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German Pages 219 [221] Year 2007
Studien und Texte zu Antike und Christentum Studies and Texts in Antiquity and Christianity Herausgeber/Editor: Christoph Markschies (Berlin) Beirat/Advisory Board Hubert Cancik (Berlin) · Giovanni Casadio (Salerno) Susanna Elm (Berkeley) · Johannes Hahn (Münster) Jörg Rüpke (Erfurt)
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Gruppenreligionen im römischen Reich Sozialformen, Grenzziehungen und Leistungen
Herausgegeben von
Jörg Rüpke
Mohr Siebeck
Jörg Rüpke, geboren 1962; Professor für Vergleichende Religionswissenschaft an der Universität Erfurt; Koordinator des DFG-Schwerpunktprogramms 1080 „Römische Reichsund Provinzialreligion“.
e-ISBN PDF 978-3-16-15 1342-8 ISBN 978-3-16-149128-3 ISSN 1436-3003 (Studien und Texte zu Antike und Christentum) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National-bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2007 Mohr Siebeck Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gesetzt unter Verwendung von TUSTEP am Seminar für Religionswissenschaft der Universität Erfurt durch Diana Püschel. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Held in Rottenburg gebunden.
Inhaltsverzeichnis
JÖRG RÜPKE Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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CELIA SCHULTZ Sanctissima femina: Gesellschaftliche Klassifizierung und religiöse Praxis von Frauen in der Römischen Republik . . . . . . . . 1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Priesterschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Der Auswahlprozess . . . . . . . . . . . . . . . 4 Selbstdarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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. . 7 . . 7 . 11 . 18 . 23 . 26 . 27
HUBERT CANCIK Haus, Schule, Gemeinde: Zur Organisation von in Rom (1.–3. Jh. n. Chr.) . . . . . . . . 1 Die Bestimmung des Themas . . . . 2 Haus . . . . . . . . . . . . . . 3 Schule . . . . . . . . . . . . . 4 Gemeinde . . . . . . . . . . . . 5 Zusammenfassung und Ausblick . . Bibliographie . . . . . . . . . . .
Religion› . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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31 31 32 37 42 45 47
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JAMES DUNN Boundary Markers in Early Christianity 1 Jewish boundary markers . . . 2 Christian Jewish boundary markers 3 Christian boundary markers . . Bibliography . . . . . . . . .
‹fremder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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VI
Inhaltsverzeichnis
MICHAEL BACHMANN Zur Rezeptions- und Traditionsgeschichte des paulinischen Ausdrucks εÍ ργα νο μου: Notizen im Blick auf Verhaltensregeln im frühen Christentum als einer ‹Gruppenreligion› . . . . . . . . . . . . 1 Rezeptionsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Zur Traditionsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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JOHANNES WOYKE Das Bekenntnis zum einzig allwirksamen Gott und Herrn und die Dämonisierung von Fremdkulten: Monolatrischer und polylatrischer Monotheismus in 1. Korinther 8 und 10 . . . . . . . . . . . . 1 Einführung: Idolothytophagie als identity und boundary marker? 2 Zur Begriffsklärung: ontologischer, archontologischer und latreiologischer Aspekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Monarchisch-monotheistische Erkenntnis und Idolothytophagie (1 Kor 8,4b–6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Tabuisierung der Idolothytophagie durch Dämonisierung von Fremdkulten (1 Kor 10,19–21) . . . . . . . . . . . . . 5 Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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JÖRG RÜPKE Integrationsgeschichten: Gruppenreligionen in Rom 1 Mithras . . . . . . . . . . . . . . . 2 Sol . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Iuppiter Dolichenus . . . . . . . . . . 4 Christentum . . . . . . . . . . . . . 5 Gebaute Religion . . . . . . . . . . . 6 Zusammenfassung . . . . . . . . . . Bibliographie . . . . . . . . . . . . .
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WOLFGANG SPICKERMANN Mysteriengemeinde und Öffentlichkeit: Integration von Mysterienkulten in die lokalen Panthea in Gallien und Germanien . . . . 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Die Anfänge der Kulte in Germanien . . . . . . . . 3 Das Ende der Mysterienkulte . . . . . . . . . . . . 4 Die ‹orientalischen› Religionen und die lokalen Panthea . 5 Schluss: Funktion der Mysterienkulte in Germanien . . .
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VII
Inhaltsverzeichnis
Bibliographie
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ALFRED SCHÄFER Dionysische Gruppen als ein städtisches Phänomen der römischen Kaiserzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Ein Privathaus als Amtslokal einer dionysischen Kultgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Dionysos προÁ πο λεως . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Dionysische Mysterienvereine im unteren Donauraum . . . . 4 Exkurs: Das Liber Pater-Heiligtum von Apulum in der römischen Provinz Dakien (ALEXANDRU DIACONESCU, IAN HAYNES und ALFRED SCHÄFER) . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . GÜNTHER SCHÖRNER Von der Initiation zum Familienritual: Der Saturnkult als Gruppenreligion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Der Saturnkult als Gruppenreligion . . . . . . . . . . 3 Die Initiation in den Saturnkult nach M. LE GLAY . . . . 4 Die ikonographische Argumentation: eine Revision . . . . 5 Ein Alternativvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . 6 Intrare sub iugum . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Fazit: Saturnkult als Gruppenreligion . . . . . . . . . . Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammengestellt von Elisabeth Begemann
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Einleitung von
JÖRG RÜPKE Die Sozialformen von Religion zu untersuchen, ist eine klassische Fragestellung der Religionswissenschaft. Für die kaiserzeitliche Antike ist mit Klassifikationen wie ‹Kirche› und ‹Sekte› – auch wenn der Begriff secta aus der Antike stammt – wenig anzufangen. ‹Kulte› sind zunächst religiöse Praktiken, die der Verehrung einer Gottheit dienen und sich mit einem Heiligtum dieser Gottheit verbinden. Die Sozialform bleibt dabei offen: Ein solcher Kult kann ebenso Ort eines festen Kreises von Verehrern wie gelegentlicher Aktivität eines von der Stadt eingesetzten Priesters oder einer Priesterin sein. Traditionelle, öffentliche und öffentlich finanzierte Kulte und Kultorte müssen aber keinen Gegensatz zu religiösen Aktivitäten von Gruppen bilden; in manchen Fällen bieten sie solchen privaten Aktivitäten sogar die Infrastruktur. Wie fasst man diesen Typ von Religion begrifflich? In der Erforschung der antiken Religionsgeschichte dominierten lange Begriffe wie ‹Mysterienreligion› oder ‹orientalische Religionen› und evozierten mit ihrem Verweis auf bestimmte rituelle Praktiken oder die Herkunft mancher dieser Kulte aus dem östlichen Mittelmeerraum das Bild eines festen Typs von Religion, in dem ‹Erlösung›, ‹individuelles Heil› und ‹Gemeindebildung› zusammenfielen. Jüngere Arbeiten haben das kritisiert und versuchen etwa mit dem Begriff des ‹Kollegiums› oder ‹Vereins› antike Rechtsbegriffe (collegium) aufzugreifen. Das erweckt allerdings den Eindruck, eine solche rechtliche Konstitution sei üblich gewesen – eine Unterstellung, die sich am historischen Material nicht beweisen lässt. In dieser Situation wird hier der Begriff der ‹Gruppe› als soziologisches Konzept bemüht, um verschiedene Phänomene der römischen Kaiserzeit ohne weitere klassifikatorische Entscheidungen zu beschreiben. Der vorliegende Band ist keine im strengen Sinne vergleichende Studie. Die vorgelegten Beiträge haben ihren Ausgangspunkt in einer Tagung des DFGSchwerpunktprogramms ‹Römische Reichsreligion und Provinzialreligion: Globalisierungs- und Regionalisierungsprozesse in der antiken Religionsgeschichte›, die im März 2005 im Erfurter Augustinerkloster stattfand. Grundlegend war ein Katalog gemeinsamer Fragen, die sich auf Religionsformen konzentrierten, die sich über das Prinzip der Mitgliedschaft oder ‹Einweihung› als dauerhafte Kultgruppen organisieren und sich so von der auf öffentlich finanzierte Heiligtümer konzentrierten ‹diffusen Religiosität› antiker Städte deutlich unterscheiden.
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Wie werden die Sozialbeziehungen in religiösen Gruppen strukturiert? Welche Rolle spielen Kulträume einerseits, die Frequenz von Kultakten und gemeinsamen Banketten andererseits? Wie ist die Stellung des einzelnen innerhalb der Gruppe und die Rolle der Gruppe für ihn? Strukturieren Mitgliedschaften und Einweihungen religiöse Biographien? Schloss die Mitgliedschaft in einem Kult die in einem anderen aus, stand die Aufnahme prinzipiell jedem offen? Werden über Ethnizität Grenzen erzeugt oder ethnische Traditionen ‹internationalisiert›? Inwieweit wird über ‹Initiationen› und ‹Mysterien› Exklusivität erzeugt oder gesteigert? Welche Rolle spielen ‹Mysterien› im Spektrum kultischer Aktivitäten solcher Gruppen? Welche Rolle spielt Geheimhaltung? Weitere Fragen betrafen die Verortung solcher Gruppen. In der aktuellen Forschung zum römischen Städtewesen wird die These vertreten, dass im Laufe der mittleren Kaiserzeit eine zunehmende ‹Segmentierung von Öffentlichkeit› stattgefunden habe. Dass sich grundlegende Repräsentationsformen gesellschaftlichen Lebens aus dem öffentlichen Raum in alternative Teilbereiche sozialen Handelns andernorts verlagerten, ist allerdings kritisch zu überprüfen. Kultbauten in den Wohnbezirken, Kapellen innerhalb größerer Heiligtümer, Vereinslokale in den Stadtquartieren oder kleine, auf eigenem Grund errichtete Sakralbauten sprechen nicht unbedingt für einen Rückzug aus der Öffentlichkeit in eine ‹private› Sphäre. Derartige Heiligtümer sind nicht selbstverständlich als Gegenmodelle zu den zentralen Heiligtümern der Stadtgemeinde zu sehen, sondern stellen ein ergänzendes, gleichzeitiges Angebot dar. Gab es hier Konflikte? Gab es seit dem zweiten Jahrhundert Verschiebungen hin zu solchen ‹Gruppenreligionen› und weg von den klassischen öffentlichen Kulten? Unter der Fragestellung des Schwerpunktprogrammes trat vor allem die Interaktion solcher Gruppen in den Blick: Bestehen trotz der unterschiedlichen Gottheiten und Ursprungsmythen nicht auch verbindende Elemente in Ritual und Kult? Wie stark sind solche Kulte einander angeglichen und was macht den einzelnen Kult gegenüber einem anderen in einer Stadt oder Region attraktiv? Wo liegen die Unterschiede? Wählte man sich einen bestimmten Kult aus inhaltlichen Gründen, das heißt aufgrund seines öffentlichen Bildes, oder steuerten Familientraditionen, Netzwerke, Nachbarschaften über die Entscheidung? Waren Mysterienkulte ein städtisches Phänomen? Daran schließt sich die Frage nach den Ausbreitungsbedingungen an: Waren solche Gruppenreligionen prinzipiell erfolgreicher als Kulte, die von politischen Einheiten getragen wurden? Inwiefern konnten sie auch deren Leistungen übernehmen (‹Reichsreligion›)? Erneut ist hier die Frage nach Prozessen der Ethnisierung oder gerade der Aufhebung traditioneller ethnischer Fixierungen (JudentumChristentum?) zu stellen. Auch für die neuen, reichsweiten Gruppenreligionen ist daher zu fragen, ob sie nicht einzelne Kulthandlungen, Handlungssequenzen oder Äußerlichkeiten, etwa Kleidung oder Bilder, von anderen, vielleicht
Einleitung
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sogar ganz andersartigen Kulten übernommen haben. Was macht das eigentlich Neue im Ritual der Gruppenreligionen aus? Werden religiöse Praktiken neu erfunden oder wählt man nicht bereits vorhandene Rituale aus und verbindet sie zu einem neuen Ganzen? Die dichten Sozialbeziehungen innerhalb einer ortsgebundenen Gruppe scheinen zunächst mit der weiten Verbreitung gleichnamiger Gruppen schwer vereinbar zu sein. Damit stellt sich einerseits die Frage nach der Ausbreitung und dem Zusammenhalt, andererseits nach örtlichen oder regionalen Variationen (‹Christentümer›). Das Kolloquium wollte sich gerade auf solche weit verbreiteten Gruppen konzentrieren. Nicht nur anhand der literarischen und epigraphischen Überlieferung, sondern auch anhand der Votive, der Kultkeramik und des Tafelgeschirrs wird deutlich, ob es ein gemeinsames Diffusionszentrum oder verschiedene Ursprungsorte des Kultes gegeben hat und wie weit lokale Ausprägungen reichten. Ist ein Wechsel zwischen den Gemeinden möglich gewesen? Welche Übertragungswege von Religion werden institutionalisiert? Inwieweit hatten außen- und innenpolitische Ereignisse Einfluss auf die Verbreitung der Mysterienkulte, dienten sie als ‹Krisenreligionen›? Im ersten Beitrag führt CELIA SCHULTZ vor, dass mit dem Begriff der ‹Gruppenreligionen› auch innerhalb der Strukturen ‹öffentlicher Kulte› (sacra publica) die Komplexität traditioneller Religion sichtbar wird. Analysiert wird das Zusammenspiel sozialer Faktoren wie Schichtzugehörigkeit und Personenstand mit religiösen Auszeichnungen für einzelne Frauen in der republikanischen Epoche Roms. Die Voraussetzungen für Frauen, religiöse Ehrenämter wie Priesterschaften zu erreichen, werden im Horizont römischer Religion insgesamt untersucht. Wodurch unterscheidet sich eine sanctissima femina (um mit Valerius Maximus zu sprechen) von ihren Zeitgenossinnen? Wer fällt solche Urteile? Im Unterschied zu Männern, so wird deutlich, spielt nicht nur die Abstammung, sondern auch der familäre Status eine entscheidende Rolle. Der Beitrag zeigt auch, dass schon in der Republik religiöses Engagement in öffentlichen Heiligtümer einen zentralen Bereich der Selbstdarstellung von Frauen war. Das gilt in Rom wie in anderen italischen Städten. Der Beitrag von HUBERT CANCIK über ‹Haus, Schule, Gemeinde› führt in das Rom der Kaiserzeit und untersucht die kleinen Formen der religiösen Selbstorganisation zumal von Zuwanderern, die den politischen Beobachtern oft verdächtig erschienen. Problemlos war dabei das ‹Haus›, traditioneller Rahmen für kultische Aktivitäten in Rom wie legitimer Ort für die private, aber oft auch sichtbare Betätigung neuer Gruppen. Die schon in republikanischer Zeit aus Griechenland importierte Institution der ‹Schule› wurde als religiöse Organisationsform nur von Juden und dann Christen genutzt, die hier Unterweisung, religiöse ‹Lehre› pflegen. Mit dem Begriff der ‹Gemeinde› beschreibt CANCIK ebenso Mithräen und Isis-Gruppen wie Kollegien, Synagogen und Titelkirchen, Gruppen unterschiedlichen Rechtsstatus mithin.
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Wichtig ist ihm die fehlende Dachorganisation solcher Gruppen. Die Christianer bilden hier die signifikante Ausnahme. Diese Ausnahme steht im Mittelpunkt der drei folgenden Beiträge. JAMES DUNN fragt nach der Ausbildung der Symbole, die als ‹boundary markers› der Abgrenzung der neuen Gruppen von Christen dienen. Hintergrund dieser Analyse ist das Judentum, aus dem sich das Christentum allmählich herausbildet. Solche Symbole – Monotheismus, Erwählung, Tempelkult, Sabbat, insbesondere Beschneidung und die Reinheitsgesetze – können aber unterschiedlich verwendet werden: Ethnische Separation und intensiver sozialer Austausch und Assimiliation stehen sich gegenüber, eine Spannung, innerhalb derer sich auch das ‹Christentum› als jüdische Sekte ausbildet und bis weit ins vierte Jahrhundert hinein noch Überschneidungen aufweisen wird. Der Beitrag spürt der Redefinition der alten Abgrenzungssymbole in diesem Kontext wie der Ausbildung neuer Symbole nach, dem ‹Glauben an Christus›, ‹Geistesgaben›, Taufe und Abendmahl. Das Zusammenspiel dieser Abgrenzungen in dem immer doppelten Verhältnis zu Judentum und griechisch-römischer Welt prägt die Entwicklung einer eigenständigen Religion. MICHAEL BACHMANNs Beitrag steht in diesem Kontext. Gefragt wird nach der Entwicklung des Paulinischen Begriffs der ‹Werke des Gesetzes›, innerhalb des Paulinischen Corpus wie in der Rezeption bis zu Polykarp, den späten neutestamentlichen Briefen und Justin. Das Konzept, das in qumranischen Schriften zur Ausgrenzung in innerjüdischen Konflikten dient, wird in der Paulinischen Rezeption zu einem Begriff, der in der Verneinung gerade die Inklusion in die neue Heilsgemeinde ermöglicht. Obwohl es um Verhaltensregeln geht, tritt so der korporative Aspekt der neuen Gruppenreligion Christentum in den Blick – eine Argumentationsstrategie, die späteren Pauluslesern nicht immer leicht nachzuvollziehen war. Im Mittelpunkt des folgenden Beitrags von JOHANNES WOYKE steht das klassische Abgrenzungsproblem des Umgangs mit Fleisch, das den in Kultbildern verehrten Göttern geopfert wurde. Paulus vertritt in seiner Argumentation im Ersten Korintherbrief eine restriktive, exklusivistische Position, allerdings in bewusster Beschränkung auf den kultischen Bereich. Dieser Rückgriff auf dezidiert monotheistische Positionen des frühen Judentums waren allerdings, wie die Untersuchung zeigt, zumal für gebildete ‹Heidenchristen› wenig plausibel, denen verschiedene Argumentationsstrategien offen standen, die Teilnahme an den unterschiedlichsten Kulten letztlich als Verehrung des Einen zu legitimieren. Vor diesem Hintergrund zeigt sich, dass Paulus die Degradierung und Depotenzierung der Götter durch die Tabuisierung ihres Kultes verschärft, indem er sie dämonisiert und damit selbst eine weithin plausible Argumentationsstrategie einschlägt. Der Beitrag von JÖRG RÜPKE konzentriert sich wiederum auf die Stadt Rom, namentlich auf neue Gruppenreligionen, insbesondere Immigrantenkulte während der Kaiserzeit. Sein Ziel ist es, verschiedene Parameter der Integra-
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tion und möglicher Differenzen zu beleuchten, so die zeitliche Struktur der Rituale solcher Kulte (am Beispiel des Mithraskultes); die personellen Verflechtungen und die Gewinnung institutioneller Unterstützung (am Beispiel der syrischen Sonnenkulte in Trastevere); schließlich organisatorische Modifikationen (am Beispiel des Iuppiter-Dolichenus-Kultes) und bauliche Präsenz. An Beispielen aus dem stadtrömischen Christentum wird darüber hinaus die fortdauernde kulturelle Integration der sich zu einer neuen Religion Bekennenden aufgezeigt. Das Zusammenspiel von Gruppenreligionen und lokaler öffentlicher Religion steht auch im Mittelpunkt des Beitrags von WOLFGANG SPICKERMANN, der die Untersuchungen provinzialer Befunde eröffnet. Er verfolgt Mysterienkulte und insbesondere mithrische Gemeinden und Mithräen in Germanien von dem Auftreten letzterer gegen Ende des ersten bis ins vierte Jahrhundert n. Chr., den frühen soldatischen Dedikationen bis zur Verbreitung in der Zivilbevölkerung. Eine besondere Rolle scheint hierbei Mainz gespielt zu haben, da dort schon Anfang des zweiten Jahrhunderts sowohl ein Isis-/Magna Mater-Heiligtum als auch ein großes Mithräum nachweisbar sind. Die Mysterienreligionen unterschieden sich zwar durch spezifische Initiationsriten und ihre Zeremonien von anderen Kulten, sie reihten sich aber in die lokalen Panthea ein. So lassen sich in zahlreichen Mithräen Zeugnisse anderer, auch bodenständiger Gottheiten finden, die nicht unmittelbar mit einem Mysterienkult verbunden sind. In Martigny in der Schweiz und in Strasbourg-Königshofen scheinen die Heiligtümer zu den Hauptkultplätzen des Ortes gehört zu haben. Große Metroen mit Kulttheatern in exponierter Lage wie in Lugdunum/Lyon, Vienna/Vienna und nun auch der neuentdeckte Kultbezirk in Mogontiacum/Mainz verdeutlichen die enorme Bedeutung, welche die Kultgemeinschaften der Kybele in den Städten haben konnten. Entscheidend war dabei die Verbindung mit dem Kaiserkult. Die nachfolgende Untersuchung ALFRED SCHÄFERs über dionysische Kultlokale in Kleinasien und dem Donauraum widmet sich erneut der städtischen Integration von religiösen Vereinigungen, die sich aus Mitgliedern oder ‹Eingeweihten› konstituieren und das Gefühl der Gruppenzugehörigkeit durch sozial-gesellige und religiöse Inhalte wie gemeinsame Mahlzeiten, sakrale Rituale, Totenkult und öffentliche Präsenz in Festzügen pflegten. Während inschriftlich überlieferte Satzungen Festkalender wie interne Ämterhierarchie, das Vereinsmahl und dessen Finanzierung regeln, ist das breite Spektrum des Kultes nur selten aus den Satzungen erfahrbar. Der Beitrag versucht, praktizierte Religion auf der Basis gut überlieferter und archäologisch erforschter Vereinsgebäude und Heiligtümer annäherungsweise zu erschließen, deren Raumordnung und Ausstattung über die Nutzung Auskunft geben. Deutlich wird, dass individuelles religiöses Engagement, wie es sich etwa in Weihegaben niederschlägt, in Strukturen erfolgt, die ohne weiteres als ‹städtisch› angesprochen werden können. Der Kult ist sichtbar und bietet seinerseits
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Raum für religiöse Aktivitäten über den engen Kreis der Mitglieder hinaus. Auch für die letztgenannte monopolisiert er Religion nicht. Dem Changieren von Kulten zwischen öffentlichem Kult und Gruppenreligion geht auch GÜNTHER SCHÖRNER im letzten Beitrag des Bandes nach. Seinen Untersuchungsgegenstand liefert der nordafrikanische Saturnkult. In einer detaillierten Auseinandersetzung mit der klassischen Position MARCEL LE GLAYs wird eine neue Interpretation des ikonographischen Materials präsentiert, die vor allem den römischen Charakter des Materials betont. Nicht ein Mysterienkult, sondern ein Familienkult wird greifbar, der die Kinder römischer Bürgerpaare ehrt. Der spezifisch römische Anlass wird aber in eine lokale Formensprache gefasst, die eine erfolgreiche Repräsentation im öffentlichen Raum der Heiligtümer gewährleistet. Gruppenreligion wird hier als religiöse Praxis einer Primärgruppe, der Familie, aber als eine öffentlich wahrnehmbare Praxis verstanden. Das Gesamt der Beiträge zeigt die Fruchtbarkeit wie die Grenzen des heuristischen Begriffes ‹Gruppenreligionen›. Er löst Dichotomien wie Polisreligion-Mysterienreligionen, traditionelle Religion-orientalische Kulte auf, macht auch die engen Grenzen einer am rechtlichen Konzept des Kollegiums oder Vereins orientierten Betrachtungsweise deutlich. Die Frage nach Religion in der antiken Stadt zeigt ein komplexes Neben-, aber vor allem Miteinander unterschiedlicher sozialer Gruppen und Organisationen, die weniger durch Abschottung und Verbergen denn durch gegenseitige Wahrnehmung und Sichtbarmachung geprägt waren; dafür liefern die Beiträge mannigfaltige Beispiele. Zugleich wurden aber auch die Grenzen des Begriffs deutlich: Als Klassifikationsbegriff eignet er sich nicht. ‹Gruppenreligion› verweist auf ein Merkmal, das sehr unterschiedlich organisierte und praktizierte Kulte teilen. * Für das Zustandekommen dieses Bandes ist zuallererst den Beiträgern zu danken und jenen, die die Diskussion während des Kolloquiums bereichert haben. Mein besonderer Dank in der inhaltlichen Vorbereitung gilt dabei Andreas Bendlin, damals Erfurt, jetzt Toronto, in der organisatorischen Vorbereitung Sabine Tautz. Die Entstehung des Bandes begleitete Franca Fabricius mit gewohnter Sorgfalt; Kerstin Anton, Elisabeth Begemann, Franziska Quednau und Astrid Willenbacher halfen bei Korrekturen und der Satzvorbereitung; ihnen sei ebenso wie Diana Püschel für den Satz gedankt. Gedankt sei Christoph Markschies für die Aufnahme des Bandes in die Reihe, der so den früheren, von Ulrike Egelhaaf-Gaiser und Alfred Schäfer herausgegebenen Band ‹Religiöse Vereine in der römischen Antike› (STAC 13) fortführen kann und die Bedeutung des Themas in der Arbeit des Schwerpunktprogrammes unterstreicht. Schließlich sei auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Verlag Mohr Siebeck gedankt, deren freundliche und professionelle Unterstützung den raschen Abschluss ermöglichte. Erfurt, im März 2007
Sanctissima femina: Gesellschaftliche Klassifizierung und religiöse Praxis von Frauen in der Römischen Republik1 von
CELIA SCHULTZ
1 Einführung Es ist weitgehend bekannt, dass nicht alle Formen religiöser Praxis allen Römern gleichermaßen offen standen: Bürgerrecht, gesellschaftlicher Status und Geschlecht waren wichtige Faktoren, die darüber bestimmten, ob ein Individuum an einem bestimmten Ritus teilhaben oder ein spezielles religiöses Amt innehaben konnte.2 Nach römischer Denkweise waren gesellschaftliche und religiöse Sphäre so eng miteinander verknüpft, dass die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe häufig die verpflichtende Teilnahme an speziellen Riten nach sich zog. So besaßen zum Beispiel die römischen curiae, eine der grundlegenden politischen Abteilungen der Bürger in Rom, ihre eigenen Götter und Feste.3 Die starke Verknüpfung gesellschaftlicher und religiöser Gruppierungen wird auch in den Fällen deutlich, in denen mehrere verschiedene Gruppen gemeinsam ein Ritual befolgten, wie zum Beispiel in dem Bericht über die kombinierte öffentliche Observanz einer obsecratio und eines lectisternium, das von freigelassenen Frauen mit gutem Ansehen finanziert und von frei geborenen und freigelassenen Knaben begangen wurde, während junge, unverheiratete Mädchen, deren Eltern am Leben waren, eine spezielle Hymne darbrachten.4 Auch bei Frauen gingen Bürgerschaft und Teilnahme am 1
Dieser Artikel basiert auf meiner Monographie Women’s religious activity in the Roman Republic, Chapel Hill: Univ. of North Carolina Press, 2006. Ich schulde Dank R. T. Scott, P. B. Harvey, Jr., S. Feingold, M. Parca, und A. Tzanetou für das Lesen früherer Entwürfe dieses Artikels. Alle hier vertretenen Ansichten sind meine eigenen, genauso wie alle Irrtümer. 2 Siehe zum Beispiel BEARD, NORTH, PRICE 1998, 1.291–301 und 352–5. 3 Zu einer weiterführenden Diskussion der Religion der Kurien siehe PALMER 1970, 80– 179. 4 Macr. Sat. I.6.13–14. Dieses Ritual lässt sich fast sicher in das zweite Jahrhundert v. Chr. datieren. Obwohl Macrobius seine Quelle als den Auguren Marcus Laelius (sonst unbekannt) identifiziert, ist der Priester wahrscheinlich der Augur Gaius Laelius, bekannt für
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Celia Schultz
öffentlichen Ritual Hand in Hand: Die regelmäßige Befolgung öffentlicher Rituale, die in erster Linie ein weibliches Publikum ansprachen, ist ein wichtiges Indiz, dass römische Frauen tatsächlich Bürger von Rom waren, selbst wenn sie nicht die gleichen Rechte wie Männer besaßen.5 Die starke Betonung der gesellschaftlichen Klassifizierung im religiösen Bereich ist Teil einer weit reichenden römischen Eigenheit der Verstärkung von sozialen Unterschieden in jedem Feld des täglichen Lebens, was wohl am deutlichsten durch die Verwendung unterschiedlicher Kleidung für Senatoren, Konsuln, Ritter, Matronen, unverheiratete Frauen, freigelassene Männer und Frauen, frei geborene Kinder, Prostituierte und so weiter zu Tage tritt. Das Interesse am Beharren auf Differenzierung erstreckte sich sogar auf die Sitzordnungen bei öffentlichen Veranstaltungen, wo das Publikum entsprechend dem Geschlecht, der Klasse und dem Berufsstand platziert wurde.6 Vor diesem kulturellen Hintergrund wird es kaum überraschen, dass religiöse Riten und Kulte, die von römischen Frauen besucht wurden, gesellschaftliche Kategorien auf beinahe gleiche Art und Weise verfestigten wie andere Rituale.7 Tatsächlich standen viele religiöse Rituale, die für Frauen zugänglich waren, nicht allen Frauen oder zumindest nicht allen Frauen gleichermaßen offen, wobei am häufigsten die Unterscheidung zwischen den Gruppen auf der Grundlage der geschlechtlichen oder familiären Stellung vorgenommen wurde. So waren beispielsweise eine Reihe von jährlichen Observanzen, wie die Matronalia und das Ritual der Bona Dea im Dezember, allein auf die matronae beschränkt, auf Frauen, die das römisch weibliche Ideal von Fruchtbarkeit im Hervorbringen legitimen Nachwuches verdeutlichten.8 Eine seine Klugheit und Redegewandtheit, der Konsul im Jahr 140 v. Chr. (MRR 1.478–9, s. a. 141 und 140) war. Zur weiteren Diskussion siehe F. MÜNZER, RE 12.413, s. v. ‹Laelius (8).› 5 PEPPE 1984, 144–7. Die Einbeziehung von Frauen in öffentliche Rituale selbst ist kein ausreichender Beweis für den Anspruch, dass römische Frauen tatsächlich Bürger waren. Dieser Umstand stützt jedoch eine auf literarischen Quellen beruhende Argumentation, wie zum Beispiel auf dem Gebrauch des Wortes civis für weibliche Charaktere in den Stücken von Plautus und Terenz (Peppe 1984, 14). 6 ‹Dress for a Roman often, if not primarily, signified rank, status, office, or authority.› L. Bonfante in: SEBESTA, BONFANTE 1994, 5. Zur lex Iulia theatralis aus der frühen Kaiserzeit siehe RAWSON 1991. Selbst vor Augustus’ Gesetzgebung waren besondere Sitze bei öffentlicher Unterhaltung ein langjähriges Privileg der römischen Senatoren und Ritter. Die Letztgenannten verloren dieses Recht unter Sulla, jedoch wurde es ihnen durch die lex Roscia theatralis von 67 v. Chr. zurückgegeben (ROTONDI 1912, 374–5 und 507). 7 Die Unterteilung von Frauen in religiöse Kategorien basierend auf der gesellschaftlichen Stellung hat viel Aufmerksamkeit gefunden, mit einer besonderen Betonung von Riten, die auf Matronen beschränkt waren. Wichtigere neuere Arbeiten über multiple Kulte und Riten: GAGE´ 1963; POMEROY 1975, 205–26; KRAEMER 1992, 50–92; MCGINN 1998, 23–6 (mit Konzentration auf Riten, die von Prostituierten befolgt wurden); SCHEID 1992; BOE¨ LS-JANSSEN 1993, 229–468; FANTHAM ET AL. 1994, 230–7; STAPLES 1998. 8 Zum Zusammenhang zwischen Bona Dea und ihrem Dezemberfest und Fragen landwirtschaftlicher und menschlicher Fruchtbarkeit siehe VERSNEL 1992.
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weitere Differenzierung wurde manchmal auch innerhalb dieser umfassenderen Kategorie vorgenommen: In einigen Kulten waren besondere Ehren den univirae vorbehalten, denjenigen, die nur einmal verheiratet waren.9 Frauen mit minder geachtetem geschlechtlichen Status wurden ebenso durch religiöse Verpflichtungen und Beschränkungen gekennzeichnet. Konkubinen (paelices) war es verboten, den Altar der Juno zu berühren, wobei wir nicht wissen, welche Juno gemeint ist.10 Prostituierte spielten bei der Feier der Floralia im April eine herausragende Rolle und verehrten die Venus Erycina ausschließlich in ihrem Tempel außerhalb des Collatinischen Tors an den Vinalia.11 Ob eine Frau eine Sklavin gewesen oder zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch war, bestimmte auch über ihre Berechtigung zur Teilnahme an gewissen Ritualen. Im Jahr 217 v. Chr., nachdem die matronae von Rom der Juno Regina etwas geweiht hatten, stifteten sie und die freigelassenen Frauen der Stadt gemeinschaftlich etwas für Feronia.12 Sklavinnen waren im allgemeinen von den Matralia, dem Fest der Mater Matuta im Juni, ausgeschlossen, obwohl eine einzelne Sklavin in den Tempel gebracht wurde, mit der ausdrücklichen Absicht, sie zu schlagen und anschließend aus dem Tempel hinaus zu jagen.13 Solch ein Ritual unterstrich die Trennung zwischen frei geborenen Frauen und Sklavinnen sogar deutlicher als das einfache Verbot serviler Beteiligung. Im Gegensatz zu ihrem Ausschluss von den Matralia wurden Sklavinnen besonders während der Riten der Capratinischen Nonen im Juli geehrt.14 Die Kombination von familiärem Status und allgemeiner sozialer Differenzierung bei römischen Frauen wird manchmal im größeren Umfang bei Doppelkulten, wie dem der Venus Verticordia und der Fortuna Virilis, sichtbar. Während die matronae am 1. April die Statue der Venus Verticordia, der Göttin, die dafür verantwortlich war, die Keuschheit der Frauen zu sichern, wuschen und bekleideten, gingen Frauen der Unterklasse in die Bäder, um sich für Fortuna Virilis zu entblößen, für jene Göttin, deren Aufgabe es war, körperliche Makel zu beseitigen, damit die Frauen attraktiver auf Männer wirken sollten.15 Es ist nicht ganz sicher, ob die Verehrerinnen der Fortuna 9 Zum Beispiel in den Kulten der Pudicitia, Fortuna Muliebris und Mater Matuta waren nur diese Frauen berechtigt, sich den Statuen der Göttinnen zu nähern: D. H. 8,56,4; Serv. ad Aen. 4,19 = Thilo und Hagen 1881–7, 1.464 (bis nuptae ausgeschlossen aus der Priesterschaft); Fest. 282 L (und Paulus’ etwas irreführendes Zitat p. 283 L); Tert. Monog. 17.3. 10 Fest. 248L; Gell. 4,3,3. PALMER 1974, 35–7. 11 Die Floralia waren bekannt für ihre zügellose Natur: Ov. Fast. 5,331–4; Aug. Civ. 2,27. Zu den Vinalia siehe Ov. Fast. 4,863–900. MCGINN 1998, 23–6. 12 Liv. 22,1,18. 13 Plut. Mor. 267D = RQ 16; Ov. Fast. 6,473–568 (481–2, 551–8 bes.). 14 Plut. Rom. 29,3–6 und Cam. 33,2–6; Macr. Sat. 1,11,35–40. Vgl. PALMER 1974, 7–17. 15 Ovids Behandlung dieser Rituale (Fast. 4,133–164) beginnt mit einer Anrede an die zwei verschiedenen Gruppen von Frauen (matresque nurusque et vos, quis vittae longaque vestis abest [Mütter und frisch vermählte Mädchen und ihr, denen die Kopfbänder und das
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Virilis Prostituierte und Kurtisanen im engeren Sinne waren oder ob sie eher einer allgemeineren Gruppe angehörten, die durch ihren plebejischen Status definiert war.16 Der plebejische Status spielte gewiss eine Rolle bei der Einrichtung des Kultes der Pudicitia Plebeia, einer Ergänzung des Kultes der Pudicitia Patricia. Gemäß Livius (10,23,1–10) brach während einer supplicatio, die vom Senat angeordnet worden war, ein Streit unter den Frauen, die den Schrein der Pudicitia Patricia verehrten, darüber aus, ob eine patrizische Frau, die einen plebejischen Mann geheiratet hatte, noch an diesem Ritual teilnehmen dürfte, obwohl diese auf patrizische Matronen beschränkt waren. Als Reaktion darauf errichtete die patrizische Frau, die im Mittelpunkt der Kontroverse stand, in ihrem Haus einen Schrein für Pudicitia Plebeia, wo die Rituale beinahe identisch zu denen des patrizischen Schreins (eodem ferme ritu) von plebejischen matronae befolgt wurden. Im folgenden wird dieser Beitrag das Wechselspiel zwischen sozialen Faktoren, wie Klasse und ehelicher Status, und religiöser Differenzierung von Frauen während der römischen Republik eher auf einer individuellen Ebene als auf der Ebene kollektiver Gruppen, wie oben diskutiert, untersuchen. Wo auch immer möglich, werden die Anforderungen, denen Frauen gegenüberstanden, um ein religiöses Amt oder religiöse Ehren zu erlangen, in den größeren Kontext römischer Religion gestellt. Begonnen wird mit einer Diskussion darüber, wie der soziale und familiäre Status einer Frau, ebenso wie ihr persönlicher Ruf ihre Chancen entweder für eine Karriere in einer Priesterschaft oder für das Erlangen irgendeiner anderen religiösen Ehre beeinflussten. Aus dieser Untersuchung erwachsen mehrere wichtige Fragen: Welche lange Kleid fehlen]), aber der Dichter vermengt dann die beiden Rituale miteinander. Die Fasti Praenestini erwähnen Venus Verticordia nicht, vielmehr weisen sie darauf hin, dass alle Frauen Fortuna Virilis verehrten, obwohl nur die humiliores zu den Bädern der Männer gingen (DEGRASSI 1963, 127, 433–4); vgl. Plut., Num. 19,2. Moderne Bemühungen, die anscheinende Konfusion aufzulösen, waren nicht erfolgreich. STAPLES (1998, 110) behauptet, dass ‹Fortuna Virilis ... is nothing more than a cult title of Venus. It is not a name meant to denote a separate entity. Fortuna Virilis has the same force as Verticordia.› Subtiler ist der Erklärungsansatz von TORELLI (1984, 81–2), nach dem der Kult von Venus Verticordia dem Kult der Fortuna Virilis hinzugefügt worden sei und Venus Verticordia ein euphemistischer Name für Fortuna sei. Diese Argumente sind jedoch ohne Begründung oder Parallelen. Kein antiker Autor behauptet, dass die Göttinnen ein und dieselbe wären und meines Wissens gibt es keinen Fall einer italischen Gottheit, die regelmäßig mit dem Namen einer anderen angesprochen wurde. Trotz Verwirrung in den Quellen, Fortuna Virilis und Venus Verticordia waren zwei klar geschiedene Gottheiten, die an mindestens einem bestimmten Tag von zwei verschiedenen Gruppen von Frauen verehrt wurden. Andere antike Quellen (Macr., Sat. 1,12,15; Lydus, De mens. 4,65) geben an, dass die Verehrung von Venus Verticordia auf matronae beschränkt war. Zur Bedeutung von Venus Verticordia siehe Val. Max. 8,15,12 und Solinus 1,126. 16 FANTHAM 1998, 120 unterstellt, dass die Verehrerinnen von Fortuna Virilis Prostituierte waren, aber POMEROY 1975, 208 zeigt richtig auf, dass es unklar ist, wer die Göttin verehrte. Siehe auch MCGINN 1998, 25.
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Qualitäten machten eine Frau zur sanctissima femina und unterschieden sie von ihresgleichen? Wer hatte die Autorität, dies zu entscheiden? Und umgekehrt, wie konnten Frauen selbst religiöse Beteiligung als Plattform für eine Verbesserung oder als Werbung für ihre eigene gesellschaftliche Position verwenden?
2 Priesterschaften Frauenrituale im römischen religiösen Kalender unterstützen die weiblichen Ideale von Keuschheit (jungfräulich oder ehelich) und Fruchtbarkeit.17 Die Voraussetzungen für die Aufnahme in öffentliche Priesterschaften hatten ähnliche Wirkung, da sie solchen Frauen zu Ansehen verhalfen, die jene Eigenschaften vertraten, die die römische Gesellschaft am meisten schätzte. Für männliche und weibliche religiöse Ämter waren die Hauptkriterien gleichermaßen ein hervorragender Stammbaum und musterhaftes Verhalten, obwohl das Maß, dass für Letztgenanntes angesetzt wurde, für Männer und Frauen sehr unterschiedlich definiert war. Die enge Verbindung zwischen prominenten politischen Familien aus Rom und männlichen öffentlichen Priesterschaften ist gut bekannt. In der frühen Republik waren öffentliche Priesterschaften und politische Ämter ausschließlich Patriziern vorbehalten, somit wurde die traditionelle oligarchische Tendenz religiöser und ziviler Ämter garantiert. Sogar nachdem Plebejern Ende des vierten Jahrhunderts erlaubt wurde, in die bedeutenden priesterlichen Kollegien einzutreten, behielten die Kollegien ihren elitären Charakter. Die neuen plebejischen Priester waren Aristokraten, die alles besaßen, außer patrizischer Abstammung: non infimam plebem sed ipsa capita plebis (‹nicht die Niedrigsten des Volkes aber seine Führer›, Livius 10,6,4). Eine prosopographische Untersuchung von männlichen öffentlichen Priestern aus der Zeit der römischen Republik zeigt, dass nicht nur die meisten von ihnen aus Familien der politischen Elite Roms stammten, sondern dass sie auch selbst Männer konsularischen Ranges waren. Mit anderen Worten: Sie waren die Elite der Elite.18 Die Prosopographie ist in Bezug auf weibliche Priesterschaften wenig hilfreich, da uns die Namen von nur sehr wenigen Priesterinnen aus der Republik bekannt sind. Gut unterrichtet sind wir über die Vestalinnen, welche, wie unsere Quellen berichten, aus den Reihen der Töchter der führenden Familien 17 Diese Vorstellung ist allgegenwärtig in den Untersuchungen über Frauenrituale in Rom, obwohl die Forschung uneins über das Ausmaß ist, mit dem diese Ideale den Frauen von einer männerdominierten Gesellschaft aufgezwungen wurden. Die Diskussion in diesem Aufsatz über den Prozess, wonach Frauen eine von ihnen für eine religiöse Ehre auswählten, legt nahe, dass römische Frauen in mancher wichtigen Hinsicht aktive Teilnehmerinnen waren, die traditionelle weibliche Ideale förderten. 18 SZEMLER 1972, 30 f. Umfassende Dokumentation: RÜPKE 2005.
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dieser Epoche ausgewählt wurden.19 Das scheint die Regel gewesen zu sein. Zum Beispiel trugen alle drei Vestalinnen, die in den Jahren 114 und 113 v. Chr. der Unkeuschheit beschuldigt wurden, die Namen von prominenten politischen gentes: Aemilia, Licinia und Marcia. Für die Erstgenannte lässt sich keine Verbindung zu einem bestimmten Familienzweig herstellen, aber Licinia war nach aller Wahrscheinlichkeit die Tochter von C. Licinius Crassus, dem Tribun der plebs im Jahr 145. Marcia war höchstwahrscheinlich die Tochter des Prätors von 144, Q. Marcius Rex, und die Schwester seines Sohnes, auch Q. Marcius Rex, Konsul des Jahres 118.20 Der Elitestatus zweier anderer öffentlichen Priesterinnen, der flaminica Dialis und der regina sacrorum, wurde durch die Bedingung sichergestellt, dass sie durch den Ritus der confarreatio mit ihren priesterlichen Pendants vermählt wurden.21 Diese formale antike Zeremonie war wahrscheinlich nur den Patriziern vorbehalten und wurde, seit sie die Teilnahme des pontifex maximus und des flamen Dialis erforderlich machte,22 vermutlich nur für auserlesene römische Familien abgehalten. Es ist zu bezweifeln, dass die Inhaber solcher machtvollen religiösen Ämter an den Hochzeiten von weniger prominenten Römern beteiligt waren. Vorbildliches Verhalten und ein einwandfreier Ruf waren die anderen Hauptbedingungen, die an Priester und Priesterinnen gleichermaßen gestellt wurden, wenn auch auf der Grundlage sehr unterschiedlicher Maßstäbe. Für Priester war der Maßstab auf einer ziemlich niedrigen Stufe angesetzt. Auguren und die Arvalen behielten ihre Priesterschaften, gleichgültig, wie sie sich verhielten, auch wenn andere Priester ihre religiösen Ämter einbüßten, wenn sie vor Gericht verurteilt worden waren.23 Selbst Inkompetenz scheint 19
Gell. 1,12,5 und 12; Dio 55,22,5 (erfolgloser erster Versuch, im Jahr 5 n. Chr. eine Vestalin aus freigelassenen ritterlichen Kandidatinnen zu wählen). 20 MRR 1.534 und 537, (114–113). Zu den familiären Verbindungen der betroffenen Vestalinnen siehe E. KLEBS, RE 1.590–1, s. v. ‹Aemilia (153)›; F. MÜNZER, RE 13.498, s. v. ‹Licinia (181)›; und F. MÜNZER, RE 14.1601–02, s. v. ‹Marcia (114)›. Zum Vater von Licinia siehe MRR 1.470, s. a. 145; zum Vater und Bruder von Marcia, MRR 1.471, s. a. 144 und 1.527 und 118; vgl. RÜPKE 2005, Nr. 491, 2219 und 2361. S. a. unten Anm. 29. 21 Gai. Inst. 112; Tac. Ann. 4,16. Zum Status und zu den Ritualen einer Speltbrotehe siehe TREGGIARI 1991, 21–4 und LINDERSKI 1995. Gaius, Inst. 1.112, berichtet, dass der rex sacrorum per confarreatio vermählt werden muss. Die einzige literarische Aussage zur regina sacrorum, Ehefrau des rex, stammt von Macrobius, der mitteilt, dass sie ein Opfer an Juno zum ersten jeden Monats darbrachte (Sat. 1,15,19). PALMER (1974, 23–4 und 34) will sie als eine Vertreterin des Kultes der Juno identifizieren und interpretiert Macrobius’ Angabe so, dass die regina sacrorum tatsächlich eine Priesterin der Göttin war. Eine überzeugendere Interpretation wird jedoch von SCHEID (1992, 384) und BOE¨ LS-JANSSEN (1993, 393) geboten, die das Opfer der regina als einen integralen Bestandteil der Ritualfunktionen betrachten, die dem Paar oblagen, welches als rex und regina sacrorum diente. Zwei kaiserliche Inschriften aus Rom benennen eine regina sacrorum (CIL 6,2123/24 = ILS 4941/41a). Vgl. WISSOWA 1912, 506. 22 Serv. ad Georg. 1,31 = Thilo und Hagen 1881–7, 3.139. 23 Plut. Mor. 287 D-E = RQ 99; Plin. Nat. 18,2,6. Vgl. BEARD 1990, 24.
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kaum Gegenstand einer Infragestellung gewesen zu sein. Berichte, wie der eines flamen Dialis, der seinen Posten aufgab, nachdem er bei einem Opfer einen Fehler gemacht hatte, sind selten.24 Schließlich scheinen sexueller und familiärer Status nicht wichtig für männliche Priesterschaften gewesen zu sein: Unsere Quellen schweigen zu dem Thema in Hinblick auf die meisten dieser Ämter. Die Ausnahme stellt der flamen Dialis dar, dem es nur erlaubt war, einmal, mittels confarreatio, zu heiraten, und der sein Amt niederlegen musste, falls seine Ehefrau sterben sollte.25 Wir wissen nicht, ob vom rex sacrorum, dessen Ehe ebenfalls mit einer confarreatio geschlossen werden musste, verlangt wurde, seinen Posten aufzugeben, wenn seine Ehefrau, die regina sacrorum, vor ihm starb; aber wir dürfen es vermuten. Noch weniger ist über die pontifices bekannt. Tertullian ist die einzige Quelle, die Auskunft über die Bedingung gibt, dass der pontifex maximus nur einmal heiraten durfte.26 Wenn diese Regel jemals existierte, dann wurde sie in der späten Republik gelockert: Julius Caesar hatte dieses Amt inne, trotz seiner Scheidung von Pompeia nach ihrer (angeblich) unwissentlichen Verwicklung in den BonaDea-Skandal von 62 v. Chr. und seiner anschließenden Heirat mit Calpurnia.27 Für Frauen wurde die Norm für priesterliches Verhalten weit rigoroser und persönlicher ausgelegt. Die strengsten Formen von Keuschheit mussten befolgt werden. Die flaminica Dialis und – so nehmen wir an – auch die regina sacrorum mussten sich an den Maßstab makelloser matronaler Keuschheit halten: Scheidung war nicht erlaubt.28 Die Vestalinnen waren berühmt für ihre sexuelle Enthaltsamkeit: Ihre aristokratische Abstammung und ihr Eintrittsalter, das zwischen sechs und zehn Jahren lag, garantierten im Wesentlichen ihre Jungfräulichkeit, die für die Dauer ihrer Amtszeit unangetastet bleiben musste. Wurde dagegen verstoßen, drohte die Todesstrafe.29 Weniger streng, aber immer noch viel strenger als die Strafe, die irgendeinem männlichen Priester drohte, war die Ahndung von Versagen bei der Erfüllung priesterlicher Pflichten: Eine Vestalin, die das Feuer der Göttin verlöschen ließ, konnte vom pon24
Liv. 26,23,8; dazu RÜPKE 2005. Gell. 10,15,1–32; Gai. Inst. 112. 26 Tert. Cast. 13,1 und Monog. 17,4. Zum Vorkommen der Cerespriesterinnen in diesem Katalog siehe S. 15 unten. 27 Julius Caesar wurde im Jahr 73 v. Chr. in das Pontifikat und nach dem Tod des Q. Caecilius Metellus Pius im Jahr 63 zum pontifex maximus gewählt, wobei er über ältere Gegenkandidaten siegte. MRR 2.113–14, (73) und 2.171, (63). Siehe S. 40 unten. 28 Fest. 79 L; Serv. ad Aen. 4,29 = Thilo und Hagen 1881–7, 1.465; Tert. Cast. 13,1 und Monog. 17,4. 29 Der am besten dokumentierte Fall aus der republikanischen Zeit ist das Gerichtsverfahren gegen drei Vestalinnnen in den Jahren 114–113 v. Chr. Siehe oben S. 12. In einer anfänglichen Verhandlung wurde nur eine Priesterin verurteilt. Nach einem öffentlichen Aufschrei wurde jedoch über die Vestalinnen erneut verhandelt; dieses Mal wurden alle drei verurteilt. In der Folge dieses Vorfalls wurde der Venus Verticordia ein Tempel gebaut: Dio. 26,87,1–5; Liv. Per. 63; Obs. 37. Siehe auch Plut. Mor. 283F–284C = RQ 83. 25
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tifex maximus mit körperlicher Züchtigung bestraft werden.30 Die Quellen bewahren Stillschweigen über Strafen, die über andere Priesterinnen verhängt wurden. Abgesehen von diesen am meisten bekannten öffentlichen Priesterschaften in Rom selbst, geben die antiken literarischen Quellen nur wenig Auskunft über die Ämter anderer Kulte im übrigen römischen Italien. Folglich können wir nur darüber spekulieren, was die Bedingungen für das Ausüben dieser Ämter gewesen sind; wenn wir auch mit einer gewissen Sicherheit vermuten können, dass moralische Rechtschaffenheit und ausgezeichnete familiäre Verbindungen eine Rolle im Auswahlprozess gespielt haben. Die Namen aller weiblichen sacerdotes, die aus republikanischen Inschriften bekannt sind, sind Namen frei geborener Frauen: Priesterinnen der Ceres aus Rom, Atina, Sulmo, Torre dei Passeri und Formiae;31 Priesterinnen der Venus aus Bovianum und Teate Marrucinorum;32 sacerdotes Cereris et Veneris aus Casinum und dem Gebiet um Sulmo;33 schließlich eine Priesterin des Liber bei Aquinum.34 Wie wir bereits sehen konnten, wurde der familiäre Status von den verschiedenen römischen öffentlichen Kulten unterschiedlich bewertet: Priesterinnen der Vesta blieben natürlich unverheiratet, aber die flaminica Dialis und die regina sacrorum waren angewiesen, eine Ehe einzugehen. Welche Bedeutung der familiäre Status für eine weitere Gruppe öffentlicher Priesterinnen, und zwar für die Priesterinnen der Ceres gehabt hat, ist weniger klar.35 Zu 30
Plut. Numa 10,4–7. Rom: CIL 12,974 = 6,2182 = ILS 3342 = ILLRP 61. Atina: CIL 12,1532 = 10,5073 = ILS 3344 = ILLRP 62. Sulmo: CIL 12,3216. Torre dei Passeri: CIL 12,3257. Formiae: CIL 12,3110 = 10,6103. 32 Bovianum: CIL 12,1751 = 9,2569 = ILLRP 273. Teate Marrucinorum: CIL 12,3260 (= revidierter Text von CIL 9,3032; aus Teate Marrucinorum). Vgl. CIL 9,3166 = ILS 3187 und CIL 9,3167 (beide aus Pratola) und AE 1980, 374 (undatiert; aus Pescara). 33 CIL 12,1541 = 10,5191 = ILLRP 63; CIL 12,1774 = 9,3087 = ILLRP 65; CIL 12,1775 = 9,3090 = ILS 3351 = ILLRP 66. Dazu ergänzend: CIL 12,1777 = 9,6323 aus Pentima: Titia L. f. sacerdos (Kultzugehörigkeit unbekannt). COLONNA (1956, 216) nimmt berechtigterweise an, dass auch Titia eine Priesterin der Ceres und Venus war: Keine andere Priesterschaft ist für die Region in dieser Zeit bekannt. Die Priesterschaft ist bis zur Kaiserzeit bestätigt (CIL 9,3089; aus Sulmo). Die Forschung diskutiert über die Bedeutung der ‹Herentas-Inschrift›, eine Grabesinschrift aus dem ersten Jahrhundert v. Chr., verfasst in Paelignian von einer Priesterin der Ceres (und Venus?) aus Corfinium. Vgl. COLONNA 1956 und PERUZZI 1995 (einschließlich eines Textes der Inschrift). 34 CIL 12,1550 = 10,5422 = ILS 3353 = ILLRP 205. 35 Cicero (Balb. 55) teilt uns mit, dass die griechischen Frauen, die zu Priesterinnen der Ceres in Rom gewählt wurden, zu Bürgern gemacht wurden, damit sie, als Bürger, die Riten im Namen des Volkes durchführen konnten (sacra pro civibus civem facere) und damit sie mit einer wahrhaft römischen Gesinnung beten konnten (mente domestica et civili). In der epigraphischen Aufzeichnung sind beide Priesterinnen der Ceres, die aus Rom bekannt sind, als sacerdos Cereris publica identifiziert (CIL 12,974 = 6,2182 = ILS 3342 = ILLRP 61 und CIL 6,2181 = 6,32443) wie auch die zwei aus Teanum Sidicum (CIL 10,4793 und 4794). Alle anderen bekannten Mitglieder der Priesterschaft haben nicht diese Bezeichnung erhalten, was 31
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Recht wird allgemein angenommen, dass diese Frauen für die Dauer ihrer Amtszeit unverheiratet blieben.36 Der unbestimmte Charakter der Belege macht jedoch eine Überprüfung der relevanten Quellen lohnenswert. Der locus classicus für die Priesterinnen der Ceres in Rom, Cicero, Pro Balbo 55, wirft die Frage nach ihren familiären oder sexuellen Status nicht auf. Ovid berichtet uns, dass die Verehrerinnen der Ceres für neun Nächte um die Zeit des jährlichen Festes zu Ehren der Göttin sexuell enthaltsam blieben, aber er gibt keine klare Auskunft darüber, ob die Priesterinnen der Ceres entweder derselben oder einer strikteren Forderung nachkamen.37 Es scheint, dass familiäre Beziehungen während der Festveranstaltung im Allgemeinen verschwiegen wurden: Servius zitiert als Beweis für die Abneigung der Göttin gegen die Ehe die Tatsache, dass bei ihren Riten niemand Väter oder Töchter erwähnt: et Romae cum Cereri sacra fiunt, observatur ne quis patrem aut filiam nominet, quod fructus matrimonii per liberos constet (‹und in Rom, wenn sie das Fest der Ceres feiern, wird die Regel befolgt, dass niemand einen Vater oder eine Tochter erwähnen sollte, weil die Frucht der Ehe aus Kindern besteht›).38 Der vielleicht überzeugendste Beweis für die Keuschheit der Priesterinnen der Ceres stammt aus Tertullians De Monogamia (17,3–4), wo sie im Rahmen eines Kataloges von paganen Kulten und Priestern erwähnt werden, die sich mit dem Christentum am Stellenwert ihrer Keuschheit messen. Tertullian behauptet, dass die Priesterinnen der Ceres Frauen waren, die mit Zustimmung ihrer Ehemänner ihre Ehen auflösten und fortan als unverheiratete Witwen im Dienste der Göttin standen. Da Tertullian an anderer Stelle angibt, dass er sich auf den Kult der afrikanischen Ceres (Cast. 13) bezieht, sollten wir jedoch nicht automatisch annehmen, dass das Gleiche auf den Kult der römischen Ceres zutrifft.39 die Möglichkeit einräumt, dass Rom und Teanum Sidicum ihre Cereskulte anders als andere Städte in Italien organisierten. SPAETH 1996, 104–7. 36 F. GRAF, Der Neue Pauly 2.1072, s. v. ‹Ceres›; WISSOWA 1912, 301; Le BONNIEC 1958, 411–12; PERUZZI 1995, 10; SPAETH 1996, 115. 37 Met. 10,431–5, Am. 3,10. Obwohl die Episode in Met. 10 sich in Cyprus ereignet, soll Ovids Beschreibung des Ritus nach den Feierlichkeiten in Rom gestaltet sein (FRAZER 1929, 3.306; LE BONNIEC 1958, 410 f.; BÖMER 1969–86, 5.147–8; contra WISSOWA 1912, 301 Anm. 8). 38 Serv. ad Aen. 4,58 = Thilo und Hagen 1881–7, 1.473. 39 Beide von Tertullians Belegen zu den ehelosen Cerespriesterinnen erscheinen in ähnlichen Verzeichnissen paganer Priester und Kulte, die entweder eheliche oder virginale Keuschheit einhielten: die flaminica, der pontifex maximus, die Vestalischen Jungfrauen, das Gefolge des Ägyptischen Stieres (Apis) und die Priesterinnen der Ceres, der achäischen Juno, des Apollos aus Delphi und der Diana. Die Liste aus Cast. 13 ist umfangreicher, insofern Tertullian hier Priesterinnen der afrikanischen Ceres genau angibt und das Gefolge der Minerva hinzufügt. Ist auch die beinahe identische Beschaffenheit der Listen gegeben, ist es doch sinnvoll anzunehmen, dass beide Verweise sich auf den Kult der afrikanischen Ceres beziehen. Der afrikanische Kult der Göttin unterschied sich von ihrem hellenisierten itali-
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Die einschlägigen Inschriften können kaum zur Klärung beitragen. Beinahe alle Inschriften, die Bezug auf Priesterinnen der Ceres in der republikanischen Periode nehmen, befinden sich auf Grabsteinen, die nur den Namen der Priesterin und ihren Titel wiedergeben, zum Beispiel Munniai C. f. / sacerd(oti) Cer(eris); somit liefern sie keine Hinweise auf den familiären Stand der Priesterin.40 Die einzige Ausnahme hierzu stellt ein Grabstein für Caesia, Tochter von Novius Caesius, dar. Hierauf wurde Caesia durch Quintus Caesius, Sohn des Quintus, gedacht, der sich selbst als ihr nepos ausgibt (CIL 12,3110 = 10,6103; aus Formiae). Es ist nicht sicher, ob nepos hier als ‹Neffe› oder ‹Enkel› gemeint ist, weil beide Wortbedeutungen für die Republik bezeugt sind.41 Wahrscheinlicher ist jedoch, dass Quintus der Neffe der Priesterin gewesen ist. Die Ähnlichkeit seines und seines Vaters Namen im Vergleich zu ihrem Namen und das Fehlen eines Hinweises auf einen potentiellen freigelassenen oder sklavischen Status lassen darauf schließen, dass Caesia seine agnatische Tante gewesen ist. Eine Untersuchung der Indices der Inscriptiones Latinae Selectae (ILS), DESSAUs repräsentativer Inschriftensammlung aus der ganzen römischen Welt, und der Bände des Corpus Inscriptionum Latinarum (CIL), die die Bereiche Rom und südliches Italien (VI, IX und X) abdecken, deutet darauf hin, dass Inschriften aus der Kaiserzeit, die das Leben von Priesterinnen der Ceres zum Inhalt haben, im allgemeinen dem Muster ihrer republikanischen Pendants folgen, nämlich nur selten mehr als lediglich einen Namen und ein Amt preiszugeben. Es gibt jedoch drei Inschriften aus kaiserlicher oder unbekannter Zeit, die familiäre Beziehungen wiedergeben: 1) Sallu[s]tiae Sat/urniae / sacerdoti / deae / Cereris / fili (CIL 10,6109; aus Formiae). Ihre Söhne (errichteten diesen Stein) für Sallustia Saturnia, Priesterin der Göttin Ceres. 2) D(is) M(anibus) / M. Caesi(o) M. f. Pal(atina tribu) Magni / IIvir(o) I(ure) D(icundo) IIvir(o) Q(uin)q(uennali) IIII / Tamudiae M. f. Severae / sacerdot(i) public(ae) Cerer(is) / M. Caesius Magnus / Caesia Severa Parenti/bus / D D bis (CIL 9,4200; möglicherweise aus Amiternum).42
schen Kult auf mehrere Arten, und es gibt wenig Hinweise, die darauf deuten, dass die Anforderungen, die an ihre afrikanischen Priesterinnen gestellt wurden, relevant für ihre italischen Pendants wären. Zur Betrachtung der afrikanischen Cer(er)es siehe PUGLIESE CARRATELLI 1981. Siehe RIVES 1995, 45–51 und 157–161 zur Diskussion über die Verpflanzung von afrikanischen und italischen Traditionen in den Cereskult in Karthago und zu den Unterschieden zwischen dem Kult der Göttin in Nordafrika und Rom. 40 CIL 12,1532 = 10,5073 = ILS 3344 = ILLRP 62 (aus Atina), CIL 12,974 = 6,2182 = ILS 3342 = ILLRP 61 (aus Rom), CIL 12,3257 (aus Torre dei Passeri). 41 FORCELLINI 4.256–7, s. v. ‹nepos›. 42 Der Stein ist verloren gegangen, und sein jüngster Herausgeber bezweifelt seine Herkunft (SEGENNI 1992, 34).
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An die Totengötter für Marcus Caesius, Sohn des Marcus Caesius Magnus, registriert in der palatinischen Tribus, Mitglied der Kommission aus duovir mit gerichtlicher Kompetenz und (er diente) viermal für fünf Jahre als duovir, und für Tamudia Severa, Tochter des Marcus Tamudius, eine öffentliche Priesterin der Ceres. Marcus Caesius Magnus und Caesia Severa stiften dies zusammen als Geschenk an ihre Eltern. 3) M. Alleio Luccio Libellae patri aedili / IIvir(o) praefecto, quinq(uennali) et M. Alleio Libellae f. / decurioni vixit annis XVII locus monumenti / publice datus est. Alleia M. f. Decimilla sacerdos / publica Cereris faciundum curavit viro / et filio (CIL 10,1036 = ILS 6365; aus Pompeii). Für Marcus Alleius Luccius Libella, den Vater, (der als) Ädil (diente), Mitglied der Kommission aus zwei Präfekten und quinquennalis, und für Marcus Alleius Libella, Sohn des Marcus Alleius Libella, der ein Dekurio gewesen ist und der siebzehn Jahre alt wurde, der Platz für dieses Monument wurde öffentlich zur Verfügung gestellt. Alleia Decimilla, Tochter des Marcus Alleius und öffentliche Priesterin der Ceres, überwachte, dass dies für ihren Ehemann und Sohn errichtet wurde.
Diese Inschriften bekräftigen, dass die Priesterinnen der Ceres in der Kaiserzeit auch weiterhin aus prominenten Familien abstammten: Die meisten der hier erwähnten Männer hatten hohe Positionen in einer lokalen Verwaltung inne, was eine ausgezeichnete soziale Stellung für sie selbst und ihre weiblichen Verwandten impliziert.43 Für die ersten beiden Inschriften ist es vorstellbar, für die dritte ist es gewiss, dass die erwähnte Priesterin zumindest für einen Teil ihrer Amtszeit eine Witwe gewesen ist. Somit könnte Tertullian Recht haben, wenn er darauf hinweist, dass die Ehen der Frauen, die einen Platz in der Priesterschaft der Ceres einnehmen wollten, zuvor aufgelöst wurden (obwohl vielleicht nicht alle Verbindungen zu ihren Familien abgebrochen wurden). Allerdings ist es schwer vorstellbar, dass die Ehemänner bereitwillig in die Scheidung einwilligten, um die Frauen in die Priesterschaft zu entlassen, wie es Tertullian behauptet. Wahrscheinlicher ist, dass eine Mitgliedschaft in dieser Priesterschaft eher für Witwen oder ältere Frauen, die niemals verheiratet waren, gedacht war.44 Dass familiäre Beziehungen in diesen drei späteren Inschriften erscheinen, kann auch auf eine chronologische oder geographische Abweichung zurückzuführen sein. Tertullians Aussage könnte für die Priesterschaft, wie sie in Rom existierte, richtig sein, aber sie wird nicht für die Priesterschaften anderer Städte innerhalb Italiens oder vielleicht nicht für alle Epochen gleichermaßen zutreffend sein.
43 LAFFI 1973 zu italienischen Munizipalbeamten. Alleia, ihr Ehemann und Sohn erscheinen in: CASTRE´ N 1975, Nr. 23,8. 12 und 13 respektive (S. 133). In seiner Behandlung der Priesterinnen in Pompeji (S. 70–72) folgert CASTRE´ N, dass sie aus den obersten Rängen der lokalen Gesellschaft rekrutiert wurden. 44 Cicero (Verr. 4,99) teilt uns mit, dass die Priesterinnen aus Catena und die antistitae, die sie bei den täglichen Kultfunktionen unterstützten, ältere aristokratische Frauen waren (maiores natu probatae ac nobiles mulieres), und gibt zu verstehen, dass der römische Kult in einer ähnlichen Art und Weise eingerichtet war.
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Letztendlich erlauben die Zeugnisse über den Kult der Ceres keine zuverlässigen und schnellen Schlüsse über den familiären Status der Amtsträgerinnen, obwohl sie darauf hindeuten, dass die Priesterinnen für die Dauer ihrer Amtszeit unverheiratet waren. Eine solche Schlussfolgerung lässt sich gut in den Kontext der öffentlichen weiblichen Priesterschaften in Rom stellen. Ein matronaler Status scheint entweder völlig unvereinbar mit der Mitgliedschaft in einer öffentlichen Priesterschaft (Vestalinnen) gewesen zu sein, oder er war absolut notwendig für ein solches Amt, wenn es in Zusammenhang mit einer männlichen Priesterschaft stand (flaminica Dialis und regina sacrorum).
3 Der Auswahlprozess Im Zusammenhang mit den Kriterien, durch die eine Frau für ein religiöses Ehrenamt bestimmt wurde, steht die Frage, wie sie ausgewählt wurde. Die Priesterinnen der Vesta wurden durch den pontifex maximus bestimmt, der zwanzig Kandidatinnen aus jungen Mädchen zwischen sechs und zehn Jahren auswählte. Das Los entschied dann, welche von ihnen die neue Priesterin wurde. Der pontifex maximus gab den Namen der neuen Priesterin bekannt und sprach sie als amata an.45 Andere Priesterinnen, und zwar die flaminica und die regina sacrorum, erhielten ihre religiösen Ämter aufgrund ihrer Ehen mit Männern, die vom pontifex maximus für die Priesterschaft bestimmt wurden. Obwohl Status und Reputation dieser Frauen eine Rolle bei der Auswahl eines verheirateten Paares mit gemeinschaftlicher Priesterschaft gespielt haben müssen, konzentrieren sich unsere Quellen auf die Qualifikationen der Ehemänner. Einige andere Frauen, die keine Priesterinnen waren, aber religiöse Ehren erhielten, kamen nur deshalb in den Genuss dieser Auszeichnung, weil ihre Ehemänner führende Politiker der Zeit waren. Zum Beispiel war die Ehefrau eines der jeweils führenden Politiker jeden Dezember Gastgeberin bei einem ausschließlich weiblichen Ritual zu Ehren der Bona Dea, das in ihrem Haus durchgeführt wurde. Die prominentesten Damen Roms verbrachten die Nacht in Gesellschaft der Vestalischen Jungfrauen, beteten und opferten im Namen des römischen Volkes.46 Für die Gastgeberinnen dieser Abende galten die gleichen Maßstäbe wie für die Priesterinnen: Abstammung (garantiert durch ihre soziale Position) und beispielhaftes Verhalten. Die Bedeutung eines makellosen Rufes wird durch die Nachwirkungen von Clodius’ erfolgreicher Infiltration der Feierlichkeiten zu Ehren der Bona Dea im Hause Julius Caesars im Jahr 62 v. Chr. veranschaulicht. Obwohl Caesars Frau Pompeia von jeglicher Schuld freigesprochen wurde, blieb der Makel des Verdachtes an ihr 45 46
Gell. 1,12,11–14. Plut. Cic. 4–5; BROUWER 1989, 254–6.
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haften und machte sie somit zu einer unpassenden Gemahlin für eine wichtige politische Persönlichkeit der Stadt (Prätor).47 Scheidung war die rasche Folge. In einigen Fällen hing die Auswahl einer Frau, die eine außerordentliche öffentlich-religiöse Aufgabe übernehmen sollte, nicht von der Position ihres Ehemanns als eines Mitglieds der römischen politischen oder priesterlichen Elite ab. Eine Untersuchung mehrerer Berichte aus der Republik legt die Vermutung nahe, dass die Römer einen regulären Mechanismus und Standardkriterien besaßen, mit denen einzelne Frauen zu diesem Zweck bestimmt wurden.48 Zuerst wählte der Senat eine Anzahl von Frauen – immer matronae – aus, die sich auf nur zehn oder nicht weniger als alle verheirateten Frauen Roms belief. Die ausgesuchten Frauen bestimmten dann aus ihrer Mitte diejenige Frau, die schließlich die Ehre erhalten würde. Dieser Auswahlprozess, bei dem Frauen andere Frauen wählten, funktionierte nach dem gleichen Prinzip – obgleich in einem viel kleineren und weit eingeschränkteren Rahmen –, das auch dem regulären Prozess, mit dem Männer in politische Ämter gewählt wurden, zugrunde lag: Alle Erwachsenen, die einer allgemeinen sozialen Gruppe angehörten, hatten die Berechtigung die Meriten ihresgleichen zu bewerten, um so mit Problemen umzugehen, die die Gruppe als Ganze betrafen. Matronen wurden durch Matronen gewählt, um im Namen des römischen Volkes auf religiöse Krisen, die den weiblichen Bereich berührten, zu reagieren. Im Gegensatz dazu wurden die Vestalischen Jungfrauen, öffentliche Priesterinnen, deren Handeln pro populo nicht auf die Reaktion auf Prodigien und Prophezeiungen, die die Angelegenheiten von Frauen betrafen, beschränkt war, von den Göttern selbst erwählt, nämlich durch Ziehen von Losen mit Kandidatinnen, die vom pontifex maximus vorbestimmt worden waren.49 Die Geschichte vom Streit über die Einrichtung eines Tempels für Fortuna Muliebris bietet ein gutes Beispiel für den Verlauf dieses Prozesses. Angeblich habe sich das Ereignis in der frühesten Republik abgespielt, seine Historizität ist jedoch ungewiss. Gleichwohl muss die Geschichte für die Leser im frühen Kaiserreich sinnvoll gewesen sein, da unsere Hauptquellen für diese Erzählung, Livius und Dionysius von Halicarnassus, aus dieser Zeit stammen. Wie wir noch sehen werden, stimmen die Details dieser Erzählung tatsächlich mit denen anderer Berichte aus späteren Epochen überein, als schriftliche Aufzeichnungen vorhanden waren, was darauf schließen lässt, dass, selbst wenn die Geschichte von Tempel der Fortuna Muliebris eine Schöpfung einer späteren Zeit ist, die Details Valerias Wahl nach der historischen Realität fingiert wurden. 47 Cic. Att. 1,13,3 = D. R. SHACKLETON BAILEY, Cicero’s Letters to Atticus (Cambridge University Press, 1965–70), Nr. 13; Suet. Iul. 6,2; Plut. Caes. 9,1–10,11; MRR 2,173, (62). BROUWER 1989, 363–370. 48 GAGE´ 1963, 126–131. 49 Gell. 1,12,11–14.
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Als Belohnung dafür, dass Fortuna Muliebris im Jahr 488 v. Chr. einen Konflikt zwischen römischen Soldaten und den volskischen Truppen des Coriolanus abgewandt hatte, erbaten die matronae Roms vom Senat die Erlaubnis, aus eigenen Mitteln einen Tempel für die Göttin errichten zu dürfen.50 Der Senat, der bereits gelobt hatte, den Frauen jede Bitte zu gewähren, stimmte mit den Frauen darin überein, dass ein Tempel für die Göttin der geeignete Weg wäre, um die Dankbarkeit der Römer zum Ausdruck zu bringen, er verweigerte den Frauen aber die Erlaubnis, den Tempel zu finanzieren oder selbst zu stiften. Stattdessen wurde die Aufgabe den pontifices übertragen. Als Ausgleich erhielten die Frauen das Recht, eine aus ihrer Mitte zu wählen, um als Priesterin zu dienen und das Eröffnungsopfer im neuen Tempel zu leiten. Die Wahl fiel auf Valeria, die die rein weibliche Gesandtschaft, die zu Coriolanus geschickt wurde, organisiert hatte, was die Beendigung der Feindseligkeiten mit den Volskern zur Folge hatte. Valeria war eine Frau der Tat, mit ausgezeichnetem Ruf und stammte aus einer berühmten Familie: Sie war die Schwester von P. Valerius Publicola, der entscheidend dazu beitrug, Rom von der etruskischen Monarchie zu befreien. Plutarch beschreibt Valeria als eine Frau von Ehre und guter Reputation.51 Dasselbe Verfahren und die gleichen Kriterien, untadlige Reputation und vornehme Abstammung, wurden mehr als zweihundert Jahre später bei der Wahl Sulpicias zum Zweck der Weihung einer Statue der Venus Verticordia angewandt. Irgendwann im dritten Jahrhundert v. Chr., vor dem Zweiten Punischen Krieg, bestimmte der Senat auf Ratschlag der decemviri, die die Sibyllinischen Bücher konsultiert hatten, dass der Göttin eine Statue geweiht werden müsse, damit sich die Gedanken der Frauen und jungen Mädchen statt der Begierde der Keuschheit zuwenden mögen (quo facilius virginum mulierumque mens a libidine ad pudicitiam converteretur).52 Von allen verheirateten Frauen Roms wurde eine Gruppe von einhundert matronae ausgewählt. Diese Anzahl wurde dann mittels Los auf zehn begrenzt. Schließlich entschied sich diese kleinere Gruppe, Sulpicia, Tochter von C. Sulpicius Paterculus (Konsul im Jahr 258 v. Chr.) und Ehefrau von Q. Fulvius Flaccus (zum vierten Mal Konsul 209 v. Chr.), diese Ehre zu erteilen und ernannte sie zur sanctissima femina.53 Was Sulpicia von ihren Mitstreiterinnen unterschied, war nicht nur 50
Dion. H. 8,39,1–56.4; Liv. 2,40,1–13; Plut. Cor. 33,1–37,3. Plut. Cor. 33,1; Dion. H. 8,39,2. 52 Val. Max. 8,15,12. Vgl. Plin. Nat. 7,120, Solinus 1,126. Zur Datierung dieser Episode siehe Anm. 54, unten. 53 WISEMAN (1979, 98, Anm. 147) glaubt, dass diese Episode eine komplette Erfindung ist, da er von einer Verwirrung über das Datum der Weihung der Statue ausgeht. Die Episode wird im Allgemeinen auf das Ende des dritten Jahrhunderts datiert, basierend auf der Identifizierung von Sulpicias Vater und Ehemann (MRR 1,206 [258] und 1,285 [209]) und der Angabe des älteren Plinus (nat. 7,120), dass dies der erste Fall war, in dem eine Frau matronarum sententia für eine religiöse Ehrung ausgewählt wurde. Das zweite Mal war bei der Wahl von Claudia Quinta im Jahr 204 v. Chr. Julius Obsequens (37) berichtet jedoch, 51
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ihre ehrwürdige Abstammung und die Stellung ihres Ehemannes, sondern auch die Vorzüglichkeit ihres Verhaltens: Sulpicia war die Keuscheste von allen (cunctis castitate praelata est). Zwei Erzählungen aus der Zeit des Hannibal-Krieges illustrieren diesen Auswahlprozess ebenso. Im Jahr 207 v. Chr. verfügten die pontifices als Reaktion auf die Nachricht von der Geburt eines Zwitters in Frusinum, dass ein Chor bestehend aus siebenundzwanzig virgines durch die Stadt ziehen und dabei eine eigens dafür komponierte Hymne singen sollte.54 Während der Chor im Tempel des Jupiter Stator probte, schlug ein Blitz im Tempel von Juno Regina ein. Nachdem die haruspices dieses zweite Vorzeichen als die Matronen betreffend interpretierten, wiesen die kurulischen Ädilen die verheirateten Frauen aus Rom und dem Umland an, fünfundzwanzig Frauen aus ihrer Mitte auszuwählen, um finanzielle Mittel für eine Stiftung an Juno Regina aufzutreiben. Drei Jahre nach der Stiftung an Juno Regina wurde Claudia Quinta als weibliches Pendant zu P. Cornelius Scipio Nasica gewählt, um die Magna Mater in Rom zu begrüßen. Die Version der Geschichte, die den modernen Lesern am geläufigsten ist, ist eigentlich ein Pasticcio aus Erzählungen von Livius und Ovid:55 Nach Konsultation der Sibyllinischen Bücher beschloss der römische Senat, die Magna Mater oder vielmehr einen schwarzen Stein, der sie repräsentierte, aus Kleinasien nach Rom zu bringen. Als das Schiff mit der Göttin an der Mündung des Tiber eintraf, wurde sie von Nasica, den der Senat als den vir optimus von Rom bestimmt hatte, und den angesehensten Frauen der Stadt willkommen geheißen. Claudia befand sich nicht unter ihnen – offensichtlich zu Unrecht –, weil ihre Reputation nicht über jeden Zweifel erhaben war. Claudias Ruf wurde jedoch gerettet, als der Kahn, der das Abbild der Göttin trug, im Tiber auf Grund lief. Claudia trat hervor, erklärte, dass, wenn sie keusch wäre, die Göttin ihr nach Rom folgen würde, und zog dann dass ein Tempel für Venus Verticordia nicht vor 114 v. Chr. geweiht wurde, nämlich als Antwort auf die Bestrafung dreier Vestalinnen für incestum (s. o., Anm. 29). WISEMANs Skepsis ist unbegründet. Die antiken Quellen erlauben die sichere Identifizierung von Sulpicias Vater und Ehemann mit den gleichnamigen Konsuln im mittleren und späten dritten Jahrhundert. Des weiteren war es in der römischen religiösen Praxis möglich, eine Statue einer Gottheit in dem Tempel einer anderen zu weihen (siehe z. B. Plin. Nat. 36,24 und CIL 10,8416 = ILS 3487 (aus Cora): Matr[i] [Ma]tutae Magia Prisca signum Iovis d(onum) d(edit) – ‹An Mater Matuta, Magia Prisca stiftete diese Statue von Jupiter als ein Geschenk›. Folglich könnte die Statue ein Jahrhundert, bevor ein Tempel errichtet wurde, geweiht worden sein (siehe SCHILLING 1982, 226). Sulpicias Weihung fand wahrscheinlich vor dem Krieg mit Hannibal statt: Es ist unwahrscheinlich, dass die Weihung während dieses Krieges geschehen ist und Livius nicht darüber berichtet. Sulpicia könnte gut vor dem Konsulat ihres Vaters im Jahr 258 geheiratet haben und würde sich daher schon mehrere Jahrzehnte vor dem Hannibalischen Krieg als eine matrona qualifiziert haben. Siehe auch TORELLI 1984, 80–1, der Sulpicias Weihung nach dem Jahr 204 v. Chr. datiert. 54 Liv. 27,37,5–15. 55 Liv. 29,10,4–14,14 und Ov. Fast. 4,247–349.
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das Schiff den ganzen Weg bis in die Stadt hinein. Claudias Keuschheit wurde danach niemals wieder angezweifelt. Diese Version der Geschichte scheint nicht die erste und auch nicht die früheste gewesen zu sein. Republikanische Quellen, und zwar Cicero und Diodorus sprechen von Claudia als einem bekannten Vorbild weiblicher Tugend und weisen darauf hin, dass sie als Pendant zu Nasica auserwählt wurde.56 Plinus berichtet, dass es die Matronen von Rom waren, die Claudia für die Ehre, die Göttin begrüßen zu dürfen, erwählten, demzufolge zum zweiten Mal die pudicissima femina durch ihresgleichen ausgewählt wurde (erstmals Sulpicia für die Dedikation der Statue der Venus Verticordia).57 Viele Autoren aus der Kaiserzeit meinen jedoch, dass Claudias castitas suspekt war.58 Die Popularität der sensationelleren Version in der späteren Zeit mag von ihrer Bühnenaufführung herrühren: Ovid teilt uns mit, dass die überarbeitete Fassung öffentlich aufgeführt wurde, vermutlich beim jährlichen Fest zu Ehren der Magna Mater, was darauf hindeutet, dass die Geschichte für einen dramatischen Effekt abgeändert wurde.59 Ein Altar aus Rom, der vorläufig in die Regierungszeit des Tiberius datiert wurde, zeigt die Bühnenversion der Erzählung, wie Claudia das Schiff der Göttin hinter sich herzieht.60 Es ist gut möglich, dass diese drastische Version sogar aktiv in kaiserlicher Zeit gefördert wurde. Sie bot zweifellos gutes Theater und machte die Rolle der claudischen Familie bei der Ankunft der Göttin bedeutender.61 Höchstwahrscheinlich ist Ciceros und Diodorus’ Schilderung von Claudia näher an der Wahrheit: Claudia und Scipio Nasica wurden aufgrund ihres untadligen Rufes und ihren Verbindungen zu konkurrierenden politischen Familien ausgesucht, um die Magna Mater in Rom zu begrüßen.62 56 Cic. Cael. 34 und Har. 27 (matronarum castissima). Diod. Sic. 34/35,33,2 identifiziert die Frau als Valeria. 57 Plin. Nat. 7,120. 58 Die Geschichte erscheint in den Werken von nicht weniger als 30 verschiedenen Autoren, neben den Berichten von Livius und Ovid. Die Quellen wurden unermüdlich zusammengetragen und die Widersprüche zwischen ihnen ausführlich dargestellt von SCHMIDT 1909, 1–30. Siehe auch ROLLER 1999, 264–8. 59 Ov. Fast. 4,326. Zur Bedeutung des Dramas für die Entwicklung der römischen Geschichtsschreibung siehe WISEMAN 1994, 1–22. 60 CIL 6,492 = 6,30777. Die Widmung, die von Claudia Syntyche vorgenommen wurde, beinhaltet ein Relief von Claudia Quinta, ein Schiff ziehend, das die Statue von Cybele trägt. Unten befindet sich ein Inschriftentext: Matri deum et Navi Salviae Salviae voto suscepto Claudia Syntyche d(ono) d(edit) – ‹An die Mutter der Götter und an das Schiff [genannt?] Savior 〈Savior〉, Claudia Syntyche, die ein Gelöbnis leistete, stiftete dies als ein Geschenk.› An den Seiten des Altars befinden sich Reliefs von Kultmaterialien. Deutliche Fotografien vom Altar sind zu finden in: VERMASEREN 1977, Taf. 30; BEARD, NORTH und PRICE 1998, 2.46 und ROLLER 1999, 312. Datierung des Altars: R. T. Scott, persönliche Mitteilung. 61 Zur Diskussion des julisch-claudischen Interesses für den Cybelekult siehe VERMASEREN 1977, 40 f. und 177–9; WISEMAN 1979, 94–9; ROLLER 1999, 282 und 313 f. 62 GRUEN 1990, 26; WISEMAN 1979, 94–99; KÖVES 1963, 335–347.
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4 Selbstdarstellung Die Auswahl einer einzelnen Frau für eine religiöse Ehrenstellung, sei es durch den pontifex maximus oder die Matronen von Rom, unterstrich bei den Römern immer die Bedeutung der Stellung und des Ansehens einer Frau innerhalb der Gesellschaft insgesamt. Römische Frauen konnten auch eine aktive Rolle zum eigenen Nutzen einnehmen, indem sie religiöse Beteiligung nutzten, um ihre Präsenz im öffentlichen Bereich zu steigern. Zum Beispiel überliefert Polybius, der in der Mitte des zweiten Jahrhunderts v. Chr. schrieb, die Geschichte von Aemilia, der Ehefrau des großartigen Scipio Africanus und Adoptivgroßmutter des Gefährten von Polybios, P. Cornelius Scipio Aemilianus. Aemilia war bekannt für die Extravaganz, die sie zur Schau stellte, wenn sie an solchen öffentlichen Feierlichkeiten teilnahm, die Frauen offen standen.63 Nicht nur ihre Kleidung und die Ausstattung ihrer Kutsche fielen als luxuriös auf, sondern sie war auch für die große Anzahl ihrer Bediensteten (männliche und weibliche), die ihr Gefolge bildeten, und für die goldenen und silbernen religiösen Objekte (Körbe, Becher und andere Gerätschaften), die sie und ihre Begleiter mit sich führten, bekannt – keine Terrakotta-Libationsbecher für die Witwe des mächtigsten Mannes seiner Zeit. Nach dem Tod Aemilias erhielt Aemilianus von ihr ein großzügiges Erbe, das ihre gesamten rituellen Utensilien einschloss, welche er wiederum an seine Adoptivmutter Papiria weitergab. Wie uns Polybius mitteilt, besaß Papiria lange Zeit nicht die Mittel, um ihrem Range entsprechend leben zu können, und nahm somit nicht aktiv am öffentlichen religiösen Leben teil. Sobald sie in den Besitz von Aemilias Kutsche, Pferden, Dienern und der restlichen rituellen Ausstattung kam, besuchte Papiria wieder öffentliche Riten. Jedes der Individuen in dieser Geschichte war sich der Macht und sozialen Bedeutung der ‹conspicuous consumption›, demonstrativer Verschwendung, innerhalb eines religiösen Kontextes bewusst. Die vornehme Aemilia wurde so sehr mit ihrer religiösen Extravaganz identifiziert, dass, als Papiria schließlich in die Öffentlichkeit trat, die anderen anwesenden Frauen sogleich die Kutsche und die anderen Dinge als die der verstorbenen Aemilia wieder erkannten. Es war für eine aristokratische Frau so wichtig, bei Opfern oder anderen Riten ‹optisch zur Rolle zu passen›, dass Papiria es vorzog, lieber zu Hause zu bleiben, als dort in einer Aufmachung, die für ihre gehobene gesellschaftliche Position unziemlich war, zu erscheinen. Weiterhin erkannte Aemilianus den Nutzen für sich selbst, der ihm aus solch einer großmütigen Geste erwuchs.64 Polybius erzählt, dass in diesem Fall seine Großzügigkeit 63 Polyb. 31,26,1–10. Kommentar zu dieser Passage siehe WALBANK 1957–79, 3.503–5, welcher ein hilfreiches Familienstemma beifügt. 64 Zu Polybius’ Schilderung von Aemilianus’ öffentlicher Rolle als einer bewussten Konstruktion siehe WALBANK 1957–79, 3.499.
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von den Frauen in Rom wahrgenommen wurde, die nun für seinen anhaltenden Erfolg zu beten begannen, und dass damit der Grundstein für sein Renommee als nobler und tugendhafter Mann gelegt wurde. Eine andere Möglichkeit, mit der Frauen ihren Wohlstand und ihre Bedeutung innerhalb eines religiösen Kontextes demonstrieren konnten, boten Inschriften, die ihre umfangreichen Stiftungen im religiösen Bereich festhielten. Drei Inschriften aus der Zeit der Republik bescheinigen jeweils eine umfassende Renovierung im religiösen Umfeld, die von Frauen finanziert wurden, die anscheinend keine offizielle Kultposition innehatten. Es gibt daher keinen Grund zu der Annahme, dass eine solche Stiftung zwingend an ein religiöses Amt gebunden war: 1) Ansia Tarvi f. / Rufa ex d(ecurionum) d(ecreto) circ(a) / lucum macer(iam) / et murum et ianu(am) / d(e) s(ua) p(ecunia) f(aciendum) c(uravit) (CIL 12,1688 = 10,292 = ILS 5430 = ILLRP 574; aus Padula). Ansia Rufa, Tochter des Ansius Tarvus, sorgte auf Befehl der Dekurionen dafür, dass rings um den Hain eine Ziegelsteinmauer und eine (andere) Mauer und ein Tor gebaut wurde. Sie finanzierte das aus eigenen Mitteln. 2) Octavia M. f. Gamalai (uxor) / portic(um) poliend(am) / et sedeilia faciun(da) / et culina(m) tegend(am) / D(eae) B(onae) curavit (CIL 12,3025 = AE 1973, 127; aus Ostia). Octavia, Tochter des Marcus Octavius, Ehefrau von Gamala, sorgte dafür, dass der Portikus von Bona Dea poliert wurde, Sitzbänke aufgestellt wurden und dass die Küche ein Dach erhielt. 3) Publicia L. f. / Cn. Corneli A. f. uxor / Hercole aedem / valvasque fecit eademque / expolivit aramque / sacram Hercole restitu(it) / Haec omnia de suo et virei fecit / faciundum curavit (CIL 12,981 = 6,30899 = ILS 3423 = ILLRP 126; aus Rom). ˙˙ ˙˙˙ Publicia, Tochter des Lucius Publicius, Ehefrau von Gnaeus Cornelius, Sohn des Aulus Cornelius, erbaute diesen Tempel für Herkules und die Türen, und sie polierte sie. Und sie restaurierte den heiligen Altar für Herkules. Alle diese Dinge zahlte sie mit ihrem eigenen Geld und mit dem Geld ihres Ehemannes. Sie überwachte, dass alles so gemacht wurde.
Der Wohlstand dieser drei Frauen ist offenkundig. Ansia bezahlte die Mauern und das Tor aus eigener Tasche (de sua pecunia), für ein Projekt, das bedeutend genug war, dass es die Genehmigung durch lokale Beamte erforderlich machte. Auch wenn Ansia nicht den Namen der Gottheit, deren Bezirk sie aufwerten ließ, nennt, wird die religiöse Natur ihrer Schenkung doch durch den lucus verdeutlicht: Für die Römer waren Haine heilige Plätze.65 Octavia beansprucht nicht, all die Dinge selbst finanziert zu haben, aber ihre Prosperität ist aufgrund ihrer und der Stellung der Familie ihres Ehemannes gesichert. Sie war wahrscheinlich die Schwester der Senatoren M. und L. Octavii Ligures im frühen ersten Jahrhundert v. Chr.,66 deren Familie in Forum Clodii, 65
PALMER 1974, 79–171 (bes. 79–89); BODEL 1994. L. Octavius Ligus war Konsul im Jahr 75 v. Chr. (MRR 2.96). Sein Bruder Marcus war ein Senator (MRR 2.493); Cic. Verr. 2,1.125–127 und 2.2.21. Zu einer weiterführenden 66
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einer Stadt am Ufer des Sees Bracciano nördlich von Rom prominent war. Die Familie ihres Ehemannes, die gens Lucilia Gamala, gehörte zur lokalen Aristokratie in Ostia, wo die Inschrift gefunden wurde und wohin Octavia vermutlich nach ihrer Heirat umzog. Publicia und ihr Ehemann – keine von deren Familien ist mit Sicherheit bekannt67 – waren wohlhabend genug, um für einen Bau und eine Renovierung eines Heiligtums im beträchtlichen Umfang aufzukommen. Indem sie auf diese Art und Weise ihr finanzielles Engagement demonstrierten, ahmten Frauen wie Ansia, Octavia und Publicia die Zurschaustellung von Großzügigkeit nach, die bei wohlhabenden Männern, Privatpersonen oder öffentlichen Beamten, üblich war, wie folgende Beispiele zeigen:68 1) M. Caicilius L. (aut C.) f. / L. Atilius L. f. / praef(ecti) / pontem, peila[s] / faciundum / coirave[re] (CIL 12,1759 = 9,2802 = ILS 5896 = ILLRP 552; aus Castel di Sangro). Marcus Caecilius, Sohn des Lucius (Gaius?) Caecilius, und Lucius Attilius, Sohn des Lucius Attilius, überwachten als Präfekten,69 dass die Brücke und die Pfeiler [die sie tragen] gebaut wurden. 2) [L. Scri]bonius L. f. Lib(o) / patronus / [basi]licam de sua / [pec]unia dedit (CIL 12,1745 = 9,2174 = ILS 5528 = ILLRP 568; aus Airola). L. Scribonius Libo, Sohn des Lucius Scribonius, spendete als Patron diese Basilika aus eigenen Finanzmitteln.
Frauen und Männer aus der Oberschicht warben für sich und ihre Familien durch groß angelegte Stiftungen zum allgemeinen Wohl. Während Männer am häufigsten utilitaristische öffentliche Leistungen, wie eine Stützmauer,70 eine ausgebesserte Straße71 oder einen Abwasserkanal,72 finanzierten, scheinen Frauen in der Zeit der Republik die meisten ihrer Anstrengungen auf den quasi-öffentlichen Bereich der religiösen Heiligtümer konzentriert zu haben. Der Ausschluss der Frauen von der uneingeschränkten Teilnahme am öffentlichen Leben spiegelte sich in den Grenzen ihrer öffentlichen Generosität wider. Schließlich lockerten sich jedoch die Restriktionen: Im Laufe der Zeit kamen Frauen in den Genuss einer größeren Präsenz durch eine Bandbreite von Möglichkeiten öffentlicher Wohltaten variierenden Ausmaßes. In der Zeit des Übergangs von der Republik zum Prinzipat zum Beispiel ließen Frauen, die der lokalen Aristokratie in Paestum angehörten, nicht nur mehrere Tempel Diskussion über die Datierung von CIL 12,3025 und über die Familien von Octavia und ihrem Ehemann siehe CE´ BEILLAC 1973. 67 Es ist gut möglich, dass wir einen von Publicias Verwandten identifizieren können: Ein Publicius diente als Münzmeister im frühen ersten Jahrhundert v. Chr. Vgl. SCHULTZ 2000. 68 ILLRP bietet eine große Auswahl von Inschriften dieser Art im Abschnitt V: Magistratus Romani eorumque Familiae, Rex Aequicolus (1.176–248). 69 Wieder LAFFI 1973. 70 CIL 12,1721 = 9,1138 = ILLRP 522 (aus Aeclanum). 71 CIL 12,1533 = 10,5074 = ILS 5367 = ILLRP 551 (aus Atina). 72 CIL 12,1537 = 10,5679 = ILS 5738 = ILLRP 546 (aus Arpinum).
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renovieren, sondern eine von ihnen, nämlich Mineia, sponserte auch die Restauration der Basilika im Stadtforum. Mineias Freigiebigkeit wurde sogar mit einer besonderen lokalen Münzausgabe gedacht.73 Kaiserliche Bauten, wie die porticus Octaviae in Rom,74 Eumachias Gebäude in Pompeii75 und Alfias wiederhergestelltes Badehaus in Marruvium,76 haben ihre Vorläufer in Ansias Tor, Octavias Bänken und Publicias polierten Türen. Das Bauwerk und die Renovierungsprojekte der Kaiserin Livia waren nicht beispielslos; sie waren nicht die einzigen Vorbilder, die für weiblichen Euergetismus in Rom oder für die Mitglieder der Adelshäuser im frühen Kaiserreich verfügbar waren.77 Zu dieser Zeit konnten römische Frauen schon auf eine lange Geschichte, in der sie aktive, wahrnehmbare Teilnehmerinnen im Bereich des öffentlichen religiösen Lebens waren, zurückblicken.
5 Schlussbetrachtung Ob eine Frau verheiratet war oder nicht, ob sie eine Sklavin gewesen, immer noch war oder ob sie als freier Mensch geboren wurde, bestimmte, welche religiösen Ämter ihr offen standen, welche Rollen sie bei speziellen Ritualen einnehmen durfte und auch welche Rituale oder Kulte sie besuchen konnte. Zusätzlich entschieden ihr persönliches Verhalten, Renommee und ihr familiärer Hintergrund über ihre Teilnahme. In vielerlei Hinsicht waren die Frauen in Rom in ähnliche religiöse und soziale Kategorien gegliedert wie die römische Gesellschaft als Ganze. Die jeweilige Betonung des Verhaltens und 73
Mineias Restaurierung wird ungefähr in das Jahr 15 v. Chr. datiert (TORELLI 1999, 84, vgl. TORELLI 1996, mit Bibliographie). TORELLI identifiziert als annähernd zeitgenössisch zu mehreren spätrepublikanischen und frühkaiserlichen Inschriften, die weiblichen Euergetismus protokollieren, auch eine andere Inschrift aus Paestum, die eine Renovierung eines Isaeums von einer Frau festhält, obwohl andere Autoren sie viel später, ins späte zweite oder frühe dritte Jahrhundert n. Chr., datieren (MELLO und VOZA 1968–9, 235 [Anm. 160]). 74 Festus 188 L; Liv. Per. 140. Suet. Aug. 29,4 und Dio 49,43,8 geben an, dass Augustus das Bauwerk im Namen von Octavia baute. Ungeachtet dessen, wer es finanzierte, wird ein monumentales Gebäude, das mit dem Namen einer prominenten Frau verknüpft ist, nicht einmalig in der römischen Praxis gewesen sein. RICHARDSON 1992, 317–18, s. v. ‹Porticus Octaviae;› A. VISCOGLIOSI, LTUR 4.141–5, s. v. ‹Porticus Octaviae.› Vergleichbares könnte in einer fragmentarischen Inschrift auf einem Architrav aus Verona zu finden sein, auf dem vielleicht Sullas Weihung (Renovierung?) eines Gebäudes im Namen seiner Schwester festgehalten ist (CIL 12,2646). 75 CIL 10,810. Der genaue Zweck von Eumachia’s Bauwerk ist nicht bekannt. CASTRE´ N 1975, 95 und 101; DE VOS und DE VOS 1982, 39–41; ZANKER 1998, 93–102. 76 CIL 9,3677 = ILS 5684. 77 Contra PURCELL 1986, 89. Die Rolle der Frauen in Augustus’ Haushalt als ein Vorbild für aristokratische Frauen anderswo in Italien wird in KLEINER 1996 aufgezeigt. BARTMAN 1999, 92–3 diskutiert Livias Bauprogramm und seinen Schwerpunkt in öffentlichen Bereichen, die mit traditionellen weiblichen Belangen zusammenhängen.
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des Rufes war bei Frauen jedoch stärker ausgeprägt. Während es scheint, dass ausgezeichnete Abstammung ein gleich bleibend wichtiges Kriterium für religiöse Differenzierung für Männer wie Frauen war, waren die persönlicheren Kriterien einer reinen Reputation und des familären/sexuellen Status zentral für weibliche Priesterschaften und Frauenrituale, während sie beinahe irrelevant für männliche Priesterschaften und Rituale waren. In jedem Fall zeigte eine religiöse Aktivität einer Frau außerhalb ihres Hauses den Umstehenden die Position an, die sie innerhalb ihrer Gemeinschaft einnahm, und – wie wir gesehen haben – konnten in einigen Fällen wohlhabende Frauen diesen Umstand zu ihrem eigenen Nutzen verwenden. Übersetzt von Franca Fabricius
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Haus, Schule, Gemeinde: Zur Organisation von ‹fremder Religion› in Rom (1.–3. Jh. n. Chr.) von
HUBERT CANCIK
1 Die Bestimmung des Themas Römische Religion wird praktiziert von den großen Organisationen – Staat (vota, ludi), Militär (auspicia, sacramentum), im Rechtswesen (ius divinum), aber auch von vielen kleinen Gruppen: a) von natürlichen Gruppen, verschieden nach Alter, Geschlecht, Abstammung – zum Beispiel gentes, Familien, ordo matronarum; b) von lokalen Gruppen – zum Beispiel vicinia,1 montani und pagani,2 die curiae mit ihren sacra, sacerdotes und eigenen Festen;3 die Bewohner des Capitols (Capitolini);4 c) von Berufsgruppen in ihren staatlich ‹zugelassenen Versammlungen›;5 d) von ökonomisch und rechtlich definierten Gruppen wie den peregrini, den Halbfreien und Unfreien, die, falls ihre Besitzer zustimmten, in collegia tenuiorum aufgenommen werden konnten;6 e) von spezifisch religiös motivierten Gruppen – zum Beispiel die Mithrasgemeinden, die cultores der Mater Magna7 oder des Augustus.8 Die meisten 1 Die vicinia wählen die magistri vicorum (Suet. Aug. 30); compitales: Jedes Haus (οιë κι α) soll die Lares compitales in der Stadt feiern (Dion. Hal. 4,14,3–4). 2 Vgl. Cic. dom. 28,74; Festus p.284,18 ff (Lindsay): sacra publica für montes pagi curiae sacella; siehe z. B. die magistri und flamines der montani montis Oppi: CIL VI 32455 = ILS 5428. Die Feste der montani betreffen nicht den populus Romanus (Varro, ling. Lat. 6,24). 3 Die curiae haben eigene Lokalitäten mit focus und mensa; Feste: Fornacalia (im Februar), Fordicidia (15. April). 4 Capitolini, ein ‹collegium› aus den Anwohnern von Capitol und Arx; sie veranstalten ludi Capitolini. 5 Collegium scribarum histrionumque (am Tempel der Minerva, Aventin); collegium mercatorum (am Tempel des Mercur, Aventin), collegium symphoniacorum (CIL VI 2193: Musik beim Opfer). 6 Marcianus, Iudicia publica, B.II (Dig. 47,22,3,2): Servos quoque licet in collegio tenuiorum recipi volentibus dominis, ut curatores horum corporum (Mitgliedschaft der collegia) sciant, ne invito aut ignorante domino in collegium tenuiorum reciperent ... 7 collegium cultorum Matris Magnae (CIL VI 494); religiosi a Matre Magna (CIL VI 2262); vgl. die cultores Dianae et Antinoi von Lanuvium mit ihrer ausführlichen lex collegii (136 n. Chr.). 8 Tac. ann. 1,73.
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dieser Gruppen sind klein, wenig organisiert, ohne repräsentative Ämter oder Gebäude. Es gibt keine Dachverbände, etwa aller fabri von Latium; mehrfache Mitgliedschaft in collegia ist verboten: Diese Regeln verhindern den Aufbau überregionaler Strukturen auch von religiösen Gruppen.9 Nur gelegentlich war die politische Aktivität dieser Gruppen willkommen. M. Tullius:10 ‹Es gibt kein conlegium in dieser Stadt, keine pagani oder montani – weil ja unsere Vorfahren auch der stadtrömischen plebs Konventikel und sozusagen gewisse Versammlungen (concilia) geben wollten –, die nicht auf’s großartigste Beschlüsse gefaßt haben sowohl über mein Heil als auch über meine Würde.›
Die gewundene Sprache – conventicula, quasi, quaedam – spiegelt die Furcht der Politeliten vor der Selbstorganisation der römischen Bevölkerung, selbst wenn der Effekt willkommen ist, vor Parteiungen (factiones), vor der ‹Spaltung der Bürgerschaft› (scindere civitatem).11 Doch möchte ich keine Systematik für eine Soziologie der römischen Religion entwerfen. Ich möchte lediglich drei Beispiele für Gruppenbildung vorstellen, für Haus (domus, οιËκος), Schule (σχολη , διδασκαλειÄον; schola), Gemeinde (conlegium, corpus), beschränkt auf die Stadt Rom des ersten bis dritten Jahrhunderts n. Chr.
2 Haus 2.1 Römisch 2.1.1 domus, familia, corpus Das ‹Haus› ist in der Antike für den freien Bürger ein sicherer Ort und ein ‹natürlicher› Personenverband. Diese Gruppe wird als ein besonderes corpus gefaßt, der pater familias hat die Hausherrschaft (dominium). Auch nach dessen Tode werden alle, ‹die aus demselben Hause und Geschlechte› hervorgegangen sind, als eine Familie aufgefaßt.12 Außer Gattin, Kindern, Enkeln und 9
Dig. 47,22,1,2; vgl. Tert. apol. 38,2 über die Gefahr von factiones. Cic. dom. 28,74: nullum est in hac urbe conlegium, nulli pagani aut montani, quoniam plebei quoque urbanae maiores nostri conventicula et quasi concilia quaedam esse voluerunt, qui non amplissime non modo de salute mea sed etiam de dignitate decreverint. 11 Tert. apol. 38,2: ... prohibendarum factionum causa de providentia constat modestiae publicae, ne civitas in partes scinderetur, quae res facile comitia concilia curias contiones spectacula etiam aemulis studiorum compulsationibus inquietaret ... 12 Ulpian, ad edictum B. 46 (Dig. 50,16,195): ... Familiae appellatio refertur et ad corporis cuiusdam significationem, quod aut iure proprio ipsorum aut communi universae cognationis continetur. iure proprio familiam dicimus plures personas, quae sunt sub unius potestate aut natura aut iure subiectae, ut puta patrem familias, matrem familias, filium familias, filiam familias quique deinceps vicem eorum sequuntur, ut puta nepotes et neptes et deinceps. Pater autem familias appellatur qui in DOMO dominium habet, [...] communi iure familiam dicimus omnium adgnatorum: [...] qui ex eadem domo et gente proditi. 10
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gegebenenfalls weiteren Verwandten können die eigenen Sklaven zum ‹Haus› gerechnet werden. Sowohl als Gebäude (aedificium) wie als Gruppe (familia) wird das Haus mit seinen biologischen, ökonomischen, juristischen Sachverhalten auch religiös bestimmt. Die Schwelle, die Pfosten, die Angel, die Tür haben ihre Gottheit und werden durch Lichter und Lorbeer geehrt.13 Der Herd ist Sitz der Laren, er ist ‹heilig›.14 Der Lar und die Penaten des Hauses erhalten regelmäßig Minimalopfer; täglich soll der pater familias den Lar familiaris beopfern.15 Gemeinsames Essen beim Lar des Padrone war sogar in agrarischen Großbetrieben erwünscht.16 Diese Zeugnisse können freilich nicht auf Verbreitung oder Frequenz geprüft werden. Ciceros kleiner Hymnus auf das römische Haus verbalisiert mindestens den Anspruch:17 quid est sanctius, quid omni religione munitius quam domus unius cuiusque civium? Hic arae sunt, hic foci, hic di penates, hic sacra, religiones, caerimoniae continentur, hoc perfugium est ita sanctum omnibus ut inde abripi neminem fas sit. ‹Was ist heiliger, was durch eine jede Form von religio mehr geschützt als das Haus eines jeden Bürgers? Hier sind die Altäre, hier die Herde, hier die Penatengötter; hier werden die heiligen Gegenstände, die religiösen Vorstellungen und Handlungen bewahrt; diese Zuflucht ist für alle so geheiligt, daß es heiliges Recht ist, daß niemand davon weggerissen werden darf.›
Der Hauskult sollte mit dem öffentlichen Kult kompatibel sein: ‹wie die civitas, so die einzelnen familiae›.18 Eine christliche Frau im Hause eines nicht christlichen Mannes müßte – wenigstens prinzipiell – die Feiertage der Dämonen und der Kaiser begehen, den Monats- und den Jahresanfang. Deshalb ist nach Ansicht von christlichen Rigoristen eine Mischehe nicht möglich.19
13 Limentinus (-anus)/ limen, Cardea/ cardo, Forculus/ fores; Ianus/ ianua. Vgl. Ov. fast. 6,101; 6,155: Carna, dea cardinis; sie schützt portas und limina. – Varro, antiquitates rerum divinarum bei August. civ. 4,8; Tert. nat. 2,15; idol. 15,1; 15,5. 14 Horaz, epod. 2,43: sacer focus. 15 Plaut. Aul. 24; Ov. fast. 2,631; 2,635 ff.; Macrob. Sat. 1,24,22: servilis moderator obsequii, cui cura vel adolendi Penates vel struendi Penum et domesticorum actuum ministros regendi. 16 Columella 11,1,19: (vilicus) consuescat rusticos circa larem domini focumque semper epulari. 17 Cic. dom. 109 (verf. 57 v. Chr.); vgl. leg. 2,1,3. – Die letzten Worte im Zitat beziehen sich auf die Bestimmungen des Zwölftafelgesetzes über die Vorladung zu Gericht. Gaius, ad legem duodecim tabularum, l.I (Dig. 2,4,18) schreibt: Plerique putaverunt, nullum de domo sua in ius vocari, quia domus tutissimus cuique refugium atque receptaculum sit, eumque qui inde in ius vocaret vim inferre videri. Vgl. Paulus, ad edictum B.I (Dig. 50,17,10,3): nemo de domo sua extrahi debet. – Geburt und Geburtstag, Totengedenktage u.a.m. gehören zum Hauskult. 18 Varro, ant. rer. div. 85 (Cardauns). 19 Tert. uxor. 6,1: die Frau lebt cum laribus alienis.
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2.1.2 Sonderfälle für Kult im römischen Haus In Sonderfällen wurde das Haus auch Ort für private Feiern im Zusammenhang mit dem öffentlichen Kult.20 a) sodalitates: Cato maior, Quaestor des Jahres 204 v. Chr., erzählt:21 ‹Sodalitäten sind unter meiner Quaestur eingerichtet worden, als der idaeische Kult der Großen Mutter (in den Staatskult) aufgenommen wurde. ... (Bei diesen convivia) erfreut mich auch der Vorsitz, von den Vorfahren eingeführt, und jene Rede/jener Spruch, der nach altem Brauch von dem Obersten (der ersten Kline) beim Trinken ausgebracht wird.› Der Spruch oder die Rede werden nicht mitgeteilt; so bleibt unklar, ob die Götter des Symposion (Iuppiter, Liber, die Grazien) angerufen wurden oder die Mutter vom Ida. Es wird auch nicht gesagt, ob die Teilnehmer des convivium am Kultakt des 4. April oder auch nur an den ludi Megalenses teilgenommen haben. Trotz dieser bedauerlichen Lücken hatte Catos Festbeschreibung eine erstaunliche Wirkung in der europäischen Religionsgeschichte. Catos Ausführungen über die Sodalitäten zu Ehren der Mater Magna Idaea wurden im achtzehnten Jahrhundert als Lesung in das Ritual der Societas Socratica von JOHN TOLAND aufgenommen.22 b) sacrum Caesaris in domo: Zwei Beispiele aus den Anfängen des römischen Kaiserkultes zeigen die Bedeutung des Hauses als Kultort. Ovid schreibt zum Amtsantritt des C. Pomponius Graecinus (cos. suff. 16 n. Chr.) ein Amtsantrittsgedicht aus seinem Exil am Pontus. Er bekundet seine Verbundenheit mit dem Kaiserhaus:23 in seinem Haus in Tomi ist ein Caesar-Kult mit Statuen 20 Die folgenden Beispiele setzen viel Platz und gehobene Ausstattung voraus. Räume wie die casa Farnesina am Tiber, die casa dei misteri in Pompei können einen gewissen Eindruck von dem äußeren Rahmen derartiger Feiern geben, auch wenn die Zweckbestimmung der genannten Räume nicht immer klar ist. – Vgl. EGELHAAF-GAISER 2000. Zum Bona-DeaKult siehe RÜPKE 2004; DERS. 2005 III, 1426–1439 zu den Treffen der stadtrömischen Priester in privaten Häusern. Die Arvalbrüder feierten das Fest der Dea Dia im ‹Haus› ihres jeweiligen magister in Rom. Sehr viele domus in Rom sind bekannt und z.T. lokalisiert, s. STEINBY 1995, Bd. 2, s. v. domus und Bd.5, 1999 (Anhang, s. v. domus). 21 Cic., Cato de senectute (abgef. 44 v. Chr.; fiktives Datum: 150 v. Chr.) §45: primum habui semper sodales. sodalitates autem me quaestore constitutae sunt sacris Idaeis Magnae Matris acceptis. [... convivia ...] me vero et magisteria delectant a maioribus instituta et is sermo qui more maiorum a summo adhibetur in poculo [...].Vgl. RÜPKE 2004 §4.2: Mutitationes. – a summo scil. lecto; der Ort des Symposion, doch wohl ein Haus Catos, ist hier nicht ausdrücklich genannt. 22 JOHN TOLAND, Pantheisticon: or, the Form of Celebrating the Socratic Society (lat. 1720), engl. London 1751, Ndr. 1976. – Ritual A: Cicero, Cato de senectute 13 (das convivium anläßlich des Festes des Mater Magna); Cicero, de divinatione I (Schluß; gegen den Aberglauben); Cicero, de senectute 14. – Einige Lieder in TOLANDs Anhang stammen aus Horaz; p.91: * Vides ut alta stet nive candidum – Lib.1. Od.9 * Quid dedicatum poscit Apollinem – Ibid. Od.31 * Nullus argento color est, avaris – Lib. 2. Od.2 * Aequam memento rebus in arduis – Ibid. Od.3 u.a.m. 23 Ov. Pont. 4,9 (16 n. Chr.), 105–112: nec pietas ignota mea est: videt hospita terra / in nostra sacrum Caesaris esse domo. / stant pariter natusque pius coniunxque sacerdos /
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des Divus Iulius, Divus Augustus, der noch lebenden Livia als Priesterin, der beiden Enkel, Caius und Lucius Caesar (gestorben 4 n. Chr. und 2 n. Chr.). Sie erhalten täglich am Morgen Weihrauch und Gebet: his ego do totiens cum ture precantia verba, Eoo quotiens surgit ab orbe dies.
Der Kaiserkult ist fest in den regelmäßigen Hauskult eingebunden. Was Ovid an der Peripherie des Reiches treibt, hat sein Vorbild im Zentrum. c) in modum collegiorum: Noch im Jahre 14 n. Chr., wenige Monate nach dem Tode des Augustus, wurden in Rom die sodales Augustales und die ludi Augustales geschaffen.24 Die neue Religion erzeugte auch über den engen Kreis der Familie hinaus ein höheres commitment. Für das Jahr 15 n. Chr. berichtet Tacitus, daß es ‹in allen Häusern›, also in den Palästen der Nobilität und Reichen, Gruppen gab, die ‹Augustusverehrer› hießen.25 Der Name ist konventionell und als solcher ohne rechtlichen Belang.26 Aber sie agierten ‹nach Art von Collegien›: also mit einer Art Vorsitz, Kasse, Kalender. Offenbar hat die neue Religion noch keine feste Form gefunden. Die cultores Augusti sind nicht als collegia mit einem eigenen Sitz bei oder in einem Heiligtum organisiert, sind offenbar keine oder noch keine collegia licita. Ihre Organisation bezieht sich noch auf das Haus, nicht eine schola auf dem Forum Augusti. Eine ähnliche Organisationsform finden wir bei den Christianern, einer anderen neuen Religion der frühen Kaiserzeit. d) Auch große Familienverbände können sich eine religiöse Form geben. Um die Mitte des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts blühen in der Nähe von Rom (Torre Nova, Via Labicana) auf einer größeren Villenanlage die Familien der Pompei und Gavii. Für Pompeia Agripinilla, Gattin des M. Gavius M.f. Squilla Gallicanus (cos. 150 n. Chr.), wird 160/170 n. Chr. ein Standbild errichtet, dessen Basis mit Inschrift in griechischer Sprache erhalten ist.27 Die Inschrift bietet vierhundertzwanzig Namen in fünfundzwanzig verschiedenen kultischen Ämtern und Rollen der Dionysosreligion. Die kultische bildet präzis die soziale Hierarchie ab. Die Herrschaft besetzt die hohen Priesterschaften, die Masse der Mitglieder sind ihre Freigelassenen und Sklaven.28 numina iam facto non leviora deo. / neu desit pars ulla domus, stat uterque nepotum, / hic aviae lateri proximus, ille patris. / his ego do totiens cum ture precantia verba, / Eoo quotiens surgit ab orbe dies. 24 Einsetzung der sodales und ludi Augustales: Tac. ann. 1,54. Vgl. CANCIK 1996. 25 Tac. ann. 1,73 (ad annum 15 p.Chr.n.): Falanio obiciebat accusator, quod (a) inter cultores Augusti, qui (b) per omnes domos (c) in modum collegiorum habebantur, Cassium quemdam mimum corpore infamem adscivisset [...]. 26 Der Ausdruck cultores Augusti nur hier bei Tacitus; vgl. Cic. Tusc. 1,28,69: (homo) deorum cultor. 27 MORETTI, 1986, I, 160. Vgl. NILSSON 1957; SCHEID 1984. 28 Die Deutung dieser Personengruppe als ein familialer Thiasos haben nach A. VOGLIANO (AJA 37, 1933, 215–231) gefördert: NILSSON 1957, G. ALFÖLDI (Chiron 9, 1979, 507–544)
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In christianisierender Terminologie wäre Pompeia Agripinilla dionysisch ‹mit ihrem ganzen Hause und ganzen Geschlecht›: πανοικειÁ καιÁ παγγενει . 2.2 Christlich 2.2.1 Das Haus des Centurio Cornelius In Caesarea maritima, Hauptstadt der Provinz Iudaea, dient ein Centurio Cornelius in der italischen Abteilung.29 Er ist ‹fromm› und ‹gottesfürchtig›, das heißt er glaubt und praktiziert Teile der jüdischen Religion, und zwar ‹mit seinem ganzen Hause›: συÁ ν παντιÁ τω Ä ι οιÍκωι αυÆ τουÄ . Der römische Bürger Cornelius, vereidigt auf die capitolinische Trias (und den Kaiser?), lebt also in einer judaisierenden Hausgemeinde.30 Aufgrund eines Traumes lädt er seine Verwandten und die engsten Freunde und Petrus in sein Haus. Petrus hält die typische Missionspredigt, der Geist kommt über alle Zuhörer, auch über die Nichtjuden, und dies sogar vor der Taufe. So wird Cornelius gerettet ‹und sein ganzes Haus›. 2.2.2 Christliche Häuser in Rom Ähnliche Vorgänge lassen sich in Korinth, Rom und Karthago beobachten. ‹Paulus grüßt Priska und Akylas und die ekklesia in ihrem Hause›, also Verwandte, Freunde und vielleicht Sklaven und Freigelassene, die im Rahmen des Hauses eine ekklesia bilden.31 Am Ende des zweiten Jahrhunderts, in einer Friedenszeit für die christliche Religion (θρησκει α), bekehren sich in Rom mehrere der durch Reichtum und Geschlecht sehr Ausgezeichneten ‹zusamund SCHEID 1984. Die Kritik von G. CASADIO (Dialogues d’histoire ancienne 15, 1989, 305–307) in seiner Besprechung des Beitrags von SCHEID verkennt das prosopographische Argument. Ob in den unteren Chargen auch nicht zur familia gehörige Mitglieder sind, ist nicht auszuschließen; ein positives Indiz gibt es jedoch nicht. Die Inschrift gibt keinen Hinweis darauf, daß dieser Thiasos offiziell als collegium konstituiert wäre. Die organisatorische Basis ist vielmehr die familia und das Haus (domus, villa). 29 Luk. Acta 10–11. – Die Spira ist wahrscheinlich die Cohors II Miliaria Italica Civium Romanorum Voluntariorum; ob diese Abteilung vor 44 n. Chr., also vor dem Tode des Herodes Agrippa, dort stationiert gewesen sein kann, ist unklar. Aber Centurio Cornelius ist römischer Bürger. Zur religiösen Situation in Caesarea s. BELAYCHE 2001. – Lukas berichtet wahrscheinlich den Gründungsmythos der Gemeinde von Caesarea. 30 Zu der rechtlichen und religiösen Situation vgl. KRAUTER 2004, bes. 214 ff.: ‹Die Gottesfürchtigen›. 31 Paulus, ad Romanos (ca. 56 n. Chr.) 16,3; zur Problematik dieser Grußliste vgl. die Kommentare a.l. Priska und Akylas haben auch in Korinth eine Hausgemeinde: Acta 18,2. – In Philippi wird die Purpurhändlerin Lydia getauft ‹und ihr Haus›: Acta 16,15. Vgl. Acta 18: Paulus lehrt nicht in der Synagoge von Korinth, sondern im Hause des Gottesfürchtigen Titius Justus. Vgl. KLAUCK 1981. Gemeinden, die κατ’ οιÆ κι αν organisiert waren: Acta 12,12; 21,18; 1 Kor. 16,19; Röm. 16,5; PHILEM. 2; Kol. 4,15. Vgl. Tert. adv. Valent. 3: domus simplex in editis semper et ad lucem – es gibt also keine geheimen oder nächtlichen Versammlungen.
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men mit ihrem ganzen Hause und dem ganzen Geschlecht›:32 πανοικειÁ καιÁ παγγενει . Cuius domus, möchte man sagen, eius religio. Die Bekehrung der Abhängigen und Sklaven war erwünscht, wurde aber nicht erzwungen.33 Aus diesen Hausgemeinden entwickelten sich Haus-Kirchen, in denen sich nicht nur die ‹Familie›, sondern auch die ‹Freunde› versammeln konnten.34 Der Rahmen dieser Versammlung ist aber immer noch das ‹Haus›. Die Hauskirchen wurden später mit der Adresse des Hausbesitzers, dem titulus, bezeichnet.35 Einige Beispiele: der Titel, das Haus der Caecilia (Sta. Cecilia in Trastevere);36 das Haus des Kallixtus in Trastevere (Sta. Maria trans Tiberim);37 das Haus des Senators Pudens (Sta. Pudentiana);38 der titulus Clementis, heute Basilica di S. Clemente, an der via Labicana, angeblich domus des Clemens, Bischof von Rom um 100.39 Die Anzahl, die Benennung, die Lage, das Alter dieser Anlagen und ihre Herkunft aus domus der ersten drei Jahrhunderte sind sehr umstritten. Sicher ist: (a) einige dieser Titelkirchen gehen auf Hausgemeinden der vorkonstantinischen Zeit zurück; (b) die Organisationsform bleibt das Haus; (c) der Name collegium oder ähnliches wird, soweit ich weiß, für diese Gemeinden in Rom nie benutzt.
3 Schule 3.1 Römisch 3.1.1 schola Das Haus ist auch ein Ort für Unterricht, für die Gruppe ‹Lehrer/Schüler›. Domi forisque hatten Roms früheste Dichter gelehrt, also in ihrem Hause und 32 Euseb, hist. eccl. 5,21 (zu dem Jahrzehnt ca. 180–190 n. Chr.); vgl. Acta 16,34. Namen nennt Euseb nicht; es folgt der Prozess gegen Apollonius, einen Gebildeten und Philosophen, der von einem seiner Sklaven angezeigt worden war. 33 Aristid. Apolog. 15,6. 34 KIRSCH 1918. 35 titulus bezeichnet im klassischen Latein ‹Anzeiger (index), Inschrift, Votiv-Inschrift, Buchtitel, Verkaufsanzeige›; die Benutzung des Wortes für ‹Adresse› ist leicht zu erklären, schwer zu belegen. 36 Nach der Passio (5./6. Jh.) eine römische Patrizierin (3. Jh.), die in ihrem Haus eine Kirche stiftete; vgl. DELEHAYE 1936, 73–96; 194–200. – Ein Haus des 2.Jh. n. Chr. ist am Orte nachgewiesen. 37 CECCHELLI ca. 1934. 38 Zu der außerordentlich komplizierten Geschichte der Benennung, Lokalisierung und Architektur vgl. G. DE SPIRITO, Titulus Lateranensis, in: STEINBY V, 1999, 75–76. In den Acta S. Pastoris heißt es: Pastor weiht in seinem Haus eine ecclesia und gründet dort titulum nomini suo in loco qui appellatur vicus Patricius. 39 Die Legende wird tradiert im Liber pontificalis I 123. Archäologische Befunde reichen bis in das 1. Jh. n. Chr., lassen sich aber nicht der christlichen Legende zuordnen; vgl. F. GUIDOBALDI, Domus: Clemens. STEINBY 2, 1995, 84–85: vielleicht ist ein Clemens des 4. Jh. n. Chr. gemeint.
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in öffentlichen Lokalen, in Läden (tabernae), Hütten (pergolae) und scholae.40 Das Wort schola bezeichnet den Ort des Unterrichts, den Personenverband, den Unterricht selbst.41 M. Antonius Gnipho lehrte zuerst im Hause des Divus Iulius, darauf in seinem Privathaus.42 Seine schola besuchten berühmte Männer, darunter auch M. Cicero, obwohl bereits Praetor (66 v. Chr.). In der späten Republik habe es in Rom zeitweise mehr als zwanzig berühmte, gut besuchte scholae für den höheren Unterricht gegeben.43 Wenig topographische und keine baulichen Spuren dieser Schulen sind geblieben.44 Die nachweisbaren Schulgebäude – ludus Aemilius (Hor. ars 32), ludus Dacicus, ludus Gallicus, ludus Magnus, ludus Matutinus, ludus Bestiarius dienten der Ausbildung von Gladiatoren.45 Das römische Schulwesen ist prinzipiell privat organisiert, Eingriffe der Behörden sind selten.46 Die früheste staatlich finanzierte Rhetorenschule (publica schola) wurde erst im zweiten Jahrhundert n. Chr. eingerichtet. Der erste staatlich besoldete Rhetoriklehrer in Rom war Quintilian.47 Es fällt auf, daß sich keine Schulen von Philosophen in Rom etablieren konnten. Wer Philosophie nicht nur aus Büchern, sondern als Mitglied einer Philosophenschule lernen wollte, mußte nach Athen gehen, oder wenigstens nach Neapel.48 Cicero hat in seinem Hause zahlreiche Philosophen beherbergt, sogar Schulhäupter. Aber offenbar hat niemand erwogen, in einem der Häuser Ciceros in Rom eine Akademie oder ein Lyceum zu eröffnen. Die einzige Ausnahme ist die kurzlebige Schule des Q. Sextius in augusteischer Zeit.49 40
Suet. gram. 1,2; vgl. ebd. 18,2: (L. Crassicius) ... in pergola docuit. Vgl. Suet. gram. 15: (Lenaeus) schola se sustentavit; ebd. 16: (Q. Caecilius Epirota) scholam aperuit; ebd. 17: (M. Verrius Flaccus) transiit in Palatium cum tota schola docuitque in atrio Catulinae domus, quae pars Palatii tunc erat. 42 Suet. gram. 7: docuit primum in Divi Iulii domo pueri adhuc; deinde in sua privata. 43 Suet. gram. 3,4. Ob die Formulierung bedeutet, es habe außerdem weitere, nicht berühmte, kleinere Schulen gegeben, ist unklar. Jedenfalls kommen die Schulen für den niederen Unterricht hinzu. 44 Topographie: die Schule des Lenaeus, Freigelassenen des Pompeius Magnus befand sich in Carinis ad Tellurem (Suet. gram. 15). Das Wort titulus wird in derartigen Adressen nicht benutzt. 45 Belege bei STEINBY 3, 1996 s. v. ludus. – Zum Athenaeum Romanum Hadrians siehe SHA Hadr. 16,8–11: ludus artium ingenuarum. 46 Vgl. das Edikt der Zensoren gegen die rhetores Latini (92 v. Chr.) bei Suet. gram. 25: (Rhetores Latini) qui novum genus disciplinae instituerant, ad quos iuventus in ludum conveniat. Vgl. dagegen die staatliche Kontrolle der Studenten in der Spätantike: An-, Abmeldung; Beschränkung der Aufenthaltsdauer (CTh 14,9,1 [370 n. Chr.]; CTh14,9,3, [425 n. Chr.]); Umzüge von magistri mit ihren Schulen sind verboten; der Unterricht muß intra domesticos muros stattfinden. 47 Suet. gram. 40 (bei Hier. chron. Ol. 216,4): (Quintilianus) primus Romae publicam scholam et salarium e fisco accepit. – Vgl. c. 28 (Ludus dicendi); c. 30: (C. Albucius) propria auditoria instituit. 48 Zur Schule Sirons, des Epikureers, in Neapel vgl. Verg. Catalepton 5. 49 Vgl. Suet. gram. 18,3: L. Crassicius, Philologe und Lehrer, gab seine Schule auf ‹und 41
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3.1.2 Schule und Religion Wenig genug ist bekannt über die römischen Schulen der Stadt Rom: ihr Verhältnis zur Religion jedoch kann mit Sicherheit festgestellt werden. Kein Lehrer ist als solcher Kultfunktionär, Religionsspezialist, geschweige denn Priester. Keine Schule ist ein Sakralbau. Ein Fach Religionskunde gibt es nicht; die einzige Ausnahme, die ich kenne, der Unterricht des Papinius Statius pater in Rom (zweite Hälfte des ersten Jahrhunderts n. Chr.), ist unerklärt.50 Religiöse Handlungen der Lehrer, etwa zu Beginn des Unterrichts, sind nicht bezeugt. Gemeinsamen Besuch von Festen oder Heiligtümern durch Lehrer und Schüler gibt es, wenn überhaupt, äußerst selten.51 Das Lehrprogramm vermittelt Mythologie und literarisierte Religion, aber nicht Kultgesetze, Festkalender, geschweige denn Götterlehren. Selbst in der Spätantike, als Vergil zum pontifex maximus und die Aeneis zum heiligen Buch erhoben wurde, war die allgemeine Kommentierung auf Sprache, Realien, Mythos konzentiert. Die römische Schule wird pädagogisch und philosophisch begründet, nicht religiös.52 Eumenius bekennt (297/98 n. Chr.): ‹die Literatur ist aller Tugenden Fundament›.53 Diese weitgehende Trennung von Bildungswesen und Religion war eine Voraussetzung dafür, daß römisches Bildungsgut und Bildungswesen beibehalten werden konnten, auch als das Christentum Staatsreligion geworden war.54
ging über zur secta des Philosophen Q. Sextius›. – Vgl. Suet. gram. 6: Aurelius Opillus, Freigelassener eines Epikureers, lehrt in Rom im 1. Jh. v. Chr. erst Philosophie, dann Rhetorik, schließlich Grammatik, geht endlich mit Rutilius Rufus nach Smyrna. 50 Vgl. CANCIK 1973; vgl. BREMMER, 1995: die Statius-Stelle ist nicht behandelt. 51 (a) Die Kinderchöre bei dem sacrificium saeculare von 17 v. Chr. werden eigens für dieses Fest gebildet; sie kommen nicht aus einer Schule. (b) Die Lehrer Roms bilden keine collegia, haben keinen Ort an einem Tempel wie etwa die scribae bei der aventinischen Minerva. 52 Vgl. Cic. rep. 4,3,3: Principio disciplinam puerilem ingenuis, de qua Graeci multum frustra laborarunt, et in qua una Polybius noster hospes nostrorum institutionum negligentiam accusat, nullam certam aut destinatam legibus aut publice expositam aut unam omnium esse voluerunt. 53 Eumenius, Oratio pro instaurandis scholis (Paneg. Lat. IX) 8,1 f.: Credo igitur, tali Caesar Herculius ... instinctu tanto studium litterarum fervore prosequitur, ut non minus ad providentiam numinis sui existimet pertinere bene dicendi quam recte faciendi disciplinas, et pro divina intellegentia mentis aeternae sentiat, litteras omnium fundamenta esse virtutum, utpote continentiae modestiae vigilantiae patientiae magistras. 54 Julians Gesetz gegen die christlichen Lehrer (363 n. Chr.) macht – wohl zum ersten Mal – das religiöse Bekenntnis zur Bedingung für den Beruf. Die Maßnahme wird sogar von einem Parteigänger Julians kritisiert, siehe Amm. Marc. 22,10,7: Illud autem erat inclemens, obruendum perenni silentio, quod arcebat docere magistros, rhetoricos et grammaticos, ritus Christiani cultores; vgl. 25,4,20.
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3.2 Christlich 3.2.1 Paulus und die römischen Juden Ein völlig anderes Bild ergibt die Betrachtung der jüdischen und christlichen Gruppen in Rom. Paulus, so heißt es am Ende des lukanischen Geschichtswerks, blieb zwei Jahre in seiner eigenen Mietwohnung – also nicht in einer Hausgemeinde –, empfing ‹alle›, die zu ihm kamen, verkündete und lehrte das über den Kyrios Christos mit allem Freimut ungehindert.55 Nicht Kult, Taufe, Eucharistie, sondern die dritte Funktion der Ecclesia erfüllt Paulus: Verkündigung und Lehre.56 Die Juden, Gottesfürchtigen und Christianer werden aus ihren Schulen, Synagogen, Lehrhäusern und Hausgemeinden das Verfahren gekannt haben. R. Matthias ben Charash unterhielt vor dem Bar-Kochba-Krieg ein Lehrhaus in Rom, wohl das einzige römische Lehrhaus, das im Talmud genannt ist.57 Um dieselbe Zeit disputiert eine erlauchte jüdische Gesandtschaft mit den Philosophen in Rom; nur die Namen der jüdischen Teilnehmer sind bekannt: R. Gamliel II., Eleazar ben Azarja, Josua ben Chananja, R. Akiba. Das Gespräch ist gut bezeugt: es ist vielleicht das früheste Religionsgespräch der Geschichte.58 Die römischen Philosophen fragten die jüdischen Gelehrten:59 ‹Wenn ER an der Anbetung der Götzen keinen Gefallen hat, warum vernichtet ER sie nicht?› Der Ort der Disputation ist nicht überliefert. Man darf sich vorstellen, daß in der Mietwohnung des Paulus ähnliche Gespräche geführt wurden. 3.2.2 Lehrhäuser und Lehrer in Rom In den beiden folgenden Jahrhunderten entwickelt sich in Rom ein geistiges Leben, wie es nach unserer Kenntnis von Philosophen und Schulen in Rom nicht vorherzusehen war. Die Christianer treten in der Haltung und Kleidung von Philosophen auf.60 Sie ‹lehren› das Christentum als eine Art Philosophie, sie richten Schulen ein, veröffentlichen Lehrvorträge in beiden Sprachen. Im Streit stellt man den Gegner in die Diadochie der hellenischen Philosophen:61 ‹Valentinus und Heraklion und die ganze σχολη von diesen, die Schüler von Plato und Pythagoras›. Markion ‹übernahm und mehrte das Lehrhaus (des Kerdo)›.62 Er war ‹Lehrer› und Vorstand. Dem Kallist, Tatian, Epigonos, Ze55
Luk. Acta 28,30–31. Paul. 1 Kor. 12,28: πρω Ä τον αÆ ποστο λους, δευ τερον προϕη τας, τρι τον διδασκα λους, εÍ πειτα ...; vgl. Luk. Acta 13,1; vgl. ZIMMERMANN 1988, 136–140. 57 Sanhedrin 32b; Datierung: ca.100–130. 58 a) Mischna Aboda Zara 4,7; b) Sanhedrin 39b; c) Baraitha Aboda Zara 54b; d) Tosephta Aboda Zara 6 (7). 59 Mischna Aboda Zara 4,7. 60 Euseb. hist. eccl. 4,11,8: (Justin) εÆ ν ϕιλοσο ϕου σχη ματι; Tert. de pallio. 61 Hippolyt, Refut. 6,29,1; vgl. Iren. 1,11,1; Epiphanios, Panarion 31,9,6. – Valentinus ist ca. 135–160 (165?) in Rom. Tertullian (adv. Valent. 8,3 f.; 11,2; 33,1) benutzt die Terminologie der Philosophiegeschichtsschreibung. 56
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phyros und Syneros werden ausdrücklich ‹Lehrhäuser› in Rom zugeschrieben. Zahlreiche andere werden nur ‹Lehrer› genannt, beispielsweise Ptolemaios und Justin.63 Wissenschaftliche Arbeit leisten Theodotos und Asklepiodotos: Sie edieren sogar Texte und befassen sich mit Aristoteles und Galen.64 Andere stellen das Bild Jesu zwischen die Bilder von Plato, Pythagoras und Aristoteles.65 In diese Situation paßt gut die Schule des Neuplatonikers Plotin (205– 270), die seit 244 n. Chr. in Rom blühte.66 Zu ihm kommen Schüler sogar aus Athen, so von 263 bis 268 Porphyrios, der Biograph Plotins und Herausgeber seiner Schriften. Die große Anzahl von Schulen, Lehrern, Schülern der Philosophie im Rom des zweiten bis dritten Jahrhunderts ist auffällig. Es entstehen zahlreiche neue Lehrsysteme, teils tiefsinnig, teils abstrus, jedenfalls innovativ, lebendig und auf ein relativ breites Publikum und einen größeren Buchmarkt ausgerichtet. Die Formen, in denen das Leben und die Lehre der philosophierenden Christianer ablief, sowie die Terminologie, in der dieses beschrieben wird, ähneln sehr den βι οι καιÁ δο ξαι der berühmten hellenischen Philosophen, den Diadochien der Schulhäupter, der Polemik der Schulen untereinander, wie wir sie aus den zeitgenössischen hochliterarischen Texten Lukians,67 der Kompilation des Diogenes Laertios oder dem Index Stoicorum kennen.68 Die Stärkung des Bischofs und seiner Kirche (Hierarchie), der zentralen Einrichtungen (Caritas), die Ausbildung von Kanon und orthodoxem Dogma hat – abgesehen von den Verfolgungen seit der Mitte des dritten Jahrhunderts – diese Vielfalt von Schulen und Lehren und die Bedeutung von Hausgemeinden und Hauskirchen entschieden zurückgedrängt.69 Es bildet sich eine neue Organisation, die sich 62
Iren. 1,27,2 = Euseb. hist. eccl. 4,11,2; Epiphanius, Panarion 42,1,1–2; Euseb. hist. eccl. 5,13,4. 63 Einige Belege: a) Kallistos (2. H. 2. Jh. n. Chr.) hat ein ‹Lehrhaus› in Rom – Hipp. refut. 9,11,4–9,12. b) Tatian (2. H. 2. Jh. n. Chr.): ‹Lehrhaus› – Iren. haer. 1,28,1; Euseb. hist. eccl. 4,29,3. c) Epigonos und Zephyrinos (2. H. 2. Jh. n. Chr.): ‹Lehrhaus› in Rom – Hipp. refut. 9,7; 10,27. d) Rhodon (um 180) in Rom; Schüler Tatians, Lehrer in Rom – Euseb. hist. eccl. 5,13,1–8. e) Syneros (2. H. 2. Jh. n. Chr.): ‹Lehrhaus› in Rom – Euseb. hist. eccl. 5,13,4. – Weitere Beispiele bei CANCIK 1984, 163–184. 64 Euseb. hist. eccl. 5,28; Ende 2. Jh. n. Chr. 65 Epiphan. Panarion 27,6,8. 66 August. epist. 188 V 33 (CSEL 44, 697): Plotini schola Romae floruit. – Plotin plante, in Campanien – vielleicht in einer ehemaligen Villa Ciceros – eine ‹Philosophenstadt› – Platonopolis – zu gründen. 67 Lukian, vitarum auctio; ders., Nigrinos; ders., bis accusatus; ders., Hermotimos. 68 Vgl. CANCIK 1997. 69 Vgl. BOUSSET 1915: Die römische Schule hat gewisse Ähnlichkeiten mit der alexandrinischen. Die Kirche hat jedoch diese Schule schnell unterbunden (S. 282). In Rom sind Justins Schriften, auch der Dialog, entstanden. Vielleicht reflektiert er wirkliche Schuldebatten. Zur Verdrängung des altchristlichen διδα σκαλος und des διδασκαλειÄον durch die εÆ πι σκοποι vgl. ebd. S. 308 ff.; vgl. Jak. 3,1. – In Alexandria hat sich das freie διδασκαλειÄον am längsten gehalten.
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nicht mehr an Haus und Schule orientiert, der vom Staat privilegierte und mitfinanzierte Katholizismus.
4 Gemeinde 4.1 Römisch: profani, initiati, collegium Eine weitere Form der Vergesellschaftung von Individuen, die Gemeinde,70 zeigt, um die Mitte des zweiten Jahrhunderts n. Chr., Apuleius an den Isisheiligtümern in Kenchreai, einem Hafen von Korinth, und in Rom. Isis ist konzipiert als eine universale, kosmische und als eine nahe (praesens), persönliche, mütterliche, barmherzige Gottheit. Sie beansprucht ihren Diener ‹ganz› (totum).71 Ihre Verehrer sind deutlich geteilt in Klerus, Kerngemeinde und Sympathisanten. Keineswegs ist die Unterscheidung von Klerus und Laien erst eine ‹Erfindung› des Christentums, dergleichen es in keiner antiken Gesellschaft vorher gegeben hätte.72 Vielmehr: die Gliederung der Verehrer und die Hierarchie des Klerus wird von Apuleius schon in der Choreographie der Frühlingsprozession deutlich sichtbar gemacht:73 (a) Die frommen Zuschauer, die Scharen, das Volk füllen die Straßen (turbae, populi, populares); (b) nach dem karnevalesken Umzug kommt die peculiaris pompa der Isis Pelagia mit den Angehörigen der Kerngemeinde, den turbae initiatae;74 Männer und Frauen jeden Alters und Standes erscheinen in der gleichen Kleidung – vor der Gottheit sind sie alle gleich; (c) der ‹Klerus›, die Pastophoren: Nur sie werden ‹sakrosanktes Kollegium› genannt.75 Die Besonderheit dieser Isisreligion ist die Praesenz der bereits Eingeweihten, der initiati oder religiosi.76 Die Mysten sind also nicht, wie es in Eleusis oder Samothrake geschah, nach der Weihe in alle Welt zerstreut, ohne Gemeindebildung an dem jeweiligen Ort, sondern: in Kenchreai und Rom bilden die Initiierten eine Ortsgemeinde. Spezifisch sind die häufigen und intensiven Nahkontakte der Mitglieder. Täglich weilt Lucius im Tempel. Die sacerdotes hier sind ‹Priester› im neuzeitlichchristlichen Sinne des Wortes: Seelsorger, Mystagogen. Lucius nennt ihn ‹Vater›.77 Der ‹Vater› sorgt nicht nur für religiöse Erbauung, sondern auch für 70
KEHRER 1990. Apul. Met. 11,6,4 (verf. um 170 n. Chr.). 72 Zu den jüdischen Verhältnissen vgl. 3 Mose (Leviticus); vgl. die dionysische Hierarchie in dem Thiasos von Torre Nova (o. §2.1.2 d). 73 Apul. Met. 11,7 ff. 74 Apul. Met. 11,10,1. 75 Apul. Met. 11,17,2: (coetus pastophorum) quod sacrosancti collegii nomen est; der folgende Ausdruck – velut in contionem vocatus – treibt die Romanisierung des ägyptischen Kultes noch weiter. 76 Apul. Met. 11,13,4. 16,7. 17,1. 77 Apul. Met. 11,25,7. 71
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die moralische Besserung und gibt Anweisung für ein erfolgreiches Berufsleben. Nach der dritten Weihe wird Lucius in die Leitung des Iseum Campense zu Rom aufgenommen. Er war zunächst ein ‹Proselyt des Heiligtums› (fani advena), aber ein ‹Einheimischer›, was die Religion betrifft (indigena religionis);78 jetzt wird er zugewählt ‹in das Kollegium der Pastophoren›.79 Hier erreicht er sogar den Rang eines decurio quinquennalis. Dieses Gremium ist, wenn man die Terminologie des Autors stricte fassen darf, der Träger der behördlichen Zulassung als collegium licitum. Die initiati gehören meines Erachtens nicht zu dem Kollegium. Ähnliche Strukturen wie in den von Apuleius geschilderten Isis-Gemeinden finden sich bei den ‹Gemeinden› des Mithras, bei den reich bezeugten ‹Verehrern der Großen Mutter›, bei den ‹Verehrern des Hercules› und anderen Gruppen.80 4.2 Christlich 4.2.1 Aufnahme des Neugetauften durch die Gemeinde Die christlichen Gruppen in Rom dürften zur Zeit des Apuleius als ‹Gemeinden› – im restriktiven Sinne von Günter Kehrer – bezeichnet werden können.81 Ein Indiz hierfür ist die intensive Belehrung und Vorbereitung eines neuen Mitglieds, seine Weihe (Taufe) und seine Präsentation vor der Gruppe. Der Philosoph und Märtyrer Justinus (gestorben um 165), der um die Mitte des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts, also gleichzeitig mit dem von Apuleius geschilderten Isis-Kult, in Rom eine Schule betrieb, gibt uns eine ausführliche Beschreibung; am Schluß heißt es:82 78 Apul. Met. 11,26,3: sacrosanctam istam civitatem (Romam) accedo. Nec ullum tam praecipuum mihi exinde studium fuit quam cotidie supplicare summo numini reginae Isidis, quae de templi situ sumpto nomine Campensis summa cum veneratione propitiatur. Eram cultor denique adsiduus, fani quidem advena, religionis autem indigena. 79 Apul. Met. 11,30,5; vgl. CIL VI 355 (Rom): (ein Isis-Priester ist) adlector collegi. 80 Zu den cultores Matris Magnae vgl. CIL VI 29691 (Rom, 206 n. Chr.): collegium dendrophorum Romanorum quibus ex senatus consulto coire licet; vgl. CIL VI 30973; 10098 = CLE 1110; CIL VI 494 (collegium cultorum Magnae Matris); CIL VI 2262 (religiosi a Matre Magna); CIL VI 2265 (sodales ballatores Cybelae). – Literarische Zeugnisse: Cic. Cato mai. 45: sodalitates Matris Magnae; Ov. fast. 4,353; Gell. 2,24,2: mutitationes; Suet. Otho 8: kultische Trauerfeier der cultores Matris Magnae; zu den cultores Augusti vgl. Tac. ann. 1,73. 81 KEHRER 1990, 481: ‹Gemeinde ist die aus religiösen Gründen erfolgte Vergesellschaftung von Individuen zu einer Gruppe ..., die nicht als lokale Untereinheit einer größeren Organisation (vgl. Kirche) existiert›. Die späteren christlichen Gemeinden sollten nach KEHRER ‹Parochien› genannt werden. 82 Justin, Apologie 1,61–66. Zu den Mithras-Mysterien vgl. Justin, dialogus cum Tryphone 70; 78; Tert. praesc. haeret. 40.
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Wo diese Feier stattfindet, sagt Justin, dem wir die Beschreibung verdanken, nicht. Auch der Richter, der ihn verhört, erfährt es nicht:83 ‹Du (Richter) glaubst wohl, wir kämen alle an demselben Orte zusammen; das ist aber nicht der Fall; ... Ich wohne oberhalb des Bades des Martinus, des Sohnes des Timothinus und kenne keine andere συν-ε λευσις (Versammlungsort) als diese.›
Es gibt also in der Mitte des zweiten Jahrhunderts noch keinen festen zentralen Kultort der Christianer in Rom; die Feier muß in einer Hauskirche stattgefunden haben. Die Ähnlichkeit zur Aufnahme des Neophyten in den Iseen von Kenchreai und Rom ist deutlich. Von ‹Ähnlichkeiten› im Mysterium selbst, der ‹Wiedergeburt› und ‹Umformung› des Mysten (αÆ ναγενναÄ ν – Justin; renatus, reformatus – Apuleius), der Feier der Einweihung als Geburtstag u. ä. sei hierbei abgesehen. Bezeichnend für die religiöse Interaktion in der Großstadt ist Justins Hinweis auf die Ähnlichkeit zwischen Mithrasmysterien und christlicher Eucharistie. Es ist offensichtlich, daß in der Kapitale die in verschiedenen Teilen des imperium entstandenen Religionen – graeco-ägyptisch, graeco-jüdisch, römisch-iranisch – aufeinandertrafen; hier konnten sie ihre Gemeinsamkeiten wahrnehmen beziehungsweise in Imitation und Opposition entwickeln. Bemerkenswert ist die Dämonisierung der Konkurrenten bei Justinus. 4.2.2 corpus sumus In keiner der christlichen Traditionen, die hier vorgestellt wurden, findet sich das Wort collegium als (Selbst-)Bezeichnung für die Organisation christlicher Gruppen: weder in den Apologien, noch in den Passionen, noch bei den alten Haeresiologen oder Kirchenhistorikern. Am nächsten kommt dieser Bezeichnung die beredte Schilderung, die Tertullian am Ende des zweiten Jahrhunderts von dem Status und der Benennung der christlichen Gruppen gibt.84 Man dürfe, sagt er, die Christen nicht ‹Feinde des Menschengeschlechts› nennen, sie nicht unter die ‹unerlaubten Parteiungen› (illicitae factiones) einreihen, die 83 84
Martyrium Justini et sociorum B 3,1–3,8 (MUSURILLO 1972, 42–61). Tert. Apol. 37–39 (verf. ca. 198 n. Chr.).
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zur Spaltung der Bürgerschaft und zu Gewalt in den Versammlungen und bei den Spektakeln führen. Die Christianer seien vielmehr ‹ein corpus›; sie würden ‹zusammentreten›, hätten einen ‹Konvent›, ein gemeinsames ‹Mahl›. Damit greift Tertullian die Fachworte der römischen Verwaltungssprache auf: corpus ist die Mitgliedschaft eines collegium; auch seine Ausdrücke coire, conventus, cena benennen üblicherweise wichtige Elemente im Leben eines ‹Vereins›. Die Christianer haben eine Kasse, auch dies eine Voraussetzung für die Zulassung von collegia. Allerdings ist es bei ihnen, sagt Tertullian, nur ‹eine Art von Kasse›, das heißt eben gerade nicht die Kasse (arca) eines zugelassenen Kollegiums, sondern, um Tacitus zu zitieren:85 eine Kasse ‹nach der Art von Kollegien›. Einen Rechtstitel, also etwa eine datierte amtliche Zulassung als collegium, hat Tertullian nicht und meines Erachtens auch kein anderer christlicher Autor der vorkonstantinischen Zeit.86 Deshalb führt er auch nicht den technischen Ausdruck collegium als Bezeichnung für die christlichen Gruppen ein. Tertullian will seinen Adressaten die Ordnung, Nützlichkeit, Rechtschaffenheit der christlichen Gruppen nahebringen. Er benutzt dafür die Terminologie römischer Vereinsgesetzgebung. Das bedeutet zunächst nur, daß die Christianer diesen Status beanspruchen. Es bedeutet jedoch nicht, daß die christlichen Gruppen diesen Rechtstatus tatsächlich gehabt hätten.
5 Zusammenfassung und Ausblick 1. Das ‹Haus› ist für die römische, die griechische und die ‹fremden› Religionen in der Stadt Rom ein primärer und ‹erlaubter› Ort für die nicht-öffentliche, gelegentlich auch offiziöse religiöse Betätigung von kleinen Gruppen (Beispiele: Mater-Magna-Kult, Zusammenkünfte staatlicher Kultfunktionäre, dionysischer Mysterienverein, christliche Hauskirchen). Das Haus, seine Teile (Schwelle, Herd) und seine mehr oder minder aufwendige Ausstattung (Hausschrein, Ahnenschrein, mythologische Kunst) sind der passende Rahmen für derartige Veranstaltungen. 2. Die ‹Schule› dagegen ist nur für Juden und Christianer ein ‹Ort› für regelmäßige, primär religiöse ‹Lehre›. Der Ort kann eine Mietwohnung sein, ein Haus, die schola auf einem Forum oder in einer Basilika. Auch dieser Ort ist prinzipiell ‹privat›, auch ohne behördliche Zulassung erlaubt; hier versammeln sich meist ungefährliche Leute. 3. Die Bildung von ‹Gemeinden› (Parochien), das heißt primär auf regelmäßige Kultausübung und Lehre und caritas bezogene Gruppen, ist in der Stadt Rom bezeugt durch zahllose Mithräen, die Schilderung der Isis-Gemein85 86
Tac. ann. 1,73: in modum collegiorum; vgl. §2.1.2 c). Anders KIPPENBERG 2002.
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den bei Apuleius, einige collegia (religionis causa) und die zahlreichen Synagogen und ‹Titelkirchen›. Die Versammlungsorte dieser ‹Gemeinden› führen Menschen aus verschiedenen Teilen der Nachbarschaft, des vicus der städtischen regio zusammen. Deshalb sind alle diese Orte und ‹Gemeinden› von öffentlichem Interesse; sie haben aber sehr verschiedenen Rechtsstatus. 4. Haus, Schule, Gemeinde sind elementare und sie sind isolierte Orte: Es gibt im antiken Rom keine ‹Dachorganisation› der Schulen, Mithräen, collegia, Isistempel, weder innerhalb Roms, geschweige denn über Rom hinaus. Dieser Befund entspricht der Organisationsform der römischen Religion insgesamt: Der Apollokult auf dem Palatin etwa hat keine Filialen (‹Parochien›) in Rom oder Latium; die Apollpriester Italiens sind nicht als ‹Klerus› organisiert; die Militärreligion und die Herrscherverehrung sind ein Sonderfall. Eine gewisse Ausnahme bilden die jüdischen Gemeinden, die durch Geldsammlungen, Briefe und Besuche Kontakte untereinander und mit Jerusalem pflegen: Sie sind aber, insofern sie Volk, Territorium, Staat mit einer (zerstörten) Metropole sind, mit dem antiken Religionsmodell vereinbar.87 Die Christianer machen die große Ausnahme: In der Stadt am Tiber organisieren sie sich – wie fest oder lose auch immer – als die eine Kirche von Rom, mit einem Bischof und vielen Presbytern, Diakonen, Subdiakonen. Schon im ersten nachchristlichen Jahrhundert sind sie reichsweit durch ‹Missionsreisen›, einen einzigartigen Briefverkehr, ‹Wanderlehrer› miteinander verbunden. Am Ende des zweiten Jahrhunderts bestimmt Tertullian das Christentum explizit und ausführlich als Universalreligion ohne lokalen und nationalen Bezug. Das sei’s erfreuliche, sei’s bedrohliche Resultat ist:88 ‹Wir (Christianer) haben (bereits) alles, was euer ist, erfüllt: die Städte, Wohnquartiere, Garnisonen, Municipien, Ortschaften, Lager, Bezirke, Dekurien, Palast, Senat, Forum›. Dieser Verbreitung entspricht eine regionale und überregionale nichtstaatliche Organisation, wie sie keine der vielen ‹fremden Religionen› in Rom je zu entwickeln unternommen oder vermocht hat, und wie sie der römische Staat durch vielerlei Maßnahmen zu verhindern gesucht hatte.89 Am Ende der Antike schließlich kann sich die lateinische Kirche selbst als imperium definieren.90
87 Vgl. Tertullians Prägung (apol. 21,1: ‹(das Judentum) eine ganz ausgezeichnete, jedenfalls eine erlaubte (zugelassene) Religion› – insignissima religio, certe licita. Der Ausdruck ist nicht offizielle Terminologie. 88 Tert. apol. 37,4. 89 Die klassische Stelle ist Livius 39,15,11 (der Consul begründet die Repression dionysischer Vereinigungen): maiores vestri ne vos quidem nisi cum aut vexillo in arce posito comitiorum causa exercitus eductus esset, aut plebi concilium tribuni edixissent, aut aliquis ex magistratibus ad contionem vocasset, forte temere coire voluerunt. 90 Constitutum Constantini. Rom, ca. 750/760 n. Chr.
Haus, Schule, Gemeinde
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Boundary Markers in Early Christianity von
JAMES DUNN I start with two presuppositions or working hypotheses. The first is that Christianity began from within the matrix of Judaism. Its defining belief was in Messiah Jesus, in Jesus as the fulfilment of Israel’s hopes and expectations, Iesous Christos as kyrios. Its scriptures were Israel’s scriptures, the Hebrew Bible or Septuagint. The first missionaries were all Jewish. Their initial point of contact in most cities round the Mediterranean seems to have been the Jewish synagogue or prayer-house (proseuche¯).1 Their initial appeal to nonJews was almost certainly among Gentile sympathisers, ‹God-fearers› who had been attracted to Judaism, who had adopted Jewish practices in some measure (‹judaized›), and who attended synagogue services.2 Since that is the case, or at least the working hypothesis with which I approach the issue of ‹Boundary Markers in Early Christianity›, it immediately highlights some of the issues which I must discuss. In particular, to what extent did the first Christians adopt the Jewish boundary markers? And as the Christian groups expanded by drawing in ever more non-Jews how were the boundary markers affected? The second presupposition or working hypothesis is one I learned years ago from the sociologist Hans Mol: that ‹boundaries› and ‹identity› go together.3 The group is constituted as a group by the boundaries that distinguish it as a group and from other groups. Boundaries are part of group definition, they are indispensable to the identity of the group; the clearer the boundaries, the clearer the identity; the more confused or ambiguous the boundaries, the more confused or ambiguous the identity. That being the case, our two questions raise further questions, or the same questions from a different perspective. To what extent were the first Christians perceived to be Jews? And did the transformation or alteration of boundaries change the identity of the first Christian groups? Or should the question be posed the other way round: was it a changing identity which resulted in a change of boundaries? 1 This is the testimony of Acts (13.5, 14, 42–43; 14.1; 16.13, 16; 17.1, 10, 17; etc.) but it is inherently likely anyway. On proseuche¯ as a term used for a place of prayer, before synago¯ge¯? became the technical term for ‹synagogue›, see SCHÜRER 1979, 425–6, 439–47. 2 On ‹Godfearers› see WANDER, 1998. 3 Mol, 1976, 57–8: ‹It is precisely the boundary ... which provides the sense of identity›.
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The obvious procedure, then, is to inquire, first, what were the boundaries of the Jewish synagogue in the western diaspora; second, how did the first Christians react to these boundaries; and third, how did the Christian boundary markers emerge? The implications for Christian identity, particularly in relation to Judaism will have to be kept in view throughout.
1 Jewish boundary markers ‹Judaism›, we should remember, was an ethnic religion. A Ioudaios, ‹Jew›, was a person from Ioudaia, a native of Judea. Indeed it is not clear when the sense of Ioudaios transmuted from ‹Judean› (one who came from, a native of Judea) to ‹Jew› (one who owned allegiance to the god whose sanctuary was in Judea, in Jerusalem). The most recent edition of the principal lexicon of New Testament and other early Christian literature has given the meaning ‹Judean› as the dominant or even universal meaning of Ioudaios in that literature.4 But it is likely that the transmutation from ‹Judean› to ‹Jew› began with the late second century BCE absorption and resettlement of the Galilee by the Hasmonean rulers of Judea, as a result of which a simple identification of Ioudaios with Judea became more strained. ‹Galileans› were now also Ioudaioi. It is probably most clearly at this stage that we can see the transmutation of Ioudaios from denoting a simple ethnic identity to denoting primarily a religious identity.5 The process was presumably furthered by the fact that diaspora Ioudaioi, already settled in large numbers in Egypt, Syria and Asia Minor, were attracting a significant number of proselytes. The fact made many Roman intellectuals indignant, since the religion of the Ioudaioi was so much a national religion; how could well-born Romans become Judeans?6 And, of course, in the past century, particularly with the re-establishment of the state of Israel, the question has re-emerged with renewed force: who is a Jew? Is ‹Jew› an ethnic or a religious label?7 The same point can be made with regard to Ioudaismos, Judaism. The term Ioudaismos is first attested in 2 Maccabees (written in the 70s or 60s BCE), where it clearly denotes the rise or reassertion of national and religious selfconsciousness, or to be more specific, of religious practice as a defiant expression of national identity. So, for example, the Maccabean rebels ‹fought bravely for Judaism› against their Syrian overlords (2.21). And the martyr Razis was accused of Judaism and risked body and life ‹on behalf of Judaism› 4 BDAG 478–9. The concern has been to avoid the anti-Judaism which DANKER believes to be encouraged by a too indiscriminate use of ‹Jew›. 5 COHEN, 1999. 6 Examples will follow. 7 See e. g. SCHIFFMAN, 1985.
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(14.38). In 2 Maccabees Ioudaismos is evidently coined as a counter to Helle¯nismos and allophylismos, ‹foreignness› (4.13; 6.24), that is, as a label for those who wanted to define themselves over against and in distinction from the other tribes, the alla phyla, to define themselves by opposition to a threatening international Hellenism. By way of some confirmation, we may note a funerary inscription from first century BCE or CE Italy which praises a woman ‹who lived a gracious life within Judaism›, ‹Judaism› as a sort of fenced off area within which Jewish lives were led.8 The point of these observations is that the boundary markers which helped to define Ioudaioi as a group and Ioudaismos as a religion were equally ambiguous as to whether they defined an ethnic identity or a religious identity. Was their role to mark off Judeans from other nations or Judaism from other religions? The potential for confusion on this issue helps explain much of the tensions within the earliest Christian communities as to what their own boundaries were or should be. What were the boundary markers of emerging Judaism? The simplest or all-embracing answer would be the Jewish law, the Torah. The second century BCE Letter of Aristeas 139–142 provides the apologetic explanation: 139 In his wisdom the legislator [i. e. Moses] ... surrounded us with unbroken palisades and iron walls to prevent our mixing with any of the other peoples in any matter, being thus kept pure in body and soul ... 142To prevent our being perverted by contact with others or by mixing with bad influences, he hedged us in on all sides with strict observances connected with meat and drink and touch and hearing and sight, after the manner of the Law.9
But we can be much more specific? It is natural for an inquiry like this to focus on the ritual practices which are the clearest form of boundary markers. But it is well to remember that other features of early Judaism marked it off sharply and distinctively from other national religions, let alone non-national mystery cults. Israel’s exclusive monotheism was a fundamental defining feature of Judaism: not just the assertion that Yahweh was Israel’s only god, but that god was one and there were no other gods.10 This fundamental conviction came to boundary expression in Judaism’s implacable hostility to idolatry.11 Not only did it mean that practising Jews could not join in worship of other gods, but the suspicion of idolatry and of its tainting effects meant that opportunities for a diaspora Jew to engage in wider social life or assume civic responsibilities were severely constrained. 8
AMIR 1982, 34–41 (39–40). Translation from CHARLESWORTH, 1985, 7–34 (22). 10 Deut. 6.4; Isa. 45.20–25; Philo, Decal. 65; Sib. Or. 3.629; Origen, contra Celsum 1.24. 11 Exod. 20.4–5; Deut. 5.8–9; Isa. 44.9–20; Jdt. 8.18; Wisd. Sol. 11–15; Ep. Jer.; Sib. Or. 3.8–45; m. Abodah Zarah. 9
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Bound up with Judaism’s exclusive monotheism was the conviction of Israel’s election, that this god had chosen Israel from among all the nations to be his own people.12 It was this which set Israel apart from other nations, Judaism from other religions. The oracle of Balaam was influential at this point – Israel as ‹a people dwelling alone, and not reckoning itself among the nations› (Num. 23.9). The first century Jewish Alexandrian philosopher Philo expounds the passage thus: the people ‹which shall dwell alone, not reckoned among other nations› cannot be harmed ‹because in virtue of the distinction of their peculiar customs they do not mix with others to depart from the way of their fathers› (Mos. 1.278). A third distinguishing mark of Judaism was, of course, its temple in Jerusalem. The exclusivity of its role mirrors the exclusivity of Israel’s monotheism and sense of election. Other gods may have had many temples and shrines built to express the devotion owed them, but Jerusalem was the only place where Yahweh’s name dwelt and the only place where atonement could be made for his people. And whereas other temples permitted many varieties of people to offer worship within their walls, the Jerusalem temple’s exclusivity was marked by the partition which no gentile could breach, on pain of death. At this point mention should also be made of the importance of ritual purity. Its rationale was the necessity for such purity in order to enter the temple. But the presence of miqwaoth, ritual baths, in places like Galilee, several days distant from the temple, indicates that the practice of restoring purity by ritual bathing was seen as a necessary part of Judaism,13 though we do not know to what extent that logic extended into the diaspora.14 Other distinguishing identity markers of first century Judaism include the major religious festivals, particularly the Sabbath, the holding of every seventh day to be holy and a day of rest,15 and scorn for what Jews regarded as typically Hellenistic porneia, illicit sexual practices.16 However, the two most distinguishing features of Judaism so far as boundary markers are concerned, were undoubtedly circumcision and the laws of 12 E.g. Deut. 32.8–9; Jub. 15.31–32; Pss. Sol. 9.8–9. URBACH 1981, 269–98: ‹What made a Jew a heretic was not a slackness in observing the precepts, or even alienation from tradition, but the act of denying the election of the Jews ...› (292–3). 13 See DUNN 2003, 268, n. 58; 289, n. 150; 295. 14 Philo, Spec. Leg. 3.205–6 implies that Alexandrian Jews observed the restrictions of corpse impurity, and Sib. Or. 3 (written also in Egypt) characterizes pious Jews as ‹always sanctifying their flesh› (592). And of course restrictions on unclean foods and on eating with (unclean) gentiles were basically motivated by purity concerns. 15 Gen. 2.2–3; Exod. 20.8–11; 31.16–17; Deut. 5.15; Isa. 56.6; Jub. 2.17–33; 50.6–13; CD 10.14–11.18; Philo, Mos. 2.21; Jos. Ap. 2.282. 16 Characteristically linked with idolatry in Jewish eyes; see Hos. 4.12–18; Wisd. Sol. 14.12–27; Ep. Jer. 43; 2 Enoch 10.4–6; Rom. 1.21–27 represents a typically Jewish condemnation of Greek permissiveness. Israel’s corporate memory was scarred by the recollection of the sin of the golden calf (Exod. 32.25–28) and the idolatry of Baal Peor (Num. 25.1–9).
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clean and unclean. Circumcision’s role as a defining mark of the descendants of Abraham is clear from its institution in Gen. 17.9–14. The covenant made between God and Abraham and his seed was sealed by the rite of circumcision performed on every male child; the covenant was the covenant of circumcision; Israel’s commitment to observe the law of the covenant was summed up in this ritual act. And the rationale of the laws distinguishing clean from unclean animals and birds is clearly set out in Lev. 20.24–26: the separation of clean from unclean was a mark of Israel’s separation from other peoples. The importance of these boundary markers is clear from the Maccabean crisis. Or perhaps we should say, the Maccabean resistance to the Syrian attempts to ‹hellenise› Judea brought to the fore their importance as boundary markers of the ‹Judaism› which emerged as an expression of that resistance. A primary goal of the Syrians was to abolish the practice of circumcision; evidence of the practice was punished by immediate execution of both mother and child (1 Macc. 1.60–61). In reaction, the rebels made a particular point of circumcising all uncircumcised boys they found within the borders of Israel (2.46). Likewise, we are told that many in Israel chose to die rather than to be defiled by eating unclean food or to profane the holy covenant; and they did die (1.62–63). In the first century these distinguishing marks had become well known in the Greco-Roman world. For example, Josephus explains to his Greek readers: God commanded Abraham to practise circumcision ‹to the intent that his posterity should be kept from mixing with others› (Ant. 1.192). Plutarch devotes one of his Quaestiones Convivales to the issue of why Jews abstain from pork. And Tacitus observes, in typically dismissive tones: ‹They (Jews) sit apart at meals and they sleep apart ... They adopted circumcision to distinguish themselves from other peoples by this difference› (Hist. 5.5.2).17 In short, then, Judaism was clearly identified in the ancient world by well defined distinguishing features and clearly marked boundaries. The one corollary or qualification which must be made, however, is that the boundaries though clear were by no means impermeable. The boundaries, we might say, were moveable in some measure. Alternatively we could speak with W. A. Meeks of ‹gates› in the boundaries, which allowed some movement across the boundaries.18 For example, there was a willingness on the part of some Jews to allow that Jupiter and Zeus were but other names for Yahweh (Aristeas 16). The prophet Amos had already warned that Israel’s being brought up out of Egypt was no different from the Philistines being brought from Caphtor and the Arameans from Kir (9.7), and the little book of Jonah was a clear statement that Yahweh cared for others as well, including Ninevites! Other temples were built by Jews beyond the land of Israel, notably at 17 Texts in GLAJJ 1.550–3; 2.19. M. STERN notes that ‹during the first century CE, the separation of Jews from gentiles in dietary matters became more marked› (2.39–40). 18 MEEKS 1983, 105–7.
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Elephantine and Leontopolis in Egypt (Josephus, War 7.420–36; Ant. 13.62–73),19 though no doubt without the blessing of the Jerusalem hierarchy. Sacrifices continued to be offered in the Jerusalem temple on behalf of the Emperor until the eve of the Jewish revolt in 66 CE (Josephus, Ap. 2.77; War 2.197, 409). And from the gentile side of the boundary, I have already noted that there were gentiles who ‹judaized›, adopted in some measure at least a Jewish life-style.20 Philo and Josephus both comment on the attractiveness of Jewish observances for many non-Jews (Philo, Mos. 2.17–20; Josephus, Ap. 2.123, 280, 282). Seneca and Plutarch both mention that Jewish practices and abstinence from certain kinds of animal food stimulated substantial interest in first century Rome (Seneca, Letters 108.22; Plutarch, Life of Cicero 7.69). And Juvenal describes what he seems to have regarded as a not untypical progression from a God-fearing parent, who reveres the Sabbath, worships nothing but the clouds, and abstains from eating swine’s flesh, to a proselyte son who takes to circumcision (Juvenal, Satires 14.96–106). Even in the case of the two chief boundary markers there was more ‹give› in the boundary wall than at first appears. Philo acknowledges the spiritual significance of circumcision, and may imply that there were some Jews who understood circumcision in purely spiritual terms (Migr. 92). And Josephus’ account of the conversion of Izates, king of Adiabene, indicates that there were Jews who thought that circumcision could be dispensed with (Ant. 20.38– 42). In each case, however, the outcome emphasises the necessity of circumcision (Migr. 92–94; Ant. 20.43–48). Circumcision was simply too much identified with being a (male) Jew, ‹Jew› and ‹circumcision› were almost synonymous terms, so that it is little surprise that the apostle Paul could actually use the word ‹circumcision›, peritome¯, as a metonymy for Jews – he¯ peritome¯, meaning Jews generally, not ‹the circumcised›, but ‹the circumcision› (Rom. 3.30; 4.9; Gal. 2.7–9). Likewise on the Jewish side there probably was a range of strictness in observance of the limitations on eating with non-Jews. E. P. Sanders has pointed out that ‹there was no barrier to social intercourse with Gentiles, as long as one did not eat their meat or drink their wine›.21 And in more extensive terms my colleague John Barclay has mapped out the different levels of assimilation with Hellenistic culture which diaspora Jews practised, matching Shaye Cohen’s sketch of the different degrees of ‹judaizing› practised from the other side.22 As still today, one could no doubt determine what kind of ‹Jews› were in view, or the devoutness of a Jewish family, by the way they conducted themselves at the meal table. 19
See also GLAJJ 1.405–6; HAYWARD 1982, 429–43. Note the use of ioudaizein in Esther 8.17 (LXX); Josephus, War 2.454, 463; Plutarch, Life of Cicero 7.6; Eusebius, Praep. Evang. 9.22.5. See further COHEN 1999, ch. 6. 21 SANDERS 1990, 170–88 (here 176–85). 22 BARCLAY 1996, 320–35; COHEN 1989, 13–33. 20
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Such disregard for boundaries and movement across the boundaries, however, does not eliminate the boundary markers or reduce their significance. Rather it led to disputes among Jews as to how strictly these boundaries had to be observed, with the Qumran community at one end of the spectrum following a very strict code of discipline, and Hellenistic or hellenizing influences always eroding the sharpness of covenant faithfulness and distinctiveness at the other. The conflict between defenders of Ioudaismos and the practitioners of Helle¯nismos did not cease with the victory of the Maccabeans. The fact that the earliest Christian community, in Jerusalem, could soon be characterized as in some measure split between or at least as including both ‹Hebrews› and ‹Hellenists› (Acts 6.1) is a small reminder of the realities of social relationships in the very Jewish community within which Christianity first emerged.
2 Christian Jewish boundary markers The term ‹Christians› was first coined, as a neologism, some way into Luke’s account of Christianity’s beginnings in the Acts of the Apostles: ‹it was in Antioch that the disciples were first called «Christians»› (Acts 11.26; 26.28; also 1 Peter 4.16). That would give a date for the term as early as or indeed prior to 40 CE. Noticeably, the word is a Latinism, Christianoi = Christiani, denoting ‹the party or adherents of Christ›. The word need not indicate that the Christianoi were already a clearly separate body from the Ioudaioi, simply that they appeared to the Roman authorities in Antioch to be a distinct faction within the large Jewish population of Antioch, followers of someone known as Christos.23 Luke more often refers to the first Christians as ‹the sect of the Nazarene› (Acts 24.5, 14; 28.22), a faction within Second Temple Judaism, like the sects of the Pharisees, the Saducees or the Essenes (5.17; 15.5; 26.5). The term ‹Christians› begins to appear more regularly in early second century literature,24 which presumably implies a clearer and more widespread recognition that Christians formed a distinctive group. The fact that Tacitus (Ann. 15.44) and Suetonius (Nero 16.2) use the term in describing events of the 60s may only reflect early second century usage; it need not imply that the term was in such wide use in the period described. This speculation is probably confirmed by the fact that the term ‹Christianity› itself first appears in our sources in the 110s, that is, some eighty years after the events narrated by Luke as the beginning of Christianity (Acts 1–5). 23
We see the sort of confusion possible from Suetonius’s account of the expulsion of Jews from Rome, probably in 49, because they ‹constantly made disturbances because of the instigator Chrestus (impulsore Chresto)› (Claudius 25.4). Ambivalence between Chrestus and Christus, Chrestianoi and Christianoi was a feature of this period (see GLAJJ 2.92). 24 Ignatius, Eph. 11.2; Magn. 4; Trall. 6.1; Rom. 3.2; Pol. 73; Mart. Pol. 3.2; 10.1; 12.1–2; Did. 12.4; Diogn. 1.1; 2.6, 10; 4.6; 5.1; 6.1–9; Plin. epist. 10.96.
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A striking fact is that its emergence mirrors the emergence of the term ‹Judaism›. As Ioudaismos was coined in antithesis to Helle¯nismos (#1), so Christianismos emerged in some degree in contrast to Ioudaismos. The first to use the term was Ignatius, who was evidently conscious of the sibling relation of the two and anxious to mark them off from each other: ‹If anyone should interpret Judaism to you, do not hear him. For it is better to hear Christianity from a man who is circumcised than Judaism from one who is uncircumcised› (Phil. 6.1; also Magn. 10.1–3; Rom. 3.3; Mart. Pol. 10.1). What we see in all this is a growing self-consciousness of difference and of a distinct identity among early Christians, as also a growing awareness on the part of onlookers that Christians were different from Jews. Or to put the same point in terms of the paper’s main topic, we see a growing sense of need on the part of the Christians to draw clear boundaries between themselves and Judaism, and a clearer recognition that the Christians constituted a well defined group. The point, however, should not be over-emphasised. For Ignatius is the first Christian leader to insist on this separateness (Magn. 8–10), but only the first of a succession of Christian leaders who found it necessary to plead with and warn their congregations to steer clear of Judaism. For example, Justin acknowledges that there are Christians who observe Jewish customs and regards them as ‹weak-minded› (Dial. 47). Origen in his homilies frequently attacks Christians who observe the Jewish feasts and fasts and warns them against attending the synagogue (Hom. on Leviticus 5.8; Selecta on Exodus 12.46). The Council of Antioch (341) had to pass legislation prohibiting Christians from dining at Passover with Jews. And still as late as the late 4th century, Chrysostom’s polemic makes clear that many members of his congregation observed the Sabbath, joined in the Jewish feasts and fully respected the synagogue (Hom. ad Jud. 1, PG 48.844–5).25 In other words, from 2nd to 4th century the Christian leadership found it necessary to stress the boundaries between Christianity and Judaism precisely because they were not being recognized and observed. For Christianity as it began to grow within the matrix of Second Temple Judaism, the emergence of a distinctive Christian identity was thus inevitably bound up with a redefining of the boundaries which it began by sharing with Second Temple Judaism. On the fundamental marks of monotheism and election a debate began in the second half of the first century which has never achieved a mutually agreeable resolution. Christianity from the first has insisted that it has never ceased to believe that God is one; the early reassertions of Paul to that effect (Rom. 3.30; 1 Cor. 8.4; Gal. 3.20; also 1 Tim. 1.17; 2.5; 6.15–16) have never been repudiated. But the growing significance which Christians saw in Christ, and the early association of him with God as Father (already in 1 Cor. 8.6 and 25
See further, SIMON, 1989.
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Phil. 2.10–11) introduced an increasing strain within the inherited Jewish monotheism which was unsustainable beyond the first century (already implicit in John 5.18 and 10.33).26 Most Jews found it impossible to accept the emerging Trinitarian conception of God; a Trinity was not a unity. At the same time, while Christian devotion to Kyrios Ie¯sous must have prompted many non-Jews to identify emerging Christianity as another mystery cult,27 the Christian claim to be in continuity with the religion of Israel, to be still a monotheistic faith, must have remained a barrier for many interested Greek and Roman inquirers. Was the boundary formed by Jewish monotheism simply redefined or pushed out? The issue is still a topic of discussion in Jewish-Christian-Muslim dialogue. The election of Israel as a distinguishing mark of Judaism was also problematic for emerging Christianity. Paul attempted to shift the identifying focus of Israel from racial descent (and land) to a people called by God – ‹Israel› defined by God’s call, and so able to embrace gentiles as well as Jews called by God (Rom. 9–11). But that attempt did not really succeed. The Epistle to the Hebrews’ assertion of a ‹new covenant› which rendered the old covenant obsolete (Heb. 8.13) opened the door to the supersessionism which became the dominant Christian view from the second century onwards. Already according to Barnabas the people of Moses had forfeited the covenant (Barn. 4.6–8). According to Justin the Christians had replaced Israel (Dial. 11.5; 82.1, 117–20, 123–5; 135). And according to Melito, Israel was only a model (typos), but the church was the reality (he¯ ale¯theia) (Peri Pascha 39–45). An exclusively spiritual election had wholly replaced the ethnic election; ethnic identity was no longer a boundary marker. The Jerusalem temple, of course, could not remain as an identity and boundary marker in the same way that it had prior to its destruction in 70 CE. Even before 70, and despite the Temple tax (two denarii levied on diaspora Jews as well for the support of Jerusalem temple), the temple far off in Jerusalem could never have been quite as significant for diaspora Jews as for those living in Judea or Palestine. The Christians, already with Paul, found little problem in spiritualizing the concept – ‹you are God’s temple› (1 Cor. 3.16; 6.19; Eph. 2.21). And though the temple cult remained a subject for reflection and dispute in rabbinic Judaism, the shift in leadership from priest to rabbi mirrored a shift from identity focused on temple to an identity focused on Torah. The ramifications for us of the loss of the temple are most clearly evident in the fiscus Iudaicus introduced by the Flavians in the years after the Jewish revolt; in effect the fiscus Iudaicus amounted to the Temple tax being transferred to the rebuilding of the temple of Jupiter Capitolinus in Rome. Sueto26
See further DUNN 1991, chs. 9–11 and DUNN 2006, XVIII–XXIV. This was how the religionsgeschichtliche Schule understood the impact of early Christology in the Greco-Roman world; so particularly BOUSSET 1970. 27
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nius reports that Domitian levied the tax ‹with the utmost vigour (acerbissime)›, so that both judaizing gentiles and apostate Jews were subject to prosecution.28 This severe interpretation of the tax was countermanded by Nerva,29 so that after 96 CE payment of the fiscus Iudaicus was probably not required either of non-proselytizing gentiles or of Jews who had abandoned their ancestral religion and customs. In other words, payment of the tax became a clear identity marker of who was a Jew and a clear boundary marker between Jew and Christian: by refusing to pay the tax both a non-practising Jew put his apostasy beyond doubt, and a Christian made it clear that he was not a Jew.30 The transition from Sabbath to Sunday is a lot more obscure than we might have expected (cf. Acts 20.7; 1 Cor. 16.2; Rev. 1.10; Did. 14.1; Ignatius, Magn. 9.1),31 a fact which may indicate that one holy day in seven did not, probably could not function as much of an identity or boundary marker. For house churches whose membership was predominantly freedmen, slaves and their spouses, subject as they must have been to the demands and good will of patrons and masters, the regular observance of such a regular holy day must have been problematic anyway. The issue of boundaries between Christianity and Judaism came to sharpest and earliest focus in the case of the two clearest distinguishing features of Second Temple Judaism – circumcision and food laws. The key factor was the gift of the Holy Spirit, which Second Temple Jewish writers assumed would be bestowed on Israel at the inauguration of the age to come, and on gentiles only if they became proselytes.32 In both cases it was the fact that gentiles manifestly received the gift of the Holy Spirit immediately on believing in Jesus as Lord, and without any reference to what the law demanded, which was seen to provide an undeniable warrant for the first missionaries to accept these gentiles without requiring the male converts to be circumcised. The very fact that the sect of the Nazarenes was evangelistic in character and missionary in impulse towards non-Jews was itself a crucial factor. For no other Jewish sect that we know of saw itself commissioned to reach beyond the boundaries of Judaism.33 God-fearing sympathizers and proselytes were always welcome. But given the ethnic identity of Judaism, Jews evidently saw 28
‹Besides other taxes, that on Jews was levied with utmost vigour, and those were prosecuted who without publicly acknowledging that faith yet lived as Jews, as well as those who concealed their origin and did not pay the tribute levied upon their people› (Domitian 12.2; text and commentary in GLAJJ 2.128–30). 29 Nerva’s coins proclaimed: FISCI IUDAICI CALUMNIA SUBLATA, probably signifying that ‹the malicious accusation with regard to the Jewish tax has been removed›. 30 GOODMAN 1992, 27–38 (here 31–34). 31 RORDORF, 1968. 32 PHILIP, 2005. 33 MCKNIGHT 1991; GOODMAN 1994. As SANDERS 1985 notes, the only passage which predicts a mission to the Gentiles in the literature of the period is Isa. 66.19 (214).
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no call to reach out pro-actively to attract gentiles to their religion. So the new sect’s drive to evangelise beyond Israel’s borders, which they attributed to the risen Christ (Acts 1.5–8; Matt. 28.19–20), set them on a course which, with hindsight almost inevitably, took them beyond the boundaries of Judaism. The account of how circumcision, this sine qua non of Jewish identity, became dispensable comes to us in two versions, both focused on a crucial council held in Jerusalem. Paul recounts how the success of his and Barnabas’ mission among gentiles in Syria and Cilicia was sufficient to persuade quite conservative Jews that God had accepted the gentiles as they were. The grace of God was so clearly manifest in and among these uncircumcised gentiles, that circumcision was rendered unnecessary (Gal. 2.6–9). By ‹grace of God› Paul would certainly have had in mind their reception of the Spirit, as in Gal. 3.2–5; the terms ‹grace› and ‹Spirit› were almost synonymous for Paul.34 Luke tells an equivalent story, featuring Peter’s mission to the gentile centurion Cornelius in Caesarea. Here again outpouring of the Spirit on these uncircumcised gentiles was so irrefutable that the Jerusalem leadership of infant Christianity could not insist on circumcision for such converts without calling in question what was self-evidently the activity of God (Acts 10.1–11.18; 15.7– 11). In fact, the conservative believers rallied and attempted to close the breach which had been opened up in the boundary round Judaism, as Paul’s letters to Galatians and Philippians 3 in particular make clear. But by then the numbers of gentile Christians who had flooded into the churches founded by the gentile mission were too many. The breach could not be closed. This decisive break with Judaism’s central identity and boundary marker meant that circumcision remained a clear boundary marking out Judaism, but never featured for any length of time as a boundary for Christianity. While the battle between Paul and those who wanted to reverse the decision made in Jerusalem raged, it remained unclear whether circumcision also formed a boundary between Judaism and the new movement. Paul evidently saw circumcision as too much the mark of ethnic identity, circumcision in the flesh (Rom. 2.28–29), and so in danger of limiting the grace of God to those who shared that ethnic identity or who took it on by being circumcised. Faith he saw as the only means through which the grace of God could be received, by circumcised and uncircumcised alike (Rom. 3.28–30). He did not renounce circumcision, since that would have been to renounce too much of God’s earlier revelation, but he was able to take up the old distinction between circumcision in the flesh and circumcision of the heart,35 and to insist that those, including gentile Christians, who worshipped God by the Spirit were now properly to be called ‹the circumcision› (Phil. 3.3). He wished to retain 34
See e. g. DUNN 1975, 202–5. Deut. 10.16; Jer. 4.4; 9.25–26; Ezek. 44.9; 1QpHab 11.13; 1QS 5.5; 1QH 2.18; 18.20; Philo, Spec. Leg. 1.305. 35
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circumcision as in an important sense still an identity marker for and within the new movement, but not as an alternative to faith or as a necessary addition to or expression of faith. Henceforth for Paul circumcision was one of the adiaphora, nothing to get worked up about alongside what really mattered (1 Cor. 7.19; Gal. 5.6; 6.15). The mainstream of Christianity never went back on the stand Paul took, and already in the post-Pauline literature circumcision was no longer an issue in Christian circles.36 As regards the laws governing the meal table, again such a crucial boundary marker for Judaism, sanctified by the blood of the martyrs, the stand taken by Paul in particular was very similar and of similar effect. Acts tells us that Peter had learnt over the Cornelius affair to accept gentiles as they were, without insisting that they judaized. In a dream he had been told to eat the flesh of unclean animals and had indignantly refused. But the heavenly voice had responded three times: ‹What God has made clean you must not call profane› (Acts 10.11–16). And the lesson Peter had learned, as he reported to Cornelius, was that he should not call any person profane or unclean (10.28); the logic of Lev. 20.24–26 was put into reverse! Quite how that episode fits with Paul’s own account of a subsequent incident at Antioch is not entirely clear (Gal. 2.11–14). On arriving in Antioch Peter had freely eaten with gentile believers. But when a group came from Jerusalem, from James, who was now the leading figure there, Peter withdrew from the table fellowship, as did all the other Christian Jews. Clearly their concern was that they were breaching the laws of clean and unclean in particular, the laws whose function according to Lev. 20.24–26 was to define the boundary between Jew and gentile. Paul took the same stand on this as he had over circumcision. To insist in effect that gentile believers had to ‹judaize› (Gal. 2.14) was to deny that faith in Christ was alone necessary for salvation (Gal. 2.16). The laws of clean and unclean should no longer form a boundary round the churches he founded. In this way Paul effectively deconstructed the two key boundary markers round Judaism. The trouble was that these two in particular were also identity markers. They were bound up with the identity of the people of the covenant made between God and Abraham and through Moses. In consequence, Paul’s policy, in effect, of pushing back (or pushing aside) these boundaries to include gentile believers, so blurred the identity of the covenant people as to call in question the covenant itself in the mind of most Jews. In other words, it is no wonder that most Jews could not follow Paul and dismissed him as an apostate. Their identity as Jews was too much at stake. The only alternative was for the Christians to assume a distinct identity, to see themselves as a third race, a tertium genus, distinct from Jews as well as the (other) nations. And this was the alternative increasingly pursued from about the middle of the second century onwards.37 36 See further my contributions on the Deutero-Paulines in C. A. EVANS & D. A. HAGNER 1993, 151–65; and in J. BARCLAY & J. SWEET 1996, 130–44.
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3 Christian boundary markers As already noted, some of the old Jewish boundary markers still served to mark off the earliest Christians within the wider Greco-Roman world. Monotheism. So long as Christians remained firm in their claim that they were monotheists, this was sufficient to distinguish them from the syncretistic tendencies which were a feature of Hellenistic religious thought and practice. The inclusion of Jesus within their understanding of God became a boundary dividing them from rabbinic Judaism, but any parallel between Kyrios Christos and the kyrioi of mystery cults was rendered null by Paul’s clear assertion: Even if there may be so-called gods in heaven or on earth – as in fact there are many gods and many lords – yet for us there is one God, the Father, from whom are all things and for whom we exist, and one Lord, Jesus Christ, through whom are all things and through whom we exist (1 Cor. 8.5–6).
Election. The Christian refusal to let go the claim to be heirs of the promises to the patriarchs, and to be the ones for whom the predictions of the prophets had been fulfilled, had a similar effect. It confused the relationships with Jews and caused a drawing of new boundaries. But it gave the new religion of Christianity a claim to ancient beginnings which would have increased the respect with which their evangelists and apologists were heard. Morality. Most striking in many ways was the degree to which earliest Christianity retained the moral and ethical standards which marked out Judaism within the wider Greco-Roman world. In particular, Paul remained as hostile to porneia as ever any of his Jewish predecessors had been. He was as fiercely critical of the sexual license practiced in Hellenism as the writer of the Wisdom of Solomon (Rom. 1.21–27). The Corinthian Christians are told to ‹Flee from porneia› (1 Cor. 6.18) and to drive out the licentious person from their midst (5.13). Porneia is the most prominent of ‹the works of the flesh› and in his vice-lists (Gal. 5.19; also Eph. 5.3; Col. 3.5; 1 Thess. 4.3). Here was a boundary marker which remained stable and firm in the period in which Christianity and Judaism began to grow steadily more distinct and apart from each other. Clearly, then, Paul felt no inconsistency in saying: ‹Circumcision is of no consequence; and uncircumcision is of no consequence; what matters is keeping the commandments of God› (1 Cor. 7.19) – even though a typical Jew would have pointed out that circumcision was one of God’s commandments! The relativisation of circumcision did not mean that ‹the commandments of God› given to Israel had ceased to provide a measure of God’s will. If circumcision could no longer serve as a boundary which had to be crossed by one who wanted to enter the people of God’s promise, what replaced it in the emerging Christian communities? If a group’s identity depended on 37
RICHARDSON, 1969, 22–5.
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there being a boundary round the group, marking off those inside from those outside, what formed the boundary marking off infant Christianity? Faith in Christ is the first obvious answer. The very description, Christianoi, as already noted, was coined to designate those who had somehow come to the attention of the Roman authorities in Antioch by reason of their loyalty to this Christ (Acts 11.26). Christians were ‹those who called upon the name of our Lord Jesus Christ› (1 Cor. 1.2; also Acts 9.14, 21; 22.16; Rom. 10.13; 2 Tim. 2.22). One of the most common self-referential terms for the first Christians was ‹believers›,38 where it is obvious that the belief in view is belief in Jesus as Messiah/Christ, Son of God and Lord.39 The gift of the Spirit, given to that faith, is a second obvious answer – obvious in light of the point already made, that it was the clear evidence that gentile believers had received the Spirit which convinced even conservative James that God’s acceptance was not dependent on the prior or subsequent rite of circumcision being performed on the believer (Gal. 2.6–9). This implies, of course, that the evidence that the Spirit was being or had been received was clear to all concerned, with the corollary that the gift of the Spirit could not have been a silent or assumed corollary to a profession of faith or to the performance of baptism. The accounts of the first gentile reception of the Spirit, by the household of Cornelius in Acts 10.44–18, and by the Galatians in Gal. 3.2–5, clearly envisage visible manifestations, explicitly speaking in tongues, voluble praise (Acts 10.46), and miracles (Gal. 3.5). That fact creates problems which I cannot go into here: Christianity began as what theologians of the Reformation period would have described as an ‹enthusiastic› sect (Schwärmerei)! The point here is that in terms of visible boundary markers, the manifest activity of the Spirit in one who believed was seen as proof positive that one had become a Christian. As Paul put it, in a sentence which comes as close as he ever gets to providing a definition of a Christian, ‹If anyone does not have the Spirit of Christ, he does not belong to him›, that is, he is not a Christian (Rom. 8.9). Baptism in the name of Christ, however, became the key ritual boundary marker. The origins of the Christian rite are not as clear as we might have hoped – an issue which has intrigued students of Christianity’s beginnings for a long time. Two of the options widely canvassed in earlier decades have not proved satisfactory. The religionsgeschichtliche attempt to argue that Paul or the Hellenists derived baptism from the initiation ceremonies of the mystery 38 Hoi pisteuontes (‹those who believe›) – Acts 2.44; Rom. 3.22; 1 Cor. 14.22; 1 Thess. 1.7; 2.10, 13; Herm. Sim. 8.3.3; Origen, c.Cels. 1.13.34; hoi pisteusantes (‹those who believed/became believers›) – Acts 2.44 v.l.; 4.32; 2 Thess. 1.10; Herm. Sim. 9.19.1; 9.22.1; hoi pepisteukotes (‹those who had become [and remained] believers›) – Acts 15.5; 18.27; 19.18; 21.20, 25. 39 E. g. Matt. 18.6; John 2.11; 3.16, 18, 36; 4.39; 6.35; 7.31, 39; 11.26; 12.44, 46; 16.9; Acts 10.43; 11.17; 16.31; Rom. 3.22, 26; 9.33; 10.14; Gal. 2.16; 1 Tim. 1.16; 1 Pet. 2.6.
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cults has not proved durable. The washings referred to in such indications as we have of initiation rituals seem to be preliminary to the initiation ceremony proper. And the initiation itself seems typically to have been a good deal more elaborate than what we read of in the New Testament, involving ‹things recited›, ‹things shown› and ‹things performed›.40 Nor is it any clearer that Christian baptism was derived from proselyte baptism. Apart from anything else, it is by no means clear that proselyte baptism was practised in Second Temple Judaism. Circumcision was obviously demanded, as already noted. But the evidence for proselyte baptism in the period prior to the destruction of the temple is lacking. More likely is it that proselyte baptism was introduced in the post-70 period, perhaps in place of a temple sacrifice which could no longer be offered. Certainly where ritual baths were available and ritual purifications were regularly practised we can assume that the proselyte would undergo regular purification. But there is no indication that the first immersion in a miqwe was accorded the significance of an initiation, a crossing-the-boundary ceremony.41 What is clearer is that the term ‹baptism› first emerged in connection with John the Baptist. Too little weight has been given to the fact that John was given the title ‹the Baptist› (ho baptiste¯s = hattobel, tab ela).42 That immediately indicates that his characteristic action, of plunging the repentant into the Jordan, was seen as singular and as quite distinctive. Had there been many other baptizers and many other baptisms he would not have been so designated. But John stood out as ‹the one who baptizes› (Mark 6.14, 24).43 This suggests an obvious origin for Christian ‹baptism›. John’s mission as baptizer gave the first Christians both the name (baptism) and the procedure for their own mission. Jesus, it would appear, had begun his own mission in imitation of John (John 3.26), but after John’s imprisonment he evidently developed his own style, which did not include baptism (John 4.2).44 Despite that, his disciples seem to have taken up the practice more or less immediately: that all Christians have been baptized is simply taken for granted by Paul (Rom. 6.4; 1 Cor. 12.13; Gal. 3.27). Their reasons for resuming the practice are not entirely clear. Matthew attributes it to an explicit instruction by the risen Jesus (Matt. 28.19), and Luke represents it as being called for in the first Christian preaching at Pentecost (Acts 2.38). And it is quite likely that the first practitioners understood it as a baptism in preparation for the coming denouement, much as the Baptist had done. At all events, it is clear that baptism in the name of Jesus (Acts 2.38; 8.12; 10.48; 19.5; 1 Cor. 1.13; 6.11) was demanded of would-be converts from as early as we can discern. 40
OCD 2, ‹Mysteries›; OCD 3, 1017–8; see further WAGNER 1967; WEDDERBURN, 1987. See further BEASLEY-MURRAY, 1963, 18–31; SCHIFFMAN 1981, 115–56 (here 127–31); WEBB, 1991, 122–8; COHEN 1999, 198–238 (here 222–5). 42 Mark 6.25; 8.28; Matt. 3.1; 11.11–12; 14.2, 8; 16.14; 17.13; Luke 7.20, 33; 9.19. 43 See further DUNN, 2003, 355–62. 44 See further DUNN, 2003, 605–7. 41
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That this rite was closely associated with faith in Christ and the gift of the Spirit need hardly be argued further (e.g. Gal. 3.2–5, 26–27). These seem to have been the three key elements in the event of crossing the boundary into earliest Christianity, though how the three elements relate to one another remains an unresolved discussion in Christian circles to the present day.45 But certainly the public act of baptism would have made it clear that a boundary was being crossed, that the baptisand was taking on a new loyalty (to Jesus as Lord) which superseded all others, a new fictive family (brothers and sisters) of which he thereby became a member, and a distinctive pattern of worship and moral code. The personal consequences and social ramifications in a society structured on patron-client relationships and characterized by slavery must have been considerable. To what extent did the meal table function as a boundary marker in early Christianity? Despite the fact that the Lord’s Supper, the Eucharist, has been one of the primary identity markers of Christianity more or less from the beginning, the answer is less clear-cut than we might imagine. The problem starts with the fact that Jesus’ mission had been characterized by the openness of his table fellowship: he ate with toll-collectors and sinners (Mark 2.16); he was known dismissively as ‹a glutton and a drunkard, a friend of toll-collectors and sinners› (Matt. 11.19). In contrast to Pharisees and Essenes, Jesus did not hedge his meal table around with restrictions; no boundaries had to be crossed in order to eat with Jesus.46 To what extent, then, was his last supper with his disciples (Mark 14.22–25 pars.) different in character, a meal closed to others? The answer is no clearer in the Acts accounts of the earliest Christian fellowship. Luke speaks of fellowship meals simply as ‹breaking of bread› (Acts 2.42, 46; 20.7, 11; 27.35), the term used for a regular meal. We may presume that on some occasions at least Jesus’ last supper was commemorated as part of the shared meal. Paul’s account in 1 Cor. 11.23–26 implies that the Lord’s Supper was a standard feature of Christian churches, and clearly indicates that the commemoration of Jesus’ death was part of a full meal (‹the Lord’s dinner›); the meal would have begun, as usual, with the breaking of the bread, but the circulation of the wine-cup took place ‹after dinner› (11.25). But we cannot tell how often the commemoration was part of the meal; it is even possible that the Eucharist began as an annual commemoration at Passover. Nor can we tell to what extent these regular fellowship meals mirrored Jesus’ earlier practice of open commensality. 1 Cor. 11–14 is Paul’s only expose´ of a church’s communal gatherings. And the chapters raise the same range of questions. Were the meetings des45
I may refer, for example, to my early study: DUNN, 1970. Luke 14.13, 21 may be formulated in reaction to the restrictions imposed at Qumran; see further DUNN, 2003, 599–605 (here 603–4). 46
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cribed in these chapters all eucharistic in character? Were some of them ‹only› for worship? In the latter case, we know that outsiders could freely enter the worship gathering (14.23–24). Was the same true of the coming together to eat the Lord’s Supper (11.20)? Perhaps these early meals were like Jewish ritual washings, in that the first had no greater significance than the subsequent meals. They were simply an expression of Christian fellowship and community, and if an ‹entrance requirement› was in view it would have been the three elements already mentioned. Such possibilities gave substance to the much later issue, whether Holy Communion was an insiders’ celebration or could be an evangelistic opportunity. However, the distinctiveness of the Lord’s Supper as a marker of Christian identity becomes apparent in the preceding chapters of 1 Corinthians (1 Cor. 8–10). For there the issue discussed is whether Christians could participate in meals conducted in the temples of other gods (8.10). Here we must recall that the modern equivalent of ‹dining out› would be to reserve one of the small dining rooms which were a feature of many large temples. Their rationale was that sacrificial animals provided far more meat than was necessary for the sacrifice and for the priests and their attendants. The surplus meat would be sold in the meat market, or served in the temple’s dining rooms. Consequently, those who dined at these temples would inevitably be served with meat from the animals sacrificed to the temple’s god. And presumably the meal would include a libation of wine offered to the god. Indeed, we know from archaeological evidence that the god would typically be regarded as the host of the meal.47 Some of the Corinthian Christians thought that no harm was done by participating in such meals; after all, ‹an idol is nothing› (8.4). But Paul saw the issue as a direct either-or. To be sure, ‹an idol is nothing› (10.19–20). But Deuteronomy 32.17 had given a precedent for thinking that sacrifices to other gods were really sacrifices to demons. And how could the Corinthian Christians think it acceptable to drink the cup of demons and the cup of the Lord? How could they think it acceptable to share table-fellowship with both the Lord and demons (10.21)? That would simply provoke the Lord to jealous anger (10.22), as Deuteronomy had warned (32.16). Here we see Paul drawing a clear boundary line. It was partly a matter of reaffirming Israel’s implacable hostility to idolatry. Paul did not want to shift that boundary marker or to move beyond it. But it was partly also that the Lord’s meal-table was such a definitive identity marker for Christianity that he did not want to diminish its significance or to weaken its force as a distinctive bond of Christian fellowship (10.16–17). At the same time he recognized the need for gates in the boundaries. Some of the Corinthian Christians had positions of social and even civic importance. 47
Examples in WILLIS 1985, 40–42.
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They might be able to avoid feasts in the temples. But they could not cut themselves off from all social intercourse. Accordingly, Paul envisages a situation where a Christian is invited to an unbeliever’s home for a meal (10.27– 30). He recognizes that in such a case there would be a good chance that the meat offered had been bought from the meat market supplied by the temples. But other supplies of meat were available for those who wanted to avoid the meat of sacrificial animals.48 So his counsel is that the Christian should not ask where the meat had come from and to eat whatever is served up without question or qualm. Only if another guest says, ‹This meat has been offered in sacrifice›, should the Christian decline the meat. What is interesting here is that Paul envisages the possibility of a Christian actually eating sacrificial meat. So long as the Christian is ignorant of that fact he should not be worried. It is the act of consciously and deliberately partaking of the sacrifice to an idol which Paul thinks constitutes a breach of the boundary. But to eat sacrificial meat unwittingly is not a problem; in this case the Corinthians are right, ‹an idol is nothing›. The subtlety of this pastoral strategy (Don’t ask; don’t tell) enabled Paul to maintain the Jewish ‹No› to idolatry, enabled the Corinthian Christians of high social status to maintain the associations necessary for their position in society, and not least enabled Paul to maintain a firm boundary between the Lord’s table and all other meals.49 In summary, Christianity was bound to develop boundary markers as its own identity became clearer and sharper. Since Christianity emerged from within Second Temple Judaism a large part of the boundary drawing exercise consisted in defining its relations with Judaism’s ancestral religious beliefs and practices. This involved a reaffirming of some distinctively Jewish elements (idolatry, porneia), redefining others (monotheism, election, temple), and abandoning others (circumcision, meal-table restrictions). The relation of that boundary drawing to the boundary drawing necessary in the wider Greco-Roman world into which it penetrated, beyond the boundaries of Judaism is not entirely clear. But emergent Christianity maintained some of Israel’s boundaries (monotheism, Israel as a term of self-identity), sharply defined others (faith in Christ, gift of the Spirit, baptism in the name of Jesus), and began the long process of negotiating others (how members of the churches could maintain their social intercourse with non-believers).
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MEGGITT 1994, 137–41. See further DUNN 1998, 701–6.
Boundary Markers in Early Christianity
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Zur Rezeptions- und Traditionsgeschichte des paulinischen Ausdrucks εÍ ργα νο μου: Notizen im Blick auf Verhaltensregeln im frühen Christentum als einer ‹Gruppenreligion› von
MICHAEL BACHMANN Beim Thema ‹Römische Reichsreligion und Provinzialreligion› stellt sich selbstverständlich auch die Frage nach der Rolle oder den Rollen, die das in Iudaea und im Judentum seinen Anfang nehmende, bekanntlich (siehe nur Act 1,8) jedoch schnell über diese Grenze hinausgehende Christentum in den übergreifenden politischen und religiösen Strukturen zumal des ersten und zweiten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung einnimmt.1 Dabei verdient nicht zuletzt derjenige jüdische Mann (siehe nur Röm 11,1) Interesse, der sich selbst ‹Apostel der [nicht-jüdischen] Völker› nennen kann (Röm 11,13), zumal er, Paulus, bald auch als ‹Lehrer der Völker› firmiert (1Tim 2,7). Wie seine theologische und missionarische Konzeption genauer aufzufassen sein mag, ist freilich seit über zwanzig Jahren heftig umstritten.2 Spätestens mit der Reformation wurde die ‹Rechtfertigungslehre› im Zentrum vermutet; damit sind Worte wie Röm 1,16 f. und Röm 3,28 stark akzentuiert worden, nach denen das ‹Heil jedem Glaubenden, dem Juden zuerst und [auch] dem Griechen›, offensteht, und zwar ‹durch den Glauben, ohne Werke des Gesetzes›.3 Die so genannte Neue Paulusperspektive – diesen Terminus hat Anfang der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts J. D. G. DUNN geprägt – geht nicht zuletzt gegen die mit der traditionellen, mit der ‹lutherischen› Sicht verbundenen Vorstellungen an, es sei für die Zeit der Entstehung des Christentums schlichtweg mit einem ‹werkgerechten› Judentum zu rechnen und Paulus weise bei seinen negativ wirkenden Aussagen zu den ‹Werken des Gesetzes› zugleich die unmögliche Möglichkeit ab, vor Gott überhaupt auf eigene Leistungen vertrauen zu können.4 Nach J. D. G. DUNN geht es bei εÍ ργα 1
S. dazu nur BACHMANN/BALLHORN 2003. S. dazu nur STRECKER 1996 und BACHMANN 2005a, VII–XII. 69–92. Vgl. HORN 2005. 3 Vgl. dazu etwa BACHMANN 1999, 5–10, ferner STOLLE 2002 und STOLLE 2005, 41–57. 4 S. dazu bes. STRECKER 1996. Was ‹The New Perspective on Paul› angeht, so war das der Titel eines von J. D. G. DUNN zuerst 1983 veröffentlichten Aufsatzes: Bulletin of the John Rylands Library 65, 95–122, danach in: DUNN 1990, 183–206/214, nun in: DUNN 2005b, 89–110. Schon vor J. D. G. DUNN haben Autoren wie K. STENDAHL (s. zu ihm unten 89, 2
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νο μου vielmehr um ‹boundary› und ‹identity markers› des Judentums, und der Apostel lehne sie wegen der durch Christus ermöglichten Universalität des Heils jedenfalls als Anforderungen ab, die von durch die Christusbotschaft erreichten Nicht-Juden, ‹Heiden›, sozusagen zusätzlich zu erfüllen seien5 – zugunsten einer Inkludierung von Nicht-Juden in die Gemeinschaft der Geretteten. In diesen exegetischen Diskussionen ist natürlich ‹der möglichst präzisen Interpretation des Begriffs erga nomou ... hohe Aufmerksamkeit geschenkt worden›,6 nicht nur von J. D. G. DUNN, sondern etwa auch von mir.7 Hinsichtlich des Christentums als einer der ‹Gruppenreligionen› im Römischen Reich ist indes keineswegs allein die paulinische Verwendung des Ausdrucks ‹Werke des Gesetzes› von Interesse, sondern gerade auch dies, wie dieses beim ‹Lehrer der Völker› begegnende Syntagma im ersten und zweiten Jahrhundert in weiteren christlichen Schriften aufgegriffen wird (siehe Abschnitt 1).8 Aufschlussreich für hier zu beobachtende Unterschiede und Entwicklungen dürfte überdies ein knapper Blick auf die Traditionsgeschichte des Ausdrucks ‹Werke des Gesetzes› sein (siehe Abschnitt 2).9
1 Rezeptionsgeschichte Es handelt sich bei εÍ ργα νο μου in einem sehr spezifischen Sinn um einen paulinischen Ausdruck. Denn nach dem ‹Thesaurus Linguae Graecae› begegnet die Genitivverbindung vor Paulus gar nicht, und die nachpaulinischen Belege sind sämtlich direkt oder zumindest indirekt von sechs Versen des Galater- beziehungsweise Römerbriefs abhängig, das heißt von Gal 2,16 (hier gleich drei Belege!); 3,2.5.10 und Röm 3,20.28 (vergleiche ferner Röm 9,32 Anm. 45), U. WILCKENS und E. P. SANDERS Rückfragen an ein ‹lutherisches› Paulusverständnis gerichtet. 5 S. dazu nur (die Nachweise bei) BACHMANN 2005a, 74 f. 6 HORN 2003, 290. Vgl. HORN 2005, 29: ‹Die genaue Bestimmung dessen, was unter εÍ ργα νο μου zu verstehen sei, hat der sogenannten new perspective ein Thema gegeben, an dem alle Fragen, die sie hervorgebracht hat, auf seltsame Weise konvergieren.› 7 S. dazu nur DUNN 1990, 190–200. 210–213. 219–230. 238–240, DUNN 2002 und DUNN 2005a, bes. 397–404, sowie BACHMANN 1999, 1–31. 33–56, BACHMANN 2002a, 69–71, und BACHMANN 2005a, X–XII. 69–134 (hier 69–71 Anm. 4–6 weitere Literaturhinweise). 8 Nicht zuletzt eben darum ging und geht es beim Siegener Beitrag zum Forschungsprogramm ‹Römische Reichsreligion und Provinzialreligion› (s. dazu nochmals BACHMANN/BALLHORN 2003, bes. 86 f.). 9 S. dazu zumal BACHMANN 1999, 16–19. 25–30. 33–53, und BACHMANN 2005a, 112– 131. Deutlich vor den Qumranfunden, die, wie noch zu zeigen sein wird, mit 4QMMT C 27 jedenfalls eine wichtige Parallele zu den paulinischen εÍ ργα-νο μου-Belegen erbrachten, hat sich (in einem zuerst 1929 erschienenen) Aufsatz E. LOHMEYER mit den betreffenden traditionsgeschichtlichen Fragen beschäftigt (LOHMEYER 1954, 31–74 [‹Gesetzeswerke›], bes. 37–61). Unter den neueren Veröffentlichungen seien MIJOGA 1999 sowie BERGMEIER 2005 (vgl. BERGMEIER 2000, bes. 37–43, und BERGMEIER 2003) hier eigens genannt.
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v.l., überdies Röm 2,15 [Singular]). Nach unserer jetzigen Kenntnis scheint es also so zu sein, dass das Syntagma durch Paulus in die griechischsprachige ‹Literatur› eingebracht worden ist.10 Folgende Merkmale des Gebrauchs im Galater- und Römerbrief verdienen es, festgehalten zu werden: Erstens kommt die vom Apostel insgesamt achtmal verwandte Genitivverbindung überhaupt nur innerhalb von zwei Wendungen vor, innerhalb von zwei präpositionalen Wendungen. Siebenmal heißt es ‹aus Werken des Gesetzes› (vergleiche ferner Röm 4,2; 9,12.32; 11,6: ‹aus Werken› [εÆ ξ εÍ ργων]), einmal, in Röm 3,28, ‹ohne Werke des Gesetzes› (vergleiche ferner Röm 4,6: ‹ohne Werke› [χωριÁ ς εÍ ργων]). Zweitens handelt es sich stets darum, dass ‹Werke des Gesetzes› sozusagen negativ konnotiert werden, so etwa in Gal 2,16, wo formuliert wird, man werde ‹gerechtfertigt ... nicht aus Werken des Gesetzes› (V. 16b; vergleiche V. 16a.c und Röm 3,20, ferner Gal 3,2.5.10), oder auch in Röm 3,28, wo es ähnlich heißt, das Gerechtfertigtwerden geschehe ‹ohne Werke des Gesetzes›. Dazu mag man drittens stellen, dass im Kontext durchweg einigermaßen parallel zu ‹Werken des Gesetzes› der schlichte Terminus νο μος, ‹Gesetz› beziehungsweise ‹Tora›, begegnet,11 so zum Beispiel in Gal 2,21b. Da benutzt Paulus das folgende Enthymem:12 ‹Wenn nämlich durch das Gesetz Gerechtigkeit (kommt), dann ist Christus umsonst/vergeblich (δωρεα ν) gestorben›. Man hat das natürlich gedanklich fortzuführen durch die nach dem vorangehenden Vers (vergleiche auch Gal 1,4) triviale Ergänzung: Christus ist für Menschen, und das heißt durchaus nicht umsonst/vergeblich, gestorben – weshalb Gerechtigkeit eben nicht ‹aus dem Gesetz› abzuleiten sei. Viertens tritt bei Paulus nirgends ein Adjektiv zu εÍ ργα νο μου hinzu. Die ‹Werke des Gesetzes› werden insbesondere nie als ‹gut› oder als ‹schlecht› bezeichnet.13 Und fünftens schließlich werden sie überdies auch an keiner Stelle – etwa durch das Personalpronomen μου – einem Menschen zugeordnet. Es scheint sich also nicht um so etwas wie ‹meine› oder etwa ‹unsere› beziehungsweise ‹eure Werke› zu handeln.14 10 S. dazu nur BACHMANN 2005a, 113–116 (wo ich im Übrigen, in Übereinstimmung mit M. HENGEL und A. M. SCHWEMER [HENGEL/SCHWEMER 1998, 167 Anm. 675], mit aller Vorsicht, aber doch nicht ohne Nachdruck den Impuls M. WOLTERs zurückweise, es solle und könne ‹nach einer traditionsgeschichtlichen Grundlage für das Syntagma εÍ ργα νο μου ... möglicherweise eher in griechischen Texten gesucht werden› [WOLTER 1997, 433 Anm. 16]). 11 S. dazu nur BACHMANN 1999, 20 samt Anm. (104–)105, wo ich (zu den soeben eigens aufgeführten εÍ ργα-νο μου-Versen) folgende νο μος-Belege vergleichend nenne: Gal (2,19aα und) 2,21bα; 3,11a (vgl. 5,4aβ, ferner 3,18a.21cβ); 3,13 f. (vgl. noch 3,12a); Röm 3,20b (vgl. 3,19); 3,21. 12 S. dazu nur BACHMANN 1992, 85–90 (vgl. 10 f. 161, ferner 50 f. samt Anm. 134). 13 S. dazu zumal LOHMEYER 1954, 59. Vgl. etwa BACHMANN 1999, 18 f. (samt Anm. 100), und BACHMANN 2005a, 106 f. 14 S. dazu zumal LOHMEYER 1954, 34. 68. 71 (vgl. 64). Vgl. etwa BACHMANN 1999, 18, und BACHMANN 2005a, 106 f.
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Was Paulus mit dieser bei seiner Verwendung von εÍ ργα νο μου zu beobachtenden merkwürdigen Ausdrucksweise, insbesondere also mit den Merkmalen (1) bis (5), genau meint, ist, wie die Rezeptionsgeschichte zeigt, nicht leicht zu sagen. Relativ deutlich ist immerhin: Die Verwendung wirkt recht technisch, und der Apostel scheint sich nicht oder doch nur wenig auf subjektive Sachverhalte zu beziehen, vielmehr eher auf objektive Tora-Gegebenheiten.15 Deutlich ist selbstverständlich außerdem das ablehnend-polemische Gefälle der Aussagen. Schaut man auf wichtige Momente der frühen Rezeptionsgeschichte, so wird dieses Gefälle zumeist aufgegriffen, während das technisch-objektive Moment nicht immer (hinreichend) wahrgenommen wird. Im Epheserbrief, der heute weithin zu den Deuteropaulinen gerechnet wird,16 liegt fraglos ein Rückgriff gerade auch auf originär paulinische εÍ ργα-νο μου-Formulierungen vor. Das zweite Kapitel dieser Schrift bietet jedenfalls in etwa unsere Merkmale (1) und (2), nämlich in dem Passus V. 8–10. Und der nachfolgende Kontext spielt zudem unübersehbar auch auf Merkmal (3) an, sofern dort nämlich der νο μος genannt wird. Er wird da als eine die (Korporation der) Juden kennzeichnende und die Nicht-Juden von ihnen fernhaltende, nun jedoch durch Christus überwundene Schutz- und Trennungsbarriere (siehe besonders V. 14 f.) charakterisiert: Christus hat danach zwischen zwei derart getrennten und verfeindeten Gruppen eine Einheit hergestellt, und zwar indem er τοÁ μεσο τοιχον τουÄ ϕραγμουÄ , ‹die Zwischenwand des Zaunes auflöste, ... das Gesetz der Gebote in Satzungen [τοÁ ν νο μον τω Ä ν εÆ ντολω Ä ν εÆ ν δο γμασιν] vernichtend›.17 Obwohl hier neben dem prononciert ablehnendpolemischen Gefälle das technisch-objektive Moment immerhin anklingt, zeigen die Verse 8–10 doch, dass unsere Merkmale (4) und (5) in dieser Schrift nicht wirklich übernommen werden. Ich zitiere:18 ‹Denn aus Gnade seid ihr selig geworden durch Glauben, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es, nicht aus Werken, damit sich nicht jemand [τις] rühme. Denn wir sind sein Werk, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet 15
Vgl. dazu zumal LOHMEYER 1954, bes. 64 (‹zu Leistendes›), 66 (‹Ordnung des Gesetzes›) und 68 (‹bezeichnend, daß der Kernsatz paulinischer Rechtfertigungslehre nichts dergleichen andeutet›, nämlich nicht: ‹die schlechthinnige Vergeblichkeit alles Wirkens und Mühens›), ferner etwa BERGMEIER 2000, 41 (vgl. BERGMEIER 2005, bes. 164 f.), und BACHMANN 2005a, 84–91 (Literatur!) und 96–112. Während ich den Ausdruck εÍ ργα νο μου von den ‹Regelungen des Gesetzes› (ebd., 112), von den ‹Halakhot› (vgl. dazu BACHMANN 1999, 14) verstehe, möchte J. D. G. DUNN ihn sowohl auf solche ‹regulations of the law› (so z. B. DUNN 2002, 284) beziehen als auch zugleich auf deren ‹implementation› (so z. B. ebd., 282; vgl. DUNN 2005a, bes. 401). Das scheint mir schon deshalb nicht gut möglich, weil es sich bei ‹Regelungen des Gesetzes› und ‹Erfüllungen des Gesetzes› um zwei distinkte Sememe handelt, und auf solche unterschiedlichen Bedeutungen wird in der normalen Sprachverwendung nun einmal nicht gleichzeitig Bezug genommen (s. dazu BACHMANN 2005a, bes. XI f. 92–95 [vgl. 100.134]). 16 S. dazu nur SCHNELLE 2002, 349–351. 17 So ‹Münchener Neues Testament› (5., durchges. und neu bearb. Aufl., Düsseldorf 1998). 18 Nun nach der ‹Lutherbibel von 1984›.
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hat, daß wir darin wandeln sollen.› An diesen Sätzen fällt mindestens das Folgende auf: Bei ουÆ κ εÆ ξ εÍ ργων fehlt einerseits der Genitiv νο μου; diese Werke werden andererseits wohl schon durch die Formulierung ‹nicht aus euch›, fraglos aber durch den Hinweis auf den nicht mehr möglichen Ruhm potentiell jemandem (τις), einem (beziehungsweise jedem) Menschen, zugeordnet, und sie werden zwar von den späteren ‹guten Werken› (vergleiche im Übrigen: Eph 5,11 [‹die unfruchtbaren/keine Frucht bringenden Werke der Finsternis›]) der Christus-Gläubigen zeitlich abgehoben, ihnen jedoch sachlich parallelisiert. ‹Nicht aus Werken› bedeutet hier insofern: nicht aufgrund von etwaigen guten Werken bestimmter Personen. Die Merkmale (4) und (5) der paulinischen εÍ ργα-νο μου-Belege sind hier demnach nicht rezipiert worden. Ähnliches gilt auch für den Titusbrief, der zumeist ebenfalls als deuteropaulinisch eingeschätzt wird.19 In Tit 3,4 f. heißt es:20 ‹Als aber erschien die Freundlichkeit [ηë χρηστο της] und die Menschenliebe Gottes, unseres Heilands, machte er uns selig [beziehungsweise: rettete er uns] – nicht um der Werke [in] der Gerechtigkeit willen [ουÆ κ εÆ ξ εÍ ργων τω Ä ν εÆ ν δικαιοσυ νη], ì die wir getan hatten, sondern nach seiner Barmherzigkeit [εÍ λεος]›. Wieder werden unsere Merkmale (1) und (2) aufgegriffen, zumindest weithin. Im Kontext kommt überdies abermals Merkmal (3) in den Blick, sofern unter anderem vor ‹Streit über das Gesetz›,21 vor μα χαι νομικαι (V. 9; vergleiche Tit 1,14: εÆ ντολαιÁ αÆ νθρω πων), gewarnt wird; dabei scheinen überdies erneut Fragen nach den ‹richtigen› Korporationen eine Rolle zu spielen, werden die Angesprochenen doch dem λαοÁ ς περιου σιος (Tit 2,14) zugerechnet und gilt ihnen doch die Aufforderung, sich αÆ ρχαιÄς (καιÁ ) εÆ ξουσι αις unterzuordnen (Tit 3,1), also sich in die kommunalen und übergreifenden politischen Korporationen einzufügen (vergleiche überhaupt V. 1 f.). Anders als im Galater- und Römerbrief – jedoch wieder in Analogie zum Epheserbrief – steht es bei den Merkmalen (4) und (5). Die Formulierung ουÆ κ εÆ ξ εÍ ργων τω Ä ν εÆ ν δικαιοσυ νη, ì αÊ εÆ ποιη σαμεν ηë μειÄς setzt ja Personen, die ηë μειÄς, mit den εÍ ργα in Verbindung (vergleiche 2Tim 1,9), und der sozusagen an die Stelle des Genitivs νο μου tretende Zusatz ταÁ εÆ ν δικαιοσυ νηì (vergleiche 2Tim 3,16) kommt einem Adjektiv καλα beziehungsweise αÆ γαθα ziemlich nahe, und eben von καλαÁ εÍ ργα und von παÄ ν εÍ ργον αÆ γαθο ν ist denn auch im engeren Kontext, in Tit 2,14 und 3,1, die Rede. Freilich, dieses erneut dem christlichen Leben zugewiesene gute Tun hat hier deutlicher als im Epheserbrief auch die Dimension des Sich-Einfügens in gesellschaftliche und politische Verhältnisse (siehe nochmals 3,1 f.). Anders als in Eph 2 ist in Tit 3 im Übrigen auch klar, dass bei der Rettung ‹nicht aus Werken› nicht eigentlich an die Nichtberücksichtigung einer eher positiven ethischen Bilanz gedacht ist, sondern daran, 19
S. dazu nur SCHNELLE 2002, 375–379, bes. 376 f. Gemäß der ‹Lutherbibel von 1984›. 21 So wiederum die ‹Lutherbibel von 1984›. 20
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dass früher gerade auch αÆ νομι α (Tit 2,14) und allerhand Verwerfliches (siehe besonders die Liste Tit 3,3) das Feld bestimmt haben, wo nun, bei den angesprochenen Christen, gutes Tun und insbesondere πραυÈ της προÁ ς πα ντας αÆ νθρω πους (Tit 3,2) auf den Plan zu treten hat. Insgesamt: Zwar nimmt der Titusbrief gewisse Eigenarten der paulinischen εÍ ργα-νο μου-Belege auf. Aber anders als im Epheserbrief richtet sich nun das ablehnend-polemische Gefälle nicht mehr eigentlich gegen die Gruppe einengende Barrieren, wie sie mit dem jüdischen νο μος verbunden sind. Vielmehr wird deutlicher als im Schreiben an die ‹ephesinischen› Christen auf das einstige ethisch-defektive Verhalten zurückgeschaut; mit hohem moralischen Anspruch wird zugleich eine gewisse Integration der christlichen Gemeinde in die Umgebung und insofern in bestehende politische Korporationen angestrebt. In der direkten oder zumindest indirekten Abhängigkeit von paulinischen εÍ ργα-νο μου-Aussagen stimmt der Jakobusbrief und stimmt zumal Jak 2 mit den beiden betrachteten deuteropaulinischen Schriften überein,22 auch wenn hier neben εÆ κ τω Ä ν εÍ ργων (V. 18.22) beziehungsweise neben εÆ ξ εÍ ργων (V. 21.24.25) zudem noch der Ausdruck χωριÁ ς (τω Ä ν) εÍ ργων (V. 18.20.26) an Paulus erinnert. Der Genitiv νο μου fehlt dabei erneut durchweg. Bemerkenswerterweise werden in diesem Schreiben überdies die Merkmale (4) und (5) der paulinischen εÍ ργα-νο μου-Verwendung erneut nicht übernommen. Obwohl in Jak 2,14–26 der Ausdruck ‹gute› beziehungsweise ‹schöne Werke› fehlt, wird er hier doch, zumal dort, wo es um (etwa unterlassene, aber doch nicht zu unterlassende) gegenseitige Hilfe bei Mangel an Kleidung und Nahrung geht (siehe V. 15–17; vergleiche besonders V. 21.25), sozusagen umschrieben, und in V. 18 (vergleiche V. 22) ist nun sogar personal von ‹meinen› Werken die Rede; in Jak 3,13 (vergleiche V. 17 [καρπαÁ αÆ γαθα ] und dazu Phil 1,22; vergleiche ferner Jak 1,17; 4,17) kommen diese beiden Abweichungen vom paulinischen εÍ ργα-νο μου-Sprachgebrauch zudem sozusagen zusammen, ist doch davon die Rede, man solle εÆ κ τηÄ ς καληÄ ς αÆ ναστροϕηÄ ς ταÁ εÍ ργα αυÆ τουÄ εÆ ν πραυÈ τητι σοϕι ας zeigen. Trotz dieser Übereinstimmungen zwischen Epheser- und Titusbrief einerseits und Jakobusbrief andererseits, was Aufnahme von und Dissonanz mit paulinischen εÍ ργα-νο μουMerkmalen angeht, hat man es in dem letzteren Schreiben doch mit einer deutlich anderen Paulus-Rezeption zu tun. Denn hier wird ja der νο μος positiv – deutlich positiver als in Epheser- und Titusbrief – zur Sprache gebracht, zum Beispiel wenn in Jak 2,12 der Ausdruck ‹Gesetz der Freiheit› gebraucht wird 22 MARSHALL 1996, 358, gesteht zwar – kaum anders, als das soeben geschah – Differenzen zwischen Galater- und Römerbrief einerseits, ‹the earliest interpretation of the Pauline Hauptbriefe in Ephesians and the Pastoral Epistles› andererseits zu, immunisiert sich indes wohl eher gegen die betreffenden Beobachtungen, wenn er urteilt: ‹A question mark is thus placed against the view that Paul was opposed to «works of the law» simply as the symbols of a Judaism which excluded the Gentiles.› S. zum Verhältnis von Jakobusbrief und Paulus nur AVEMARIE 2001, 289–294.
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(vergleiche überhaupt Jak 2,8–13, ferner besonders Jak 1,25; 4,11 f.); außerdem wird in diesem Schreiben auch unser Merkmal (2) zwar fraglos als dem Autor bekannt vorausgesetzt (siehe nur Jak 2,14.18.20.24.26), aber – anders als in jenen beiden – gerade nicht aufgegriffen: Die Rechtfertigung ‹aus Werken› wird in Jak 2,14–26 (vergleiche Jak 1,22–25; 4,11 f.) also deutlich positiv konnotiert, heißt es doch gegen Schluss (in V. 24) summierend: οÏτι εÆ ξ εÍ ργων δικαιουÄ ται αÍ νθρωπος καιÁ ουÆ κ εÆ κ πι στεως μο νον. Das hört sich wie ein Affront gegen Paulus an, der in Bezug auf die εÍ ργα νο μου ja umgekehrt urteilt. Da er aber andererseits ähnlich positiv wie der Jakobusbrief vom νο μος reden kann (siehe besonders Röm 7,12; 13,8–10; Gal 5,14), überdies das Gericht nach den Werken (siehe besonders Röm 2,5–11 [vergleiche V. 13]; vergleiche 2Kor 11,15 und 2Kor 5,10) kennt, bestünde auch die Möglichkeit, dass es sich nur um einen scheinbaren Affront handelt. Und eben die Differenzen zwischen Paulus und Jakobus bei den Merkmalen (2), (4) und (5) deuten an: Die εÍ ργα νο μου könnten doch etwas anderes sein als die εÍ ργα, als ‹gute Werke›.23 In jedem Fall ist der Jakobusbrief im Blick auf die korporative Fragestellung näher als der Titus- und selbst als der Epheserbrief an Paulus dran: Darauf verweist die zumindest auch positive Konnotierung des νο μος, und dass sich der Jakobusbrief an ‹die zwölf Stämme in der Diaspora› richtet, passt zu Paulus’ Festhalten an einer Hoffnung für Israel (siehe nur Röm 9–11, besonders 11,26; vergleiche Gal 6,16).24 Die Korporation der αÆ δελϕοι wird bei Jakobus im Übrigen durch Fragen des νο μος nicht eigentlich getrennt oder gefährdet, sondern, nach Jak 4,11 f., dadurch eher zusammengehalten. Der so genannte 1. Clemensbrief, wohl in den neunziger Jahren des ersten Jahrhunderts – in Rom – entstanden,25 findet, was unsere Fragestellung hinsichtlich der Rezeption der paulinischen Wendung εÍ ργα νο μου angeht, seine Position gleichsam zwischen den genannten deuteropaulinischen Dokumenten 23 So schon HARNACK 1891, 96, der es für ausgemacht hält, ‹daß ... die «Werke», welche der [Jakobus-]Brief verlangt, nicht den Werken des Gesetzes entsprechen, welche Paulus ausschließt.› Neuerdings ähnlich z. B. HAACKER 2002, 84 (vgl. indes ebd., Anm. 39): ‹Zwischen den εÍ ργα νο μου im Sinne der vom Gesetz vorgeschriebenen (spezifisch jüdischen kultischen) Handlungen› und den ‹guten Werken› der Ethik muß also klar unterschieden werden› (vgl. HAACKER 2005, 13f.). Anders akzentuiert AVEMARIE 2001, bes. 306–309 (vgl. jedoch AVEMARIE 1996, 59). 24 Ob man den εÆ πιÁ τοÁ ν ÆΙσραηÁ λ τουÄ θεουÄ ergehenden Friedenswunsch ähnlich wie Röm 11,26 (παÄ ς ÆΙσραηÁ λ σωθη σεται) zu verstehen hat oder hier, wie in der Auslegung über Jahrhunderte hin üblich, an die Kirche (bzw. das Judenchristentum) zu denken hat, ist umstritten (s. dazu nur BACHMANN 2002b, 48 [samt Anm. 32–35]). Allerdings sind jene Indizien ganz erheblich, die gegen die traditionelle Sicht sprechen (s. nur BACHMANN 1999, 159–189, bes. 164–175, und DUNN 2005, 425; anders KRAUS 2005, 345 [samt Anm. 49; vgl. 342 samt Anm. 40]). Erst Mitte des zweiten Jahrhunderts dürfte es zu einer Übertragung des Terminus ‹Israel› auf die Kirche hin gekommen sein (vgl. z. B. Justin, dial. 123,7 [s. dazu unten bei Anm. 39]). 25 S. dazu nur FISCHER 1970, 15 f. und 19 f. Vgl. für den 1. Clemensbrief, was unsere Fragestellung angeht, ROUKEMA 2004, 30–32.
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einerseits und dem Jakobusbrief andererseits. Allen drei bislang betrachteten Schriften vergleichbar, wird hier, in 1Clem 32,3 f., das Merkmal (1) unserer Zählung, um νο μου verkürzt, aufgegriffen – indes mit der Präposition δια , nicht mit εÆ κ. Und wieder auch werden dabei die Merkmale (4) und (5) sozusagen übergangen. Denn in V. 3 kommt es zu einer Parallelisierung der ‹Werke› mit gerechtem Handeln (δικαιοπραγι α), und in V. 4 stehen sie, die in einer durch εÆ ν οë σιο τητι καρδι ας beschriebenen Haltung vollzogen werden sollten, neben ‹Weisheit› (σοϕι α), ‹Verstand› (συ νεσις) und ‹Frömmigkeit› (ευÆ σε βεια). Klar zum Ausdruck gebracht wird ebenfalls die Zuordnung der εÍ ργα zu Personen, ist doch von deren, von ‹ihren Werken› die Rede (V. 3) und heißt es doch: ‹Werke, die wir vollbrachten› (V.4). Solche positiven ‹Werke› waren indes offenbar bei der (anfänglichen) Rechtfertigung nicht das movens. Diese kam vielmehr ‹durch den Glauben› (V. 4) beziehungsweise ‹durch seinen [Gottes] Willen› (V. 3 f.) zustande. Damit wird im Übrigen früheres gutes Handeln – ähnlich wie im Epheserbrief – nicht geleugnet (vergleiche 31,1–4, jedoch auch 59,2). Und für das christliche Leben wird in 1Clem 30,3 sogar, ziemlich analog zum Jakobusbrief und eben deutlich anders als in Epheserund Titusbrief, von der Rechtfertigung ‹durch Werke ... und nicht durch Worte› (εÍ ργοις ... καιÁ μηÁ λο γοις) gesprochen (vergleiche 10,7 [und 31,2]: διαÁ πι στιν καιÁ ϕιλοξενι αν ..., ... δι’ υë πομονηÄ ς). Insofern wird unser Merkmal (2) – die negative Konnotation – im 1. Clemensbrief, wie es scheint, für die anfängliche Rechtfertigung übernommen, für das christliche Leben hingegen nicht.26 Dürfte der letztgenannte Punkt also eine nicht unerhebliche Entsprechung zum Jakobusbrief signalisieren, so kann davon im Blick auf Merkmal (3) allenfalls eingeschränkt die Rede sein. Zwar wird in 1Clem 1,3 lobend gesagt: εÆ ν τοιÄς νομι μοις τουÄ θεουÄ εÆ πορευ εσθε (vergleiche 58,2: ταÁ υë ποÁ τουÄ θεουÄ δεδομε να δικαιω ματα καιÁ προστα γματα). Aber die ethischen Konkretionen, die hier dann nachfolgen, wirken eher stoisch als mosaisch (vergleiche besonders 60,1: ‹Du [Gott] hast ja die ewige Weltordnung durch die waltenden Kräfte geoffenbart›).27 Und die spätere Aufforderung zum Gehorsam gegenüber τοιÄς ... αÍ ρχουσιν καιÁ ηë γουμε νοις ηë μω Ä ν εÆ πιÁ τηÄ ς γηÄ ς (60,4) kann an Tit 3,1 f. denken lassen. In gewisser Hinsicht wird so etwas wie eine gespaltene Rezeption der paulinischen εÍ ργα-νο μου-Verwendung im zweiten Jahrhundert weitergeführt. 26 Es bewährt sich hier sozusagen die zumal von E. P. SANDERS akzentuierte Unterscheidung von ‹Hineingelangen› (‹getting in›) und ‹Darinverbleiben› (‹staying in›) (s. dazu nur SANDERS 1985 [1977], bes. 18). Was die Verwendung der Rechtfertigungsterminologie angeht, so fällt gerade und bereits auch bei Paulus das Nebeneinander auf von auf die Vergangenheit, wohl auf die Taufe, bezüglichen Formulierungen einerseits (s. nur 1Kor 6,11) und futurischen andererseits (s. nur Röm 2,13; vgl. dazu nur BACHMANN 1992, 37–40 [samt Anm. 78 und 84]). 27 FISCHER 1970, 101, von dem die Übersetzung stammt, fügt in Anm. 366 an: ‹Die Vorstellung ist platonisch-stoisch.›
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Man muss freilich in Rechnung stellen, was CHRISTOPH MARKSCHIES folgendermaßen formuliert hat: Es ist dieses ‹die Periode der Geschichte des antiken Christentums ..., über die man am wenigsten weiß und für die der dringendste Forschungsbedarf besteht›.28 Für unsere Fragestellung sind wohl mindestens der (zweite) Philipperbrief Polykarps von Smyrna, ferner eine apokalyptische Schrift, die unter dem Namen Hirt des Hermas umläuft, und der Dialog Justins mit dem Juden Tryphon zu berücksichtigen. Dabei steht Polykarp,29 der sich mehrfach (3,2; 9,1; 11,2.3) ausdrücklich auf Paulus bezieht, jedenfalls dem Epheser- und dem Titusbrief recht nahe. Wie auch in diesen beiden Schriften fehlt bei εÆ ξ εÍ ργων, lediglich in 1,3 gebraucht, der Genitiv νο μου, und wieder wird das ablehnend-polemische Gefälle zum Ausdruck gebracht. Die Adressaten wurden nämlich, wie es hier heißt, ‹durch Gnade gerettet ..., nicht auf Grund von Werken, sondern nach dem Willen Gottes durch Jesus Christus›30 (vergleiche Eph 2,8–10 [vergleiche besonders V. 5]; Tit 3,5 [vergleiche besonders V. 7], überdies 1Clem 32,3 f., ferner Diog 8,6). Man gewinnt zudem wieder den Eindruck, dass die hier genannten ‹Werke› wie im Titusbrief eher als Übeltaten zu interpretieren sind; denn kurz zuvor (in 1,2 [vergleiche Diog 9,1–5]) ist davon die Rede, dass eben dieser die Rettung bringende Jesus Christus ‹es auf sich nahm, für unsere Sünden bis in den Tod zu gehen›, und deutlich später, in 10,2, wird im Blick auf das christliche Leben davon gesprochen, dass ‹aus euren guten Werken [ex bonis operibus vestris]› Positives entstehen werde.31 Damit scheinen unsere Merkmale (4) und (5) der paulinischen εÍ ργα-νο μου-Verwendung hier erneut nicht wirklich aufgegriffen zu werden. Und was Merkmal (3) anbetrifft – also die Parallelisierung mit dem νο μος –, so wird davon bei dieser Schrift noch weniger als beim Epheser- und selbst als beim Titus- und als beim 1. Clemensbrief gesprochen werden dürfen. Denn νο μος (beziehungsweise lex) und mit dem Terminus sprachlich verwandte Vokabeln fehlen in dem Schreiben. Allerdings ist dessen Botschaft ähnlich wie dort erkennbar universal; der Zuspruch gilt ‹allen, die unter dem Himmel sind›32 (12,2; vergleiche Act 2,5; Kol 1,23), und dabei ist offenkundig nicht zuletzt an die Nicht-Juden, die ‹Heiden›, zu denken (siehe 10,2; 11,2). Auf den Willen zu einer vorsichtigen, schiedlich-friedlichen Einfügung in diese (offenbar als sündig verstandene [s. 28
MARKSCHIES 2004, 11. Mit ihm hat sich im Blick auf die uns hier interessierende Rezeptionsgeschichte jüngst eindrücklich THEOBALD 2005, bes. 369–388, beschäftigt (der ebd., 349 Anm. 1, im Übrigen auch kurz die zuerst von P. N. HARRISON [1936] aufgestellte These charakterisiert, man habe bei dem überkommenen, 14 Kapitel umfassenden Polykarpbrief den Schluss [Kap. 13 f. bzw. wohl lediglich Kap. 13] als eigenes Schreiben aufzufassen, als ‹1Phil›, dem zumindest Kap. 1–12 als ‹2Phil› folgten). Vgl. ferner ROUKEMA 2004, 35. 30 So übersetzt FISCHER 1970, 249. 31 Übersetzung je: FISCHER 1970, 249 bzw. 261. 32 Übersetzung: FISCHER 1970, 263. 29
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11,2]) Umgebung weist auch die Aufforderung hin: ‹Betet auch für die Könige, Machthaber und Fürsten ...›33 (12,3). Die in solchem Kontext zu lebende christliche Ethik wird freilich, wie angedeutet, nicht mehr (unmittelbar) auf den νο μος beziehungsweise die jüdische Tora zurückgeführt, sondern primär auf Christus (siehe besonders 2,1–3; 4,1; 6,3; 7,1; 10,1; vergleiche 5,1 [Gott], ferner 3,3; 9,1); und wie weit bei den ethischen Anweisungen, die zumal in einer Reihe von Katalogen (siehe 2,2 f.; 4,1–3; 5,1–6,3; 12,2) gegeben werden, der Blick für die Kategorien des griechisch-römischen Raums geöffnet worden ist, zeigt etwa die am Ende der längsten dieser Reihen stehende Ermahnung einzutreten περιÁ τοÁ καλο ν (vergleiche Jak 4,17; 1Petr 3,13, ferner Tit 2,14). Die apokalyptische Schrift Hirt des Hermas, nun offenkundig (wie der 1. Clemensbrief) in der Hauptstadt des Römischen Reichs entstanden (siehe nur vis 1,1,1 [=Herm 1,1]),34 spricht ebenfalls nicht vom mosaischen Gesetz. Noch ausdrücklicher, als das bei Polykarp der Fall ist, fungiert hier nämlich Christus als Gesetzgeber (siehe sim 5,6,3 [=Herm 59,3]; vergleiche Barn 2,6) beziehungsweise gar als Gesetz, als ‹Gesetz Gottes› (sim 8,3,2 [=Herm 69,2]). Unser Merkmal (3) ist also im Hirten fraglos nicht aufgegriffen worden. Dazu kann es freilich schon insofern nicht gut kommen, als es in dem Schreiben, in dem erneut durchweg der die εÍ ργα näher bestimmende Genitiv νο μου fehlt, nirgends εÆ ξ εÍ ργων oder χωριÁ ς εÍ ργων heißt. Die paulinische Ausdrucksweise wird demnach sogleich bei Merkmal (1) deutlich verlassen. Und der (pluralische) Ausdruck ταÁ εÍ ργα τηÄ ς πι στεως von sim 8,9,1 (=Herm 75,1; vergleiche vis 3,8,5 [=Herm 16,5]), der ‹für Paulus unvorstellbar› scheint35 – sofern ja dessen Alternativen εÍ ργα νο μου und πι στις (ÆΙησουÄ ) ΧριστουÄ (vergleiche nur nochmals Gal 2,16) in diesem neuen Syntagma vereint werden –, verdeutlicht zudem, dass hier auch Merkmal (2) nicht wirklich respektiert ist – von den Merkmalen (4) und (5) ganz zu schweigen (siehe neben sim 8,9,1 [=Herm 75,1] nur vis 3,7,6 [=Herm 15,6]: ‹böse Werke›; sim 9,14,1 [=Herm 91,1]: ‹ihre Werke›; sim 9,21,2 [=Herm 98,2]: ‹ihre toten Werke›; vergleiche vis 3,8,7 [=Herm 16,7]: die ‹Werke› werden als ‹rein[e]›, ‹würdig[e]› und ‹göttlich[e]› charakterisiert). Dennoch wird man wohl urteilen dürfen, dass der Hirt des Hermas sowohl zum ablehnend-polemischen Gefälle der paulinischen Ausdrucksweise als auch zu deren eher technisch wirkenden Aspekten immerhin Analoga bietet. Trotz der recht großzügigen Einschätzung der Möglichkeit, christliches Fehlverhalten durch Umkehr zu überwinden (siehe nur vis 3,5,5 [=Herm 13,5]; sim 10,2,3 [=Herm 112,3]), versteht diese Schrift das nun gerade auch gebürtige Nicht-Juden umgreifende Christentum (siehe nur sim 9,17,4 [=Herm 94,4]) doch als so etwas wie eine ‹Gegenöffentlichkeit›,36 33
Übersetzung: FISCHER 1970, 263 f. S. dazu nur LEUTZSCH 1998, 132–139, bes. 135 (‹Ort der Abfassung ist Rom›). 35 BACHMANN 2005a, 107 samt Anm. 150. 36 LEUTZSCH 1998, 129 (vgl. 137 f. 141). 34
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die sich ethisch von den ‹Heiden› unterscheiden sollte, für welche halt αιë πρα ξεις τω Ä ν εÆ θνω Ä ν (sim 8,9,3 [=Herm 75,3]) beziehungsweise ταÁ ... εÍ ργα τηÄ ς αÆ νομι ας (sim 8,10,3 [= Herm 76,3]; vergleiche 2Petr 2,8) kennzeichnend seien. Es stehen sich hier somit trotz einer faktischen ‹Kohabitation› prinzipiell und letztlich strikt zwei Bereiche gegenüber, so dass es heißen kann: εÆ πιÁ ξε νης κατοικειÄτε, sofern gilt ηë γαÁ ρ πο λις υë μω Ä ν μακρα ν εÆ στιν αÆ ποÁ τηÄ ς πο λεως ταυ της (sim 1,1 [=Herm 50,1]; vergleiche besonders 1Petr 1,1; Hebr 13,14). Und es fehlt – das mag sich soeben schon angedeutet haben – nicht an Formulierungen, die dem paulinischen Ausdruck εÍ ργα νο μου als einem auf objektive Tora-Gegebenheiten bezogenen entsprechen; besonders signifikant ist wohl ταÁ εÍ ργα τουÄ θεουÄ in sim 1,7 (=Herm 50,7), wo es dann parallel dazu (zweimal) αιë εÆ ντολαιÁ αυÆ τουÄ heißt37 (vergleiche besonders mand 6,2,3.4.8 [=Herm 36,3.4.8.]; 7,3 [=Herm 37,3]; 12,4,6 [=Herm 47,6]; 12,6,2–4 [=Herm 49,2–4]; sim 9,14,2 [=Herm 91,2]; vergleiche zum Beispiel TestLev 19,1; Joh 8,41; Apk 2,22.26). Ähnlich ist in mancher Hinsicht das Bild bei Justin! Auch er hebt gerade Christi ethische Anweisungen hervor, insbesondere das Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe (dial. 93,2 [vergleiche Mt 22,37–40par., auch Lev 19,18]; vergleiche 14,3; 95,3). In dem Dialog mit dem Juden Tryphon ist der Autor, der hier bemerkenswerterweise kein einziges Mal den Namen ‹Paulus› im Munde führt und den Apostel auch nicht wirklich zitiert,38 freilich, der Diskussionssituation entsprechend, sehr an der Frage des νο μος beziehungsweise der Tora interessiert. Justin, der sich terminologisch nicht eben eng an die paulinischen εÍ ργα-νο μου-Formulierungen hält und der (vielleicht nicht zuletzt deshalb) auch unsere Merkmale (4) und (5) nebenbei und wie selbstverständlich außer Acht lassen kann (siehe nur dial. 14,3; 35,7; 133,2), will selbstverständlich auf die Zuwendung Gottes zu allen Menschen, auch zu den εÍ θνη hinaus (siehe nur dial. 11,4; 14,3 f.). Da der Autor in einer gewissen Analogie zum Jakobusbrief (und auch zum 1. Clemensbrief) das ablehnendpolemische Gefälle paulinischer εÍ ργα-νο μου-Aussagen offenbar nicht einfach übernehmen kann und jedenfalls für Christen davon spricht, sie sollten dem wiederkommenden Herrn δι’ εÍ ργων zu gefallen suchen (dial. 85,7; vergleiche nochmals: 1Clem 30,3; Polykarp, 2Phil 10,2 ), kommt er im Blick auf die jüdische Tora zu einem – im von uns betrachteten Spektrum (vergleiche indes immerhin Barn 4,1) – neuartigen Lösungsvorschlag: Zumal die mosaische Gesetzgebung bot eine Reihe von sozusagen zeremonialen Vorschriften wie Beschneidungsanweisung, Sabbat- und Opferregelungen (siehe besonders dial. 14,2 f.; 92,2–5), die nicht als für die gesamte Menschheit verbindliche δι καια zu begreifen seien (siehe besonders dial. 92,5; 93,2). Im Blick auf die εÍ θνη sei οë καινοÁ ς νο μος eingesetzt worden (dial. 11,4; vergleiche Barn 2,6). 37 38
Notiert bei BERGMEIER 2005, 166. Darauf wies (nach anderen) etwa auch HARNACK 1913, 50 f., hin.
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Und jene ältere, teils gleichsam zeremonial akzentuierte Gesetzgebung habe (wie in einer gewissen Nähe zu Gal 3 und Röm 4 gesagt wird) unterschiedliche Funktionen gehabt: die Sündhaftigkeit Israels einzudämmen und überdies auch zu konstatieren (siehe besonders dial. 14,2 f.; 92,2–4; 93,4 f.), so pars pro toto zugleich auch die Sündhaftigkeit aller Menschen festzustellen (siehe besonders dial. 95,1) und schließlich das Volk Israel als strafwürdig und insofern als eine zu substituierende Größe zu erweisen, nämlich als durch ein ÆΙσραηλιτικοÁ ν ... τοÁ αÆ ληθινο ν, πνευματικο ν abzulösen (dial. 11,5; vergleiche 123,7).39 Freilich gebraucht Justin für jene Zeremonialvorschriften den Terminus εÍ ργον (siehe dial. 23,5) beziehungsweise εÍ ργα (vergleiche besonders dial. 11,4; 14,2) nur selten. Eben das geschieht dann jedoch andererseits bei einigen Kirchenvätern des Öfteren, die sich einigermaßen exegetisch um das Paulusverständnis mühen und dabei den paulinischen Ausdruck εÍ ργα νο μου so, das heißt von zeremonialen Vorschriften, verstehen können: Man kann hier etwa Augustinus und Pelagius nennen, wohl auch schon Ambrosiaster.40 Damit bereiten sich die hochmittelalterlichen Differenzierungen vor, die zum Beispiel zwischen Zeremonial- und Sittengesetz unterscheiden.41 Das spielt selbst bei Martin Luther und in der so genannten altprotestantischen Orthodoxie noch eine gewisse Rolle, etwa wo er vom Gesetz als der ‹Juden Sachsenspiegel› spricht oder wo sie vom triplex usus legis redet.42 Für die Pauluslektüre wirkungsvoller und wohl auch verhängnisvoller wurde indes, dass Luther im Gefolge der Augustinrezeption die paulinische Polemik gegen die εÍ ργα νο μου grundsätzlich auf die religiösen Leistungsbemühungen seiner Zeitgenossen beziehen zu können glaubte.43 Die protestantische und auch die katholische Paulusexegese ist davon bis heute weitgehend bestimmt, zumindest in Deutschland.44 Erst die Neue Paulusperspektive geht dagegen an, dass ‹the introspective conscience of 39
Vgl. dazu o. Anm. 24. Einige Belege bei ROUKEMA 2004, 43–46, und bei BACHMANN 2005a, 78 Anm. 32 und 85 samt Anm. 68 (vgl. 71 Anm. 6 und 91 Anm. 91). 41 S. dazu nur BACHMANN 2005a, 76(–78) Anm. 31(–32). Vgl. MÜLLER 2004, 210 f. samt Anm. 6 (Hinweis auch auf Dtn 4,14, wo in der Vulgata von caeremoniae [genauer: caeremonias] die Rede ist, und auf Philo, decal. 18–19.175), ferner BACHMANN 2005b, 50. 42 S. dazu nur zum einen etwa M. Luther, Weimarer Ausgabe 24, 9, oder beispielsweise KÖSTLIN 1903, Bd. I, (686–)687 (‹lasse man Mosen der Juden Sachsenspiegel sein und uns Heiden unverworren damit› [M. LUTHER, 1524/5]), zum anderen Epitome VI der Konkordienformel von 1577 (Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche, 2. verb. Aufl., Göttingen 1952, 793[–795]). 43 S. dazu nur BACHMANN 1999, 5–10. 44 S. dazu nur BACHMANN 2005a, VII-IX (samt Anm. 1, wo auf das 2004 erschienene Heft 14 [7. Jg.] der ‹Zeitschrift für Neues Testament› hingewiesen wird, das sich überwiegend der Frage nach der Berechtigung der Neuen Paulusperspektive widmet; im Editorial [ST. ALKIER, A. VON DOBBELER, J. ZANGENBERG] heißt es in diesem Zusammenhang im Blick auf die deutsche ‹Paulusforschung›, dass ‹deren eigenes Grundprofil weiterhin durch die Grundimpulse der Reformation geprägt ist› [1]). 40
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the West›45 die Wahrnehmung der εÍ ργα-νο μου-Aussagen des Apostels derart individualistisch und in introvertierter Ausrichtung prägt. Die Neue Paulusperspektive betont demgegenüber – wie bereits angesprochen46 –, dass es sich bei εÍ ργα νο μου um so etwas wie ‹identity› und ‹boundary markers› des Judentums handelt. Schauen wir zurück, so kann man indes zumindest das Folgende sagen: Einerseits hat sich in der frühen Rezeptionsgeschichte der betreffenden paulinischen Aussagen etwas Ähnliches vollzogen wie dann später bei Luther: eine Bezugnahme auf die eigene Situation und eine damit verbundene Anpassung an die neuen Verhältnisse. Was sie angeht, traten in der Antike die Bedeutung des jüdischen Anteils der kirchlichen Gruppen und die Bedeutung des Judentums überhaupt recht deutlich zurück, und zwar hinter die Frage nach einem ethischen Konzept für den griechisch-römischen Bereich. Von daher ist verständlich, dass in den deuteropaulinischen Briefen und bei den betreffenden Autoren des zweiten Jahrhunderts durchweg unsere Merkmale (4) und (5) nicht aufgegriffen werden; nun geht es hier also nicht mehr zentral um die Frage nach dem Geltungsbereich der Tora, sondern um so oder so qualifiziertes Tun und um einzelnen Personen zugeordnetes Handeln. Auch dass im Titusund im 1. Clemensbrief und noch auffälliger bei Polykarp der νο μος-Bezug in Wegfall kommt – εÍ ργα νο μου heißt es ja ohnehin nicht mehr –, lässt sich so gut nachvollziehen. Allein der Jakobusbrief, dem die Verbindung mit den jüdischen Wurzeln fraglos ein Anliegen ist, fällt hier mit seiner Akzentuierung des νο μος deutlich aus der Reihe, und dazu fügt sich bei dieser Schrift die im Rahmen unseres Quellenmaterials bemerkenswerte (und so auch weder im 1. Clemensbrief noch im Hirten des Hermas begegnende) Negation von Merkmal (2), also das Angehen gegen eine eher kritische Wertung von ‹Werken›, insofern deren positive Würdigung. Wieder anders verfährt Justin, der, sehr allgemein gesagt, die εÍ ργα mit so etwas wie dem Zeremonialgesetz zusammenbringt. Andererseits: Ein gewisses korporatives Moment spielt doch im ersten und zweiten Jahrhundert bei der Rezeption der paulinischen Aussagen durchweg noch eine gewisse Rolle47 – und tritt erst in der Moderne zurück. Gleichwohl ist nicht zu leugnen: Die paulinischen Formulierungen bereiten den Rezepienten Schwierigkeiten. Der Wegfall des Genitivs νο μου ist dafür 45
Ein nahezu als Auftakt zur Neuen Paulusperspektive fungierender Aufsatz K. STEN(vgl. hierzu o. 77, Anm. 4) vom Beginn der sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts trägt bezeichnenderweise eben den folgenden Titel: ‹The Apostle Paul and the Introspective Conscience of the West› (s. dazu die bibliographischen Angaben bei BACHMANN 1992, 3 Anm. 13, sowie bei HORN 2005, 17 samt Anm. 4; inzwischen ist eine deutsche Übersetzung erschienen, und zwar in: Kirche und Israel 11 [1996], 19–33). 46 Nämlich o. 77 f., Anm. 3–9. 47 Vgl. dazu HEILIGENTHAL 1983, bes. 312 f. (und ferner YINGER 1999, bes. 160 f. 288– 290). DAHLs
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ebenso ein Indiz wie die durchgängige Nichtaufnahme der Merkmale (4) und (5). Dabei spielt die Unsicherheit, ob die ‹Werke› als ‹gut› (so im Epheserbrief, wohl auch im 1. Clemensbrief) oder doch als ‹böse› (so im Titusbrief) einzuschätzen sind, eine nicht ganz unerhebliche Rolle – eine Unsicherheit, die übrigens auch bei M. Luther und selbst bei Exegeten der Moderne wie R. BULTMANN und U. WILCKENS begegnet.48
2 Zur Traditionsgeschichte Meines Erachtens kann ein knapper Blick auf die Traditionsgeschichte des paulinischen Ausdrucks εÍ ργα νο μου dazu beitragen, die beobachtete durchgängige Nicht-Aufnahme unserer Merkmale (4) und (5) sowie die merkwürdigen Unsicherheiten in der Rezeption des Syntagmas ebenso besser begreifen zu lassen wie das mit dem Ausdruck verbundene und ja auch weiterwirkende korporative Moment. Wir haben es bei dem Syntagma nämlich mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einem jüdischen terminus technicus zu tun. Paulus benutzt ihn zuerst in Gal 2,16, und zwar, bezeichnenderweise, nachdem zuvor von zwei im Judentum mit der Tora und ihrer Interpretation verbundenen Fragen die Rede gewesen war: von dem Problem der Mahlgemeinschaft von Juden und Nicht-Juden und von dem anderen der Beschneidung von so etwas wie Proselyten (siehe nur Gal 2,3.11–14).49 Mit späterer rabbinischer Terminologie könnte man sagen: Es geht um ‹Halakhot›. In diesem Bereich war in neutestamentlicher Zeit bei Juden noch mancher Punkt umstritten (siehe nur Mt 5,21–48; Mk 7,1–13; Gal 1,13 f.). In diese Diskussion hinein gehört nun offenkundig auch unser Syntagma. Vor gut einem Jahrzehnt ist zwar keine griechische, aber doch eine hebräische Parallele zu dem Ausdruck ediert worden, und sie ist insofern jetzt allseits bekannt, nämlich hruth iw Êym. In einer Qumranschrift aus der vierten Höhle, in 4QMMT C27 begegnet genauer der Ausdruck hruth iw Êym tcqm, ‹some of the precepts of the Torah›.50 Er stimmt auch formal recht eng mit der präpositionalen Wendung εÆ ξ εÍ ργων νο μου zusammen, die ja bei Paulus fast durchweg begegnet (vergleiche Dan 1,5LXX: εÆ κ für Õtcqmu).51 Das Schreiben 48
S. dazu nur BACHMANN 1999, 9–14. S. dazu nur DUNN 1990, bes. 191 (vgl. BACHMANN 2005a, 74, wo [im Anschluss an J. D. G. DUNN] auch verwiesen wird auf: Tacitus, hist. 5,5,1 f.; 1Makk 1,60–63; 2,45 f.). 50 So übersetzen QIMRON/STRUGNELL 1994, 63 (vgl. nochmals [s. bereits o. Anm. 23] AVEMARIE 1996, 59, ferner o. 78–80, Anm. 9 f. samt 15). Vgl. dazu etwa HAACKER 2002, 84 Anm. 40, HORN 2005, 29 f., BACHMANN 2005a, 121–131, BERGMEIER 2005, 166–171, und FRANKEMÖLLE 2005, 318 (sowie überdies PENNA 2005, 264 samt Anm. 48 f.), ferner DUNN 2005a, 399–403. 51 S. dazu zum einen o. die fünf auf S. 71 genannten Punkte, zum anderen BACHMANN 2005a, 125 f. 49
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4QMMT nun hat es mit Gruppenfragen zu tun. Die Wir-Gruppe, welcher der Verfasser des Briefes angehört – vielleicht ist es der ‹Lehrer der Gerechtigkeit› – und für die nach Zeile C7 gilt: ‹we have seperated ourselves from the multitude of the people›,52 richtet sich an die Ihr-Gruppe und empfiehlt dieser eben jene knapp zwanzig ‹precepts of the Torah›.53 Diese Vorschriften werden natürlich von der Wir-Gruppe für richtig gehalten, von einer entgegengesetzten Sie-Gruppe (siehe nur B6) indes nicht, und die angesprochene Ihr-Gruppe soll diese Regelungen möglichst akzeptieren.54 Ob sie es tut oder nicht: Diese ‹precepts› sind Gruppenmerkmale, welche jedenfalls die Wir-Gruppe kennzeichnen und eine Grenze (‹boundary›) gegenüber der Sie-Gruppe bilden. Einer der Herausgeber von 4QMMT, ELISHA QIMRON, verweist im Übrigen darauf, dass die Verwendung von Õiw Êym im Sinne von Vorschriften einerseits im rabbinischen Judentum weit verbreitet sei, andererseits in der hebräischen Bibel zumal in Ex 18,20 immerhin singularisch begegnet55 – einem Vers, in welchem die Septuaginta den Plural, εÍ ργα, wählt, und einem Zusammenhang, der für jüdische ‹halakhische› Formulierungen erhebliche Relevanz hat, schon sofern hier zwischen verschiedenen Kategorien von Präskriptivem unterschieden wird.56 Auch das Nebeneinander der ‹gewichtigeren› und ‹kleineren [Dinge] des Gesetzes›, das zum Beispiel im Matthäusevangelium begegnet (Mt 5,19; 23,23; vergleiche Philo, praem. 80; Josephus, Ap. 2,173), hängt mit der Exegese von Ex 18 zusammen.57 Von einiger Bedeutung ist es nun, dass der Ausdruck hruth iw Êym tcqm ganz ähnlich wie εÆ ξ εÍ ργων νο μου bei Paulus gebraucht wird, nämlich so, dass unsere Merkmale (1) bis (5) nahezu vollständig auch dort begegnen. Nur bei Merkmal (2) verfährt 4QMMT – natürlich – noch anders als Paulus, jedoch bemerkenswerterweise ähnlich wie dann der Jakobusbrief. Dieser Unterschied lässt sich auf dem Hintergrund von Gal 1,13 f. wohl folgendermaßen verstehen: Paulus war einst – vor dem Damaskuserlebnis – Vertreter eines strikten ÆΙουδαιÈσμο ς (vergleiche 2Makk 2,21; 8,1; 14,38), einer rigiden Abgrenzung, und er ist nach diesem Geschehnis umgekehrt zu einem Verfechter der Inklusion geworden!58 Gal 2,16, wo er auch Petrus an diese letztere Position als an einen einstigen (früh)christlichen Konsens erinnert, lässt es als gut möglich erscheinen, dass das eine nicht erst in den fünf52
So übersetzen QIMRON/STRUGNELL 1994, 59. S. dazu nur BACHMANN 1999, 43 f. samt Anm. 48. 54 S. dazu nur BACHMANN 1999, 34–36, und BACHMANN 2005a, 122–124. 55 QIMRON/STRUGNELL 1994, 139. Vgl. BACHMANN 1999, 45 f. 48 f., ferner auch, was das griechischsprachige jüdische Schrifttum angeht, BACHMANN 2005a, 116–122. 56 S. dazu nur BACHMANN 2005a, 122 f. samt Anm. 229 (wo ich u. a. auf [STRACK/]BILLERBECK 1922–1928, Bd. I, 345, verweise). 57 S. dazu BACHMANN 1999, 45 f. und 54 Anm. 104, überdies BACHMANN 2005a, 77 (Anm. 31 zu S. 68). 58 S. dazu BACHMANN 1999, bes. 39 f. samt Anm. 30, auch BACHMANN 2005a, 127 f. 53
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ziger Jahren ad hoc entwickelte neue Auffassung ist.59 Jedenfalls wird dasjenige, was in 4QMMT im Blick auf innerjüdische Exklusion gebraucht worden ist, bei Paulus nun hinsichtlich der Außengrenze der eigenen Gemeinschaft und dabei auch noch im Blick auf die Inklusion von Nicht-Juden verwandt. Eben das korporative Moment hat sich im frühen Christentum gerade auch bei der εÍ ργα-Terminologie weithin durchgehalten, ja in der Realität der Etablierung der neuen Gruppe im Römischen Reich einigermaßen durchgesetzt, freilich bei ganz erheblichen Modifikationen im Einzelnen. Andere Merkmale des terminus technicus wurden nicht mehr weitergeführt – auch das mit, wie angesprochen, recht merkwürdigen Konsequenzen. Zu ihnen gehören zumindest Ansätze antijudaistischer Argumentation zum Beispiel bei Justin, um von Problemen des sechzehnten Jahrhunderts und der kirchlichen Gegenwart nicht weiter zu reden.60
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Das Bekenntnis zum einzig allwirksamen Gott und Herrn und die Dämonisierung von Fremdkulten: Monolatrischer und polylatrischer Monotheismus in 1. Korinther 8 und 10 von
JOHANNES WOYKE
1 Einführung: Idolothytophagie als identity und boundary marker? Fragt man nach dem Verhältnis von Gruppenreligionen zu anderen traditionellen, öffentlichen Kulten in lokalen Kontexten der römischen Kaiserzeit,1 so bietet sich im Blick auf frühchristliche Gemeinden ein äußerst instruktives Beispiel an: die Diskussion um Idolothytophagie (von ειÆ δωλο θυτα ϕαγειÄν), das heißt um den Verzehr von Speisen, die (aus jüdisch-christlicher Perspektive) paganen Göttern geopfert wurden, und zwar insbesondere in religiöser Lokation, sprich: bei Opferfesten oder -riten. Bedeutsam ist diese so genannte ‹Götzenopferthematik› nicht zuletzt darum, weil sie einen Blick in die Problematik dessen erlaubt, was J. D. G. DUNN identity und boundary markers nennt:2 nämlich das Ringen um das, was das Wesentliche, was Proprium christlichen Glaubens in Erkenntnis und Handeln ist, sowie die Auseinandersetzung um das Abstecken von Grenzen des spezifisch, unterscheidend Christlichen gegenüber anderen religiösen Gruppen. Dass mit dem Identitätsbegriff eine gewisse Schwierigkeit gegeben ist, lässt sich sehr schön an einem Beispiel aus der frühchristlichen Apologetik veranschaulichen. In seinem fiktionalen Dialog mit dem Juden Tryphon3 unter1 So eine Leitfrage der DFG-Tagung vom 7.–9. März in Erfurt zum Thema ‹Gruppenreligionen als reichsweites Phänomen der römischen Kaiserzeit›. – Zur soziologischen Definition einer Gruppe s. RÜPKE 2004, 238: ‹Eine Gruppe ist zu verstehen als eine begrenzte Anzahl von Menschen, die miteinander kommunizieren und dadurch aufeinander einwirken; dieses Gemeinschaftshandeln weist ein Minimum an Regelhaftigkeit und Dauerhaftigkeit auf.› 2 Diese Terminologie wurde von J. D. G. DUNN in der Debatte um die paulinische Rechtfertigungslehre geprägt. Allerdings steht dabei das Verhältnis von Christen aus jüdischem zu solchen aus nichtjüdischem Umfeld im Vordergrund. Vgl. aber DUNNs Beitrag in diesem Band. 3 Iust. dial. 34,8–35,6. Der Dialog soll zur Zeit des Bar-Kochba-Krieges, also 135 n. Chr. stattgefunden haben; als apologetische Schrift datiert der Dialog mit dem Juden Tryphon ca. 155 n. Chr.
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nimmt Justin Martyr den polemischen Versuch, die Verbote der Verehrung fremder, im Bild repräsentierter Gottheiten sowie des Verzehrs von Speisen, die ebendiesen Göttern geopfert wurden, als sozusagen innere gruppenspezifische Merkmale des genuin Jüdischen gegen die äußere, ethnische Identitätsbestimmung auszuspielen: Im Gegensatz zu Salomo ließen sich diejenigen, ‹die aus den (Heiden-)Völkern (οιë αÆ ποÁ τω Ä ν εÆ θνω ν) durch Jesus, den Gekreuzigten, Gott, den Schöpfer des Alls, erkannt haben› – die traditionell so genannten ‹Heidenchristen› also – für das Festhalten an den genannten Verboten foltern und töten. Tryphon kontert mit dem Verweis auf ‹viele derer, von welchen man sagt, dass sie Jesus bekennen, und welche Christen genannt werden (τω Ä ν τοÁ ν ÆΙησουÄ ν λεγο ντων οë μολογειÄν καιÁ λεγομε νων Χριστιανω Ä ν)›, die ‹«Götzenopfer» essen (εÆ σθι ειν ταÁ ειÆ δωλο θυτα) und behaupten, daraus keinen Schaden zu erleiden›. Dem wiederum begegnet Justin mit der Unterscheidung des äußeren Lippenbekenntnisses zu Jesus Christus (οÆ νο ματι μο νον οë μολογειÄν) beziehungsweise der Selbstbezeichnung als Christen (ΧριστιανουÁ ς εë αυτουÁ ς λε γουσιν) von dem inneren Kriterium, dass die von Tryphon angesprochenen, gnostisierenden Gruppierungen auf je unterschiedliche Weise letztlich lehren, ‹den Schöpfer des Alls und den von ihm in seinem Kommen angekündigten Christus und den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs zu lästern›; mit solchen hätten die (wahren) Christen keine Gemeinschaft (ουÆ δενιÁ κοινωνουÄ μεν). Hier bestätigt sich also nicht nur, dass gruppeninterne und -externe Perspektiven hinsichtlich dessen, was das Charakteristikum einer Gruppe ausmacht, zu unterscheiden sind.4 Vielmehr müssen auch die Diskussionen innerhalb der jeweiligen Gruppe um Ortho- und Heterodoxie (und -praxie) Berücksichtigung finden, was wiederum zu Ausgrenzungen führt, die allerdings aus der Außenperspektive kaum mehr als solche nachvollzogen, ja in der Regel lediglich als bloße gruppeninterne Richtungsdebatten wahrgenommen werden können. Wenige Jahrzehnte nach Justins Dialog, der nach außen gerichtet ist, kommt in der internen Bekämpfung von Häresien Irenäus von Lyon ausführlich auch auf gnostische Anthropologie zu sprechen, die es Gnostikern unter anderem erlaubt, ‹Götzenopfer› unterschiedslos zu verzehren, ohne sich dabei zu beflecken zu glauben (ειÆ δωλο θυτα αÆ διαϕο ρως εÆ σθι ουσι, μηδεÁν μολυ νεσθαι υë π’ αυÆ τω Ä ν ηë γου μενοι, haer. 1,6,3). Manches an der von Irenäus referierten gnostischen Anthropologie erinnert an die Auseinandersetzung des Paulus mit seinen Gegnern in Korinth und wird entsprechend auch für die Interpretation der relevanten Passagen des Ersten Korintherbriefs zu Rate gezogen.5 Dessen ungeachtet liegt der besondere Reiz der neutestamentlich4 Vgl. RÜPKE 2004, 238 zur Terminologie von in-group und out-group anstelle der konventionellen Rede von Identität. 5 Zu pro und contra sowie zu Literatur siehe GÄCKLE 2005, 186 f.
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paulinischen Kontroverse gerade darin, dass sich sowohl die Befürworter der Idolothytophagie in religiöser Lokation als auch Paulus als Gegner eines solchen Verhaltens auf ein und dasselbe theo-logische Lehrstück berufen: das Bekenntnis zu dem Einen, der Gott und Herr ist, gegenüber den vielen, konventionell so genannten Göttern und Herren. Die These, deren Plausibilität in den weiteren Ausführungen herauszuarbeiten ist, lautet: (1) Intertextualität – nämlich die unterschiedlichen Assoziationen, die Paulus einerseits und die so genannten ‹Gewissensstarken› in Korinth andererseits mutmaßlich mit dem Bekenntnis zu dem Einen, der Gott und Herr ist, gegenüber den vielen konventionell so genannten Göttern und Herren verbinden (1 Kor 8,4–6) – zeichnet verantwortlich für die gegensätzlichen Konsequenzen, die aus ebendieser Zuordnung des Einen und der Vielen gezogen werden: monarchisch-monotheistische Erkenntnis, die einmal exklusiv-monolatrisch, das andere Mal inklusiv, nämlich polylatrisch interpretiert wird. (2) Wenn Paulus in 1 Kor 10,19–21 Fremdgötter dämonisiert, so geschieht dies unter Beibehaltung der monarchisch-monotheistischen Erkenntnis mit dem Ziel der Tabuisierung der Idolothytophagie in religiösem Kontext – eine Argumentationsstrategie, die (auch) für Christen aus einem gebildeten, ehemals paganen Zusammenhang durchaus plausibel ist. Diese Doppelthese wendet sich gegen die Mehrheitsmeinung der neutestamentlichen Forschung, Paulus korrigiere in 1 Kor 8 einen mutmaßlichen aufgeklärten Monotheismus der Korinther durch einen dezidiert monolatrischen Einschlag des Bekenntnisses zum einen Gott, der zugleich auf die tatsächliche (machtvolle) Existenz so genannter Götter und Herren verweise und in 1 Kor 10 dann entsprechend betont dämonologisch qualifiziert werde.6 Bevor wir uns allerdings den neutestamentlichen Texten zuwenden, ist zunächst eine Begriffsklärung vonnöten.
2 Zur Begriffsklärung: ontologischer, archontologischer und latreiologischer Aspekt Auch wenn das Verhältnis der vielen Götter und vielen Herren zu dem einen Gott und einen Herrn in der Tat im Blick ist, so fragt sich doch, ob es ratsam ist, dies ohne weitere Qualifizierung mit den Kategorien von Monotheismus, Polytheismus und Monolatrie zu bestimmen. Dabei muss nicht einmal auf die grundsätzliche Problematik rekurriert werden, ob mit ‹Polytheismus› tatsächlich das Selbstverständnis hellenistisch-römischer Religiosität getroffen ist.7 Bereits die definitorische Unsicherheit zwingt zur Zurückhaltung: 6 Zu einer solchen Interpretation siehe exemplarisch die Kommentare von FEE 1993 und SCHRAGE 1995. 7 Dies verneinen etwa BENDLIN 2001, 81 und RÜPKE 2004, 248. In der Tat vermag ‹Polytheismus› als Oberbegriff die mannigfaltigen Beziehungen innerhalb eines so bezeich-
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Wenn etwa innerhalb des Glaubenssystems einer Religion die Hervorhebung eines unter mehreren übernatürlichen Wesen ‹derart, daß alle anderen nur als dessen Geschöpfe oder Untergebene erscheinen›, die Einstufung als Monotheismus rechtfertigt,8 so mag man dafür Anhalt bei Philon von Alexandria finden: Dieser bezeichnet den einen Schöpfergott als einzig selbstmächtigen Gott (θεοÁ ς αυÆ τεξου σιος beziehungsweise αυÆ τοκρα της, decal. 53.65; spec. 1,13–20 und öfter), definiert das Gottsein streng durch das Ungewordensein und verweigert den Naturmächten als untergebenen Statthaltern Gottes jegliches Anrecht auf göttliche Verehrung (vergleiche spec. 2,165f).9 Doch kann etwa Platon bei entsprechender Kosmologie vom ewig seienden Gott (οë πο τε εÆ σο μενος θεο ς) einerseits und den sichtbaren, gewordenen (Gestirns-) Göttern (θεοιÁ οë ρατοιÁ καιÁ γεννητοι ) andererseits sprechen (Tim. 39e–40d).10 Und auch die epische Tradition, an der selbst die philosophische Götterpolemik des Xenophanes – ‹ein Gott ist unter Göttern und Menschen der größte (ειÎς θεοÁ ς εÍ ν τε θεοιÄσι καιÁ αÆ νθρω ποισι με γιστος)› (Frgm. 23 Diels/Kranz) – ihren Anhalt hat, stellt einen qualitativen Unterschied zwischen dem Göttervater Zeus und den anderen Göttern heraus (vergleiche Hom. Il. 8,27; Hes. theog. 49), ohne deren Verehrungswürdigkeit als Gottheiten in Frage zu stellen. Wenn andererseits Polytheismus ‹durch ein in sich gegliedertes und durch ein Handlungssystem bestimmtes Pantheon› und nicht schon durch das Vorhandensein ‹der bloßen Mehrzahl von Götterkulten› gekennzeichnet sein soll,11 so kann das vorexilische (und selbst das vorstaatliche) Israel – trotz der von der prophetischen Tradition als Ido(lo)latrie gebrandmarkten Verehrung der Gottheiten anderer Völker – schwerlich als polytheistisch gelten.12 Wenn im Übrigen entscheidende alttestamentliche Texte aus vor- wie nachexilischer Zeit als monolatrisch charakterisiert werden und diesbezüglich betont wird, dass dabei ‹die Existenz anderer Götter sowie deren Zuständigkeit für die Belange anderer Völker nicht in Frage gestellt wird›,13 so kann man sich des neten Religionssystems – Akzeptanz bzw. Abgrenzung von oder aber Indifferenz gegenüber bestimmten Göttern – nicht auszudrücken. 8 So LANG 1998, 148. 9 Dies gilt bereits für Deuterojesaja, siehe ALBANI 2000. 10 Vgl. die pointierte Formulierung von ASSMANN 2003, 52: ‹Der ursprüngliche Sinn dieser [monotheistischen] Idee ist nicht [...], daß es nur einen Gott gibt, sondern, daß es neben dem Einen Wahren Gott nur falsche Götter gibt, deren Anbetung aufs schärfste verworfen wird. Das ist nicht dasselbe. Die Aussage, daß es nur Einen Gott gibt, läßt sich mit der Annahme und sogar der Anbetung anderer Götter durchaus vereinigen, solange nur das Verhältnis zwischen Gott und Göttern nicht im Sinne der Exklusion, sondern der Subordination gedacht wird.› Vgl. a.a.O., 62: ‹Polytheismus ist Kosmotheismus.› 11 So GLADIGOW 1998, 321. 12 So aber LANG 1998, 161 f. Dagegen ist zu betonen: ‹ein ausgearbeitetes Pantheon hat Israel nie gekannt› (BLOCH 2000, 375) – zumindest soweit es aus den Quellen rekonstruierbar ist. Siehe auch u.v.a. den Sammelband von OEMING/SCHMID 2003. 13 LANG 1998, 153 (bezogen auf das erste Dekaloggebot Ex 20,3; Dtn 5,7).
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Eindrucks nicht erwehren, dass hier zugleich der Legitimierung der Götter anderer Völker außerhalb der Religion Israels durch ebensolche alttestamentlichen Texte das Wort geredet werden soll.14 Dabei wird indes verkannt, dass sogar Passagen wie Dtn 4,19; 29,25 und 32,8, die – alttestamentlich singulär – davon sprechen, dass anderen Völkern vom höchsten Gott Gestirne zugewiesen wurden, eine polemische, ethnozentrische Aussagerichtung erkennen lassen: Allein Israel war vom höchsten Gott wertgeachtet, sein Volk zu sein. Eine positive Aussage hinsichtlich der nichtjüdischen Götter ist dabei also ebenso wenig intendiert wie die Legitimierung ihrer Verehrung durch die nichtisraelitischen Völker; beides ist schlicht nicht im Fokus der monolatrischen Aussagen.15 Es erweist sich meines Erachtens also als schwierig, mit Hilfe der Begriffe von Polytheismus, Monolatrie und Monotheismus das nachexilische jüdische Glaubenssystem oder gar die gesamte Religionsgeschichte Israels zu schematisieren.16 Ist man indes daran interessiert, auf der literarischen Ebene den Aussagegehalt eines Textes wie etwa 1 Kor 8,4–6 zu spezifizieren, so erscheint mir – in heuristischem Interesse – die Unterscheidung dreier unterschiedlicher Themenbereiche ratsam:17 (1) Der ontologische Aspekt betrifft dabei die Frage nach Existenz und Wesen von Göttern, sei es, dass Göttern prinzipiell jegliches, sei es, dass ihnen speziell göttliches Sein ab- oder zugesprochen wird. Im Zusammenhang der Thematik des Einen und der Vielen kann entsprechend von (prinzipiellem oder speziellem) Mono- oder Polytheismus gesprochen werden. (2) Davon unterschieden ist der archontologische Aspekt der Herrschaft und Macht von Gottheiten, wobei zu bedenken ist, dass eine göttliche Monarchie durchaus monotheistisch – so das Beispiel Philons – wie polytheistisch – so die griechische Epik oder auch Platon – gedacht sein kann. (3) Schließlich ist der latreiologische Aspekt zu nennen, dem es um die Legitimität der Verehrung eines Gottes (Monolatrie) oder aber mehrerer Götter (Polylatrie) geht. Hier wiederum sind der Geltungsbereich – partikular oder universal – und die Unterscheidung gruppeneigener von gruppenfremden Anschauungen zu beachten. Bemerkenswert ist dabei wohl nicht zuletzt, dass 14 Dies ist sicherlich nicht zuletzt in den – gesellschaftspolitisch notwendigen! – Bemühungen um einen Dialog der Religionen begründet, möglicherweise als Gegengewicht zu der Abwertung polytheistischer Religionssysteme von einem (vermeintlich überlegenen) christlich-monotheistischen Standpunkt aus in früheren Zeiten. Indes sollten historische Exegese und hermeneutische Überlegungen methodisch unterschieden werden. 15 Vgl. WOYKE 2005, 168 samt Anm. 42. 16 Dies tut etwa auch ASSMANN 2003, 21, der dann aber a.a.O., 52 f einräumt: ‹Statt von Mono- und Polytheismen sollte man [...] besser von exklusiven und nichtexklusiven Religionen sprechen›. Entscheidend ist demnach der latreiologische Aspekt. 17 Dazu sowie zu weiteren Differenzierungen siehe den Exkurs bei WOYKE 2005, 163– 166(–179). Nicht berücksichtigt ist hierbei indes das Verhältnis des Göttlichen zum Kosmos (siehe dazu ASSMANN 2003, 59–64).
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in der nachexilisch redigierten Systematik der alttestamentlichen ‹Theologie der Religionen› in den entsprechenden Texten die Partikularität der eigenen Monolatrie eingestanden wird; dies erfolgt indes entweder – wie gesehen – zur Herausstellung eines ethnozentrischen Erwählungsgedankens oder aber im universalisierenden Horizont ihrer eschatologischen Überwindung (vergleiche Sach 14,9). Ein gegebener Einzeltext kann zwar, muss indes nicht zwingend sowohl ontologische als auch archontologische und latreiologische Aussagen enthalten oder implizieren. Mit diesem terminologischen Arsenal wenden wir uns nun also den Texten aus der Korintherkorrespondenz des Paulus zu.
3 Monarchisch-monotheistische Erkenntnis und Idolothytophagie (1 Kor 8,4b–6) 3.1 Die Textgrundlage Nehmen wir zunächst das achte Kapitel des ersten uns erhaltenen Korintherbriefs in Augenschein! Dort kommt Paulus auf das Thema der ειÆ δωλο θυτα beziehungsweise genauer: des Verzehrs der ειÆ δωλο θυτα zu sprechen (1 Kor 8,1.4) – eine Problematik, bezüglich deren er entweder von den Korinthern selbst in einem Brief (7,1) um eine Stellungnahme gebeten oder aber von ‹den Leuten der Chloe› (1,11) mündlich unterrichtet worden war. Allem Anschein nach setzt sich Paulus hier mit Argumenten einer bestimmten GemeindeGruppierung auseinander, sei es, dass er sie direkt zitiert, sei es, dass er erörtert, was seiner Wahrnehmung nach dem Verhalten dieser Gruppierung zugrunde liegt.18 Die sich zu Wort meldende Gruppierung votiert aufgrund der Betonung von Erkenntnis, welche fundamental die christliche Identität ausmache – ‹alle haben Erkenntnis (πα ντες γνω Ä σιν εÍ χομεν)›, 1 Kor 8,1 – für das Recht (εÆ ξουσι α), an religiösen Festen in den heiligen Bezirken oder Tempeln der Stadt (1 Kor 8,10 εÆ ν ειÆ δωλει ω) ì teilzunehmen. Dies wiederum irritiert offensichtlich andere Mitglieder in der korinthischen Gemeinde – ehemalige Anhänger hellenistisch-römischer Religiosität –, die zwar nicht selbst zu Wort kommen, die gleichwohl nach dem Urteil des Paulus durch ein solches liberales Verhalten zur Aufgabe ihrer exklusiven Loyalität zu Jesus Christus verführt werden und so in ihrer neu gefundenen christlichen Identität gefährdet sind. Dabei bestreitet Paulus keineswegs die von den auf γνω Ä σις Verweisenden ins Spiel gebrachte Erkenntnis an sich. Wohl aber weist er darauf hin, dass aufgrund langjähriger religiöser Gewöhnung (συνηθει α) das Gewissen (συν18 Es lassen sich drei entsprechende Gesprächsgänge rekonstruieren: (1) 1 Kor 8,1b und 8,1c–3, (2) 1 Kor 8,4–6 und 8,7 sowie (3) 1 Kor 8,8 und 8,9(–13), siehe FOTOPOULOS 2003, 195–207, bes. 200 f. (grundlegend JEREMIAS 1966, 273 f).
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ει δησις) mancher mit der neuen Erkenntnis noch nicht Schritt halte, schwach (αÆ σθενη ς) sei; dass diese Erkenntnis noch nicht alle verinnerlicht hätten (1 Kor 8,7 αÆ λλ’ ουÆ κ εÆ ν παÄ σιν ηë γνω Ä σις). Interessant wird es nun, wenn wir erörtern, um welche Erkenntnisinhalte es sich denn handelt, die von den γνω Ä σις ins Feld Führenden als fundamental angesehen werden. Zunächst die Textgrundlage von 1 Kor 8,4b–6: Proposition: Wir wissen (οιÍδαμεν): (V. 4bα) (i) Ein Nichts ist ein im Bild verehrter [heidnischer] Gott in der Welt & ουÆ δεÁν ειÍδωλον εÆ ν κο σμωì (V. 4bβ) (ii) niemand ist Gott außer einem. ουÆ δειÁ ς θεοÁ ς ειÆ μηÁ ειÎς. Explikation: Denn (καιÁ γαÁ ρ): Konzession: Selbst wenn (ειÍπερ) (V. 5aα) (i) es solche gibt, die man [konventionell] ‹Götter› nennt, ειÆ σιÁ ν λεγο μενοι θεοιÁ (V. 5aβ) sei es im Himmel oder auf der Erde, ειÍτε εÆ ν ουÆ ρανω Äì ειÍτε εÆ πιÁ γηÄ ς, (V. 5b) (ii) wie es viele [solcher] Götter und viele Herren gibt, ωÏ σπερ ειÆ σιÁ ν θεοιÁ πολλοιÁ καιÁ κυ ριοι πολλοι , Affirmation: so steht nach unserem Urteil doch fest (αÆ λλ’ ηë μιÄν): (i) [Nur] einer ist Gott, [nämlich] der Vater, ειÎς θεοÁ ς οë πατηÁ ρ (V. 6aβ) weil durch ihn alle Dinge und auch wir zu ihm hin, εÆ ξ ουÎ ταÁ πα ντα καιÁ ηë μειÄς ειÆ ς αυÆ το ν, (V. 6bα) (ii) [nur] einer ist Herr, [nämlich] Jesus Christus, ειÎς κυ ριος ÆΙησουÄ ς ΧριστοÁ ς (V. 6bβ) weil durch ihn alle Dinge und auch wir durch ihn. δι’ ουÎ ταÁ πα ντα καιÁ ηë μειÄς δι’ αυÆ τουÄ .19 19 Für die Übersetzung wurden folgende grundlegenden grammatisch-syntaktischen Entscheidungen getroffen (zur ausführlichen Begründung und Diskussion alternativer Auffassungen siehe WOYKE 2005, 179–188): (1) Bei den Propositionen von V. 4bα und V. 4bβ sowie von V. 6aα und V. 6bβ sind ουÆ δε ν, ουÆ δει ς und ειÎς jeweils nicht als Attribut zu ειÍδωλον, θεο ς und κυ ριος zu ziehen (‹es gibt [k]einen Gott› etc.), sondern prädikativ zu verstehen. Grund dafür ist nicht zuletzt die Aufnahme von 1 Kor 8,4bα in 1 Kor 10,19bβ (ϕημι [...] οÏτι ειÍδωλο ν τι εÆ στιν;). (2) V. 5–6 ist kein Anakoluth, bei dem Paulus durch Einwurf einer Parenthese den Faden verliert (so aber jüngst wieder GÄCKLE 2005, 38–40, indes ohne substanzielle Auseinandersetzung mit der Argumentation von HOFIUS und WOYKE). Vielmehr ist die Passage mit der Konstruktion καιÁ γαÁ ρ ειÍπερ – αÆ λλα als intakte Konzessivperiode aufzufassen (mit HOFIUS 2002a, 172; HOFIUS 2002b, bes. 181 Anm. 2), sofern und da die Apodosis zur Protasis eine Konstante (die Lexeme θεο ς und κυ ριος) sowie zwei Gegensatzpaare (einerseits im Numerus [πολλοι und ειÎς], andererseits von allgemeiner Konvention [λεγο μενοι] und begründetem Urteil der eigenen Gruppe [ηë μιÄν, dativus iudicantis, so HOFIUS 2002a, 173–175]) aufweist. (3) Die Relativsätze in V. 6aβ und V. 6bβ
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Meiner Auffassung nach haben wir es bei 1 Kor 8,4b–6 insgesamt mit geprägter Tradition aus dem Umfeld des Paulus zu tun. Nicht nur ist die grammatische Struktur intakt; stilistisch setzt sich diese Passage durch eine duale Konstruktion komplementärer Parallelismen in Proposition (V. 4bαβ), Konzession (V. 5ab) und Affirmation (V. 6ab) vom Kontext ab. Dabei wird die erste Proposition (V. 4bα) durch die konzessive Protasis (V. 5) entfaltet, die zweite Proposition (V. 4bβ) durch die affirmative Apodosis (V. 6). Sodann bereitet die Differenzierung der λεγο μενοι θεοι in θεοιÁ πολλοιÁ καιÁ κυ ριοι πολλοι in der Konzession die zweigliedrige Affirmation von ειÎς θεοÁ ς καιÁ ειÎς κυ ριος vor. Schließlich spricht die formalisierte, an Grußformeln der Paulusbriefe erinnernde Rede von θεοÁ ς οë πατηÁ ρ καιÁ κυ ριος ÆΙησουÄ ς Χριστο ς (vergleiche 1 Kor 1,3 und öfter) für paulinischen Einfluss. Mithin scheinen sich die ‹Gewissensstarken› auf ein grundlegendes Stück paulinisch geprägter Konvertitenkatechese zu berufen,20 welches das Verhältnis des einen (wahren) Gottes und Herrn – ‹binitarisch› identifiziert als ‹Vater› und ‹Jesus Christus› – zu den vielen im öffentlichen und privaten Kult, in formalem wie informellem Kontext verehrten Göttern und Herren bestimmt. In Anwendung der oben vorgeschlagenen Terminologie beziehungsweise der zu unterscheidenden Aspekte können die einzelnen Aussagen nun genauer konturiert werden: Zunächst einmal ist zu betonen, dass in der ersten Proposition V. 4bα nicht die prinzipielle Nichtexistenz paganer Gottheiten,21 sondern ihre Nichtigkeit ausgesagt wird, wir es damit primär mit dem archontologischen Aspekt von Macht und Bedeutsamkeit zu tun haben. Ganz entsprechend behandeln die zweite Proposition V. 4bβ und die Affirmation V. 6a.b nicht (religionssystematisch) das Thema, wie viele Götter denn nun existieren; vielmehr steht (religionspragmatisch)22 die polemische Frage im Raum, wer angesichts einer offensichtlichen Konkurrenz verschiedener verehrter Götter (vergleiche V. 5a.b) denn nun wahrer Gott ist. Das Bekenntnis zu dem Einen, der allein Gott und Herr ist und der ‹binitarisch› identifiziert wird haben vermutlich einen kausalen Nebensinn (vgl. HOFFMANN/VON SIEBENTHAL 1990, § 290b). 20 Darin könnte dann auch der Grund liegen, dass Paulus entgegen seinen sonstigen Gepflogenheiten im Ersten Korintherbrief die Position seiner Gegner so ausführlich zitiert. 21 Eine solche Lesart müsste ein attributives Verständnis von ουÆ δειÁ ς ειÍδωλον voraussetzen. Ebenso wenig wird im Übrigen mit ωÏ σπερ ειÆ σι ν V. 5b die tatsächliche Existenz der λεγο μενοι θεοι von V. 5aα bekräftigt, siehe WOYKE 2005, 158 f (gegen das Gros der Ausleger). – Jüngst geht auch wieder GÄCKLE 2005 davon aus, dass ‹die aufgeklärte Erkenntnis der Starken hinsichtlich der religiösen Qualität des Götzenopferfleisches wesentlich auf der ontologischen Unterscheidung zwischen Seiendem und Nichtseiendem› basiere (76) und Paulus dies ‹von der atl.-jüdischen Kosmologie her› modifiziere (40, vgl. 228–230). Im Unterschied zu Paulus hätten ‹die Korinther die Wendung ουÆ δεÁν ειÍδωλον εÆ ν κο σμωì attributiv (...) und nicht prädikativ (...)› verstanden (188). 22 Zu dieser Charakterisierung des Textes siehe AUFFARTH 2003 mit Verweis auf eine korinthische Inschrift aus dem Jahre 67 n. Chr., in der Nero als ειÎς καιÁ μο νος [...] αυÆ τοκρα τωρ με γιστος [...] ΖευÁ ς ÆΕλευθε ριος bezeichnet wird.
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als Vater und Jesus Christus, gegenüber den Vielen, die man konventionell Götter nennt, wird wiederum begründet durch dessen Herrschaftsbereich, der sich über den gesamten Kosmos erstreckt (ταÁ πα ντα V. 6aβ.bβ gegenüber εÆ ν κο σμωì V. 4bα und ειÍτε εÆ ν ουÆ ρανω Äì ειÍτε εÆ πιÁ γηÄ ς V. 5aβ) und dem sich insbesondere die an Christus Glaubenden verdanken (καιÁ ηë μειÄς V. 6aβ.bβ). Insbesondere durch die konkrete Zuspitzung der Monarchie des Einen auf die Gemeinschaft der Christen hin kommt nun aber auch ein latreiologischer Aspekt ins Spiel, nämlich die exklusive Verehrung des als Vater und Jesus Christus identifizierten einen Gottes und Herrn. Mehr noch: Die mit der kosmischen Dimensionierung der Herrschaft dieses Einen einhergehende völlige Depotenzierung der anderen Götter impliziert nun auch (religionssystematisch)23 eine speziell-monotheistische Aussage, wird doch das allumfassende εÆ ξ αυÆ τουÄ καιÁ δι’ αυÆ τουÄ καιÁ ειÆ ς αυÆ τοÁ ν ταÁ πα ντα (vergleiche 1 Kor 8,6; Röm 11,36) zum Kriterium dafür, wer die Bezeichnung ‹Gott› zu Recht trägt.24 3.2 Assoziationskomplexe Die sich der paulinischen Katechese verdankende ‹Erkenntnis› (γνω Ä σις) von 1 Kor 8,4b–6 wird ganz offensichtlich sowohl von den Befürwortern der Idolothytophagie als auch von Paulus als ihrem Gegner als Kernstück der Identität christlicher Gemeinden in ihrem paganen Umfeld betrachtet und akzeptiert. Wie aber kann es dabei zu so unterschiedlichen Positionen kommen, dass Paulus der Ansicht ist, ebendiese Identität stehe auf dem Spiel? Ein Schlüssel dürfte in den unterschiedlichen Assoziationen liegen, die einzelne Formulierungen in unterschiedlichen Denkzusammenhängen freizusetzen in der Lage sind.
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Vgl. WOYKE 2005, 185 Anm. 100. In ähnlicher Weise kann man die Verschränkung von Religionspragmatik und Religionssystematik in Dtn 4 erkennen: Religionspragmatische Unvergleichlichkeitsdoxologien wie Ex 15,11 – ‹Wer unter den Göttern ist dir gleich, JHWH?› – werden in Dtn 4,7.32–34 gleichsam temporal und geographisch entschränkt – ‹Zu keiner Zeit hat ein Gott an einem Volk in ähnlicher Weise gehandelt› – und schließlich zur Aussage des exklusiven Gottseins JHWHs geführt (Dtn 4,35). 24 Dass auch ein polytheistisches System in gewissem Grade exklusiv sein, mit dem Ziel der latreiologischen Tabuisierung fremde Gottheiten ontologisch degradieren kann, wird bei der stilisierten Wiedergabe einer Rede des Konsuls Sp. Postumus im Zuge des Bacchanalienskandals 186 v. Chr. durch Livius deutlich (Liv. 39,15,2–3): ‹[...] euch daran zu erinnern, dass es nur diejenigen Götter gibt (hos esse deos), die zu verehren, zu ehren und im Gebet anzurufen eure Vorfahren angeordnet haben (quos colere, vererari precarique maiores vestri instituissent), und nicht jene (non illos), die mit verkehrten und ausländischen Zeremonien die Gemüter betören und wie mit den Stacheln der Furien zu jedem Verbrechen und zu jeder Ausschweifung treiben (qui pravis et externis religionibus captas mentes velut furialibus stimulis ad omne scelus et ad omnem libidinem agerent).›
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3.2.1 Monarchisch-monolatrische Schlüsseltexte: Altes Testament Zunächst einmal firmiert die Katechese als grundsätzlicher theologischer Text, der klar in alttestamentlich-jüdischer Tradition steht. Das wird schon allein an der Verwendung des Wortes ειÍδωλον als undifferenziertem Sammelbegriff für jedwede Gottheit sämtlicher nichtjüdischer Völker – entsprechend ihr Tempel oder ein ihr geweihter Ort unter freiem Himmel als ειÆ δωλειÄον25 – ersichtlich.26 Zwar ist damit eine im hellenistischen Bereich durchaus geläufige (wenn auch nicht so häufige) Bezeichnung sowohl für die temporäre Manifestation einer Gottheit in Traum, ‹Inkarnation› und Götterbild als auch für ihre permanente Spiegelung in Gestirnen oder Tieren, ja sogar, in metonymischer Verkürzung, für die Gottheit selbst aufgegriffen. In der Septuaginta gibt der Terminus ganz entsprechend eine Reihe primär deskriptiver hebräischer Bezeichnungen für Götterbilder beziehungsweise für in ihrem Kultbild manifest oder präsent gedachte Gottheiten wieder und wird durch diese Konzentration zum Sammelbegriff aller paganen Gottheiten im Gegenüber zur anikonischen jüdischen Gottesverehrung als differentia specifica Iudaica.27 Die pejorative Konnotation des Wortes ist primär mit dem (zumindest in der Septuagintafassung) das Fremdgötterverbot voraussetzenden dekalogischen Bilderverbot gegeben und bezieht sich dabei latreiologisch auf die Tabuisierung der Verehrung von Fremdgöttern. Allerdings kann eine aufgeklärt-polemische Reduzierung des Wesens der Gottheiten auf das Material ihrer Kultbilder dann zusätzlich eine ontologische Komponente zur Bedeutung von ειÍδωλον hinzufügen, die indes den Aspekt der Gegenständlichkeit wahrt: es ist die der Götterattrappe.28 Überdies finden sich in einzelnen Formulierungen von 1 Kor 8,4b–6 mannigfache Reminiszenzen an zentrale alttestamentliche Texte insbesondere des Deuteronomiums. Da wäre in Bezug auf den Einzigen, der Gott und Herr ist (V. 6) im Gegenüber zu den vielen Göttern und Herren (V. 5), auf das zentrale, identitätsstiftende jüdische Bekenntnis Schema Jisrael aus Dtn 6,4 LXX – ‹Der Herr (ist) unser Gott, der Herr ist einzig (κυ ριος οë θεοÁ ς ηë μω Ä ν κυ ριος ειÎς εÆ στιν)› – sowie dessen Interpretation in Dtn 10,17 LXX – ‹Der Herr, euer Gott, dieser ist Gott der Götter und Herr der Herren (οë [...] κυ ριος οë θεοÁ ς 25
Siehe NEWTON 1998, 85–89.298 f. Zum Folgenden siehe den entsprechenden Exkurs mit detaillierter Diskussion von Quellen und Sekundärliteratur bei WOYKE 2005, 37–103, darin besonders die Zusammenfassungen a.a.O., 62–66.86–90.103. 27 Dass es anikonische Götterverehrung auch in anderen Glaubenssystemen (z. B. dem römischen) gegeben hat, ist dabei nicht im Blick. 28 Die in der Forschung zumeist vertretene, lexikalisch auch mögliche Interpretation der ειÍδωλα als ‹Scheingötter› indes ist erst in der Kombination mit platonischer Erkenntnislehre wie etwa bei Philon von Alexandria gegeben. Trotz des zustimmenden Verweises auf WOYKE 2005 postuliert GÄCKLE 2005, 116 fälschlich, dem ‹Begriff [ειÍδωλον] hafte[...] grundsätzlich die Aura des Unwirklichen an›. 26
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υë μω Ä ν, ουÎ τος θεοÁ ς τω Ä ν θεω Ä ν καιÁ κυ ριος τω Ä ν κυρι ων)› – zu verweisen. Sogar die ergänzende lokale Bestimmung der konzedierten λεγο μενοι θεοι aus 1 Kor 8,5: ‹sei es im Himmel, sei es auf Erden›, scheint vornehmlich eine intertextuelle Funktion einzunehmen, spielt sie doch dabei auf den in Dtn 4,39 angegebenen Herrschaftsbereich von Israels Gott an: ‹Der Herr, dein Gott, dieser ist Gott im Himmel oben und auf der Erde unten, und es ist kein(er) Gott außer ihm (κυ ριος οë θεο ς σου, ουÎ τος θεοÁ ς εÆ ν τω Äì ουÆ ρανω Äì αÍ νω καιÁ εÆ πιÁ τηÄ ς γηÄ ς κα τω, καιÁ ουÆ κ εÍ στιν εÍ τι πληÁ ν αυÆ τουÄ )›.29 Sodann ist man erinnert an die Unvergleichlichkeitsdoxologie aus Dtn 3,24: ‹Wer ist Gott im Himmel oder auf der Erde (τι ς γα ρ εÆ στιν θεοÁ ς εÆ ν τω Äì ουÆ ρανω Äì ηà εÆ πιÁ τηÄ ς γηÄ ς), der etwas vollbracht hat, was deinen Taten und deinen Siegen vergleichbar wäre?›. Der monarchisch-(speziell-)monotheistische Charakter dieser Texte des Deuteronomiums entspricht dem von 1 Kor 8,4b–6. Die Textur deuteronomischer Theologie ist zudem monolatrisch, gibt sich doch das gesamte Deuteronomium als Dokument des exklusiven Bundes Israels mit JHWH. Wie aber kann es dazu kommen, dass nun die aus dem paganen Umfeld Korinths stammenden Befürworter der Idolothytophagie mit einer solchen Katechese ihr Verhalten begründen? Bemerkenswert ist ja, dass es keine Anzeichen dafür gibt, dass sie den Rekurs auf den Syrer Naaman aus 2 Kön 5,15–17 im Blick haben:30 nämlich trotz des Bekenntnisses, dass es auf der ganzen Erde keinen Gott gibt außer dem Gott Israels (εÍ γνωκα οÏτι ουÆ κ εÍ στιν θεοÁ ς εÆ ν πα σηì τηÄì γηÄì οÏτι αÆ λλ’ ηà εÆ ν τω Äì Ισραηλ), sowie trotz der exklusiven, monolatrischen Bindung an ihn (ουÆ ποιη σει [...] θυσι ασμα θεοιÄς εë τε ροις, αÆ λλ’ ηà τω Äì κυρι ωì μο νω) ì aufgrund sozialer Verpflichtungen die ausnahmsweise Erlaubnis zur Teilnahme an paganen kultischen Festen zu erbitten. Nein: Es ist dezidiert aufgrund des monarchisch-monotheistischen Bekenntnisses zu dem Einen, der Gott ist, nämlich dem Vater, und zu dem Einen, der Herr ist, nämlich Jesus Christus, dass die Korinther für Idolothytophagie in religiöser Lokation eintreten. Möglich wäre durchaus, dass die Korinther angesichts der allumfassenden Macht des einen Gottes und Herrn, dem nach Dtn 10,14 alles im Himmel und 29 Ähnlich Dtn 10,14: ‹Siehe, dem Herrn, deinem Gott gehört der Himmel und der Himmel des Himmels, die Erde und alles, was in ihr ist› (ιÆ δουÁ κυρι ου τουÄ θεουÄ σου οë ουÆ ρανοÁ ς καιÁ οë ουÆ ρανοÁ ς τουÄ ουÆ ρανουÄ , ηÆ γηÄ καιÁ πα ντα, οÏσα εÆ στιÁ ν εÆ ν αυÆ τηÄì ) – ein Text, dessen Inhalt für die paulinische Bewertung des Fleischessens in sozialem Kontext von Bedeutung ist (1 Kor 10,27 mit Zitat von Ps 23[24],1 LXX). 30 In der rabbinischen Literatur wird Naaman zum Prototypen der so genannten Gottesfürchtigen, nichtjüdischer Sympathisanten mit der Synagoge (im babylonischen Talmud (bSan 74b/75a). Im hellenistischen Judentum indes liegt kein Hinweis für eine entsprechende Stellung Naamans vor. Josephus etwa übergeht bei seiner Nacherzählung der biblischen Geschichte (Flav.Jos. Ant.) diese Episode völlig, und Philon urteilt äußerst kritisch über das dem Jetro, der in der rabbinischen Tradition Naaman nahesteht, zugeschriebene Bekenntnis von Ex 18,11, Philon ebr. 33–40. Zur Diskussion vgl. WOYKE 2005, 133–139 (in Auseinandersetzung vornehmlich mit SIEGERT 1973).
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auf der Erde zu eigen ist, sodann angesichts der Ohnmacht und Bedeutungslosigkeit der Gesamtheit nichtjüdischer Götter die Teilnahme an Festlichkeiten im Tempelbezirk für eine profane Angelegenheit halten.31 Dies verliefe analog der späteren Argumentation des Paulus für den unbedenklichen Kauf jeglichen Marktfleisches sowie für den Verzehr aller Speisen bei privaten Einladungen, ohne sich von Skrupeln plagen zu lassen (1 Kor 10,25–27). 3.2.2 Monarchisch-polylatrische Schlüsseltexte: Stoische Popularphilosophie und Mysterienreligionen Indessen ergibt sich eine weitere, noch plausiblere Option aus der Formulierung: ‹aus Gott, durch Gott, zu Gott hin› – in 1 Kor 8,6 ‹binitarisch› aufgeteilt auf den Vater (εÆ ξ ουÎ , ειÆ ς αυÆ το ν) und Jesus Christus (δι’ ουÎ ) –. In diesem die Allwirksamkeit Gottes ausdrückenden formelhaften Stück finden sich klare Anklänge an das, was Eduard Nordon ‹stoisches Allmachtsschema› genannt hat:32 Bei Pseudo-Aristoteles im ersten vorchristlichen Jahrhundert wird das Theologumenon ‹aus Gott besteht alles und durch ihn auch wir› (εÆ κ θεουÄ πα ντα καιÁ διαÁ θεουÄ ηë μιÄν συνε στηκεν, Mu. 397b.13–15) als althergebrachte, universale Anschauung mit orphischem Hintergrund vorgestellt. Mit demselben Anspruch führt Jahrhunderte zuvor Platon, Lg. 4,715e das Epitheton οë [...] θεοÁ ς [...] αÆ ρχη ν τε καιÁ τελευτηÁ ν καιÁ με σα τω Ä ν οÍ ντων αë πα ντων εÍ χων (‹In Gott bestehen Anfang, Ende und Mitte alles Seienden›) an – eine Aufnahme der epischen Zeustradition,33 wie wiederum Pseudo-Aristoteles nahelegt: ΖευÁ ς κεϕαλη , ΖευÁ ς με σσα, ΔιοÁ ς δ’ εÆ κ πα ντα τε τυκται (‹Zeus ist das Haupt, Zeus ist die Mitte, aus Zeus ist alles bereitet/verursacht worden›, Mu. 401a). Dass wir es hier tatsächlich mit verbreitetem (popular)philosophischem Gedankengut zu tun haben, erhellt nicht zuletzt daraus, dass etwa einhundertfünfzig Jahre später Plutarch beide genannten Varianten der Allwirksamkeitsformel zitiert (Plut. mor. 601B; 1124F einerseits, 436D; 1074E andererseits). Auch in die theologische Beschreibung des einen Schöpfers des Alls durch das hellenistische Judentum hat das Schema Einzug erhalten, wie entsprechende Passagen bei Philon (Philon. spec. 1,208 ωë ς εÊν ταÁ πα ντα ηà οÏτι εÆ ξ εë νο ς τε καιÁ ειÆ ς εÏ ν) und Josephus (Apion. 2,190 αÆ ρχηÁ καιÁ με σα καιÁ τε λος ουÎ τος τω Ä ν πα ντων) zeigen. Ist im frühjüdischen Umfeld klar, dass die positive Anknüpfung an die universale Zeusverehrung klar monotheistisch-monolatrisch gedacht ist (vergleiche Philon spec. 2,165; Arist. 16. 132–140. 157),34 so ergeben sich im 31
So wohl auch GÄCKLE 2005, 189. NORDEN 1974, 240–250. 33 Vgl. dazu nur wieder die oben in der Begriffsbestimmung bereits genannten Texte von Hesiod (theog. 49) und Homer (Il. 8,27) einerseits und Xenophanes (Frgm. 23 Diels/Kranz) andererseits. 34 Dies nicht zuletzt, weil es sich im Denken Philons wie des Aristeasbriefs beim AllBeherrscher ‹um den Gott handelt, der sich Abraham verbunden hat und von Juden im Gebet angeredet wird› (BACHMANN 2002, 150), und dies eben nicht als Zeus o. ä. 32
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paganen (popular)philosophischen – besonders stoischen – Bereich andere Assoziationen: Pseudo-Aristoteles erläutert die (gewöhnlich als pantheistisch charakterisierte) Lehre des Thales, dass alle Dinge voll von Göttern seien (πα ντα ταυÄ τα εÆ στι θεω Ä ν πλε α) dahingehend, dass sich dies nicht auf das – wie oben gesehen – monarchisch gedachte Wesen des Göttlichen, die θειÄα ουÆ σι α, beziehe, sondern auf die göttliche Kraft, die θειÄα δυ ναμις (Mu. 397b,19–20): ‹Eins ist [das Göttliche] und [zugleich] vielnamig (ειÎς δεÁ ωà ν πολυω νυμο ς εÆ στι), da es benannt wird nach den Vorgängen, die es schöpferisch in Gang setzt› (Mu. 401a; vergleiche die explizite Zuordnung zu stoischem Gedankengut bei Diogenes Laertius 7,135). Die Lehre von der Vielnamigkeit des Einen bietet nun einerseits die Möglichkeit, den philosophischen Monotheismus mit dem polylatrischen Polytheismus des öffentlichen Kultes und der Volksfrömmigkeit zusammenzubringen.35 Andererseits kann der Ethnozentrismus der konkreten Kultausübung in einen universalisierenden Synkretismus36 überführt werden, der nach den oben getroffenen terminologischen Konventionen zugleich als monarchisch-monotheistisch und als polylatrisch charakterisiert werden kann. Um 100 n. Chr. findet sich bei dem berühmten Rhetor Dion von Prusa, in dessen Rede an die Rhodier, ein eindrückliches Beispiel dafür: ‹Freilich sagen manche, Apollos und Helios und Dionysos seien ein und derselbe [τοÁ ν αυÆ το ν], [...] viele aber ziehen schlicht alle Götter in eine Macht und Kraft zusammen (τουÁ ς θεουÁ ς πα ντας ειÆ ς μι αν τιναÁ ιÆ σχυÁ ν καιÁ δυ ναμιν συνα γουσιν), so dass es keinen Unterschied macht, ob man diesen oder jenen verehrt (μηδεÁν διαϕε ρειν τοÁ τουÄ τον ηà εÆ κειÄνον τιμαÄ ν)› (Dion Chrys. 31,11).
In der Konsequenz bedeutet dies also, dass das eine Göttliche in jeglichem konkreten Kult verehrt werden kann – eine zumindet monarchische, wenn nicht monotheistische Anschauung also mit polylatrischer Praxis. Haben wir es hier indes bei der ‹einen Macht und Kraft› letztlich mit einer philosophischen Abstraktion zu tun, so besteht in anderen Zusammenhängen durchaus die Möglichkeit, dass ein konkreter Kult die Identität der betreffenden Gottheit bei aller synkretistischen Internationalisierung – sei es nach dem Konzept der Identifizierung mit, sei es als Erscheinung beziehungsweise Einwohnung in anderen Göttern37 – behält: und zwar insbesondere bei der in hellenistischrömischer Zeit im Römischen Reich stark expandierenden Verehrung der ägyptischen Isis als Universalgöttin (sowie des Sarapis als kosmischem Allgott).38 Plutarch liefert uns dazu einen beredten Hinweis in seiner Schrift Über Isis und Osiris (Moralia 377C–378A): 35 Vgl. das von Cic. nat.deor. 1,13 zitierte, bekannte Verdikt des Kynikers Antisthenes Frgm. 24, Mullach 2,277: populares deos multos, naturalem unum esse. 36 Zur Problematik sowie zu Differenzierungen des Begriffs siehe BERNER 2001. 37 Zum Konzept des Synkretismus in der ägyptischen Religion als Einwohnung gegenüber einer bloßen Identifizierung siehe HORNUNG 2005, 89–100 und 128–132. 38 ASSMANN 2004, 76 spricht vom ‹gräkoägyptischen Synkretismus›. Zum Folgenden vgl. auch ebd., 76–82.
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‹Man lasse uns die Götter als Gemeingut (θεοιÁ κοινοι ) und mache keine ägyptischen Sondergötter (ΑιÆ γυ πτιοι ιÍδιοι) daraus; man belege nicht ausschließlich den Nil und das vom Nil bewässerte Land mit den Götternamen und beraube nicht die übrige Menschheit der großen Götter. Andere haben keinen Nil, kein Butos und kein Memphis, aber alle haben und kennen eine Isis und die mit ihr verbundenen Götter; manche haben sie zwar erst vor kurzem (ουÆ πα λαι) mit ihrem ägyptischen Namen zu nennen gelernt, aber ihre Bedeutung [besser: Kraft, δυ ναμις] kennen und ehren sie (εÆ πιστα μενοι καιÁ τιμω Ä ντες) seit je (εÆ ξ αÆ ρχηÄ ς). [...] Es sind nicht die einen Götter bei diesem, die anderen bei jenem Volk, keine Barbaren- und Hellenengötter, keine südlichen und nördlichen; sondern wie Sonne und Mond, Himmel, Erde und Meer allen gemeinsam sind, aber von den einen so, von anderen anders genannt werden (κοιναÁ παÄ σιν, οÆ νομα ζεται δ’ αÍ λλως υë π’ αÍ λλων), so ist es ein Logos (ειÎς λο γος), der dies alles ordnet, eine einzige Vorsehung (μι α προ νοια), die darüber waltet, und es gibt dienende Mächte (δυνα μεις υë πουργαι ), die für alle Bereiche der Welt (εÆ πιÁ πα ντα) eingesetzt sind; und für all diese Wesen gibt es verschiedene Ehren und Benennungen bei den verschiedenen Völkern nach ihrem Brauch (καταÁ νο μους); man hat für sie geheiligte Symbole (συ μβολα καθιερωμε να), hier undeutliche, dort deutlichere, um dem Denken den Weg zum Göttlichen zu weisen (εÆ πιÁ ταÁ θειÄα τηÁ ν νο ησιν οë δηγουÄ ντες).›39
Bekannter, in der Aussagerichtung gleichwohl analog, ist einige Jahrzehnte nach Plutarch die fiktionale Beschreibung der Initiation in die Isis-Mysterien durch Apuleius. In dessen Roman Metamorphosen wird zunächst (met. 11,2,4) die Himmelskönigin durch den Protagonisten Lucius unter verschiedenen Namen angerufen – Ceres, Venus, Phöbus’ Schwester, Proserpina: ‹mit welchem Namen immer, nach welchem Brauch immer, unter welcher Gestalt immer man dich anrufen muss (quoquo nomine, quoquo rito, quaqua facie te fas est invocare)›. Daraufhin offenbart sie sich als vielnamig (met. 11,5,1–3):40 ‹Ich [bin] der Inbegriff aller Götter und Göttinnen (deorum dearumque facies uniformis) [...]; ein Wesen bin ich, doch in vielen Gestalten, wechselnden Bräuchen, mancherlei Namen betet mich der ganze Erdkreis an (cuius numen unicum multiformi specie, ritu vario, nomine multiiugo totus veneratur orbis). Dort bei den uralten Phrygern bin ich die Göttermutter von Pessinus, hier bei den attischen Autochthonen Pallas Athene, da bei den umbrandeten Cyprioten Venus von Paphos; [...] Juno rufen mich die einen und Bellona die anderen, Hekate diese und Rhamnusia jene; doch die Äthiopier [...] und die Ägypter [...] verehren mich mit den eigentlichen Bräuchen und heißen mich mit meinem echten Namen Königin Isis (cerimoniis me propriis percolentes appelant vero nomine reginam Isidem).›
Sehr schön wird hier fassbar, dass zwar die Initiation in den Mysterienkult der Isis für den Neophyten Teilhabe an der umfassenden Erkenntnis und Verehrung der Isis bedeutet, jedoch damit eine Teilnahme an öffentlichen Kulten der 39
Nach der Übersetzung von GÖRGEMANNS 2003. Vgl. den (ersten) Isis-Hymnus des Isidor von Narmuthis (1. Jh. v. Chr.) – ‹[...] weil du, die Eine, alle anderen Göttinnen bist, welche die Völker mit ihrem Namen benennen (οÏτι μου νη ειË συÁ αÏ πασαι αιë υë ποÁ τω Ä ν εÆ θνω Ä ν οÆ νομαζο μεναι θεαιÁ αÍ λλαι)› – sowie eine verbreitete Selbstoffenbarung der Isis aus hellenistischer Zeit (MERKELBACH 1995, §§ 166.212). Zur ‹Zehntausendnamigkeit› als allgemeiner Isis-Charakteristik siehe auch Plutarch, Moralia 372E (υë ποÁ δεÁ τω Ä ν πολλω Ä ν μυριω νυμος κε κληται διαÁ τοÁ πα σας υë ποÁ τουÄ λο γου τρεπομε νη μορϕαÁ ς δε χεσθαι καιÁ ιÆ δε ας). 40
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hellenistisch-römischen Städte nicht in Konflikt steht, wird doch dort letztlich auch dieselbe Himmelskönigin – wenn auch unter uneigentlichem Namen und mit uneigentlichen Bräuchen – verehrt. Ganz entsprechend war auch ‹Sarapis ein Allgott, der sich in allen anderen Göttern manifestieren konnte›.41 Diese Haltung kann man mit der oben festgelegten Terminologie monarchischmonotheistisch, aber polylatrisch nennen. Ein entsprechendes Verständnis des Einen (der Gott und Herr ist und aus dem, durch den und zu dem hin alle Dinge sind) als ein solcher Allgott durch die Befürworter der Idolothytophagie in der korinthischen christlichen Gemeinde würde die Verwendung der Katechese von 1 Kor 8,4b–6 als argumentativem Unterbau plausibilisieren. 3.3 Allgottvorstellung und -verehrung im neutestamentlichen Korinth Nun hat VOLKER GÄCKLE überzeugend nachgewiesen, dass das Gruppenattribut αÆ σθενη ς (‹schwach›) für die in Bezug auf Idolothytophagie mit Skrupeln Beladenen (1 Kor 8,7.10–12) von den korinthischen Befürwortern ‹im pejorativen Sinn auf jene angewendet (wurde), die korinthische Werte wie γνω Ä σις und εÆ ξουσι α vermissen ließen›,42 und dass diese ‹Begriffsverwendung von αÆ σθεν- in kognitiv-rationaler, edukativer und psychischer Bedeutung›43 auf einen ‹zumindest populärstoischen Deutungsrahmen›44 schließen lässt. Ähnlich steht es mit dem vermutlichen Propagieren des goldenen Mittelweges der ευÆ σε βεια zwischen δεισιδαιμονι α und αÆ σε βεια beziehungsweise αÆ θεο τητα45 durch die ‹Starken›, nämlich zwischen der Vorstellung, dass die konventionellen Gottheiten selbst machtvoll und von Bedeutung (und nicht bloße Symbole des einen Göttlichen) seien, einerseits und der strikten Bestreitung des Gedankens, im Kult der konventionellen Götter komme die Verehrung des Göttlichen angemessen zum Ausdruck, andererseits.46 Ein entsprechender (popular)stoischer Hintergrund konnte von Pseudo-Aristoteles’ Über die Welt her für die Allwirksamkeitsformel vermutet werden. 41 MERKELBACH 1995, 75. Vgl. auch die häufig aufgefundene Identifikation des Sarapis mit Zeus: ειÎς ΖευÁ ς Σα ραπις (ebd., 74). Ebd., 307: ‹Im Sarapis- und Isiskult fand auch die Lehre Platz, daß es nur EINEN Gott gebe: Sowohl Sarapis als auch Isis sind als Universalgottheiten aufgefaßt worden.› 42 GÄCKLE 2005, 50. 43 GÄCKLE 2005, 76. 44 GÄCKLE 2005, 108. 45 Siehe dazu einerseits Plutarch Moralia 171F; 355D; 378A–379E u. ö., andererseits Philon Deus 163 f.; migr. 132–134. Vgl. auch Dion Chrys. 12,60 f; 31,15. 46 WOYKE 2005, 205–211. Zu bedenken ist dabei sicherlich der Atheismusvorwurf der paganen Umwelt gegenüber dem Judentum (vgl. etwa Flav. Jos. Apion. 1,239), aber auch gegenüber den Epikureern, den diese nach allgemeinem Urteil durch die undifferenzierte Verehrung aller möglichen Kultbilder zu entkräften suchen (vgl. Cic. nat. 1,85). Zum stoischkynisch informierten Pathos der psychagogischen Therapie der ‹Schwachen› durch die ‹Starken› siehe GÄCKLE 2005, 97–105. 194.
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Doch wie steht es mit der konkreten Allgottverehrung? Nach der Beschreibung Korinths durch Pausanias um 165 n. Chr. (Paus. 2,3–5) existierten auf dem Aufstieg zum Akrokorinth je zwei heilige Bezirke für Isis und für Sarapis. Schildert Pausanias daneben Tempelanlagen für Demeter (in der Nähe des Isis-Temenos) und Aphrodite (auf dem Akrokorinth), wo zudem Kultbilder für Helios und Eros aufgestellt waren, sowie Tempel des Zeus und des Asklepios in der Nähe des Theaters im Nordwesten Korinths (Letzteren mit Tempelrestaurant), sodann Heiligtümer für Poseidon und Asklepios in Kenchreae, so haben wir es mit Kulten für Gottheiten zu tun, mit denen Isis und Sarapis vornehmlich identifiziert wurden.47 Zwar bleibt es ein archäologisches Desiderat, die Existenz zum Beispiel der Isis- und Sarapis-Temene oder aber etwa die künstlerische Identifikation von Gottheiten in Kultbildern (und anderes mehr) für die Fünfzigerjahre des ersten Jahrhunderts n. Chr. in Korinth nachzuweisen.48 Gleichwohl ist für die plausible Charakterisierung der Befürworter von Idolothytophagie in der Gemeinde von Korinth die folgende Hypothese alles andere als unbegründet, ‹die Eingliederung ehemaliger Mysten in die christliche Gemeinde› sei für das Szenario aus 1 Kor 8–10 von besonderer Relevanz.49 Allem Anschein nach verstand sich ja das Sarapismahl als Kommunion (κοινωνι α) mit der präsent gedachten Gottheit50 – eine Schlüsselvorstellung für die Argumentation des Paulus in 1 Kor 10,14–22, die er für die Unvereinbarkeit der Teilhabe an Christus mit der an den Dämonen nutzbar macht.51 Zudem bestand neben den eigentlichen Mysterienmählern die Option ‹offene[r] [...] Mähler [...], zu denen (auch) nicht-eingeweihte Freunde und Verwandte eingeladen werden konnten›,52 was einen möglichen Hintergrund für das Motiv des Gesehenwerdens im paganen Tempelbereich von 1 Kor 8,10 bilden könnte.
47 MERKELBACH 1995, 78 und 95. Sogar eine Identifizierung des Sarapis mit dem jüdischen JHWH lässt sich nachweisen (ebd.). 48 Zur Diskussion des derzeitigen Wissensstandes siehe die entsprechenden Abschnitte bei WISEMAN 1979, MURPHY-O’CONNOR 1983, NEWTON 1998, FOTOPOULOS 2003 und GÄCKLE 2005. 49 GÄCKLE 2005, 168 f. 50 So zumindest nach Aristides Or. 45,27 im 2. Jh. n. Chr. (siehe MERKELBACH 1995, § 313). 51 Vgl. KLAUCK 1986, 260 f. Indes ist die Argumentationsrichtung zu beachten: Paulus findet im κοινωνι α-Begriff eine angemessene Beschreibung des Status des christlichen Herrenmahls wie des alttestamentlich-jüdischen Opfermahls und wendet dies auf die pagane Opferfeier an, nicht umgekehrt (siehe WOYKE 2005, 240–250, bes. 240 f. mit Anm. 79 f.). 52 So GÄCKLE 2005, 168 f. Dabei ist insbesondere zu bedenken, dass solche Mysterien- wie offene Mähler durchaus auch in den Tempeln anderer Gottheiten stattfinden konnten (vgl. den bei MERKELBACH 1995, § 313 zitierten Kölner Papyrus mit der Einladung zu einem Sarapismahl im Thoeris-Tempel). Zu (weiteren) Einzelheiten und Differenzierungen in der Kultausübung von Opfern und Opfermählern siehe die exzellente Darstellung bei GÄCKLE 2005, 142–183 (vgl. grundlegend WILLIS 1985 und besonders KLAUCK 1986).
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Somit dürfte weniger eine aufgeklärte Sicht von Opferfesten und -mahlen als letztlich profanen Angelegenheiten für die Argumentation der ‹Starken› in Korinth verantwortlich zeichnen als vielmehr die Vorstellung des einen, allwirksamen, vielnamigen Universalgottes, sei es mit popularstoischer Färbung, sei es im Bereich der Isis- und Sarapismysterien. Aus Sicht des Paulus handelt es sich hierbei um ein schwerwiegendes Missverständnis, da die sich daraus ergebende Polylatrie die (aus dem alttestamentlich-jüdischen Erbe übernommene) exklusiv monolatrisch bestimmte Identität der christlichen Gemeinde – man denke nur an Texte wie 1 Thess 1,9b–10; 1 Kor 12,3; Gal 4,8–953 – konterkariert.54 Paulus könnte nun, ähnlich etwa der Vorgehensweise bei Philon (spec. 1,20; 2,166, decal. 61; virt. 212 ff.; opif. 7; Abr. 70 ff.; ebr. 106 ff.; congr. 48 f.; vergleiche Arist. 139), darauf rekurrieren, dass die δυνα μεις, die Kräfte, durch die Gott alles erschafft und erhält, selbst Gottes Kreaturen sind und daher nicht als Götter benannt und verehrt werden dürfen. In Röm 1 verfolgt er offenbar eine solche Strategie: Zunächst utilisiert Paulus die popularphilosophische Frage nach der adäquaten Repräsentation des Göttlichen in anthropo- oder theriomorphen Kultbildern (V. 23). Dann aber, um dem Missverständnis zu entgehen, es handle sich bei den paganen Kulten letztlich doch um den einen, wahren Schöpfergott, vervollständigt er seine Argumentation durch die Anklage, die Menschen hätten die Wahrheit über Gott mit der Lüge vertauscht und infolgedessen das Erschaffene anstelle des Schöpfers (beziehungsweise: mehr als den Schöpfer) verehrt (V. 25).55 In der konkreten, religionspragmatisch relevanten Frage nach der Teilnahme an paganen Opferfeiern56 indessen bemüht Paulus mit der Dämonisierung der korinthischen Götterkulte57 eine Strategie, die stärker an der konkreten Kultpraxis orientiert ist. 53
Zur Interpretation siehe die entsprechenden Kapitel bei WOYKE 2005. Zum Missverständnis der Analogie von alttestamentlichem JHWH-Glauben und ägyptischen Isis-Mysterien bei Autoren der Moderne siehe ASSMANN 2004, 173–210. 55 Siehe WOYKE 2005, 370–444 (vgl. jetzt auch HORN 2005, allerdings ohne Bezug auf Röm 1,25). 56 Ob nun in 1 Kor 8,1–13 ein anderer Fall – nämlich ein kultisches Opferfest im Freien – ins Auge gefasst ist als in 1 Kor 10,14–22 – nämlich, mit größerer religiöser Dichte, ein symbolisches Opfermahl als Teil des Opferritus im Tempel (so GÄCKLE 2005, 181 [im Gefolge von NEWTON 1998], mit anderer Akzentsetzung indes schon GOOCH 1993): Die Befürworter der Idolothytophagie haben offensichtlich für eine Teilnahme (auch) an symbolischen Opferriten mithilfe der monarchisch-monotheistischen Katechese argumentiert, wie die Aufnahme von 1 Kor 8,4b–6 in 1 Kor 10,19b beweist. M. E. sprechen die terminologischen Anspielungen von 1 Kor 8,3.9.13 an die paradigmatische Erzählung der Ido(lo)latrie mit Baal-Pegor von Num 25,2 (Ps 106,36; vgl. Philon virt. 35; Flav. Jos. Ant. 4,139) allerdings deutlich gegen die Annahme, Paulus räume den ‹Starken› in 1 Kor 8 ein grundsätzliches Recht zur Idolothytophagie εÆ ν ειÆ δωλει ωì ein (siehe auch CHEUNG 1999). 57 Selbst für den Fall, dass ein Opferfest oder -mahl für eine bestimmte Gottheit Anlass für die Kontroverse gab, ist von einem kategorischen, verallgemeinernden Votum des Paulus auszugehen. 54
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4 Tabuisierung der Idolothytophagie durch Dämonisierung von Fremdkulten (1 Kor 10,19–21) 4.1 Die Textgrundlage Um die Unvereinbarkeit christlicher Existenz mit der Teilnahme an paganen Opferfesten und Kultmahlen herauszustellen, bringt Paulus nun den Begriff der κοινωνι α in Anschlag: Bedeutet die Teilnahme am christlichen Herrenmahl den Vollzug der Zugehörigkeit zur Heilsgemeinschaft – die Vielen haben Teil an dem für sie gegebenen, einen Leib Christi (1 Kor 10,16 f) – und vollzieht sich im alttestamentlichen Kultmahl die Teilhabe an der Heiligkeit JHWHs und damit die Zugehörigkeit wie das Sich-zugehörig-machen zur Heilsgemeinde (1 Kor 10,18), so ergibt sich für die κοινωνι α τω Ä ν ειÆ δω λων: Im Kultmahl wird die Zugehörigkeit zur von Gott gestifteten Gemeinschaft vollzogen, und zwar in der Vertikalen, indem man sich dem Idol zu eigen macht und so Anteil an seinem Heil respektive Unheil erhält, und in der Horizontalen, indem man zu einer Einheit der Feiernden wird.58 Hier nun muss Paulus wohl aufgrund des Assoziationsspektrums gerade auch des κοινωνι α-Begriffs ein Missverständnis abwehren: (V. 19a)
Was sage ich also? Τι ουË ν ϕημι; (V. 19bα) Dass ein ‹Götzenopfer› (an sich) etwas sei oder οÏτι ειÆ δωλο θυτο ν τι εÆ στιν ηà (V. 19bβ) dass ein paganer Gott (an sich) etwas sei? οÏτι ειÍδωλο ν τι εÆ στιν; (V. 20a) [Nein,] sondern αÆ λλ’ dass was sie opfern, sie Dämonen opfern und nicht (einem) Gott. οÏτι αÊ θυ ουσιν, δαιμονι οις καιÁ ουÆ θεω Äì [θυ ουσιν]. (V. 20b) Und ich will nicht, ουÆ θε λω δεÁ dass ihr Teilhaber der Dämonen werdet. υë μαÄ ς κοινωνουÁ ς τω Ä ν δαιμονι ων γι νεσθαι.
Die Form der rhetorischen Frage in V. 19 impliziert zunächst einmal, dass das zuvor Gesagte (vergleiche V. 15 κρι νατε υë μειÄς οÏ ϕημι und V. 19a τι ουË ν ϕημι) keine Absage an die grundlegende monarchische Erkenntnis von 1 Kor 8,4bα(–6) ist. Mit der Argumentation vom christlichen Herrenmahl und vom jüdischen Opfermahl her ist demnach weder ein sakramentales Verständnis der ειÆ δωλο θυτα noch die machtvolle Präsenz der paganen Götter impliziert; we58
Siehe WOYKE 2005, 240–247.
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der die Teilnahme am paganen Kultmahl noch seine Missachtung ziehen Konsequenzen, sei es gnädige Zuwendung oder aber Unheil, seitens der dort verehrten Gottheit nach sich. Entscheidend für die Interpretation ist nun letztlich der syntaktische Zusammenhang der rhetorischen Frage mit der folgenden, formal adversativen (αÆ λλα ) Aussage aus V. 20a.59 In der Regel wird dieser konzessiv verstanden: ‹Zwar sage ich nicht, dass [...] ein Idol an sich etwas sei, wohl aber, dass was sie opfern, sie (eigentlich) Dämonen opfern und nicht (dem von ihnen verehrten) Gott ...› In diesem Falle handelte es sich um eine ontologische wie archontologische Aufwertung: Die konventionellen Götter gibt es zwar nicht in ihrer kultischen Identität, wohl aber bedienen sich ihrer machtvolle Dämonen.60 Ein solches Verständnis kann sich auf eine von den frühen christlichen Apologeten verwendete Argumentationslogik berufen, die mit dem Hinweis auf dämonische Mächte das Phänomen erklärt, dass von leblosen Götterbildern Machtwirkungen ausgehen.61 Doch hat Paulus Ähnliches im Sinn? Nichts aus dem unmittelbaren Zusammenhang deutet darauf hin. Möglich wäre ein affirmativer Zusammenhang von V. 19 und V. 20a, bei dem die behauptete archontologische Nichtigkeit der Idole durch ihre ontologische Degradierung zu bloßen Dämonen nochmals bekräftigt würde: ‹Ich sage doch nicht, dass [...] ein Idol etwas sei. Im Gegenteil: Was sie opfern, das opfern sie (nur) Dämonen und keinem Gott.› Hier könnte alttestamentlich etwa Ps 95(96),5 LXX im Hintergrund stehen, wo die Ohnmacht und Bedeutungslosigkeit der Götter der Völker gegenüber dem Gott Israels, der Schöpfer des Himmels (und der Erde) ist, mithilfe ihrer Identifizierung als Dämonen ausgesagt ist. Allerdings dürfte es mehr als fraglich sein, ob Paulus tatsächlich meinen kann, durch eine solche Bekräftigung der Nichtigkeit paganer Götter tatsächlich ein schlagkräftiges Argument gegen unbedenkliche Idolothytophagie in der Hand zu haben. Bleibt noch die adversative Zuordnung in dem Sinne, dass zur archontologischen Frage der Nichtigkeit als neues Argument der latreiologisch relevante Aspekt der Nichtidentität der paganen Götter mit dem einen Gott und Herrn und die entsprechende Unvereinbarkeit der Kultausübungen angefügt wird: ‹Ich sage selbstverständlich nicht, dass [...] ein Idol etwas sei, sondern 59
Zum Folgenden vgl. ausführlich WOYKE 2005, 217–240. So wieder GÄCKLE 2005, 236 (‹Paulus steht nach wie vor zur Nichtigkeit der Götzen, aber er erblickt sozusagen hinter ihrer Maske die Macht und den Einfluss von Dämonen›). 61 So etwa Athenag. legat. 23–26; Min.Fel. Oct. 24–27; Aug. civ. 7–8. Motivgeschichtlich kann man diesbezüglich zurückgehen zur Frage der frühjüdischen Apokalyptik, warum Menschen törichterweise leblose Götterbilder anbeten, was auf die Aktivität von Verführungsgeistern zurückgeführt wird (so besonders das Jubiläenbuch), die indes – im Gegensatz zur christlichen Apologetik – mit den Götter(bilder)n weder personal noch lokal in eins gesetzt werden, selbst wenn diese Götter als Dämonen identifiziert werden (siehe WOYKE 2005, 228–232). 60
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etwas ganz anderes: Was sie opfern, das opfern sie (antigöttlichen) Dämonen und nicht (dem einen) Gott.› Dass dieses Verständnis sowohl der alttestamentlichen Passage angemessen ist, auf die der Wortlaut von V. 20aβ ganz offensichtlich anspielt, als auch für popularphilosophisch gebildete und möglicherweise durch Mysterien beeinflusste Befürworter der Idolothytophagie ein durchaus plausibles, ja entscheidendes Argument darstellt, soll abschließend aufgezeigt werden. 4.2 Assoziationskomplexe Der Dämonenbegriff (οë δαι μων, τοÁ δαιμο νιον) ist im antik-griechischen und im hellenistisch-römischen Sprachgebrauch bekanntlich schillernd. Er kann als unbestimmterer Wechselbegriff zu οë θεο ς oder τοÁ θειÄον verwendet werden, aber auch nach Hesiod Geister von Verstorbenen bezeichnen, die neben Göttern und Heroen kultisch zu verehren sind. Dann ist von Platons Symposion her aufgrund der Diastase des Ungeschaffenen und Ewigen auf der einen Seite und des Geschaffenen, Vergänglichen auf der anderen von Dämonen als Kultmittlern zwischen Göttern und Menschen die Rede. Zudem kann bei der betonten Charakterisierung von Dämonen als Mittelwesen mit göttlicher Kraft und menschlichen Eigenschaften das des Göttlichen Unwürdige betont werden.62 Nimmt die Septuaginta und dann auch das Neue Testament den Terminus δαι μων/δαιμο νιον – wie im Übrigen auch ειÍδωλον – als Lehnbegriff ohne direktes hebräisches Äquivalent auf, so ist stets nach Funktion und Bedeutung zu fragen. Zudem sollte man beachten, dass selbst bei promiskem Gebrauch der unmittelbare Textzusammenhang darüber entscheidet, welche Konnotation im Vordergrund steht und andere Assoziationen überdeckt.63 4.2.1 Latreiologische Unvereinbarkeit I: Altes Testament Wenn Paulus formuliert, αÊ θυ ουσιν, δαιμονι οις καιÁ ουÆ θεω Äì [θυ ουσιν], so greift er eine Wendung aus dem so genannten Moselied Dtn 32 auf (V. 17): εÍ θυσαν δαιμονι οις καιÁ ουÆ θεω Äì . Der Zusatz, ‹[sie opferten Dämonen und nicht Gott,] Göttern, die sie nicht kannten (θεοιÄς, οιÎς ουÆ κ ηÍì δεισαν), neue, erst kürzlich gekommene Götter, welche ihre Väter nicht kannten›, lässt ver62 Siehe besonders den Exkurs bei WOYKE 2005, 220–225(–235), aber auch die unterschiedlichen Beiträge bei LANGE 2003. 63 Dies ist insbesondere gegenüber GÄCKLE 2005 einzufordern, der allein durch den Hinweis auf das ‹ntl. Gesamtzeugnis und [das] Zeugnis der Septuaginta [...], wo die Annahme einer realen Mächtigkeit und eines faktischen, nicht nur eingebildeten Einflusses von Dämonen kaum in Frage gestellt werden› könne, meine These der primär latreiologischen Funktion des Dämonenbegriffs in 1 Kor 10,20 f. ad absurdum führen zu können meint (236 Anm. 615). Der theologische Blick auf das Ganze darf die philologischen und semantischen Eigenheiten im Einzelnen nicht verdecken!
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muten, dass mit der Bezeichnung dieser Götter als Dämonen deren latreiologische Illegitimität ausgedrückt ist.64 Dies wiederum wird damit begründet, dass allein JHWH Israels Existenz begründet hat (V. 18). Wenn im unmittelbaren Kontext dann noch parallel angeklagt wird, ‹sie haben mich gereizt mit Fremden (παρω ξυνα ν με εÆ π’ αÆ λλοτρι οις)› (V. 16) und ‹sie haben meinen Eifer geweckt durch einen Nichtgott (παρεζη λωσα ν με εÆ π’ ουÆ θεω Äì )› (V. 21), so wird deutlich, dass mit der Illegitimität (V. 16 f) zugleich polemisch eine ontologische Degradierung (V. 21) wie eine archontologische Depotenzierung (V. 18) intendiert ist.65 Von einer Warnung vor der Gefährlichkeit dieser Dämonen ist indes keine Rede. Ein weiterer Septuagintatext ist heranzuziehen, nämlich mit Ps 105(106),36–38 eine Passage, auf die bereits in 1 Kor 8,13 in Bezug auf die paradigmatische Idolothytophagie Israels angespielt wurde: ‹Sie dienten ihren [sc. den kanaanäischen] Götter(bilder)n (τοιÄς γλυπτοιÄς) [...] und opferten ihre Söhne und Töchter den Dämonen (εÍ θυσαν [...] τοιÄς δαιμονι οις)›, was wiederum als Verunreinigung durch Blutschuld gebrandmarkt wird. In der Parallelität von γλυπτα und δαιμο νια wird die Andersartigkeit der durch Bilderverehrung gekennzeichneten kanaanäischen Götter gegenüber dem Gott Israels impliziert.66 Der Dämonenbegriff ist dann offensichtlich in Verbindung mit dem Menschenopfer gewählt, um den moralisch verwerflichen Charakter von Göttern, die (angeblich) solche Art der Verehrung fordern, und die daraus resultierende Unvereinbarkeit mit JHWH zu unterstreichen. Auch hier ist nicht ausgedrückt, dass sich Israel in den gefährlichen Machtbereich dämonischer Gewalten begeben hat. Die einzige Gefahr geht – wie in Dtn 32 – von JHWHs Eifer und Zorn, von seiner monolatrischen Exklusivität aus – ein Motiv, das auch die Argumentation des Paulus in 1 Kor 10,22 beschließt.67
64 Man ist erinnert an die Anklage gegen Sokrates, er glaube nicht an die in der Polis verehrten Götter (ηë πο λις νομι ζει θεουÁ ς ουÆ νομι ζων), sondern habe andere, neue Dämonen eingeführt (εÏ τερα δεÁ καιναÁ δαιμο νια ειÆ σϕε ρων), Xen. Mem. 1,1,1 (entsprechend Plat. Ap. 24c). 65 Vgl. dazu Jes 65,3 LXX: οë λαοÁ ς ουÎ τος οë παροξυ νων με [...], αυÆ τοιÁ θυσια ζουσιν [...] τοιÄς δαιμονι οις, αÊ ουÆ κ εÍ στιν. 66 Vgl. oben (bei) Anm. 27. 67 GÄCKLE 2005, 275 Anm. 771 möchte diese meine Interpretation allein durch eine rhetorische Suggestivfrage entkräften: ‹Wie anders› – nämlich denn als Warnung vor der ‹Gefährlichkeit des Götzendienstes und der dahinter wirksamen Mächte an sich› – ‹könnten die V. 12 f. verstanden werden?› Indes geht nach den in 1 Kor 10,1–13 angeführten Beispielen der Ido(lo)latrie des alttestamentlichen Israel die Gefahr von Gott aus, der die Verehrung anderer Götter neben sich nicht duldet, sondern bestraft. Allein aus dem Begriff der Versuchung (πειρασμο ς) in V. 12 f. die Existenz von hinter der paganen Götterverehrung stehenden dämonischen Mächten im Denken des Paulus zu schließen, erscheint mir gewagt. Damit ist selbstverständlich nicht die Existenz von ‹Mächten und Gewalten› in der paulinischen Vorstellungswelt (1 Kor 15,24; vgl. Röm 8,38 f) geleugnet; nur gehören die als Dämonen identifizierten, so genannten Götter nicht in dieses semantische Feld (WOYKE 2005, 450)!
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Im Rückgriff auf diese Septuagintatexte vermag Paulus also einerseits, die in 1 Kor 8,4b–6 angeführte Polemik der archontologischen Depotenzierung und der ontologischen Degradierung beizubehalten, ja zu bekräftigen und andererseits die latreiologische Tabuisierung der Teilnahme an paganen Opferfesten und -mahlen herauszustellen. Der eine allwirksame Gott und Herr – der Vater und Jesus Christus –, dem die christliche Gemeinde ihre Existenz verdankt, ist alles andere als identisch mit den paganen Gottheiten, und er erscheint auch nicht in ihrer Gestalt: Dies zu betonen, dient die polemische Identifizierung dieser Götter mit Dämonen. 4.2.2 Latreiologische Unvereinbarkeit II: Plutarch Eine solche Argumentation dürfte nun gerade auch für die Befürworter der Idolothytophagie in der korinthischen Gemeinde nachvollziehbar und plausibel sein, wie insbesondere an verschiedenen Plutarchtexten veranschaulicht werden kann. So schildert Plutarch eine Episode aus dem Leben des Feldherrn Pelopidas (Pel. 21,3–6): Vor einer entscheidenden Schlacht ergeht ein Orakel, dass Pelopidas seine Schlacht nur dann gewinnen wird, wenn er durch ein Menschenopfer eine von ihm begangene Blutschuld sühnt. Während nun die einen Berater auf entsprechende ‹erfolgreiche› Beispiele aus Epik und Historie verweisen, argumentieren die anderen damit, dass nicht blutrünstige Dämonen (δαι μονες χαι ροντες αÆ νθρω πων αιÏματι καιÁ ϕο νω) ì wie Typhon oder die Giganten herrschten, sondern der Vater aller Götter und Menschen (πα ντων πατηÁ ρ θεω Ä ν καιÁ αÆ νθρω πων), dem ein solch barbarisches und ungesetzliches Opfer (βα ρβαρος καιÁ παρα νομος θυσι α) nicht wohlgefällig sei. Um die Dämonen brauche man sich in Form von Opfern nicht zu kümmern, weil sie ohnmächtig (αÆ δυ νατοι) seien, ja an ihre Existenz zu glauben sei letztlich sogar töricht. Die moralische Verwerflichkeit des geforderten Menschenopfers wird also zum Kriterium, das Orakel auf Dämonen zurückzuführen.68 Diese werden im Gegenüber zum monarchischen Göttervater Zeus archontologisch depotenziert, ontologisch weitgehend degradiert bis hin zur vermuteten Nichtexistenz69 (notabene: trotz des Ergehens eines Orakels!) und latreiologisch tabuisiert. 68 Auch nach Moralia 417C (vgl. 361B; 362E–363D) tritt für Plutarch im kultischen Bereich von Opferfesten an frevelhaften Bräuchen, insbesondere am Menschenopfer, zutage, dass diese nicht für Götter dargebracht werden, sondern apotropäische Riten gegen böse Dämonen sind (θεω Ä ν μεÁν ουÆ δενιÁ δαιμο νων δεÁ ϕαυ λων αÆ ποτροπηÄ ς), die nach Menschenseelen trachten. 69 Plutarch kann im Rekurs auf persische Tradition auch vom guten Gott (αÆ γαθοÁ ς θεο ς) und vom bösen Dämon (κακοÁ ς δαι μων) sprechen (Moralia 369D-F); das schöpferische und erhaltende (τοÁ γο νιμον καιÁ σωτη ριον) Element der Natur bewege sich zum Dasein hin (προÁ ς τοÁ ειËναι), das zerstörende und verderbende (τοÁ αÆ ναιρετικοÁ ν καιÁ ϕθαρτικο ν) hingegen zum Nichtsein (προÁ ς τοÁ μηÁ ειËναι, Moralia 375C).
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Aufschlussreich ist auch die Veranschaulichung der Behauptung, der Atheist (οë αÍ θεος) lade weniger Schuld auf sich als der Aberglaube (δεισιδαιμονι α) in Moralia 171B–D: Im Blick auf die Religiosität von Galliern und Skythen fragt Plutarch, ob es nicht besser wäre, keine Gottesahnung (εÍ ννοια θεω Ä ν) zu haben, als an Götter zu glauben, die sich am Blut geopferter Menschen freuen (θεουÁ ς ειËναι νομι ζειν χαι ροντας αÆ νθρω πων σϕαττομε νων αιÏματι). Wenn bei den Griechen Typhon oder die Giganten, also Wesen, die mit Dämonen in Verbindung gebracht werden (siehe oben), anstelle der Götter herrschten, würden sie keine anderen Opfer fordern. In der Konsequenz sind diese Ausführungen demnach ein impliziter Hinweis auf die Identifizierung der Götter der Skythen und Gallier mit dämonischen Wesen, deren Existenz zu bezweifeln weniger schuldhaft als ihre Verehrung sei. Wiederum gehen latreiologische Tabuisierung und weitgehende ontologische Degradierung Hand in Hand. Einer Warnung vor der Gefährlichkeit dämonischer Mächte bei den Opferfesten und -riten der korinthischen Götterkulte hätten die ‹Starken› wohl das Verdikt der δεισιδαιμονι α bescheinigt. Das in der Verwendung des Dämonenbegriffs implizite Argument der Nichtidentität, mehr noch: des diametralen Entgegenseins dieser Götter zu dem von den Christen verehrten einen Gott und Herrn, dem Vater und Jesus Christus, sowie der entsprechenden Unvereinbarkeit der Kulte hingegen konnte auch für popularstoisch Gebildete, ja sogar für ehemalige Teilnehmer der Isis- und Sarapismysterien nachvollzogen werden. Allerdings ist hinzuzufügen: sofern diese Unvereinbarkeit dann auch in concreto aufgezeigt werden konnte.
5 Resümee Die vorangegangenen Ausführungen widmeten sich der Aufgabe, am Beispiel der Frage nach der Legitimität von Idolothytophagie, der Teilnahme an Opfermahlen der in Korinth ansässigen Götterkulte durch Christen nach 1 Kor 8 und 10 einem paradigmatischen Konflikt um identity wie boundary markers innerhalb der christlichen Gemeinde nachzuspüren. Deutlich wurde, dass die katechetische Verhältnisbestimmung des einen, allwirksamen, als Vater und Jesus Christus identifizierten Gottes und Herrn zu den konventionell verehrten Göttern (1 Kor 8,4b–6) als identity marker unumstrittene Geltung besaß. Die unterschiedlichen sich daraus ergebenden Implikationen indes lassen sich auf synkretistische Prozesse zurückführen: nämlich die Übernahme der Allwirksamkeitsformel – in Paraphrase: εÆ ξ αυÆ τουÄ καιÁ δι’ αυÆ τουÄ καιÁ ειÆ ς αυÆ τοÁ ν ταÁ πα ντα καιÁ ηë μειÄς – aus der stoischen Popularphilosophie auf dem Wege hellenistisch-frühjüdischer Theologie in die christliche Katechese. Im Zuge dieser Übernahme wurde dieses ursprünglich dem stoischen Bereich entstammende, zugleich monarchisch-monotheistisch und polylatrisch geprägte Gottesepi-
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theton im hellenistischen Frühjudentum und so auch nach dem Verständnis des Paulus in die von einer exklusiven Monolatrie bestimmte jüdische Identität70 assimiliert. Umgekehrt mussten Konvertiten aus dem nichtjüdischen Bereich – zumal (popular)stoisch Gebildete oder aber ehemalige Mysten – eine entsprechende Akkomodation vornehmen.71 Dies geschah bei den Befürwortern der Idolothytophagie in der korinthischen Gemeinde offensichtlich nicht. Vielmehr glaubten sie offenbar – sei es auf (popular)stoischem Hintergrund, sei es im Horizont der Isis- und Sarapisverehrung –, bei der Teilnahme an Opfermahlen und -riten der korinthischen Götterkulte gerade nicht die konventionellen Götter selbst, wohl aber durch sie beziehungsweise in ihnen letztlich das eine, eben vielnamige Allgöttliche zu verehren. Mehr noch: Dabei werde zugleich das christliche Bekenntnis zu dem einen Gott und Herrn gegenüber den vielen so genannten Göttern gewahrt. Der identity marker wurde also nicht als boundary marker begriffen. Um diesem – verständlichen – Missverständnis zu wehren, führt Paulus die Gleichsetzung dieser in Korinth verehrten Gottheiten mit Dämonen ein (1 Kor 10,19–21): Hierdurch ist die Nichtidentität des einen Gottes und Herrn mit den vielen so genannten Göttern und Herren – ihr Antagonismus – wie auch die Unvereinbarkeit des christlichen kultischen Vollzugs mit dem der nichtjüdischen Kulte unterstrichen, was selbst im Kontext der paganen Allgottvorstellung Plausibilität beanspruchen kann. Zugegebenermaßen fehlt dieser Rekonstruktion – bislang – die archäologische Bestätigung, sei es für die Existenz eines Isis- und Sarapisheiligtums, sei es für die Identifizierung dieser mit anderen Göttern in Korinth und für eine entsprechende kultische Verehrung. Zudem muss auch hypothetisch bleiben, inwieweit die von Pseudo-Aristoteles oder von Plutarch her erhellte Vorstellungswelt für den geistigen Horizont der ‹gewissensstarken› korinthischen Christen vorausgesetzt werden kann. Gleichwohl vermag gerade die hier vorgenommene Interpretation dem syntaktischen und semantischen Textbefund wie auch dem spannungsvollen Zusammenhang von 1 Kor 8 und 10 in besonderer Weise gerecht zu werden, und zudem ergibt sich so ein interessantes Lehrstück zu identity und boundary markers in interkultureller Kommunikation.
70 Auch hier ist zu beachten, dass es in den hellenistisch-frühjüdischen Gemeinden durchaus Menschen gab, die diese Identität anders bestimmten und dann eben von dem identitätssetzenden bzw. -wahrenden Teil der Gruppe als Apostaten beurteilt und aus der Gemeinschaft ausgeschlossen wurden (siehe etwa Philon spec. 1,54–58 [im Rückbezug auf Num 25!]). 71 Die Terminologie von Assimilation und Akkomodation ist der entwicklungspsychologischen Theorie J. PIAGETs entnommen.
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Integrationsgeschichten: Gruppenreligionen in Rom von
JÖRG RÜPKE Wie verhalten sich religiöse Gruppen in einer großen Stadt? Das ist meine Ausgangsfrage. Ziel dieses Beitrags ist es vor allem, einige Beispiele vorzulegen und an sie Beobachtungen anzuknüpfen. Gruppenreligionen treten dabei als eine selbstverständliche Spielart in der religiösen Landschaft antiker Städte hervor. Daraus erwächst die Frage nach den spezifischen Konfliktpunkten im Verhältnis dieses Religionstyps zu anderen religiösen Institutionalisierungsformen. Die meisten Beobachtungen beziehen sich auf das zweite bis vierte Jahrhundert n. Chr.1 Zur Eingrenzung des Materials beziehe ich mich auf eine Definition von Gruppe, die diese als eine dauerhaftere Sozialform versteht: Eine Gruppe ist ‹eine begrenzte Anzahl von Menschen, die miteinander kommunizieren und dadurch aufeinander einwirken; dieses Gemeinschaftshandeln weist ein Minimum an Regelhaftigkeit und Dauerhaftigkeit auf.›2
1 Mithras Ein erstes Beispiel liefert der Kult des Mithras, der sich in Rom und von Rom aus seit dem ausgehenden ersten Jahrhundert n. Chr. ausbreitete.3 Soziologisch handelt es sich dabei um eine religiöse Gruppenbildung, die ausschließlich Männer gehobener Funktionen (wenn auch teilweise aus der Sklaven- und Freigelassenenschicht) zusammenführte und eine besondere Attraktivität für Angehörige der Verwaltung und des Militärs besaß. Sie trafen sich in Räumen, die im wesentlichen mit durchgehenden Liegebänken an den Langseiten und einem Kultbild mit Altar beziehungsweise einem Altar mit entsprechendem Relief, die an der dem Eingang gegenüberliegenden Schmalseite eingerichtet waren. Diese Räume faßten nur wenige Dutzend Menschen, auch in den größten Räumen fanden keine einhundert Personen Platz.4 1
Das Material wurde zu großen Teilen bereits an anderem Ort vorgestellt: RÜPKE 2004; s. a. RÜPKE 2004a, 257–275. 2 RÜPKE 2004, 238. 3 MERKELBACH 1984. 4 Siehe CLAUSS 1990, 51 f. Eine Mitgliederliste aus Virunum: Anne´e e´pigraphique 1994, 1334.
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Charakteristisch ist das Fehlen natürlicher Lichtquellen, nur in Einzelfällen gab es kleine Öffnungen in den Wänden, die Tageslicht in gezielten Strahlenbündeln einließen; dazu paßt, daß manche Reliefs eine künstliche Beleuchtung von hinten zuließen. Vielfach befanden sich diese Örtlichkeiten in Rom in bestehenden Kellern oder innenliegenden Räumen beziehungsweise wurden bei Neuanlagen entsprechend in die Erde eingelassen. Es überrascht nicht, daß Anhänger von diesen Versammlungslokalen als ‹Höhlen› sprachen (spelaeum). Vor all zu weitgehenden Phantasien in der Dramatisierung ist allerdings zu warnen: Fußbodenschmuck, der häufig die Darstellung der sieben Grade der Mitgliedschaft zeigt, die Verwendung des allgemeinen Begriffes für Kulträume templum in den Provinzen und die Ausschmückung des stadtrömischen Mithräums unter San Stefano Rotondo im Dekorationsstil zeitgenössischer Wohnzimmer sprechen dagegen. Damit ist der Kern der Frage nach dem Charakter des Mithraskultes berührt. Nicht zu bezweifeln ist, daß der verehrte Gott und die Geschichten, die über ihn erzählt wurden, auf einen iranischen Gott Mithra zurückverweisen und den Reiz der Exotik besaßen. Nicht zu bezweifeln ist auch, daß diese Geschichten und eine denkbare Inszenierung mit Lichteffekten astrologische Spekulationen eröffnen und wiederum an Überzeugungskraft durch ihre Übereinstimmung mit Konstellationen von Sternbildern gewinnen konnten: Mithras wurde schließlich schon in iranischer Zeit mit der Sonne identifiziert.5 Gerade in jüngster Zeit haben sich daran sehr weitgehende Vermutungen über den Mithraskult geknüpft. Aber die produktiven Assoziationen einzelner Bildhauer (oder Auftraggeber), Philosophen (Porphyrius) und christlicher Polemiker (etwa Tertullian) erlauben keine Rückschlüsse auf jedes stadtrömische Mithräum und die hier eingeweihten und feiernden Mitglieder. Die schriftliche Verbreitung und Verlesung von Texten ist trotz einzelner Gebets- oder Ritualtexte nirgends greifbar; Bestandteil von ‹Intellektuellenreligion› scheint der Kult vor der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts nicht geworden zu sein. Wie bei den Kultgruppen gab es aber auch hier lokale Unterschiede. Die ‹Mithrasliturgie›, ein in einem umfangreicheren ägyptischen Papyrus überlieferter Gebetstext, muß vor allem als Zeugnis vorneuplatonischer Spekulation in einem intellektuellen Milieu verstanden werden, das in gnostischen und hermetischen Schriften greifbar wird.6 In der vorgerückten Kaiserzeit scheinen allerdings philosophische Interpretationen und die zunehmend prominente Rolle der Sonne (Sol) die Akzeptanz in den höchsten Schichten deutlich gesteigert zu haben; in der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts nennen Angehörige der senatorischen Elite mehrfach auch hohe Funktionen im Mithraskult in der Aufzählung ihrer religiösen Funktionen.7 5
BECK 2006; HINNELLS 1994. Ausführlich BETZ 2003; zur Einordnung RÜPKE 2004a. 7 Die Quellen bei VERMASEREN 1956–60. Zum Sol-Kult und Sol-Spekulationen s. WALLRAFF 2001. 6
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Die zuletzt genannten Aktivitäten gingen einher mit Restaurierungen und epigraphischer Dokumentation von Einweihungsdaten, wie es sie vorher in Rom nicht gegeben hatte. Ein konkretes Beispiel liefert der Senator und vir clarissimus Aurelius Victor Augentius, der Sohn des ‹Vaters der Väter› Nonius Victor Olympius und selbst Vater des ‹heiligen Rabens› Aemilianus Corfo Olympius sowie des späteren Erneuerers des Mithräums, Tamesius Augentius Olympius. Nach einer selbst errichteten Inschrift war er 347, genau dreißig Jahre vor seinem Sohn zum ‹Raben› geweiht worden, dem ersten der sieben Grade im Mithraskult, der noch keine Funktionärsstufe bezeichnete. Vermutlich nicht allzu lange vor 357 wurde er in dem von seinem Vater gegründeten Mithräum an der Piazza S. Silvestro in Capite zum ‹Vater› und rückte zwischen 362 und 376, vermutlich in direkter Nachfolge seines Vaters, zur Spitzenposition des ‹Vaters der Väter› (Pater patrum) auf. Aus Inschriften erfahren wir, daß er gemeinsam mit seinem Vater mehrfach Einweihungen in verschiedene Grade durchführte, so am 24. April 358 und 8. April 362 in den Grad des ‹Bräutigams›, am 10. August und wohl auch am 15. September 357, in der zweiten Märzhälfte 358 und am 11. März 359 sowie am 1. und 8. April 362 in den Grad des ‹Löwens›, am 4. April 358 in den Grad des ‹Persers›, am 16. desselben Monats in den Grad des ‹Sonnenläufers› sowie drei Tage später, am 19. April 358, in den Grad des ‹Vaters›.8 Möglicherweise betrafen die zuletzt genannten Einweihungen im April dieselben Personen, die – wohl nach längerer Zeit als ‹Löwen› – recht schnell die Stufen bis zum ‹Vater› durchliefen. Das würde erklären, warum – zumindest in Rom – die beiden Zwischenstufen des ‹Persers› und ‹Sonnenläufers› keine Erwähnung in Inschriften hinterließen. Daß Aurelius Victor, nun als Pater patrum, am 8. April 376 seinen eigenen Sohn als Hierocorax einweihte, stellt die einzige derartige Nachricht über diesen ersten Grad, der in anderen römischen Inschriften keine Erwähnung findet, dar. Die Vielzahl von Terminierungen erlaubt einen Einblick in die zeitliche Struktur der lokalen Mithrasgemeinde: Festzuhalten ist dabei eine Ballung von Terminen im April. Darüber hinaus ergeben sich aber weder für eine jüdischchristliche oder astrologische Siebentagewoche noch für die römische Achttagewoche (nundinae) erkennbare positive Muster: Ohne merkliche Häufungen verteilen sich die Ereignisse über fünf der sieben Wochentage (Donnerstag bis Montag) und sieben der acht Nundinaltage. Lediglich eine negative Gemeinsamkeit läßt sich feststellen: Ausgespart wurden sämtliche Tage, die den Römern als Unglückstage, ‹schwarze oder bedenkenvolle Tage› (dies atri oder religiosi), galten (die Nachtage von Kalenden, Nonen und Iden sowie die drei 8 VERMASEREN 1956–60 = CIMRM 400 = CIL 6,749 (357 n. Chr.); CIMRM 401 = CIL 6,750 (358 n. Chr.); CIMRM 402 = CIL 6,751a (358 n. Chr.); CIMRM 404 = CIL 6,752 (359/8 n. Chr.); CIMRM 405 = CIL 6,753 (362 n. Chr.); CIMRM 403 = CIL 6,751b (376 n. Chr.).
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Tage des mundus patet am 24. August, 5. Oktober, 8. November). Ein solches negatives Muster böte auch eine Erklärung für den nie besetzten Tag der Nundinalwoche: Es könnte sich dabei um den Nachtag der nundinae handeln, den etwa Augustus – analog zu den Nonen – für die Erledigung wichtiger Aktivitäten vermied.9 Die Übernahme dieser Zeitstrukturen zeigt die tiefe Einbettung des Mithraskultes in das kultische Spektrum des römischen Polytheismus. Dieser kommt auch noch in der Tatsache zum Ausdruck, daß die Identifizierung von Mithras mit dem ‹Unbesiegbaren Sonnengott› (Sol Invictus) des öffentlichen Kultes problemlos erfolgen konnte; Mithras mußte nicht allein in seinen Höhlen ausharren, sondern konnte auch dort die Verehrung mit ‹göttlichen Mitbewohnern› (synnaioi theoi), anderen dort verehrten Gottheiten, teilen – ein verbreitetes Phänomen antiker Kultpraxis.10
2 Sol Was im Falle des Mithraskultes nicht deutlich zu erkennen ist, wird in vielen anderen Fällen klarer: Der starke Zuzug nach Rom, die Zuwanderung und ständige Anwesenheit von einzelnen und Gruppen aus den unterschiedlichen Kulturen des gesamten Mittelmeerraums11 prägte auch die Religionsgeschichte der Metropole Rom – eine schon durch ihre Größe untypische Stadt der Antike. Möglicherweise blieben die importierten Kulte für lange Zeit auf jene ethnischen Gruppen in Rom beschränkt, die sie mitgebracht hatten; dann hätten sich die religiösen Wahlmöglichkeiten für die Alteingesessenen durch die neuen Kulte nicht vergrößert.12 Ob dies so war, ist schwer zu bestimmen; die allmähliche Zunahme römischer Namen und Namensformen in den Zeugnissen eines Kultes könnte ja auch die wachsende Latinisierung der gleichbleibenden Anhängerschicht dokumentieren. Andererseits darf auch das Interesse am Exotischen nicht unterschätzt werden: Der Wunsch nach Erweiterung der Alltagserfahrungen durch Exotik in Architektur, Raumschmuck, Ritual oder Sprache – Papyrusornamentik, Nilmosaiken, Rasseln und in Hieroglyphen fixierte Gebete, um den Isiskult zu nennen13 – konnte durchaus mit dem Wunsch, eigene Traditionen zu bewahren, einhergehen. An zwei aus dem östlichen Mittelmeerraum stammenden Kulten läßt sich zumindest ansatzweise verfolgen, wie kompliziert Entwicklungen durch solche Einflüsse wurden. Schon in Flavischer Zeit muß sich in Trastevere, nur wenig außerhalb der Porta Portuensis und der späteren Aurelianischen Stadtmauer, ein Sonnenkult 9
Suet. Aug. 92,2; dazu RÜPKE 1995, 575, Anm. 50. VERMASEREN, CIMRM 472 f.; CLAUSS 1992, 23. 11 Noy 2000. 12 BEARD, NORTH, PRICE 1998, 271. 13 Dazu LEMBKE 1994; EGELHAAF-GAISER 2000, 109 ff. 10
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etabliert haben.14 Teilweise dreisprachige (lateinische, griechische, palmyrenische) Weihinschriften aus dem ersten Drittel des zweiten Jahrhunderts n. Chr. zeigen, daß insbesondere in Rom stationierte Palmyrener hier ihre heimatlichen Götter, Bel, Yarhibol und Aglibol, verehrten. Aber schon um 100 ˙ n. Chr. gab es Kontakte zu anderen Sonnenverehrern sowie das Bemühen um Respektabilität und Legalität durch die Einbeziehung stadtrömischer Priesterschaften, in diesem Falle die Kalatoren, die ‹Adjutanten› des Pontifikalkollegiums. Gegen Ende des Jahrhunderts kam es mit der Severischen Dynastie zu einer Umorientierung des Kultes: Der in Trastevere verehrte Sonnengott wurde durch die in Rom eintreffenden Mitglieder der Priesterfamilie aus Emesa, namentlich Tiberius Iulius Balbillus, mit dem eigenen Sol Alagabalus identifiziert. Wieder wurde die Unterstützung stadtrömischer Priesterschaften gesucht und gefunden: Balbillus ehrte wenigstens zwei Vestalische Jungfrauen für ihre nicht näher spezifierte Unterstützung – beide sind uns durch die von diesem syrischen Priester gestifteten Ehreninschriften und -statuen bekannt!15 Die Ermordung Elagabals und weiterer Familienmitglieder im Jahr 222 führte nicht zum Ende des inzwischen vielleicht auch um einen großen Tempel bereicherten Kultes in Trastevere.16 Vielmehr wurde er erneut unter palmyrenischer Führung fortgesetzt – und erneut suchte man die Unterstützung der Kalatores des Pontifikalkollegiums.17
3 Iuppiter Dolichenus Anders gelagert ist der Prozeß, der sich im letzten Drittel des zweiten und im ersten Drittel des dritten Jahrhunderts im stadtrömischen Kult des Iuppiter Dolichenus beobachten läßt.18 Eine Folge von Inschriften, die sich in ihrer zeitlichen Abfolge hinreichend bestimmen lassen, zeigt uns für eine der Verehrergruppen einen deutlichen Wandel in der inneren Organisation. Am Anfang dominierten Priester mit syrischen Namen. Über diese Form religiöser Autorität, die ‹Priester› und ‹Kandidaten› unterschied, legte sich schnell eine Struktur, die auch aus anderen römischen Vereinen bekannt ist: Patrone, Verwalter und Schreiber übernahmen zahlreiche Funktionen im Kreise der Verehrer und scheinen die Zuständigkeit der Spezialisten auf rituelle Aktivitäten zurückgedrängt zu haben. Die Namen scheinen auf eine gleichzeitig wachsende, aus der Stadt Rom rekrutierte Anhängerschaft zu weisen, doch muß hier mit Verzerrungen durch die Constitutio Antoniniana, die Verordnung Cara14
Das Material bietet – mit anderen Akzenten – CHAUSSON 1995. CIL 6,2129 (201 n. Chr.) und 6,2130 (215 n. Chr.). 16 Herodian 5,6,6; CHAUSSON 1995, 709; 713; 716 f. 17 CIL 6,40684. 18 Ausführlich RÜPKE 2005, 1537–46; anders BEARD, NORTH, PRICE 1998, 274, vgl. STEUERNAGEL 1999, 162–164; die Quellen und Vergleichsmaterial bei ZAPPATA 1996. 15
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callas aus dem Jahre 212 n. Chr. gerechnet werden, die allen Bewohnern des Reiches das Bürgerrecht und damit die ans Bürgerrecht gebundene Namensform aus Vornamen, Familiennamen, Beinamen und Tribusangabe verlieh. Im Ergebnis weist diese und weisen andere Dolichenusgruppen sehr flache religiöse Hierarchien auf. Das entspricht der faktischen Hierarchie im Mithraskult – nur Leones und Patres setzten Inschriften. Der wohl am ehesten als natürliche soziale Gruppe anzusprechende Dionysoskult der Metropolitan-Inschrift ist es, der die differenzierteste Hierarchie in Rom aufweist. Diese Gruppe im Vorfeld der Stadt Rom scheint aus den Mitgliedern nur zweier Großfamilien (mitsamt ihrem Personal, der familia) bestanden zu haben, insgesamt etwa vierhundert Personen, die in den sechziger Jahren des zweiten Jahrhunderts n. Chr. als Dionysos-Thiasos für die Tochter des Gründers, Pompeia Agrippinilla, eine aufwendige Ehren-Inschrift errichteten. In diesem Album weisen neben einer Vielzahl einfacher und gehobener Mitglieder mehr als fünfzig Namen Funktionsbezeichnungen auf.19
4 Christentum Auch das Christentum muß in Rom zunächst als Teil des Spektrums stadtrömischer Kulte betrachtet werden, das wiederum in sich aus den unterschiedlichsten Gruppen und Personen bestand – auch der Kaiser Elagabal soll den Christuskult auf den Palatin gebracht haben, wo er neben dem Kult der Kybele, Vestas und des syrischen Sonnengottes gepflegt worden sein soll.20 Letzteres zeigt deutlich die dominierende Perspektive auf jene Kulte, die sich selbst in zunehmender Schärfe als exklusiv verstanden: Die Konzentration auf die Verehrung eines Gottes war für den einzelnen eine durchaus akzeptable Möglichkeit im Rahmen eines religiösen Weltbildes, das nur in der polemischen Außenperspektive ‹Vielgötterei› hieß. Polytheismus ist, das sei noch einmal betont, keine Selbstbezeichnung eines religiösen Denkens, das einen Grund gehabt hätte, Kulte nach der Anzahl der in ihnen verehrten Götter zu unterscheiden. Erst die Formulierung eines Selbstbildes als Monotheist, wie sie der jüdische Philosoph Philo von Alexandrien betrieb, schuf Gründe zum Zählen. Diese Perspektive läßt sich bis ins dritte und vierte Jahrhundert hinein verfolgen. Der Opfererlaß des Decius aus der Mitte des dritten Jahrhunderts, den wir nicht im Erlaßtext, sondern nur aus ‹Opferquittungen› und späteren Berichten kennen, scheint lediglich die Verehrung von ortsüblichen Göttern oder gar Gottheiten eigener Wahl gefordert zu haben; mit der Bestätigung der Kulthandlung wurde automatisch die korrekte religiöse Haltung in der gesamten 19 20
Dazu RÜPKE 2006. Historia Augusta, Heliogabal 3,5.
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vorangegangenen Zeit bekräftigt: offensichtlich eher ein Instrument der Befriedung als der religiösen Polarisierung. Nach den Akten des Pionius war die Beteiligung an einem entsprechenden Ritual in der jüdischen Synagoge für Christen der leichteste und wohl auch ein häufig genutzter Ausweg.21 Der bis zur Martyriumsbereitschaft radikalisierte Wille zur Unterscheidung zeigt sich auch in der Bewertung des Kaiserkultes in der späteren Tradition: Die Verehrung des Kaisers mit gottgleichen Ehren war keineswegs die letzte Provokation eines antichristlichen Regimes, sondern eine wenig theologisierte Alltagspraxis, die auch im fünften Jahrhundert noch die öffentliche Sprache prägte: Der soldatische Eid wurde bei Gott und beim Kaiser abgelegt.22 Aus der Perspektive ‹Gruppenreligion› ist für die Geschichte des stadtrömischen Christentums, soweit wir sie in den Quellen greifen können, wichtig, die vielfältige inhaltiche und organisatorische Gestalt dieser lokalen Christentümer zu betonen. Sie spiegelt sich in der Fülle der Gruppenbildungen und ihrer Organisation wider. Noch das ganze zweite Jahrhundert hindurch gab es weder einen regelrechten Kirchenbau noch eine zentrale Führung. Versammlungen dürften überwiegend in privaten Haushalten abgehalten worden sein, erst allmählich, greifbar erst im dritten Jahrhundert, entstand der Wunsch, Räume für kultische Zwecke zu reservieren und in ihrer Anlage auf die wichtigen Rituale, vor allem auf die Wassertaufe und das Gedächtnismahl, hin auszurichten.23 Dieser Prozeß konnte in den einzelnen Gruppen sehr unterschiedlich verlaufen; die Förderung durch reiche Patrone besaß für die Beschaffung von Mitteln für die Ausstattung der Versammlungsräume und für die Gestaltung der gemeinsamen Feiern wie in anderen Kulten große Bedeutung. Auch andere Kulte, die Raum für Miteinander in gemeinsamem Kult gewährten, gewannen in italischen Städten im Laufe des zweiten Jahrhunderts an Bedeutung und bemühten sich, Eigentum zu erwerben oder vorhandene Baulichkeiten umzugestalten.24 In Rom war der Reeder Markion ein solcher Patron, der mit seinem finanziellen Engagement auch eigene Vorstellungen über die verbindliche Tradition und ihre Auslegung einbrachte, was schnell offene Konflikte auslöste. Hermas, der die Anforderungen des Christentums aus der Perspektive eines erfolgreichen Angehörigen der ökonomischen Mittelschicht formulieren wollte und dessen Visionenbuch vom ‹Hirten› beinahe kanonischen Rang erreichte, und Valentinus, der Intellektuelle, den die spätere Überlieferung als gnostischen Häretiker klassifizierte, waren Zeitgenossen Markions in Antoninianischer Zeit und zeigen mit ihren je eigenen Zuhörerkreisen, wie vielfältig christliche Gruppierungen in Rom tätig waren.25 21
Acta Pionii 13. Veget. re milit. 2,5. 23 LAMPE 1989, 302–313; WHITE 1990; zur Rolle der Patrone 53–58 und PIETRI 1978. 24 STEUERNAGEL 1999, 186; 2001. 25 Übersicht bei LAMPE 1987, 301 ff.; Valentinus: MARKSCHIES 1992; Hermas: RÜPKE 1999c und 2005b. 22
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Die Situation entspricht zunächst der der stadtrömischen Juden, die sich noch im dritten und vierten Jahrhundert in unterschiedlichen ‹Synagogen› organisierten, für die keine gemeinsamen Gremien wahrscheinlich gemacht werden können.26 Im christlichen Bereich gibt es bereits zu Beginn des dritten Jahrhunderts eine zunehmend verfeinerte zentrale Organisation des Mehrheitschristentums mit einem einzelnen episkopos, einer Funktion mit griechischer Bezeichnung, an der (freilich mehrfach umstrittenen) Spitze. Das entspricht einem vielerorts ablaufenden Prozeß, der die entstehende Bischofselite zu einer reichsweit miteinander in Verbindung stehenden Schicht und zu einem Ansprechpartner und zunehmend auch zum Konkurrenten des oder der Kaiser macht.27 Die organisatorische Entfaltung bedeutete nicht, daß sich Christen und Römer feindlich gegenüberstanden. Es kann gar nicht stark genug betont werden, daß Christen auch Römer waren, daß sie durch ihre Erziehung und ihre Werte in den Vorstellungen und Bilderwelten, in denen sie lebten und dachten, zunächst einmal wie ihre Zeitgenossen Römer waren; erst danach – und das oft erst seit kurzer Zeit – waren sie Christen. Mehrheitsreligion ist das Christentum in Rom allenfalls seit dem fünften Jahrhundert – das dürfte das Auseinanderklaffen der Standards der religiösen Elite und eben dieser Mehrheit nur verstärkt haben. Ein Text wie die Gespräche zwischen dem Philosophen Apollonius und seinem christlichen Freund Zacchaeus (Consultationes Zacchaei et Apollonii), die am Ende des vierten Jahrhunderts in Rom entstanden sein könnten, zeigt den Entwurf einer christlichen Lebensführung, die für Mitglieder der römischen Oberschicht keinen Bruch mit den eigenen Traditionen und Werten verlangte.28 In der Jahrhundertmitte produzierte der Kalligraph Furius Filocalus einen prachtvollen Buchkalender, der die mit Kaiserfesten und Feiertagen der alten Götter gefüllten Kalenderseiten mit Datenlisten der römischen Geschichte und den Bestattungstagen römischer Bischöfe und Märtyrer kombinierte. Der Adressat war ohne Zweifel Christ.29 Die Bilderwelten der christlichen Sarkophage und der in der Mitte des vierten Jahrhunderts ausgemalten Katakombe an der Via Latina zeigen in der bildlichen Darstellung von Jenseitshoffnungen ein unkompliziertes Nebeneinander traditioneller mythologischer Motive und einer zunächst kleinen Anzahl biblischer Motive. Jonas Wal und Herkules’ Keule finden sich Raum an Raum.30 26
Vgl. RUTGERS 1995. Für Rom s. PIETRI 1976. 28 So CLAUSSEN 1995; Ort und Zeit sind nicht sicher. Vgl. Wischmeyer 1990 für den der Werbung von Sympathisanten dienenden Brief der Anna an Seneca. Zur Christianisierung der Oberschicht im vierten Jahrhundert SALZMAN 2002. 29 Zum ‹Chronograph von 354› SALZMAN 1990; RÜPKE 1995, 90–94. 30 BARGEBUHR 1991; FERRUA 1990; RÜPKE 2005a. Zu Bildprogrammen in Wohnhäusern: MUTH 1998. 27
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Gerade die gebildeten Schichten wollten weder auf jenen kulturellen Kanon in Literatur, bildender Kunst oder Architektur verzichten, der ihr politisches Selbstverständnis wie ihre soziale Überlegenheit markierte, noch konnten sie die holprigen, alten lateinischen Bibelübersetzungen als gleichwertigen Ersatz akzeptieren. Faltonia Betitia Proba, Gattin eines Stadtpräfekten, kombinierte um dieselbe Zeit Verse und Versstücke des Aeneis-Dichters Vergil (gestorben 19 v. Chr.) zu einem Epos ‹Über die Wohltaten Christi›. Hieronymus, der sich um die vornehmen Christinnen Roms bemühte, kritisierte Form und Inhalt des Gedichtes31 – es handelte sich um eben jenen Hieronymus, der sich um eine hohe literarische Form für seine Mönchsbiographie des Paulus von Theben bemühte und in seinen römischen Jahren (382 bis 385) mit der lateinischen Neuübersetzung zunächst des Neuen Testaments begann.32 Der römische Bischof Damasus, der Hieronymus zu letzterem anregte, war wiederum derselbe, der den schon erwähnten Schönschreiber Filocalus beauftragte, in einem eigenen Inschriftenstil die stadtrömischen Bischöfe und Märtyrer nach der Identifizierung ihrer Gräber zu preisen: Damit wurde ein Prozeß des Ausbaus der Katakomben in Gang gesetzt, der mehr noch als die großen Kirchbauten der Konstantinischen Ära eine religiöse Infrastruktur schuf, die Rom zu einem neuen Ziel von Pilgerfahrten werden ließ.33
5 Gebaute Religion Die Betonung des Zusammenspiels zwischen den Kulten und den Parallelitäten in den skizzierten Kulten zeigten bereits, daß es nicht die vielen neuen Götter waren, die das Gesicht römischer Religion in der Kaiserzeit prägten. Natürlich brachten Immigranten (bis hin zu den in Rom stationierten Militärs) neue Kulte mit, aber diese zeichneten sich nicht, im Gegensatz zu den angestammten Kulten, durch ihre immer aufdringlicher werdende Präsenz im architektonischen Bild der Stadt aus. Auf die christlichen Basiliken mußte Rom bis zum Beginn des vierten Jahrhunderts warten. Schaut man auf die das Stadtbild bestimmenden Bauten, so entdeckt man vielfach Restaurierungen: Es war das Verdienst Augustus’, nach den immer größeren Neubauprogrammen der ausgehenden Republik – dem Theater des Pompeius oder dem Forum Caesars – Restaurierungen als Prestigeprojekte ‹salonfähig› gemacht zu haben: Die Praxis, den Abschluß solcher Arbeiten mit erneuten Weihungen an einem entsprechend in den Kalendern neu vermerkten Datum zu markieren, war ein wichtiger Faktor, dem römischen Zentrum zu einer Tempelpracht in Marmor und Gold zu verhelfen.34 Erst vor diesem Hintergrund setzten neue Formen und Monumentaltempel städtebauliche Akzente. 31
Hier. epist. 53,7. REBENICH 1992. 33 ´ FEVRIER 1992; HACK 1997. 34 GROS 1976; BEARD, NORTH, PRICE 1998, 197. 32
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Es herrschte eine große Formenvielfalt. Neben die Kaiserforen – das Forum des Augustus wurde durch den Tempel des Mars Ultor, des Rächers an Parthern wie an Caesarmördern zugleich, beherrscht – trat der innovative Betonbau des hadrianischen Pantheons. In religiöser Hinsicht handelte es sich hier eher um Intensivierungen denn Innovationen – schon präsente Götter wurden durch größere, neue Tempel geehrt: Mitten im historischen Zentrum errichtete Hadrian auch den gewaltigen Doppeltempel für Roma und Venus (121 geweiht).35 Nicht nur Größe war wichtig. Die großen christlichen Basiliken des vierten Jahrhunderts, eine Adaptation profaner Formensprache für Kultbauten,36 entstanden in Außenbezirken; die von Augustus bis zu den Severern vorherrschende Konzentration zentraler Kulte am und auf dem Palatin wird hier nicht fortgesetzt. Zu diesen zentralen Kultanlagen ist nach dem palatinischen Apolloheiligtum und Bauten wie dem Tempel der Gens Flavia wohl auch der gewaltige Baukomplex des hastig auf einer Terrasse von 180 mal 120 Metern errichteten Sonnentempels Elagabals in der Vigna Barberini an der Nordostecke des Palatins zuzurechnen.37 Tempelbauten, aber auch die Einbindung in Rituale oder Bildprogramme lassen Gottheiten zu politischen Gottheiten aufsteigen: Was mit Scipio (Iuppiter) und vor allem Pompeius und Caesar (Venus)38 in der späten Republik begann, nämlich die Wahl persönlicher Schutzgottheiten, führten die Kaiser fort: von der Verkleidung des Augustus als Apollo über die Selbstidentifizierung des Commodus mit Hercules bis hin zum Sonnenkult Diokletians und der Verklammerung von Hercules und Iuppiter mit dem Kaiserhaus, auf die der Reformator der Reichsverwaltung die Sicherung des tetrarchischen Herrschaftssystems – zwei Augusti und zwei Caesares teilen sich geographisch die Herrschaft im Riesenreich – und der eigenen Nachfolge stützte. Erst diese Radikalisierung löste die massiven Repressionen der Diokletianischen Christenverfolgungen von 303/4 aus.39 Konstantin setzte die Wahl solcher persönlicher Schutzgötter fort; er wählte Christus.
6 Zusammenfassung Das vorgestellte religionsgeschichtliche Material konnte nur Ausschnitte beleuchten. Ich möchte am Schluß, auch zur Zuspitzung der Diskussion, die an einzelnen Beispielen vorgeführten Beobachtungen zu allgemeineren Thesen zuspitzen. 35
BEARD, NORTH, PRICE 1998, 257 f. WHITE 1990, 127–139 zu Vorläufern und Verdrängtem; zum Konstantinischen Programm BEARD, NORTH, PRICE 1998, 368 f. 37 BROISE, THE´ BERT 1999; anders CECAMORE 1999. 38 SAURON 1994. 39 SCHWARTE 1994. 36
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* Für die Gruppen war kein eigenes persistierendes Zeitschema nachzuweisen. Das stellt sich im Christentum zwar im Blick auf Sabbat und Sonntag anders dar. Aber beschreibt das eine soziologische Wirklichkeit? Lügt Tertullian einfach, wenn er wöchentliche Treffen verschweigt? Welche Bedeutung kommt einer Datenzusammenstellung wie der depositio martyrorum zu, die ganz ungleichmäßig über das Jahr und mit den Sonntagen nich koordinierte Daten von Märtyrergedenktagen zeigt? Ein solches Zeitschema unterscheidet sich prinzipiell nicht von den unregelmäßigen öffentlichen Festen und paßt sich individuell daher ähnlich gut oder schlecht ein. * Die religiösen Gruppen streben nach Integration in die Struktur öffentlicher Religion. Das passiert über Einzelkontakte, Ortszuweisungen, Modifikationen. Hier muß man sich eine Konkurrenzsituation vorstellen, in denen ‹religio licita› kein Rechtsbegriff, sondern eine Momentaufnahme temporär erfolgreicher Gruppen ist. * Die gesteigerte Mortalität junger Immigranten verbunden mit der Tatsache, daß es sich bei ihnen eher um solche Personen handelt, die in ihrer Herkunftsgemeinde nicht die primären Traditionsträger waren, macht Inhalte wie Strukturen religiöser Immigrantengruppen sehr flüssig. Entsprechend schnell erfolgen Reorganisationen anhand der am Ort vorfindlichen, der Rangkriterien der Wirtsgesellschaft. * Was wir sehen, sind in erster Linie Gruppen, weniger Organisationen. Das betont die Instabilität und die sich schnell wandelnden Institutionalisierungsformen. Der Erfolg, die Durchsetzungsfähigkeit wie Attraktivität übergreifender Institutionen könnte ein Indiz für die Instabilität von Gruppen sein, nicht der Ausdruck ihrer organisatorischen Stärke. * Die Gruppen sind öffentlich vielfach nur punktuell, etwa bei Prozessionen, ohne herausgehobene Architektur jedenfalls nicht permanent sichtbar. Ist fehlende mediale Präsenz konfliktreduzierend oder steter Anlaß zu Verdächtigungen, wie sie die Apologeten referieren:40 bildloser und gottloser Kult? Auf diese Frage habe ich keine Antwort.
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Zur Raumbezogenheit der apologetischen Kritik s. RÜPKE 2006a.
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Mysteriengemeinde und Öffentlichkeit: Integration von Mysterienkulten in die lokalen Panthea in Gallien und Germanien von
WOLFGANG SPICKERMANN
1 Einleitung J. SCHEID hat vor kurzem noch einmal zurecht darauf verwiesen, dass sich die meisten Mithräen Roms und Ostias in öffentlichen Gebäuden befanden, ja, dass man auch in öffentlichen Heiligtümern Zeugnisse des Mithraskultes findet.1 Dies lässt sich ebenso in den gallischen und germanischen Provinzen beobachten, wo der Mithraskult bekanntermaßen weit verbreitet war. In gleichem Maße gilt dies für die anderen so genannten Mysterienreligionen. An ausgewählten Beispielen von Zeugnissen des Mithras-, Kybele- und Isiskultes aus den beiden germanischen Provinzen soll gezeigt werden, dass es sich dabei keineswegs um Kultgemeinden gehandelt hat, die eine Sonderrolle im religiösen Leben ihres Lebensumfeldes beanspruchten, sondern im Gegenteil von dort Impulse aufnahmen und umgekehrt als Impulsgeber fungierten. Ja Mithräen konnten sogar einen bedeutenden Platz unter den Heiligtümern eines Ortes einnehmen, so etwa nachgewiesen in Martigny im Wallis und in Strasbourg-Königshoffen. Im folgenden soll versucht werden, zunächst die Anfänge und das Ende der genannten Kulte in Germanien abzustecken, sodann an einigen Beispielen ihre Rolle innerhalb der lokalen Panthea zu klären und schließlich einige Gedanken zur Funktion und Zusammensetzung ihrer Trägergruppen zu entwickeln. Im Mittelpunkt werden – aufgrund ihrer Aktualität – zwei neugefundene und unpublizierte Inschriften aus Alzey und Trier und der neuentdeckte Kultbezirk in Mainz stehen.
1
SCHEID 2001, 99 ff.
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Wolfgang Spickermann
2 Die Anfänge der Kulte in Germanien Das Aufkommen der ersten mithrischen Gemeinden und Mithräen in Germanien datiert wohl gegen Ende des ersten Jahrhunderts n. Chr. Erste Heiligtümer sind für Gelduba/Krefeld-Gellep, Nida/Frankfurt-Heddernheim und Mogontiacum/Mainz bezeugt. Die frühesten bezeugten Dedikanten mithrischer Denkmäler sind Soldaten, so dass diese an ihren Stationierungsorten für die Gemeindebildung und den Bau der Kultstätten gesorgt haben werden, bevor die Mithrasreligion später auch in der Zivilbevölkerung angenommen wurde. 2.1 Krefeld-Gellep Innerhalb der Gräberfeldflächen nordwestlich des römischen Auxiliarlagers wurden 1981 Spuren eines Holzgebäudes angeschnitten, das als Mithräum gedeutet wird. Ein tiefer gelegener 2,40 Meter breiter Mittelgang mit halbrunden Abschluss im Osten wurde an den Längsseiten von zwei Meter breiten Podien begleitet. Jeweils sieben Holzpfosten an jeder Seite trugen das Dach; die Wände waren mit Holzbrettern verschalt. Kultbilder und Weihesteine wurden nicht gefunden, an Einbauten konnten lediglich eine im Mittelgang eingelassene Tuffsteinkiste und eine Feuerstelle beobachtet werden.2 Das Gebäude lag zur Zeit seiner Errichtung bereits innerhalb des Gräberfeldes. Teile von Öllampen und Tongefäßen der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts n. Chr. datieren in diesen Zeitraum. Reste von Reibschalen und weißtonigen Krügen aus der Verfüllung des Mittelganges datieren in die zweite Hälfte des Jahrhunderts, als das Mithräum aufgegeben wurde. Dabei wurde ein großer Teil der Holzeinbauten herausgerissen und auch Tongeschirrabfall in die verbleibende Grube gefüllt. Später wurde der Platz wieder zu einer Massenbestattung benutzt, wahrscheinlich von Opfern der ersten Frankeneinfälle.3 Es handelt sich demnach um das älteste bekannte Mithräum in Niedergermanien. Seine Anlage scheint auf Angehörige der Belegschaft des Auxiliarlagers zurückzugehen. Ob während der Zeit seines Bestehens in unmittelbarer Nähe bestattet wurde und ob etwa ältere Grabanlagen für seinen Bau beseitigt worden sind, konnte leider nicht ermittelt werden.4 Vielleicht hing die Aufgabe des Mithräums mit einem bisher noch nicht bekannten steinernen Neubau zusammen. D. ENGSTER räumt ferner die Möglichkeit ein, dass es sich bei 2 REICHMANN 1997, 21 ff.; vgl. FOLLMANN-SCHULZ 1986, 749; ferner CHR. REICHMANN, in: HORN 1987, 534 und WIEGELS 2000, 295 mit Lit. 3 REICHMANN 1997, 23 f.; vgl. FOLLMANN-SCHULZ 1986, 749; ferner R. PIRLING, in: HORN 1987, 534 f. 4 REICHMANN 1997, 21 f.
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den Mitgliedern der Kultgemeinde um Angehörige der Ala Sulpicia gehandelt hat, die im zweiten Jahrhundert versetzt wurde. Unter den nachfolgenden Einheiten könnten dann keine Mithrasanhänger mehr gewesen sein.5 Nach dem Fund einer Anlage in Künzig mit zwei Holzbauphasen stellt sich die Frage, ob nicht insgesamt ein Teil der bekannten Mithrasheiligtümer ursprünglich in Holz gebaut waren und der Kult insgesamt früher anzusetzen ist.6 2.2 Nida/Frankfurt-Heddernheim 7 Seit etwa 75 bis 79 n. Chr. sind im Raum von Nida/Frankfurt-Heddernheim vier Kastelle nachweisbar, nach drei Holz-Erde Phasen erfolgte ein Steinausbau zu einem Alenkastell nach dem Saturninusaufstand 88/89 n. Chr., das dann nach Abzug der Truppen an den Limes um 110 n. Chr. aufgelassen wurde. Westlich dieses Kastells, entlang der Straße nach Mainz und der Saalburgstraße entwickelte sich zunächst ein Lagerdorf mit Fachwerkbebauung, das verhältnismäßig schnell wuchs und schon in trajanischer Zeit zum Vorort und Verwaltungsmittelpunkt der Civitas Ulpia Taunensium wurde.8 Von den vier hier gefundenen Mithräen – ein weiteres wird vermutet9 – sind die Mithräen I im ‹Heidenfeld› und III im Bereich des Friedhofs von Heddernheim die ältesten. Mithräum I (12,5 mal 7,9 Meter), im Nordwesten des römischen Ortes an einer Nebenstraße gelegen, war schon 1826 gefunden worden. Es konnte von der Südseite her über wahrscheinlich sieben Treppenstufen betreten werden, die zwischen zwei Mauern von 3,45 Meter Länge hindurchführten. Im Inneren befanden sich Podien neben einer tiefer liegenden cella, die man über drei Stufen erreichte. Das hier gefundene berühmte Kultrelief war drehbar und befand sich in der Apsis.10 In einem Loch in der Rückwand konnten Topfscherben, Steinfragmente und elf Münzen gefunden werden. Die bei der Grabung noch bis zu einem Meter Höhe erhaltenen Mauern waren mit bunten Linien beidseitig verziert. Ein Pronaos wird vermutet.11 Aufgrund zweier hier gefundener Weihinschriften wird das Gebäude in die Zeit um 100 n. Chr. datiert. Dies ist aber umstritten. Ferner ist auch möglich, dass die Dedikationen ursprünglich aus dem um 210 n. Chr. aufgegebenen Mithräum IV 5
ENGSTER 2002, 440. Vgl. HULD-ZETSCHE 2001, 339. 7 Vgl. SPICKERMANN 2003, 203 ff. 8 WILMANNS 1981, 128 ff.; vgl. HULD-ZETSCHE, in: BAATZ; HERRMANN 1989, 281; ferner DIES. 1994, 16 f.; SOMMER 1992, 120; und zuletzt RABOLD 2000, 98. 9 HULD-ZETSCHE 1994, 50; vgl. DIES., in: BAATZ; HERRMANN 1989, 288. 10 CIMRM II 1083; vgl. SCHWERTHEIM 1974, 67 ff. Nr. 59 a; ferner E. KÜNZL, ‹Religion und Kunst›, in: BAATZ; HERRMANN 1989, 157–209, hier S. 198 f. Abb. 130/131 und S. 202 und HULD-ZETSCHE 1986, 18 f. 11 SCHWERTHEIM 1974, 66 f. Nr. 59; vgl. CIMRM II 1082; ferner HULD-ZETSCHE 1994, 50 f. Literaturübersicht bei WIEGELS 2001, 293. 6
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stammten, das völlig fundlos war. Möglicherweise war dies das schon um 85 n. Chr. erbaute älteste Mithräum, das dann der Stadtmauer weichen musste und aus diesem Grunde völlig ausgeräumt wurde, wobei man die Funde vielleicht in andere Kultplätze verbrachte. Das Mithräum I könnte dann noch in der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts n. Chr. errichtet worden sein.12 Das Mithräum III kann nach Münz- und Keramikfunden sicherer in die Zeit um 100 n. Chr. datiert werden und wurde erst in der Mitte des dritten Jahrhunderts n. Chr. zerstört.13 Das Kultgebäude befand sich drei Meter unter der Erdoberfläche und bestand aus einem Pronaos, von dem man über eine Treppe in das tiefer gelegene spelaeum gelangte. Dieses bestand aus der cella, den Podien und der Kultnische (sacrarium), in der sich ein Relief mit einer Stiertötungsszene befand.14 Das westliche Podium war von einer 2,30 Meter breiten Nische unterbrochen, an deren Rückseite drei kleine Zellen gemauert waren. An der linken Seite der cella befand sich eine Opfergrube mit Knochen von Geflügel und Wiederkäuern (Schaf und Ziege), wohl Reste der rituellen Kultmahle.15 2.3 Mainz Zu den spektakulärsten Befunden, die aufgrund unglücklicher Umstände nicht wissenschaftlich dokumentiert werden konnten, gehört ein großes Mithräum im Bereich der Präsenzgasse/Ballplatz 2, das 1976 bei Bauarbeiten unkontrolliert zerstört wurde (Abb. 1). Das vorhandene Mauerwerk muss vor der Abbaggerung noch 0,92 Meter hoch gestanden und verschiedentlich noch antiken Wandputz gezeigt haben. Der Grundriss des Gebäudes erinnert an denjenigen des Mithräum III von Nida/Frankfurt-Heddernheim. Es handelt sich um einen langgestreckten Bau von zirka zweiundzwanzig Meter Länge, der Mittelgang war drei Meter breit.16 Rechnet man die in ihren Ausmaßen nicht mehr bekannte Kultnische hinzu, so hatte das Heiligtum eine Länge von zirka dreißig Metern und ist demnach eines der größten bis heute bekannt gewordene Mithräen der römischen Welt.17 Zu den Funden zählen unter anderem zwei Mithrasaltäre aus severischer Zeit,18 zwei große zweihenkelige Gefäße, darunter der berühmte Mainzer Schlangenkrater (Abb. 2), ein Räucherkelch 12
SCHWERTHEIM 1974, 273 f.; vgl. HULD-ZETSCHE 1986, 43. HULD-ZETSCHE 1986, 26 ff. und 1990, 14. 14 CIMRM II 1118; zum großen Teil im Zweiten Weltkrieg zerstört. 15 CIMRM II 1117; vgl. HULD-ZETSCHE 1986, 30; ferner DIES. 1990; 14; DIES. 1994, 50 f. und DIES., in: BAATZ; HERRMANN 1989, 288 f. 16 B. STÜMPEL, Mainz. Zeitschr. 73/74, 1978/1979, 343; vgl. HORN 1994, 21 ff.; ferner FRENZ 1992, 125; ENGSTER 2002, 449 f. und HULD-ZETSCHE 2004, 213 ff. 17 HULD-ZETSCHE 2004, 213. 18 HERZ 1978/79, 277 Nr. 5 = FRENZ 1992, 125 f. Nr. 110 = AE 1979, 425 und HERZ 1978/79, 278 Nr. 6 = FRENZ 1992, 125 Nr. 111 = AE 1979, 426. 13
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sowie einige Firmalampen; insgesamt zirka fünfhundert Kleinfunde.19 Zwei Altarbasen sollen sich ferner in situ befunden haben.20 Die früheste Keramik datiert in flavische Zeit, so dass das Mithräum schon vor 100 n. Chr. bestanden haben muss und damit zu den ältesten nördlich der Alpen gehört. Danach hat es einige Umbauten erfahren, bis es im vierten Jahrhundert n. Chr. aufgegeben wurde.21 Wichtigstes Fundstück ist ein fünfundfünfzig Zentimeter hoher Schlangenkrater mit Weihinschrift eines Quintus Ca[---] für Mithras Invictus und detaillierten Abbildern von sieben Mithrasanhängern, die zwischen den Henkeln in einer Dreier- und einer Vierergruppe angeordnet sind. Er wurde unter dem Mittelgang in situ gefunden und war dort wahrscheinlich in defektem Zustand kultisch deponiert worden. Dargestellt sind eine Mutprobe und feierliche Weihung eines Mysten, wahrscheinlich der Stifter selbst als corax, durch einen bärtigen pater sowie eine Prozession der Mysten um einen Heliodromus.22 Ein pater, der die Erlaubnis zur Errichtung eines Altars gab, also eine Gemeinde vor Ort leitete, ist auch auf einem der hier gefundenen Altäre bezeugt.23 Leider sind durch die Abbaggerung des Mithräums sämtliche weitere Nachforschungen unmöglich geworden, dennoch kann festgehalten werden, dass es sich hier um das bisher größte und älteste der Mithräen Germaniens handelte. Die große Zahl der Funde spricht ferner für wahrscheinlich mehr als ein Mithräum in Mainz.24 Ein spektakulärer und noch nicht ausreichend publizierter Neufund ist der wahrscheinlich schon in das Ende des ersten Jahrhunderts n. Chr. zu datierende Kultbezirk der Isis und Magna Mater in der heutigen Römerpassage (Abb. 3). Nach Ausweis von mehreren Inschriften war das Heiligtum der Isis Panthea und der Magna Mater geweiht. Leider sind die gefundenen Tituli bisher nur unzureichend publiziert.25 Bemerkenswert sind zwei gleichlautende Bauinschriften, die der Isis Panthea und der Magna Mater gelten (Abb. 4). Eine weitere Inschrift an Magna Mater ist sicher noch in das letzte Drittel des ersten Jahrhunderts zu datieren.26 Isis Panthea ist meines Wissens nur noch einmal in 19
HULD-ZETSCHE 2004, 213. HORN 1994, 22; vgl. jetzt HULD-ZETSCHE 2004, 215 ff. 21 HORN 1994, 33 und HULD-ZETSCHE 2004, 213. HORN 1994, 31 f. datiert, allerdings den Schlangenkrater schon in das Ende des ersten Jh. n. Chr., während HULD-ZETSCHE 2001, 344 f. und Abb. S. 359 ihn mit guten Gründen in das zweite Viertel des zweiten Jahrhunderts n. Chr. datiert; vgl. DIES. 2004, 225 (120–140 n. Chr.). 22 HORN 1994, 24 ff.; vgl. HULD-ZETSCHE 2001, 344 f. und DIES. 2004, 215 ff.; bes. 225 ff. 23 HERZ 1978/1979, 277 Nr. 5 = FRENZ 1992, 125 Nr. 110 = AE 1979, 425. SCHWERTHEIM 1974, 116 f. Nr. 95 weist außerdem das Inschriftenfragment CIL 13,11824, welches ein templum erwähnt, Mithras zu, was CLAUSS 1992, 114 f. als völlig willkürlich ablehnt. 24 Vgl. CIMRM II 1223–1229; SCHWERTHEIM 1974, 112 ff. Nr. 88–95; CLAUSS 1992, 114 f.; FRENZ 1992, 124 ff. Nr. 109–112; zuletzt WIEGELS 2000, 295. 25 Eine Majuskelwiedergabe und Übersetzung der Texte findet sich in dem Ausstellungskatalog ISIS UND MATER MAGNA 2004. Die Publikation der Inschriften ist durch G. ALFÖLDY vorgesehen (frdl. Auskunft von Frau Dr. M. Witteyer). 20
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Antequera in der Baetica bezeugt, der Dedikant ist nicht bekannt.27 Bei den beiden fast gleichlautenden Steinen handelt es sich um Tabulae ansatae mit vertieftem Inschriftfeld. Es fällt auf, dass die letzte Zeile der beiden vierzeiligen Inschriften eine etwas andere Buchstabengröße und -form aufweist und auch wegen des unterschiedlichen Zeilenabstandes vielleicht nachträglich eingefügt wurde.28 Während Dedikationen zum Wohle eines oder mehrerer Kaiser und Senat und Volk im Reich mehrfach bezeugt sind, ist die Verbindung mit dem Heer einzigartig. Sie ist nur durch die überragende Bedeutung des Heeres und seines Kultzentrums in Mainz zu erklären. Die ursprüngliche Stifterin der Tafel und offenbar auch der zugehörigen Gebäude war eine kaiserliche Freigelassene. In der letzten Zeile sind zwei weitere Personen männlichen Geschlechts genannt, darunter ein kaiserlicher Sklave oder Freigelassener und ein weiterer Freigelassener, ein Priester, unter dem die Stiftung vollzogen wurde.29 Ungewöhnlich erscheint, dass beide Weihungen denselben Priester nennen, den Freigelassenen Claudius Atticus. Dieser müsste dann zugleich der Kybeleund der Isisgemeinde vorgestanden haben. Die Zeitstellung des Kultplatzes und der Fund der in flavische Zeit zu datierenden Weihung eines Procurators legen nahe, auch die beiden Gebäudeweihungen in flavische Zeit zu datieren.30 Anzunehmen ist, dass das Mainzer Heiligtum auf die Initiative hochgestellter Sklaven beziehungsweise Freigelassener der kaiserlichen Administration zurückging, die über die notwendigen Mittel verfügten und wohl auch die Kultorganisation übernahmen. Der römische Kultplatz war auf hallstattzeitlichen Grabhügeln errichtet worden, die im ersten Jahrhundert n. Chr. vielleicht noch sichtbar waren. Der Platz lag in der Niederungszone unterhalb des Legionslagers an der vom Lagerhaupttor zur Rheinbrücke führenden Straße.31 Bei der römischen Bebauung sind zwei Phasen zu erkennen. Das Heiligtum war von einer Mauer um26 ISIS UND MATER MAGNA 2004, 15 ff. Nr. 1: [---Primi]genius [[---]] [Imp(eratoris) Ve]spasiani Aug(usti) [procur]atoris A[r]carius [Matri] Deum ex im[p]erio [eius] posuit; Nr. 2: Pro salute Augustorum s(enatus) p(opuli) q(ue) R(omani) et exercitus Matri Magnae Claudia Aug(usti) l(iberta) Icmas et Vitulus Caes(aris servus) sacer(dote) Cla(udio) Attico lib(erto) und Nr. 3: Pro salute Augustorum et s(enatus) p(opuli) q(ue) R(omani) et exercitus Isidi Pantheae Claudia Aug(usti) l(iberta) Icmas et Vitulus Caes(aris servus) sacer(dote) Claud(io) Attico lib(erto); vgl. WITTEYER 2003, 13 und 6 Abb. 4. 27 CIL 2,5 575. 28 WITTEYER 2003, 6 Abb. 4. 29 Der Gentilname der kaiserlichen Freigelassenen, Claudia, verweist auf eine Freilassung durch einen der claudischen Kaiser. Die Bezeichnung Augustorum würde dann auf die Zeit der gemeinsamen Herrschaft von Vespasian und Titus schließen lassen. Die meisten Belege für pro salute Augustorum stammen aber aus der Zeit des Marc Aurel oder der Severer. Die einzige Parallele aus Germanien kommt aus Avenches und ist die Weihung eines curator vikanorum und sevir Augustalis an Sol, Genius und Luna: CIL 13,5026. Weitaus häufiger ist die Formel pro salute imperatoris oder -rum. 30 Vgl. ISIS UND MATER MAGNA 2004, 15 Nr. 1 und oben Anm. 26. 31 WITTEYER 2004, 42.
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schlossen und bestand zunächst aus kleinen Rechtecktempeln. An einem von der Hauptstraße abweichenden Seitenweg, der zum Kultplatz führte, fand man ferner Brunnen, eine Gemeinschaftslatrine und Fachwerkbauten mit einer Vielzahl von Herden, die der Zubereitung von Mahlzeiten gedient haben dürften. Es wird sich um Herbergen, Priesterhäuser oder ähnliches gehandelt haben. Im zweiten Jahrhundert wurde das Heiligtum umgebaut. Die Rechtecktempel wichen einem großen, mehrgliedrigen Bau mit zwei Räumen und einer eigenen Brunnenstube. Das Gebäude hatte einen Steinsockel mit aufgehendem Fachwerk. Die Innenwände waren reich bemalt, erhalten sind zum Beispiel Reste einer Darstellung des Anubis. Der Bau hatte ein Ziegeldach, deren Großteil aus militärischer Produktion stammte. Auf dem Kultplatz gefundene Knochenreste stammen von Schweinen, Rindern und Schafen/Ziegen. Im heiligen Bezirk befanden sich zahlreiche steinumstellte Feuerstellen als Brandaltäre. Opferreste verblieben am Ort oder wurden in Opfergruben versenkt. Gefunden wurden Importwaren wie Datteln, Feigen, Oliven, Weintrauben und Pinien, aber auch einheimisches Getreide, Obst oder Nüsse. Auffällig ist, dass an Tieren fast ausschließlich Vögel geopfert wurden, darunter neunzig Prozent Hähne. Hier ist ein großer Unterschied zu anderen Fundspektren zu erkennen. In dem gut dokumentierten Heiligtum von Karden fanden sich zwar auch zahlreiche Hühner, vor allem Hähne, aber hier wurden am häufigsten Schafe und Ziegen geopfert. Auch Rinder und Schweine sind dort belegt.32 Ferner sind in Mainz Rinderschädel und drei vollständige Hundeskelette dokumentiert. Für das Opfern ganzer Tiere in Gräben wie Pferde, Rinder und auch Hunde gibt es mehrere Zeugnisse aus Nordgallien, insbesondere in den Heiligtümern der Picardie.33 Hervorzuheben sind auch zahlreiche Öllämpchen, die rituell deponiert zu sein scheinen. Diese findet man häufig in Mithräen, aber auch der Geschirr-Depotfund von Dieburg birgt zahlreiche Öllämpchen. Das dort gefundene Kultgeschirr wird übrigens ebenfalls den so genannten ‹orientalischen› Kulten zugeordnet.34 Auch ein Schlangenkrug ist bezeugt. Während steinerne Weihegeschenke im Mainzer Heiligtum selten sind, fanden sich insgesamt dreiunddreißig Fluchtafeln und drei Zauberpuppen aus Ton mit Nadeleinstichen, die offenbar magische Bedeutung hatten.35 M. WITTEYER vermutet, dass es weit mehr Zauberpuppen aus vergänglichen Materialien wie 32
NICKEL 1999, 159 ff. Vgl. BRUNAUX 1991. Verwiesen sei auch auf das Heiligtum von ‹En Chaplix› in direkter Nachbarschaft von Avenches und Sierentz, Sandgrube (Haut Rhin) wo sich ebenfalls Hundebestattungen fanden; vgl. zuletzt SPICKERMANN 2003, 50 und 318. 34 Vgl. zuletzt SPICKERMANN 2003, 452 f. 35 Zum Mainzer Heiligtum: WITTEYER 2003, bes. 9 ff. und DIES. 2004, zu den Zauberpuppen bes. 42 ff.; zu den Fluchtafeln EBD. 48 ff. und BLÄNSDORF 2004. Eine Publikation der Fluchtafeln durch J. Blänsdorf wird in Kürze erfolgen (frdl. Auskunft Frau Dr. M. Witteyer). 33
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Wachs gegeben hat.36 Während die Puppen aus Befunden außerhalb des Temenos stammen, fanden sich die defixiones fast ausschließlich innerhalb, konzentriert auf zwei Stellen.37 Die meisten Fluchtafeln waren in einer Schachtanlage mit Nische hinter einem der kleinen quadratischen Kultbauten der ersten Phase deponiert. Die Lage der Funde spricht dafür, dass die Verfüllung mit einem Mal erfolgt war. Später hatte man offenbar den Boden geöffnet und ein separates Depot niedergelegt. Es fanden sich neben diversen Terrakotten, Öllampen, Münzen, verkohlten Früchten und anderes, auch mehrere Bleitafeln mit defixiones. Die Münzreihe erlaubt eine Datierung der Verfüllung in frühdomitianische Zeit.38 Später wurde der Bereich umgestaltet und man errichtete mehrere, sich einander ablösende Brandopferaltäre. Alle Rückstände der dort durchgeführten Brandopfer verblieben an Ort und Stelle. Es fanden sich Reste von Früchten, Getreide und Geflügel, angeschmolzene Balsamariums-Reste und wiederum mehrere Bleitafeln. M. WITTEYER geht davon aus, dass auch Bleitafeln und möglicherweise Figuren rituell ins Feuer geworfen wurden, um sie so nur an die angerufenen Mächte gelangen zu lassen und gleichzeitig dem Zugriff der Menschen zu entziehen.39 Außerdem wurden zwei weitere Deponierungen in den verfüllten Schacht vorgenommen, wobei die Bleitäfelchen mit Öllämpchen kombiniert auf eine bestimmte Art und Weise gelagert wurden. Die Bleitäfelchen waren gerollt und enthielten Reste einer vergangenen Substanz, vielleicht einer ungebrannten Puppe. Die letzten Deponierungen an diesem Ort scheinen nach Ausweis der Münzen gegen Anfang des zweiten Jahrhunderts n. Chr. stattgefunden zu haben. Nach 130 n. Chr. wurde das gesamte Areal aufgelassen und mit einer Ziegelpackung kultisch versiegelt.40 Zu den bemerkenswertesten Funden gehört eine 11,5 Zentimeter breite und zehn Zentimeter hohe Bleitafel, die zur zweiten Deponierung in dem beschriebenen Kultschacht in frühdomitianischer Zeit gehörte.41 Sie ist auf der Innen- und Außenseite beschriftet. Der Text ist eine in die Form eines formellen Gebetes an den guten heiligen Atthis (!) gefasste Verfluchung eines Liberalis. Dieser scheint ein Denunziant gewesen zu sein, dem der Verfasser den Tod am nächsten Morgen wünscht, den Liberalis mit dem ganzen Körper beziehungsweise sehenden Auges erleben soll.42 Interessant ist, dass Attis zwar nicht ausdrücklich als Gott angesprochen, aber mit so hohen Prädikaten versehen wird, dass er sogar an die Stelle Iupiters tritt und als tyranne, ‹Herr›, bezeichnet wird. Dies wird besonders daran deutlich, dass Attis in Zeile vier der Innenseite durch die Schwurformel per tuum Castorem (et) Pollucem mit 36
WITTEYER 2004, 43. WITTEYER 2004, 42. 38 WITTEYER 2004, 48. 39 WITTEYER 2004, 49. 40 WITTEYER 2004, 49 f. 41 Zum Fundort: WITTEYER 2004, 48. 42 Zum Text: BLÄNSDORF 2004, 53 ff. 37
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den Söhnen des Iupiter verbunden wird. Die zweite Instanz, auf die geschworen wird, sind die cistae penetrales, der heilige Mittelpunkt des Kybelekultes, da diese nach Clemens von Alexandrien die Geschlechtsteile des kastrierten Attis enthielt.43 Wir dürfen also davon ausgehen, dass das Mainzer Heiligtum mehrere solcher cistae beherbergte, die mit den entsprechenden Ritualen dort deponiert worden waren. In jeder Hinsicht bemerkenswert ist aber, dass das Formular des Verfluchungstäfelchens sich altrömischer Stilformen bedient und damit den Anschluss an das römische Pantheon sucht.44 Dies gilt auch für den Inhalt eines Fluchtäfelchens aus dem nicht weit entfernten Groß-Gerau, der manche Parallele aufweist. Die 13,5 Zentimeter breite und 3,5 Zentimeter hohe Bleitafel wurde 1999 im Randbereich des Kastellvicus entdeckt. M. SCHOLZ und A. KROPP vermuten, dass es nicht aus einem Graboder Heiligtumskomplex stammt, sondern an der Wohnstätte des Opfers platziert war.45 Aufgrund von Beifunden wird ein Deponierungszeitraum im späten ersten/frühen zweiten Jahrhundert n. Chr. vermutet.46 Die Tafel ist ebenfalls auf Vorder- und Rückseite beschrieben und enthält ein ‹Rachegebet› an Atthis (!), der als größter aller Götter bezeichnet wird und den Dedikanten, wohl einen Paternus, an einer Priscilla, Tochter eines Carantus rächen soll, die einen anderen geheiratet hat. Dies soll innerhalb von einhundert Tagen geschehen. Attis wird ausdrücklich als Herr (tyranne) der Gesamtheit der zwölf Götter (des Pantheons!) bezeichnet.47 Auch hier ist die Inschrift stark an den Normen der klassischen Literatursprache ausgerichtet. Attis wird wie in Mainz mit Iupiter gleichgesetzt, daneben wird die Große Göttermutter (Mater Deum) und weitere weibliche Gottheiten (deabus) um Rache für erlittenes Unrecht angefleht. M. SCHOLZ und A. KROPP weisen darauf hin, dass die Verwünschung der Art einer quasi-juristischen ‹Bittschrift› abgefasst ist. Auch diesem Text liegt die Form des antiken Gebetes zugrunde.48 Sie richtet sich an das gesamte Pantheon unter Führung des Attis/Iupiter. Die erstaunlichen Parallelen zu dem Mainzer Fund und die Zeitstellung des defixio aus Groß-Gerau lassen vermuten, dass die ursprüngliche Vorlage für die Gebetsvorlage im Mainzer Kybeleheiligtum zu suchen ist. Auch die augenfällige Verbindung mit dem römischen Pantheon und die Identifikation des Attis mit Iupiter lassen an eine Integration der Mainzer Gemeinde in das lokale Pantheon und eine Verbindung zu den öffentlichen Kulten vermuten. In Analogie zu diesen Fluchtafeln fand sich in Mainz ein Marmoraltar eines Freigelassenen für Attis, den L. WEBER in severische Zeit datiert.49 43
Clem. Al. 2, 19; vgl. dazu BLÄNSDORF 2004, 56 mit den einschlägigen Zeugnissen. Vgl. BLÄNSDORF 2004, 58. 45 SCHOLZ; KROPP 2004, 36. 46 SCHOLZ; KROPP 2004, 33. 47 Vgl. den Text bei SCHOLZ; KROPP 2004, 34 f. 48 SCHOLZ; KROPP 2004, 38 f. 49 CIL 13,6664; vgl. WEBER 1966, 9 (De[o A]ttini (!)). 44
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In Mainz war der Kybelekult bislang erst für die erste Hälfte des zweiten Jahrhunderts n. Chr. durch eine Bellonaweihung und ein Relief mit einer Dendrophorenprozession bezeugt.50 Ein heute noch dreiundsechzig Zentimeter hohes und siebenundsiebzig Zentimeter breites Reliefbild aus Mainz zeigt eine Kultprozession der Dendrophoren, bei welcher der Göttin am 22. März jedes Jahres ein geweihter Baum in die Stadt gebracht wurde. Erhalten sind noch die Darstellungen eines Dieners in Tunica und eines ‹Baumträgers› in Toga.51 Die Dendrophoren waren öffentlich anerkannte und geschäftsfähige Vereinigungen innerhalb ihrer Ortsgemeinden. Das belegt die Dendrophoreninschrift aus Nida/Frankfurt-Heddernheim, die berichtet, dass das Grundstück für ihre Schola von den vicani Nidenses zur Verfügung gestellt wurde. Der vicus hatte also gegenüber den Dendrophoren uns unbekannte Verpflichtungen.52 E. SCHWERTHEIM vermutet, dass der Kult der Kybele von Soldaten aus Südgallien und Oberitalien in Germanien eingeführt wurde und dort seine Blüte gegen Ende des zweiten/Anfang des dritten Jahrhunderts n. Chr. erlebte.53 Das Mainzer Beispiel zeigt, dass zwar das Heer eine Rolle spielte, aber wohl Freigelassene der kaiserlichen Administration den entscheidenden Impuls gaben. Die Bedeutung des Heeres scheint jedenfalls durch die eben zitierte IsisInschrift aus Mainz belegbar zu sein. Ausgangspunkt der Verbreitung des Magna-Mater-Kultes wie des Isiskultes dürfte dabei Mogontiacum/Mainz gewesen sein, wo man nun auch das erste Metroon vermuten darf. Anders als in den mehr romanisierten und entmilitarisierten gallischen Provinzen, setzte der Kybelekult sich allerdings nicht im gleichen Ausmaße in Germanien durch, da insbesondere die Soldaten offenbar den Kult des Mithras und des Dolichenus bevorzugt haben. Wenige Inschriften von Frauen für Bellona und Magna Mater zeigen, dass diese in mehreren Kultgemeinschaften präsent waren und auch Priesterämter bekleiden konnten.54 Die Verbindung des Mainzer Heiligtums mit dem Kaiserkult ist zwar inschriftlich bezeugt, die Wahl der Isis muss aber nicht unbedingt auf eine direkte Verbindung mit dem flavischen Kaiserhaus verweisen. Domitian war zwar anlässlich des Krieges gegen Vitellius als Isispriester verkleidet seinen Verfolgern in Rom entkommen und der Isis aus diesem Grunde dankbar,55 doch war seine persönliche Schutzgottheit bekanntermaßen Minerva.56 Eher 50 CIL 13,6666. Ein zweites Relief mit einer Darstellung der Kybele und des Attis ist wohl später zu datieren: K. KÖRBER, Mainz. Zeitschr. 8–9, 1913/14, 29 f.; vgl. SCHWERTHEIM 1974, 117 f. Nr. 96. 51 FRENZ 1992, 148 f. Nr. 165 und Tafel 120. 52 S-H. 104: Z. 6: loc(o) adsig(nato) a vic(anis) Nide(nsibus); vgl. dazu DIECK 1980, 853. 53 SCHWERTHEIM 1974, 293 f. 54 SPICKERMANN 1994, 303 ff. 55 Suet. Dom. 1. 56 Suet. Dom. 15,3; Cass. Dio 67,16,1.
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gibt es eine generelle Verbindung der Magna Mater zum römischen Staat und zum Kaiserhaus, die zwar von Claudius gefördert wurde, aber in größerem Maße erst ab antoninischer Zeit inschriftlich bezeugt ist.57 Der Grund für die Verbindung der Isis Panthea (und wohl auch der Magna Mater) mit Kaiser, Senat, Volk und dem Heer liegt wohl darin, dass es sich bei der Stifterin der Inschriften und wohl auch eines Kultbaus um eine kaiserliche Freigelassene handelt, die vielleicht aus dem Umkreis des Verwaltungsstabes kam und zum Wohle der Institutionen weihte, welche den Zentralort Mainz so deutlich dominierten. Die frühe Erwähnung der Isis ist spektakulär, zumal sie in Obergermanien außerhalb des Gebietes der heutigen Schweiz kaum nennenswert bezeugt ist.58 Außer den genannten drei wurden noch sechs weitere Inschriften gefunden. Ein Altar an Isis Regina stammt von Grania Quartilla, Ehefrau des Legionslegaten Hasta.59 Es kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob es sich um Ninnius Hasta, den eponymen Konsul des Jahres 114, dessen Vater oder einen C[---] Hasta, Statthalter der drei Dakien unter Commodus, handelt.60 Eine weitere Inschrift eines Mannes gilt der Isis,61 drei dem Genius der Pausarii62 und auf einer ist keine Gottheit genannt.63 Die pausarii trugen bei den feierlichen Prozessionen während der Isisfeste die Götterfiguren. Neben dem erwähnten Priester des ersten Jahrhunderts n. Chr. gab es in Mogontiacum noch mindestens drei weitere Gruppen von Kultfunktionären, welche durch Inschriften bezeugt sind, die erwähnten pausarii, die Dendrophoren und die hastiferi.64 Dies lässt auf große, differenzierte Kultgemeinden schließen. 2.4 Alzey/Trier Dass das Metroon in Mainz als frühestes nachweisbares Heiligtum in Germanien Impulse setzte, zeigt sich neben dem Fluchtafelfund aus Groß-Gerau auch an einem spektakulären Neufund aus dem nicht weit entfernten vicus Altiaium/Alzey. Dort konnte im September 2003 in der Römerstraße 36 nahe bei der römischen Kastellmauer ein Votivaltar für Magna Mater entdeckt werden. Gleichzeitig wurden zwei an drei Seiten mit Reliefs versehene Blöcke 57 Vgl. SCHILLINGER 1979, 360 ff. WITTEYER 2003, 14 versucht einen Zusammenhang von Isis/Magna Mater zur neuen Dynastie der Flavier herzustellen. 58 Vgl. HAASE 2001 und zuletzt SPICKERMANN 2003, 302. 59 ISIS UND MATER MAGNA 2004, 18 Nr. 5. 60 Zu Q. Ninnius Hasta: PIR 2 N 100 und N 101. C. C(...) Hasta: AE 1983, 801 (Alba Regia/Apulum). Q. Ninnius Hasta war IIIvir Curator Aquarum und 88 n. Chr. Suffektkonsul. Sein gleichnamiger Sohn war 114 zusammen mit P. Manlius Vopiscus eponymer Konsul und, wie aus einem Reskript Hadrians von 128/129 n. Chr. hervorgeht, später Prokonsul von Asien (Dig. 48,8,5). Über die früheren Karrieren aller drei Personen ist nichts bekannt. 61 ISIS UND MATER MAGNA 2004, 18 Nr. 4. 62 ISIS UND MATER MAGNA 2004, 20 Nr. 7, 8 (Statuette) und 21 Nr. 9. 63 ISIS UND MATER MAGNA 2004, 18 Nr. 6. 64 Hastiferi: CIL 13,7281 und 7317 (Mainz-Kastel).
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gefunden.65 Der Text der Inschrift auf dem Altar ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. Bezeugt ist doch offenbar die Eviration eines gallus.66 Durch die Angaben der Konsuln und der dritten Iden des November ist die Inschrift auf den 11. November 237 n. Chr. datiert. Auf der Rückseite des Altars ist ein mit Binden geschmückter Rinderkopf dargestellt, links davon eine phrygische Mütze, rechts überkreuzen sich ein gerader und ein krummer Aulos. Die linke Nebenseite enthält einen rundovalen Schild, die rechte ist unverziert. Der Zusammenhang mit dem Magna Mater-Kult ist damit evident. W. BOPPERT kommt zu dem Schluss, dass es sich, gestützt durch eine aquitanische Parallele vom 24. März 239 n. Chr., um eine Eviration handeln muss.67 Den Vorsitz der Zeremonie hatte der s(acerdos) M(atris) D(eum) Servandius Maternus. Pacatia Pacata, Tochter eines Decurios aus Augusta Treverorum, nahm die Testikel des Gallus Patricus Cybelicus stellvertretend für die Gottheit in Empfang, deponierte die vires und errichtete den Gedächtnisaltar. Die Zeremonie wird durch das auf gallischen Taurobolienaltären mehrfach erwähnte consummata bezeichnet.68 Der Gallus hat zudem ein theophores Cognomen, welches als Mystenname oder auch als Kultamt gedeutet werden kann.69 Bemerkenswert ist, dass diese Zeremonie durch ein Mitglied der Oberschicht der benachbarten civitas Treverorum veröffentlicht wurde. Wegen der Erwähnung des Priesters dürfen wir in Altiaium/Alzey ein Metroon vermuten.70 Einem Glücksfall ist es zu verdanken, dass auf einem 1996 entdeckten Quader mit Inschrift, der an der Nordseite der Porta Nigra gefunden wurde, eben jener Patricus Cybelicus erwähnt ist. Es handelt sich ebenfalls um eine Weihung an Magna Mater, die erst durch die Alzeyer Inschrift verständlich wird.71 Nach der Interpretation von L. SCHWINDEN hat der haruspex Arcadius in Einlösung eines Gelübdes der Großen Göttermutter einen Weihestein ge65 BOPPERT 2006 (im Druck). Frau Dr. Walburg Boppert sei an dieser Stelle herzlich für die Überlassung des Manuskriptes gedankt. 66 Lesung nach W. BOPPERT: [M(atri) D(eum) M(agnae) et v]iribus Patrici Cybeli ci. Pacatia Paca ta filia Pacati Pacatini d(ecurionis) c(ivitatis) Tr(everorum) consumata per Servandium Ma ternum s(acerdotem) D(eum) M(atris) III Idum Novembri um Perpetuo et C[or]ne[li] an[o] (co(n)s(ulibus). 67 Vgl. CIL 13,510 = ILS 4127 = I.L.A. 15 (Lectoure: S(acrum) M(atri) D(eum) Val(eria) Gemina vires esce pit Eutyche tis VIII kal(endas) April(es) sacer dote Traia nio Nundi nio D(omino) n(ostro) Gordi ano et Aviola co(n)s(ulibus). Dazu bes. SCHILLINGER 1979 Nr. 517 und SPICKERMANN 1994, 158 und 161 f. Nr. 8. Auch eine weitere Inschrift aus Bordeaux CIL 13,518 = ILS 4157 wird angesichts des Alzeyer Fundes als Evirationszeremonie zu deuten sein: Natalici viribus Valer(ia) Iullina et Iul(ia) Sancta; vgl. SPICKERMANN 1994, 164 f. und 168, der die Inschrift noch vorsichtiger deutet. 68 BOPPERT 2006 und SCHWINDEN 2006 mit Beispielen; vgl. SPICKERMANN 1994, 199 f. 69 Vgl. SCHWINDEN 2006. 70 Vgl. BOPPERT 2006. 71 Lesung nach SCHWINDEN 2006: Matri Deu[m] Magnae Ar cadius ar[u] spex Patr[i] co Cybelic[o] consumtu[s] votis con([ceptis). Ich danke Herrn Dr. Lothar Schwinden für die freundliche Überlassung des Manuskripts.
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stiftet. Er tat dies im Rahmen einer Zeremonie unter Beistand des aus Alzey bekannten Patricus Cybelicus. SCHWINDEN denkt bei der Zeremonie in Analogie zu den gallischen Inschriften an ein Opfer in Form eines Tauroboliums oder Crioboliums. Leider ist nicht zu klären, ob die Alzeyer Inschrift vor oder nach derjenigen in Trier liegt. Angesichts der häufigeren Zeugnisse des Magna Mater-Kultes im Bereich der militärischen Zone am Rhein und des großen Heiligtums in Mainz ist zu vermuten, dass er von dort in die Belgica getragen wurde. Patricus Cybelicus wird dabei zwischen Alzey, wo sich ja ein Metroon befunden haben wird, und Trier gewandert sein. Er könnte für die Verbreitung des Kultes in der belgischen Metropole gesorgt haben. Jedenfalls scheint er bei einer Frau aus den angesehensten Kreisen der Stadt Erfolg gehabt zu haben. Arcadius war wahrscheinlich einer der für Trier mehrfach bezeugten haruspices publici, der in Diensten des Heeres oder einer kommunalen Körperschaft gestanden haben könnte.72 Leider ist auf der Inschrift kein eindeutiges Kultamt genannt, so dass sich weitere Schlüsse in bezug auf eine Gemeinde der Magna Mater oder gar ein Metroon im Trier des dritten Jahrhunderts n. Chr. verbieten. Die beschriebenen Neufunde ergeben ein völlig neues Bild des Magna Mater- und Isiskultes im Rhein- und Moselraum. Zunächst muss festgestellt werden, dass schon in flavischer Zeit ein Doppelheiligtum für beide Gottheiten entstand, welches eng mit dem in Mainz dominanten Kaiserkult73 und dem Heer verbunden war. Die Dedikation der Frau eines Legionslegaten zeigt, dass sogar höchste Kreise den Kultplatz aufsuchten. In der Folge wurde das Heiligtum umgebaut und wohl weiter monumentalisiert und entwickelte eine gewisse Ausstrahlung. Jedenfalls zeugt der Alzeyer Inschriftenfund davon, dass dort im dritten Jahrhundert n. Chr. eine Kultgemeinde vorhanden war. Der Alzeyer Fund ist wiederum eng mit einem weiteren Fund in Trier verbunden. Galli sind zudem auf mehreren der Mainzer Fluchtäfelchen genannt und zwar in auffallender Weise in magischer Analogie zu den Verwünschten. Während Attis auf vier Fluchtafeln als helfender Gott angerufen und in das römische Pantheon anstelle des Iupiter eingegliedert wird, gelten seine Anhänger, die galli und die ebenfalls erwähnten bellonarii, als nicht offizielles Kultpersonal wegen ihrer Selbstverstümmelung aus der Gesellschaft ausgestoßen.74 Es ist zudem bemerkenswert, dass Attis, anders als bisher angenommen, schon im ersten Jahrhundert n. Chr. als eigene Gottheit angerufen wird. Zwölf weitere Täfelchen richten sich an Magna Mater, für Isis ist keines bekannt.75 Die Gründe für die Aufwertung des Attis sieht J. BLÄNSDORF in der Veränderung der privaten Religiosität seit augusteischer Zeit und auch durch die Aufwer72
SCHWINDEN 2006. Vgl. dazu SPICKERMANN 2003, 85 ff. 74 Vgl. BOPPERT 2006. 75 BLÄNSDORF 2004, 51. 73
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tung des Kybelekultes durch die Aufnahme der Dendrophoria in den römischen Festkalender.76 Die Texte der Fluchtafeln zeigen, dass galli und bellonarii als Verehrer der Kybele und der Maˆ Bellona schon im ersten Jahrhundert zum Alltag der Mainzer Kultgemeinde gehört haben. Schon in der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts n. Chr. existierten in der Provinzhauptstadt Kultgemeinden der Isis, der Magna Mater und des Mithras, die in der Folge eine beachtliche Ausstrahlung entwickelten. Ob das Ausbleiben der Fluchtafeln in hadrianischer Zeit so zu interpretieren ist, dass der Kybelekult unter Antoninus Pius durch Einrichtung der Kollegien der hastiferi enger an den Kaiserkult gebunden wurde, bleibe dahingestellt.77 Der Isis- und der Magna Mater-Kult vollzogen sich auch schon vorher in einem öffentlichen Rahmen und waren mit dem Kaiserkult verbunden, wie die zitierten Bauinschriften der Gründungsphase beweisen.78 Der Alzeyer Fund zeigt, dass die blutigen Rituale auch noch im dritten Jahrhundert vollzogen und vor allem öffentlich dokumentiert wurden.
3 Das Ende der Mysterienkulte Zu den jüngsten Zeugnissen der Mysterienkulte gehören ein 1999 entdecktes Mithräum, welches wohl zu einer villa rustica bei Bornheim-Sechtem gehörte und in seiner jüngsten Bauphase in die zweite Hälfte des vierten Jahrhunderts n. Chr. datiert werden kann. Der 13 mal 17 Meter große Bau hatte insgesamt drei Bauphasen und wurde wohl seit der ersten Hälfte des vierten Jahrhundert n. Chr. genutzt.79 Eine obergermanische Parallele bildet das Mithräum in Neustadt-Gimmeldingen bei Speyer, das am 23. Januar 325 n. Chr. in suo (auf eigenem Boden) errichtet wurde und auch zu einem Landgut gehörte.80 Über die Beschaffenheit des 1926 ergrabenen Kultbaus ist wenig bekannt, er hatte offenbar ein Holzdach, welches durch Feuer zerstört wurde.81 Auch das 10 mal 5 Meter große Mithräum von Rockenhausen in der Pfalz wurde zumindest bis zum Ende des vierten Jahrhunderts n. Chr. benutzt, da die jüngsten hier gefundenen Münzen aus der Zeit des Arcadius stammen.82 Es gehörte ebenfalls zu einer villa rustica. Die jüngsten Münzen aus dem Heiligtum von OrbeBosceaz in der Schweiz gehören in dieselbe Zeit, so dass man das Ende zu Beginn des fünften Jahrhunderts ansetzt.83 Auch das Heiligtum von Stras76
BLÄNSDORF 2004, 52. So BOPPERT 2006. 78 Vgl. oben, Anm. 26. 79 Vgl. zuletzt ULBERT 2004 und WULFMEIER 2004. 80 Vgl. SPICKERMANN 2003, 494. 81 CIMRM II, 125 Nr. 1313. 82 Vgl. SPICKERMANN 2003, 494. 83 Vgl. jetzt LUGINBÜHL; MONNIER; MÜHLEMANN 2004, 112 ff. 77
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bourg-Königshoffen wurde im vierten Jahrhundert noch benutzt.84 Zu nennen ist ferner ein Isisaltar aus Köln, in dessen Opferasche in der Vertiefung auf der Oberseite sich ein zirka 346 n. Chr. in Augusta Treverorum/Trier geprägtes Follis des Constans fand.85 Demnach ist der Kult noch im vierten Jahrhundert n. Chr. gepflegt worden. Der Fund eines Kybelereliefs im Matronenheiligtum von Bad-Münstereifel-Nöthen (Pesch) gehört in dessen dritte Phase aus dem vierten Jahrhundert n. Chr.86 Wir dürfen demnach davon ausgehen, dass die Mysterienkulte im städtischen wie im ländlichen Bereich zumindest noch im vierten Jahrhundert Anhänger hatten.
4 Die ‹orientalischen› Religionen und die lokalen Panthea Die Aufteilung der Mithräen und Metroen in Nieder- und Obergermanien zeigt ein sehr unterschiedliches Bild. So sind aus der Germania Inferior insgesamt nur zwölf Kultbauten für ‹orientalische› Gottheiten bekannt,87 während aus Germania Superior siebenunddreißig Mithräen, fünf Metroen oder andere mit dem Magna Mater-Kult zusammenhängende Kultbauten, und außer dem Heiligtum in Mainz noch ein weiterer inschriftlich bezeugter Isistempel nachgewiesen sind.88 Auch bei den inschriftlichen Weihungen ergibt sich ein ähnliches Bild: Niedergermanien zählt fünfzehn Dedikationen an Mithras, zehn an Isis und sechs an Magna Mater/Kybele, in Obergermanien ist das Verhältnis sechsundachtzig zu fünf zu elf. Dabei besteht nicht nur in der Quantität ein deutlicher Unterschied zwischen den Mithräen einerseits und den anderen Heiligtümern von Mysterienkulten andererseits. Metroen finden sich nur im Bereich größerer Ansiedlungen, vor allem in den Vororten der civitates oder den Lagervici. Zeugnisse des Isiskultes sind nach der Studie von G. GRIMM zwar über beide Provinzen verteilt, wirkliche Schwerpunkte lassen sich aber nur in der Colonia Claudia Ara Agrippinensium (CCAA)/Köln und nun auch in Mogontiacum/Mainz festmachen.89 In der Nähe von St. Gereon in Köln wird auch das Isisheiligtum vermutet, welches aufgrund der zahlreichen Funde für die Stadt anzunehmen ist. Hiernach lag es nicht weit von dieser Kirche und St. Ursula entfernt im Kölner Norden außerhalb der römischen Stadtmauern.90 Es konnte bisher jedoch archäologisch noch nicht nachgewiesen werden. Insgesamt fanden sich allein 84
Vgl. SPICKERMANN 2003, 494. N/L. 208 = SIRIS 721 = GALSTERER 1975, 21 Nr. 44 = GRIMM 1969 Nr. 16; vgl. 85 f. und Anm. 5; ferner PARLASCA 1955, 18 Nr. 4. 86 SCHWERTHEIM 1974, 38 f. Nr. 40. 87 Vgl. zuletzt ENGSTER 2002, 442 ff. 88 Vgl. die Zahlen bei ENGSTER 2002, 447 f. und 474, die auch alle Funde einbezieht. 89 Vgl. den Katalog bei GRIMM 1969. 90 GALSTERER 1987, 83 und 88; vgl. RISTOW 1980, 47. 85
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dreizehn Steinzeugnisse für den Kult, wobei ihre Zahl durch die neugefundenen Inschriften von St. Gereon noch erweitert werden konnte.91 Daneben sind zahlreiche weitere anepigraphische Funde bekannt.92 Ein Priester ist auf einem Bronzetäfelchen inschriftlich erwähnt, doch kann es nicht als gänzlich gesichert gelten, dass der Fund tatsächlich aus Köln stammt.93 G. GRIMM vermutet, dass ein Heiligtum aufgrund privater Initiative errichtet wurde. Ein mit Billigung des Stadtrates (l(ocus) d(atus) d(ecreto) d(ecurionum)), also öffentlich errichteter Altar, dokumentiert die Anerkennung des Kultes durch die munizipalen Organe im ausgehenden zweiten oder frühen dritten Jahrhundert n. Chr.94 Das einzige datierte Zeugnis ist die Dedikation eines Benefiziariers an IOM, Serapis und den Genius loci aus dem Jahr 179 n. Chr.95 Die anderen Dedikationen sind um diese Zeit oder zu Beginn des dritten Jahrhunderts n. Chr. erfolgt.96 So wird ab der Mitte des zweiten Jahrhunderts n. Chr. mit einer Kultgemeinde in der CCAA zu rechnen sein.97 Diese bestand aus einheimischen Männern und Frauen, die zum Teil germanische Namen hatten.98 In jeder Hinsicht bemerkenswert ist eine Weihinschrift auf einer Marmortafel an Sol Serapis cum sua cline durch eine Frau, namens Dextrinia Iusta, die sich selbst als Agrippinensierin bezeichnet.99 Die Weihung setzt eine organisierte Kultgemeinschaft voraus, die die cline des Sarapis feiert. Hiermit ist das feierliche Mahl der Sarapisgläubigen gemeint, das inschriftlich sonst nur im griechischen Osten belegt ist. Die Teilnehmer an diesem Mahl verzehrten die dem Gott dargebrachten Opfer selbst, wobei dieser als persönlich anwesend galt.100 Ein solches Kultmahl lässt sich auch für andere Gottheiten, zum Beispiel Mithras nachweisen.101 Dextrinia Iusta dürfte damit zu einer Mysteriengemeinde der Isis und des Sarapis gehört und das feierliche Mahl des Sarapis für die Gemeinde auf eigene Kosten ausgerichtet haben.102 Die Qualität der 91 Vgl. die Zusammenstellungen bei PARLASCA 1955, 18 f.; STOLTE 1986, 600 und 605; SPICKERMANN 1994, 362 und zuletzt HAASE 2001, 337 f. VERSTEGEN 2004, 134 spricht für St. Gereon von ca. 550 Spolien, darunter 45 Inschriftensteine, 70 Bilddenkmälern, 319 Architekturfragmente und Fragmenten. Die Verfasserin will diese Objekte demnächst vorlegen. 92 PARLASCA 1955 und der Katalog bei GRIMM 1969 Nr. 14–70 und 82 ff. 93 F. 289 = SIRIS 722 = GRIMM 1969 Nr. 18 = PARLASCA 1955, 18 Nr. 3. 94 N/L. 208 = SIRIS 721 = GALSTERER 1975, 21 Nr. 44 = GRIMM 1969 Nr. 16; vgl. 85 f. und Anm. 5; ferner PARLASCA 1955, 18 Nr. 4. 95 CIL 13,12052 = SCHALLMAYER et al. 1992, 61 Nr. 61. 96 GRIMM 1969, 88 f. 97 VIDMAN 1966, 114 f. = VIDMAN 1970, 121. 98 Vgl. SPICKERMANN 1994, 365 f. 99 CIL 13,8246 = SIRIS 720 = ILS 4394 = GALSTERER 1975 Nr. 135; vgl. SPICKERMANN 1994, 362. 100 VIDMAN 1966, 115; vgl. DERS. 1970, 116; ferner GRIMM 1969, 81 mit der Darstellung der bisherigen Forschung, wobei er auch den Deckel eines Kultgefäßes aus Westheim, Ldkr. Augsburg erwähnt, auf dem ein solches Kultmahl dargestellt ist. 101 PARLASCA 1955, 20 und Anm. 25; vgl. GRIMM 1969, 141 Anm. 2. 102 GRIMM 1969, 81 und bes. 83 f.
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sorgfältig gearbeiteten Marmorinschrift in Vergleich mit der schlichten Ausführung der anderen Dedikationen an Isis und Sarapis, lässt annehmen, dass die Stifterin recht wohlhabend war und innerhalb des Kultes eine angesehene Stellung hatte. Auch ist die Verbindung zum Kaiserkult durch die in Niedergermanien sonst seltene Formel in h(onorem) d(omus) d(ivinae) augenfällig. Aber auch Sklaven scheinen zur Gemeinde gehört zu haben. Dies belegt ein neugefundenes Graffito auf einem Tonrädchen, welches wohl zu einem fahrbaren Untersatz eines hölzernen Pferdchens mit Reiter gehörte. Da die Inschrift in den nassen Ton geritzt wurde, wird man die beiden genannten Dedikanten [Lu?]canus Regilli (servus) und Superbus für Arbeiter wohl der in antoninischer Zeit am Rudolfplatz produzierenden Terrakotta-Werkstätten halten müssen.103 Der außergewöhnliche Fund legt nahe, dass die beiden Arbeiter eines ihrer Produkte der Isis geweiht haben. Eine derartige Weihegabe aus dem persönlichen Umfeld unterstreicht den individuellen Bezug der Dedikanten zu ihrer Göttin, der sie während ihrer Arbeit ein Werkstück zueigneten. Bemerkenswert ist auch, dass mindestens einer von beiden des Schreibens mächtig war.104 Einblick in eine weitere Mysteriengemeinde gewährt ein Altar für die griechischen Semele und ihren Schwestern, der wegen einer der Stifterin verliehenen Priesterwürde geweiht wurde, die fortan den Titel mater nata et facta führte.105 Auf der linken Schmalseite sind ein Altar, ein Tamburin und ein Krummstab, auf der rechten ein Altar, ein geschmückter Stab aus dem Bacchuskult (thyrsus) und Klappern dargestellt. Der Altar wurde unter der Priesterschaft eines Seranius Catullus pater geweiht.106 Die Priesterämter, der Altarschmuck und die genannten Gottheiten sowie die große Verbreitung von Dionysosmotiven in Köln lassen annehmen, dass es in der CCAA im zweiten/dritten Jahrhundert n. Chr. eine Mysteriengemeinde des Dionysos-Bacchus mit den Kultämtern einer mater und eines pater (sacrorum) gab.107 M. J. VERMASEREN vermutet, dass der pater der Vorsteher einer Mithrasgemeinde war, die Beziehungen zu einer weiteren religiösen Gemeinschaft unter Leitung einer mater hatte.108 Der Kult ist im übrigen Niedergermanien nicht mehr 103
GALSTERER 1999, die die Inschrift in die zweite Hälfte des dritten Jahrhunderts datiert. GALSTERER 1999, 303. 105 CIL 13,8244 = ILS 3384 = GALSTERER 1975 Nr. 134 = E. VIII 6527; vgl. SPICKERMANN 1994, 367 f. = DERS. 1994a, 231 f. Nr. 3. 106 LIERTZ 1998, 67 sieht in Anlehnung an DEININGER 1965, 114 in Seranius Catullus einen municipalen Kaiserpriester, der zusätzlich Vorsteher einer Mysteriengemeinde war. Der Titel eines sacerdos ist andererseits auch für andere Kulte außerhalb des Kaiserkultes, vor allem orientalische Kulte vielfach bezeugt, so dass diese Annahme kaum zwingend erscheint; vgl. LADAGE 1971, 15 und 67 und die Neufunde aus Mainz. 107 DREXEL 1923, 11; vgl. SCHMITZ 1956, 135 f.; ferner RISTOW 1980, 44 f.; WALSER 1988, 82 f. Nr. 29; GALSTERER 1975, 38 und STOLTE 1986, 640. H. G. HORN, in: HORN 1987, 282 hält den Titel für den höchsten Mystengrad. 108 CIMRM 1027; anders HATT 1971, 240, der pater hier für ein Amt im Dionysoskult hält und auf den Dionysoskult von Königshoffen verweist. 104
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belegt. Da sich die Frau als mater nata et facta bezeichnet, hat sie das Amt durch Geburt erhalten und ist dann durch eine besondere Zeremonie eingesetzt worden (facta). G. WALSER vermutet wegen der Wendung ob honorem sacri matratus, dass die Kultgemeinde regelmäßig ein Sacrum Matratus genanntes Opferfest gefeiert hat, aufgrund dessen der Altar errichtet wurde.109 Insbesondere im Bereich der heutigen Schweiz fanden sich mehrere zum Isiskult gehörende Gegenstände wie ein sistrum und Tonreliefs mit Hieroglyphen in Lousonna/Lausanne-Vidy, sowie Apisstiere, Ton- und Bronzestatuetten und Architekturfragmente in Genava/Genf, Bern und Augusta Raurica/Augst.110 Fünfzig solcher bei G. GRIMM erwähnte Funde aus dem deutschen Teil von Obergermanien111 und zwei in SIRIS beschriebene Isisstatuetten aus Vesontio/Besanc¸on zeigen, dass der Kult im gesamten Bereich der Provinz verbreitet war.112 Jedoch scheint er dort nirgendwo so bedeutend gewesen zu sein wie in der CCAA/Köln und in Mogontiacum/Mainz. Die Stiftung eines Isis-Tempels für die Einwohner von Aquae Helvetiae/Baden ist auf einer Inschrift aus Wettingen bei Baden erwähnt. L. Annusius Magianus hat den Tempel von Grund auf aus eigenen Mitteln errichtet, wobei seine Frau und seine Tochter für dessen Ausschmückung einhundert Denare gegeben haben. Der Platz wurde aufgrund eines Beschlusses der Dorfbewohner zur Verfügung gestellt.113 Der Tempel wird im vicus selbst gestanden haben, wobei die Inschrift später nach Wettingen verschleppt wurde.114 Der Stifter dürfte ein wohlhabender Einwohner von Aquae Helveticorum gewesen sein. Eine Besonderheit der Inschrift ist, dass Frau und Tochter mit einem kleineren Betrag eigens erwähnt sind. Sie müssen so zu Lebzeiten des Mannes über ein eigenes Vermögen verfügt haben. G. WALSER merkt jedoch zurecht an, dass nach der Aufstellung von M. BANG schon eine einzige Statue ein Vielfaches von einhundert Denaren gekostet hat und die Preise im dritten Jahrhundert n. Chr., in das er die Inschrift datiert,115 durch die Inflation noch höher waren.116 Der Tempel muss also ein sehr bescheidenes Ausmaß gehabt haben oder es sind in Wirklichkeit einhunderttausend Denare gemeint.117 Bemerkenswert ist eine Beziehung des Stifters zur Ortsgemeinde, die den Platz für das Heiligtum durch einen formellen Beschluss zur Verfügung stellte. 109
WALSER 1988, 82 Nr. 29. FELLMANN 1988, 254; vgl. STÄHELIN 1948, 548 ff. 111 GRIMM 1969, Nr. 77–128. 112 VIDMAN 1970, 121. 113 H/M. 258; vgl. WALSER 1979/80, 158 Nr. 187; ferner SIRIS 714; GRIMM 1969, 84 Anm. 4 und DRINKWATER 1979, 238. 114 FELLMANN 1988, 254; anders STÄHELIN 1948, 548 Anm. 3. 115 Zur Datierung vgl. auch GRIMM 1969, 88 Anm. 2. 116 WALSER 1979/80, 158 Nr. 187; vgl. VIDMAN 1966, 114. Zu den Kosten von Statuen: M. BANG, in: FRIEDLÄNDER 1921–1922, 4, 312 ff. 117 Vgl. hierzu auch SPICKERMANN 1994, 305 f.; ferner DRINKWATER 1979, 238 und 429 und LOBÜSCHER 2002, 115. 110
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Beim Mithraskult überrascht die häufig bezeugte Verehrung nicht-mithrischer Gottheiten in den Mithräen, allen voran Mercurius.118 Mercurius galt zwar als Schutzgottheit des Weihegrades der coraces und als Planetengott, aber dies erklärt nicht sein auffällig häufiges Vorkommen in den Mithräen am obergermanischen Limes.119 A. HENSEN führt dies auf die Wesensähnlichkeit des Gottes mit Mithras zurück, da Hermes/Mercurius die Rinderherde des Apollo geraubt und das erste Rinderopfer dargebracht habe und er wie Mithras Mittler zwischen den Welten der Götter, der Menschen und der Toten gewesen sei.120 In den germanischen Provinzen wird diese Ähnlichkeit des Mythos jedoch nicht unmittelbar im Vordergrund gestanden haben, da die Mercuriusverehrung hier indigene Charakteristika aufwies.121 Das Mithräum von Mackwiller in der benachbarten Provinz Belgica wurde sogar in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts n. Chr. über einem indigenen Quellheiligtum errichtet und knüpfte an eine bestehende kultische Tradition des Gottes Narius Intarabus an, der zusammen mit Mithras weiter verehrt wurde. In der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts n. Chr. wurde das Mithräum dann abgerissen und aus seinen Bauteilen wiederum ein gallo-römischer Tempel errichtet, welcher die quadratisch eingefasste heilige Quelle umschloss.122 Das kleine, nur 9 mal 6 Meter messende Mithräum von Nuits-St. Georges ‹Les Bolards› aus dem zweiten Jahrhundert n. Chr. lag in unmittelbarer Nachbarschaft zu dem großem gallo-römischen Heiligtum auf demselben Kultplatz.123 Im Mithräum I von Stockstadt fanden sich Zeugnisse inschriftlicher und bildlicher Art von Iupiter, Mars, Mercurius, Hercules, Vulcanus, Victoria, Diana, Hekate, Iuno, Epona und vielleicht der Dea Artio. Eine Sitzstatue des Mercurius mit einer Weihinschrift für Mithras und Mercurius stammt aus dem zweiten Mithräum.124 In Königshoffen bei Strasbourg finden sich Cissonius und wohl auch Epona, in Dieburg die Darstellung einer Muttergottheit mit Kind, ferner trägt ein Herculesrelief eine inschriftliche Weihung an Mithras.125 Im Mithräum I 118
Vgl. dazu zuletzt HENSEN 1995 passim mit einer Zusammenstellung der Zeugnisse 215 f. HENSEN 1995, 214 f. führt in seiner Liste der Mercurbildnisse und -inschriften von 18 Zeugnissen nur vier außerhalb Obergermaniens an; vgl. ebd. 212. 120 HENSEN 1995, 214. 121 Dies räumt auch HENSEN 1995, 214 ein. 122 Vgl. bes. HATT 1970, 309 f.; ferner BIRKHAN 1997, 280; CIMRM II 1329–1331; CIMRM II 128 f. und CLAUSS 1992, 114, die den Ort fälschlich der Germania Superior zurechnen. Zuletzt WIEGELS 2000, 295 mit Lit. 123 DEYTS 1992, 128; zum großen Heiligtum siehe ebd., 71 ff. Vgl. GSCHAID 1994, 341 und Anm. 114, der zurecht darauf hinweist, dass das Miteinander von Kybele, Mithras und den traditionellen Gottheiten des römischen Pantheons auch für dieses Heiligtum kennzeichnend sei. 124 CIL 13,11788a = E. Germ. 309 = SCHWERTHEIM 1974, 147 f. Nr. 117 a = HUPE 1997, 186 Nr. 152: sitzender Mercurius mit Hahn, Bock, Schildkröte und Bacchusknaben auf dem Schoss. 125 F. 186 = E. Germ 246 = CIMRM II 1252 = SCHWERTHEIM 1974, 163 f. Nr. 123e; vgl. HUPE 1997, 106 Anm. 270. 119
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von Nida/Frankfurt-Heddernheim findet sich wiederum Epona, in Friedberg ein Altar für die Matronen, in Rückingen eine unbekannte einheimische (?) Göttin und im Mithräum I von Heidelberg-Neuenheim gar der Viergötterstein einer Iupitersäule. Kurz gesagt, fast das gesamte lokale Pantheon war in den Mithräen vertreten! E. SCHWERTHEIM weist darauf hin, das keines der außerhalb von Deutschland entdeckten Heiligtümer diese Besonderheiten aufweise. Er führt dies auf die ‹Toleranz der Kulte› zurück, wobei man sich der Mithrasreligion formell anschloss, aber weiter die alten Götter verehrte und damit in der Konsequenz den allein seligmachenden Anspruch dieser einen Religion ablehnte. In diesem Sinne seien auch die Weihungen von haruspices zu deuten.126 M. J. VERMASEREN bemerkt, dass Mithras verstärkt die römischen und die einheimischen keltisch-germanischen Götter bei sich aufnehme, um damit Propaganda für seinen eigenen Kult zu machen.127 Abgesehen davon, dass es kein Gott nötig hatte, ‹Propaganda› für seinen Kult zu machen, sind diese Sichtweisen allzu sehr durch die christliche Religion beeinflusst. Die einzelnen Städte und die späteren civitates in den römischen Provinzen fügten dabei ihren lokalen Panthea streng genommen keine neuen Götter hinzu, indem sie etwa die römischen übernahmen, sie deuteten sie vielmehr vor dem Hintergrund ihrer eigenen Symbol- und Werteordnung um und gaben ihnen so neue Identitäten.128 Große Metroen mit Kulttheatern in exponierter Lage wie in Lugudunum/Lyon und Vienna/Vienna verdeutlichen die enorme Bedeutung, welche die Kultgemeinschaften der Kybele in den Städten haben konnten. Entscheidend war dabei die Verbindung mit dem Kaiserkult.129 126 SCHWERTHEIM 1974, 285 f.; vgl. schon die Bemerkung bei DREXEL 1923, 62, dass dem Mithraskult ‹eine gewisse Propagandatätigkeit auch unter den Eingeborenen› nicht abzustreiten sei. Er habe diese aber ‹verhältnismäßig zahm getrieben› und ihnen die Verehrung der einheimischen Gottheiten in seinen Heiligtümern gestattet. CLAUSS 1990, 165 ff. und DERS. 1992, 124 hält die ‹altrömischen› Gottheiten im Mithraskult für Interpretationen von Tagegöttern oder Schutzgötter der Planeten und betont die Funktion des Mercurius als Hermes Psychopompos! Dem widerspricht schon allein die Darstellung des Mercurius und Bacchus aus dem Mithräum in Stockstadt, CIL 13,11788a = E. Germ. 309, die sicher nicht den Planetengott meint und ein typisches provinzialrömisches Motiv darstellt; vgl. HUPE 1997, 78 f. Zum Vorkommen von Mercurius in Mithräen: EBD. 105. Neben dem genannten haruspex aus Speyer ist noch einer aus dem Mithräum I von Stockstadt bekannt: CIL 13,11788 = SCHWERTHEIM 1974, 137 Nr. 116c. Grundlegend zu den inschriftlich belegten haruspices im Imperium Romanum: WIEGELS 1988, 17 ff. 127 VERMASEREN 1965; vgl. auch EUSKIRCHEN 1993, 704. 128 Vgl. BENDLIN 1997, 53 f. HUPE 1997, 106 weist in Anlehnung an VERMASEREN darauf hin, dass die Inkorporierung des Mercurius in die Mithrasverehrung der gallisch-germanischen Provinzen mit dem Ziel verfolgt worden sein könnte, die Anziehungskraft des Mithras auf die einheimische Bevölkerung durch das Hinzuziehen eines vertrauten Gottes zu erhöhen. Dies trifft zwar im Kern zu, doch kann man kaum von einer zielgerichteten Inkorporation sprechen, die quasi einen Plan (des Mithrasklerus?) unterstellt. Eher vollzog sich diese gemeinsame Verehrung von Mithras und Mercurius im Rahmen eines dynamischen und ungelenkten Prozesses, der ja auch zur Ausbildung einer gallo-römischen Provinzialreligion geführt hatte.
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Auch der Mithraskult machte da keine Ausnahme. Die Rekonstruktion des großen Heiligtums von Martigny korrigierte ältere Vorstellungen von eher verborgenen Kulthöhlen doch erheblich und zeigt, dass die meist frei stehenden Mithräen in Obergermanien ebenfalls einen Temenos hatten, auch wenn die alten Ausgrabungen nichts davon bemerkt haben.130 Einen Sonderfall stellt noch das gegen Mitte des zweiten Jahrhunderts n. Chr. entstandene Mithräum von Strasbourg-Königshoffen dar, weil es nicht nur das einzige bisher bekannte Heiligtum dieser Art des Tribocergebietes ist, sondern auch durch seine Größe und Bedeutung sowie die Vielzahl der hier verehrten Gottheiten, unter anderem Epona und Cissonius, seinesgleichen sucht.131 Der erste Bau war ganz als Höhlentempel angelegt und seiner Länge nach in einen Lößhügel hineinverlegt. Seine Maße betrugen 6,5 mal 14,5 Meter. Neben dem Eingang fand sich ein kleiner Schatzfund von neun Mittelbronzen von Trajan bis Marcus Aurelius.132 Um 225 n. Chr. wurde der Bau noch einmal um mehr als die doppelte Länge vergrößert, so dass er zuletzt 31 mal 8,75 Meter maß und das alte Mittelschiff jetzt als Atrium nutzte.133 Da das Ziegeldach auf einer Fachwerkkonstruktion sich in mindestens drei Metern Höhe über den Bänken befand, wird das Gebäude trotz des Lößhügels nach außen gut sichtbar und als großes, repräsentatives Heiligtum erkennbar gewesen sein. Wie in Martigny wird den Bau daher ein Temenos umgeben haben. Es scheint, dass das Mithräum die Funktion eines zentralen Heiligtums im Vicus von Königshoffen einnahm. Es ist daher mit gewissem Recht zu vermuten, dass ein repräsentativer Altar sowie hier gefundene Iupiter(giganten)säulen aus dem Bereich dieses großen Heiligtums stammen. Von den zwanzig inschriftlichen Dedikationen beginnen acht mit der Loyalitätsformel in h(onorem) d(omus) d(ivinae); der Kult wurde damit assoziativ mit der Kaiserverehrung verbunden.134 Außer einem großen Kultbild fanden sich noch zehn Bildzeugnisse, darunter zwei des Mercurius und eins des Iupiter Dolichenus.135 An Funden aus dem Umkreis sind ferner noch eine Dedikation an die Suleviae, ein Altar für Mercurius 129
Vgl. dazu SPICKERMANN 1994, 116 ff. HULD-ZETSCHE 2001, 340 f. 131 FORRER 1915; CIMRM II 1335–1375; E. KERN, ‹Strasbourg-Königshoffen (Bas-Rhin)›, in: PETIT; MANGIN 1994, 157 f.; CLAUSS 1992, 112 f.; WIEGELS 2000, 298 mit Lit. und ENGSTER 2002, 467 f. Inschriften: CIL 13,11606–11619; E. VII 5537. Zur Cissonius-Weihung: HENSEN 1995, 216 Nr. 15. Die Epona-Weihung CIL 13,11601 fand sich in den Fundamenten eines Hauses in der Nähe des Mithräums; vgl. EUSKIRCHEN 1993, 818 Nr. 254. Auf den Seiten des Altars sind ein Ziegenbock und ein Schwein dargestellt, wodurch sich vielleicht Verbindungen zu Mercurius ergeben: ebd. 702. 132 FORRER 1935, 68. 133 CIMRM II 1335; vgl. FORRER 1935, 175 f. und DERS. 1915, 24 ff. und 85 ff. 134 CIL 13,11606, 11608, 11609, 11610, 11611a, 11612a, 11613 und F. 135. 135 Kultbild: E. VII 5330 = E. X S. 14 f. = CIMRM II 1359; Mercurius: E. VII 5519 und 5525; Dolichenus: E. KERN, ‹Strasbourg-Koenigshoffen (Bas-Rhin)›, in: PETIT; MANGIN 1994, 157–159, 159. 130
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und ein kleiner an I(upiter) O(ptimus) M(aximus) zu nennen.136 Nur einer der Dedikanten gibt sich als Soldat zu erkennen, der wohl anlässlich der Vergrößerung des Heiligtums für ein neues Kultbild sorgte.137 Angesichts der direkten Nachbarschaft des Mithräums zum Legionslager in Strasbourg wird die Initiative zur Errichtung des Heiligtums auf Soldaten zurückgegangen sein.138 Mithräen kamen, anders als Metroen und Dolichena, in jedem Lebensumfeld vor. Man findet sie in Städten, vici, in Militärlagern, aber auch im Bereich von Gutshöfen. R. WIEGELS hat für Germanien und die angrenzenden Gebiete allein vierundsiebzig Fundorte mithrischer Denkmäler erfasst.139 Wir dürfen daher einen hohen Bekanntheitsgrad und eine große Akzeptanz des Kultes voraussetzen, wenn auch die Kultgemeinschaften im Einzelfall recht klein gewesen sein mögen. Letzteres könnte insbesondere für die bei villae rusticae gefundenen Mithräen gelten. Dabei ist anzunehmen, dass ihre Existenz auf die Vorliebe des Gutsbesitzers zurückging, der dieses Heiligtum vielleicht anstelle eines anderen oder zusätzlich errichten ließ. Hierzu bedurfte es aber auch einer festen Kultgemeinschaft mit Weihegraden, was erforderte, dass auf dem Gut oder in seiner Umgebung genügend Anhänger des Mithras lebten. Der große Bekanntheitsgrad dieser Religion bedingte, dass die Mithrasreligion zum ‹religiösen Alltag› der germanischen Provinzen gehörte. Die Anlage der Heiligtümer in Form von Höhlen war durch die religiösen Inhalte und Zeremonien bestimmt, welche auch spezielle Lichteffekte erforderten, was zum Beispiel auch die vor allem in Germanien bezeugten drehbaren Kultbilder verdeutlichen.140 Möglicherweise gab es in den Dächern der Mithräen wie in Ostia und Rom verschließbare Öffnungen zur Beobachtung des Himmels.141 In jedem Falle dürften die Heiligtümer als solche von profanem Gebiet abgetrennt und damit – wie jeder andere Kultplatz auch – von außen erkennbar gewesen sein. Die Mithräen waren damit in die sichtbare Ordnung der öffentlichen und privaten Kultplätze eingereiht. Sie konnten sowohl mit öffentlichen Kultplätzen in Verbindung stehen, wie sich etwa für Nuits-St. Georges ‹Les Bolards› nachweisen lässt, oder auch im Bereich von Landgütern liegen. Der Mithraskult stand damit immer in Beziehung zu anderen Kulten.142 Auch die gelegentlich gefundenen Brandgräber von Mysten im Bereich von Mithräen wie in Wiesloch oder in Stockstadt haben ihre Parallelen bei anderen Kultplätzen.143 136
AE 1978, 564 (Suleviae); CIL 13,5968 (IOM) und 5966 (Mercurius). CIL 13,11608 und 11609 = CIMRM II 1362. 138 FORRER 1915, 27 weist darauf hin, dass das Fehlen jedes Legionsstempels einen von Seiten der Legion unternommenen Bau verneint, die aktive Teilnahme von Soldaten der VIII. Legion aber nicht ausschließt. 139 WIEGELS 2000, 289 ff. 140 SCHWERTHEIM 1974, 284 f. 141 HULD-ZETSCHE 2001, 341. 142 Vgl. SCHEID 2001, 102. 137
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Spezifische Kultinhalte, eine Kleiderordnung im ‹orientalischen› Stil, welche wahrscheinlich auch die Hierarchie der Weihegrade symbolisierte,144 fremdartige Bräuche wie Mutproben bei Einweihungszeremonien145 und eine eigentümliche Kultorganisation mit einer festen Hierarchie und zahlreichen sukzessiv folgenden Initiationsriten unterschieden die Mysterienkulte von den meisten anderen lokalen, regionalen und überregionalen Religionen.146 Die Exklusivität dieser Kulte bezog sich nicht, wie später beim Christentum, auf die anderen Kulte, indem ein eifersüchtiger, absoluter Gott verkündet wurde, sondern auf seine Anhänger, die durch Initiationsriten zu Mitgliedern der Kultgemeinschaften wurden. Die Mysten unterwarfen sich damit zwar dem Reglement und vor allem den Mysterien einer exklusiven Gruppe, mussten jedoch nicht etwa ihren alten ‹falschen› Glauben ablegen. Die althergebrachten Gottheiten wurden vielmehr in die neue Religion integriert, wie umgekehrt die Mysterienkulte Teile eines lokalen und regionalen Pantheons gewesen zu sein scheinen. Für den Gläubigen hatten sich durch den Beitritt zu einem Mysterienkult zwar die Gewichte deutlich zugunsten eines Gottes verschoben, er musste aber nicht allen anderen abschwören. Im Gegenteil, es entwickelten sich sogar Mischformen. Eine im Mithräum I von Stockstadt gefundene Statuette des Mercurius zeigt diesen in klassischer Weise mit Geldsack und Bock. Dabei trägt er auf dem linken Arm ein Kind, um das sich eine Schlange ringelt.147 Der Bacchusknabe und das Schlangensymbol des Mithraskultes sind dabei eine Verbindung eingegangen. Parallelen hierzu finden sich zum Beispiel im Mithräum in einem Privathaus von Dura-Europos. Hier verschmolz Mithras mit dem semitischen Berggott Turmasgades.148 Als weitere Besonderheiten des Mithräums finden sich noch individuelle und sonst unbekannte Weihegrade der Kultgemeinschaft, zum Beispiel magus (Magier) und petitor (Bewerber).149 An den Wänden des Mithräums fanden sich die eingeritzten Kosten des Kultmahls (angefangen mit Fleisch, Wein und Sauce). 143
Erinnert sei z. B. an die oben angeführten Verbindungen von Heiligtum und Nekropole in Avenches ‹En Chaplix›, Niederzier ‹Eschergewähr› und wahrscheinlich auch StuttgartBad Cannstatt. Bisher wurde die Verbindung vom Heiligtümern und Grabkult m. E. viel zu wenig untersucht. 144 Vgl. z. B. die Darstellungen auf dem Mainzer Krater oder die Beschreibungen eines Kodex-Papyrus aus Ägypten, der wahrscheinlich ein mithrischer Katechismus war; vgl. HULD-ZETSCHE 2001, 345. 145 Hierauf verweisen die Funde von Kultschwertern aus Riegel und Güglingen sowie die Darstellung auf dem Krater von Mainz; vgl. HULD-ZETSCHE 2001, 343 f. 146 Vgl. allgemein zum Mithraskult CLAUSS 1990 und MERKELBACH 1984. 147 E. Germ. 294 = HUPE 1997, 185 f. Nr. 149. 148 CLAUSS 1990, 164 und HAIDER 1996, 174 f., der sogar eine Verschmelzung mehrerer Gottheiten zu Zeus Helios Mithras Hagios Hypsistos Epekoos Turmasgades belegt. Zum Mithräum von Dura-Europos vgl. WELLES 1970 und GILLIAM 1974. 149 CLAUSS 1990, 146, der auch noch die Weihegrade στερεω τη (Befestiger des Himmelsgewölbes?) und αÆ ντιπατη ρ (eine Vorstufe des pater) nennt.
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5 Schluss: Funktion der Mysterienkulte in Germanien Es soll hier nicht bestritten werden, dass die so genannten Mysterienkulte durch ihre besondere Theologie und ihre Exklusivität einen einmaligen Reiz in Konkurrenz zu anderen Religionen ausgeübt haben. Der Erfolg dieser Kulte beruhte vor allem darauf, dass die Eingeweihten nach ihrem Tod ein besseres Leben erwarten durften. Man hatte also konkrete Jenseitsvorstellungen, darauf verweisen auch die Mystengräber in der Nähe von Mithräen. In solche Mysteriengemeinden konnte man nur durch längere Vorbereitungen und Unterweisungen aufgenommen werden, sie standen in der Regel aber allen Schichten offen. Diese Kulte boten ihren Anhängerinnen und Anhängern damit weit mehr als die herkömmlichen und formalen Formen der Götterverehrung: erstens die Hoffnung auf eine persönliche Erlösung, zweitens die Erklärung der Welt durch eine kosmische Dimension des Seins und drittens die Integration in eine Mysteriengemeinde von Eingeweihten mit symbolträchtigen, dramatischen und faszinierenden Ritualen.150 Einzigartig bleibt dabei der exklusive Charakter des Mithraskultes, der Frauen ausschloss, doch auch dies war der mediterranen Tradition bekanntlich nicht fremd. Allenthalben entwickelten sich dennoch Schnittmengen in der Verehrung der Gottheiten. Einerseits konnten, wie gezeigt, fremde Gottheiten in Mithräen und Metroen verehrt werden, weil diese als Heiligtümer wie alle anderen auch angesehen wurden, in denen üblicherweise mehrere Gottheiten nebeneinander verehrt werden konnten. Sie finden sogar, zum Beispiel als Götterversammlung, Eingang in die Darstellung mancher rheinischer Kultreliefs des Mithras,151 und zwar nicht als Planeten- oder Tagesgötter, sondern als Repräsentation des lokalen Pantheons, in das sich der Mithraskult einreiht, beziehungsweise dem Mithras für seine Anhänger in henotheistischer Weise übergeordnet ist. Dabei hat es im Einzelfall gewisse Affinitäten fremder Gottheiten zum Mithraskult gegeben. Der sonst in Germanien nicht mehr belegte Mercurius Quillenius aus dem Mithräum von Groß-Gerau trägt den griechischen Hermes-Beinamen Kylle´nios, war also sicherlich kein einheimischer Gott.152 Sogar Attis konnte, wie auf dem Mainzer und dem Groß-Gerauer Fluchtäfelchen deutlich wird, als Vater der Dioskuren und Herr des Olymp an die Stelle von Iupiter treten. Ein großer Teil der Weihungen an die analysierten Gottheiten erfolgte ferner in Erfüllung von Vota. Dies ist die römische Form der Weihung. Ihre inschriftliche Veröffentlichung setzt ferner voraus, dass die angerufene Gottheit auf die gleiche Weise mit den Gläubigen kommuniziert wie die anderen Gottheiten des Pantheons, und die Kultgemeinschaft dies wohlwollend zur Kennt150
Vgl. WIEGELS 1979, 46 ff., ferner CLAUSS 1990, 24 f. Beispiele bei SCHWERTHEIM 1974, 286. 152 HUPE 1997, 196 f. Nr. B 13, anders SEITZ 1991, 28. 151
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nis nahm, ja der pater dazu ausdrücklich seine Erlaubnis gab.153 Daher können auch Denkmäler dieser Kulte aus den Heiligtümern anderer Gottheiten stammen, Beispiele sind der Fund eines Kybelereliefs im Matronenheiligtum von Bad-Münstereifel-Nöthen (Pesch)154 und der Kultbezirk vom Gepa-Platz am Südwestrand des Auxiliarlagers von Neuss-Grimlinghausen, wo die Verehrung von Kybele, Iupiter und der Matronen bezeugt ist.155 Die so genannten Mysterienkulte müssen daher trotz ihrer Fremdartigkeit vor dem Hintergrund des lokalen Pantheons der germanischen civitates gesehen werden, in das sie sich einreihen und das sie umgekehrt rezipieren.156 Die Neufunde aus Mainz und die Größe mancher Heiligtümer sprechen dafür, dass die Mysteriengemeinden öffentlich wahrgenommen und sogar von den Stadt- und Vicusadministrationen gefördert wurden. Auch bestimmte Zeremonien werden Ähnlichkeiten mit anderen Kulten besessen haben, so zum Beispiel das Kultmahl, für das die ‹Kulthöhlen› ja wie ein Speiseraum gestaltet waren. Gastgeber des Mahles war Mithras selbst, der, wie in allen anderen mediterranen Kulte auch, repräsentiert durch sein Kultbild am Mahl teilnahm.157 Als weitere Parallelen zu anderen Kulten sind ähnliche Formen von Kultgeschirr158 und die Deponierung der Knochen von Opfertieren in Opfergruben wie bei den Heiligtümern der bodenständigen Kulte nachgewiesen.159 Hier gab es natürlich auch 153 Vgl. z. B. FRENZ 1992, 125 Nr. 110 = AE 1979, 425 (Mainz, Mithräum am Ballplatz 2): permittente Primulo patre ex voto p(osuit) l(ibens) l(aetus) m(erito). 154 SCHWERTHEIM 1974, 38 f. Nr. 40. Für den Mithraskult wäre dies noch näher zu untersuchen. 155 Vgl. HORN 1984, 102. Hier fand sich auch ein Schlangenkrater aus der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts n. Chr., der vielleicht mit dem Mithraskult verbunden werden kann; vgl. HORN 1984, 116 und 115 Abb. 79. 156 Insofern ist es zu bedauern, dass die wichtige Arbeit von DERKS 1998 diese Kulte nicht berücksichtigt. CLAUSS 1992, 123 geht davon aus, dass hauptsächlich Privatpersonen der Gemeinschaft das Land für die Heiligtümer zur Verfügung stellten. Die Größe, Lage und Ausführung des Heiligtums von Martigny lassen an einer rein privaten Nutzung zweifeln, die Mithrasgemeinde muss so bedeutend innerhalb des Ortes gewesen sein, dass dieser ihr den Bau eines großen Heiligtums in zentraler Lage gestattete. Ähnliches dürfte für das zwanzig Meter lange Mithräum vom Ballhausplatz in Mainz gelten. Auch kam vor kurzem mit der Bronzetafel von Virunum eine Bauinschrift eines Mithräums ans Licht, die von 183–201 n. Chr. 98 Mitglieder des album sacratorum aufzählt. Hier kann mit gewissem Recht auf eine große und einflussreiche lokale Kultgemeinschaft geschlossen werden; vgl. HULD-ZETSCHE 2001, 346. 157 Vgl. CLAUSS 2001, 221. 158 In Riegel wurde das zuletzt benutzte Kultgeschirr aus Becher, Kannen, Tellern und Räuchergefässen in situ im Vorraum geborgen; vgl. HULD-ZETSCHE 2001, 343. Spezielle Trinkbecher fanden sich im neu entdeckten Mithräum von Güglingen: siehe A. NETH, Archäologie in Deutschland H. 6, 2002, 4. 159 In der Kultgrube von Wiesloch wurde z. B. eine große Anzahl von Knochen von Rind, Schwein, Schaf und Pferd gefunden; vgl. HULD-ZETSCHE 2001, 342. Im Mithräum III von Nida/Frankfurt-Heddernheim fand sich auf der linken Seite der cella eine Kultgrube mit den Knochen von Geflügel, Ziege und Schaf. Zum Kybele/Isisheiligtum von Mainz vgl. oben S. 131–137.
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Unterschiede zu den anderen Kulten, dennoch werden diese nicht so gravierend gewesen sein, dass von einer vollkommenen Andersartigkeit der Mysterienkulte gesprochen werden darf.160 Die Verbreitung des Mithraskultes zeigt einen deutlichen Schwerpunkt im Bereich der Kastellorte an den limites.161 Einige Heiligtümer lagen sogar in unmittelbarer Nähe der Kastelle. So dürfte es sehr wahrscheinlich sein, dass der Mithraskult über das Heer nach Germanien gekommen war. Die feste Hierarchie der Mysten, die Exklusivität des Kultes als reiner Männerkult und sein göttlicher Erlöser, der im Kampf mit dem Stier die Welt erschuf, werden den Mithraskult in der Tat für Soldaten besonders attraktiv gemacht haben. Dennoch ist ihre Zahl unter den inschriftlich bezeugten Mithras-Anhängern weitaus geringer als die der Zivilpersonen.162 D. ENGSTER bemerkt zu Recht, dass in Obergermanien diejenigen ‹orientalischen› Götter populär waren, die ihre Anhängerschaft vor allem unter den Soldaten fanden.163 M. CLAUSS verweist darauf, dass die meisten Inschriften nicht genau datierbar sind und aus der Zeit zwischen 150 bis 250 n. Chr. stammen, als sich der Kult auch schon bei der um die Lager wohnenden Zivilbevölkerung etabliert hatte. Dort hielt er sich auch nach etwaigem Abzug des Militärs. Zu den Verehrern gehörte vornehmlich die ortsansässige Bevölkerung verschiedenster Berufsgruppen. Unter den Soldaten dominieren die mittleren Ränge.164 Bei aller Vorsicht lässt sich sagen, dass sich die Anhänger des Mithraskultes in Germanien aus den Bevölkerungsgruppen rekrutierte, die auch die Hauptträger der bodenständigen Kulte waren. Diese integrierten den Kult im Laufe der Zeit in ihr religiöses System und gaben ihm wie bei allen anderen Kulten auch eine neue Funktion und Identität vor dem Hintergrund ihres spezifischen Symbol- und Wertesystems. Besonderheiten in den germanischen Provinzen wie die an ikonographisch festgelegter Stelle erscheinenden Darstellungen von Leo und Krater und die ‹rheinische Form› der drehbaren Kultbilder belegen dies. Ferner gab es offenbar Kontakte der örtlichen und überörtlichen Gemeinden zur Festlegung einer einheitlichen regionalen Ikonographie.165 Dabei scheinen die einzelnen Mithrasgemeinden, was schon die Größe der meisten Heiligtümer zeigt, auf einen kleinen, überschaubaren Kreis begrenzt gewesen zu sein, so dass sich an einigen Orten mehrere parallele Mithräen und damit auch mehrere Mithrasgemeinden befunden haben.166 160 ‹Einmalig ist jedoch die beobachtete Deponierung von ausgelesenen paarigen Knochen einer Rabenkrähe, die von Bodenfragmenten einer Ölamphore schützend bedeckt waren; darauf lag ein Pferdeschädel. Unzweifelhaft lag dieser Anordnung eine priesterliche Zeremonie zugrunde, deren Sinn uns verborgen bleibt,› HULD-ZETSCHE 2001, 342. 161 Vgl. die Karte 1 bei WIEGELS 2000. 162 SCHWERTHEIM 1974, 269 f.; vgl. CLAUSS 1992, 123 und BOPPERT 2001, 370. 163 ENGSTER 2002, 475. 164 CLAUSS 1992, 123. 165 HULD-ZETSCHE 2001, 350 ff.
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Die Größe, Lage und Ausführung der Heiligtümer von Martigny, Strasbourg-Königshoffen und Mainz lassen an einer rein privaten Nutzung zweifeln, die Kultgemeinden müssen innerhalb der Orte so bedeutend gewesen sein, dass diese ihnen den Bau großer Heiligtümer in zentraler Lage gestattete. Dies gilt insbesondere auch für das neu gefundene Heiligtum der Isis und der Magna Mater in Mainz, welches eine repräsentative Größe hatte. Zu den Trägern gehören Freigelassene der kaiserlichen Administration und unter den Dedikanten von Weihesteinen befindet sich die Frau eines Legionslegaten. Dies unterstreicht die Bedeutung des Heiligtums, welches inschriftlich explizit mit Kaiser und Heer verbunden wird. Unter den Dedikanten von inschriftlichen Weihegaben finden sich gleichwohl Angehörige aller Schichten; vor allem die Fluchtafeln an Attis und Magna Mater zeigen, dass dieser Kult sehr populär war. Dies gilt insbesondere auch für Alzey, wo wir ein Metroon vermuten dürfen, in dem noch im dritten Jahrhundert n. Chr. die Eviration eines Gallus stattgefunden hat. Zelebrantin war die Tochter eines Decurios aus Augusta Treverorum/Trier, also ein Mitglied der munizipalen Elite. In Trier selbst finden wir dann den Gallus als Zeugen einer Weihung an Magna Mater wieder, was die enge Verbundenheit der beiden Gemeinden zeigt. In Unterschied zu vielen anderen Kulten, die über die Rhoˆne-Rhein-Linie ihren Weg nach Germanien fanden, kommt Mogontiacum/Mainz die zentrale Funktion bei der Verbreitung der Mysterienkulte zu. Hier wurde anscheinend das erste große Mithräum sowie der Doppeltempel für Isis- und Kybele schon in flavischer Zeit errichtet. Die Träger dieser frühen Heiligtümer scheinen aus der kaiserlichen Zentrale oder aus dem Heer gekommen zu sein. Die Funktion von Mogontiacum als ‹politischer Wallfahrtsort›, an dem jährlich die Zeremonien für die verstorbenen kaiserlichen Prinzen Drusus und Germanicus stattfanden, wird dazu beigetragen haben, die Kulte zumindest im germanischen und nordostgallischen Raum zu verbreiten.
Bibliographie CIMRM = VERMASEREN, M. J., Corpus Inscriptionum et Monumentorum Religionis Mithraicae. Bde., Den Haag 1956–1960. E. = ESPE´ RANDIEU, E´., Recueil ge´ne´ral des bas-reliefs, statues et bustes de la Gaule romaine. T. I-XI, Paris 1907–1938; T. XII-XV, Paris 1947–1966 (R. LANTIER). E. Germ. = ESPE´ RANDIEU, E´., Recueil ge´ne´ral des bas-reliefs, statues et bustes de la Germanie Romaine. Comple´ment du Recueil ge´ne´ral des bas-reliefs, statues et bustes de la Gaule romaine. Paris/Brüssel 1931 (Repr. Ridgewood, New Jersey 1965). F. = FINKE, H. 1927. ‹Neue Inschriften›, Bericht der Römisch-Germanischen Kommission 17, (1929), 1–107 u. 198–231.
166 BOPPERT 2001, 370. Anders scheinen die Kultgemeinschaften von Martigny und Virunum relativ groß gewesen zu sein; vgl. oben S. 151, Anm. 156.
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Rekonstruirter Tempelgrundriß Mainz am Ballplatz M. 1:250 grau = belegt weiß = ergänzt hellgrau = bezeugt, aber nicht eingemessen.
Abb. 1: Rekonstruierter Grundriss des Mithräums am Ballplatz (nach Huld-Zetsche 2004, 214 Abb. 1)
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Abb. 2: Seitenansicht des Mainzer Kraters mit eingesetzten Raben (nach Huld-Zetsche 2004, 224 Abb. 16
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Abb. 3: Isis und Mater Magna-Heiligtum, Mainz. Karte des römischen Sakralbezirks (nach Witteyer 2004; Anhang Abb. 15)
Abb. 4: Bauinschrift für Isis Panthea, Mainz (Nach Witteyer 2003, 6 Abb. 4)
Dionysische Gruppen als ein städtisches Phänomen der römischen Kaiserzeit von
ALFRED SCHÄFER Religiöse Vereinigungen, die sich aus Mitgliedern oder ‹Eingeweihten› konstituieren, waren im Imperium Romanum weit verbreitet.1 Der Einzelne konnte zwischen den vielfältigen Angeboten zu religiösem Zusammenschluss wählen und sich durchaus für mehrere Gemeinschaften entscheiden, insofern dies in Einklang zu bringen war. Ein Auswahlkriterium für die Mitgliedschaft in einem religiösen Verein ist sicherlich das Element der Gruppenzugehörigkeit gewesen, welches durch sozial-gesellige und religiöse Inhalte gepflegt wurde. So haben gemeinsame Mahlzeiten, sakrale Rituale, Totenkult und öffentliche Präsenz in Festzügen identitätsstiftend gewirkt.2 Als konstitutiv für die kollektiven Handlungen und Erfahrungen innerhalb des Vereins können zeitliche, personelle und räumliche Organisationsstrukturen gelten. In den leges collegii wird deshalb der Festkalender genau bestimmt. Eine interne Ämterhierarchie sollte mit ihren Funktionsbereichen geordnete Zusammenkünfte gewährleisten. Regelungen für das Vereinsmahl und dessen Finanzierung nehmen oft einen großen Platz in den Vereinsstatuten ein. Hingegen ist das breite Spektrum des Kultes nur selten aus den Satzungen erfahrbar, denn sakrale Handlungen unterlagen in geringerem Maße einer Rechenschaftspflicht als etwa die Führung der Vereinskasse. Die Konzentration auf organisatorische Aspekte in den Vereinsstatuten besitzt Parallelen zu den staatlichen Richtlinien für den Aufbau einer Bürgergemeinde.3 Auch in den Kolonien römischer Bürger sollten Magistrate satzungsgemäß gewählt, der lokale Festkalender aufgestellt und die Kultakte (sacra) finanziell abgesichert werden.4 Offensichtlich liegt eine Übernahme traditioneller Kriterien, die nach römischem Verständnis eine städtische Gemeinschaft oder Körperschaft ausmachen, von einer öffentlichen zu einer privaten Organisationsform vor. Über den äußeren Rahmen sind wir deshalb recht gut informiert. Wie sind nun aber die Rituale in den Vereinen, die sich 1
BENDLIN 2002; ZIMMERMANN 2002, 1–10. BOLLMANN 1998, 32–37; RÜPKE 2001, 200–202; BURKERT 2003, 47. 3 LAFER 2001, 46. 4 AMES 1998, 45–76; RÜPKE 2001, 43–44. 2
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explizit als Kultvereine konstituiert haben, konkret gestaltet worden? Gibt es neben den vereinsinternen Kommunikationsstrukturen auch religiöse Handlungen, die sich auf öffentliche Kulte bezogen oder in der Öffentlichkeit stattgefunden haben? Waren religiöse Vereine ein städtisches Phänomen? Am Beispiel der dionysischen Vereine Kleinasiens und des Donauraums soll dieser Fragestellung nachgegangen werden. Aufgrund einer günstigen Überlieferungslage ist zunächst die kleinasiatische Stadt Ephesos als Wirkungsraum dionysischer Thiasoi in der römischen Kaiserzeit ausgewählt worden. Im Anschluss sollen Mysterienvereine an der unteren Donau sowie ein Liber PaterHeiligtum in Apulum, dem heutigen Alba Iulia in Rumänien, vorgestellt werden, dessen Ausgrabung ich in den letzten Jahren gemeinsam mit einem englischen und rumänischen Kollegen betreuen konnte.
1 Ein Privathaus als Amtslokal einer dionysischen Kultgemeinschaft Am westlichen Ende der Kuretenstraße von Ephesos sind zwei insulae großflächig ergraben worden, deren Wohneinheiten auf mehreren Terrassen am auslaufenden Hang des Bülbüldag errichtet worden sind.5 Das so genannte Hanghaus 2, das den westlichen Wohnblock in seiner Gesamtheit bezeichnet, verfügt über eine Grundfläche von zirka viertausend Quadratmeter.6 In unserem Zusammenhang soll die Wohneinheit 6 der insula näher betrachtet werden, da es sich um die Stadtresidenz eines Dionysospriesters handelt. Der Komplex umfasst im Erdgeschoss eine Fläche von neunhundertfünfzig Quadratmetern und ist von der Kuretenstraße aus zugänglich gewesen (Abb. 1). Vom Eingang in der Nord-Ost-Ecke erschließt sich dem Besucher der zweigeschossig zu rekonstruierende Peristylhof, über den die Belichtung der angrenzenden Gemächer erfolgt. An der Südseite des offenen Hofes befindet sich ein langgestrecktes Brunnenbecken,7 das auf der Pfeilerbekrönung der Rückwand eine Inschrift trägt: Διο νυσος ÍΟρειος Βα κχιος προÁ πο λεως ουÎ ιë εραÄ ται Γα ιÈος ϕλα βιος Φου ριος ÍΑπτος, was soviel bedeutet wie ‹Dionysos, der vom Berge, Bakchios, der vor der Stadt, dessen Priester Gaius Flavius Furius Aptus ist.›8 Auf der Abschlussplatte hat vormals eine Statuette des Dionysos gestanden, von der noch Fragmente erhalten sind. Vom Peristylhof erreicht man den südlich angrenzenden Gebäudetrakt, zu dem ein großer mit Marmorvertäfelung ausgestatteter Saal und eine apsidiale Halle gehören. Letz5
SCHERRER 1995, 102–115. KRINZINGER 2002, 155 Taf. 1. 7 THÜR 2002, 44, 62–63 Taf. 38, 16. 8 ENGELMANN – KNIBBE – MERKELBACH 1980 2, 152 Nr. 1267; JACCOTTET 2003 Nr. 134; Übersetzung nach VETTERS 1980, 259 Abb. 18. 6
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tere ist über ein kleines, mit einem Kreuzgewölbe versehenes Atrium zu betreten. Neben dem Treppenaufgang zur so genannten basilica privata sind zwei Statuenbasen symmetrisch aufgestellt worden. Eine zugehörige Inschrift nennt einen Gaius und einen Perikles, wobei der erstgenannte sehr wahrscheinlich mit dem erwähnten Dionysospriester C. Furius Aptus zu identifizieren ist. Ein im Westen des Atrium gelegener Raum hebt mit seiner in Stuck ausgeführten Gewölbedekoration die dionysische Ausstattung zusätzlich hervor. Geometrische Relieffelder werden von Wesen aus dem Thiasos des Dionysos bevölkert. In der Lünette ist wahrscheinlich die Vermählung des Gottes mit Ariadne dargestellt, die von Eroten begleitet wird.9 Mit ihren Dimensionen und repräsentativen Raumgestaltung überschreitet die Wohneinheit 6 den Rahmen des privaten städtischen Wohnbaus in Ephesos bei weitem.10 Die apsidiale Halle und der so genannte Marmorsaal im Süden der Anlage sind als Versammlungsräume konzipiert worden, um eine große Anzahl an Gästen des Hausherrn aufzunehmen. Zur Zeit der Bauphase III, auf welche die beiden Statuenbasen am Treppenaufgang zur basilica privata zurückgehen, ist der Besitzer der genannte C. Furius Aptus gewesen.11 Dieser war in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts n. Chr. nicht nur Dionysospriester, sondern hat auch als Wettspielordner (Alytarch) die ephesischen Olympien ausgerichtet.12 Seine Familie gehörte zur städtischen Elite von Ephesos und kann über mehrere Generationen prosopographisch verfolgt werden.13 Der Sohn des Furius Aptus war römischer Senator. Kontakte zur Hauptstadt Rom, wahrscheinlich bis hin zum Kaiserhaus, sind damit anzunehmen. Die Familiengeschichte und Ämter des Hausherrn als Dionysospriester und Alytarch legen nahe, dass in der Wohneinheit 6 unterschiedliche Gruppen von Gästen empfangen, bewirtet und beherbergt worden sind. Zu bestimmten Zeiten dürfte der Komplex sicherlich auch als Tagungsort der Kultgemeinschaft des ‹Dionysos vor der Stadt› genutzt worden sein, vermutlich dann, wenn man sich nicht im ländlichen Heiligtum vor den Toren der Stadt versammelte. Die besondere Bedeutung dieses Kultes für den Besitzer wird in der exponierten Aufstellung der Dionysosstatuette im Peristylhof zum Ausdruck gebracht.14 Dass die Privathäuser von reichen Vereinsmitgliedern zugleich kollegialen Zwecken gedient haben, ist für die stadtrömischen, öffentlichen Priesterschaften überzeugend herausgestellt worden.15 Hochrangige und wohlhabende Per9
SCHERRER 1995, 114. LADSTÄTTER 2001, 45–46. 11 THÜR 2002, 62. 12 BÖRKER – MERKELBACH 1979, 196–197. 13 Der Vater bekleidete das Amt eines Asiarchen, Prytanis und Grammateus, der Großvater ist wiederum Asiarch und Grammateus gewesen; ENGELMANN – KNIBBE – MERKELBACH 1980 2, 152; LADSTÄTTER 2001, 46. 14 Vgl. VETTERS 1980, 259. 15 RÜPKE 2002, 49–51. 10
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sönlichkeiten sind als Vereinspatrone gewählt worden, damit sie als Förderer der gemeinschaftlichen Zusammenkünfte tätig würden.16 Man traf sich in ihren Häusern um gemeinsam zu beraten, zu speisen und zu opfern. Der Vereinskult findet in solchen Fällen im ‹Privathaus› statt.17 Der Kandidat für ein hohes Amt in einem religiösen Verein war gewissermaßen durch seinen Besitz, der ihm die Bereitstellung von Räumen ermöglichte, für diese Funktion prädestiniert. Wie wichtig der Gästeempfang und die Gästebewirtung für C. Furius Aptus gewesen sind, wird aus der Erweiterung von Wohneinheit 6 ersichtlich, als auf Kosten von Wohneinheit 4 entsprechend nutzbare Räume ab der dritten Bauphase hinzugenommen wurden.18 Die Größe der Versammlungsräume und die Erweiterung um einen Gästetrakt müssen zwar nicht notwendigerweise aus der Funktion des Hausherrn als Dionysos-Priester resultieren, die Wahl des C. Furius Aptus als Dionysos-Priester bot sich aber aufgrund seines Besitzes geradezu an.
2 Dionysos προÁ πο λεως Auf die zeitweilige Nutzung der repräsentativen Wohneinheit 6 als Tagungsort einer dionysischen Gemeinschaft geht möglicherweise eine fragmentierte Inschrift zurück, die sich auf einem Kalksteinquader befindet und im Schutt des Hanghauses 2 entdeckt worden ist. Aufgeführt wird ein gemeinsames Heiligtum oder gemeinsames Fest des Dionysos und der Personifikation Hinterhalt (εÆ νε δρα).19 Das Auflauern wird Bestandteil des Rituals gewesen sein und sich im Freien abgespielt haben, vielleicht beim Auszug der Dionysosverehrer von der Stadt in die ländliche Peripherie.20 Inhaltliche Bezüge zum Kult des ‹Dionysos προÁ πο λεως› sind anzunehmen.21 Aus dem Schutt der Hanghäuser 16
Vgl. BOLLMANN 1998, 32. Dass Privathäuser als Kultlokale genutzt werden konnten, ist beispielsweise auch für Athen belegt. Das frühere Haus des Pulytion aus dem 5. Jh. v. Chr. nahe beim Kerameikos diente zur Zeit des Pausanias im 2. Jh. n. Chr. als Temenos des Dionysos Melpomenos; ANEZIRI 2000. 18 THÜR 2002, Taf. 44. – In der österreichischen Forschung wird zur Zeit die Frage diskutiert, ob das Hanghaus 2, das ursprünglich in der frühen Kaiserzeit aus sechs Wohneinheiten bestand, von der betreffenden ephesischen Familie in seiner Gesamtheit aufgekauft worden ist und als repräsentativer Familienwohnsitz mit getrennten Bereichen gedient hat; LADSTÄTTER 2001, 47; THÜR 2002, 62–63. 19 BÖRKER – MERKELBACH 1979, 3 Nr. 106. – Falls es sich tatsächlich um einen Grenzstein eines dionysischen Heiligtums aus der Zeit um 300 v. Chr. handelt, so wird man diesen intentionell in die Wohnstadt gebracht haben; vgl. JACCOTTET 2003 Nr. 133–134. 20 In diesem Zusammenhang sei auf Euripides, Bakchen 721 ff. verwiesen, wo die Hirten den in die Berge ziehenden Bakchen auflauern. 21 Götter ‹vor der Stadt› können solche sein, die die Stadt schützen, oder Götter, deren 17
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stammt zudem eine Inschriftenplatte mit einer Liste dionysischer Mysten.22 Zu den Funktionsträgern gehören ein βουκο λος, dessen Name an die Verehrung des Dionysos in Stiergestalt erinnert und ein θυρσοϕο ρος, der den Thyrsosstab des Gottes getragen hat. Das dritte Zeugnis ist ein sekundär verwendeter Altar aus dem Hanghaus 1, dessen Inschrift die Weihung von Thyrsosstäben durch einen Hierophanten und seinen Sohn dokumentiert.23 Die genannten Ämter verweisen mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die Präsenz beziehungsweise Aktivität von dionysischen Mysten in oder nahe bei den Hanghäusern.24 Aus Ephesos sind die ‹Verehrer der Demeter und Mysten des überquellenden Dionysos vor der Stadt› bekannt (οιë προÁ πο λεως ΔημητριασταιÁ καιÁ Διονυ σου Φλε ω μυ σται).25 Dass es sich um den selben Mysterienverein handelt, dessen Priester C. Furius Aptus gewesen ist, ist zwar möglich und wird in der Forschung auch so gesehen.26 Die betreffende Inschrift steht auf einem Säulenschaft.27 Das Architekturglied könnte aber ursprünglich auch zu einem anderen dionysischen Vereinslokal in Ephesos gehört haben.28 Darüber hinaus stammt aus der Nord-West-Ecke der Agora ein Architrav mit einer Bauinschrift eines Bakcheion.29 Beim derzeitigen Kenntnisstand muss daher die Frage offen bleiben, wie viele dionysische Vereinslokale es in der Stadt tatsächlich gegeben hat.30 Eine Vereinsinschrift aus der Zeit des Commodus überliefert eine Liste von verehrungswürdigen Mächten und Gottheiten: vom Senat und Kaiser als ‹Neuer Dionysos› über die Begleiter des Dionysos bis hin zu Demeter, Kore, Helios und den Feldfrüchten, zum Heilgott Asklepios, zur rettenden Athena und zu den Personifikationen von Eintracht, Frieden, Freundschaft, Erinnern und wo nötig auch Vergessen.31 Man gewinnt einen Eindruck von dem deutlich polytheistischen Hintergrund der Dionysosreligion, wie er etwa auch für die Weihungen im Bakcheion von Athen charakteristisch ist.32 Auf der anderen Seite handelt es sich um eine einmalig belegte Kombination von Gottheiten und personifizierten Abstracta. Offenbar hat es von Thiasos zu Thiasos unterschiedliche Formen von esoterischen Traditionen gegeben, die neben den Heiligtum räumlich vor der Stadt liegt. Die Feste des ‹Dionysos in den Bergen› sind sicherlich außerhalb der Stadt abgehalten worden; MERKELBACH 1979, 151; JACCOTTET 2003, 230. 22 ENGELMANN – KNIBBE – MERKELBACH 1980 2, 152 Nr. 1268; JACCOTTET 2003 Nr. 139. 23 JACCOTTET 2003 Nr. 141. 24 KNIBBE 1978, 495–496. 25 MERKELBACH 1979. 26 MERKELBACH 1988, 19, 23. 27 JACCOTTET 2003 Nr. 140. 28 BÖRKER – MERKELBACH 1980, 98–99 Nr. 1595. 29 JACCOTTET 2003 Nr. 144. 30 Vgl. JACCOTTET 2003 Nr. 136, 141. 31 MERKELBACH 1979, 155–156. 32 SCHÄFER 2002.
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verbindenden Elementen des Kultes zu lokalspezifischen Lösungen geführt haben. Aus dem Theater von Ephesos sind mehrere Fragmente einer Wandverkleidung überliefert, auf denen die Mitgliederliste eines dionysischen Vereins aus der Zeit Kaiser Hadrians verzeichnet ist.33 Genauer handelt sich um eine Aufzählung von Personen, die an einem Opfer teilgenommen haben. Bei den Handlungen ist der Stifter M. Antonius Drosus selbst anwesend gewesen. Unter den Personen waren außerdem ein Priester (hiereus), ein enthronios, der gewöhnlich den Vorsitz bei einer Mystenweihe führte, ein Wasserorgel-Spieler (hydraules), ein hierologos, der die Festrede zu Ehren des Dionysos hielt und ein Thyrsosträger (thyrsophoros). Eine zweite, fragmentierte Verkleidungsplatte weist gleichfalls eine Liste von Opferteilnehmern auf, zu denen die bukoloi und bassarai, als Mänaden verkleidete Bacchantinnen, gehören.34 Auch diese Inschrift stammt aus dem Theater. Von den wissenschaftlichen Bearbeitern wird angenommen, dass die Dokumente ursprünglich aus dem Banketthaus oberhalb des Theaters kommen.35 Im Vergleich zur öffentlichen Bedeutung der dionysischen Thiasoi in Athen oder Kallatis sollte jedoch in Erwägung gezogen werden, ob die Inschriften nicht an ihrem Fundort, im Theater von Ephesos, angebracht gewesen sind.36 An den großen städtischen Dionysien, deren Austragungsort vor allem das Theater gewesen ist, werden sich die Mysten durch Chortänze und Opfer beteiligt haben.37 In diesem Zusammenhang sei an eine kaiserliche Ehrenstatue auf der Agora von Ephesos erinnert, die von den Mysten des altehrwürdigen Dionysos vom Berg Koresos aufgestellt worden ist.38 Die Verehrer des Dionysos besaßen offenbar ein Interesse daran, sich an urbanistisch bedeutsamen Punkten zu repräsentieren. Bereits im hellenistischen Kleinasien, aber auch in Griechenland oder dem ägäischen Raum, kam der dionysischen Religion ein öffentlicher Charakter zu, wie BARBARA HIRSCH aus archäologischer Perspektive herausgestellt hat.39 In 33 MERKELBACH 1979, 152–154; BÖRKER – MERKELBACH 1980, 104–110 Nr. 1601; MERKELBACH 1988, 19–20; JACCOTTET 2003 Nr. 137. 34 JACCOTTET 2003 Nr. 138. – Die Bezeichnung der Mysten als bassarai bzw. bassaroi
steht in Verbindung mit dem Epithet des Dionysos Bassareus in den Orphischen Hymnen; SMITH 1897, 14; vgl. SLAVOVA 2002, 141. 35 BÖRKER – MERKELBACH 1980, 110–116 Nr. 1602. – In der Antike gehören Opfer und Bankett in der Tat zusammen. Bei den großen Stadtfesten können die Austragungsorte von Opfer und anschließender Mahlzeit allerdings verschieden sein. In ein Banketthaus zog sich sicherlich ein exklusiver Kreis zurück. 36 RADT 1999, 196; AVRAM 2002, 71–76. – In der Kaiserzeit besaßen die dionysischen Techniten das inschriftlich dokumentierte Prohedrierecht im Dionysostheater von Athen; ANEZIRI 2003, 30–32. 37 Spätestens seit der Wende vom 4. zum 3. Jh. v. Chr. gibt es ephesische Dionysien, deren Agonothesien später zeitweilig mit dem Priestertum der Dea Roma verbunden worden sind; KNIBBE 1972–75, 22. 38 JACCOTTET 2003 Nr. 142–143. 39 HIRSCH 2001.
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der römischen Kaiserzeit scheinen diese Traditionen weiterhin prägend gewesen zu sein. So haben sich in Pergamon die bukoloi an den städtischen Dionysos-Festen beteiligt, indem sie mit Chortänzen zum Gelingen der Feierlichkeiten beigetragen haben.40 Die Mysten von Melos sowie die Iobakchen von Athen verehrten in ihren Versammlungslokalen auch die traditionelle Stadtgöttin Athena und bestätigten auf diese Weise einen öffentlich-städtischen Kult.41 Die Aktivitäten dionysischer Vereinigungen sind damit nicht als Gegenmodelle zu den öffentlich finanzierten Kulten der Stadtgemeinde zu sehen, sondern als ergänzendes, gleichzeitiges Angebot. Im kaiserzeitlichen Ephesos sind gleich mehrere Orte des Dionysos fassbar: die Stadtresidenz eines Dionysospriesters, ländliche Heiligtümer und innerstädtische Versammlungslokale sowie das Theater. Die deutliche Präsenz im Stadtbild zeugt von der sozialen Einbindung der dionysischen Gruppenreligion in die Polis, einer Gruppenreligion, die doch zunächst von einer begrenzten Anhängerschaft getragen worden ist.
3 Dionysische Mysterienvereine im unteren Donauraum Aus Bulgarien stammen nach derzeitigem Kenntnisstand 14 Inschriften, in denen dionysische Mysterienvereine als βακχειÄον, κοινο ν oder σπειÄρα angesprochen werden.42 Nicht nachweisbar ist bisher die Bezeichnung als thiasos. In ihrer zusammenfassenden Untersuchung zeigt MIRENA SLAVOVA, wie diese religiösen Vereine in der mittleren Kaiserzeit organisiert gewesen sind. Wie im Fall von Ephesos gab es nicht nur innerstädtische Versammlungsorte, sondern auch Kultplätze außerhalb der Stadtmauern.43 Letztere sind wahrscheinlich in enger Verbindung mit der Stadt und nicht als losgelöste, ländliche Sakralbezirke zu betrachten. Die Mysterienvereine auf dem Gebiet des heutigen Bulgarien übernahmen allgemein verbreitete Handlungsmuster antiker Kulte. Die Mitglieder verehrten den Gott durch Opfer, Votivmonumente, größere und kleinere Feste oder Umzüge.44 Regional- und lokalspezifische Elemente sind hingegen im Mysterienkult selbst fassbar. So scheint man im griechischsprachigen Osten besonderen Wert auf eine differenzierte Ämterhierarchie gelegt zu haben.45 Eine derartige Fülle von Funktionsträgern ist in den Westprovinzen nicht belegt. 40 RADT 1999, 196. – Auch in Kallatis an der westlichen Schwarzmeerküste lassen sich die Feste des ansässigen thiasos nicht immer scharf von den öffentlichen Festen der Stadt trennen; AVRAM 2002, 75. 41 SCHÄFER 2002, 184, 200. 42 SLAVOVA 2002, 139. 43 SLAVOVA 2002, 140. 44 HIRSCH 2001, 137. 45 Vgl. GEYER 1977, 30–34.
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Die Namen und die Zusammensetzung der Amtsträger gehen im einzelnen auf lokale Entscheidungen zurück, so dass sich Unterschiede von Verein zu Verein ergeben. Für einen Mysterienverein im thrakischen Cillae sind beispielsweise bewaffnete Mysten (curetes) überliefert, die als Begleiter des Dionysos ekstatische Tänze aufführten.46 Kureten sind meines Wissens noch in Tomis nachweisbar, wie eine Vereinsstele aus der Zeit Gordians III. bildlich in Szene setzt, die sich heute im Nationalmuseum von Bukarest (Inv. L 607) befindet (Abb. 2).47 Manche Mysterienvereine zählen zu ihren Mitgliedern KybelePriester wie die gallaroi, archigalloi und archigallaroi in Cillae, Dionysopolis und Apollonia ad Pontum und Kaiserpriester wie die sebastophantai in Cillae, was die regionalspezifischen Ausprägungen unterstreicht.48 Weit verbreitet war wiederum das Verfahren, dass eine Person mehrere Kultfunktionen und sogar Priesterämter in verschiedenen Mysterienkulten akkumulierte.
4 Exkurs: Das Liber Pater-Heiligtum von Apulum in der römischen Provinz Dakien (ALEXANDRU DIACONESCU, IAN HAYNES und ALFRED SCHÄFER) Im nordwestlichen Bereich der Colonia Aurelia Apulensis ist ein dionysischer Kultkomplex in den Jahren von 1998–2003 von einer internationalen Forschergruppe ausgegraben worden (Abb. 3).49 Die zur Zeit laufende Auswertung zur Mikrohistorie dieses Heiligtums hat eine Erschließung des religiösen Gemeinschaftslebens zum Ziel. An dieser Stelle kann nur ein kursorischer Überblick zu den Bauten des Heiligtums gegeben werden. Abschließend werden ausgewählte Befunde dargelegt, die für die religiöse Praxis besonders aussagekräftig sind. Zur Steinbauphase des Sakralbezirks50 gehört ein circa 23,5 mal 8,5 Meter großes, von Mauern eingefasstes Areal (Abb. 4 a-b Nr. 1–2).51 Unterschieden werden können ein langrechteckiger Raum (1) und ein Vestibül (2) im Osten. 46
MORETTI 1986, 247, 256; SLAVOVA 2002, 142. DORUTIU-BOILAˆ 1968, 403 Abb. 6; vgl. auch ein Kuretenrelief aus dem Bereich des Podiensaals in Pergamon; dazu demnächst HOLGER SCHWARZER in seiner Berliner Dissertation. 48 SLAVOVA 2002, 143. 49 DIACONESCU – HAYNES – SCHÄFER 2001; SCHÄFER 2000. Ein geodätischer Plan mit der genauen Lokalisierung des Heiligtums innerhalb der Stadt wird zur Zeit erstellt. Abb. 3 gibt die ungefähre Lage auf der Grundlage einer Karte von DIACONESCU 2004, 107 Abb. 4.13 wieder. 50 Die älteren Bauphasen des Heiligtums können in diesem Zusammenhang nicht vorgestellt werden. 51 Vermutlich bestanden die ersten Mauern des Saalbaus aus einer Fachwerkkonstruktion. Auf die Bautechnik der Anlage kann in diesem Zusammenhang nicht näher eingegangen werden. 47
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Gegenüber der Eingangsfront (3) befanden sich mehrere inschriftliche und statuarische Weihedenkmäler für Liber Pater sowie vereinzelte Zeugnisse für die Verehrung anderer Gottheiten, wie den Thrakischen Reiter, die Danubischen Reiter und eine matronale Göttin (Fundkonzentration 4). Neben zahlreichen Kleinfunden gehören zur Ausstattung luxuriöse Trinkgefäße aus Glas.52 Der Komplex richtet sich mit seiner Eingangsfront (3) auf einen Vorplatz (5) aus, welcher von einer Straße zugänglich war. Nördlich des Vorplatzes grenzt ein kleiner, nahezu quadratischer Raum (6) an. An die Nordwestecke dieses Raumes setzte man eine Mauer, die in einem Abstand von zirka sechs Meter bis 8,3 Meter nördlich des langrechteckigen Gebäudes verläuft, so dass ein langer Korridor (7) entstand. Im Westen wurden zwei Räume (8–9) angefügt. Der größere Raum (8) weist ein u-förmiges Fundament auf, das in seiner zweiten Nutzungsphase vielleicht als Weihgeschenkträger oder Opfertisch gedient hat (10). Deponierungen von Tonmedaillons mit Darstellungen verschiedener Götter lassen auf eine sakrale Funktion des Raumes schließen. Der bereits bestehende, quadratische Raum (6) im Osten wurde mit einem Ofen (11) ausgestattet und zum Korridor hin geöffnet, indem man die in Nordsüdrichtung verlaufende Wand niederlegte. Im Westen wird der Bezirk mit einer nordsüdlich verlaufenden Mauer nach außen abgegrenzt. Zwischen dieser Mauer und der westlichen Längsseite des Saalbaus (1–2) befand sich ein Töpfereibetrieb mit mehreren Töpferöfen (T). Seit der frühesten Nutzungsphase des Baukomplexes ist eine Keramikproduktion in der westlichen Zone belegt.53 Betrachtet man die Architektur des Sakralkomplexes, seine Lage innerhalb der Stadt und die Ausstattung mit Weihegaben in der Gesamtheit, so liegt der Schluss nahe, dass es sich nicht um einen repräsentativen Kultbau für Liber Pater, sondern um den Versammlungsort eines dionysischen Kultvereins handelt. Die Nutzungsdauer ist anhand der Gebrauchskeramik und Kleinfunde in das fortgeschrittene zweite und dritte Jahrhundert n. Chr. zu datieren. Auf dem Terrain des Heiligtums wurden mehrere ‹Kultgruben› (so genannte favissae) entdeckt. Hier sollen zwei von ihnen näher beschrieben werden (Abb. 5). Eine ausführliche Darstellung der Befunde und Funde muss aber der Grabungspublikation vorbehalten bleiben. In der ersten Hälfte des dritten Jahrhunderts hob man innerhalb des Korridors zwei große Gruben (A-B) aus, die zur rituellen Niederlegung und Deponierung von Gebrauchs- und Kultkeramik dienten.54 Zuerst wurde die östliche der beiden Gruben (A) gegraben, die eine 52
DIACONESCU 2000; FIEDLER; HÖPKEN 2004; HÖPKEN 2004; FIEDLER 2005. Dass die Töpferei bereits vor der Errichtung des Sakralkomplexes existiert hat, wird durch eine große, mit Töpfereischutt verfüllte Lehmentnahmegrube im Bereich des Vorplatzes und der unmittelbar angrenzenden Räume belegt; vgl. CIAUCESCU 2004. 54 Die Gebrauchs- und Kultkeramik wird von MANUEL FIEDLER bearbeitet, der nach Ablauf seiner Förderung im Rahmen des SPP 1080 der Deutschen Forschungsgemeinschaft (Projektleiter A. SCHÄFER) durch das britische Art and Humanity Research Board (AHRB) 53
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gedrungene rechteckige Form aufweist. Feststellbar sind unterschiedliche Verfüllungen: a) Auf dem Grubenboden lagen an mehreren Stellen dicht gepackt eine Anzahl von zerbrochenen Gefäßen. Mehrfach fanden sich faustgroße Kieselsteine oder schwere Dolium-Scherben auf der antik zerbrochenen Keramik (Abb. 6) und zugehörige Gefäßbruchstücke konnten in unmittelbarer Nähe geborgen werden. Offensichtlich wurden intakte Gefäße bei ihrer Niederlegung intentionell zerbrochen. Im Keramikspektrum dieser Gefäßfunde dominieren einfache Schüsseln und Teller, deren Anzahl jeweils bei 200 bis 300 Stück liegen (Abb. 7).55 Das Geschirr wurde ohne besonderen Qualitätsanspruch hergestellt. Überhängende Kanten und anhaftende Tonreste wurden im Produktionsablauf nicht nachgebessert. Die Töpfer produzierten die Stücke augenscheinlich als Massenware für einen kurzen Gebrauch. Außer den Schüsseln und Tellern fanden sich am Grubenboden vereinzelt Miniaturgefäße, darunter Spardosen (Abb. 8–9). Die Miniaturspardosen waren nicht funktionsfähig, da keine Münzen durch den Münzschlitz gepasst hätten. Die meisten der zirka zehn Spardosen sind wiederum intentionell zerstört worden. b) Die übrige Keramik, die außerhalb der Gefäßkonzentrationen zutage kam, hat einen vollständig anderen Charakter. Die Gefäße sind durch einzelne Scherben überliefert und lassen sich nicht zu vollständigen Stücken zusammensetzen. Ähnliche, teils anpassende Fragmente stammen aus dem Sakralkomplex selbst, so dass die Gefäße aus der Grube zuvor sicherlich hier verwendet worden sind. Auffallend sind typische ‹Kultgefäße›: Räucherkelche (Abb. 10), Fragmente von Schlangentöpfen sowie hohe Standfußschalen. Bruchstücke von Räucherkelchen gehören mindestens 100 Exemplaren an. Die größten von ihnen sind zirka dreißig Zentimeter hoch und weisen einen Randdurchmesser von dreiunddreißig bis fünfundvierzig Zentimetern auf. Außerdem sind in der Grube alle Arten des Tafelgeschirrs, Trinkgefäße, Essgeschirr und Serviergeschirr hineingeworfen worden, das sehr wahrscheinlich bei Opferbanketten Verwendung fand. Die zweite Grube (B) innerhalb des Korridors ist etwas später angelegt worden (Abb. 5). Auch in dieser Grube sind an verschiedenen Stellen sorgfältig hinterlegte Gefäße aufgefunden worden. Es fand sich ein Paar Miniaturspardosen, die mit ihren Oberseiten einander zugewandt niedergelegt waren. Die Positionierung der Stücke und ihr kleines Format legen nahe, dass man die Spardosen als Weihgeschenke ohne Münzinhalt in die Grube gab. finanziert wird (Projektleiter I. HAYNES). Erste Ergebnisse liegen in mehreren Aufsätzen vor und werden hier in Auszügen vorgetragen: HÖPKEN; FIEDLER 2002; HÖPKEN 2004; FIEDLER; HÖPKEN 2004; MANUEL FIEDLER. ‹Kultgruben eines Liber Pater-Heiligtums im römischen Apulum (Dakien) – ein Vorbericht›, angenommen bei der Zeitschrift Germania. 55 Die Fundauswertung von M. FIEDLER ist noch nicht vollständig abgeschlossen.
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Die vorgestellten Kultgruben im Liber Pater-Heiligtum von Apulum scheinen folglich aus zwei Motiven angelegt worden zu sein. Einerseits wurden Gefäße rituell hinterlegt und manche von ihnen bewusst zerschlagen; andererseits entledigte man sich der zuvor im Heiligtum benutzten Gefäße und Gegenstände. Niedergelegt wurden vermutlich auch organische Naturalien, die in den Gefäßen aufbewahrt worden sind. Zahlreiche Fragmente von Tafelgeschirr aus den Gruben belegen, dass innerhalb des Heiligtums Opferbankette stattfanden: Der Anteil an Trinkgeschirr, unter denen sich neben den einfachen Bechern auch Kantharoi befinden, ist in allen Gruben recht hoch. An manchen Tellern sind Schnittspuren vom Zerteilen der Speisen erhalten. Einige Formen des Tafelgeschirrs, so genannte Waschbecken und ovale Keramik- und Glasplatten, sprechen für sehr aufwendige Bankette. Schließlich führen unter den Sonderformen die zahlreich überlieferten Kultgefäße, wie Schlangengefäße und Räucherkelche, den sakralen Anlass der Feierlichkeiten vor Augen.
5 Schlussbetrachtung Die Verehrung des Dionysos/Bacchus innerhalb eines religiösen Vereins ist sicherlich als reichsweites Phänomen anzusprechen.56 Allerdings lassen die Überlieferungsbedingungen eine Identifikation der Vereinslokale in Italien und den Nordwestprovinzen nur selten zu, die sich auf eine Bauinschrift, Mitgliederlisten oder eine zahlenmäßig hohe Konzentration von Weihungen an Bacchus beziehungsweise Liber Pater stützen kann.57 Hinzu kommt nun der dionysische Sakralbezirk von Apulum in der lateinischsprachigen Provinz Dakien. Im griechischen Osten liegen mehrere, relativ gut erhaltene Kultlokale vor, beispielsweise in Melos, Athen und Pergamon. Trotz der architektonischen Unterschiede im Detail handelt es sich immer um multifunktionale Raumkomplexe, die für Gastmähler und Trinkgelage, religiöse Handlungen der Gemeinschaft sowie die Niederlegung von Weihgeschenken genutzt worden sind. Neben der Verehrung des Vereinsgottes konnte der Kult anderer Gottheiten und göttlicher Personifikationen gepflegt werden. Mitunter ging die Religion des Kollektivs auf örtlich gebundene Überlieferungen zurück, wie am Beispiel von Ephesos gezeigt worden ist. Anscheinend hat es in den Vereinen verschiedene esoterische Traditionen gegeben, so dass sich lokalspezifische Götterkonstellationen und wahrscheinlich auch spezielle Mythen und Mythendeutungen ausgebildet haben.58 56
Vgl. etwa HUTCHINSON 1986; POPESCU; POPESCU 1994; NICOLAU VIVES 1998; SLA2002. 57 So ist die bisherige Zuweisung eines Versammlungsbaus in Virunum als dionysisches Vereinslokal aufgrund der Funde nicht gesichert. Dies gilt auch für das sogenannte bacchium von London, ein angeblicher Nachfolgerbau des Walbrook-Mithräums; SLATER 2003; SCHÄFER 2004. 58 Vgl. BURKERT 2003, 39. VOVA
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Während die Gruppenreligion in den vom Verein gesetzten Inschriften zum Ausdruck kommt, stellen die Weihegaben Zeugnisse individuell praktizierter Religion dar. Da die Mysterienreligionen nicht in Konkurrenz zu anderen Kulten gesehen worden sind, haben die Mysten auch weitere Gottheiten um Dionysos verehrt. Die Vereinslokale scheinen regelrecht mit persönlichen Weihgeschenken vollgestellt worden zu sein, so dass nach einiger Zeit Platz für neue Gaben geschaffen werden musste. In Apulum wurden große Mengen von Heiligtumskeramik in eigens dafür vorgesehenen Gruben deponiert. Als reichsweites Phänomen ist auch die Einbindung der dionysischen Vereine in ein städtisches Umfeld anzusprechen, wie es beispielsweise für das Heiligtum von Apulum überliefert ist. Nicht selten hat es mehrere Thiasoi in einer Stadt und deren ländlicher Peripherie gegeben. Die Vereine haben ihre Kultlokale an öffentlichen Plätzen und innerhalb von Wohnvierteln eingerichtet. Einzelne Sitzungen fanden in den Privathäusern der Vorsteher statt. In manchen Ortschaften haben sich die Mysten bei den dionysischen Festen der ganzen Stadtgemeinde durch die Teilnahme an Opfern, Prozessionen, Chorgesängen und wohl auch als Schauspieler im Theater hervorgetan.59 Die Präsenz der Vereinsmitglieder während der öffentlichen Feierlichkeiten dürfte zur Akzeptanz und Vermittlung ihres Kultes innerhalb der Bürgerschaft beigetragen haben. Das gesamte Spektrum des Kultes war aber den Eingeweihten vorbehalten. Trotz ihrer universalen Verbreitung bilden die hier vorgestellten dionysischen Gemeinschaften keine übergreifende, territoriale Organisation. Soziale Träger des Kultes blieben die lokal gebundene Gemeinschaften der Verehrer des Dionysos.
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Alfred Schäfer
Abb. 1: Grundrissplan – Hanghaus 2 von Ephesos, nach Scherrer 1995, 107.
Dionysische Gruppen
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Abb. 2: Vereinsstele aus der Zeit Gordians III., Nationalmuseum Bukarest Inv. L 607, Foto Verf.
Abb. 3: Das römische Apulum in Dakien, nach Diaconescu 2004, 107 Abb. 4.13.
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Alfred Schäfer Abb. 4: a–b Steinbauphase des Liber Pater-Heiligtums von Apulum, nach A. Diaconescu, I. Haynes u. A. Schäfer.
Abb. 5: ‚Rituelle Gruben A-B‘ sowie Fundkontexte von Spardosen, nach A. Diaconescu, I. Haynes u. A. Schäfer.
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179 Abb. 6: Apulum. Gefäßkonzentration mit Kieselsteinen (Kontext 2089), Foto Cl. Melisch.
Abb. 7: Apulum. Schüssel und Teller/ Pfannen aus Gefäßkonzentration (Grube A) im Maßstab 1:5, nach M. Fiedler.
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Alfred Schäfer
Abb. 8: Apulum. Gefäße aus Grube A im Maßstab 1:5, nach M. Fiedler.
Abb. 9: Apulum. Miniaturgefäße aus Grube A: Schüsseln, Teller, Spardosen im Maßstab 1:5, nach M. Fiedler.
Abb. 10: Apulum. Räucherkelche aus Grube A im Maßstab 1:5, nach M. Fiedler.
Von der Initiation zum Familienritual: Der Saturnkult als Gruppenreligion von
GÜNTHER SCHÖRNER
1 Fragestellung Es ist ein Gemeinplatz in den Altertumswissenschaften, dass das religiöse Leben in Nordafrika einige ganz besondere, für die Region charakteristische Züge trägt. Symptomatisch sowohl für den tatsächlichen Befund in Africa als auch für dessen moderne Interpretation ist der Mithraskult als ein Exempel einer typischen ‹Gruppenreligion› im Imperium Romanum.1 Obwohl epigraphische Zeugnisse allgemein aus Nordafrika sehr zahlreich sind und in der Region auch Militär stationiert war, gibt es nur sehr wenige Zeugnisse für Mithras, so dass P. RANCILLAC seine Untersuchung zur Verbreitung des Kultes in Nordafrika ‹L’insucce`s du mithraicisme en Afrique› betiteln konnte.2 In einer neueren Abhandlung wird als Hauptgrund für diese Erfolglosigkeit angeführt, dass es bereits einen entsprechenden und vergleichbaren, mehr oder minder indigenen Kult für eine kosmische Gottheit gab, nämlich den des Saturn.3 Die Verwandtschaft zwischen Saturn und Mithras soll sich aber nicht nur auf den ‹Zuständigkeitsbereich› beziehungsweise die allgemeine Charakteristik, sondern auch auf die Organisation und teilweise den Ablauf des Kultes beschränken, so dass sich unter dieser Prämisse auch der Saturnkult als Gruppenreligion einordnen lassen müsste. Die ‹klassische› Behandlung des Saturnkultes, deren Ergebnisse auch heute noch grundlegend sind und die communis opinio der Forschung bilden, nämlich ‹Saturne africain› von MARCEL LE GLAY,4 geht hierin sogar noch einen Schritt weiter, indem er den Saturnkult als zumindest mysterienähnlich beschreibt5 und ihm entsprechende Charakteristika wie Initiation oder Erkennungszeichen zubilligen möchte.6 1
Vgl. RÜPKE 2004, 244–246 (mit der weiteren Lit.). RANCILLAC 1931. 3 CLAUSS 1994, 171–173. 4 LE GLAY 1961. LE GLAY 1966a. LE GLAY 1966b. 5 Grundlegend: LE GLAY 1966b, 359–400. 6 Allgemein zu Mysterien und entsprechenden Phänomenen: BURKERT, 1994, 35–55; BURKERT 1995, 79–100. 2
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Günther Schörner
2 Der Saturnkult als Gruppenreligion Auf Grundlage einer enormen Materialsammlung – vorgelegt in zwei Bänden als ‹Monuments›,7 die vor der ‹Histoire› erschienen8 – behandelt LE GLAY den Gott nahezu biographisch, führt seine ‹Verwandten› und ‹Freunde› an9 und beschreibt natürlich auch den Kultablauf.10 Anhand einiger Inschriften und baulicher Details, aber vor allem in Auswertung einer enormen Anzahl von Votivreliefs rekonstruiert er den Saturnkult als eine Art Mysterienkult mit Initiation,11 in dessen Ritualen man unterrichtet wurde und für den es Erkennungszeichen gab. In diesem Band sollen nun Religionen im Mittelpunkt stehen, die sich eben durch das Prinzip der Mitgliedschaft beziehungsweise der ‹Einweihung› definieren; gerade dieser Aspekt des Saturnkultes ist also relevant – oder besser: wäre relevant. Es sind nämlich starke Zweifel an der Tragfähigkeit der Argumentation LE GLAYs angebracht, auch wenn ihm bisher die Forschung gefolgt ist oder nicht ausführlicher den Thesen widersprochen hat.
3 Die Initiation in den Saturnkult nach M. LE GLAY Im Folgenden sollen deshalb zunächst die Grundlagen, auf denen sich die allgemeine Charakterisierung des Saturnkultes als ‹Mysterienkult› stützt, überprüft werden, wobei das Hauptaugenmerk – wie bei LE GLAY auch – auf den Votivreliefs liegen wird. Diese Stelen sind meistens recht einheitlich aufgebaut: Sie zeigen in einem oberen Feld Saturn, in einem mittleren Feld folgt die Darstellung eines Menschen, nach LE GLAY eines Initiierten, und im unteren Bereich dann häufig die Darstellung eines Opfers, wobei man sich meist auf Wiedergabe der Opfertiere beschränkt.12 Die Reliefs gehören zum größten Teil in das zweite oder dritte Jahrhundert n. Chr., wobei eine genauere zeitliche Eingrenzung ohne weitere epigraphische Hinweise nur auf stilistischer oder typologischer Basis nicht möglich ist.13 Hauptsächlich auf Basis dieser Stelen rekonstruiert LE GLAY vier zeitlich aufeinander folgende Stufen bei der Initiation:14
7
LE GLAY 1961. LE GLAY 1966a. LE GLAY 1966b. 9 LE GLAY 1966b, 215–253. 10 LE GLAY 1966b, 297–358. 11 LE GLAY 1966b, 382–392. 12 Zum Aufbau der Stelen zuletzt: EINGARTNER 2003, 601–602. 13 Problematik betont bei WURNIG 1999, 53–55. 14 LE GLAY 1966b, 382–387. 8
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1. Einweisung vor der Initiation 2. Das Intrare sub iugum als eigentliche Initiation 3. Die Präsentation des neuen ‹Mysten› 4. Die ‹Kommunion› Die Einweisung soll, wie postuliert, aus einer religiösen Unterrichtung und rituellen Reinigungen bestanden haben. Zeichen für die Unterrichtung ist nach LE GLAY eine Schriftrolle,15 die die Dargestellten tatsächlich auf vielen Weihreliefs tragen, zum Beispiel auf Stelen aus Timgad.16 Für den zweiten Akt der Vorbereitung auf die Initiation, die rituelle Reinigung, konnte LE GLAY sehr viel seltener Hinweise auf den Votivreliefs wiederfinden.17 Als ikonographische Kürzel nimmt er die Darstellung von Toiletten-Artikeln im weiteren Sinne, ein Paar Sandalen, einen Kamm und einen Spiegel, auf zwei Stelen aus der Nähe von Maktar in Zentraltunesien in Anspruch.18 Auf diese ‹pre-initiation› folgte nach LE GLAY die Hauptzeremonie, das Treten unter das Joch.19 Nur für diese Sequenz gibt es Inschriften,20 die freilich immer allein von diesem intrare sub iugum sprechen, ohne irgendeinen Bezug zu einem anderen Ritual. Den Ablauf und vor allem den Mysterienbezug erschließt LE GLAY durch Analogien, vor allem in Parallele zum Schreiten durch die himmlische porta triumphalis der Christen.21 Direkte ikonographische Zeugnisse für diesen Akt gibt es nicht, doch möchte er den ‹Tor-› beziehungsweise ‹Bogenaufbau› vieler Stelen als Hinweis auf das iugum gewertet wissen.22 Am Ende der Einweihung steht nach LE GLAY dann die Präsentation des neuen Mysten, der Saturn in seiner neuen Qualität vorgestellt wird.23 Materielles Relikt dieses Aktes sind zwei Fußumrisse,24 wie sie in den Stylobat der Porticus, die den Saturntempel von Dougga umgibt, eingemeißelt sind.25 Sie sollen die genaue Stelle bezeichnen, an der der Neu-Initiierte seinem göttlichen Patron gegenüber trat. Die Aufnahme in diesen postulierten Saturn-Mysterienkult schließt dann eine ‹communion› ab, wobei LE GLAY ausdrücklich diesen Begriff verwendet.26 Er postuliert hierfür den gemeinsamen Verzehr eines Getränkes von 15
LE GLAY 1966b, 383 f. LE GLAY 1966a, 142, Nr. 28 Taf. 28,1. 17 LE GLAY 1966b, 384 f. 18 LE GLAY 1961, 231 Nr. 2; 236 Nr. 5. 19 LE GLAY 1966b, 385 f. 20 Grundlegend : BERTHIER – TAYEB 1970; BE´ NICHOU-SAFAR 1993. 21 LE GLAY 1966b, 386 mit Anm. 4. 22 LE GLAY 1966b, 393. 23 LE GLAY 1966b, 386 f. 24 LE GLAY 1966b, 387 f. 25 LE GLAY 1966b, 387; 91; zum Saturntempel allgemein: LE GLAY 1961, 208–212 (mit der älteren Lit.); PENSABENE 1987; SAINT-AMANS 2004, 348–357. 26 LE GLAY 1966b, 389 f. 16
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Milch und Honig mit deutlich biblischen Assoziationen.27 Für dieses gemeinsame Ritualmahl gibt es jedoch keine epigraphischen Zeugnisse, sondern nur scheinbare ikonographische Hinweise in der Gestalt, dass auf einigen Reliefs Saturn mit einer Honigwabe dargestellt ist.28 Im Anschluss an diese Einweihung erhalten die in den Saturnkult Initiierten nach LE GLAY besondere Erkennungszeichen. Diese sind auch auf den Votivreliefs wiedergegeben, freilich nicht durchgängig. Als entsprechende signa dienen Schmuckstücke, zum einen kleine Halbmondanhänger, die entweder an einer Halskette getragen werden,29 wie auf einer Stele aus Timgad,30 oder als Scheitelschmuck ins Haar geflochten sind,31 so auf einem Relief (Abb. 1) aus Lambafundi,32 zum anderen kreisförmige Scheiben als Anhänger an einer Halskette,33 wie viele Stelen, zum Beispiel aus Lambafundi und Timgad (Abb. 2), zeigen.34 Deutlich lässt sich eine geschlechtsspezifische Trennung dieser signa konstatieren: Die Halbmonde sind Accessoires von Frauen, die Rundscheiben von Männern. Zur Abrundung seiner Saturnmysterien-These interpretiert LE GLAY dann noch Beiwerk auf Stelen, zum Beispiel aus Timgad,35 wie Palmenzweige, Kränze oder Muscheln in seinem Sinne und liest sie als Zeichen für den Triumph der Gläubigen, die durch Saturn den Tod besiegen können und mit einer seligen Existenz im Jenseits rechnen dürfen.36 LE GLAY rekonstruiert somit anhand verstreuter ikonographischer Indizien und einiger singulärer Inschriften ein komplexes Ritual, das als Einweihung in einen mysterienähnlichen Saturnkult gelten soll. In Anlehnung an andere antike Mysterien und vor allem in Parallele zum Christentum werden Unterrichtung, rituelle Reinigung, Aufnahme und Präsentation, eine Kommunion, Erkennungszeichen und schließlich auch der Glauben an ein Weiterleben im Jenseits mit Hilfe Saturns rekonstruiert.
27
LE GLAY 1966b, 390. Vgl. z. B. eine Stele aus Sitifis (FEVRIER 1970, 355 Nr. 46) oder Sille`gue (LE GLAY 1966a, 250 Nr. 20 Taf. 36, 5). 29 LE GLAY 1966b, 391 f. mit Anm. 8 (weitere Beispiele). 30 LE GLAY 1966a, 134 f. Nr. 7 Taf. 27, 4. 31 LE GLAY 1966b, 391 mit Anm. 6 (Beispiele). 32 LE GLAY 1966a, 118 Nr. 2 Taf. 25, 2. 33 LE GLAY 1966b, 391 f. mit Anm. 10 (Beispiele). 34 Lambafundi: LE GLAY 1966a, 118 f. Nr. 3 Taf. 25, 3; LE GLAY 1966a, 116–118 Nr. 1 Taf. 25, 1; Timgad: LE GLAY 1966a, 140 f. Nr. 24 Taf. 27, 9. 35 LE GLAY 1966a, 134 f. Nr. 7 Taf. 27, 4. 36 LE GLAY 1966b, 393–400. 28
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4 Die ikonographische Argumentation: eine Revision Um die Tragfähigkeit dieser Argumentation insgesamt zu überprüfen, ist es notwendig zu untersuchen, wie signifikant die ikonographischen Merkmale im Einzelnen sind. Trotz dieses kritischen Verfahrens ist jedoch immer wieder darauf zu verweisen, dass erst LE GLAY durch seine Materialsammlung die Voraussetzungen für eine nähere Beschäftigung mit dem afrikanischen Saturn geschaffen hat. Am Anfang der Einweihung steht nach LE GLAY die Unterrichtung des Kandidaten: Bildlicher Ausdruck der erfolgten religiösen Unterweisung soll die Schriftrolle sein. Konkrete Hinweise gibt es jedoch für diese Deutung nicht. Allgemein ist das volumen in erster Linie ein Hinweis auf Bildung, wie er für alle Altersgruppen Verwendung findet. Darstellung von Personen mit Schriftrollen sind für Rom vor allem im Sepulkralkontext belegt, so auf Grabaltären oder Sarkophagen, wo der Verstorbene als Ausdruck seiner Belesenheit beziehungsweise allgemein seines kultivierten Lebensstils häufig ein volumen hält.37 Gerade dieser Aspekt ist ein Element der Repräsentation, das auch in den Provinzen vorkommt.38 Dies gilt ebenso für die ebenfalls auf den Saturnstelen vorkommende capsa,39 so auf einem Exemplar aus Timgad (Abb. 3).40 Die Verwendung von volumina in kultischen Kontexten ist dagegen ein komplexes Problem,41 denn die Darstellung von Schriftrollen in einem Opfer-Zusammenhang kann je nach Bildzusammenhang unterschiedliche Bedeutungen annehmen. In einem stadtrömischen Kontext verweist sie wohl auf die korrekte Durchführung der Ritualvorschriften.42 Anders sieht es in einer provinzialen Umgebung aus: So tragen bei kleinasiatischen Opferdarstellungen vor allem Personen, die mit Rom zu tun haben, eine Schriftrolle bei sich.43 Da jedoch bei den Saturnstelen die dargestellte Person kein Ritual durchführt, sondern sich ruhig stehend präsentiert, gibt es keinen Hinweis, hier für die Schriftrolle nicht die Bedeutung als Bildungssymbol im Allgemeinen anzunehmen, die sie ansonsten im gesamten römischen Reich besitzt. Eine Ver37 Zur Bedeutung der Buchrolle allgemein: MARROU 1964, 182–195. 209–230; EWALD 1999, 22 f. 59. 126–128: ›Die Buchrolle diente vielmehr als Bildungssymbol schlechthin‹ (EWALD 1999, 127). Beispiele im Bereich der stadtrömischen Kunst: EWALD 1999, 54–62. 38 So als ein Beispiel unter vielen auf kleinasiatischen Säulensarkophagen: WIEGARTZ 1965, 86 f. (zu Palliati). Vgl. auch attische Grabstelen römischer Zeit: VON MOOCK 1998, 78 f. und passim. 39 Vgl. auch die capsae auf stadtrömischen Sarkophagen: EWALD 1999, 187 Nr. F 2 (Rom, San Saba); 188 Nr. F 5 (Pisa); außerrömisch: VON MOOCK 1998, 190 Nr. 551. 40 LE GLAY 1966a, 143 Nr. 30 Taf. 28, 2. 41 Für Hinweise danke ich H. Cancik; vgl. vorläufig die Bemerkungen bei SIEBERT 1997, 30 f. 42 Vgl. MARROU 1964, 190f.; FLESS 1995, 33–35; SIEBERT 1997, 30. 43 So z. B. der opfernde Caracalla auf einer städtischen Prägung aus Pergamon: PRICE – TRELL 1977, 211 Abb. 439.
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wendung als Zeichen für Religionsunterricht im Rahmen einer Initiation wäre dagegen singulär und sollte ohne weitere spezifische Hinweise nicht postuliert werden. Auch die Toiletten-Artikel, die im Zusammenhang mit der kultischen Reinigung zu sehen sein sollen, sind nicht spezifisch für den Saturnkult von Belang, sondern können eher als typische ‹Frauengerätschaften› angesprochen werden. Ihre Darstellung ist aus anderen Bereichen des Imperium wohl bekannt, zum Beispiel auf Grabreliefs aus Phrygien.44 Allein genommen reichen sie sicher nicht aus, rituelle Waschungen oder gar spezielle ‹Mystenfrisuren› zu postulieren, sondern haben bis zum Beweis des Gegenteils als Zeichen für häusliche Aktivitäten und weibliche Schönheitspflege zu gelten. Wenig charakteristisch sind die Fußspuren auf dem Stylobat von Dougga, da ähnliche vestigia kein auf den Saturnkult beschränktes Phänomen sind. Heiligtümer mit Fußspuren auf gesonderten Reliefplatten, als in Architekturteile eingeritzte Graffiti oder auf Mosaiken sind Isis, Sarapis, Nemesis, Bona Dea und Zeus sowie in Africa auch Caelestis geweiht.45 Untersuchungen in jüngerer Zeit konnten in Auswertung der dazugehörenden Weihinschriften zeigen, dass es sich allgemein um Zeichen der Präsenz handelt, wobei im Einzelnen zu unterscheiden ist, ob die Präsenz der Gottheit beschworen oder ob der Besuch des Stifters dokumentiert werden soll.46 Auch in diesem Fall würde bei der Initiationsdeutung das Beispiel aus Dougga vollständig aus dem bekannten Bezugsrahmen fallen. Gegen die Auffassung LE GLAYS, die Fußabdrücke seien Standspuren und ‹Platzanweiser›, spricht bereits die Tatsache, dass die Fußspitzen zum Innenhof weisen: Der neue ‹Myste› würde deshalb Saturn seine Kehrseite präsentieren. Überhaupt nicht im archäologischen Material verankert ist dann die so genannte Kommunion, der rituelle Verzehr von Milch und Honig, da die Darstellung von Saturn mit einer Bienenwabe natürlich nicht genügt, ein solches komplexes Ritual zu ‹rekonstruieren›, sondern als allgemeiner Hinweis auf die Rolle des Gottes als Garanten der Fruchtbarkeit zu werten ist.47 Besonderes Gewicht in der Argumentation LE GLAYs kommen den Erkennungszeichen der Initiierten, den halbmondförmigen und kreisrunden Anhängern, zu, die besonders häufig auf den Reliefs nachgewiesen werden können. Auch in diesem Fall sind diese signa jedoch nicht isoliert zu betrachten, da sie nicht auf den Saturnkult, nicht einmal auf Afrika beschränkt sind. Entspre44 So z. B. auf sehr vielen phrygischen Türsteinen: WAELKENS 1986, 133 Nr. 330; 135 Nr. 336; 135 Nr. 337; 136 Nr. 341; 141 Nr. 357; 141 Nr. 358 usw.; vgl. auch PFUHL – MÖBIUS 1977, 152 Nr. 475; 152 f. Nr. 477; 230 Nr. 884; zur Deutung allgemein: WAELKENS 1986, 12; PFUHL – MÖBIUS 1979, 541 f. 45 FORSE´ N 1996, 25. 46 DUNBABIN 1990, 86–96; FORSE´ N 1996, 24–26; SCHÖRNER 2003, 38. 47 Die Rolle Saturns als Fruchtbarkeitsgott wird vor allem durch seine Epiklese frugifer evident; hierzu LE GLAY 1966b, 120–124; WURNIG 1999, 24.
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chende Anhänger sind nämlich viel weiter im Imperium Romanum verbreitet und besitzen eine ganz andere Bedeutung als die eines Kultabzeichens. So sind halbmondförmige Anhänger, lunulae, ein beliebter Schmuck von Mädchen im römischen Reich:48 Sie wurden in Kindergräbern gefunden49 und sind auch häufig ein Thema der Plastik.50 Dabei ist nicht nur die Form der vermeintlichen Erkennungszeichen für ‹Initierte› und der Schmuckstücke für Mädchen identisch, sondern auch die Trageweise als Anhänger beziehungsweise als Scheitelschmuck. Zudem kommen auf den Saturnstelen nicht nur lunulae vor, sondern auch andere Formen des Scheitelschmucks oder Scheitelzöpfe,51 wie zum Beispiel eine Stele aus Timgad belegt.52 Die nordafrikanischen Stelen mit ‹Saturnmystinnen› unterscheiden sich demnach nicht von konventionellen Mädchendarstellungen im Imperium Romanum. Ein spezifischer Bezug auf Saturn und seinen Kult kann deshalb ausgeschlossen werden. Im verstärkten Maß gilt das auch für den scheibenförmigen Anhänger der männlichen Dargestellten, denn hier handelt es sich eindeutig um die bulla von Knaben.53 Dieser Amulettschmuck war Abzeichen der frei geborenen römischen Knaben und wurde bis zirka zum vierzehnten Lebensjahr getragen.54 Bestätigt wird diese allgemein-römische Deutung durch zwei Beobachtungen: 1. Keiner der Bulla-Träger ist bärtig, obwohl ansonsten erwachsene Männer meist mit Bart dargestellt werden.55 2. Die Dargestellten tragen die Toga, die manchmal vereinfacht, aber immer erkennbar wiedergegeben ist. Im Zusammenhang mit der bulla kann es sich dabei nur um die toga praetexta, die ebenfalls von den pueri liberi getragen wurde, handeln.56 48
Allgemein: GERCKE 1968, 201. Beispiele: PIRZIO BIROLI STEFANELLI 1992, 236 Nr. 45; 248 Nr. 126. 49 Beispiele bei WREDE 1975 und NIEMEYER 1997. 50 Vgl. z. B. die Domitia auf der Ara Pacis: GABELMANN 1985, 523; KOEPPEL 1987, 126 Nr. 43; GOETTE 1990, 158 Nr. N2b; Freigelassenereliefs aus Rom: z. B. KOCKEL 1993, 198 f. Nr. M 2; auch außerhalb Roms auf Reliefs aus verschiedenen Bereichen des Imperiums: PFLUG 1989 Nr. 90 (Aquileia); VON GONZENBACH 1969, 941 Nr. 18 (Aquincum). 51 Grundlegend: HAHL 1960, 27–49; VON GONZENBACH 1969, 898–911 (mit Beispielen). Die Autorin kann anhand vieler Belege beweisen, dass Scheitelschmuck nur von Kindern bis zur Geschlechtsreife bzw. Heirat getragen wurde. 52 LE GLAY 1966a, 145 Nr. 37 Taf. 28,4. 53 Die Ähnlichkeit wurde natürlich bereits von LE GLAY (1966b, 392) bemerkt. Er lehnt eine Deutung der Medaillons als bullae ab, weil sie auf nordafrikanischen Stelen vorkommen, wobei diese Argumentation einem Zirkelschluss nahe kommt. Die für ihn besonders gewichtete Stele aus Lambaesis (LE GLAY 1966a, 84 Nr. 4 Taf. 23, 1) muss m. E. nicht einen Erwachsenen darstellen. 54 Hierzu eine Reihe von unabhängig voneinander entstandenen Aufsätzen: STUPPERICH 1985; GOETTE 1986; PALMER 1989. Vgl. auch GERCKE 1968, 199 f.; LUCCHESI-PALLI 1994; zuletzt PUTTOCK 2002, 116 f. 55 Die Beobachtung bei GOETTE 1986, 147 kann nicht bestätigt werden. 56 Grundlegend: GABELMANN 1985, vor allem 535–541.
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Sowohl die bullae als auch die lunulae beweisen, dass die Votivstelen nicht erwachsene Saturn-Mysten als nordafrikanische Besonderheit zeigen, sondern allgemein römische Kinder,57 wobei ‹römisch› nicht nur in ikonographischer Hinsicht, sondern auch – zumindest bei den Knaben – im juristischen Sinn verstanden werden kann.58 Ist man einmal zu dieser Auslegung gelangt, so lassen sich leicht noch weitere Hinweise darauf finden, dass der Großteil der Saturnstelen Kinder zeigt: Häufig tragen die Mädchen und Jungen Tiere, meist Vögel, zum Beispiel auf Stelen aus Timgad (Abb. 4).59 Dies sind keine ‹Seelenvögel› oder Hinweise auf die Reise der Seele ins Jenseits,60 sondern die üblichen Spieltiere, die auf Reliefs im Römischen Reich häufig vorkommen.61 Auch die Weintrauben und Früchte, die manche Kinder auf Saturnstelen (Abb. 4) in der Hand halten,62 gehören zum üblichen Repertoire antiker Kinderbilder.63 Selbst das von der Schulter gleitende Gewand bei einigen Mädchen (Abb. 4)64 ist ein zu einem Kind passendes Motiv, wie vor kurzem gezeigt werden konnte.65 Erstaunlich ist bei dieser Interpretation natürlich nicht nur, dass hier nicht Erwachsene, sondern Kinder die Hauptrolle spielen, sondern auch, wie eng man sich an der üblichen römischen Bildsprache orientierte. Für alle ikonographischen Details können Beispiele aus Rom beigebracht werden. So tragen auch die Kinder an der Ara Pacis entsprechenden Schmuck.66 Besonders gute 57 Eine ähnliche Interpretation deutet VARNER 1990, 13. 18 Anm. 10 im Zusammenhang mit der Publikation zweier Stelen in Yale an. Er bezeichnet die zwei dargestellten Togati mit scheibenförmigen Anhängern richtig als Knaben mit Bulla, geht aber nicht auf die Argumentation von Le Glay ein. Er belässt es bei einigen wenigen speziellen Bemerkungen zu den beiden Stelen der Universitätssammlung, ohne den weiteren Kontext zu berücksichtigen. 58 GABELMANN 1985, 510–517; PALMER 1989. 59 LE GLAY 1966a, 134 Nr. 7 Taf. 27, 4; LE GLAY 1966a, 137 Nr. 12 Taf. 27, 6. 60 So jedoch LE GLAY 1966b, 400. 61 Z. B. Kastengrabreliefs: KOCKEL 1993, 152 Nr. I 8; 190 f. Nr. L 20; 196–198 Nr. M 1; 198 f. Nr. M 2; Grabaltäre: BOSCHUNG 1987, 93 f. Nr. 555; als außeritalisches Beispiel Reliefs aus Athen: VON MOOCK 1998, 128 Nr. 235; 166 Nr. 433; 174 Nr. 469. Zur Deutung als Spiel- bzw. ‹Lieblingstiere›: KOCKEL 1993, 54 f.; VON MOOCK 1998, 69. Vgl. bereits die ‹Spieltiere› bei Kinderdarstellungen der klassischen Kunst: RÜHFEL 1984, 96–100. 18; NEILS – OAKLEY 2003, 73 f. 280. 62 Vgl. wiederum als Beispiel die Stelen aus Timgad: LE GLAY 1966a, 134 Nr. 7 Taf. 27, 4; LE GLAY 1966a, 137 Nr. 12 Taf. 27, 6. 63 Rom: KOCKEL 1993, 196–198 Nr. M 1; Athen: VON MOOCK 1998, 146 Nr. 320; 166 Nr. 433; Kleinasien: PFUHL – MÖBIUS 1977, 37 Nr. 99; 200 Nr. 742; 203 Nr. 760 usw. Zur Deutung s. hier Anm. 61. Grundlegend anders, da wieder die ältere Deutung als Hinweis auf Dionysos-Mysterien aufgreifend: HEIDEBROEK-SOLDNER 2004 (ohne Hinweis auf SaturnStelen). 64 Vgl. Stelen aus Timgad: LE GLAY 1966a, 134 Nr. 7 Taf. 27,4; LE GLAY 1966a, 137 Nr. 12 Taf. 27,6. 65 SCHÖRNER 2002. 66 S. zu Anm. 49. Knaben mit bullae: KOEPPEL 1987, 124 Nr. 38 (Germanicus); 126 Nr. 42 (Cn. Domitius Ahenobarbus); 137 Nr. 45.
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Parallelen liefern freilich die Kastengrabreliefs von Freigelassenen, die sich gerne zusammen mit ihren Kindern darstellen lassen.67 Gezeigt werden reich geschmückte Mädchen und vor allem Jungen mit Bulla und Toga, die eben anders als ihre Eltern frei geboren sind und die entsprechenden Zeichen tragen und präsentieren dürfen. Hierin sind auch die nordafrikanischen Stelen vergleichbar, wobei jedoch nicht direkte Vergleichbarkeit in Intention und Aussage impliziert werden soll. Wie in Rom verweist man aber auch in Nordafrika demonstrativ auf das römische Bürgerrecht der Knaben, nicht umsonst besitzen die bullae die Größe eines kleinen Tellers, um auch besonders gut ins Auge zu springen. Natürlich lassen sich dieser Interpretation folgend die Knaben mit Schriftrolle gut in eine entsprechende römische Darstellungstradition integrieren68 und sind ebenso keine Zeugnisse für eine religiöse Initiation, sondern für kulturelle Beflissenheit und Bildung bereits in jugendlichem Alter.69
5 Ein Alternativvorschlag Grundsätzlich haben wir also keine Zeugnisse für eine Art ‹saturnische Mysterienreligion› vor uns, sondern Darstellungen von römischen Kindern und Jugendlichen. Freilich ist das nicht ohne Schwierigkeiten, sondern in mancher Hinsicht beginnen damit eigentlich erst die Fragen: Wieso werden so viele Kinder dargestellt? Präziser: Was war der Anlass für die Aufstellung dieser Stelen? Die Antwort auf diese Frage kann nur lauten, dass es ein Ritual gegeben haben muss, in dem zum einen Kinder eine zentrale Rolle spielten und das zum anderen Saturn galt. Als ein Beispiel für einen solchen Kultakt kann der ‹molchomor› oder ‹morchomor› gelten.70 Name und auch nähere Begleitumstände sind durch fünf Stelen aus N’Gaous, dem antiken Nicivibus, bekannt.71 Die Texte der fünf Stelen lauten: 1) [Q]uod bonum et faus[tu]m feliciter sit fac[tu]m. Domino sanc[t]o Saturno sacrum [m]ag(num) nocturnum mor[c]homor ex voto A(ulus) Qui[nti]us Victor et Elia Rufina [co]n(iux) eius pro Impetrato fil(io) l(ibentes) v(otum) s(olverunt) a(gnum) v(i)k(arium) oder: (pro) v(i)k(ario).72 67 KOCKEL 1993, 141 f. Nr. H 6; 196–198 Nr. M 1; 198 f. Nr. M 2; allgemein: ZANKER 1975; KOCKEL 1993, 77–79. 68 Beispiele für Kinder mit Schriftrolle: BOSCHUNG 1987 113 f. Nr. 957; EWALD 1999, 210 f. Nr. H 16. 69 P. Zanker hat dafür den treffenden Begriff der ‹frühreifen Kinderintellektuellen› geprägt: ZANKER 1995, 260–261. Grundlegend: MARROU 1964, 197–207; DIMAS 1998, 93–117. 70 Grundlegend: GUEY 1937, 83–103; FE´ VRIER 1953, 8–18; RIBICHINI 1999/2000. 71 Zu den Stelen: LE GLAY 1966a, 68–75 Nr. 1–5 Taf. 31, 1–2. 72 RIBICHINI 1999/2000, 354 Nr. 1.
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2) Quod bonum faus(t)um fe[lici]ter factum sit. Domino sancto S[at]urno, anima pro anima, sangu[ine] pro sanguine, vita pro vita, pro salute C[o]ncess(a)e et voto pro voto sac[ru]m solverunt mo(l)chomor C[–––]us Rufinianu[s ––––] co[niux? –––].73 3) Q(uod) b(onum) f(austum) f(eliciter) f(actum) s(it). D(omino) s(ancto) S(aturno) sacrum m(agnum) nocturnum anima pr[o] anima, sang(uine) pro sang(uine), vita pro vita. Pro Con[ces]s(a)e salute〈m〉 ex viso et voto [sa]crum reddiderunt molc[ho]mor Felix et Diadora li[b(entes)] animo agnum pro vika[rio].74 4) [Q(uod) b(onum) f(austum) f(eliciter) f(actum) s(it). sacrum] magnum [noctur]num, anima pro anima, vita pro [vi]ta, sanguine pro sanguine, pro salu[te] Donati, sacrum solvit ex viso capi[te m]orcomor Faustina agnum pro vi[kari]o libens animo reddit.75 5) Quod bonum faustum feliciter factum sit. Domino sancto Saturno magnum nocturnum [–––] co[–––] ex [viso –––] sacrum [––––].76
Der Ablauf und sogar der Grundcharakter dieses für den Saturnkult wichtigen Rituals sind Gegenstand heftiger Kontroversen, wobei vor allem der Bezug zum punischen Molk-Opfer umstritten ist.77 Es sollen deshalb nur einige Charakteristika aufgezeigt werden, die in der Forschung allgemein akzeptiert sind: Es handelt sich um ein nächtliches Opfer für Saturn,78 das von privater Seite, meist einem Ehepaar, ausgeführt wurde. Anlass war ein votum zum Wohle einer dritten Person, in einer Inschrift eindeutig der Sohn des weihenden Ehepaars. Geopfert wird in stellvertretender Weise ein Schaf beziehungsweise Lamm (agnum vikarium; agnum pro vikario), wobei besonders kontrovers diskutiert wird, welcher Art diese Stellvertreterschaft ist.79 Entscheidend für die Argumentation ist natürlich zunächst die Tatsache, dass es sich um ein zentrales (magnum) Ritual zu Ehren von Kindern handelt. Unterstützt wird diese Interpretation durch einige Stelen selbst, auf denen Kinder neben ihren Eltern dargestellt sind, was in unterschiedlicher Art und Weise geschehen kann (Abb. 5),80 oder auf denen sie ausdrücklich exponiert als filius beziehungsweise filia bezeichnet werden.81
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RIBICHINI 1999/2000, 354 Nr. 2. RIBICHINI 1999/2000, 354 Nr. 3. 75 RIBICHINI 1999/2000, 354 Nr. 4. 76 RIBICHINI 1999/2000, 354 Nr. 5. 77 Zum molk-Opfer: CARCOPINO 1931; EISSFELDT 1935; BROWN 1991; DEL OLMO LETE 1995, 9–22; MÜLLER 1998, 477–496; MILGROM 2002, 49–55; MÜLLER 2004, 115–117; zu Darstellungen: PICARD 1976; PICARD 1978 (auf das Problem ‹Kinderopfer› soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden). 78 RIBICHINI 1999/2000, 355–358. 79 RIBICHINI 1999/2000, 359–362 (mit der weiteren Lit.). 80 Z. B. Stelen aus Djemila: LE GLAY 1966a, 226 Nr. 30 Taf. 34, 3 (Kinder neben Eltern auf Podium); Kind zwischen Eltern als Miniatur (LE GLAY 1966a, 227 f. Nr. 32 Taf. 34, 5) 81 Z. B. Stelen aus Djemila: LE GLAY 1966a, 213 f. Nr. 8 Taf. 33,3; weitere unpublizierte Beispiele. 74
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Diese Heraushebung äußert sich auch darin, dass die Kinder häufig auf einer Art Postament stehen.82 Auffällig ist, dass auch Schafe als Opfertiere ebenso hervorgehoben werden; auf einer Stele steht sogar ein Lamm direkt neben dem im Zentrum des Rituals stehenden Kind.83 Diese ikonographische Parallelisierung kann als Argument dafür verwendet werden, dass die Schafe tatsächlich an Stelle der Kinder geopfert wurden, dass es also eine direkte Stellvertreterschaft gab, ‹pro› also nicht nur im Sinne ‹zum Nutzen von›, sondern auch ‹an Stelle von› zu übersetzen ist. Grundsätzlich ist der molchomor ein Beispiel für ein Ritual im Saturnkult, das Kinder in den Mittelpunkt stellt; deshalb könnte der Wunsch, sich dauerhaft an die Durchführung dieses Rituals zu erinnern und in begrenztem Maße publik zu machen, der Grund für die Aufstellung so vieler Stelen mit Darstellung von Kindern sein.84
6 Intrare sub iugum Bisher unberücksichtigt blieb die zweite Stufe in der ‹Initiation der Mysten›, das Intrare sub iugum. Dies ist der einzige Ritualabschnitt, der auch nach LE GLAY noch diskutiert wurde, freilich mit keinem eindeutigen Ergebnis.85 Festzuhalten ist jedoch, dass die Zeugnisse des ‹Intrat› eindeutig von den Stelen mit Kinderdarstellungen abgesetzt werden können: Die Inschriften, die das ‹intrat sub iugum› bezeugen, gehören nämlich in einen ganz anderen Kontext. Sie wurden alle von sacerdotes des Saturn aus Anlass ihres Dienstantritts oder aus vergleichbaren Umständen aufgestellt. In keiner dieser Inschriften spielen Kinder oder das ‹molchomor›-Ritual eine Rolle. Die Stelen besitzen auch ein ganz anderes Erscheinungsbild, da sie unverziert sind oder nur einfache Dekoration mit Pinienzapfen, Rosetten oder anderen vegetabilen Objekten zeigen.86 Weder vom Kontext noch vom Aussehen besteht deshalb ein Zusammenhang mit den vielen Votivstelen, die LE GLAY ansonsten als Hauptquellen für die Rekonstruktion einer Initiation heranzieht. Es ist deshalb m. E. auch nicht zulässig, beide Denkmälergruppen zusammenzunehmen und auf ein einziges Ritual zu beziehen.
82 Auch Kinder auf attischen Grabstelen können mitunter auf ‹Basen› stehen (von MOOCK 1998, 68), doch nur die nordafrikanischen Beispiele erlauben eine Parallelisierung mit Opfertieren, so dass eine offensichtliche Bedeutungserweiterung vorliegt und nicht nur eine allgemeine Hervorhebung. 83 Stele aus Cheffia-Lamy; jetzt im Museum von Annaba: LE GLAY 1961, 452 f. Taf. 18, 6. 84 In diesem Zusammenhang verwundert, wie wenige dieser Stelen eine Inschrift tragen, da kaum mit einer anderen Beschriftungsmöglichkeit gerechnet werden kann. 85 BERTHIER – TAYEB 1970; BE´ NICHOU-SAFAR 1993. 86 Z. B. LE GLAY 1961, 19 f. Nr. 9; 28 Nr. 6; 49 Nr. 37; 86 Nr. 16.
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7 Fazit: Saturnkult als Gruppenreligion Festzuhalten ist zunächst, dass es keine sicheren archäologischen und epigraphischen Hinweise auf eine mysterienähnliche Saturn-Religion mit mehrstufiger Unterrichtung und Einweihung gibt. Hinsichtlich der vor allem interessierenden Frage nach dem Verhältnis von Lokalreligion und Reichsreligion oder allgemeiner der Romanisierung der Religion sind auf den ersten Blick Hinweise auf einen deutlich stärkeren römischen Einfluss zu konstatieren als LE GLAY angenommen hatte. Dafür spricht die demonstrative Darstellung der bulla, der Toga, also allgemein der Tatsache, dass man römischer Bürger ist beziehungsweise Kinder mit römischen Bürgerrecht hat, wie dies eben auch die Freigelassenen in Rom selbst praktizieren, so dass eine entsprechende Motivation angenommen werden kann. Auch die Formensprache selbst ist römisch, da die Stelen einem klassischen Formenkanon unterworfen sind und sich stilistisch eindeutig an Rom orientieren. Wahrscheinlich ist sogar die Intention, in dieser Form zu repräsentieren, Rom geschuldet beziehungsweise römisch beeinflusst.87 Zum anderen ist man aber weniger ‹römisch›, als LE GLAY angenommen hatte:88 Man vollzieht eben keine Mysterien nach griechisch-römischen Muster mit Unterrichtung, Initiation und so weiter, sondern die Stelen sind Zeugnis eines spezifisch nordafrikanischen Rituals, das im allgemein klassischen Kontext keine Parallele hat. Stimmt man der hier vorgeschlagenen Interpretation der Stelen zu, so zeigen viele der nordafrikanischen Saturnstelen Kinder und bilden somit die größte Gruppe antiker Denkmäler mit Kinderdarstellungen, für die man während der Kaiserzeit weder in Italien noch im griechischen Osten eine Entsprechung finden kann. Nicht umsonst mussten die meisten Vergleichsbeispiele aus dem Bereich der Sepulkralkunst beigebracht werden, weil es außerhalb Nordafrikas beziehungsweise des Gebietes, in dem der Saturnkult verbreitet ist, nichts Vergleichbares gibt. Inwiefern können nun diese Stelen Zeugnisse des Phänomens ‹Gruppenreligion› sein? Im Unterschied zur bisherigen Interpretation spricht wenig dafür, in den Stelen Zeugnisse der Religion einer sekundären Gruppe zu sehen.89 87 Zu Stil als Kategorie in der provinzialrömischen Kunst vgl. die wichtigen Bemerkungen bei SCOTT 2000; als Vergleich aus einer ganz anderen Region des Römischen Reichs aufschlussreich auch JOHNS 2003 (zu Britannien). 88 An diesem Punkt muss m. E. auch die Kritik an VARNER 1990 einsetzen: Er glaubt, dass als Folge einer durchgängigen assimilation und romanization sich die reichen Mittel- und Oberschichten in Africa auch in religiöser Hinsicht vollkommen an Rom angeglichen hätten. So nimmt er auch an, dass der in den Stelen erwähnte Saturn selbstverständlich mit dem stadtrömischen Saturn identisch ist und keine eigenen Züge mehr trägt. Grundsätzlich wird von Anfang an postuliert, was erst zu beweisen wäre. Zudem kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass Übernahme römischer Stilformen automatisch die Adaption stadtrömischer Ritualvorstellungen nach sich zieht. Zu den unterschiedlichen Graden von Romanisierung in verschiedenen Lebensbereichen grundlegend: TERRENATO 1998. 89 Zur Unterscheidung: RÜPKE 2004, 240–244.
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Obwohl das Ritual im Sinne des molchomor in der Nacht durchgeführt wurde, war es sicher nicht geheim, da die Stelen öffentlich aufgestellt wurden. Die übernommenen römischen Repräsentationsformen bis hin zum demonstrativ zur Schau gestellten römischen Bürgerrecht weisen auch nicht darauf hin, dass man sich abgrenzen wollte, der Saturnkult also als etwas Exklusives angesehen wurde. Es überwiegen eindeutig die integrativen Elemente: Man führte sacra privata im Rahmen der üblichen religiösen Optionsmöglichkeiten durch. Sicher war der Bezug zu Saturn eng und innig, wie nicht zuletzt die Namensgebung in den nordafrikanischen Inschriften beweist,90 doch gibt es keine Hinweise auf eine Gemeindebildung oder spezifische ‹boundary markers›.91 Mit Hilfe der Stelen lässt sich jedoch die religiöse Aktivität von Primärgruppen fassen, nämlich von Familien.92 Das grundlegende Thema der betrachteten Reliefs war nicht die Initiation, sondern ein Ritual, das eine kultische Verbindung zwischen Eltern, Kindern und Saturn herstellte. Die Stelen hatten dabei nicht nur die Funktion, diesen Ritus in Erinnerung zu halten, sondern auch zu veröffentlichen, wurden die Bildzeugnisse doch nicht im familiären Umfeld, das heißt im Haus, aufgestellt, sondern als Votive im Heiligtum mit einem entsprechend großen Publikum. Die zu postulierende hohe Anzahl der Stelen spiegelt deshalb auch das Nebeneinander in identischer Weise religiös agierender Primärgruppen wider, die somit aus ihrer Vereinzelung gelöst werden. Diese zweite Funktion der Stelen – wie allgemein der meisten Votivgaben – führte dazu, dass die Reliefs weiterhin auch zu Zwecken der visuellen Kommunikation mit anderen Besuchern des Heiligtums genutzt wurden, mit dem Zweck der Repräsentation und unter Anwendung als adäquat und zweckdienlich erachteter Mittel,93 die allgemein den aus Rom und dem Imperium bekannten Formen entsprechen. Deshalb erscheinen die Stelen so vertraut und ähneln in vielen Details anderen Monumenten im Imperium Romanum, obwohl Anlass und Kontext der Aufstellung deutlich differieren.
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90 Zu den Namen auf Saturnstelen: LE GLAY 1966b, 381 f.; Zu theophoren Namen allgemein: MORA 1995. 91 Vgl. hierzu RÜPKE 2004, 251–253 (mit weiterer Lit.). 92 Zur Definition: RÜPKE 2004, 240 f. 93 Zur Mehrfachfunktion von Votiven: HANSEN 1996; HAASE 2003.
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Von der Initiation zum Familienritual
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198
Günther Schörner
Abb. 1: Saturnstele aus Lambafundi; Museum Timgad (Foto: Schörner, wie Le Glay 1966a, Taf. 25, 2).
Abb. 2: Saturnstele aus Timgad, Museum Timgad (Foto Schörner; wie Le Glay 1966a, Taf. 27, 9)
Von der Initiation zum Familienritual
Abb. 3: Saturnstele aus Timgad; Museum Timgad (Foto Schörner; wie Le Glay 1966a, Taf. 28, 2).
199
200
Günther Schörner
Abb. 4: Saturnstele aus Timgad; Museum Timgad (Foto Schörner; wie Le Glay 1966a, Taf. 27, 6).
Von der Initiation zum Familienritual
Abb. 5: Saturnstele aus Djemila; Museum Djemila (Foto Schörner; wie Le Glay 1966a, Taf. 34, 3).
201
Stellenregister Zusammengestellt von Elisabeth Begemann
a) Inschriften Zur Auflösung der Siglen siehe auch Seite 153f. in diesem Band. AE 1973, 127 = CIL 12,3025: 24, 25 AE 1978, 564: 148 AE: 1971, 417 = HERZ 1970/79, 269 Nr. –3 = FRENZ 1984, 117f. Nr. 102: 130, 131, 151 AE 1979, 426 = HERZ 1978/79, 277/8 Nr. 6 = FRENZ 1992, 125 Nr. 111: 130 AE 1980, 374: 14 CIL 12,974 = 6,2182 = ILS 3342 = ILLRP 61: 14, 16 CIL 12,981 = 6,30899 = ILS 3423 = ILLRP 126: 24 CIL 12,1532 = 10,5073 = ILS 3344 = ILLRP 62: 16 CIL 12,1533 = 10,5074 = ILS 5367 = ILLRP 551: 25 CIL 12,1537 = 10,5679 = ILS 5738 = ILLRP 546: 25 CIL 12,1541 = 10,5191 = ILLRP 63: 14 CIL 12,1550 = 10,5422 = ILS 353 = ILLRP 205: 14 CIL 12,1688 = 10,292 = ILS 5430 = ILLRP 574: 24 CIL 12,1721 = 9,1138 = ILLRP 522: 25 CIL 12,1745 = 9,2174 = ILS 5528 = ILLRP 568: 25 CIL 12,1751 = 9,2569 = ILLRP 271: 14 CIL 12,1759 = 9,2802 = ILS 5896 = ILLRP 552: 25 CIL 12,1774 = 9,3087 = ILLRP 65: 14 CIL 12,1775 = 9,3090 = ILS 3351 = ILLRP 66: 14 CIL 12,1777 = 9,6323: 14 CIL 12,2646: 26 CIL 12,3025 = AE 1973, 127: 24, 25 CIL 12,3110 = 10,6103: 14, 16
CIL 12,3216: 14 CIL 12,3257: 14, 16 CIL 12,3260 = rev. CIL 9,3032: 14 CIL 25,575: 132 CIL 6,355: 43 CIL 6,492 = 6,30777: 22 CIL 6,494: 31, 43 CIL 6,749 = Vermaseren 1965–60 = CIMRM 400: 115 CIL 6,750 = CIMRM 401: 115 CIL 6,751a = CIMRM 402: 115 CIL 6,751b = CIMRM 403: 115 CIL 6,752 = CIMRM 404: 115 CIL 6,753 = CIMRM 405: 115 CIL 6,2123/24 = ILS 4941/41a: 12 CIL 6,2129: 117 CIL 6,2130: 117 CIL 6,2181 = 6,32443: 14 CIL 6,2182 = 12,974 = ILS 3342 = ILLRP 61: 14, 16 CIL 6,2193: 31 CIL 6,2262: 31, 43 CIL 6,2265: 43 CIL 6,10098 = CLE 1110: 43 CIL 6,29691: 43 CIL 6,30777 = 6,492: 22 CIL 6,30899 = 12,981 = ILS 3423 = ILLRP 126: 24 CIL 6,30973: 43 CIL 6,32443 = 6,2181: 14 CIL 6,32455 = ILS 5428: 31 CIL 6,40684: 117 CIL 9,1138 = 12,1721 = ILLRP 522: 25 CIL 9,2174 = 12,1745 = ILS 5528 = ILLRP 568: 25 CIL 9,2569 = 12,1751 = ILLRP 271: 14 CIL 9,2802 = 12,1759 = ILS 5896 = ILLRP 552: 25 rev. CIL 9,3032 = 12,3260: 14 CIL 9,3087 = 12,1774 = ILLRP 65: 14 CIL 9,3090 = 12,1775 = ILS 3351 = ILLRP 66: 14
204
Register
CIL 9,3166 = ILS 3187: 14 CIL 9,3167: 14 CIL 9,3677 = ILS 5684: 26 CIL 9,6323 = 12,1777: 14 CIL 10,292 = 12,1688 = ILS 5430 = ILLRP 574: 24 CIL 10,810: 26 CIL 10,5073 = 12,1532 = ILS 3344 = ILLRP 62: 16 CIL 10,5074 = 12,1533 = ILS 5367 = ILLRP 551: 25 CIL 10,5191 = 12,1541 = ILLRP 63: 14 CIL 10,5422 = 12,1550 = ILS 353 = ILLRP 205: 14 CIL 10,5679 = 12,1537 = ILS 5738 = ILLRP 546: 25 CIL 10,6103 = 12,3110: 14, 16 CIL 10,8416 = ILS 3487: 21 CIL 13,510 = ILS 4127 = ILA 15: 138 CIL 13,518 = ILS 4157: 138 CIL 13,5026: 132 CIL 13,5966: 148 CIL 13,5968: 148 CIL 13,6664: 135 CIL 13,6666: 136 CIL 13,7281: 137 CIL 13,7317: 137 CIL 13,8244 = ILS 3384 = GALSTERER 1975 Nr. 134 = E. 8,6527: 143 CIL 13,8246 = SIRIS 720 = ILS 4394 = GALSTERER 1975 Nr. 135: 142 CIL 13,10611a: 147 CIL 13,11601: 147 CIL 13,11606: 147 CIL 13,11606–11619: 147 CIL 13,11608: 147, 148 CIL 13,11609 = CIMRM 2,1362: 147, 148 CIL 13,11612a: 147 CIL 13,11613: 147 CIL 13,11788 = SCHWERTHEIM 1974, 137 Nr. 116c: 146 CIL 13,11788a = E. Germ. 309 = SCHWERTHEIM 1974,147a = HUPE 1997, 186 Nr. 152: 145, 146 CIL 13,11824: 131 CIL 13,12052 = SCHALLMAYER et al. 1992, 61 Nr. 61: 142 CIMRM 400 = VERMASEREN 1965–60 = CIL 6,749: 115
CIMRM 401 = CIL 6,750: 115 CIMRM 402 = CIL 6,751a: 115 CIMRM 403 = CIL 6,751b: 115 CIMRM 404 = CIL 6,752: 115 CIMRM 405 = CIL 6,753: 115 CIMRM 1027: 143 CIMRM 2,125 N 1313: 140 CIMRM 2,128f.: 145 CIMRM 2,1082: 129 CIMRM 2,1083: 129 CIMRM 2,1117: 130 CIMRM 2,1118: 130 CIMRM 2,1223–1229: 131 CIMRM 2,1252 = F. 186 = E. Germ. 246 = SCHWERTHEIM 1974, 163f. Nr. 123e: 145 CIMRM 2,1329–1331: 145 CIMRM 2,1335: 147 CIMRM 2,1335–1375: 147 CIMRM 2,1359 = E. 10 S. 14f. = E. 7,5330: 147 CIMRM 2,1362 = CIL 13,11609: 147, 148 CLE 1110 = CIL 6,10098: 43 ESPE´ RANDIEU (= E.) 10 S. 14f. = E. 7,5330 = CIMRM 2,1359: 147 E. 7,5330 = E. 10 S. 14f. = CIMRM 2,1359: 147 E. 7,5519: 147 E. 7,5525: 147 E. 7,5537: 147 E. 8,6527 = CIL 13,8244 = ILS 3384 = GALSTERER 1975 Nr. 134: 143 E. Germ. 246 = F. 186 = CIMRM 2,1252 = SCHWERTHEIM 1974, 163f. Nr. 123e: 145 E. Germ. 309 = CIL 13,11788a = SCHWERTHEIM 1974,147a = HUPE 1997, 186 Nr. 152: 145, 146 FINKE (= F.) 135: 147 F. 186 = E. Germ. 246 = CIMRM 2,1252 = SCHWERTHEIM 1974, 163f. Nr. 123e: 145 F. 289 = SIRIS 722 = GRIMM 1969 Nr. 18 = PARLASCA 1955, 18 Nr. 3: 142 FRENZ 1992, 125f. Nr. 110 = HERZ 1978/79, 277 Nr. 5 = AE 1979, 425: 130, 131, 151
Stellenregister
205
FRENZ 1992, 125 Nr. 111 = HERZ 1978/79, 278 Nr. 6 = AE 1979, 426: 130 FRENZ 1992, 148f. Nr. 165: 136
ILLRP 568 = CIL 9,2174 = 12,1745 = ILS 5528: 25 ILLRP 574 = CIL 10,292 = 12,1688 = ILS 5430: 24
GALSTERER 1975 Nr. 134 = CIL 13,8244 = ILS 3384 = E. 8,6527: 143 GALSTERER 1975 Nr. 135 = CIL 13,8246 = SIRIS 720 = ILS 4394: 142 GALSTERER 1975,21 Nr. 44 = N/L 208 = SIRIS 721 = GRIMM 1969 Nr. 16: 141, 142
ILS 3353 = CIL 10,5422 = 12,1550 = ILLRP 205: 14 ILS 3187 = CIL 9,3166: 14 ILS 3342 = CIL 6,2182 = 12,974 = ILLRP 61: 14, 16 ILS 3344 = CIL 10,5073 = 12,1532 = ILLRP 62: 16 ILS 3351 = CIL 9,3090 = 12,1775 = ILLRP 66: 14 ILS 3384 = CIL 13,8244 = GALSTERER 1975 Nr. 134 = E. 8,6527: 143 ILS 3423 = CIL 6,30899 = 12,981 = ILLRP 126: 24 ILS 3487 = CIL 10,8416: 21 ILS 4127 = CIL 13,510 = ILA 15: 138 ILS 4157 = CIL 13,518: 138 ILS 4394 = CIL 13,8246 = SIRIS 720 = GALSTERER 1975 Nr. 135: 142 ILS 4941/41a = CIL 6,2123/24: 12 ILS 5367 = CIL 10,5074 = 12,1533 = ILLRP 551: 25 ILS 5428 = CIL 6,32455: 31 ILS 5430 = CIL 10,292 = 12,1688 = ILLRP 574: 24 ILS 5528 = CIL 9,2174 = 12,1745 = ILLRP 568: 25 ILS 5684 = CIL 9,3677: 26 ILS 5738 = CIL 10,5679 = 12,1537 = ILLRP 546: 25 ILS 5896 = CIL 9,2802 = 12,1759 = ILLRP 552: 25
GRIMM 1969 Nr. 16 = N/L 208 = SIRIS 721 = GALSTERER 1975, 21 Nr. 44: 141, 142 GRIMM 1969 Nr. 18 = F. 289 = SIRIS 722 = PARLASCA 1955, 18 Nr. 3: 142 HERZ 1978/79, 277 Nr. 5 = FRENZ 1992, 125f. Nr. 110 = AE 1979, 425: 130, 131 HERZ 1978/79, 278 Nr. 6 = FRENZ 1992, 125 Nr. 111 = AE 1979, 426: 130 HUPE 1997, 186 Nr. 152 = CIL 13,11788a = E. Germ. 309 = SCHWERTHEIM 1974, 147a: 145, 146 ILA 15 = CIL 13,510 = ILS 4127: 138 ILLRP 61 = CIL 6,2182 = 12,974 = ILS 3342: 14, 16 ILLRP 62 = CIL 10,5073 = 12,1532 = ILS 3344: 16 ILLRP 63 = CIL 10,5191= 12,1541: 14 ILLRP 65 = CIL 9,3087 = 12,1774: 14 ILLRP 66 = CIL 9,3090 = 12,1775 = ILS 3351: 14 ILLRP 126 = CIL 6,30899 = 12,981 = ILS 3423: 24 ILLRP 205 = CIL 10,5422 = 12,1550 = ILS 353: 14 ILLRP 273 = CIL 9,2569 = 12,1751: 14 ILLRP 522 = CIL 9,1138 = 12,1721: 25 ILLRP 546 = CIL 10,5679 = 12,1537 = ILS 5738: 25 ILLRP 551 = CIL 10,5074 = 12,1533 = ILS 5367: 25 ILLRP 552 = CIL 9,2802 = 12,1759 = ILS 5896: 25
NESSELHAUF/LIEB (= N/L) 208 = SIRIS 721 = GALSTERER 1975, 21 Nr. 44 = GRIMM 1969 Nr. 16: 141, 142 PARLASCA 1955, 18 Nr. 3 = F. 289 = SIRIS 722 = GRIMM 1969 Nr. 18: 142 PFUHL-MÖBIUS 1977, 152 Nr. 475: 186 PFUHL-MÖBIUS 1977, 152f. Nr. 477: 186 PFUHL-MÖBIUS 1977, 230 Nr. 884: 186 SCHALLMAYER et al. 1992, 61 Nr. 61 = CIL 13,12052: 142
206
Register
SCHWERTHEIM 1974, 112ff. Nr. 88–95: 131 SCHWERTHEIM 1974, 117f. Nr. 96: 136 SCHWERTHEIM 1974, 137 Nr. 116c = CIL 13,11788: 146 SCHWERTHEIM 1974, 163f. Nr. 123e = CIMRM 2,1252 = E. Germ. 246 = F. 186: 145 SCHWERTHEIM 1974, 147a = CIL 13,11788a = E. Germ. 309 = HUPE 1997, 186 Nr. 152: 145, 146 SIRIS 720 = CIL 13,8246 = GALSTERER 1975 Nr. 135 = ILS 4394: 142 SIRIS 721 = N/L 208 = GALSTERER 1975, 21 Nr. = GRIMM 1969 Nr. 16: 141, 142 SIRIS 722 = F. 289 = GRIMM 1969 Nr. 18 = PARLASCA 1955, 18 Nr. 3: 142 VERMASEREN 1965–60 = CIL 6,749= CIMRM 400: 115 WAELKENS WAELKENS WAELKENS WAELKENS WAELKENS WAELKENS
1986, 1986, 1986, 1986, 1986, 1986,
133 135 135 136 141 141
Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr.
330: 336: 337: 341: 357: 358:
186 186 186 186 186 186
26,5: 55; 26, 28: 55; 27,35: 64; 28,22: 55 Apul. met. 11,2,4: 100; 11,5,1–3: 100; 11,6,4: 42; 11,7: 42; 11,10,1: 42; 11,13,4: 42; 11,17,2: 42; 11,25,7: 42; 11,26,3: 43; 11,30,5: 43; 16,7: 42; 17,1: 42 Arist. 16: 98; 132–140: 98; 139: 103; 157: 98 Aristeas 16: 53; 139–142: 51 Aristid. Apolog. 15,6: 37; or. 45,27: 102 Athenag. legat. 23–26: 105 Aug. civ. 2,27: 9; 7–8: 105; epist. 188 V 33: 41 Baraitha Aboda Zara 54b: 40 Barn. 2,6: 78, 79; 4,1: 79; 4,6–8: 57 bSan. 74b/75a: 97 Cant. 2,17–33: 52; 9,8–9: 52; 15,31– 32: 52; 50,6–13: 52 CD 10,14–11,18: 52 Cic. Att. 1,13,3: 19; Balb. 55: 14f.; Cael. 34: 22; Cato de sen. 13: 34; 14: 34; 45: 36, 43; 45: 43; de div. 1: 34; dom. 28,74: 31, 32; 109: 33; har. 27: 22; leg. 2,1,3: 33; nat. 1,13: 99; 1,85: 101; rep. 4,3,3: 39; Tusc. 1,28,69: 35; Verr. 2,1,125–127: 24; 2,2,21: 24; 4,99: 17
b) literarische Quellen Acta Pionii 13: 119 Amm. Marc. 22,10,7: 39 Amos 9,7: 53 Antist. fr. 24: 99 Apg. 1,5–8: 59; 1,8: 69; 1–5: 55; 2,5: 77; 2,38: 63; 2,42: 64; 2,44: 62; 2,46: 64; 4,32: 62; 5,17: 55; 8,12: 63; 9,14: 62; 9,21: 62; 10,28: 60; 10,11–16: 60; 10,1–11,18: 59; 10,43: 62; 10,44–18: 62; 10,46: 62; 10,48: 63; 11,17: 62; 11,26: 55, 62; 12,12: 36; 13,5: 49; 13,14: 49; 13, 42–43: 49; 14,1: 49; 15,5: 55, 62; 15,7–11: 59; 16,13: 49; 16,15: 36; 16,16: 49; 16,31: 62; 16,34: 37; 17,1: 49; 17,10: 49;17,17: 49; 18: 36; 18,2: 36; 18,27: 62; 19,5: 63; 19,18: 62; 20,7: 58, 64; 20,11: 64; 21,18: 36; 21,20: 62; 21,25: 62; 22,16: 62; 24,5: 55; 24,14: 55;
1Clem. 1,3: 76; 10,7: 76; 30,3: 76, 79; 31,1–4: 76; 31,2: 76; 32,3f.: 76, 77; 58,2: 76; 59,2: 76; 60,1: 76; 60,4: 76 Clem. Al. 2,19: 135 Col. 1,23: 77; 3,5: 61; 4,15: 36 Columella 11,1,19: 33 1Cor. 1,2: 62; 1,3: 94; 1,13: 63; 3,16: 57; 5,13: 61; 6,11: 63, 76; 6,18: 61; 6,19: 57, 60, 61; 8: 89, 103, 109, 110; 8,1: 92; 8,1c–3: 92; 8,1–13: 103; 8,3: 103; 8,4: 56, 92; 8,4–6: 89, 91; 8,4b–6: 92, 93, 94, 96, 97, 101, 103, 108, 109; 8,4bα(–6): 104; 8,4bα: 93; 8,5: 97; 8,5–6: 61; 8,6: 56, 95, 98; 8,7: 92, 101; 8,8: 92; 8,9: 92, 103; 8,10: 92, 102; 8–10: 65, 102; 8,13: 103, 107; 10: 89, 109, 110; 10,1–13: 107; 10,14– 22: 102, 103; 10,16–17: 65, 104;
Stellenregister
10,18: 104; 10,19b: 103; 10,19bβ: 93; 10,19–20: 65; 10,19–21: 89, 104, 110; 10,20f.: 106; 10,21: 65; 10,22: 65, 107; 10,25–27: 98; 10,27: 97; 10,27–30: 66; 10–12: 101; 11,20: 65; 11,23–26: 64; 11,25: 64; 11–14: 64; 12,3: 103; 12,13: 63; 14,22: 62; 14,23–24: 65; 15,24: 107; 16,2: 58; 16,19: 36; 12,28: 40 2Cor. 5,10: 75; 11,15: 75 CTh 14,9,1: 38; 14,9,3: 38 Dan. 1,5 (LXX): 82 Deut. 3,24: 97; 4: 95; 4,14: 8041; 4,7: 95; 4,19: 91; 4,32–34: 95; 4,35: 95; 4,39: 97; 5,7: 91; 5,8–9: 51; 5,15: 52; 6,4: 51; 6,4 (LXX): 96; 10,14: 97, 98; 10,16: 59; 10,17 (LXX): 96; 29,25: 91; 32: 106; 32,8: 91; 32,8–9: 52; 32,16: 65; 32,17: 65 Did. 12,4: 55; 14,1: 58 Dig. 2,4,18: 33; 47,22,1,2: 32; 47,22,3,2: 31; 50,17,10,3: 33; 50,16,195: 32. Dio 26,87,1–5: 13; 49,43,8: 26; 55,22,5: 12; 67,16,1: 136 Diod. Sic. 34/35,33,2: 22 Diogn. 1,1: 55; 2,10: 55; 2,6: 55; 4,6: 55; 5,1: 55; 6,1–10: 55; 7,135: 99; 8,6: 77; 9,1–5: 77 Dion Chrys. 12,60f.: 101; 31,11: 99; 31,15: 101 Dion. Hal. 4,14,3–4: 31; 8,39,1–56,4: 20; 8,39,2: 20 2Enoch 10,4–6: 52 Ep. Jer. 51; 43: 52 Eph. 2,8–10: 77; 3,21: 57; 5,3: 61; 5,11: 73; 8–10: 72 Epiphan. Panarion 27,6,8: 41; 31,9,6: 40; 42,1,1–2: 41 Esther 8,17 (LXX): 54 Eum. Paneg. Lat. 9,8,1: 39 Eur. Bakchen 721ff.: 164 Eus. hist. eccl. 4,11,2: 41; 4,11,8: 40; 4,29,3: 41; 5,13,1–8: 41; 5,13,4: 41; 5,21: 37; 5,28: 41; Praep. Evang. 9,22,5: 54 Ex. 15,11: 95; 18: 82; 18,11: 97; 18,20: 83; 20,3: 91; 20,4–5: 51; 20,8–11: 52; 31,16–17: 52; 32,25– 28: 52
207
Ezech. 44,9: 59 Fest. 79L: 13; 188L: 26; 248L: 9; 282L: 9; p. 284,18ff. (Lindsay): 31 Gai. inst. 112: 12, 13 Gal. 1,13f.: 82; 2,3: 82; 2,6–9: 59, 62; 2,7–9: 54; 2,11–14: 60, 82; 2,14: 60; 2,16: 60, 62, 70, 78, 82; 2,19aα: 71; 2,21: 71; 2,21bα: 71; 3,2: 70; 3,2–5: 59, 62, 64; 3,5: 62, 70; 3,10: 70; 3,11a: 71; 3,12a: 71; 3,13f.: 71; 3,18a: 71; 3,20: 56; 3,21cβ: 71; 3,26–27: 64; 3,27: 63; 4,8–9: 103; 5,4aβ: 71; 5,6: 60; 5,14: 75; 5,19: 61; 6,15: 60; 6,16: 75 Gell. 1,12,5: 12; 1,12,11–14: 18, 19; 1,12,12: 12; 4,3,3: 9; 10,15,1–32: 13 Gen. 2,2–3: 52; 17,9–14: 53 Hebr. 8,13: 57; 3, 14: 79 Herm. vis. 1,1,1 [= Herm 1,1]: 78; 3,5,5 [= Herm 13,5]: 78; 3,7,6 [= Herm 15,6]: 78; 3,8,5 [= Herm 16,5]: 78; 3,8,7 [= Herm 16,7]: 78; mand 6,2,3 [= Herm 36,3]: 79; 6,2,4 [= Herm 36,4]: 79; 6,2,8 [= Herm 36,8]: 79; 6,7,3 [= Herm 37,3]: 79; 12,4,6 [= Herm 47,6]: 79; 12,6,2–4 [= Herm 49,2–4]: 79; sim 1,1 [= Herm 50,1]: 79; 1,7 [= Herm 50,7]: 79; 5,6,3 [=Herm 59,3]: 78; 8,3,2 [=Herm 69,2]: 78; 8,3,3: 62; 8,9,1 [= Herm 75,1]: 78; 8,9,3 [= Herm 75,3]: 79; 8,10,3 [= Herm 76,3]: 79; 9,14,1 [= Herm 91,1]: 78; 9,14,2 [= Herm 91,2]: 79; 9,17,4 [= Herm 94,4]: 78; 9,19,1: 62; 9,21,2 [= Herm 98,2]: 78; 9,22,1: 62; 10,2,3 [= Herm 112,3]: 78 Herod. 5,6,6: 117 Hes. theog. 49: 90, 98 Hier. chron. Ol. 216,4: 38; ep. 53,7: 121 Hippolyt. Refut. 6,29: 40; 9,7: 41; 9,11,4–9,12: 41; 10,27: 41 Hom. Il. 8,27: 90, 98 Hor. epod. 2,43: 33; p.91 (Toland): 34 Hos. 4,12–18: 52 Iac. 1,17: 74; 1,22–25: 75; 1,25: 75;
208
Register
2,8–13: 75; 2,20–22: 74; 2,12: 74; 2,14: 75; 2,14–26: 74, 75; 2,18: 74, 75; 2,20: 75; 2,24: 75; 2,26: 75; 3,13: 74; 3,17: 74; 4,11f.: 75; 4,17: 74; 24–26: 74 Ier. 9,25–26: 59; 44: 59 Ies 65,3 (LXX): 107 Ign. Eph. 11,2: 55; Magn. 8–10: 56; 9,1: 58; Phil. 6,1: 56 Ioh. 2,11: 62; 3,16: 62; 3,18: 62; 3,26: 63; 3,36: 62; 4,2: 63; 4,39: 62; 5,18: 57; 6,35: 62; 7,31: 62; 7,39: 62; 8,41: 79; 10,33: 57; 11,26: 62; 12,44: 62; 12,46: 62; 16,9: 62 Iren. haer. 1,6,3: 88; 1,11,1: 40; 1,27,2: 41; 1,28,1: 41 Isa. 44, 9–20: 51; 45, 20–25: 51; 56,6: 52 Iudit 8,18: 51 Joh. Chrys. Hom. ad Jud. 1: 56; PG 48,844–5: 56 Jos. Ant. 1,192: 53; 4,139: 103; 13,62– 73: 54; 20,38–42: 54; 20,43–48: 54; Ap. 1,239: 101; 2,77: 54; 2,123: 54; 2,173: 82; 2,190: 98; 2, 280: 54; 2,282: 52, 54; Bell. 2,409: 54; 2,197: 54; 2,454: 54; 463: 54; 7,420–36: 54 Justin Apol. 1,61–66: 43; dial. 11,4: 79, 80; 11,5: 57, 80; 14,2f.: 79, 80; 14,3f.: 79; 23,5: 80; 34,8–35,6: 87; 35,7: 79; 47: 56; 70: 43; 78: 43; 82,1: 57; 82,117–120: 57; 82,123–5: 57; 82,135: 57; 85,7: 79; 92,2–4: 80; 92,2–5: 79; 92,5: 79; 93,2: 79; 93,4f.: 80; 95,1: 80; 95,3: 79; 123,7: 75; 133,2: 79; 133,2: 79 Juv. sat. 14,96–106: 54 Lev. 19,18: 79; 20,24–26: 53, 60 Lib. 1 Od. 2: 34; 31: 34; 2 Of. 3: 34; 2: 34 Liv. 2,40,1–13: 20; 10,23,1–10: 10; 10,6,4: 11; 22,1,18: 9; 26,23,8: 13; 27,37,5–15: 21; 29,10,4–14,14: 21; 39,15,11: 46; 39,15,2–3: 95; Per. 63: 13; Per. 140: 26
Lc. 7,20: 63; 7,33: 63; 9,19: 63; 10– 11: 36; 13,1: 40; 14,13: 64; 14,21: 64; 28,30–31: 40 Lydus de mens. 4,65: 10 1Macc. 1,60–61: 53; 1,60–63: 82; 1,62– 63: 53; 2,45f.: 82; 2,46: 53 2Macc. 2,21: 82; 8,1: 82; 14,38: 82 Macr. Sat. 1,6,13–14: 7; 1,11,35–40: 9; 1,12,15: 10; 1,15,19: 12; 1,24,22: 33 Magn. 4: 55; 10,1–3: 56 Mc. 2,16: 64; 6,14: 63; 6,24: 63; 6,25: 63; 7,1–13: 82; 8,28: 63; 14,22–25: 64 Mart. Pol. 3,2: 55; 10,1: 55; 10,15: 56; 12,1–2: 55 Martyrium Justini et sociorum B 3,1– 3,8: 44 Mt. 3,1: 63; 5,19: 83; 5,21–48: 82; 11,11–12: 63; 11,19: 64; 14,2: 63; 14,8: 63; 16,14: 63; 17,13: 63; 18,6: 62; 22,37–40: 79; 23,23: 83; 28,19: 63; 28,19–20: 59 Mel. peri Pascha 39–45: 57 Min. Fel. Oct. 24–27: 105 Mischna Aboda Zara 4,7: 40 Mullach 2,277: 99 Num. 25: 110; 25,1–9: 52; 25,2: 103 Obd. 37: 13 Orig. c. Cels. 1,13,34: 62; 1,24: 51; Hom. in Lev. 5,8: 56; Sel. on Exod. 12,46: 56 Ov. Am. 3,10: 15; fast. 2,631: 33; 4,133–1: 9; 4,247–349: 21; 4,326: 22; 4,353: 43; 4,863–900: 9; 4,9,105–112: 34; 5,331–4: 9; 6,101: 33; 6,155: 33; 6,473–568: 9; met. 10,431–5: 15 Paus. 2,3–5: 102 1Petr. 1,1: 79; 2,6: 62; 3,13: 78; 4,16: 55 2Petr. 2,8: 79 Phil. 1,22: 74; 2: 36; 2,10–11: 57; 3,3: 59 2Phil. 10,2: 79 Philo Abr. 70ff.: 103; congr. 48F: 103; decal. 18–19: 80; 53: 90; 61: 103; 65: 51, 90; 175: 80; Deus 163F:
Stellenregister
101; ebr. 33–40: 97; 106ff.: 103; Migr. 92–94: 54; 132–134: 101; Mos. 1,278: 52; 2,17–20: 54; Mos. 2,21: 52; opif. 7: 103; praem. 80: 82; spec. 1,13–20: 90; 1,20: 103; 1,54–58: 110; 1,208: 98; 2,165f.: 90, 98; 2,166: 103; 1,305: 59; 3,205–6: 52; virt. 212ff.: 103; 35: 103 Plat. Apol. 24c: 107; leg. 4,715e: 98 Plaut. Aul. 24: 33 Plin. ep. 10,96: 55 Plin. Nat. 7,120: 20, 22; 18,2,6: 12; 36,24: 21 Plut. Caes. 9,1–10,11: 19; Cam. 33,2–6: 9; Cic. 4–5: 18; 7,6: 54; 7,69: 54; Cor. 33,1: 20; 33,1–37,3: 20; Numa 10,4–7: 14; Pel. 21,3–6: 108; Rom. 29,3–6: 9; mor. 171B-D: 109; 171F: 101; 267D: 9; 283F–284C: 13; 287D-E: 12; 355D: 101; 361B: 108; 362E–363D: 108; 369D-F: 108; 372E: 99; 375C: 108; 377C– 378A: 99; 378A–379E: 101; 417C: 108; 436D: 98; 601B: 98; 1074E: 98; 1124F: 98 Polyb. 1,2: 77; 1,3: 77; 2,1–3: 78; 2,2f.: 78; 3,2: 77; 3,3: 78; 4,1: 78; 4,1–3: 78; 5,1: 78; 5,1–6: 78; 6,3: 78; 7,1: 78; 9,1: 77, 78; 10,1: 78; 10,2: 77, 78; 11,2: 77, 78; 11,3: 77; 12,2: 77, 78; 26,1–10: 23; 73: 55 Prov. 11–15: 51 Ps. 23(24) (LXX): 97; 95(96),5 (LXX): 105; 105(106),36–38: 107; 106,36: 103 Ps.-Arist. Mu. 397b.13–15: 98; 397b, 19–20: 99; 401a: 98, 99 1QH 2,18: 59; 18, 20: 59 1QpHab 11,13: 59 1QS 5,5: 59 4QMMT C27: 82 2Reg. 5,15–17: 97 Rev. 1,10: 58; 2,22: 79; 2,26: 79 Rom. 1: 103; 1,16f.: 69; 1,21–27: 52, 61; 1,25: 103; 2,5–11: 75; 2,13: 75, 76; 2,15: 70; 2,28–29: 59; 3,2: 55; 3,3: 56; 3,19: 71; 3,20: 70; 3,20b: 71; 3,21: 71; 3,22: 62; 3,26: 62; 3,28: 69, 70; 3,28–30: 59; 3,30: 54,
209
56; 4,2: 71; 4,6: 71; 4,9: 54; 6,4: 63; 7,12: 75; 8,9: 62; 8,38f.: 107; 9–11: 57, 75; 9,12: 71; 9,32: 70; 9,33: 62; 10,13: 62; 10,14: 62; 11,1: 69; 11,6: 71; 11,13: 69; 11,26: 75; 11,36: 95; 13,8–10: 75; 16,3: 36; 16,5: 36 Sach. 14,9: 92 Sanhedrin 32b: 40; 39b: 40 Sap. Sal. 14,12–27: 52 Seneca ep. 108,22: 54 Serv. ad Aen. 4, 19: 9; 4,29: 13; 4,58: 15; ad Georg. 1,31: 12 SHA Had. 16,8–11: 38; Hel. 3,5: 118 Sib. Or. 3: 52; 3,8–45: 51; 3,629: 51 Solinus 1,126: 10, 20 Suet. Aug. 29,4: 26; 30: 31; 92,2: 116; Claud. 25,4: 55; Dom. 1: 136; 12,2: 58; 15,3: 136; Iul. 6,2: 19; Nero 16,2: 55; Otho 8: 43; gramm. 1,2: 38; 3,4: 38; 6: 39; 7: 38; 15: 38; 16: 38; 17: 38; 18,2: 38; 18,3: 38; 25: 38; 40: 38 Tac. ann. 1,54: 35; 1,73: 31, 35, 43, 45; 4,16: 12; 15,44: 55; hist. 5,5,1f.: 82; 5,5,2: 53 Tert. adv. Valent. 3: 36; 8,3: 40; 11,2: 40; 33,1: 40; apol. 21,1: 46; 37,4: 46; 37–39: 44; 38,2: 32; cast. 13,1: 13; 13: 15; 13: 15; idol. 15,1: 33; 15,5: 33; Mon. 17,3–4: 15; 17,4: 13; 17,3: 9; Nat. 2,15: 33; praesc. haeret. 40: 43; uxor 6,1: 33 TestLev. 19,1: 79 1Thess. 1,7: 62; 1,9b–10: 103; 2,10: 62; 2,13: 62; 4,3: 61 2Thess. 1,10: 62 Tim. 39e–40d: 90 1Tim. 1,16: 62; 1,17: 56; 2,5: 56; 2,7: 69; 6,15–16: 56 2Tim. 1,9: 73; 2,22: 62 Tit 1,14: 73; 2,14: 73, 74, 78; 3,1: 73, 76; 3,2: 74; 3,3: 74; 3,4f.: 73; 3,5: 77 Tosephta Aboda Zara 6 (7): 40 Trall. 6,1: 55 Val. Max. 8,15,12: 10, 20 Varro ant. rer. div. 85: 33; Ling. Lat. 6,24: 31
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Register
Veget. re milit. 2,5: 119 Xen. fr. 23 Diels/Kranz: 90, 98 Xen. Mem. 1,1,1: 107
Allgemeines Register Abendmahl/Eucharistie: 4, 40, 44, 64f., 119 Abraham: 53, 60, 88, 9934 Africa: 181, 186 Ägypten: 50, 53f., 99f., 149144 Alexandria: 52 Altar: 22, 24, 33, 113, 130f., 135, 137f., 141–144, 146, 164f., 18861 Alzey: 127, 137–140, 153 Antiochia: 55f., 60, 62 Anubis: 133 Aphrodite: 102 Apis: 1539, 144 Apollon: 1539, 46, 99, 122, 145 Apuleius: 43f. Apulum: 162, 168, 170ff. Aristoteles: 41, (98f., 101, 110) Arvalbrüder: 12, 3420 Asklepios: 102, 164 Athen: 38, 41, 164, 16636, 167, 171, 18861 Athene: 100, 164, 167 Atina: 14, 2572 Attis: 134ff., 139, 150, 153 Augur: 74, 12 Augustinus: 80 Augustus: 86, 26, 31, 35, 116, 121f. Bellona: 100, 136, 140 Bona Dea: 8, 13, 18, 24, 3420, 186 Caesar, C. Iulius: 13, 18, 121f.; divus Iulius: 35 Caesarea: 36, 59 Caritas: 41, 45 Castor (und Pollux): 135, 150 Ceres: 1326, 14–18, 100 Christen, Christianer, Christentum: 2–5, 33, 35f., 39–46, 49ff., 55–66, 69f., 72, 74, 76f., 84, 87, 92, 95, 101, 104, 107, 109, 115, 118–123, 146, 149, 183f. (Jesus) Christus: 40f., 49, 55–64, 66, 70, 72f., 77ff., 88, 92–95, 97f., 102, 108f., 121f.
Cicero: 1435, 15, 1744, 22, 33, 38, 41 Claudia Quinta: 20ff. Commodus: 122, 137, 164 confarreatio: 12f. curiae (Kurie): 7, 31 Dämon: 4, 33, 44f., 65, 89, 104–110 Dea Dia: 3420 Delphi: 1539 Demeter: 102, 165 Dendrophoren: 136f., 140 Diana: 1539, 317, 145 Diaspora: 50ff., 57, 75 Dieburg: 133, 145 Dionysos: 5, 35, 45, 99, 118, 143, 162– 168, 171f., 18863 Domitian: 58, 136 Eleusis: 42 Ephesos: 162f., 165ff., 170 Epikureer: 101 Epona: 145ff. Eros: 102 Familie: 6, 31, 32, 3628, 64 flamen / flaminica Dialis: 12ff., 18 Fluchtafel: 133f., 139f. Formiae: 14, 16 Fortuna: 9f., 20 Gallien: 127, 133, 136 Genius: 137, 142 Germanien: 127f., 131, 136f., 141, 144ff., 147, 150, 152f. Gnosis, Gnostiker: 88, 92f., 95, 101, 114, 119 Groß-Gerau: 135, 137, 150 Hadrian: 3845, 122, 13760, 140, 166 Halakhot: 7215, 82f. Haruspices: 21, 139, 146 Haus: 3, 31–38, 41, 44ff., 58, 119 Hekate: 100, 145 Hercules: 24, 43, 120, 122, 145 Hermas: 77, 119 Idolatrie: 51, 5216, 65f., 90 Isis: 3, 5, 42f., 45f., 99–103, 109f., 116, 127, 131f., 136f., 139–144, 151159, 153, 186 Israel: 49, 51ff., 57, 59, 65f., 75, 80, 8145, 90f., 96f., 105, 107
Allgemeines Register
Iudaea: 36, 50, 69 Iuno/Juno: 9, 1221, 15, 21, 100, 145 Iuppiter/Jupiter: a) 23, 34, 122, 134f., 139, 145ff., 150f.; b) Capitolinus: 57; c) Dolichenus: 5, 117f., 136, 147; d) Optimus Maximus: 142, 148; e) Stator: 21 Jahwe (Yahweh): 51ff., 9523, 97, 10247, 10353, 104, 107 Jakobus: 60, 62, 75f., 79, 81, 83 Jerusalem: 50, 52, 54f., 57, 59f. Juden, Judentum: 2ff., 36, 40, 45f., 49– 61, 63, 65f., 69f., 72, 74, 80–84, 87f., 96–99, 101, 10247, 104, 110, 115, 120 Justin: 4, 4160, 43f., 57, 77, 79, 81, 84, 88 Kaiserkult: 5, 34f., 4380, 119, 136, 139f., 143, 146f. Kapitol: 31 Karthago: 1539, 36 Kleinasien: 5, 50, 162, 167, 18863 Köln (Colonia Claudia Ara Agrippinensium): 141–144 Korinth: 36, 42, 61, 65, 88f., 97, 101ff., 108ff. Kybele: 5, 2261, 118, 127, 131, 135f., 140f., 145f., 150f., 153, 168 Libation: 23, 65 Liber: 14, 34, 162, 169f. Livia: 26, 35 Lyon (Lugdunum): 5, 146 M. Aurelius: 132, 147 Makkabäer: 50, 53, 55 Mars: 122, 145 Martigny: 5, 127, 147, 151156, 153 Martyrium, Märtyrer: 60, 119f., 123 Mater deum magna Idaea: 5, 21f., 2261, 31, 34, 43, 131, 136–141, 153 Mater Matuta: 9, 2154 Matralia: 9 Matronae: 146, 151, 169 Matronalia: 8 Mercurius: 145ff., 149 Metroon: 136–139, 141, 146, 148, 150, 153 Minerva: 1539, 3951, 136 Mithras: 5, 31, 43f., 113–116, 118, 127ff., 131, 136, 140–143, 145–152, 181
211
Mithräum: 3, 5, 45f., 114f., 127–131, 133, 140f., 145–150, 152f., 17157 Mainz (Mogontiacum): 5, 127–133, 135–141, 144, 149145, 150f., 153 Moses: 51, 57, 60, 78, 80, 106 Mysterien, -kult, -vereine: 1–6, 44, 51, 57, 61f., 100ff., 127, 141f., 149ff., 152, 162, 167f., 182, 192 Nida (Frankfurt-Heddernheim): 128f., 130, 136, 146, 151159 Ostia: 24f., 127, 148 Passah: 56, 64 pater familias: 32f. Paulus: 4, 40, 54, 56f., 59–66, 69ff., 74f., 77–83, 87ff., 92, 9319, 94f., 97f., 102–107, 110 Pergamon: 166, 171 Petrus: 36, 59f., 83 Platon: 40f., 90f., 9628, 98, 106 Polykarp: 4, 77ff., 81 Pompeii: 1743, 26, 3420 Pompeius: 3844, 121f. Pontifex maximus: 12f., 15, 18f., 23, 39 Porphyrios: 41, 114 Pythagoras: 40f. Qumran: 4, 55, 6446, 709, 82 regina sacrorum: 12ff., 18 rex sacrorum: 12f. (Dea) Roma: 122, 16637 Rom: 3f., 7ff., 13–16, 18–22, 24ff., 32, 34–46, 54, 5523, 57, 75, 78, 113–121, 127, 148, 163, 185, 18750, 18861, 189, 192f. Sabbat: 4, 52, 54, 56, 58, 79, 123 Sarapis: 99, 101ff., 109f., 142f., 186 Saturn: 6, 181–193 Schule: 3, 32, 37f., 40, 42, 45f. Sonne (Sol/Helios): 99, 102, 114, 116ff., 142, 149148, 165 Sonnenkult: 5, 122 Strasbourg-Königshoffen: 5, 127, 140, 143108, 145, 147, 148, 153 Supplicatio: 10 Synagoge: 3, 36, 40, 45, 49, 56, 9730, 119f.
212
Register
Syrien: 50, 53, 59 Taufe, christliche: 4, 40, 43, 62f., 7626, 119 Taurobolium: 139 Temenos: 134, 147 Tempel: 4, 52ff., 57, 63, 65f., 92, 96, 98, 102, 122, 144 Templum: 114, 13124 Tertullian: 13, 15, 17, 44ff., 114, 123 Timgad: 183ff., 187f. Torah: 51, 57, 71f., 78f., 81ff.
Traian: 13867, 147 Trier (Augusta Treverorum): 127, 137– 141, 153 Venus: 9f., 1329, 14, 20, 22, 100, 122 Vesta: 14, 18, 118 Vestalische Jungfrauen: 12f., 15, 18ff., 117 Vienna: 5, 146 Zeus: 53, 90, 9422, 98f., 10141, 102, 108, 149148, 186