild werden die fünf Megilot [Schriftrollen] und die Haftarot 824
Chavurat Mazdiqej haRabim (Vereinigung der Wohltäter für die Vielen)
auf das ganze Jahr [jährliche Prophetenlesungen], mit einem Titelkupfer, der Pentateuch des obgenannten Weisen in deutscher Übersetzung und mit einer Erklärung nach dem einfachen Verständnis der geschriebenen Worte und der Grammatik der Verfasser sowie mit der Anleitung Raschis gedruckt. Aus Wohlgefallen am Hause Israel. Wenn die Mitglieder der Gesellschaft zustimmen werden, soll auch das Buch der Ethik des Aristoteles (das im Sefer ha‘Aqeda überliefert ist) mit dem Kommentar des Josef Schemtov, der uns noch in einer Handschrift erhalten ist, zum Druck gebracht werden. Dafür werden wir etwa einhundertfünfzig Reichstaler benötigen, und wenn es gedruckt ist, soll es für einen Wert von zwei Reichstalern zum Käufer gelangen. Der günstige Preis aller wissenschaftlichen Bücher richtet sich nach dem Einvernehmen der Gesellschaftsmitglieder. Wie oben erwähnt ist ein Mitglied keinesfalls verpflichtet, mehr als Einen Bogen pro Woche entgegenzunehmen. Auch wird man die Bogen nicht einen nach dem anderen empfangen, sondern es erhält jeder ein vollständiges Buch und bezahlt entsprechend nach abgezählten Bogen. (13) Wir erinnern uns an die Bemerkung, die unser Lehrer und Herr Isaac Satanow aus dem Hause Levi oben [im Vorwort] gemacht hat, nämlich in rabbinischem Geiste drei Bücher zu verlegen. Dieses sind das Sefer haMichlal nach David Kimchi und das Sefer haSchoraschim, erster Teil, das in angeordneter Reihenfolge die verschiedenen Bedeutungen jedes einzelnen Wurzelwortes der heiligen Sprache hervorbringt und worin alle Derivationes und Kompositiones Bedeutung für Bedeutung aufgezählt werden, welche von ihnen in der Ableitung transitive oder intransitive Verben bilden. Den Nomina werden die gehörigen Pronomina und Konstrukte beigeordnet; auch wird dargestellt, welche Wurzelwörter kein Pronomen bilden und welche nicht im Konstruktus gebraucht werden. Der zweite Teil bringt die verschiedenen Wurzelwörter, in Gruppen zusammengefasst, die jeweils über ihre Bedeutung belehren so wie in dem Werk Ohel Mo‘ed des Salomon ben Abraham Urbino, alles in Tabellen und nach der richtigen Ordnung, um angenehme Worte zu finden. Und wir haben gesehen, dass diese drei Bücher eine Bahn und einen Weg des Heiligen für jeden verständigen Schüler bezeichnen, ihm die Bibelauslegung durch aufmerksame Betrachtung und ohne jegliche Erklärung verständlich zu machen. – Und siehe da, im Jahr 1784 trat ein Teil der Wohltäter zur Stärkung [der Vereinigung] zusammen – mit ihrer eigenhändigen Unterschrift zur Subskription der drei erwähnten Bücher. Nach dem Druck werden sie sie für eine festgesetzte Summe von drei Reichstalern entgegennehmen (während das Sefer haMichlal allein jetzt so teuer ist und [die drei Bücher] insgesamt für sechs Reichstaler verkauft werden). Auch jetzt noch unterschreiben Wohltäter unseres Volkes erneut die Subskription. Entsprechend haben auch wir, die Gruppe der Wohltäter, beschlossen, dass jeder einzelne von uns die drei erwähnten Bücher bekommt, als hätte man sie, wie die Wohltäter unserer Gesellschaft, durch Subskription erstanden. Und das sei uns das Zeichen: Jede Unterschrift der Gruppe der Wohltäter ist mit einem Stern markiert, und dieses Zeichen [bedeutet:] Diejenigen, welche viele zur Wohltätigkeit führen, sind wie die Sterne. Diejenigen, die lediglich die drei Bücher empfangen, erscheinen ohne Kennzeichnung. 825
Vereine in der jüdischen Gemeinde
Wer nur die drei Bücher möchte, soll von nun an ‚Michlal Schoraschim‘ bei seiner Unterschrift angeben; zur Mitteilung und Kenntnis dessen, zu wem von den Heiligen er sich wenden möge. Alle, die sie sehen, erkennen sie, dass sie ein Same sind, den der Ewige gesegnet. (14) Ist es der Wunsch der Gruppe, etwas zu erneuern, dann muss, nach Einverständnis der Govim in den Städten und nach Zustimmung der hiesigen Direktoren, der Mehrheit folgend eine Sache bestätigt werden. Um all das Gesagte zu bestätigen und um den Belangen der Gruppe der Wohltäter Gültigkeit zu verleihen, kamen wir zur öffentlichen Unterzeichnung zusammen – der Pfad der Gerechten ist wie das Licht des Frührots, das immer heller wird, bis zur Tageshöhe. Heute am 26. Oktober 1785, und es ist das Werk der Gerechtigkeit – Frieden. Quelle: Pinqas uChetav haDat. Berlin, im Verlag der Chevrat Chinuch Ne’arim. Berlin 1786. – Übersetzt aus dem Hebräischen von Uta Lohmann (Bibelzitate, hebräische Buchtitel, grammatikalische Fachbegriffe und die Übertragung jüdischer Daten sind kursiv gesetzt).
Chevrat Schocharej haTov wehaTuschija (Gesellschaft der Beförderer des Edlen und Guten) I) Programm, Juni 1787
תבנית חברת שוחרי הטוב והתושיה הנתיסדה בשנת תקמ"ז לאלף הששי Plan zu einer Gesellschaft der Beförderer des Edlen und Guten unter dem hebräischen Namen שוחרי הטוב והתושיה. Königsberg und Berlin
Einleitung Es sind gottlob der Menschen mehrere unter unserer Nation, die sich zum Vergnügen machen, von dem Guten, das sie besitzen, anderen mitzuteilen und ihren Nebenmenschen nach bestmöglichen Kräften nützlich zu sein. Es seien diese Kräfte des Geistes oder des Körpers, diese Güter mittelbare, oder unmittelbare, immer wird ihre Mitteilung beide, sowohl den Mitteilenden als den Teilnehmenden glücklich machen. Das Gefühl jedes rechtschaffenen Herzens bürgt für diese Wahrheit. Vermögen dieses nun aber schon einzelne Kräfte, an einzelne Glieder verwendet, welch eine größere Wirkung lässt auf der einen Seite sich nicht von den vereinigten Kräften vieler solcher Edel826
Chevrat Schocharej haTov wehaTuschija (Gesellschaft der Beförderer des Edlen und Guten)
gesinnten erwarten, die nicht nur der Wohltaten mehrere leisten, sondern auch mit so vielfach verdoppelter Stärke und mit unendlich wichtigem Nachdruck, jede derselben weit reeller, weit dauerhafter, weit umfassender und weit folgenreicher machen können; so wie es auf der anderen Seite bei jedem einzelnen Mitgliede einer solchen wohltätigen Gesellschaft, ein weit freudenreicheres seliges Gefühl erwecken muss, durch seine Mit- und Einwirkung nicht bloß zum Wohl eines, sondern zu dem von Tausenden seiner Nebenmenschen beigetragen zu haben. Diesem löblichen Gefühl eigenem Werts allein ist, so lehrt die tägliche Erfahrung, schon hinreichend das Band der Gesellschaft auf immer zu verfestigen, und man kann also dem zufolge mit gutem Grunde sich das Aufkommen und den Fortgang einer solchen Gesellschaft versprechen, bei welcher noch außer der Hervorrufung jenes edlen Gefühls, auch die Einrichtung getroffen werden, dass ihren Mitgliedern selbst einiger Vorteil aus ihrer Verbindung entstehe, wie in dem Verfolg dieses Plans mit mehrerem zu ersehen ist. Erster Artikel. Endzweck der Gesellschaft. Der Endzweck dieser Gesellschaft soll und muss kein anderer sein, als der ihrem Namen völlig entspricht: Die Beförderung des Edlen und Guten. Das heißt, nicht nur durch ihre vereinigten Kräfte so viele gute und löbliche Handlungen zu verrichten oder Einrichtungen zu treffen, als ihr nach den jedesmaligen Umständen möglich sein wird; sondern auch, und zwar dieses hauptsächlich, den Trieb zum Edlen und Guten so viel als möglich in die Herzen der Menschen rege machen, aus welchem letzterem Grunde sie sich des Namens [ מצדיקי רביםMazdiqej haRabim, Wohltäter der Vielen] verdient machen wird. Beides indes bewerkstelligen zu können, schlägt die Gesellschaft folgende drei Wege ein. 1) Den literarischen Weg, zur Bildung des Verstandes und Herzens, und zwar: a) Schließt sie sich an die seit dem Jahre [ תקמ"ג1782/83] zu Königsberg in Preußen existierende Gesellschaft hebräischer Literatur Freunde ([ )חברת דורשי לשון עברan] und wird von nun an mit derselben, eine und eben dieselbe Gesellschaft ausmachen. Als diese besorgt sie nun auch ferner die bishero monatlich herausgegebene periodische Schrift Der Sammler ()המאסף, mit dem einzigen Unterschied, dass sie von nun an nach einem anderen Plan eingerichtet und noch gemeinnütziger, als sie bis jetzt war, gemacht werden soll. b) Wird sie dafür Sorge tragen, dass durch die vereinigten Fähigkeiten ihrer Mitglieder, nach und nach eine gute deutsche Übersetzung von allen [ ספרי קודשheiligen Büchern], namentlich [ נביאים וכתוביםPropheten und Schriften] nach dem Vorbilde der Übersetzung der [ תורהTora, des Pentateuch] und [ ס' תהיליםder Psalmen] von unserem weltberühmten Lehrer und Zeitverwandten, dem jetzt verewigten דעסויא [ ז"ל החכם ר' משהWeltweisen Moses Mendelssohn, s. A.], angefertigt werde, und für einen so wohlfeilen Preis als möglich zu erhalten sei. c) Eben so die Anfertigung und so viel als möglich wohlfeile Anschaffung anderer solcher [ ספריםBücher], die teils zur richtigeren und besseren Kenntnis jener, deren 827
Vereine in der jüdischen Gemeinde
wichtigen Einfluss auf unsere moralische Beschaffenheit niemand leugnen kann, als auch zur Erlangung anderer Kenntnisse nötig sind, die nicht minder unsere moralische Güte mit bestimmen helfen. 2) Den belohnenden Weg; zufolge dessen sie von Zeit zu Zeit, nach den jedes Mal sich ereignenden Umständen an solche Männer ansehnliche Preise austeilen wird, die sich, es sei durch Schriften oder durch Handlungen, um das Wohl der Menschheit und besonders um das Wohl der jüdischen Nation verdient gemacht haben. 3) Den ausübenden Weg; zufolge dessen sie selbst von Zeit zu Zeit, nach den jedes Mal sich ereignenden Umständen, solche Einrichtungen treffen wird, die zum Wohl unserer Nation gereichen, wobei sie denn auch die Vorschläge jedes einzelnen Mitgliedes gern annehmen, bei ihren Zusammenkünften darüber delibrieren und wofern es nur tunlich, sie gewiss zur Wirklichkeit bringen wird. Anhang: Eine Einrichtung die zugleich mit der Gesellschaft ihren Anfang nimmt, ist diese: dass alle die Litera a), b), c) genannten Schriften sowohl, als auch alle die, welche ein Mitglied unter Approbation der Gesellschaft herausgeben sollte (siehe Artikel 3, Numeri 2 b), Lit. B) in der Offizin der Jüdischen Freischule zu Berlin ()חברת חנוך נערים gedruckt werden, und dergestalt zugleich ein Institut in etwas zu begünstigen, das selbst nicht wenig zur Beförderung des Edlen und Guten beiträgt. Zweiter Artikel. Beschaffenheit der Mitglieder. Zu Mitgliedern dieser Gesellschaft qualifizieren sich: 1) Literati ()תורנים. Hierunter werden alle diejenigen verstanden, die sich in den Wissenschaften umgesehen, und sich einen hinlänglichen Vorrat an Kenntnissen in diesen oder jenen Fächern der Gelehrsamkeit zueigen gemacht haben. 2) Künstler ()אומנים. Denn da die schönen Künste und Wissenschaften zur Ausbildung der Menschen sehr wichtige Mittel sind, und durch ernste Betriebsamkeit in denselben die Nation sehr gehoben werden wird; so können solche Männer, die sie mit Ernst betreiben, dem edlen und guten Teil der Nation nicht anders als höchst willkommene Gefährten sein. 3) Aber auch alle diejenigen [Förderer] ()נדיבים, denen das Wohl der jüdischen Nation an Herzen liegt, und die dieses durch tätige Beweise an Tag legen wollen, indem sie durch Geldes-Beiträge an den Einrichtungen der Gesellschaft Teil nehmen, (man sehe die nähere Bestimmung hiervon im folgenden Artikel, Numeri 4). Dritter Artikel. Pflichten der Mitglieder gegen die Gesellschaft. 1. Jedes Mitglied in allen erwähnten Klassen verpflichtet sich jährlich ein Exemplar der oben erwähnten periodischen Schrift ([ )המאסףHaMeasef] für zwei Reichstaler in Louis d’or zu nehmen, welches Geld immer pränummerando bezahlt werden muss. 2. Die Literati der Gesellschaft verpflichten sich noch besonders: 828
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a) derselben mit ihren Literar-Kenntnissen an Händen zu gehen, A) in Beiträgen zur oft erwähnten Monats-Schrift ([ )המאסףHaMeasef]; B) in der Ausarbeitung anderer von den Vorstehern der Gesellschaft ihnen aufgegebene Themata C) in der Beurteilung der ihnen zu diesem Ende von eben denselben vorgelegten Schriften anderer Skribenten. b) Gibt ein solches Mitglied ein eigenes Werk unter seinem Namen heraus, so A) muss er zu diesem den Titel [ חבר לחברת שוחרי הטוב והתושיהMitglied der Chevrat Schocharej haTov wehaTuschija] hinzufügen, um dergestalt die ihm dadurch zufallende Ehre mit der ganzen Gesellschaft zu teilen. Um indessen zu verhüten, dass nicht zuweilen eben dadurch gerade mehr verloren als gewonnen werde, so B) muss der Verfasser seine Schrift der Hauptdirektion der Gesellschaft zur Approbation einschicken. Er erhält entweder diese oder seine Schrift zurück. Im ersten Falle hat er den Vorteil zu genießen, dessen im folgenden Artikel (Numeri 1) gedacht wird; im letzten Fall steht ihm zwar immer noch frei, seine Schrift zu drucken, jedoch nicht unter bemeldetem Titel. 3. Die Künstler verpflichten sich noch besonders dazu, der Gesellschaft bei sich ereignenden Umständen mit ihrer Kunstgeschicklichkeit hilfreiche Hand zu leisten. 4. Die Geld beitragende Mitglieder teilen sich in Ansehung ihrer besonderen Verpflichtung in zwei Klassen. a) In solche, die jährlich, außer der Abnahme des Measef, auch noch ein anderes Quantum Literar- oder (wenn der Fall sich ereignet) Kunstwerke von der Gesellschaft nehmen wollen, welches Quantum zu bestimmen jedoch in ihrem Belieben steht; und b) In solchen, die jährlich außer der Abnahme des Measef, noch eine freiwillige Gabe, ohne etwas dagegen zu verlangen, der Gesellschaft bewilligen, wobei jedoch gleichfalls die Quantität dieser Gabe ( )נדבהin ihrem Belieben steht. Vierter Artikel. Pflichten der Gesellschaft gegen ihre Mitglieder. 1) Sendet ein literarisches Mitglied sein zum Druck bestimmtes Werk an die Hauptdirektion der Gesellschaft ein, und es erhält die Approbation, so besorgt die Gesellschaft nicht nur den Druck desselben (siehe oben, Art. 1, der Anhang) und setzt ihre Approbation an die Spitze des Buches, sondern nimmt auch eine ihren jedesmaligen Umständen angemessene Zahl Exemplare, verteilt diese unter ihren Mitgliedern dritter Klasse, zahlt aber das Geld dafür alsbald an den Verfasser nach Abzug der Druckkosten. 2) Eben so wenn ein Künstler, Mitglied der Gesellschaft, ein Kunstwerk heraus gibt und sich an dieselbe wendet, so nimmt sie, wenn es nämlich den Beifall bewährter Kunstkenner, denen sie es vorgelegt, erhalten hat, so viel Exemplare als das gesamte 829
Vereine in der jüdischen Gemeinde
Quantum ihrer Mitglieder der dritten Klasse möglich macht, und zahlt ihm das dafür kommende Geld alsbald aus. 3) Gibt die Gesellschaft selbst ein Werk in den Druck, so muss sie allen ihren Mitgliedern die es kaufen wollen, die Exemplare um 10 Prozent wohlfeiler als an andere Käufer überlassen. Anhang: Die Gesellschaft wird sich ein Vergnügen daraus machen, das Wohl jedes ihrer Mitglieder, so bald es nur in ihrer Macht steht, befördern zu helfen. Fünfter Artikel. Äußere Formal-Einrichtung. 1) Die Gesellschaft zur Beförderung des Guten und Edlen schränkt sich nicht, wie andere bis jetzt unter uns errichtete löbliche Institute, auf die Bewohner einer einzigen Stadt ein; vielmehr wird es ihr höchst angenehm sein, auch an anderen Orten wie und wo sie seien, edle und tätige Menschenfreunde zu finden, die an ihren Einrichtungen Teil nehmen wollen, die ihr denn auch willkommene Freunde sein werden. 2) Sind in einem Orte mehr als zehn Mitglieder, so wird einer unter ihnen zum Inspektor ( )משגיחangesetzt. Sind ihrer aber mehr als dreißig, so wird in diesem Orte eine förmliche Direktion angesetzt. 3) Eine Direktion besteht, außer den Inspektoren für jede zehn Mitglieder noch aus einem Direktor ( )מנהיגund einem Sekretär ()סופר. Sie führt ein gesellschaftliches Insiegel, und hält auf Kosten der Gesellschaft eine Wohnung zu ihren Zusammenkünften. 4) Die Hauptdirektion zu Königsberg in Preußen besteht aus zwei Direktores, einen Kassen-Inspektor ( )גבאיeinen Assessor ( )יועץund einen Sekretär. 5) Die wegen der Druckerei-Kommission zu Berlin angesetzte Oberdirektion, hat noch außer den oben erwähnten Vorstehern einer Direktion einen Druckerei-Inspektor ( )משגיח על הדפוסund zwei Korrektores ()מגיהים. 6) Alle diese Direktiones und Inspektiones stehen unter der Oberaufsicht des OberDirektors [ ר' איצק בר"ד יפהIsaac Daniel Itzig] aus Berlin. Sechster Artikel. Von der Korrespondenz und der Beurteilung der Schriften. 1) Wenn ein Mitglied an die Gesellschaft etwas zu geben oder zu fordern hat, so wendet es sich an den Inspektor seines oder des nächsten Ortes, dieser an die nächste Direktion, so wie letztere an die Ober-Direktion zu Berlin; die es denn endlich an die Hauptdirektion zu Königsberg in Preußen gelangen lässt. 2) Es wird demnach zur Verhütung der Unordnung, die Hauptdirektion mit niemand anders als der Ober-Direktion zu Berlin weder in Korrespondenz noch in Rechnung stehen. Diese rechnet wiederum mit jeder Unter-Direktion ab, so wie letztere mit den ihr zugehörigen Inspektores. 3) Jeder Inspektor quittiert dem Mitgliede über das von ihm erhaltene Geld oder Schriften, unter seinem Namen. 830
Chevrat Schocharej haTov wehaTuschija (Gesellschaft der Beförderer des Edlen und Guten)
4) Will ein Literatus der Hauptdirektion eine Schrift einsenden, so versiegelt er dieselbe in einem Umschlage den er auf der Rückseite mit S bezeichnet, schreibt seinen Namen nächst dem was er noch ferner derselben wissen lassen will, auf einen anderen Zettel, den er gleichfalls versiegelt und auf der Rückseite mit N bezeichnet, fügt zu beiden noch ein gleiches Wort oder eine gleiche Devise hinzu, zum Beweis, dass sie zusammen gehören, übergibt sie dem nächsten Inspektor, der auf jedem noch seinen Namen hinzusetzt, und sie auf den oben angegebenen Weg an die Hauptdirektion besorgt. 5) Diese erbricht fürs Erste nur den mit S bezeichneten Umschlag, übergibt den Inhalt, und schickt die Schrift an einige hierzu fähige Mitglieder zur Beurteilung. Fällt diese zu Gunsten der Schrift aus, so erbricht die Hauptdirektion auch den anderen mit N bezeichneten Umschlag, um sowohl den Namen des Verfassers als auch das Übrige zu erfahren, was sie wissen soll. 6) Erhält die Schrift aber keinen Beifall, so wird der zweite Umschlag gar nicht erbrochen, sondern die Schrift selbst wird mit dem Petschaft der Hauptdirektion versiegelt und beides wiederum an den Inspektor geschickt, dessen Namen darauf gestanden, der sie gleichfalls unerbrochen ihrem Aussteller zurück gibt, nach dem er sich von ihm die dafür kommende sämtliche Hin- und Her-Porto hat bezahlen lassen. Anhang: Durch diese (in Numeri 3, 4, 5, 6) getroffene Einrichtung wird verhütet, so wohl alle Vorteiligkeit beim Beurteilen der Schriften als auch der Schaden der Gesellschaft durch Porto für unbrauchbare Skriptoren. Siebenter Artikel. Von der Aufnahme der Mitglieder 1) Will jemand unter die Gesellschaft aufgenommen werden, und wendet sich dieserhalb an ein Mitglied derselben an seinem Wohn-Ort, so macht es dieser wiederum dem Inspektor, oder wenn in diesem Ort keiner ist, den anderen Mitgliedern daselbst bekannt, denen es, da sie ihn am besten kennen, immer zu beurteilen zukommt, ob und in welcher Klasse er aufgenommen sei. 2) Ist die Mehrheit der Stimmen für den sich Meldenden, so wird ein Aufsatz an die Hauptdirektion gemacht, in welchem die sämtlich unterschriebenen bejahenden Mitglieder, denselben zum Gefährten vorschlagen. 3) Die Hauptdirektion bestätigt ihn alsdann dadurch, dass sie dem nächst vorstehenden Inspektor ein Patent für ihn zuschickt, von den sämtlichen dazu gehörigen Vorstehern unterschrieben, und mit dem Direktions-Petschaft besiegelt. 4) Jeder Inspektor hat ein Buch, worin vorne die Einrichtung der Gesellschaft gedruckt, und hinterher die Namen der sämtlichen Mitglieder befindlich sind. Wenn derselbe nun dem Aufzunehmenden bei versammelten sämtlichen Mitgliedern des Orts, das Patent überreicht, so lässt er ihn zugleich eigenhändig seinen Namen in vorbenanntem Buch eintragen.
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Vereine in der jüdischen Gemeinde
5) Ist aber das Mitglied mit dem Inspektor nicht an einem und eben demselben Orte, so schickt letzterer ersterem die gedruckte Einrichtung der Gesellschaft doppelt zu, wovon jener das eine für sich behält, das andere aber mit seinem Namen unterschrieben, dem Inspektor wieder zurück schickt; worauf ihm von diesem das Patent zugeschickt wird. Achter Artikel. Von der Wahl der Vorsteher. 1) Ist irgendwo ein Inspektor anzusetzen, so wählen die Mitglieder dieser Inspektion einen unter sich, zeigen diesen der nächsten Direktion [an], die ihn durch ein schriftliches Patent dazu bestätigt. 2) Ist irgendwo ein Direktor anzusetzen, so wählen gleichfalls die Mitglieder dieses Orts einen unter sich dazu, und zeigen ihn der Hauptdirektion an. Diese schickt demselben zur Bestätigung ein gedrucktes Patent nebst Unterschrift und Siegel. 3) Ist ein solcher Vorsteher anzusetzen, der als Mitgehilfe zu einer Direktion gehört, so wählt der Direktor samt den noch übrigen Vorstehern ein Mitglied dieses Orts dazu, das nach geschehener Anzeige von der Hauptdirektion, durch ein geschriebenes Patent bestätigt wird. Neunter Artikel. Von den Zusammenkünften. 1) In jedem Orte, wo eine Inspektion der Gesellschaft ist, müssen ihre literarische Mitglieder wenigstens einmal des Monats sich unter dem Vorsitz des Inspektors versammeln, um Vorlesungen allerlei Art zu halten, lehrreiche Gespräche zu führen, Aufgaben der Hauptdirektion zu behandeln, oder schon behandelte zu beurteilen, oder sonst über die Angelegenheiten der Gesellschaft zu sprechen. 2) Bei jeder Direktion müssen die Vorsteher derselben wöchentlich, in der dazu bestimmten Wohnung zusammen kommen, um die Angelegenheiten der Gesellschaft zu untersuchen, und die Geschäfts-Verwaltung in Ordnung zu halten. 3) Muss jährlich einmal eine Hauptversammlung der sämtlichen Mitglieder dieses Orts gehalten werden. Zehnter Artikel. Einrichtung des Measef. 1) Die Monatsschrift HaMeasef wird mit [ חודש תשרי הבע"לdem kommenden Monat Tischri] wieder ihren Anfang nehmen, und teils aus hebräischen, teils auch aus deutschen Aufsätzen bestehen. 2) Die Blätter werden von den hiernächst erwähnten Rubriken Wechsels Weise bald diese bald jene enthalten als: Gedichte ()שירים, grammatikalische und ästhetische Abhandlungen ()דרכי הלשון והמליצה, Naturlehre ()מסלול הטבע, Naturgeschichte ()תולדות המינים הטבעיים, moralische Aufsätze ()קהלת מוסר, Stücke aus der alten 832
Chevrat Schocharej haTov wehaTuschija (Gesellschaft der Beförderer des Edlen und Guten)
und neuen Geschichte ()דברי הימים, Betrachtungen und Untersuchungen ()חקירות, exegetische Versuche ()באור ספרי קודש, Neuigkeiten ()תולדות הזמן, Nachrichten ()בשורות, Ankündigungen ()מודעות, Rezensionen ()בקירת ספרים חדשים, Erziehungs sachen ()חנוך נערים, vermischte Abhandlungen ()מכתבים שונים. 3) Statt des einen Bogens für jeden Monat erhalten die Interessenten nunmehro zwei Bogen, ohne dass dieserhalb der sonstige Preis von zwei Reichstalern in Louis d’or erhöht wird. 4) Sollen immer die Bogen für jeden Monat mit dem ersten Posttag nach ראש חודש [Monatsanfang] an alle Interessenten von Berlin aus besorgt werden. 5) Muss aber jeder Inspektor oder Kommissionär nach Ablieferung der ersten beiden Bogen [ מחודש תשריvon Monat Tischri an], den Betrag des Jahrganges von den Interessenten einkassieren und an die Hauptdirektion überschicken. 6) Nicht nur jeder Kommissionär, sondern auch jeder Inspektor hat, wenn er es verlangt, 10 Prozent von allen dem Gelde zu genießen, das durch seine Hände in die Kasse der Gesellschaft fließt. 7) Diejenigen neuen Mitglieder, die auch die 3 vorhergehenden Jahrgänge des Measef haben wollen, können diese von den Vorstehern der Gesellschaft, jeden Jahrgang zu ein Taler acht Groschen, erhalten. Nachtrag 1) Ein jedes Mitglied hat zu gewärtigen, alle Unternehmungen der Gesellschaft zum Guten und Edlen zu erfahren und kann jeder seine Einwendungen seinem Vorgesetzten vorlegen, der bei dem weiteren Bericht an die Hauptdirektion darauf Rücksicht zu nehmen hat, damit man alles soviel als möglich mit Einstimmung der ganzen Gesellschaft tue. 2) Wird jedem Mitglied jährlich eine gedruckte Liste zugehändigt werden, in welcher nicht nur alle Mitglieder namentlich und ihrer Klasse nach spezifiziert, sondern auch alle die in diesem Jahre in der Gesellschaft vorgefallenen Veränderungen angezeigt sein werden. 3) Hoffen wir von jedem Mitgliede, dass er die Sache der Gesellschaft zu seiner eigenen machen, sie mit Ernst und Liebe betreiben, und alles was in seiner Macht steht mit dazu beitragen wird, dass wir mit Recht verdienen genannt zu werden Beförderer des Edlen und Guten. [Königsberg und Berlin, 17. Juni 1787 (1. Tamus 5547)]
Isaac Daniel Itzig, sein Licht möge scheinen Isaac Euchel, Simon, Sohn des ehrwürdigen Rabbi Sacharja, s.A. [Simon Baras oder Simon Zacharias], Mendel Bresslau, Sanwil Friedländer [in Königsberg] Joel Bril [Löwe], Baruch Lindau [in Berlin]
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Vereine in der jüdischen Gemeinde
Unterschriften der Mitglieder Endzweck der [ חברת שוחרי הטוב והתושיהChevrat Schocharej haTov wehaTuschija] und ihre Einrichtung gut und löblich, und machen uns ein Vergnügen daraus in diese Gesellschaft zu treten, als
[ נדיביםFörderer] Zweiter Klasse
[ אמניםKünstler]
[ תורנייםGelehrte]
Erster Klasse
[Die Tabelle ist ohne Einträge.] Quelle: Plan zu einer Gesellschaft der Beförderer des Edlen und Guten unter dem hebräischen Namen שוחרי הטוב והתושיה. Königsberg und Berlin [1787]. [Das Original der Druckschrift befindet sich in der National Library of Israel, Jerusalem.] – Transkribiert aus dem Jüdisch-Deutschen von Andreas Kennecke.
II) Ankündigung der Chevrat Schocharej haTov wehaTuschija in HaMeasef, Frühjahr 1789 Nachricht Wir haben versprochen, mit HaMeasef in jedem Jahr ein Portrait eines berühmten Mannes, eingraviert auf einer Kupferplatte, unter unseren Glaubensbrüdern zu verteilen, aber wir wurden durch diese und jene Gründe schon einige Jahre davon abgehalten, unser Versprechen einzuhalten. Nun, da es uns Gott in die Hände gegeben hat, unsere Äußerung aufrecht zu erhalten, kehren wir mit zwei schönen Zeichnungen zu unserem Vorhaben zurück; es ist das Kunstwerk eines weisen und namhaften Künstlers, des Herrn Daniel Berger, aus den Jahren ’48 und ’49 [1788 und 1789]. Das eine ist eine Zeichnung des angesehenen und vornehmen Herrn, unseres Lehrers Isaac Daniel Itzig, der Barmherzige möge ihn bewachen und befreien, Fürst Israels, Stifter und Direktor des Instiuts Chinuch Ne’arim und führendes Mitglied der Gesellschaft der Beförderer des Edlen und Guten. Und das zweite ist eine Zeichnung des höchst angesehenen Herrn, unseres Lehrers David Friedländer, der Barmherzige möge ihn bewachen und befreien, Stifter des Instituts Chinuch Ne’arim und gelehrtes Mitglied der Gesellschaft der Beförderer des Edlen und Guten. Alle diejenigen, die großzügig spendeten, um auf die Subskribentenliste dieses Buches zu kommen, werden diese beiden Zeichnungen mit HaMeasef des Monats Elul [August/September] diesen Jahres ohne Bezahlung erhalten. Jeder der die Zeichnungen ohne das Buch nehmen möchte, soll für jede einzelne eine Summe von acht Groschen Preises bezahlen, und sie werden bei allen unseren oben namentlich aufgeführten Freunden zu finden sein. Gesellschaft der Beförderer des Edlen und Guten. [Es folgt eine namentliche Auflistung.] 834
Chevrat Schocharej haTov wehaTuschija (Gesellschaft der Beförderer des Edlen und Guten)
Quelle: Chevrat Schocharej haTov wehaTuschija: Moda’a. In: HaMeasef, 5. Band, 2. Heft. Berlin 1789. „In der orientalischen Buchdruckery“, S. 377. – Übersetzt aus dem Hebräischen von Uta Lohmann.
III) Ankündigung in HaMeasef im Auftrag der Chevrat Schocharej haTov wehaTuschija, Ende 1794 Nachricht Diese seit einigen Jahren unterbrochene hebräische Zeitschrift [ המאסףHaMeasef], werden wir Endes unterschriebene Mitglieder der [ חברת שוחרי הטוב והתושיהGesellschaft der Beförderer des Edlen und Guten] auf Verlangen dieser Gesellschaft und in ihrem Namen, jedoch für eigene Rechnung von nun an unter folgenden Bedingungen wiederum herausgeben und ununterbrochen fortsetzen. 1) Bleiben von nun an die Monats-Rubriken und die Benennung der vierteljährigen [ תקופותTequfot; Epochen, hier: Quartale] gänzlich weg; sondern es wird bloß vierteljährig ein Heft, oder [ מחברתMachberet], zu sechs Bogen erscheinen. Vier solche Hefte machen jedesmal ein [!] Band oder [ כרךKerech] aus. 2) Nach Befinden der Umstände werden auch zuweilen über die gewöhnliche BogenAnzahl noch einige Bogen Beilage in deutscher Sprache, mit deutschen oder jüdischen Lettern, geliefert werden. 3) Jedes Heft bezahlt der Subskribent bei dem Empfang desselben mit 12 Groschen, jedoch ist der Subskribent verbunden, den ganzen Jahrgang zu nehmen, und jedesmal ein Vierteljahr vorher aufzukündigen. 4) Den Herren Kommissionärs dient zur Nachricht, dass wir an keinen der selben ein Stück verabfolgen lassen, ohne entweder voraus die Namen seiner Subskribenten vor uns zu haben, oder wenigstens von ihm (dem Kommissionär) selbst versichert zu sein, dass er die Anzahl Exemplare, die er vertreibt, gewiss behält und uns den Betrag nach jedesmaligem Empfang prompt einschickt. Jede Ausrede von bestellten und nicht angenommenen Exemplaren fällt weg. 5) Dafür aber versprechen wir den Herren Kommissionären eine größere Provision als sie bis jetzt erhalten haben, die sich nach dem Verhältnis der abgenommenen Exem plare richten wird, und worüber die Herren Kommissionärs sich in Briefen mit uns zu verständigen haben. Wir werden uns zur Leistung jeder billigen Forderung bereit finden lassen. 6) In jedem Falle aber bitten wir uns die Namen der Herren Subskribenten aus, um sie jährlich vordrucken zu können. 7) Wir werden die Hefte jedesmal bis Berlin, Leipzig, Frankfurt an der Oder und Prag franco liefern, die Herren Kommissionärs in den übrigen Ortschaften werden also die Adressen anzeigen, an welche ihre Bestellungen in den gedachten Städten für sie überschickt werden sollen.
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8) Alle Briefe, die uns in Angelegenheit dieser Zeitschrift zukommen sollen, bitten wir uns unter folgender Adresse einzuschicken: An die Herausgeber der hebräischen Monatsschrift der Sammler … zu Breslau. 9) Literarische Beiträge und Avertissements unsere Nation betreffend werden uns, so bald wir sie brauchbar finden, willkommen sein, und versprechen wir solche einrücken zu lassen; jedoch müssen die Herren Verfasser uns ihren wahren Namen, selbst als dann wissen lassen, wenn sie auch dem Publikum unbekannt bleiben wollen. Auf anonyme Briefe und Aufsätze werden wir gar keine Rücksicht nehmen. 10) Alle Briefe sowohl als andere Schriften an uns müssen postfrei eingeschickt werden, widrigenfalls wir sie uneröffnet wiederum zurück schicken und auf jeden Fall keinen Gebrauch davon machen, jedoch versprechen wir, wenn es verlangt wird, Vergütigung der [!] Porto für solche Aufsätze, die wirklich zum Druck von uns befördert worden sind. Breslau Joel Bril, Professor. Aaron Wolfssohn, Oberlehrer und Inspektor an der Königl. Wilhelms-Schule hier selbst. Quelle: Joel Bril Löwe und Aaron Wolfssohn: Nachricht. In: HaMeasef, 7. Band, 1. Heft. Berlin und Breslau 1794. „In der orientalischen Buchdruckery“, unpaginiert. – Transkribiert aus dem Jüdisch-Deutschen von Uta Lohmann.
Gesellschaft der Freunde Plan zur Errichtung einer wohlthätigen Gesellschaft unter dem Namen Gesellschaft der Freunde, 1792 Einleitung. Folgender Plan ist von einigen jungen Männern jüdischer Nation entworfen, und enthält eine Reihe von ganz einfachen Mitteln zur Erreichung eines nicht minder einfachen Zweckes. Nach dem vorgefaßten Willen der Verfasser sollte er ohne weitere Einleitung dem Publikum zur Prüfung vorgelegt werden, und dies würde auch, in der Voraussetzung daß die Güte des Zweckes aus der Sache selbst gar bald hervorleuchtet und keiner weitern Empfehlung bedarf, geschehen seyn, wenn nicht die Idee zu dieser Gesellschaft ihrer Realisirung schon so nahe wäre. Denn, kaum verlautete es nur im Publikum, daß man sich mit solchen Ideen beschäftige, als sich schon eine ansehnliche Menge fürtreflicher Subjecte zu Mitgliedern einfanden, und sich mit dem rühmenswürdigsten Eifer für die gute Sache, allen nöthigen Vorschriften (obgleich sie ihnen nur problematisch vorgetragen wurden) unterzogen.
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Allein eben dieser schnelle Zufluß von Mitgliedern, eben dieser fast allgemeine Beyfall, setzt die Verfasser dieses Entwurfs in die Nothwendigkeit, vorläufig etwas Bestimmteres über den Zweck zu sagen. Denn wer stehet dafür, daß nicht Aberwitz und leider! heut zu Tage so gemein gewordene Kritikersucht, die nie gerne das Gute selbst für Motif genug, gut zu handeln ansehen, sich die gutmüthige Einwilligung so vieler Mitglieder zum Grunde des Tadels und der Verleumdung bediene? wie leicht könnten sie nicht manchen Unbefangenen bereden: die Gesellschaft habe im Geheim etwas Lockendes und Anziehendes, wodurch sie die jugendliche Neugierde zur Aufnahme reitzt? Um nun diesen Verdacht ein für allemal von sich abzuwälzen, erklären die Herausgeber dieses Plans hiermit öffentlich und feyerlichst: daß der alleinige Grundsatz dieser Gesellschaft nichts anders sey, als: Gutes wollen und das Beste thun! und sie nur dahin strebe, nach ihrem besten Vermögen die menschliche Thätigkeit und durch unschuldige Umstände schwachgewordene Kräfte, gemeinschaftlich zu unterstützen und ihnen aufzuhelfen. Diese Gesellschaft kann und soll sich nie vermessen, mit irgend einer nach Weisheit forschenden oder Weisheit besitzenden Gesellschaft in irgend einem Parallele stehen zu wollen, weil Spekulationen dieser Art wohl das Geschäft ihrer einzelnen Mitglieder seyn mögen, nie aber in das Wesentliche einer bloß nach Thätigkeit strebenden Gesellschaft gemischt werden dürfen; sie entlehnt höchstens von andern Gesellschaften Beyspiele von edlen Handlungen und guter Ordnung. Sie hat gar keine geheime Zusammenkünfte, und ihre öffentliche Sitzungen dienen blos zur Ablegung der Rechenschaft, wie die milden Gaben der Mitglieder verwendet worden sind, und zur Berathschlagung für die bessere Einrichtung und Vervollkommnung in der Zukunft. Diese Sitzungen werden mit einer freundschaftlichen frugalen Abendmahlzeit beschlossen, in welcher sämtliche Mitglieder sich freundschaftlich in gegenseitiger Unterhaltung ihres guten Werkes und des mehr und mehr auflebenden Gemeingeistes unter ihnen freuen mögen. Die Gesellschaft hat keine andere Mysterien aufzubewahren, als höchstens die Namen schamhafter Armen, die ihrer Wohlthat genießen, ohne daß man öffentlich von ihrem Zustande erfahren soll, und stillschweigend lehren, stillschweigend Gutes zu thun; sie schließt keinen andern aus, als nur vorläufig solche, deren Bedürfnisse die Kräfte ihrer gemeinschaftlichen Kasse übersteigen könnten, und solche, die sich durch ihren Wandel selbst aus einer jeden guten Gesellschaft ausschließen; sie legt ihren Mitgliedern keinen Eid auf, weil Niemand weder was anzugeloben noch abzuschwören hat; die Namensunterschrift sichert die Erlegung der Beyträge, und das Ehrgefühl, Mitglied einer solchen Gesellschaft zu bleiben, bürgt für gute Ausführung. Ihr einfacher, keiner geheimen Auslegung fähigen [!] Name, Gesellschaft der Freunde, faßt sowohl das Andenken ihrer Entstehung als ihrer künftigen Bestimmung in sich. Sie hat einem Zirkel von Freunden, die sich in einer traulichen Abendgesellschaft über Dürftigkeit und die Mittel ihr bey gewissen Ständen abzuhelfen unterhielten, ihre Entstehung zu verdanken, und soll auch in der Folge diesen Zirkel mehr und mehr zu vergrö-
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ßern suchen, und jeden, der in ihn eintritt, ohne Ausnahme, als Freund und mit freundschaftlichem Interesse ansehen und behandeln. Ob nun der Zweck im Allgemeinen eine jede Wohlthat in sich involvirt, so sehen sich die Verfasser dieses Plans dennoch genöthigt, vorjetzt blos auf die zunächst liegende Uebel und die Mittel ihnen abzuhelfen, ihr Augenmerk zu richten. Krankheit und Dürftigkeit sind diese beyden Uebel, die oft Hand in Hand gehen, oft eins dem andern auf den Fuß folgt, und einen Menschen vom besten Willen und Fähigkeit zu Grunde richten. Auf welche Weise man diesen Uebeln entgegen gearbeitet hat, zeigt der Plan selbst, und es ist hier genug, wenn nur die Aussicht eröffnet wird, wie ein unbemittelter Mensch sich beruhigen kann, wenn ihm der traurige Gedanke aufstößt: was wird aus mir werden, wenn Krankheit mich überfällt, oder ein unvorhergesehener Umstand mich auf eine Zeitlang brodlos macht? – Er sieht nun eine ganze Gesellschaft sich um seine Genesung bestreben, sieht sich verpflegt, versorgt, und genest ohne die drückende Sorge, was er nun anfange; er wird von seinen Freunden besucht, sie sind bemühet ihn zu zerstreuen, ihm Trost zuzusprechen, und alle Mittel anzuwenden, ihm sein Leiden erträglich zu machen. Setzt ihn ein Zufall außer Brod, so findet er eine Zeitlang seinen Unterhalt, ohne an seine Ehre gekränkt zu werden, und hundert Freunde bemühen sich, ihm die Gelegenheit zu verschaffen sich wieder selbst zu ernähren, und ihn als Freund zu empfehlen. Aber auch der bemittelte Mann, der keiner Unterstützung aus der Gesellschaftskasse bedarf, findet hier außer der Freude durch seinen geringen Beytrag so manchen Nothleidenden unterstützen zu helfen, auch Trost und Beruhigung für sich selbst. Wer die mannigfaltigen Unannehmlichkeiten der größtentheils isolirten Lebensart eines Unverheyratheten, besonders bey vorfallender Unpäßlichkeit u. d. gl. recht kennt, wird sicherlich zugeben, daß ihm der Besuch, die Fürsorge, die Mühwaltung und (wenn ers verlangt) die Bersorgung [!] seiner Geschäfte und Bewahrung seiner Effekten, von einer Gesellschaft uneigennütziger Freunde und fast in gleichem Verhältniß stehender Menschen sehr willkommen und angenehm seyn müsse. Doch mag lieber der Plan selbst hierüber das Nähere sagen. Er ist reiflich durchdacht und mit Sorgfalt ausgearbeitet, dennoch halten ihn die Verfasser gewiß nicht für vollkommen. Sie sind mit Vergnügen bereit, nach dem Urtheil einsichtsvoller Männer jede Veränderung damit vorzunehmen, die der guten Sache nützt, und werden es einem jeden danken, der die Mühe übernimmt, ihnen die Mängel ihrer Arbeit, und die Art wie sie solche verbessern können, anzuzeigen. Bey dieser Gelegenheit werden die Kraftgenies, weß Standes und Geschlechts sie seyn mögen, ergebenst ersucht, die Verfasser, die in einigen Punkten dieses Plans etwas zu sehr in Detail gegangen zu seyn scheinen mögen, nicht als Kleinigkeitsgeister und ihre Arbeit als ein bloßes Spiel wider die liebe Langeweile zu betrachten; sondern sie belieben gütigst zu bemerken, daß die Entwerfer des Plans keinesweges darauf dachten, für die Stifter der Gesellschaft erkannt zu seyn, viel weniger sich selbst zu Vorgesetzten derselben aufwerfen zu wollen; mithin hielten sie es für ihre Pflicht, den Plan so vollständig, 838
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wie nach ihrer Einsicht möglich war, auszuarbeiten, daß ein Jeder, dem die Gesellschaft ihre Verwaltung anvertrauet, das Geschäft ohne fernere Mühe übernehmen könne. Es ist diesem nach nicht zu zweifeln, daß diese gute Anstalt von jedem Edelgesinnten beherziget und kräftig unterstützt werden wird, und es ist der einzige Wunsch derjenigen, die aus reinem, von allen Nebenabsichten freyem, Eifer für die Einrichtung bemühet waren: daß diese wohlthätige Anstalt in der Folge Mittel besitzen möge, ihren edlen Zweck mehr und mehr ausdehnen, und auch Nichtmitglieder der Gesellschaft des Genusses ihrer Wohlthaten theilhaftig machen zu können; daß sie auch in andern Orten Nachahmer finden möge, die ähnliche Institute errichten, und daß diese Institute sich gegen einander wie edelgesinnte Schwestern verhalten mögen, denen die Fürsorge, Pflege und Bildung ihrer Kinder gegenseitig am Herzen liegt. Mit dieser Vorstellung von unserm gegenwärtigen Vorhaben, bitten wir den Leser, zum Plane selbst zu schreiten. Berlin, im Januar 1792. Die Verfasser. Er ste r Abschnitt. Von der Quantität und Qualität der Mitglieder ; von den Mitglieder n, denen die Verwaltung der Angelegenheiten der Gesellschaft anver trauet wird; von der inner n Oekonomie der Gesellschaft. Ar tikel I. Von der Quantität und Qualität der Mitglieder. § . 1 . Der Zutritt zu dieser Gesellschaft bleibt auf immer einem jeden, der einen unbescholtenen Ruf hat, frey und offen, wenn er nur sich allen Pflichten unterwirft, die einem jeden Mitgliede dieser Gesellschaft auferlegt sind; an eine bestimmte Anzahl der Mitglieder darf die Gesellschaft sich nie binden. §. 2. Selbst unmündige Kinder können von Ihren Eltern in diese Gesellschaft eingekauft werden, wenn nehmlich die Eltern für ihre Kinder dasjenige Geld erlegen, was ein jedes Mitglied erlegen muß. Jedoch müssen diese Kinder, bevor sie das 14te Jahr erreicht haben, nie zu einer Zusammenkunft, vielweniger zu einer Amtsverwaltung in dieser Gesellschaft gelassen werden; sobald solche aber das 14te Jahr erreicht haben, genießen sie mit allen übrigen Mitgliedern in allen Stücken gleiche Rechte. §. 3. Hingegen ist folgenden Personen der Eintritt in die Gesellschaft versagt, als: a) Verheyratheten Personen, wie auch Wittwern, die Kinder haben. Jedoch soll diese Einrichtung wegen der Verheyratheten und der Wittwer nur auf einen Zeitraum von vier Jahren (von dem Tage der Stiftung dieser Gesellschaft angerechnet) gültig seyn und unverändert bleiben, weil binnen dieser Zeit die Fonds der Gesellschaft wahrscheinlich nicht hinreichend seyn werden, um diese Personen, bey denen man doch auf ihre Frau und Kinder Rücksicht nehmen müßte, hinlänglich zu 839
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unterstützen. Nach Verlauf dieser 4 Jahre aber soll es blos auf die Mehrheit der Stimmen der sämmtlichen Mitglieder ankommen, in wiefern diese Verordnung wegen der Verheyratheten und der Wittwer eine Abänderung leiden soll. b) Personen vom weiblichen Geschlechte, ohne Ausnahme; diesen bleibt der Zutritt auf immer verschlossen. c) Personen, die ihren Unterhalt nicht durch ihre eigne Arbeit und Mittel erwerben, sondern blos durch Unterstützung und von Stipendiis leben. Und endlich d) schließen sich von selbst aus, diejenigen, welche einen allgemeinen Ruf als Verletzer der menschlichen und bürgerlichen Pflichten haben; ferner diejenige, welche gegen Landes- und Staats-Gesetze handeln, diese Personen müssen immer von der Verbindung mit der Gesellschaft ausgeschlossen seyn, und können nie Anspruch auf den Eintritt in dieselbe machen. §. 4. Personen, die erst nach ihrem Eintritt in die Gesellschaft sich verheyrathen, bleiben nach ihrer Verheyrathung unverändert Mitglieder der Gesellschaft. §. 5. Bräutigame sind als unverheyrathete Personen anzusehen, und haben freyen Zutritt zu dieser Gesellschaft, ohne Ausnahme. §. 6. Auswärtige Personen können sowohl in diese Gesellschaft aufgenommen werden, als diejenige, die hier in Loco sind und bleiben. Ar tikel II. Von den Mitglieder n, denen die Verwaltung der Angelegenheiten der Gesellschaft anver trauet wird. §. 1. Zur Verwaltung der gesellschaftlichen Angelegenheiten müssen jedes Jahr aus der ganzen Gesellschaft durch die Mehrheit der Stimmen 13 Personen gewählt werden, welche dreyzehn alsdenn folgende 9 Subjecte, zu Stellvertretern der sämmtlichen Mitglieder wählen, als: einen Vor steher, einen Pflegevater, einen Kaßier, zwey Oekonomen, zwey Beysitzer und zwey Secretaire, welche 9 zusammen, den enger n Ausschuß der Gesellschaft ausmachen. §. 2. Kein Mitglied des engern Ausschusses kann sein Amt länger als Ein Jahr führen, wenn nicht die neue Wahl am Ende des Jahres ihn wieder darinn bestätiget. §. 3. Der engere Ausschuß kann und darf niemals aus weniger als den obgenannten 9 Subjecten bestehen. Wenn also einer von ihnen krank oder abwesend ist; so muß sogleich von den übrigen Gliedern des engern Ausschusses ein Anderer, aus den sämmtlichen Mitgliedern der Gesellschaft, an die Stelle des Kranken oder Abwesenden ernannt werden, der so lange dessen Amt in allen Stücken verwaltet, bis der Erstere solchem wieder vorstehen kann. §. 4. Da in gewissen Fällen, die weiter unten bestimmt werden, der engere Ausschuß allein nicht entscheiden darf, so wählt dieser alsdenn aus den sämmtlichen Mitgliedern sechs Personen, die mit dem engern Ausschuß zusammen den Größer n Ausschuß ausmachen.
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§. 5. Bey einem jeden Falle, der einen größern Ausschuß erfordert, müssen die sechs Personen durch eine neue Wahl von dem engern Ausschuß bestimmt werden. Ar tikel III. Von der inner n Oekonomie der Gesellschaft. §. 1. Die Gesellschaft heißt: Gesellschaft der Freunde. Dieser Name darf nie abgeändert werden. §. 2. Jedes Mitglied erhält bei seiner Aufnahme, von dem Vorsteher ein gedrucktes Diplom, welches von dem Vorsteher und dem ersten Sekretair unterschrieben, und mit dem Pettschaft der Gesellschaft besiegelt wird. §. 3. Dahingegen muß jedes Mitglied bei seiner Aufnahme einen Schein ausstellen, worinn es sich verpflichtet, alle Gesetze der Gesellschaft genau zu beobachten; sich allen festgesetzten Strafen bereitwillig zu unterwerfen, und die Forderungen, welche die Gesellschaft, zufolge ihren Statuten, an ihn haben wird, ohne die geringste Einwendung als völlig gültig anzuerkennen. §. 4. Keine Unterschrift, im Namen der ganzen Gesellschaft, ist gültig, so lange sie nicht mit dem Siegel der Gesellschaft begleitet ist. Ausgenommen sind: freundschaftliche Briefe der Gesellschaft und Empfehlungsschreiben für eines ihrer Mitglieder, welche das Siegel nicht bedürfen. §. 5. Alle Bücher der Gesellschaft, so wie ihre Quittungen, Protokolle, Dokumente u. s. w. müssen in deutscher Schrift und Sprache abgefaßt werden. §. 6. Die Gesellschaft soll ihr eigenes Zimmer haben, worin ihre Zusammenkünfte gehalten, und ihre Papiere aufbewahrt werden. §. 7. Viermal in jedem Jahre, nehmlich im Monath Januar y, Apr ill, July und Oktober, muß die Gesellschaft eine allgemeine Zusammenkunft halten. In dieser Zusammenkunft steht es jedem Mitgliede frei, der ganzen Versammlung etwas vorzutragen, das auf ihren Nutzen und auf ihre Vervollkommnung abzweckt. Es hängt von einem jeden ab, ob er seinen Vortrag selbst halten, oder durch einen Andern halten lassen will. Im [!] jedem Fall muß das Mitglied dem Vorsteher vor der Session anzeigen, daß es einen Vortrag halten wolle und der Vorsteher ruft es während der Session zur gelegenen Zeit zum Vortrage auf. Nach dieser vierteljährigen Session speisen sämmtliche Mitglieder ein Abendbrot zusammen, wofür jedes Mitglied, das daran Antheil nehmen will 8 Gr. zahlt. §. 8. Alle vierteljährige Zusammenkünfte der Gesellschaft müssen an einem Sonntag seyn und Nachmittags um 5 Uhr sich anfangen. Sie werden immer zwei Tage vorher einem jedem Mitgliede durch ein schriftliches Zirkular von dem Vorsteher angekündigt. §. 9. Außer dieser vierteljährigen Zusammenkunft, findet keine nothwendige allgemeine Zusammenkunft statt. §. 10. In der Oktober-Zusammenkunft werden jedesmal die 13 Personen erwählt, die den engern Ausschuß ernennen.
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§. 11. In den Zimmern worin die Gesellschaft ihre vierteljährige Zusammenkünfte hat, müssen die Sitze sämmtlicher Mitglieder (außer die des engern Ausschußes) nummeriret seyn. Jedes Mitglied erhält durchs Loos eine Nummer, und es darf während den Zusammenkünften keinen andern Platz als den mit seiner Nummer bezeichneten, einnehmen. Ist jemand von den Mitgliedern abwesend, so bleibt sein Platz unbesetzt. §. 12. Der engere Ausschuß sitzt an einem besondern Tisch, und zwar obenan der Vorsteher, ihm zur Rechten der Pflegevater und zur Linken der Kaßier; nach dem Pflegevater folgen die beiden Oekonomen und nach dem Kaßier die beyden Beysitzer, nach den Oekonomen folgt der erste Sekretair und nach den Beysitzern der zweyte Sekretair. In eben dieser Ordnung geschehen auch ihre Unterschriften. §. 13. Jedes neue Mitglied bekömmt die Nummer, die auf des letzten Mitglieds Nummer folget, und in den Büchern der Gesellschaft dürfen niemals die Namen der Mitglieder, sondern nur ihre Nummern erwähnt werden. Dieses gilt besonders bey den Unterstützungen, die die Gesellschaft einem Mitgliede reicht; jedoch ist die Gesellschaft bereit, auf Verlangen dem hochlöblichen General-Direktorio zu allen Zeiten die Liste ihrer sämmtlichen Mitglieder zu überreichen. §. 14. Alle Jahre und zwar in der Oktober-Session werden die Nummern der Mitglieder aufs neue gelooset. §. 15. Die Nummern allein bestimmen die Folge und Ordnung der Mitglieder. Stand und Ansehen haben auf diese Gesellschaft gar keinen Bezug, und können ihren Besitzer während der Sessionen vor andern Mitgliedern nicht auszeichnen, noch weniger ihm Vorrechte geben. Der allgemeine Name, den ein Mitglied dem Andern während der Session giebt ist: Freund. Ein jeder der während der Session eine Anrede an die Gesellschaft hält, nennt sie Freunde. §. 16. Während der Sessionen müssen sämmtliche Mitglieder sich ruhig, sittsam und stille betragen, und dürfen sich dem Tische des engern Ausschusses nie nähern, wenn sie nicht dazu vom Vorsteher aufgefordert worden. Im Uebertretungsfall hat das Mitglied es sich selbst zuzuschreiben, wenn die übrigen Mitglieder als sittliche Menschen ihn aus der Gesellschaft stoßen. §. 17. Das Stimmen wegen der Wahl der 13 Personen, die den engern Ausschuß ernennen, geschieht folgendermaßen: jeder schreibt 13 Nummern der Mitglieder auf einen Zettel, wirft solchen in ein verschlossenes Behältniß, und wenn dies von allen Mitgliedern nach der Folge der Nummern geschehen, öffnet der Vorsteher die Büchse, lieset die Nummern von dem Zettel ab, die beiden Sekretaire schreiben solche sogleich nieder, und diejenige 13, die die meisten Stimmen für sich haben, sind erwählt. §. 18. Alles übrige Stimmen in den Sessionen der Gesellschaft geschiehet durch das allgemein bekannte Ballotiren. Ist aber die Zahl der Mitglieder gerade, so hat der Vorsteher zwei Stimmen. §. 19. Bey jedem Stimmensammeln, es sey nach §. 17 oder §. 18. stimmt erst der engere Ausschuß nach seiner vorgeschriebenen Ordnung, und sodann die Mitglieder nach Ordnung der Nummern. 842
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§. 21. [!] Der engere Ausschuß muß alle Monathe einmal zusammenkommen. Länger als den 15ten eines jeden Monaths darf die Zusammenkunft nicht aufgeschoben werden. §. 20. [!] Dem größeren Ausschuß allein kömmt es zu, neue Mitglieder aufzunehmen, und zwar nach denen im ersten Artikel hierüber festgesetzten Punkten. Wer also zu dieser Gesellschaft beytragen will, hat sich dieserhalb lediglich an den Vorsteher zu wenden, der alsdenn das Weitere besorgen muß. §. 22. Alle Bezahlung sowohl an die Gesellschaft als von derselben, müssen von dem Empfänger quittirt werden, und jede Schuldforderung der Gesellschaft an eines ihrer Mitglieder sowohl, als die eines Mitgliedes an die Gesellschaft werden solange für unbezahlt angesehen, bis der schuldige Theil die Quittung des fordernden Theils produziren kann. §. 23. Die Statuten der Gesellschaft werden von allen anwesenden Mitgliedern eigenhändig unterzeichnet, und es kann kein Zusatz oder Abänderung, von welcher Art es auch sey, darin gemacht werden, ohne daß die absolute Mehrheit der Stimmen der sämmtlichen Mitglieder es billige. a) Haus-Väter, die ihre Kinder, ehe sie das vierzehnte Jahr erreicht haben, aufnehmen lassen, müssen die Statuten im Namen dieser Kinder unterschreiben. Zweyte r Abschnitt. Vo n d e n P f l i c h t e n d e r G e s e l l s c h a f t g e g e n i h r e a n we s e n d e M i t g l i e d e r ü b e r h a u p t ; vo n d e n d e t e r m i n i r t e n u n d i n d e t e r m i n i r t e n P f l i c h t e n i n s b e s o n d e r e ; vo n d e n P f l i c h t e n g e g e n a u s wä r t i g e M i t g l i e d e r, u n d vo n d e r A r t , d i e U n t e r s t ü t z u n g e n z u r e i c h e n . A r t i ke l I . Vo n d e n P f l i c h t e n d e r G e s e l l s c h a f t g e g e n i h r e a n we s e n d e M i t g l i e d e r ü b e r h a u p t . §. 1. Zum Wohl eines jeden Mitglieds ohne Ansehung der Person und des Standes so viel als nur in den Kräften der Gesellschaft stehet, beyzutragen, ist ihre erste Pflicht und ihre Grundlage. §. 2. Die Gesellschaft ist dahin [daher] überhaupt verpflichtet, einem jeden Mitgliede zu einem rechtlichen Vortheile, den er sich durch ihre Unterstützung, Empfehlung, Verwendung bey andern u. s. w. versprechen kann, zu verhelfen, insbesondere aber jedes Mitglied, das ohne sein Verschulden; sondern unglücklicherweise in seiner Thätigkeit gestört worden, auf alle Art zu unterstützen, und ihm die Mittel zu reichen, sich aufs Neue in Thätigkeit zu setzen. §. 3. Dem zufolge ist die Unterstützung, welche die Gesellschaft ihren Mitgliedern reichen muß, zwiefacher Art. Nehmlich 1) Unterstützung durch Fürsprache, Verwendung bey andern u. s. w. und 2) Unterstützung durch Geld. §. 4. Die Unterstützung durch Geld zerfällt nach Beschaffenheit des Unterstützungsbedürftigen in 3 Classen. 843
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a) Unterstützung eines Nothleidenden, der zwar Kraft genug hat, sich seinen Unterhalt zu verschaffen, dem es aber für jetzt an Gelegenheit dazu mangelt. b) Unterstützung eines Mitgliedes, welches unglücklicherweise aus phisischen Ursachen in völlige Unthätigkeit versetzt worden, und sich seinen Unterhalt nicht erwerben kann. c) Unterstützung der kranken Mitglieder. §. 5. Die Unterstützungen sub a. et b. haben bestimmte Gränzen, und sind also determinirt, die Unterstützungen aber durch Empfehlungen, Fürsprache, Verwendungen bey andern u. s. w. sowohl, als die Unterstützungen sub c. haben keine bestimmte Gränzen, und sind also indeterminirt. Ar tikel II. Von den deter minir ten Pflichten der Gesellschaft gegen ihre anwesende Mitglieder. §. 1. Bey den Unterstützungen sub a. Art. 1. §. 4. muß die Gesellschaft vor allem Rücksicht nehmen auf die Art, wie das jetzt dürftige Mitglied sich vorher seinen Unterhalt verschaffet hat, ob dies nehmlich durch Handel oder durch Kunstfleiß als z. B. durch Unterricht in jeder Art, durch Dienen als Schreiber, Buchhalter u. d. g. geschehen ist. Im erstern Fall heißt das Mitglied kaufmännisch, im letztern nicht-kaufmännisch. §. 1. [recte: 2] Nichtkaufmännische Mitglieder – da diese sich immer durch ihre Talente unterhalten haben und sich wahrscheinlich auch künftig dadurch erhalten werden, wenn sie nur Gelegenheit finden, solche ausüben zu können; so ist die Gesellschaft verpflichtet, einem solchen Mitgliede, wenn es dürftig ist, ein halbes Jahr hindurch, wöchentlich zwei Thaler zu geben, und sich während dieser Zeit mit allen ihren Kräften zu bestreben, diesem Mitglied zu verhelfen, daß es seinen Unterhalt wieder wie zuvor erwerben könne. Jedoch müssen die wöchentlichen zwei Reichsthaler diesem Mitgliede auf sein Verlangen ein halbes Jahr hindurch bezahlt werden, wenn es unterdessen in den Stand gesetzt worden, sich selbst zu ernähren. a) Diese Dürftigen sind auch ein ganzes Jahr hindurch (von der ersten wöchentlichen Gabe an gerechnet) von den monathlichen Beyträgen befreyet, ohne an ihrem Rechte als Mitglied das mindeste zu verliehren. Nach Verlauf dieses Jahres müssen sie ihren Beytrag, wie gewöhnlich entrichten, widrigenfalls werden sie von der Gesellschaft ausgeschlossen und verlieren allen Anspruch auf dieselbe. b) Auch müssen diese Dürftigen, wenn sie einmahl die ihnen bestimmte Unterstützung der Gesellschaft genossen haben, auf fernere Geldunterstützung binnen 4 Jahren (von der ersten wöchentlichen Gabe an gerechnet) Verzicht thun. In diesem Zeitraum darf ihnen keine neue Geldunterstützung von der Gesellschaft als Dürftige gereicht werden; nachher aber genießen sie wieder alle Rechte eines jeden Mitgliedes. §. 3. Kaufmännische Mitglieder – da diese hauptsächlich durch ein kleines Kapital unterstützt werden müssen, so sollen sie, wenn sie den Beystand der Gesellschaft fordern, 844
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nicht wöchentlich, sondern auf einmal ihre Geldunterstützung erhalten. Bey diesen Mitgliedern muß hauptsächlich Rücksicht genommen werden: 1) auf ihre jetzige Lage. 2) auf ihren gehabten Handel. 3) auf ihr künftiges Unternehmen; 4) auf ihre Thätigkeit und Geschicklichkeit. Der größere Ausschuß muß alle diese Punkte reiflich erwegen, und darnach die Geldunterstützung für diesen Dürftigen bestimmen. Jedoch darf die ihnen zu zahlende Summe nicht unter Funfzig Reichsthaler und nicht über Hunder t und Funfzig Reichthaler seyn. a) Von den kaufmännischen Mitgliedern gilt alles was im vorigen § bey a von den nicht kaufmännischen Mitgliedern gesagt worden. b) Hingegen müssen diese kaufmännischen Mitglieder, wenn sie einmal die ihnen bestimmte Geldunterstützung von der Gesellschaft genossen haben, auf 6 Jahre, von dem Tage an, wo sie diese Unterstützung erhalten haben, auf alle Geldunterstützung der Gesellschaft Verzicht thun. In diesem Zeitraum darf ihnen keine neue Geldunterstützung als D ü r f t i g e r gereicht werden. §. 4. Beyde Arten der Unterstützung aber, sowohl des kaufmännischen als des nichtkaufmännischen Mitgliedes, finden nur alsdenn statt, wenn das Mitglied ohne sein Verschulden in Dürftigkeit gerathen. Ist es aber gewiß, daß das Mitglied sich diese Dürftigkeit selbst beyzumessen und durch schlechtes Betragen, Liederlichkeit, Verschwendung u. s. w. zugezogen hat, so darf ihm keine Unterstützung gereicht werden. Dies genau zu untersuchen und nach Recht darüber zu entscheiden, ist bey n i c h t kaufmännischen Mitgliedern dem engern Ausschuß, bey kaufmännischen Mitgliedern aber, dem größeren Ausschuß einzig und allein überlassen. §. 5. Ein Mitglied, welches physische Ursachen, als Blindheit, hohes Alter u. s. w. in völlige Unthätigkeit versetzen, ohne sich selbst ernähren zu können, und es den Beystand der Gesellschaft verlangt, erhält von derselben wöchentlich zwey Thaler, so lange diese Unthätigkeit und das Unvermögen sich selbst zu ernähren dauert. Der engere Ausschuß muß sich dieserhalb bey den Aerzten erkundigen. §. 6. Das Recht eines jeden Mitglieds auf die §. 2. 3. und §. 5. erwähnten Unterstützungen, fängt sich erst nach Verlauf zweyer Jahre von seinem Eintritt in die Gesellschaft an, früher dürfen sie ihm nicht gereicht werden. Ar tikel III. Von den indeter minir ten Pflichten der Gesellschaft gegen ihre anwesende Mitglieder. §. 1. Die Gesellschaft ist verpflichtet ein jedes ihrer Mitglieder, auf sein Verlangen sowohl mündlich als schriftlich zu empfehlen, und sich mit allen ihren Kräften zu seinem Besten bey einem jeden zu verwenden. Jedoch müssen diese Empfehlungen allemal der Wahrheit und Aufrichtigkeit gemäß seyn. Die Gesellschaft darf unter keinem Vorwande von den Talenten, Eigenschaften und Umständen eines Mitgliedes mehr sagen, als ihr wirklich davon mit Gewißheit bekannt ist. 845
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§. 2. Wird ein Mitglied krank, so ist die Gesellschaft verpflichtet, ihm alles zu reichen, was zu seiner Pflege und Genesung erfordert wird, ohne daß sie auf die darauf zu verwendenden Kosten Rücksicht nehmen darf. Sie muß den Arzt des Kranken besolden, alle seine Arzneyen und sonstige Bedürfnisse bezahlen, ihm wenn es nöthig ist Krankenwärter miethen, ihn in ein ander Zimmer bringen lassen, wenn das seinige nicht dienlich befunden wird, kurz, ihn nach allen ihren Kräften zu unterstützen. a) Nur der Arzt bestimmt ob der Kranke ein ander Zimmer, und ob er Wärter haben muß. b) die Gesellschaft wird einige studierende Mediziner besolden, welche bei dem Kranken wachen sollen; weil vorauszusehen ist, daß diese einen Kranken am besten zu behandeln wissen. Will der Kranke aber die gewöhnlichen Krankenwärter bey sich haben, so muß die Gesellschaft ihm diese miethen. c) Da nicht alle Menschen zu einem und demselben Arzte Zutrauen haben, so kann jedes kranke Mitglied verlangen, daß der Arzt von der Gesellschaft für ihn besoldet werde, den er gewöhnlich konsultirt. §. 3. Da indessen ein Kranker noch außer den Medikamenten der Wartung u. s. w. mehrere unbestimmte Bedürfnisse in seinem Hauswesen hat, deren Befriedigung die Gesellschaft nicht immer übernehmen kann; so wird dem Kranken noch besonder s wöchentlich ein Thaler gezahlt. §. 4. Der Kranke ist von der Zeit an, da der Arzt ihn besucht, bis daß derselbe ihn verläßt, und als völlig hergestellt erklärt, von dem monathlichen Beytrag befreyet. §. 5. Es versteht sich indessen, daß alle diese Unterstützungen eines Kranken nur alsdenn statt finden, wenn derselbe sie ausdrücklich verlangt. Es hängt von ihm ab, ob die Gesellschaft ganz oder zum Theil von ihren Pflichten gegen ihn befreit seyn soll, oder nicht. §. 6. Die Unterstützung eines kranken Mitgliedes ist uneingeschränkt, sie hat auf die Unterstützung wegen Dürftigkeit gar keinen Bezug, und leidet alle die Einschränkungen der letztern nicht. Wird daher ein kaufmännisches Mitglied selbst während den 6 Jahren und ein nicht kaufmännisches Mitglied während den 4 Jahren nach einer von der Gesellschaft erhaltenen Unterstützung krank, so müssen ihn alle in §. 2. 3. und 4. bestimmte Hülfsleistungen gereicht werden. Eben so, wenn ein Mitglied, das während seiner Krankheit die Unterstützung der Gesellschaft genossen hat, nach seiner Genesung dürftig ist oder wird; so kann auf die in der Krankheit ihm gewährte Unterstützung gar keinen Bezug genommen werden, sondern er wird völlig so wie alle Dürftige Mitglieder nach denen im Artikel II. darüber festgelegten Punkten, behandelt. §. 7. Die indeterminirten Pflichten der Gesellschaft gegen ihre Mitglieder nehmen ihren Anfang sogleich mit dem Eintritt des Mitgliedes in die Gesellschaft.
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Ar tikel IV. Von den Pflichten der Gesellschaft gegen ihre auswär tigen Mitglieder. §. 1. Auswärtige Mitglieder, das heißt, solche die [sich] nicht in Berlin befinden, es sey nun daß sie würklich außerhalb etablirt sind, oder daß sie hier etablirt sind, und sich nur außerhalb aufhalten, haben an allen Unterstützungen der Gesellschaft, so wie solche in Art. II und III festgesetzt worden, mit allen anwesenden Mitgliedern gleiche Rechte. Da jedoch in dem Fall, daß ein solches Mitglied krank wird, die Gesellschaft nicht selbst für Arzt, Arzney, Wartung u. s. w. sorgen kann; so muß die Gesellschaft ihm, so lange die Krankheit dauert, wenn es solches verlangt, wöchentlich 3 Rthl. übermachen. Ein Mehreres darf ihm nicht gezahlt werden. §. 2. Ein auswärtiges Mitglied, das eine Geldunterstützung von der Gesellschaft verlangt, es sey nach (Abschnitt Zwey, Artikel II. §. 2 oder (ibid. §. 3) oder nach (ibid. §. 5) muß es von einem bekannten redlichen Manne in dem Orte, wo es sich aufhält, Attestate beybringen, daß es ohne sein Verschulden in diese Dürftigkeit gerathen ist, ebenso wie bey den anwesenden Mitgliedern (ibid. §. 4.) das Nähere hierüber bestimmt worden. Auswärtige kranke Mitglieder aber, die nach dem vorhergegangenen §. die Unterstützung der Gesellschaft verlangen, müssen monathlich das Attestat eines Arztes einsenden, das ihre Krankheit bescheinigt, ohne dieses darf ihnen nichts gezahlt werden. §. 3. Ein Mitglied heißt nur so lange auswär tig, als es sich wirklich außer Berlin befindet, so bald es aber in Berlin ist, so wird es völlig als ein anwesendes Mitglied betrachtet, ohne Rücksicht ob es bey seiner Aufnahme in Berlin etablirt war, oder nicht. Ar tikel V. Von der Ar t, die Unter stützungen zu reichen. §. 1. Jedes Mitglied, das eine Empfehlung, Fürsprache u. s. w. bedarf, wendet sich deshalb an den Vorsteher, der das weitere besorgen muß. Soll die Empfehlung schriftlich seyn, so muß der erste Sekretair solche ausfertigen. Er und der Vorsteher unterschreiben sie im Namen der Gesellschaft. Findet der Vorsteher die zu ertheilende Empfehlung einigermaßen bedenklich, so muß er den engern Ausschuß deshalb zu Rathe ziehen. Verlangt das Mitglied ein Attestat zum auswärtigen Gebrauch; so wird solches dem engern Ausschuß zur Deliberation von dem Vorsteher vorgetragen, und wenn dieser das Gesuch billig findet, so verfertigt der erste Sekretair das Attestat nach Angabe des engern Ausschusses, der selbiges auch unterschreibt. §. 2. Kaufmännische Mitglieder sowohl, als nicht kaufmännische Mitglieder und solche, die in völlige Unthätigkeit versetzt worden, melden sich, wenn sie Unterstützung verlangen, bey dem Pflegevater. Bey den nicht kaufmännischen oder in völlige Unthätigkeit versetzten Mitgliedern trägt der Pflegevater das Gesuch dem engern Ausschuß vor. Findet dieser solches den (Abschnitt Zwey, Artikel II. §. 4) festgesetzten Punkten gemäß, so ertheilt er eine schriftliche Order an den Kaßier, dem Pflegevater, für ein nicht kaufmännisches Mitglied während eines halben Jahres, (Abschnitt 2. Artikel II. § 2) für 847
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ein in Unthätigkeit gesetztes Mitglied aber während einer unbestimmten Zeit (ibid. § 5) und bis zur Wiederrufung der Order, wöchentlich zwey Thaler gegen seine Quittung zu zahlen. Der Pflegevater giebt alsdenn dem dürftigen Mitgliede die Gabe ebenfalls gegen Quittung. Bey einem kaufmännischen Mitgliede trägt der Pflegevater zwar das Gesuch ebenfalls dem engeren Ausschusse vor, dieser muß aber zur Entscheidung, einen größern Ausschuß ernennen, und nachdem letzterer nach reiflicher Erwägung der (ibid. §. 3.) darüber festgesetzten Punkte das Gesuch gerecht findet, und die eigentliche Summe der Unterstützung bestimmt hat, so ertheilt er eine schriftliche Order an den Kaßier, die bestimmte Summe dem Pflegevater gegen Quittung zu zahlen, der sie alsdenn dem dürftigen Mitgliede gegen Quittung auszahlt. §. 3. Wird ein Mitglied der Gesellschaft krank, so läßt es solches dem Pflegevater melden. Dieser eilt sogleich zu ihm, um zu erfahren, ob er sich der Unterstützung der Gesellschaft bedienen wolle, oder nicht. Im erstern Falle muß der Pflegevater sorgen, daß der Arzt, den der Kranke verlangt, gerufen werde, so wie für alle übrige Bedürfnisse und nöthige Bequemlichkeiten des Patienten (Abschn. Zwey, Artikel III. §. 2.) a) Zur wöchentlichen Gabe von einem Thaler an den Patienten (ibid. §. 3.) läßt der Pflegevater sich eine Ordre von dem engern Ausschuß an den Caßier geben, so wie auch zur Bestreitung der Gezahlung [!] an den Arzt, den Krankenwächtern u. a. m. Ueber jede Ausgabe, die einen Thaler übersteigt, muß der Pflegevater Quittung von dem Empfänger produciren. b) Die Recepte, die die Gesellschaft bezahlt, müssen vom Pflegevater unterschrieben werden. c) Da die Ausgaben, die bey der Pflege und Wartung eines kranken Mitgliedes vorfallen, zu sehr ins kleine gehen, als daß der Pflegevater sich bey jedem derselben eine besondere Order geben lassen kann, so ist es ihm erlaubt, sogleich, wenn ihm die Krankheit eines Mitgliedes gemeldet wird, und dasselbe sich erklärt hat, daß es die Unterstützung der Gesellschaft annehmen wolle; sich von dem Vorsteher eine Order an den Kaßier über 10 Thlr. geben zu lassen, die er für die kleinern Ausgaben bestimmt, und worüber er dem engern Ausschuß Rechnung ablegen muß. Sind diese 10 Thlr. zu Ende, und der Patient ist noch nicht genesen, so können ihn abermals 10 Thlr. auf Order des Vorstehers gezahlt werden, und dies so lange, bis der Patient genesen ist; jedoch dürfen ihm nie aufs neue 10 Thlr. ausgezahlt werden, bevor er nicht über die Vorige, Rechnung abgelegt hat. §. 4. Der Pflegevater muß mit seinem Besuch bey dem Kranken täglich continuiren; halten ihn einmahl dringende Geschäfte ab: so muß er wenigstens den Bothen der Gesellschaft zu ihm schicken, und sich nach seinem Befinden erkundigen. §. 5. Nimmt die Krankheit so sehr zu, daß der Arzt den Tod des Patienten nahe glaubt, so muß der Pflegevater dies dem Vorsteher melden, und dieser läßt es 8 Personen von der Gesellschaft ansagen, damit sie wechselsweise je 2 und 2 alle Stunde in der Stube oder doch wenigstens in der Behausung des Kranken Wache halten. Stirbt der Patient; so müssen 10 von der Gesellschaft seiner Leiche folgen. 848
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a) die acht Personen, welche bey dem Patienten Wache halten müssen sowohl, als die 10, die zum Leichenbegängniß folgen, werden nicht durchs Loos gewählt, sondern sie folgen der Reihe der Nummern nach, so daß zum erstenmal Nr. 1 bis 9, das zweitemal Nr. 9 bis 16 die Wache hat. Eben so werden diejenigen 10 ausgeschrieben, die der Leiche nachgehen müssen. §. 6. Geneset der Patient oder ist seine Krankheit nicht von Bedeutung, so daß der Arzt ihm Gesellschaft erlaubt, und der Patient verlangt solche, so legt der Pflegevater ihm die Liste aller anwesenden Mitglieder vor, er erwählt die, deren Gesellschaft er wünscht, und diese sind verbunden, ihn wechselweise zu besuchen, und jedesmal wenigstens eine Stunde lang Gesellschaft zu leisten. Der Pflegevater muß jedoch es diesen Personen immer einen Tag vorher ankündigen, damit sie ihre Geschäfte darnach einrichten können. a) Da Wohlthätigkeit im ausgebreiteten Sinne des Worts der Hauptzweck der Gesellschaft ist, so hoft sie mit Recht, daß ihre Mitglieder diese Krankenbesuche nicht für zu gering achten, und hintansetzen werden; denn gewiß verdienen diese Besuche den Nahmen der Wohlthätigkeit weit mehr, und sind weit verdienstlicher, als alle Geldabgaben. Ar tikel VI. Von den speciellen Pflichten der Gesellschaft. §. 1. Alle Mitglieder müssen von der Gesellschaft gleich geachtet und geschätzt werden, und sie darf keinem mehr Vorzüge, keinem mehr Rechte als dem andern angedeihen lassen. §. 2. Die Gesellschaft muß am Ende eines jeden Jahres, und zwar in der Oktobersitzung, die Rechnungen der Ausgabe und Einnahme, der Gesellschaft gedruckt vorlegen, und auf Verlangen die Bücher selbst produciren und zur Einsicht übergeben. §. 3. Die Gesellschaft muß einem jeden Mitgliede erlauben, in den vierteljährigen Sitzungen seine Gedanken über Gesellschaftliche Angelegenheiten laut vorzutragen, jedoch muß dieses ohne die mindeste Anzüglichkeit und nach der (Abschnitt Eins, Artikel III §. 7.) vorgeschriebenen Ordnung geschehen. §. 4. Auch auf die Moralität der Mitglieder muß die Gesellschaft aufmerksam seyn. Wenn sie daher genau und gewiß überzeugt ist, daß ein Mitglied sich eines derjenigen Vergehen hat zu Schulden kommen lassen, die (Abschn. Eins, Artikel I. §. 3. d.) den Zutritt zu dieser Gesellschaft verschließen, so ist sie verpflichtet, dieses Mitglied auszustoßen, und nie wieder aufzunehmen.
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Dritte r Abschnitt. Von den Pflichten der Mitglieder gegen die Gesellschaft und gegen ihre Nebenmitglieder. Ar tikel I. Von den Pflichten der Mitglieder gegen die Gesellschaft. §. 1. Jedes Mitglied ist verpflichtet, bey seinem Eintritt in die Gesellschaft Drey Thaler Courant, ferner monatlich Acht Groschen, und endlich am Ende eines jeden Jahres Einen Thaler zur Bestreitung der Miethe, des Botenlohns u. s. w. zu bezahlen. a) Für obgedachte Beyträge erhält das Mitglied eine Quittung des Kaßiers. Die mo nathlichen 8 Gr. werden durch den Boten den 1sten eines jeden Monaths einkaßiert. b) Wer nach Verlauf von einem Jahre in diese Gesellschaft treten will, zahlt Vier Thaler Eintrittsgeld, und so steigt es mit jedem Jahre um Einen Thaler. Jedoch hängt es allemal von dem größern Ausschuß, der das Mitglied recipirt, ab, ob er solches von dieser Augmentation des Eintrittsgeldes befreyen will, oder nicht, von den ursprünglichen drey Thalern aber kann er es nicht befreyen. Die übrigen Beyträge bleiben unverändert. c) Auswärtige Mitglieder müssen ihren monathlichen Beytrag wenigstens halbjährig einsenden. d) Diese Beyträge dürfen unter keinem Vorwande vergrößert oder durch neue vermehrt werden, es sey denn, daß die absolute Stimmenmehrheit aller Mitglieder der Gesellschaft solches beschließt. (Abschnitt Eins, Artikel III. §. 23.) §. 2. Jedes Mitglied ist verpflichtet, bey den vierteljährigen Seßionen der Gesellschaft, wenn sie ihm vorher vom Vorsteher (nach Abschnitt Eins, Artikel III. §. 8.) angekündigt worden, zu erscheinen, sich einzufinden, wenn er als ein Mitglied des größern Ausschusses erwählt worden, und der Leiche eines gestorbenen Mitgliedes zu folgen, wenn (nach (Abschn. Zwey, Artikel VI. §. 5.) die Reihe an ihn ist. Im Uebertretungsfall sind folgende Strafen festgesetzt: 2 Rthl. – Gr. 1. Für das Ausbleiben bey den vierteljährigen Seßionen 2. Für das Ausbleiben als Glied des größeren Ausschusses 3 Rthl. – Gr. 3. Für das Ausbleiben bey dem Leichenbegängnisse 1 Rthl. 12 Gr. Jedoch finden diese Strafen nur alsdenn statt, wenn das Mitglied sein Außenbleiben nicht durch nothwendige Abhaltungen, als Krankheit, Abwesenheit, unauszusetzende Geschäfte entschuldigen kann. Die Entscheidung hierüber ist dem engern Ausschuß überlassen. a) Es versteht sich von selbst daß die Pflichten dieses § nur die anwesenden Mitglieder betreffen. §. 4. Wenn ein Mitglied von Berlin abreiset oder allhier ankommt, wird es dem Vorsteher angezeigt. §. 5. Will ein Mitglied aus der Gesellschaft treten; so muß es für seine Entlassung zehn Thlr. Courant zahlen, sein Diplom dem Vorsteher zurück geben, und um seine Entlas850
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sung in der Oktobersitzung der Gesellschaft öffentlich anhalten. Alsdenn empfängt es seinen Revers zurück und ist außer aller Verbindung mit der Gesellschaft. a) Mitten im Jahre kann kein Mitglied seine Entlassung fordern, sondern nur in der Oktobersitzung, als dem Jahresschluß der Gesellschaft. b) Ein solcher Vorfall wird vom 2ten Secretair protokollirt, und die Unterschrift des entlassenen Mitglieds aus den Statuten der Gesellschaft ausgestrichen. c) Will das entlassene Mitglied nach der Zeit wieder aufgenommen seyn; so muß es 1) den engern Ausschuß überzeugen, daß es gerechte Gründe gehabt hat, aus der Gesellschaft zu treten, die aber jetzt nicht mehr statt finden. 2) neues Eintrittsgeld geben und zwar nach (Abschnitt drei, Art. I. §. 1. b.) 3) den monathlichen Beytrag von der Zeit seiner Entlassung bis zu seiner Wiederaufnahme nachzahlen. d) ein solches wiederaufgenommenes Mitglied wird nicht als Neues, sondern als ein bereits aufgenommenes und vom Tage seiner ersten Reception inscribirtes Mitglied in allen Stücken betrachtet. §. 6. Wird ein Mitglied von dem engern Ausschuß wegen unanständiger Aufführung in der Session nach (Abschn. eins, Art. III. §. 16.) aus der Gesellschaft gestoßen: so gilt von ihm eben das, was von einem die Entlassung fordernden Mitgliede nach §. 5. gilt. Ar tikel II. Von den Pflichten der Mitglieder gegen einander. §. 1. Freundschaftliches und brüderliches Betragen ist die Hauptpflicht eines Mitgliedes gegen das andere. Unter ihnen muß Eintracht und Harmonie herrschen. Jedes muß sich bestreben, durch seinen Rath, Beystand, Einfluß, Empfehlungen bey Andern u. s. w. so nützlich als möglich zu werden, und sich so betragen, wie der Endzweck der Gesellschaft es mit sich bringt. §. 2. Jedes Mitglied ist verpflichtet das kranke oder reconvalescirende Mitglied das seine Gesellschaft verlangt, zu besuchen (ibid. Art. VI, §. 6.) und nur ganz unübersteigliche Hindernisse können ihn davon dispensiren. Vie rte r Abschnitt. Von dem Fond der Gesellschaft; nähere Bestimmung der Erwählung der Dreyzehn und des enger n sowohl als des g rößer n Ausschusses; von den Deliberationen und den Ver r ichtungen des enger n und g rößer n Ausschusses; von den Pflichten der einzelnen Glieder des enger n Ausschusses. Ar tikel I. Von dem Fond der Gesellschaft. §. 1. Der Caßier darf nie weniger als zwanzig und mehr als hunder Thaler in der Casse der Gesellschaft haben. 851
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§. 2. Sobald der Bestand seiner Casse hundert Thaler und darüber wird, so muß er es bey der nächsten Sitzung dem engern Ausschuß anzeigen. Dieser beordert sodann den Vorsteher, den Pflegevater und einen der Oekonomen, am folgenden Tage, alles was der Kaßier über 50 Thlr. in der Casse hat, von ihm in Empfang zu nehmen, und bey der königl. Banque auf ihren Namen zu belegen, den darüber zu erhaltenden Schein aber dem Kaßier einzuhändigen. §. 3. Bey der nächst darauf folgenden Sitzung produciert der Kaßier die Obligation der Banque. Sie wird in einen Umschlag gethan, dieser mit dem Siegel der Gesellschaft und dem Privatsiegel aller 9 Glieder des engern Ausschusses versiegelt, und so bey einem allgemein als reich und solid bekannten Manne deponirt, mit dem Bedeuten, dieses Depot niemals ohne Order aller 9 Glieder zu extradiren. a) Dem engern Ausschuß allein ist es überlassen, wen er zum Depositario wählen will. §. 4. In einem solchen Umschlage darf nie mehr als der Werth von 300 Thlr. enthalten seyn. Sobald mehr Geld da ist, so wird ein zweites Depot gemacht, welches abermals nur 300 Thlr. enthalten darf, und wenn wieder mehr da ist, ein drittes und so weiter. a) Die Depots werden nummerirt, und der 2te Sekretair führt ein besonderes Buch über ihren Inhalt. §. 5. Außer den Banko-Obligationen darf der Fond der Gesellschaft einzig und allein auf Landschaftliche Pfandbriefe einer unter der Regierung des Königs von Preußen stehenden Provinz verwandt werden, der Ankauf derselben ist blos dem engern Ausschuß überlassen, jedoch müssen die Oekonomen dafür sorgen, daß solche aufs wohlfeilste angeschaft werden, und deshalb Vorschläge machen. Auch diese werden nach §. 3. und §. 4. deponirt. a) Auch beim Ankauf dieser Pfandbriefe muß darauf gesehen werden, daß die §. 4. bestimmte Summe eines Depots beobachtet werden kann. Solte es aber nicht möglich seyn, die Pfandbriefe in diesen Summen anzuschaffen, so ist es zwar erlaubt ein größeres Depot zu machen, ein solches darf aber nur allen 9 Gliedern des engern Ausschusses per sönlich extradirt werden. Dieses muß dem Depositario bekannt gemacht, und auf dem Umschlage des Depots angemerkt werden. b) Bey dem Ankauf der Pfandbriefe muß darauf gesehen werden, daß Zins-Recognitions-Scheine sich dabey befinden, die alsdenn nicht in dem Depot, sondern bey dem Kaßier liegen können, damit das Depot nicht jedesmal bey Erhebung der Zinsen, geöfnet werden darf. §. 6. In einem jeden Falle, da die Dokumente des Fonds entweder zur Eintreibung der Zinsen, oder des Kapitals oder zu einer sonstigen Absicht gebraucht werden, giebt der engere Ausschuß dem Depositario eine Order, das Depot, worinn die verlangten Dokumente sich befinden, dem Kaßier auszuliefern. Dieser muß bey der nächsten Sitzung des engern Ausschusses die Dokumente, im Fall er sie nicht ganz zu Geld gemacht hat, dem engern Ausschuß zurückliefern, und von dem gemachten Gebrauch derselben Rechenschaft ablegen.
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a) Sind diese Dokumente Obligationen der Banque, die nach §. 2. auf die Namen des Vorstehers, des Pflegevaters und eines Oekonomen ausgestellt sind; so beordert diese der engere Ausschuß, die nöthigen Quittungen zur Erhebung der Zinsen oder des etwa zu erhebenden Capitals zu ertheilen. b) Der Kaßier darf nie mehr als ein Depot von 300 Thlr. in Händen haben. Werden mehrere zugleich oder ein größeres Depot erfordert, so kann niemand als der engere Ausschuß in corpore disponiren. §. 7. Sobald der Kaßier weniger als zwanzig Thlr. Kassenbestand hat; meldet er es dem engern Ausschuß in der nächsten Sitzung, der ihm alsdann zur Erhebung von 50 Thalern aus dem Fond der Gesellschaft nach §. 6. beordert. Ar tikel II. Nähere Bestimmung der Erwählung der 13, und des enger n sowohl als des g rößer n Ausschusses. §. 1. In der Oktobersitzung der Gesellschaft wählen alle sich einzufindende Mitglieder 13 Personen aus ihrer Mitte, (nach Abschnitt eins, Art. IV. §. 9.) die den neuen engern Ausschuß ernennen sollen. Die Mitglieder, die nicht würklich bey der Seßion anwesend sind, können unter diesen 13 nicht gewählt werden, und haben auch zur Erwählung derselben keine Stimme. Die Mitglieder des engern Ausschusses aber geben ihre Stimme mit zur Wahl, und können auch unter den 13 erwählt werden. a) Wenn einer oder mehrere unter den 13 Erwählten diese Verrichtung nicht übernehmen wollen, so erwählen die übrigen der 13 andere aus den bey der Session anwesenden Mitgliedern an die Stelle der zurückgetretenen. §. 2. Die dreizehn Erwählten treten in ein besonderes Zimmer, und ernennen jedes Glied des engern Ausschusses besonders nach der (Abschnitt viere, Art. IV. §. 4.) vorgeschriebenen Ordnung, und zwar auf folgende Weise. Ein jeder der 13 kann zu jedem Gliede des engern Ausschusses e i n e n aus der Gesellschaft vorschlagen und einen kurzen Vortrag halten, um die Fähigkeit des Vorgeschlagenen zu dem Amte, das er verwalten soll, darzuthun. Alle Vorgeschlagenen werden auf ein Blatt geschrieben, und wird über einen jeden ballottirt. Sobald einer die Mehrheit der Stimmen für sich hat; so ist er erwählt, und über die übrigen Vorgeschlagenen braucht nicht mehr ballotirt zu werden. Ohne ballottiren darf kein Glied des engern Ausschusses erwählt werden. Obgedachten 13 können und dürfen den engeren Ausschuß sowohl aus sich als aus der ganzen Gesellschaft wählen. a) Die Ordnung, nach welcher über die Vorgeschlagenen ballottirt werden soll, braucht nicht bestimmt zu werden, und ist der Willkühr überlassen, indem ein jeder alle Vorgeschlagenen auf dem Blatte vor sich siehet, und dem seine Stimme versagen kann, den er nicht wählen will. b) Wird ein Mitglied erwählt, das nicht in Berlin sich befindet; so vertritt dasselbe Glied des vorigen engern Ausschusses ad interim die Stelle des Abwesenden. Ist der 853
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Abwesende bis zur ersten Monats-Seßion des engern Ausschusses, (wenn solche wenigstens 14 Tage nach der allgemeinen Oktobersession eintrift) oder (wenn solche nehmlich früher eintrift) bis zur zweiten Monats-Session, nicht hier angekommen; so hat er keine Rechte mehr an das ihm ertheilte Amt; sondern der engere Ausschuß ernennt sodann (nach Abschnitt Eins, Art. I. §. 5.) einen grösseren Ausschuß, der auf eben die den 13 Wählern vorgeschriebene Art, einen anderen an die Stelle des Abwesenden erwählt. c) Will ein Mitglied das Amt, das ihm von den 13 zuerkannt ist, nicht annehmen, so vertritt dasselbe Glied des vorigen engern Ausschusses seine Stelle bis zur nächsten Sitzung des engeren Ausschusses, allwo durch den größern Ausschuß wie bey b, ein neues Glied ernannt wird. d) Jedoch kann diese Lossagung von einem Amte bey einem in Berlin anwesenden Mitgliede nur binnen drey Tage nach der Oktobersitzung, bey einem nicht in Berlin seyenden Mitgliede aber, wenn dasselbe in der bey b) bestimmten Zeit zurückkömmt, nur einen Tag nach seiner Zurückkunft geschehen. Wer dies ihm übertragene Amt einmal angenommen hat, muß es bis am Ende des Jahres, d. h. bis zur nächsten Oktoberseßion verwalten. e) Wenn der Vorsteher, der Pflegevater, oder der Caßier mitten im Jahre verreiset, krank wird, oder auf eine sonstige Art von der Verwaltung seines Amts nothwendig abgehalten wird; so muß er solches dem engern Ausschuß melden, der alsdenn zusammen kömmt, nach (Abschnitt Eins, Art. I. §. 4.) einen andern zu ernennen, der dieses erledigte Amt so lange verwaltet, bis das vorige Glied die Verwaltung wieder übernehmen kann. Trift dieser Fall aber bey einem der übrigen Glieder des engeren Ausschusses ein, so muß zwar auf eben die Art ein Stellvertreter ernannt werden, jedoch braucht der engere Ausschuß deshalb nicht besonders zusammen zu kommen, sondern es kann bis zur nächsten Session desselben beruhen. Ein auf diese Art ernannter Stellvertreter hat alle Pflichten und Rechte des Vertretenen ohne Ausnahme. f) Von einem solchen Stellverteter oder von der Erwählung eines andern nach c) müssen alle anwesende Mitglieder durch den Bothen benachrichtiget werden. Von der Letztern auch die auswärtigen Mitglieder. §. 3. Die 6 Mitglieder, welche mit dem engern Ausschuß den größeren Ausschuß ausmachen, werden von den Letztern ebenfals durchs Ballottiren erwählt. Erscheinen bey der für den größeren Ausschuß anberaumten Session weniger als 4 von den erwählten 6 Mitgliedern, so hat die Sitzung nicht Statt, der engere Ausschuß muß sodann andere an die Stelle der Fehlenden ernennen. Ar tikel III. Von den Deliberationen und den Ver r ichtungen des enger n und g rößer n Ausschusses. §. 1. Der engere und der größere Ausschuß sind die Stellvertreter der Gesellschaft. Sie haben von allen Mitgliedern die Vollmacht, nach dem Inhalt dieser Statuten, neue 854
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Mitglieder aufzunehmen, Dürftige und Kranke zu unterstützen, jemand Empfehlungen zu geben oder abzuschlagen, jedes Mitglied das seine Pflichten verletzet hat, zu bestrafen, über den Fond zu disponiren u. s. w. Dieses alles geschiehet in dem Namen der Gesellschaft der auch auf alles was darüber niedergeschrieben wird, sich befinden muß. Unter diesem Namen unterschreibt der beschließende Ausschuß, und zwar wenn dies der größere ist, zuerst der engere Ausschuß und dann die übrigen Glieder nach Ordnung ihrer Nummer. §. 2. Außer den monathlichen Sitzungen des engern Ausschusses muß dieser zusammen kommen: 1) wenn eine Unterstützung verlangt wird, die nach dem Urtheile des Vorstehers schleunig gereicht werden muß; und 2) wenn (nach Abschnitt viere, Art. II. §. 2.) der Vorsteher, der Pflegevater oder der Kaßier verreiset, krank wird u. d. g. Wird ein Attestat schleunig verlangt, so kann dieses nur bey den Gliedern des engeren Ausschusses zur Unterschrift zirkuliren. Bey jedem sonstigen Vorfall, wo der Vorsteher eine außerordentliche Sitzung des engern Ausschusses nöthig glaubt, muß er ein schriftliches Zirkular deshalb an die Glieder desselben ergehen lassen, die ihre Meinung über die Nothwendigkeit einer solchen außerordentlichen Sitzung dabey schreiben. Wenn die Mehrheit der Stimmen dafür ist: so kann der Vorsteher eine solche Sitzung ausschreiben. §. 3. Der Vorsteher, und in seiner Abwesenheit der Pflegevater, trägt bey den Sitzungen des Ausschusses alle Vorfallenheiten, die die Verwaltung der Gesellschaft betreffen vor. Gehören diese nach den Statuten für den engern Ausschuß, so deliberirt solcher sogleich darüber, und verfügt das Nöthige nach seinen Beschlüssen. Gehören sie aber für den größeren Ausschuß, so ernennt der engere Ausschuß die 6 Mitglieder, die mit ihm den größeren Ausschuß formiren sollen, und beraumt seine Sitzung an, welche jedoch spätestens 4 Wochen darnach gehalten werden muß. Ist dies geschehen, so legt der Pflegevater dem engern Ausschuß eine getreue Liste aller derer vor, die gegenwärtig eine Geldunterstützung der Gesellschaft genießen, damit genau darauf gesehen werde, daß niemand mehr oder länger Unterstützung genießt, als die Statuten ihm zugestehen. Unterdeß revidiren die beyden Beysitzer das Kassenbuch auf die ihnen im folgenden Artikel zu bestimmende Art, und zuletzt liquidiren die Oekonomen ihre etwa für die Gesellschaft bereits gehabte Ausgaben, und die Ausgaben, die für den künftigen Monath zu bestreiten seyn werden, um sich nach der Genehmigung des engern Ausschusses eine Order an den Kaßier zur Bezahlung ausfertigen zu lassen. a) Obschon der Vortrag dem Vorsteher und in seiner Abwesenheit dem Pflegevater hauptsächlich zukömmt, so hat doch jedes Glied das Recht, was ihm nöthig dünkt, dem Ausschuß ad deliberandum vorzutragen. §. 4. Können sich die Glieder des größern oder des engern Ausschusses über einen vorgetragenen Punkt nicht vereinigen; so muß einzig und allein die Mehrheit der Stimmen entscheiden. Das Stimmen geschieht nach Maasgabe des Gegenstandes, worüber 855
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deliberirt worden, entweder durch Zettel, worauf die Glieder ihre Meynung schreiben, oder durchs Ballottiren. a) Ist durch Abwesenheit eines Gliedes die Zahl der Glieder des engern oder des größeren Ausschusses grade geworden; so hat der Vorsteher, und in seiner Abwesenheit der Pflegevater, zwey Stimmen. §. 5. Alle Verhandlungen, Beschlüsse, zuerkannte Unterstützungen u. s. w. sowohl des engern als des größern Ausschusses, müssen ad Protocollum genommen werden, welches von dem beschließenden Ausschuß am Ende der Sitzung unterschrieben wird. a) Auch bey der vierteljährigen allgemeinen Seßion muß ein solches Protocoll geführt und vom engern Ausschuß unterschrieben werden. In der Oktobersitzung ist dies die letzte Verrichtung des engern Ausschusses. §. 6. Alle Beschlüsse des engern oder des größern Ausschusses über die ihnen, zufolge dieser Statuten, überlassenen Punkte müssen von jedem Mitgliede der Gesellschaft ohne Einwendung befolgt werden. Der ganze engere oder größere Ausschuß ist den einzelnen Mitgliedern für die Verwaltung der ihnen überlassenen Punkte keine Rechenschaft schuldig. §. 7. Der engere Ausschuß bleibt in dieser Qualität, bis der neue in der Oktoberseßion gewählt ist. Alsdenn liefert derselbe den Gliedern des neuen Ausschusses alle Bücher, Documente, das Petschaft, die Casse, das Archiv u. s. w. ab. Alle etwanige vorhandene Obligationen, die auf den Namen des Vorstehers, Pflegevaters und eines Oekonomen stehen, werden von diesen den neuen Verwaltern dieser Aemter cedirt. Der abgehende Ausschuß zeigt die neu erfolgte Wahl allen auswärtigen Gliedern an, und tritt in die völlige Pflichten und Rechte eines jeden andern Mitgliedes. Ar tikel IV. Von den einzelnen Glieder n des enger n Ausschusses. §. 1. Der Vorsteher ist die erste Person in der Gesellschaft, unter seiner Verwahrung liegen die von allen Mitgliedern unterschriebenen Statuten und das Gesellschaftssiegel, ihm kömmt es zu, die allgemeinen Sessionen sowol als die des engern und des größern Ausschusses, jedesmal nach der vorgeschriebenen Ordnung auszuschreiben und ankündigen zu lassen, bey den Sessionen alle Gegenstände der Deliberation vorzutragen, und ein jedes Mitglied, das in einer allgemeinen Session die Gesellschaft anreden will (Abschn. eins, Art. III. §. 5.) nach der Ordnung aufzurufen, und endlich dem Pflegevater für jedes kranke Mitglied, das die Unterstützung der Gesellschaft genießt, zur Bestreitung der kleinen Kosten 10 Thlr. (Abschn. eins, Art. VI. §. 3.) auszahlen zu lassen. An ihm [!] wenden sich alle, die in die Gesellschaft aufgenommen, oder von der Gesellschaft empfohlen seyn wollen. Der Pflegevater stattet ihm Bericht von allen ab, die eine Geldunterstützung von der Gesellschaft fordern, von ihm erhalten die Mitglieder ihre Diplome, bey jeder Stimmensammlung hat er zwei Stimmen, wenn die Zahl der Stimmen gerade ist. Da er die wichtigste Person bey den Deliberationen ist, so muß
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er, wenn er bey einer allgemeinen Session sowohl als bey der Session des engren oder des größeren Ausschusses nicht erscheint, fünf Thlr. Strafe erlegen. §. 2. Der Vorsteher führt drei Bücher, 1) ein R e g i s t r a t u r b u c h, worin alle die Nahmen der Mitglieder nach der Reihe ihrer Nummern verzeichnet sind. Er bemerkt dabey den Tag ihrer Reception. 2) ein M e m o r i a l , worin alle Ausgaben der Gesellschaft, sowohl an die Oekonomen, als an den Pflegevater u. s. w. spezifizirt sind. 3) ein H a u p t b u c h von der sämmtlichen Einnahme und Ausgabe und dem Fond der Gesellschaft. §. 3. Der Pflegevater reicht unmittelbar jedem Nothleidenden die ihm bestimmte Unterstützung, ihm ist die Pflege der Kranken hauptsächlich überlassen. Er muß den Arzt, die Arznei, die Krankenwächter, und alles was zur Wartung des Kranken nöthig ist, besorgen, und ihn täglich besuchen. Ein so heiliges Amt muß unverdrossen, mit Sanftmuth und Geduld verwaltet werden. Der Nothleidende darf nie hart begegnet, oder seine Unterstützung verzögert werden. Bey den monathlichen Sessionen überreicht der Pflegevater die Liste derer, die von der Gesellschaft unterstützt werden und in Abwesenheit des Vorstehers trägt er bey den Seßionen vor, und hat zwey Stimmen, wenn die Zahl der Stimmen gerade ist. An ihn wenden sich alle, die gegen den Vorsteher eine Klage anzubringen haben. Zur Strafe für das Nichterscheinen bey einer Seßion ohne Ausnahme zahlt er drey Thaler. §. 4. Der Pflegevater führt ein Registraturbuch und ein Memorial, die zur Controlle der Bücher des Vorstehers dienen. §. 5. Alle Einnahmen und Ausgaben der Gesellschaft gehen durch den Caßier und über erstre quittirt er im Namen der Gesellschaft. Für den richtigen Eingang des monathlichen Beytrags muß er sorgen, und wenn ein Mitglied solchen nicht entrichtet, es dem engern Ausschuß bey seiner nächsten Sitzung anzeigen, widrigenfalls er dafür haften muß. Seine Casse darf nicht über 100 und nicht unter 20 Thaler betragen. (Abschnitt Eins, Art. I. §. 1.) Er darf dem Pflegevater 10 Thlr. für jeden Kranken, der die Unterstützung der Gesellschaft genießt, bloß auf Ordre des Vorstehers zahlen, und zwar nach (Abschnitt Zwey, Art. VI. §. 3.c.) Außerdem muß er bey allen Zahlungen, an die Oekonomen sowohl, als bey den Zahlungen von 2 Rthl. monathlich [am Rand verbessert: wöchentlich] an den Pflegevater zur Unterstützung eines dürftigen, nicht kaufmännischen (Abschn. Zwey, Art. II. §. 3.) oder eines in Unthätigkeit gesetzten Mitgliedes (ibid. §. 5), ferner bey den monathlichen [am Rand verbessert: wöchentlichen] Zahlungen von 1 Thlr. für einen Kranken sowohl, als bey der Zahlung für Arzt, Arzney, Wärter etc. die Ordre des engern Ausschusses, bey einer Zahlung an den Pflegevater, als Unterstützung für ein kaufmännisches Mitglied aber, die Ordre des größern Ausschusses haben. In der Ordre muß jedesmal die Nr. des Mitgliedes, welches die Unterstützung erhält, und unter welcher Classe es nach (Abschnitt Zwey, Art. II.) gehört, angemerkt seyn. Der Caßier muß sich von dem Pflegevater für die an ihm geleistete Zahlungen und für die Zahlungen an einen Oekonomen, von beyden Oekonomen quittiren lassen. Jede Zahlung, die er nicht gehörig mit Quittungen und Ordern, so wie es ihm hier vorgeschrieben ist, belegen kann, wird nicht in Rechnung 857
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angenommen, sondern er muß sie wieder erlegen. Bey den monathlichen Sessionen produzirt er das Kassa-Buch nebst allen Ordern und Quittungen die als Belage [!] zu den Ausgaben des vorigen Monaths gehören, um solche gehörig revidiren zu lassen. Seine Strafe für das Nichterscheinen bey den monathlichen Sessionen ist 6 Thaler. Wenn er die folgende Monathssitzung wieder nicht erscheint, so wird er seines Amtes entsetzt, ihm die Kasse abgenommen, und nach der Wahl des engern Ausschusses ein anderer gewählt. Für das Nichterscheinen bey einer andern Sitzung außer der monathlichen zahlt er 2 Thlr. a) Zur Besoldung des Bothen wird der Kaßier ein für allemal beordert. §. 6. Die Oekonomen müssen für Logis, Meubel, Heitzung und Beleuchtung, Schreibmaterialien u. s. w. sorgen, und zwar müssen sie dies auf die wohlfeilste Art zu verschaffen suchen. Auch liegt ihnen die Sorge für die gute Verwendung des Fonds in Pfandbriefen ob. (Abschn. viere, Art. I. §. 5.) Sie besorgen die nach den vierteljährigen Sitzungen für so viele Mitglieder als in Berlin anwesend bestimmte Abendmahlzeit auf Kosten der Gesellschaft, und lassen sich von jedem den Tag darauf durch den Bothen 8 Gr. dafür zahlen. Das eingekommene Geld stellen sie dem Kaßier zu. Sie führen über alle ihre Ausgaben ein spezielles Memorial, und da einem Oekonomen ohne den andern nach §. 5. nichts gezahlt werden darf, so sind sie beyde für die gute und richtige Verwendung des Geldes gleich verantwortlich. Für ihre Nichterscheinung bey einer Session ohne Ausnahme, müssen sie jeder drey Thlr. zahlen. §. 7. Die beiden Beysitzer revidiren bey der monathlichen Session alle Rechnungen des Pflegevaters für die Auslagen bey einem Kranken, alle Rechnungen der Oekonomen und das Kassabuch des Kaßier. Sie müssen genau darauf Acht haben, daß ein jeder seine Ausgaben mit Quittung, der Kaßier aber auch noch mit den erforderlichen Orders belegen kann. Hierin dürfen sie niemand schonen, sondern sie sind verbunden jedes Falsum, Defekt oder jeden nicht gehörig belegten Posten sogleich dem engern Ausschuß anzuzeigen. Sie müssen darauf Acht haben, daß alle Beyträge der Mitglieder und sonstigen Revenüen der Gesellschaft gehörig eingehen, daß niemand länger, als in den Statuten bestimmt ist, Unterstützung genieße, und daß ein Depot, das der Kaßier etwa (Abs. eins, Art. I. §. 6.) empfangen hat, gehörig zugeliefert und berechnet werde. In der Oktober-Session müssen sie die jährliche Hauptbilanz der Einnahme und Ausgabe des verflossenen Jahres gedruckt vorlegen. Sie führen jeder einen Schlüssel zum Archiv. Für ihr Nichterscheinen bey den monathlichen Sessionen zahlen sie jeder fünf Thlr., bey einer andern Session zwei Thaler. §. 8. Der erste Sekretair fertiget alle Attestate, Empfehlungen, Briefe an auswärtige Mitglieder oder an fremde Personen u. s. w. aus und kopirt sie in ein besonderes Buch. Unter alle diese Akta setzt er den Namen der Gesellschaft und weiter unten seinen Namen; jedoch darf er nichts dergleichen ohne Genehmigung des Vorstehers ausfertigen, der selbiges auch mit unterschreiben muß. Auch die Diplomen für die Mitglieder fertigt er aus, und unterschreibt sie mit dem Vorsteher (Abs. eins, Art. IV. §. 1). Für sein Nichterscheinen bey einer Session zahlt er zwey Thaler. 858
Chevrat Marpe laNefesch (Gesellschaft für Seelenheilung)
a) Attestate zum auswärtigen Gebrauch müssen von dem ganzen engern Ausschuß unterzeichnet seyn (Abs. zwei, Art. VI. §. 1.) b) In der Abwesenheit des 2ten Sekretairs führt der erste Sekretair das Protokoll. §. 9. Der zweite Sekretair führt bey jeder Session ein Protokoll über die verhandelten Punkte und die darüber gefaßten Beschlüsse. Auch muß er über den Fond der Gesellschaft ein besonderes Buch führen, worin alle Depots mit ihren Nummern spezifizirt sind. Er bemerkt dabey, wenn ein solches Depot dem Kaßier ausgehändigt worden, und muß es bey der nächsten monathlichen Sitzung den beyden Beysitzern anzeigen. Für das Nichterscheinen bey einer Session zahlt er drey Thaler. §. 10. Von allen festgesetzten Strafen für das Nichterscheinen bey den Sessionen, gilt jedoch vollkommen das, was oben (Absch. drei, Art. I. §. [Fehlstelle im Text]) bey den Geldstrafen gesagt worden. §. 11. Jedes einzelne Glied des engern Ausschusses ist dem ganzen engern Ausschuß verantwortlich, und es stehet einem jeden Mitgliede frey, ein jedes Glied des engern Ausschusses wegen Verletzung seiner Pflicht anzuklagen. Man wendet sich dieserhalb an den Vorsteher, dessen Pflicht es ist, eine solche Anklage dem engern Ausschuß vorzulegen, damit dieser darüber erkenne, und den Schuldigen zur Strafe ziehe. Ist die Klage gegen den Vorsteher selbst gerichtet, so wendet man sich deshalb an den Pflegevater, der solche dem engern Ausschuß vortragen muß. (Abs. viere, Art. IV. §. 3.) Quelle: Plan zur Errichtung einer wohlthätigen Gesellschaft unter dem Namen Gesellschaft der Freunde. Berlin, gedruckt bei Dieterici 1792. (XII und 52 Seiten) (GStA PK, II. HA, Abt. 14 (Kurmark), Tit. 115, Sekt. CC Nr. 12).
Chevrat Marpe laNefesch (Gesellschaft für Seelenheilung) Vorspann zur Mitgliederliste der Chevrat Marpe laNefesch, 1795 Dies sind die Wohltäter des friedliebenden und gläubigen Volks, [die Mitglieder der] Chevrat Marpe Nefesch [Gesellschaft für Seelenheilung], die sich dem Volk freiwillig zur Verfügung stellen, um zu helfen und um denjenigen, deren gelehrte [oder: aufgeklärte] Seelen erkrankt sind, mit Heilmitteln nützlich zu sein; so wie die Chevrat Biqur Cholim [Gesellschaft für Krankenbesuch/-pflege], deren wohltätiger Geist die Armen unterstützt, indem sie sie ermutigt und ihnen mit Medizin für am Leib Erkrankte hilft. Jene Wohltäter aber beauftragen einen sachverständigen Heiler, dessen Arznei diejenigen heilen soll, denen es an Wissen mangelt und deren interessierte Seele dadurch mit einer schweren Erkrankung des Verstandes daniederliegt und geplagt wird. Sie sind es, die Fürsorge tragen, indem sie 859
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Geld einsammeln, mit dem wertvolle Bücher gedruckt werden können, neue gemeinsam mit alten. Diese [Bücher] werden Früchte der Heilung sein und als Medizin dienen, um den Mund des Ausgezeichneten zu lösen, damit er über höchst wichtige Dinge sprechen kann. Dank ihrer Wohltätigkeit [oder: Freigiebigkeit] werden sie [auf der Mitgliederliste der Chevrat Marpe laNefesch] aufgestellt, damit jeder von ihnen für eine festgelegte Summe pro Jahr, die jeder mit seinem Namen festsetzt, die gedruckten Bücher erhält. Dies soll ihre volle Belohnung und ein Werk der Gerechtigkeit und des Friedens sein. Quelle: Übersetzung des hebräischen Vorspanns zur Mitgliederliste der Chevrat Marpe laNefesch in: Isaac Satanow (Hg.): Sefer HaKusari von Jehuda Halevi. Berlin 1795, und Isaac Satanow (Hg.): More Nevuchim von Moses Maimonides. Teil 2, Berlin 1795.
Ressource der jüdischen Kaufmannschaft (Ressource von 1794) Revidiertes Statut, März 1900 Revidirtes Statut der Ressource von 1794 Berlin, im März 1900 Auf den Bericht vom 27. Juni d. J. will Ich der „Ressource von 1794“ zu Berlin auf Grund des zurückfolgenden revidirten Statuts vom 12. d. M. die Rechte der juristischen Person hierdurch verleihen. Berlin, den 28. Juni 1871. gez. Wilhelm. gez. Graf Eulenburg. Dr. Leonhardt.
Zweck und Sitz der Gesellschaft. § 1. Die seit dem Jahre 1794 in Berlin bestehende Ressource hat den Zweck, einen Vereinigungspunkt für Männer der gebildeten Stände, insbesondere für Mitglieder des höheren Kaufmannsstandes zu bilden, welche das Bedürfnis eines geselligen Zusammenseins in freier ungezwungener Unterhaltung in sich fühlen. Sie unterhält zu diesem Zweck aus ihren Mitteln ein entsprechendes Lokal, welches den Mitgliedern zu jeder Zeit zur Verfügung steht. Die Gesellschaft führt den bisherigen Namen „Ressource von 1794“ und hat die Rechte einer juristischen Person. Ihr Domicil ist Berlin. 860
Ressource der jüdischen Kaufmannschaft (Ressource von 1794)
Bedingungen und Folgen der Mitgliedschaft. § 2. Zum Mitgliede der Gesellschaft eignet sich jeder unbescholtene Mann von höherer bürgerlicher Bildung nach zurückgelegtem 21. Lebensjahre. § 3. Die Mitglieder sind zur Beobachtung der Statuten und der auf Grund derselben erlassenen Reglements verpflichtet. § 4. Die sämtlichen Mitglieder der Gesellschaft haben gleiche Rechte und Pflichten und gleichen Antheil an dem Gesellschaftsvermögen. § 5. Jedes Mitglied zahlt bei seiner Aufnahme ein einmaliges Eintrittsgeld von 300 Mark und ausserdem jährlich praenumerando einen Beitrag von 150 Mark zur Gesellschaftskasse. § 6. Reicht die etatsmässige Einnahme zur Bestreitung der Bedürfnisse der Gesellschaft nicht aus, so kann die Direction einen Zuschuss beantragen, über den die General-Versammlung nach Massgabe des § 32 mit verbindlicher Kraft für alle Mitglieder beschliesst. § 7. Ein aufgenommenes Mitglied erhält nicht eher das Recht des Zutritts, als bis demselben die Aufnahme durch die Direction schriftlich bekannt gemacht worden ist und von ihm das Eintrittsgeld und Beitrag bezahlt sind. § 8. Jedes Mitglied ist verpflichtet, wenn es austreten will, seine Kündigung mindestens ein Jahr vorher schriftlich anzumelden. Jeder Austritt kann nur zum Ablauf des mit dem 31. August schliessenden Jahres erfolgen. § 9. Die Direction im Vereine mit der Commission ist berechtigt, eine Aufnahme für Null und nichtig zu erklären, wenn das aufgenommene Mitglied vierzehn Tage nach der Aufnahme-Bekanntmachung Eintrittsgeld und Beitrag nicht gezahlt hat. § 10. Alle Jahre am 1. September werden die Quittungen zur Bezahlung der jährlichen Beiträge den Mitgliedern zugeschickt.
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Dasjenige Mitglied, welches bis zum 1. Oktober seinen Beitrag nicht geleistet hat, wird durch ein Schreiben der Direction erinnert. Erfolgt die Zahlung dann nicht bis zum 1. November, so hat die Direction mit der Commission das Recht, die Rückstände noch länger zu stunden, oder das Mitglied aus der Gesellschaft auszuschliessen. Eine Stundung kann nicht länger als ein Jahr bewilligt werden. § 11. Jedes Gesuch um Aufnahme in die Gesellschaft ist der Direction schriftlich einzureichen. § 12. Die Entscheidung über ein Aufnahmegesuch erfolgt in einer gemeinschaftlichen Sitzung der Direction mit der Commission. § 13. Die Einladung zu der Sitzung, § 12, erfolgt durch den Vorsitzenden der Direction oder dessen Stellvertreter. Die Abstimmung erfolgt durch Kugelung. Blutsverwandte des Aufzunehmenden bis zum dritten Grade einschliesslich, dürfen bei der Abstimmung und Debatte nicht anwesend sein. § 14. Eine solche Versammlung ist beschlussfähig, wenn an derselben zwei Drittel der Eingeladenen Teil nehmen. Erscheinen in der ersten Sitzung diese zwei Drittel nicht, so muss eine neue Sitzung frühestens nach acht Tagen berufen werden. Die in dieser anwesenden Personen sind ohne Rücksicht auf die Zahl der Erschienenen beschlussfähig. § 15. Die Aufnahme des Candidaten ist erfolgt, wenn die Kugelung nicht mehr als ein Fünfteil verneinende Stimmen gegen denselben ergiebt. § 16. Ein nicht aufgenommener Candidat kann sein Gesuch nach einem Jahre, bei abermaliger Zurückweisung aber erst nach drei Jahren erneuern. Bleibt es auch dann erfolglos, so ist eine weitere Meldung nicht zulässig. § 17. Jedem neu aufgenommenen Mitgliede wird ein Statuten-Exemplar ausgehändigt.
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§ 18. Einem Mitgliede, das aus der Gesellschaft ausgetreten ist, soll es freistehen, bei der Direction auf neue Aufnahme ohne Zahlung eines Eintrittsgeldes anzutragen. Es bleibt alsdann dem Ermessen der Direction überlassen, ob diesem Antrag statt zu geben sei. Organe der Gesellschaft. § 19. Die Organe der Gesellschaft sind: 1) Die Direction. 2) Die Commission. 3) Die General-Versammlung der Mitglieder. § 20. Die Direction besteht aus drei bis fünf Mitgliedern, welche alljährlich in der ordentlichen General-Versammlung der Mitglieder gewählt werden, und sodann bis zur nächsten ordentlichen General-Versammlung fungiren. Die Zahl der zu wählenden Mitglieder beschliesst die General-Versammlung. Die Ausscheidenden sind wieder wählbar. Scheidet ein Mitglied aus, so sind die verbleibenden und die Commission gemeinschaftlich berechtigt, ein Mitglied zu cooptieren. Die Direction vertritt die Gesellschaft nach Aussen in allen deren Rechts-Angelegenheiten, auch bei denjenigen, für welche die Gesetze eine Special-Vollmacht erfordern, sowohl vor Behörden als gegenüber Privatpersonen. Alle Verträge und Erklärungen, welche von der Direction für die Gesellschaft errichtet oder abgegeben werden, verpflichten die Gesellschaft, wenn sie von 3 Mitgliedern des Directoriums unterschrieben sind. Die Legitimation der Direction wird durch eine beglaubigte Abschrift des Wahl-Protocolls, ferner des Protocolls über die Cooptation geführt. § 21. Die Commission besteht aus 16 Mitgliedern, welche alljährlich in der ordentlichen Generalversammlung gewählt werden und bis zur nächsten ordentlichen Generalversammlung fungiren. Dieselbe hat keinen Antheil an der Vertretung der Gesellschaft nach Aussen, bildet vielmehr nur einen beschliessenden Beirat bezüglich der inneren Verwaltung der Gesellschafts-Angelegenheiten. Die Beschlussfassung erfolgt in gemeinschaftlicher Sitzung nach Stimmenmehrheit. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden. Die Ausführung der nach diesem Statut gemeinschaftlich von der Direction und der Commission gefassten Beschlüsse ist lediglich Sache der Direction, dieselbe hat nach Aussen nicht nachzuweisen, dass ihren Handlungen ein gemeinsamer Beschluss vorhergegangen ist. Die Direction bestimmt unter sich den Vorsitzenden und dessen ersten und zweiten Stellvertreter. Der Vorsitzende oder sein Stellvertreter beruft die Sitzungen der Direc863
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tion und Commisssion und leitet dieselben. Erscheinen erstere in der Sitzung nicht, so wählt die in derselben anwesende Versammlung den Vorsitzenden für diese Sitzung. Die Anberaumung einer Sitzung muss erfolgen, wenn dieselbe von wenigstens 9 Mitgliedern der Direction und der Commission beim Vorsitzenden, oder in dessen Verhinderung bei dem Stellvertreter desselben beantragt wird. Ueber die Sitzungen wird ein Protocoll geführt, welches von den Anwesenden vollzogen wird. Die Versammlung ist, abgesehen von dem in § 14 behandelten Falle beschlussfähig, wenn mindestens ein Director und die Mehrheit der Mitglieder der Commission anwesend ist. § 22. Die Direction und Commission beschliesst hinsichts der Aufrechterhaltung der Ordnung in der Gesellschaft, sowie der Einführung von Fremden und der von diesen zu zahlenden Beiträge, endlich bezüglich der Benutzung der Gesellschaftsräume und der gemeinschaftlichen Utensilien, wie Bibliothek, Billard und dergleichen erforderlichen Reglements. Dieselben sind in dem Gesellschaftslocale auszuhängen oder aufzulegen, und verpflichten die Mitglieder ebenso, als wenn sie unmittelbare Bestandtheile dieses Statuts wären. § 23. Wenn eine Cooptation von Mitgliedern der Direction erfolgt, ist darüber ein gerichtliches oder notarielles Protocoll aufzunehmen. § 24. Alle Gesuche und Eingaben an die Direction müssen schriftlich zu Händen des vorsitzenden Directors eingereicht werden, welcher deren Erledigung veranlasst. General-Versammlung. § 25. Die General-Versammlungen der Mitglieder finden in Berlin statt. Sie werden durch öffentliche Bekanntmachung, welche spätestens 14 Tage vor dem Versammlungstage erscheinen muss, von der Direction berufen und zwar: a) ordentliche im ersten Quartal jeden Kalender-Jahres, b) ausserordentliche, sobald die Direction mit der Commission es für nöthig erachtet, oder fünfzig Mitglieder der Gesellschaft unter Angabe des Zweckes und der Gründe schriftlich bei der Direction darauf antragen. Die Einladung erfolgt durch einmalige Einrückung in: a) die Vossische b) die National Zeitung in Berlin. [bezieht sich auf a) und b) und steht zwischen beiden] 864
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Geht eins dieser Blätter ein, so wählt die Direction mit der Commission dafür ein anderes und macht die getroffene Wahl durch das ältere Publikationsorgan bekannt. Auch ausser diesem Fall steht es der Direction mit der Commission frei, andere als die oben bezeichneten Blätter zu gesellschaftlichen Publikationsorganen zu wählen, sie haben jedoch ihre Wahl durch die Blätter, in denen bisher die Bekanntmachungen erlassen werden müssen, soweit dieselben noch zugänglich sind, zu veröffentlichen. § 26. Ausser Zeit und Ort muss der Zweck jeder General-Versammlung bei ihrer Berufung kurz angegeben werden. Ueber Gegenstände, deren Verhandlung nicht in solcher Weise angekündigt ist, können Beschlüsse nicht gefasst werden. Hiervon ist nur der Beschluss über den in einer General-Versammlung gestellten Antrag auf Berufung einer ausserordentlichen General-Versammlung ausgenommen. Anträge der Mitglieder für eine General-Versammlung müssen 14 Tage vor der Einberufung derselben bei der Direction schriftlich eingebracht werden. § 27. Den Vorsitz in General-Versammlungen führt der Vorsitzende der Direction, oder in dessen Behinderung ein Stellvertreter. Er leitet die Verhandlungen, bestimmt die Reihenfolge der Vorträge nach Massgabe der vorher von der Direction mit der Commission festgesetzten Tagesordnung, sowie den Abstimmungsmodus. § 28. Alle von der Gesellschaft und ihren Organen vorzunehmenden Wahlen erfolgen, insofern sie nicht einstimmig durch Akklamation geschehen, durch Stimmzettel und nach absoluter Majorität. Ergiebt die erste Abstimmung keine absolute Majorität, so werden diejenigen Beiden, welche die relativ meisten Stimmen erhalten haben, zur engeren Wahl gestellt. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Los, durch die Hand des Vorsitzenden gezogen. Wer sich binnen acht Tagen nach ihm geschehener Bekanntmachung von seiner Wahl über deren Annahme nicht erklärt, von dem wird angenommen, dass er die Wahl ablehne. Tritt ein solcher Fall bei einem Mitgliede der Direction oder der Commission ein, so tritt derjenige resp. diejenigen an die Stelle, welche nach dem Ablehnenden die meisten Stimmen erhalten haben. Dasselbe gilt, wenn der Gewählte ausdrücklich ablehnt.
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§ 29. Die Beschlüsse der General-Versammlung werden vorbehaltlich der Bestimmungen des § 32 durch absolute Majorität der erschienenen Mitglieder gefasst. Im Fall der Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden. § 30. Bei den Abstimmungen hat jedes Mitglied der Gesellschaft eine Stimme. § 31. In der ordentlichen General-Versammlung hat die Direction über die Verhältnisse der Gesellschaft, unter Vorlage der Rechnung über das nächstvergangene Jahr zu berichten. Ausserdem geschieht die Wahl der Mitglieder der Direction und der Commision. § 32. Die General-Versammlung beschliesst ferner mit verbindlicher Kraft für die Mitglieder der Gesellschaft: a) über Anträge, die in Angelegenheiten der Gesellschaft von der Direction oder der Commission oder von einzelnen Mitgliedern gestellt worden sind (conf. § 27), b) über die von der Direction und Commission vorzulegenden Reglements zur Handhabung der inneren Ordnung der Gesellschaft, zur Aufnahme der Fremden etc. und über Dechargierung der Rechnung und Geschäftsführung, c) über Aenderung des Statuts, d) über Erhöhung der ordentlichen Beiträge und die Auflegung ausserordentlicher Beiträge, sowie Erwerb und Veräusserung von Grundstücken, e) über die Aufnahme von Anleihen, f) über Auflösung der Gesellschaft nach näherer Bestimmung des § 38 diese Statuts. Zur Beschlussfassung über die ad c. d. e. und f. erwähnten Gegenstände ist eine Mehrheit von drei Vierteln der Stimmen der Anwesenden erforderlich, jedoch nur dann ausreichend, wenn bei der Abstimmung die Hälfte sämtlicher Mitglieder anwesend gewesen ist. Ist dies nicht der Fall, so wird eine neue General-Versammlung nach sechs Wochen zusammenberufen, in welcher die Mehrheit von drei Vierteln der Stimmen der Anwesenden, ohne Rücksicht auf deren Zahl, über den in Frage gestellten Gegenstand entscheidet. Die Beschlüsse der General-Versammlung werden durch 14 tägigen Aushang im Local der Gesellschaft bekannt gemacht. § 33. Die Beschlüsse, welche eine Statuten-Aenderung in Bezug auf den Zweck, die Ver tretung nach Aussen, sowie die Auflösung der Gesellschaft betreffen, unterliegen vor ihrer Ausführung der landesherrlichen Genehmigung, alle anderen Statuten-Aenderungen bedürfen der Genehmigung des Ober-Präsidenten der Provinz Brandenburg. 866
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§ 34. Ueber die Verhandlungen in jeder General-Versammlung ist ein Protocoll aufzunehmen. Handelt es sich um Beschlüsse über die im § 32 ad c, d, e und f erwähnten Gegenstände, so ist ein gerichtliches oder notarielles Protocoll aufzunehmen, andernfalls bedarf es der Zuziehung eines Gerichts oder eines Notars nicht. Das Protocoll ist giltig vollzogen, wenn es von dem Vorsitzenden der General-Versammlung, sowie zwei Scrutatoren unterzeichnet ist. Verlust der Mitgliedschaft. § 35. Abgesehen von der Nichtigkeit der Aufnahme (§ 9) und dem Ausschluss wegen Nichtleistung der Beiträge (§ 10) geht die Mitgliedschaft durch Ausschluss aus der Gesellschaft verloren. Der Ausschluss kann daher von der Direction und der Commission in einer Sitzung beschlossen werden, in der mindestens zwei Directoren und zehn Mitglieder der Commission anwesend sind, ferner zwei Drittel der Anwesenden für den Ausschluss stimmen, wenn 1. über das Vermögen eines Mitgliedes der Konkurs eröffnet wird oder dessen Entmündigung beschlossen ist; 2. wenn ein Mitglied erweislich unehrenhafte oder dasselbe verächtlich machende oder solche Handlungen sich zu Schulden kommen lässt, welche dem Zwecke der Gesellschaft zuwider laufen oder das Ansehen des Clubs herabzusetzen geeignet sind. Gegen den Beschluss ist jede Berufung ausgeschlossen. § 36. Ein Mitglied, welches wegen eines den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte nach sich ziehenden Verbrechens oder Vergehens rechtskräftig verurteilt worden ist, wird dadurch ohne weiteres von der Gesellschaft ausgeschlossen. § 37. Sowohl der freiwillig Ausscheidende, als der Excludirte verlieren alle Rechte am Vermögen der Gesellschaft und haben auf Rückzahlung geleisteter Beträge keinen Anspruch. Auflösung. § 38. Wird nach § 32 die Auflösung der Gesellschaft beschlossen, so hat die General-Versammlung die Modalitäten der Liquidation mit einfacher Stimmenmehrheit zu bestimmen. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden.
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§ 39. Jedes Mitglied hat sich den Anordnungen der Direction zu fügen. Alle Streitigkeiten, die im Gesellschaftslocal vorfallen, sind vor der Direction zum Austrag zu bringen. Die Direction ist berechtigt, auf eine von ihr zu bestimmende Zeit ein Mitglied vom Besuch des Gesellschaftslocals auszuschliessen, welches die Anordnungen der Direction zu befolgen sich weigert und durch ein dem Zwecke der Gesellschaft zuwiderlaufendes Betragen den Mitgliedern zu Beschwerde Veranlassung giebt; hiergegen ist die Berufung auf die Entscheidung der Commission zulässig. Fügt ein Mitglied sich den über dasselbe verhängten Bestimmungen nicht oder fährt es fort, gegen die Anordnungen der Direction zu verstossen, oder den Gesellschaftszwecken zuwiderzuhandeln, so kann dasselbe auf Grund des § 35 aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Armenkasse. § 40. In der Gesellschaft besteht eine Armenkasse, zu welcher jederzeit Beiträge angenommen werden, welche die Direction zu wohltätigen Zwecken verwendet und darüber der Commission jährlich berichtet. Besuch ohne Mitgliedschaft. § 41. Die Direction und die Commission sind berechtigt, auf die Dauer eines Jahres gegen Zahlung eines Jahresbeitrages von 150 Mark zur Gesellschaftskasse den Besuch der Gesellschaftsräume zu gestatten. Die Erneuerung der Erlaubniss ist auf Beschluss der Direction und der Commission zulässig. Auf die Beschlussfassung finden die Bestimmungen des Statuts über die Aufnahme neuer Mitglieder entsprechende Anwendung. Quelle: Revidirtes Statut der Ressource von 1794. Berlin, im März 1900. Berlin 1900 (Druckschrift, 16 S.; GStA PK, I. HA, Rep. 77 Ministerium des Innern, Tit. 1053, Nr. 11, Beiakte 1).
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Ressource der Gesellschaft der Freunde Revidiertes Statut von 1872 Revidirtes Statut des geselligen Vereins der Gesellschaft der Freunde de 1872. §. 1. Der gesellige Verein der Gesellschaft der Freunde im Jahre 1795 durch die Gesellschaft der Freunde gestiftet, hat den freundschaftlichen Verkehr seiner Mitglieder, sowie die Zwecke der Gesellschaft der Freunde zu fördern. §. 2. Der Verein besteht: A. aus Mitgliedern, welche zugleich Mitglieder der Gesellschaft der Freunde sind (AMitgliedern), B. aus Mitgliedern, welche nicht der Gesellschaft der Freunde angehören (B-Mitgliedern). §. 3. Wer in den Verein aufgenommen zu werden wünscht, hat durch ein Mitglied einen schriftlichen Antrag an die Direction zu richten. Der Name des Kandidaten wird durch vierzehntägigen Aushang im Vereinslokale bekannt gemacht. Die Aufnahme erfolgt durch die Ballotements-Kommission. Zu dieser Kommission gehören: a) die Mitglieder der Direction, b) 20 Vereins-Mitglieder; letztere werden für jede Ballotements-Sitzung von der Direction und zwar zur Hälfte aus den A-Mitgliedern und zur andern Hälfte aus den B-Mitgliedern ausgeloost und gelangen erst dann wieder zur Ausloosung, wenn die übrigen Mitglieder zur Kommission berufen worden sind; c) den 3 Deputirten der Gesellschaft der Freunde (§. 4). Die Kommission ist beschlußfähig, sobald ⅔ der Eingeladenen erschienen sind. Nahe Verwandten [!] des Kandidaten (Vater, Sohn, Bruder, Schwager, Schwiegervater, Schwiegersohn) sowie derjenige, welcher den Kandidaten vorgeschlagen, dürfen dem Ballotement nicht beiwohnen. Der Vorsitzende hat bei Eröffnung der Sitzung die Stimmenden daran zu erinnern, daß es ihre Pflicht sei, mit strenger Gewissenhaftigkeit zu verfahren, auf den Ruf und die gesellige Bildung des Kandidaten Rücksicht zu nehmen, alle persönlichen Beweggründe dem Interesse des Vereins unterzuordnen und über sämmtliche bezüglich des Kandidaten geschehenen Aeußerungen das unverbrüchlichste Stillschweigen zu bewahren. Die Abstimmung erfolgt durch Kugelung und sind alle Anwesenden zur Abgabe ihrer Stimmen verpflichtet. Der Kandidat ist aufgenommen, wenn zwei Drittel der Stimmen für die Aufnahme entschieden haben. 869
Vereine in der jüdischen Gemeinde
§. 4. Zu jeder Ballotements-Sitzung sind die drei Deputirten des engeren Ausschusses der Gesellschaft der Freunde, welche dieser jährlich aus seiner Mitte zum Verkehr mit dem Vereine wählt, einzuladen. §. 5. Der Vorsteher und der Pflegevater der Gesellschaft der Freunde werden ohne Ballotement durch ihre schriftliche Meldung Mitglied des Vereins. §. 6. Das neu aufgenommene Mitglied hat mit Empfangnahme des Diploms den Revers (Schema A) zu unterzeichnen. Mit diesem Zeitpunkte beginnen seine Rechte und Pflichten an den Verein. §. 7. Jedes Mitglied hat den Mitgenuß des gesellschaftlichen Vermögens, sowie das aktive und passive Wahlrecht. Jedes Mitglied kann unter Beobachtung der von der Direction zu treffenden Anordnungen Gäste einführen. §. 8. Jedes Mitglied hat ein Eintrittsgeld von 20 Thalern zu zahlen. Der jährliche Beitrag ist für alle nicht perpetuellen Mitglieder 15 Thaler, welche in halbjährlichen Raten (je à 7 ½ Thlr.) gezahlt werden. Die immerwährende Mitgliedschaft und damit die Befreiung von den regelmäßigen jährlichen Beiträgen, wird durch einmalige Zahlung von 200 Thalern in Baarem erlangt. Ein Mitglied, welches nach zweimaliger schriftlicher Mahnung die ihm obliegenden Zahlungen nicht leistet, kann aus dem Verein ausgeschlossen werden, bleibt jedoch für alle Rückstände bis zu seinem Ausschluß rechtlich verhaftet. §. 9. Der Austritt aus dem Verein steht nur zum 1. October frei und ist sechs Monate vor diesem Termin der Direction schriftlich anzuzeigen. §. 10. Ueber die Ausschließung eines Mitgliedes aus dem Verein entscheidet auf schriftlichen und motivirten Antrag von mindestens 50 Mitgliedern die Ballotkommission. Die Abstimmung erfolgt durch Kugelung und müssen ¾ der abgegebenen Stimmen sich für die Ausschließung aussprechen, widrigenfalls der Antrag gefallen ist und vor Jahresfrist nicht wieder erneuert werden kann. Notorische Bescholtenheit bedingt die sofortige Ausschließung. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. 870
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§. 11. Mit dem Ausscheiden eines Mitglieds erlöschen alle ihm als solchem zustehenden Rechte und jeder Anspruch an das Vermögen des Vereins. §. 12. Die Gesammtheit der Mitglieder wird durch die Generalversammlung vertreten. Die Direction ist das Verwaltungsorgan des Vereins. §. 13. Die Generalversammlungen werden von der Direction einberufen. Die Einladung erfolgt acht Tage vorher durch Karten. Die Beschlüsse werden durch absolute Stimmenmehrheit gefaßt und sind für die Nichterschienen [!] verbindlich. Ueber die Verhandlungen wird ein Protokoll geführt und vom Vorsitzenden, dem Schriftführer und drei Mitgliedern vollzogen. Die Generalversammlungen sind: a) Ordentliche. Jährlich im Monat Oktober findet die ordentliche Generalversammlung statt. Ihr Zweck ist Berichterstattung und Rechnungsablegung Seitens der Direktion, Wahl der Beamten, Ertheilung der Decharge und Erledigung der vorliegenden Anträge. Die Anträge der Mitglieder müssen bis zum 1. October der Direction eingereicht werden. b) Außerordentliche. Diese werden anberaumt. a. Auf Beschluß der Direction. b. Auf motivirten Antrag von mindestens 40 Mitgliedern. Im letzten Falle hat die Direction spätestens innerhalb drei Wochen nach Einreichung dieses Antrages die Generalversammlung zu berufen. §. 14. Die Wahl der Beamten geschieht dadurch, daß die Mitglieder die ihnen bei der Einladung zur ordentlichen Generalversammlung zugefertigten Stimmzettel ausgefüllt in eine verschlossene Wahlurne legen, welche 6 Tage vor der Generalversammlung von 6 bis 9 Uhr Abends bis zur Beendigung der Generalversammlung im Vereinslokale unter Aufsicht ausgestellt wird. Diejenige Mitglieder, welche ihr Wahlrecht in den sechs Tagen vor der Generalversammlung ausüben, müssen dies in einem Kontrollbuch durch eigenhändige Eintragung ihres Namens bescheinigen. Fünf in der Generalversammlung ausgelooste Mitglieder stellen unter Mitwirkung eines Direktions-Mitgliedes das Ergebniß der Wahl in einem besonderen Protokolle fest, welches sie der Direktion binnen 3 Tagen auszuhändigen haben. Für die Wahl entscheidet relative Stimmenmehrheit. Jedes Mitglied der Direktion muß mit mindestens 50 Stimmen, deren Stellvertreter mit mindestens 30 Stimmen gewählt sein. 871
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Kommt ein Amt aus Mangel an der erforderlichen Stimmenzahl oder wegen erfolgender Ablehnung zur Erledigung, so findet für den betreffenden Beamten eine Neuwahl in der gedachten Weise statt, indem die Wahlurne wiederum 6 Tage hinter einander in den Abendstunden von 6 bis 9 Uhr im Vereinslokale unter Beaufsichtigung ausgestellt und die geschehene Abgabe der Stimme von den Mitgliedern durch eigenhändige Eintragung des Namens in das Kontrollbuch vermerkt wird. Die Stimmzählung erfolgt durch die Direktion, und ist hierüber ein besonderes Protokoll zu führen. In diesem Falle entscheidet die relative Majorität der abgegebenen Stimmen. Der solchergestalt Gewählte hat aber sein Amt nur bis zur nächsten Wahl zu führen, wo er unter das ausscheidende Drittel des Vorstandes tritt. §. 15. Das Direktorium besteht aus: Einem Vorsitzenden, Einem Schriftführer, Einem Cassirer, Einem Controlleur, Einem Hausverwalter, resp. drei Stellvertretern, welche in Behinderungsfällen der ordentlichen DirektionsMitglieder einzuberufen sind. Die Mitglieder der Direktion sowie die drei Stellvertreter werden auf 3 Jahre gewählt. Von den Mitgliedern der Direktion scheidet alljährlich ein Theil und zwar im ersten Jahre zwei, im zweiten Jahre einer und im dritten Jahre wieder zwei, von den Stellvertretern alljährlich Einer aus. Ueber das Ausscheiden bestimmt das Loos. Die Ausscheidenden sind wieder wählbar. Die Direktionsmitglieder wählen unter sich einen Vorsitzenden und vertheilen die übrigen Aemter unter sich. Diese Neuconstituirung des Vorstandes findet jährlich nach stattgehabter Neuwahl statt. Die Direktion hat alle im Interesse des Vereins erforderlichen Anordnungen zu treffen; sie wacht über die Befolgung des Statuts, sie verwaltet das dem Verein gehörige Grundstück und Vermögen, sie übt alle dem Vereine als moralischer Person zustehenden Rechte für diesen aus. Sie ernennt die Boten. Sie stellt den Oekonom an und macht die Verpflichtungen desselben durch Anschlag im Lokal bekannt. Sie ordnet die Vermiethungen des Festlokals. Zu einer beschlußfähigen Sitzung der Direktion genügt die Anwesenheit von drei Direktoren. Drei Direktoren haben jeden gerichtlichen oder notariellen Akt zu vollziehen. Geschäftliche Erlasse, Korrespondenzen und außergerichtliche Verträge werden nur vom Vorsitzenden und Schriftführer gezeichnet. Bei der Einführung der neuen Direktion hat ihr die bisherige das Inventarium, die Kasse und die Akten zu übergeben. Hierüber ist ein besonderes Protokoll zu führen. Mit 872
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Unterzeichnung desselben durch die alten und neuen Direktions-Mitglieder beginnt die Amtsführung der letzteren. §. 16. Alljährlich im Laufe des Monat September hat die Direktion den Etat für das kommende Jahr aufzustellen und mit einer aus 7 Mitgliedern bestehenden von der Generalversammlung alljährlich im Voraus gewählten Commission zu vereinbaren. Diese Kommission ist auch berechtigt, der Direktion außerordentliche Geldmittel, soweit solche aus den laufenden Einnahmen gedeckt werden können, zu bewilligen, sie hat die Rechnungen des abgelaufenen Jahres zu prüfen, solche vorläufig zu dechargiren und darüber der Generalversammlung Bericht zu erstatten. Zu den Sitzungen dieser Kommission sind die 3 Deputirten der Gesellschaft der Freunde einzuladen. Der Verein ist verpflichtet: 1) die Eintrittsgelder neu aufgenommener Mitglieder, 2) die für Erwerbung der perpetuellen Mitgliedschaft zu zahlende Beiträge, zur Amortisirung von jährlich bis zu 500 Thalern Schuldverschreibungen Littr. B. zu verwenden. Es kann diese Summe bis zu diesem Betrage aus der Vereinskasse complettirt werden. Sind die Posten sub 1 und 2 größer als 500 Thaler, so können die überschießenden Beträge auf das nächste Jahr verrechnet werden. §. 17. Der Vorsitzende der Direktion leitet den Geschäftsgang und ladet unter Angabe der Tages-Ordnung zu den Sitzungen und den Generalversammlungen ein. Er hat in allen Versammlungen den Vorsitz, bei Stimmengleichheit entscheidet seine Stimme. Er führt das Siegel des Vereins. Der Schriftführer führt das Protokoll und die Vereinsakten und fertigt die zu erlassenden Schreiben aus. Der Kassirer führt und verwaltet die Kasse, Quittungen, die er ausstellt, bedürfen der Gegenzeichnung durch den Kontrolleur. Ausgaben leistet er auf schriftliche Anweisung des Vorsitzenden und Schriftführers oder in deren Behinderung durch deren Vertreter in der Direktion. Am Schlusse eines jeden Quartals übersendet er Kassenbuch und Beläge dem Kontrolleur zur Uebertragung. Falls er über 1000 Thaler in Cassa hat, muß er der Direktion davon Mittheilung machen, um deren Anordnung darüber entgegen zu nehmen. Der Kontrolleur hat außer den schon vorher angegebenen Pflichten das Memorial und das Hauptbuch zu führen. Der Hausverwalter führt die Verwaltung des Hauses und kontrollirt die Vermiethung der Festräume. Er zieht die Haus-Miethen ein und liefert die Beträge dafür dem Cassirer ab. 873
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§. 18. Die Direction hat das Recht, für besondere Vereins-Angelegenheiten, wie z. B. Arrangements der Vergnügungen, Beaufsichtigung des Lesekabinets und der Lokalitäten besondere Commissionen zu ernennen. §. 19. Von den 5 Direktoren müssen zwei A-Mitglieder sein. §. 20. Die Einnahmen des Vereins sind: I. Ordentliche; a) Jahresbeiträge. b) Hausmiethe (nicht Saalmiethe). II. Außerordentliche: 1. Eintrittsgelder. 2. Einzahlungen zur Erwerbung der perpetuellen Mitgliedschaft. 3. Einführungsgelder für die Einführung von Nichtmitgliedern (Reglement). 4. Miethen der Festlokalitäten. 5. Eventuelle dem Vereine gemachte Zuwendungen. §. 21. Die Erträge aus wohltthätigen Sammlungen werden zur Hälfte der Gesellschaft der Freunde zugewendet, die andere Hälfte fließt in die Unterstützungskasse des Vereins. §. 22. Die Verwaltung der Einnahmen wird jährlich mit dem 30. September abgeschlossen. §. 23. Die sich ergebenden Ueberschüsse werden mit drei Vierteln zur Amortisation der Schuldverschreibungen Lit. B. (§. 16) und mit einem Viertel zur Bildung eines VereinsReservefonds verwendet. Ueber die Verwendung des Letzteren sind in dem Regulatio vom 25. März 1860 (Anhang III.) besondere Anordnungen getroffen; desgleichen sind dort die Grundsätze über die Amortisation der Schuld-Urkunden Lit. B. festgestellt. In Betreff der Amortisation der Hausaktien Lit. A. sind die Bestimmungen des mit den ersten Inhabern derselben am 28. und 29. Juni und 2. Juli 1821 geschlossenen Vertrags (Anhang I.) maßgebend. Nach Amortisation aller Hausaktien Lit. A. und Schuldverschreibungen Lit. B. sollen die jährlichen Ueberschüsse aus den Revenüen des Vereinsgrundstückes der Gesellschaft der Freunde zu dem Zwecke überwiesen werden, um von dieser zur einen Hälfte zu
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Gunsten ihres Wittwen- und Waisen-Instituts, zur anderen Hälfte den sonstigen statutenmäßigen Zwecken derselben gemäß zur Verwendung zu gelangen. Diese Ueberschüsse bestehen in demjenigen Betrage, welchen der Verein aus den fixirten Hausmiethen nach Zahlung der Hypothekenzinsen, sowie aller das Grundstück betreffenden Abgaben und Unkosten erübrigt. §. 24. Neue hypothekarische Schulden dürfen nur durch Beschluß der Generalversammlung contrahirt werden. §. 25. Die der Gesellschaft der Freunde gegen Entgelt vom Verein gewährten Rechte sind durch den Vertrag vom 1. Februar 1860 festgestellt. (Anhang II.) §. 26. Abänderungen des Statuts können nur durch Beschluß der Generalversammlung herbeigeführt werden. §. 27. Die Auflösung des Vereins kann nur in einer besonders dazu berufenen Generalversammlung, in welcher mindestens ⅔ aller Mitglieder zugegen sind, durch Beschluß von ¾ der Anwesenden bestimmt werden. Im Falle einer definitiven Auflösung des Vereins hat derselbe für die Tilgung seiner Schulden Sorge zu tragen, insbesondere die noch im Umlauf befindlichen Aktien und Schuldverschreibungen herauszuzahlen, oder nach Befinden auf das Vereinsgrundstück hypothekarisch auf Kosten der betreffenden Gläubiger eintragen zu lassen (cf. Anhang I. §. 8. und Anhang III. §. 7.). Im Uebrigen entscheidet die erwähnte Generalversammlung, wie mit dem derzeitigen Vermögen des Vereins zu verfahren sei. §. 28. Dieses Statut tritt sofort nach erfolgter Bestätigung unter Aufhebung aller entgegenstehenden früheren Bestimmungen in Kraft. Quelle: Revidirtes Statut des geselligen Vereins der Gesellschaft der Freunde de 1872. Berlin 1872 [Druckschrift, 12 Seiten; Bibliothek der jüdischen Gemeinde Berlin].
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Ohel Jescharim (Miete-Gesellschaft) Reglement von 1858/1909 Bericht der Miets-Unterstützungs-Anstalt der jüdischen Gemeinde „Ohel Jescharim“ für die Geschäftsjahre 1909–1912 (Die Gesellschaft ist im Jahre 1798 gegründet) Büro: Berlin C. 2, Rosenstraße 2–4, parterre Urkunde betreffend die Wohlthätigkeits-Anstalt zur Mietheunter stützung an Mitglieder der Synagogen-Gemeinde in Berlin. Berlin, 1858. Druck von B. L. Bendix in Berlin, Hausvoigteiplatz No. 7. Vorwor t. Im Jahre 1798 wurde in der hiesigen jüdischen Gemeinde eine Wohlthätigkeits-Anstalt zur Mietheunterstützung an arme Mitglieder dieser Gemeinde unter der Benennung ( ישרים חרבת אהלChebrath Ohel Jescharim) errichtet. Die Fürsorge, Armen eine Beisteuer zu den Kosten ihrer Wohnung zu gewähren, fand in der Gemeinde lebhaften Beifall. Das Institut konnte dadurch, daß ihm milde Beiträge zugingen, ins Leben gerufen und lange Zeit hindurch erhalten werden. Eine briefliche Urkunde über die ursprüngliche Errichtung dieser Wohlthätigkeits-Anstalt, als Norm für die Verwaltung derselben, hat sich nicht auffinden lassen. Die veränderten Verhältnisse und die gegenwärtigen Zeitumstände machen es indessen erforderlich, daß jetzt eine förmliche Urkunde, wie in dem Nachstehenden, abgefaßt werde. Zweck der Anstalt. §. 1. Der Zweck der Anstalt besteht, wie bereits der Name derselben besagt, darin, daß armen Mitgliedern der hiesigen Synagogengemeinde eine Beihülfe zur Berichtigung des Miethzinses für ihre Wohnung gewährt werde. Mittel der Anstalt. §. 2. Das Kapital-Vermögen der Anstalt besteht gegenwärtig in 1) tausend sechshundert fünf und zwanzig Thalern Staatsschuldscheinen, 2) siebenhundert Thalern Preußischer vier und ein halbes Procent Zinsen tragender Staats-Anleihe, 876
Ohel Jescharim (Miete-Gesellschaft)
3) vier und dreißig Thalern ein und zwanzig Silbergroschen und sechs Pfennigen baar. Dieses Kapital bildet einen eisernen Fonds, dessen Zinsen nach den weiter unten folgenden Bestimmungen verwendet werden dürfen. §. 3. Die Zuwendungen, welche fernerhin der Anstalt werden gemacht werden, sind zu dem Kapital-Vermögen oder zur Bestreitung der Ausgaben (§. 6.) zu nehmen, je nachdem der Geber das Eine oder das Andere bestimmt hat. Fehlt es an einer solchen Bestimmung, so ist jede einzelne Zuwendung von hundert Thalern und darüber dem KapitalVermögen einzuverleiben, jede geringere Zuwendung aber den Mitteln zur Bestreitung der Ausgaben zu überweisen. Zu den Ausgabemitteln werden auch diejenigen milden Gaben gerechnet, welche bei verschiedenen Veranlassungen zum Besten der Anstalt in Büchsen gesammelt werden. Diejenigen Wohlthäter, welche zu dem Kapital-Fonds der Anstalt baar oder in irgend einem Werth-Papiere nach dem Nominalbetrage hundert Thaler oder darüber beitragen, sollen in den zu veröffentlichenden Verwaltungsberichten stets und zu jeder Zeit als die besonderen Beförderer diese Instituts aufgeführt werden. §. 4. Das Kapital-Vermögen darf von den Curatoren der Anstalt nur gegen gesetzlich pupillarische Sicherheit angelegt werden. §. 5. Die über das Kapitalvermögen lautenden Documente sind bei dem Vorstande der hiesigen jüdischen (Synagogen)-Gemeinde niederzulegen. Die zu solchen Documenten etwa gehörigen Zins-Coupons verbleiben in dem Gewahrsam der Curatoren der Anstalt. §. 6. Die Ausgaben werden bestritten: 1) durch die Zinsen des Kapital-Vermögens, 2) durch freiwillige periodische Beiträge, 3) durch Zuwendungen, welche der Anstalt zu diesem Zwecke ausdrücklich gemacht werden, oder nach §. 3. zu diesem Zwecke zu überweisen sind. Verwendung der Einkünfte der Anstalt. §. 7. Derjenige, welcher auf eine Unterstützung aus der Anstalt Anspruch machen will, hat nachzuweisen: 1) daß er mindestens sechs Jahre in ununterbrochener Reihefolge Mitglied der hiesigen jüdischen Gemeinde ist; 877
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2) daß er, a, wenn es eine einzelne Person ist, nicht über funfzig Thaler, b, wenn es ein Familienhaupt ist, nicht über achtzig Thaler, an Miethzins für ein Jahr zahlt. §. 8. Es bleibt den Curatoren überlassen, wie sie die §. 7. gedachten Nachweise geführt haben wollen. §. 9. Die höchste Unterstützung kann quartaliter Zehn Thaler betragen; die niedrigste darf aber nicht geringer als quartaliter Vier Thaler sein. §. 10. Der Unterstützungsbetrag kann nicht verabreicht werden, wenn der Empfänger nicht durch eine schriftliche Erklärung seines Vermiethers nachweist, daß er aus der Zeit, welche demjenigen Quartale vorangegangen ist, für welches die Unterstützung gezahlt wird, mit der Berichtigung des Miethzinses nicht im Rückstande ist. §. 11. Die Unterstützung wird in jedem einzelnen Falle auf ein Jahr, und zwar vom 1. Januar bis 31. Dezember bewilligt. Die Bewilligung erlischt aber auch im Laufe eines solchen Jahres, wenn in einer Versammlung der Curatoren (§. 18.) die Versagung der Unterstützung einstimmig beschlossen wird. §. 12. Niemand hat, auch wenn er die §. 7. angeführten Erfordernisse nachgewiesen hat, ein Recht auf eine Unterstützung, und die Curatoren haben auch gegen Niemanden Verpflichtung, eine Unterstützung bewilligen zu müssen. Verwaltung der Anstalt. §. 13. Die Anstalt wird von sieben Curatoren verwaltet, welche unter sich nach Stimmenmehrheit alljährlich einen Vorsitzenden, einen Kassirer, einen Controlleur und einen Schriftführer wählen. Die Aufsicht über diese Wohlthätigkeitsanstalt steht dem Vorstande der hiesigen Synagogengemeinde zu, bei welchem alljährlich, und zwar bis Ende des Monats März, eine Uebersicht der Einnahmen und Ausgaben der Anstalt für das abgelaufene Jahr einzureichen ist. Die Genehmigung dieses Gemeinde-Vorstandes ist auch zur Gültigkeit einer jeden Abänderung oder Ergänzung dieser Urkunde erforderlich.
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Ohel Jescharim (Miete-Gesellschaft)
§. 14. Zu Curatoren der Anstalt können nur Mitglieder der hiesigen Synagogen-Gemeinde gewählt werden. §. 15. Die sieben Curatoren werden auf vier Jahre gewählt. Von den zuerst Gewählten scheiden nach Ablauf der ersten zwei Jahre vier nach dem Loose aus; demnächst scheidet jedesmal nach zwei Jahren die ältere kleinere oder größere Hälfte aus. Die Ausscheidenden sind wieder wählbar. §. 16. Die ersten Curatoren werden von dem Vorstande der hiesigen Synagogengemeinde gewählt. Die fernere Wahl der Curatoren erfolgt gleichfalls von dem Vorstande der hiesigen Synagogengemeinde, jedoch in der Art, daß demselben für jeden ausscheidenden Curator von den verbleibenden Curatoren drei Candidaten in Vorschlag gebracht werden, von welchen Einer zu wählen ist. Der Vorstand der Synagogengemeinde hat nach jeder vollzogenen Wahl den Curatoren der Anstalt ein Attest zu ihrer Legitimation zu ertheilen. §. 17. Die Ausübung der Rechte der Anstalt, d. h. die gesammte innere Verwaltung und die Vertretung der Anstalt nach außen steht lediglich und allein den sieben Curatoren zu. Die Beschlüsse derselben werden nach Stimmenmehrheit gefaßt. Eine von mindestens vier Curatoren abgegebene Erklärung (§. 18.) ist für die Anstalt verbindlich. §. 18. Zu einer jeden Versammlung der Curatoren müssen dieselben durch den Vorsitzenden eingeladen werden, und es kann nur ein Beschluß gefaßt werden, wenn sich wenigstens vier Curatoren zu der festgesetzten Zeit an dem bestimmten Orte eingefunden haben. Eine solche Versammlung muß mindestens einmal in jedem Vierteljahre statt finden. §. 19. In dem ersten Vierteljahre eines jeden Jahres wird von dem Kassirer und dem Controlleur eine Berechnung über die Gesammt-Verwaltung in dem jüngst verflossenen Jahre vorgelegt, welche von denjenigen dreien Curatoren zu revidiren ist, welche keines der im §. 13. aufgeführten Aemter zu verwalten haben. Dieselben haben auch nach Befund der Richtigkeit Decharge zu ertheilen. Berlin den 7. April 1858. Joel Wolff Meyer. Joseph Leipziger. J. Steinthal. Israel Hirschfeld. Meyer Heymann. B. Liebermann. D. J. Lehmann. 879
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§. 14 Die Genehmigung des Vorstandes der jüdischen Gemeinde zu Berlin ist zur Gültigkeit einer Aenderung oder Ergänzung dieser Satzungen erforderlich. Berlin, den 5. April 1909. Der Vorstand der Miets-Unterstützungs-Anstalt. Emil Pincus, Vorsitzender Julius Sohn Martin Lesser Berthold Pinthus Oscar Rathenau Oscar Wassermann Arthur Zamory. Daß der unterzeichnete Vorstand den vorstehenden Satzungen der Miets-UnterstützungsAnstalt „Ohel Jescharim“ seine Genehmigung erteilt hat, wird hiermit bescheinigt. Berlin, den 10. Mai 1909. (L. S.) Vorstand der jüdischen Gemeinde zu Berlin. Jacoby. Netter. Badt. Quelle: Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum, Archiv (CJA), 1 (Gesamtarchiv der deutschen Juden), 75A Be 2, Nr. 291, #521. Mit freundlicher Genehmigung des CJA.
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Magine Rèim (Verein zu gegenseitiger Hilfe)
Magine Rèim (Verein zu gegenseitiger Hilfe) Grundgesetze und Verfassung, 1818 Grundgesetze und Verfassung der Gesellschaft Magine-Rèim zu Berlin. Neu entworfen in Jahr 5579.
בכל עת אהב הרע ואח לצרח יבלד 1818.
Zwillings-Schwestern sind den Menschenleiden Schützend als Gefährten mitgeboren: Holde Menschenlieb’ und edle Freundschaft. Möge unser Bündniss ewig dauren! Die Gesellschaft ( מגני רעיםMagine-Rèim) ward am 1sten des Monats Kislew 5565 (den 4ten November 1804) gestiftet. Der Zweck derselben war, wie ihn die damals in hebräischer Schrift abgefaßten Statuten aussprachen: „diejenigen Armen der israelitischen Gemeinde unverheiratheten Standes, welche entweder durch Alter, oder durch kränkliche Zufälle unfähig werden, sich Lebensunterhalt durch eignen Erwerb zu verschaffen, auf die bestmöglichste Weise zu unterstützen.“ Diesen Zweck suchte man durch Wahl und Anwendung angemessener Mittel zu erreichen, und die Erfahrung einer Reihe von Jahren überzeugte die Gesellschaft, daß ihr wohlthätiges Streben nicht vergeblich und ihre Bemühungen nicht unbelohnt geblieben. Zugleich aber führte die zunehmende Anzahl der Mitglieder und die daraus erwachsende Kraft der Anstalt auf den Gedanken, die Erfolge derselben zu erweitern, und dem Ganzen eine ausgedehntere und gemeinnützigere Wirksamkeit zu geben. Man hatte sich bei der Begründung der Gesellschaft in Hinsicht auf die zu er theilenden Wohlthaten nur auf unverheirathete Mitglieder beschränkt, indem man annehmen mußte, daß es besonders diesen in Zeiten der Unfälle, als, der Krankheit, der Verarmung, des hülflosen Alters, vermöge ihres Lebensverhältnisses, an Pflege und Unterstützung vorzüglich gebreche; und man verwendete die Einkünfte der Anstalt auf dieses, für den Augenblick allerdings dringendste Bedürfniß. Mit der wachsenden Zahl der Gesellschaft und ihrer Mittel fühlte man die Nothwendigkeit, die Wohlthaten dieses Vereins auch auf ver[heira]thete Mitglieder auszudehnen, überzeugt, daß die Ansprüche dieser Klasse von Hülfebedürfenden, wenn auch früher durch die Beschränktheit der Mittel begrenzt, jetzt bei ihrer Vermehrung eben so gegründet als gerecht seien; und man beschloß daher, ohne den bei der Gründung der Gesellschaft festgestellten Zweck aus den Augen zu verlieren, und die eigentliche Bestimmung der 881
Vereine in der jüdischen Gemeinde
Wohlthaten zu verändern, nur die Anzahl der Theilnehmer durch verheirathete Mitglieder zu vermehren. Man hatte indessen bei dieser Veränderung keinesweges die Absicht, die Ansprüche der bisher unterstützten Mitglieder im Geringsten zu beeinträchtigen; man erweiterte vielmehr dieselben, und sicherte den unverheiratheten Mitgliedern bedeutendere und zahlreichere Unterstützungen zu, bestimmte aber einen Theil der ansehnlich vermehrten Einkünfte zu einer außerordentlichen Beihülfe der verheiratheten Mitglieder. Diese Veränderung machte eine Abänderung anderer Gesetze nothwendig, damit durch Aufhebung mehrerer alter, der jetzigen Gestalt nicht mehr angemessener, und durch Hinzufügung neuer Bestimmungen, dem Ganzen eine solche Form und Wirksamkeit gegeben werde, wie sie dem Zwecke der Stiftung am angemessensten und für die Geschäftsverwaltung wohlthätig und bequem erscheinen muß. Auf diese Weise entstanden an der Stelle der alten Statuten die vorliegenden Grundgesetze; deren erhöhete Zweckmäßigkeit der unbefangene Beurtheiler auch darin erkennen wird, daß sie in deutscher Schrift abgefaßt und so auch in der äußern Form mit dem bürgerlichen Verhältnisse der Gesellschaft übereinstimmend gemacht sind. Berlin, den 7ten Dezember 1818. Erster Abschnitt. Zweck, Name und Mitglieder der Gesellschaft. A. Zweck und Name der Gesellschaft. §. 1. Es ist ein heiliger Trieb und ein süßes Bedürfniß des fühlenden Menschen, dem unglücklichen Bruder zu helfen, den Gebeugten aufzurichten, den Verzagenden zu trösten, und den Verzweifelnden mit frommer Liebe dem Leben und der Welt wiederzugeben. In diesem Sinne und zu dieser Bestimmung soll der Einzelne sich zu dem Einzelnen gesellen, und mit vereintem Willen, mit vereinter Kraft das schöne Werk der Menschlichkeit beschließen, und weise ausführen und durch die Ausführung segnen. – Ein solcher Zweck gab auch diesem Vereine das Dasein; nur ein rein menschlicher Sinn, eine [!] lauterer Wille führte seine Mitglieder zusammen. Sie fühlten lebhaft und innig das Bedürfniß eines solchen Bundes in einer drangsalsvollen Zeit, wo des Einzelnen Kraft dem zunehmenden Elende seiner zahlreichen Brüder nicht gewachsen ist, und wo das bittere Gefühl der Unmöglichkeit dem frommen Zuge seines Herzens Schranken setzt. Darum wollten sie, vereint im guten Geist zur guten Sache, im Bunde ausführen, was dem Einzelnen schwer und unmöglich wird; sie wollten dem Verlassenen eine dauernde kräftige Stütze sein, sie wollten dem Kranken Labsal und Erquickung bringen, sie wollten jedem ihrer unglücklichen Brüder mit freundlicher Liebe entgegen kommen, damit der unverdienten Leiden, der ungehörten Seufzer weniger würden um sie her; sie wollten das Gute thun im anspruchlosen Gewande treuer Freundesliebe; und darum gaben sie ihrem Verein den Namen Mag ine-Rèim, Schutzwehren der Freunde, um dem leidenden Freunde damit anzudeuten, er könne mit freudigem Vertrauen und 882
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fester Zuversicht in ihrem Arme Schutz suchen vor den Schlägen eines unerbittlich widerwärtigen Geschickes. Zu dieser Bestimmung gaben sie ihrer Verbrüderung eine unwandelbar gesetzliche Gestalt, und gelobten sich, diesem deutlich erkannten und bestimmt ausgesprochenen Zwecke mit treuer Gewissenhaftigkeit nachzukommen, und, eingedenk der gegenseitig übernommenen Verpflichtungen, dem Berufe und dem Namen ihres Vereins würdevoll zu entsprechen; sie setzten zu diesem Behufe fest, daß diese Anstalt, als in sich selbst bestehend, und nur auf sich selbst beruhend, keiner fremden Autorität je untergeordnet sein, sondern lediglich von der, aus ihrer Mitte gewählten Direktion, verwaltet werden sollte. §. 2. Diese gegenseitig übernommenen Verpflichtungen betreffen überhaupt: 1) die Sorge für Dürftige, und zwar: a. Wiederaufhelfung eines durch Mangel an Mitteln in seiner Thätigkeit gehemmten, und b. Erhaltung eines verarmten, oder durch physische Uebel ganz außer Thätigkeit gera thenen Mitgliedes; 2) die Sorge für Kranke, und zwar: a. Versorgung des unbemittelten Kranken mit den, ihm zu seiner Genesung nöthigen Bedürfnissen, und b. sonstige Theilnahme an der Person, dem Schicksale und Verhältnisse des kranken Mitgliedes. B. Eigenschaften der Mitglieder. §. 3. Die Gesellschaft beschränkt sich auf keine bestimmte Anzahl von Mitgliedern; sie gestattet vielmehr jedem ihrer Glaubensgenossen männlichen Geschlechts den Eintritt, der sich ihren Gesetzen unterwirft, und der, entweder in der hiesigen Gemeinde ehelich geboren und wohnhaft ist, oder, wenn auch nicht in ihr geboren, sich wenigstens 3 Jahre hindurch in derselben aufgehalten hat, oder, zwar außerhalb Berlins geboren und wohnhaft ist, sich dagegen die im §. 57 enthaltene Einschränkung gefallen lassen will; und welcher a. einen unbescholtenen Ruf hat, und allen Verpflichtungen, die aus vorstehenden Gesetzen hervorgehen, gewissenhaft vorzustehen im Stande ist, b. einen bestimmten Erwerbszweig hat, und c. wenn er noch minderjährig wäre, von seinen Aeltern oder Vormündern eine schriftliche Einwilligung zu seinem Beitritte vorzuzeigen im Stande ist; wenigstens muß derselbe das 13te Jahr zurückgelegt haben. §. 4. Obwohl die Wahl der aufzunehmenden Subjekte in Rücksicht der vorerwähnten und aller noch sonst zu erwägenden Umstände und Verhältnisse der Gewissenhaftigkeit der 883
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Direktion anheim gestellt ist, so wird nichts desto weniger hiemit festgesetzt, daß, wenn nach geschehener Aufnahme eines Mitgliedes, der Mangel der in vorstehendem §. 3 ausgesprochenen Bestimmungen sich entdecken sollte, die Direktion gehalten sein solle, dem aufgenommenen Mitgliede unverzüglich die fernere Theilnahme zu versagen, ohne daß dieses seinen bis dahin geleisteten Beitrag zurückzufodern berechtigt wäre. Die Mitglieder dieser Gesellschaft – im Vertrauen auf die Gewissenhaftigkeit der von ihnen selbst gewählten Verwaltungsbehörde – begeben sich daher hiedurch des Rechts, gegen die Aussprüche dieser Behörde protestiren zu können. Zweiter Abschnitt. Ansprüche der Mitglieder auf Unterstützungen. I. Unter stützung überhaupt. §. 5. Sämmtliche Mitglieder haben Ansprüche auf die Unterstützung der Gesellschaft, sobald sie in den Fall gerathen, solcher zu bedürfen. Es ist aber der Wunsch der Gesellschaft, diese Ansprüche fest zu begründen und vor jedem Eingriffe von Willkühr und Par theilichkeit zu schützen. Man hat daher die Unterstützungen in besondere Klassen und Grade getheilt, und durch die nähere Bestimmung derselben das Verhältniß festgesetzt, nach welchem die Ansprüche des einen Grades oder der einen Klasse, aus den Ansprüchen der andern hervorgehen, wie solches aus den folgenden §. §. näher zu ersehen ist. II. Unter stützungen insbesondere. A. Unter stützung der Kranken. §. 6. Wenn ein Mitglied krank wird, und den Beistand der Gesellschaft verlangt, auch wenn es vermögend genug ist, seine Wartung und Verpflegung aus eigenen Mitteln bestreiten zu können, so soll der Direktor nebst dem Sekretair und einem der Pflegeväter (welche letztere überhaupt jeden Kranken ohne Ausnahme besuchen müssen,) sich zu demselben begeben, sich nach allen, seine Wiederherstellung betreffenden Umständen und Verhältnissen erkundigen, auf seine Effekten, und was ihm gehört, ein wachsames Auge haben, und, im Fall der Kranke mehrere seiner Sachen der Gesellschaft zur Aufbewahrung übergeben wollte, dieselben unter dem Beistand einer Gerichtsperson, selbst in Empfang nehmen, oder durch eine von dem Kranken gewählte Deputation der Mitglieder, entgegen nehmen lassen. §. 7. Ist das krank gewordene Mitglied unvermögend, sich die nöthige Verpflegung aus eigenen Mitteln zu verschaffen, so sollen die Pflegeväter, oder einer derselben sich unverzüglich zu dem Kranken begeben, und besonders von dessen häuslichen und ökonomischen Verhältnissen sich genau unterrichten. Erfodern diese die Unterstützung der Gesellschaft, so sollen die Pflegeväter ermächtigt sein, sie ihm angedeihen zu lassen, müs884
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sen jedoch unverzüglich den übrigen Vorstehern davon Anzeige machen, damit in einer deshalb zu veranstaltenden Sitzung die dem Kranken zu reichende Unterstützung festgesetzt werden könne. Solche besteht für die ersten Monate (S. §. 9.) aus dem maximum von 18 Rthlr. und dem minimum von 9 Rthlr. monatlich. §. 8. Erklärt der Arzt die Krankheit für kronisch, so hört mit Ablauf desselben Monats die bis dahin geleistete Unterstützung in so weit auf, als der Kranke von nun an in die zweite Klasse oder der Erwerbsunfähigen tritt; vorausgesetzt, daß die Krankheit ihn nicht zwingt, das Bett zu hüten, da er sonst fortwährend als akuter Kranker betrachtet und behandelt werden muß. §. 9. Es ist festgesetzt, daß jeder Kranke 4 Wochen nach geschehener Anzeige als akut betrachtet, sodann aber nur auf Erklärung des Arztes noch andere 4 Wochen als solcher angesehen und unterstützt werden solle. Dauerte die Krankheit jedoch länger, so soll sie als kronisch angesehen, und nach Maaßgabe der zweiten Klasse behandelt werden, wie solches unter B. §. 14. näher bestimmt ist. §. 10. Der Kranke ist während seiner Krankheit nur in dem Falle von allen Beiträgen frei, wenn er ausdrücklich um die Erlassung derselben angetragen hat. §. 11. Eben so wenig kann der Kranke während der Zeit auf anderweitige Unterstützung der Gesellschaft Ansprüche machen, auch wenn er früher solche seiner Dürftigkeit wegen genossen hätte. §. 12. Die Pflegeväter haben Sorge zu tragen, daß der Kranke nie ohne Besuch sei. Sie haben zu dem Ende dem Kranken eine Namensliste der Mitglieder vorzulegen, damit derselbe sich beliebige Besuche auswählen könne; sobald aber der Arzt die Krankheit für bedenklich erklärt, so müssen sie selbst 2 Mitglieder zum Krankenbesuche bescheiden lassen, welche auf die Verschlimmerung der Krankheit genau Acht haben, und im Fall der Noth augenblickliche Hülfe leisten werden. Die Besuchenden werden alle Stunden von 2 anderen abgelöst, vorausgesetzt, daß die Krankheit nicht ansteckend ist. Eben so werden die Pflegeväter nach so eben vorgeschriebener Art für Krankenbesuche sorgen, wenn der Kranke sich bessert, und mehr Unterhaltung als Pflege bedarf.
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§. 13. Ist der Kranke so arm, daß es ihm an den nöthigen Utensilien fehlt, so ist die Gesellschaft verpflichtet, solche ihm unentgeltlich während der Krankheit zu leihen; dies ist jedoch nur dann nöthig, wenn der Kranke solches von seinen Verwandten nicht erlangen könnte, so wie überhaupt eine reichliche Unterstützung nur in diesem Falle Statt finden kann. Die Pflegeväter sind verbunden, hierüber die nöthigen Erkundigungen einzuziehen. Anmerkung. Die Gesellschaft hat zu noch vollkommnerer Verpflegung ihrer Kranken, mit der hier bestehenden Krankengesellschaft ( בקור חוליםBickur-Cholim) die Uebereinkunft getroffen, ihre Kranken (im Fall diese damit zufrieden sind) gegen eine monatliche Entschädigung in das Lazareth der genannten Gesellschaft bringen zu lassen. Dem unbemittelten, unverheiratheten Kranken wird diese Einrichtung sehr wohlthätig sein, da er dort nicht allein alles, was zu seiner Herstellung nothwendig ist, erhält, sondern auch einer ununterbrochenen Aufsicht und Pflege genießt. Jedoch hängt es lediglich von dem Willen des Kranken ab, von dieser Verfügung Gebrauch zu machen, oder nicht. Im erstern Falle kann ihm jedoch von der ihm festgesetzten monatlichen Unterstützung nur das gereicht werden, was nach Abzug der an das Lazareth für seine Verpflegung zu zahlenden Entschädigung übrig bleibt. B. Unter stützung der Erwerbsf ähigen. §. 14. Wenn ein Mitglied durch physische Uebel, als: Blindheit, Altersschwäche, Lähmung u. dgl. dergestalt außer Thätigkeit gesetzt wird, daß es nunmehr gänzlich unfähig ist, sich seine Nahrung selbst zu erwerben, so wird ihm auf seine Anzeige, und nach vorhergegangener Untersuchung von Seiten der Vorsteher, eine monatliche Unterstützung von 6 bis 12 Rthlr. so lange gereicht, als die Umstände es erfodern. Es ist jedoch während dieser Zeit keinesweges von seinen monatlichen Beiträgen frei, es sei denn, daß es besonders darum ansuchen sollte. (S. §. 10) Unter stützung der Verar mten. §. 15. Wenn ein Mitglied, nach dem es sein 45stes Lebensjahr erreicht hat, unverschuldeter Weise verarmt, und außer Stand gesetzt ist, sein Brod zu erwerben, so soll ihm auf seine Anzeige, und nach vorhergegangener Erwägung der näheren Umstände, eine monatliche Unterstützung von 4 bis 8 Rthlr. zu Theil werden. Mit der fortwährenden Entrichtung der Beiträge hat es in diesem Falle dieselbe Bewandniß wie §. 10 und 14 angegeben worden. §. 16. Die in den §. §. 14 und 15 gedachten Unterstützungen können nur einem Mitgliede zu Theil werden, das wenigstens 3 hintereinander folgende Jahre zur Gesellschaft beigetra886
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gen hat; bei Krankheiten hingegen, so lange sie a k u t sind, soll jedes Mitglied auf die deshalbige Unterstützung nach §. 7 Anspruch machen können. §. 17. Alle bisher genannten und weiter unten erwähnten Unterstützungen (§. 5–20.) schließen keinesweges ein verheirathetes Mitglied aus, vielmehr hat ein solches ebenfalls gerechte Ansprüche an den Beistand der Gesellschaft. Da jedoch anzunehmen ist, daß das verheirathete Mitglied auf anderweitige Unterstützung von Verwandten und aus anderen hiesigen wohlthätigen Gesellschaften rechnen könne, so ist, in Hinsicht auf die für jede der 2 ersten Klassen, nemlich der Kranken und Erwerbsunfähigen, festgesetzte Unterstützung, das Verhältniß bestimmt worden, daß der Verheirathete jedesmal ²⁄₃ des dem Unverheiratheten zu reichenden Betrages erhält, also in der ersten Klasse (§. 7.) das maximum von 12 Rthlr. und das minimum von 6 Rthlr., in der zweiten (§. 14.) das maximum von 8 Rthlr. und das minimum von 4 Rthlr. Jedoch sollen bei jeder der 2 er sten Klassen in dem jedesmaligen monatlichen Etat die Unverheiratheten zuerst berücksichtigt werden; dergestalt, daß der unverheirathete Kranke dem verheira theten Kranken, und eben so bei der zweiten Klasse, vorangehe, nicht aber der Unverheirathete zweiter Klasse dem Verheiratheten erster Klasse vorgezogen werde. Es wird also in dem jedesmaligen monatlichen Etat darauf gesehn werden, daß bei Kollisionsfällen verheiratheter und unverheiratheter Mitglieder gleicher Klassen, den Letzteren auf jeden Fall wenigstens das minimum der festgesetzten Unterstützung gesichert sei. Eben so findet die in §. 6 näher bezeichnete Fürsorge und Theilnahme an dem Schicksal des Kranken auch bei den verheiratheten Mitgliedern ihre Anwendung, jedoch mit der Modifikation, daß die daselbst vorgeschriebene Aufbewahrung der Effekten wegfällt, weil sich voraussetzen läßt, daß der verheirathete Kranke von seiner Familie, seinen Verwandten und sonstigen Freunden zuverlässiger und ununterbrochener umgeben ist. Was hingegen die 3te Klasse von Unterstützungen, nämlich die der Verarmten betrifft, so wird jedes Jahr, und zwar am Schlusses desselben, eine Summe, welche jedoch nicht 180 Rthlr. übersteigen darf, unter diejenigen Verheiratheten vertheilt werden, welche sich dazu bis zum 1sten Dezember gemeldet haben; vorausgesetzt, daß sie das 45ste Lebensjahr erreicht haben. Die Vertheilung soll in der Art geschehen, daß jeder Bedürftige nach Maaßgabe der Umstände bis zu 36 Rthlr. erhalten könne. §. 18. In den letzten Tagen eines jeden Vierteljahres wird von den Vorstehern ein Etat der im Laufe des nächsten Vierteljahres zu erwartenden bestimmten Einnahmen, so wie der zu bestreitenden Unterstützungen angefertigt, wonach man das minimum oder maximum für jede der 3 Klassen auf die nächsten 3 Monate festsetzt. Fände es sich, daß im Laufe des Vierteljahres noch Unterstützungsfähige sich meldeten, so soll diesen bis zu dem nächsten Etat nach eben demselben Verhältnisse aus dem Reservefond die Unterstützung gereicht werden, wo sie sodann in die Reihe der Uebrigen kommen. 887
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Anmerkung. Obgleich bei der gegenwärtigen Einrichtung, die Mittel und Kräfte der Gesellschaft auf das genaueste erwogen worden sind, so muß dennoch, da alle menschlichen Einrichtungen dem Einflusse des Schicksals und des Zufalls ausgesetzt sind, die Bestimmung hinzugefügt werden, daß, wenn besondere Unglücksfälle eintreten sollten, welche die Mittel der Gesellschaft dergestalt zu schwächen drohten, daß der Reservefond zur Deckung der desfalsigen Ausfälle nicht hinreichte, und entweder das minimum der zu reichenden Wohlthat heruntergesetzt, oder eine Klasse von Unterstützungen ganz aufgehoben werden müßte – die Vorsteher, mit vorzugsweiser Berücksichtigung der Unverheiratheten, neue, den Umständen angemessene Maaßregeln und Vorschläge der Gesellschaft vorzulegen befugt seien. D. Unter stützung durch Vor schüsse. §. 19. Wenn ein Mitglied um eine Geldunterstützung zur Wiederbelebung seiner durch Verluste geschwächten Thätigkeit anhält, so soll ihm nach Maaßgabe der Umstände, ein Vorschuß bis zu 100 Rthlr. Courant verwilligt werden. (In keinem Falle können mehr als 4 solcher Gesuche im Laufe eines Jahres berücksichtigt werden. Der Vorzug dieser 4 Betheiligten vor den übrigen Konkurrenten wird entweder durch das Dringende der Umstände, oder, bei ganz gleichen Verhältnissen, durch das Loos entschieden, wobei jedoch die Unverheiratheten den Verheiratheten vorgehen müssen.) Der Empfänger stellt darüber einen Wechsel aus, in welchem monatliche Zahlungstermine von wenigstens 3 Rthlr. auf eine Anleihe von 100 Rthlr. angesetzt sind. Die Rückzahlung fängt erst 6 Monate nach Empfang des Darlehns an. §. 20. Sobald die Schuld völlig abgetragen sein wird, soll das Mitglied auf ein neues Anlehn, wenn es dessen bedürfte, Anspruch machen können. Eben so kann dasselbe, wenn es seine in dem Wechsel angesetzten Zahlungstermine prompt gehalten und bei Ablauf des letzten seine Schuld völlig getilgt hat, sogleich eine monatliche Unterstützung erhalten, im Fall es deren bedürfte. §. 21. Dasjenige Mitglied hingegen, welches seine Verbindlichkeit nicht so prompt erfüllt, und seine Schuld in der versprochenen Zeit nicht völlig getilgt hat, kann erst 6 Monate nach Ablauf der in dem Wechsel angezeigten Zahlungsfrist, auf eine monatliche Unterstützung Anspruch machen, von welcher jedoch die Vorsteher ¼ des Betrages zur Tilgung der noch rückständigen Schuld in Abzug bringen werden. – In außerordentlichen Fällen sollen die Vorsteher jedoch ermächtigt sein, dem Schuldner auch während der Wechselfrist, eine monatliche Unterstützung, jedoch ebenfalls mit ¼ des Betrages als Abzug für die Schuld, angedeihen zu lassen.
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Anmerkung. Die hier genannten Vorschüsse können von den Vorstehern nur alsdann bewilligt werden, wenn sie überzeugt sind, daß die Kasse durch dieselben nicht zu sehr geschwächt, und die dringenderen und die nothwendigeren Unterstützungen nur im geringsten geschmälert werden. Ueberhaupt gilt bei Ertheilung aller hier aufgeführten Unterstützungen die Reihefolge [!], in welche sie gestellt sind, in so fern sie das minimum der einzelnen Klassen betrifft. Dr itter Abschnitt. Einkünfte der Gesellschaft §. 22. Diejenigen Mitglieder, welche am 21sten September 1815 vorhanden waren, zahlen auch ferner den anfänglich bestimmten monatlichen Beitrag von mindestens Vier Groschen Courant, dahingegen alle seit dieser Zeit hinzugekommenen, so wie die noch künftig hinzukommenden monatlich wenigstens Acht Groschen Courant zahlen müssen. Dieser Beitrag muß auf einen Monat pränumerando entrichtet werden, wiewohl es jedoch einem Jeden frei steht, auf ein Vierteljahr oder auf längere Zeit vorauszubezahlen. §. 23. Jedes eintretende Mitglied bezahlt bei seiner Aufnahme ein Eintrittsgeld von 8 Rthlr. Preuß. Courant. §. 24. Wer bei seinem Eintritt in die Gesellschaft die Summe von 100 Rthlr. zahlt, wird beständiges Mitglied der Gesellschaft, und ist von allen ferneren Beiträgen für immer frei. §. 25. Diese 100 Rthlr. so wie auch alle testamentarisch oder sonst geschenkten Summen werden zum Fond gelegt, und nur die Zinsen davon können, der ihnen gegebenen Bestimmung gemäß, verausgabt werden. §. 26. Die Zinsen des vorhandenen, und, nach §. 25 vergrößerten Fonds – welcher selbst, ohne Zustimmung der ganzen Gesellschaft, niemals und unter keinem Vorwande angegriffen werden darf – sind gänzlich zur Bestreitung der Ausgaben bestimmt. Sollte der Ertrag derselben, so wie überhaupt die jährliche Einnahme die Ausgabe, wenn auch bedeutend übersteigen, so soll der Ueberschuß nicht zum Fond gelegt, sondern zur Reserve auf das kommende Jahr aufbewahrt werden.
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R e s e r ve - F o n d . §. 27. Die Reservekasse ist und wird gebildet: 1) Aus dem Ueberschusse, welcher seit dem 1sten Januar 1815 bis jezt entstanden ist, indem das an diesem Tage vorhanden gewesene Kapital feststehender Fond geworden ist und bleibt. 2) Aus den fernern Ueberschüssen, welche nach dem jährlichen Abschlusse sich ergeben dürften. 3) Aus den Eintritts- und Strafgeldern. Sie soll besonders dazu dienen: Um theils unvorhergesehene Ausgaben zu bestreiten; theils um den vierteljährlichen Etat, wenn solcher auch zu dem minimum nicht hinreichen sollte, zu ergänzen; theils zu baaren Vorschüssen, theils auch bei außerordentlichen Fällen, wie z. B. in Jahren des Miswachses eine Summe bis zu 200 Rthlr. Courant unter die Bedürftigen zu vertheilen. §. 28. Diese Gelder der Reserve-Kasse werden von dem Direktor auf das beste und auf möglichst kurze Fristen diskontirt, damit Kapital und Zinsen zur Disposition der Kasse bereit sind. §. 29. Eben so wird, so oft aus den bestimmten laufenden Einnahmen eine Summe von 120 Rthlr. zusammen ist, diese von dem Kassirer dem Direktor übergeben. Dieser soll sie bestens diskontiren. Die Diskonto-Briefe müssen mit wenigstens 3 guten Giranten versehen sein, und ebenfalls auf möglichst kurze Fristen laufen. Die Zinsen dieser Gelder werden jedoch nicht zu den laufenden Ausgaben verwendet, sondern zu der Reserve-Kasse gelegt. Vo m F o n d . §. 30. Die zum feststehenden Fond gehörigen Kapitalien sollen dergestalt in 3 gleiche Theile getheilt werden, daß der eine Theil in solche Staatspapiere verwandelt werde, welche zur Zeit allgemeines Zutrauen haben, der andere Theil auf sichere Diskonto-Briefe, mit wenigstens 3 guten Giranten versehen, ausgegeben, der Dritte hingegen in kleinen Portionen an sehr sichere Handlungshäuser gegen wenigstens 4 Prozent Zinsen ausgeliehen werden soll. Es kann jedoch, wenn die zur Ausführung dieses Geschäfts bestellte Kommission es für gut befinden sollte, auch bei den beiden zuletzt genannten Maaßregeln sein Bewenden haben. §. 31. Die Ausführung dieser Maaßregeln, sowohl in Rücksicht des Fonds, als auch der auf kurze Zeit zu belegenden Zinsen, soll von dem jedesmaligen Direktor, Kassirer und 890
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Kontrolleur geschehen, und kann weder der Ankauf von Staatspapieren und Diskontobriefen, noch das Ausleihen an Handlungshäuser einseitig, sondern nur mit Wissen und Uebereinstimmung der 3 genannten Personen erfolgen. Sollte jedoch keine von den 3 erwähnten Maaßregeln nach vorgeschriebener Weise auszuführen möglich sein, so sollen die 3 genannten Personen, mit Zuziehung der übrigen Vorsteher das Recht haben, ein anderes, ihnen gut dünkendes Arrangement zu treffen, indem sie das Zutrauen der Gesellschaft besitzen, deren Bestes sie stets vor Augen haben sollen. §. 32. Was die Aufbewahrung der Dokumente der Gesellschaft betrifft, so ist folgendes festgesetzt worden: Es sollen solche bei dem jedesmaligen Direktor, oder wer sonst von der Gesellschaft ausdrücklich bestellt werden sollte, in einem mit 3 verschiedenen Schlössern versehenen Kasten aufbewahrt werden. Zu einem dieser Schlösser soll der Direktor, zum andern der Kassirer und zum dritten der Kontrolleur einen Schlüssel haben, so, daß bei Eröffnung dieses Kastens die 3 gedachten Personen gegenwärtig sein müssen. Im Fall der Abwesenheit der einen oder der andern, soll der Abwesende zwei andere Vorsteher an seiner Stelle vorschlagen, um, wenn einer derselben verhindert würde, das vorhabende Geschäft dadurch nicht gehindert werde. Dieser zu machende Vorschlag der Stellvertreter muß schriftlich geschehen, vom Direktor zu den Akten gegeben und bei der nächsten Sitzung im Protokoll erwähnt werden. Vier ter Abschnitt. Geschäftsverwaltung. A. Verwaltungsper sonal. §. 33. Der verwaltende Ausschuß soll bestehen aus: Einem Direktor, Einem General-Sekretair, Einem Kassirer, Einem Kontrolleur und Buchhalter, Zweien Pflegevätern, Einem Registrator, und Zweien beständigen Assessoren. §. 34. Dieser verwaltende Ausschuß soll immer auf 3 Jahre gewählt werden. Außerdem aber sollen einer jeden Session noch 2 Mitglieder, und zwar das eine verheiratheten und das andere unverheiratheten Standes beiwohnen. Die Zuziehung dieser Mitglieder geschieht nach der Nummer. Man beabsichtigt damit, daß die Gesellschaft gleichmäßig an den Geschäften Theil nehme, und von denselben ununterbrochen unterrichtet sei; indem man voraussetzt, daß ein Jeder die nothwendige Verschwiegenheit beobachten werde. 891
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B. Führ ung der Bücher. §. 35. Die Bücher, welche die Verwaltung der Geschäfte erfodert, sind folgende: 1) Ein Vor tragsbuch, worin der Sekretair alle ein- und ausgehende Briefe, Zirkuläre etc. nach Nummern aufzeichnet. 2) Ein Protokollbuch, worin alle Verhandlungen niedergeschrieben werden, und welches vom Sekretair geführt wird. 3) Ein Kassebuch, geführt vom Kassirer. 4) Ein Namens-Reg ister, und 5) Ein Hauptbuch, geführt vom Kontrolleur und Buchhalter. 6) Ein Ver pflegungs- und Unter stützungsbuch für den Pflegevater. 7) Ein Depositenbuch, in den Händen des Sekretairs und von ihm geführt. 8) Ein Donationsbuch, geführt vom Direktor. 9) Ein alphabetisches- und 10) Ein Nummer n-Reg ister, über sämmtliche Akten, geführt vom Registrator. Die nähere Beschaffenheit dieser Bücher ist weiter unten, in §. 36 angegeben, und wird hier nur bemerkt, daß sie sämmtlich d e u t s c h geführt werden und alles zu Bemerkende deutlich enthalten müssen. C. Pflichten der Beamten §. 36. Die Amtsverrichtungen der Vorsteher sind vorzüglich folgende: a) Des Direktor s. Er hat auf die Aufrechterhaltung der ganzen Gesellschaft und auf die Pflichterfüllung aller übrigen Vorsteher genau zu achten, und muß jeden Monat die Bücher der Vorsteher revidiren. Er führt auch das Donationsbuch, worin alle freiwilligen Geschenke, sie mögen baares Geld oder Meublen und Utensilien betreffen, aufgezeichnet werden. Er bleibt der Gesellschaft für jeden, aus der Unterlassung dieser Aufsicht entstandenen Nachtheil verantwortlich. Er ordnet die Sitzungen, mittelst schriftlicher Einladung an, und sorgt dafür, daß die Verhandlungen mit Anstand betrieben werden, weshalb er befugt sein solle, das Mitglied, den dem zuwider handeln sollte, mit einer namhaften Strafe zu belegen; er veranstaltet die Ballottements zur Aufnahme neuer Mitglieder, eröffnet jedes an die Gesellschaft gerichtetes Schreiben, bemerkt auf dasselbe den Tag, an welchem es bei ihm angelangt ist, und befördert solches unverzüglich an den Sekretair. Er unterschreibt die in den Sitzungen aufgenommenen Protokolle, so wie alle von den Vorstehern ausgehende Briefe und Anordnungen, welche von dem Sekretair kontrasignirt werden. b) Des Sekretair s. Derselbe führt ein Vor tragsbuch über alle ein- und ausgehenden Schreiben, welches die Nummer, den Tag des Eingangs, den Inhalt, Beschluß, Tag des Beschlusses und den 892
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Tag der Ausfertigung und des Abgangs jedes Schreibens enthält. In einer besondern Rubrik läßt er vom Registrator, die demselben abgelieferten Aktenstücke, welche mit Nummer und Bemerkung des darauf gefaßten Beschlusses versehen sein müssen, eigenhändig bescheinigen. Er trägt den Inhalt der angekommenen, vom Direktor ihm übergebenen Schreiben in den Sitzungen vor, zu welchem Behufe er sowohl das Vortragsbuch, als auch die nöthigen Aktenstücke mit zur Sitzung bringt. Er führt das Protokollbuch, in welches er alle Beschlüsse dem Inhalte nach einträgt, auch die Namen der anwesenden Mitglieder deutlich bemerkt; fertigt alle Erlasse an, und läßt den Entwurf in derselben, oder in der nächsten Sitzung von dem Direktor unterschreiben. Er unterschreibt mit dem Direktor alle Erlasse, welche von den Vorstehern ausgehen, sorgt dafür, daß die Umlaufschreiben von allen Vorstehern unterschrieben werden, und hat darauf zu sehen, daß das Absenden der Briefe so viel als möglich beschleunigt werde. Er erstattet der Gesellschaft in der Generalversammlung Bericht von der bisherigen Verwaltung und dem Zustande der Gesellschaft, besorgt den korrekten Druck der Namensverzeichnisse, Diplome etc. und der Statuten. – Der Kassirer, Kontrolleur und Registrator müssen ihm hiezu die nöthigen Nachweisungen geben. – Er führt das Depositenbuch, worin die ausgethanen Gelder und alle diesen Gegenstand betreffende Punkte aufgezeichnet sind. Er hat endlich das Siegel der Gesellschaft in Verwahrung, womit die Briefe, Diplome und Dokumente besiegelt werden müssen. In Abwesenheit des Direktors vertritt er bei den Sitzungen seine Stelle. c. Des Kassirer s. Derselbe sorgt für den richtigen Eingang der Gelder gegen die mit seinem Namen unterschriebenen, vom Kontrolleur gestempelten Quittungen, und berichtigt die ihm aufgegebenen Zahlungen, sowohl die, welche zur Unterstützung bestimmt sind, als auch die Besoldung des Boten, und die sämmtlichen Büreaukosten; er schreibt selbst die nöthigen Mahnbriefe aus, und überreicht nach Ablauf von 3 Monaten ein spezielles, vom Kontrolleur revidirtes Verzeichniß der im vorigen Vierteljahr statt gehabten Einnahmen und Ausgaben, nebst einem Verzeichniß der zurückgebliebenen Zahlungspflichtigen. Er fertigt am Ende jeden Jahres eine vollständige Bilanz an, läßt sie kon trolliren, und übergiebt sie mit den Belegen dem Direktor. Er bewahrt die eingehenden Gelder bis zu der Summe von 120 Rthlr. Courant bei sich auf, liefert solche jedesmal an den Direktor ab und behält den Mehrbetrag bei sich. d . Des Kontrolleur s und Buchhalter s. Derselbe revidirt die Rechnungen des Kassirers nach den ihm von diesem zugestellten Belegen und bescheinigt deren Richtigkeit, oder bemerkt auf ein besonderes Blatt die etwaigen monita. Er führt ein Reg ister, worin sämmtliche Mitglieder mit ihren Namen, Vornamen, Nummern, Straße, Alter, Tag der Aufnahme oder Ausscheidung verzeichnet sind; wobei alle die, dem Mitgliede etwa zu Theil gewordene Unterstützungen, so wie auch die von ihm der Gesellschaft etwa gemachten Geschenke und alle andere 893
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dahin gehörenden Umstände bemerkt sind. Außerdem führt er ein Hauptbuch über alle Gegenstände der Kasse, in welchem sowohl der Direktor und Kassirer, rücksichtlich der bei ihnen aufbewahrten Gelder und Dokumente, als auch sämmtliche Kontribuenten in der Form von Debit und Kredit aufgeführt sind. Er fertigt alljährlich die weiter unten (§. 40) erwähnte Bilanz an, und legt sie zur Genehmigung in der Schluß-Session vor. Er übergiebt endlich jeden Monat dem Kassirer die Quittungen. e. Der Pflegeväter. Dieselben haben in abwechselnden Monaten dahin Sorge zu tragen, daß dem Kranken die ihm gebührende Pflege und Unterstützung zu Theil werde, so wie, daß das dem Kranken zu reichende monatliche Geld, aufs zweckmäßigste zu dessen Bestem verwendet werde. Sie müssen die Krankenbesuche den Mitgliedern ankündigen lassen, und dem wiedergenesenden Kranken die Liste der Mitglieder vorlegen, damit er sich Besuche wählen könne. Sie haben bei eintretenden Todesfällen die Einladungen zur Leichenbegleitung zu besorgen; bei letzterer müssen sie selbst jedesmal zugegen sein. Sie sollen alle 3 Monate einen schriftlichen Bericht an die Direktion einschicken. Dieser muß die näheren Umstände des Kranken, so wie die Art der ihm angediehenen Unterstützung ausführlich enthalten, zugleich aber diejenigen Mitglieder nennen, die wegen Nichtbeobachtung der Krankenbesuche etc. in Strafe verfallen. Das hiezu erfoderliche Buch, worin zugleich die vom Kassirer erhaltenen Gelder zur Ausgabe, und wie letztere geschehen ist, bemerkt wird, führen die Pflegeväter in abwechselnden Monaten. Sie haben die ihrer Disposition überlassenen Gelder jedesmal gegen Quittung vom Kassirer einzufodern, welcher die deshalbige Erlaubniß von der Direktion erhalten wird. Sie reichen dem Dürftigen die ihm zugestandene Unterstützung; dieser muß ihnen eine Quittung über das Empfangene zustellen, welche sie der Rechnungseingabe als Beleg beifügen. Sie haben ferner die der Gesellschaft zugehörigen Utensilien in Verwahrung, und sind ermächtiget, ein Behältniß dazu zu miethen, zu welchem sie 2 Schlüssel haben sollen. f. Des Reg istrator s. Dieser bewahrt alle Akten der Gesellschaft gehörig auf, führt darüber ein doppeltes Register, wovon das eine nach den Gegenständen alphabetisch, das andere hingegen nach Nummern, die auf ersters hinweisen, geordnet sein muß. Er empfängt daher vom Sekretär alle berichtigten Aktenstücke, und bescheinigt solche im Vortragsbuch. Er überliefert die von ihm gefoderten Aktenstücke zum Behufe der zu machenden Relationen, und läßt darüber Bescheinigung geben. g. Der beständigen Assessoren. Sie müssen bei jeder Sitzung gegenwärtig sein, um den Gang und die Ordnung der Geschäfte wahrzunehmen, über die vorkommenden Gegenstände mit zu deliberiren und zu stimmen. Sie vertreten in Abwesenheit eines der übrigen Mitglieder des Ausschusses 894
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dessen Stelle in Rücksicht der Geschäftsführung, und müssen bei häufiger Arbeit dem Sekretär und Kassirer beistehen. §. 37. Die Pflichten des Boten der Gesellschaft, welcher besoldet wird, sind folgende; 1) Täglich Vormittags beim Direktor, beim Sekretair und beim Pflegevater anzufragen, ob keine Geschäfte für ihn sind, und im Fall solche ihm aufgetragen werden, sie sogleich pünktlich zu besorgen. 2) die ihm vom Direktor und vom Pflegevater übergebenen Einladungskarten muß er spätestens den andern Tag, mit dem Vidi des Eingeladenen bezeichnet, zurückbringen. Trifft er ein Mitglied zweimal nicht, so muß er solches an die betreffende Behörde anzeigen, um ein anderes an die Stelle ernennen zu lassen. 3) Alle Beiträge und Gelder für die Gesellschaft einzukassiren, und dem Kassirer im Laufe des Monats abzuliefern. Weiset ihn ein Mitglied 3 mal ab, so braucht er deshalb nicht weiter zu ihm zu gehen, sondern giebt die Quittung dem Kassirer zurück. 4) Er muß bei allen Sitzungen im Vorzimmer sein, und für die Ordnung in dem Lokale sorgen, überhaupt keinem Geschäfte sich entziehen, das ihm von den Vorstehern aufgetragen wird. Da derselbe oft ansehnliche Summen in Händen hat, so muß er entweder baare Caution oder einen sichern Bürgen über die Summe von wenigstens 100 Rthlr. Courant stellen können. Er empfängt bei seiner Anstellung eine schriftliche Instruktion, die er unterschreiben muß. Er wird von den Vorstehern ernannt, muß unverheirathet und aus hiesiger Stadt sein, und keine Bedienung in irgend einer andern Gesellschaft haben. Wenn er sein Amt 6 Jahre hindurch treu und redlich versehen hat, so sind die Vorsteher befugt, ihm die Rechte eines Mitgliedes in Rücksicht auf Krankenpflege und Unterstützung bei etwaiger Eintretung physischer Uebel (S. §. 6–14.) angedeihen zu lassen. Fünfter Abschnitt. Bestimmung der Sessionen, Wahl der Vor steher und Aufnahme der Mitglieder. A. Ver sammlung der Vor steher §. 38. Am Schlusse eines jeden Monats versammeln sich die Vorsteher, um über die Geschäfte des verwichenen sowohl, als des kommenden Monats zu deliberiren. Wenn jedoch die Umstände es erfodern, oder auch neue Mitglieder sich zur Aufnahme melden, so soll der Direktor in der Zwischenzeit Sessionen veranstalten. Diese geschehen mittelst schriftlicher Einladung, in welcher Ort, Tag und Stunde der Sitzung angezeigt sein muß, durch den Boten an sämmtliche Vorsteher und 2 andere Mitglieder, 3 Tage vor der Sitzung. Die Eingeladenen unterschreiben sich auf dem Einladungszettel, und geben dadurch zu erkennen, daß sie kommen werden. Ist ein Mitglied abgehalten zu erscheinen, 895
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so muß es solches entweder auf dem Zettel bemerken, oder doch einen Tag vor der Sitzung dem Direktor Anzeige davon machen, damit derselbe ein anderes Mitglied an seiner Stelle wähle. Sind die sämmtlichen Eingeladenen nicht alle gegenwärtig, so kann dies die Geschäfte nicht hindern, wenn nur außer dem Direktor zwei Drittheile der übrigen eingeladenen Mitglieder gegenwärtig sind. §. 39. Alle Beschlüsse werden durch Mehrheit der Stimmen gefaßt. Trifft es sich, daß solche gleich sind, so soll der Direktor 2 Stimmen haben. Eben so soll es bei Aufnahme der Mitglieder gehalten werden, welches mittels Ballottement geschieht, daß nemlich bei einer graden Zahl ballottirender Mitglieder der Direktor 2 Kugeln in die Urne legen soll. §. 40. Beim Schlusse eines jeden Jahres soll eine Bilanz angefertigt, in der Schlußsession vorgelegt und genehmigt werden. Zu dem Ende soll alljährlich eine Versammlung sämmtlicher Mitglieder veranstaltet werden, in welcher die erwähnte Bilanz, in der alle Statt gehabten Einnahmen und Ausgaben nur summarisch angegeben sind, zur Ansicht vorgelegt, und eine gedruckte Namensliste der Gesellschaft den einzelnen Mitgliedern mitgetheilt wird. §. 41. Alle 3 Jahre und zwar im Monat November, wo möglich am Stiftungstage der Gesellschaft, zwischen der Frankfurter und Leipziger Messe, soll eine Generalsession gehalten werden. Diese Session hat die Wahl neuer Vorsteher zum Zweck, kann jedoch mit der im vorigen §. genannten jährlichen Versammlung zusammen treffen. Zu allen diesen Versammlungen sollen sämmtliche Mitglieder 14 Tage vorher durch eine Karte eingeladen werden. §. 42. Die Pflegeväter sollen nach Abhaltung der Generalsession sowohl, als auch bei Gelegenheit der jährlichen Versammlung der Gesellschaft, jedesmal eine Mahlzeit veranstalten, die zwar nicht auf Kosten der Kasse, sondern der einzelnen Mitglieder gegeben werden soll; bei welcher jedoch die Kosten des Lokals und der Beleuchtung aus der Kasse der Gesellschaft bestritten werden sollen. Es stehe daher jedem Mitgliede frei, bei der Einladung zu erklären, ob es Theil daran nehmen wolle, oder nicht. Im ersteren Falle bezahlt der Eingeladene sogleich dem Boten den festgesetzten Beitrag. Man beabsichtigt durch diese jährlichen Mahlzeiten nichts, als eine recht innige Vereinigung der Gesellschaft, damit die einzelnen Mitglieder sich gegenseitig immer genauer kennen lernen, und Gelegenheit haben, sich gemeinschaftlich über das Beste ihrer Anstalt zu berathen und mitzutheilen. 896
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§. 43. Der Direktor oder der Sekretair eröffnet die jährliche Session mit einer Rede, worin er Bericht über den Zustand der Gesellschaft giebt. Den Mitgliedern steht es frei, Verbesserungen vorzuschlagen, (die jedoch die Tendenz nicht verändern dürfen,) welche sogleich zu Protokoll gebracht und in der nächsten Vorsteher-Session, zu welcher dieselben Mitglieder, von denen jene Vorschläge herrühren, eingeladen werden sollen, zur Deliberation kommen. Die alsdann beschlossenen Verbesserungen sollen in einem Umlaufschreiben der ganzen Gesellschaft bekannt gemacht werden. §. 44. Die Vorsteher werden ein eignes Lokal mieten, in welchem ihre Zusammenkünfte gehalten, so wie überhaupt alle Geschäfte der Gesellschaft besorgt und die Papiere und Akten derselben aufbewahrt werden. Sollte der Raum dieses Lokals für die General-Sessionen nicht hinreichen, so soll für letztere jedesmal ein besonderes gemietet werden. B. Wahl der Vor steher. §. 45. Alle Glieder der verwaltenden Behörde bleiben eine Zeit von 3 Jahren in ihrem Amte. Sie werden am Tage der Generalsession entweder alle, oder zum Theil in ihrem Amte bestätigt, oder neu gewählt. §. 46. Die zu wählenden Vorsteher dürfen weder nahe Verwandte (nach isrealitischem Rechte) noch Handlungsgesellschafter sein. Der Direktor muß ein geborner Berliner und unverheirathet sein. In dem Falle aber, daß ein mit den nöthigen Qualitäten unverheirathetes Subjekt nicht zu finden wäre, so soll ein Ausschuß von 35 durchs Loos gewählter Mitglieder, von denen 24 unverheirathet und 11 verheirathet sein müssen, durch die Stimmenmehrheit über die Wahl eines verheiratheten Direktors entscheiden. Von den übrigen 8 Vorstehern dürfen in keinem Falle mehr als Vier und weniger als Zwei verheirathet sein. Sollte ein gewähltes unverheirathetes Mitglied sich während der Verwaltung seines Amtes verheirathen, so bleibt es bis zur nächsten Wahl in seinem Amte. Das nemliche gilt, wenn zwei Vorsteher während der drei Jahre in Verwandtschaft oder in Handelsverbindungen gerathen sollten. §. 47. Die Wahl selbst geschieht auf folgende Weise: Jedes Mitglied schreibt 9 Nummern auf einen ihm 14 Tage vor der Sitzung von den Vorstehern zugeschickten Stimmzettel aus der neuesten Namensliste der Mitglieder, wobei ein Jeder der Wählenden wohl darauf zu sehen hat, daß (nach §. 46) nicht mehr als 4 und nicht weniger als 2 verheirathete unter den 9 auf dem Wahlzettel Vorgeschlagenen sich befinden. Sämmtliche Zettel werden von den Mitgliedern in der Haupt897
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session, nachdem vom Sekretair die Namen der erschienenen und nicht erschienenen Mitglieder protokollirt worden, in verschlossene Stimmkasten gelegt, sodann von dem Direktor und 2 dazu zu wählenden Mitgliedern aus der Gesellschaft eröffnet und von dem Sekretair protokollirt. Diejenigen 9 Nummern, welche die Mehrzahl der Stimmen für sich haben, sind die gewählten Vorsteher. Sollte sich der Fall ereignen, daß unter den gewählten Vorstehern die Zahl der Verheiratheten größer wäre, als das Gesetz vorschreibt, so soll unter diese letzteren gelooset werden, damit das gesetzliche Verhältniß herauskommt. §. 48. Sobald die Namen der gewählten Vorsteher vom Direktor laut aufgerufen sind, erklären diese, ob sie das Amt annehmen wollen oder nicht; im letztern Falle werden die auf der Stimmenliste zunächst folgenden gewählt. Auf abwesende kann nur dann Rücksicht genommen werden, wenn sie ihr Ausbleiben vorher angezeigt und gehörig entschuldigt haben, in welchem Falle ihr Entschluß, ein Amt nicht annehmen zu wollen, wenn es ihnen vielleicht angetragen würde, der Anzeige beigefügt werden muß. §. 49. Sind alle 9 Vorsteher vollständig, so vertheilen die abgehenden mit Zuziehung von, ihrer Bestimmung zu überlassender, 4 Mitglieder, wovon jedoch 2 unverheirathet sein müssen, die Aemter unter die neuen Vorsteher nach Mehrheit der Stimmen. Bei ge theilten Meinungen entscheidet das Ballottement. Die abgegangenen Vorsteher sind jedesmal wieder wahlfähig. §. 50. Die abgegangenen Vorsteher übergeben ihr Amt und alle darauf Bezug habenden Papiere und Gelder spätestens 14 Tage nach der Generalsession in einer außerordentlichen Sitzung den neuen Vorstehern. Jeder Beamte läßt die von ihm geschehene Ablieferung zu Protokoll bringen. Scheidet ein Vorsteher während der drei Jahre aus, so tritt das auf der Stimmenliste zunächst folgende, welches also nach dem ausgeschiedenen die meisten Stimmen hat, an seine Stelle, die es bis zur nächsten Wahl verwalten muß. C. Aufnahme der Mitglieder. §. 51. Wer in die Gesellschaft einzutreten wünscht, muß sich beim Direktor schriftlich melden. Derselbe zeigt solches unverzüglich mittelst versiegelten Schreibens den übrigen Vorstehern an, welche in der nächsten Session mit Zuziehung zweier Mitglieder aus der Gesellschaft, über die Zulässigkeit sich berathschlagen. Fällt die Stimmenmehrheit, welche durch das Ballottement entschieden wird, zu dessen Gunsten aus, so giebt ihm der Sekretair davon schriftlich Anzeige; der Kassirer sendet ihm hingegen durch den Boten die gedruckten Gesetze, nebst einer Quittung über das zu bezahlende Eintritts- und Mo898
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natsgeld, so wie über die für das Exemplar der Gesetze zu entrichtende Gebühren von 8 Groschen Courant. §. 52. Wird dem zu wählenden neuen Mitgliede in der ersten Session die Aufnahme verweigert, so steht es ihm frei, sich nach 6 Monaten, und auf den Fall der wieder versagten Aufnahme nach abermals 6 Monaten vorschlagen zu lassen. Wird ihm die Aufnahme alsdann versagt, so bleibt es für immer ausgeschlossen. §. 53. Dem aufgenommenen Mitgliede wird spätestens 8 Tage nach erfolgter Aufnahme ein, mit dem Siegel der Gesellschaft bedrucktes Diplom, kraft dessen es auf alle Rechte, welche die Gesetze ihm zugestehen, Anspruch machen kann, zugestellt, wobei demselben zugleich von dem Boten ein zu unterzeichnender Revers eingehändigt wird, in welchem es sich verpflichtet, alle in diesen Gesetzen enthaltenen Vorschriften genau zu beobachten, und im Fall eine Aenderung nothwendig wäre, sich dem Willen der festgesetzten Majorität zu unterwerfen. Auch die gegenwärtig vorhandenen Mitglieder sollen mit einem Diplom versehen werden, wogegen sie den genannten Revers unterzeichnen. Im Fall ein Mitglied aus der Gesellschaft scheidet, oder durch Beschluß der Vorsteher ausgeschlossen wird, so muß es binnen 3 Monaten sein Diplom zurückgeben, widrigenfalls dasselbe als annullirt öffentlich angezeigt wird. §. 54. Der Monat, in welchem die Aufnahme geschieht, wird in jedem Falle für voll gerechnet, und der Beitrag für denselben bezahlt. §. 55. Jedes Mitglied erhält bei seiner Aufnahme eine Nummer, nach welcher es in den Büchern aufgeführt wird. Die Reihe der Nummern wird zwar fortgesetzt, jedoch ist darauf zu sehen, daß die schon vorhandenen Nummern besetzt bleiben, so daß die durch Abgang eines Mitgliedes erledigte Nummer dem zunächst eintretenden Mitgliede zu Theil werde. §. 56. Wenn ein Mitglied Berlin verläßt, seine Beiträge aber gehörig durch andere entrichten läßt, so behält es, sobald es wieder herkommt, alle Rechte eines Mitgliedes. Außerhalb Berlins können hingegen keine Unterstützungen gereicht werden. §. 57. Der Eintritt in die Gesellschaft ist auch Auswärtigen, nicht in Berlin Wohnhaften verstattet. Da jedoch die von der Anstalt ausgehenden Unterstützungen sich nicht nach au899
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ßerhalb erstrecken können, so haben dergleichen auswärtige Mitglieder, wenn sie der Unterstützung bedürfen, auf dieselbe nur in dem Fall die Ansprüche eines hiesigen Mitgliedes, wenn sie sich grade zu der Zeit in Berlin aufhalten. §. 58. Ist ein Mitglied aus freiwilligem Entschluß aus der Gesellschaft ausgetreten, oder ist es, wegen Nichtbezahlung seiner Beiträge von derselben ausgeschlossen worden, so bedarf es, wenn ein solches ehemaliges Mitglied wieder aufgenommen zu werden wünscht, dazu keines neuen Ballottements; nur muß dasselbe die von dem Tage seiner Ausscheidung an rückständigen Beiträge nachzahlen, so wie auch das Eintrittsgeld noch Einmal entrichten. Bei einer nochmaligen Ausscheidung und Wiederaufnahme, muß, Behufs der letzteren, von Neuem ballottirt werden. Tritt jedoch dieser Fall zum drittenmale ein, so wird die Wiederaufnahme unter keiner Bedingung gestattet. Sechster Abschnitt. Gegenseitige besondere Pflichten der Mitglieder. §. 59. So wie die sämmtlichen Mitglieder die Verpflichtung übernommen haben, sich gegenseitig in ihrem Leben und Wirken zu helfen und zu unterstützen, so ist es auch billig, daß, wenn der Tod einen von ihnen abfodern sollte, er von den zurückgebliebenen Freunden den letzten Beweis der Achtung und Anhänglichkeit erhalte. Es ist zu dem Ende festgesetzt worden, daß bei dem Todesfalle eines Mitgliedes, die Pflegeväter 20 Mitglieder der Gesellschaft zum Leichenbegängniß bestellen lassen. Dieselben begleiten die Leiche bis zum Begräbnißort, und steht es ihnen frei, sich sogleich wieder zu entfernen, oder bis zur Beendigung des Begräbnisses zu verweilen. Ist einer der Vorsteher verstorben, oder ein Mitglied, das einst Vorsteher gewesen, so müssen, außer den sämmtlichen anwesenden Vorstehern noch 30 Mitglieder der Leiche folgen. §. 60. Jedes Mitglied ist verpflichtet, so viel in seinen Kräften steht, alles anzuwenden, um die Gesellschaft aufrecht zu erhalten, den guten Ruf derselben als seinen eignen zu betrachten, und alle Mitglieder wie seine Freunde anzusehen, und sich für deren Fortkommen zu interessiren, alle Zwietracht zu vermeiden, und auf keinen anderen Vorzug, als wozu ihn sein etwaiges Amt bei der Gesellschaft berechtigt, Ansprüche zu machen. Es darf hingegen ohne erhebliche Gründe ein ihm angetragenes Amt nicht ablehnen, auch während der Dauer seines Amtes, dasselbe nicht niederlegen, ohne der Verwaltungsbehörde seine Gründe vorzulegen, welcher die Entscheidung überlassen bleibt. §. 61. Ein jedes Mitglied ist verbunden, die Krankenbesuche, welche in der Reihefolge ihm zufallen, sobald es vom Pflegevater dazu aufgefodert wird, gehörig abzuhalten, wobei 900
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es sich von selbst versteht, daß die Krankheit nicht ansteckend sein dürfe, oder auch die Besuchenden von Natur sich vor dem Krankenlager nicht scheuen. Bei denen Wiedergenesenden, die bloß der Zeitverkürzung wegen Besuche wünschen, können nur Krankheit und Abwesenheit ein Mitglied wegen Nichterfüllung dieser Pflicht entschuldigen. Eben so ist jedes Mitglied verbunden der Einladung zum Leichenbegängniß (§. 59.) zu folgen. Siebenter Abschnitt. Disziplinar ische Bestimmungen zur Aufrechterhaltung und Beobachtung der Gesetze. §. 62. Wenn gleich sich voraussetzen läßt, daß sämmtliche Mitglieder diesen freiwillig übernommenen Verpflichtungen zu jeder Zeit und in ihrem ganzen Umfange nachkommen werden, so ist man dennoch, da eine jede menschliche Einrichtung und Verbindung auch einer äußern, nicht auszuweichenden Nothwendigkeit, und also gleichsam eines äußern Zwanges zu ihrer vollkommenen Unverletzbarkeit bedarf, über folgende Disziplinar-Verfügungen übereingekommen: 1) Ein Mitglied, welches die Einladung zur Session angenommen hat, muß, wenn es dieselbe versäumt, 1 Rthlr. Courant bezahlen. 2) Wer einen Krankenbesuch oder die Einladung zur Leichenbegleitung angenommen, und nicht erscheint, entrichtet in jedem dieser Fälle 16 Gr. Cour. 3) Wenn ein Mitglied seine monatlichen Beiträge 3 hintereinander folgende Monate nicht bezahlt, oder wenn ein quartaliter bezahlendes Mitglied 2 Quartale vorbeigehen läßt, ohne zu bezahlen, so wird es, wenn nicht triftige Gründe für dies Versäumniß vorhanden sind, von der Gesellschaft ausgeschlossen. Ein Gleiches soll Statt finden, wenn die bestimmten Strafgelder binnen 3 Monaten, von dem Tage an, da solche von der Verwaltungsbehörde dem straffälligen Mitgliede angezeigt worden, unentrichtet geblieben sind. 4) Jeder Vorsteher, der eine Sitzung versäumt, verfällt, wenn keine entschuldigenden Gründe vorhanden sind, in eine Strafe von 3 Rthlr. Courant. 5) Ein Vorsteher, der seine Pflichten vernachläßigt, so, daß der Gang der Geschäfte durch ihn gehemmt wird, soll nach vorangegangener, zweimaliger schriftlicher Zurechtweisung durch die Stimmenmehrheit sämmtlicher Mitglieder seines Amtes entsetzt werden. 6) Wer von den Sitzungen und Verhandlungen etwas aussagt, oder erzählt, welches entweder der Gesellschaft oder einzelnen Mitgliedern derselben Nachtheil und Kränkung zuziehen könnte, verfällt für das erste Mal in eine Strafe von 3 Rthlr. nebst einem Verweise von Seiten der Vorsteher; im Wiederholungsfalle aber wird der Schuldige, sobald er ein Vorsteher ist, seines Amtes entsetzt, oder, wenn es nur ein bloßes Mitglied ist, von jeder fernern Sitzung ausgeschlossen.
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§. 63. Mitglieder, die aus freiem edlen Triebe zum Guten durch außerordentliche Geldbeiträge, durch pünktliche Erfüllung ihrer Pflichten, oder durch Uebernehmung von mühsamen Geschäften für die Gesellschaft, sich um diese verdient machen, zu belohnen, steht zwar nicht in der Macht der Gesellschaft; sie werden diesen Lohn in ihrem eignen Bewußtsein finden; allein, damit auch ein äußeres Zeichen der Anerkennung und Aufmunterung eines solchen Verdienstes vorhanden sei, soll denselben nicht nur durch ein Belobungsschreiben der Vorsteher, und ehrenvolle öffentliche Erwähnung in der General-Versammlung, sondern auch durch Aufzeichnung ihrer Namen auf eine E h r e n t a f e l in dem Sitzungszimmer, zum beständigen Andenken an ihre Verdienste, die Erkenntlichkeit der Gesellschaft bezeigt werden. Quelle: Grundgesetze und Verfassung der Gesellschaft Magine-Rèim zu Berlin. Neu entworfen im Jahr 5579 בכל עת אהב הרע ואח לצרח יבל. Berlin 1818 (Druckschrift; GStA PK, I. HA, Rep. 77, Tit. 1021 Berlin, Nr. 68, Beiheft I, Bl. 49–64).
Chevrat Ohavej Laschon Ivrit (Gesellschaft Hebräischer Litteraturfreunde) I) Salomon Cohen: Programmatische Einleitung zur Neuen Folge von HaMeasef, 1808/09 Ein Wort über die Tendenz des Sammlers. Fanatismus und Irreligion sind zwei entgegengesetzte, aber gleich schädliche Extreme. Mehrtausendjährige Erfahrungen haben diese Wahrheit g[e]nugsam gezeigt, denkende Moralisten haben sie zu jeder Zeit zu erörtern und darauf aufmerksam zu machen gewußt, so daß fast kein Wort hinzu zu thun übrig bleibt. In der Mitte zwischen jenen gefährlichen, äußersten Grenzen liegt wahre Relig iosität. Ihre Nothwendigkeit, ihre Alleinfähigkeit zur Gründung des zeitlichen und ewigen Heils, jedes einzelnen Individuums sowohl, als der ganzen menschlichen Gesellschaft, ist eben so evident, als die Schädlichkeit jener Extreme. Aber die Grenzlinie bestimmt anzugeben, wie weit sich der Bezirk der ächten Religion erstrecke, die Waage stets mit der Genauigkeit zu halten, daß sich keine Schaale herüber oder hinüber neige, ist, und wird noch lange bleiben – ein schweres Problem. Denn, wie ein Kleinod nur durch Umfassungen, durch reine Verwahrungsgefäße in seinem Glanze erhalten werden kann, so musste auch der Religion, wenn sie dem Menschen nicht blos als einem intellectuellen, sondern auch als einem sinnlichen Wesen stets in ihrer Gefälligkeit erscheinen soll, eine Außenseite gegeben werden. Nur göttlichen Männern – man nehme dieses Prädikat in welchem Sinne 902
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man wolle – konnte es gelingen, dies Kleinod in seiner Lauterkeit zu erhalten, und die Außenseite so darzustellen, daß der Blick jedesmal nach dem Innern geheftet seyn muß. Aber der göttlichen Männer giebt es in Jahrtausenden äußerst wenig; auch ist dem Daseyn dieser wenigen Auserkohrnen, wie jedem Sterblichen, ein kurzes Ziel ausgesteckt. Unter andern Händen standen die Sachen anders. – Indem man nun auf die Umfassung, die für sich allein keinen Gehalt hat, nicht zu achten anfing, schien man auch nach und nach gegen das Kleinod selbst gleichgültig zu werden. Die üblen Folgen hiervon werden fühlbar; allein wo sind jene göttlich großen Geister, die zu einer solchen künstlichen Zusammenstellung Kraft und Muth genug besaßen? Und gebe es deren wirklich, woher wieder jene Volksstimmung, jenes folgsame Zutrauen? Hier liegt das Schwierige der Sache, hier das nicht leicht zu lösende Problem. – Die Anschließung an die bürgerliche Gesellschaft, die Annahme der sittlichen und wissenschaftlichen Kultur kann – so tröstet man sich – jenen Verlust ersetzen, und wenigstens den Weg zur Moralität bahnen. Muß aber nicht die Religion diesen Weg bewahren? Vor jeder irrigen Abweichung schützen? Der ehemals herausgekommene Sammler hatte seine Entstehung und seinen mehrjährigen Fortgang, Männer von Geist und vieler Gelehrsamkeit zu verdanken. Seiner Tendenz nach, sollte jenes Journal gleichsam zur Stufenleiter dienen, die Religion von ihrer fernsten Grenze (der Ueberspannung) nach dem Mittelpunkt hinzuführen, welches auch, so lange Vorsatz und Ausübung übereinstimmten, ziemlich gut gelang. Allein da manche individuelle Ansichten, die jene Herausgeber von gewissen Dingen hatten, von einem Theile ihrer Leser anders genommen wurden, so entstanden daraus mehrere Missverständnisse, und man fing an, über den beabsichtigten Punkt hinweg zu schreiten. Missverstanden von dem einen, unrichtig beurtheilt und falsch beschuldigt von dem andern Theile, fanden diese Sammler für gut, um allen fernern Irrungen auszuweichen, die Feder völlig nieder zu legen. Der neue Sammler soll nun, durch die litterarische Beschäftigung mit jener alten ehrwürdigen Sprache und ihrer heiligen Schriften, die Religion eine Stufe zum Mittelpunkt wieder zurückführen, und dadurch das Gleichgewicht vielleicht wieder herstellen. Aber auch nur vielleicht; denn ihrer Schwäche sich bewußt, das Schwankende, das in der Sache selbst liegt, erwägend, maßen sich seine Herausgeber keines Weges Unfehlbarkeit an, und es stehet für sie immer ein Schicksal gleich dem ihrer Vorgänger zu besorgen. Da sie aber eine Erfahrung voraus haben, so glauben sie, dem Ungemach dadurch vorzubeugen, wenn sie bei der Sammlung mit der Wahl behutsam umgehen, und den einen oder den andern Leser um eine billige, nicht einseitige Beurtheilung der Aufsätze, und überhaupt um schonende Nachsicht bitten. Uebrigens ist es die Pflicht eines jeden, der in sich einiges Vermögen und einigen Beruf dazu fühlet, so lange ein mitwirkendes Rad in der großen Weltmaschine zu seyn, als es nur immer angehet, und den Ausgang dem ewigen Wechsel der Zeit zu überlassen. Hiermit glaube ich, den Gesichtspunkt dargestellt zu haben, aus welchem man den neuen Sammler zu betrachten habe. 903
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Auf die Frage: Wozu frommt zu diesem Zweck ein Journal in der Hebräischen Sprache, die nur wenige lesen können oder wollen? führe ich von vielen Antworten, womit ihr zu begegnen wäre, nur folgende drei an: 1. Weil sich die neuen Herausgeber im Gegentheil überzeugt haben, daß es der Kenner und Freunde der Hebräischen Litteratur noch viele giebt, 2. weil sie mit der israelitischen Gesammt-Nation, mit Deutschen sowohl, als mit Franzosen, Engländern u. s. w. reden wollen, und sich also der allgemeinen Sprache bedienen müssen; und 3. weil sie überhaupt den Werth dieser Litteratur nicht verkennen, und ihnen die Beschäftigung mit derselben erheblich genug ist, wäre auch damit nicht jener große Zweck verbunden, mittelst ihrer auf die Nation zu wirken. C. Quelle: Schalom HaCohen (Schalom Kohen oder Salomon Jacob Cohen): Ein Wort über die Tendenz des Sammlers. In: Deutsche Zugabe zu dem ersten Heft des ersten Jahrganges der Hebräischen Zeitschrift: [ המאסףHaMeasef] (der Sammler). Herausgegeben von einer Gesellschaft Hebräischer Litteraturfreunde in Berlin. Berlin 1808/09, S. 1–5. – Transkribiert aus dem Jüdisch-Deutschen von Uta Lohmann.
II) Salomon Cohen: Nachricht im neuen HaMeasef 1808/09 Nachricht Von diesem [ מאסףMeasef] an, erscheint alle Vierteljahr [ תקופהTequfa] ein [ מחברתMachberet, Heft], welches abwechselnd sechs und sieben Bogen (die deutsche Zugabe mitgerechnet) enthält. Vier [ מחברותMachberot] machen einen [ כרךKerech, Band] aus. Jedem כרךwird der Haupt-Titel, das Inhalts-Verzeichnis des ganzen Bandes, und החתומים [ שמותSchemot heChatumim, die Namen der Abonnenten/Subskribenten] beigefügt. Der Preis des ganzen Jahrgangs ist, für die Abonnenten, drei Thaler Preußisch Courant, wovon eine Hälfte mit 1 Thaler 12 Groschen bei Ablieferung des ersten, und die andere Hälfte bei der des dritten Hefts bezahlt wird. Die Abonnenten erhalten ihre Exemplare auf feinem Post-Papier porto-frei nach unten benannten Städten zugeschickt. Es werden auch einzelne Hefte, aber auf Druckpapier verkauft. Jedoch machen die [ חתומיםChatumim, Abonnenten/Subskribenten], denen etwa ein Exemplar abhanden kommen sollte, hierin eine Ausnahme. Literarische Beiträge, sowohl in hebräischer als in deutscher und anderen Sprachen werden uns willkommen sein, und sollen nach Werte honoriert werden. Sie müssen sich aber, dem Zweck unseres Blattes gemäß, auf folgende Gegenstände beschränken: 1) Belletrien, moralischen und lauteren Inhalts, 2) wissenschaftliche Aufsätze, 3) Erklärungen der [ כתבי קודשKitvej qodesch, heiligen Schriften], nebst Bemerkung über die hebräische Sprache, 4) Geschichte unserer Nation, und ihrer großen Männer, 5) Rezensionen, Ankündigungen neuer [ ספריםSefarim, Bücher] u. d. g. Streitsachen aber, alles was wider die Religion ist, oder was mit der Politik der Zeit in mindester Berührung kommt, wer904
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den unbenutzt bleiben. Diese Beiträge, so wie die Briefe der sich meldenden Kommissionäre müssen postfrei eingeschickt werden. Man abonniert in Amsterdam bei Herrn Heiman Sommershausen [= Hirsch Somerhausen], in Breslau beim H[errn] David Bengy [?], in Kassel beim Herrn Konsistorialrat Heinemann, in Prag beim H[errn] Ephraim Wehli, in Königsberg in Preußen beim H[errn] Salomon Bernhardt, in Hamburg beim H[errn] M. Jaffe, in Posen beim H[errn] David Caro, in Frankfurt am Main beim H[errn] Geisenheimer, in Berlin in Herrn Jacobys Bücher- und Kunsthandlung, und bei dem Redakteur. Schalom HaCohen. Quelle: Schalom HaCohen (Schalom Kohen oder Salomon Jacob Cohen): Nachricht. In: HaMeasef, Neue Folge, 1. Jahrgang, 1. Heft. Berlin 1808/09 (Verlag der Freischule), unpaginiert. – Transkribiert aus dem Jüdisch-Deutschen von Uta Lohmann.
Gesellschaft zur Beförderung der Industrie unter den Bewohnern der Königlich Preußischen Staaten jüdischer Religion Gesetze für die Gesellschaft zur Beförderung der Industrie unter den Bewohnern der Königl. Preußischen Staaten jüdischer Religion, Berlin 1813 Einleitung. Durch die Staatsbürgerlichen Rechte und Freiheiten, welche die Einwohner jüdischer Religion im Preußischen Staate erlangt haben, sind sie in den erfreulichen Stand gesetzt, ihre Erwerbsquellen zu erweitern, ihre Kräfte und Fähigkeiten zur Beförderung der Industrie geltend zu machen, und überhaupt den Ruf zu erfüllen, welcher dem Menschen im gesellschaftlichen Zustande, seiner Bestimmung gemäß angewiesen ist. Ihre bisherige Verfassung, nach welcher ihr Erwerb lediglich auf den Handel beschränkt war, hatte die natürliche und zugleich schädliche Folge, daß der Geist des Erwerb-Fleißes bei ihnen ganz unterdrückt wurde, und die nachtheiligen Meinungen, welche in dieser Hinsicht so oft und so laut gegen die Bekenner der jüdischen Religion erhoben wurden, konnten mit Rücksicht auf jene ungünstige Verhältnisse zum Theil wohl gemildert aber nicht völlig entkräftet werden. Jetzt, wo ein so gerechter, als menschenfreundlicher Landesfürst die Fesseln gelöst hat, welche der Ausbildung unserer Kräfte und Fähigkeiten unnatürliche Schranken setzten; jetzt wo uns ein weites und fruchtbares Feld eröffnet worden ist, auf dem wir den Trieb zur nützlichen Thätigkeit frei einwickeln dürften, jetzt, werthe Religions-Genossen! ist 905
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es Zeit, uns dieser Wohlthat würdig zu bezeigen, und das herrschende Vorurtheil, als hätten wir eine ausschließende Neigung zum Handel, mit Gemeinsinn und Beharrlichkeit muthig zu besiegen. Dankbarkeit gegen den Staat, der uns jene Wohlthat ertheilt hat, und Pflicht gegen uns und unsere Nachkommen fordern uns gleich dringend auf, unser Streben unablässig dahin zu richten, die höhere Bestimmung, welche uns durch die neue Verfassung gegeben worden ist, treu und redlich zu erfüllen. Von der Wichtigkeit dieser Wahrheit innig überzeugt, haben Endesunterzeichnete sich verbunden, eine Anstalt zu errichten, deren Zweck dahin gehen soll, unvermögende junge Leute zu Handwerken und zum Ackerbau anzuführen, sie bei geschickten Meistern, wo es erforderlich ist, vermittelst Prämien, in die Lehre zu geben, und überhaut den Geist der Industrie durch Unterstützung und Aufmunterung aller Art unter den jüdischen Religions-Genossen im Preußischen Staate so viel als möglich zu beleben, zu befördern und zu erhalten. Zu dem Ende ist ein Verein unter dem Namen: Gesellschaft zur Beförderung der Industrie glücklich zu stande gekommen. Mehrere Mitglieder der hiesigen jüdischen Gemeinde haben sich mit uns vereinigt, den erwähnten Zweck mit Kraft und Nachdruck zu unterstützen. Auch sind bereits sehr ansehnliche Beiträge von ihnen und von einigen auswärtigen Wohlthätern zu diesem Behufe geleistet worden; dergestalt, daß gegenwärtig eine nahmhafte Anzahl jüdischer Knaben bei Meistern verschiedener Gewerke, zum Theil durch Prämien untergebracht ist, und der Versuch, der so glücklich ausgefallen, läßt einen der Absicht entsprechenden Erfolg mit Zuversicht erwarten. Bei der Errichtung dieser Anstalt haben wir, unsrer Pflicht gemäß, Einem Königlichen hohen Departement der Gewerke im Ministerio des Innern von unserm Unternehmen die gehörige Anzeige gemacht, und zugleich die nachstehenden für die Gesellschaft abgefaßten Gesetze zur Bestätigung gehorsamst eingereicht. Mit dem innigsten Gefühl der Dankbarkeit erkennen wir, daß die höchsten und hohen Behörden, unser Vorhaben genehmigt, unsere Arbeiten begünstigt und unsere Wünsche mit einer Milde erfüllt haben, welche dem Geiste mit einer so weisen als gerechten Regierung völlig entspricht. Diese wirksame Aufmunterung verpflichtet uns um so mehr, den vorgesetzten Zweck mit festem Sinne und Ausdauer zu verfolgen, und gewährt uns zugleich die erfreuliche Aussicht, daß die Nachkommen die gesegneten Früchte einer sorgfältigen Pflanzung glücklich einernten werden. Es ist aber leicht zu begreifen, daß ein solches Unternehmen, wenn die dabei zum Grunde liegende Absicht ganz erreicht werden soll, mit einem sehr bedeutenden Kostenaufwande verbunden seyn muß, denn: 1) werden oft ansehnliche Prämien oder Lehrgelder gezahlt; 2) muß für die nöthigen Kleidungsstücke und für manche andere Bedürfnisse der Lehrburschen gesorgt werden; 3) müssen die Lehrlinge, in Krankheitsfällen, auf Kosten der Gesellschaft geheilt und verpflegt werden; 4) werden dieselben auch in der Religion und im Lesen, Schreiben, Rechnen und Zeichnen unterrichet; endlich 906
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5) bezweckt die Gesellschaft auch Gesellen, die sich hier als Meister ansetzen wollen, nach Maaßgabe ihrer Qualifikation zu unterstützen. Alle diese Gegenstände sind äußerst kostspielig, und obgleich von den schon beigetretenen Mitgliedern sehr ansehnliche Beiträge geleistet werden: so dürften sie dennoch nicht zureichen, alle die jungen Leute, welche sich zu Annahme melden, auf diese Weise unterzubringen und zu versorgen. Die Gesellschaft sieht sich folglich in ihrer Wirksamkeit beschränkt, indem sie nicht im Stand ist, den Keim der Industrie, welcher unter ihrem Glaubensgenossen jetzt so merklich sich zu entwickeln anfängt, nach seinem ganzen Umfange zu beleben. Wir fordern daher alle edlen Freunde der Humanität, vorzüglich aber unsere Mitbrüder im Preußischen Staate, deren Verhältnisse es zulassen, hierdurch ganz ergebenst auf, sich mit uns zu vereinigen, diese, in mehr als einer Hinsicht so wohlthätige Anstalt fest zu gründen und zu erhalten. Ueberzeugt, daß diese Aufforderung nicht fruchtlos bleiben wird, ersuchen wir alle diejenigen, welche der Gesellschaft sich anschließen wollen, ihre Beiträge einem der hier unterzeichneten Mitglieder des Komité gefälligst zukommen zu lassen. Mit so vereinten Kräften, mit festem Willen und reinem Sinn, das Gute zu befördern, werden wir gar leicht im Stande seyn, dem vorgestreckten Ziele uns immer mehr und mehr zu nähern, und die gütige Vorsehung wird unsere Bemühung seegnen. Berlin den 1sten August 1813 Das Komité der Gesellschaft zur Beförderung der Industrie. Samuel Bernsdorff. Liebermann Schlesinger. Bendemann sen. Z. Friebe. J. Mendelssohn. Nachdem durch das Edikt vom 11ten März 1812, betreffend die bürgerlichen Verhältnisse der Juden in den Königl. Preußischen Staaten, denjenigen Einwohnern jüdischen Glaubens, welche nach den Vorschriften dieses Ediktes als Staatsbürger und Einländer zu betrachten sind, alle bürgerlichen Rechte und Freiheiten beigelegt worden, in soweit das Edikt selbst nicht Ausnahmen davon enthält, hat sich zur Beförderung der Indus trie unter den Bewohnern der Königl. Preußischen Staaten jüdischer Religion namentlich zur Verbreitung des Erlernens der Handwerke und der Landwirthschaft eine Gesellschaft gebildet, welche zur Ausführung ihres Zweckes geleitet wird durch nachfolgende Gesetze. § 1. Der Zweck der Gesellschaft ist: Handwerke und Ackerbau unter den jüdischen Einwohnern in den Königl. Preußischen Staaten zu befördern. Sie wird den Namen annehmen: Gesellschaft zur Beförderung der Industrie. § 2. Die Gesellschaft wird unvermögende junge Leute jüdischer Religion, die Lust und Fähigkeit bezeigen ein Handwerk zu erlernen, auf ihre Kosten bei geschickten Meistern in 907
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die Lehre bringen, und auf die Fortschritte der Lehrlinge sowohl, als auf ihr gutes und sittliches Betragen wachen. § 3. Sie wird ferner, sobald es ihre Kräfte erlauben, diese Lehrlinge, wenn sie ausgelernt haben, und Zeugnisse ihres guten Verhaltens und ihrer Fähigkeiten beibringen, mit Geld und Empfehlungen unterstützen, damit sie sich hier als Meister ansetzen können. Diese Unterstützung zum Etablissement kann auch solchen jüdischen Arbeitern zu Theil werden, welche die Gesellschaft nicht hat auslernen lassen, die sich aber durch vorzügliche Zeugnisse besonders dazu eignen, und denen es an Mitteln zur ersten Einrichtung fehlt. § 4. Die Gesellschaft wird ferner durch Prämien und durch Aufmunterungen aller Art, sobald es nöthig und zweckmäßig befunden wird, den Gewerb-Fleiß im Allgemeinen unter den Juden zu befördern suchen. § 5. Bei den jungen Leuten, deren die Gesellschaft sich annimmt, um sie in die Lehre zu bringen, ist zu beobachten: 1.) sie dürfen nicht unter 12, und nicht über 20 Jahr alt seyn, und müssen die Einwilligung ihrer Eltern oder Vormünder schriftlich beibringen; 2.) sie müssen mit glaubwürdigen Zeugnissen über ihr rechtliches und sittliches Betragen hinlänglich versehen seyn; und 3.) ihrer künftigen Ansetzung in den Königl. Preuß. Staaten muß nach den bestehenden Verfassungen nichts im Wege stehen. § 6. In der Regel kann die Gesellschaft die Sorge für den Lebensunterhalt der Lehrlinge nicht übernehmen; jedoch wird sie bei außerordentlichen Fällen eine Ausnahme von dieser Bestimmung machen. § 7. Die für die Lehrlinge nöthigen Kleidungsstücke, wird die Gesellschaft, wo es erforderlich ist, auf ihre Kosten anfertigen lassen. § 8. Die Lehrlinge sollen sowohl in der Religion, als auch im Lesen, Schreiben, Rechnen und Zeichnen gehörig unterrichtet werden.
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§ 9. Wenn ein Lehrling, welcher für Rechnung der Gesellschaft bei einem Meister untergebracht ist, während seiner Lehrjahre krank wird; so ist die Gesellschaft verpflichtet, ihn in einer öffentlichen Heilanstalt, oder sonst seinem Zustande gemäß, auf ihre Kosten heilen zu lassen. § 10. Die Beförderung des Ackerbaues unter den Juden im Preußischen Staate gehört zwar auch zum eigentlichen Zwecke der Gesellschaft; da jedoch dieser Zweck weit besser durch Filial-Gesellschaften in kleinen Provinzstädten, als durch die Gesellschaft unmittelbar von der Residenz aus erreicht werden kann; so sollen die nöthigen Maßregeln zur Verbreitung des Ackerbaues so lange ausgesetzt bleiben, bis jene Anstalten zur Verbreitung der Handwerke völlig in Thätigkeit sind. § 11. Ein Mitglied der Gesellschaft ist Jeder, der sich zu einem jährlichen Beitrag von wenigstens fünf Thalern auf mindestens zwei Jahre verpflichtet, und er bleibt es solange, als er diesen Beitrag fortsetzet. § 12. Die Gesellschaft ernennt aus ihrer Mitte durch Mehrheit der Stimmen ein Komité von fünf Personen, denen sie die Verwaltung uneingeschränkt überträgt. Jährlich treten zwei Mitglieder des Komités durchs Loos aus, und werden durch neugewählte ersetzet. § 13. Das Komité vertheilt unter sich nach seiner Uebereinkunft die Kassenführung, die Registratur, die Korrespondenz und die Protokollführung. § 14. Das Komité wählt jährlich eine Inspektion von sieben Mitgliedern, an welche diejenigen sich wenden, die die Wohlthaten der Gesellschaft genießen wollen. Sind es Lehrlinge, so wird die Inspektion sie nach dem Inhalte des § 3 prüfen, und wenn gegen ihre Qualifikation zur Annahme nichts einzuwenden ist, wird sie sich bemühen, gute Meister zu finden, die diese Lehrlinge annehmen wollen; sie werden ferner die erforderlichen Bedingungen mit den Meistern verabreden, die darüber nöthigen Kontracte vollziehen, und von ihrem ganzen Verfahren dem Komité monatlich Berichte abstatten. § 15. Es liegt den Inspectoren ob, eine vollständige Liste über die Lehrlinge zu führen, worin diese pünktlich aufgezeichnet werden mit Namen, Alter, Geburtsort und Wohnung, mit Benennung der Handwerke, denen sie sich gewidmet haben, des Tages, an welchem 909
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sie in die Lehre gegeben worden, der bestimmten Lehrjahre, und der für sie bewilligten Prämie, sowie die Namen und Wohnung der Meister, bei denen sie in die Lehre gegeben worden sind. Auch sind sie verbunden, stets mit Aufmerksamkeit darauf zu wachen, ob die Lehrlinge sowohl, als die Meister, mit welchen die Gesellschaft kontrahirt hat, ihrer Schuldigkeit nachkommen; und alle Vierteljahre legen sie dem Komité eine Conduiten-Liste der Lehrlinge vor. § 16. Die gewählten Inspektoren haben bei allen Berathschlagungen des Komité Sitz und Stimme, und können von demselben jährlich von neuem bestätigt werden, ohne daß einer von ihnen auszuscheiden nöthig hat. § 17. Von den fünf Gliedern des Komité ist Einer abwechselnd nach der Anciennität Vorsteher. Dieser beruft das Komité zu einer Sitzung, wenn er solche nöthig findet, und wenn bei einem zu fassenden Beschluß die Stimmen gleich getheilt sind; so giebt seine Stimme den Ausschlag. Jedoch kann in keiner Sitzung etwas beschlossen werden, wenn nicht wenigstens drei Mitglieder des Komité und fünf der Inspektion anwesend sind. § 18. Der Komité beruft jährlich im Monat Juli die Gesellschaft zu einer General-Versammlung, in welcher er Rechenschaft von seiner Verwaltung gibt, und der Gesellschaft die Bilanz vorlegt. In dieser Versammlung wählt die Gesellschaft die zwei neuen Glieder des Komité fürs nächste Jahr, und zwar nur aus den anwesenden Gliedern, damit die gewählten sogleich gefragt werden können, ob sie das Amt übernehmen wollen. § 19. Alles, was das Komité namens der Gesellschaft thut, besonders das Ausstellen von Anweisungen, wodurch der Kassier ermächtigt werden soll, Geld für die Gesellschaft zu bezahlen, muß in einer Sitzung des Komité mit Zuziehung der Inspektion durch Mehrheit der Stimmen beschlossen werden. § 20. Wenn die Gesellschaft mehr Fonds hat, als ihre laufenden Aufgaben erfordern: so kann das Komité nach Gutbefinden das überflüssige Geld auf die ihm am sichersten und annehmbarsten dünkende Weise zinsbar unterbringen, ohne verantwortlich dafür zu seyn. § 21. Die Gesellschaft besoldet einen Boten, dieser steht unmittelbar unter dem Komité, welches sowohl dessen Pflichten und Dienstleistungen, als sein jährliches Gehalt zu bestimmen hat. 910
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§ 22. Neue Gesetze zu machen, oder schon bestehende aufzuheben, bleibt ausschließend ein Vorrecht der Gesellschaft; jedoch mit Vorbehalt der von derselben nachzusuchenden obrigkeitlichen Genehmigung. Zu dem Ende werden die Gesetze in einer jeden General-Versammlung der Gesellschaft vorgelesen, und die nöthigen Abänderungen oder Zusätze durch ihre Stimmen-Mehrheit bestimmt und festgesetzt. § 23. Wenn ein Mitglied der Gesellschaft Vorschläge zur Verbesserung der innern Einrichtung machen will, so kann es solche an das Komité schriftlich einreichen. Dieses ist verbunden, die in Vorschlag gebrachten Verbesserungen genau zu prüfen, und wenn es solche zweckmäßig findet, sie in der nächsten General-Versammlung der Gesellschaft zur Entscheidung vorzulegen. § 24. Alle Mitglieder der Gesellschaft sind verbunden, die Gesetze zu unterzeichnen. Daß die Gesellschaft zur Beförderung der Industrie bei den jüdischen Einwohnern in den Königlich Preußischen Staaten, nach vorstehenden Gesetzen, mit Genehmigung der Departements im Königl. hohen Ministerio des Innern für die Gewerbe und den Handel und für die allgemeine Polizei, bestehet, wird derselben hierdurch auf den Grund der Verfügung beider hoher Departements vom 20. Septbr. 1812 in beglaubigter Form bescheiniget. Urkundlich ausgefertigt und gegeben Berlin den 29. Januar 1813. (L. S.) Königl. Staats-Rath und Polizei-Präsident von Berlin Le Coq
Anweisungen für die Inspektion der Gesellschaft zur Beförder ung der Industr ie. §. 1. Der Wirkungskreis der Inspektion umfaßt alles, was auf den Hauptzweck der Gesellschaft unmittelbar Bezug hat; nemlich: 1) die Prüfung der Kandidaten, welche sich zur Annahme melden, 2) die Unterbringung derselben bei guten und tüchtigen Meistern, 3) die Unterstützung der Lehrlinge während der Lehrjahre in Rücksicht ihrer Bedürfnisse, die sie nicht vom Meister erhalten, 4) die Aufsicht über die Fortschritte und über das gute sittliche Betragen der Lehrlinge, 5) die Beförderung derselben zu Gesellen, und endlich 6) die Unterstützung der Gesellen, welche sich hier als Meister ansetzen wollen. 911
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§. 2. Die Inspektion besteht gegenwärtig aus sieben Mitgliedern, einem Sekretär, einem Kassierer, einem Assessor und vier Inspektoren. §. 3. Der Sekretär führt die nöthigen Protokolle in den Konferenzen der Inspektion. Ferner führt er folgende Bücher nach vorgeschriebener Ordnung: 1) ein Tagebuch, worin täglich alle mit seinem Amte in Beziehung stehenden Gegenstände und Vorfälle gehörig eingetragen werden; 2) ein Hauptbuch, worin ein jeder Lehrling, der von der Gesellschaft bereits untergebracht ist, auf ein für ihn allein eingerichtetes Blatt namentlich aufgeführt wird. Auf der ersten Seite dieses Blattes muß eine ausführliche Nachweisung von allem, was diesen Lehrling betrifft, bemerkt werden; die andere Seite enthält die vollständige Berechnung aller Kosten, welche er der Gesellschaft verursacht hat. Diesem Hauptbuche wird ein Namenverzeichnis in alphabetischer Ordnung angehängt; und 3) ein Tabellenbuch, welches eine Abschrift der vierteljährlich anzufertigenden, tabellarischen Liste aller Lehrlinge enthält. Auch fertigt der Sekretär die nöthigen schriftlichen Aufsätze und Cirkulare zu den Konferenzen der Inspektion an; ferner die ad. 3. erwähnte Liste, die er dem Komité überreicht. §. 4. Der Kassier führt das Ausgabe-Buch. Er empfängt auf seine Anweisung die nöthigen Gelder vom Kassier des Komité, und bezahlt alle von den Inspektoren nach §. 11. ausgestellten und vom Empfänger quittirten Anweisungen, die ihm bei Ablegung seiner Rechnung als Beläge dienen. §. 5. Der Assessor hat die Obliegenheiten, alle erforderliche Kontrakte, nach einer rechtskräftigen Form anzufertigen. Zu dem Ende giebt jeder Inspektor, welcher mit einem Meister kontrahiren will, dem Assessor von allen verabredeten Bedingungen genaue Auskunft, damit er die Kontrakte darnach einrichten kann, die von ihm und dem betreffenden Inspektor gemeinschaftlich vollzogen werden. §. 6. Die vier Inspektoren besorgen die Unterbringung der Lehrburschen bei guten Meistern, behalten sie bis nach vollendeter Lehrzeit unter ihrer Aufsicht, und sorgen für alles, was dieselben unmittelbar betrifft. §. 7. Ein jeder Inspektor übernimmt eine bestimmte Anzahl Lehrlinge, welche durch ihn in die Lehre gebracht werden, und die ausschließend unter seiner Aufsicht stehen; er führt 912
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dazu ein besonderes Buch, worin die Namen der ihm anvertrauten Lehrlinge mit allem, was auf sie und ihre Aufführung Bezug hat, eingeschrieben werden. §. 8. Jeder Inspektor wacht sowohl über den Fleiß und über das sittliche Betragen der unter seiner Aufsicht stehenden Lehrlinge, als auch darüber, daß dieselben dem für sie bestimmten Elementar-Unterricht pünktlich beiwohnen und ihn gehörig benutzen. Auch hat er darauf zu sehen, daß die Meister ihre im Kontrakt bestimmten Pflichten ganz erfüllen. §. 9. Er muß für die Anschaffung der nöthigen Kleidungsstücke, Betten, oder sonstigen Bedürfnisse der Lehrlinge, in so fern die Gesellschaft solche übernimmt, Sorge tragen. §. 10. Erkrankt ein Lehrling, so versieht ihn der Inspektor, im Fall die Krankheit nicht von Bedeutung ist, lediglich mit der ärztlichen Hilfe, und mit der erforderlichen Arzenei. Ist die Krankheit aber von Bedeutung, so bringt er den Lehrling in eine öffentliche Heilanstalt, wo er bis zu seiner Genesung für Rechnung der Gesellschaft gehörig verpflegt wird. §. 11. Von allen Ausgaben, welche die Inspektoren für Rechnung der Gesellschaft zu bestreiten haben, weisen sie die dazu erforderlichen Gelder auf den Kassier der Inspektion schriftlich an. In dieser Anweisung muß der Gegenstand der Ausgabe, der Name dessen, für den sie gemacht worden, und die Bescheinigung der richtigen Ablieferung des Gegenstandes gehörig bemerkt stehen. §. 12. Ein jeder Inspektor überreicht monatlich eine Konduiten-Liste von den unter seiner Aufsicht stehenden Lehrlingen beim Sekretär, damit dieser die vierteljährlichen Hauptlisten darnach anfertigen kann. §. 13. In den Verrichtungen der Inspektoren darf sich Niemand mischen, indem solche gänzlich ihrer Einsicht überlassen bleiben. Jedoch steht es dem Vorsteher der Gesellschaft frei, sich nach den Lehrlingen umzusehen, und sich sowohl nach ihrem Verhalten und ihren Fortschritten, als auch nach ihren anderweitigen Verhältnissen zu erkundigen; nur darf er keine Abänderung in den Anordnungen der Inspektoren treffen, sondern wenn er irgend eine andere Einrichtung nothwendig findet, hält er mit dem betreffenden Inspektor Rücksprache und, im Fall er sich mit demselben nicht einigen kann, wird der Gegenstand dem Komité zur Entscheidung vorgelegt. 913
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§. 14. Wenn ein Inspektor durch Krankheit, oder dringende Geschäfte verhindert wird, seinem Amte vorzustehen, so ist er verbunden, solches dem Assessor der Inspektion anzuzeigen, und dieser wird sich bemühen, die Lehrlinge, welche diesem Inspektor anvertraut waren, unter die übrigen Inspektoren auf eine zweckmäßige Weise zu vertheilen. §. 15. Wer eine Unterstützung von der Gesellschaft genießen will, muß sich beim Sekretär der Inspektion melden: Verlangt nun jemand ein Handwerk zu erlernen, oder sich dem Landbau zu widmen, so prüft ihn der Sekretär, ob er den Vorschriften der Gesetze nach §. 3 vollkommen entspricht; ist dieses der Fall, so notirt er ihn als Kandidat mit Namen und Wohnort in sein Tagebuch, bemerkt dabei das Gewerbe, welchem er sich widmen will, die Mittel, die er zu seinem Unterhalt besitzt, und überhaupt sein ganzes Verhältniß, insofern es auf seine Annahme von der Gesellschaft Bezug hat, und berichtet darüber in der nächsten Sitzung der Inspektion. Sucht hingegen ein Geselle Unterstützung zu seinem Etablissement als Meister, so notirt der Sekretär dessen Name, Wohnort und Zeugnisse in sein Tagebuch, und berichtet solches dem Vorsteher der Gesellschaft, welcher deshalb eine Sitzung des Komité mit Zuziehung der Inspektion zur Berathschlagung und Entscheidung über diesen Gegenstand veranstalten wird. §. 16. Wenigstens einmal in jedem Monate versammelt sich die Inspektion, um sich über die Angelegenheiten der Gesellschaft zu besprechen und zu bestimmen, welche von den bereits notirten Kandidaten in die Lehre gebracht werden können, welche Prämien für sie bezahlt werden sollen, und welcher Inspektor sie unterzubringen und unter Aufsicht zu nehmen hat. Diese Bestimmungen darf kein Inspektor ohne Genehmigung der ganzen Inspektion abändern. §. 17. Die Inspektion darf nur so viel Lehrlinge unterbringen, als ihr vom Komité nach Maasgabe der Kräfte der Gesellschaft aufgegeben sind. Sind mehr Kandidaten von gleichen Eigenschaften vorhanden als das Komité zur Annahme bestimmt hat: so haben diejenigen den Vorzug, welche in den Preußischen Staaten geboren sind. §. 18. Die Inspektion kann nur dann einen gültigen Beschluß in ihren Sitzungen fassen, wenn wenigstens fünf Mitglieder gegenwärtig sind. Namen und Wohnungen der Mitglieder des zeitigen Komité. Samuel Bernsdorf, Burgstraße No. 9. Liebermann Schlesinger, Spandauerstraße No. 17. 914
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Bendemann senior, Klosterstraße No. 2. J. Mendelssohn, Unter den Linden No. 22. Zacharias Friebe, Spandauerstraße 81. Namen und Wohnungen der Mitglieder der zeitigen Inspektion. S[amuel] Rintel, Sekretär, Brüderstraße No. 8. H. Jacoby, Kassier, Spandauerstraße No. 61. A. Friedländer, Assessor, hinter dem neuen Packhof No. 4. J. Alevin, Spandauerstraße No. 16, besorgt einstweilen die Geschäfte des Kassiers. H. Lasser, Neue Friedrichstraße No. 21. R. Helfft, Inspektor, Neue Friedrichstraße No. 38. Quelle: Marcus Adler: Chronik der Gesellschaft zur Verbreitung der Handwerke und des Ackerbaues unter den Juden im Preußischen Staate, gegründet 1812, für die Jahre 1812–1898. Berlin 1899, S. 31–40.
Brüderverein Statuten, 1815 Statuten / des / Brüder-Vereins // Erster Abschnitt. Von dem wesentlichen des Vereins. Zweck u. Name desselben. §. 1. Die innigste Annäherung, die herzlichste Theilnahme u. ein brüderliches Interesse unter seinen Mitgliedern zu bewirken, ist der Hauptzweck des Vereins. Aus diesem Grunde nennt er sich Br üder-Verein u. macht sich nächstdem zur Pflicht: §. 2. Den ohne eigene Schuld unthätig oder nahrungslos gewordenen Mitgliedern, so wohl durch Geldunterstützungen zur Wiederbelebung ihrer Thätigkeit als durch Empfehlungen u. Fürsprache, so wie dem Kranken durch Theilnahme u. Fürsorge jeder Art, aus allen Kräften zu Hülfe zu kommen. §. 3. Der Wirkungskreis des Vereins erstreckt sich auf alle seine Mitglieder, so sie die eingegangenen Pflichten gegen ihn sowohl, als auch gegen ihre Nebenmitglieder treulich erfüllen; sie mögen übrigens in Berlin oder außerhalb geboren sein; jedoch müssen sie sich in Berlin aufhalten. Anmerk. 1. Der Verein bindet sich an keine Anzahl von Mitgliedern, u. stehet jedem gut renomirten Jünglinge nach zurückgelegtem achtzehnten Jahre, wenn er ei-
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nen bestimmten Nahrungszweig ergriffen, oder ein Sohn wohlbemittelter Eltern ist, der Eingang in denselben offen. Anmerk. 2. Um aller Rangstreitigkeit zwischen den Mitgliedern vorzubeugen, wird jedes Mitglied sich eine Nummer ziehen, nach welcher dasselbe in den Versammlungen aufgerufen, u. seinen Platz einnehmen wird. Die Reihe der Nummern wird mit jedem Eintretenden fortgesezt, // so wie die durch Abgang erledigten durch neue Mitglieder ersezt werden. Mittel des Vereins. §. 4. Der Verein bedient sich folgender Mittel um seine sich vorgesezten Zwecke zu erreichen: a) Gesetze, die durch die gutwillige Annahme sämtlicher Mitglieder sanctionirt worden, u. denen gemäß zu handeln jedes Mitglied mit dem Eintritt in den Verein sich verbindet. b) Einer gemeinschaftlichen Kasse zu welcher sämmtliche Mitglieder monatlich ein Bestimtes beitragen. c) Der Interessen der ausgethanen Gelder. §. 5. Ein jedes Mitglied zahlt bei seinem Eintritt in den Verein sechs Thaler Courant zum Fond u. monatlich einen Beitrag von acht Groschen. Anmerk. Wenn ein Mitglied bei seinem Eintritt ein hundert Thaler zum Fond des Vereins zahlet, so ist dasselbe dadurch ein perpetuelles Mitglied u. von den ordinairen Beiträgen für immer befreiet. §. 6. Sind die Umstände von der Art, daß nach der Einsicht der Vorsteher, die gewöhnliche jährliche Einnahme zur Bestreitung der Bedürfnisse des Vereins nicht ausreicht; so haben dieselben eine General-Versammlung zu veranstalten, u. die Mitglieder mit dem was bereits geschehen, dem Kassenbestand u. mit den Bedürfnissen des Vereins bekannt zu machen, u. auf eine extraordinaire Beisteuer anzutragen. Wird dieser Antrag von der Mehrheit gebilligt u. angenommen, so kann sich kein Mitglied von demselben lossagen; u. ist der größte Beitrag alsdann, den die Vorsteher von einem Mitgliede fordern können, // ohne jedoch der Wohlthätigkeit hiermit Grenzen setzen zu wollen, ein Thaler Courant. Ein solcher Antrag darf aber jährlich nur einmal Statt finden. Von der Verwaltung u. der Direktion. §. 7. Zur Aufrechthaltung der Gesetze des Vereins erwählt derselbe aus seiner Mitte einen Ausschuß, dem er die Besorgung der gewöhnlichen Geschäfte, u. die Aufsicht über die Ausübung der Gesetze u. Statuten überträgt. Der Ausschuß fungirt unter dem Namen Vorsteher des Brüder-Vereins u. bestehet aus folgenden Mitgliedern nämlich aus einem Direktor ” Pflegevater ” Kassierer 916
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” Controlleur und Revidenten ” Sekretair u. zwei Assessoren Die Funktionen derselben werden unten näher angegeben werden. Anmerk. 1. Zum Behufe seiner Amtsführung wird diesem Ausschuße ein besoldeter Bote untergeordnet. Anmerk. 2. Alle Vorsteher haben in den Sitzungen gleiche Rechte u. Stimmen; und die Mehrheit entscheidet. In dem Falle aber, wenn die versammelten Mitglieder von grader Zahl sind, hat der Direktor, um den Ausschlag geben zu können zwei Stimmen. Genießt jedoch einer der Vorsteher eine Unterstützung, ist derselbe über Geldangelegenheiten nicht stimmfähig. Von den Versammlungen. §. 8. Die Vorsteher werden monatlich eine Session halten, u. außer dem, mit Zuziehung von noch vier Mitgliedern, so oft die Umstände es erfordern. // §. 9. Der ganze Verein wird sich wenigstens jährlich einmal versammeln. Die nähern Bestimmungen der Versammlungen weiter unten. Pflichten der Mitglieder gegen den Verein. §. 10. Ein jedes Mitglied ist verpflichtet alles beizutragen wodurch das Beste des Vereins befördert, so wie §. 11. Alles das zu vermeiden, wodurch so wohl der moralische als finanzielle Zustand des Vereins gefährdet werden könnte. Der Verein fordert demnach von jedem Mitgliede §. 12. Daß es sich bei dem Eintritt mit den Gesetzen u. den Statuten desselben genau bekant mache, um dadurch im Stande zusein ihnen gemäß zu handeln. Anmerk. Zu diesem Behuf wird immer bei den Vorstehern eine Anzahl gedruckter Exemplare dieser Statuten vorräthig sein, wovon jedem Eintretenden ein Exemplar für ein geringes Honorarium überlaßen werden soll. §. 13. Ferner, daß jedes Mitglied, die durch den Eintritt übernommenen Verbindlichkeiten pünktlich erfülle, u. daß ihm überhaupt die Ehre des Vereins als seine eigene am Herzen liege. §. 14. Jedes Mitglied verpflichtet sich seine Beiträge prompt u. immer ein viertel Jahr pränumerando zu bezahlen, auch niemals mit denselben länger als drei Monate rükständig zu bleiben. Es muß daher wenn es verreist dafür sorgen, daß seine Beiträge durch einen andern, den er dem Kassierer anzeigt, berichtigt werden. Wer die Zahlung seiner Beiträge sechs Monate verabsäumt, u. keine trüftige Gründe dieser Versäumniß angeben kann, auch die glimpflichen Ermahnungen des Kassierers unberüksichtigt läßt, erklärt hiermit stillschweigend, daß er aus dem Verein // tritt, u. ist das (im II. Abschn. §. 17.) festgesezte gegen ihn anwendbar. §. 15. Jedes Mitglied verpflichtet sich ferner die Krankenbesuche, so oft es dazu vom Patienten selbst, oder vom Pflegevater aufgefordert, so wie die Leichenbegängniße, zu 917
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denen er von dem Direktor eingeladen wird, nicht zu versäumen; u. soll jede Vernachläßigung dieser Art, wenn sie nicht durch hinreichende Gründe entschuldigt werden kann, als ein Vergehen gegen die Humanität mit der (im II. Abschn. §. 17.) festgesezten Buße belegt werden. §. 16. Ferner keine General- oder andere Versammlungen zu welcher dasselbe von dem Direktor nach festgesezter Form und Bestimmung eingeladen wird, zu versäumen, Krankheit u. Abwesenheit allein entschuldigen. §. 17. Mit dem Eintritt in den Verein verpflichtet sich jedes Mitglied ganze drei Jahre vom Tage der Aufnahme an in demselben zu verbleiben, u. haben alle Verbindlichkeiten diese drei Jahre hindurch volle Kraft. Vier Wochen vor Ablauf dieser Zeit muß, wenn ein Mitglied den Verein verlassen will, die Kündigung schriftlich geschehen, u. derselben jeder rückständige Beitrag wie auch das Diplom beigefügt werden. Versäumt es diese Kündigung, so hat es sich stillschweigend wiederum auf drei Jahre verbunden. §. 18. Endlich verpflichtet sich jedes Mitglied, die vom Verein genossenen Unterstützungen, sowohl die ihm vorschußweise in seiner Krankheit, als auch die ihm als einem Dürftigen gereicht // worden sind, so bald seine Umstände es gestatten, dem Verein zurück zuzahlen. Anmerk. Unter Unterstützungen werden hier jedoch nur solche verstanden, die entweder einem bemittelten Kranken auf sein Verlangen vorschußweise, oder solche, die einem Mitgliede zur Fortsetzung seines Geschäfts gereicht worden sind. Keinesweges aber hat der Verein das Recht die einem Mitgliede wegen gänzlichen Unvermögens, in seiner Krankheit oder wegen verlohrner Erwerbsfähigkeit wöchentlich angediehenen Unterstützungen je, selbst bei notorisch verbesserten Umständen desselben zurück zufordern. Es wird dieses lediglich der Gewissenhaftigkeit eines in diesem Falle sich befindenden Mitgliedes überlassen, sich deshalb mit dem Verein abzufinden. §. 19. Um den Statuten größere Kraft zu geben, so wird ein Exemplar derselben bei den Vorstehern liegen, welchem ein Schein folgendes Inhalts, angehängt ist. Ich Endesunterschriebener bescheinige hiermit, daß ich die vorstehenden Gesetze u. Statuten genau durchgelesen u. geprüft. Ich verpflichte mich auf Ehre und Gewissen diesen von mir freiwillig übernommenen Pflichten, so lange ich zum Verein gehöre, treulich nachzukommen, so wie ich allen, kraft dieser Gesetze u. Statuten von Seiten des Vereins an mich zu machenden Geldforderungen das Wechselrecht zu erkenne. // Dieser Schein wird von jedem Mitgliede eigenhändig oder von seinem Bevollmächtigten unterschrieben. Pflichten der Mitglieder gegen einander. §. 20. Mit dem Eintritt in den Verein tritt jedes Mitglied mit allen seinen Nebenmitgliedern in ein engeres Verhältniß; diesem gemäß zu handeln wird von ihm gefordert, so wie es eine diesem Verhältniße gemäße Behandlung von jedem Nebenmitgliede zu erwarten berechtigt ist. 918
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§. 21. Die erste Pflicht eines jeden Mitgliedes ist also, sich für das Wohl seiner Nebenmitglieder aufs Beste zu interessiren, u. seine Theilnahme an der Ehre, dem Ruf u. dem bessern Fortkommen desselben, aus allen Kräften zu bethätigen. Hieraus entspringen die Verpflichtungen, daß §. 22. Wenn ein konditionirendes Mitglied seine Stelle ohne eigenes Verschulden verliert, ein jedes seiner Nebenmitglieder verbunden sei, ihm so viel in seiner Kraft stehet, durch Empfehlung u. Fürsprache zur Erlangung einer andern Stelle, so wie jedem ohne Verschulden nahrungslos gewordenen Mitgliede zur Erlangung eines neuen Erwerbszweiges behülflich zu werden. Ferner §. 23. Wenn ein Mitglied durch Krankheit oder einen sonstigen widerwärtigen Zufall in der Fortsetzung seines Geschäfts gehindert wird, demselben durch die gutwillige unentgeltliche Übernahme u. der gewissenhaften Betreibung seines Geschäfts, so wie durch die Fürsorge zur // Sicherstellung seiner Handlungsbücher u. wichtigen Scripturen, brüderlichen Beistand zu leisten. Anmerk. 1. Es hängt von jedem in dieser Lage sich befindenden Mitgliede ab, sich einen oder mehrere solcher Prokuratoren selber zu wählen u. sie den Vorstehern anzuzeigen, oder sich solche von denselben vorschlagen zu laßen. In einem wie in dem andern Falle aber muß ganz vorzüglich darauf gesehen werden, daß die Gewählten durch die Ausübung dieser Pflicht in der Betreibung ihrer eigenen Geschäfte nicht zu sehr gestört werden. Anmerk. 2. Dieses Gesetz verpflichtet nur in Betreff der eigenen Geschäfte der Mitglieder; keinesweges aber soll dieses auf die Dienstgeschäfte derselben extendirt werden können. Pflichten des Vereins gegen seine Mitglieder. §. 24. Der Verein verpflichtet sich für alle Mitglieder, die den Statuten gemäß handeln, ein stets reges Interesse zu haben, für ihr moralisches u. physisches Wohl die bestmöglichste Sorge zu pflegen, u. ihnen nöthigenfalls, nach den ihm zu Gebote stehenden Mitteln, Geldunterstützungen angedeihen zu laßen. §. 25. Ferner verpflichtet sich derselbe ein stets wachsames Auge auf die Sitten seiner Mitglieder zu haben, es sich angelegen sein zu laßen, die Reinheit derselben unter ihnen zu erhalten, u. ihre Veredelung bestmöglichst zu befördern. // Ein Mitglied, das nach einem öffentlichen Erkenntniße menschliche u. bürgerliche Pflichten verlezt hat, verwirkt dadurch sein Recht bei dem Verein, u. muß sofort ausgestoßen werden. §. 26. Die Unterstützungen des Vereins sind von dreierlei Art a) Unterstützung der Verarmten der Erwerbsunfähigen b) ” c) Verpflegung der Kranken.
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Unterstützung der Verarmten. §. 27. Wenn ein eigenes geschäfttreibendes Mitglied ohne Verschulden dergestallt verarmt, daß ihm die Mittel mangeln sein Geschäft fortzusetzen, so kann dasselbe auf eine Unterstützung zur Wiederherstellung seines Gewerbes, antragen, u. welche ihm nach genauer Untersuchung der Umstände u. nach den unten noch näher anzugebenden Bestimmungen gereicht werden kann. §. 28. Kann dem Verarmten mit einer Summe von fünfzig Thalern oder weniger geholfen werden, so sind die jedesmaligen Vorsteher autorisirt nach ihrem Gutbefinden ihm eine solche Summe auf die Kasse des Vereins anzuweisen. §. 29. Finden aber die Vorsteher diese Summe zu dem beabsichtigten Zweck nicht hinlänglich, so haben dieselbe noch vier Mitglieder zuzuziehen u. ihnen das Gesuch vorzulegen. Dieser größere Ausschuß hat alsdann das Recht zu entscheiden, ob diese Unterstützung erhöht werden könne. Jedoch darf solche niemals über hundert Thaler betragen. Anmerk. Das Mitglied, welches eine solche Unterstützung genießt ist das erste Jahr von allen Beiträgen frei. // Wenn dasselbe nach Verlauf dieses Jahres seine Beiträge wiederzahlt, so kann es nach einer erhaltenen Unterstützung von fünfzig Thalern, nach drei Jahren, u. nach einer Unterstützung von hundert Thalern, nach sechs Jahren, wiederum auf eine Unterstützung als Verarmter Anspruch machen. Bleibt aber dasselbe nach Verlauf des ersten Jahres drei Monate mit seinen Beiträgen rückständig, so wird es ausgeschloßen. Unterstützung der Erwerbsunfähigen. §. 30. Wird ein Mitglied durch physische Übel so unthätig, daß es zu jedem Geschäfte unfähig wird, u. auf Unterstützung Anspruch macht, so kann ihm, wenn die Umstände nach genauer Untersuchung wahr befunden werden, ein Stipendium bis einem Thaler u. zwölf Groschen Courant wöchentlich gereicht werden. Dieses Stipendium genießt es bis zur jährlichen General-Versammlung, bei welcher alsdann die neu gewählten Vorsteher über die Fortsetzung dieser Unterstützung bestimmen, aber auch nur auf ein Jahr, als für die Dauer ihrer Aemter. Ein gleiches Recht haben die ihnen folgenden Vorsteher. Jedes halbe Jahr muß der Zustand des Dürftigen von den Vorstehern untersucht werden, ob nicht die Unterstützung entbehrlich geworden. Anmerk. 1. So lange ein Erwerbsunfähiger diese Unterstützung genießt, ist er von jedem Beitrage befreiet. Anmerk. 2. Die Nachsuchungen dieser u. der vorhergenannten // Unterstützung müssen von den Bewerbern schriftlich geschehen. Der Direktor, an den die Eingabe geschiehet, muß wenn die Umstände bis zur monatlichen Session keinen Aufschub gestatten, sogleich eine Versammlung sämmtlicher Vorsteher veranstalten.
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Verpflegung der Kranken. §. 31. Der Verein ist verbunden jedem Mitgliede, das in eine Krankheit verfällt, alle mögliche Unterstützungen angedeihen zu laßen zu denen er Mittel in Händen hat. §. 32. Sobald die Vorsteher von der Krankheit eines Mitgliedes Nachricht haben, so verfügt sich der Pflegevater zu dem Patienten u. untersucht dessen Umstände. Ist das Mitglied dürftig, so wird ihm alles was zu seiner Herstellung erforderlich ist, als: ein Arzt, Arzeneimittel, Krankenwärter, Nahrung aller Art, selbst Wohnung nöthigenfalls vom Verein hergegeben, u. für die Sicherstellung der Geschäftsbücher, Papiere u. Effekten des Patienten, wenn er es verlangt oder wenn er sich in einem Zustande der Bewußtlosigkeit befindet, Sorge getragen. Auch muß die (in §. 20.) enthaltenen Verpflichtungen in Ausübung gebracht werden. Anmerk. Finden es die Vorsteher rathsam, so kann ein Kranker, dem es an Local, oder zu Hause an Pflege fehlt, in das Lazareth der Gemeinde untergebracht, u. soll wegen Erstattung der Unkosten mit den Herrn Vorstehern des Lazarets eine Übereinkunft getroffen // werden. Der Patient muß in diesem Falle eine Stube besonders, so wie außer der im Lazarethe genießende Pflege alle mögliche u. zuträgliche Unterstützung, Stärkung u. Labsale von Seiten des Vereins bekommen; und überhaupt unter Mitaufsicht der Vorsteher sein. §. 33. Wenn die Krankheit länger als drei Wochen dauert, so erklärt der Arzt, ob sie zu den akuten oder chronischen gehöre. Im ersten Falle muß mit der Verpflegung fortgefahren werden; im andern Falle aber kann der Verein den Patienten nur gleich jedem andern außer Thätigkeit gekommenen Mitgliede, eine Unterstützung bis zu einem Thaler u. zwölf Groschen wöchentlich zukommen laßen. Anmerk. 1. Ist der Patient in einer Brodstelle, so müßen die Vorsteher vorher versuchen wie weit sie den Brodherrn bewegen können dessen Verpflegung zu übernehmen u. dann das noch nöthige aus der Kasse des Vereins zu zufügen. Anmerk. 2. Trifft der Fall, daß ein solches Mitglied auch ein Mitglied einer andern wohlthätigen Gesellschaft ist, bei welcher es ebenfalls auf Verpflegung Anspruch machen kann, so liegt es den Vorstehern ob, sich hierüber mit den Vorstehern jener Gesellschaft zu verständigen u. die Verpflegung gemeinschaftlich zu übernehmen. // §. 34. Auch bemittelte Mitglieder können in einem Krankheitsvorfalle auf Vorschuß oder Kostenauslage vom Verein, Anspruch machen. Diese Auslagen müssen aber, so bald die Gesundheits umstände des Unterstüzten es erlauben dem Verein gegen die Belege u. Quittungen der Vorsteher zurückgezahlt werden. §. 35. Eine Hauptpflicht des Vereins ist den Patienten nie ohne Aufsicht zu laßen. Findet also der Pflegevater die Krankheit einiger Maaßen bedenklich, so läßt er zwei Mitglieder zum Krankenbesuch bescheiden, u. diese werden alle zwei Stunden von zwei andern abgelöst. Ist die Krankheit ansteckend, oder ist sie von der Art, daß ihr die Besuche nicht ersprießlich sind, so findet dies Gesetz nicht Statt. Hingegen ist bei Reconvalescenten, denen es um Zeitverkürzung zu thun ist, diese Pflicht ganz unerläßlich. Letztere können sich auch die Besuchenden selber wählen. 921
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Anmerk. 1. Es ist von der Humanität der Mitglieder zu erwarten, daß sie diese Pflicht gerne übernehmen u. ausüben werden, da die meisten Mitglieder außerhalb geboren u. der thätigen Theilnahme ihrer Verwandten entzogen sind. Anmerk. 2. Der Pflegevater muß bei der Wahl der Besuchenden besonders darauf Rücksicht nehmen, daß er die in Dienst stehenden Mitglieder zu solchen Stunden bescheide, in welchen sie // am Wenigsten in den Geschäften ihres Principals gestört werden. §. 36. Ein dürftiges Mitglied kann während seiner Krankheit, in welcher es vom Verein verpflegt wird, auf keine andere Unterstützung Anspruch machen. Genießt also der Patient seiner Dürftigkeit wegen schon eine Unterstützung so kann ihm diese während seiner Krankheit nicht ausgezahlt werden. Anmerk. Kein Mitglied kann auf irgend eine Geldunterstützung vom Verein Anspruch machen bevor es nicht drei Jahre zu demselben beigetragen. Die vorhergenannten dreierlei Unterstützungen nehmen demnach für die zeitigen Contribuenten, erst mit dem ersten January 1818. ihren Anfang. Später eintretende Mitglieder zählen die drei Jahre von dem Tage ihrer Aufnahme. §. 37. Bei der ersten General-Versammlung haben sich sämtliche Mitglieder einstimmig erboten, u. als Gesetz festgestellt, daß so oft ein dürftiges Mitglied erkrankt, das noch keine drei Jahre zum Verein beigetragen, u. also noch auf keine Unterstützung an denselben Anspruch machen kann, die Verpflegung desselben aus ihren eigenen Mitteln zu übernehmen, u. bei einem solchen Falle außer ihren monatlichen Beiträgen, noch eine außerordentliche Beisteuer, nach der von Seiten der Vorsteher nach Erforderniß der Umstände, zu veranstaltenden gleichmäßigen Repartition herzugeben. // Anmerk. Es wird daher den jedesmaligen Vorstehern besonders zur Pflicht gemacht bei der Aufnahme neuer Mitglieder genau darauf zu sehen, daß nicht durch die Annahme ganz unbemittelter Subjekte der Verein genöthigt werde die Güte seiner Mitglieder zu oft in Anspruch zu nehmen. §. 38. Gehet ein Mitglied mit Tode ab, so wählt der Direktor mit Zuziehung des Pflegevaters zehn Mitglieder, die sich an die Beerdigungsgesellschaft der hiesigen Gemeinde anschließen, die Leiche bis auf den Begräbnißort begleiten, u. dort so lange verweilen bis die Gruft bedeckt ist, u. bezeigen auf diese Weise ihrem verstorbenen Bruder die lezte Ehre. Anmerk. Außer diesen zehn Mitgliedern müssen bei jeder Leichenbestattung eines Mitgliedes der Direktor oder der Pflegevater zu gegen sein; nur bei dringenden Geschäften können sie sich durch andere Vorsteher vertreten laßen. §. 39. Verläßt ein Mitglied Berlin, berichtigt aber seine Beiträge, so behält dasselbe sein Recht beim Verein und kann so bald es wieder zurückkommt auf alle Unterstützungen, gleich jedem andern hier anwesenden Mitgliede Anspruch machen. Das Beste des Vereins erfordert es, daß vorläufig keine Unterstützungen außerhalb Berlin gereicht werden. //
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Zweiter Abschnitt. Von dem Formellen des Vereins. Von der Aufnahme der Mitglieder. §. 1. Wenn jemand in den Verein einzutreten wünscht, so meldet sich derselbe schriftlich bei dem Direktor, in welchem Schreiben er nächst seinem Wunsche zur Aufnahme auch sein Geschäft u. seine Wohnung angiebt. Der Direktor läßt alsdann bei der nächsten monatlichen Session noch vier Mitglieder des Vereins einladen. Diese eilf Personen stimmen, nach genauer eingeholter Erkundigung über den moralischen Karakter u. die Vermögensumstände des Meldenden, u. entscheiden über die Aufnahme. Die Aufnahme wird dem Mitgliede schriftlich angezeigt, wie auch die Nummer, die es bei dem Verein erhalten u. nachdem dasselbe die Statuten unterschrieben, das Eintrittsgeld u. die monatlichen Beiträge auf ein viertel Jahr pränumerando entrichtet, empfängt es das Diplom. Anmerk. 1. Die Mitglieder dieses größern Ausschußes müssen wenigstens drei Tage vor der Session den Namen des Gemeldeten erfahren, u. zur Sitzung eingeladen werden. Anmerk. 2. Es kann niemand zum Mitgliede aufgenommen werden, wenn er nicht bei diesem größern Ausschuße eine Pluralität von acht Stimmen für sich hat. Anmerk. 3. Der Bothe erhält von jedem Eintretenden zwölf Groschen Courant. // §. 2. Wird dem Gemeldeten die Aufnahme verweigert, so stehet es demselben frei nach drei Monaten, und im Falle einer abermaligen Verweigerung, bei der General-Versammlung sich wiederum vorschlagen zu laßen. Eine öftere Meldung muß unberücksichtigt bleiben. Von der Wahl der Vorsteher. §. 3. Bei der jährlichen General-Versammlung werden die Vorsteher neu gewählt. Die Wahl geschiehet auf folgende Weise: acht Tage vor der Versammlung wird von Seiten der alten Vorsteher jedem Mitgliede durch den Boten ein Zettel überreicht, auf welchem die Amtsbenennungen der Vorsteher stehen zu welchen nun ein jedes die Namen der Mitglieder hinzufügt, von denen es diese Aemter bekleidet zu sehen wünscht. Diese Zettel werden bei dem Eintritt in die Versammlung in einen dazu bestimmten verschloßenen Kasten geworfen; u. nachdem derselbe vom Direktor eröffnet worden, vom Sekretair in Gegenwart aller anwesenden Mitglieder protokollirt. Da aber ein Mitglied viele Stimmen zu verschiedenen Aemtern haben kann, so soll im Protokoll jedesmal genau angegeben werden, wie viele Stimmen ein Mitglied zu jedem Amte hat. Diejenigen sieben Mitglieder, welche die meisten Stimmen für sich haben, bilden die neuen Vorsteher u. die abgehenden vertheilen unter sie mit Zuziehung von noch vier Mitgliedern, die Aemter. // Anmerk. Die neuen Vorsteher verwalten ihre Aemter ein Jahr hindurch, u. können sich nur durch die triftigsten Gründe vor Verlauf dieser Zeit von ihrer Pflicht lossagen. 923
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Anmerk. 2. Die abgehenden Vorsteher können bei jedermaligen Wahl wählen u. auch gewählt werden. §. 4. Nimmt einer der Gewählten sein Amt nicht an, so muß er die Gründe seiner Weigerung angeben; sind diese befriedigend, so wird das ihm an der Stimmenzahl zu nächst folgende Mitglied an seiner Stelle gewählt. §. 5. Ist die Wahl beendigt, so unterschreiben die abgehenden Vorsteher die Stimmenlisten u. diese nebst dem Protokoll über das Geschäft des Tages werden zu den Papieren des Vereins gelegt. Anmerk. Jeder an diesem Tage sonst zu verhandelnde Gegenstand gehet der Wahl voran, so daß immer mit Beendigung derselben, auch das Geschäft des Tages endigt. Vom Fond u. der Verwaltung der Kasse. §. 6. Um dem Verein eine dauerhafte Wirksamkeit zu sichern, muß für einen Fond gesorgt werden u. ist Behufs dessen folgendes bestimmt und festgesezt worden. §. 7. Alle Gelder, die der Kasse des Vereins in den ersten drei Jahren, als bis zum ersten January 1818. zu fließen; die Eintrittsgelder sowohl als die monatlichen Contingente // u. freiwilligen Geschenke, sollen bis auf Abzug der g[e]ringen unentbehrlichen Ausgaben, als: des Bothenlohns, der Druckkosten u. s. w. zum Fond geschlagen werden, u. ist folgender Weise dabei zu verfahren. §. 8. So bald sich in den Händen des Kassierers eine Summe von mehr als hundert u. zehn Thalern befindet, zeigt es derselbe in der nächsten monatlichen Sitzung den andern Vorstehern an. Diese wählen aus ihrer Mitte zwei Glieder, welche alles was über zehn Thaler vorräthig ist bei einem hiesigen sichern u. soliden Handlungshause für Rechnung des Vereins belegen; oder wenn sich für eine solche Summe kein Handlungshaus finden sollte, für diese Pfandbriefe einer Königlichen Provinz anschaffen. Die Wechsel als die Pfandbriefe werden in einen Umschlag gethan, mit dem großen Siegel des Vereins u. den Privatsiegeln aller Vorsteher versiegelt u. bei einem reichen und redlichen Manne, wenn er auch kein Mitglied des Vereins ist, gegen einen Depositenschein deponirt. Auf dem Umschlage wird nächstdem, daß der Inhalt ein Eigenthum des Brüder-Vereins ist, auch bemerkt, daß ein solches Depot nicht anders ausgeliefert werden soll, als bis über den Depositenschein wenigstens von dem Direktor, dem Kassierer, dem Revidenten u. einem der Assessores quittirt worden. // §. 9. Die Interessen dieser Gelder werden in den ersten drei Jahren zum Fond geschlagen; in der Folge aber werden sie vom Kassierer viertel oder halbjährig für den Verbrauch des Vereins zur Kasse gezogen. Anmerk. Mehr als drei hundert Thaler sollen nicht bei einem Handlungshause ausgethan, auch die Papiere über eine größere Summe nicht bei einem Manne deponirt werden. Sind Pfandbriefe für das Geld angeschaft worden, so können sie die Vorsteher, nach ihrem Gutbefinden, auch außer Cours setzen laßen. §. 10. Da die Beiträge der Mitglieder vierteljährig einkaßirt werden, so soll nach Verlauf der ersten drei Jahre zur Bestreitung der Bedürfniße des Vereins, immer wenigstens 924
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ein Bestand von dreißig Thalern in den Händen des Kassierers verbleiben; u. findet die Belegung der Gelder erst dann Statt, wenn der Kassenbestand über hundert u. dreißig Thaler ist. §. 11. Die Eintrittsgelder der vom Jahre 1818. an eintretenden Mitglieder, so wie die besondern Geschenke, wenn nicht der Geber die baldige Verwendung derselben ausdrücklich bestimmt hat, können nicht zum gewöhnlichen Jahresbedarf des Vereins verwendet, sondern müssen in einer besondern Kasse bleiben, u. auf obige Weise zum Fond geschlagen werden. // Führung der Bücher. §. 12. Der Verein bedient sich folgender Bücher a) eines Protokollbuches, in welchem die Verhandlungen in den monatlichen Sitzungen, in den außerordentlichen u. in den General-Versammlungen niedergeschrieben werden. Dieses Buch führt der Sekretair. b) eines Registers vom Direktor geführt, worin jedes Mitglied ein Folio hat, auf welchem dessen Nummer, Geburts- und Auffenthalts-Ort, Gewerbe, Tag der Aufnahme, ob es ein Ammt beim Verein bekleidet, ob es etwa Unterstützung genießt, u. alle mit demselben vorgegangene Veränderungen bemerkt werden. c) eines Registers für den Pflegevater, in welchem derselbe alles, was die Patienten u. Dürftigen betrifft aufnimmt. d) eines Kassebuches für den Kassierer. e) einer Controlle, um die Kasse zu kontrolliren, welche vom Controlleur geführt wird. Funktionen der Vorsteher. §. 13. Die Vorsteher übernehmen mit ihren Aemtern bestimmte Pflichten u. Funktionen von deren gewissenhaften Ausübung, die Ordnung u. die beständige Wirksammkeit [!] des Vereins abhängen. A. Der Direktor. Dieser hat, als die erste Person des Vereins folgende // Pflichten zu erfüllen, u. namentlich darauf zu sehen: a) daß der Verein immer aufrecht gehalten, dessen Bestes möglichst befördert werde, die Geschäfte guten Fortgang haben, u. daß die übrigen Vorsteher ihre Funktionen pünktlich verrichten; ihm werden daher alle eingehende Gesuche übergeben, von ihm erbrochen u. befördert u. worüber er auch Journal führen muß. Überhaupt wird von ihm über alles was den Verein betrift, Rechenschaft gefordert. b) daß die Sessionen u. General-Versammlungen gehöriger Zeit, u. nach dem unten noch näher anzugebenden Bestimmungen u. Formen veranstaltet, u. daß sie mit Anstand u. Thätigkeit den Statuten gemäß gehalten werden. c) daß der Kassenbestand wenigstens vier mal jährlich revidirt, u. daß hierauf nach obiger Bestimmung (II. Abschn. §. 6.) verfahren werde. 925
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d) daß jedem Mitgliede, das sich mit einem Anliegen an ihn wendet ohne unnöthigen Zeitverlust geholfen werde; auch, daß jeder, der sich zur Aufnahme meldet nicht länger als vier Wochen auf die Entscheidung warte. e) Führt er das oben (II. Abschn. §. 12.) genannte Buch, u. bewahrt die wichtigen Dokumente u. die Siegel des Vereins. B. Der Pflegevater. Übernimmt mit seinem Posten folgende Pflichten: // a) Sobald ein Mitglied erkrankt u. er davon benachrichtigt wird, muß er sich zum Patienten begeben, sich nach dessen Umständen genau erkundigen, u. ihn befragen, welche Art von Fürsorge er vom Verein verlangt, u. verfährt in jedem Falle nach den (im I. Abschn. §. 32. u. w.) gegebenen Vorschriften. Ferner b) Besorgt derselbe den Kranken u. Reconvalescenten, nach obiger Vorschrift, die Krankenbesuche, oder übergiebt letztern eine Liste, damit sie sich die Besuchenden selber wählen; schlägt ihnen, nach genommener Rücksprache mit dem Direktor, die Geschäftsprokuratoren vor, sorgt nöthigenfalls, oder wenn es verlangt wird, für die Sicherstellung der Effekten u. Handlungsbücher derselben, siehet darauf, daß der Krankenwärter seine Pflichten erfülle, u. daß dem Kranken überhaupt keine Pflege abgehe, u. besucht ihn täglich. c) Findet der Pflegevater den Kranken dürftig, so berichtet er es dem Direktor, u. läßt sich von ihm eine Ordre an den Kassierer geben um die verlangte Summe in Empfang zu nehmen. Diese Summe darf aber nicht zwanzig Thaler übersteigen; Erfordern die Umstände eine größere Summe, so muß diese zwar, nach obiger Bestimmung, vom Verein hergegeben, doch müssen vorher alle Vorsteher // davon benachrichtigt, u. um ihre Einwilligung befragt werden. d) In diesem Falle besorgt der Pflegevater auch die Bezahlung des Arztes, des Krankenwärters u. aller sonstigen Ausgaben, u. legt in der monatlichen Sitzung, von der Verwendung des Geldes, Rechnung ab. e) Endlich reicht er den Dürftigen die ihnen zugestandenen Unterstützungen, führt das (im II. Abschn. §. 12.) genannte Register, u. besorgt bei einem Sterbefalle, gemeinschaftlich mit dem Direktor, die Wahl der Leichenbegleiter. Anmerk. Alle diese Verpflichtungen finden auch dann Statt, wenn der Patient in das Lazaret untergebracht worden. C. Der Kassierer. a) Dieser fertigt vierteljährig die Quittungen der Contribuenten aus, unterschreibt sie u. läßt sie vom Controlleur stempeln; läßt alsdann von Boten das Geld einkaßiren, u. erstattet in der nächsten Sitzung über den Kassenbestand seinen Bericht. b) Darf er niemanden Geld ohne Ordre auszahlen u. zwar muß solche wenigstens von vier Vorstehern unterschrieben sein; außer dem Pflegevater, dem er eine Summe von zwanzig Thalern, auf Ordre des Direktors allein, auszahlen kann. 926
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c) Ist er verbunden sein Kassebuch stets in bester // Ordnung zu erhalten; so wie dem Direktor immer nach Verlauf von vier Wochen die Namen der etwanigen Restanten anzuzeigen, u. muß für jeden Schaden, den er durch Unordnung, oder durch die Verschweigung eines Restanten, dem Verein zufügt, so wie für jeden sonstigen Kassendefekt, der ihm zur Last gelegt werden kann, mit seinem eigenen Vermögen haften. D. Der Controlleur u. Revident. Er kontrollirt die Kasse, besorgt viermal jährlich die Revision, stempelt die Quittungen u. verfertigt die jährliche Billanz mit Verschweigung der Namen der Unterstüzten. E. Der Sekretair. Führt das Protokoll in den Versammlungen, contrasignirt alle vom Direktor unterschriebenen Dokumente und Diplome, u. besorgt den Druck der Quittungen u. anderer nöthigen Gegenstände. F. Die Assessores. Richten ihre Aufmerksamkeit auf den gehörigen Gang der Geschäfte, sind bei jeder Session zu gegen um ihre Stimmen u. Meinungen zu geben, u. vertreten in Abwesenheit des Pflegevaters, des Controlleurs u. des Sekretairs ihre Stellung. Anmerk. Alle Vorsteher aber haben genau darauf zu // sehen, daß der moralische Zustand u. der gute Ruf des Vereins nicht durch die Aufnahme unwürdiger Subjeckte gefährdet, so wie die Kasse nicht durch unnöthige Ausgaben u. Unterstützungen an solche, die sich nach den Statuten zu keiner Unterstützung qualifiziren, unnützer Weise geschwächt werde. In einem wie in dem andern Falle müssen die Gemeldeten einer strengen Untersuchung unterworfen werden. Der Bothe. §. 14. Diesen er[ne]nnen die Vorsteher; jedoch darf er kein Mitglied des Vereins sein. Die Vorsteher schließen mit ihm, Namens des Vereins, einen Contrakt, in welchem sie ihm seine Instruktion u. die Strafen über die Nichterfüllung derselben angeben. Auch muß er Caution von wenigstens fünfzig Thaler stellen. Von den Versammlungen. §. 15. Der Direktor muß alle Veranstaltungen zu den monatlichen- General- u. außerordentlichen Versammlungen treffen. Er muß die monatlichen Sessionen wenigstens drei, die General-Versammlungen acht Tage vorher ausschreiben, u. dem Boten zur Einladung übergeben. Anmerk. 1. In der Einladung müssen Ort, Tag u. Stunde // der Sitzung angegeben werden.
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Anmerk. 2. Da der Verein vorläufig kein bestimmtes Local hat, so sollen die monatlichen Sitzungen bei einem der Vorsteher gehalten; zu den General-Versammlungen aber, wenn kein geräumiges Zimmer unentgeltlich zu haben ist, ein solches auf Kosten des Vereins gemiethet werden. §. 16. In den monatlichen Sessionen soll über alles, so die Umstände erfordern, als: über die Aufnahme neuer Mitglieder, über die zu entscheidenden Unterstützungen, die Belegung der entbehrlichen Gelder, u. über alles was, ohne gegen die bestehende Gesetze zu streiten, zur Beförderung des Besten des Vereins beitragen kan, genau deliberirt werden. In den General-Versammlungen können die Mitglieder auch neue Gesetze vorschlagen, u. in der jährlichen Versammlung endlich soll die Wahl der neuen Vorsteher Statt finden u. die Billanz der Kasse zur Kenntniß aller Mitglieder gebracht werden. Anmerk. Die jährliche General-Versammlung soll immer an einem Sontage, u. zwar gegen Ende des Monats December, oder wenn um diese Zeit eine Messe einfällt, drei Wochen später Statt finden. Von den Strafen und Belohnungen. §. 17. Wenn der Verein das gerechte Zutrauen zu den humanen u. edeln Gesinnungen seiner Mitglieder hat, daß sie diese und ihr gegenseitiges Interessende [!] bezweckende u. von ihnen freiwillig übernommene Pflichten gerne ausüben werden; so so hält er es doch für nöthig auch für den Übertretungsfall gewiße Strafen, sowie // Belohnungen für die, welche das Beste des Vereins mit besonderm Eifer befördern, festzusetzen. Strafen. a) Wenn ein Mitglied bürgerliche Pflichten verlezt, oder sonst eine ehrenwidrige Handlung begehet; Ingleichen b) Wenn ein Mitglied mit seinen Beiträgen länger als sechs Monate rückständig bleibt, u. keine gegründete Ursache dieser Versäumniß angeben kann, so wird solches vom Verein ausgestoßen. Anmerk. Jedes Mitglied, welches wegen Rückstand ausgeschloßen wird, muß seine Beiträge bis zu Ende seiner drei Jahre an den Verein berichtigen; u. soll im Fall einer Weigerung, kraft des am Ende der Statuten angehängten u. von ihm unterschriebenen Scheins darüber von den Vorstehern gerichtlich belangt werden. c) Wer einen angenommenen Krankenbesuch versäumt, verfällt in eine Strafe von zwölf Groschen; u. wer eine Leichenbegleitung versäumt in eine Strafe von einem Thaler. d) Wenn einer der Vorsteher eine Sitzung versäumt, ohne es vorher seinen Nebenmitgliedern anzuzeigen, auch sonst keinen hinreichenden Grund dieser Versäumniß angeben kann, so verfällt derselbe in eine Strafe von zwei Thalern. Bei der GeneralVersammlung kann nur // Krankheit oder Abwesenheit entschuldigen.
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Belohnung. Um diejenigen Mitglieder zu belohnen, die sich mit ganz vorzüglicher Thätigkeit um den Verein verdient gemacht, sollen die jedesmaligen Vorsteher das Recht haben Ein Mitglied, als Verdientes-Mitglied des Vereins ernennen zu können; u. soll dasselbe außer diesem Ehrentitel besonders zu den größern Ausschüssen zugezogen werden. Außerdem soll der Ausschuß durch Belobungsschreiben u. ehrenvolle Erwähnung in den General-Versammlungen, denjenigen, die sich in Ausübung ihrer Pflichten ausgezeichnet, die Anerkennung ihrer Verdienste zu bezeigen suchen. Anmerk. Die Vorsteher haben niemals das Recht mehr als Ein Verdientes-Mitglied zu ernennen. Im Fall sich noch ein Mitglied dieses Titels würdig gemacht, können sie es den neuen Vorstehern für das kommende Jahr empfehlen. _____________________________________________ [Von anderer Hand:] Vorstehende Statuten zu einer für Hülfsbedürftige und besonders
für Nichteinheimische denen es an Beystand mangeln möchte zu errichtende wohlthätige Gesellschaft unter den Nahmen „Brüder Verein“ ehrt ihre Stifter, und zeugt von ihrem religiösen // und moralische Sinn. Wir geben ihnen auf Ansuchen mit Vergnügen unsere Zustimmung zur Gründung des Vereins und wünschen daß auch eine Hohe Behörde die edle Absicht der Gesellschaft an erkenne, und ihre Ausführung durch eine geneigte Bestätigung befördern zu wollen geruhen möge. Berlin den 1.n Mertz 1815. Die Aeltesten der Judenschaft Veit Gumpert Beer [Vereinssiegel] Quelle: GStA PK, I. HA, Rep. 77 Ministerium des Innern, Tit. 1021 Berlin, Nr. 61, Bl. 3r–18v. – Transkription Uta Motschmann.
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WOHLTÄTIGKEITSVEREINE – VEREINE DER ARMENFÜRSORGE UND STIFTUNGEN ZUR ERZIEHUNG UND AUSBILDUNG
Deutsche Holzverteilungsgesellschaft Statuten, 1847 §. 1. Die im Jahre 1779 von dem am 23sten Januar 1830 verstorbenen Geheimen OberFinanz-Rath Johann Ehrenfried Joachim von Meyerenfeld gestiftete Deutsche Gesellschaft zur Versorgung wahrer Hausarmen mit freier Feuerung in Berlin, nennt sich jetzt: „Deutsche Gesellschaft zur Versorgung verschämter Armen mit freiem Brenn-Material.“ §. 2. Der Zweck jener Gesellschaft ist, soweit ihre Mittel dazu ausreichen, die in Berlin ansässigen, von ihr aufzusuchenden, verschämten Armen mit Feuerungs-Materialien in natura während des Winters auf schonende Weise zu unterstützen. Als verschämte Arme werden diejenigen Personen angesehen, welche nicht zu den gewöhnlichen Almosen-Empfängern gehören, sondern bei augenblicklichem Mangel an hinreichendem Erwerbe, oder bei dem Bezuge einer nach ihren Lebensverhältnissen zu unbeträchtlichen Pension, oder bei Krankheits- und andern Unglücksfällen, während des Winters vorübergehend in Verlegenheit oder Noth gerathen, nach ihrer Gemütsart und Bildung aber sich nicht entschließen können, das allgemeine Mitleid zu beanspruchen. Wenn die der Gesellschaft bekannt gewordenen verschämten Armen mit Brenn-Material versorgt und dann noch Mittel vorhanden sind, können auch in Berlin ansässige Armen, welche nicht zu den vorbezeichneten verschämten Armen gehören, von der Gesellschaft unterstützt werden. In solchem Falle lassen die Vorstands-Mitglieder, welche die Brenn-Materialien vertheilen (§. 10. ad 5.), von den öffentlichen Armen-Kommissionen sich eine, dem noch disponiblen Brenn-Materialien-Quantum entsprechende Anzahl besonders bedürftiger Armen, welche eine for tlaufende Unterstützung aus öffentlichen Armen-Fonds nicht beziehen, vorschlagen, um dieselben mit Brenn-Material und Anfuhrgeld zu unterstützen. Keiner der Empfänger hat eine Bescheinigung über die ihm gewährte Unterstützung auszustellen. 930
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§. 3. Die Mittel zur Erfüllung dieses Zweckes erfolgen: a) aus den Zinsen des durch Schenkungen und Vermächtnisse angesammelten KapitalVermögens der Gesellschaft; b) aus dem von des Königs Majestät Allergnädigst bewilligten etatsmäßigen Zuschuß von jährlich 2180 Rthlr. 20 Sgr., sowie den aus anderen Königlichen Staats-Kassen und von Instituten erfolgenden Zuschüssen; c) aus Legaten, welche zur jährlichen Verwendung bestimmt sind; d) aus den Jährlichen festen Geldbeiträgen und den unbestimmten Gaben menschenfreundlicher Wohlthäter. §. 4. Das Kapital-Vermögen der Gesellschaft soll, nach dem Ermessen des Vorstandes, entweder in Preußischen Staats-Papieren angelegt, oder zur ersten Hypothek auf gut gelegene Grundstücke in Berlin pupillarisch sicher zinsbar untergebracht werden. Die für den Kapital-Fonds angekauften Staats-Papiere sind von dem Vorstande der Gesellschaft außer Cours zu setzen, und ist derselbe ermächtigt, diese Papiere erforderlichen Falles, lediglich unter seiner Unterschrift und Beidruckung des Gesellschafts-Siegels (Stempels) (Anm. Dieses Siegel zeigt neben einem entlaubten Baume eine weibliche Figur mit zwei unbekleideten Kindern, das eine auf ihrem rechten Arme, das andere an der linken Hand. Die Unterschrift lautet: „Wer wärmt uns?“) mit voller Wirkung wieder in Cours zu setzen. §. 5. Die dem Kapital-Fonds der Gesellschaft zugewendeten Summen dürfen unter keinen Umständen, weder ganz noch theilweise, zu Ausgaben verwendet, eben so wenig aber dürfen die zur Erfüllung des Zwecks der Gesellschaft (§. 2.) bestimmten Zuschüsse, Zinsen, Legate und Geldbeiträge zum Kapital-Fonds geschlagen werden. §. 6. Nach der Bestimmung des Stifters der Gesellschaft ist durch Ansammlung ungewöhnlicher Einnahmen allmählig ein Fonds – jetzt circa 4000 Rthlr. betragend – gebildet, welcher zu dem, in der Regel schon während des Sommers zu bewirkenden Ankaufe der im nächsten Winter an verschämte Arme zu vertheilenden Brenn-Materialien verwendet, durch die Einnahme desselben Geschäfts-Jahres aber stets wieder zur künftigen gleichmäßigen Benutzung ergänzt, und bis dahin, daß er gebraucht wird, zinsbar sicher angelegt werden muß. Auf die allmählige, den Umständen entsprechende Vergrößerung dieses disponiblen Bestandes soll fortgesetzt hingewirkt werden, derselbe aber niemals den Betrag übersteigen, welcher zum Ankaufe von Brenn-Materialien nach den dreijährigen durchschnittlichen Einnahmen der Gesellschaft in einem Jahre verwendet weden kann. 931
Wohltätigkeitsvereine – Vereine der Armenfürsorge und Stiftungen zur Erziehung und Ausbildung
Auch darf während eines Winters immer nur soviel an Brenn-Material und Anfuhrgeld unter die Armen vertheilt werden, als die Jahres-Einnahme gestattet. §. 7. Die Gesellschaft besteht: a) aus beitragenden, b) aus verwaltenden Mitgliedern. §. 8. Als ein beitragendes Mitglied der Gesellschaft wird jeder Wohlthäter betrachtet, der einen bestimmten Beitrag von jährlich Fünf Thalern oder mehr an die Gesellschafts-Kasse zahlt. §. 9. Ein beitragendes Mitglied hat das Recht, jährlich zum Anfang des Winters einen, nach Namen, Stand und Wohnung zu bezeichnenden verschämten Armen zu einer Unterstützung mit Brenn-Material, in den Grenzen der von der Gesellschaft desfalls getroffenen allgemeinen Festsetzung, bei dem Rendanten der Gesellschaft anzumelden. Auf solchen Vorschlag erfolgt die Unterstützung ohne weitere Untersuchung der Verhältnisse des Armen sofort, wenn letzterer nicht etwa bereits von der Gesellschaft oder von einem andern Institute mit Brenn-Materialien für den laufenden Winter unterstützt worden ist. Ein jedes beitragendes Mitglied erhält ein Exemplar dieser Statuten und alljährlich den gedruckten Rechenschafts-Bericht, welchen der Vorstand unbedingt spätestens im Monat November erscheinen läßt und versendet. §. 10. Die verwaltenden Mitglieder §. 7b. bilden den Vorstand der Gesellschaft. Derselbe besteht aus: 1) einem Präses, 2) einem Mitgliede zur Stellvertretung des Präses im Falle der Behinderung oder Abwesenheit desselben, sowie zur Verrichtung der schriftlichen Arbeiten des Vorstandes, 3) einem Mitgliede, welches in Gemeinschaft mit dem Rendaten ad 4. die RechnungsArbeiten und den Ankauf der Feuerungs-Materialien besorgt, die letzteren auf den verschiedenen Lagerplätzen, besonders zur Zeit der Vertheilung unter die Armen beaufsichtigt, auch die sachliche und kalkulatorische Prüfung der Kassenbücher, der Jahres-Rechnung und der Nachweisungen über die Vertheilung der Brenn-Materialien und Anfuhrgelder bewirkt und die Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben zum Jahres-Berichte fertigt, 4) einem Mitgliede, welches als Rendant die Kassengeschäfte besorgt, und 5) acht in den verschiedenen Stadttheilen wohnenden Mitgliedern, welche die verschämten Armen in ihren Bezirken ermitteln, die Brenn-Materialien nebst Anfuhr932
Deutsche Holzverteilungsgesellschaft
geld unter die Armen vertheilen, und darüber in der von dem Vorstande angeordneten Art sorgfältig Buch und Rechnung führen. §. 11. Der Vorstand ist befugt, die Zahl seiner verwaltenden Mitglieder zu vermehren, wenn es die Geschäfte erfordern. §. 12. Der Präses und die sämmtlichen Vorstands-Mitglieder werden auf ihre Lebenszeit gewählt, und verrichten ihre Aemter ohne alle Remuneration. §. 13. Der Präses hat die erforderlichen Konferenzen anzuberaumen und darin den Vorsitz zu führen. Seine Pflicht ist es, für das gedeihliche Fortbestehen der Gesellschaft eifrig zu wirken und auf Befolgung der Statuten zu halten. §. 14. Im Fall der Abwesenheit oder sonstigen Behinderung des Präses tritt dessen Stellvertreter in seine Rechte und Pflichten ein. §. 15. Die in §. 10 ad 2. bis 5. gedachten Vorstands-Mitglieder sind verpflichtet, nach Kräften für das Fortbestehen der Gesellschaft zu sorgen und die übernommenen Geschäfte gewissenhaft nach bestem Wissen zu verrichten. Sie nehmen Theil an allen Berathungen und Beschlüssen, welche auf das Fortbestehen der Gesellschaft, auf die Erhaltung und Vermehrung des Vermögens, sowie auf die Förderung des Zwecks derselben abzielen. §. 16. Die Beschlüsse erfolgen, wenn mindestens ¾ der Vorstands-Mitglieder §. 10. ad 1. bis 5. zugegen sind, nach einfacher Stimmenmehrheit. Sind die Stimmen gleichmäßig ge theilt, so entscheidet die Stimme des Präses oder seines Stellvertreters. §. 17. Die laufenden Geschäfte werden von dem Präses und den §. 10. ad 2., 3. und 4. gedachten Vorstands-Mitgliedern verrichtet. Vor Gericht und anderen öffentlichen Behörden, sowie bei Verträgen mit dritten Personen erscheinen und handeln nur sie als die alleinigen gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft; sie sind auch berechtigt, sich dabei durch einen Bevollmächtigten vertreten zu lassen. Die Vollmacht muß aber gerichtlich oder notariell beglaubigt sein. Ihre Legitimation erfolgt durch ein Attest des Königlichen Polizei-Präsidii zu Berlin darüber, daß sie die alleinigen statutenmäßigen Vertreter der Gesellschaft seien. 933
Wohltätigkeitsvereine – Vereine der Armenfürsorge und Stiftungen zur Erziehung und Ausbildung
Im Fall der Behinderung des einen oder des andern der erwähnten Vorstands-Mitglieder erfolgt die Stellvertretung durch eins der Mitglieder §. 10 ad 5. Daß eine solche Behinderung stattfindet, ist von den vor Gericht erscheinenden Vorstands-Mitgliedern zu bescheinigen. §. 18. Wird die Stelle des Präses oder eines der Vorstands-Mitglieder durch den Tod oder durch Verlegung ihres Wohnsitzes nach einem andern Orte, oder durch freiwilliges Ausscheiden erledigt, so hat der Präses oder dessen Stellvertreter einen Kandidaten vorzuschlagen und jedem der anderen Vorstands-Mitglieder steht gleichfalls der Vorschlag eines Kandidaten frei. Von den Vorgeschlagenen wählen sämmtliche Vorstands-Mitglieder einen nach der Stimmenmehrheit (conf. §. 16.). Von der in duplo aufzunehmenden Wahl-Verhandlung wird dem Königlichen Polizei-Präsidio ungesäumt ein Exemplar überreicht. Das Ergebniß der Wahl ist durch die Berliner Zeitungen öffentlich bekannt zu machen. §. 19. Einem jeden der im §. 10. ad 5. gedachten Vorstands-Mitglieder ist es gestattet, sich einen Hülfs-Arbeiter zu wählen und solchen dem Vorstande zur Genehmigung vorzuschlagen. Diese Gehülfen beziehen ebenfalls keine Remuneration für ihre Leistungen und sind nicht Mitglieder des Vorstandes. Den Konferenzen dürfen sie daher nur auf ausdrückliche Einladung des Vorstandes beiwohnen und haben in solchem Falle nur eine berathende Stimme. §. 20. Der Vorstand ist befugt, die erforderlichen Schreiber und Boten anzunehmen und dieselben nach Maßgabe ihrer Leistungen aus der Kasse der Gesellschaft zu remuneriren. Zunächst werden für einen Schreiber die Zinsen von denjenigen 700 Rthlrn. verwendet, welche der Stifter von Meyerenfeld zu diesem Behufe der Gesellschaft vermacht hat. §. 21. Dem Rendanten (§. 10. ad 4.) liegt die gesammte Kassen-Verwaltung ob, worüber er Buch und Rechnung führt. §. 22. Demselben wird ein Kassen-Kurator zur Seite gesetzt, welcher aus den im §. 10. ad 3. und 5. gedachten Vorstands-Mitgliedern auf jedesmal drei Jahre zu wählen ist. §. 23. Der Rendant verwahrt das in Staats-Papieren und Hypotheken-Dokumenten bestehende, von ihm gehörig gebuchte Kapital-Vermögen der Gesellschaft in einem, mit zwei 934
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verschiedenen Schlössern versehenen Kasten, wozu er den einen und der Kassen-Kurator den andern Schlüssel hat. §. 24. Auf die von dem Rendanten auszustellenden und von dem Kassen-Kurator oder in dessen Stellvertretung von irgend einem der Vorstands-Mitglieder gegen zu zeichnenden Quittungen werden die Zinsen von den Kapitalien, sowie die in einem besonderen Buche speziell nachgewiesenen Zuschüsse, Legate und festen Geldbeiträge rechtzeitig eingezogen und von dem Rendanten in Einnahme verrechnet. Ueber die von Wohlthätern gespendeten unbestimmten Geldbeiträge stellt der Rendant allein Quittungen aus, welche mit der laufenden Nummer des Einnahme-Manuals versehen werden müssen. §. 25. Alle Geld-Ausgaben müssen von dem Präses und den Vorstands-Mitgliedern §. 10. ad 2. und 3. schriftlich genehmigt sein. §. 26. Die gesammten Vorstands-Mitglieder müssen vom Präses alljährlich zu zwei HauptKonferenzen, nämlich a) in der letzten Hälfte des Monats Oktober, und b) in der ersten Hälfte des Monats Mai, zusammenberufen werden, um über die zur Erfüllung des Zwecks der Gesellschaft erforderlichen Maßregeln, insbesondere in der Konferenz ad a. wegen Distribution der Brenn-Material-Quantitäten auf die Stadtbezirke, zu berathen und zu beschließen und die Kassenbücher, die baaren Geldbestände und die über den Kapital-Fonds sprechenden Dokumente zu inspiziren. In der Konferenz ad b. werden die von dem Vorstands-Mitgliede §. 10. ad 3. kalkulatorisch und sachlich bereits geprüften und von ihm bescheinigten Kassen-Bücher sowie die Nachweisungen von den während des letzt verflossenen Winters an die Armen ver theilten Brenn-Materialien und die daraus gefertigte Uebersicht, welche die Resultate der Wirksamkeit der Gesellschaft nachweiset, zur Prüfung vorgelegt. Nach Befinden wird dem Rendanten Decharge ertheilt. Auch wird wegen Entwerfung des im Oktober im Druck herauszugebenden, von sämmtlichen Vorstands-Mitgliedern zu vollziehenden Jahres-Berichtes und wegen des Ankaufes der Brenn-Materialien für den nächstfolgenden Winter, Rücksprache genommen und Beschluß gefaßt. Die zum Vortrage gekommenen Gegenstände und die gefaßten Beschlüsse werden protokollirt.
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§. 27. Von dem Vorstande wird die Art und die Qualität des den Armen zu gewährenden BrennMaterials und der Betrag des Anfuhrgeldes nach den obwaltenden Umständen festgesetzt. Der hierüber statutenmäßig gefaßte Beschluß ist von den einzelnen Vorstands-Mitgliedern zu beachten. Dem Ermessen der die Vertheilung besorgenden Vorstands-Mitglieder bleibt es aber überlassen, ob und welche Armen in ihren Bezirken während eines und desselben Winters wiederholt mit Brenn-Material und Anfuhrgeld zu unterstützen sind. Es darf dabei jedoch im Ganzen über das auf ihre Stadtbezirke repartirte Quantum nicht hinausgegangen werden. §. 28. Nur die von den Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften und von sonstigen Wohlthätern der Gesellschaft zur Unterstützung mit Brenn-Material empfohlenen verschämten Armen hat der Rendant sofort zu befriedigen. Alle übrigen Armen fallen der Fürsorge der die Vertheilung in den verschiedenen Stadtbezirken bewirkenden Vorstands-Mitglieder anheim. §. 29. Die Deutsche Gesellschaft zur Versorgung verschämter Armen mit freiem Brenn-Material wird voraussichtlich immer Menschenfreunde finden, welche ihr Fortbestehen sichern; sie kann daher nicht aufgelöst werden, so lange mindestens drei ehrenhafte Männer für die Erfüllung des Zwecks (§. 2.) wirksam bleiben. Sollte aber die Nächstenliebe wirklich so weit verloren gehen, daß nicht drei VorstandsMitglieder mehr vorhanden sind, dann soll das Stiftungs-Kapital-Vermögen dem Magistrat von Berlin zur statutenmäßigen Verwendung der Zinsen überwiesen werden. Berlin, den 11ten Januar 1847. v. Ditfurth, Präsens.
di Dio, Stellvertretender Präses.
Eyber, Vorstands-Mitglied.
E. Prätorius, Vorstands-Mitglied und Rendant.
________________ Vorstehendes Statut wird hierdurch mit der Maßgabe bestätigt, daß die im §. 4. desselben enthaltene Bestimmung, nach welcher die Gesellschaft das Recht beigelegt werden soll, die angekauften Staats-Papiere wieder in Cours zu setzen, als nach den Vorschriften der §§. 1. und 3. des Gesetzes über das Wiederincourssetzen der unter öffentlicher Autorität auf jeden Inhaber ausgefertigten Papiere, vom 4ten Mai 1843, unzulässig, wegfällt. Berlin, den 5ten Juli 1847. Der Minister des Innern. Im Auftrage von Manteuffel. 936
Leopold-Stiftung
Im Auftrage des Königlichen Ministeriums des Innern wird dem Löblichen Vorstand der Deutschen Gesellschaft zur Versorgung verschämter Armen mit freiem Feuerungsmaterial eröffnet, daß Se. Majestät der König der Gesellschaft mittelst Allerhöchster Kabinets-Ordre vom 14ten v. M. die Rechte einer Korporation, so weit solche zur Erwerbung von Grundstücken und Kapitalien erforderlich sind, verliehen haben. Zugleich empfängt Derselbe das mit der Bestätigung des genannten Königlichen Ministeriums versehene Gesellschafts-Statut vom 11ten Januar c., indem auch die, mit der Anzeige vom 24sten April d. J. eingereichten, drei Volumina Akten beifolgend zurückgehen. Berlin, den 13ten Juli 1847. Königliches Polizei-Präsidium. von Minutoli. Quelle: LA Berlin, A Rep. 200-01 Nr. K 51, Bl. 130: Statut der im Jahre 1779 gestifteten und durch die Allerhöchste Kabinets-Ordre vom 14. Juni 1847 mit den Rechten einer Korporation belegten Deutschen Gesellschaft zur Versorgung verschämter Armen mit freiem Brenn-Material; nebst einem Vorworte über die Entstehung, Entwickelung und die bisherigen Leistungen der gedachten Gesellschaft. Berlin 1847 [Druck].
Leopold-Stiftung I) Ankündigung einer Subskription zur Stiftung einer jährlichen Gedächtnisfeier des Herzogs Leopold von Braunschweig, 28. Mai 1785 Die edle, mit so allgemeiner Rührung und Bewunderung gepriesene, That des Herzogs LEOPOLD von Braunschweig hat einen größern Endzweck erreicht, als den sie verfehlt hat. Der Prinz wollte das Leben einiger Unglücklichen retten; und Er hat in den Seelen vieler Tausende das seligste und wohlthätigste aller Gefühle erweckt: das Gefühl von dem Werthe, der Liebenswürdigkeit und der Erhabenheit ächter Menschenliebe. Unterzeichnete wünschen – und welcher Edeldenkende wird es nicht mit ihnen wünschen? – daß die so schöne und große That des Herzogs noch der entferntesten Nachwelt, zu ihrer Rührung und ihrem Unterrichte, vor Augen schwebe. Ein schriftliches Denkmal, das den Charakter des Herzogs, aus den geprüftesten und bewährtesten Nachrichten, in seiner ganzen Liebenswürdigkeit darstellte, wäre zu dieser Absicht ohne Zweifel das bessere Mittel; aber noch besser und noch mehr in dem eignen Geiste Dessen, den man ehren wollte, wäre doch gewiß ein jährlich wiederkehrendes Fest öffentlicher Wohlthätigkeit. Der verewigte Prinz entzog Seinem eignen Vergnügen so gerne, unter andern Summen, auch die, womit Er die Garnisonschule zu Frankfurt einrichtete und unterhielt. Diese Einrichtung war von allen Seinen übrigen wohlthätigen Verfügungen die beträcht937
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lichste, und Ihm Selbst die liebste. Unter den Unschuldigen, zu deren größerer künftigen Glückseligkeit Er so edelmüthig den Grund legte, befand er Sich so oft und so gerne. Und wie also, wenn man jenes Fest der Wohlthätigkeit zur Erhaltung Seines Andenkens eben in dieser Schule veranstaltete? Da sie Ihm Selbst in Seinem Leben so werth war: so muß sie nach Seinem Tode auch denen werth sein, die Ihn lieben und die Sein Andenken ehren möchten. Die Idee der Unterzeichneten ist: durch Subskription eine Summe zusammenzubringen, von deren jährlichen Zinsen man den Kindern jener Schule aus dem Sterbetage ihres fürstlichen Wohlthäters einen jährlichen Feiertag machen könnte; einen Tag, der ihnen das ganze Jahr hindurch Ermunterung zum Fleiß und zur Sittlichkeit wäre, an dem sie öffentlich gespeist, beschenkt, und, wenn die Zinsen der Summe dazu hinreichten, entweder alle oder doch die bdürftigsten und würdigsten unter ihnen, auch gekleidet würden. So ein Andenken wäre ganz von jener Pracht und jenem Glanze entfernt, auf welche der edle Herzog Selbst so gar keinen Werth setzte; es hätte ganz die Einfalt, die Bescheidenheit, die Wohlthätigkeit, die Seiner schönen Seele so eigen waren; es wäre unendlich mehr als eine Abbildung Seiner Gestalt in Marmor werth: denn es wäre die treue redende Abbildung Seines menschenliebenden Herzens. Und gewiß! wenn Er Sich Selbst irgend ein Denkmal hätte errichten sollen, so wär es in keinem anderen Geschmack gewesen, als eben in diesem. Darum dürfte denn doch jenes schriftliche Denkmal, das den Charakter des Herzogs nach seinen merkwürdigsten Zügen schilderte, nicht fehlen. Unterzeichnete verpflichten sich, so wohl für die Schrift selbst, als für den geschmackvollen, selbst prächtigen Druck derselben zu sorgen. Wenn die Subskription darauf ankündigen, so ist das nur Behelf, um die Subskription zur Gründung und Einrichtung des oben vorgeschlagenen jährlichen Festes, das sogleich mit dem künftigen Jahre seinen Anfang nehmen müßte, zu eröfnen. Die Namen der Theilnehmer werden sie der Gedächtnißschrift nachdrucken lassen; damit auch die Anzahl derer, welche von dem Tode des Herzogs innigst gerührt wurden, und das von Ihm angefangene Gute mit Freuden vollenden halfen, ein Monument für Ihn bei der Nachwelt werde. Der Preis, den die Unterzeichneten festsetzen, soll niedrig sein, um auch den Mindervermögenden an ihren Absichten Theil nehmen zu lassen; sie bestimmen daher mehr nicht, als einen Thaler, in der zuversichtlichen Hoffnung, daß der Mehrvermögende, eben so wenig als sie selbst, sich an diese Summe binden, und daß Niemand die Bogen der versprochenen Gedächtnißschrift zählen werde. Jeder über das festgesetzte Quantum von einem Thaler sich belaufende Beitrag, wird bei dem Namen des Gebers zugleich mit bemerkt werden, wofern es nicht ausdrücklich verboten werden sollte. Uebrigens haften die Unterzeichneten mit ihrer Ehre für die Aufmerksamkeit, die sie anwenden wollen, daß die gesammelten Gelder sicher untergebracht, und die Zinsen davon auf das uneigennützigste und gewissenhafteste verwendet werden. Jeder von ihnen sorgt für einige auswärtige Sammler, die er zugleich um Bekanntmachung des Plans in den öffentlichen Blättern ihrer Gegend ersucht; sobald die Sammler sich zu der Mühe, die man sie zu übernehmen bittet, bereit938
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willig erklären, wird man ihre Namen in Zeitungen und Journalen bekannt machen. Doch wird ausserdem jeder, der von selbst die Mühe des Sammelns zu übernehmen Gelegenheit und Lust hat, willkommen sein, und nachher mit unter den Beförderern der Unternehmung genannt werden. Auch wird man, wenn die Einsammlung geschehen, und die ganze Einrichtung getroffen ist, dem Publikum öffentlichen gewissenhaften Bericht erstatten. Für Berlin erbieten sich zu Sammlern und besonders zur Korrespondenz mit den auswärtigen Sammlern diejenigen der Unterzeichneten, deren Namen mit einem Sternchen bemerkt sind: und es würden sich mit Freuden alle dazu erbieten, wenn nicht so manche von ihnen durch Geschäfte daran gehindert würden. Mit Ausgang des Oktobers wird die Subskription und Sammlung geschlossen: und die auswärtigen Sammler werden ersucht, alsdann ihre Gelder an einen der hiesigen Sammler einzusenden, deren Namen hier mit einem Sternchen bezeichnet ist. Blosse Subskription ohne gleich baare Bezahlung wird nicht angenommen. Berlin, den 28. Mai 1785. Kammergerichtsrath von Benike. / *Bibliothekar Biester. / Oberkonsistorialrath Büsching. / *Chodowiecki / Oberkonsistorialrath Diterich. / Geheimerath Dohm. / Professor Engel. / *Prediger Gebhard. / *Oberkonsistorialrath Gedike. / Oberkonsistorialrath von Irwing. / Major von Irwing. / Assistenzrath Klein. / *Feldpropst Kletschke in Potsdam. / Major Marschall von Bieberstein. / Professor Meierotto. / Moses Mendelssohn. / Leibmedikus Möhsen. / Nicolai. / *Prediger Schmid. / Professor Selle. / Oberkonsistorialrath Spalding. / Geheimer Finanzrath Struensee. / Rektor Stuve in Neuruppin. / Geheimerath Svarez. / *Oberkonsistorialrath Teller. / Generalchirurgus Theden. / Geheimer Finanzrath Wlömer. / *Prediger Zöllner. Quelle: Denkmal Herzogs Maximilian Julius Leopold von Braunschweig. Nebst Nachricht von der zu seinem Andenken für die Garnisonschule zu Frankfurt an der Oder von einer Gesellschaft veranstalteten Stiftung. Berlin 1787, S. 26–30.
II) Stiftungsurkunde vom 15. Juli 1786 mit Königlicher Bestätigung vom 3. September 1786
Wir FRIEDRICH WILHELM von Gottes Gnaden, König von Preussen u. s. w. Thun kund und bekennen hiermit und in Kraft dieses öffentlichen Briefes, für Uns und Unsere Erben und nachkommende Könige von Preussen und Kurfürsten zu Brandenburg. Demnach Uns allerunterthänigst zu vernehmen gegeben worden, wasmassen eine Gesellschaft von Gelehrten sich zusammen gethan, welche einen Fond von 5500 Rthlr. gesammlet, und solchen durch etwa noch hinzukommende Einnahme zu vermehren Hofnung habe, um daraus jährlich den Tod Unsers Herrn
Vetters, des zu Frankfurt an der Oder unglücklich ertrunkenen Herzogs LEOPOLD von Braunschweig Durchl. und Liebden feiern, und zugleich die dasigen Soldatenkinder békleiden, ihnen Schulbücher austheilen, und sie unterrichten lassen zu 939
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wollen; worüber sie denn eine Stiftungsurkunde unterm 15ten Julii 1786 ausgefertiget, mit angehängeter Bitte, Wir möchten solche zu bestätigen geruhen; Als haben Wir gedachte Stiftungsurkunde, welche von Wort zu Wort also lautet: Nachdem das von einer Gesellschaft in Berlin durch die beigefügte Ankündigung vom 28. Mai vorigen Jahres bekannt gemachte Vorhaben: vermittelst Stiftung eines jährlich wiederkehrenden Festes öffentlicher Wohlthätigkeit das Andenken der erhabenen Menschenliebe des Hochseligen Prinzen LEOPOLD von Braunschweig Durchlauchten, zur Beförderung dieser Tugend, bei der Nachkommenschaft immerwährnd zu erhalten, solchen Beifall und Fortgang gehabt, daß diese Stiftung nach dem Maasse des Fonds, welcher hierzu durch Subskription auf das dem Hochseligen Prinzen zu errichtende schriftliche Denkmal entstanden ist, zur Wirklichkeit gebracht werden kann; so wird dieselbe, der Absicht dererjenigen gemäß, die mit ihrem menschenfreundlichen Beiträgen dazu beförderlich gewesen, und zur Erfüllung der Verbindlichkeit, welche die unternehmende Gesellschaft gegen dieselben in der vorgedachten öffentlichen Ankündigung eingegangen, folgendergestalt errichtet und gegründet. 1. Der gegenwärtige Fond dieser Stiftung besteht in Fünftausend und Fünfhundert Reichsthalern Preuß. Silber-Kurrent, die Mark fein zu 14 Rthlr. ausgemünzt; und in so fern derselbe durch etwa noch hinzukommende Beiträge und durch Ersparungen an der Summe, die zu dem Druck der gedachten Denkschrift und andern nothwendigen Kosten hat zurückbehalten werden müssen, sich vergrössern sollte, wird solcher Betrag mit dazu geschlagen und öffentlich bekannt gemacht werden. Dieser Fond soll beständig zu Fünf oder so viel pro Cent Zinsen, als erhalten werden können, mit Bezug auf gegenwärtiges Fundations-Instrument, als ein der Garnisonschule zu Frankfurt an der Oder gewidmetes Gut, auf derselben Namen sicher belegt; und das Kapital auf keinen Fall und unter keinerlei Vorwand oder Veranlassung angegriffen und vermindert; die Zinsen aber, es sei ganz oder zum Theil, niemals anders, als zu den in diesem Stiftungsbriefe bestimmten Zwecken und Ausgaben verwendet werden. Damit auch 2. Durch öfteres Aufkündigen und anderes Unterbringen des oder der Kapitalien kein Zinsenstillstand oder gar Gefahr und Verlust am Fond sich ereigne; soll, so viel immer möglich sein wird, dahin gesehen werden, denselben bei einer solchen öffentlichen Anstalt, wo menschlichen Aussichten nach, weder die Sicherheit noch der pünktlichen Zinszahlung wegen, einige Besorgniß Statt finden kann, auf immerwährend unablösliche Art zu befestigen.
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3. Dieser Fond und dessen stiftungsmässige Anwendung soll unter der gemeinschaftlichen Verwaltung, Direktion und Aufsicht des Königlichen Preussischen Generalauditoriats und Kriegskonsistoriums stehen; und die Obligationen über die Kapitalien dieses Fonds sollen in dem gewöhnlichen Depositorium des Königlichen Generalauditoriats beständig aufbewahret werden. 4. Von den Zinsen oder Einkünften dieses Fonds soll jährlich in der Garnisonschule zu Frankfurt an der Oder – diesem mit wesentlich grossem Nutzen daurenden Monumente der Menschenliebe des hochseligen Prinzen LEOPOLD – und zwar jedesmal am 27sten April, als an dem Tage an welchem er, bei heroischer Ausübung dieser Tugend, Sein in immer thätigem Wohlwollen für die Menschheit zugebrachtes Leben geendiget hat, zur lebhaften Erneuerung Seines Andenkens bei allen Einwohnern, und besonders bei den Kindern der Garnisonschule, folgende Feier begangen und ausgerichtet werden. 1) Versammlen sich an gemeldetem Tage, wenn aber derselbe ein Sonn- oder Festtag sein sollte, an dem nächstfolgenden Tage, des Morgens um 9 Uhr alle Soldatenkinder der Garnison, welche bis dahin die Garnisonschule besucht haben, und noch wirklich besuchen, so reinlich, wie es ihre Umstände verstatten, angezogen, diejenigen unter ihnen aber, die aus den Stiftungseinkünften an solchem Tage gekleidet werden, in der ihren Eltern zu dem Ende vorher auszutheilenden neuen Kleidung, in dem Schulhause; werden aus demselben von ihren Lehrern, paarweise, so daß die gedachtermaassen neugekleideten vorangehen, nach der zum gewöhnlichen Gottesdienst der Garnison bestimmten Kirche geführet; und daselbst wird von dem Feldprediger des Regiments, wenn derselbe es übernehmen will, im gegenseitigen Fall aber von einem der Schullehrer, vor ihnen und denenjenigen von der Garnison so wohl als aus der Stadt, die mit ihrer Gegenwart die Feierlichkeit dieses Tages vermehren wollen, eine zur Verehrung der Tugenden des Stifters der Schule und zur Erweckung des Gefühls der Menschenliebe abzweckende Rede gehalten. Dafern es jedoch nicht angehen sollte, diese Feierlichkeit, nach dem Wunsche der stiftenden Gesellschaft und vieler Subskribenten, in der Kirche zu begehen, so soll dieselbe in dem Schulhause geschehen. 2) Nach geendigter dieser Handlung, und nachdem, wenn sie in der Kirche geschehen, die Schüler in gleicher Ordnung in das Schulhaus zurückgeführet worden; sollen, weil ihre große auf mehrere Hundert gehende Anzahl nicht verstattet, ihnen allen daselbst eine festliche Mahlzeit mit Anstand und Bequemlichkeit zu geben, diejenigen, welche neue Kleidung erhalten haben, im Schulhause mit Milchreiß, Braten, und Beisätzen von gekochten Pflaumen oder anderem Obst, Kuchen, Semmelbrot, und einem halben Maasse Bier auf jeden, alles reinlich, schmackhaft und genüglich zubereitet, ge941
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speiset werden; der Feldprediger und die Lehrer der Schule aber werden dieser Mahlzeit beizuwohnen und solche mit zu geniessen sich gefallen lassen, damit die Kinder dabei Ordnung und Sittsamkeit beobachten. Alle übrigen Schulkinder sollen, statt der Mahlzeit und vor derselben, jeder für einen Groschen Kuchen und einen Groschen Geld erhalten, und damit nach Hause entlassen werden. 3) An eben demselben Tage sollen zugleich für zehn Thaler nützliche Schulbücher, welche der Feldprediger und der Schullehrer zu wählen und anzuschaffen haben, an solche Schulkinder, die nach dem Erachten der Schullehrer dergleichen bedürfen, oder sich durch Fleiß und gute Aufführung vor andern ausgezeichnet haben, vertheilet werden. Auch soll jeder Schullehrer für seine Bemühung bei dieser Feier fünf Thaler bekommen. 5. Ferner werden von den Zinsen des Stiftungsfonds jährlich sechzig Thaler zur Ansetzung und Besoldung eines zweiten Lehrers bei der Frankfurtischen Garnisonschule gewidmet, damit die starke von einem einzigen schwer zu übersehende Menge Schulkinder in Unterricht und Aufsicht besser berathen werde. Zum zweiten Lehrer soll der Regimentsküster, wenn er in Absicht so wohl seiner Fähigkeit als seines moralischen Charakters tüchtig gefunden wird, vorzüglich, sonst aber ein anderer genommen, und dieser vom Feldprediger mit Beistimmung des Regiments angesetzet werden. Sollte ein Regimentsküster, welcher zugleich zweiter Schullehrer ist, dem Regiment im Kriege folgen müssen; so soll, so lange bis er mit dem Regiment in Frankfurt zurück gekehret sein wird, statt seiner, ein anderer Schullehrer vom Feldprediger, unter gleichmässiger Beistimmung des ausziehenden Regiments, bestellet werden. Nach der Rückkunft des Regimentsküsters aber, fließt demselben die hier dem zweiten Schullehrer ausgemachte Besoldung für seine zu übernehmende Schularbeit wieder zu. Ist hingegen beim Ausmarsch des Regiments nicht dessen Küster, sonder ein anderer, der zweite Schullehrer; so behält dieser auch, während der Abwesenheit des Regiments, die erwähnte Besoldung. Bei dem Ausmarsch des Regiments, wird auch der Feldprediger dafür zu sorgen haben, daß die Garnisonschule nicht ohne Aufsicht bleibe, und daß solche, an seiner Statt, bis zur Zurückkunft des Regiments, mit dessen Zustimmung, einem rechtschaffenen Manne aus der Frankfurtischen Geistlichkeit übertragen werden; welchem auch die Vollmacht zu ertheilen ist, den immittelst abgehenden an die Stelle des Regimentsküsters angenommenen, durch einen andern tüchtigen Schullehrer zu ersetzen. 6. Alles, was, nach Abzug der im 4ten und 5ten Artikel bestimmten jährlichen Ausgaben, von den Einkünften des Stiftungskapitals übrig bleibt, soll zur neuen Bekleidung so vieler Kinder der Garnisonschule, als es reicht, angewendet werden, und diese Wohlthat denenjenigen Kindern beiderlei Geschlechts in gleicher Anzahl, welche die ältesten an Jahren und zugleich im längsten in die Schule gegangen sind, zufliessen; wer aber von 942
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ihnen einmal eine neue Kleidung aus dem Stiftungsfond erhalten hat, von aller Theilnehmung daran, so lange noch Schulkinder von der Garnison übrig sind, die diese Wohlthat nicht genossen haben, für die folgenden Jahre ausgeschlossen sein. 7. Die Kleidung eines Schulknaben soll in einem tuchenen Rock, Weste, und Beinkleidern, von gleicher Farbe und Unterfutter, wie das Regiment trägt, desgleichen in einem Hut, einem Paar weißer wollener Strümpfe, einem Paar Schuhe, zwei Hemden, und einem Halstuche, alles von der Qualität, wie es die Gemeinen des Regiments haben; für die Mädchen aber in einem Kamisol und Rock von braunem leichten doch dauerhaften wollenem Zeuge, einer Schürze und Halstuch von guter weisser Hausleinewand, einer Mütze von schwarzem wollenen Zeuge, einem Paar lederner Schuhe, einem Paar weißer wollener Strümpfe, und zwei Hemden, bestehen. 8. Das Bestellen und Verdingen der im 4ten, 6ten und 7ten Artikel bestimmten jährlichen Speisung, Austheilung und Kleidung, so wie die Sorge, daß alles in der vorgeschriebenen Art und Tüchtigkeit geliefert, und überhaupt die ganze Gedächtnißfeier jedesmal stiftungsmässig vollstrecket werde, soll dem Feldprediger und Regimentsquartiermeister; mit Zuziehung der Schullehrer, und unter der Oberaufsicht des jedesmaligen Chefs, oder in dessen Abwesenheit des jedesmaligen Commandeurs der Frankfurtischen Garnison, obliegen: und der Feldprediger mit dem Regimentsquartiermeister, soll binnen 14 Tagen nach jeder Gedächtnißfeier die Anzeige davon mit der durch hinlängliche Beläge verificirten und von dem Chef oder Commandeur beglaubigten Kostenrechnung an das Generalauditoriat und Kriegeskonsistorium einsenden, welches demnächst die geschehene Feierung des Gedächtnißtages und die Zahl der bekleideten Garnisonschüler durch eine kurze Einrückung in die Berlinischen Zeitungen bekannt zu machen hat. 9. Damit auch auf so viele als nur möglich die Wohlthat der Bekleidung jährlich erstreckt werden möge, so muß Bedacht genommen werden, so wol die dazu erforderlichen Zeuge im Ganzen auf den Messen, oder wo sie sonst zu den niedrigsten Preisen zu erhalten sind, einzukaufen, als auch die Verfertigung der Kleidungsstücke mit zuverlässigen Arbeitern zum wohlfeilsten, jedesmal, oder auf mehrere Jahre, wenn hiedurch diese Absicht besser bewirkt werden kann, zu verdingen. Die Kontrakte darüber, wovon beglaubte Abschriften dem Generalauditoriat und dem Kriegskonsistorium einzusenden sind, sollen der Feldprediger und Regimentsquartiermeister, unter Genehmigung des Chefs oder Commandeurs, schliessen; und dieselben werden, mit dem Geiste der Menschenliebe des erhabenen Stifters der Garnisonschule beseelt, die gute Absicht der gegenwärtigen Veranstaltung in solchem Umfange, als es nur immer geschehen kann, zu erreichen, sich eifrig angelegen sein lassen. 943
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10. Wenn künftig, statt des ehemaligen Prinz Leopoldischen jetzt von Bevilleschen Regiments, ein anderes in Frankfurt zur Garnison eingelegt werden sollte; so soll, weil die dortige Garnisonschule von Frankfurt nicht verrückt wird, und deren Durchlauchtiger Urheber Sein durch so viele bewunderte Thaten des Wohlwollens für die Menschheit ruhmvolles Leben daselbst beschlossen hat, die in den vorstehenden Satzungen verordnete Gedächtnißfeier und damit verbundene Wohlthätigkeit bei besagter Schule und den solche besuchenden Kindern der jedesmaligen andern beständigen Garnison in Frankfurt, solche mag sich wirklich in der Stadt befinden, oder zu Kriegszeiten abwesend sein, verbleiben. Würde aber dereinst die Garnison auch in Friedenszeiten gänzlich aus derselben weggenommen werden; so sollen, so lange solche ohne Garnison gelassen wird, die Einkünfte des im I. Artikel bestimmten Stiftungsfonds der dortigen Stadt- oder sogenannten Oberschule zu ihrer Verbesserung zufliessen, und erst, wenn diese Stadt wieder Garnison erhält, zu der Schule derselben zurück kehren. 11. Diese Stiftungsurkunde soll bei dem Generalauditoriat, eine beglaubigte Abschrift davon aber im Archiv der Frankfurtischen Garnison, und noch eine andere bei der dortigen Garnisonschule, auch bei jeder dieser Stellen ein Exemplar der Gedenkschrift, durch deren Mittel der Stiftungsfond aufgebracht worden, aufbewahret werden. 12. Um dieser Stiftung die zu ihrer Beständigkeit und immerwährenden sichern Ausführung nöthige Sanktion einer verbindlichen Anstalt für diejenigen zu verschaffen, die solche in Ausübung zu bringen ausersehen sind, wird die Eingangs gedachte Gesellschaft Seine Königliche Majestät allerunterthänigst bitten, solche Sanktion durch Höchstdero Landesherrliche Bestätigung des vorstehender maassen darüber verfaßten Instruments allergnädigst zu ertheilen. Urkundlich haben dieses Stiftungsinstrument die hier anwesenden Glieder der gedachten unternehmenden Gesellschaft eigenhändig unterschrieben. So geschehen Berlin, den 15ten Julius 1786. Biester. / Büsching. / D. Chodowiecki. / Diterich. / Engel. / Gebhard. / Gedike. / von Irwing. / von Irwing. / Klein. / Meierotto. / Möhsen. / Fr. Nicolai. / Schmid. / Selle. / Spalding. / Struensee. / Svarez. / Teller. / Theden. / Wlömer. / Zöllner. (*) (*) Von der unternehmenden Gesellschaft fehlen hier folgende: Herr von Benicke, abwesend, Regierungspräsident in Aurich; Herr von Dohm, abwesend, Geheimer Kreisdirektorialrath und Resident in Kölln; Herr Feldpropst Kletschke, abwesend, in 944
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Potsdam; Herr Major Marschall von Bieberstein, gestorben; Herr Moses Mendelssohn, gestorben; Herr Stuve, abwesend, Professor in Braunschweig. in Betracht der Rühmlichkeit dieses Unternehmens, und der dadurch beabsichtigten nutzbaren und heilsamen Vervollständigung der von Unsers Herrn Vetters, des Herzogen LEOPOLD von Braunschweig Durchl. und Liebden, in Frankfurt gestifteteten Garnisonschule, in allen ihren Punkten und Klausuln allergnädigst genehmiget und bestätiget; Setzen, ordnen und wollen hiermit und in Kraft dieses: daß solche Stiftung, nach Maaßgabe der in obigem Instrumente enthaltenen Vorschriften, zur Ausübung gebracht, zu immerwährenden Zeiten fortgesetzt, und darüber genau und pünktlich gehalten werden soll. Wornach sich jedermänniglich, dem dieses vorkommt, oder sonst zu wissen nöthig ist, allergehorsamst zu achten hat. Dess zu Urkund haben Wir gegenwärtige Bestätigung Höchsteigenhändig unterschrieben und mit Unserm Königl. Insiegel bedrucken lassen. So geschehen und gegeben zu Berlin, den 3. September 1786.
Friedrich Wilhelm. Finkenstein. Herzberg. Bestätigung / der Stiftungsurkunde einer Gesellschaft von Gelehrten zum Andenken des Hochsel. Herzogs LEOPOLD von Braunschweig Durchl. und zum Besten der Soldatenkinder zu Frankfurt an der Oder. Quelle: Ebd., S. 31–40.
Gesellschaft zur Errichtung von Erwerbschulen I) Entwurf eines Planes zur Errichtung von Erwerbschulen in Berlin, März 1793 An das wohlthätige Publikum. Die Erfahrung beweist immer mehr, daß es nicht möglich ist, durch öffentliche Armenanstalten alle Nothleidenden vollständig und zwekmäßig zu versorgen. In einer großen Residenz, die mit so vielen Fabrikanten angefüllt ist, muß bei zunehmender Bevölkerung die Zahl der Armen stets größer werden; die milden Beiträge hingegen vermehren sich nicht in gleichem Verhältniß, und es wird mit jedem Tage schwieriger, genaue Aufsicht zu halten, unabläßig nachzuforschen, wer arm sey, und worin der Grund seiner Dürftigkeit liege? So kann es bei allen Bemühungen von Seiten des Armen-Direktoriums doch nicht fehlen, daß nichtswürdige Bettler zuweilen die Gaben der Wohlthätigkeit durch vielfache Künste an sich reissen, während manche der wahren Nothleiden945
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den gar keine oder doch keine hinreichende Unterstützung erhalten. So kann es auch nicht fehlen, daß der Anblick und die Zudringlichkeit so vieler Armen jedes menschenfreundliche Herz täglich mit Schmerz und Mitleid erfüllen. Es giebt nur ein Mittel, diesem Uebel ganz abzuhelfen; nämlich, daß wohlwollende Männer sich freiwillig vereinigen, einzelne Theile der Armenversorgung auf sich zu nehmen. Wenn eine Gesellschaft für die Erziehung armer Kinder sorgt, eine andre mit Verpflegung und Heilung der Kranken sich beschäftigt, eine dritte abgelebte Personen unterstüzt, eine vierte in Verfall gekommene Bürger durch Arbeit oder Vorschüsse vom Verderben rettet u. s. w. so wirkt am Ende alles zu dem heilsamen Zwek zusammen; von dem auf einen Punkt gerichteten Eifer vieler guten Menschen ist der beste Erfolg zu erwarten, jede Gattung der Dürftigen erhält die ihr angemessene Versorgung, und den öffentlichen Anstalten bleibt nur dasjenige übrig, was eigentlich für ihn gehoert, die Besserung der Bettler von schlechten Sitten, und die Unterhaltung der großen Krankenhäuser und Hospitäler, wo weit sie nothwendig sind. Verschiedene Städte Deutschlands, besonders Hannover und Hamburg geben musterhafte Beispiele solcher Gesellschaften. Auch hier in Berlin haben die beiden Holzgesellschaften durch ihre rühmliche Bemühungen großen Nutzen gestiftet und es kömmt nur darauf an, diesen Weg weiter zu verfolgen. Sollte das hiesige Publikum, welches bei so vielen Gelegenheiten durch Gemeingeist und Wohlthätigkeit sich ausgezeichnet hat, es an kräftiger Beihülfe fehlen laßen? sollten sich nicht Menschenfreunde finden, die das hohe Vergnügen schätzen, der Dürftigkeit entgegen zu gehen, und der nothleidenden Menschheit ein besseres Loos zu geben? Gegenwärtig wünscht man den Anfang damit zu machen, daß eine Gesellschaft sich verbindet, arme Kinder zwischen sechs und vierzehn Jahren zu erziehen. // Der erste Schritt zur bessern Armenpflege ist die Sorge für die Jugend; dabei ist auch die wenigste Schwierigkeit, und man kann den sichersten Nutzen hoffen. Die hiesigen öffentlichen Armenanstalten haben zwar dafür gesorgt, daß arme Kinder unentgeldlich unterrichtet werden, es ist ihnen jedoch nicht möglich, genaue Aufsicht zu halten, daß alle arme Kinder wirklich die Freischulen gehörig besuchen; noch weniger ist es ihnen bisher möglich gewesen, die Kinder vor dem absichtslosen Zusammenseyn und liederlichen Herumlaufen zu bewahren, und sie zur Stetigkeit und Arbeitsamkeit zu gewöhnen; Tugenden, die doch als Grundlagen ihres künftigen Glüks ganz unentbehrlich sind. Um diesem Mangel abzuhelfen, ist man entschloßen, wenn die wohlthätige Beihülfe des Publikums es gestatten wird, nach und nach eine hinreichende Anzahl von Erwerbs-Schulen in den verschiedenen Gegenden der Stadt anzulegen. In jeder dieser Schulen werden ungefaehr fünfzig arme Kinder beiderlei Geschlechts in zwei Klassen getheilt durch geschickte Lehrer einige Stunden des Tages in den nöthigen Kenntnissen unterrichtet, die übrige Zeit aber unter den Augen besondrer Aufseher mit einer ihren Kraeften und Fähigkeiten angemessenen Arbeit beschäftigt, und zugleich durch wohlgewählte körperliche Uebungen ermuntert und gestärkt werden. Von demjenigen, was die Kinder durch ihre Arbeit verdienen, wird ihnen ein Theil überlassen, und entwe946
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der zu ihren Bedürfnissen verwendet, oder den Aeltern und Vormündern ausgehändigt werden. Man wird auch den Versuch machen, den aelteren fleißigen Kindern wöchentlich etwas von diesem Gelde in die Hände zu geben, um sie mit dem Gebrauch desselben bekannt zu machen. An den Sonn- und Festtagen werden die Kinder von ihren Lehrern zum öffentlichen Gottesdienst geführt, nachher aber unter Aufsicht behalten, und bei gutem Wetter auf dem Felde oder auf freien Plaetzen anständig belustigt werden. Um Ostern jeden Jahres wird eine öffentliche Prüfung in sämmtlichen Schulen angestellt, die Zeit dazu bekannt gemacht, und denjenigen Kindern, welche sich sehr vortheilhaft auszeichnen, eine passende Belohnung gegeben. Kinder, welche ohne Nachtheil ihrer Moralitaet in den Häusern der Aeltern oder Verwandten bleiben können, werden daselbst gelassen, und allenfalls noch mit Kleidungen oder Lebensmitteln unterstüzt; im entgegengesezten Fall aber guten Bürger-Familien in Kost und Schlafstelle gegeben. Wenn nach vollendetem vierzehnten Jahre ein Kind den nöthigen Unterhalt erhalten hat, wird es auf eine seinen Fähigkeiten und Neigungen gemäße Art untergebracht; ein Knabe bei einem Meister; ein Mädchen bei einer guten Herrschaft. Die Gesellschaft versieht sie noch mit der nöthigen Kleidung und Wäsche, bezahlt auch allenfalls für Knaben, welche in die Lehre gebracht werden, das Lehrgeld. Der Nutzen dieser Erziehungs-Methode bedarf keiner Entwikkelung. Sie // kann jedoch nur bei solchen Kindern angewendet werden, die nach ihrer körperlichen Beschaffenheit zur Arbeit fähig, und in Absicht ihrer Sitten nicht verderbt sind. Kranke oder gebrechliche Kinder, imgleichen solche, die grobe moralische Fehler haben, wird die Gesellschaft nicht eher aufnehmen, bis sie gebessert sind. Sie hoft jedoch, zu ihrer Besserung mit Beihülfe der oeffentlichen Anstalten eine angemessene Einrichtung treffen zu können. Es ergiebt sich von selbst, daß die Unterhaltung der Lehrer und Aufseher, die Anschaffung der Schulbücher und der Geräthschaften zur Arbeit, die häufigen Unterstützungen mit Kleidungen, Wäsche, Lebensmitteln u. s. w. beträchtlichen Aufwand verursachen werden. Man kann auch eine solche Anstalt, besonders in Rüksicht der anzunehmenden Lehrer und Aufseher, nicht auf vorübergehende ungewisse Beiträge gründen, sondern es ist nothwendig, einer bestimmten Summe auf einige Jahre versichert zu seyn. Diejenigen Menschenfreunde, welche zu dieser gemeinnützlichen Untersuchung mitwirken wollen, werden daher ersucht, sich schriftlich zu erklären: wieviel sie vom ersten März 1793. angerechnet auf fünf nacheinander folgende Jahre vierteljährig beizutragen entschlossen sind. Sollte ein Mitglied innerhalb der fünf Jahre etwa sterben: so sind dessen Erben von allen fernern Beiträgen frei; auf gleiche Art werden diejenigen frei, welche im Laufe der fünf Jahre ihren Wohnort anderswo aufschlagen müssen. Die Gesellschaft hoft auch den Nutzen zu stiften, daß Lehrherren und Meister künftig besser gezogene und vorbreitete Knaben in die Lehre erhalten, und nicht mehr durch faule, gefühllose oder ränkevolle Zoeglinge so manchen Nachtheil leiden werden. Sie schmeichelt sich deshalb, daß die hiesigen Gilden und Innungen mit Genehmigung ihrer vorgesetzten Behörde, geneigt seyn werden, aus ihren Kassen fortgehende Beiträge zu bewilligen, 947
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wogegen sie die Befugniß erlangen würden, aus jeder Innung einen Deputirten zu den Versammlungen der Gesellschaft abzuschikken. Einzelne Beiträge wird die Gesellschaft zwar mit Dank annehmen, und treu verwenden; die Geber können jedoch auf die Rechte der Mitglieder dieser Gesellschaft keinen Anspruch machen; vielmehr stehen solche nur denjenigen zu, welche auf die vorhin gedachte Art fortgehende Beiträge entrichten. Es ist auch nothwendig, daß diese Beiträge promt [!] und für jedes Vierteljahr im voraus bezahlt werden; wer mit dem Beitrag zwei Quartale hindurch im Rückstand bleibt, wird aus dem Verzeichnisse der Mitglieder gestrichen. Das hiesige Splittgerbersche Komtoir hat sich geneigt finden laßen, sowohl die fortgehenden als die einzelnen Beiträge in Empfang zu nehmen, und aufzubewahren. Es werden daher die schriftlichen Erklärungen über die zu entrichtenden Beiträge an dasselbe abzugeben seyn. Sobald eine hinreichende Anzahl von Beitragenden vorhanden ist, wird eine allgemeine // Versammlung der Mitglieder veranstaltet, solche durch die öffentlichen Blätter bekannt gemacht, der vollständige Plan zur Prüfung vorgelegt, und über alles, was zur wesentlichen Einrichtung der Anstalt gehört, nach Mehrheit der Stimmen ein Schluß gefaßt werden. Besonders werden auch alsdann diejenigen Mitglieder gewählt, durch welche die Geschäfte getrieben werden sollen; nämlich I. eine Direktion zur allgemeinen Aufsicht über die ganze Anstalt; II. ein Ausschuß für das Rechnungswesen und die Oekonomie; III. ein Ausschuß für den Schulunterricht und die Erziehung; IV. eine hinreichende Anzahl von Vorstehern in jedem Viertel der Stadt, welche mit Beihülfe der Herren Geistlichen die Kinder zur Erziehung auswählen, wegen der ihnen etwa zu reichenden Unterstützung vorläufige Anordnungen treffen, und die nächste Aufsicht über sie führen. Für die Mädchen werden erfahrene Hausmütter um ihren Rath und Beistand ersucht werden. Es wird nicht nöthig seyn, zu sagen, daß die gewählten Mitglieder das ihnen übertragene Geschäft ganz ohne alle Vergeltung übernehmen. Gegen Ostern eines jeden Jahres versammeln sich sämmtliche Mitglieder aufs neue, untersuchen die bisherige Verwaltung und die darüber vorzulegenden Rechnungen, wählen neue Mitglieder zur Betreibung der Geschäfte im folgenden Jahre, und fassen die sonst zum Besten der Anstalt nöthigen Beschlüße ab. Wer bei diesen Versammlungen nicht erscheint, muß dasjenige gelten laßen, was durch die Mehrheit der Anwesenden festgesezt ist; doch können auswärtige, oder sonst abwesende Mitglieder ihre Stimme durch ein anwesendes Mitglied geben. Die Gesellschaft wird endlich ihren Plan bei der Behoerde zur Bestätigung einreichen, auch das Policei-Direktorium einladen, den Versammlungen beizuwohnen, und zur Erreichung des Zwekkes mitzuwirken. Diese kurze Darstellung scheint hinreichend, um sich einen deutlichen Begriff von der allgemeinen Einrichtung dieser Anstalt zu machen. Moechten Männer von Kopf und Herz ihre Aufmerksamkeit darauf richten, der guten Sache die möglichste Vollkom948
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menheit zu geben! Möchten diejenigen, welche die wohlthätige Hand der Vorsehung gesegnet hat, auch ihre Hand dazu öfnen, die dürftige Jugend zu erhalten, und aus ihr nüzliche Menschen zu bilden! Quelle: GStA PK, II. HA, Abt. 4 Kurmark Tit. CCII Armen-Sachen Sect. a Berlin, Nr. 9: Acta betr. die beabsichtete Anlegung verschiedener Arbeits- oder Industrie-Schulen hierselbst, 1797, Bl. 2r–3v. – Der „Aufruf“ ist Anlage eines Schreibens der Gesellschaft an den König vom 10. März 1793, der von Wlömer, Svarez, Gossler, Meierotto, Sack, Zöllner unterzeichnet ist. – Transkription Uta Motschmann.
II) Grundsätze, nach welchen die hiesigen Erwerbschulen eingerichtet sind, 1798 Erster Abschnitt. Allgemeine Grundsätze. §. 1. Zweck dieser Anstalt. Der Zweck dieser Anstalt geht dahin, arme Kinder, zwischen sieben und vierzehn Jahren, zu guten und nützlichen Bürgern oder Bürgerinnen zu erziehen, sie in den nöthigen Religions- und andern Schulkenntnissen unterrichten zu lassen, und sie durch eine ihren Kräften und Fähigkeiten angemessene Beschäftigung zur Stetigkeit und Arbeitsamkeit zu gewöhnen. Nach vollendeter Erziehung wird die Anstalt sich bemühen, wohlgerathene Kinder bei guten Lehrherren oder Dienstherrschaften unterzubringen; sie wird auch, wenn ein Kind sich vorzüglich ausgezeichnet hat, demselben die etwa nöthige Unterstützung an Kleidungsstücken u.s.w. reichen. Eigenschaften der aufzunehmenden Kinder. §. 2. Nur solche arme Kinder können aufgenommen werden, die das Alter von sieben bis vierzehn Jahren haben, ihrer körperlichen Beschaffenheit nach zur Arbeit fähig, und in Absicht der Sitten ohne grobe Fehler sind. Stand oder Herkunft machen keinen Unterschied. Auswärtige Kinder kann jedoch die Gesellschaft nur alsdann zur Erziehung annehmen, wenn für ihren Unterhalt hinreichend gesorgt ist. Pflichten der Aeltern oder Vormünder. §. 3. Die Aeltern, Vormünder oder Verpfleger, welche der Gesellschaft ein Kind übergeben, um bei den Erwerbschulen angestellt zu werden, und die damit verbundenen Vor theile zu geniessen, müssen dasselbe anhalten, sich der eingeführten Ordnung pünktlich zu unterwerfen. Sie sind verbunden, sich während der Erziehung in allen darauf Bezug habenden Angelegenheiten nach den Anweisungen der Vorsteher und der Direktion genau zu achten; besonders müssen sie 1) die Kinder gehörig kleiden, 2) sie frei von Ungeziefer erhalten, und deshalb zum öftern reinigen, 949
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3) dafür sorgen, daß sie täglich zweimal gewaschen werden, Morgens nach dem Aufstehen, und Mittags nach dem Essen. 4) sie anhalten, sich an jedem Tage zu den festgesetzten Stunden in der Schule einzufinden; wenn aber eine erhebliche Krankheit es nothwendig machen sollte, das Kind im Hause zu behalten, dem Aufseher der Schule sogleich schriftliche oder mündliche Anzeige davon machen; 5) genau dahin sehen, daß die Materialien an Flachs, Baumwolle, Leinwand u. s. w., welche den Kindern etwa zur Verarbeitung im Hause mitgegeben sind, weder veruntreuet noch verderbt werden. Sollten verständige und aufmerksame Aeltern in Ansehung des Unterrichts oder der Zucht ihrer Kinder, Mängel der Schule bemerkt zu haben glauben, so können sie solches in der Stille einem der Vorsteher hinterbringen. Selbst aber in die Schule zu gehen, um den Lehrer zur Rede zu stellen, ist schlechterdings nicht erlaubt. §. 4. Der im §. 1. angegebene Zweck der Erziehung könnte nicht erreicht werden, wenn Kinder nur darum der Anstalt übergeben würden, damit sie die ihnen noch fehlende Fertigkeit in den Handarbeiten erlangten. Leider haben gewissenlose Aeltern dies hin und wieder gethan, und die Kinder sogleich, als sie in den Arbeiten geübt waren, aus eigennützigen Absichten zurückbehalten, ohne sich – wie rechtschaffene, für das Wohl der Kinder pflichtmäßig sorgende Aeltern es thun müssen – darum zu bekümmern, ob die Kinder auch im Wesentlichen schon gebildet sind. Ein Kind, welches der Gesellschaft einmal zur Erziehung übergeben worden, kann künftig von den Aeltern oder Vormündern unter keinem Vorwande eher zurückgenommen werden, bis die Gesellschaft erklärt, daß die Erziehung beendigt sei. Nur der Fall wird ausgenommen, wenn die Aeltern von Berlin wegziehen, oder wenn sie nachweisen, daß ein Kind auf bessere Art versorgt werden könne. Der Gesellschaft steht dagegen zu jederzeit frei, der fernern Erziehung eines Kindes zu entsagen, und dasselbe seinen Aeltern oder Vormündern wieder zu übergeben. §. 5. Bevor ein Kind angenommen wird, soll dieser Abschnitt den Aeltern oder Vormündern bekannt gemacht, ihnen ein gedruckter Auszug desselben zur Achtung eingehändigt, und ein Duplikat davon zum Beweise der Einwilligung, von ihnen unterschrieben werden. Allgemeine Einrichtung der Erwerbschulen. §. 6. Zu jeder Schule wird auf Kosten der Anstalt ein Quartier gemiethet, welches ausser der Wohnung des Aufsehers wenigstens zwei geräumige Zimmer enthalten muß, von denen das eine zum Unterrichte, und das andere zur Arbeit bestimmt ist. Das Arbeitszimmer muß etwas geräumiger seyn, als die Schulstube. Es ist so viel als möglich dahin zu sehen, daß jedes Quartier in einer gesunden Gegend der Stadt, im Erdgeschoß, oder doch nicht höher als eine Treppe sei.
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In den Schul- und Arbeitszimmern werden an jedem Fenster Ventilators angebracht, um die nöthige Abwechselung der Luft zu bewirken. §. 7. Bei jeder Schule werden nach Beschaffenheit des Raums sechzig bis siebenzig Kinder, beiderlei Geschlechts, angestellt. Diese Zahl soll nicht ohne erhebliche Gründe überschritten, und so viel als möglich die Gleichheit beider Geschlechter beobachtet werden. Kein Kind erlangt den Zutritt, bevor nicht die Vorsteher der Schule über die Fähigkeit des Aufzunehmenden den Direktoren schriftliche Anzeige gemacht haben, und von diesen nach vorhergegangener Prüfung die schriftliche Genehmigung dazu ertheilt worden ist. §. 8. Jede Schule hat einen Aufseher, welcher ausser der freien Wohnung und Feuerung ein monathliches Gehalt empfängt. Auch werden, um die Kinder weiblichen Geschlechts zu den feineren Arbeiten anzuleiten, besondere Aufseherinnen dazu angenommen. §. 9. Die Kinder sind in zwei Klassen abgetheilt. Während die eine Klasse den Unterricht erhält, wird die andre in einem besondern Zimmer mit Stricken, Spinnen oder Nähen beschäftigt. Nach beendigtem Unterricht arbeiten beide Klassen noch einige Stunden gemeinschaftlich. §. 10. Jede Schule hat sechs bis acht in dem Reviere wohnende rechtschaffene Bürger zu Vorstehern. Sie wählen mit Genehmigung der Direktoren die bei der Schule aufzunehmenden Kinder; sie führen die Aufsicht über die allgemeine Ordnung in der Schule, und besonders über die Arbeiten der Kinder; sie halten zu Anfange eines jeden Monates die Revision über die im vorigen Monate fertig gewordenen Arbeiten, und setzen das [!] den Kindern dafür bestimmte Arbeitslohn nach der Taxe fest. Ausser diesen Vorstehern führen zwei Mitglieder der Direktion bei jeder Schule die besondre Aufsicht. Zweiter Abschnitt. Von den Aufsehern der Schulen. Allgemeine Pflichten derselben. §. 11. Jeder Aufseher muß sich einer gesitteten Lebensart befleißigen, und den Kindern kein böses Beispiel geben. Er muß den Anweisungen der Vorsteher und der Direktion genau Folge leisten, wenn er aber dabei erhebliche Bedenken haben sollte, sie der Direktion schriftlich, oder wenigstens den Spezial-Direktoren seiner Schule mündlich anzeigen. Er muß mit allen Kindern ohne Unterschied verständig und liebreich umgehen, sie zu ihrer Schuldigkeit zwar mit Ernst anhalten, sich aber dabei aller pöbelhaften Schimpfwörter und aller harten und willkührlichen Bestrafungen durchaus enthalten. Hat ein Kind grobe Unarten begangen, so wird der Vorfall in das Wochenbuch verzeichnet, oder wenn eine schleunige Untersuchung nöthig ist, den Vorstehern sogleich angezeigt, welche die Strafe bestimmen und sie in ihrer Gegenwart durch den Lehrer oder den Aufseher vollziehen lassen. 951
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Jeder Aufseher ist ferner schuldig, in der Arbeitsstube stets gegenwärtig zu seyn, die Kinder in der angewiesenen Arbeit zu unterrichten, und auf Ordnung und Fleiß der Arbeitenden Achtung zu geben. Alle Fragen der Kinder hat er mit Sanftmuth zu beantworten, und dahin zu sehen, daß er durch vernünftige Gespräche die Kinder bei der Arbeit aufmuntere, und ihnen dazu möglichst Lust mache. Wird er durch Krankheit verhindert, sein Amt gehörig zu verwalten, so muß dem nächsten Vorsteher sogleich davon Anzeige gemacht werden, damit derselbe einstweilen die nöthige Vorkehrung treffe. Reinlichkeit und gute Sitten der Kinder. §. 12. Die Kinder versammlen sich an jedem Wochentage von Ostern bis Michaelis Morgens um sieben Uhr, und von Michaelis bis Ostern Morgens um acht Uhr. Sie werden um zwölf Uhr entlassen, und müssen sich nach einer Stunde wieder einfinden, ausgenommen Mittwoch und Sonnabend. Ehe die Kinder zur Schule kommen, muß der Aufseher schon in der Schulstube seyn, und auf jedes Kind bei dessen Eintritt in die Schule genau acht haben: ob es gekämmt, an den Händen und am Gesichte rein gewaschen ist, und ob dessen Kleidungsstücke von Staub und Schmutz gesäubert sind? Hierzu hält er die Kinder an, und im Falle sie unreinlich erscheinen, müssen sie vorher sich waschen und säubern, wozu eine besondre Einrichtung in jeder Schule gemacht ist. Auch hat der Aufseher genau darauf zu halten, daß ein jedes Kind bei seinem Eintritt und Weggehen ihn durch eine Verbeugung anständig begrüße, welches ihnen freundlich zu erwiedern ist. §. 13. Sobald die Kinder versammlet sind, und etwa zehn Minuten nach der gesetzten Stunde, müssen sich alle in einen Kreis ehrerbietig herumstellen; der Aufseher hat das ihm vorgeschriebene Gebet langsam und auf eine Andacht befördernde Art den Kindern vorzusprechen, alsdann einen oder zwei Verse aus einem Liede vorzusagen, und darauf zu halten, daß sie von allen Kindern mit gedämpfter Stimme gesungen werden. Wenn dieses geschehen ist, so entläßt er die Kinder, den einen Theil in die Lehrstunde, den andern in die Arbeitsklasse. Eben so wird am Abend die Schule mit Gebet und Gesang beschlossen. Der Aufseher muß auch dafür sorgen, daß die Kinder ohne Ungestüm und Poltern nach und nach sich entfernen, und soweit er sie beobachten kann, auf der Straße keinen Unfug treiben. §. 14. An jedem Sonn- und Festtage müssen die erwachsenen Kinder Vormittags gegen neun Uhr sich in der Schule einfinden. Der Aufseher untersucht zuerst die Reinlichkeit ihrer Kleidung, dann hält er das vorgeschriebene Gebet, und führt nachher die Kinder in die Kirche auf den für sie bestimmten Platz. Er sieht genau darauf, daß sie sich still und anständig betragen, die Lieder gehörig mitsingen, und der Predigt aufmerksam zuhören, damit sie bei der am folgenden Tage vom Lehrer zu haltenden Wiederholung den Hauptinhalt angeben können.
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Reinlichkeit der Zimmer. §. 15. Die Lehr- und Arbeits-Stube hat der Aufseher in der äussersten Reinlichkeit und Ordnung zu erhalten, so daß man zu keiner Zeit Schmutz und Unsauberkeit oder übeln Geruch wahrnehme. Zum Ausfegen, Abwischen und Säubern der Stuben, Tische, Bänke u.s.w. muß er die erwachsenen Kinder selbst mit anführen, und sie in einer dazu schicklichen Zeit damit beschäftigen. Auch müssen täglich in jeder Jahreszeit in beiden Stuben die Fenster Morgens und Abends geöfnet werden, damit beständig frische und reine Luft die Zimmer durchstreiche. Fleiß der Kinder. §. 16. Ueber den Fleiß der Kinder sowohl in den Lehr- als Arbeits-Stunden, über ihre Fortschritte und Gemüths-Eigenschaften, hat der Lehrer ein Buch zu halten, nach der Vorschrift A. In dasselbe trägt er die täglich auf Zetteln gemachten Bemerkungen alle Sonnabend ganz genau ein, und füllt bei jedes Kindes Namen auch die Rubriken: Fleiß und Fortschritte in den Lehrstunden aus. Damit er aber wissen könne, welche Kinder fleißig und welche unfleißig zur Schule kommen, so hat er ein besondres Verzeichniß aller Schulkinder nach der Vorschrift B zu halten, bei welchem er täglich anmerken muß: wie viel Stunden ein jedes Kind gefehlt hat? Sollte ein Kind zwei Tage hinter einander gar nicht zur Schule kommen, so hat er sich persönlich oder durch andre Kinder, denen er trauen kann, bei den Aeltern desselben nach den Ursachen seines Ausbleibens zu erkundigen, und diese Ursachen in dem Wochenbuche zu bemerken. Ordnung der Geräthschaften. §. 17. Der Aufseher muß dafür sorgen, daß die Lehrbücher, Schreibebücher, Federn und alles, was die Kinder in den Lehrstunden gebrauchen, jedesmal sehr ordentlich wieder von ihnen in das dazu bestimmte Behältniß gelegt werde, und er muß darin durchaus keine Versäumniß oder Verwechselung gestatten. Eine gleiche Ordnung muß er die Kinder in Ansehung ihrer Arbeiten beobachten laßen, so daß davon nach geendigter Schulzeit nie etwas in der Arbeitsstube zu sehen sei. Ordnung bei den Arbeiten. §. 18. Ueber die ihm übergebenen Materialien zur Arbeit, als Wolle, Garn, Flachs, Zwirn u. s. w. hält er nach der ihm darüber ertheilten besonderen Anweisung eine ordentliche und genaue Rechnung, und muß sich darin der sorgfältigsten Wirthschaftlichkeit befleißigen. Er sorgt dafür, daß jedes Kind nach seinen Fähigkeiten zur Arbeit angehalten, und darin gehörig unterrichtet werde. Er muß diejenigen Kinder, welche einerlei Art von Arbeit verrichten, jederzeit zusammenstellen, und dem Geschicktesten von ihnen besondre Aufsicht über die andren auftragen, wofür diesem Kinde zuweilen eine kleine Belohnung gereicht werden kann. Er muß ferner die Einrichtung treffen, daß am Ende eines jeden Monats genau übersehen und bestimmt werden könne: wie viel jedes Kind gearbeitet habe? Er fertigt darü953
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ber ein Verzeichniß an, überreicht dasselbe jedesmal den zur Revision sich einfindenden Vorstehern, und liefert zugleich die fertig gewordene Arbeit an sie ab. Er muß durchaus nicht gestatten, daß die Kinder von dem, was zur Schule gehört, irgend etwas anders, als die zu ihrer Beschäftigung im Hause bestimmten, und jedem Kinde anzuweisenden Arbeiten, unter welchem Vorwande es auch sey, mit nach Hause nehmen. Dritter Abschnitt. Vom Schul-Unterrichte. §. 19. Bei dem Schul-Unterrichte wird lediglich darauf gesehen, den Kindern die einem künftigen Dienstboten, Landmann oder Handwerker unentbehrlichen Kenntnisse und Geschicklichkeiten mit möglichster Ersparung von Zeit und Aufwand beizubringen. Das Gedächtniß wird mit Auswendiglernen des Katechismus und einiger erbaulichen Lieder aus dem eingeführten Gesang-Buche beschäftigt; zur Aufmerksamkeit wird der Lehrer durch Fragen über die Theile und Beschaffenheiten solcher Gegenstände, die den Kindern täglich vor Augen kommen, zu erwecken suchen, und durch Vergleichen und Unterscheiden von Dingen, die zum Kreise der Kinder gehören, ihr Nachdenken üben. Dem Verstande werden vornehmlich möglichst klare Begriffe von den vornehmsten Beschäftigungen, Gewerben und Pflichten des bürgerlichen Lebens beigebracht. Von der Naturgeschichte und der natürlichen Beschaffenheit der nächsten Länder, besonders des Vaterlandes, wird den Kindern so viel gesagt, als sie davon verstehen und gebrauchen können; wohin besonders praktische Begriffe vom Feld- und Gartenbau gehören. Auf die Bildung ihres Herzens wird der Lehrer insbesondre durch biblische Geschichten und andre Erzählungen zu wirken suchen, und ihren Gemüthern Gesinnungen der Gottesfurcht, der Redlichkeit, des Gehorsams gegen die Obrigkeit, der Dienstfertigkeit, und eine durchgängige Liebe zur Ordnung einzuflößen bemüth seyn. Ueber alles dieses wird auf die nähere Vorschrift und Anleitung, welche jedem Lehrer beim Antritt übergeben ist, Bezug genommen. Die Geschicklichkeiten, zu welchen die Kinder geübt werden sollen, sind übrigens folgende: 1) Geschriebenes und Gedrucktes fertig und gut lesen; 2) eine Kirchenmelodie richtig singen; Fertigkeit im Aufschlagen biblischer Stellen; 3) Schreiben, deutlich und orthographisch; 4) das nothdürftige Rechnen, so wohl auf dem Papiere als im Kopfe; 5) eine Rechnung, Quittung, Aufschrift auf einem Briefe u. s. w. ordentlich anfertigen. Vierter Abschnitt. Von den Arbeiten der Kinder. Allgemeine Grundsätze. §. 20. Der vornehmste Zweck bei den Arbeiten ist dahin gerichtet, daß die Kinder zur Stetigkeit und Arbeitsamkeit gewöhnt, und zu einer Beschäftigung, die ihnen zum künftigen Fortkommen nützlich ist, angeleitet werden. 954
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Jedes Kind ohne Unterschied des Geschlechts, welches noch nicht hinreichende Fertigkeit im Strumpfstricken erlangt hat, wird zu erst darinn geübt. Nach diesem folgt die Uebung im gewöhnlichen Nähen. Auch hier wird nicht auf den Unterschied der Geschlechter gesehen, weil es für Knaben gleich wichtig ist, daß sie im Stande sind, ihre Kleidungsstücke selbst auszubessern. Wenn ein Kind in diesen beiden Stücken hinreichende Uebung erlangt hat, so kommt es auf den bewiesenen Grad seiner Fähigkeit oder Geschicklichkeit an, zu welcher Art von Arbeit es weiter angeleitet werden solle. Kinder von geringerer Fähigkeit oder Geschicklichkeit werden nur mit gröbern Arbeiten beschäftigt, besonders mit Spinnen des Flachses und der Baumwolle. Zeigt ein Kind mittelmäßige Fähigkeit und Geschicklichkeit, so wird es zu bessern Arbeiten angestellt: Knaben zu Verfertigung von Netzen, kleinen Bändern u. s. w. Mädchen zum Spinnen feiner Wolle, zum Nähen der Kleidungsstücke für die Anstalt u. s. w. Einem Kinde welches vorzügliche Fähigkeit und Geschicklichkeit zeigt, werden feinere Arbeiten gegeben; Seidewickeln, Nähen feiner Wäsche u. s. w. Die Gesellschaft wird sich auch Mühe geben, Gelegenheit zu finden, wo die Knaben zur Garten-Arbeit oder zu andern die körperlichen Kräfte ausbildenden nützlichen Geschäften angeführt werden können. Festsetzung des Arbeitslohns. §. 21. Dasjenige, was die Kinder durch ihre Arbeit verdienen, wird ihnen ganz überlassen. Um dies ohne Schwierigkeiten bestimmen zu können, wird von Sachverständigen eine Taxe des Werthes der Arbeiten nach ihren verschiedenen Gattungen angefertigt, dabei aber auf den der Kasse durch verdorbene Materialien entstehenden Verlust und auf den zur Unterhaltung der Geräthschaften erforderlichen Aufwand Rücksicht genommen. Nach dieser Taxe setzen die Vorsteher bei der jedesmaligen Revision den Verdienst eines Kindes fest, und tragen denselben in das vom Aufseher angefertigte Verzeichniß ein. Ein Theil davon kann jedem Kinde nach dem Gutfinden der Vorsteher zur eigenen Verwendung sogleich baar ausgezahlt werden; der Ueberrest aber wird aufbewahrt, und entweder zu den Bedürfnissen des Kindes verwendet, oder den Aeltern zu diesem Behuf ausgehändigt. Fünfter Abschnitt. Von den Vorstehern. Annahme und Entlassung derselben. §. 22. Bei jeder Schule werden von der Direktion sechs bis acht Vorsteher bestellt, welche die Gegend, in welcher die Schule angelegt ist, unter sich dergestalt vertheilen, daß jeder sein bestimmtes Revier hat. Das Amt eines Vorstehers währt jedesmal bis zur jährlichen General-Versammlung, und wenn ein Vorsteher nicht vier Wochen vorher der Direktion schriftlich aufkündigt, so wird angenommen, daß derselbe das Amt noch ein Jahr behalten wolle. Die Direktion ist auch befugt, einen Vorsteher schon im Laufe des Jahres zu entlassen, und einen andern an seine Stelle nach vorhergegangener Wahl der 955
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übrigen Mitvorsteher zu ernennen. Jeder neue Vorsteher soll der Schule durch ein Mitglied der Direktion vorgestellt, und zur Verwaltung seines Amtes angeleitet werden. Auswahl und Anstellung der Kinder. §. 23. Die erste Obliegenheit der Vorsteher besteht darin, sich von den in ihrem Reviere befindlichen armen Kindern, vollständige Kenntniß zu verschaffen, und auch die nach und nach damit vorgehenden Veränderungen zu beobachten. Unter diesen Kindern wählen sie nach gehaltener Rücksprache mit den Aeltern oder Vormündern diejenigen aus, welche nach den im §. 2. angegebenen Erfordernissen zur Aufnahme fähig sind. Kinder, welche gute Aeltern haben, von ihnen nothdürftig unterhalten werden, und dabei einige Fähigkeit zeigen, werden vorzüglich aufgenommen. Dabei haben jedoch die Vorsteher gewissenhaft den Special-Direktoren anzuzeigen, ob die Aeltern der vorgeschlagenen Kinder etwa des Vermögens seyn, die Kinder ohne Schwierigkeit in andern Schulen gegen Bezahlung ausbilden lassen zu können? Auch haben sie solche Aeltern mit ihrem Gesuche abzuweisen, denen sie es zutrauen, daß sie die Kinder nur auf kurze Zeit, und des eignen Vortheils wegen, der Anstalt übergeben möchten. So bald die vorgeschlagenen Kinder von der Direktion genehmigt sind, lassen die Vorsteher von deren Aeltern oder Vormündern die Bedingungen des §. 3. und 4. unterschreiben oder mit Kreuzen unterzeichnen, stellen ihnen ein Exemplar davon zu, und sorgen nun für die gehörige Anstellung der Kinder. Sollte ein Kind wegen anhaltender Krankheit, schlechter Aufführung oder aus andern Gründen, bei dem Institute nicht länger behalten werden können; so wählen die Vorsteher ein andres Kind an dessen Stelle, zeigen dies der Direktion schriftlich an, und verfahren nach erfolgter Genehmigung auf vorstehende Art. Entsteht eine Veränderung blos daher, weil die Aeltern, oder diejenigen, bei welchen ein Kind sich aufhält, eine andre von der Schule zu sehr entfernte Wohnung beziehen; so wird das Kind an diejenige Schule gewiesen, welche der neuen Wohnung am nächsten ist, und zu diesem Behuf von den Vorstehern der vorigen Schule die nöthige Anzeige bei der Direktion gemacht. Von Unterstützung der Kinder mit Gelde oder Kleidungsstücken. §. 24. Die Gesellschaft kann sich in der Regel nicht darauf einlassen, für die aufgenommenen Kinder, außer dem freien Unterrichte, noch beträchtlichen Aufwand zu ihren Unterhalte an Kleidungsstücken, Lebensmitteln, u. s. w. zu machen. Bei fleißigen Kindern kann dennoch der ihnen überlaßene Verdienst der Arbeit zur Hülfe dienen. Indeß wird solchen Kindern, welchen bei ihrer Aufnahme die nöthigen Kleidungsstücke fehlen, und die von ihren Aeltern oder Verwandten damit nicht versehen werden können, das Unentbehrlichste gereicht werden. Die Vorsteher bemerken in ihrer Anzeige an die Direktion, wie viel das Kind bedarf; die Direktion bestimmt nachher, was dem Kinde gegeben werden soll, und ertheilt die Anweisung auf die Kasse. 956
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Eben so wird es gehalten, wenn ein bereits aufgenommenes Kind durch Zufälle in die Lage kommen sollte, daß es von seinen Aeltern oder Verwandten die nöthigen Kleidungsstücke nicht erhalten könnte. Doch wird den Vorstehe[r]n empfohlen, mit dieser Unterstützung nicht freigebig zu seyn, weil sonst die Kasse zu sehr belästigt werden könnte, vielmehr die Aeltern oder Verwandten so viel als möglich zur Erfüllung ihrer Pflicht anzuhalten. Wird ein aufgenommenes Kind von einer gefährlichen Krankheit befallen, oder erheblich verwundet, so sind die Vorsteher des Reviers eben so befugt, als verbunden, für die Heilung eines solchen Kindes gehörig Sorge zu tragen, und dazu aus der Kasse den nöthigen Zuschuß zu geben, wenn die Aeltern oder Verwandten unvermögend sind. Sie zeigen einen solchen Vorfall in dem monathlichen Berichte an, und reichen nachher die Berechnung des Vorschusses ein, da denn die Direktion wegen der Zahlung das Nöthige verfügt. Damit die Kinder vor den Gefahren der Blattern in Sicherheit gestellt werden, wird man sie unter der Aufsicht eines geschickten Arztes, mit Einwilligung ihrer Aeltern, einimpfen lassen. Die Vorsteher haben in ihren Listen diejenigen Kinder, welche diese verheerende Krankheit noch nicht überstanden haben, anzumerken, und von der Direktion wird alsdann die weitere Veranstaltung getroffen werden. Zu kleineren Unterstützungen, welche nicht vorhergesehen werden können, zu den Belohnungen für fleißige Kinder, und zu andern ausserordentlichen Ausgaben wird die Direktion in jedem Quartale nach Beschaffenheit der Kasse eine bestimmte Summe festsetzen, diese mit Rücksicht auf das besondere Bedürfniß jeder Schule vertheilen, und an die Vorsteher auszahlen lassen. Die Verwendung derselben nach den Grundsätzen des Instituts, bleibt ihrer gewissenhaften Beurtheilung überlassen, und sie reichen am Schlusse des Quartals eine Berechnung darüber ein. Es wird ihnen aber auch hier empfohlen, nicht freigebig zu seyn, und in keinem Falle die für das Quartal ausgesetzte Summe zu überschreiten, weil es sonst auf ihre Gefahr geschehen würde. Aufsicht über die Schule. §. 25. Das wichtigste Geschäft der Vorsteher, besteht in der fortwährenden Aufsicht über die Schule ihres Reviers. Jeder von ihnen ist dazu in gleichem Grade befugt und verbunden; doch können sie zu ihrer Erleichterung die Abrede treffen: daß in jedem Monate zwei von ihnen die besondre Aufsicht übernehmen, und so von Monat zu Monat abwechseln. Die Lebensart und das Betragen des Aufsehers und der Aufseherin müssen sie genau beobachten, sie über die bemerkten Fehler vermahnen, und wenn dies unwirksam seyn sollte, der Direktion davon Anzeige machen. Sie müssen von Zeit zu Zeit die Schule besuchen und nachforschen, ob so wohl beim Unterrichte als bei der Arbeit gehörig verfahren werde? Die hier entdeckten Fehler und Unordnungen stellen sie vorläufig ab, oder machen in erheblichen Fällen der Direktion davon Anzeige. Monatliche Revision. §. 26. Die beiden Vorsteher, welche die besondre Aufsicht übernommen haben, halten an einem bestimmten Tage zu Anfang eines jeden Monats die Revision. Sie untersuchen 957
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zu erst: ob alle Kinder die Schule ordentlich besucht haben? und lassen diejenigen in das Tagebuch eintragen, welche ohne gegründete Entschuldigung ausgeblieben sind. Sie untersuchen ferner: ob die Kinder nothdürftig und reinlich gekleidet sind? und veranstalten, daß den etwa gemachten Erinnerungen nach Anleitung des §. 24. abgeholfen werde. Alsdann lassen sie vom Aufseher das Wochenbuch vorlegen, bestimmen die Belohnungen oder Strafen der erheblichsten Vorfälle nach den Grundsätzen des §. 27. und 28., lassen diese durch den Aufseher in das Tagebuch verzeichnen, auch die etwa nöthig gefundenen körperlichen Züchtigungen so gleich in ihrer Gegenwart vollziehen. Zuletzt halten sie über die in dem Monat verfertigten Arbeiten mit jedem Kinde Abrechnung. Es kommen hier nur solche Arbeiten in Betracht, welche vollendet, und ohne erheblichen Tadel gefunden sind. Jedes der Kinder liefert seine Arbeiten ab, die Vorsteher vergleichen sie mit dem nach §. 18. vom Aufseher angefertigten Verzeichnisse, setzen das jedem Kinde zukommende Arbeitslohn nach der Taxe fest, tragen es in die Liste ein, und zahlen an solchen Kindern, welchen ein Theil dieses Arbeitslohnes ohne Gefahr zur eignen Verwendung überlassen werden kann, denselben sogleich aus. Der übrige Theil des Arbeitslohns wird für die Kinder berechnet, in das darüber für jedes Kind zu haltende besondere Buch eingetragen, und die abgelieferte Arbeit nebst der Liste darüber jedesmal sogleich an den Vorsteher des Magazins abgeliefert. Bestrafung der Kinder. §. 27. Bei Bestrafung der Kinder haben die Vorsteher folgende Grundsätze zu beobachten. Jugendlicher Muthwille wird mit Verweis, Herabsetzung, Versagung der Freistunden, oder auch Entziehung des wöchentlichen Taschengeldes; grobe Nachlässigkeit oder Bosheit aber mit leichten der Gesundheit nicht nachtheiligen körperlichen Züchtigungen, welche jederzeit sogleich in Gegenwart der Vorsteher durch den Aufseher vollzogen werden müssen, bestraft. Ein Kind welches wegen ein und desselben Vergehens schon dreimal bestraft ist, und sich dessen zum Viertenmale schuldig macht, wird ausser der Strafe noch in das besondere Buch geschrieben. Sollten sich bei einem Kinde so grobe moralische Fehler äussern, daß es ohne Gefahr der übrigen nicht länger in der Schule gelassen werden könnte; so haben die Vorsteher demselben den Besuch der Schule vorläufig zu untersagen, und davon der Direktion schleunig schriftliche Anzeige zu machen, welche die weitere Verfügung treffen wird. Belohnungen der Kinder. §. 28. So wie die Vorsteher das Recht haben, Strafen festzusetzen, so sind sie auch befugt, Belohnungen auszutheilen. Kinder, welche von den Aufsehern zur Unteraufsicht oder zur Reinigung der Stuben, Tische, Bänke u. s. w. gebraucht sind, erhalten dafür 958
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wöchentlich ein Geschenk zur eignen Verwendung. Solchen Kindern, die sich durch Fleiß und Geschicklichkeit auszeichnen, werden auf gleiche Art kleine Prämien in baarem Gelde oder Kleidungsstücken gegeben. Ein Kind, welches sich ganz vorzüglich hervorgethan hat, wird ausserdem von den Vorstehern in Gegenwart der übrigen gelobt, und auf die Belohnungstafel geschrieben. Sollte es rathsam seyn, einem solchen Kinde sogleich eine hervorstechende Belohnung zu geben, so können die Vorsteher bei der Direktion auf die Bewilligung eines Ehrenkleides antragen. Aufsicht über die Lebensart der Kinder ausser der Schule. §. 29. Ausser der Aufsicht der Schule, müssen die Vorsteher auch genau beobachten: wie die Kinder in ihren Wohnungen von den Aeltern oder Verpflegern gehalten werden? ob sie gehörige Kost und Kleidung erhalten? ob die Aeltern oder Verpfleger sie hart behandeln? ihnen böse Beispiele geben? oder sonst erhebliche Fehler in der Erziehung begehen. Diese Aufsicht liegt besonders jedem Vorsteher in seinem Reviere ob; er muß von Zeit zu Zeit die nöthigen Nachforschungen darüber in den Wohnungen der Aeltern oder Verpfleger anstellen, ihnen über die bemerkten Fehler ernstliche Weisung – allenfalls mit Zuziehung des Beichtvaters – ertheilen; wenn aber diese fruchtlos bleiben sollte, der Direktion davon Nachricht geben. In Fällen, die keinen Aufschub leiden, kann er auch sogleich vorläufige Verfügung treffen, wenn er vorher mit den Direktoren der Schule Rücksprache gehalten hat. Quartal-Anzeige. §. 30. Gegen das Ende eines jeden Quartals versammeln sich die Vorsteher jeder Schule, um über die zum Besten derselben zu machenden Verfügungen mit einander zu berathschlagen, und eine gemeinschaftliche Anzeige von dem Zustande der Schule abzufassen. Diese Anzeige enthält besonders a) die Zahl der Kinder, welche bei der Schule wirklich angestellt sind, b) den Betrag ihrer Arbeiten im Laufe des Quartals; c) erhebliche Erinnerungen gegen das Betragen der Lehrer oder Aufseher, d) erhebliche Erinnerungen gegen die Aufführung eines der Kinder, e) besondere Vorfälle, bei welchen eine Verfügung der Direktion nöthig ist. Diese Anzeige wird von den Vorstehern unterschrieben, und spätestens am vorletzten Tage im Quartale dem Sekretair der Gesellschaft überschickt, welcher sie bei der nächsten Versammlung der Direktion vorlegt. Sechster Abschnitt. Von der Kasse und dem Magazine der Anstalt. Von der Kasse der Gesellschaft. §. 31. Wer der Gesellschaft noch beitreten, oder einen außerordentlichen milden Beitrag geben will, wird ersucht, sich an das Komtoir der Herren Schickler zu wenden, welche die Führung der Kasse dieser Anstalt gütig übernommen haben. 959
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Die fortgehenden Beiträge werden jederzeit zu Anfang eines Quartals durch den Bothen eingefordert. Zu diesem Behuf ist ein Buch angefertigt, in welches sämmtliche Mitglieder nach alphabetischer Ordnung dergestalt eingetragen sind, daß bei jedem der zu zahlende Beitrag nach den vier Quartalen abgetheilt ist. Der Bothe überreicht das Buch, und das zahlende Mitglied bemerkt darin die geschehene Entrichtung des Beitrags, welches die Stelle der Quittung vertritt. Der Bothe muß an jedem Tage die Einnahme an die Kasse abliefern, auch dafür sorgen, daß in dem ersten Monate eines jeden Quartals sämmtliche Beiträge eingezogen werden. Die etwa bleibenden Rückstände werden am Ende des Quartals der Direktion angezeigt. Die Ausgaben sind theils bestimmte, theils unbestimmte. Von den bestimmten, welche in der Miethe für die Schulwohnungen, den Gehalten der Aufseher, Lehrer u. s. w. bestehen, wird die Direktion gegen Anfang eines jeden Quartals den Etat anfertigen und der Kasse mittheilen, wonach ohne weitere Rückfrage die Auszahlung vorgenommen wird. Alle übrigen Ausgaben setzen zu ihrer Gültigkeit nothwendig eine schriftliche Verfügung der Direktion voraus, welche dabei zum Belag aufbehalten werden muß. Damit jedoch bei der Kasse alle Weitläufigkeit möglichst vermieden werden möge, wird die Direktion in jedem Quartale nach Beschaffenheit der Kasse eine bestimmte Summe zu den Unterstützungen und Belohnungen, für die Kinder aussetzen, und diese mit Rücksicht auf das Bedürfniß einer jeden Schule vertheilen. Nach diesem Vertheilungsplane geschieht die Auszahlung von der Kasse, welche übrigens von der weiteren Berechnung, die nach §. 24. den Vorstehern obliegt, frei ist. Ueber die Einnahme und Ausgabe der Kasse, wird sowohl ein Journal als auch ein nach den verschiedenen Titeln eingerichtetes Hauptbuch geführt, welches zugleich statt der Rechnung dient. Am Ende des Monates März eines jeden Jahres, wird daraus ein Abschluß angefertigt, durch die Direktion mit der Rechnung und den Belägen genau verglichen, und alsdann bei der jährlichen Generalversammlung den Mitgliedern zur Durchsicht vorgelegt. Von dem Magazine. §. 32. Das Magazin begreift die Vorräthe an Materialien und Geräthschaften zu den Arbeiten der Kinder, so wie auch die in jedem Monate fertig gewordenen und abgelieferten Arbeiten in sich. Dem Verwalter des Magazins wird zur Anschaffung der Materialien und Geräthschaften, ingleichen zur Bezahlung des Arbeitslohns, ein verhältnißmässiger Vorschuß durch Verfügung der Direktion aus der Kasse gezahlt, worüber er genaue Rechnung führt. Er läßt ferner auf schriftliche Anweisung der Vorsteher an die verschiedenen Schulen die erforderlichen Materialien und Geräthschaften verabfolgen, nimmt zu Anfang eines jeden Monates die fertig gewordenen Arbeiten nach den §. 18. und 26. beschriebenen Listen in Empfang, und zahlt dafür den Betrag des ausgeworfenen Arbeitslohns an die Vorsteher, zur weitern Verteilung unter die Kinder oder deren Aeltern und Vormünder. Ueber die Materialien, Geräthschaften, und fertig gewordenen Arbeiten wird eine besondere Rechnung geführt, und so eingerichtet, damit daraus das Verhältniß der gelie960
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ferten Materialien und Geräthschaften mit dem Betrage der Arbeit sowohl im Ganzen, als bei jeder einzelnen Schule, übersehen werden könne. Am Ende des Monates März eines jeden Jahres werden auch diese Rechnungen abgeschlossen, und durch die Direktion untersucht. Siebenter Abschnitt. Von der Direktion. §. 33. Die Direktion besteht aus acht bis zwölf Mitgliedern, welche bei der jedesmaligen jährlichen Versammlung erwählt werden. Sollte im Laufe des Jahres das eine oder andere Mitglied abgehen, so können die übrigen die erledigten Stellen wieder besetzen. Die Direktion vertritt in allen Angelegenheiten der Anstalt die Stelle der Gesellschaft, nur allein Veränderungen in der Grundverfassung ausgenommen. Sie veranstaltet die Miethung und Einrichtung der Quartiere zu den Schulen, verfügt über die Annahme oder Entlassung der Kinder, und über die denselben zu reichende Unterstützung, bestellt die Aufseher, Lehrer und Vorsteher, und ordnet überhaupt alles an, was zur Ausführung des Plans gehört. Am zweiten Freitage eines jeden Monats Nachmittags hält sie ihre gewöhnlichen Versammlungen, und es werden ihr die Listen vom verflossenen Monate mit den etwa eingekommenen Anzeigen der Vorsteher und andern Eingaben vorgelegt. Sie faßt ihre Beschlüsse nach Mehrheit der anwesenden Mitglieder ab, und es ist hinreichend, wenn wenigstens drei Mitglieder gegenwärtig sind. Achter Abschnitt. Von den jährlichen Versammlungen. §. 34. Zu Anfange des Monats September eines jeden Jahres wird eine allgemeine Versammlung der Mitglieder dieser Gesellschaft veranstaltet, und der dazu von der Direktion bestimmte Tag durch die öffentlichen Blätter bekannt gemacht. Diese Versammlung hat den dreifachen Zweck: a) öffentliche Prüfung des Zustandes der Anstalt und der Rechnungen, b) Wahl der Mitglieder zur Direktion für das folgende Jahr, c) die etwa nöthigen Veränderungen in der Grundverfassung. Zur Erreichung des ersten Zwecks werden die Rechnungen über die Kasse und über das Magazin mit den davon gemachten Abschlüssen, ingleichen die Listen von den bei jeder Schule angestellten Kindern, und den durch sie verfertigten Arbeiten, vorgelegt, und die nöthigen Erläuterungen darüber ertheilt. Zur Direktion und zu den Ausschüssen für das folgende Jahr, bringt die abgehende Direktion die zu wählenden Mitglieder in Vorschlag; sie entwirft auch die Punkte, wo rauf die Berathschlagung zu richten ist. Der Ordnung wegen kann keiner von den Mitgliedern bei der Versammlung etwas zum Vortrag bringen, wenn er nicht zuvor der Direktion, wenigstens am Tage vor der Versammlung davon schriftliche Nachricht gegeben hat. 961
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Bei der Versammlung führt dasjenige anwesende Mitglied der Direktion, welches bei seiner Wahl die mehresten Stimmen gehabt hat, den Vorsitz; die Beschlüsse werden nach Mehrheit der anwesenden Mitglieder abgefaßt, und jedes anwesende Mitglied hat, ohne weitern Unterschied, eine Stimme. §. 35. Alle Jahre wird mit Zuziehung der Aeltern und der angesehenen Bewohner des Revieres eine Prüfung in jeder Schule, nachher aber eine öffentliche Prüfung aller Schulen angestellt, der Tag zu der letztern durch die Zeitungen bekannt gemacht, und das Publikum eingeladen. Diese öffentliche Prüfung ist dazu bestimmt, die Fortschritte der Kinder so wohl in den Schulkenntnissen als in der Arbeit zu beweisen. In den Schulkenntnissen wird ein Examen gehalten, und von den Arbeiten werden Proben vorgezeigt. Bei den besondern Prüfungen jeder einzelnen Schule muß außer den Vorstehern wenigstens ein Mitglied der Direktion gegenwärtig seyn. Diejenigen Kinder, welche in das Srafbuch eingetragen sind, werden von den übrigen abgesondert gestellt; ihre Fehler von einem der Vorsteher ihnen vorgehalten, und nachdrückliche Ermahnungen beigefügt. Dagegen werden Kinder, deren Nahmen auf der Belohnungstafel stehen, als beifallswürdige Muster dargestellt; sie erhalten kleine Belohnungen an Gelde oder Kleidungsstücken und – wenn die Direktion es bewilligt hat – das Ehrenkleid. Diejenigen Kinder, welche das Ehrenkleid erhalten, und es nachher wegen begangener Fehler nicht wieder verlohren haben, wird die Gesellschaft auch nach beendigter Erziehung ganz vorzüglich unterstützen, und wenn sich Künstlertalente bei ihnen zeigen, zu deren Entwickelung und Ausbildung behülflich seyn. Berlin, den 27sten Dezember 1798. Die Direktion der Erwerbschulen. von Beyer. Bohm. Goßler. Meierotto. Ransbach. Sack. Schultz. Splittgerber. Zöllner. Quelle: Grundsätze, nach welchen die hiesigen Erwerbschulen eingerichtet sind. [Berlin 1798]. (Druckschrift, 15 S.).
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Berlinisches Bürgerrettungs-Institut
Berlinisches Bürgerrettungs-Institut I) Statuten-Entwurf, November 1796, mit Nachträgen vom März 1797 Entwurf der Gesetze des Berlinischen Rettungs-Instituts §. 1. Das Berlinische Rettungs-Institut hat den Zweck, hülfsbedürftigen Bürgern die Möglichkeit zu verschaffen, sich und den Ihrigen für die Zukunft den nöthigen Unterhalt zu erwerben. Nur diejenigen haben daher Rettung zu erwarten, welche glaubhaft nachweisen, daß die ihnen zu bewilligende Unterstützung sie in den Stand setzen werde, die Hindernisse aus dem Wege zu räumen, wodurch ihr bisheriges Gewerbe unterbrochen worden. Diejenigen, welche nur zur Abwendung gegenwärtiger Noth, Beisteuer verlangen, und auch in der Folge fremde Unterstützung als die Quelle ihres Unterhalts ansehen wollen, oder müssen, werden der Fürsorge eines Hochlöblichen Armen-Direktorii, und anderer milden Stiftungen überlassen. §. 2. Die Anstalt erstreckt sich nur auf die Bürger der hiesigen Residenzien, und der dazu gehörigen Vorstädte. Die Gesellschaft hoffet und wünscht, mehrere Städte durch ihr Beispiel aufzumuntern, ähnliche Einrichtungen zu treffen, und wird solchenfalls, auf Verlangen mit größter Bereitwilligkeit die erforderlichen Nachrichten von der innern Einrichtung dieser Anstalt mittheilen. §. 3. Die schriftlich einzureichende Hülfsgesuche müssen bei dem zu deren Annahme erwählten Mitgliede der Gesellschaft übergeben werden, und es ist darin jederzeit Vorund Zuname, Gewerbe und Wohnung der Bittenden genau zu bemerken. Ausserdem ist darin ausführlich nachzuweisen, wie er es möglich zu machen gedenkt, nach erhaltener Beyhülfe sich in die Lage zu versetzen, daß er in der Folge durch Arbeit sich und die Seinigen ernähren könne. Hauptsächlich sind die Atteste glaubhafter Personen beizufügen, welche unter eigenhändiger Unterschrift versichern, daß ihnen der bisherige unbescholtene Lebenswandel, so wie die jetzige Noth des Bittenden bekannt, und seine Angaben überall in der Wahrheit gegründet sind. Empfehlungen, welche nicht zugleich die oberwähnte Bescheinigung enthalten, können nicht angenommen werden, und jedes Mitglied der Gesellschaft an welches sich Hülfsbedürftige wenden, ertheilt ihnen die Anweisung, ein schriftliches Gesuch gehörigen Orts einzureichen.
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§. 4. Auf jedes eingekommene Hülfsgesuch werden die Namen der, nach der festzusetzenden Ordnung zur Prüfung abzuordnenden Mitglieder ernannt, und wenn dieses geschehen ist, cirkuliren die Rettungsgesuche bei sämmtlichen stimmfähigen Mitgliedern der Gesellschaft, damit ein jeder, welchem von den besondern Verhältnissen der Hülfesuchenden Kenntniß beiwohnet, solche den Prüfungs-Kommissarien mittheilen könne. Hiernächst begeben sich die zur Prüfung abgeordnete Mitglieder in die bezeichnete Wohnung des Bittenden, fordern die etwa nöthige Erläuterungen, erkundigen sich nach der bisherigen Aufführung des Bittenden, prüfen oder veranlassen die Untersuchung der Fähigkeiten, wodurch der Bittende, oder dessen Frau und Kinder sich in der Folge Unterhalt verschaffen wollen, und ziehen hinlängliche Nachrichten ein, um beurtheilen zu können, ob das Gesuch für zulässig zu achten, und welche Geldsumme zur Erreichung des beabsichteten Endzwecks zu bestimmen sey. Sind hierzu besondere Kunst- oder Gewerbskenntnisse nothwendig, so erfordern sie deßhalb das Gutachten eines mit dem Hülfsbedürftigen in keiner Verbindung stehenden Sachverständigen. Ergiebt sich nun bei der angestellten Nachforschung die offenbare Unzulässigkeit des Gesuchs, so ertheilen sie den Hülfssuchenden eine abschlägliche Antwort. Wird hingegen das Gesuch für zulässig gehalten, oder bleibt es zweifelhaft, ob der Hülfsbedürftige zugelassen werden könne, so erstatten sie einen ausführlichen Bericht, wodurch die stimmfähigen Mitglieder der Gesellschaft in den Stand gesetzt werden, einen entscheidenden Entschluß zu fassen. §. 5. Stimmfähigkeit zu erlangen, ist die Verpflichtung erforderlich, entweder an den zum Betrieb der gesellschaftlichen Geschäfte nöthigen Mühwaltungen thätigen Antheil zu nehmen, oder einen jährlichen Beitrag von 10 Rthl. gegen Quittung der von der Gesellschaft ernannten drey Cassirer zu entrichten. Auch ein kleiner jährlicher Beitrag wird mit Dank angenommen, berechtigt aber nicht an den gesellschaftlichen Verhandlungen Theil zu nehmen. Der Willkühr eines jeden Mitgliedes bleibt es überlassen, diesen Beitrag auf das ganze Jahr mit einemmal, oder nur vierteljährig vorschußweise abzutragen. Mitglieder, welche mehr als 10 Rthl. jährlich beitragen wollen, benachrichtigen die Kassirer von der bestimmten Summe, um die Empfangscheine diesem gemäß einrichten zu können, oder legen den Überschuß selbst in den bei den gesellschaftlichen Versammlungen aufzustellenden durch dreifache Schlösser zu verwahrenden Geldkasten. Die Verpflichtung zu der gezeichneten Summe hört auf, sobald versichert wird, daß Verhältnisse es nicht mehr erlauben, den versprochenen Beitrag ganz, oder zum Theil zu leisten, und stehet es daher jedem Mitgliede frei, bei dem Schlusse des RechnungsJahres die Gesellschaft zu verlassen. Die Erben eines Mitgliedes sind auch zur Zahlung des Beitrags auf das laufende Jahr nicht verpflichtet.
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§. 6. Werden durch Vermächtnisse und Schenkungen, der Anstalt ansehnliche Summen in der Art zugewendet, daß nur die Zinsen zur Vertheilung kommen sollen, so sind die von dem Erblasser oder Geschenkgeber etwa ertheilte besondere Vorschriften auf das genaueste zu befolgen, und bei der Unterbringung der Kapitalien wird eben die Vorsicht beobachtet, welche den vormundschaftlichen Collegiis vorgeschrieben ist. §. 7. Die Gesellschaft versammelt sich vierteljährig, den ersten Sonntag im Januar, April, Juli und Oktober, Nachmittags nach geendigtem Gottesdienst in einem dazu auszuersehenden geräumigen Saal. An die Stelle der nicht erscheinenden Mitglieder werden nur solche Bevollmächtigte zugelassen, welche selbst stimmfähig sind. Einem jeden stimmfähigen Mitgliede stehet es frei, auch Fremde einzuführen, welche in die Gesellschaft eintreten, oder Geldbeiträge liefern wollen. Diese enthalten sich aller Theilnahme an den gesellschaftlichen Berathschlagungen. Den nicht stimmfähigen Mitgliedern ist zwar der Zutritt nicht verwehrt, sie können aber dasjenige, was sie zum Besten der Gesellschaft anzuzeigen nöthig finden, nur durch stimmfähige Mitglieder vortragen lassen. §. 8. Bei jeder Versammlung wird zuförderst durch ein wortführendes Mitglied von den für die Gesellschaft merkwürdigen Ereignissen des verflossenen Vierteljahres Nachricht er theilet, der Kasse dargelegt, und die Zahl derjenigen gemeldet, welche von der Gesellschaft Rettung erwarten. Wenn dieses geschehen ist, werden die Berichte der zur Prüfung der Hülfsgesuche ernannten Mitglieder verlesen. In Ansehung eines Jeden, werden die anwesenden Mitglieder befragt, ob jemand nach den ihm etwa beiwohnenden Kenntnissen, Erinnerungen zu machen habe, und wenn deßhalb die nöthige Erörterung erfolgt ist, werden die Stimmen der persönlich oder durch Bevollmächtigte anwesenden Mitglieder eingesammlet. Ergiebt die Mehrheit der Stimmen, daß der Hülfsbedürftige für zulässig zu achten sey, so wird dessen Name mit Beifügung der ihm zu bewilligenden Summe, in ein Glücksrad geworfen, und sobald über sämmtliche Berichte in dieser Art entschieden ist, wird zur Ziehung geschritten. Diese wird so lange fortgesetzt, als es der Kassenzustand erlaubt, und wenn dieser nicht hinreichend ist, dem zuletzt aus dem Glücksrade gezogenem die ihm bestimmte Gelder ganz auszuzahlen, so wird das fehlende aus dem zunächst bei der Kasse eingehenden Geldern berichtiget. Diejenigen Hülfsbedürftigen, deren Namen im Glücksrade verbleiben, werden mit der Hoffnung getröstet, daß sie bei der nächsten vierteljährigen Versammlung glücklicher seyn können, indem nicht eher andere Namen ins Glücksrad geworfen werden, bis sämmtliche darin zurückgebliebene herausgezogen worden. In Ansehung dieser bedarf
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es daher keiner weiteren Stimmung, sondern nur der Erkundigung, ob sie sich in der Lage befinden, weßhalb ihnen Unterstützung gereicht werden soll. §. 9. Den Hülfsbedürftigen wird nach geendigter Versammlung von dem Erfolg Nachricht ertheilt. Die Auszahlung der Beisteuern erfolgt nach dem Ermessen derjenigen Mitglieder, welche die Prüfung übernommen haben, mit einemmal, oder in bestimmten Terminen. Die Quittungen müssen von den Unterstützten eigenhändig unterschrieben, oder mit Kreutzen versehen, und von den zur Prüfung erwählten Mitgliedern durch ihre Mitunterschrift beglaubiget werden. Sollte Krankheit, Gefängniß, oder eine andere Abhaltung das persönliche Erscheinen des Unterstützten unmöglich machen, so werden solche Bevollmächtigte zugelassen, deren Beglaubigung von zwei stimmfähigen Mitgliedern attestirt worden. §. 10. Jeder Hülfsbedürftige macht sich anheischig von der zweckmäßigen Verwendung des Geldes und dem dadurch bewürkten glücklichem Erfolg, binnen Jahresfrist der Gesellschaft Nachricht zu ertheilen. Zur Zurückgabe des Empfangenen wird niemand verpflichtet, vielmehr bleibt es lediglich dem eigenen Gefühl eines jeden Geretteten überlassen, wie bald er den Anfang machen will, der Gesellschaft seine Erkenntlichkeit durch Beiträge zu beweisen. Die Gesellschaft wird es der göttlichen Vorsehung als eine segnende Belohnung verdanken, wenn ihr bald das Glück zu Theil wird, solche Mitglieder eintreten zu sehen, deren Wohlstand durch die Bemühungen der Gesellschaft gegründet worden. §. 11. Um Gesinnungen der Wohlthätigkeit in der Gesellschaft erblich zu machen, und jugendliche Herzen dazu aufzumuntern, geschiehet das Einsammlen der Stimmen, das Anfertigen, Wickeln und Ziehen der Loose durch die anwesende Söhne und Töchter der stimmfähigen Mitglieder, welche sich in einem Alter von 6 bis 14 Jahren befinden. §. 12. Die Kassenverwaltung, das Expeditions- und Registratur-Fach, insbesondere die Prüfung der Rettungsgesuche, und Berichterstattung wird von den sich dazu erbietenden und von der Gesellschaft bestätigten Mitgliedern ganz unentgeldlich übernommen. Wie lange sich Jemand diesen Geschäften unterziehen will, bleibt eines jeden freiem Willen überlassen; jedoch ist es nothwendig, die übernommene Mühwaltung fortzusetzen, bis in der nächsten Versammlung ein Nachfolger ernannt worden. Zum Bothen wird ein nothleidender Bürger, oder ein invalider Soldat angenommen, welcher nach vorgängiger Vereidigung mit einem monatlichen Gehalt von 6 Rthlr. an966
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gestellet wird. Die sonst erforderlichen Ausgaben an Kapitalien, Porto und dergleichen werden glaubhaft belegt. §. 13. In der auf jeden Jahresschluß zunächst folgenden Versammlung wird von den drei Kassirern gemeinschaftlich, die Rechnung über Einnahme und Ausgabe des vergangenen Jahres nebst dazu gehörigen Belegen, der Gesellschaft zur Prüfung vorgelegt, gehörig abgenommen, auch dem Befinden nach die Decharge ertheilt. Hiernächst wird über Einnahme und Ausgabe, insbesondere über die Art der zweckmäßigen Verwendung der eingegangenen Gelder eine Nachweisung ausgefertiget, zum Druck befördert, und den Mitgliedern in so viel Exemplarien ausgehändiget, als sie verlangen, um zur Erweiterung der Anstalt mehrere Theilnehmer einzuladen. §. 14. Zu den noch nöthigen Verbesserungen dieser Gesetze wird die Erfahrung in der Folge die zweckmäßigste Anleitung darbieten, und die Mehrheit der Stimmen wird deßhalb entscheiden. Nachricht für diejenige, welche von dem Berlinischen Bürgerrettungsinstitut Hülfe erwarten. §. 1. Bei den jetzt nur sehr geringen Einkünften des Instituts können, nach den von Sr. Königl. Majestät allergnädigst bestätigten gesellschaftlichen Gesetzen, nur Bürger hiesiger Residenzien, und zwar nur alsdann Rettung hoffen, wenn sie bisher einen unbescholtenen Lebenswandel geführt, ohne ihr Verschulden hülfsbedürftig geworden, in der Folge durch Arbeit sich und den Ihrigen den nöthigen Unterhalt erwerben wollen, und durch eine mäßige Unterstützung an Gelde in den Stand gesetzt werden können, künftig mildthätige Beihülfe zu entbehren. §. 2. Es können daher nicht zugelassen werden, alle diejenigen, 1) welche nicht das hiesige Bürgerrecht gewonnen; 2) welche nicht Kräfte und Fähigkeiten besitzen, ein nahrhaftes Gewerbe zu treiben; 3) welche sich durch einen schlechten Lebenswandel der Beihülfe der Gesellschaft unwürdig gemacht, und durch Faulheit, unnöthigen Aufwand, Saufen, Spielen, oder andere Laster, in ihre jetzige hülflose Lage gerathen sind; 4) welche in einer so tiefen Schuldenlast stecken, daß die von der Gesellschaft zu hoffende mäßige Unterstützung nicht zureichend seyn würde, sie gegen das künftige Andringen ihrer Gläubiger sicher zu stellen;
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5) welche Schulden halber in gefängliche Haft gebracht worden, und deren Gläubiger sich nicht bewegen lassen wollen, ihnen so lange Nachsicht zu ertheilen, bis es ihnen durch Beihülfe der Gesellschaft möglich gemacht worden, ihre Schulden aus den Früchten ihres Fleißes nach und nach abzutragen; 6) welche zur Wiederherstellung ihres Gewerbes so ansehnlicher Summen bedürfen, daß die Gesellschaft solche nicht würde bewilligen können, ohne eine Ungerechtigkeit gegen die größere Anzahl derjenigen zu begehen, welchen mit geringern Summen zu helfen ist. §. 3. Es kann daher auf Gesuche, worin nur um solche Geldunterstützung gebeten wird, wodurch der augenblicklichen Noth abgeholfen werden soll, von Seiten der Gesellschaft keine Verfügung erfolgen, vielmehr bleiben Hülfsbedürftige dieser Art der Fürsorge eines hochlöblichen Armendirektorii, anderer milden Stiftungen und einzelner Wohlthäter überlassen, so daß auch die sonst achtungswürdigsten Empfehlungen und Vorschreiben hierunter nie eine Ausnahme bewirken können und werden. §. 4. Wer nun solchergestalt zu der Zahl derjenigen gehört, zu deren Rettung das Institut bestimmt ist, muß sein Gesuch bei der Direktion der Gesellschaft, in der Behausung Sr. Excellenz des Herrn Etats- und Justiz-Ministers Freiherrn von der Reck, oder bei dem Herrn Geheimen Rath von Sellentin in der Friedrichsstraße wohnhaft, oder bei dem Herrn Geheimen Rath Feldmann in der Jägerstraße wohnhaft, oder bei dem Herrn Zimmermeister Adam in der neuen Friedrichsstraße wohnhaft, schriftlich einreichen, indem auf mündliche Anträge nichts verfügt werden kann. §. 5. Das schriftliche Hülfsgesuch muß enthalten: 1) den Vor- und Zunamen des Bittenden, 2) dessen Gewerbe, 3) dessen genau bezeichnete Wohnung, 4) dessen Alter, 5) ob er verheirathet? 6) ob und wie viel Kinder er habe, ob und welche davon versorgt, und in welchem Alter sich die unversorgten befinden? 7) durch welche Unglücksfälle er in die jetzigen hülfslosen Umstände gerathen? 8) ob er Schulden habe, wie hoch sich solche belaufen? wobei Namen, Charakter und Wohnung der Gläubiger zu verzeichnen.
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9) auf welche Art er wieder in den Stand zu kommen gedenke, sich und die Seinigen durch seine Arbeit zu ernähren? 10) welche Geldsumme erforderlich seyn dürfte, um diesen Zweck zu erreichen. Um die Art der Fassung solcher Bittschriften anschaulich zu machen, ist Beispielsweise ein Formular zu einem Hülfsgesuch beigefügt. §. 6. Alle in der Bittschrift enthaltene Angaben müssen bei der nachherigen Prüfung völlig mit der Wahrheit übereinstimmend befunden werden, indem jedes vorsätzlich falsches Anführen die unausbleibliche Folge hat, daß der Bittende für unwürdig erklärt wird. §. 7. Dem Hülfsgesuche muß ein Attest von wenigstens zwei glaubwürdigen Personen beigefügt werden, welche unter eigenhändiger Unterschrift und beigedrucktem Petschaft bezeugen: daß ihnen der Bittende genau bekannt, derselbe bisher einen unbescholtenen Wandel geführt, ohne sein Verschulden verarmt sey, sämmtliche im Hülfsgesuch enthaltene Angaben ihres Wissens der Wahrheit gemäß waren, und sie nach ihrer Überzeugung dafür hielten, daß derselbe auf die angezeigte Art gerettet werden könne. §. 8. Der Hülfesuchende muß sich gegen die von der Gesellschaft zur Prüfung seiner Bittschrift abzuordnende Mitglieder bescheiden und folgsam betragen, ihnen auf alle vorzulegende Fragen eine befriedigende Antwort ertheilen, und so viel es ihm möglich, denselben behülflich seyn, die erforderliche Nachrichten zu dem der Gesellschaft zu erstattenden Bericht einzusammlen. §. 9. Wenn mehreren Nothleidenden, deren Gesuche nach erfolgter Prüfung zuläßig befunden worden, von der Gesellschaft Rettung versprochen ist, der Kassenvorrath aber zu ihrer aller Befriedigung nicht zureicht, so überläßt es die Gesellschaft der Leitung der Vorsehung, wem zuerst geholfen werden soll. Sämmtliche Namen werden in ein Glücksrad geworfen und nur so viel herausgezogen, als nach dem vorhandenen Kassenbestande befriedigt werden können. Es kann und wird die Gesellschaft solchergestalt keinen begünstigen, und es muß ein jeder so lange in Geduld stehen, bis sein Name aus dem Glücksrade gezogen wird. Sollte einer der Hülfesuchenden in der Zwischenzeit sich durch ungestüme Zudringlichkeit auszeichnen, die Gesellschaft mit unnöthigen Empfehlungsschreiben behelligen, und sich so weit vergessen, den Mitgliedern der Gesellschaft auf eine anzügliche und beleidigende Art zu begegnen, so hat derselbe unausbleiblich zu gewärtigen, daß sein Name ausgestrichen, und das ihm zugedachte einem bescheidnern Nothleidenden werde zugewendet werden. 969
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§. 10. Wenn jemand die Reihe trifft, die bewilligte Unterstützung zu erhalten, muß er sich wegen Verwendung der Gelder alle Verfügungen gefallen lassen, welche die Gesellschaft nöthig findet, um ihre Beihülfe zweckmäßig anzuwenden, und gegen das Andringen hartherziger Gläubiger sicher zu stellen. Es hängt daher lediglich von der Gesellschaft ab, in wie fern sie die bewilligte Summe ganz oder nur Terminweise den Hülfsbedürftigen einhändigen, oder durch ihre Mitglieder für ihn das Erforderliche einkaufen und einlösen lassen will. §. 11. Hat die Gesellschaft dem Hülfsbedürftigen nur einen Theil des Bewilligten in Gelde oder Effekten verabfolgen lassen, und er wird einer vorschriftswidrigen Verwendung überführt, so verliert er dadurch alles Recht zu fernerer Unterstützung. Die Entschuldigung, daß die Noth ihn abgehalten habe, die erhaltene Anweisungen zu befolgen, wird nicht für hinreichend geachtet, und nur derjenige erhält den Überrest der ihm bewilligten Summe, der das abschläglich Empfangene zweckmäßig verwendet hat. Sollte jemand mit Tode abgehen, bevor er das ihm Zugedachte ganz oder zum Theil empfangen hat, so können dessen Erben daran keinen Anspruch machen, sondern es wird zur Rettung anderer Nothleidenden verwendet. Hiervon bleibt nur der Fall ausgenommen, wenn eine hinterbliebene Wittwe das Gewerbe ihres Ehemannes fortzusetzen berechtigt und gesonnen ist, welchenfalls ihr nach vorhergegangener anderweiter Prüfung die ihrem Ehemanne zugedachte Unterstützung bewilligt werden soll. §. 12. Ein Erstattung der erhaltenen Beisteuer wird die Gesellschaft nie fordern, sondern der Gerettete übernimmt nur die Verpflichtung, binnen Jahresfrist einen der zur Prüfung seines Gesuchs abgeordnet gewesenen Kommissarien zu benachrichtigen, in wiefern die Bemühungen der Gesellschaft einen glücklichen Erfolg gehabt, und es bleibt seinem eigenen Gefühl überlassen, ob er, sobald es ihm sein künftiger Wohlstand erlaubt, der Gesellschaft beitreten, oder Beiträge liefern, und dadurch einen rühmlichen Beweis seiner Dankbarkeit ablegen will. Berlin, den 27sten November, 1796. Instruktion für die zur Prüfung der Hülfsgesuche ausersehenen Mitglieder des Berlinischen Bürgerrettungsinstituts. §. 1. Zur Prüfung eines jeden Hülfsgesuchs werden von der Direktion der Gesellschaft drei Mitglieder ernannt, welche nach den in jedem Fall eintretenden besonderen Umständen die ihnen obliegenden Geschäfte unter sich vertheilen.
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§. 2. Ist das Hülfsgesuch nicht vollständig abgefaßt, oder sind durch dessen Umlauf Mitglieder der Gesellschaft veranlaßt worden, den Prüfungs-Kommissarien mündlich oder schriftlich Nachrichten mitzutheilen, welche nähere Erläuterungen erfordern, so läßt einer der Kommissarien den Hülfesuchenden durch den Boten zu sich einladen, und verzeichnet nach eingezogener genauer Erkundigung unter dem Hülfsgesuch dasjenige, was zu dessen Ergänzung nöthig war. §. 3. In jedem Fall begeben sich die Kommissarien gemeinschaftlich in die Wohnung des Hülfesuchenden, prüfen dort, so viel es möglich, die Richtigkeit der Angaben, und lassen sich diejenige namhaft machen, welche noch außer den Ausstellern der beigefügten Atteste von dem bisherigen Lebenswandel und den Unglücksfällen des Bittenden glaubhafte Auskunft ertheilen können. Sie erwägen ferner, ob es nöthig, außer denjenigen, auf deren Zeugniß der Bittende sich berufen hat, annoch bei dem jetzigen und ehemaligen Hauswirthe, bei Nachbarn, Handwerksgenossen, besonders den Altmeistern des Gewerks, Viertelskommissarien, Geistlichen des Distrikts, oder sonst Nachrichten einzusammeln; die Prüfungskommissarien sind aber nicht verpflichtet, mit allen genannten Personen Rücksprache zu halten, sondern die Auswahl bleibt ihrem pflichtmäßigen Ermessen lediglich überlassen. Wenn sie diese Auswahl getroffen haben, vertheilen sie unter sich das Geschäft, die nöthig befundene Erkundigungen schriftlich oder mündlich einzuziehen. §. 4. Ist der Hülfesuchende mit Schulden belastet, so wird mit den Gläubigern darüber Rücksprache gehalten, ob sie so lange Nachsicht ertheilen wollen, bis der Schuldner durch die von der Gesellschaft zu erhaltende Gelder in den Stand gesetzt worden, aus seinem Erwerbe seine Schulden in bestimmten Fristen nach und nach abzutragen. Gelingt dieser Versuch so suchen die Kommissarien die Gläubiger zu bewegen, deshalb eine schriftliche Deklaration auszustellen. Wollen die Gläubiger sämmtlich oder zum Theil sich nicht dazu verstehen, die nöthigen Fristen zu bewilligen, so suchen die Kommissarien so viel möglich die Summe auszumitteln, welche erforderlich seyn würde, um die auf Zahlung dringende Gläubiger an Kapital, Zinsen und Kosten zu befriedigen. §. 5. Werden besondere Kunstkenntnisse erfordert, um zu beurtheilen, ob der Nothleidende auf die angezeigte Art wieder im Nahrungsstand gesetzt werden könne, ingleichen, welche Geldsumme dazu erforderlich, und was etwa sonst für zweckmäßige Maasregeln rathsam seyn dürften, so wenden sich die Kommissarien an einen oder mehrere unpar theiische Kunstverwandte oder Gewerksgenossen, insbesondere die Altmeister oder Gewerks-Assessoren, und suchen ein sachverständiges Gutachten einzuholen. 971
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§. 6. Ergeben die angestellten Untersuchungen, daß nach der einstimmigen Meinung der drei Prüfungskommissarien das Hülfsgesuch in Gefolge der gesellschaftlichen Gesetze nicht für zulässig geachtet werden kann, so entwerfen sie eine abschlägliche Resolution, worin die Gründe angeführt werden, weshalb keine Beihülfe erfolgen könne. Von dieser Resolution verbleibt das Concept bei dem an die Direktion zurück zu sendenden Hülfsgesuch, und eine von der Direktion zu unterzeichnende Abschrift wird dem Hülfesuchenden durch den Boten eingehändigt. §. 7. Wird hingegen das Gesuch für zulässig geachtet, oder ist es zweifelhaft, ob die Gesellschaft werde Beihülfe ertheilen wollen oder können, so berathschlagen sich die Kommissarien, auf welche Summe sie ihren Antrag richten, und was sie wegen deren Verwendung und Sicherstellung gegen die Anmaßungen der Gläubiger für Einschränkungen oder sonst sachdienliche Vorschläge beifügen wollen. §. 8. Haben die Kommissarien deshalb den nöthigen Beschluß gefaßt, so entwerfen sie den in der nächsten vierteljährigen Versammlung zu verlesenden Bericht. In diesem ist das Erforderliche zu vermerken, um die Gesellschaft in den Stand zu setzen, einen entscheidenden Entschluß zu fassen. Wie die Berichte dieser Art einzurichten, deshalb lassen sich keine allgemeine Vorschriften ertheilen, und es kommt nur darauf an, Genauigkeit mit möglichster Kürze zu verbinden, weil es sonst bei den Zusammenkünften der Gesellschaft an der erforderlichen Zeit mangeln dürfte. Beispielsweise ist ein Entwurf eines solchen Berichts dieser Instruktion beigefügt. Die Berichte werden von den drei Kommissarien unterschrieben, und der Direktion der Gesellschaft übersendet. Sollten die Kommissarien verschiedener Meinung seyn, so wird der Bericht nach der Mehrheit der Stimmen abgefaßt, und demjenigen, dessen Meinung nicht angenommen worden, stehet frei, solche in einer besondern Anzeige dem Bericht beizufügen. §. 9. Nach jeder vierteljährigen Versammlung werden diejenigen, deren Namen aus dem Glücksrade gezogen worden, durch den Boten davon unverzüglich mit der Anweisung benachrichtigt, sich bei einem der zur Prüfung ihres Gesuchs abgeordnet gewesenen Kommissarien zu melden. Dieser macht ihnen Tag und Stunde bekannt, wenn die Auszahlungen erfolgen sollen, und ertheilt ihnen eine Anweisung auf die zu erhaltende Summe, welche, wenn der Hülfesuchende sie auch von den übrigen beiden Kommissarien unterzeichnen lassen, er den Kassirern nebst der darunter zu vermerkenden Quittung als Rechnungs-Belag aushändigt. Hierbei versteht sich von selbst, daß wenn die bestimmte Beihülfe nicht mit einemmal, sondern nur Terminweise ausgezahlt werden soll, in der Anweisung nur diejenige Summe vermerkt wird, welche der Nothleidende 972
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zuerst erhalten soll, und daß bei Eintritt der bestimmten folgenden Termine ähnliche Anweisungen ausgestellt werden. §. 10. Ist von der Gesellschaft beschlossen worden, daß die Gelder dem Nothleidenden nicht eingehändigt, sondern zu Einkaufen oder Einlösungen verwendet werden sollen, so hängt es von dem Ermessen der Direktion ab, welchem Mitgliede aus der Zahl der Prüfungs-Kommissarien dieses Geschäft aufzutragen ist. Das ernannte Mitglied erhebt gegen eine von der Direktion zu ertheilende Assignation, und darunter von ihm verzeichnende Quittung die erforderlichen Summen von den Kassirern, trifft nun die zweckmäßigen Verfügungen, sorgt möglichst für die Sicherstellung der Beihülfe gegen das Andringen der Gläubiger, und berichtet hiernächst der Direktion mit Beifügung der nöthigen Beläge, in welcher Art dem erhaltenen Auftrage ein Genüge geleistet worden. §. 11. Die zur Prüfung eines Hülfsgesuchs abgeordnet gewesenen Kommissarien sind verpflichtet, von Zeit zu Zeit gelegentliche Erkundigungen einzuziehen, in wie weit der beabsichtete Endzweck erreicht worden, und wenn der Gerettete nach der ihm auferlegten Verbindlichkeit sie von dem glücklichen Erfolg benachrichtigt, oder sie sonst davon Kenntniß erlangen, der Gesellschaft gegen die nächste Versammlung deshalb Anzeige zu thun, und hierdurch das ihnen aufgetragene Geschäft zu vollenden. Berlin, den 27. November 1796. Nachtrag zur Instruktion für die zur Prüfung der Hülfsgesuche ausersehene Mitglieder des Berlinischen Bürgerrettungsinstituts, vom 27. Nov. 1796. Die bisher gesammelten Erfahrungen machen es nothwendig, der am 27. November 1796 entworfenen Instruktion für die Prüfungskommissarien, einige Erläuterungen und genauere Bestimmungen beizufügen. §. 1. Den Hülfesuchenden werden zwar die nicht zweckmäßig abgefaßten Bittschriften von der Direktion mit der Anweisung zurückgegeben, sie nach der ihnen mitgetheilten gedruckten Vorschrift einzureichen, inzwischen erfolgen diese Berichtigungen nur selten mit der nöthigen Vollständigkeit, und es ist daher wesentlich nothwendig, daß derjenige Prüfungs-Kommissarius, welchem das Hülfsgesuch zuerst zugefertigt wird, dessen Zweckmäßigkeit in genaue Erwägung ziehe, und sobald eine Unzulänglichkeit bemerkt wird, das in §. 2. der Instruktion vorgeschriebene Ergänzungsprotokoll in der Art aufnehme, daß es bei der fernern Prüfung zur Grundlage dienen könne.
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§. 2. Bei der zum Behuf des Ergänzungs-Protokolls erforderlichen Vernehmung des Hülfsbedürftigen ist das vorzüglichste Augenmerk darauf zu richten, ob derselbe aus Mangel an Kundschaft in seiner Nahrung zurückgekommen sey? In den mehresten Gewerken ist die Anzahl der Meister zu einer gegen die Erwerbsmittel so unverhältnißmäßigen Größe angewachsen, daß sie unmöglich nebeneinander bestehen können. Aus diesem Grunde hat die Gesellschaft bereits alle diejenige Nothleidende von ihrer Unterstützung gänzlich ausgeschlossen, welche allererst das Meisterrecht erlangen wollen, indem man dadurch nur dazu beigetragen haben würde, den Verdienst anderer Gewerbsgenossen zu schmählern. Die Anzahl der Meister jeden Gewerks nach einem solchen Verhältniß einzuschränken, daß es keinem geschickten und fleißigen Manne an Arbeit fehle, liegt außer dem Wirkungskreise der Gesellschaft, und bleibt dem Ermessen der vorgesetzten Behörde überlassen. Den jetzt arbeitslosen Meistern dazu behülflich zu seyn, ihre Kundschaft zu erweitern, würde die unvermeidliche Folge haben, daß andern Meistern ihr bisheriger Verdienst entzogen, und solchergestalt unverschuldete Dürftigkeit nur von einem auf den andern gewälzt würde. Bei dieser Lage der Sachen bleibt kein anderer Ausweg, als nur diejenigen zu unterstützen, welche glaubhaft bescheinigen können, daß es ihnen nicht an hinlänglichem Absatz ermangelt habe, und sie nur durch Krankheit, oder andere Unglücksfälle außer Stand gesetzt worden, ihr Gewerbe gehörig fortzusetzen. Hierbei werden die Altmeister jeden Gewerks die beste Auskunft geben können, und es ist daher bei Stuhlarbeitern, Schneidern, Schustern, Tischlern etc. die vorzüglichste Pflicht der Prüfungs-Kommissarien dahin zu sehen, daß nicht durch ein unzeitiges Mitglied der beabsichtigte Zweck gänzlich vereitelt werde. Sobald Mangel an Nahrung die jetzige Noth des Hülfesuchenden verursacht hat, kann auch die beträchtlichste Unterstützung seine Rettung nicht bewirken. Dasjenige, was die Gesellschaft bewilligt, wird in kurzer Zeit aufgezehrt; und dann befindet sich der Unterstützte bald wiederum in der Lage, aus welcher man ihn retten wollte. Die ihm erwiesene Wohlthat ist sodann nur ein Almosen, wodurch ihm und den Seinigen das Leben gefristet worden, nicht aber, wie es der Zweck der Gesellschaft erfordert, ein Mittel sich in den Stand zu setzen, künftig fremder Beihülfe zu entbehren. §. 3. Nur selten verzeichnen die Hülfesuchenden ihre Schulden mit der erforderlichen Genauigkeit, und es ist daher ein wesentliches Erforderniß des Ergänzungs-Protokolls, daß darin ein genaues Schuldenverzeichniß enthalten sey. Ergiebt es sich, daß der Hülfesuchende so tief in Schulden versunken ist, daß er durch die von der Gesellschaft zu hoffende Unterstützung nicht davon befreiet werden kann, so würde diese nur zweckwidrig angewendet werden. Nach der Einnahme, welche die Gesellschaft zu erwarten hat, kann sie nur diejenigen retten, deren Schulden von geringem Belang sind, oder deren Gläubiger sich mit einer nicht beträchtlichen Summe behandeln lassen wollen. Behand974
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lungen dieser Art zu erleichtern, haben die Prüfungs-Kommissarien den Gläubigern zu Gemüthe zu führen, daß sie auf keinem andern Wege so geschwind Befriedigung erlangen würden, und daß man die Bewilligung eines Ersatzes nur unter der ausdrücklichen Bedingung verlange, wenn dem Schuldner die gebetene Unterstützung gereicht werden könne, so daß ihnen im entgegengesetzten Falle ihre Gerechtsame auf den ganzen Betrag ihrer Forderungen vorbehalten bleiben. Den behandelten Gläubigern kann die Versicherung ertheilt werden, daß wenn der Schuldner Unterstützung erlangt, die behandelte Summe jedem Gläubiger unverzüglich von den Kassirern der Gesellschaft unmittelbar ausgezahlt werden solle. Da von Pfandgläubigern kein Erlaß zu hoffen ist, so kann die Einlösung versetzter Sachen den Schuldnern selbst überlassen werden, sobald die Prüfungs-Kommissarien in ihren Berichten nur für diejenigen auf Unterstützung antragen, nach deren vorherigen unbescholtenen Lebenswandel mit Sicherheit zu erwarten ist, daß sie die ihnen zum Einlösen einzuhändigenden Gelder zu diesem Behuf anwenden werden. Bei denjenigen, welche die Prüfungs-Kommissarien eines solchen Zutrauens nicht würdig finden, wird der beabsichtete Zweck ohnehin schwerlich erreicht werden. Wenn auch die Prüfungs-Kommissarien die Mühwaltung übernehmen, die versetzte Sachen selbst einzulösen, so können sie doch nicht hindern, daß eben diese Sachen in kurzer Zeit von neuem verpfändet werden, und es ist einerlei, ob der Hülfsbedürftige die Einlösung unterläßt, oder die eingelößte Sachen von neuem verpfändet. Es könnte zwar die Gesellschaft, nach der in der Begnadigungsurkunde vom 30sten November 1796 erhaltenen Befugniß, der anderweiten Verpfändung der eingelößten oder für den Hülfsbedürftigen erkauften Sachen vorzubeugen suchen, allein hiervon wird nur erst dann Gebrauch zu machen seyn, wenn die Gesellschaft ihren Wirkungskreis dahin erweitern kann, auch solche Nothleidende zu unterstützen, von welchen zu besorgen ist, daß sie die erhaltenen Rettungsmittel zweckwidrig anwenden dürften, und über welche daher die Gesellschaft eine vormundschaftliche Aufsicht fortführen müßte. In dem jetzigen Verhältnisse der Einnahme und der Bedürfnisse der Hülfesuchenden verdienen unter den letztern diejenige vorzügliche Begünstigung, von welchen man mit Grunde erwarten kann, daß die den Absichten der Gesellschaft nicht vorsätzlich entgegen arbeiten werden. Diese auszuzeichnen, und für jetzt alle diejenigen zurückzuweisen, zu deren Rettung eine fortgesetzte strenge Aufsicht erforderlich seyn dürfte, ist die zweckmäßigste Beschäftigung der Prüfungs-Kommissarien. Die Gesellschaft kann den Eintritt neuer Mitglieder, Verstärkung der versprochenen Beiträge, oder Begünstigung durch Vermächtnisse und Geschenke nur dadurch befördern, wenn viele Beispiele solcher Personen aufgestellt werden können, welche durch die Bemühungen der Gesellschaft gänzlich gerettet und in Wohlstand versetzt worden. Dieser Erfolg ist nicht leicht von denjenigen zu erwarten, welche nur durch Zwangsmittel von dem Mißbrauch der empfangenen Hülfe abgehalten werden können. Es bleibt daher für jetzt wesentlich nothwendig, nur solchen Nothleidenden Unterstützung zu bewilligen, von welchen man versichert seyn kann, daß es ihnen nicht an gutem Willen zur bestmöglichsten Ver975
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wendung ermangelt. Gleichmäßig würde es auch in ein bloßes Almosen ausarten, wenn man abgelebten und kraftlosen Greisen Unterstützung bewilligen wollte. Nur die Rettung derjenigen kann von ersprießlichem Erfolg seyn, welche sich in solchen Alter und Gesundheitsumständen befinden, daß es ihnen nicht an Kräften zur Arbeit fehlt, und von welchen man hoffen kann, daß sie noch geraume Zeit sich und den Ihrigen durch den Fleiß ihrer Hände werden Unterhalt verschaffen können. §. 4. Die Atteste, welche den Bittschriften bisher beigefügt worden, waren nicht so eingerichtet, wie es im §. 7. der Anweisung für die Hülfesuchenden vorgeschrieben ist. Am häufigsten sind Atteste von Predigern oder Viertelkommissarien, beigebracht, worin gesagt worden, der Bittende halte sich zu ihrer Kirche, wohne in ihrem Distrikte, lebe in dürftigen Umständen, und von seiner Aufführung sey ihnen nichts nachtheiliges bekannt. Scheine dieser Art können nicht für hinlänglich geachtet werden, und machen den Ausstellern unnöthige Bemühung. Eben so wenig sind Atteste zulässig, welche von den Hauswirthen, die rückständige Miethe zu fordern haben, oder von andern Gläubigern der Bittenden ausgestellt worden, indem zu besorgen ist, daß ihr Augenmerk nur darauf gerichtet ist, zu ihrer Befriedigung zu gelangen. Auch bei Attesten solcher Gewerks-Genossen, welche selbst in Dürftigkeit leben, ist zu befürchten, daß sie durch das Versprechen ähnlicher Willfährigkeit verleitet worden, die Wahrheit zu verschweigen. Es ist daher bei Aufnahme des Ergänzungs-Protokolls hauptsächlich dahin zu sehen, daß der Supplikant, in sofern es nicht bereits geschehen ist, untadelhafte und vorschriftsmäßig eingerichte Atteste nachbringe. Die Entschuldigung, man kenne Niemand, von dem man sich solche Atteste erbitten könne, muß jederzeit die Prüfungs-Kommissarien zu einer strengern Nachforschung veranlassen, indem die bisherige Erfahrung gezeigt hat, daß diejenigen, welche die Unmöglichkeit Atteste beibringen zu können, vorgeschützt, bei genauer Erkundigung in einem sehr nachtheiligen Lichte erschienen sind. Durch Rücksprache mit den Stadtverordneten, Altmeistern und andern Gewerks-Genossen, sind bisher die zuverlässigsten Nachrichten eingesammelt worden. Da auch die Vorsteher der in den verschiedenen Stadtdistrikten errichteten Erwerbschulen vorzüglich Gelegenheit haben, die nothleidende Klasse der hiesigen Einwohner genau kennen zu lernen, so ist die Direktion gedachter Schulen ersucht worden, diese Vorsteher aufzufordern, den Prüfungs-Kommissarien bei ihren Nachforschungen behülflich zu seyn, und es ist nicht zu zweifeln, daß dieses von erwünschtem Erfolge seyn werde. Hauptsächlich hängt nun alles davon ab, daß niemand sich durch unzeitiges Mitleid verleiten lasse, bei dem Anblick des äußersten Elends die Frage für unnöthig zu halten, ob dieses auch nicht durch eigenes Verschulden veranlaßt sey? Für die Fortdauer des Instituts kann nichts von nachtheiligern Folgen seyn, als wenn Leute Unterstützung erhalten, welche durch Faulheit, Verschwendung, Spiel, Trunkenheit oder andre Laster verarmt sind, und die ihnen bewilligten Gelder auf gleiche Art verschwenden. Durch Vorwür976
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fe dieser Art erkaltet der Eifer der Wohlthätigkeit, und der unschuldige Hülflose kann nicht unterstützt werden, weil man in der Auswahl der zu Unterstützenden nicht mit der erforderlichen Strenge verfahren ist. Werden diese unvermeidlichen Folgen zu großer Nachgiebigkeit nie außer Acht gelassen, so ist zu hoffen, daß man nur solche unbescholtene und arbeitsame Nothleidende begünstigen werde, deren nachheriges Benehmen Aufmunterung darbietet, der Gesellschaft mehrere milde Gaben zu gleicher zweckmäßigen Verwendung anzuvertrauen. §. 5. Im §. 3. der Instruktion sind zwar die Kommissarien angewiesen, sich zum Behuf der anzustellenden Prüfung gemeinschaftlich in die Wohnung des Hülfesuchenden zu begeben; allein die Erfahrung hat gezeigt, daß es zweckmäßiger sey, wenn dieses von jedem der drei Kommissarien einzeln geschiehet. Sie erhalten dadurch den Vortheil, daß es keiner vorläufigen Verabredungen bedarf, welche überdem sehr oft durch unvorherzusehende, den einen oder andern treffende Hindernisse, ganz vereitelt werden, oder die nachtheilige Folge haben, daß man zu eilfertig zu Werke geht. Das Erscheinen von drei Kommissarien macht in dem Hause und bei den Nachbarn großes Aufsehen, die Absicht desselben bleibt nicht verschwiegen, und sowohl der Wirth als die Hausgenossen werden bei erfolgender Nachfrage zurückhaltender, weil sie nun wissen, in welcher Absicht die Erkundigungen eingezogen werden. Hauptsächlich ist es von großem Nutzen, wenn der Hülfesuchende mehrmalen in seinen häuslichen Verhältnissen unvorbereitet beobachtet wird, auch jeder der drei Kommissarien zu verschiedenen Zeiten und auf eine nicht gleichförmige Art von ihm Auskunft fordert. Die Beschäftigungen, bei welchen man den Hülfesuchenden, dessen Frau und Kinder findet, und hauptsächlich die mehrere oder mindere Reinlichkeit, sowohl in Wohnung als Kleidung, haben den größesten Einfluß auf ein gegründetes Gutachten. Auch in dem drückendsten Elende wird der Arbeitsame und Ordnung liebende sich von dem Trägen und Sorglosen auf eine vortheilhafte Art auszeichnen, und selten wird jemand gerettet werden können, der bis zur gänzlichen Unthätigkeit herabgesunken, oder gegen die Folgen der Unsauberkeit gleichgültig geworden. Es ist daher sehr nothwendig, daß jeder der drei Prüfungs-Kommissarien eigene Beobachtung anstelle, und sich solchergestalt zur Abgabe eines pflichtmäßigen Gutachtens vorbereite. §. 6. Nach dem §. 6. der Instruktion sollen die Prüfungs-Kommissarien, wenn sie ein ihnen zugeschriebenes Gesuch für unzulässig achten, eine abschlägliche Resolution entwerfen, worin die Gründe angeführt worden, weßhalb keine Beihülfe erfolgen kann. In der Folge ist aber rathsamer gefunden, ein allgemeines gedrucktes Formular zu allen abschläglichen Resolutionen des Inhalts einzuführen, daß nach den von der Gesellschaft zur Richtschnur angenommenen Gesetzen die gebetene Unterstützung nicht bewilligt werden könne. 977
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Die Hülfesuchenden haben kein Recht, die Gründe zu erforschen, weßhalb ihr Gesuch verworfen worden. Im entgegengesetzten Falle würde deren Mittheilung einestheils die Folge haben, daß in ähnlichen Fällen die Supplikanten alles dasjenige zu verheimlichen suchten, wodurch bei andern abschlägliche Resolutionen begründet werden, und anderntheils wird Feindschaft und Streit unvermeidlich seyn, wenn der abgewiesene entdecken könnte, auf welchem Wege die Gesellschaft die ihm ungünstigen Nachrichten erhalten habe. Um die Prüfungs-Kommissarien gegen alle Unannehmlichkeiten sicher zu stellen, ist die Einrichtung getroffen, daß alle Bittschriften, worauf abschlägliche Resolutionen erfolgen sollen, so lange zurückgelegt werden, bis in der öffentlichen Versammlung der Gesellschaft gestimmt worden. Erst, wenn dieses geschehen ist, werden die abschläglichen Resolutionen ausgefertigt, und den Abgewiesenen bleibt es daher unbekannt, ob ein ungünstiger Bericht der Prüfungs-Kommissarien, oder die zu seinem Nachtheil ausgefallene Mehrheit der Stimmen, seine Hoffnung vereitelt habe. Bei dieser Einrichtung können die Kommissarien, durch die Vorsicht, ihre Meinung den Hülfesuchenden nicht unnöthig zu eröffnen, und durch die Äußerung, daß alles von dem Ermessen der Gesellschaft abhänge, alle besorgliche Verdrießlichkeiten von sich abwenden, auch wenn sie solchen Supplikanten, deren Gesuche sie für unzulässig achten, sich nicht namentlich bekannt machen, deren ungestümen Überlauf vorzubeugen. Es kömmt alles darauf an, glaubhafte Nachrichten von dem bisherigen Lebenswandel der Supplikanten zu erlangen. Da es nun wohlgesinnten Herzen wehe thun muß, einem Nothleidenden durch ungünstiges Zeugniß ein Rettungsmittel zu entziehen, und ein jeder durch die Besorgniß, sich vielleicht Unannehmlichkeiten zuzuziehen, noch zurückhaltender wird, so ist es sehr nöthig, mit der größesten Verschwiegenheit zu Werke zu gehen. Es ist daher die Einrichtung getroffen, daß diejenigen Mitglieder der Gesellschaft, oder andere, welchen ein bei dem Institut Hülfesuchender in der Art bekannt ist, daß sie ihn einer Unterstützung für würdig achten, entweder einen der Prüfungs-Kommissarien, oder den die Direktion oder Kasse verwaltenden Mitgliedern, davon mündlich oder schriftlich benachrichtigen können, wobei sie denn sicher zu erwarten haben, daß ihr Name niemand eröffnet, und die gethane Anzeige zweckmäßig zu genaueren Nachforschungen genutzt werden soll. Wenn Anzeigen dieser Art von glaubhaften Personen, nach bereits abgestatteten Berichten der Prüfungs-Kommissarien, eingehen, so wird jederzeit das Prüfungsgeschäft erneuert, dabei von den erhaltenen Nachrichten Gebrauch gemacht, und deren Grund oder Ungrund mit möglichster Sorgfalt ausgemittelt werden. §. 7. Da sich sehr oft der Fall ereignet, daß den zu Unterstützenden Kredit verschafft werden muß, um die zum Betrieb ihres Gewerbes erforderlichen Waaren zu erhalten, so ist von der Gesellschaft die Einführung von Kreditbriefen beliebt, welche nach dem in der ersten Anlage diesem Nachtrag beigefügten Formular eingerichtet werden. Hierdurch 978
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hat man einen vielfachen Nutzen beabsichtet. Die Gesellschaft erhält Gelegenheit, auf die zuverlässigste Art von Zeit zu Zeit zu erfahren, ob die Unterstützten ihre Versprechen erfüllen, und durch ihren Fleiß nach und nach zu bessern Vermögensumständen gelangen. Geschiehet dieses, und werden die Kreditbriefe durch richtige abschlägliche Zahlungen eingelöset, so wird dadurch der überzeugendste Beweis geliefert, daß man so glücklich gewesen, würdige Nothleidende zu retten, und es kann sodann wohl nicht leicht jemand gereuen, die zu wohlthätigen Absichten bestimmten Gelder auf eine so ersprießliche Art angewendet zu haben. Hauptsächlich wird dadurch für die Kasse eine sehr ergiebige Quelle der Einnahme eröffnet. Wenn die Geretteten ihre Verbindlichkeiten erfüllen, so erlöschet mit Ablauf eines jeden Vierteljahres der achte Theil der ganzen Summe, für welche die Gesellschaft sich verbürget hat, und der Betrag kann zur anderweitern Vertheilung benutzt werden. In dieser Rücksicht ist es sehr nöthig bei jeder Prüfung ein vorzügliches Augenmerk darauf zu richten, in wie weit die Unterstützung ganz oder zum Theil durch einen Kreditbrief bewirkt werden kann. Die PrüfungsKommissarien haben hierbei die Hülfesuchenden zu bedeuten, daß, Erstens man ihnen eine geräumige Frist von mehr als einem Vierteljahre gestatte, um zu Kräften zu kommen, und daß sie nachher nur monatlich den 24sten Teil des erhaltenen Kredits abtragen dürfen. Zweitens. Daß wenn sie durch Krankheit oder Unglücksfälle außer Stand gesetzt werden sollten, die bestimmten Termine einzuhalten, man nach erfolgter Prüfung geneigt seyn werde, den Kreditbrief verhältnißmäßig zu verlängern. Drittens. Daß es von eines jeden Unterstützten freien Wahl abhange, auf welches Kaufmanns Namen, der Kreditbrief gestellt werden solle, und daher jeder anzugeben habe, bei wem er die wohlfeilsten Preise, und für ihn tauglichsten Waaren erhalten zu können glaubt. Viertens. Daß wenn es bei ihrem Gewerbe ihnen zuträglicher sey, die Summe, für welche die Gesellschaft sich verbürgt, in mehrere auf verschiedene Kaufleute zu richtende Kreditbriefe zu theilen, ihnen auch darin gewillfahret werden könne. Fünftens. Daß wenn sie glaubten von demjenigen Kaufmanne, der einen Kreditbrief angenommen, in den Preisen übersetzt, oder sonst nicht gut behandelt zu werden, und sie durch Bezahlung der aufgenommenen Waaren den Kreditbrief einlösen könnten, man ihnen einen neuen Kreditbrief auf den Namen eines anderweitig von ihnen anzuzeigenden Kaufmanns ausfertigen werde, wobei sich jedoch von selbst verstehe, daß in Ansehung der Summe, auf welche der eingelösete Kreditbrief annoch gültig ist, so wie auch in Ansehung der Fristen zur abschläglichen Zahlung, durch solche Umschreibungen der Kasse kein Nachtheil erwachsen müsse. Ferner ist es sehr dienlich, wenn einer der Prüfungs-Kommissarien die Kaufleute, auf deren Namen Kreditbriefe gestellet werden sollen, vorläufig mit dieser Einrichtung, und damit bekannt macht, wozu man sich durch Annahme eines Kreditbriefes verbindlich mache, damit in den Berichten bestimmt angezeigt werden könne, in welcher Art die Kreditbriefe auszufertigen seyn würden.
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§. 8. Um die im §. 9. der Instruktion vorgeschriebene Art der Auszahlungen zu erleichtern, sind zu den über die bewilligte Unterstützungen auszustellende Quittungen die Formulare in der Art gedruckt, wie die zweite Beilage dieses Nachtrages ausweiset. Gleich nach jeder Vertheilung werden von einem der Kassirer für alle diejenigen, welche Beihülfe, theils in Gelde, theils durch Kreditbriefe erhalten sollen, die Quittungen ausgefertigt, und den zur Hebung kommenden durch den Boten mit der Anweisung überschickt, sich zu einem derjenigen Mitglieder der Gesellschaft, welche ihr Gesuch geprüft haben, zu verfügen, und in dessen Gegenwart die Quittung zu unterzeichnen, hiernächst aber das unter der Quittung befindliche Attest von sämmtlichen drei Prüfungs-Kommissarien vollziehen zu lassen. Wenn dieses geschehen, wird der Hülfsbedürftige angewiesen, sich zu dem Kassirer zu verfügen, welcher ihm die Quittung übersendet hat, und dort Geld- und Kreditbrief in Empfang zu nehmen. Ist den behandelten Gläubigern versprochen worden, daß sie unmittelbar aus der Kasse befriedigt werden sollen, so lassen ihnen die Prüfungs-Kommissarien durch den Boten bekannt machen, wo sie sich in Person oder durch Bevollmächtigte zur Empfangnehmung einzufinden haben. Hierbei dienet den Kassirern der von den Prüfungs-Kommissarien erstattete Bericht zur Richtschnur, sie zahlen den von dem Schuldner ihnen vorzustellenden Gläubigern, letztere quittiren den erstern, und die von dem Unterstützten vollzogene Quittung dienet zum Belage der Ausgabe. Bei dieser Gelegenheit wird der Unterstützte nochmals wegen der Verbindlichkeiten verständigt, welche ihm in Ansehung des etwa erhaltenen Kreditbriefs obliegen, hauptsächlich aber wird ihm zu Gemüthe geführt, wie sehr er sich durch zweckwidrige Verwendung der Beihülfe an solchen Nothleidenden versündigen würde, welche in der Zukunft durch die Bemühungen der Gesellschaft hätten gerettet werden können, wenn die Beispiele wohl angewendeter Unterstützungen einen stärkern Zufluß milder Gaben verursacht hätten. §. 9. Wenn diejenigen, welchen zu ihrer Rettung Beihülfe bewilligt worden, durch eigene oder ihrer Frauen und Kinder Krankheiten, genöthigt werden sollten, einen Theil des Empfangenen zur Erlangung medicinischer oder chirurgischer Hülfe zu verwenden, so haben die Prüfungs-Kommissarien ihnen bekannt zu machen, daß der Königliche HofMedicus, Herr Bör, und der Königliche General-Chirurgus, Herr Laube, sich rühmlichst erboten haben, zu den wohlthätigen Absichten der Gesellschaft durch unentgeldlich zu ertheilenden Rath kräftigst mitzuwirken. §. 10. Eine anderweite Erleichterung kann den Unterstützten auch dadurch verschafft werden, daß sie das für ihre Kinder sonst zu zahlende Schulgeld ersparen können. Es hat sich nämlich die Direktion der hiesigen Erwerbschulen geneigt finden lassen, den Kindern 980
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derjenigen, welche Unterstützung erhalten, vorzüglich die Aufnahme in die Erwerbschulen zu gestatten, sobald in Rücksicht des Alters, der Gesundheit, und Moralität der Kinder, keine erhebliche Hindernisse obwalten. Es haben daher die Prüfungs-Kommissarien in vorkommenden Fällen von diesem Erbieten Gebrauch zu machen. §. 11. Da bei der großen Anzahl der sich meldenden Hülfebedürftigen wahrscheinlich der Kassen-Vorrath nur zur Unterstützung einer geringern Anzahl der Würdigbefundenen zureichend seyn dürfte, so ist beliebt worden, durch Mehrheit der Stimmen der bei den öffentlichen Versammlungen anwesenden Mitglieder der Gesellschaft , diejenigen auszuzeichnen, deren Namen bei der nächsten, oder allererst bei folgenden Vertheilungen, ins Glücksrad geworfen werden sollen. Bei dieser Auswahl werden vorzüglich diejenigen zu begünstigen seyn, 1) welche am glaubhaftesten nachgewiesen, daß es ihnen nach erhaltener Unterstützung nicht an Kundschaft und Absatz fehlen werde, so daß man mit der mehresten Wahrscheinlichkeit hoffen kann, sie bald in Wohlstand versetzt zu sehen; 2) deren Gläubiger sich zu einem so beträchtlichen Erlaß ihrer Forderungen erboten haben, daß der Unterstützte durch gänzliche Befreiung von Schulden seinen künftigen Erwerb ganz allein zu seinem und der Seinigen Unterhalt verwenden kann, ohne durch Zins-Abtrag und abschlägliche Zahlungen gedrückt zu werden; 3) welche die vortheilhafteste und glaubwürdigste Zeugnisse ihres Fleißes und bisherigen untadelhaften Lebenswandels beigebracht, so daß man von ihnen mit größerm Zutrauen die zweckmäßigste Verwendung der Beihülfe erwarten kann; 4) welchen vorzüglich durch Kreditbriefe zu helfen ist; 5) zu deren Rettung eine verhältnißmäßig geringere Summe hinreichend ist; 6) die sich noch in einem solchen Alter befinden, daß durch ihre Rettung ein lange Jahre fortdaurender Nutzen für sie und die Ihrigen zu hoffen ist; 7) deren Familien-Verhältnisse, besonders in Rücksicht derjenigen, welche von ihnen Unterhalt erwarten, zu einem ausgezeichneten Mitleiden Gründe darbieten. Die Prüfungs-Kommissarien haben daher bei denjenigen, auf welche diese Bezeichnungen Anwendung finden, in ihren Berichten alle Nachrichten zu sammeln, welche die Gesellschaft in den Stand setzen können, unter mehrern würdig befundenen diejenigen auszuzeichnen, deren Namen zuerst ins Glücksrad geworfen werden, und dadurch ein Recht erhalten sollen, durch die zuerst eingehende Gelder unterstützt zu werden. Berlin, den 17ten März 1797. v. Reck. v. Sellentin. Feldmann. Adam.
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Instruktion für die zur Kassenverwaltung des Berlinischen Bürgerrettungsinstituts ernannte Mitglieder. §. 1. Den zur Kassenverwaltung ausersehenen drei Mitgliedern bleibt es überlassen, wie sie die vorfallenden Arbeiten unter sich vertheilen wollen, in sofern nicht durch gegenwärtige Instruktion ausdrücklich vorgeschrieben ist, daß bei einem oder andern Geschäft die Gegenwart sämmtlicher drei Kassirer erfordert werde. Sollte in einem dieser Fälle einer der Kassirer durch Krankheit oder sonst verhindert werden, so meldet er solches der Direktion, welche einem andern Mitgliede aufträgt, seine Stelle zu vertreten. §. 2. Jeder Kassirer erhält ein mit dreifachen Schlössern versehenes Kästchen, und die Schlüssel zu diesen drei Kästchen werden unter die Kassirer vertheilt. Diese Kästchen sind zu solchen milden Beiträgen bestimmt, weßhalb keine Quittungen verlangt und ausgestellet werden. Meldet sich jemand, welcher einen Beitrag liefern will persönlich bei einem der Kassirer, so wird derselbe ersucht, das Geld selbst in das Kästchen zu werfen. Übersendet jemand ohne Quittung zu verlangen einen Beitrag unversiegelt, so schüttet der Kassirer das Erhaltene unverzüglich in eben dieses Kästchen. Versiegelte Beutel und Paquets, welche ohne Quittung zu verlangen, dem Kassirer ins Haus geschickt, oder von der Post abgeliefert werden, verwahrt derselbe uneröffnet bis zur nächsten Zusammenkunft sämmtlicher Kassirer, wo denn solche von ihnen gemeinschaftlich erbrochen, und die darin befindliche Gelder in das Kästchen geschüttet werden. §. 3. Die Eröffnung der drei Kästchen geschiehet kurz vor jeder vierteljährlichen Versammlung der Gesellschaft, in Beysein sämtlicher drei Kassirer, und eines von der Direktion zur Führung des Protokolls deputirten Mitgliedes. Sollte während dem Laufe des Vierteljahres ein oder anderes Kästchen dergestallt angefüllt seyn, das solches keine mehrere Beiträge fassen könnte; so erfolgt die Eröffnung auf gleiche Art. Wenn die Eröffnung geschehen, werden die Gelder überzählt, und der Betrag wird mit Absonderung von Gold, Courant oder Scheidemünze genau in dem aufzunehmenden Protokolle verzeichnet. Finden sich Schaumünzen oder Geldsorten von höherem oder geringerem Gehalt, als die gewöhnlichen Landesmünzen, so werden solche besonders angemerkt. Das Protokoll wird von den anwesenden vier Mitgliedern unterzeichnet, und als Belag der Rechnung aufbewahrt. §. 4. Eines der obgedachten Kästchen wird bei der vierteljährigen Zusammenkunft der Gesellschaft zur Einsammlung der alsdenn etwa erfolgenden Beiträge aufgestellet, und 982
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bleibt bis gegen die Zeit der nächsten Zusammenkunft uneröffnet, es wäre denn, daß sehr reichliche Beiträge erfolgten, und die Direktion um die zu vertheilende Summe zu verstärken, die Eröffnung während der Versammlung verordnete, welchenfalls sodann nach Vorschrift §. 3. verfahren wird. §. 5. Diejenige außerordentliche Beiträge, worüber Quittung verlangt wird, vermerkt jeder Kassirer unter fortlaufenden Nummern in sein Manual in der Art, daß er dabei verzeichnet, auf wessen Namen die Quittung gestellet, und in welcher Münzsorte gezahlt worden. Das Empfangene wird nicht in das Kästchen geschüttet, sondern besonders bis zur nächsten vierteljährigen Versammlung aufbewahrt. Da es nicht ausführbar seyn würde, jede einzelne Quittung vor der Aushändigung an die beiden andern Kassirer zur Mitunterschrift herumzuschicken, so erhält jeder Kassirer von den beiden übrigen 12 mit ihrem Namen versehene unausgefüllte Quittungen. Sind diese nach Anweisung des vorzulegenden Manuals verbraucht, so wird eine ähnliche Anzahl unausgefüllter Quittungen unterzeichnet, und in dieser Art ein jeder Kassirer von den beiden übrigen kon trollirt. §. 6. Über die von den Mitgliedern vierteljährlich oder jährlich zu erwartende Beiträge wird den Kassirern mit Anfang des vom ersten December anhebenden Rechnungsjahres ein von der Direktion zu unterzeichnender Etat eingehändigt, nach welchem sie die Einsammlung besorgen, und sich dieses Etats zum Belag ihrer Rechnung bedienen. Wegen der im Lauf des Rechnungsjahres eintretenden neuen Mitglieder erhalten die Kassirer von der Direktion von Zeit zu Zeit besondere Nachträge des Etats, worin vermerkt wird, von welchem Termin angerechnet die Beiträge erfolgen sollen. §. 7. Die Zeit der Einsammlung der jährlichen und vierteljährlichen Beiträge wird von den Kassirern durch die Zeitungs- und Intelligenzblätter in Erinnerung gebracht, und es bleibt jedem Mitgliede überlassen, nach Gutfinden den Beitrag einem der Kassirer zu übersenden, oder die Einsammlung durch den Boten abzuwarten. Diese erfolgt acht Tage nach der den öffentlichen Blättern eingerückten Aufforderung in der Art, daß nur gegen Aushändigung der von dem Boten zu überbringenden Kassenquittung Zahlung geleistet wird; und der Bote ein Mehreres als die Quittung besagt, nicht annehmen darf. Sollte jemand mehr als den etatmäßigen Beitrag liefern wollen, so läßt er die Kassirer durch den Boten von der bestimmten Summe benachrichtigen, und zahlt solche nicht eher als gegen Aushändigung einer darüber ausgestellten besonderen Quittung.
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§. 8. Die etatsmäßige Einnahmen werden in dem Manual mit Bemerkung der Münzsorte verzeichnet, in welcher jede Zahlung erfolgt ist, und die Quittungen, worauf die Zahlung nicht zu erhalten gewesen, werden dem Boten abgenommen und kassirt. §. 9. Die etwa eingehenden Schaumünzen oder fremde Geldsorten, ingleichen die in Golde oder Courant gezahlte Summen, in sofern letztere nicht etwa zur Belegung bei der Banque erforderlich sind, werden von den Kassirern gegen Scheidemünze verwechselt, und das Coursmäßig zu bescheinigende Agio wird in Einnahme gestellet. §. 10. Erhält das Institut durch Geschenke oder Vermächtnisse ansehnliche Summen in der Art, daß nur die davon eingehende Zinsen zur Vertheilung kommen sollen, so fertigt die Direktion eine besondere Anweisung aus, von wem und wie viel sie an Zinsen einheben sollen, welche Anweisung zum Rechnungsbelage dient. §. 11. Bei jeder vierteljährlichen Versammlung überreichen die Kassirer eine von ihnen gemeinschaftlich zu unterzeichnende Anzeige des vorräthigen Kassenertrags, nach welchem sodann die Vertheilung erfolgt. §. 12. Die Auszahlung an die Hülfsbedürftige, deren Namen aus dem Glücksrade gezogen worden, geschiehet gegen Anweisung der Prüfungs-Kommissarien, und darunter zu verzeichnende Quittung des Empfängers nach den im §. 9. der gesellschaftlichen Gesetze und des §. 9. der Instruktion für die Prüfungs-Kommissarien enthaltenen Vorschriften. Sollen die Gelder nicht dem Hülfsbedürftigen selbst, sondern einem Abgeordneten der Gesellschaft nach §. 10. der eben gedachten Instruktion eingehändigt werden, so erfolgt die Auszahlung auf Anweisung der Direktion, und darunter zu verzeichnende Quittung der darin benannten Mitglieder. §. 13. Ereignen sich Fälle, wo ein Theil der einzelnen bereits durch das Glücksrad begünstigten Hülfsbedürftigen bestimmten Summen nicht unverzüglich ausgezahlt, oder für dieselben nur Bürgschaft geleistet werden soll, so verbleiben die dazu angewiesene Gelder als asservirte Posten im Kassenbestande in der Art, daß sie von den zur Vertheilung bestimmten Geldern abgesondert werden. Sollte der Betrag dieser asservirten Posten so anwachsen, daß deren zinsbare Belegung bei der Banque von den Kassirern für rathsam geachtet würde, so sind die eingehende Bankozinsen als eine außerordentliche Einnahme in Rechnung zu stellen. 984
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§. 14. Die jährliche Rechnung wird in der Art eingerichtet, daß die Einnahme in folgenden Titeln berechnet wird: Tit. 1. An Bestande aus vorjähriger Rechnung. Tit. 2. An Resten aus vorjährigen Rechnungen, wobei die niedergeschlagene Posten mit der nach §. 15. auszufertigenden Autorisation zu belegen sind. Tit. 3. An jährlichen und vierteljährlichen Beiträgen der Mitglieder, wobei der von der Direktion nach §. 6. ausgefertigte Etat nebst dessen Nachträgen das Soll-Einkommen nachweiset, und die bis zum Schluß der Rechnung nicht eingekommene Posten in Rest gestellet werden. Tit. 4. An außerordentlichen Beiträgen, worüber keine Quittung ausgestellet worden, welche mit den nach §. 3. aufzunehmenden Protokollen beleget werden. Tit. 5. An außerordentlichen Beiträgen, worüber Quittungen ausgestellet worden, welche durch die von den drei Kassirern und nach §. 5. kontrollirte Manualien belegt werden. Tit. 6. An Agio, welches durch die nach §. 9. auszustellenden Atteste verisificirt [!] wird. Tit. 7. An Zinsen von Stiftungs-Kapitalien, welche gegen hypothekarische Sicherheit zinsbar belegt worden, weshalb die nach §. 10. zu erhaltende Anweisung zum Belag dient. Tit. 8. An Bankozinsen von Geldern, welche für einzelne Hülfsbedürftige asservirt werden. Der Betrag dieser Zinsen wird durch Bankoatteste verficirt [!]. Tit. 9. An Geldern, welche für den Verkauf von Druckschriften gelöset worden. Diese werden durch Attest der Verlagshandlung belegt. Tit. 10. An zurückgezahlten gegen hypothekarische Sicherheit belegten Stiftungskapitalien. Die Ausgabe wird in folgenden Titeln berechnet. Tit. 1. Zahlungen an Hülfsbedürftige oder Abgeordnete der Gesellschaft, weshalb jede Post nach §. 12. belegt wird. Tit. 2. An Stiftungs-Kapitalien, welche gegen hypothekarische Sicherheit zinsbar beleget worden. Tit. 3. An Gehalt des Boten, welches mit Quittung desselben belegt wird. Tit. 4. An Ausgaben insgemein, als für Druckerkosten, Porto und dergleichen, weshalb nur bei beträchtlichen Posten Quittungen erfordert werden. Hiernächst wird Ausgabe und Einnahme balancirt, und der Bestand an baarem Gelde und ausstehenden Resten gehörig vermerkt. §. 15. Der Rechnung wird eine specifique Designation der unter dem Bestande begriffenen asservirten Posten mit Vermerkung der Namen derjenigen Hülfsbedürftigen beigefügt, für welche jede Post bestimmt worden. Hierbei verstehet es sich von selbst, daß, wenn 985
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eine solche Post im folgenden Jahre ausgezahlt wird, oder der Kasse anheim fällt, weil der Hülfsbedürftige inzwischen verstorben, oder sich der Wohlthat unwürdig gemacht hat, sodann Posten dieser Art aus dieser Designation wegfallen. Die aus dem Betrage dieser asservirten Posten nach §. 13. etwa bei der Banque belegte Summen werden durch Vorzeigung der Banko-Obligationen im Bestande nachgewiesen; ohne daß solche in der Rechnung besonders in Einnahme und Ausgabe gestellt werden. §. 16. Die Rechnung wird von einem dazu von der Direktion ernannten Mitgliede in Calculo revidirt, und hiernächst durch einige von der Direktion dazu abzuordnende Mitglieder in der Art abgenommen, daß die bereits ertheilte letzte Decharge zum Grunde gelegt, die beigefügte Beläge gehörig untersucht und gestrichen, der Kassenbestand revidirt, wegen Einziehung oder Niederschlagung der Reste das Erforderliche vermerkt, und über diese Rechnungsabnahme ein von sämmtlichen Anwesenden zu unterzeichnendes Protokoll aufgenommen wird. Dieses Protokoll, nebst der Rechnung und den zusammen zu heftenden Belägen wird durch den Boten sämmtlichen stimmfähigen Mitgliedern zur Durchsicht vorgezeigt, und bei der nächsten vierteljährlichen Versammlung der Gesellschaft vorgelegt, damit dem Befinden nach die Decharge ertheilt, auch von der Direktion wegen der etwa niederzuschlagenden Reste die Kassirer mit der erforderlichen Auktorisation versehen werden können. Berlin, den 27sten November 1796. Quelle: Jahrbücher der preußischen Monarchie (1800), 1. Band, Januar – April, S. 335–341, 402–423.
II) Antwort des Königs auf den eingesandten Entwurf der Gesetze Da nun der Plan dieses löblichen Instituts völlig Unsern höchsten Beifall findet, und Wir solches schon in einer unter dem 7ten d. M. an Unser General-Direktorium und Justiz-Departement erlassenen Kabinetsordre zu erkennen gegeben, und darin zugleich die entworfene Gesetze für selbiges genehmiget haben: so wird gedachte Gesellschaft gnädigst autorisiret, den beabsichteten Endzweck so weit zu erfüllen, als der Betrag der zu erwartenden Beiträge es gestatten wird, und wir genehmigen und bestätigen auch zu dem Ende hierdurch und in Kraft dieses, oberwähntes bei Uns unmittelbar eingereichtes und von Wort zu Wort allhier eingerüktes Reglement, in allen seinen Punkten, Klauseln und in seinem ganzen Inhalte, und wollen, daß darüber jetzt und künftig fest und unverbrüchlich gehalten, und denselben in keinerlei Weise noch Wege zuwider gehandelt werden soll. Wonach sich männiglich dem solches zu wissen nöthig ist, insbesondere aber Unser Kammer-Gericht und die übrigen Gerichte in Unsern hiesigen Residenzien, sich aller unterthänigst und eigentlich zu achten, letztere auch sämmtliche Interessenten, bei al986
Berlinisches Bürgerrettungs-Institut
len dem was ihnen kraft dieses Reglements zustehet und gebühret, jederzeit und so oft es dessen bedürfen möchte, von Unsertwegen zu schützen haben. Des zur Urkund ist gegenwärtige Confirmation mit Unserm Königlichem Insiegel bedrücket, und von Unserm geheimen Etats-Ministerio des General-Direktorii und Justiz-Departements unterschrieben worden. So gegeben und geschehen zu Berlin den 31. Oktober 1796. (L. S.) Auf Seiner Königlichen Majestät allergnädigsten Special-Befehl. v. Blumenthal. v. Heinitz. v. Werder. v. Reck. v. Wöllner. v. Goldbeck. v. Thulemeier. Auch die Königliche allerhöchste Begnadigungs-Urkunde theilen wir hier mit: „Wir Fr iedr ich Wilhelm von Gottes Gnaden, König von Preussen u. s. w. Thun kund und fügen hiermit zu wissen: daß, nachdem Wir bereits durch Unsere Allerhöchste Kabinets-Ordre vom 7tem Oktober d. J. das von den Unternehmern eines Rettungs-Instituts für hiesige Einwohner Uns vorgelegte Reglement genehmiget und bestätiget haben, Wir auch dasselbe gegen Arreste und Auspfändungen hartherziger Gläubiger, wodurch der wohlthätige Endzweck der Gesellschaft vereitelt werden würde, so weit es ohne Kränkung der Rechte anderer Mitbürger geschehen kann, gesichert wissen wollen Ordnen und setzen daher 1) daß die Direktion der Gesellschaft den Vermögens- und Schulden-Zustand eines sich meldenden Hülfsbedürftigen vor der Aufnahme jederzeit genau prüfen, und einen Schuldner, welcher schon so tief gesunken, daß derselbe sich vor Gerichte zum Moratorio nicht würde qualificiren können, ganz zurückweisen müsse; es wäre denn, daß sie seine Gläubiger dergestalt zu billigen Nachsichten zu disponiren vermöchte, daß man wahrscheinliche Hoffnung für sich habe, daß der Schuldner mittelst der ihm zu leistenden Hülfe sich in den Stand werde setzen können, seinen bei der Behandlung übernommenen Verbindlichkeiten zur gesetzten Zeit Genüge zu leisten. 2) Verstehet es sich von selbst, daß diejenigen Gelder, welche einem Hülfsbedürftigen bestimmt sind, so lange sie sich noch in den Händen der Kassirer der Gesellschaft, oder derjenigen Mitglieder befinden, welche deren zweckmäßige Verwendung besorgen sollen, gegen die Bedingung des Gebers von keinem Gericht mit Arrest belegt, oder mit Execution angegriffen werden dürfen. 3) Um aber auch die Werkzeuge, Materialien, ingleichen die Kleidungsstücke, Betten und dergleichen, deren Ankauf oder Einlösung auf Kosten der Gesellschaft geschehen ist, gegen Auspfändungen und Arrest-Schläge sicher zu stellen, muß die Direction der Gesellschaft die in den Gesetzen schon an die Hand gegebenen Sicherheitsmaaßregeln beobachten, folglich die anzuschaffenden Werkzeuge und Materialien, mit Vorbehalt des Eigenthums, den Hülfesuchenden nur zum Gebrauch leihen, und 987
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sich solchergestalt beim Andringen anderer Gläubiger und selbst bei ausbrechendem Konkurse ihr Vorrecht nach §. 297. Tit. 50. der Prozeßordnung zu erhalten suchen. Bei Einlösung verpfändeter Effekten muß die Gesellschaft sich die Rechte des Pfandgläubigers übertragen lassen; und bei Verabfolgung derselben an den Schuldner die Vorschriften des allgemeinen Landrechts Part. I. Tit. 20. § 271. sqq. genau befolgen und Sorge tragen, daß Niemand verleitet werden könne, mit dem Schuldner Verträge über solche Effekten einzugehen, wodurch das Pfandrecht der Gesellschaft vereitelt werden dürfte; wiewohl auf alle Fälle dem Schuldner gegen zudringliche Abpfändung der zum Betrieb seiner Kunst oder seines Handwerks benöthigten Werkzeuge, auch nach Anleitung der Prozeßordnung Tit. 24. §. 95 zu Hülfe gekommen werden muß. 4) Was die aus den geschenkten Materialien verfertigten Waaren und das Materiale selbst anbetrifft: So tragen Wir kein Bedenken, die den Unternehmern einländischer Fabriken wegen der ihren Arbeitern vorgeschossenen Materialien und daraus verfertigten Waaren in dem §. 337. der Konkursordnung zugestandenen Vorrechte, auch dieser Gesellschaft nach ihrer billigen und gerechten Bitte zu statten kommen zu lassen, in sofern sich solche Materialien und Waaren noch in den Händen derjenigen befinden, denen von der Gesellschaft Unterstützung gegeben worden. 5) Erlauben Wir der Gesellschaft sich in ihren Angelegenheiten eines öffentlichen Siegels zu bedienen, und soll den Attesten, welche darunter aus ihren Verhandlungen über den Betrag und die Beschaffenheit der geschenkten oder geliehenen Effekten ausgefertigt sind, in Gerichten völliger Glauben beigemessen werden. 6) Endlich erkennen Wir auch mehrbesagtes Institut für eine wahre öffentliche ArmenAnstalt, und wollen selbiges in dieser Eigenschaft bei allen ihren Verhandlungen sowohl in- als außerhalb Gerichts gleich jenen, mit Befreiung von Stempel- und Gerichts-Gebühren hierdurch begnadigen. Wir befehlen demnach zugleich hierdurch in Gnaden, Unserm General-Direktorio und Justiz-Departement, über den Inhalt des Patents mit Nachdruck zu halten, und keine Contravention dagegen zu gestatten, auch die unter ihnen stehende Behörden darnach gehörig zu instruiren. Des zu Urkund haben Wir dieses Patent Höchsteigenhändig unterschrieben, und mit Unserm Königlichen Insiegel bedrucken lassen. So geschehen und gegeben Berlin, den 30sten November 1796. Friedrich Wilhelm. Patent wie es in Ansehung der Schulden der durch das hiesige Rettungs-Institut aufzuhelfenden hülfsbedürftigen Einwohner, und ihrer Gläubiger, gehalten werden soll. v. Heinitz.
v. Werder.
Quelle: Ebd., S. 341–344. 988
v. Arnim.
v. Goldbeck.
v. Thulemeier.
(Berlinische) Gesellschaft der Armenfreunde
(Berlinische) Gesellschaft der Armenfreunde I) Schreiben des Königs an die Gesellschaft, 28. März 1803 Abschrift Sr K. M. v. P. sind durch den Etats Rath Baron v Voght, der auf Allerhöchstdero Veranlassung die hiesigen Armenanstalten besucht und die ganze Armenpflege beachtet hat, in der längst gefaßten Idee bestärkt worden, daß den Mängeln, welchen das hiesige Armenwesen unterworfen ist, durch das Armen Directorium, der redlichsten und aufrichtigsten Bemühungen desselben ungeachtet nie gründlich werde abgeholfen, eine möglichst vollkommene Armenversorgung vielmehr nur durch die vereinte planmäßige Thätigkeit freywillig arbeitender vorzüglich guter Menschen aus allen Ständen, die von ihren Mitbürgern dazu erwählt, nur Sr Majestät und dem Publicum verantwortlich gemacht werden, werde eingerichtet und im Gange erhalten werden können. Zugleich haben Allerhöchstdieselben zu dem so oft erprobten theilnehmenden Charakter so vieler Einwohner Berlins, welcher sich besonders in den so leicht zu Stande gekommenen so glücklich ausgeführten und so dauerhaft begründeten Associationen zu den Erwerbschulen, zu Holzvertheilungen und zu dem Bürgerrettungs Institut bewährt hat, das feste Vertrauen, daß auf die erste Aufforderung eine hinreichende Anzahl von wenigstens einige Hundert guten Menschen aus allen Klassen und Ständen sich bereitwillig finden werde, dieses Geschäft nach einem gründlich durchdachten, alle Theile einer vollkommenen Armenpflege einer nicht zahlreichen Association von wohldenkenden Männern, die von der grösse des zu erreichenden Zwecks innigst durchdrungen sind, und in dieser Rücksicht die allgemeine Achtung und das Vertrauen des Publikums geniessen, ausgearbeitet und öffentlich bekannt gemacht wird. Da nun Sr M. von dem 1) Geh. Ober Finanz Rath Borgstede 2) dem Kaufmann Fetschow 3) dem Geh. Ober Revisions Rath Gosler 4) dem Geh Rath Hufeland 5) dem Krieges Rath Koels 6) dem Geheimen Rath Kunth 7) dem Ober Consistorial Rath Sack 8) dem Ober Consistorial Präsidenten von Scheve 9) dem Stadtgerichts Director von Schlechtendahl 10) dem Ober Consistorial Rath Zoellner eine diesem höchstwichtigen Zwecke völlig entsprechende gute Meynung haben; so haben Allerhöchstdieselben beschlossen, // denselben dieses Geschäft anzuvertrauen, sie dazu zu vereinigen, und denselben zu diesem Behuf den an Seine Majestät von dem Baron v Voght erstatteten Bericht nebst Entwurf zu einem Plan die hiesigen Armenverpflegungs Anstalten einzurichten, zuzufertigen. Beyde Arbeiten liefern sehr gründlich 989
Wohltätigkeitsvereine – Vereine der Armenfürsorge und Stiftungen zur Erziehung und Ausbildung
durchdachte und durch Erfahrung bereits bewährte Materialien, welche von der Gesellschaft rücksichtlich der Anwendung auf Berlin zu prüfen und durch ihre eigenen Einsichten und Erfahrungen zu berichtigen und zu ergänzen sind, so daß solche derselben zur Grundlage und zum Anhalten dienen können. Der Baron v Voght welcher sich dadurch ein grosses Verdienst bey Sr Majestät erworben hat, haben Allerhöchstdieselben ersucht der Gesellschaft mit seinen Einsichten und Erfahrungen ferner beyzustehen und da derselbe ganz dazu bereit ist; so wird die Gesellschaft sich noch vor dessen bald bevorstehender Abreise zu versammeln und ihn zu ihrer Berathschlagung einzuladen haben. Uebrigens wollen Sr M. das freye Urtheil der Gesellschaft so wenig durch irgend eine Vorschrift, als die Befugniß derselben, sich noch mehrere achtbare Männer aus allen Ständen zuzugesellen, durch Bestimmung irgend einer Anzahl beschränken, vielmehr derselben vertrauensvoll überlassen nach ihrem besten Wissen und Gewissen den Plan zu einer vollkommenen Armen-Versorgung in Berlin auszuarbeiten und Allerhöchstdenenselben nebst den Anträgen zu dessen Ausführung vorzulegen. Zu Erleichterung ihres Geschäfts haben Sr M. dem Armen Directorio aufgetragen der Gesellschaft alle benöthigte Auskunft zu ertheilen und zur Aufmunterung gaben Allerhöchstdieselben die Versicherung daß Sie, wenn Ihnen ein Ihren Absichten entsprechender ausführbarer Plan vorgelegt werden wird nicht nur die ersten Einrichtungskosten hergeben und das etwanige Deficit des ersten Jahres dekken, sondern auch der Gesellschaft die ganze Armenversorgung von Berlin, welche bis dahin daß dieselbe zur Ausführung schreiten kann, dem Armen Directorio auf dem bisherigen Fuß überlassen bleibt, anzuvertrauen, das Armen Directorium aber auf die Administration der Capitalien und der grosser Anstalten nach den Vorschlägen der Gesellschaft einschränken wollen. Sr Majestät schliessen diesen ehrenvollen Auftrag mit der Äußerung, // daß Sie von dem vereinigten Eifer der Mitglieder der Gesellschaft nach allen Kräften Gutes zu würken, die gerechte Erwartung hegen, daß es durch ihre und ihrer Mitbürger Bemühungen dahin kommen werde, daß künftig keine Arme mehr Noth leiden, kein Müssiggänger der Gesellschaft mehr zur Last fallen und zuletzt dem Verarmen gänzlich werde vorgebeugt werden. Das Verdienst welches die Mitglieder sich dadurch erwerben können, wird eben so groß als belohnend seyn Berlin den 28sten Maerz 1803. Friedrich Wilhelm An den Geheimen Ober Finanz Rath Borgstede und die übrigen Mitglieder der Berlinischen Gesellschaft der Armenfreunde Quelle: GStA PK, II. HA, Abt. 14 Kurmark Tit. CCII Armen-Sachen Sect. a Berlin, Nr. 12 (Acta betr. die Reorganisirung der hiesigen Armenpflege), Bl. 3r–4r. – Transkription Uta Motschmann.
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(Berlinische) Gesellschaft der Armenfreunde
II) Ueber die Bestimmung der von Sr. Königl. Majestät ernannten Gesellschaft der Armenfreunde, 1803 Des Königs Majestät haben der unterzeichneten Gesellschaft den Auftrag ertheilt, zur künftigen Armenpflege in Berlin einen Plan auszuarbeiten, und in Rücksicht auf die vor der Ausführung durchaus nöthigen Mittel vorzubereiten. Die von Sr Majestät vorgeschriebenen Hauptbedingung geht dahin: die künftige Leitung der Armenpflege vertrauensvoll in die Hände der Bürger und Einwohner Berlins zu bringen. Dadurch werden diese die gehörige Kenntniß von den wahren Bedürfnissen ihrer nothleidenden Mitbürger, und die Ueberzeugung von der zweckmäßigen Verwendung milder Gaben erhalten; und mehr bedarf es, nach Sr Majestät Aeußerung, nicht, um das zum Wohlthun geneigte Berlinische Publikum für die fortdaurende Ausübung einer der angenehmsten Pflichten zu gewinnen. Je abhängiger hienach die Erreichung des Zwecks von der guten Meinung und dem Urtheil der Einwohner Berlins ist, desto mehr fühlt sich die unterzeichnete Gesellschaft aufgefordert, dem Publikum über ihre eigentliche Bestimmung schon itzt Rechenschaft zu geben. Diese Bestimmung ist: nicht, Verbesserung der bisherigen Armenanstalten; sondern, die Einrichtung der Armenpflege nach anderen Zwecken, in einer andern Art, und durch andere Mittel. Das unterrichtete Publikum erkennt gewiß mit Dank das was das Armendirektorium bisher that, indem Es die ihm angewiesenen beschränkten Mittel zur Erreichung der hiedurch begränzten Zwecke mit Thätigkeit und Eifer benutzte. Se Majestät haben Sich aber Höchstselbst von verschiedenen auswärtigen Armenanstalten näher unterrichtet; sich unter andern durch den Dänischen Etatsrath Baron von Voght, welcher über Armenpflege lange und gründlich gedacht, und praktisch zu beobachten Gelegenheit gehabt hat, Vorschläge machen lassen; und dadurch, nach Ihrer der unterzeichneten Gesellschaft gemachten Aeßerung, die Ueberzeugung erhalten: daß eine vollkommene Armenversorgung nur durch vereinigte planmäßige Thätigkeit freiwillig arbeitender vorzüglich guter Menschen aus allen Ständen zu bewirken und im Stande zu erhalten sei. Auf dieses Mittel also soll der von der Gesellschaft zu bearbeitende Plan berechnet sein. Der veränderte Zweck geht dahin, nur den zu unterstützen, in Ansehung dessen das Bedürfniß durch genaue individuelle Untersuchung der aus den Einwohnern gewählten Armenpfleger bestätigt ist. Die veränderte Art der Armenpflege geht vorzüglich dahin: daß nur in durchaus zur Ausnahme geeigneten Fällen durch Geld unterstützt; 991
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sonst aber demjenigen welcher arbeiten kann, Arbeit; dem Kranken Arzenei, Pflege, und Speise; den Kindern, Unterricht in Industrieschulen, und wo es nöthig ist, gesunde Nahrung, und Kleidung verschaft; und nur dann erst, wenn für alle diese Bedürfnisse gesorgt ist, dem muthwilligen Bettler ein Platz zur Zwangarbeit angewiesen werde. Der Geist der ganzen beabsichteten Einrichtung ist: Armuth in ihren Quellen aufzusuchen, und diese zu verstopfen; durch Schulen und Erziehung auf die Kinder, durch angewiesene Arbeit auf Thätigkeit zu wirken. Es spricht von selbst, daß so wichtige Zwecke große Vorarbeitungen erfordern; und nur das Vertrauen Sr Majestät, die Größe des Zwecks, und die gehofte gute Meinung des Publikums, die Kräfte der Gesellschaft erhöhen und ermuntern können. Am wenigsten aber wird die Ausführung übereilt werden können, weil, wenn sie zweckmäßig sein soll, Alles gehörig vorbereitet sein muß. Dies zu bemerken, sieht die Gesellschaft sich um so mehr verpflichtet, damit das Vertrauen in die bisherigen Anstalten, und deren Unterstützung, nicht geschwächt werde. Sie wird das Publikum von dem Fortgange ihrer Arbeiten von Zeit zu Zeit unterrichten. Berlin, d. 8 April 1803. Von Sr Majestät ernannte Gesellschaft der Armenfreunde. Borgstede. Fetschow. Goßler. Hufeland. Köls. Kunth. Sack. v. Scheve. v. Schlechtendal. Zöllner. Quelle: Neue Berlinische Monatsschrift 1 (1803) Juni, S. 408–412.
Luisenstift I) Reglement für die Berlinische Erziehungs- und Industrie-Anstalt, 1807 Lasset uns Gutes thun, und nicht müde werden; denn zu seiner Zeit werden wir auch erndten ohne Aufhören. Gal. 6, v. 9. I. Zweck der Anstalt, und Mittel zur Erreichung desselben. §. 1. Unterschriebene, gerührt durch das physische und moralische Elend, welches die ärmern Stände Berlins drückt, haben sich vereinigt, eine Erziehungs- und Industr ie992
Luisenstift
Anstalt für ar me Knaben unserer Stadt zu errichten, und es mit dem v. Neanderschen Militair-Waisenhause in Verbindung zu bringen. §. 2. Zur Erreichung dieses Zwecks sollen diejenigen Kinder männlichen Geschlechts, welche das Elend auf die Straßen verstoßen hat, oder welche in Gefahr sind, einem gleichen Schicksale zu unterliegen, ohne Unterschied der Religion und Geburt, in ein dazu bestimmtes Gebäude aufgenommen, gekleidet, beköstigt und unter r ichtet werden. §. 3. Da indessen die Kräfte der Unternehmer mit der Menge der Unglücklichen nicht in Verhältniß stehen: so wird festgesetzt, daß der aufzunehmende Knabe in der Regel nicht unter 6, aber auch nicht über 10 Jahr alt seyn darf. §. 4. Außerdem werden für die Aufnahme folgende unerläßliche Bedingungen gemacht: 1) Die vorgeschlagenen Knaben müssen noch Elter n, wenigstens noch einen Vater oder eine Mutter, am Leben haben, denn für die eigentlichen Waisen ist anderweitig gesorgt; 2) Die Eltern müssen erweislich außer Stande seyn, für die Erziehung und Verpflegung ihrer Kinder selbst sorgen zu können; 3) Die Kinder müssen zur Zeit der Aufnahme gesund, und wenigstens nicht mit ansteckenden Krankheiten behaftet seyn; 4) Sie müssen die (natürlichen oder künstlichen) Blatter n bereits gehabt haben, oder sich der Vaccination gleich bei der Aufnahme unterwerfen. §. 5. Da die Unternehmer nicht zugeben können, daß man ihre Stiftung mißbrauche, und daß die Zöglinge derselben nach Verlauf einiger Jahre wieder in ihr voriges Elend zurücksinken: so wird hier ausdrücklich festgesetzt, daß jeder Knabe wenigstens bis zu seinem 14ten Jahre in der Anstalt bleiben muß, die ihn alsdann demjenigen Gewerbe zuführen wird, zu dem er sich nach freier Wahl bestimmen möchte. Ausnahmen von dieser Regel behält sich die Direktion vor. §. 6. Diese ganze Zeit des Aufenthalts in dem Institute soll für den Knaben als eine Bildungsschule betrachtet werden, in welcher er, durch ununterbrochene Beschäftigungen vom Bösen abgehalten, durch Lehre und Beispiel an Ordnung und ein thätiges Lebens gewöhnt, und zu einem rechtlichen und anständigen Erwerbe vorbereitet wird.
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§. 7. Dazu, und zur Bestreitung der Kosten für die Erziehung und Verpflegung wird jeder Zögling der Anstalt in verschiedenen, seinem Alter und seinen Kräften, wie seinen Talenten angemessenen Industr ie-Arbeiten unterrichtet, und zu eigenen Erwerb der für ihn erforderlichen Kosten angehalten werden. §. 8. Da es indessen nicht möglich ist, daß jeder Einzelne so viel erarbeiten kann, um den Ertrag seines Gewinnes den Kosten seiner Erziehung gleich zu machen, die Unternehmer auch zugleich den Zweck haben, ihren verlassenen Zöglingen die Stelle sorgsamer Eltern, durch rechtliche Personen, denen sie sich näher anschließen können, zu ersetzen: so treten die Unternehmer mit dem wohlhabenden und edeldenkenden Theile des Publikums in nähere Verbindung, um durch gemeinsame Kraft das fehlende Quantum in baaren Geldbeiträgen anzuschaffen. §. 9. Es konkurriren demnach bei diesem Institute folgende Personen: 1) das wohlthuende Publikum; 2) die zu erziehenden Knaben; 3) die Eltern der Knaben, und 4) die unterschriebenen Unternehmer und Gründer des Instituts.
II. Organisation der Anstalt. I. Rechte u. Pflichten der dabei konkurrirenden Personen. A. Vom wohlthuenden Publikum. §. 10. Das edeldenkende Publikum, welches sich zur Erreichung des angegebenen Zwecks für die Gründung und den Fortgang der Anstalt wirksam zeigt, theilt sich nach Art seiner thätigen Theilnahme für dasselbe in zwei Klassen: 1) in solche Wohlthäter, welche durch eigne freie Erklärung zu einem bestimmten jährlichen Beitrage für die Erziehung und Verpflegung der von ihnen selbst ausgewählten Kinder, sich anheischig machen, und 2) in solche Wohlthäter, welche durch unbestimmte Beiträge, so hoch oder gering sie auch seyn mögen, ihre Theilnahme für das Institut im Allgemeinen beweisen, ohne besondere Rücksichten auf ein einzelnes Subject zu nehmen. §. 11. Was die Wohlthäter der er sten Klasse betrifft, so sind solche als Pflegeväter der von ihnen begünstigten Kinder zu betrachten; sie können solche zu jeder Zeit ungehindert besuchen, sie in ihren Unterrichts- und Arbeitsstunden beobachten, sie des Sonntags 994
Luisenstift
und an Festtagen zu sich kommen lassen, und sich, im Fall sie Veranlassung dazu finden sollten, mit ihren Beschwerden an die Unternehmer des Instituts wenden; kurz sie haben gegen sie als ihre Mündel die Rechte eines Vormundes, so weit solche nicht durch die, in diesem Reglement bestimmten, und durch die Zwecke des Instituts nothwendigen Gesetze der Humanität und der Ordnung beschränkt sind. §. 12. Da es aber der Fortdauer des Instituts große Gefahr bringen würde, wenn die Pflegeväter vor der beendeten Erziehung ihrer Mündel mit Tode abgehen, oder, durch äußere Umstände gezwungen, ihre wohlthuende Hand schon bei Lebzeiten abziehen sollten: so erwarten die Unternehmer, daß jeder Pflegevater auf solchen Fall Bedacht nehmen, und, so viel an ihm ist, seine Stelle durch einen andern edeldenkenden Mann zu ersetzen bemüht seyn werde. §. 13. Um aber das Mißglücken dieser Bemühung weniger befürchten zu dürfen, wird es dem Institute ein erfreulicher Beweis der Liebe seyn, wenn diejenigen Pflegeväter, welche ihre Wohlthaten nach ihrem Tode nicht fortsetzen lassen können, sich mit andern Menschenfreunden in beliebiger Zahl verbinden, und gemeinschaftlich die Entrichtung des bestimmten Beitrages übernehmen, in welchem Falle das Institut bei dem Austritt eines Wohlthäters, wenn auch nicht immer die Deckung des Verlustes durch den Zuschuß der übrig bleibenden oder den Beitritt neuer Wohlthäter hoffen, doch wenigstens nicht die Einbuße des ganzen Quantums fürchten darf. Diese auf solche Art zur Erziehung eines Knaben verbundenen Pflegeväter haben ebenfalls die §. 11. bestimmten Rechte. §. 14. Weil indessen auch bei dieser Vereinigung mehrerer Wohlthäter manche unvorhergesehene Umstände eintreten können, welche die Kasse des Instituts fährden möchten, und dieses auf dergleichen Fälle, so wie auf mehrere zufällige Kosten und nicht berechnete Ausgaben im Voraus Bedacht nehmen muß: so schmeichelt sich das Institut, durch die Wohlthäter der zweiten Klasse jene Defekte decken zu können. §. 15. Die Wohlthäter der zweiten Klasse äußern nämlich ihre thätige Theilnahme entweder durch willkührliche, unbestimmte Geldbeiträge und Geschenke, oder durch Vermächtnisse an das Institut selbst, und, ob sie gleich die unmittelbare Verwendung ihrer Beiträge zum Besten eines einzelnen Zöglings nicht wahrnehmen: so haben sie doch die Freude und das schöne Bewußtseyn – den Fortgang eines Instituts der Menschenliebe befördern zu helfen, und das Recht, sich von den Angelegenheiten desselben, gleich den Pflegevätern durch eigenes Anschauen, so oft sie wollen, unterrichten zu können. 995
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§. 16. Auch steht es den Wohlthätern der er sten Klasse und denen, die das Institut durch Vermächtnisse bedenken, frei, ihren Namen durch eine Art von Adoption auf das von ihnen begünstigte Kind, als einen Zunamen, zu übertragen. B. Von den zu erziehenden Kindern. §. 17. Die Kinder der Anstalt sind nach der § 10. gemachten Eintheilung der Wohlthäter entweder 1) eigentliche Pflegebefohlene, oder 2) Zöglinge der Anstalt. §. 18. Zu den Pflegebefohlenen werden diejenigen Kinder gerechnet, die von den Wohlthätern der ersten Klasse unterhalten werden; zu den Zöglingen der Anstalt gehören alle übrige, deren Erziehungs-Kosten durch die Wohlthäter der zweiten Klasse aus der Kasse des Instituts bestritten werden. §. 19. In der Erziehungs- und Behandlungsart der Pflegebefohlenen und Zöglinge ist durchaus kein Unterschied. Sie genießen sämmtlich denselben Unterricht, haben dieselbe Kleidung und Beköstigung, und sind denselben Gesetzen der Anstalt unterworfen. Die Unternehmer werden nie gestatten, daß der Pflegebefohlene durch die Großmuth seines Wohlthäters einen Vorzug irgend einer Art genösse. §. 20. Damit indessen auch die Zöglinge der Anstalt, gleich den Pflegebefohlenen, einen Pflegevater haben mögen, dem sie sich näher und herzlicher anschließen können: so wird ihnen von den Unternehmern jedesmal ein rechtlicher Mann zum Vormund gesetzt werden, der in allen vorkommenden Fällen die Rechte des Knaben wahrnehmen soll. §. 21. Um nun dem wohlthuenden Publikum Gelegenheit zu geben, mit den, seiner Pflege empfohlenen Knaben bekannt zu werden: so wird von Zeit zu Zeit eine Anzahl zur Aufnahme geeigneter Kinder, nach vorher gegangener Bekanntmachung, in einer hiesigen Kirche zur Wahl gestellt, und die Liste der Namen, ihres Alters und ihrer Geburt laut vorgelesen werden. Jeder Menschenfreund, der sich zum Pflegevater oder Vormund eines der vorgestellten Kinder zu machen wünscht, hat das Recht, sich aus der ganzen Anzahl einen Knaben auszusuchen, und ihn auf der Stelle registriren zu lassen. Damit aber hierbei die nöthige Ordnung herrsche, so soll die Folge des Wahlrechts durchs Loos entschieden werden. 996
Luisenstift
§. 22. Es steht indessen den Wohlthätern Berlins zu jeder Zeit frei, auch andere, nicht zur Wahl gestellte Knaben, der Anstalt zur Wahl zu bringen; jedoch müssen die §. 3. und §. 4. geforderten Bedingungen an ihnen erweislich erfüllt seyn, so wie es außerdem noch der Direktion überlassen bleibt, über ihre Aufnahme nach den Umständen zu entscheiden. §. 23. Ueber die Anzahl der aufzunehmenden Kinder läßt sich nur sagen: „daß die Anstalt den Willen hat, so viel Kinder zu verpflegen, als, nach einer genauen Berechnung der einkommenden feststehenden Beiträge nur irgend möglich seyn wird.“ §. 24. Jeder Pflegebefohlene und Zögling ist der Anstalt verpflichtet, und den Gesetzen derselben Gehorsam schuldig. Er muß sich in seinen Lehr- und Freistunden, in der Kleidung und im Essen, so wie in seinem ganzen Thun und Lassen den Anordnungen des Instituts fügen, und es können also in Hinsicht auf seine Erziehung und Verpflegung durchaus keine Ausnahmen gemacht werden. Nur in Krankheitsfällen wird dem Pflegevater gestattet seyn, seinem Pflegebefohlenen, nach vorher eingezogener Einwilligung des Arztes der Anstalt, außerordentliche Wohlthaten erzeigen zu können. §. 25. Jeder Knabe hat aber auch das Recht, alles das fordern zu können, wozu sich die Anstalt bei seiner Aufnahme anheischig gemacht hat. Obgleich nun schon nach der ganzen Organisation des Instituts zu erwarten ist, daß die Rechte des Pflegebefohlenen und Zöglings in jedem einzelnen Falle mit aller Gewissenhaftigkeit gehandhabt werden möchten: so soll doch jeder einzelne Knabe an seinem Pflegevater und Vormund seinen Sprecher haben, der überall, wo er es nöthig findet, die Stelle der Eltern selbst vertritt, und den Knaben gegen jede mögliche Verletzung seiner Rechte in Schutz nimmt. §. 26. Zu den natürlichen Rechten des Knaben gehört besonders, daß er nach verflossener Vorbereitungszeit, bei dem Austritte aus dem Institute, seine eigene Bestimmung frei wählen kann, wobei die Anstalt sich bloß vorbehält, seine Wahl in Hinsicht auf ihre Zulässigkeit von Seiten des Staats, und die Persönlichkeit des Wählenden zu prüfen, und darnach die Zustimmung zu geben oder zu verweigern. C. Von den Eltern der Kinder. §. 27. Die Elter n der aufzunehmenden Kinder, oder, im Fall nicht mehr beide Theile am Leben wären, der Vater oder die Mutter, treten mit dem Augenblick, da sie aufhören, für dieselben zu sorgen, ihre Rechte an die Anstalt selbst ab, die nun an ihre Stelle den 997
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Pflegevater oder Vormund setzt, und sich mit ihm, in wechselseitiger Verbindung, zum alleinigen Gesetzgeber und Erzieher des Kindes macht. §. 28. Es kann daher den Eltern das Recht, ihre Kinder zu ihrem Vortheile zu gebrauchen, sie zu züchtigen, sie aus der Anstalt heraus zu nehmen, oder über sie in irgend einer Art zu verfügen, von dem Tage der Aufnahme an, nicht mehr gestattet werden; sondern es bleibt vielmehr alles dies lediglich der Anstalt überlassen, die mehr als Vaterstelle an diesen Kindern vertreten wird. §. 29. Dagegen bleibt es den Eltern unbenommen, ihre, im Institute befindlichen Kinder, zuweilen, doch nur in den Freistunden, und nach dem Ermessen der Direktion, zu besuchen, sich selbst bei den Offizianten der Anstalt nach ihrer Aufführung, ihrem Fleiß und ihren Fortschritten zu erkundigen, und sich auch von ihren Kindern dann und wann besuchen zu lassen. Letzteres aber kann nur mit besonderer Einwilligung der Vorsteher der Anstalt geschehen, deren Prüfung es überlassen bleiben muß, ob und in wie fern dieser Besuch zu gestatten seyn möchte. §. 30. Im Uebrigen wird die Anstalt das Ihrige beitragen, die Liebe und Achtung der Zöglinge gegen die, denen sie ihr Leben verdanken, zu erhalten und zu vermehren, wenn nicht die Eltern selbst durch ein unsittliches Betragen den Erfolg dieser Bemühungen hindern, und die ihnen zugedachte Achtung schwächen. D. Von den Vorstehern des Instituts. §. 31. Unterschriebene Gründer des Instituts haben es übernommen, alle vorkommende Geschäfte und Angelegenheiten desselben zu leiten, und nach den, von ihnen selbst entworfenen Gesetzen zu führen. §. 32. Sie verpflichten sich zu dem Ende, den Zweck ihrer Verbindung treulich im Auge zu behalten, für die Erhaltung und den Fortgang der Anstalt nach Kräften zu wirken, auf die Befolgung der Gesetze mit aller Wachsamkeit zu achten, allen Mißbräuchen möglichst vorzubeugen, oder eingeschlichene sogleich abzustellen, etwanige Beschwerden und Klagen unverzüglich zu untersuchen, und nach den bestehenden Anordnungen und Gesetzen zu entscheiden, für jeden Einzelnen im gesunden und kranken Zustande gehörig zu sorgen, die Inspektionen, die Erziehung und den Unterricht, so wie jeden Zweig der Geschäftsführung zweckmäßig zu leiten, und sich aller Angelegenheiten des Instituts mit Treue und Pflichtliebe willig und unentgeldlich zu unterziehen. 998
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§. 33. Um aber alle diese übernommene Pflichten auch pünktlich und mit Ordnung erfüllen zu können, haben sie die Geschäftsführung unter sich vertheilt, und sich selbst zum Direktorium des Instituts constituirt, so daß ohne ihr Wissen und Willen weder Kinder aufgenommen noch entlassen, weder Gelder einkassirt noch ausgegeben, oder irgend ein Geschäft, es habe Namen wie es wolle, betrieben werden kann. §. 34. Als Direktorium sind sie die erste und höchste Instanz, an welche das wohlthuende Publikum, die Eltern, Kinder und Offizianten des Instituts sich mit ihren Geschenken und Beiträgen, mit ihren Bitten, Beschwerden und Anzeigen zu wenden, und von ihnen Annahme, Gewährung und Versagung zu erwarten haben. §. 35. Sollte Einer oder der Andere bei Lebzeiten durch äußere Umstände genöthigt, oder durch den Tod das Direktorium verlassen müssen, so soll seine Stelle durch gemeinschaftliche Wahl der Mitglieder, sogleich wieder besetzt werden. §. 36. Das Direktorium versammelt sich alle Vierteljahr einmal, und außerdem, so oft das Präsidium eine Sitzung nöthig findet. §. 37. Die Mitglieder des Direktorii sind 1) der Präsident, 2) 3 Assessoren, 3) ein Secretair, 4) ein Kassirer, 5) ein Oekonomie-Inspektor, 6) 3 Aufseher des Lehrwesens, 7) 3 Aufseher der Industrie-Arbeiten, 8) 3 Prüfungs-Kommissarien. Pflichten und Rechte des Präsidenten. §. 38. Der Präsident empfängt alle Eingaben, sie mögen das Lehrwesen oder die Oekonomie des Instituts betreffen, und vertheilt solche unter die übrigen Mitglieder nach der Verschiedenheit des Inhalts. Er leitet in den Sitzungen und Konferenzen, die von ihm ausgeschrieben werden, so oft er es nöthig findet, die Discussionen über die vorkommenden Gegenstände, sammelt die Stimmen, und unterschreibt jede Ausfertigung mit seinem Namen. 999
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Er hat das Recht, zu jeder Stunde die Anstalt nach allen ihren Theilen zu untersuchen, d[en] Oekonomie-Inspektor, die Aufseher des Lehr- und Industrie-Wesens zu kontrolliren, sich die Kasse und die Rechnungen zu jeder Zeit vorlegen zu lassen, und entdeckte Unordnungen und Mißbräuche auf der Stelle zu rügen. Pflichten und Rechte der Assessoren. §. 39. Die 3 Assessoren sind dem Präsidenten zur Seite gesetzt. Sie unterstützen ihn wechselseitig in allem, wo er ihrer bedarf, unterschreiben mit ihm gemeinschaftlich jede Ausfertigung, und theilen sich in seine Geschäfte, wenn er durch Abwesenheit oder Krankheit an der eignen Verrichtung derselben gehindert würde. Zugleich sind sie Consulenten des Instituts, die in allen vorkommenden Fällen ihren Rath ertheilen, und ihre Meinung aussprechen, daher darauf Bedacht zu nehmen ist, für diese Stellen immer die erfahrensten und einsichtsvollsten Männer zu wählen. Pflichten des Sekretairs. §. 40. Der Sekretair führt in allen Sitzungen das Protokoll, registrirt bei der Vorstellung der Kinder zur Wahl die Namen der Wohlthäter, die sich zu Pflegevätern und Vormündern anheischig machen, faßt alle Berichte, Anschreiben und Antworten ab, wie sie ihm vom Präsidio übertragen werden, und besorgt ihre Circulation zur Unterschrift des Präsidenten und der Assessoren. Alle zur Geschichte des Instituts und ihrer Fortbildung gehörige Schriften werden von ihm aufbewahrt. Pflichten des Kassirers. §. 41. Der Kassirer hält sich ein Inscriptions-Buch, in welches er Namen, Alter, Stand der Eltern, Tag der Aufnahme und des Abgangs der Kinder einträgt. In Abwesenheit des Sekretairs versieht er dessen Geschäfte in den Sitzungen. Als Kassirer nimmt er die bestimmten und unbestimmten Beiträge ein, besorgt die Auszahlungen an die Offizianten des Instituts und die Ausgaben für sämmtliche Bedürfnisse, führt sorgfältig Rechnung von Einnahme und Ausgabe nach Person, Tag und Münze, und legt in jeder Quartal-Versammlung Rechnung ab. Pflichten des Oekonomie-Inspektors. §. 42. Der Oekonomie-Inspektor hat die Aufsicht über das Lokale, die Reinigung der Zimmer, über die Koch- und Wasch-Anstalten, die Bekleidung, nöthige Möblirung, Heizung und Beleuchtung, über das Lazareth und über alles, was in die Oekonomie der Anstalt einschlägt. 1000
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Er muß die Anstalt fleißig, und zu verschiedenen Tageszeiten besuchen, alles mit eigenen Augen sehen, die Speisen nach der Jahreszeit anordnen, und selbst kosten, für die Anschaffung der nöthigen Vorräthe, Lebensmittel, Kleidung und Wäsche, so wie der Arbeits-Materialien, letztere in Gemeinschaft mit den Industrie-Aufsehern, sorgen, und die strengste Aufsicht über die ihm untergeordneten und unmittelbar unter seinen Befehlen stehenden Offizianten führen. Findet er Mißbräuche und Unordnungen in der Oekonomie, so ist er schuldig, solchen auf der Stelle abzuhelfen, und wenn er es nicht kann, oder die Untergebenen sich in seine Anordnungen nicht fügen wollen, sogleich bei dem Präsidium Anzeige davon zu machen. Alle Auszahlungen für das Institut, sie haben Namen, wie sie wollen, können nicht anders, als nach vorher erlangter Unterschrift des Oekonomie-Inspektors erfolgen. Da indessen diese Geschäfte sehr vielfach und beschwerlich sind, so sollen sämmtliche Mitglieder der Direktion den Oekonomie-Inspektor in seinem Amte unterstützen, und die Aufsicht über die Oekonomie in der Art unter sich theilen, daß jeder Einzelne eine ganze Woche hindurch die Mit-Inspektion führt. Und damit die Kontrolle so genau als möglich geführt werde, wird jeder Mit-Inspektor seine in der Woche gemachten Bemerkungen in ein Protokoll-Buch eintragen, welches dann auch bei den Konferenzen und Sessionen jedesmal durchgesehen werden soll. Pflichten der Aufseher des Lehrwesens. §. 43. Die Aufseher des Lehrwesens haben es mit der Prüfung, Anstellung und Instruktion des Lehrers, mit der Anordnung des Lehrplans und die Aufsicht des Unterrichts zu thun. Sie müssen deshalb den Lehrer in seinem Geschäft fleißig beobachten, und ihm mit ihren Einsichten und Erfahrungen zu Hülfe kommen. Außerdem veranstalten sie zu Ende jeder Woche eine Konferenz in dem Lokale der Anstalt, an der sämmtliche Vorsteher Theil nehmen können, die Offizianten aber in der Regel Theil nehmen müssen. In dieser Konferenz wird vom Hausvater und den Lehrern eine getreue Relation von dem Betragen und Fleiß der Kinder gemacht, und von den Aufsehern, welche allein das Recht dazu haben, Belohnung oder Bestrafung bestimmt und sogleich vollzogen werden. Pflichten der Aufseher des Industrie-Wesens. §. 44. Die Aufseher des Industrie-Wesens ordnen und leiten alle, in dem Institute vorkommende Handarbeiten. Sie prüfen und stellen die von dem Direktorium nöthig befundenen Industrie-Lehrer an, sorgen gemeinschaftlich mit dem Oekonomie-Inspektor für den Ankauf der nöthigen Arbeits-Materialien und Instrumente, inspiciren in den Arbeitsstunden so fleißig 1001
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als möglich, betreiben den Absatz der von den Kindern verfertigten Waaren, leiten die Spiele der Knaben in den Freistunden, und vereinigen sich mit dem OekonomieInspektor über nöthig befundene Einrichtungen und Anlagen im Lokale, so wie über alle zur Industrie gehörige Gegenstände. Pflichten der Prüfungs-Kommissarien. §. 45. Die Prüfungs-Kommissarien stehen zunächst in genauer Verbindung mit den Eltern und Angehörigen der Kinder. Sie untersuchen, ob die zur Aufnahme erforderlichen Bedingungen an den in Vorschlag gebrachten Knaben wirklich erfüllt sind, ob Raum und Umstände die Vermehrung der Frequenz gestatten, und ob dieser oder jener Zögling aus der Anstalt entlassen werden könne. Bei der Vorstellung der Kinder zur Wahl assistiren sie dem Sekretair. Auch wird es vorzüglich auf ihre Nachforschungen ankommen, ob die Zöglinge ihre Eltern und Verwandte an den dazu bestimmten Sonn- und Festtagen besuchen können, da dies zum Theil von dem sittlichen Betragen und der Lebensweise der Eltern selbst abhängig seyn wird. 2. Oekonomische Einrichtungen. A. Von den Offizianten. §. 46. Die besoldeten Offizianten des Instituts stehen unter dem Direktorium, und sind diesem nicht nur Gehorsam und Folgsamkeit schuldig, sondern auch für alle, durch ihre Schuld entstandene Unordnungen verantwortlich. §. 47. Sie wohnen sämmtlich in dem Institute, werden aus der Kasse des Instituts besoldet, und erhalten außerdem freie Kost und Heizung ihrer Zimmer. Die Direktion setzt hier ausdrücklich fest, daß die Offizianten mit den Kindern zugleich und an demselben Tisch essen sollen. §. 48. Das Personale der Offizianten besteht aus einem Hausvater, einer Hausmutter, einem wissenschaftlichen Lehrer und einigen Industr ie-Lehrer n. a) der Hausvater. §. 49. Der Hausvater ist für alle übrige Offizianten, so wie für die Kinder die erste Instanz, an die sie in allen, die Oekonomie des Hauses betreffende Angelegenheiten sich zu wenden haben. Er kann verlangen, von allem unterrichtet zu werden, und nichts darf ihm verschwiegen bleiben, damit er zu jeder Zeit den Mitgliedern des Direktoriums 1002
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Rede stehen, oder auch unaufgefordert die täglichen Vorfallenheiten dem OekonomieInspektor anzeigen könne. §. 50. Sein tägliches Geschäft besteht darin, für die Lüftungen und Reinigung der Zimmer und Schlafstellen, so wie für Heizung und Beleuchtung des ganzen Instituts zu sorgen, Küche und Keller gehörig zu inspiciren, über die Sittlichkeit der Kinder zu wachen, auf Pünktlichkeit, Ordnung und regelmäßige Vollziehung aller Geschäfte und Tagarbeiten zu halten, alle Streitigkeiten und Störungen zu hindern, keinen Fremden ein- oder auszulassen, ohne ihn vorher gesprochen zu haben, seine ihm untergebenen Dienstboten gehörig zu instruiren, jedem Offizianten und jedem Kinde das ihm Gebührende darzureichen, und über die Kranken des Instituts eine genaue Liste zu führen. In allen diesen Angelegenheiten ist er dem Direktorium verantwortlich. b) die Hausmutter. §. 51. Die Hausmutter steht ihm zur Seite. Ihr liegt vorzüglich die Sorge ob für die Kochund Wasch-Anstalten, für die Reinigung der Geschirre, für den Einkauf und die Aufbewahrung der Eßwaaren; zugleich übernimmt sie, besonders in Abwesenheit des Hausvaters, die Mitaufsicht auf die Knaben, und hält überall auf Reinlichkeit und Ordnung des Hauses, so wie auf die Reinigung der Kinder. c) der wissenschaftliche Lehrer. §. 52. Der wissenschaftliche Lehrer unterrichtet die Kinder im Lesen, Schreiben, Rechnen und Singen; der Religionsunterricht wird zur Zeit von zweien Aufsehern des Lehrwesens übernommen. Außerdem leitet er die Spiele der Kinder in ihren Freistunden, führt sie in die Kirche, geht mit ihnen spazieren, und inspicirt sie, in Gemeinschaft mit den Industrie-Lehrern, bei ihren Handarbeiten, so fleißig als möglich. Er hat das Recht, Körperstrafen anzuwenden, jedoch darf dies nur nach der, von den Aufsehern des Lehrwesens ihm gegebene Instruction geschehen, denen er überhaupt in allem, was sein Lehr- und Erziehungs-Geschäft betrifft, unmittelbar unterworfen ist. d) die Industrie-Lehrer. §. 53. Die Industrie-Lehrer leiten die Kinder in den verschiedenen Handarbeiten, halten sie dabei zum Fleiß und zur Ordnung an, und machen die Unfleißigen, Widerspänstigen und Muthwilligen dem Hausvater an jedem Tage zur Bestrafung nahmhaft. Sie sind zunächst den Aufsehern des Industrie-Wesens unterworfen, an die sie sich auch in allen, die Arbeiten betreffenden Angelegenheiten zu wenden haben. 1003
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§. 54. Die Pflichten der Unter-Offizianten sind in einer besondern Hausordnung näher bestimmt. B. Disciplin der Kinder. §. 55. Die Knaben des Instituts sollen an Pünktlichkeit, Ordnung, Reinlichkeit, nützliche Thätigkeit, Abhärtung und strengen Gehorsam gewöhnt werden. Alle Einrichtungen des Instituts sind darauf berechnet, jene Tugenden zu begründen, und zu erhalten. §. 56. Sämmtliche Kinder stehen im Sommer um 5 Uhr, im Winter um 6 Uhr auf, waschen und reinigen sich, ziehen sich an, und gewöhnen sich an regelmäßige Verrichtungen der natürlichen Funktionen. Abends um 9 Uhr, sowohl Winter als Sommer, geht jeder auf ein, mit der Glocke des Instituts (die überhaupt den Anfang und das Ende jedes Geschäfts bestimmt) gegebenes Zeichen zu Bette, so, daß 16 Stunden der Thätigkeit, und 8–9 Stunden der Ruhe gewidmet sind. Jeder Tag wird mit einer Morgenandacht angefangen, zu welcher sich Groß und Klein im Sommer um 5 ½, im Winter um 6 ½ Uhr im Betsale versammelt. §. 57. Die Stunden der Thätigkeit sind getheilt zwischen Unter r icht, Arbeit, Genuß und Spiel. a) Unterricht. §. 58. In Ansehung des Unter r ichts werden sämmtliche Knaben in zwei Abtheilungen gebracht. Die er ste Abtheilung wird wöchentlich in 16 Stunden, mit Ausschluß des Sonnabends und Sonntags, täglich von 6–9 im Sommer, und von 7–10 im Winter unterrichtet, und zwar 4 St[unden] im Deutsch-Lesen aus dem Wilmsenschen Kinderfreund, und 1 St[unde] im Deutsch-Lesen aus der Bibel, 3 St[unden] im Schreiben auf Papier, 3 St[unden] im Kopf und Tafelrechnen, 2 St[unden] in der christlichen Religion, 1 St[unde] in gemeinnützigen Kenntnissen, 1 St[unde] im Memoriren, und 1 St[unde] im Singen, welche des Vormittags bei der Arbeit gegeben wird.
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§. 59. Die zweite Abtheilung wird, ebenfalls mit Ausschluß des Sonnabends und Sonntags, täglich von 1–3, also wöchentlich in 10 Stunden, unterrichtet, und zwar 5 St[unden] im D[eutsch] Lesen und dem Wilmsenschen Buchstabir- und Lesebuche, 2 St[unden] im Schreiben mit dem Griffel auf die Tafel, 2 St[unden] im Kopfrechnen, und 1 St[unde] im Memoriren. §. 60. Für den Unterricht in allen diesen Gegenständen ist ein geräumiges Zimmer im Lokale eingeräumt, und die Lehrbücher sind in hinreichender Zahl, so wie 6 Exemplare der Bibel angeschafft. b) Arbeit. §. 61. Die Arbeitsstunden fallen täglich in dazu aptirten Arbeitszimmern; für die erste Ab theilung im Sommer von 9 ½, im Winter von 10 ½ bis 12, und von 1 bis Abends um 6 Uhr, exclus. des Sonnabends, wo die Erwachsenern an der General-Reinigung des Hauses Theil nehmen müssen, und des Sonntags, der dem Gottesdienste und der Erholung gewidmet ist; die zweite Abtheilung arbeitet im Sommer von 6 bis 9, im Winter von 7 bis 9, dann wieder von 9 ½ bis 12, und Nachmittags von 3 ½ bis 6 Uhr. §. 62. In dieser Zeit werden die Kinder nach Verschiedenheit ihres Alters, ihrer Kräfte und ihrer Geistes-Anlagen, theils mit Stricken und Spinnen, theils mit Strohflechten und Schnitzarbeiten etc. etc., unter Aufsicht und Anweisung der Industrie-Lehrer beschäftiget. Bei denjenigen Handarbeiten, die noch neben her eine Geistes-Beschäftigung erlauben, wird den Kindern von dem wissenschaftlichen Lehrer noch in einigen Stunden der Woche etwas Nützliches vorgelesen, erzählt und vorgesungen werden. c) Genuß u. Spiel. §. 63. Arbeit und Unterricht werden in schicklichen Zwischenräumen durch Genuß und Spiel unterbrochen werden. Sobald die Morgenandacht verrichtet ist, d. h. um ¾ auf 6, im Winter um ¾ auf 7 Uhr wird gemeinschaftlich ¼ Stunde gefrühstückt; das Frühstück bestehet abwechselnd in Bier- und Wasser-Suppen. Nach beendetem Schul-Unterricht bekommt jedes Kind ein Stück Salzenbrod; um 12 Uhr versammeln sich alle im Speisezimmer zum Mittagessen, welches aus Rumfordschen Brüh-Suppen, Vorkost, der Jahreszeit angemessen, Brod, und dreimal in der Woche aus Fleisch besteht; vor und nach Tische wird unter der Lei-
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tung des Lehrers gebetet. Um 3 Uhr erhält jedes Kind wieder ein Stück Brod, und um 6 Uhr Abendessen, das in Suppe und Ertoffeln und Brod besteht. §. 64. Eine halbe Stunde am Vormittag, nämlich zwischen dem Schul-Unterricht und der Industrie-Arbeit, und ½ St. nach dem Mittagessen, d. h. von 12 ½ bis 1 Uhr springen und spielen die Kinder unter Aufsicht ihres Lehrers auf dem Hofes des Instituts; dasselbe geschieht wieder Abends von 6 ½ bis 9 Uhr, in welcher Zeit sie zugleich Wettlaufen, Exerciren und andern stärkenden, gymnastischen Uebungen angeleitet werden sollen. Für den Winter wird eine Nachmittagsstunde zur Erholung, und dafür eine Abendstunde zur Arbeit angesetzt werden. §. 65. Der Sonnabend Nachmittag ist den ökonomischen Geschäften des Hauses, besonders der Reinigung der Kinder, der Sonntag dem Gottesdienst und der Erholung gewidmet. Am Vormittage dieses Tages werden die Erwachsenen von ihrem Lehrer in die Kirche und Nachmittags auf das Feld geführt, oder der Hausvater erlaubt ihnen, auf dem Hofe zu spielen, oder ihre Wohlthäter und Angehörigen – letztere unter gehörigen Einschränkungen – zu besuchen. C. Krankenpflege. §. 66. Für die Kranken des Instituts sind, nach Verschiedenheit ihrer Krankheiten, einige Zimmer bestimmt. Drei Personen, nämlich der Arzt (der seine Functionen unentgeldlich übernimmt), ein besoldeter Chirurgus und ein besoldeter Krankenwärter leiten die nöthigen Geschäfte. §. 67. Der Arzt kommt, so oft es nöthig ist, und instruirt den Chirurgus, der in seiner Abwesenheit seine Stelle vertritt. Dieser, dem Arzte unterworfen, ist nämlich den ganzen Tag im Institute, um sogleich bei der Hand zu seyn, wenn etwas vorfällt. Er er theilt mit dem Arzte die nöthigen Vorschriften, und inspicirt das Lazareth täglich mehrere Male. §. 68. Der Krankenwärter hat die Bedienung der Kranken nach der Vorschrift des Arztes und des Chirurgus. Er muß darauf halten, daß alles, was zur Krankenpflege gehört, insbesondere, das Mediciniren, die Reinigung, das Räuchern, das Lüften der Zimmer, das Kranken-Essen etc. mit aller Pünktlichkeit und vorschriftsmäßig besorgt werde.
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In allem, was er thut und unterläßt, ist er dem Arzt und Chirurgus verantwortlich, und steht zunächst unter der Aufsicht des Hausvaters, an den er sich, in Abwesenheit der Aerzte, in allen vorkommenden Fällen zu wenden hat. Brüßtlein, Kaufmann. Jac. Herz Beer, Kaufmann. Louis Catel, Architekt. Drake, Stadtrath. Erich, Kaufmann. Hanstein, Probst. Th. Heinsius, Professor. Joh. Fr. Köppen, Kaufmann. Marot, Prediger. May, Fabriken-Commissarius. v. Neander. Rosenstiel, Geh. Ober-FinanzRath. Rösel, Professor. Schulz, Kaufmann, Breitestraße Nr. 13. Louis Voß. Wilmsen, Prediger. Anhang. Auszug aus dem Etat. Die Speisung. Jeder Knabe erhält zum Frühstück eine Bier-, Mehl- oder Wassersuppe; zum Mittagessen Suppe oder ein der Jahreszeit angemessenes Gemüse, und dreimal in der Woche Fleisch; zum Abendessen Suppe oder Kartoffeln; außerdem noch Vor- und Nachmittags ein Stück Brod. Die Kosten der Speisung betragen jährlich auf einen Knaben 25 Rthlr. Die Kleidung besteht jährlich in Jacke von blauem Tuche, ein Paar langen Beinkleidern von derselben Farbe, einer Weste mit Aermeln, und ein Paar langen Beinkleidern von Zwillich für den Sommer; ferner erhält jeder Knabe zwei Paar wollene Strümpfe, einen Strohhut, ein Paar lederne Schuhe, und ein Paar dergleichen mit Holzsohlen; zwei Schnupftücher, zwei Hemden und ein Laken. Die Bekleidung incl. der Wäsche und deren Reinigung kostet jährlich Erleuchtung, Heizung, Wartung und Unterricht. Es werden im Winter täglich zwei Arbeits- und ein Unterrichtszimmer, so wie die Krankenstuben geheitzt. Dafür wird jährlich gerechnet Für Aufsicht, Pflege, Unterricht, chirurgische Hülfsleistung und übrige Functionen der Offizianten
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8 – Summa 52 Rthlr.
Da nach gemachter Berechnung jeder Knabe, so bald er drei Monate im Institut ist, durch die eingeführte Industrie-Arbeiten täglich gegen drei Groschen verdienen kann, wenn nämlich Krankheiten oder andere Zufälle ihn nicht hindern: so läßt sich absehen, daß das Institut sich einst größtentheils durch sich selbst werde erhalten können. Quelle: Reglement für die Berlinische Erziehungs- und Industrie-Anstalt. Berlin 1807 (Druckschrift, 24 S.; GStA PK, I. HA, Rep. 77 B Ministerium für Volkswohlfahrt, Nr. 509).
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II) Hauptauszüge aus der Geschichte und dem Haushalt des Luisenstifts in Berlin, Propstgasse No. 7, 1818 Die Anstalt entstand in den Tagen der allgemeinen Kriegsnoth des Jahres 1807; ist bestimmt zur Erziehung der Kinder verarmter Eltern oder unglücklicher Wittwen und Wittwer, für deren Rettung bisher noch keine Anstalt eigens gesorgt; wurde begründet mit Glauben und Zuversicht zu Gott, und im Vertrauen auf den frommen Sinn des erhabenen Königs-Paars und auf die Wohlthätigkeit edler Menschen; und besteht zum ewigen Andenken an die höchstselige Königinn Luise, mit deren Bewilligung die Anstalt den Namen: Luisenstift erhielt; dessen Geist und Zweck durch folgende Worte der Urkunde Ihrer Majestät der Königinn ausgedruckt ist: „Der Krieg, der so viel unvermeidliches Uebel über die Nation brachte, deren Landesmutter zu seyn, mein Stolz ist, hat auch manche schöne Frucht zur Reife gebracht, und für so vieles Gute den Saamen ausgestreut. Vereinigen wir uns, ihn mit Sorgfalt zu pflegen, so dürfen wir hoffen, den Verlust der Macht, durch Gewinn an Tugend reichlich zu ersetzen.“Luise. Die Zahl der Kinder, welche seit elf Jahren, von ihrem achten bis zum vierzehnten Jahre, in dem Stift erzogen sind, beträgt 167; Vorhanden sind 64. Von 22 leben beyde Eltern; von 3 die Väter; von 39 die Mütter. Die Erziehung und Unterweisung ist einfach und häuslich, auf pünktlichen Gehorsam, strenge Ordnung, stete Beschäftigung, verdiente Erholung, gute Sitte und gottesfürchtige Gesinnung gerichtet, und bezweckt hauptsächlich, nach Maßgabe der besondern Fähigkeiten, die Bildung tüchtiger Künstler und Handwerker. Den Gottesdienst besuchen die Kinder abwechselnd in der St. Nicolai- und in der Parochialkirche. Die Hausandacht leitet der Lehrer. Als Industriearbeit wird die Strohflechterey für Hüthe ausgeübt, wovon der Ertrag zur Stiftungs-Casse kommt. Die Verpflegung ist kräftig und einfach, dreymal wöchentlich mit Fleisch. Die sämmtlichen Kosten betragen jährlich für 64 Kinder 3456 Rthlr.; für Einen Zögling im Durchschnitt 54 Thaler; oder täglich 3 Groschen 6 ²⁄₃ Pfennig. Gestorben sind von 167, meist früher durch Armuth physisch und moralisch verwahrlosten, Knaben in 11 Jahren nur 5; Einer an organischen Fehlern des Unterleibes und Vier an der Schwindsucht, bald nach der Aufnahme. Die Direction und Verwaltung wird durch einen freyen Verein von achtzehen Familienvätern unentgeldlich besorgt. Drey Hauptfeste werden im Stift mit Gesang und Rede gefeiert: des Königs Geburtstag, den 3ten August; das Stiftungsfest, den 9ten September, und der Weihnachts-Abend. – 1818. – Quelle: Ein Druckblatt im Archiv der Königin-Luise-Stiftung. 1008
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Königin-Luise-Stiftung I) Aufruf zur Stiftung von Bildungsanstalten für weibliche Erzieherinnen, August 1810 An die tiefgebeugten Bewohner des preußischen Staats. Unsere allverehrte, angebetete Königin ist nicht mehr unter uns! Aber ihr Geist waltet über uns als Schutzengel; Ihr Andenken lebt in unsern und unsrer Kinder Herzen; es dauert fort in dem, was sie für uns wollte, für uns that! Viel hat die Hohe vollendet; aber noch lag Erziehung eines bessern Geschlechts, Erziehung unserer Töchter zu dem Muster, das Sie Selbst als Gattin und Mutter uns aufstellte, in Ihren heißesten Wünschen. Ach, entschwunden ist dieses Muster, und unerfüllt sind diese Wünsche! So sei es uns Ihr heiligstes Vermächtniß: zu vollenden, was Ihr die Vorsehung nicht gestattete! so sei dies das unvergänglichste Denkmal unserer Liebe, welches wir Ihr setzen! so sei die Gründung dieses Denkmals die fromme würdigste Feier des morgenden Tages! nur eine solche Feier wird das gebeugte Gemüth unsers theuersten Königs aufrichten an dem einsam verlebten Tage seiner Geburt! Luisens Tugenden müssen von nun an ein Eigenthum Vieler werden! Ihr Sinn für Häuslichkeit, Ihre treue Liebe zum Gemahl und zu Ihren Kindern, Ihr Gefühl für Alles, was gut und edel und groß ist, müsse ruhen auf des Vaterlandes Töchtern, damit sie ihren Gatten und Kindern das zu werden streben, was einst Preußens Königin Ihrem erhabenen Gatten und Ihren Kindern war! Zu diesem Zweck, zu Ihrem Denkmal und als Ihr Vermächtniß stifte die Nation selbst dem gesammten Staate Bildungsanstalten für weibliche Erzieher innen! zuerst in Berlin, Königsberg und Breslau; alsdann fortschreitend in den übrigen Hauptstädten der Provinzen, so daß jede Provinz eine solche Anstalt erhalte! Luisens erstgeborene Tochter sei die Beschützerin dieser Anstalten; eine jede werde von einem Verein ehrwürdiger, allgemein geachteter, an Herz und Geist vortrefflicher Mütter geleitet; aus diesen Anstalten gehe für alle Eltern, die Ihrer bedürfen, eine Pflanzschule guter Erzieherinnen hervor! Konnte die einzige Stadt Berlin in den Zeiten der höchsten Noth für hülflose Kinder das Luisenstift gründen – was vermögte nicht erst die ganze Nation, um ihrer verklärten Königin zu huldigen! Beiträge, entweder als Kapital, oder als fester periodischer Beitrag, oder als einzelne Unterstützung gegeben, vorzüglich die ersten, werden die Gründung und das Bestehen jener weiblichen Bildungsanstalten sichern. Gern wird Jeder, der es vermag, zur Unterzeichnung solcher freiwilligen Beiträge herbeieilen; gern wird jeder Prediger und Stadtverordneter, und jeder andere Freund der großen Sache Unterzeichnungen eröffnen. Schon wird an einem Plan zu dieser National-Angelegenheit, der ihrer würdig sei, gearbeitet. Sobald er vollendet seyn wird, soll er Preußens Bürgern öffentlich vorgelegt werden. In ihrer Hand liegt dann die Feststellung und Ausführung desselben. 1009
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Von Geschlecht zu Geschlecht wirke sodann Luisens Geist segnend in diesen Anstalten! Möge darum die Nation sich mit Luisens Namen bezeichnen! Möge sie in ihnen die Tage Ihrer irdischen und himmlischen Geburt mit dankbarer Liebe stets feiern! Berlin, am 2ten August 1810. Delbrück. Janke. Klewiz. Nolte. Rosenstiel. Sack, Geh. St. R. Quelle: Denkmal der Preußen auf ihre verewigte Königin Luise, durch weibliche Erziehungsanstalten. Herausgegeben von W. A. v. Klewiz, Geheimen Staats-Rathe, und Civil-Gouverneur. Halberstadt 1814, S. 5–8.
II) Johann Friedrich Gottlieb Delbrück: Handschriftlicher Satzungs-Entwurf, 1810 Entwurf des durch den Druck bekannt zu machenden Planes laut Beschluß in der Sitzung d. 17ten Septbr. [18]10. § 1. Die unterm 2ten und 7ten August d[ieses] angekündigte Anstalt hat ausschließlich zum Zweck: Erzieherinnen zu bilden, welche mit der Zeit, theils sogenannten Töchterschulen auf eine wünschenswürdige Art vorzustehen, theils die häusliche Erziehung zu leiten, geschickt und geeignet sind. § 2. Zu diesen Zöglingen sollen gewählt werden sowohl Erwachsene zwischen 16 und 18 Jahren, als auch Kinder zwischen 6 und 10 Jahren, unter letztern eine verhältnißmäßige Anzahl solcher, deren Bestimmung ist, Wärterinnen zu werden. § 3. Es wird also eine dreyfache Ordnung von Zöglingen statt haben a) Erwachsene, von Talent für das Erziehungswesen, welche ein schon erlangtes Maaß der Kenntniße und Fertigkeiten nur vollends ausbilden b) Kinder von Anlagen für das Erziehungswesen, welche die nötigen Kenntniße und Fertigkeiten sich erwerben c) Kinder zu Wärterinnen bestimmt, welche durch einen zweckmäßigen Antheil an der Unterweisung, wenigstens mit dem Tenor erfüllt werden sollen, eine gute Erziehung nicht zu stöhren § 4. Die gewählten Zöglinge finden sämtlich in dieser Anstalt ein ganz unentgeldliches Unterkommen. Außerdem aber ist der Zutritt gegen Kost-Geld den genannten 3 Arten von Zöglingen offen. // 1010
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§ 5. Die Anstalt selbst soll Form und Verhältniß des Familien-Lebens haben, in der gesammten Verfaßung, in den Gegenständen und der Art des Unterrichts, in den Mitteln auf die Gesinnung zu wirken und in dem gesammten Tagewerk § 6. An der Spitze der Anstalt soll eine Frau von Jahren und Erfahrung gestellt werden, welche als Hausfrau und als FamilienMutter anerkanntes Verdienst hat. § 7. Unter ihrer allgemeinen Leitung und Oberaufsicht stehen als Gehülf innen einige Frauen, bei deren Wahl zu berücksichtigen ist, außer untadelichen Sitten, die Fähigkeit einem Hauswesen vorzustehen, und andere dazu anzuleiten; ein bewährter Sinn für Familien-Wohlfahrt, und die Neigung des Gemüthes, eine wohl eingerichtete Wirthschaft als ein Werk der Ordnung und der Selbstverleugnung zu lieben und zu handhaben; hiernächst ein solcher Grad geistiger Bildung, daß sie der Muttersprache mündlich und schriftlich mächtig sind, die Gabe gut vorzulesen besitzen und daß, wenigstens eine, Musick, namentlich Gesang, so versteht und ausübt, daß sie darin unterweisen, oder doch nachhelfen kann § 8. Jede solcher Gehülfinnen hat die nähere Aufsicht über eine Anzahl // von Zöglingen, unter denen wir die Erwachsenen von nun an Erzieher innen nennen wollen, im Gegensatze der Kinder, welche Mündel heißen mögen. § 9. Diese Mündel werden so vertheilt, daß je 5 und 5, mit Einschluß eines Gesindezöglings, unter die Obhut einer Erzieherin kommen. § 10. Das Ganze würde sich demnach also gestalten: Die Erzieherinnen wie älteste Töchter einer Familie, wohnen mit ihren Mündeln wie mit jüngern Geschwistern zusammen, im Bezirk derjenigen Gehülfin, an welche sie gewiesen werden, wie an eine Familienmutter, um von ihr die Geschäfte einer Hausfrau zu erlernen. Die Gehülfinnen ihrerseits, als Vorsteherinnen der ihnen zugehörigen Sprengel, berathen sich mit der Oberaufseherin, welche die Einheit des Zwecks wahrzunehmen hat. § 11. Jede Erzieherin bildet mit ihren 5 Mündeln eine eigene kleine Haushaltung, worin sie für die Bedürfniße der ihr anvertrauten Zöglinge zu sorgen hat, die Speisung Mittags und Abends abgerechnet. Sie hat darauf zu sehen, daß die ihr anvertrauten Kin1011
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der die ihrem Alter erreichbare Geschicklichkeit in weiblichen Handarbeiten erlangen, eine Ehre // darin setzen, das Unentbehrlichste ihrer Kleidung selbst verfertigen, oder doch anordnen zu lernen; daß sie über alle ihre Sachen ein genaues Verzeichniß, über ihr TaschenGeld Buch und Rechnung führen, alles was auf Ordnung des Hauswesens, sowie auf die Zufriedenheit der Hausgenoßen Einfluß hat, werth achten, und aus diesem Gesichtspunkte weiblichen Arbeiten und geistigen Beschäftigungen einen verhältnißmäßig gleichen Werth beilegen, Bücher, Noten und Zeichnungen nicht wichtiger halten, als andere Stücke des Hausraths; Reinlichkeit im Anzug und in der Beschaffenheit der Wohnzimmer eben so hoch anschlagen, als Zierlichkeit der Handschrift, Ordnung in Kisten und Kasten eben so lobenswerth finden, wie wohl aufgefaßte Kenntniße eines treuen Gedächtnißes § 12. Diese verschiedenen Haushaltungen der Erzieherinnen vereinigen sich in dem Hauswesen der Gehülfinnen, wo alles, was zu einer selbständigen Einrichtung einer Familie gehört, selbständig betrieben wird, und wobei die Gehülfin es ihr Hauptgeschäft sein läßt, die ihr zugeordneten Zöglinge, in alle Theile und Zweige der Wirthschaft, wie sie Namen haben mögen, nach Maaßgabe der Kräfte und des Alters nach und nach hinein // zu führen, und sich ihrer namentlich bei Besorgung des Mittags- und Abendtisches, in der Küche als Gehülfinnen zu bedienen, worin Woche um Woche eine regelmäßige Abwechselung beobachtet werden soll. § 13. Die Betriebsamkeit und Gewandheit in dem äußern Verkehr des häuslichen Lebens soll das er ste Hauptstück der Erziehung sein, und ganz gleichen Werth haben mit dem zweiten Hauptstücke, mit dem Eifer und Fleiße im Fache des Wißenswürdigen. § 14. Ueber die Gegenstände des Unterrichts, welche, als bekannt, nicht aufzuzählen sind, nur soviel: Unter den Kunstfer tigkeiten soll Gesang und Vorlesen als Hauptsache betrachtet werden, Tanzen und Zeichnen auf das Unentbehrliche und Wesentliche sich beschränken; – unter den Sprachen soll das Deutsche und Französische gleichen Schritt halten; – unter den Wißenschaften soll die Lehre Jesu aus der Bibel gelernt, an der Geschichte, Erdbeschreibung und Naturkunde soll, mit Umsichtigkeit die Seite aufgefaßt werden, welche dienen kann, eine verständige, auf klaren Vorstellungen und innigen Gefühlen ruhende Ansicht der Dinge um uns her zu geben, mit dem vorherrschenden Bewußtsein, daß Kraft, // Wille und Gesinnung des Weibes sich in stiller Wirksamkeit und ungesehenen Handeln am Verdienstlichsten sich äußern.
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§ 15. Männer, welche beim Geschäfte des Unterrichtes die Eigenthümlichkeit des Geschlechtes zu berücksichtigen verstehen, sollen in den genannten Gegenständen unterweisen, und zwar auf dreifache Art: S. Grundzüge eines Plans pp. d. d. 13ten August d. § 13. a. bis c. § 16. Der Unterricht selbst soll mehr die Form des Familien-Lebens als der Schule haben. Zwar sollen regelmäßige Lehrstunden statt finden, aber nicht Klassen und Klassenrang und schlechterdings niemals öffentliche Prüfungen als welche einer dem weiblichen Geschlechte nicht zuständige Eitelkeit in Richtung der Wißbegierde zur Nahrung dienen und eine Überschätzung der sogenannten Schulkenntnisse veranlassen. § 17. Alle geistige Übungen, welche die Erzieherinnen mit ihren Mündeln vorzunehmen verstehen, // und welche überhaupt zweckmäßiger im kleinen als in größern Kreisen sich vornehmen lassen, sollen im Wohnzimmer der Erzieherinn regelmäßig Statt haben. Aber in den Gegenständen, wo Gedächtniß und Geistesgegenwart in Weteifer zu setzen sind, sey gemeinsamer Unterricht, welchen die Erzieherinn mit ihren Mündeln zu wiederholen hat. Wöchentlich finde auch wenigstens zwey Mal eine Versammlung sämtlicher Schülerinnen im Beiseyn aller Vorsteherinnen und Lehrer Statt, wo jedes mal wenigstens drey der Erzieherinnen öffentlich theils vortragen theils prüfen. So viel von den Gegenständen und der Art des Unterrichts. § 18. Anlangend die Mittel auf den Willen zu wircken, zur Gesetzmäßigkeit im Betragen, // so wird zwar der stille Einfluß einer wohlgeordneten Umgebung, welche auf die Seele wirkt wie eine gesunde Luft auf den Körper, das beste thun. Um jedoch die Selbstschätzung mit Achtung gegen das Urtheil der Gesellschaft frühzeitig zu verbinden, soll folgendes dienen (Dieß würde S. Grundzüge pp. § 17 a bis § 23, wo hinter den Worten: „friedfertiges § 19 bis Wesen“ zu lesen ist: „und ein kindlicher Sinn für die Feste der Kirche, des incl. 24 Landes und der Familie“ wogegen die Worte: „die Erzieherinnen - immer dieses neuen Schwung“ wegfallen. Entwurfs) § 25. Dieß sind die Grundzüge des Planes, aus welchen die Nachreisung [!] des Einzelnen sobald das Ganze feststehet, sich leicht herleiten läßt. Bey näherer Prüfung dieses Entwurfes wird sich ergeben, daß er sich innerhalb der Gränzen der Bestimmung // des weib1013
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lichen Geschlechtes hält und auf richtige Würdigung seines eigenthümlichen Berufes abzweckt. (Beydes ist der Beachtung werth zu einer Zeit, wo die im Ruf stehen(S. Nachtrag.) den Bildungsanstalten für Töchter mehr oder weniger den Zuschnitt der Schulen und Anstalten für Knaben und Jünglinge haben, vom häuslichen Leben, für welches sie vorbereiten sollen, mehr entfernend als demselben nähernd; zu einer Zeit, wo man von einer gleichartigen Bildung der Mädchen und Knaben spricht, ein und dieselben Vorlesungen für Frauen und Männer hält, über die bürgerliche Verbesserung der Weiber schreibt und wo nicht selten Mütter, Gattinnen u Töchter sich selber so geringschätzig beurtheilen, daß sie sich beklagen, nicht auch als Geschäftsverweser angestellt werden zu können, u um dafür doch etwas zu leisten, // wozu sie gleichfalls nicht berufen sind, sich abmühen unter dem Ringen nach Gelehrsamkeit u Schriftstellerruhm, verkennend die Würde eines weiblichen Gemüthes, welches seiner herrlichen Kraft sich bewußt einen angemessenen Wirkungskreis mit frommer Seele umfaßt. Dieser Zeitgeist macht zum dringenden Bedürfniß, mit den öffentlichen Bildungsanstalten für Töchter einzulenken, und macht es zur wichtigen Aufgabe eine Anstalt zu versuchen, worin Erzieherinnen gebildet würden, deren Bestreben dahin ginge, das weibliche Gemüth sich selber treu zu erhalten, indem dasselbe durch die Lebensordnung bey bestimmten Tagewerke, so wie durch den Gesichtspunkt u die Art der geistigen Thätigkeit durchdrungen würde von Anerkennung und Werthschätzung des stillen Verdienstes u einer ungesehenen Betriebsamkeit, in jener frommen Stimmung, welche die gewissenhafte Treue in Erfüllung der Obliegenheiten als solcher, // so geringfügig sie auch erscheinen mögen, als eine schoene und große Tugend würdiget.) Gelänge es eine solche Anstalt zu gründen u. in allen Theilen zu bevestigen, bliebe es in derselben für immer Hauptaugenmerk, nicht glänzen zu wollen, sondern in der Stille zu wirken; würde das Werk begonnen mit Glauben an die Bildsamkeit des menschlichen, mit Liebe zur Eigenthümlichkeit des weiblichen Gemüthes, in Hofnung auf das, wiewohl langsame Gedeihen al[le]s Großen u Guten: so wäre eine solche Anstalt ein würdiges Denkmahl der verewigten Königinn, deren Sinn und Geist über derselben walten möge. § 26. Ob das Werk gelingen werde u in welchem Umfange hängt nun von den Mitteln ab, welches [!] das Vaterland selbst darbieten // wird. Der Entwurf läßt einen geringen Anfang und almählige Erweiterung zu. Die größte Ausdehnung wird nie der wesentlichen Bestimmung schaden. Das Wünschenswürdigste ist, (daß die Gehülfinnen verheirathet wären und zwar mit Männern, welche dem Geschäfte der Erziehung sich ausschließ1014
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lich widmend die obere Leitung des Unterrichtes u die Unterweisung der Erzieherinnen übernehmen,) daß wenigstens gleich 12 Erzieherinnen u 18 Mündel frey aufgenommen werden könnten, u eine gleiche Anzahl von Kostgängerinnen sich anträge. Die Gründung jener Freystellen wird der Mildthätigkeit fürstlicher Personen und kinderloser Reichen empfohlen, u in Betreff der Kostgängerinnen ergeht hiemit die Anfrage an Eltern, ob sie einer zu errichtenden // Anstalt ihre Töchter anvertrauen wollten. Möchte es in den höhern u begüterten Ständen Sitte werden, Ehebündnisse auch dadurch zu feiern, daß sie in einer solchen Anstalt die Zahl der Freystellen vermehrten! § 27. (Ein Urtheil, welches durch die erste Ankündigung ist veranlaßt worden, bleibe nicht unberührt. Ein Mann von Einsicht hat bemerkt, daß man nicht dahin streben solle noch müsse gute Erzieherinnen zu bilden, weil durch dieselben auch den Müttern, welche ihre Töchter selbst erziehen könnten, wenn sie nur wollten, erleichtert würde, sich ihres Berufes u Amtes zu begeben. Hierauf dient zur Antwort: Dessen, wozu man Beruf u Geschick hat, begibt man sich nicht ohne Noth. Wenn indeß alle Mütter wären wie sie seyn sollten, so würden freilich dergleichen Anstalten überhaupt // entbehrlich seyn; u wollte man die vorhandenen Schulen u Anstalten zur Bildung des weiblichen Geschlechtes, ganz aufheben, so mögte es auch um die in Rede stehende zu viel seyn. Sind aber Mütter wie sie seyn sollen, auch begütert genug mit treflichen Gehülfinnen ihr Geschäft zu theilen, so kann das Verhältniß ihrer Kinder nicht anders als gewinnen. Da es nun aber viele Mütter geben mag, die nicht sind wie sie seyn sollten, so ist es der Mühe u des Bestrebens werth taugliche Stellvertreterinnen zu erziehen.) Berlin den 24ten September 1810.
Delbrück. //
Nachtrag. Vorstehender Entwurf wurde in der Versammlung d. d. 24ter Septbr. von mir vorgelesen. Die dabey gemachten Erinnerungen haben mich veranlaßt in den §phen 25–27. einige Stellen einzuklammern, welche ich hiedurch als unwesentlich zurüknehme. Berlin den 26ten Septbr. 10 Delbrück. Quelle: Dokumentensammlung der Königin-Luise-Stiftung, General-Akten die Entstehung des Plans zu Bildungs-Anstalten für Erzieherinnen betreffend / 1810. Vol. 1, Section I N° 5, vol. I. – Transkription Uta Motschmann.
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III) Plan zu dem preußischen Denkmal für die verewigte Königin Luise von Preußen durch weibliche Erziehungsanstalten, Dezember 1810 Ausgehend von dem Bedürfnisse, welches der Zeitgeist durch Mißgriffe in der Schätzung weiblicher Vorzüge uns aufdringt, stützt sich dieser Plan auf den Glauben an die Bildsamkeit des menschlichen Geschlechts und auf die Achtung gegen die Eigenthümlichkeit des weiblichen Gemüths. Voll Hoffnung auf das, wiewohl langsame, Gedeihen alles Großen und Guten, wird er belebt durch den Wunsch, die Blicke hinzulenken auf die Liebenswürdigkeit eines weiblichen Gemüths, welches einer herrlichen Kraft theilhaftig, und derselben sich bewußt, seinen Wirkungskreis mit frommem Sinn umfaßte. Gelänge es, eine Anstalt zu gründen, in welcher Alles darauf hinstrebte, im Familienbande durch die Lebensordnung bei bestimmtem Tagewerke, so wie durch den Gesichtspunkt und die Art der geistigen Thätigkeit, das weibliche Gemüth sich selber treu zu erhalten, und es zu erfüllen mit Anerkennung des stillen Verdienstes, mit Werthschätzung einer ungesehenen Betriebsamkeit, und mit jener frommen Stimmung, welche bei Erfüllung der Obliegenheiten die gewissenhafte Treue als Hauptsache betrachtet; setzte diese Anstalt, für immer, ihren Stolz einzig und allein darin, nicht zu glänzen, sondern in der Stille zu wirken; und gewährte der Erfolg dieser Bemühungen eine Auswahl von Erzieherinnen und künftigen Gattinnen, und solchen Wärterinnen, welche wenigstens mit dem Sinne eine gute Erziehung nicht zu stören, erfüllt wären; gelänge ein solches Werk allgemeiner Bildung des weiblichen Gechlechts, wichtig und entscheidend für die Bildung des männlichen: so dürfte Preußen sich rühmen, seiner Königin ein Denkmal errichtet zu haben, einzig in seiner Art, werth Luisenthum 1 zu heißen, und dadurch das Gedächtniß jener unverfälschten Weiblichkeit zu bezeichnen, welche durch häusliche Tugenden in den Verhältnissen der Mutter, der Gattin, der Schwester und Tochter am unverkennbarsten sich ausspricht. Diese Weiblichkeit war der Unvergeßliche Antheil, voll Anmuth und Würde, und von dem Selbstgenusse, welcher mit eigenthümlicher Erfüllung des Berufes verbunden ist, ging unstreitig der vollendeten Königin Wunsch und Vorhaben aus, eine Bildungsanstalt für Erzieherinnen zu gründen. Ihr Vorbild und Wille vererbe sich als heiliges Vermächtniß auf die ferne Nachkommenschaft durch eine Anstalt, welche den Namen Luise mit Ehren trage! Erster Abschnitt. Eigenthümlichkeit der Anstalt. §. 1. Die zum Gedächtniß der verewigten Königin bestimmte Anstalt führe den Namen Luisenthum; er bezeichne den Inbegriff häuslicher Tugenden, die Anstalt befleißige sich derselben, damit sie in ihr wohnen und herrschen.
1 Des Königs Majestät haben seitdem den Namen Luisen-Stiftung zu bestimmen geruhet. 1016
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§. 2. Das Luisenthum soll eine Anstalt sein, worin junge Mädchen, welche für das häusliche oder öffentliche Erziehungswesen sich zu bilden wünschen, Gelegenheit finden, die Geschäfte der Hausfrau und Lehrerin ausübend zu lernen, und lernend zu lehren, indem sie in zweckmäßiger Umgebung Erzieherinnen jüngerer weiblicher Kinder werden, unter welchen sich eine verhältnißmäßige Anzahl auch solcher Kinder befinden soll, deren Bestimmung ist, Wärterinnen zu werden. Die Bildung aller dieser Personen zu ihrem Beruf, zur Hausmütterlichkeit überhaupt, ist sein Zweck. §. 3. Diesem Zwecke gemäß wird die Eigenthümlichkeit der Einrichtung darin bestehen, daß For m und Verhältniß des Familienlebens vorwalten sollen in der innern Verfassung – in den Gegenständen und der Art des Unterrichts – in der Folge des Tagewerks – in der absichtlichen Einwirkung auf den Willen und die Sinnesart, so wie in der Aufsicht über das Ganze. Die gesammte Anstalt stellt eine große Familie dar, in welcher also auch männlicher Einfluß, wie der des Vaters in seinem Kreise, wohlthätig wirke. §. 4. An der Spitze der Anstalt stehe ein verständiges und gebildetes, heiteres und gesundes Ehepaar von Jahren und Erfahrung; der Vor steher sey ein Mann von Einsicht, Weltkenntniß, freundlichem, hingebendem Charakter; seine Frau, die Vor steher in, habe als Familienmutter und Hausfrau anerkanntes Verdienst. §. 5. Unter Beider allgemeiner Leitung und Oberaufsicht stehen als Aufseher innen einige Frauen, bei deren Wahl zu berücksichtigen ist, außer untadelichen Sitten, die Fähigkeit einem Hauswesen vorzustehen und andere dazu anzuleiten; ein bewährter Sinn für Familienwohlfahrt, und die Neigung des Gemüthes, eine wohleingerichtete Wirthschaft als ein Kunstwerk der Ordnung zu lieben und mit Selbstverleugnung zu handhaben; hiernächst ein solcher Grad geistiger Bildung, daß sie der Muttersprache mündlich und schriftlich mächtig sind, die Gabe gut vorzulesen besitzen, und daß, wenigstens Eine, Musik, namentlich Gesang, so versteht und ausübt, um darin unterweisen oder doch nachhelfen zu können. §. 6. Jede Aufseherin hat die nähere Aufsicht über eine bestimmte Anzahl von Erzieher innen nebst den diesen zur Pflege und Unterweisung anvertrauten Kinder n. §. 7. Die Kinder werden so vertheilt, daß nur eine nach allen Bedürfnissen übersehliche Anzahl von verschiedenem Alter, mit Einschluß einer Aufwär ter in, unter die Obhut einer Erzieherin kommen: §. 8. Das Ganze würde sich daher also gestalten;
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Die Erzieherinnen, wie älteste Töchter einer Familie, wohnen mit den ihnen anvertrauten Zöglingen wie mit jüngeren Geschwistern, und gegen die Wärterinnen im Verhältniß der Hausfrau, zusammen, im Bezirk derjenigen Aufseherin, an welche sie gewiesen werden, wie an eine Familienmutter, um von ihr die Geschäfte der Hausfrau zu erlernen. Die Aufseherinnen ihrer Seits, als Vorgesetzte der ihnen zugehörigen Sprengel, haben den Vorsteher und die Vorsteherin als diejenigen zu betrachten, welchen obliegt, die Einheit des Zwecks wahrzunehmen. §. 9. Jede Erzieherin bildet mit ihrer Stubengesellschaft einen eigenen kleinen Hausstand, worin sie, nach Anleitung und unter den Augen der Aufseherin, die innern und äußern Bedürfnisse der ihr anvertrauten Zöglinge und Wärterin zu besorgen hat. Namentlich hat sie darauf zu sehen, daß ihre Angehörigen die ihrem Alter erreichbare, und ihrer künftigen, verschiedenen Bestimmung gemäße Geschicklichkeit in weiblichen Handarbeiten erlangen; eine Ehre darin setzen, das unentbehrlichste ihrer Kleidung selbst verfertigen, oder doch anordnen zu lernen; daß sie über alle ihre Sachen ein genaues Verzeichniß, über ihr Taschengeld Rechnung führen, Alles, was auf Ordnung des Hauswesens, so wie auf die Zufriedenheit der Hausgenossen Einfluß hat, werth achten, und aus diesem Gesichtspunkte weiblichen Arbeiten und geistigen Beschäftigungen einen verhältnißmäßig gleichen Werth beilegen, Bücher, Noten und Zeichnungen nicht wichtiger halten, als andere Stücke des Hausraths; Reinlichkeit im Anzug und in der Beschaffenheit der Wohnzimmer eben so hoch anschlagen, als Zierlichkeit etc. Ordnung im Hauswesen eben so lobenswerth finden, wie wohl aufgefaßte Kenntnisse eines treuen Gedächtnisses. §. 10. Diese verschiedenen kleinen Haushaltungen der Erzieherinnen vereinigen sich in dem Hauswesen der Aufseherin, wo Alles, was zu der selbständigen Einrichtung einer Familie gehört, selbständig betrieben wird. Die Familienmutter läßt es ihr Hauptgeschäft sein, ihre Angehörigen in alle Theile und Zweige der Wirthschaft, wie sie Namen haben mögen, nach Maaßgabe der Kräfte und des Alters, nach und nach hineinzuführen, und sich ihrer namentlich bei Besorgung des Mittags- und Abendtisches in der Küche als Gehülfinnen zu bedienen, worin Woche für Woche eine regelmäßige Abwechselung beobachtet werden soll. §. 11. Diese Betriebsamkeit und Gewandtheit in dem äußern Verkehr des häuslichen Lebens soll das Er ste Hauptstück der Erziehung sein, und ganz gleichen Werth haben mit dem zweiten Hauptstück, mit dem Eifer und Fleiße im Fache des Wissenswürdigen. §. 12. Die Lehre Jesu, wie die Bibel sie giebt, in Kernsprüchen und kräftigen Liedern dem Herzen anvertraut, gebe dem Unterricht in den Religionswahrheiten die anziehende und das Gemüth durchdringende Kraft. 1018
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Der übrige Unterricht wird, den Bedürfnissen jedes Alters gemäß, mit den nöthigen Uebungen im Lesen, Rechnen und Schreiben beginnen, und verhältnißmäßig fortschreiten nach diesem Maaßstabe. Unter den Kunstfer tigkeiten soll, außer den gewöhnlichen weiblichen Arbeiten, Gesang und Vorlesen als Hauptsache betrachtet werden, Musik, Sticken und Zeichnen sich anschließen; Tanzen aber auf das Unentbehrliche und Wesentliche sich beschränken; – unter den Sprachen soll nächst dem Deutschen nur das Französische berücksichtigt; – unter den Wissenschaften soll an der Geschichte, Erdbeschreibung und Naturkunde mit Umsichtigkeit die Seite aufgefaßt werden, welche dienen kann, eine verständige, auf klaren Vorstellungen und innigen Gefühlen ruhende Ansicht der Dinge um uns her zu verschaffen, mit dem vorherrschenden Bewußtseyn, daß Kraft, Wille und Gesinnung des Weibes sich in stiller Wirksamkeit und ungesehenem Handeln am verdienstlichsten äußern; daß in den geringfügigen Geschäften des Lebens nichts gemein sei, als was mit gemeinem Sinn vollzogen wird; und daß kein Gemüth sich zu vornehm dünken dürfe für die Sorge, was die Seinigen essen, trinken, und wie sie sich kleiden werden. §. 13. Männer, welche beim Geschäfte des Unterrichts diese Eigenthümlichkeit des Geschlechtes zu berücksichtigen verstehen, sollen in den genannten Gegenständen unterweisen, und zwar auf dreifache Art: a. durch Unterricht, welchen sie unmittelbar bloß den Erzieherinnen selber ertheilen, um sie mit dem nöthigen Lehrstoffe zu versehen; b. durch Unterricht, welchen die Lehrer im Beisein der Erzieherinnen den Kindern geben; c. durch Unterricht, welchen die Erzieherinnen im Beisein der Lehrer den Kindern geben. §. 14. Um auch beim Unterrichte mehr die Form des Familienlebens, als der Schule zu berücksichtigen, sollen zwar regelmäßige Lehrstunden statt finden, aber nicht so abgeschnittene Unterrichtsklassen wie in Knabenschulen, noch weniger Klassenrang, und schlechterdings niemals öffentliche Prüfungen, als bei welchen immer bedenklich bleibt, ob sie nicht einer, dem weiblichen Geschlechte nicht zuständigen Eitelkeit, in Richtung der Wißbegierde, zur Nahrung dienen. §. 15. Alle geistigen Uebungen, welche die Erzieherinnen mit ihren Stubengenossen vorzunehmen verstehen, und welche sich überhaupt zweckmäßiger im kleinen, als im größern Kreise vornehmen lassen, sollen im Wohnzimmer regelmäßig statt haben. Aber in den Gegenständen, wo Gedächtniß und Geistesgegenwart in Wetteifer zu setzen sind, sei gemeinsamer Unterricht, wobei die Erzieherin die nöthige Vorbereitung und Wiederholung mit ihren Angehörigen anstellt. Wöchentlich finde auch wenigstens zweimal eine Versammlung sämmtlicher Schülerinnen, im Beisein aller Vorsteherinnen und Lehrer statt, wo jedesmal wenigstens drei Erzieherinnen öffentlich theils vortragen, theils prüfen. 1019
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§. 16. Das Tagewerk sei, wie es einer frommen, heitern und durch Verträglichkeit glückseligen Familie geziemt, mit Vermeidung alles dessen, was den Hang zum Sonderbaren hervorbringen könnte. Die Zeit des Aufstehens werde von der Erzieherin, mit verständiger Rücksicht auf das Alter ihrer Untergebenen, bestimmt. Jede Stubengesellschaft frühstückt für sich, aber gemeinschaftlich, nach einer Morgenandacht durch Gesang und Gebet. Dann geht jedes seinen Geschäften nach, wie es die Anordnung der Lehrstunden, der Wirthschaft, gewöhnlicher oder ungewöhnlicher Arbeiten mit sich bringt. Wenn häusliche Angelegenheiten, z. B. Waschen, Trocknen, Plätten, Einmachen der Früchte u. s. w. an manchen Tagen gar kein anderes Geschäft zulassen, soll dies nicht für Verlust geachtet werden. Mittags und Abends versammeln sich die Erzieherinnen mit ihren Zöglingen um den Tisch der Aufseherin in geselliger Zwanglosigkeit einer Familie. Die Gesinde-Zöglinge, welche den Morgen über das Reinigen der Zimmer, und das Bettmachen zu besorgen haben, versehen auch hier die Aufwartung. Der Nachmittag habe seinen angewiesenen oder zufälligen Lauf der Stunden; vor dem Schlafengehen vereinige sich jede Stubengesellschaft zum Gebet und Gesang. Auch die Krankenpflege sei wie in einer Familie, wo eine Schwester der andern gern Hülfe und Gesellschaft, und eine anhängliche Wärterin nöthige Dienste leistet. Die Aufsicht über das eigentliche Krankenzimmer wechsele zwischen den Erzieherinnen, unter Aufsicht der Aufseherin. Bei den weiblichen Handarbeiten und in den Stunden der Erholung soviel freie Luft als möglich, heitere Spiele, Gesang, Musik, überall freundliches friedfertiges, Wesen, und ein kindlicher Sinn für die Feste der Kirche, des Landes und der Familie. Der zehnte März, der neunzehnte Julius, jener als Geburts- und dieser als Sterbetag der verewigten Königin, der Geburtstag des Königs und der Sylvesterabend mögen sich durch sinnige Feier auszeichnen. §. 17. Ein solches Tagewerk, unter dem stillen Einfluß einer wohlgeordneten Umgebung, welches beides auf die Seele wirkt, wie eine gesunde Luft auf den Körper, wird zwar in Bezug auf Gesetzmäßigkeit und Anständigkeit des Betragens das Beste thun. Auch bleiben die Maaßregeln deshalb billig dem Ermessen des Vorstehers und der Vorsteherin vorbehalten. Um jedoch die Selbstschätzung mit Achtung gegen das Urtheil der Gesellschaft und der Welt frühzeitig zu verbinden, mag Folgendes dienen: a. Jeden Sonnabend in einer Abendstunde halte jede Erzieherinn mit ihren Untergebenen ernstliche Rücksprache über die verflossene Woche; nach Beschaffenheit der Umstände, mit jeder im Beisein aller, oder mit jeder insbesondere. Einen schriftlichen Bericht übergebe sie der Aufseherin. b. Aus diesen Berichten theile am letzten Abend eines jeden Monates die Aufseher in im Kreise ihrer Angehörigen soviel mit, als dienlich ist, das Lobenswerthe oder Tadelnswürdige der verschiedenen Stubenvereine bemerklich zu machen, mit Nennung einzelner Zöglinge, wenn sich welche zu einem öffentlichen Urtheile eigenen. Ein schriftlicher Bericht hierüber komme in die Hände des Vorsteher-Paars. 1020
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c. Dieses mache in einer Haupt-Versammlung, welche jeden er sten Tag der vier Jahreszeiten statt haben soll, das Merkwürdigste bekannt, Lob und Tadel, nach Beschaffenheit der Umstände, im Allgemeinen oder einzeln ertheilend. d. Diese Berichte bestimmen die mehr- oder minderthätige Theilnahme, welche an den beiden Hauptfesttagen des Jahres, deren Feier öffentlich sein wird, den 10ten März und 19ten Julius, die verschiedenen Stubenvereine, oder einzelne Zöglinge, haben sollen. Die größte Thätigkeit dabei, und das Brustbild der Königin zum Geschenk, sollen die höchsten Grade der Auszeichnung seyn. §. 18. Um in diese Absichten, namentlich in Abfassung der Berichte, in welchen übrigens auf das Wissen und Handeln, auf alle Theile der Haushaltung und Zweige des Unterrichts, auf gesellschaftlichen Anstand, wie auf ein geselliges Benehmen in gesunden und kranken Tagen, ein gleiches Gewicht gelegt werden soll, endlich auch um in die Entscheidung über den Werth der verschiedenen Vereine, oder einzelner Zöglinge, den nöthige Einheit zu bringen, soll wöchentlich oder monatlich, unter dem Vorsitze des Vorstehers und der Vorsteherin, eine Versammlung der Aufseherinnen, der Erzieherinnen, der Lehrer und Lehrerinnen statt finden, worin alles der Rede Werthes, und der Berathung Bedürftiges zur Sprache gebracht, und in Ueberlegung genommen wird. Einer der Lehrer faßt die Beschlüsse schriftlich ab. Der Vorsteher und die Vorsteherin haben die Pflicht, die eigenthümliche Verfahrungsart der Erzieherinnen zu beobachten, hierüber die Urtheile der Aufseherinnen zu hören, auch jeder Erzieherin, so wie jedem Zöglinge, das Recht jener vertraulichen Eröffnung, welche zwischen Eltern und Kindern natürlich und erlaubt ist, zuzugestehen, mit der Vorsicht freilich, welche den Geist der Angeberei verhütet. Zweiter Abschnitt. Art und Weise der Ausführung. §. 19. Wo möglich entstehe eine solche Anstalt in jeder Provinz des Staats; so lange hierzu die Kräfte nicht reichen, beschränken sie sich auf die Hauptpunkte: Berlin, Königsberg und Breslau. Den Anfang mache Berlin. Was aber hervorgeht, gehöre dem ganzen Staat an, und verbreite, wetteifernd mit der häuslichen Erziehung, durch alle Gegenden des Reichs und in allen Ständen weibliche Tugenden. §. 20. Eine jede Anstalt wird zur Bildung von höchstens zwölf Erzieher innen eingerichtet. Jede Mehrzahl würde die Uebersicht erschweren, und einen zu großen Raum erfordern. §. 21. Einer jeden Erzieherin werden drei junge Mädchen als Zöglinge zur Erziehung, und eine junge Aufwär ter in zur Bildung für den Gesindestand, der im Hauswesen für Kinder-Erziehung so wichtig ist, übergeben. Diese fünf Personen machen in sich eine kleine Familie aus. 1021
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§. 22. Jede dieser kleinen Familien hat in dem Hause der Anstalt wenigstens eine Wohnstube und eine Schlafkammer neben einander; gestattet es der Raum, so werden ihr zwei Kammern zur Stube gegeben. §. 23. Sechs solcher kleinen Familien stehen unter der besondern Aufsicht und Leitung einer Aufseher in, so daß deren zwei erforderlich sind. §. 24. Die Aufseherin führt für ihre untergeordnete Familie einen gemeinschaftliche Wirthschaft, und indem sie sich hierbei Reih um der Erzieherinnen als Gehülfen nebst den Zöglingen bedient, leitet sie solche dazu an. §. 25. Sie hat deshalb in dem Hause der Anstalt eine Küche nebst Zubehör, ein gemeinschaftliches Speisezimmer, eine Krankenstube, und zu ihrer Wohnung zwei Stuben nebst Kammern. Eine Köchin und Hausmagd werden ihr gehalten; und die jungen Wärterinnen helfen in der gemeinschaftlichen Wirthschaft, theils Reih um, theils so weit sie die einzelne Familie betrift, zu der eine jede gehört. §. 26. Die ganze Anstalt, namentlich auch beide Aufseherinnen, und sämmtliche Erzieherinnen nebst ihren Familien, stehn unter der Aufsicht und Leitung des Vor steher s und seiner Gattin, der Vor steher in. §. 27. Der Vorsteher und die Vorsteherin haben ihr eigenes Hauswesen, um nicht in ihrem Beruf durch gemeinschaftliche Wirthschaft zerstreut zu werden, vielmehr bei dieser eine desto unbefangenere Aufsicht führen zu können. §. 28. Ihnen werden in dem Hause der Anstalt, zu ihrer Wohnung und Wirthschaft, vier Stuben nebst Kammern, eine Küche nebst Zubehör angewiesen; auch steht das allgemeine Lehrzimmer unter denselben. §. 29. So bildet also die Anstalt: 1) eine einzige, ganze, allgemeine Familie des Vorstehers und der Vorsteherin; sie zerfällt: 2) in zwei einzelne größere Familien der Aufseherinnen; und diese theilen sich wieder: 3) in zwölf einzelne kleinere Familien der Erzieherinnen. In allen findet nur häusliches Familienleben, Familienzucht statt. §. 30. In der großen ganzen Familie tritt zwischen dem Vorsteher, der Vorsteherin und den Aufseherinnen auf der einen, und den Erzieherinnen auf der andern Seite das Verhältniß von Eltern und Töchtern ein. Der Vorsteher wird Vater, die Vorsteherin und Aufseherinnen werden Mütter genannt.
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§. 31. In jeder einzelnen größeren Familie verhält sich die Aufseherin zu den Erzieherinnen und Zöglingen, wie Mutter zu den älteren und jüngeren Töchtern. §. 32. In jeder einzelnen kleinen Familie aber stellen die Erzieherinnen und Zöglinge ältere und jüngere Schwestern dar. §. 33. Ueberhaupt haben die jungen Wärterinnen das Verhältniß von Dienstboten, die der Familie werth sind, und gleichsam zu ihr gehören. §. 34. Sämmtliche Mitglieder dieser ganzen und einzelnen Familien von den Erzieherinnen an, sollen zu ihrem künftigen Beruf gebildet werden. Hiernach also muß sich sowohl der Unterricht für sie, als ihre Beschäftigung richten, und diese selbst muß den Unterricht durch Ausübung abgeben. §. 35. Der Unterricht wird ertheilt: 1) theils in der großen ganzen Familie, in einem allgemeinen Lehrzimmer; 2) theils in der einzelnen größeren Familie, bei der Aufseherin; und 3) theils in der einzelnen kleinen Familie, bei der Erzieherin. §. 36. In dem allgemeinen Lehrzimmer werden die Erzieherinnen für ihren Beruf unterwiesen, und so weit dieses ausübend geschehen muß, die Zöglinge als Schülerinnen zugezogen. Es werden also: 1) theils die Erzieherinnen selbst, und allein von Lehrern, 2) theils die Zöglinge von den Lehrern in Gegenwart der Erzieherinnen, 3) theils die Zöglinge von den Erzieherinnen, in Gegenwart der Lehrer unterrichtet. Eine Andacht-Uebung eröffnet täglich den Unterricht, und ein begleitendes Positiv leitet dabei den Gesang. §. 37. Religion durchdringe alle Gemüther der Anstalt; darauf wirke die Erziehung und der Unterricht hin; die Bibel liege dabei zum Grunde. Die übrigen Gegenstände des allgemeinen Unterrichts beschränken sich außer den nöthigen Uebungen im Lesen, Rechnen und Schreiben, auch den gewöhnlichen weiblichen Arbeiten, lediglich auf deutsche, und nächst ihr französische Sprache, zum Schreiben und Sprechen, Weltgeschichte, in Verbindung mit Erdbeschreibung, Naturkunde, Gesang, Musik, Zeichnen, Sticken, und, der körperlichen Haltung wegen, auch Tanz. §. 38. Aller Unterricht muß nur auf Brauchbarkeit für den weiblichen Beruf berechnet seyn. Er wird mehr in Form des Familienlebens, als der Schule gegeben; es finden also zwar regelmäßige Lehrstunden, aber keine scharf abgeschnittene Unterrichts-Klassen, und noch weniger Klassen-Rang statt; der Unterricht wechselt mit den weiblichen Beschäftigungen, und hat vor ihnen keinen Vorzug. 1023
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§. 39. Zwei Lehrer werden zu dem allgemeinen Unterricht reichen, da er nur auf den kleineren Theil des Tages sich beschränkt. Dabei wird es rathsam sein, den Musik- und Tanz-Unterricht wo möglich nur weiblichen Personen anzuvertrauen. §. 40. In der einzelnen g rößeren Familie unterweiset die Aufseherin ihre sechs Erzieherinnen nebst Zöglingen in weiblichen Geschicklichkeiten und häuslichen Geschäften. Der abwechselnde Beistand in der gemeinschaftlichen Wirthschaft bei Küche, Keller, Wäsche etc. wird zur letzten die beste Gelegenheit und Anweisung geben. Zu den ersten gehören besonders Stricken, Nähen, Sticken und Zuschneiden, außerdem aber Musik und Tanz. §. 41. Alle diese weiblichen Beschäftigungen haben gleichen Werth mit dem Unterricht; die Besorgung des Waschgeschäfts, als wichtig für die Hauswirthschaft, hat sogar den Vorzug. §. 42. In der einzelnen kleinen Familie unterrichtet die Erzieherin ihre 3 Zöglinge und die kleine Wärterin, theils noch, so weit es nöthig, durch Uebungen im Lesen, Schreiben und Rechnen, theils in weiblichen Geschicklichkeiten. Zu den Geschäften ihres kleinen Hausstandes hält sie die Wärterin an; zur steten zweckmäßigen Beschäftigung aber auch die Zöglinge, so daß diese theils den allgemeinen Unterricht bei und mit ihr wiederholen, theils für die Erhaltung ihrer Kleidungsstücke sorgen müssen. Auch an ihrer Hülfe bei der Wirthschaft der größeren Familie läßt sie solche Theil nehmen. Musik und Gesang werden ebenfalls in diesem Familienkreise getrieben. §. 43. In dem Speisezimmer jeder größern Familie haben Mittags und Abends die kleinen Wärterinnen die Aufwartung; eine jede sorgt dabei für die ihr vorgesetzte Erzieherin und deren Zöglinge. Die Aufsicht führt die Aufseherin; dagegen wird das Frühstück von jeder Erzieherin mit ihren Zöglingen auf ihrer Stube genommen; die Wärterin besorgt es in der Küche der Anstalt. §. 44. In dem Krankenzimmer einer jeden größeren Familie hat die Wärterin der kranken Erzieherin oder Zöglingin die Aufwartung. Sind mehrere krank, so wechseln deren Wärterinnen ab. Die Aufsicht darauf führt die Aufseherin, und unter ihr, abwechselnd, eine der Erzieherinnen. Wird dadurch, oder durch Krankheit, eine Erzieherin oder Wärterin selbst von ihren gewöhnlichen Geschäften abgehalten, so gehen diese inzwischen an die Benachbarte über. §. 45. Während des Unterrichts im allgemeinen Lehrzimmer besorgen die kleinen Wärterinnen eine jede den Hausstand ihrer kleinen Familie, namentlich das Rein- und Bettmachen.
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§. 46. So wird also in dem gewöhnlichen Tagewerk 1. die große ganze Familie vorzüglich nur bei dem allgemeinen Unterricht, und 2. die einzelne größere Familie nur beim Unterricht der Aufseherin, und bei Tische zusammentreten; außerdem aber 3. eine jede kleine Familie stets zu sich zurückkehren, und in sich ein Ganzes bilden. §. 47. Ordnung muß und wird als Haupttugend in einer jeden herrschen; der Vorsteher und die Vorsteherin werden darauf für die ganze, die Aufseherin für die einzelne größere, und die Erzieherin für ihre kleine Familie halten. Ihr Verhältniß als Eltern, Mütter oder ältere Schwestern geben ihnen die Mittel dazu. §. 48. Damit die Sitten um so weniger gefährdet werden, ist nach §. 39. der Tanz- und Musik-Unterricht nur weiblichen Personen anvertrauet. Aber auch zur Schuster- und Schneider-Arbeit für die weiblichen Mitglieder des Luisenthums werden nur Schuhmacherinnen und Schneiderinnen zugelassen. §. 49. Einer jeden Familie steht zu ihrer Bewegung und Erholung namentlich auch der gemeinschaftliche Gar ten der Anstalt offen; sie kann an seiner Bestellung nach den Bestimmungen des Vorstehers und der Vorsteherin Theil nehmen. §. 50. Der sonn- und festtägliche Gottesdienst wird regelmäßig besucht; eine jede Erzieherin wählt sich selbst jedesmal die Kirche, und nimmt ihre kleine Familie mit dahin, insofern nicht wesentliche Verschiedenheit der Glaubens-Verwandschaft eine andere Einrichtung fordert. Zur Einsegnung bestimmen die Eltern oder Verwandte oder Vormünder den Geistlichen. §. 51. An jedem Tage wird in jeder kleinen Familie mit Gebet und Gesang der Morgen angefangen und der Abend beschlossen. Auch im allgemeinen Lehrzimmer eröffnet sich der Unterricht mit Gebet und religiösem Gesang. §. 52. Die Eigenschaften des Vor steher s und der Vor steher in (§. 26–28. 30.) sind im §. 4. bezeichnet. Obgleich die Anstalt für weibliche Bildung bestimmt ist, darf ihr doch der Vorsteher und sein männlicher väterlicher Einfluß nicht fehlen. §. 53. Ihre Aufsicht erstreckt sich auf die ganze Anstalt, folglich auf Sitte, Unterricht, Beschäftigung und Wirthschaft, sowohl in der ganzen, als in den einzelnen größeren und kleinen Familien. Sie besuchen deshalb diese, den Tisch, und den Unterricht, nehmen dabei mündliche Rücksprache, lassen dazu auch einzeln die Erzieherinnen, Zöglinge und Wärterinnen kommen, und erhalten von den Aufseherinnen Zeugnisse sowohl, als Wirthschafts-Auszüge; Alles theils regelmäßig, theils außerordentlich.
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§. 54. Die Unterhaltungs-Kosten der Anstalt werden ihnen zugestellt; sie zahlen davon Besoldungen, und theilen den Aufseherinnen Wirthschafts-Bedarf mit. Eine Kostenvorschrift (Etat §. 77.) giebt hierzu die Anleitung. §. 55. An Gehalt empfangen sie 1200 Rthlr. nebst freier Wohnung; dagegen bestreiten sie ihre eigene Wirthschaft selbst. §. 56. Die Eigenschaften der beiden Aufseher innen (§. 23–25. 31.) sind in §. 5. beschrieben. Wünschenswerth ist es, daß beide Musik, namentlich Gesang, so weit verstehen und ausüben, um darin unterweisen zu können. §. 57. Das Geschäft einer jeden ist theils die Hauswirthschaft der ihr anvertrauten größern Familie, theils die Anleitung derselben zu den weiblichen Geschicklichkeiten und häuslichen Geschäften. Ihre Aufsicht beschränkt sich auf diese größere Familie und die dazu gehörigen kleinen in Sitte und Beschäftigung. Sie besucht diese deshalb, nimmt dabei mündliche Rücksprache, theils regelmäßig, theils außerordentlich, und ist bei dem Mittags- und Abend-Essen als Theilnehmerin zugegen; von den Erzieherinnen erhält sie Zeugnisse über deren Zöglinge und Wärterinnen. Von der Wirthschaft legt sie dem Vorsteher und der Vorsteherin Rechnungen ab. §. 58. Das jährliche Einkommen einer jeden Aufseherin besteht in 400 Rthlr. Gehalt, freier Wohnung, Heizung und Licht, und in freiem Tisch für ihre Person, eben so auch Reinigung der Wäsche. §. 59. Die Eigenschaften der beiden Lehrer (§. 39.) sind in §. 13. angegeben. Ihr Unterricht gehört zu dem männlichen Einfluß, welcher auch weiblichen Bildungs-Anstalten nicht fehlen darf. §. 60. Für sie, und für den Unterricht, welcher nur Frauenzimmern anvertraut wird, werden 800 Rthlr. ausgesetzt. §. 61. Zu Erzieher innen (§. 20.–22. 32.) werden junge Mädchen, die sich diesem Fache widmen wollen, aus allen Ständen, in dem Alter von 18–24 Jahren, aufgenommen; sie müssen aber die nöthigen Vorkenntnisse und einen unbescholtenen Ruf haben. §. 62. Alle diese 12 Stellen sind deshalb auch Freistellen, die ganz eigentlich von der Anstalt unterhalten werden, und als solche freie Wohnung, Heizung, Licht, Kost, Bildung und Unterricht, auch Reinigung der Wäsche gewähren.
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§. 63. Sogar empfangen die Erzieherinnen in der zweiten Hälfte ihres verfassungsmäßigen Aufenthalts in der Anstalt, eine jede jährlich 75 Rthlr. Gehalt, um den Werth ihrer Bemühungen dadurch anzuerkennen. §. 64. In der Anstalt ist das Geschäft der Erzieherin, theils die eigene Bildung für ihren Beruf, theils die Erziehung der ihr anvertrauten Zöglinge, theils die Anlernung der kleinen Wärterin. Sie ist die Vorsteherin einer kleinen Familie und muß alle daraus entspringende Pflichten erfüllen. Ueber ihre Zöglinge und Wärterin giebt sie Zeugnisse an die Aufseherin; dem Vorsteher und der Vorsteherin aber jede verlangte Auskunft; für ihre Kleidung sorgt sie selbst; bei ihren Zöglingen und der Wärterin hält sie darauf, daß es von ihnen geschehe; überall darf nicht Aufwand, vielmehr muß Einfachheit und Reinlichkeit des Anzugs statt finden, damit nicht Ungleichheit und Eifersucht entstehe. §. 65. Die Dauer ihres Aufenthalts in der Anstalt wird für die Erzieherinnen mit Rücksicht auf die zu ihrer Ausbildung erforderliche Zeit auf höchstens vier Jahre festgesetzt. §. 66. Nach Ablauf derselben kann die Erzieherin sich als solche selbst, oder durch Eltern, Verwandte und Freunde in Familien oder Erziehungs- und Schul-Anstalten unterzubringen, oder eine dergleichen selbst zu errichten suchen; sie darf aber, bei gehöriger Tüchtigkeit, diese Bemühungen für sie auch von der Anstalt erwarten. §. 67. Findet sich alsdann, oder auch vorher, Gelegenheit zur Verheirathung, so soll diese von Seiten der Anstalt kein Hinderniß antreffen; eine jede Erzieherin wird in solchem Fall als Gattin, Mutter und Hausfrau die beste Gelegenheit zur Ausübung des Erlernten erhalten. §. 68. Zu Zöglingen (§. 21. 22. 32) werden junge Mädchen aus allen Ständen in dem Alter von 6 bis 12, allenfalls 14 Jahren aufgenommen; sittlich verdorbene sind davon ausgeschlossen. §. 69. Damit alle Stände daran Theil nehmen können, werden von allen 36 Stellen 6 zu Freistellen gemacht; 12 bezahlen eine jede nur 100 Rthlr. und 18 eine jede 200 Rthlr. jährlich. Die Zahlung oder Nicht-Zahlung macht aber in ihrer Behandlung keinen Unterschied. §. 70. Die Zöglinge werden daher auch nicht nach dem Stande, sondern nach dem Alter, und nach dem Bildungsgrade, so daß beides weder zu gleichartig noch zu ungleichartig sei, in die kleinen Familien abgesondert.
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§. 71. Die Zöglinge erhalten in der Anstalt Wohnung, Heizung, Licht, Kost, Bildung und Unterricht, auch Reinigung der Wäsche. Für die Kleidung sorgen die Eltern, Verwandte oder Freunde; für deren Unterhaltung die Zöglinge selbst; und hierauf, auch daß sie einfach und reinlich sei, halten die Erzieherinnen. Auch bei dem Taschengelde der Zöglinge sehen die Erzieherinnen auf zweckmäßige Verwendung, und lassen sie deshalb Rechnung darüber führen. Ob vielleicht auch geschichtliche Tage-Bücher über das vollbrachte Tagewerk und gefaßte Beschlüsse, bestimmt der Vorsteher und die Vorsteherin. §. 72. Die Dauer von dem Aufenthalt der Zöglinge in der Anstalt ist bloß bei den Freistellen beschränkt; sie endigt sich mit der Einsegnung dieser Zöglinge oder dem ihr entsprechenden Alter. §. 73. Zu kleinen Wär ter innen (§. 21. 22. 33.) werden Töchter der niederen Stände, namentlich auch des Gesindestandes, in dem Alter von 12 bis 14 Jahren angenommen; jedoch sind sittlich verdorbene davon ausgeschlossen. §. 74. Alle diese 12 Stellen sind Freistellen, und die Inhaberinnen erhalten in der Anstalt freie Wohnung, Kost, Reinigung der Wäsche und Bildung für ihren künftigen Stand. Für die Kleidung sorgen die Eltern, Verwandte oder Wohlthäter; für deren Unterhaltung die Wärterinnen selbst, und dazu sowohl als zur Reinlichkeit des Anzugs halten die Erzieherinnen sie an. §. 75. Von diesen Wärterinnen erhält die Hälfte, welche am längsten in der Anstalt ist, also eine jede solcher 6 Wärterinnen jährlich 20 Thlr. Lohn, welche ihr von der Anstalt gesammelt und bei der Entlassung in Summe gezahlt werden, insofern sie nicht schon früher zur Kleidung nöthig waren. §. 76. Die Entlassung geschieht nach der Einsegnung, oder in dem der Einsegnung entsprechenden Alter. Bei guter Aufführung darf die Wärterin von der Anstalt erwarten, daß auch sie, mit den Eltern, Verwandten und Wohlthätern, für ihre Unterbringung in Dienst sorgen werde. In jedem Fall, auch für den der Verheirathung, wird ihr das gesammelte Lohn ausgezahlt. §. 77. Zur Berathung für das Wohl der Anstalt und zur Bestimmung des Geldbedarfs (Etat §. 54.) bilden der Vorsteher und die Vorsteherin mit noch zwei andern Hausvätern, und zwei andern Hausmüttern das Vor steher-Amt, so daß solches aus 6 Personen besteht. §. 78. Insofern des Königs Majestät geruhen, sämmtlichen Anstalten einen Vereinigungspunkt in einer Königlichen Beschützerin zu geben, und da der höchsten Behör1028
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de für den öffentlichen Unterricht auch bei diesen in die National-Erziehung so wesentlich eingreifenden Anstalten die Ober-Aufsicht zusteht; so dürfte der eine Hausvater von der Königlichen Beschützerin, als ihr Stellvertreter, der andere aber von der höchsten Unterrichts-Behörde, als deren Abgeordneter, zu ernennen sein. Die beiden Hausmütter werden sodann von den drei Männern und der Vorsteherin gemeinschaftlich aus den patriotischen Frauen des Orts gewählt. §. 79. Entscheidende Stimme in diesem Vorsteher-Amte haben die Männer; und unter diesen giebt die Stimmenmehrheit, oder, falls solche nicht eintritt, der Stellvertreter der Königlichen Beschützerin den Ausschlag. §. 80. Wie weit der Vorsteher und die Vorsteherin allein zu handeln berechtigt, und wo sie hingegen an die Berathung des Vorsteher-Amts gebunden sein sollen, bleibt billig der Erwägung des Vorsteher-Amtes selbst vorbehalten. Bei einem tüchtigen Vorsteher-Paare wird die größtmögliche Freiheit ihm wünschenswerth, und der Anstalt selbst ersprießlich sein. §. 81. Dafür aber sorge und hafte das Vorsteher-Amt, daß für alle Erzieherinnen, Zöglinge und Wärterinnen die Aufnahme-Scheine und Entlassung-Zeugnisse mit der höchsten Gewissenhaftigkeit ausgestellt werden. §. 82. Auch gewähre es allen Mitgliedern der Anstalt Gehör, und gebe ihnen, durch fleißigen Besuch derselben, dazu Gelegenheit. §. 83. So lange die erste Anstalt, und deren Vorsteher-Amt, noch nicht eingerichtet ist, erkennt der unterzeichnete Verein seine Pflicht, einstweilen die Obliegenheiten desselben zu erfüllen, und die Bildung dieses Vorsteher-Amtes selbst einzuleiten. Ueberhaupt ist er bereit, treu ein jedes Geschäft zu besorgen, welches die von ihm angeregte Idee ins Leben einzuführen, die erste und die folgenden Anstalten vorzubereiten und zu verwirklichen erforderlich ist. Er wird hierzu die nöthigen Verhandlungen führen, die Beitrags-Listen und Beiträge sammeln, und darüber Rechnungen bilden. Anfangs werden alle Beiträge der ersten Anstalt, so weit sie deren bedarf, gehören; sobald sie aber zur zweiten und zu den folgenden hinreichen, werden auch diese gegründet, und die Beiträge zwischen ihnen getheilt werden. §. 84. Die Personenzahl einer jeden Anstalt wird nach dem vorliegenden Plan aus 12 Erzieherinnen (§. 20.), 36 Zöglingen (§. 21.), 12 kleinen Wärterinnen (§. 21.), 1 Vorsteher (§. 26.), 1 Vorsteherin (§. 26.) und 2 Aufseherinnen (§. 23.) 1029
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24 Personen also, die darin wohnen, außer einigem erwachsenen Gesinde der Anstalt, namentlich 2 Köchinnen und 2 Hausmädchen (§. 25.) bestehen. Diese Personenzahl zerfällt jedoch in 13 Familien, nämlich 12 der Erzieherinnen (§. 21.) und 1 Privatfamilie des Vorstehers und der Vorsteherin (§. 27.). Und diese haben nur 3 zur Anstalt gehörige Wirthschaften, nämlich 2 der Anstalt (§. 24.) und 1 des Vorsteher-Paars (§. 27.). An einer jeden Wirthschaft der Anstalt nehmen 1 Aufseherin 6 Erzieherinnen so daß 25 am Tisch speisen; 18 Zöglinge, 6 Wärterinnen und 2 Köchinnen und Hausmädchen der Anstalt, 33 überhaupt Antheil (§. 24. 25.). In dem Lehrzimmer versammeln sich zum Unterricht: 12 Erzieherinnen und 36 Zöglinge, 48 nebst Lehrern (§. 36.). Bei einer jeden Aufseherin kommen zum weiblichen Unterricht zusammen: 6 Erzieherinnen und 18 Zöglinge, 24 überhaupt (§. 40.).
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§. 85. An Raum erfordert also eine jede Anstalt: 12 Stuben 12 Kammern wenigstens, für 12 Erzieherinnen nebst ihren 36 Zöglingen und 12 Wärterinnen (§. 22.) 2 ---” ------ Krankenzimmer (§. 25.) 1 ---” ------ allgemeines Lehrzimmer (§. 36.) 2 ---” ------ Speisezimmer (§. 25.) 4 ---4 ------ für den Vorsteher und die Vorsteherin (§. 28.) 2 ---2 ------ für die beiden Auf2 ---2 ------ seherinnen (§. 25.) ” ---5 ------ für Gesinde und Wirthschaft. 25 Stuben 25 Kammern, 3 Küchen (§. 25. 28.), Keller, Holzgelaß, Waschhaus, Trockenboden, Hof und Garten (§. 49.).
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§. 86. Kann dieser Raum in einem einzigen Hause nicht gegeben werden, so wird es rathsam sein, nebeneinander liegende Häuser zusammenzuziehen.
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§. 87. Wo öffentliche Gebäude entbehrt werden können, wird der Staat oder die Gemeinde des Orts sie gewiß gern zu einem solchen Zwecke hergeben. §. 88. Bei der Ungewißheit über die Gebäude wäre es daher zu frühzeitig, die Kosten von Ankauf oder Miethe, von erster Einrichtung und laufender Unterhaltung des Hauses berechnen zu wollen. §. 89. Die erste Einrichtung des Hauses und Ausstattung der Anstalt mit den nöthigen Geräthschaften etc. ist einmalige, die Unterhaltung von beiden, und etwanige Miethe sind laufende Ausgaben. §. 90. Der übrige laufende Geldbedarf kann, vorläufig in runden Summen überschlagen, etwa folgender sein: 1 Vorsteher und Vorsteherin bei Wohnung (§. 55.) 1200 Thlr. 2 Aufseherinnen bei Wohnung und Tisch zu 400 Thlr. (§. 58.) 800 Thlr. 2 Lehrer und andrer Unterricht (§. 60.) 800 Thlr. 6 Erzieherinnen zu 75 Thlr. (§. 63.) 450 Thlr. 6 kleine Wärterinnen zu 20 Thlr. (§. 75.) 120 Thlr. 3,370 Thlr. Gemeinschaftliche Haushaltung auf 62 Personen (§. 84.) zu 100 Thlr. in Pausch und Bogen, mit Inbegriff von Feuerung und Licht 6,200 Thlr. Insgemein, auch Arzt, Wundarzt und Arznei 430 Thlr. 10,000 Thlr. §. 91. Hierzu werden die Zöglinge, welche keine Freistellen haben (§. 69.) liefern 18 Zöglinge zu 200 Thlr. 3,600 Thlr. 1,200 Thlr. 12 Zöglinge zu 100 Thlr. 4,800 Thlr. und es werden also von der Anstalt selbst 5,200 Thlr. zu decken seyn, in sofern nicht der Mangel eines öffentlichen Gebäudes, oder doch dessen und der Geräthschaften Unterhaltung eine größere Summe erfordert. Im Durchschnitt dürfte sich der jährliche Zuschuß-Bedarf einer Anstalt auf 6000 Thlr. annehmen lassen. §. 92. Allerdings beträchtlich ist diese Summe, besonders auf mehrere Anstalten; aber nicht zu groß für den erhabenen Zweck: Luisens Denkmal und weibliche Erziehung; und nicht unerschwinglich für eine ganze Nation, und deren Liebe zu ihrer verklärten Königin. §. 93. Beiträge Ihrer Verehrer in und außer der Nation, Beiträge von allen Freunden der großen Sache, werden die Kosten leicht und gern zusammenbringen. 1031
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§. 94. Diese Beiträge können von vierfacher Art seyn: 1) übereignetes Kapital; 2) jährlicher Beitrag für die Anstalt überhaupt; 3) jährliche Unterhaltung einer Zöglings-Freistelle insbesondere; 4) einzelne Unterstützung. §. 95. Die Kapitalien gewähren den Anstalten ein stehendes Vermögen, und tragen in sofern besonders zu ihrer Sicherheit bei. Zunächst dienen sie zu ihrer ersten Einrichtung. §. 96. Nicht minder wünschenswerth sind den Anstalten jährliche Beiträge, sowohl wenn sie von Einzelnen, als auch und besonders, wenn sie von Familien übernommen werden, also nicht aussterben. §. 97. Wünschenswerth ist Letzeres bei den jährlichen Beiträgen überhaupt sowohl, als bei der jährlichen Unterhaltung von Zöglings-Freistellen insbesondere. §. 98. Dergleichen Freistellen können von Fürstlichen Häusern und andern bemittelten Familien auch für immer in der Art gestiftet werden, daß entweder die jährliche Unterhaltung einer solchen Stelle mit 200 Thlr. ganz oder zu ½ oder zu ¼, also mit 200, oder 100, oder 50 Thlr. versichert, oder ein Kapital, welches sich jährlich so hoch verzinset, übereignet wird. Die Stifter solcher Stellen erhalten dagegen das Recht, zu deren Besetzung die Zöglinge vorzuschlagen, und die Annahme derselben, in sofern sie tauglich sind, zu erwarten. Bei theilweiser Stiftung findet dieses Recht nur eben so theilweise statt. §. 99. Auch einzelne Unterstützungen werden mit Dank angenommen. §. 100. Alle Beitragende können zu den Stellen der Erzieherinnen und kleinen Aufwärterinnen, auch zu Zöglings-Freistellen taugliche Personen vorschlagen; die Anstalten werden ihre Wünsche, so weit sie ausführbar sind, gern besonders zu berücksichtigen suchen. Bei mehreren Vorschlägen als Stellen entscheidet die höhere Tauglichkeit. §. 101. Alle Beitragende können bei den Anstalten ausgebildete Erzieherinnen und abgehende Wärterinnen suchen; gern wird man ihre Wünsche vorzugsweise zu erfüllen bemüht sein. §. 102. An diesem Plan ist nicht der Umfang das Wesentliche. Reichen die Beiträge nicht sogleich zu einer ausgedehnten und vollständigen Ausführung hin, so darf der Anfang doch darum nicht ausgesetzt; sie kann und wird theils mit weniger einzelnen An1032
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stalten, ja mit einer einzigen, theils kann sogar diese für jetzt mit einer kleineren Personenzahl begonnen werden; selbst in den Besoldungen, Zöglings-Freistellen, Zahl der Zöglinge sind noch anfängliche Beschränkungen thunlich. Nur schließe das Kleinere niemals das Größere aus; in den Wünschen liege das Größte, Höchste, Würdigste; und in dem Plan schon dazu der Keim! Die Reichlichkeit der Beiträge wird über den möglichen Umfang entscheiden. – Was aber entsteht, sei für den ganzen Staat da; der Sitz der einzelnen Anstalt schränkt ihren Nutzen keinesweges auf diese Gegend ein; die Städte Berlin, Königsberg und Breslau werden hierzu nur darum zuerst und in dieser Reihenfolge gewählt, weil sie die weiteste Auswahl der Aufsichts- und Unterrichts-Personen gewähren. ___________________ Mit vollem Vertrauen also legen wir diesen Plan hierdurch der Nation und allen Verehrern von Luisens Tugenden vor; mit dem vollsten Vertrauen zu dieser Verehrung und Liebe sowohl, als zu dem Erfolg. Nicht blos die Anstalten selbst werden der Nation brave Erzieherinnen und Hausfrauen bilden; eine jede aus ihnen hervorgehende Erzieherin und Zöglingin wird in der Welt selbst zu dem erhabenen Zweck Mitarbeiterin werden; und fortschreiten wird in stets vervielfältigten Reihen durch die künftigen Geschlechter ein Segen, der verewigten Königin zum Denkmal von ihrer Nation und von allen ihren Verehrern geweiht! Kein Schicksal trennte diese von Ihr und Ihrem Herzen!! kein Tod löscht diese Verehrung und Liebe aus; sie verewigen mit Luisens Tugenden sich selbst durch das würdigste Denkmal! Berlin, den 23sten December 1810. *) Janke, v. Klewiz, Nolte, Rosenstiel, Sack, Doktor der Geh. StaatsOb. Kons. StaatsGeh. StaatsWeltweish. Rath. Rath. Rath. Rath. *) Der Herr Geheime Rath Delbrük wurde an der Mitunterschrift durch Abwesenheit behindert. Quelle: Denkmal der Preußen auf ihre verewigte Königin Luise, durch weibliche Erziehungsanstalten. Herausgegeben von W. A. v. Klewiz, Geheimen Staats-Rathe, und Civil-Gouverneur. Halberstadt 1814, S. 13–55.
IV) Schreiben des Königs an die Initiatoren, 3. Juni 1811 Ich bezeuge Ihnen für den am 23sten December v. J. eingereichten Plan zur Gründung weiblicher Erziehungs-Anstalten durch die Nation, Meinen Dank und Beifall. Sehr gerne eigne Ich der Prinzessin Charlotte die Bestimmung zu, Beschützerin dieser Anstalten zu sein; auch genehmige Ich es, daß die sogenannte neue Münze vor dem Königsthor der hier zu errichtenden weiblichen Erziehungs-Anstalt gewidmet werde. Berlin, den 3ten Januar 1811. Friedrich Wilhelm.
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An den Doctor Janke, geheimen Staats-Rath v. Klewiz, Ober-Consistorial-Rath Nolte, Staats-Rath Rosenstiel und geheimen Staats-Rath Sack hieselbst. Quelle: Ebd., S. 57.
V) An die preußische Nation. Rechenschaft über das National-Denkmal auf die verewigte Königin Luise von Preußen durch die Luisen-Stiftung von dem Verein für die Stiftung, 1818 Die Luisenstiftung ist das Denkmal der Preußen auf ihre verewigte König in Luise, in deren Wünschen die Gründung weiblicher Erziehungsanstalten gelegen hatte. Sie hat den Beruf: unter der Leitung (wenn möglich) eines Ehe- und Elternpaares, Erzieherinnen mit jungen Zöglingen und Wärterinnen in daraus zusammengesetzten kleinen Familien zu bilden, und so an die elterliche Erziehung, an das häusliche Leben sich anzuschließen. Der Aufruf zu ihrer Gründung erging am 2ten August 1810; der Plan dazu wurde der Nation am 3ten Dezember desselben Jahres, und erst später wieder erworbenen Provinzen am 3ten August 1814 vorgelegt. Schon am 19ten Julius 1811 wurde die Anstalt in Berlin eröffent. Seine Majestät der König hatte geruhet, ihr den Namen: Luisenstiftung beizulegen, ihr Seine Tochter, die Pr inzessin Charlotte, jetzige Großfür stin Alexandra Kaiserliche Hoheit, zur Beschüzzerin zu geben, und ein eigenes Gebäude anzuweisen. Anfangs war dies das Münzgebäude in der neuen Münzstraße; jetzt ist es der Ansbachische Pallast in der Wilhelmsstraße, welcher bei seiner freien gesunden Lage, bei seinen schönen geräumigen Zimmern, und bei seinem großen freundlichen Garten, nichts zu wünschen übrig läßt. Zu Ihrem Abgeordneten bei der Luisenstiftung ernannte die erhabene Beschützerin den Herrn Probst Ribbeck. Als der Aufruf erfolgte, waren zur Ausführung noch gar keine Mittel vorhanden. Als die Stiftung sich eröffnete, besaß sie durch die Beiträge der Nation schon 8,500 Rthlr. Vermögen. Jetzt ist dieses auf 24,868 Rthlr. Kapital angewachsen, 1688 Rthlr. in westphälischen Staatspapieren, deren Werth noch nicht feststehet, ungerechnet. Wir legen das Verzeichniß der Vermögenssummen in der Beilage I. vor. Hätte die jährliche Einnahme blos in den Zinsen dieser erst nach und nach gebildeten Kapitalien bestanden, so würde die Anstalt nicht haben leisten können, was sie geleistet hat; aber Beiträge der Nation – jährliche sowohl als einzelne –, Zuschüsse, von Seiner Majestät dem Könige bewilligt, und die Pensionsgelder der Zöglinge kamen und kommen ihr zur Hülfe. 1034
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Unter den Beiträgen sind von den jährlichen viele erst später hinzugetreten; manche dagegen wieder ausgefallen, und zum Theil ausgestorben. Mit dankbarer Rührung gedenken wir namentlich, daß die Frau Gräfin Betty v. Königsdorf in Schlesien der Luisenstiftung ein Kapital von 4000 Thlr. und dadurch eine jährliche Einnahme von 200 Thlr. schenkte; daß die Provinz Pommern zuerst und kräftig der Anstalt sich annahm; und daß die Provinzen zwischen Elbe und Weser, sobald und seitdem sie vom fremden Joche befreiet waren, 6,197 Thlr. für sie beitrugen. Unaussprechlich theuer ist der Luisenstiftung das nachfolgende Handschreiben aus Moskva, wodurch ihre erhabene Beschützerin, die Großfürstin Alexandra Kaiserl. Hoheit, selbst in so großer Ferne der Anstalt thätig gedachte! „Ich glaube von einer kleinen Erbschaft, die Mir zugefallen ist, keinen bessern Gebrauch machen zu können, als wenn Ich sie zum Besten derjenigen Anstalten verwende, welche durch die Liebe und Verehrung dem Andenken Meiner verklärten hochseeligen Frau Mutter errichtet wurden. Ich ersuche daher den achtbaren Verein für die Luisenstiftung, zur Verwendung für diese Anstalt, bei dem Königlich Preußischen Wirklichen Geheimen Legations-Rath Herrn von Raumer die Summe von Ein hundert Funfzig Thalern Gold in Empfang nehmen zu wollen. Mit den besten Wünschen für das Gedeihen einer Anstalt, die Meinem Herzen immer so nahe bleiben wird, und für das Glück Aller, die mit so beharrlicher Liebe für dieselbe wirksam sind, bin Ich dem gesammten achtbaren Vereine stets wohlgeneigt. Moskva den 10/22sten Januar 1818. Alexandra, / Großfürstin von Rußland. An den achtbaren Verein für die Luisenstiftung zu Berlin.“ An Zuschuß, von des Königs Majestät genehmigt, giebt bei jeder Ziehung der kleinen Geld-Lotterie der höchste Gewinn 100 Thlr. für die Luisenstiftung ab – ein Abzug, den jeder Gewinner sich sehr gern gefallen läßt – und Se. Majestät der König hat den jährlichen Ertrag davon auf 1200 Thlr. gesichert. An Pensionen entrichten die Erzieherinnen und Wärterinnen gar nichts; vielmehr sind sie es, die ganz auf Kosten der Anstalt gebildet und erhalten werden, ja, zum Anerkenntniß ihrer Bestrebungen, und für ihre eigenen Bedürfnisse, noch kleine Gehalte von ihr bekommen. Dagegen wird von denjenigen jungen Mädchen, welche blos als Zöglinge zur Erziehung ihr anvertrauet werden, ein Pensions-Geld von 200 Thlr. gezahlt; halbe Pension oder Freistelle hierbei sind Ausnahmen, die erst, wenn die Anstalt in ihrem vollen Umfange dastehen wird, erwartet werden können, und dennoch schon einzeln bewilligt sind. Der Preis der Dinge hat so hoch sich gestellt, daß selbst die volle Pension von 200 Thlr. nicht anders als gering erscheinen kann. Wie hiernach jetzt die jährliche Einnahme, und nach ihr die jährliche Ausgabe an Wirthschafts- Aufsichts- und Unterrichts-Kosten, Lehrmitteln, Arzenei, Gebäude- und Geräthschafts-Erhaltung sich stellt, besagt die Beilage II. Darnach beträgt jetzt jährlich die Einnahme 7,730 Thlr. und die Ausgabe 6,530 Thlr. 1035
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Der Plan zur Stiftung so wie er der Nation vorgelegt wurde, setzt eine Jahres-Einnahme und einen Jahres-Bedarf von 10,000 Thlr. voraus; zur völligen Ausführung, zum vollen Umfange der Stiftung fehlen also jährlich noch 2,270 Thlr. Ihn zu erreichen, wird eben so sehr das Bestreben der ganzen Nation, als das unsrige seyn. In dem ganzen siebenjährigen Zeitraume – blos mit Ausschluß des laufenden Monats – hat die Total-Einnahme der Luisenstiftung 74,894 Thlr. und die Total-Ausgabe 47,255 Thlr. nach der Beilage III. betragen. Der Ueberschuß besteht aus dem Kapitalvermögen und der laufenden Kasse. Unter der Ausgabe sind an ersten Ausstattungs- und Einrichtungs-Kosten der Anstalt mit Leinwand, Tischzeug, Silber, Porzellan etc. Büchern und Musikalien etc. 6480 Thlr. begriffen, so daß auch dieses Geräthschafts-Vermögen dem obgedachten Geld-Vermögen noch hinzutritt. Die Bibliothek der Luisenstiftung enthält schon 315 Bände; außerdem sind an Schulbüchern zum Gebrauch 300 Bände vorhanden. Sehr viele verdankt sie den hiesigen Herren Buchhändlern; die Büsten ihres Königs, ihrer Königin und ihrer Beschützerin, dem Herrn Professor Rauch. Was ist nun mit diesen Kräften geleistet, und zu leisten übrig geblieben? Die Luisenstiftung hat in dem ersten siebenjährigen Zeitraum ihrer Dauer 12 Erzieherinnen gebildet für ihren 13 junge Wärterinnen Beruf, und 47 weibliche Zöglinge, ganz oder zum Theil erzogen, entlassen. So weit äußere Umstände sie ihr nicht zu früh entzogen, hat sie ihre Ausbildung und Erziehung vollendet. Das Verzeichniß von allen findet sich in der Beilage IV. Sie erfüllen jetzt ihren Beruf in der Welt, und verbreiten die Segnungen der Luisenstiftung. In der Anstalt sind gegenwärtig vorhanden: 25 weibliche Zöglinge zur Erziehung, 6 Erzieherinnen, und zur Bildung 6 junge Wärterinnen Von ihnen enthält die Beilage V. das Verzeichniß. Sie bilden 6 kleine Familien, jede aus 1 Erzieherin 4 Zöglingen und 1 Wärterin zusammengesetzt. Zur Aufsicht und zum Unterricht sind in der Anstalt selbst: 1 Aufseherin Fräulein Lehmann; 2 Lehrerinnen und Aufsichts-Gehülfen Fräulein Westphal, Frau Winzer ; Unterricht geben darin noch Herr Prediger Wilmsen,
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Königin-Luise-Stiftung
Herr Prediger Jablonski, Herr Sprachlehrer Noe, Herr Lehrer Aldefeld, im Schreiben, Herr Lehrer Stäglich, im Zeichnen, Herr Schar schmidt, in guter Haltung des Körpers und als Mittel zu diesem Zweck, auch im Tanz; Fräulein Ger n, in Musik. Für die Wirthschaft waren bisher noch angestellt: 1 Wirthschafterin, und 3 Dienstboten. Nach dem Plan und im vollen Umfange der Luisenstiftung sollte sie enthalten: 1 Vorsteher Ehepaar, 1 Vorsteherin 2 Aufseherinnen, nebst nöthigen Dienstboten, 2 Lehrer außer dem Hause, und neben dem Unterricht in Fertigkeiten, 36 weibliche Zöglinge, vertheilt auf 12 Erzieherinnen, und 12 junge Wärterinnen; so daß stets 1 Erzieherin, 3 Zöglinge und 1 Wärterin eine kleine Familie, – 6 solcher kleinen Familien die größere Familie einer jeden Aufseherin, und alle 12 kleinen Familien die große Familie des Vorsteherpaars sodann bilden. Dies so, und ganz auszuführen, haben die Kräfte der Stiftung noch nicht gestattet; es ist aber das Ziel, welches wir unter dem Beistande unsers Königs und der Nation zu erreichen fest vertrauen. An den fehlenden 12 Zöglingen und ihren Pensionsgeldern würde es nicht mangeln, da genug angemeldet sind. Aber alsdann muß die Anstalt größern Raum haben, mehrere Erzieherinnen und junge Wärterinnen unterhalten und bilden können, und das Vorsteherpaar wird unentbehrlich, welches noch nicht gefunden ist. Hat aber die Luisenstiftung erst das Glück, nächst dem größern Raume auch zu jener Mehrausgabe noch die erforderlichen Mittel durch Mehrbeiträge und Schenkungen zu erhalten, und zu diesem Vorsteherpaar ein dazu geeignetes Ehe- und Elternpaar gefunden zu haben, so wird sie sogleich vollendet und im vollen Umfange dastehen. Gerade dadurch werden sich auch die allgemeinen oder Aufsichts- und UnterrichtsKosten mehr vertheilen, und verhältnißmäßig sogar verringern, welche jetzt für eine kleinere Zahl von Theilnehmern ziemlich dieselben sind. Vorzüglich wird die Zahl der besondern Lehrer sich vermindern; Unterricht und Lehrbeschäftigung bei dem Vorsteher, der Vorsteherin, noch einer Aufseherin und mehreren Erzieherinnen wird an die Stelle treten.
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Wohltätigkeitsvereine – Vereine der Armenfürsorge und Stiftungen zur Erziehung und Ausbildung
Der bis jetzt alleinigen Aufseherin der Luisenstiftung, Fräulein Lehmann 1 sind wir hierbei unsern öffentlichen Dank dafür schuldig, daß sie mit Hülfe einsichtsvoller Lehrer den bisherigen Mangel des planmäßigen Vorstandes so glücklich ersetzt hat. Von Entstehung der Anstalt an, hat sie nur dafür gelebt; ohne sie wäre nicht geleistet, was geleistet ist. Auch gedenken wir dankbar, daß der Herr Geheime Medizinalrath von Könen, aus reiner Theilnahme für die Anstalt, die ärztliche Fürsorge für dieselbe vom Anfang an, gütigst übernommen hat, und daß der in der Nähe wohnende Arzt, Herr Dr. Steinr ück, mit der freundlichsten Bereitwilligkeit in einzelnen Fällen Rath giebt und Hülfe leistet. Wie nun in dieser großen Familie der Luisenstiftung und Aufseherin, und in den kleinen Familien der Erzieherinnen weibliche Bildung und Erziehung geschieht, wie häusliche Beschäftigungen und Unterricht mit einander wechseln, und darnach das Tagewerk des Familienlebens sich gestaltet? das ist der letzte Gegenstand unserer Rechenschaft. Wir wollen dieses häusliche Tagewerk vom Morgen bis zum Abend verfolgen. In der großen so wol als in den kleinen Familien ist die Aufseherin Mutter ; die Erzieherinnen (von 18 bis 24 Jahren bei der Aufnahme) sind ältere, die Zöglinge (von 6 bis 12 oder 14 Jahren bei der Aufnahme) jüngere Schwester n; die kleinen Wärterinnen (von 12 bis 14 Jahren bei der Aufnahme) sind Dienstboten, die der Familie werth sind und ihr angehören. – Auch der Vater wird nicht mehr fehlen, so bald ein VorsteherPaar eintreten kann; bis dahin ersetzen die Lehrer und der Verein selbst seine männliche Einwirkung. Eine jede kleine Familie einer jeden Erzieherin, aus ihr, 4 Zöglingen und einer kleinen Wärterin bestehend, hat ihr eigenes großes Zimmer, und ein davon abgesondertes Schlafgemach. – Bei vollem Umfange der Stiftung wird die Zahl der Zöglinge auf 3 vermindert werden. Um 6 Uhr Morgens wird aufgestanden, so weit nicht die Aufseherin für einzelne Zöglinge nach Alter und Gesundheit eine spätere Zeit bestimmt. Um 7 Uhr versammeln sich alle diese kleinen Familien unter der Aufseherin zum Fr ühstück, und zur Morgen-Andacht durch Gesang und Gebet. Hat erst die Anstalt ihren vollen Umfang erreicht, so wird diese Andacht und das Frühstück bei jeder Erzieherin statt finden, und letzteres von der jungen Wärterin besorgt werden.
1 Tochter des verstorbenen Herrn Predigers Lehmann in Blumberg, hatte sie früherhin mit ihrer Mutter und Schwester die von ihrem Vater errichtete Erziehungs-Anstalt fortgesetzt, welche zuerst in Blumberg, dann in Wilmer sdorf , in Schönberg und zuletzt in Berlin so viele junge Mädchen zu musterhafter Häuslichkeit erzogen hat. 1038
Königin-Luise-Stiftung
Um 8 Uhr versammeln sich alle kleine Familien theils im allgemeinen Lehrzimmer, theils in mehreren zum Unter r icht, und dieser dauert in wechselnden Stunden bis 12 Uhr. Die Unterrichts-Gegenstände sind, jedoch für den weiblichen Beruf berechnet: Religion nach der Bibel, Uebungen im Lesen, Schreiben und Rechnen, an Sprachen Deutsch und Französisch, an Wissenschaften Geschichte, Erdbeschreibung und Naturkunde, an Kunstfertigkeiten, Gesang (besonders Choral-Gesang) und Zeichnen. Die Erzieherinnen bekommen und geben Unterricht; jenen von den Lehrern, diesen in Gegenwart der Lehrer. Die Zöglinge erhalten ihren Unterricht theils von den Lehrern in Gegenwart der Erzieherinnen, theils von den Erzieherinnen in Gegenwart der Lehrer. Während des Unterrichts besorgen die jungen Wärterinnen, so weit sie nicht daran Theil nehmen, jede den Hausstand ihrer kleinen Familie, besonders das Rein- und Bettmachen. Zum Mittag wird im allgemeinen Speisezimmer mit der Aufseherin gegessen. Mit ihr führen die Erzieherinnen die Aufsicht; die jungen Wärterinnen besorgen die Aufwartung. Der Nachmittag und Abend ist den weiblichen Beschäftigungen und der Bewegung gewidmet. Stricken, Nähen, Sticken und Zuschneiden wird theils bei den Erzieherinnen theils bei der Aufseherin getrieben, und dabei oft vorgelesen. Mit diesen Beschäftigungen wechselt zugleich Unterricht in Musik, und, der körperlichen Haltung wegen, in Tanz. Vor jedem Unterricht haben Wäsche und Plätte, auch andere größere Haushaltungs-Geschäfte theilweise den Vorzug. Alle größere Mitglieder der Anstalt nämlich nehmen hieran Theil, und der Unterricht fällt für sie dann ganz aus. Auch im Hauswesen und in der Küche werden diese nach Möglichkeit durch Wechsel darin angeleitet. Häusliche Ordnung, Sorge für ihre Kleider etc. lernen alle Mitglieder der Anstalt in ihrem kleinen Familien-Kreise. Bewegung gewähren der schöne große Garten des Hauses, Spaziergänge und Landreisen. Auch am Abend wird in Gemeinschaft gegessen. Den Tag beschließt eine Abend-Andacht mit Gebet und Gesang, jetzt gemeinschaftlich, – künftig bei vollem Umfange der Anstalt in den einzelnen Familien-Kreisen. Zum Schlafengehen ist 9 Uhr, die gewöhnliche Zeit; die Erzieherinnen und größeren Zöglinge dürfen länger aufbleiben. Für Kranke, besonders bei Gefahr von Ansteckung, ist ein besonderes Krankenzimmer vorhanden. Unter Aufsicht der Aufseherin haben die Erzieherinnen und jungen Wärterinnen, jede für ihre kleine Familie, darin die Pflege und Aufwartung, oder alle wechseln dabei. An Sonn- und Festtagen besuchen die Erzieherinnen mit ihren kleinen Familien die benachbarten oder auch entfernteren Kirchen, so weit nicht Glaubens-Verschiedenheit eine Sonderung nöthig macht. – Zur Einsegnung bestimmen die Eltern oder Vormünder etc. den Geistlichen und die Zeit selbst. 1039
Wohltätigkeitsvereine – Vereine der Armenfürsorge und Stiftungen zur Erziehung und Ausbildung
Außer den gottesdienstlichen Festen hat die Luisenstiftung noch ihre eigenthümlichen; es sind der Geburts- und der Sterbe-Tag ihrer verewigten Königin, der GeburtsTag ihres Königs, und der Vorabend des neuen Jahres, die sie mit entsprechenden Gefühlen feiert. So gern die Anstalt blos weiblichen Händen den Unterricht in Musik und Tanz, die Schneider- und Schuster-Arbeit anvertrauet; so hat sie doch nach gemachten Erfahrungen beim Tanz-Unterricht davon abstehen müssen. Zwei Dinge sind es, die nach dieser Rechenschaft der Luisenstiftung noch fehlen: ihr voller Umfang, und das Vor steher paar. Die Anstellung des letzten ist von der Erreichung des ersten, und Beides von der lebendigen Theilnahme der Nation abhängig; wer aber könnte an dieser noch zweifeln? Ist erst das Vorsteherpaar vorhanden; so wird es auch sogleich mit zwei andern Hausvätern und zwei andern Hausmüttern zu einem Vor steher-Amte zusammen treten können, dessen Stelle bisher der Verein gern und aus reinem Eifer für die Sache versehen hat. Die beiden Hausväter werden in dem Stellvertreter der Beschützerin und einem Abgeordneten der öffentlichen Unterrichts-Behörden sich finden. Bis dahin erfüllen wir auch ferner willig und gern die Pflichten des Vorsteher-Amts. Mit Vertrauen auf Gott und die Nation schließen wir unsere Rechenschaft. Sein Segen ist der Luisenstiftung vom Entstehen bis hierher sichtbar gewesen. Und der Nation gilt es: ihre Töchter weiblich und häuslich zu erziehen; den Hausvätern, besonders solchen, die ihre Gattinnen zu verlieren das Unglück hatten, und Vormündern deutsche Erzieherinnen; und dem Hausstande brave weibliche Dienstboten zu bilden; durch alles das aber die Wünsche ihrer verewigten Königin zu erfüllen, und das Denkmal der Liebe zu vollenden, damit es in Ihrem Geiste und nach Ihrem Herzen fortlebe. Quelle: An die preußische Nation. Rechenschaft über das National-Denkmal auf die verewigte Königin Luise von Preußen durch die Luisen-Stiftung von dem Verein für die Stiftung. Berlin, gedruckt bei Georg Decker, Königl. Geh. Ober-Hofbuchdrucker, 1818, S. 5–16. – Beilage I. Kapital-Vermögen der Luisen-Stiftung, S. 18. – Beilage II. Einnahme- und Ausgabe-Etat der Luisen-Stiftung, vom 1. Julius 1818 bis dahin 1819., S. 20–21. – Beilage III. Siebenundeinhalbjähriger Rechnungsschluß der LuisenStiftung. Januar 1811 bis Ende Junius 1818., S. 24–25. – Beilage IV. Verzeichniß der in den ersten sieben Jahren (vom 19. Julius 1811 bis 1818) der Luisenstiftung, gebildet und erzogen entlassenen Erzieherinnen, weiblichen Zöglingen und jungen Wärterinnen, S. 27–29. – Beilage V. Verzeichniß der am 19. Julius 1818. in der Luisenstiftung befindlichen Erzieherinnen, weiblichen Zöglinge und jungen Wärterinnen, S. 31–32.
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Alphabetisches Verzeichnis der mit Satzungstexten vertretenen Vereine und Gesellschaften
Arminia 717 Berliner Apotheker-Conferenz 19 Berliner Burschenschaft 771 Berliner Fechtverein Fechtbodengesellschaft Berliner Frauen- und Jungfrauen-Verein zum Dank für die Siege bei Groß-Beeren und Dennewitz 652 Berliner Mittwochsgesellschaft (= Gesellschaft von Freunden der Aufklärung) 118 (Berlinische) Gesellschaft der Armenfreunde 989 Berlinische Gesellschaft für deutsche Sprache (und Alterthumskunde) 84 Berlinische Missionsgesellschaft (von Jänicke und Rückert) 175 Berlinische Schullehrergesellschaft 78 Berlinischer Künstler-Verein 394 Berlinisches Bürgerrettungs-Institut 963 Beth Hamidrasch 783 Bikur Cholim 755 Brennholzgesellschaft Deutsche Holzverteilungsgesellschaft Brüderverein (zu gegenseitiger Unterstützung) 915 Bund der Freunde Tugendbund (um Henriette Herz) Bürger-Rettungsinstitut Berlinisches Bürgerrettungs-Institut Burschenschaft Berliner Burschenschaft Casino-Gesellschaft 682 Chavurat Mazdiqej haRabim 823 Chevrat Chinuch Ne’arim 797 Chevrat Marpe laNefesch 859 Chevrat Ohavej Laschon Ivrit 902 Chevrat Schocharej haTow wehaTuschija 826 Christlich-Deutsche Tischgesellschaft Deutsche Tischgesellschaft Christlich-jüdische Loge zur Toleranz 384 Concordia Ressource und Theater zur Concordia Corps Marchia 707 Damen-Lazareth Frauenverein für das Privat-Lazareth in der Friedrichstr. No. 101 Der deutsche Bund 587 Deutsche Holzverteilungsgesellschaft 930 Deutscher Mädchen-Verein Mädchenverein vom 20. April 1813 Deutsche Tischgesellschaft 739 Erster Frauenverein zum Wohl des Vaterlandes 619 Fechtbodengesellschaft / Berliner Fechtverein 583 1041
Verzeichnisse
Fechtverein Fechtbodengesellschaft Frauen- und Jungfrauen-Verein zum Dank für die Siege bei Groß-Beeren und Dennewitz Berliner Frauen- und Jungfrauen-Verein zum Dank für die Siege bei Groß-Beeren und Dennewitz Frauenverein Erster Frauenverein zum Wohl des Vaterlandes Frauenverein für das Lazareth am Schlesischen Tor Frauenverein zur Pflege der Kranken und Verwundeten im Lazareth am Schlesischen Tor Frauenverein für das Privat-Lazareth in der Friedrichs-Str. Nr. 101 621 Frauenverein zur Pflege der Kranken und Verwundeten im Lazareth am Schlesischen Tor 648 Freimaurerverein der drei Großlogen zu Berlin (I. Große National-Mutterloge „Zu den drey Weltkugeln“; II. Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland zu Berlin; III. Große Loge von Preußen genannt Royale York de l’Amitié) unter den einzelnen Großlogen Gesellschaft der Armenfreunde (Berlinische) Gesellschaft der Armenfreunde Gesellschaft der Beförderer des Edlen und Guten Chevrat Schocharej haTow wehaTuschija Gesellschaft der Deutschen Sprach- und Literatur-Forscher zu Berlin 84 Gesellschaft der Freunde 836 Gesellschaft der Freunde der Humanität 121 Gesellschaft der Krankenbesucher Bikur Cholim Gesellschaft der Wahrheitsfreunde Societas Alethophilorum Gesellschaft deutscher Nation zur Versorgung wahrer Hausarmen in Berlin mit Brennholz Deutsche Holzverteilungsgesellschaft Gesellschaft für Erd-, Heil- und Naturkunde Gesellschaft für Natur- und Heilkunde Gesellschaft für Knabenerziehung Chevrat Chinuch Ne’arim Gesellschaft für Natur- und Heilkunde 54 Gesellschaft für Seelenheilung Chevrat Marpe laNefesch Gesellschaft hebräischer Literaturfreunde Chevrat Ohavej Laschon Ivrit Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin 62 Gesellschaft von Freunden der Aufklärung Berliner Mittwochsgesellschaft Gesellschaft zur Beförderung der Evangelischen Missionen unter den Heiden 177 Gesellschaft zur Beförderung der Industrie unter den Bewohnern der Königlich Preußischen Staaten jüdischer Religion 905 Gesellschaft zur Beförderung des Christenthums unter den Juden in den Preußischen Staaten 168 Gesellschaft zur Errichtung von Erwerbschulen 945 Gesellschaft zur Rettung Berlinischer in ihrem Gewerbe zurückgekommener Bürger Berlinisches Bürgerrettungs-Institut Gesellschaft zur Übung öffentlicher Tugenden Tugendbund Gesellschaft zur Unterstützung armer Bräute Hachnassath Kallah Gesetzlose Gesellschaft (Nr. 1) 730 Gesetzlose Gesellschaft (Nr. 2) 736 Gold- und Rosenkreuzerorden in Berlin 379 Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland 326 Große Loge von Preußen genannt Royale York de l’Amitié Große Loge Royal York Große National-Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“ 188 1042
Alphabetisches Verzeichnis der mit Satzungstexten vertretenen Vereine und Gesellschaften
Große Loge Royal(e) York zur Freundschaft 258 Hachnassath Kallah 769 Hauptverein für christliche Erbauungsschriften in den Preußischen Staaten 151 Haus des Lernens Beth Hamidrasch Heiratsgesellschaft 792 Hufelandische Gesellschaft 47 Johann Jänickes Missions-Institut 150 Königin-Luise-Stiftung 1009 Königlich-Preußische Märkische Ökonomische Gesellschaft zu Potsdam Märkische Ökonomische Gesellschaft zu Potsdam Künstler-Verein Berlinischer Künstler-Verein La Loge Royale de l’Amitié Große Loge von Preußen Leopold-Stiftung 937 Lesegesellschaft auf dem Pädagogium der Königlichen Realschule 83 Liedertafel 414 Luisenstift 992 Mädchenverein vom 20. April 1813 629 Magine Rèim 881 Märkische Ökonomische Gesellschaft zu Potsdam 75 Medizinisch-chirurgische Gesellschaft Hufelandische Gesellschaft Miete-Gesellschaft Ohel Jescharim Militärische Gesellschaft 56 Missionsgesellschaft Berlinische Missionsgesellschaft Gesellschaft zur Beförderung des Christenthums unter den Juden Gesellschaft zur Beförderung der Evangelischen Missionen unter den Heiden Mittwochsgesellschaft Berliner Mittwochsgesellschaft Montagsclub 112 Mutterloge zu den drei Weltkugeln Große National-Mutterloge Nouvelle Société littéraire 2 Ohel Jescharim 876 Orden der Gold- und Rosenkreuzer Gold- und Rosenkreuzerorden in Berlin Patriotischer Frauenverein Vaterländischer Verein zur Verpflegung der in den Feldzügen 1813, 1814, 1815 hilflos gewordenen Krieger von der Berliner Garnison Patriotisches Institut Vaterländischer Verein zur Verpflegung der in den Feldzügen 1813, 1814, 1815 hilflos gewordenen Krieger von der Berliner Garnison Pharmaceutische Gesellschaft 21 Philomatische Gesellschaft 130 Preußische Haupt-Bibelgesellschaft 159 Privatgesellschaft junger Architekten 443 Privattheatergesellschaft der Ressource zur Concordia Ressource und Theater zur Concordia Privattheatergesellschaft Urania 445 Ressource der Gesellschaft der Freunde 869 Ressource der jüdischen Kaufmannschaft 860 Ressource von 1794 Ressource der jüdischen Kaufmannschaft 1043
Verzeichnisse
Ressource und Theater zur Concordia 449 Royal(e) York de l’Amitié Große Loge von Preußen Der Schach-Club 131 Sing-Akademie zu Berlin 411 Der sittlich-wissenschaftliche Verein Tugendbund Societas Alethophilorum 1 Société littéraire Nouvelle Société littéraire Strikte Observanz 366 Toleranzloge Christlich-jüdische Loge zur Toleranz Traktatverein Hauptverein für christliche Erbauungsschriften Tugendbund (Der sittlich wissenschaftliche Verein) 491 Tugendbund (um Henriette Herz) 387 Turngesellschaft 590 Urania Privattheatergesellschaft Urania Vaterländischer Frauenverein für hülfsbedürftige Krieger Vaterländischer Verein zur Verpflegung der in den Feldzügen 1813, 1814, 1815 hilflos gewordenen Krieger von der Berliner Garnison Vaterländischer Verein zur Verpflegung Berliner Krieger Vaterländischer Verein zur Verpflegung der in den Feldzügen 1813, 1814, 1815 hilflos gewordenen Krieger von der Berliner Garnison Vaterländischer Verein zur Verpflegung der in den Feldzügen 1813, 1814, 1815 hilflos gewordenen Krieger von der Berliner Garnison 656 Vereinigung der Wohltäter für die Vielen Chavurat Mazdiqej haRabim Verein Deutscher Mädchen Verein teutscher Mädchen Verein teutscher Mädchen 655 Verein zu gegenseitiger Hilfe Magine Rèim Verein zur Aushilfe der hilfsbedürftigen Einwohner […] der durch Ereignisse des Krieges zerstörten Gegenden der Länder zwischen Elbe und Oder 650 Verein zur Pflege und Heilung erkrankter und verwundeter Vaterlandsvertheidiger Frauenverein für das Privat-Lazareth in der Friedrichstr. No. 101 Verpflegungs-Anstalt für verwundete Krieger aus den Jahren 1813, 1814 und 1815 Vaterländischer Verein zur Verpflegung der in den Feldzügen 1813, 1814, 1815 hilflos gewordenen Krieger von der Berliner Garnison Weiblicher Verein zur Verpflegung armer Familien vom Militair Weiblicher Wohlthätigkeitsverein Weiblicher Verein zur Verpflegung armer Frauen Weiblicher Wohlthätigkeitsverein Weiblicher Wohlthätigkeitsverein 633 Wohlthätigkeitsverein zur Aufhilfe der durch den Krieg verarmten Einwohner in Berlin Weiblicher Wohlthätigkeitsverein Zeltersche Liedertafel Liedertafel Zur Errichtung von Erwerbschulen verbundene Gesellschaft Gesellschaft zur Errichtung von Erwerbschulen Die Zwanglose Gesetzlose Gesellschaft (Nr. 1)
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Verzeichnis der Abkürzungen und Siglen
a. a. O. am angegebenen Ort Abb. Abbildung affiliiert (Freimaurerei) aff. Akad. Akademie Akad. d. Wiss. Akademie der Wissenschaften Anm. Anmerkung(en) Anon. Anonymus Art: Artikel/Articulus Asiat. Asiatische (Brüder) Aufl. Auflage Ausg. Ausgabe b. bei/beim ballotiert (Abstimmung ball. durch Kugelung) BBr./Bbrn. Brüder/Brüdern (Freimaurerei) Bd. Band Bde. Bände bearb./Bearb. bearbeitet/Bearbeiter begr. begründet Beih. Beiheft besond. besonders Bl. Blatt Br. Bruder (Freimaurerei) Br. Br. Brüder (Freimaurerei) bzgl. bezüglich bzw. beziehungsweise c. currentis (des laufenden Monats/Jahres) ca. zirka Cour. Courant d Pfennig d. der/des D. Doktor dass./Dass. dasselbe Decbr. Decembris deput. deputierter (zugeordneter) derg./dergl. dergleichen ders./Ders. derselbe desgl. desgleichen d. h. das heißt
d. i. das ist dies./Dies. dieselbe Diss. Dissertation d. J. des/diesen Jahres d. M. dieses Monats Dr. Doktor ebd. ebenda Einl. Einleitung EM Ehrenmitglied enth. enthält Eq. Esquire Erb.Pr. Erbprinz(essin) erl. erläutert erstm. erstmals erw. erwähnt erw. erweitert et al. und andere et cetera etc. event./evtl. eventuell Ew. Euer Exc./Exz. Exzellenz exklud. exkludiert exped. expedierend Expl. Exemplar F. Fuß (Längenmaß) f. folio (Blatt) folgende (Seite/n) f., ff. Faks. Faksimile Festschr. Festschrift Forts. Fortsetzung Frd./Frd’or Friedrichsd’or Frhr. Freiherr Fried. Wilh. z. Johannesloge Friedrich gekr. Gerechtigkeit Wilhelm zur gekrönten Gerechtigkeit gegr. gegründet Geh. Geheimer/Geheimes gen. genannt Ges. Gesellschaft gez. gezeichnet ggf. gegebenenfalls 1045
Verzeichnisse
G. L. L. Große Landesloge G. G. L. L. Große Landeslogen Gr./gGr. Groschen/gute Groschen Gr. Loge Große Loge Großschatzm. Großschatzmeister Großsekr. Großsekretär Großvorst. Großvorsteher gerechte, vollkommene und g. v. u. v. vollendete (Loge) H. Heft h. hujus (dieses Monats/Jahres) heil. heilig Hg. Herausgeber hg. herausgegeben Hl. Heiliger/Heiligen Hss. Handschriften in/im (bei Ortsnamen) i. i. e. id est i. J. im Jahr incl./inkl. inklusive IO Innerster Orient (Freimaurerei) im Orient (Freimaurerei) i. Or. interim. interimistisch(er) J. Jahr j. -jährig Jb. Jahrbuch Jg. Jahrgang Jh. Jahrhundert Joh. Johannis Kaiserl. Kaiserlich Kapitän (Hauptmann) Kap. kath. katholisch K./Kgl./kgl./ Königlich königl. komm. kommentiert Komm. Kommentar Landesgroßm. Landesgroßmeister Logenm. Logenmeister L. S. Locus sigilli m. mit -m. -meister M. Mark M. Meister (vom Stuhl) Mad. Madame Masch. Maschinenschrift Mitarb. Mitarbeit Mitgl. Mitglied ML Mutterloge Mlle. Mademoiselle M. L. R. Y. Mutter-Loge Royale York 1046
Mme. Madame Mr. Meister Mr. Monsieur mr. maurerisch Ms. Manuskript M.v.St. Meister vom Stuhl (Freimaurerei) nach anderen (Angaben) n. a. Nachdr. Nachdruck Nachl. Nachlass Nachw. Nachwort Nationalgroßm. Nationalgroßmeister N.B. notabene ND Neudruck N. d. R. Notiz der Redaktion Neuausg. Neuausgabe Neue Folge N. F. N. N. Abkürzung anstelle eines unbekannten Namens (nomen nescio / nomen nominandum) No. Numero Nr. Nummer o. ohne (Jahr) o. ordentlicher (Professor) Oberm. Obermeister Oberzeremonienm. Oberzeremonienmeister o. D. ohne Datum OM Ordentliches Mitglied p. und so weiter Pf. Pfennig perge perge (lat.: fahre fort pp. = und so weiter) Pr./pr. Preußen/preußisch Pr. Prinz preuß. preußisch Prof. Professor proponiert (vorgeschlagen) prop. Prov. Provinzial(loge) p. t. pro tempore (derzeitig, vorläufig, gegenwärtig) Pythagoras z. fl. Johannisloge Pythagoras Stern zum flammenden Stern quitt. quittiert r recto (Vorderseite) reaff. reaffiliiert ref. reformiert Ref./Refer. Referendar reg. regierend rektif. rektifiziert Repet. Repetent
Abkürzungen und Siglen
Repr. Reprint resp. respektive Rez. Rezension rez. rezipiert (aufgenommen) rh. Reichstaler Rthl./Rtl./Rtlr. Reichstaler R. Y. z. F. Großloge Royale York zur Freundschaft S. Seite s. siehe Seligen Angedenkens S. A. sc. scilicet Schott. Schottisch S. E. Sehr Ehrwürdige(r) (Loge/ Meister/Orden) Seine (Königl. Majestät) Se. sen. senior seq./seqqs. sequens/sequentes Sgr. Silbergroschen Sign. Signatur Slg. Sammlung s. n. sine nomine (ohne Namen, ohne Titel) s. o. siehe oben sog./sogen. sogenannt Sr. Seiner (Königl. Majestät) Sr K. M. v. P. Seiner Königlichen Majestät von Preußen S./St. San/Sant’/Sankt St. Stück stellv. stellvertretender Steward (Schaffner) Stew. Strikte Observanz (FreiStO maurerei) s. u. siehe unten substituierter (beigeordneter) substit. suspend. suspendiert TBH Tugendbund um Henriette Herz Thlr. T(h)aler Titelbl. Titelblatt Tl. Teil u. und u. a. unter anderem/und andere u. a. m. und andere mehr unter dem Titel u. d. T.
UB Universitätsbibliothek übers. übersetzt u. Mitw. unter Mitwirkung unbek. unbekannt(er) undat. undatiert unmaur. unmaurerisch u.ö. und öfter Urania z. Unsterbl. Johannisloge Urania zur Unsterblichkeit usw./u. s. w. und so weiter verso (Rückseite) v v. a. vor allem Verf./Vf. Verfasser vergl. vergleiche verm./vermutl. vermutlich vers. versehen vgl. vergleiche vid. videatur Vierteljahrsschr. Vierteljahrsschrift vorigen Monats v. M./v. Mts. vorbereit. vorbereitender (Bruder) vorsitz. vorsitzender Vorst. Vorsteher wahrsch. wahrscheinlich wiss. wissenschaftlich Z. Zoll (alte Maßeinheit) z. B. zum Beispiel Zeremonienm. Zeremonienmeister Zirkeldir. Zirkeldirektor zit. zitiert Zs. Zeitschrift Ztg. Zeitung zugeord. zugeordneter z. Z. zur Zeit kennzeichnet einen Absatz / innerhalb des zitierten Textes kennzeichnet einen Seiten // umbruch in der Handschrift Verweis auf einen Hand buchartikel Zusatz der Autoren bzw. [ ] Hg. ◻ Zeichen für Loge ☉ Zeichen für „Verbündung“ (= Tugendbund um Hen riette Herz)
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Verzeichnisse
Institutionen BAK BBAW
Bundesarchiv Koblenz Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften BBF/DIPF Bibliothek für Bildungsgeschicht liche Forschung des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung Bibliothek der Berliner jüdischen BJG Gemeinde BLHA Brandenburgisches Landeshauptarchiv Potsdam BSB Bayerische Staatsbibliothek München CAHJP Central archives for the history of the Jewish people, Jerusalem Stiftung Neue Synagoge – CentCJA rum Judaicum, Archiv, Berlin Klassik Stiftung Weimar, GoetheGSA und Schiller-Archiv GStA PK Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin-Dahlem HAB Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel Hessisches Staatsarchiv HStA HU Humboldt-Universität zu Berlin LA Landesarchiv LBI Leo Baeck Institute, New York Stiftung Preußischer Kulturbesitz PK SBB PK Staatsbibliothek Berlin Preußischer Kulturbesitz UdK Universität der Künste Berlin
Periodika und Quellennachweise Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen (Haude- und Spenersche Zeitung). Berlin: Haude & Spener, 1740–1872. Königlich privilegirte Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen (Vossische Zeitung). Berlin: Voss, Erben, 1785–1911.
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Die Brautbriefe Wilhelms und Carolines von Humboldt, hg. von Albert Leitzmann. Leipzig 1920. HF Henriette Herz. Ihr Leben und ihre Erinnerungen, hg. von J[oseph] Fürst. Berlin 1850. HH Henriette Herz in Erinnerungen, Briefen und Zeugnissen, hg. von Rainer Schmitz. Leipzig, Weimar, Frankfurt/Main 1984, über den Tugendbund dort S. 81–84, Briefe S. 207–250. HKA-B-1 Wilhelm von Humboldt: Briefe, Bd. 1: 1781 – Juni 1791, hg. und kommentiert von Philip Mattson. Berlin 2014 (Wilhelm von Humboldt: Briefe. Historisch-kritische Ausgabe, Abt. 1: Briefe bis zum Beginn der diplomatischen Laufbahn 1781–1802). Wilhelm von Humboldt: Briefe VH an Henriette Herz. In: Aus dem Nachlaß Varnhagen’s von Ense. Briefe von Chamisso, Gneisenau, Haugwitz, W. von Humboldt, Prinz Louis Ferdinand, Rahel, Rückert, L. Tieck u. a. Nebst Briefen, Anmerkungen und Notizen von Varnhagen von Ense [hg. von Ludmilla Assing]. Bd. 1, Leipzig 1867, S. 1–20 [Kommentar Varn hagens] und S. 21–133 [Briefe]. WCH-1 Wilhelm und Caroline von Humboldt in ihren Briefen, hg. von Anna von Sydow. Bd. 1: Briefe aus der Brautzeit (1787–1791). Berlin 1906. WH/FC Wilhelm von Humboldt, Brief an Caroline von Beulwitz, Göttingen, 20. März 1789. In: Ilse FoerstCrato (Hg.): Wilhelm von Humboldt an Karoline von Beulwitz über den Tugendbund (1789). In: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 41 (1967), S. 192–201. BB
Abbildungsnachweis
Faltblatt (nach S. 384) Haupt-Plan für das gegenwärtige Decennium. Nach Übereinstimmung der Brüder des Goldnen Rosen Kreuzes bei der gewöhnlichen Ordens Reformation errichtet im Jahr des Herrn 1777. GStA PK, FM 5.2 D 34, Nr. 1759. Mit freundlicher Geneh-
migung der Freimaurerloge Zum goldenen Apfel, Dresden, und des GStA PK. – Dass. in: Ch. K. F. W. Nettelbladt: Historische Instruktionen: Beiträge zur Geschichte und Rituation der Gold- und Rosenkreuzer. Bd. 5, um 1782 (GStA PK, FM 5.1.3, Nr. 4245, Nr. 4238).
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Danksagung
Gedankt sei allen Archiven und Bibliotheken, die Handschriften und seltene Drucke zur Verfügung stellten, Kopien anfertigten und die Genehmigung zum Abdruck der Texte erteilten. Ich danke besonders der Dresdner Freimaurerloge Zum goldenen Apfel und dem Preußischen Geheimen Staatsarchiv PK für die freundliche Erlaubnis zur Reproduktion der Bildvorlage des „Hauptplans“ der Goldund Rosenkreuzer. Ich danke Conrad Wiedemann, dem Projektleiter des Akademienvorhabens „Berliner Klassik“, für seine fortwährende Unterstützung und Förderung wie auch meinem Kollegen Klaus Gerlach, BBAW, für zuverlässige Hilfen und Ratschläge. Mein Dank gilt insbesondere Marie-Luise Körner, BBAW, für sorgfältig ausgeführte di-
verse Abschreib- und Redaktionsarbeiten wie auch allen denjenigen Handbuch-Beiträgern, die selbst Texte zu ihrem Gegenstand transkribiert und für den Dokumentenband zur Verfügung gestellt haben. Karlheinz Gerlach danke ich für seine stetige, überaus freundliche Hilfsbereitschaft und vielfältige Auskünfte zum Thema Freimaurerei, Uta Lohmann und Sebastian Panwitz für die Aufbereitung der Texte zu den jüdischen Vereinen sowie Uta Lohmann und Andreas Kennecke für Übersetzungen aus dem He bräischen und dem Jüdisch-Deutschen. Großer Dank gebührt wiederum Frank Zimmer für die sorgfältige Arbeit am Satz wie auch meinem Lektor Peter Heyl und Kerstin Protz, De Gruyter Book Production, für die umsichtige Begleitung der Textherstellung. Uta Motschmann Berlin, September 2015
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