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German Pages 194 [193] Year 1971
KARL BAUMGARTEN • HALLENHÄUSER IN M E C K L E N B U R G
DEUTSCHE AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
ZU
BERLIN
Z E N T R A L I N S T I T U T FÜR G E S C H I C H T E WISSENSCHAFTSBEREICH KULTURGESCHICHTE UND V O L K S K U N D E
VOLKSKUNDLICHE
VERÖFFENTLICHUNGEN
HERAUSGEGEBEN DURCH
REINHARD PEESCH
B A N D 54
KARL BAUMGARTEN
HALLENHÄUSER IN MECKLENBURG EINE HISTORISCHE
f»/
A K A D E M I E - V E R L A G
1970
- BERLIN
DOKUMENTATION
Der vorliegende Band erscheint in Fortsetzung der früheren Schriftenreihe „Veröffentlichungen des Instituts für deutsche Volkskunde"
Erschienen im Akademie-Verlag GmbH, 108 Berlin, Leipziger Str. 3—4 Copyright 1970 by Akademie-Verlag GmbH Lizenznummer: 202 • 100/154/70 Karten-Nr. 675/69 Broschurumschlag: Helga Klein Gesamtherstellung: V E B Druckhaus „Maxim Gorki", 74 Altenburg Bestellnummer: 2034/54 • ES 14 G
INHALT
Vorwort Einleitung I. Das Bild des mecklenburgischen Hallenhauses . Durchgangshäuser
VII i 7 7
Fletthäuser
53
Mischformen
77
II. Die Entwicklung des mecklenburgischen Hallenhauses
141
Das Außenbild
141
Das Raumbild
145
Das Gerüst
154
Synoptische Zeittafel
160
Anhang Literatur
161
Legende zu den Aufmaß tafeln
164
Abbildungen
165
V
VORWORT
In den Jahren 1961 bis 1965 wurden von der WossidloForschungsstelle Rostock intensiviert Feldforschungen im Norden der Deutschen Demokratischen Republik — überwiegend im früheren Land Mecklenburg — durchgeführt. Sie galten in erster Linie dem Studium und der Erfassung der dortigen ländlichen Volksarchitektur. War doch ganz besonders hier — im Verbreitungsbereich eines Einheitshauses — anzunehmen, daß mit dem Übergang der Bauern zu vollgenossenschaftlicher Wirtschaftsführung die Mehrzahl der traditionellen, den neuen Anforderungen nicht mehr gewachsenen Altbauten, unter denen zweifellos viele für die Beantwortung ethnographischer und historischer Fragen bedeutsame Gebäude zu finden waren, sehr bald schon dem Abbruch verfallen würde. Eine erste größere Auswertung der Ergebnisse, die bei den über fünf Jahre reichenden Untersuchungen im Terrain gewonnen wurden, wird nunmehr mit dieser Dokumentation vorgelegt. Die Bedeutung der in dieser Dokumentation enthaltenen Aussage ist in verschiedener Richtung zu sehen. Dem Ethnographen wird sie Grundlage für eine durch Angaben aus archivalischem Material ergänzte Darstellung der Geschichte der bäuerlichen Wohnkultur sein. Dem Historiker wird sie gestatten, die Entwicklung der früher in Mecklenburg dominanten Hausform mit den sozial-ökonomischen Veränderungen der letzten Jahrhunderte innerhalb des mecklenburgischen Dorfes zu konfrontieren und ihre Varianten als Objektivationen gesellschaftlicher Prozesse auszuwerten. Daneben dürfte der internationalen Wissenschaft mit dieser Veröffentlichung das für vergleichende Studien erforderliche aussagekräftige Material vermittelt werden. Schließlich sei noch auf deren Bedeutung für die Praxis verwiesen. Diese Dokumentation wird dem Museologen helfen, eine wissenschaftlich einwandfreie Darstellung der GeschichtedermecklenburgischenHausformenlandschaft zu gestalten, und vor allem den Mitarbeitern der Denkmalpflege Bewertungsmaßstäbe an die Hand geben, um
nicht nur eine rechte Auswahl aus dem traditionellen Althausbestand, sondern auch eine sinnvolle Pflege des uns in der Volksarchitektur überkommenen kulturellen Erbes zu gewährleisten. Von vielen Seiten erfuhren die mehrjährigen Untersuchungen im Terrain — insbesondere die Erfassung der ländlichen Volksarchitektur — verständnisvolle und tatkräftige Unterstützung. Besonderer Dank in dieser Hinsicht gebührt Prof. Dr. Wolfgang Steinitz, dem leider allzufrüh verstorbenen Direktor des Instituts für deutsche Volkskunde, — sein stetes Interesse für diese Arbeit und seine Fürsprache sicherten dem aufwendigen Unternehmen jederzeit materielle und ideelle Hilfe von seiten der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Wesentlich gefördert wurde das Werk durch Dr. habil. Ulrich Bentzien und Dr. Siegfried Neumann, zwei Mitarbeiter der Rostocker Forschungsstelle; ihre einsatzfreudige Assistenz bei der Erfassung wie bei der Aufmessung der ausgewählten Gebäude war mit entscheidend für den erfreulich schnellen Abschluß der Aktion. Mein Dank gilt überdies allen Kollegen des Instituts für deutsche Volkskunde — unter ihnen vornehmlich Dr. habil. Reinhard Peesch—, die durch Ratschläge und Hinweise zu dieser Auswertung der in der Feldforschung erzielten Resultate beitrugen. Nicht zuletzt aber gedenke ich herzlich aller jener Bäuerinnen und Bauern, die mir das Durchstöbern ihrer alten Gebäude und deren Räume — oft bis in den letzten Winkel hinein — gestatteten und immer wieder bemüht waren, meine Fragen nach der Geschichte ihrer Häuser nach bestem Wissen zu beantworten. Ohne ihr verständnisvolles Entgegenkommen wäre diese Dokumentation niemals zustande gekommen.
Rostock, im März 1969 Karl Baumgarten
VII
EINLEITUNG
Seit über 100 Jahren ist die mecklenburgische Volksarchitektur Gegenstand wissenschaftlicher Forschung. 1 Dabei standen zunächst — wie auch in anderen deutschen Landschaften — Fragen der typologischen Einordnung der Formen und ihrer geographischen Verbreitung weitgehend im Vordergrund. 2 Diese Untersuchungen erwiesen übereinstimmend, daß das gegenwärtige Bild der mecklenburgischen Hausformenlandschaft im wesentlichen durch zwei traditionelle Bauweisen bestimmt wird. Neben verschiedenen Ausbildungen des Niederdeutschen Hallenhauses sind danach hier auch Varianten des Mitteldeutschen Ernhauses vertreten. D o c h ist der A n teil beider T y p e n an der mecklenburgischen Hausformenlandschaft recht ungleich. Ernhäuser sind ohne Ausnahme auf den Südosten beschränkt. Sie nehmen demnach nur einen Bruchteil des Raumes ein, der durch das Hallenhaus geprägt wurde. Mit gewisser Berechtigung bezeichnete daher bereits L u d w i g Fromm das Hallenhaus als das „altmecklenburgische" Bauernhaus. 3 Heute erscheint eine solche Charakterisierung des mecklenburgischen Hallenhauses noch weitaus berechtigter. Ausgrabungen 4 , Archivalien 5 und ältere Publikationen 6 machen es immer mehr wahrscheinlich, daß die früher v o n der Forschung allgemein als mittelalterlich angesprochene Aufteilung Mecklenburgs in einen niederdeutsch und einen mitteldeutsch bestimmten Volksarchitekturbereich eine relativ junge Erscheinung ist. 7 N o c h um die Mitte des 18. Jahrhunderts war offenbar selbst in dem später ausschließlich v o m Ernhaus eingenommenen Südosten das Hallenhaus verbreitet. Historisch gesehen dürfte demnach in älterer Zeit das Hallenhaus einmal „ d a s " Bauernhaus Mecklenburgs gewesen sein. Darin ist zweifellos auch begründet, daß frühe Stadien traditionellen Bauens im mecklenburgisehen Dorf nur in Gebäuden dieser A r t faßbar sind. Einzig dieser Typus gestattet hier auch heute noch eine über rund vier Jahrhunderte reichende kulturhistorische Tiefenschau. Das aber berechtigt ohne Frage, Untersuchungen zur Geschichte des mecklenburgischen Bauernhauses im wesentlichen auf das Hallenhaus zu beschränken. A u s gleichen Gründen dürfte die Erforschung des Mitteldeutschen Ernhauses und seiner Varianten in erster Linie A u f g a b e hauskundlicher Bemühungen in den historischen Landschaften Brandenburgs, Thüringens oder Obersachsens sein. Die moderne Hausforschung betrachtet ihren Untersuchungsgegenstand, die Volksarchitektur, unter ausgesprochen historischem Aspekt. A l s bedeutendste
Quelle steht ihr dafür noch immer der Althausbestand zur Verfügung. 8 D a jedoch dieses Material schon seit längerer Zeit in zunehmendem Maße schwindet, ist die Dokumentation aussagekräftiger Gebäudesubstanz allgemein vordringliche A u f g a b e geworden. A u c h in Mecklenburg ist daher der Gedanke, Hallenhäuser zu dokumentieren, keineswegs neu. Sehen wir v o n den vier Bauernhauszeichnungen des Landbaumeisters Ernst Christian August Behrens 9 ab, die v o n ihm sicherlich nicht als Wiedergabe existierender Bauten, sondern vielmehr als Modellprojektierungen gedacht waren, finden wir erste Aufmaße aus dem Hallenhausbestand Mecklenburgs in dem großen deutschen Bauernhauswerk v o n 1906. 10 A u f zwei Blättern sind darin vier Gebäude 1 1 , darunter das später wiederholt beschriebene Schulzenhaus v o n Bechelsdorf 1 2 , in Außenansichten, Schnitten und Grundrissen dargestellt. Rund zwanzig Jahre später publizierte Johann Friedrich Pries im Tafelanhang seiner„Entwicklung des mecklenburgischen Hinsichtlich der Angaben zur Geschichte der Hausforschung in Mecklenburg vgl. Baumgarten 1957. 2 Das zeigen u. a. Publikationen wie Peßler, 1922; Endler/ Folkers, 1930; Pries, 1928. 3 Nach Fromm, 1866. 4 In Lüttenhagen bei Feldberg Kr. Neustrelitz wurde die Grundfläche eines mittelalterlichen Hauses (14. Jahrhundert) gefunden, das fraglos ein Hallenhaus war. Diese Angabe verdankt der Verf. der freundlichen Mitteilung durch U. Schoknecht, Waren. 5 Vgl. u. a. dazu Folkers, 1929: 69/70 (Hinweis auf die Beschreibung eines Hallenhauses in Schönhausen Kr. Strasburg aus dem Jahr 1621). * Vgl. Nützliche Beyträge 1766. (Klage über die Ablösung der Hallenhausbauweise in Mecklenburg-Strelitz). Auf diese Angabe machte mich freundlicherweise Dr. habil. U. Bentzien, Rostock, aufmerksam. 7 Eine gesonderte Untersuchung der hauskundlichen Entwicklung im mecklenburgischen Südosten ist vom Verf. geplant. 8 Die Terrainforschung der Jahre 1961 — 65 hat erneut eindrucksvoll ergeben, daß die Untersuchung am Objekt z. Zt. noch nicht durch archivalische Studien ersetzt werden kann. Vgl. dazu auch Baumgarten/Bentzien, 1963: VII. 9 Behrens 1796: 75 — 96, Taf. 12 — 14. 10 Das Bauernhaus 1906. Atlas: Blätter Großhzgt. Mecklenburg—Schwerin und Mecklenburg-Strelitz. 1 1 Dargestellt sind Gebäude aus Nienhagen Kr. Teterow, Parum Kr. Güstrow, Gr. Krams Kr. Hagenow und Bechelsdorf Kr. Grevesmühlen. 12 Dazu zählen u.a. Buddin 1919; Brückner 1934: 397; Baumgarten 1963b; ders. 1965c: 83 — 86. 1
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Dömitz* Fig. i. •
=
Karte v o n Mecklenburg
Ortsname
•
=
Landschaftsbezeichnung
(Die Karte zeigt das „ L a n d M e c k l e n b u r g " in seinen historischen Grenzen)
Niedersachsenhauses zum Querhause" 13 erneut einige Zeichnungen von Hallenhäusern.14 Auch die Wiedergabe zweier Bauten des gleichen Typus 15 in der Veröffentlichung über „Das Mecklenburgische Bauerndorf" von Carl August Endler und Johann Ulrich Folkers 16 ist dem Baumeister Pries zu danken. Vor allem aber ist in diesem Zusammenhang das 1961 postum erschienene, in seinen Aufmessungen auf Feldforschungen der dreißiger Jahre fußende Werk Johann Ulrich Folkers' zu nennen.17 In ihm sind aus mehreren mecklenburgischen Landschaften insgesamt 14 Hallenhäuser verschiedener Form, darunter auch vier Katen18, dargestellt. Berücksichtigen wir, daß in diesen älteren Dokumentationen zu einem Teil die gleichen Bauten nur wiederholt wurden 19 , so waren bis zum Jahre 1961 die Aufmaße von 17 mecklenburgischen Hallenhäusern veröffentlicht. Ohne Frage aber reichen 17 Aufmaße — allein schon von der Anzahl her — nicht aus, ein repräsentatives Bild von der Eigenart dieser niederdeutschen Hauslandschaft zu vermitteln. Als daher vom Jahre 1961 ab die Voraussetzungen gegeben waren, die ethnographische Feldforschung in den drei nördlichen Bezirken der Deutschen Demokratischen Republik zu intensivieren, wurden die Untersuchungen im Terrain zunächst im wesentlichen auf eine Ergänzung des bislang publizierten hauskundlichen Materials abgestellt. Bis zum Jahre 1965 wurden so in wochenlangen Kreuzfahrten über 500 Dörfer besucht, in ihnen ungefähr 400 besondere Gebäude genauer überprüft und die wichtigsten unter ihnen — nahezu 150 Bauten aller Art — durch Aufmaß, Beschreibung und 2
Photo erfaßt. Auf diese Weise gelang es, in relativ kurzer Zeit ein umfangreiches Archiv zusammenzutragen, aus dem ohne Schwierigkeit 47 interessante Objekte des mecklenburgischen Hallenhausbereiches für eine zusätzliche Dokumentation ausgewählt werden konnten. Abgesehen von der Aussagekraft des einzelnen Gebäudes, wurde diese Auswahl aus dem nunmehr neu vorliegenden Material vornehmlich nach zwei Gesichtspunkten vorgenommen. Ausschlaggebend dafür war zunächst einmal das gegenwärtige Bild der mecklenburgischen Hallenhauslandschaft. So wurde, wie die Karte der Belegorte (Fig. 2) ausweist, nicht eine über den heutigen, bereits merklich geschrumpften Verbreitungsbereich hin möglichst gleichmäßige Streuung der Objekte angestrebt. Im Gegenteil, die Zahl der Belege aus den westlichen Gebieten wurde bewußt 13
Pries 1 9 2 8 .
14
Dargestellt sind darin Bauernhäuser aus Bechelsdorf K r . Grevesmühlen, Laupin K r . Ludwigslust sowie Nienhagen Kr. Teterow.
15
E s handelt sich dabei um Bauernhäuser aus A l t - D a m e r o w K r . Parchim und Strassen K r . Ludwigslust.
16
Endler/Folkers 1 9 3 0 .
17
Folkers 1 9 6 1 .
18
V o n J . Fr. Pries waren vorher bereits einzelne Katen dar-
19
Z u diesen mehrfach dargestellten Gebäuden zählen Bauern-
gestellt worden (Pries 1909 und 1 9 5 2 ) . häuser aus Bechelsdorf K r . Grevesmühlen (3 X ) , K r . Ludwigslust
(2X),
Strassen
Laupin
K r . Ludwigslust
oder Nienhagen K r . T e t e r o w (2 x ) .
(2X)
W 26
17
V l / \ 3J»
¿K J\h7
As 33 As
= 16. Jht, um 1600 = 17. Jht, um 1700
20. Jht Hallenhausgrenze
/k
1 2 3 4 5 6
= = = = = =
Klockenhagen Wodorf Klockenhagen Barnstorf Klockenhagen Kalsow
A 13 = Rühn-Pustohl 1 4 : • Lüderstorf 15 1 : Yölkshagen 16 : Stäbelow 17 ; i Bartenshagen 18 : : Bennin
7 8 9 10 11 12
= = = = = =
Warnow Bartenshagen Lütten Klein Babst Wendischhagen Lütten Klein
19 20 21 22 23 24
: : Gr. Bengerstorf : : Gr. Bengerstorf : Laupin : : Strassen : ^ Stuck : : Grittel
größer gewählt als aus den östlichen. Außerdem sind in der Darstellung selbst belegfreie Räume belassen. Mit dieser regional gestaffelten Auswahl der Objekte sucht die Dokumentation als erstes eine Vorstellung von der derzeitigen, bereits recht unterschiedlichen Verbreitungsdichte des Hallenhauses innerhalb Mecklenburgs zu vermitteln, wobei die belegfreien Gebiete insbesondere jene Bereiche kennzeichnen, in denen der ritterschaftliche Großbetrieb die traditionelle bäuerliche Architektur bis auf geringe Reste vernichtete. Überdies wurde die Auswahl nach dem Alter der Gebäude getroffen. Nur wenige der dokumentierten Häuser schauen — zumindest in ihren Kernen — auf nahezu vier Jahrhunderte zurück. Die Mehrzahl der Beispiele entstammt dem 17. bis 19. Jahrhundert — diese Zeit umfaßt die Hauptbauperiode des gegenwärtigen Bestandes. Doch erfolgte auch hierbei wiederum die Auswahl nicht gleichmäßig über den gesamten Verbreitungsraum hin. Wie die Karte (Fig. 2) auch in dieser
25 26 27 28 29 30
= = = = = =
Tews Woos Malk Kl. Siemz Petersberg Pampow Karft
31 32 33 34 35 36
= = = = = =
Zieslübbe Alt-Damerow Banzkow Blievenstorf Gr. Laasch Spornitz
37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47
= = = = = = = = = = =
Moraas Bandenitz Bülow Lockwisch Bresegard Nedderhagen Köchelstorf Roduchelsdorf Petersberg Hohenkirchen Wüstmark
Hinsicht bekundet, überwiegen unter den Belegen in den westlichen Bereichen die Bauten des 17. und 18., in den östlichen demgegenüber die des 18. und 19. Jahrhunderts. Das 20. Jahrhundert schließlich ist nur noch mit einem einzigen Gebäude aus dem westlichen Mecklenburg vertreten. Mit dieser somit gleichzeitig auch chronologisch gestaffelten Auswahl der Objekte zeichnet die Dokumentation als zweites ein ungefähres Bild der gegenwärtigen Alterspyramide des Hallenhauses in Mecklenburg, das — je nach Landschaft — durch die Dominanz der im 17. und 18., bzw. im 18. und 19. Jahrhundert errichteten Gebäude geprägt ist. Für die Ordnung des in hauskundlichen Dokumentationen publizierten Materials sind heute allgemein zwei Prinzipien üblich geworden, die Ordnung nach landschaftlichen oder nach typologischen Gesichtspunkten. Beispiele für die erstere Art der Materialgliederung liegen uns aus jüngster Zeit unter anderem 3
Fig. 3
Verbreitungsgebiete der mecklenburgischen Hallenhausformen um 1900
1 | = Mecklenburgische Seenplatte ||[||||] = Durchgangshäuser
vor in den Veröffentlichungen von Josef Schepers über das westfälisch-lippische Haus20 sowie von Heinrich Götzger und Helmut Prechter über das bayerisch-schwäbische Haus 21 , für die letztere vor allem in der Publikation von Christoph Simonett über das Graubündener Haus.22 Den bisherigen mecklenburgischen Dokumentationen lag zumeist eine gewisse Ordnung nach typologischen Gesichtspunkten zu Grunde, und das, obwohl Mecklenburg in seiner mittleren Seenplatte, dem nordöstlichen sowie dem südwestlichen Vorland eine verhältnismäßig ausgeprägte landschaftliche Gliederung besitzt. Doch hatte sich diese — wie die Karte (Fig. 3) ohne Schwierigkeit erkennen läßt — in der Eigenart der mecklenburgischen Volksarchitektur nicht auszuwirken vermocht. Überhaupt erweist sich die gegenwärtige formenmäßige Differenzierung innerhalb bestimmter Gebiete als relativ junge Erscheinung. Sie ist — wie Archivalien und Bestand erkennen lassen — offensichtlich erst mit den Neubauten nach den Verwüstungen des 30jährigen Krieges voll zur Ausbildung gelangt. Alles das aber spricht fraglos mehr für eine typologische Anordnung des Materials. Entsprechend erfolgte daher die Gliederung dieser Dokumentation nach Formengruppen — nach Durchgangshäusern, Fletthäusern und Mischformen —, wobei in jedem der drei so gewonnenen Abschnitte der Darstellung eine chronologische Reihenfolge der ausgewählten Objekte angestrebt wurde. 4
V///X
= Fletthäuser Mischformen
=
Z u Auswahl und Anordnung des Materials tritt als drittes das Prinzip seiner Darstellung. Entscheidend in dieser Hinsicht ist vor allem die wissenschaftlichmethodische Ausrichtung der vorausgegangenen Untersuchungen. Wie wir wissen, ist die Hausforschung gegenwärtig vornehmlich um die ethnographischhistorische Aussage traditioneller Bauten bemüht. Sie gewinnt diese in erster Linie über Feststellungen zur jeweiligen Entwicklungstendenz des Raumbildes. Dabei ist das Erfassen des frühesten Gebäudezustandes stets von besonderer Bedeutung. Leider aber sind ältere Hallenhäuser in ihrer Erstform in Mecklenburg bis in die Gegenwart nirgends bewahrt. Sie sind hier vielmehr — wie auch Volksbauten in anderen deutschen Hausformenlandschaften — immer mehr oder minder verändert, in ihrem Raumbild jüngeren wirtschaftlichen Erfordernissen und wohnkulturellen Wünschen angepaßt. Im allgemeinen entspricht ihre derzeitige Innengliederung den Verhältnissen des ausgehenden 19. bzw. des beginnenden 20. Jahrhunderts. Nicht selten differieren demnach die erste und die rezente Form eines Gebäudes um Jahrhunderte. Diesem bedeutsamen Tatbestand wurde jedoch in den bisherigen Dokumentationen des mecklenburgischen Hallenhauses niemals Rechnung getragen. 2(1 21 22
Schepers i960. Götzger/Prechter i960 Simonett 1965.
Im Gegenteil, man war darin stets eifrig bemüht, in den Aufmaßen möglichst getreu e i n z i g den Zustand des Gebäudes zur Zeit der Aufnahme wiederzugeben23 — lediglich jüngste Verschandelungen pflegte man zu eliminieren. Doch wird eine solche Beschränkung auf die Erfassung der rezenten Form verständlich, wenn wir bedenken, daß der älteren Terrainforschung verfeinerte Untersuchungsmethoden, wie wir sie zur Zeit vor allem in der „Gefügeforschung" 24 besitzen, bei ihren Unternehmungen noch nicht zur Verfügung standen. Und so war es auch bei den damaligen Untersuchungen noch nicht — wie bei den heutigen Vorhaben — möglich, in dem zu dokumentierenden Hause gleichsam Schicht um Schicht abzuheben25, zu seiner Kernform vorzustoßen und dabei Feststellungen zu treffen, die — letztlich zusammengenommen — die ethnographisch-historische Aussage des jeweiligen Gebäudes beinhalten. Nachdem in den Jahren 19 5 7 bis 1960 in Mecklenburg systematisch Grundlagen für eine Auswertung von Analysen der dortigen Gefüge erarbeitet waren26, konnte die Feldforschung der Jahre 1961 bis 1965 von Anfang an auf die Erfassung von Formenschichten ausgerichtet werden. Bei diesen vornehmlich auf die Entwicklung des Raumbildes abgestellten Untersuchungen waren neben einem jüngeren oder dem rezenten Zustand stets die erste oder — falls diese nicht mehr festgestellt werden konnte — eine ältere Form des Gebäudes von Interesse. Doch wurde dabei selbstverständlich durch Aufmaß immer nur erfaßt, woran auf Grund der Befunde kein Zweifel bestand. Waren größere Teile eines Hauses gänzlich erneuert oder sogar abgerissen, wurde das ursprüngliche Raumbild — wenn möglich — zumindest noch „skizziert". Auch Häuser, die zu Wirtschaftsgebäuden abgesunken und deren Gerüste weitgehend ausgeräumt waren, konnten ebenfalls oft nur noch in dieser Weise dokumentiert werden, wenn nicht die Besitzer der Gebäude über deren früheren Zustand genauer zu berichten wußten. Gewisse Unsicherheiten ergaben sich leider des öfteren bezüglich der früheren Fenster. Nicht selten fehlten jegliche Hinweise auf sie in den Wandgefügen 27 , oder sie waren offensichtlich später
merklich vergrößert. In allen solchen Fällen wurde daher, weil wir auf sie nicht verzichten wollten, stets versucht, sie nach Lage und Größe über Feststellungen an ähnlichen Gebäuden zu rekonstruieren. Aus diesen während der Feldforschung mit Hilfe der Gefügeanalyse und der Befragung der Gewährsleute erzielten Ergebnissen erwuchs als besonderes Prinzip der Darstellung des ausgewählten Materials die „stratigraphische" Wiedergabe, d. h. der Versuch, das einzelne Gebäude sowohl in der Beschreibung als auch — erstmalig für Mecklenburg — im Aufmaß in seiner Entwicklung nachzuzeichnen.28 Dabei geben Schnitte und Außenansichten durchweg nur den Erstzustand wieder — seltener zeigen auch sie jüngere Erscheinungsformen. In den Grundrissen aber werden im allgemeinen in getrennten Zeichnungen jeweils zwei Bauschichten dargestellt, und zwar das erste oder ein älteres Stadium sowie ein jüngerer oder der rezente Zustand. Nur wenn am Objekt eine klare Scheidung der Straten aus besonderem Grund nicht mehr möglich war, wird auch im Grundriß lediglich ein einziger Befund, das erste oder das jüngste Stadium, aufgezeigt. In dem Bemühen, die im Terrain gewonnenen Resultate in dieser Weise und im Anschluß daran in einer Zusammenschau entwicklungsgeschichtlich auszuwerten, dürfte diese Dokumentation daher nicht nur zahlenmäßig, sondern auch der Aussage nach eine notwendige Ergänzung des in den älteren Veröffentlichungen bereits vorliegenden Materials darstellen. Sie wird — wie wir hoffen — in dieser Form der Anlage überdies für weitere Dokumentationen aus anderen Landschaften der Deutschen Demokratischen Republik Modell sein können.
23
Beispiele in dieser Hinsicht bietet v o r allem Folkers i 9 6 0 .
24
V g l . Baumgarten 1 9 6 3 / 6 4 .
25
V g l . Gebhard 1 9 5 7 : 7.
26
Sie sind publiziert in Baumgarten 1 9 6 1 a : j o f f .
27
Die Schwierigkeiten ergeben sich v o r allem dadurch, daß die älteren Fenster mecklenburgischer Bauernhäuser meist weder in Riegel noch in Ständer eingeschnitten waren. Sie hinterließen daher keinerlei Narben im W a n d g e f ü g e .
28
V g l . Baumgarten 1 9 6 8 .
5
I. DAS BILD DES MECKLENBURGISCHEN HALLENHAUSES
Durchgangshäuser
1
Eines der ältesten Durchgangshäuser im heutigen mecklenburgischen Bestand ist das ursprüngliche Wohnhaus auf dem Hof IV in K L O C K E N H A G E N Kr. Ribnitz-Damgarten.1 Es ist weder durch eine Inschrift noch durch eine schriftliche Überlieferung datiert. Gewisse Merkmale seines Kerngerüsts deuten jedoch auf ein Alter von etwa 360 Jahren, d. h. der ältere Teil dieses Hauses dürfte kurz nach 1600 errichtet sein. Demnach wird dieses Gebäude bereits in den Aufzeichnungen des Ribnitzer Klosterinventars von 1620 genannt und beschrieben sein.2 Leider war es zur Zeit der Aufnahme schon so ruinös, daß — vor allem in bezug auf sein Raumbild — manches hypothetisch bleiben mußte. Von der Erstform dieses Hauses ist als Ganzes nur das Kerngerüst erhalten. Es ist ein zweireihiges Ständerwerk aus auffallend kräftigen Hölzern, bei dem für Ständer, Rähme und Schwellen überwiegend Eiche, für Balken und Kopfbänder meist Kiefer verwendet wurde. Als Winkelhölzer sind längs wie quer nur Kopfbänder eingefügt; sie sind an Balken, Ständern und Rahmen mit geradegenagelten Hakenblättern befestigt. Die Überstände der vielfach krummen, teilweise bäumwälzig belassenen Balken beiderseits der rund 8,60 m breiten Diele messen nur etwao,8om. Siesind — zusammen mit den Blattungen und den Holzstärken — Grundlage für die Datierung. Eine Unterbrechung in der rechten Ständerreihe erweist am hinteren Dielenende eine zweifachige Lucht. Der starke Luchtriegel ist in Resten erhalten. Er zeigt gewisse Profilierung und ist gegen die ihn tragenden Ständer durch zwei geblattete Knaggen abgesprengt. Schließlich sind im alten rückwärtigen Giebelbalken die Zapfenlöcher für die Ständer einer Fußgängertür einwandfrei erkennbar. Mit diesen Feststellungen am Gerüst ist Wesentliches über das ursprüngliche Raumbild gewonnen. Die von Giebel zu Giebel reichende Diele war vorne durch ein Tor, hinten durch eine Fußgängertür aufgeschlossen. In der rechten hinteren Kübbung befand sich als sommerlicher Wohnraum eine zweifachige Sitzlucht. Ihr gegenüber werden eine ebenfalls zweifachige, verhältnismäßig schmale und niedrige Stube sowie frei auf der Diele ein offener Rauchherd anzunehmen sein. Weitere abgeschlossene Räume sind heute für dieses Stadium nicht mehr nachzuweisen.
Nach Aussage der Archivalien fanden offenbar erste Veränderungen noch während des 17. Jahrhunderts — vermutlich um 1650 — statt: dem Gebäude wird eine größere Utlucbtstube. angehängt.3 Hundert Jahre später dürften nach Ausweis des derzeitigen Zustandes weitere Umbauten vorgenommen worden sein. Die Seiten- und Vorderkübbungen werden erneuert und um ungefähr
0,50 m erhöht. Interessanter noch ist die innere Umgestaltung. Die Lucht wird geschlossen — an ihre Stelle treten zwei kleine einfache Kammern. Dieser Vorgang erweist eine tiefgreifende Veränderung in der Wohnsitte: das sommerliche Wohnen auf der Diele wird aufgegeben, die Stube ist nunmehr für über ein Jahrhundert der einzige Sitz- und Eßraum im bäuerlichen Hause. Weitere Kammern werden in den Kübbungen gewonnen worden sein. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts erfolgen erneut Umbauten. Das Gebäude wird um zwei Fach verlängert.4 Das jüngere Wohnende entsteht, über dessen Raumeinteilung der desolate Zustand leider keine Klarheit mehr gewinnen läßt. Um diese Zeit dürfte auch die Diele in ihrer ganzen Länge eingeengt sein, damit gewannen die Stallungen bedeutend an Tiefe, und das Wohnende wird eine zusätzliche Seitentür erhalten haben. In dieser Form blieb das Haus bis in den Beginn des 20. Jahrhunderts bewohnt. Seitdem ist es nur noch Stall und Scheune. Auch beim Hause WODORF II Kr. Wismar5, das nach einem Inventar im Jahre 1673 errichtet wurde, bleiben manche Aussagen unsicher — zwar nicht, weil es ebenfalls bereits ruinös wäre, sondern weil es in jüngster Zeit tiefgreifend verändert wurde. So ist auch hier von dem ursprünglichen Bau wenig mehr als das Gerüst erhalten. Auch dieses Ständerwerk ist noch zweireihig, doch zeigt es mit seinen rund 1,50m überstehenden
2
1
Aufgemessen am 8. 6. 1 9 6 1 . Literatur zu Klockenhagen I V : Baumgarten/Bentzien 1 9 6 5 : 1 1 9 — 1 2 1 , 1 3 5 ( A b b . 15 — 1 8 , 29). Gehöftinventar: Staatsarchiv ( S T A ) Schwerin
Rep.
92 p. N r . 1 2 7 c fasc. 4. 2
T r o t z aller Bemühungen ist es bisher nicht gelungen, die im Klosterinventar vorliegende Z ä h l u n g der G e h ö f t e zu klären. S o kann auch Klockenhagen I V darin nicht einwandfrei identifiziert werden.
3
Bereits für 1 7 5 0 sind eine „ b a u f ä l l i g e " angebaute Stube und K a m m e r für dieses Gebäude zu belegen ( S T A S c h w e rin a. a. O . ) , sie werden daher sicherlich schon aus dem 1 7 . Jahrhundert
stammen.
Da
im
Klosterinventar
bei
keinem Gebäude v o n 7 Gebinden — das Haus Klockenhagen I V
w a r zunächst
7 Gebinde
lang
—
angebaute
Stuben aufgeführt sind, wird die Utluchtstube vermutlich um 1 6 5 0 angefügt worden sein. 4
1 7 9 2 wird für das Gebäude eine L ä n g e v o n 9 Fach angegeben ( S T A Schwerin, a. a. O.). Z u dieser Zeit ist das Haus somit bereits um ein neues Wohnende
erweitert
worden. 5
Aufgemessen am
1 7 . 10. 1 9 6 1 .
Literatur zu
Wodorfll:
Folkers 1 9 3 9 a : 1 1 7 . Gehöftinventar: S T A Schwerin Rep. 9 2 V N r . 1 5 8 c fasc. 2.
7
Balkenenden schon eindeutig Merkmale eines jüngeren Verzimmerungsstadiums. Allerdings erreicht es mit diesen Überständen noch nicht Weiten, wie sie zu gleicher Zeit bereits im nordöstlichen Mecklenburg üblich waren. In dem 1672 erbauten Hause Niehagen II Kr. Ribnitz-Damgarten messen die Überstände bis zu 2,45 m. Dergleichen freie Balkenenden sind fraglos ohne besondere Abstützung gefährdet. Ständerwerke dieser Art besitzen daher allgemein paarig angeordnete Gegenkopfbänder; sie sind in Niehagen noch geblattet, in Wodorf jedoch bereits gezapft. Bemerkenswert ist weiter, daß sie in Wodorf im Ständer zweimal, im Balken aber nur einmal verbohrt sind. Von gewisser Bedeutung für die Datierung sind überdies hier die längssichernden Kopfbänder. Sie sind — wie in westmecklenburgischen Gebäuden dieser Zeit meist üblich — in die Ständer gezapft, den Rähmen jedoch angeblattet. Das weitgehend bewahrte Fachwerk des hinteren Giebels erlaubt dessen Rekonstruktion. Gesichert ist danach in ihm ein ursprünglicher Aufschluß durch ein verhältnismäßig niedriges Tor — es genügte ohne Frage als Ausfahrt für geleerte Erntewagen. Auch das hohe vordere Tor ist bis heute erhalten. Mit seinen beiden Toren gehörte dieses mit acht Gebinden auffallend große Haus demnach bereits seit seiner Errichtung zur Gruppe der Durchfahrtshäuser. Das ursprüngliche Raumbild wird durch mancherlei Hinweise im Kerngerüst angedeutet. So befand sich sicher in der rechten hinteren Kübbung die zunächst einzige Stube, die durch die größeren Überstände schon eine Breite von nahezu 3,00 m besaß, ihr zur Seite — auf der Diele — ein vermutlich bereits mit Schwibbogen überwölbter Rauchherd. Eine Sitzlucht ist auf Grund des gegenwärtigen Befundes nicht zu belegen, doch dürften außer der Stube schon mehrere Kammern vorhanden gewesen sein. Schließlich lassen einzelne Relikte des Gerüsts das vordere Ende der linken Kübbung als alten Pferdestall annehmen. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wird der Herdraum umwandet. Damit entsteht neben der Stube eine Küche. Gleichzeitig werden die Seitenwände erneuert und erhöht. Zu einem Teil ist diese jüngere Fachwerkwand auf der rechten Seite erhalten. Im 19. Jahrhundert werden tiefgreifende Umgestaltungen des Wohnteiles vorgenommen. Eine neue Küche wird eingefügt, sie erhält die nunmehr im Norden Mecklenburgs allgemein übliche Abseitenlage. Der alte Küchenraum wird Stube. Im Wohnende befinden sich seitdem zwei Stuben nebeneinander. Weitere Kammern kommen hinzu. Die ursprünglich rund 7,50 m breite Diele wird durch neue Stallwände teilweise beträchtlich eingeengt. Schließlich werden die linke Außenwand und die Vorderkübbungen massiv unterfangen. Bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts bleibt das Gebäude in dieser Form Wohnhaus des Bauern. Dann übernimmt ein Neubau dessen Aufgabe — der Altbau wird Stall und Scheune, doch ist ein Teil von ihm auch weiterhin als Mietwohnung genutzt.6 8
3
Weit besser ist das Haus K L O C K E N H A G E N I X Kr. Ribnitz-Damgarten (Abb. 1) erhalten.7 Leider ist der dazugehörige Hof nur noch ein Rest der alten, für diesen Bereich früher einmal typischen Anlage. So sind zur Zeit nur noch zwei Gebäude vorhanden, das Wohnhaus und die niege Schün (neue Scheune), eine Hallendielenscheune mit einer Stallabseite. Um 1950 wurden nach Aussagen des Besitzers zwei Gebäude, ein Rindviehstall und ein Schweinestall, abgebrochen. Ein Landarbeiterkaten scheint schon vorher abgegangen zu sein.8 Von diesen fünf Bauten des Hofes war — von dem Wohnhaus abgesehen — fraglos der Rindviehstall wissenschaftlich von besonderem Interesse. Auf Grund der Schilderungen des Besitzers muß es sich bei ihm ursprünglich um eine Kübbungdielenscheune, die letzte ihrer Art in der Ribnitzer Umgebung, gehandelt haben, die wahrscheinlich um 1700 errichtet war. 9 Das Wohnhaus — seinem Kern nach noch einwandfrei älteres Durchgangshaus — ist nicht sicher datiert. Dem Befund nach wird seine Errichtung jedoch wahrscheinlich in die Jahre um 1700 zu setzen sein.10 Der Vordergiebel zeigt tiefen Walm mit Dacheinschnitt für das Einfahrtstor, wie er noch heute weithin für das Außenbild der Gebäude im nordöstlichen Mecklenburg charakteristisch ist. Am früheren Hintergiebel, der zu einem Teil im Gebäude noch erhalten ist, war der Dachansatz demgegenüber — wie hier üblich — bereits zu halbem Walm verkürzt. Während die linke Außenwand noch originales Fachwerk besitzt, wurde die rechte Seite um 1920 massiv unterfangen. Das innere Bild des Hauses ist ohne Frage nicht ganz eindeutig, es enthält neben älteren Merkmalen gewisse jüngere Eigenarten. So ist die Diele mit einer Breite von etwa 4,50 m selbst für nordostmecklenburgische Bauten des ausgehenden 17. Jahrhunderts auffallend schmal. Auch die gezapften Gegenkopfbänder, von denen die äußeren bereits länger sind als die inneren, scheinen zunächst auf eine nicht so frühe Errichtung zu deuten. Andererseits jedoch entsprechen die rund 2,00 m messenden Überstände der Dachbalken den im Ausgang des 17. Jahrhunderts im nordöstlichen Mecklenburg üblichen Weiten. Vor allem aber ist auf der linken Dielenseite eine zweifachige Sitzlucht mit profiliertem Luchtriegel einwandfrei erkennbar. Auch die der Wohnnische ursprünglich gegenüber liegende Stube ist noch zu belegen. Damit 6
Gewährsmann: Bauer Ziems. ' Aufgemessen am 6. 6. 1961. Literaturzu KlockenhagenIX: Baumgarten 1959: 8 1 ; Baumgarten/Bentzien 1 9 6 3 : 1 2 2 bis 124, 134, 135 (Abb. 19 —22, 28—29). Gehöftinventar: S T A Schwerin Rep. 92 p Nr. 127 c fasc. 1 1 . 8 Der Altenteilerkaten ist bereits 1792 belegt ( S T A Schwerin, a. a. O.). 9 Auch im Gehöftinventar von 1792 ist dieses Gebäude als „Scheune" aufgeführt ( S T A Schwerin, a. a. O.), es ist nach den dortigen Angaben etwa 1690 errichtet. 10
Das Gehöftinventar von 1827 schätzt das Haus auf etwa 1 1 0 Jahre — nach dieser Aussage wäre das Gebäude somit kurz nach 1700 errichtet.
ist hier noch eindeutig das Raumbild spätmittelalterlicher Wohnsitte, wie es in Mecklenburg insbesondere für das 17. Jahrhundert charakteristisch war, gegeben, das auch durch zwei bereits zusätzliche Kammern — davon eine mit Außentür 11 — keineswegs gestört wird. Um 1800 wurde das Gebäude erheblich verändert. Durch Anfügen von zwei Fach entstand ein neues Wohnende mit etwas verbreiterter Stube — die ursprüngliche Stube wurde Schlafraum — und der für diese Zeit, vor allem im nördlichen Mecklenburg, typischen Mittelküche. Wie die Rauchlöcher in dem jüngeren, mit weit vorkragendem Halbwalm versehenen Wohngiebel belegen, war auch diese Küche zunächst noch mit Rauchherden — einem größeren für die Bäuerin, einem kleineren für die Altenteilerin — ausgestattet. Weitere Kammern entstanden, doch verblieb trotzdem zunächst noch ausreichend Stallraum im Gebäude. 12 Erst gegen Ende des Jahrhunderts wurden die Rindviehstände in die alte Kübbungdielenscheune abgedrängt. Von den früheren Stallungen war somit schließlich nur noch der Pferdestall im Haus — zu einem Teil wurde er in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in die Diele hinein verbreitert. Wann die Lucht geschlossen wurde, ob auch erst um 1800 oder bereits rund 50 Jahre früher zwei Kammern an ihre Stelle traten, ist nicht sicher. 13 Liebevoll von seinem Besitzer gepflegt, wird dieses Gebäude heute schon jährlich von vielen für die traditionelle Architektur Interessierten besucht. Es wäre daher fraglos als Kern für ein zukünftig in Mecklenburg zu errichtendes bäuerliches Freilichtmuseum ganz besonders geeignet. 14
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40 bis 5 o Jahre jünger dürfte das Haus B A R N S T O R F II Kr.Ribnitz-Damgarten (Abb.2), sein. 15 Datierungsschwierigkeiten ergaben sich bei ihm vor allem aus der nicht voll gesicherten Rekonstruktion des vorderen Giebels. Fachwerkreste in der rechten Außenwand lassen hier die Annahme eines tiefen Walms kaum zu. Sie deuten vielmehr auf einen weit vorgekragten Halbwalm — auch die Dachwerkausbildung spricht dafür. Dergleichen Giebelgestaltungen aber sind im allgemeinen im nordöstlichen Mecklenburg erst für Bauten aus der Zeit nach 1760 üblich. Andererseits jedoch — und das ist für die Datierung von besonderer Bedeutung — sind im Ständerwerk des Hauses Barnstorf II sämtliche Dachbalken ohne Kamm verzimmert. Das Gebäude muß demnach noch in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts errichtet sein. Dem entspricht auch die Zwiespältigkeit in der Winkelsicherung: Neben den in älteren Bauten des Nordostens sonst nur gebräuchlichen Kopfbändern treten hier erstmalig zwei Langstreben auf. Die abweichende Giebelgestaltung wird demnach wohl als „Ausnahme von der Regel" anzusprechen sein. Das Raumbild des Gebäudes läßt noch heute an dem ursprünglichen Durchgangshauscharakter keinen Zweifel. Bemerkenswert ist jedoch folgendes: eine Lucht war von Anfang an nicht mehr vorhanden — seinem Raum2
HaUenhäuser
bild nach gehört dieses Gebäude demnach schon völlig der jüngeren Wohnsitte an —, und die rund 5,00 m breite Diele besitzt einen besonderen Seitenflur mit Außentür, eine Eigenart, die, wenn sie auch in der Rostocker Umgebung ebenfalls nachzuweisen ist, vor allem die Form der Fischländer Hallenhäuser bestimmte. Erst im 19. Jahrhundert gewann dieser seitliche Ausgang in der Ausbildung der Abseitenküche im nordmecklenburgischen Durchgangshaus allgemeinere Bedeutung. Spätere Umbauten veränderten den Charakter des Hauses nicht mehr erheblich. Um 1800 wird eine schmale Mittelküche von der Diele abgetrennt, auch sie bleibt zunächst noch Rauchküche. Die Zahl der Kammern in den Kübbungen mehrt sich. Von ihnen wird eine zur Hochkammer ausgebildet. Um 1900 dürfte die linke Außenwand, die Wetterseite, massiv unterfangen worden sein. Ob auch die gemauerten Vorderkübbungen dieser Zeit entstammen, ist zu bezweifeln. Sie werden bereits früher dem Vordergiebel angefügt sein und stehen sicherlich in Beziehung zur Ausweitung des Wohnteiles im Hause. Der Hof umfaßt heute insgesamt drei Gebäude, das Wohnhaus, eine Scheune, die dem Alter des Hauses entspricht, und einen jüngeren Kartoffelkeller. Ähnlich ist das Bild der übrigen Barnstorfer Höfe, lediglich der Hof I, dessen Wohnhaus ursprünglich weitgehend dem des Hofes II glich, gewann nach 1930 durch weitere Zubauten ein fast geschlossenes, entfernt an die Vierkanthöfe des ehemaligen Hinterpommerns erinnerndes Aussehen (Abb. 3). 16
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Auch das Haus K L O C K E N H A G E N I Kr. RibnitzDamgarten erscheint zunächst —dieses Mal in seinem Raumbild — den bislang beschriebenen Gebäuden gegenüber als gewisse Ausnahme. 17 Zwar ist es fraglos Durchgangshaus — seine Diele reicht vom vorderen bis zum hinteren Giebel —, seine Stube aber liegt nicht — wie üblich — in Richtung des Firstes, sondern quer dazu. Doch dürfte diese Eigenart hier früher einmal keines11
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Kammern mit Außentüren waren früher im Norden Mecklenburgs häufiger. Die älteste Angabe darüber findet sich im Inventar des Hofes Barnstorf bei Rostock vom Jahre 1648 (Stadtarchiv Rostock Rep. Hospital Heil. Geist Ba 2). 1827 werden noch vier Ställe im Gebäude aufgeführt ( S T A Schwerin, a. a. O.). Die Lucht ist heute durch den für sein Haus sehr interessierten Besitzer wieder geöffnet worden. Das Haus Klockenhagen I X ist somit z. Zt. das einzige Durchgangshaus Mecklenburgs mit offener Sitzlucht. Gewährsmann: Bauer Peters. Größe des Betriebes ungefähr 35 ha, davon nur etwa 3 ha Wiese. Zuletzt 4 Pferde und 25 Stück Rindvieh (darunter 1 2 Milchkühe). Aufgemessen am 10. 10. 1961. Brunne 1 9 6 1 : Gr. Horst, Hof J . Haack; Hohendrosedow, Hof Timm. Aufgemessen am 7. 6. 1961. Gehöftinventar: S T A Schwerin Rep. 92 p Nr. 127 c fasc. 1 .
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wegs außergewöhnlich gewesen sein. Schon im Ribnitzer Klosterinventar von 1620 werden eine Reihe Gebäude mit Stuben „unter dem hinteren Walm" genannt 18 , die offenbar ebenfalls zu einem Teil als quergelegen verstanden werden müssen. Sicherlich aber ist das Nebeneinander von Stube und Kammer, eine Raumverbindung, die vor allem im 18. Jahrhundert für das nordwestliche Mecklenburg bezeichnend wurde, auch im Hause Klockenhagen I eine junge Ausbildung. Da diese Raumeinheit beträchtlich nach innen vorspringt, wird die Diele auf ihrem rückwärtigen Ende zu einem schmalen Flur verengt, aus dem die übliche Fußgängertür ins Freie führt. 19 Mehrere Kammern in den Kübbungen und der frei vor der Stube gelegene Rauchherd vervollständigen das ursprüngliche Raumbild. In seiner äußeren Erscheinung weicht das Gebäude vom Üblichen kaum ab. Sein Vordergiebel besitzt tiefen Walm mit Toreinschnitt, sein Hintergiebel einen vorkragenden Halbwalm, der allerdings mit Hilfe von Stichbalken niedriger als gewöhnlich ansetzt. Das Ständerwerk ist zweireihig. Seine Errichtung um die Mitte des 18. Jahrhunderts belegen die nahezu ausschließliche Verwendung von Kiefer sowie die Aufkämmung der Dachbalken auf die Rähme. 20 Die mit 3,10 m nicht sehr hohe Diele zusammen mit der flachen Dachneigung verleihen dem Gebäude ein sehr breit gelagertes Aussehen. Entscheidende Veränderungen erfuhr das Raumbild im Verlauf des 19. Jahrhunderts. Dazu rechnen vor allem die Einfügung einer Küche — sie ist, wie jetzt üblich, Abseitenküche 21 , — das Vorziehen der Stallungen in die bis dahin mit rund 6,75 m für das Ribnitzer Gebiet auffallend breite Diele — damit verbunden die Wendung des Viehes in die Queraufstellung — sowie das Schließen des Flures. Seitdem ist der Flurraum der Altenteilerstube zugeschlagen. Das Gebäude gewann auf diese Weise nunmehr ein ursprünglich in Nordostmecklenburg unbekanntes Kammerfach, das relativ früh bereits drei Stuben enthielt.22 In dieser Form (ein Windfang vor der Küchentür ist allerjüngste Zutat) blieb das Gebäude bis heute bewohnt. 23 Wie das Haus Wodorf II zählte auch das Wohngebäude auf dem Hof Moll in K A L S O W Kr. Wismar ursprünglich zur Gruppe der Durchfahrtshäuser. 24 Der im rückwärtigen Giebel erhaltene alte Torsturz, dem als Datierung die Jahreszahl 1767 eingeschnitten ist, läßt daran keinen Zweifel. Auch hier war die Ausfahrt niedriger als die Einfahrt, eine sehr häufige Erscheinung bei Hallenhäusern dieser Art. Im Außenbild steht ferner dem nicht vorgekragten hinteren Halbwalm ein vorderer tiefer Walm gegenüber, der wiederum des hohen Tores wegen geöffnet ist. Das Ständerwerk ist bemerkenswert. Es ist dreiständrig. Mit rund 4,20 m hatten in ihm die Balkenüberstände auf der Stubenseite Weiten erreicht, die allein mit den üblichen Mitteln — mit Kopfbändern oder
Streben — nicht mehr genügend gesichert erschienen. Man stellte daher den freien Balkenenden zusätzliche Ständer unter. Dergleichen dreiständrige Hallenhäuser mit beidseitigen Kübbungen, deren vom üblichen abweichende Gerüste sich im Außenbild fast nur durch das ein wenig außermittige Tor andeuten, finden sich im nordmecklenburgischen Bestand häufig. Im allgemeinen entstammen sie der zweiten Hälfte des 18. oder dem Beginn des 19. Jahrhunderts. Hinzuweisen wäre im Hause Kalsow überdies auf die mit Hilfe von Grundstreben gewonnene Längssicherung des Ständerwerks — in ihr ist vermutlich ein Einfluß nordwestmecklenburgischer Gepflogenheiten zu sehen.25 Das ursprüngliche Raumbild ist wie im Hause Klockenhagen I durch das die Diele einengende Nebeneinander von Stube und Kammer gekennzeichnet. Ungewöhnlich ist dabei die Richtung der Deckenbalken oberhalb der Stube. Verlaufen diese in den Kübbungstuben des Nordens und Ostens allgemein quer zum First, so sind sie hier, wie die Balkenköpfe über den Riegeln im hinteren Giebel erkennen lassen, ähnlich südwestmecklenburgischer Eigenart in Richtung des Firstes verlegt. Ob bereits bei der Errichtung des Gebäudes eine Abseitenküche mit Außentür vorgesehen war, ist nicht sicher. Fraglos aber war sie noch lange Zeit mit Rauchherd ausgestattet. Im 19. Jahrhundert wird die Ausfahrt geschlossen und dadurch eine zusätzliche Stube und ein Kammerfach gewonnen. Auch auf der „Kuhseite" wünschte man nunmehr die Stallungen breiter. Ihre Wände werden daher in die Diele hinein vorgeschoben, wobei die ursprünglichen Ständer in den vergrößerten Räumen belassen werden. Als sich dann im 20. Jahrhundert die Notwendigkeit ergibt, die linke Außenwand im Wohnteil massiv zu erneuern, wird gleichzeitig ein Flur mit Außentür eingefügt. Damit gewinnt das bis heute bewohnte Gebäude letztlich ein Raumbild, das entfernt an das der jüngeren südwestlichen Fletthäuser erinnert. 26 18 19
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Baumgarten/Bentzien 1963: 53 u. ö. Das Haus Klockenhagen III besitzt noch heute die gleiche flurartige Verengung des hinteren Dielenendes sowie eine doppelflüglige Ausgangstür. Sie ist dort fraglos für geleerte Erntewagen breit genug. Dieses Haus mag daher als Durchfahrtshaus verwendet worden sein, was bei Klockenhagen I schon aus Geländegründen nicht möglich war. Nach Aussage des Gehöftinventars ( S T A Schwerin, a.a.O.) ist das Haus etwa 1745 erbaut, was sich mit den Gefügemerkmalen ungefähr deckt. Zunächst war die Küche nur durch eine niedrige Wand von der Diele getrennt ( S T A Schwerin, a. a. O.). Nach Gehöftinventar von 1842 ( S T A Schwerin, a. a. O.). Gewährsmann: Bauer K o r f f . Größe des Betriebes rund 36 ha, davon etwas mehr als 4 ha Wiese. Zuletzt 4 Pferde und 22 Stück Rindvieh (darunter 14 Milchkühe). Aufgemessen am 16. 10. 1961. Baumgarten 1 9 6 1 a : 69. Gewährsperson: Frau Moll.
•—7 Wenig jünger ist das Haus WARNOW III Kr. / Bützow. Eine Inschrift auf dem Torsturz datiert es auf das Jahr 1776. 27 Dennoch weist es mit dem Hause Kalsow nur geringe Übereinstimmungen auf. In seiner Eigenart entspricht es weit mehr den im nordöstlichen Mecklenburg dominierenden Formen. Das wird insbesondere am Raumbild sinnfällig: das Gebäude ist jüngeres Durchgangshaus mit Mittelküche. Hauptwohnraum ist die in der Kübbung gelegene zweifachige Stube. Sie ist allerdings — entgegen der nördlichen Gepflogenheit — so weit in die Küche hinein verbreitert, daß ein direkter Zugang von der Diele zur Stube ermöglicht wird. Außer Wohnstube und Küche gehören zum Wohnteil Abseitenkammern verschiedener Nutzung, darunter Gesindekammern, eine Werkkammer und eine Altenteilerkammer. Das Gerüst ist zweiständrig, lediglich im Wohnteil erscheint auf Grund der verbreiterten Stube eine zusätzliche dritte Ständerreihe. Die Balkenüberstände sind mit rund 2,00 m für diese Zeit gering. Sie werden mit Hilfe kurzer Streben abgefangen. Kopfbänder treten nur noch im Querverband der Diele sowie unter den vorgekragten Halbwalmen auf — das Gebäude besaß zunächst keine Vorderkübbungen. Im übrigen sind lediglich Langstreben als Winkelhölzer verzimmert. Besonders bemerkenswert ist das Dachwerk. Hier fehlen die für den niederdeutschen Bereich charakteristischen Schwertlatten. An ihre Stelle sind einseitige „Sparrenverriegelungen" — von außen in die Sparren waagerecht eingeschnittene Hölzer — getreten, eine Form der Sicherung des Daches gegen Längsschub, die vor allem in Brandenburg, aber auch in der Volksarchitektur Polens üblich gewesen zu sein scheint.28 In Mecklenburg konnte sie bislang nur in vier Hallenhäusern — außer in Warnow noch in Domsühl Kr. Parchim (Abb. 40), Blievenstorf Kr. Ludwigslust (vgl. Nr. 34) sowie in Ritzerow Kr. Malchin — festgestellt werden. Im 19. Jahrhundert werden am Hause Warnow III bezeichnende Veränderungen vorgenommen. Der Vordergiebel erhält beidseitig Kübbungen vorgesetzt, ein Vorgang, der in dieser Zeit insbesondere im südlichen Mecklenburg Bedeutung gewinnt. Im allgemeinen werden in diesen neuen Vorderkübbungen nunmehr Tiere untergebracht, deren Geruch man jetzt als unangenehm empfindet — es handelte sich dabei meist um Schweine oder Schafe. Der Wohnteil des Gebäudes wurde ebenfalls vergrößert, um zwei Fach verlängert und auf diese Weise eine zusätzliche Stube gewonnen. Bemerkenswert ist jedoch, daß bei dieser Umwandlung des Hauses die Küche nicht in die Kübbung abgedrängt wurde. Sie verblieb vielmehr — allerdings als sehr gestreckter Raum — in der Mittellage. Jüngere wirtschaftliche Erfordernisse, die Notwendigkeit, einen Winterraum für Kartoffeln zu schaffen, führten zur Unterkellerung einer größeren Kammer, die seitdem offenbar als Leutestube — als Eß- und Sitzraum für das Gesinde — genutzt wurde. Besondere Veränderungen an den Stallungen 2*
in den Kübbungen scheinen nicht vorgenommen zu sein. Zu erwähnen bleibt, daß bereits bei der Erfassung des Gebäudes der Hof, zu dem überdies eine größere Hallendielenscheune gehörte, nicht mehr bewohnt war.
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Von etwa gleichem Alter ist das Haus B A R T E N S H A G E N I Kr. Bad Doberan. 29 Zwar ist es nicht einwandfrei datiert, seinem Gefüge nach aber dürfte es im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts errichtet worden sein. Noch heute ist dieses Gebäude Haupthaus eines eindrucksvollen, für Nordmecklenburg typischen Gehöfts. Allerdings sind dessen Bauten offensichtlich nicht von gleichem Alter. Zu den ältesten zählen fraglos nur das Wohnhaus sowie eine Hallendielenscheune mit Stallabseite. Jünger — vermutlich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts errichtet — sind ein großes Schauer mit Mietwohnung, das später als Pferdestall genutzt wurde, ein Altenteilerkaten und das abseits gelegene Backhaus. Noch späterer Zeit entstammen offenbar das Bienenschauer, ein Holzstall sowie ein kleiner Katenstall. In der Zuordnung der einzelnen Bauten, deren Firste sämtlich noch mit den für die Rostocker Umgebung charakteristischen Fasthoekels (Abb. 8) behängt sind30, erinnert diese Anlage entfernt an die eines älteren Haufenhofes. Das Wohnhaus ist dreiständriges Kübbunghaus, was in seinem Außenbild überhaupt nicht in Erscheinung tritt. Erst ein Blick auf die Diele läßt die drei Ständerreihen des Gerüsts, überdies die schon geringere Stärke der verzimmerten kiefernen Hölzer sowie die Aufkämmung der Rähme deutlich erkennen. Der Sicherung gegen Schub dienen in erster Linie Langstreben. Kopfbänder sind wiederum nur oberhalb der Diele sowie zum Abfangen der an beiden Giebeln vorkragenden Halbwalme eingefügt. Bemerkenswert im Außenbild ist insbesondere das „eingezogene" Tor. Auf diese Weise entsteht vor ihm ein geschützter Vorraum, das Heckschmr. Diese Bezeichnung ist von einer hier früher vorhandenen besonderen Vorrichtung abzuleiten, einem halbhohen Lattentor (Heck), das bei geöffneten Dielentoren den Eingang zum Hause — vor allem für das Kleinvieh — sperrte. Dergleichen Heckschauer sind eine typisch nordmecklenburgische Erscheinung — sie sind dort an Hand des gegenwärtigen Bestandes sicher seit dem 17. Jahrhundert zu belegen. 31
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Aufgemessen am 1 7 . 6. 1 9 6 3 .
28
Radig 1 9 6 5 : 1 6 6 f f .
29
Aufgemessen am 1 3 . 9. 1 9 6 1 .
30
V g l . Folkers 1 9 2 5 b : n 8 f f .
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E i n H e c k wird u. a. heute noch in S a b o w K r . Grevesmühlen auf dem Hof L e n s c h o w benutzt. Schon die Dorfdarstellungen nördlich Rostock auf der Vicke-Schorler-Rolle des 1 6 . Jahrhunderts (Gehrig 1 9 3 9 ) lassen deutlich Hecks v o r den T o r e n der Bauernhäuser erkennen. II
Das ursprüngliche Raumbild kennzeichnet das Gebäude als jüngeres Durchgangshaus mit hoher Mittelküche. Daß es trotzdem noch lange Zeit Rauchhaus war, beweist die gleichmäßige Schwärzung des Gebälks. Die einzige Wohnstube mißt zwei Fach und ist in der breiteren Abseite gelegen. Auffallend hoch ist bereits die Zahl der Kammern, von besonderer Größe unter ihnen die Altenteilerkammer mit angebauter But^e. Die Verengung des vorderen Dielenendes durch den Pferdestall ist in nordmecklenburgischen Hallenhäusern häufig. Dergestalt vorspringende Stallungen deuten nahezu immer auf eine solche Nutzung. Die Umwandlungen des 19. Jahrhunderts betreffen wiederum in erster Linie den Wohnteil. Abgesehen von geringen Veränderungen an den Kammern ist die Abdrängung der Küche in die Abseite dabei der bedeutendste Vorgang. Im ursprünglichen Mittelküchenraum entsteht nunmehr eine zusätzliche Stube mit erhöhter Decke — bereits vorher war die Altenteilerkammer ebenfalls in eine Stube umgewandelt worden. Dem Wohnteil wird ein kleiner, dunkler Flur vorgeschaltet und damit der eigentliche Wohnbereich von der „Scheunendiele"32 streng geschieden. Jüngste Zutat schließlich ist der Windfang vor der Abseitenküche, der auch heute noch immer vor allem für Küchenarbeiten genutzt wird.33 Zu den Durchgangshäusern des frühen 19. Jahrhunderts zählt das Haus LÜTTEN KLEIN VIII Rostock-Stadt (Abb. g).34 Die Inschrift „ANNO 1803" in einem der linken Dielenständer datiert das Gebäude. Offensichtlich ist es der älteste Bau des heutigen Hofes, der außer ihm eine kleine Hallendielenscheune von 1842, einen im 20. Jahrhundert errichteten Stall sowie einen jüngeren Kartoffelkeller enthält. Das Außenbild des Wohnhauses zeigt einiges Ungewöhnliche. So besitzt der Vordergiebel, der wie der Hintergiebel mit Hilfe weit vorgezogener Rähme beträchtlich vorkragt, dem Tor zur Seite eine Fußgängertür. Dieser Doppelaufschluß der Diele wurde bislang nur noch zweimal angetroffen, und zwar in einem später veränderten Giebel des 18. Jahrhunderts in Lichtenhagen Kr. Bad Doberan sowie in einem Durchgangshaus aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Wiek Kr. Ribnitz-Damgarten (früheres Vorpommern).36 Im allgemeinen ist in den nordmecklenburgischen Hallenhäusern später einem der Torflügel eine Lütt Dör eingeschnitten, die es erlaubt, die Diele zu betreten, ohne die schweren Tore zu öffnen. Zum andern ist das Fachwerk der Außenwände des Lütten Kleiner Hauses in seiner Verzimmerung auffallend antiquiert. In ihm stehen — wie in Gebäuden des frühen 17. Jahrhunderts — die Ständer meist in Gebindeabstand. Auf diese Weise entstehen sehr langoblonge Wandtafeln. Das Gerüst ist trotz der mit rund 2,70 m keineswegs sehr großen Uberstände dreiständrig. Ihm sind beidseitig Kübbungen angefügt, deren Sparren — wie viel12
fach bereits seit dem Ende des 18. Jahrhunderts üblich — den Hauptsparren nicht mehr aufgeschoben, sondern den Balkenköpfen angelehnt sind.36 Die oberhalb der Diele verzimmerten Kopfbänder sind bereits kürzer als üblich gehalten. Ihre Aufgabe, die Sicherung gegen seitlichen Schub, übernehmen in Gebäuden des 19. Jahrhunderts in steigendem Maße die unter die freien Balkenenden gestellten Streben. Das ursprüngliche Raumbild ist das des jüngeren Durchgangshauses mit mittlerer Küche. Offenbar waren in ihr von Anfang an zwei Rauchherde anzutreffen. Sie deuten auf das Vorhandensein zweier heizbarer Stuben, einer Stube für den Bauern sowie einer weiteren für den Altenteiler. Die anschließende Entwicklung ist noch heute in zwei Stadien faßbar. Während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wird die Küche in die Abseite abgedrängt und damit auch hier wiederum ein aus drei Wohnräumen bestehendes Kammerfach gewonnen. Die neue Küche erhält wie üblich Seitenausgang. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erfolgt eine Weitung des Gebäudes, jedoch nicht — wie gewöhnlich — durch Verlängerung in Richtung des Firstes. Vielmehr werden der Wohnteil und der Kuhstall unter Teerpappeflachdächern zur Seite hin vergrößert. Die Küche gewinnt auf diese Weise das Aussehen eines schmalen Ganges. Der geweitete Kuhstall ermöglicht nunmehr auch hier den Übergang zur Queraufstellung des Viehs. Die Pferde werden aus dem Hause entfernt und in dem neuen Stallgebäude untergebracht. Diesen tiefgreifenden Umwandlungen gegenüber erscheinen einige jüngere Veränderungen — darunter das Vorschalten eines dunklen Flures vor dem Wohnteil — unwesentlich.37 Nur zwei Jahre jünger ist das Haus BABST III Kr. Wismar, vorausgesetzt, daß die in der oberen Hälfte der wohl ursprünglichen Küchenwand eingeritzte Jahreszahl tatsächlich die Errichtung des Hauses angibt.38 Sein Außenbild mit dem tiefen vorderen Walm — vor dem Tor befindet sich hier noch heute ein Heck — vor allem aber mit dem weit vorgekragten Hintergiebel ordnet es ohne Frage in die Bauformen dieser Zeit ein. Trotz der 3,40 m weiten Überstände ist das Gerüst zweiständrig. Zweifellos ist darin südwestlicher Einfluß zu sehen. Die gefährdeten freien Balkenenden werden durch lange Streben abgefangen. Sie geben gleichzeitig dem gesamten Gebäude so viel Querstreifigkeit, 32
In den Gehöftinventaren des 1 9 . Jahrhunderts wird die v o m Wohnteil durch eine W a n d abgetrennte Diele meist als „Scheunendiele" bezeichnet.
33
Gewährsmann: Bauer Trost.
34
Aufgemessen am 1 2 . 9. 1 9 6 1 .
35
D e n gleichen vorderen Aufschluß (eine T ü r neben dem
36
Baumgarten
37
Gewährsmann: Bauer P. Kloerß. G r ö ß e des Betliebes rund
38
Aufgemessen am 1 9 . 9. 1 9 6 3 .
T o r ) teilt Bomann 1 9 4 1 : 29 für die Lüneburger Heide mit.
1961a: 102.
20 ha. Zuletzt 2 — 3 Pferde sowie etwa 8 Milchkühe.
daß die Kopfbänder sehr kurz gehalten werden können. Sie sind sicherlich nur noch aus traditionellen Gründen dem Ständerwerk eingefügt. Ein weiteres südwestliches Element ist in der Zweiteilung des Gerüsts zu sehen. Vom Wohnteil ab sind die Ständer um rund 0,50 m erhöht. Mit anderen Worten: im Wirtschaftsteil ist das Gerüst eineinhalbgeschossig, im Wohnteil zweigeschossig. Auf diese Weise werden über den Abseiten, die infolge der großen Überstände nahezu die Breite der Diele erreichen, begehbare Oberräume gewonnen. Das ursprüngliche Raumbild ist nicht ganz eindeutig. Offenbar aber liegt auch ihm das eines Durchgangshauses mit Mittelküche und seitlich verschobener rückwärtiger Fußgängertür zugrunde. Vermutlich waren hier ebenfalls von Anfang an bereits zwei Rauchherde vorhanden, so daß der Küche zur Seite sich zwei Stuben befanden, darunter eine vergrößerte, um einen Ausgang zur Diele zu gewinnen. Von beiden war fraglos die größere der frühere bäuerliche Wohnraum. Außer mehreren Kammern — eine davon eine schmale Backelkamer — waren in der etwas breiteren Abseite die Pferde, in der gegenüberliegenden die Kühe untergebracht. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts gewinnt das Raumbild sein heutiges Gesicht. Wieder steht zunächst die Abdrängung der Küche im Mittelpunkt. Daneben wird eine zweite schmale Küche für die Altenteilerwohnung geschaffen, die nun nicht mehr in direkter Verbindung mit der Diele steht. Veränderungen an den Kammern treten hinzu. Eine Leutestube entsteht, die zur Aufbewahrung der Winterkartoffeln unterkellert wird. Überdies werden unter Schleppdächern am hinteren Giebel Erweiterungen des Wohnteiles, durch halbseitiges Vorschieben des vorderen Giebels eine Vergrößerung des Pferdestalles gewonnen. Der Kuhstall im Hause wird aufgegeben, das Rindvieh nunmehr in einem Stall außerhalb des Hauses untergebracht. In dieser Ausbildung ist das Haus zur Zeit noch teilbewohnt.39 a st Völlig aus dem Rahmen der bislang dargestellten 1 1 Gebäude fällt das Haus W E N D I S C H H A G E N V I Kr. Malchin (Abb. io). 40 Das ist sozialgeschichtlich begründet: Wendischhagen war früher reines Bauerndorf inmitten eines der größten ritterschaftlichen Gutsbezirke Mecklenburgs. 41 Dorthin wurden im 19. Jahrhundert einige der innerhalb dieses Besitztums noch nicht gelegten Bauern umgesetzt. Für sie wurden neue Gebäude geschaffen, Häuser, die jedoch nicht mehr entsprechend überlieferter volkstümlicher Vorstellung, sondern offensichtlich nach der Idee eines bereits schulmäßig ausgebildeten Baumeisters projektiert waren. Sie gehören damit fraglos jenen „akademischen" Lösungen für ländliche Bauten an, wie sie zu einem Teil gerade für die Zeit um 1800 bezeichnend sind.42 Das mit steilen Giebeln ausgestattete Haus Wendischhagen V I ist baulich betrachtet ein Konglomerat wesensverschiedener Elemente. Der Wirtschaftsteil besteht aus
einem vierständrigen Gerüst mit beidseitig angeschleppten Kübbungen. 43 Auffallend schmal ist seine Längsdiele — sie mißt mit einer Breite von rund 3,15 m kaum die Hälfte der rechten Abseite. Bemerkenswert ist der über der Diele verzimmerte Spannriegel. E r ist in mecklenburgischen Hallenhäusern nur sehr selten anzutreffen. Bekannt ist er zur Zeit lediglich aus wenigen Bauernhäusern in Plauerhagen Kr. Lübz (Abb. 4), Nedderhagen Kr. Grevesmühlen(vgl.Nr. 42) und Wöbbelin Krs. Ludwigslust sowie aus dem alten Dorfkrug in Petschow Kr. Rostock (Abb. 6)44, während er für Großscheunen seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert geradezu typisch ist.45 Das Dachwerk des Wirtschaftsteiles zeigt unverkennbar mitteldeutsche Merkmale. Dazu rechnet in erster Linie der doppelt stehende Stuhl, in gewissem Sinne auch die enge Sparrenlage, wenn auch diese weitgehend durch das schwere Kronendach aus Biberschwänzen erzwungen wurde, was wiederum — auf Grund der in Mecklenburg traditionellen Fußung der Sparren — das Einbinden mehrerer Felderbalken notwendig machte. Der dem Wirtschaftsteil gegenüber um die Kübbungen schlankere Wohnteil ist zweifluchtig aufgeteilt. Um trotz der nur eineinhalbgeschossigen Wände ein voll nutzbares Obergeschoß zu gewinnen, wurden dessen Decken um etwa 0,50 m höher eingezogen und die eigentlichen Dachbalken als Stichbalken in zwei zusätzliche Ständerreihen des Oberraumes bzw. in die dazwischen gespannten Wechsel eingezapft. Auch hier ist dem Dachwerk ein Stuhl eingefügt, im Gegensatz zum Wirtschaftsteil jedoch lediglich ein einfach stehender. Wie im Gefüge heben sich auch im Raumbild beide Gebäudeteile des den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts entstammenden Hauses46 deutlich voneinander ab. In seiner Längsausrichtung ist der Wirtschaftsteil niederdeutsch. Außer der seitlich etwas verschobenen Mitteldiele sind in ihm vor allem Stallungen untergebracht. Ein kleiner dunkler Flur sowie wenige Kammern unterschiedlicher Nutzung bilden den Übergang zum Wohnteil. Dieser ist in seinem betonten Queraufschluß und seiner raummäßigen Querteilung unverkennbar mitteldeutsch. E r besteht aus einer FlurKüchen-Zone — die Küche war niemals Rauchküche — 39
40
41
42 43
44 45 48
Gewährsmann: Bauer Rehmann. Größe des Betriebes etwa 50 ha. Zuletzt 5 Pferde sowie 20 Milchkühe. Aufgemessen am 18. 6. 1963. Literatur zu Wendischhagen I V : Folkers 1 9 2 5 b : 101/102 (Abb. 2 u. 3). Das Dorf Wendischhagen gehörte zunächst zum Besitz der gräflichen Familie Hahn, von der der Volksmund behauptete, sie besäße 99 Dörfer. Vgl. Pries 1930: 48. Der größte Bau dieser Art in Mecklenburg (vierständrig mit beidseitigen Kübbungen) war ursprünglich der Dorfkrug in Petschow K r . Rostock. Dazu Folkers 1 9 2 5 b : 1 1 3 . Folkers 1 9 6 1 : 39. Baumgarten 1 9 6 1 a : 166 ff. Ein weiteres Haus gleicher Bauart in Wendischhagen ist sicher auf 1825 datiert.
13
sowie aus einer Stuben- und einer Kammerzone. Typologisch gesehen entstand somit das Haus Wendischhagen V I aus dem Zusammenbau eines niederdeutsch geprägten Wirtschaftsteils und eines mitteldeutsch geformten Wohnteils. Das Gehöft ist ein offener Dreiseithof. Im Gegensatz zu dem in östlichen und nördlichen Bauerndörfern Mecklenburgs seit der Mitte des 19. Jahrhunderts häufigen „Gutshoftyp" 47 begrenzt in Wendischhagen das gieblich gelegene Wohngebäude die rechte Seite des oblongen Hofraumes. Ihm gegenüber befindet sich eine queraufgeschlossene Scheune, während die Rückseite des Gehöftes von einem ebenfalls queraufgeschlossenen Stall eingenommen wird. In solcher Ausbildung entspricht die Anlage fraglos den für das südöstliche Mecklenburg charakteristischen mitteldeutsch geprägten Gehöftformen. 48 Dem 19. Jahrhundert gehört ebenfalls das Haus L Ü T T E N K L E I N II Rostock-Stadt an.49 Seinem Gefüge nach wird es noch in dessen erster Hälfte errichtet worden sein. Auch dieses Gebäude hat in seinem Außenbild etwas Ungewöhnliches — es ist „schiefhüftig", d. h. seine rechte Seite ist wesentlich höher als die linke. Damit zählt es zu jener Gruppe von Hallenhäusern, die als „Dreiständer" (Abb. 5) jahrzehntelang das besondere Interesse der Forschung fanden.60 Ihr inselartiges Auftreten in zwei engumgrenzten Bereichen Mecklenburgs — im Gebiet zwischen Rostock und Doberan 51 sowie in der Umgebung der kleinen Stadt Schönberg — ist ohne Zweifel auffällig. Doch erwiesen sich alle bisher daran geknüpften Hypothesen als nicht stichhaltig52, wenn auch andererseits eine befriedigende Erklärung dieser Erscheinung noch immer nicht gelungen ist. Seinem Außenbild entsprechend besitzt das Haus Lütten Klein II ein mehrständriges Gerüst. Bis zum dritten Gebind ist es dreiständrig, daran anschließend sogar vierständrig. Diese mehrfache Trägerung der Dachbalken gestattete ohne Schwierigkeit eine beträchtliche Verengung der Diele. Sie ist mit rund 3,80 m von geringerer Breite als die „hohe" Abseite. Trotzdem war es immerhin noch möglich — wie der Besitzer zu berichten wußte —, auf ihr in traditioneller Weise eine Hochzeit zu feiern. Nicht nur im Längsverband, sondern auch im Querverband dieses Hauses sind ausschließlich als Schubsicherung Langstreben verwendet, Kopfbänder oberhalb der Diele nicht mehr verzimmert. Diesem jungen Ständerwerk gegenüber erscheint das Aufschieben der Abseitensparren um so antiquierter. Bemerkenswert im Dachverband ist weiter die Überblattung von Kehlbalken und Dachstützen. Sie bekundet, daß der den Bau ausführende Zimmermann die ihm durch die Dachstützen gebotene Möglichkeit, die störenden Kehlbalken sehr hoch einfügen zu können, nicht zu nutzen wußte. Die Deutung des ursprünglichen Raumbildes wird durch spätere Veränderungen beträchtlich erschwert. 14
Dennoch ist an der Zugehörigkeit dieses Gebäudes zur Form des Durchgangshauses jüngerer Prägung kein Zweifel. Dabei ist die ältere Küche fraglos in dem schmalen, zunächst noch hohen Flur entlang der verbreiterten Stube zu suchen.53 Aus diesem gangartigen Raum führten zwei Türen ins Freie, die eine, wie üblich, aus dem rückwärtigen Giebel, die andere — wie im Hause Barnstorf II — aus einem seitlichen Flur in den Hausgarten. Da das Gebälk nirgends Spuren einer Schwärzung zeigt, wird die Küche von Anfang an einen — noch offenen — Herd mit Schornstein, einen „Herd mit Glocke", besessen haben. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts finden tiefgreifende Umwandlungen des Raumbildes statt. Wiederum ist darunter als erstes die Verlegung der Küche zu nennen. Sie befindet sich von jetzt ab in dem ursprünglichen Seitenflur, dessen Außentür gleichzeitig geschlossen wird. Dafür entsteht ein neuer Seitenausgang, nunmehr jedoch zum Hofe hin. Eine solche Verbindung war erforderlich geworden, da überdies das Gebäude um einen dreiteiligen Stubentrakt verlängert wurde und damit die rückwärtige Tür aufgegeben werden mußte. Schließlich wird der niedrige Bodenraum oberhalb des Wohnteiles durch eine Hilfskonstruktion soweit aufgehöht, daß er jetzt ohne Schwierigkeit wirtschaftlich nutzbar ist. Unsicher bleibt, ob das Hinausschieben der Kuhstallwand und damit verbunden die Wendung der Viehaufstellung auch bereits zu diesem Zeitpunkt geschah — möglicherweise ist dieser Vorgang noch jüngeren Datums. Das Haus Lütten Klein II ist das Haupthaus einer viergebäudigen Hofanlage. Außer ihm gehören dazu eine Kübbungdielenscheune aus dem Beginn des 18. Jahrhunderts54 — die letzte ihrer Art in der Rostocker Umgebung —, ein Backhaus aus dem 19. Jahrhundert sowie ein Schweinestall aus dem 20. Jahrhundert. Entsprechend der Lage der Gebäude zueinander ist das Gehöft heute ein ausgesprochener Haufenhof. Im Ausgang des 18. Jahrhunderts jedoch war die Anlage noch von erheblich anderem Aussehen. Nach Aussagen alter Karten bestand sie damals nur aus einem durch das heutige Wohngebäude ersetzten Hallenhaus und der Kübbungdielenscheune, die beide radial auf den zen47
V g l . Baumgarten 1965 c : 61 ff.
48
V g l . Baumgarten 1 9 6 5 c : Ö9ff.
49
Aufgemessen am 19. 7. 1 9 6 1 . Literatur zu Lütten Klein I I :
50
Folkers 1 9 2 5 b : i i 4 f f .
51
Folkers bezeichnete dieses Gebiet als „ D o b e r a n e r
Baumgarten 1 9 6 7 . Drei-
e c k " (Folkers 1 9 2 5 b : 1 1 5 ) . 52
Baumgarten
1 9 5 6 . Dreiständer wurden von der älteren
mecklenburgischen Forschung als Hinweis auf die Herkunft
der mittelalterlichen
Siedler
gesehen
(vgl.
u. a.
Folkers 1 9 2 5 b : i i 4 f f . ) . 53
D e r derzeitige Besitzer wußte sich noch zu erinnern, daß sein V a t e r ihm wiederholt gesagt habe, die K ü c h e habe ursprünglich im Flur gelegen.
54
Z u m Begriff „Kübbungdielenscheune" vgl. 1 9 6 1 a: 1 0 3 / 1 0 4 .
Baumgarten
tralen Platz des rundlingsartigen Dorfes ausgerichtet waren. Das altartige Bild des Hofes Lütten Klein II ist somit nicht ursprünglich, sondern erst das Ergebnis jüngerer Umwandlung. 55
B
Um 1840 entstanden im Zuge der Separation auf der Feldmark des Dorfes PUSTOHL Kr. Bützow eine Reihe „Abbauten". Als Wohngebäude wurden für sie noch ausschließlich Hallenhäuser errichtet. Eines davon befindet sich noch heute auf dem Hof Kopplow. 56 Ähnlich dem Haus Wendischhagen V I ist das Gebäude dieses Hofes in seinem Aufbau uneinheitlich. Waren jedoch dort wesensverschiedene Elemente miteinander vereint, treten hier nebeneinander zeitverschiedene Merkmale auf. So entspricht das Raumbild des Pustohler Hauses weitgehend noch dem des rund 70 Jahre älteren Hauses Warnow III — es ist Durchgangshaus mit mittlerer, verengter Küche, so daß die Stube direkten Zugang zur Diele besitzt. Da der Wohnteil dem Wirtschaftsteil an Größe kaum nachsteht, wurde der Herdraum zu einem verhältnismäßig langen und schmalen Gang, aus dem — wie üblich — eine rückwärtige Tür ins Freie führt. Außer dieser Mittelküche aber besaß das Gebäude von Anfang an als jüngere Erscheinung eine kleine Abseitenküche für den Altenteiler.67 In solchem Nebeneinander zweier Küchen wird eine interessante Entwicklung in der Wohnsitte greifbar: die vollkommene Trennung der bäuerlichen Familie nach Generationen. Gebäude des 17. und 18. Jahrhunderts mit nur einer einzigen Herdstelle bezeichnen das älteste Stadium. Um 1800 erscheinen überwiegend bereits zwei Herde, beide aber befinden sich noch in dem gleichen Raum. Das Ende dieses Weges dokumentiert unter anderem das Haus Rühn-Pustohl mit dem Auftreten zweier selbständiger Küchen. Damit war jetzt die Möglichkeit gewonnen, — wenn erwünscht — alt und jung vollkommen voneinander zu scheiden. Auch das Gefüge besitzt neben älteren Eigenarten jüngere Konstruktionsmerkmale. So ist das Gerüst trotz der mit 3,10 m relativ langen Überstände wie in älteren Gebäuden noch zweiständrig. Die freien Balkenenden werden durch kurze Streben und kleine Stützhölzer abgefangen. Andererseits sind Kopfbänder oberhalb der Diele nicht mehr vorhanden, und das Gerüst ist — jüngerer Gepflogenheit entsprechend — zweiteilig. Vom Wohnteil ab sind die Ständer um nahezu 1,00 m erhöht. Vor allem aber zeigt das Dachwerk ein charakteristisches junges Merkmal: die ungeteilt vom First bis zur Außenwand hinablaufenden Sparren — es sind weder angelehnte noch aufgeschobene Abseitensparren vorhanden.58 Schließlich ist selbst das Außenbild in gewisser Hinsicht uneinheitlich. Wohl sind beide Giebel nur bis zur Balkenlage abgewalmt. Während jedoch der vordere Giebel in älterer Weise als Geschoßbau errichtet ist, wurde der rückwärtige in der jüngeren Form des Stockwerkbaues abgezimmert. Hingewiesen sei überdies auf
die unterschiedliche Fußung der Walmsparren an beiden Giebeln — vorne auf einer Walmschwelle, hinten auf Stichbalken. In der Unausgeglichenheit seines Raumbildes, seines Gefüges und seiner Außenerscheinung bezeichnet das Rühn-Pustohler Haus eine Wende: es zählt zu den letzten Bauten im Traditionsbereich des Durchgangshauses. Größere Veränderungen hat das Gebäude in der Folgezeit kaum noch erlebt. Lediglich der Kuhstall wurde in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts beträchtlich nach außen hin erweitert. Da das wiederum mit Hilfe eines Teerpappeflachdaches geschah, ist seitdem das Erscheinungsbild des Hauses auch hier stark beeinträchtigt (Abb. 13). 59
M
Etwa der gleichen Zeit entstammt das Haus des Hofes Taschenbreker in L Ü D E R S T O R F Kr. Wismar (Abb. 14).60 Durch eine Inschrift auf dem linken Torständer ist es sicher auf das Jahr 1848 datiert. Noch vor wenigen Jahren war dieses Gebäude Haupthaus eines größeren Hofes. Heute fehlen von dessen ursprünglichen Bauten bereits das Backhaus sowie ein 1695 errichteter Altenteilerkaten.61 Erhalten blieben außer dem Wohngebäude eine jüngere Hallendielenscheune, ein queraufgeschlossener Stall sowie ein 1861 angelegter Kartoffelkeller, eine aus gespaltenen Granitblöcken und -pfeilern gefügte, kryptaähnliche, von einer offenen Dachhütte überdeckte Anlage. Das Haus steht in Außenbild und Gefüge noch fest in der Tradition dieses Bereiches. Dabei läßt unter anderem sein tiefer Walm am vorderen Giebel zunächst fraglos auf ein höheres Alter schließen. Auch mehrere natürlich gekrümmte Langstreben in den Außenwänden und im Ständerwerk mögen eine solche Vermutung unterstützen. Doch ist dazu zu sagen, daß derartige Winkelhölzer in Mecklenburg im allgemeinen relativ spät auftreten. Man findet sie selten vor dem ausgehenden 18. Jahrhundert. Das Gerüst ist wiederum zweiständrig. Verhältnismäßig flach geneigte Langstreben fangen den
56
56
67
58 59
80 61
Gewährsmann: Bauer H. Kloerß. Größe des Betriebes rund 20 ha. Zuletzt 3 Pferde und 10 Milchkühe. Aufgemessen am 4. 9. 1963. Gehöftinventar: S T A Schwerin Rep. 92 c Nr. 1563. Auch Altenteilerkaten besitzen z.T. ähnlichunterschiedliche Küchen — die Hauptküche als Mittelküche, die Nebenküche als Abseitenküche. Beispiele dafür bei Folkers 1 9 6 1 : Taf. 32 u. 37. Baumgarten 1 9 6 1 a : 102. Gewährsmann: Bauer Kopplow. Größe des Betriebes rund 28 ha, davon 20 ha Ackerland. Zuletzt 4 Pferde und ungefähr 20 Stück Rindvieh (darunter etwa 1 2 Milchkühe). Aufgemessen am 20. 9. 1961. Von diesem Altenteilerkaten hatte die Besitzerin des Hofes einzig den Inschriftbalken bewahrt, bewies er doch, daß bereits am Ende des 17. Jahrhunderts der Hof im Besitz der Familie Taschenbreker gewesen war.
15
Druck der auffallend asymmetrischen Überstände62 (links rund 3,20 m, rechts etwa 2,50 m) ab. Mit seinen Dachstützen und den angelehnten Abseitensparren erinnert das Dachwerk an ähnliche Konstruktionen um 1800. Selbst die kurzen Kopfbänder oberhalb der Diele entsprechen dieser Zeit. Im Raumbild des Hauses aber ist ein bezeichnender Bruch vollzogen: das Gebäude ist nicht mehr Durchgangshaus — die Diele endet im Haus. Hinzu tritt eine weitere Besonderheit. Im Nebeneinander von Küche und Stube ist zwischen Kammerfach und Diele ein bislang unbekannter zweischiffiger Trakt eingeschoben. Diese jüngere Abwandlung des Raumbildes, die sich trotz nachträglicher Veränderungen auch in dem bereits elf Jahre zuvor erbauten Haus des Hofes Voigt in Nantrow Kr. Wismar noch eindeutig herausschälen läßt, hat in der Folgezeit keine größere Verbreitung mehr gefunden, was nicht verwundert, wenn man bedenkt, daß Hallenhäuser innerhalb dieses Bereiches seit der Mitte des 19. Jahrhunderts kaum noch errichtet wurden. Nachdem gegen Ende des 19. Jahrhunderts dem vorderen Giebel linksseitig ein kleiner Ut/mbtstall vorgesetzt war, wurde 1921 das Kammerfach gänzlichabgerissen und von Grund auf erneuert. Der nunmehr rund 2,50 m längere Wohnteil ist seitdem vielräumig aufgeteilt, durch einen Querflur von der Küche, die vermutlich zu Beginn noch kurze Zeit mit Rauchherd ausgestattet gewesen war, geschieden und mit einem besonderen Eingang versehen. Bereits äußerlich hebt sich dieser neue Teil des Hauses von dem älteren auffällig ab, und das nicht nur durch seine massiven Wände. Vor allem seine Maßverhältnisse befriedigen nicht. Mit beträchtlich erhöhten Seiten und dem flachgeneigten Hartdach entspricht es in keiner Weise den Proportionen des Altbaues.63 Durchgangshäuser gibt es in Mecklenburg aber keineswegs nur unter den eigentlichen Bauernhäusern. Sie finden sich in oft sehr ähnlichen Ausbildungen auch unter den Häusern der Büdner84 (Abb. 15—16) sowie den Katen der Altenteiler und Landarbeiter (Abb. 18). Eines dieser kleinen Durchgangshäuser ist der Katen auf dem Hof Wessel in V Ö L K S H A G E N Kr. Ribnitz-Damgarten.65 Sein Raumbild wird wesentlich durch die in ihm enthaltenen zwei Wohnungen bestimmt — er ist demnach „zweihieschig". 66 Beide Wohnungen, deren Decken nach außen hin geringfügig abfallen, befinden sich in den Kübbungen. Jede von ihnen besteht aus einer zweifachigen Stube und zwei einfachigen Kammern, einer Stubenkamer — sie hat direkte Verbindung zur Stube — und einer Butenkamer (Außenkammer), — sie ist lediglich über die Diele zu erreichen. Überdies ist für beide Wohnungen in den Vorderkübbungen jeweils ein Stall nachzuweisen. Die Diele ist echte Durchgangsdiele. Sie reicht von Giebel zu Giebel und wird vorne durch ein Tor, hinten durch eine Tür aufgeschlossen. Auf ihr stehen — jeweils an der Stubenwand — einander zwei 16
Rauchherde gegenüber. Ein besonderer Küchenraum ist in diesem Katen noch nicht abgetrennt. Das Gerüst ist zweiständrig. Die über 2,00 m messenden Überstände der aufgekämmten Balken werden durch lange Kopfbänder abgefangen, während oberhalb der Diele Kopfbänder bereits fehlen. Daneben treten als Sicherung gegen Längsschub auch Langstreben auf. Das Dachwerk ist Kehlbalkensparrendach mit aufgeschobenen Abseitensparren. Das an seinem vorderen Giebel tief abgewalmte Gebäude ist nicht datiert. Auf Grund seiner Gefügeeigenarten dürfte es gegen Ende des 18. Jahrhunderts errichtet worden sein. Zur Zeit der Aufnahme war es bereits nicht mehr bewohnt und diente nur noch als Wagenschauer und Abstellraum. Zweihieschig ist auch der Katen des Hofes II in S T Ä B E L O W Kr. Rostock (Abb. 1 7 ) 6 7 , doch gehört er schon seinem Außenbild nach zu einer anderen Gefügeform als der Völkshägener Katen. Er ist „schiefhüftig", d. h. er zählt — wie das Haus Lütten Klein II — zu jenen Bauten, die in der hauskundlichen Forschung gemeinhin als Dreiständer bezeichnet werden. Dementsprechend besteht sein Gerüst aus drei Reihen Ständer, dessen nur etwa 1,50 m oberhalb der Kübbung überstehende Balken durch kurze Streben gegen die Einzüge abgestützt werden. Als Winkelhölzer sind sowohl Kopfbänder als auch Langstreben verzimmert, doch fehlen auch hier entlang der Diele die in älteren Bauernhäusern quer zum First üblichen Kopfbänder. Das rauchgeschwärzte Dachwerk zeigt bereits angelehnte Abseitensparren. Bemerkenswert ist darin die unterschiedliche Ausbildung der beiden tiefen Walme. Während im rechten Giebel die „Kühlsparren" durchlaufen, sind sie im linken unterteilt. Von beiden Formen ist die erstere die in Mecklenburg, die letztere die auf der Insel Rügen traditionelle Gestaltung der tiefen Walme. Von besonderem Interesse ist auch das Raumbild des Stäbelower Katens. Wie der Grundriß eindeutig ausweist, besteht das Gebäude im Grunde aus zwei selbständigen, mit dem Rücken aneinander gefügten kleinen Hallenhäusern. Der Volksmund pflegt dergleichen Bauten als Tweipott zu bezeichnen.68 In jedem dieser Teilkaten ist eine Wohnung enthalten; sie umfaßt jeweils in der Hochseite Küche, Stube und Stubenkamer, in der tiefen Seite die Butenkamer sowie zwei Stallräume. 62
63 64
65 66
Asymmetrische Überstände sind insbesondere für die kleinen Hallenhäuser der Insel Rügen bezeichnend. Vgl. Baumgarten 1959: 80. Gewährsperson: Frau Taschenbreker. Als „Büdner" wurden in Mecklenburg Kleinbauern bezeichnet, deren Besitz im allgemeinen etwa 5 ha umfaßte. Aufgemessen am 15. 6. 1961. Als „Hiesch" wurde in Mecklenburg früher die einzelne Landarbeiterwohnung bezeichnet. Vgl. Baumgarten 1967 b:
" Aufgemessen am 13.10. 1961.
68
Vgl. Baumgarten 1967b: 53, vor allem Anm. 56.
Das Alter des Katens ist nicht bekannt, wahrscheinlich ist er kurz nach 1800 errichtet. Später — vermutlich zu Beginn des 20. Jahrhunderts — wurden gewisse Veränderungen an ihm vorgenommen. Sie betrafen vor allem die Verkleinerung der Küchen in beiden Wohnungen sowie das massive Unterfangen der Hochseite des linken Teilkatens. 4 1-7 Der Katen des Hofes I in B A R T E N S H A G E N Kr. 1 / Bad Doberan steht seiner Eigenart nach zwischen den beiden zuvor beschriebenen.69 Auch er ist Dreiständer — seine Hochseite schaut bezeichnenderweise auf das Haupthaus des Gehöfts. Andererseits aber ist er nicht ein Doppelbau, nicht ein Tweipott, sondern ein Einzelgebäude, indem sich beiderseits der Diele jeweils eine Wohnung befindet. Er ist demnach ebenfalls zweihieschig. Zwar ist der Katen selbst heute noch Rauchhaus, seine beiden Herde aber sind von Anfang an bereits in seitlich gelegene Küchen abgedrängt. Als eigentliche Wohnräume standen im rückwärtigen Hausteil verbrei-
terte Stuben — zwischen ihnen ist die Diele zu einem abgetrennten Flur verengt — sowie ursprünglich jeweils nur noch eine Butenkamer zur Verfügung. Erst später dürfte von den zu jeder Wohnung gehörenden beiden Stallungen ein weiterer Raum als Kammer genutzt worden sein, was die Errichtung eines kleinen zusätzlichen Stallgebäudes vor dem Katen erforderlich machte. Das Gerüst dieses Katens zeigt nichts Bemerkenswertes. Es ist dreiständrig und gegen jeglichen Schub nur durch Streben abgesichert. Für diese wurden in den Außenwänden natürlich gekrümmte Hölzer verwendet. Lediglich unter der Vorkragung des hinteren halben Walms erscheinen Kopfbänder zur Abstützung der überstehenden Rähme. Auch dieses Gebäude ist nicht datiert, sein Gefüge und sein Raumbild deuten jedoch auf eine Errichtung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
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Aufgemessen am 1 4 . 9. 1 9 6 1 .
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-o c uO lkers 1930: 1 1 3 . Unter den Kammern im Oberstock erscheinen jetzt im allgemeinen auch die Mägdekammern. Zuvor lagen sie — gemeinsam mit den Knechtekammern — an der Diele, wohin sie in den jüngsten Hallenhäusern des Nordwestens — infolge der bewußten Archaisierung dieser Bauten — wieder zurückverlegt wurden (vgl. Baumgarten 1968/69:
17).
68 69
Lühning 1966: 249. Brunne 1961.
153
geschnitten und den Einzügen aufgestellt, ein Verfahren das nicht selten die Stabilität des Gefüges erheblich beeinträchtigte. Trotz solcher Umgestaltung aber blieb, insbesondere hier, der Deepstall teilweise bis heute bewahrt. Vor allem im nördlichen Mecklenburg, im Bereich des Durchgangshauses, treffen wir schließlich — etwa seit Beginn des 20. Jahrhunderts — noch auf eine weitere Veränderung des Stallraumes. Auch nach Schließen der Stallungen war hier die ursprüngliche Längsaufstellung des Viehs beibehalten worden. Noch immer wendeten die Tiere ihre Köpfe dem Gebäudeinnern zu. Jetzt aber wünschte man sie vielerorts in Querreihen nebeneinan-
der — die einzelnen Reihen jeweils durch besondere Futtergänge voneinander getrennt. Für eine solche Umstellung reichten jedoch selbst die hier an sich recht breiten Abseiten nicht aus. Da aber andererseits eine weitere Verengung der Dielen im Durchgangshaus nicht mehr angängig war — ihre Abmessungen hätten dann meist unter 3,00 m gelegen —, blieb nur ein Vorschieben der Stallwände nach außen hin, was zu dieser Zeit bereits keinerlei Schwierigkeit machte, weil jetzt in der Teerpappe ein Material zur Verfügung stand, das sehr flach angeschleppte Dächer ermöglichte. Und so blieben hier bis etwa 1930 nur wenige ältere Hallenhäuser vor einer Verschandelung ihres Außenbildes durch mehr oder minder große Flachdachanbauten bewahrt (Abb. 13).
Das Gerüst1 Das mecklenburgische Hallenhaus ist ein Gerüstbau. Seine Eigenart wird weitgehend durch ein in seinem Innern befindliches, dachtragendes Ständerwerk geprägt. Dieses wiederum steht zu dem von der fortschreitenden Wohnweise her beeinflußten Raumbild in enger Beziehung. So ist auch das Gerüst in seiner Gestaltung nichts Starres. Wandlungen des Raumbildes, aber auch gewisse Eigenentwicklungen des Gefüges bestimmen die Abfolge seiner Formen im Verlauf der Jahrhunderte. Über das Gerüst der mittelalterlichen Hallenhäuser in Mecklenburg ist noch immer verhältnismäßig wenig bekannt. Die bisher durchgeführten Ausgrabungen lassen eindeutige Schlüsse in dieser Richtung noch nicht zu. Zwar scheint für den Wirtschaftsteil des Rammer Hauses ein inneres Pfostenwerk einwandfrei belegt — die Befunde in Lüttenhagen und Hungerstorf sagen selbst darüber nichts —, doch ist schon die von Franz Engel für dieses Gebäude angenommene Fachtiefe von etwa 2,00 m keineswegs sicher erwiesen.2 Sie wird wahrscheinlich sogar etwa 3,00 m betragen haben. Uber die Eigenart des Gefüges ist verständlicherweise Ausgrabungen selten etwas zu entnehmen. Hinweise darauf sind weit eher in den Verzimmerungen der ältesten auf uns gekommenen Gebäude aufzufinden. Für Mecklenburg scheinen sich darin für das spätmittelalterliche Gefüge zumindest zwei unterschiedliche Formen abzuzeichnen. Es sind dies im größten Teil des Landes — ausgewiesen durch die hier übliche Holmbindung der Ständerwerke und deren Kopfbänder zwischen Ständer und Rähm — ein ausgesprochen l ä n g s o r i e n t i e r t e s sowie vornehmlich im Nordwesten — angedeutet durch die dort gebräuchliche Verriegelung der Gerüste und deren Schwertungen zwischen den Ständern — ein ausgesprochen q u e r o r i e n t i e r t e s Gefüge. Dabei ist das erstere vermutlich als Unterrähmzimmerung mit aufgekämmten Ankerbalken, das letztere — wie für den Lüneburger Bereich nachgewiesen3 — als Uberrähmzimmerung zu sehen. Sinnfällig werden deren Unterschiede insbesondere beim
154
Aufrichten der Gerüste. In ersteren werden die Ständer reihenweise, in letzteren jochweise aufgestellt. Selbst die Übernahme des Dachbalkens im Verlaufe des 16. Jahrhunderts hob diese Unterschiede nicht vollständig auf. Sie sind noch heute in Gebäuden aus derZeit um 1600 unschwer zu erkennen. Wenige Jahrzehnte später erscheint ein weiteres, bis dahin in Mecklenburg unbekanntes Gefüge. Wir bezeichnen diese drei für das mecklenburgische Hallenhaus jener frühen Zeit charakteristischen Konstruktionen als das m e c k l e n b u r g i s c h e , das R a t z e b u r g e r und das B o i z e n b u r g e r Gefüge. Von ihnen wurde im wesentlichen das erstere Grundlage für die weitere Entwicklung der Gerüste. Bezeichnend für das mecklenburgische Gefüge des frühen 17. Jahrhunderts ist ein aus zwei Ständerreihen erstelltes Gerüst mit aufgelegten, beidseitig nur etwa 0,50 m bis 0,80 m überstehenden Dachbalken — lediglich das Gerüst einer Reihe älterer Kossatengebäude ist zu dieser Zeit bereits dreiständrig. Der Längsbindung dienen ausschließlich Rähme und Holme. Gegen Schub ist das Ständerwerk einzig durch Kopfbänder abgesichert die zu dieser Zeit noch vielfach Ständern, Balken und Rähmen angeblattet sind. Dabei ist der einzelne Ständerkopf im allgemeinen nur einmal, und zwar oberhalb der Diele, durch eine Schrägstütt abgestrebt. Der Überstand bleibt stets ohne Stütze. In Firstrichtung sind Kopfbügen meist in jedem dritten, seltener in jedem zweiten Fach verzimmert. Die hiervon abweichenden Konstruktionselemente des Ratzeburger Gefüges wurden bereits genannt. Es sind dies die Verriegelung sowie die Schrägschwertung der Ständerreihen. Von diesen wurden die Schrägschwer1
Die Details der Verzimmerung werden hier nicht behandelt. Sie fanden bereits in Baumgarten 1 9 6 1 a ausführlich Darstellung.
2
Engel 1940: 1 2 5 .
3
Eitzen 1 9 5 4 : 6 j f f . ; ders. 1 9 5 3 : 4 3 f f .
tungen in der Folgezeit von besonderer Bedeutung. Nachdem sie schon im frühen 17. Jahrhundert in Grundstreben umgewandelt waren4, wurden sie um 1700 in das übrige Mecklenburg übernommen und wenig später — etwa um 1750 — zu Langstreben weiterentwickelt. In dieser Form erscheinen sie fortab zunächst in der Längssicherung, anschließend — vor allem im 19. Jahrhundert — auch in der Quersicherung der Gerüste, d. h. sie ersetzen zunehmend die hier bis dahin üblichen Kopfbänder. Die Ursache für diese Ablösung nennt der Landbaumeister Ernst Christian August Behrens, wenn er letzteren nachsagt, sie suchten stets die Ständer herauszudrängen und zu zerbrechen.5 Das Boizenburger Gefüge, das offenbar zu Beginn des 17. Jahrhunderts aus dem linkselbischen Hallenhausgebiet übertragen wurde, blieb demgegenüber auf die jüngere Entwicklung des Ständerwerks ohne jeden Einfluß. Ein Jahrhundert später — in den ersten Jahrzehnten nach 1700 — ist diese durch die allseitige Verstrebung jedes einzelnen Ständerkopfes und die geringe Fachtiefe gekennzeichnete Gerüstform dem mecklenburgischen Gefüge bereits wieder assimiliert. Dieser Vorgang ist im Grunde erstaunlich, ist doch von den drei Formen die Boizenburger fraglos die progressivere. Ihre Assimilation kommt demnach einem Sieg des älteren Gefüges über ein jüngeres und damit letztlich einem Sieg der Tradition über eine Innovation gleich.
enden unumgänglich. Die Verzimmerung v o n G e g e n k o p f b ä n d e r n wird somit für die Folgezeit zunächst zum Merkmal vor allem nord- und nordostmecklenburgischer Gerüste. Für etwa ein Jahrhundert reichen hier die auf diese Weise gewonnenen Stubenabmessungen den bäuerlichen Wirten offenbar aus, dann werden die Wohnräume nicht selten noch breiter gewünscht. Dabei entstehen jetzt Überstände mit Weiten bis zu 4,00 m und darüber, die selbst mit den bislang üblichen Gegenkopfbändern nicht mehr abzusichern waren. Ihnen werden aus diesem Grunde jetzt vielfach zusätzliche Ständerreihen untergestellt — vor allem im Norden und Osten treffen wir seit ungefähr 1750 solche drei- und vierständrigen Gerüste. Doch bleiben auch diesen Hallenhäusern durchweg weiterhin beidseitig Kübbungen angeschleppt. In ihrem Außenbild unterscheiden sie sich daher kaum von Gebäuden mit zweireihigen Ständerwerken. Lediglich im Gebiet Rostock—Bad Doberan, in der Umgebung von Schönberg sowie in einigen Landstädten — so in Hagenow oder Neustadt-Glewe — wurde des öfteren auf eine, bisweilen sogar auf beide Abseiten verzichtet. So finden wir hier noch heute „Drei-" und „Vierständer" (Abb. 5—6), Hallenhäuser, die wegen ihres auffälligen Äußeren — wegen ihrer „Schiefhüftigkeit" bzw. wegen ihrer hohen Seitenwände — früh bereits die Aufmerksamkeit der hauskundlichen Forschung erregten.8
Von grundlegender Bedeutung für die weitere Ausbildung des Ständerwerks im mecklenburgischen Hallenhaus wurde die um 1600 erfolgte Übernahme der Stube. Bezeichnend für diesen neuen Wohnraum sind in den ältesten Gebäuden seine nur geringen Abmessungen, mußte er sich doch, wollte man darin freistehende Ständer vermeiden, den durch das Gerüst vorgezeichneten Gegebenheiten einfügen. So waren längsgelegene Abseitenstuben in Durchgangshäusern zunächst an die im allgemeinen kaum mehr als 2,00 m breiten Kübbungen, quergelegene Walmstuben in Fletthäusern an die meist um 2,50 m schwankende Fachtiefe gebunden. Ihre Erweiterung setzte daher im jedem Fall bestimmte Veränderungen im Aufbau der Gerüste voraus. Dabei erwies sich bei Neubauten mit Abseitenstuben eine Verengung der Diele durch Vorschieben der Ständerreihen am zweckmäßigsten. Nur bei älteren Gebäuden dieser Art wurden die Seitenwände des öfteren nach außen versetzt, was jedoch stets ein weites Aufschieben der Abseitensparren — die Ausbildung eines „Doppeldaches" — erforderlich machte.6 Bereits in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ist daher im Durchgangshaus die Breite der Diele im allgemeinen von etwa 8,50 m auf rund 5,00 m abgesunken. Gleichzeitig jedoch führte das Aneinanderrücken der Ständerreihen, da bei diesem Vorgang die Länge der Dachbalken konstant blieb, zu sprunghafter Vergrößerung der Überstände — sie wuchsen von ungefähr 0,50 m auf nahezu 2,50 m 7 . Das wiederum machte eine besondere Unterstützung der frei weit überschießenden und dadurch gefährdeten Balken-
Im Fletthausbereich sind die Beziehungen zwischen Stube und Gerüst wesentlich andere — das wird bereits an der hier traditionell breiten Diele deutlich. Noch während des 18. Jahrhunderts maßen Dielen im Südwesten zumindest 7,00 m. Selbst bis ins 19. Jahrhundert hinein sind sie kaum schmaler, widersetzen sich doch hier — wie Gotthard Romberg berichtete9 — noch zu jener Zeit viele Bauern energisch immer wieder behördlichen Bemühungen, in Neubauten die Dielen zu verengen. Aus diesem Grunde kennen auch hier die Dachbalken kein sprunghaftes Vergrößern ihrer Überstände wie im Norden oder Osten, vielmehr wachsen sie kontinuierlich mit dem Wunsch der Bauern, Kammern und
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Baumgarten 1 9 6 1 a : 69. Behrens 1796: 1 1 9 . * Ein solches „Doppeldach" besaß u. a. später das Haus Bechelsdorf I K r . Grevesmühlen. Eine weitere, im Gegensatz zu den friesischen Gebieten in Mecklenburg kaum genutzte Möglichkeit, breitere Abseiten zu gewinnen, besteht in der Verlängerung der Gerüstständer. Dafür ist bislang in Mecklenburg nur ein Beispiel bekannt geworden. Hierbei handelt es sich um das Haus Zierzow I K r . Ludwigslust (Folkers 1 9 6 1 : Taf. 50). Vgl. Abb. 25. 6
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Die Weitung des Überstandes in mecklenburgischen Hallenhäusern ist somit anders bedingt als in den Gebäuden einzelner westelbischer Landschaften, in denen der bäuerliche Wunsch, die Dachraumbanse zu vergrößern, zu stärkerem Überschieben der Balkenenden führte (Schepers i960: 45). 8 Vgl. u. a. Folkers 1925 b: i i 4 f f . oder Pries 1928: 17. * Romberg 1926: 1 1 6 .
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4,onm
1ÖOO Fig. 10
Mecklenburgische Gerüstentwicklungen Vergrößerung des Überstandes
E n t w i c k l u n g im nordöstlichen Mecklenburg
Stallungen in den Abseiten allmählich zu weiten. Betrugen die Überstände in Gebäuden der „Griesen G e g e n d " 1 0 gegen Ende des 16. Jahrhunderts rund 0,50 m, maßen sie ein Jahrhundert später noch immer kaum 0,80 m, in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts etwa 1,00 m, 50 Jahre danach fast 1,30 m und erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts allgemein 2,00 m und darüber. Dabei wurden wie in Durchgangshäusern auch in Fletthäusem bei freien Balkenenden von rund 1,20 m, d. h. etwa von der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ab — und damit hundert Jahre später als im Norden und Osten — Gegenkopfbänder üblich (Fig. 10). Z u r Ausbildung von Mehrständergerüsten aber kam es hier — sehen wir von den Ackerbürgerhäusern einzelner Landstädte ab — auch in der Folgezeit nicht. Selbst bei sehr großen Überständen blieben die Gerüste zweiständrig. In solchen Fällen wurden den gefährdeten Balkenenden entweder weite Langstreben oder kurze, gegen die Einzüge gestemmte Schräghölzer untergestellt, eine Konstruktion, deren Einfluß im 19. Jahrhundert bis in den mittleren Verbreitungsbereich des Durchgangshauses noch heute spürbar ist. Dabei ist das hartnäckige Festhalten an breiten Dielen im Gebiet des Fletthauses an sich keineswegs verwunderlich, war doch eine Vergrößerung der Walmstuben über ein Vorschieben der Ständerreihen, d. h. über eine Verengung der Diele, nicht zu erreichen. Dafür bedurfte es hier einer wesentlich anderen Veränderung des Gerüsts, und zwar einer Weitung seines letzten Faches, des Kammerfaches, über das durchschnittliche Maß von etwa 10 Fuß [etwa 2,85 m] hinaus. Sehr bald wuchsen daher hier diese Ständerabstände auf 14 Fuß [etwa 4,00 m], 156
E n t w i c k l u n g im südwestlichen Mecklenburg
in manchen Gebäuden selbst auf 18 Fuß [etwa 5,20 m ] . u Mit diesen Weiten aber waren jetzt Fachtiefen erreicht, über denen die üblichen zwei Sparrenpaare selbst eine weiche Dachhaut wie Rohr oder Stroh nicht mehr zu tragen vermochten. In solchen Fällen wurde daher regelmäßig im Dachwerk ein Sparrenpaar zusätzlich eingefügt. In dergleichen Gebäuden umfaßte somit im Grunde das Stubenende nur noch im Ständerwerk, nicht aber im Dachwerk ein einziges Fach. Auch im Bereich der Mischformen zeichnen sich seit dem 17. Jahrhundert ähnliche Beziehungen zwischen Stube und Gerüst ab. Soweit dort quergelegene Walmstuben üblich waren, stoßen wir — wie in Fletthäusem — auf das geweitete Kammerfach. Nur in der Entwicklung der Diele zeigen sich hier gewisse Differenzen. So scheint sich die Verengung in der unmittelbaren Nachbarschaft zum Fletthaus langsamer, in entfernteren und damit dem Einfluß des Durchgangshauses stärker ausgesetzten Gebieten schneller vollzogen zu haben. Allgemein aber ist hier wie dort nirgends eine ausgesprochene Tradition breiter Dielen — wie sie für das Fletthaus charakteristisch ist — festzustellen. Das beweist eindeutig die spätere Entwicklung. Schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts liegen die Dielenabmessungen im Bereich der Mischformen oft unter 5,00 m und damit bisweilen unter denen vergleichbarer Durchgangshäuser. 10
Bezeichnung für einen nicht genau zu fixierenden Bereich
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Endler/Folkers 1 9 3 0 : 1 2 5 .
des südwestmecklenburgischen Waldgebietes. V g l . F i g 1.
Einen eigenen Weg im Ausgleich zwischen Stube und Gerüst ging der Ostsaum des Mischformengebietes. Hier waren, wie es scheint, noch um 1600 — wie in Durchgangshäusern — im allgemeinen Abseitenstuben anzutreffen. Dann aber scheute man — vor allem im Verlauf des 17. Jahrhunderts — offenbar — im Gegensatz zum Norden und Osten — sehr weit überschießende Balkenenden. Noch um 1700 betrugen diese hier kaum mehr als 1,20 m. Mit so geringen Überständen, d. h. mit so geringer Dielenverengung, aber war fraglos eine befriedigende Vergrößerung von Abseitenstuben nicht zu erreichen. Wollte man daher nicht auch hier zur Walmstube und damit zur Weitung des Kammerfaches übergehen, blieb bei einem Wunsch nach größerem Wohnraum nur eine verstärkte Ausbildung von Utluchtstuben, von angebauten Stuben, wie sie außer für das Mischformengebiet zu Beginn des 17. Jahrhunderts ebenfalls noch für den Norden und Osten nachzuweisen sind, die jedoch dort nach dem sprunghaften Wachsen der Überstände zugunsten der Abseitenstube allgemein wieder aufgegeben worden waren. Für den Ostsaum des Mischformenbereiches aber blieb — infolge der auch weiterhin hier zunächst nachhinkenden Gerüstentwicklung — dieser unter eigenem Dach am hinteren Giebel angehängte Wohnteil, der im frühen 18. Jahrhundert meist in Stube und Kammer unterteilt wurde, noch für etwa ein Jahrhundert dominierend. Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts wird die Stube auch hier wieder bei Neubauten in das Hausganze einbezogen, ohne sich jedoch dabei immer dem Ständerwerk völlig einzuordnen. Vor allem im Nordwesten — in den Bauernhäusern des ehemaligen Fürstentums Ratzeburg — bleibt sie auch weiterhin — zusammen mit der ihr zur Seite gelegenen Stubenkammer — ein dem übrigen Gerüst gegenüber verhältnismäßig selbstständig abgezimmerter Block. In der Weitung des Kammerfachs im Fletthaus ist im Südwesten eine weitere, bedeutsame Veränderung im Ständerwerk begründet, und zwar die Ausbildung des z w e i t e i l i g e n Gerüsts. Hierbei sind die Ständer vom Kammerfach ab bis zu 0,80 m länger, die Dielenrähme in die Herdwandständer mit Brustzapfen verbohrt und oberhalb des Stubenendes neue, höhere Rähme eingefügt. Dergleichen Ständerwerke sind demnach im Wirtschaftsteil, wie früher im gesamten Gebäude, eineinhalbgeschossig, im Wohnteil jedoch zweigeschossig, was sich äußerlich im Wohngiebel bereits in den Brustriegeln der Giebelfelder andeutet. Vor dieser Veränderung war der Bodenraum über dem Kammerfach seiner geringen Höhe wegen kaum zu verwenden gewesen — entsprechend wurde er im allgemeinen als Krupboen bezeichnet. Bei zweiteiligen Gerüsten aber wurden nunmehr auch die Gelasse oberhalb des Stubenendes aufrecht begehbar und damit voll nutzbar. Sie fanden jetzt durchweg als Speicherraum für ausgedroschenes Getreide Verwendung, was sich um so mehr anbot, als bereits seit dem beginnenden 17. Jahrhundert der Neubau selbständiger Speicher zunehmend unterblieben war.
Da jedoch überdies auf diesem Oberboden gern Korn gemalzt wurde, erscheint er in den Angaben bisweilen auch als Moltboen,12 Zweiteilige Gerüste finden wir im südwestlichen Mecklenburg erstmalig aus der Zeit um 1670. Das 1651 errichtete Haus Laupin IV ist auch im Wohnteil noch eineinhalbgeschossig, das 20 Jahre jüngere Haus Strassen II jedoch schon zweigeschossig. Nach den Untersuchungen Gerhard Eitzens 13 besaßen Hallenhäuser im hannoverschen Wendland zweiteilige Ständerwerke bereits in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Damit ist zu vermuten, daß auch diese Neuerung — wie so manche andere im mecklenburgischen Hallenhaus — von hierher in den mecklenburgischen Südwesten Eingang fand. Auch für die übrigen mecklenburgischen Hallenhausgebiete ergab sich die gleiche Notwendigkeit, neue Speicherräume für Brot- und Saatgetreide zu entwickeln. Besondere Schwierigkeiten entstanden dabei vor allem im Bereich des Durchgangshauses, fehlte doch hier das für die südwestliche Lösung als Vorbedingung erforderliche Kammerfach. Bei der von Giebel zu Giebel durchlaufenden Diele wäre daher ein Übergang zum zweiteiligen Gerüst ohne jeden Sinn gewesen. Um jedoch einen ähnlich nutzbaren Oberboden zu gewinnen, wurde im Norden und Osten zunächst meist der Scheune ein besonderes Speicherfach angefügt. 14 Doch erwies sich von beiden Entwicklungen — dem Speicher im Hause sowie dem Speicher vor der Scheune — in der Folgezeit die erstere als die vorteilhaftere. Es nimmt daher nicht wunder, daß das zweiteilige Gerüst, je mehr in anderen Gebieten zumindest Teilkammerfache ausgebildet wurden, auch in weitere Hallenhausbereiche vordrang. Noch im gegenwärtigen Bestand ist das etappenweise Vorstoßen des zweiteiligen Gerüsts von Südwesten her an einzelnen Häusern recht gut zu verfolgen. So erreichte diese Novation den Raum um Schwerin in der Zeit um 1750. Rund 30 Jahre später treffen wir sie im Bereich um Wismar, für die Umgebung von Neukloster ist sie kurz nach 1800 zu belegen. Bis in das Gebiet um Rostock gelangte sie bei Neubauten offenbar vor dem Absterben der Hallenhaustradition nicht mehr. Lediglich einige Gebäude — so z. B. das Haus Lütten Klein II — erhielten hier in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit Hilfe zusätzlicher Konstruktionen nachträglich aufgehöhte Oberböden. 15 Auch über das Vordringen in östliche Richtung sind noch wenige Feststellungen im Terrain möglich. So ist das zweiteilige Gerüst unmittelbar jenseits der Grenze zum Fletthaus bei Neustadt-Glewe bereits um 1730 bekannt, doch hat es
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Romberg 1926: 1 1 7 . Eitzen 1967: 30. Baumgarten 1 9 6 1 a : 48 t. Ähnliche, später zusätzlich gewonnene Aufhöhungen finden sich zum Teil in Gebäuden des Südwestens, die vor 1670 errichtet wurden, so u. a. in dem Haus Laupin I V K r . Ludwigslust. 157
etwa um 1740 die Dachbalken den Rähmen nicht mehr aufgelegt und durch Ständerzapfen erfaßt, sondern mit den Rähmen verkämmt wurden. Doch war der traditionsw verhaftete mecklenburgische Zimmermann trotzdem zunächst weiterhin beim gebundenen System verblieben, erst im 19. Jahrhundert lernte er — wie der mitteldeutsche Baumeister bereits Jahrhunderte zuvor — die ihm W in der Verkämmung gegebene Möglichkeit der Variierung des Gefüges zu nutzen. Seitdem war nun auch in