Wiederkehrende Leistungen im Zivilrecht und im Steuerrecht [1 ed.] 9783428456000, 9783428056002


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German Pages 258 Year 1984

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Wiederkehrende Leistungen im Zivilrecht und im Steuerrecht [1 ed.]
 9783428456000, 9783428056002

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REINHARD WELTER

Wiederkehrende Leistungen im Zivilrecht und im Steuerrecht

Schriften zum Steuerrecht Band 27

Wiederkehrende Leistungen im Zivilrecht und im Steuerrecht

Von

Dr. Reinhard W elter

DUNCKER

&

HUMBLOT I

BERLIN

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek

Weiter, Reinhard: Wiederkehrende Leistungen im Zivilrecht und im Steuerrecht I von Reinhard Weiter.Berlin: Duncker und Humblot, 1984. (Schriften zum Steuerrecht; Bd. 27) ISBN 3-428-05600-0

NE:GT

Alle Rechte vorbehalten

@ 1984 Duncker & Humblot, Berlln 41

Gedruckt 1984 bei Buchdruckerei A. Sayffaerth - E. L. Krohn, Berlin 61 Printed in Germany ISBN 3-428·05600-0

Meiner Familie

Vorwort Am Anfang der Untersuchung stand die Anregung meines verehrten Lehrers, Herrn Professor Dr. Walther Hadding, die tradierte Argumentation mit einem "Leibrentenstammrecht" aus dem Blickwinkel einer systematischen Schuldrechtslehre kritisch zu würdigen. Der eigenen Neigung entsprach es, damit die Fragestellung zu verbinden, wie sich die Übemahme einer solchen Begriffsbildung ins Steuerrecht auswirkt; denn das "Stammrecht" wiederkehrender Leistungen führt in wenig geklärte Bereiche des Steuerrechts. Dabei gewonnene Erkenntnisse kamen schließlich dem ursprünglichen zivilrechtliehen Ansatz wieder zugute. Die Untersuchung ist im Sommersemester 1981 von dem Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität als Dissertation angenommen worden. Rechtsprechung und Schrifttum sind auf dem Stand Mitte 1984 berücksichtigt. Herm Professor Dr. Walther Radding habe ich vor allem für die Förderung während der Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl zu danken. Mein Dank gebührt ebenso Herrn Professor Dr. Otto Mühl für das Zweitgutachten und die darin enthaltenen Anregungen. Taunusstein, im Juni 1984

Reinhard W elter

Inhaltsverzeichnis A. Einführung I. Das Umfeld des zu behandelnden Problems

19

II. Der geschichtliche Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

1. Die Zeit bis zum Ersten Weltkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

2. Die Zeit bis 1933

22

3. Die Zeit bis 1945

23

4. Die Zeit nach 1945 bis heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

III. Die Orientierung des Steuerrechts am Privatrecht und ihre verschiedenen Aspekte ............. . .......................... 1 • • • • • • • • • • •

25

1. Der Vorrang des Zivilrechts als Ordnungsproblem . . . . . . . . . . . . . .

25

2. Maßgeblichkeit des Zivilrechts im Gegensatz zur sog. "wirtschaftlichen Betrachtungsw eise" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 a) Die "wirtschaftliche Betrachtungsweise" bei der Ermittlung des Sachverhalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 b) Die "wirtschaftliche Betrachtungsweise" bei der Auslegung von Steuergesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 aa) Der bisherige Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 bb) Die Untersuchung von Maaßen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 IV. Der Standort der vorliegenden Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

1. Einzeluntersuchung zur Auslegung zivilrechtlicher Begriffe in Tatbeständen von Steuergesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

2. Der Begriff "Leibrente" in den §§ 9 Abs. 1 Nr. 1, 10 Abs. 1 Nr. 1a und 22 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG als Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 3. Beitrag zur "inneren Rechtsvergleichung" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

B. Zivilrecht I. Allgemeine Bemerkungen II. Gesetzliche Regelung von Rentenleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34 35

10

Inhaltsverzeichnis 1. Leibrente

35

2. Rente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36

a) Schadensersatzrenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36

b) Geldrente als Form der Unterhaltsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

c) Sachenrechtliche Rentenverpflichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

d) Rentenschuld und Rentenschein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

e) Sonstige Bestimmungen über Renten oder rentenähnliche Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 III. Dogmatische Behandlung von Rentenleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

1. Zum aktuellen Stand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

2. Die Grundlagen des gegenwärtigen Meinungsstandes . . . . . . . . . . . .

40

a) Die Entwicklung zur Stammrechtstheorie in der reichsgerichtliehen Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 b) Kritische Bemerkungen zur Entscheidung des Reichsgerichts vom 12. 12. 1907 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 c) Die Ergänzung der Stammrechtstheorie des Reichsgerichts um die Isolierungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 aa) Das Urteil vom 12. 10. 1912 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 bb) Das Urteil vom 19. 12. 1916 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 d) Die praktische Anwendung der Leibrententheorien durch das Reichsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Überwindung des Formerfordernisses nach § 761 BGB bb) Die weitere Ausformung der Leibrententheorien . . . . . . . . . . cc) Sonstige Auswirkungen der Leibrententheorien . . . . . . . . . .

48 48 50 51

3. Die Rechtsprechung nach 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

a) Die Fortführung der Rechtsprechung des Reichsgerichts durch den Bundesgerichtshof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 b) Die Rechtsprechung zu Sonderproblemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55

IV. Vertragspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

1. Die wirtschaftliche Bedeutung des Leibrentenvertrags . . . . . . . . . . . .

57

2. Zur Vertragsgestaltung

59

a) Die Bedeutung der Leibrententheorien in der Kautelarpraxis 59 b) Das besondere Sicherungsbedürfnis bei der Leibrente . . . . . . . .

60

c) Die Überwindung der Stammrechtstheorie durch die Kautelarpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62

Inhaltsverzeichnis

11

C. SteuerreCht

64

I. Allgemeine Bemerkungen 00000oo000oo00o0 o000ooooo00ooo000 oo00 ooo 64 1. Zur praktischen Bedeutung der Themenstellung o0o0000o000o000oo0 64

20 Zum juristischen Stellenwert des Themas oo00ooo0o00ooo0000000 o00 65 a) Besondere Anforderungen an die Rechtssicherheit 000000000000 65 b) Der Zusammenhang mit ungeklärten steuerrechtliehen Grundfragen 00000000000000o000000000000000o000o0o00ooooooo00o0oooo 66 c) Auswirkungen auf sozialpolitische Fragestellungen

68

II. Zum Schwerpunkt der Untersuchung

69

1. Weniger bedeutsame Randbereiche

69

20 Wiederkehrende Leistungen als steuerlich relevanter Vermögenswert o000oo0o0o00o0ooooooooooo0o000o000000000000000oo00ooo0000000 70 3o Die wiederkehrenden Leistungen im Einkommensteuerrecht 000000 71 a) Zur historischen Entwicklung 00000000000000000000000000000000 71 b) Das geltende Recht 000000000000000000000000000000000000000000 72 c) Erste Fragestellungen oo0ooo00oooo0000 0000o0000oo000o0000o0000 73

III. Der Hintergrund der Ertragsbesteuerung nach § 22 Nro 1 Buchst. a EStG oooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooo ooooooo0 74 1. Das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 18. 9o 1952 o0oo 0oooooo ooooo00 74

a) Sachverhalt und Problemstellung 000000000000000. 00. 000000000 74 b) Bisheriger Diskussionsstand

76

c) Die Lösung des Bundesfinanzhofs 0000000000000000000000000000 77 d) Das obiter dieturn zur steuerlichen Behandlung wiederkehrender Leistungen beim Verpflichteten 00000000000000000000000000 78 aa) Die Abzugsfähigkeit von "Renten und dauernden Lasten" nach § 10 Abso 1 Nro 1 EStG 1939 oooo oooooooooooooooooooooo 79 bb) Die Einschränkung des Abzugs durch den Bundesfinanzhof und ihr fiskalischer Stellenwert 0000000000ooo000oo000o0000 79 2o Die Folgen des Urteils für die Vertragspraxis 000000000000000000 81 a) Auswirkungen auf laufende Verträge 000000000. oo0o00oo0ooo00 81 b) Unsicherheiten aus der schwankenden Verwaltungspraxis 0000 82 30 Die Reform der Rentenbesteuerung von 1954 00000000000000000000 82 a) Inhalt und Umfang der Neuregelung 000000000000000000000000 83 b) Die Neuregelung als Weiterentwicklung der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 180 9o1952 000000000000000000o0o0o0. o0o 85

12

Inhaltsverzeichnis

IV. Die gegenwärtige einkommensteuerliche Problematik als Folge der Reform von 1954 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 1. Die Abkehr von der Ermittlung der "Nettoeinkünfte" . . . . . . . . . . . .

88

a) Die nur lückenhafte Überwindung der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs durch den Bundesfinanzhof . . . . . . . . . . . . . . . . 88 b) Die weitgehende Ausfüllung der Lücken durch die Reform von 1954 89 0

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c) Konfliktstoff aus der Einbeziehung unentgeltlicher Leibrenten aa) Moderne Bestrebungen zur "Reform der Reform" . . . . . . . . bb) Die Haltung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die literarische Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Das "Rentenstammrecht" als Rechtfertigung für die Gleichbehandlung entgeltlicher und unentgeltlicher Leibrenten . .

90 90 92 93

d) Der Sonderfall "Sozialversicherungsrente" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die "Privilegierung" der Sozialversicherungsrenten . . . . . . bb) Verschärfungen durch die Einführung des Versorgungsausgleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Begünstigung der Sozialversicherungsrente als Unterfall der Leibrentenbesteuerung nach § 22 Nr. 1 Buchst. a EStG .............................. . ...................

97 97

95

99 101

2. Die Beschränkung der Reform auf Leibrenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 a) Widersprüche zwischen dem Leitgedanken der Reform und der Gesetzesfassung .. .. ............. . ..... ... . . ................ aa) Unklarheiten bei der einkommensteuerliehen Behandlung wiederkehrender Leistungen, die nicht Leibrenten sind . . . . bb) Die unausgesprochene Orientierung am Problem der "Leibrentenbesteuerung" ............... .. ..................... cc) Die fehlende Aufarbeitung des Begriffs der "Leibrente" . .

104 104 106 108

b) Die "Bewältigung" der Reform durch die Rechtsprechung .... 110 aa) Die Entwicklung zur Anknüpfung an die zivilrechtliche Definition der Leibrente . .. ..... .. . ... .. . ..... ....... . . . 110 bb) Die "dauernde Last" als Gegensatz zur Leibrente . . . . . . . . 113 3. Auswirkungen der Anlehnung an das Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 a) Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs in den Jahren 1963 bis 1965 ............... .. ................................ ..... 114 aa) Spannungen zwischen den zivilrechtliehen Abgrenzungskriterien und den steuerlichen Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 bb) Schwierigkeiten bei der steuerlichen Behandlung dauernder Lasten .... .......... . ..... . ...... . .. . . . .. ... .... .. . .. ... 118 b) Die Entwicklung bis zur Gegenwart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Grundlinien .. .................. .. .................. bb) Die Abmilderung des Gegensatzes zwischen Leibrenten und dauernden Lasten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Bedeutung des Vorbehalts der Rechte aus § 323 ZPO bei der Abgrenzung zwischen Leibrente und dauernder Last .... . ... . . ... ..... . ...................... . ..........

121 121 123 127

Inhaltsverzeichnis

13

4. Der Gesichtspunkt der Entgeltlichkeit bei der Entscheidung zwischen Leibrenten und dauernden Lasten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 a) Die Vertragsauslegung anhand der vorliegenden oder fehlenden Gegenleistung . . . . .... . .... . ... . . . ... . ... . .. .. ... . . .. ... . ... 131 b) Der Zusammenhang mit dem Problem der Nettobesteuerung oder der Gleichbehandlung entgeltlicher und unentgeltlicher wiederkehrender Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 c) Das Spannungsverhältnis zu den Rechtsfolgen des § 12 Nr. 2 EStG ............... . ....... . ........... . ............... . . . aa) Zur Tragweite des Abzugsverbots für Renten und dauernde Lasten . . .......... . ... . .. . . ...... . . . ...... .. .. . .. .. . . ... bb) Das Abzugsverbot für Zuwendungen a n gesetzlich unterhaltsberechtigte Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Das Abzugsverbot für Zuwendungen "auf Grund freiwillig begründeter Rechtspflicht" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Generelles Abzugsverbot für unentgeltlich begründete Renten und dauernde Lasten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

134 134 135 137 141

d) Der Wirrwarr gegenläufiger Wertungen am Beispiel einer Praxisübertragung vom Vater auf den Sohn . . ... . .. .... .. . ... 142 aa) Mögliche Fallgestaltungen und ihre einkommensteuerrechtliche Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 bb) Kritische Würdigung . ................................... 146 5. Das Meinungsbild in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine Tendenz .. . . . . ......... . ..................... .. . b) Kritische Stimmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einzelne Nuancierungen ... .. . .. ...... . ...... . .. . ... .. ... . ..

148 148 151 155

D. Rechtsvergleichende Betrachtung zwischen Zivilrecht und Steuerrecht I. Die Anknüpfung des Steuerrechts an das Zivilrecht . . .. ........... . 158 1. Keine schlichte t.lbernahme der zivilrechtliehen Dogmatik .. . .. . .. 158

a) Der unterschiedliche Stellenwert der Lehre vom "isolierten Leibrentenstammrecht" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abweichungen des Steuerrechts vom Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . aa) Tendenzielle Divergenzen .............. . .. . ... . ....... . .. bb) Abweichungen im Detail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

158 160 160 161

2. Die Fehlvorstellung von dem gesicherten Stand der zivilrechtliehen Dogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 a) Rente 165 b) Leibrente 167 3. Strukturelle Gemeinsamkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 a) Das "Stammr echt" als Verbindungselement zwischen Steuerrecht und Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 b) Das "Stammrecht" als Gegenstand einer funktionalen rechtsvergleichenden Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173

14

Inhaltsverzeichnis

II. Die Funktion des "Stammrechts" im Zivilrecht

176

1. Fortschreibung historischer Wurzeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176

a) Der Sprachgebrauch des römischen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 b) Das "Stammrecht" als Abstraktion des Rentenkapitals . . . . . . . . 180 c) Das "Stammrecht" als Relikt eines dinglichen Nutzungsrechts 183 2. Einschränkung des Formerfordernisses gemäß § 761 BGB . . . . . . . . 184 3. Das "Stammrecht" als Bild für ein Rechtsverhältnis, das fortlaufend neue Ansprüche hervorbringt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 a) Das "Stammrecht" als Vergegenständlichung eines Rechtsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 b) Das "Stammrecht" als Inbegriff der Merkmale eines Dauerschuldverhältnisses ... . ............. ... . . ............. ... .. . . 192 4. Die Aktualisierung zukünftiger Forderungen durch das "Stammrecht" . .......... . ................. .. .. . ................... .. . .. 196 a) Die Klage auf zukünftige Leistungen gemäß § 258 ZPO . . . . . . . . b) Das "Stammrecht" im Konkur s . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das "Stammrecht" als Gegenstand der Verjährung .......... aa) Die gegensätzlichen Schlußfolgerungen von Sepp und Eccius ....... ... ................... .. ....... . .. . ........ bb) Die Verjährung des "Gesamtanspruchs" wiederkehrender Bezüge ........ .. ...... . .. . .. ... ... . .. . ... . . ........... .. cc) Zur Entwicklung der Rechtsprechung .... .. . ..... . .. . .. . . dd) Das "verjä hr bare Stammrecht" aus methodischer Sicht . . ee) Ausblick auf das französische Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

196 197 201 201 201 202 203 205

d) Das "Stammrecht" als Gegenstand der Erfüllung . . . . . . . . . . . . 206 aa) Die entsprechende Anwendung des § 362 BGB auf den "Gesamtanspruch" ........ .. .. . .............. . .. ..... ... 206 bb) Die Einschränkung des Rücktrittsrechts bei Dauerschuldverhältnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 III. Die Funktion des "Stammrechts" im Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 1. Die Abgrenzung der Leibrente zu sonstigen wiederkehrenden

Leistungen

........ . .................... .. ................. ... . 210

2. Bild für eine Einkunftsquelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Hinweise aus dem Sprachgebrauch in Literatur und Rechtsprechung ... . ........ . . . ................... . ........ . . ... .. b) Der Zusammenhang mit dem Einkunftsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . c) Folgerungen für die Sinnhaftigkeit des § 22 EStG . . . . . . . . . . . .

211 211 213 216

3. Bild für eine einkommensteuerlich relevante Minderung der Leistungsfähigkeit ...... .. .................. ... ................... 218 a) Rückschlüsse aus der Annahme eines "Stammrechts" bei allen nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG abzugsfä higen wiederkehrenden Leistungen ..... . .................. .. ... ..... . ............... 218 b) Folgerungen für die Sinnhaftigkeit des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG 221

15

Inhaltsverzeichnis

4o Bild für das Rentenkapital ooo oo oo oo 223 a) Hinweise aus dem Sprachgebrauch in Literatur und Rechtsprechung ooooo o oo o o o o oo oo oooo ooo ooooo 223 0

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b) Zur Rechtfertigung der Funktion des "Stammrechts" als Bild für ein Rentenkapital c) Schlußfolgerungen ooooooo oo o o oo oo o aa) Zur Unterscheidung verschiedener Arten wiederkehrender Leistungen bb) Zur Gleichbehandlung wiederkehrender Leistungen mit und ohne Gegenleistung o o o cc) Zur Sinnhaftigkeit des § 9 Abso1 Nro1 So 2 EStG 0

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E. Scllluß

234

Literaturverzeidmis

237

Abkürzungsverzeichnis AP

BAG BAGE Bay BB Bl. f. StR, SozV undArbR BReg BStBl. BT-Drucks. DB DJ DÖV DR DStR DStZ DStZ/A EFG ESt EStR EStRG FamRZ FG FR JbFfSt JurJb JuS JW JZ KStG LM LSt LSW LZ MDR NB NeumannsZ NSt

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Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts Bundesarbeitsgericht Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Bayern Der Betriebs-Berater Blätter für Steuerrecht, Sozialversicherung und Arbeitsrecht Bundesregierung Bundessteuerblatt Bundestags-Drucksache Der Betrieb Deutsche Justiz Die Öffentliche Verwaltung Deutsches Recht Deutsche Steuer-Rundschau (bis 1961); Deutsches Steuerrecht (ab 1962) Deutsche Steuerzeitung Deutsche Steuerzeitung Ausgabe A Entscheidungen der Finanzgerichte Einkommensteuer Einkommensteuer-Richtlinien Einkommensteuerreformgesetz Ehe und Familie im privaten und öffentlichen Recht, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Finanzgericht Finanz-Rundschau Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht Juristen-Jahrbuch Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristen-Zeitung Körperschaftssteuergesetz Nachschlagewerk des BGH in Zivilsachen, hrsg. v. Lindenmaier und Möhring Lohnsteuer Lexikon des Steuer- und Wirtschaftsrechts Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht Monatsschrift für Deutsches Recht Neue Betriebswirtschaft Neumanns Zeitschrift für das Versicherungswesen Neues Steuerrecht von Abis Z

Abkürzungsverzeichnis NWBF PrOVG RAGE RAO RFH RFHE RG RGBl. RGRK RGSt RStBl. SAE StAnpG StÄndG Stbg StBP StbJb StLex StR StRK StudK StuW StW VersR VJSchrStFR VStR WarnRspr

WM

WPg ZGR ZHR ZRP

17

Neue Wirtschaftsbriefe Fach Amtliche Sammlung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Reichsarbeitsgericht Reichsabgabenordnung Reichsfinanzhof Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Reichsfinanzhofs Reichsgericht Reichsgesetzblatt Reichsgerichtsrätekommentar Reichsgerichts-Rechtsprechung in Strafsachen Reichssteuerblatt Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen Steueranpassungsgesetz Steueränderungsgesetz Die Steuerberatung Steuerliche Betriebsprüfung Steuerberater-Jahrbuch Steuerlexikon Steuerrecht Steuerrechtsprechung in Karteiform Studienkommentar zum BGB Steuer und Wirtschaft Steuerwarte Versicherungsrecht Juristische Rundschau für die Individualversicherung Vierteljahresschrift für Steuer- und Finanzrecht Vermögenssteuer-Richtlinien Warneyers Rechtsprechung des Reichsgerichts Wertpapiermitteilungen Die Wirtschaftsprüfung Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Rechtspolitik

A. Einführung Vor fast zwanzig Jahren hat der Bundesfinanzhof in einem grundlegenden Urteil1 entschieden, daß der Begriff "Leibrente" in§ 10 Abs. 1 Nr. 1 (jetzt Nr. 1a) und § 22 Nr. 1 Buchst. a EStG "nach den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts" zu bestimmen sei. Das Gericht führt den "Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung" dafür an, daß Begriffe, die im bürgerlichen Recht einen festen Inhalt hätten, im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit auch im Steuerrecht in demselben Sinn auszulegen seien. Eine Ausnahme, der nicht weiter nachgegangen wird, gelte nur dann, wenn diese zivilrechtliehen Begriffe nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers im Steuerrecht einen anderen Sinn haben sollen. Mit dieser Entscheidung des Bundesfinanzhofs, die zwischen den §§ 759 bis 761 BGB und den §§ 9 Abs. 1 Nr. 1, 10 Abs. 1 Nr. 1a und 22 Nr. 1 Buchst. a EStG eine Verbindung herstellt, ist das Thema der vorliegenden Untersuchung in zweifacher Hinsicht angesprochen. Als Sonderform wiederkehrender Bezüge nimmt nämlich die Leibrente sowohl im Steuerrecht als auch im Zivilrecht eine herausragende Stellung ein. Dazu trägt neben der angeführten gesetzlichen Regelung der Umstand bei, daß die Leibrente vor allem im Zivilrecht eine dogmatische Aufarbeitung erfahren hat, die sonstigen wiederkehrenden Bezügen nicht zuteil geworden ist. Darüber hinaus läßt die Verwendung des Arguments "Einheit der Rechtsordnung" erkennen, daß das fragliche Auslegungsproblem in einem größeren rechtssystematischen Zusammenhang gesehen werden muß. Um einen Ausgangspunkt für die weiteren Untersuchungen zu finden, soll zunächst dieser Aspekt der Themenstellung näher beleuchtet werden.

I. Das Umfeld des zu behandelnden Problems Als Ausgangspunkt kann der Hinweis dienen, daß "das Verhältnis des Zivilrechts zum Steuerrecht" angesprochen ist. Auch derjenige, der mit den Einzelheiten der vielfältigen Fragestellungen, die seit Jahrzehnten unter diesem Etikett behandelt werden, nicht vertraut ist, kann sich anhand naheliegender Überlegungen das grundlegende Spannungsverhältnisz zwischen diesen beiden Rechtsgebieten vergegenwärtigen. 1

BFH, Urt. v. 29. 3. 1962 -

VI 105/61 U -, BStBl. III 1962, 304, 305.

20

A. Einführung

Auf der einen Seite steht das Steuerrecht als Grundlage einer hoheitlichen Eingriffsverwaltung'. Ihre Strukturen werden u. a. von zwei keineswegs immer parallel wirkenden Kräften bestimmt. Der ausgeprägte Massencharakter dieser Eingriffsverwaltung läßt dem Gesichtspunkt der Verwaltungseffizienz unverhältnismäßig große Bedeutung zukommen4 • Hierdurch werden einer immer weitergehenden Düferenzierung des steuerrechtliehen Beurteilungsrasters von vorneherein gewisse Schranken gesetzt. Zum anderen legt das Verfassungsrecht Rahmenbedingungen des Steuerrechts fest5• Vor allem ein weit verstandenes Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) 8 kann einen kaum abzuschätzenden Einfluß auf das Steuerrecht haben. Ein völlig anderes Bild ergibt sich, wenn man die Grundstrukturen des Zivilrechts ins Auge faßt. Weitgehend ungehindert entfaltet sich hier die Privatautonomie, die den Bürgern selbst die rechtliche Gestaltung ihrer Lebensverhältnisse überläßt1. Die damit verbundene Freiheit in Form und Inhalt, die ein unendlich großes Differenzierungspotential umfaß~, läßt jedes schematische Beurteilungsraster unangemessen erscheinen. Selbst wenn z. B. im Sachenrecht gewisse zwingende Rahmenbedingungen vorgegeben sind, orientieren diese sich an anderen Maßstäben und Erfordernissen als den zuvor beschriebenen des Steuerrechts. Der soeben umrissene Befund gewinnt sein Gewicht durch die weitere Feststellung, daß trotz aller Gegensätze8 das Steuerrecht immer wieder auf das Zivilrecht zurückgreifen muß10• Das Steuerrecht knüpft zwar an : Kruse, NJW 1970, 2185 mit dem Hinweis, daß dieses Spannungsverhältnis von dem jeweiligen "Steuerdruck" abhänge. 3 Meilicke, S. 1; Weber-Fas, S. 86; Grund, S. 27 ff.; Spanner, S. 181; Mersmann, JbFfSt 1968/69, 9, 12 ff.; Kruse, NJW 1970, 2185, 2189; Wassermeyer, StuW 1979, 209, 211; Crezelius, Rechtsanwendung, S . l78. 4 Vgl. zu diesem Gesichtspunkt BFH, Urt. v. 28. 2. 1958 III 125/57 S -, BFHE 66, 467, 505; Urt. v. 24. 2. 1961 - VI 84/60 U -, BStBl. 1961, 188, 189; ferner Grund, S. 27, 30. ' Paulick, DStR 1975, 564 mit dem Hinweis auf eine Bemerkung von Hensel: "Steuerrecht ist rechtsstaatlich geordnetes Eingriffsrecht", ferner Hartz, JurJb 1969/70, S. 48, 63 ff.; Friauf, JbFfSt 1971/72, 72 ff. 8 Spitaler, DStR 1962, 29, 31, der diesem Gesichtspunkt den "liberalen Geist" des bürgerlichen Rechts gegenüberstellt; ferner Friauf, JbFfSt 1971/ 72, 72, 90 ff.; Vogel, JbFfSt 1970/71, 49, 53 ff. und JbFfSt 1978/79, 34, 51 sowie Tipke, JZ 1975, 558, 559. 7 Löhlein, S. 135, 136; Weber-Fas, S. 86; Kruse, NJW 1970, 2185, 2189; Crezelius, Rechtsanwendung, S. 178 und insb. zu den hier geltenden Grenzen in der "realen Zivilrechtsordnung", S. 317 ff. a Tipke, JuS 1970, 149, 154; Littmann, FR 1961, 485; Vogel, StuW 1980, 206, 209; vgl. zu den gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten und deren Bezügen zum Steuerrecht Flämig, JuS 1978, 741. 8 Dazu näher Hartz, JurJb 1969/70, S. 48, 55. 10 Roellecke, S. 481, 492; Wenz, S . 299, 300.

li. Der geschichtliche Hintergrund

21

wirtschaftliche Sachverhalte an. Diese ergeben sich jedoch in der Regel durch eine Teilnahme am bürgerlich-rechtlichen Verkehr und spiegeln deshalb die Gestaltungsmöglichkeiten und Formen des bürgerlichen Rechts wider11 • Läßt sich also allgemein das bürgerliche Recht als die rechtliche Ausdrucksform der privaten Wirtschaftsordnung bezeichnenu, so liegt es auch für die steuerrechtliche Beurteilung nahe, sich an dieser Ausdrucksform zu orientieren. Geht man der Frage nach, inwieweit sich das Steuerrecht anhand eigener Regeln über diesen ersten zivilrechtlich orientierten Zugriff hinaus entwickeln kann, so öffnet sich der Blick dafür, daß damit das Selbstverständnis des Steuerrechts und der Steuerrechtswissenschaft angesprochen ist. Hier wird darüber diskutiert, ob das Steuerrecht dem Zivilrecht unabänderlich "aufgepfropft" 13 ist oder ob nicht durch eine emanzipatorische Bewegung "übertriebener Liberalismus und Formalismus" 14 des Zivilrechts in einer Weise überwunden werden können, die sich zugleich als Weiterentwicklung der gesamten Rechtsordnung darstellen würde. Auf den zweiten Blick wird sogar erkennbar, daß die bis heute divergierenden15 Ansichten über die emanzipatorischen Möglichkeiten des Steuerrechts jeweils verschiedene Haltungen gegenüber rechtstheoretischen und methodischen Grundfragen widerspiegeln16• Diese Zusammenhänge werden am ehesten bei einer Betrachtung der geschichtlichen Entwicklung deutlich, die daher im folgenden kurz umrissen werden soll.

11. Der geschichtliche Hintergrund 1. Die Zeit bis zum Ersten Weltkrieg

Die Lage zu Beginn dieses Jahrhunderts ist gekennzeichnet durch die unangefochtene Vorherrschaft des Zivilrechts17• Diese wird etwa dadurch augenfällig, daß man z. B. die in den §§ 134 und 138 BGB ausgesprochene Sanktion der Nichtigkeit eines Rechstgeschäfts auch auf die Entstehung 11 Tipke, .JbFfSt 1970/71, S. 102, 109; ders., .JuS 1970, 149, 150 und JZ 1975, 558, 560; vgl. auch Littmann, FR 1961, 485; Leibrecht, S. 51; Weber-Fas, S. 87 und v. Wams, NWB, Fach 2, S. 3537. 12 Enneccerus I Nipperdey, BGB AT, § 15 I 2, S. 73; Leibrecht, S. 51, 65; Großfeld, S. 12. 13 Hensel, S. 217, 242; ders., StuW 1925, Sp. 1968. u E. Becker, StuW 1934, Sp. 299, 302, 306. 1s Tipke, Resümee, s. 229, 230. 18 Rosenbaum, S. 36 ff. wie Crezelius, Rechtsanwendung, S. 256 zutreffend feststellt, stehen dahinter wieder Änderungen der Staatsauffassung. 17 Polland, S. 14, 15; C. H. Esser, S. 16; v. Waltis, JbFfSt 1972/73, 11; ders., Gedenkschr. Spitaler, S. 207, 208.

22

·A. Einführung

der Steuerpflicht bezog18, wodurch allerlei dunkles Gewerbe den Vorzug der Einkommensteuerfreiheit genoß. Mit der Zustimmung von Fuisting10 und Strutz20 blieben etwa die Kartenlegerin21 und der Betreiber eines Bordells22 von der Steuerpflicht verschont. Nicht zuletzt läßt sich auch die Rechtsprechung des Reichsgerichts in Steuerstrafsachen dieser allgemeinen Tendenz zuordnen23• 2. Die Zeit bis 1933

Die wirtschaftlichen und sozialen Umwälzungen der Kriegs- und Nachkriegszeit, die mit einem erheblich vergrößerten staatlichen Finanzbedarf einhergingen, mußten die soeben beschriebene Einstellung als allzu beschaulich und wirklichkeitsfremd erscheinen lassen24 • Die Wende markiert einmal die neugeschaffene Reichsabgabenordnung25, die mit ihren §§ 4 und 528 die wirtschaftliche Bedeutung der Steuergesetze betonte und den Formenmißbrauch auszuschalten suchte. Zum anderen schöpfte der soeben geschaffene Reichsfinanzhof27 bald die durch das Gesetz geschaffenen Möglichkeiten aus, indem er z. B. die Steuerpflicht von der zivilrechtliehen Wirksamkeit der jeweiligen Rechtsgeschäfte löste28• Darüber hinaus entwickelte sich in der Rechtsprechung unter dem Eindruck der §§ 4 und 5 RAO eine distanzierte Haltung zum Zivilrecht. Zahlreiche Entscheidungen räumten dem wirtschaftlichen Sinn und Zweck des Steuergesetzes gegenüber einer unkritischen Übernahme des zivilrechtliehen Begriffsverständnisses den Vorrang einn. 1s Leibrecht, S. 51, 56. 18 Fuisting, Die Preußischen direkten Steuern, S. 185; ders., Das Preußische

Einkommensteuergesetz, S. 108. zo Fuisting I Strutz, S. 631. 21 Pr. OVG, Urt. v. 20. 3. 1901 III 560100 - zit. aus Fuisting I Strutz, s. 631. 22 Pr. OVG i. St., Urt. v. 20. 3. 1893 - V 1473192 - , Bd. I, 282, 283. 23 RG, Urt. v. 28. 9. 1906 II 437106 -, RGSt 39, 186, 188; Urt. v. 24. 6. 1911 ~ III 316111 -, RGSt 45, 97, 99; Urt. v. 14. 10. 1912- III 320112 -, RGSt 46, 237, 239; s. aber auch schon unter dem Einfluß der Kriegszeit RG, Urt. v. 25. 11. 1919 - IV 234119 -, RGSt 54, 68, 72. u Polland, S.17 ff.; C. H. Esser, S. 30; Leibrecht, S. 51, 55; Kruse, NJW 1970, 2185, 2187; ders., JbFfSt 1975176, 35, 36; Pawlowski, BB 1977, 253, 254. 25 RAO v. 13. 12. 1919, RGBl. 1919, 1993. " Dazu Polland, S. 25 ff.; C. H. Esser, S. 34, 47 ff.; v . Wallis, JbFfSt 1972173, 11, 12; ders., Gedenkschr. Spitaler, S. 207, 208; Crezelius, Rechtsanwendung, S.184 f. 27 Er wurde durch Gesetz v. 26. 7. 1918 errichtet und nahm seine Tätigkeit am 1. 10. 1918 auf. 28 RFH, Urt. v. 7. 7.1920 II A 74120 -, RFHE 3, 173, 174; Urt. v. 27. 4. 1921- IV C 1121 -, RFHE 5, 228, 231; Beschl. v. 11.1.1922- IV A 171/21 -, RFHE 8, 21; Urt. v. 24. 1. 1922- V A 101121 -, RFHE 8, 140, 141.

II. Der geschichtliche Hintergrund

23

Die Abkehr vom Zivilrecht wurde von seiten der Wissenschaft vor allem aufgenommen durch Ball30, der versuchte, die begriffliche und methodische Eigenständigkeit des Steuerrechts dadurch zu rechtfertigen, daß er die unterschiedlichen Zweckgedanken dieser Rechtsgebiete herausarbeitete. Zwar stellten sich diesen Bestrebungen zur Verselbständigung des Steuerrechts auch ablehnende31 oder doch vermittelnde32 Meinungsäußerungen entgegen. Dennoch war die Entwicklung nicht aufzuhalten, deren Grundtendenz das Wort Enno Beckers vom "Hokus... pokus der bürgerlich-rechtlichen Aufmachung" 33 treffend kennzeichnet. 3. Die Zeit bis 1945

Während der Zeit des Nationalsozialismus kam es wieder zu einer Annäherung des Zivilrechts und des Steuerrechts: Allerdings stand der nun betonte Gedanke der Rechtseinheit34 und dem Vorzeichen der "nationalsozialistischen Rechtserneuerung". Auf diese Weise wurde die emanzipatorische Bewegung im Steuerrecht zum maßgebenden Vorbild für die gesamte Rechtsordnung36 • Aus der auf das Steuerrecht beschränkten "wirtschaftlichen Betrachtungsweise" wurde eine allgemeingültige "neue Methode des Rechtsdenkens". Als "nationalsozialistische Betrach-' tungsweise" sollte sie auch für andere Rechtsgebiete die Abkehr von jeglichem Begriffsrealismus und Formalismus bringen36• Nicht nur das Steuerrecht, sondern auch das Zivilrecht wollte man etwa von dem Grundsatz "Gemeinnutz geht vor Eigennutz . .. durchzogen und durch"'glüht" sehen37 • Durch § 1 Abs. 1 des Steueranpassungsgesetzes38, der 20 RFH, Urt. v. 31. 5. 1922 -VI A 123/22 -, RFHE 9, 347, 348; Urt. v. 15. 12. 1922- I A 199121 -, RFHE 11, 157, 171; Urt. v. 24. 1.1923 -,IV A 70/22 ~; RFHE 11, 219, 224; Urt. v. 19. 9. 1923 - VI A 85123 -, RFHE 12, 326, .327: Behandlung einer GmbH als Steuersubjekt vor ihrer Eintragung. 30 Ball, S. 31 ff. at Boethke, StuW 1928, Sp. 1203 ff.; s. auch noch Hensel, Festgabe Zitelmann, S. 217 ff. 32 Bühler, Lehrbuch I, S. 106 ff.; Geiler, StuW 1927, Sp. 497 ff.; unter dem Eindruck von Ball auch Hensel, StuW 1925, Sp. 1963 ff.; dazu eingehend C. H. Esser, S. 39 ff. Nur schwer einzuordnen ist die Ansicht von Lion, VJSchrStFR, 132 ff., der sich zwar gegen Ball wendet, von dessen Ergebnissen aber nicht allzu weit entfernt ist. 33 E. Becker, StuW 1932, Sp. 481, 485; zum Bezug zur Freirechtsbewegung Kruse, NJW 1970, 2185, 2188. 3' Grundlegend die Arbeit von Liebisch, Steuerrecht und Privatrecht. 36 Dazu eingehend Bruns, S. 123 ff., der die steuerrechtliche Entwicklung als Vorbild für die begriffliche Emanzipation des Strafrechts fruchtbar machen will. 31 Bruns, S . 164, 165; vgl. dazu auch Rosenbaum, S. 38 ff. und 44. 37 E. Becker, StuW 1934, Sp. 299, 302, 304 ff. 38 StAnpG v. 16. 10. 1934, RGBl. 1934 I, 925; s. auch Grundregel 20 des Entwurfs zu einem Volksgesetzbuch, in: Hedemann I Lehmann I Siebert, S. 13.

24

A. Einführung

"obersten" 3e oder "königlichen" 40 Norm, nach der die Steuergesetze gemäß nationalsozialistischer Weltanschauung auszulegen waren, wurde auch in der Gesetzgebung deutlich, daß vom Steurrecht die maßgeblichen und letztlich Zerstörerischen Impulse für die gesamte Rechtsordnung ausgehen sollten. Die weitere Entwicklung war dadurch vorgezeichnet, daß sich mit dem Nationalsozialismus eine Ideologie durchsetzen konnte, die jeglicher Bindung an das Gesetz oder auch nur an eine Rechtsidee feindlich gesonnen war41 • 4. Die Zeit nach 1945 bis heute

In der Zeit der Neuorientierung nach 1945 war das Steuerrecht als Teil der gesamten Rechtsordnung unterschiedlichen Einflüssen ausgesetzt. Aus den Erfahrungen der nationalsozialistischen Herrschaft entstand allgemein eine Abneigung dagegen, die Legitimation der Rechtsordnung im relativistischen und positivistischen Sinne in der faktischen Macht zu ihrer Durchsetzung zu sehen42• In dieser Lage gewann der Naturrechtsgedanke maßgebliche Bedeutung'3 • Er diente einerseits dazu, die Probleme der Vergangenheit zu bewältigen, und er sollte vielfach auch die metaphysische Legitimation44 bieten, die die "neue" Rechtsordnung als grundlegend anders über die soeben untergegangene stellte. Welches Gewicht dem Naturrechtsgedanken im ersten Jahrzehnt der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zukam, zeigt sich anhand des ausführlichen Überblicks von Weinkauft aus dem Jahre 196045 • Im Steuerrecht wurde freilich eine eher gegenläufige Tendenz bestimmend, die im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip und die Gewaltentrennung (Art. 20 Abs. 2 und 3 sowie Art. 97 Abs. 1 GG) positivistisch ausgerichtet war'6• Hierin kommt zum Ausdruck, daß die naturrechtae Bühler, Lehrbuch Il, S. 1. Bruns, S. 166.

40 41

Zur ideologieimmanenten Rechtsfeindlichkeit des Nationalsozialismus

Rüthers, S. 104 ff.

42 Charakteristisch für diese Wende ist die Haltung Radbruchs, der unmittelbar nach dem Zusammenbruch in der Rhein-Neckar-Zeitung v. 12. 9. 1945 seiner relativistischen und positivistischen Haltung abschwor, die er in der Weimarer Zeit vertreten hatte; zur Entwicklung Radbruchs umfassend Zong Uk Tjong, Der Weg des rechtsphilosophischen Relativismus bei Gustav Radbruch. 41 Allgemein hierzu Sen-rong-Lin, Der Wiederaufbau der Naturrechtslehre in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg; ferner Tipke, Steuergerechtigkeit, S. 27 m. w. Nachw. 44 Zur Legitimationsfunktion des Naturrechts Max Weber, S. 263 ff. u Weinkauf!, NJW 1960, 1689 ff. 48 Daß sich diese Konsequenz auch gerade aus den Erfahrungen des Dritten Reiches ergab, belegt eingehend Rüthers, insbes. S. 448 ff.; in diesem

Ill. Die Orientierung des Steuerrechts am Privatrecht

25

liehen Bestrebungen in der Praxis nur dann den Rückgriff auf überpositives Recht47, naturrechtliche Forderungen48 und unveränderte Normen des Natur- und Sittengesetzes49 nahelegte, wenn es um unvollkommen geregelte rechtliche und soziale Kernfragen ging. Da diese im eher "technischen" 50 Steuerrecht kaum anzutreffen waren, blieb dieses Rechtsgebiet von den naturrechtliehen Strömungen weitgehend unberührt. Im Gegenteil forderten die Erfahrungen der Vergangenheit, von naturalistisch anmutenden Prinzipien und Denkformen (Gemeinnutz geht vor Eigennutz, Blutquelle des Deutschen Volkes) 51 zu einer engeren Bindung an das Gesetz zu kommen. Für das Verhältnis des Steuerrechts zum Privatrecht bedeutete dies, daß der Gedanke der Einheit der Rechtsordnung52 oder sogar eines Primats des bürgerlichen Rechts vor dem Steuerrecht53 zum Tragen kam. Nach allgemeiner Einschätzung54 hat auch diese Entwicklung ihren Höhepunkt schon wieder überschritten. Im einzelnen läßt sich aber die gegenwärtige Diskussion nicht mehr ohne weiteres mit den Schlagworten "Selbständigkeit des Steuerrechts oder Anlehnung an das Zivilrecht" zutreffend und umfassend beschreiben.

111. Die Orientierung des Steuerrechts am Privatrecht und ihre verschiedenen Aspekte Bei näherem Zusehen zeigt sich, daß die Frage nach dem Verhältnis des Steuerrechts zum Zivilrecht in durchaus unterschiedlichen Zusammenhängen gestellt wird. Dabei lassen sich die folgenden Schwerpunkte erkennen. 1. Der Vorrang des Zivilrechts als Ordnungsproblem

Ein Berührungspunkt zwischen Zivil- und Steuerrecht ergibt sich dadurch, daß sich die steuerlichen Folgen wirtschaftlicher Vorgänge wieder Sinne schon Riezler, S. 330 ff.; allgemein zum Positivismus Tipke, Steuergerechtigkeit, S. 28 ff. 47 BVerfG, Urt. v. 23. 10. 1951 2 BvG 1/51 - , BVerfGE 1, 14, 18, 61. 48 BGH, Urt. v. 8. 2. 1952- V ZR 6/50 -, BGHZ 5, 76, 97. 49 OLG Celle, Beschl. v. 19. 5. 1953- 4 W 160/53 - , NJW 1953, 986, 987. so Tipke, JZ 1975, 558, 559. s1 Ott, StuW 1934, Sp. 513, 518. 52 BFH, Urt. v. 23. 7. 1957 I 50/55 U - , BStBl. Ill 1957, 306; vgl. auch BVerfG, Urt. v. 24. 1. 1962 - 1 BvR 232/60 - , BVerfGE 13, 331, 340; zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ferner v. Wallis, Gedenkschr. Spitaler, S. 207, 216; ders., JbFfSt 1972/73, 11, 13; Großfeld, S. 32; Tipke, JuS 1970, 149; Rosenbaum, S. 46 ff. ; Pawlowski, BB 1977, 253, 257 und Blencke, Gestaltungsfreiheit, S. 21 ff. ss BFH, Urt. v. 12. 7. 1967 - I 204/64 - , BStBI. III 1967, 781, 782. u Vgl. nur Kruse, StuW 1978, 176.

A. Einführung

26

auf deren zivilrechtliche Grundlage auswirken. So sind etwa "Institute" des bürgerlichen Rechts auch in ihrer rechtlichen Qualität davon abhängig, ob sich ihre Strukturprinzipien im Steuerrecht fortsetzen oder ob sie durch dessen gegenläufiges Regelungsprogramm überlagert werden. Flume6~ hat diese Erscheinung am Beispiel des Familiengüterrechts, des Aktienrechts und des Rechts der Kommanditgesellschaft erläutert. Seine These, die Zivilrechtsordnung müsse deswegen Vorrang vor dem Steuerrecht haben, ist nicht ohne Widerspruch geblieben51• Auf diese Problematik ist hier nicht weiter einzugehen. Für die vorliegende Untersuchung ist nur festzuhalten, daß man von der "Einheit der Rechtsordnung" auch in einem umfassenden systematischen Sinne sprechen kann. 2. Maßgeblichkelt des Zivilredlts im Gegensatz zur sog. "wirtscbaftlidlen Betradltungsweise"

Die Anlehnung an das Zivilrecht wird für das Steuerrecht auch im Hinblick darauf diskutiert, daß sie zur Regelung des öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnisses zwischen dem Steuerpflichtigen und dem Fiskus beitragen kann57 • Der Stellenwert des Verhältnisses zwischen beiden Rechtsgebieten wird allerdings erst dann deutlich erkennbar, wenn man die Formel heranzieht, die immer noch in der Praxis dazu dient, auftretende Spannungen abzubauen. Es handelt sich hier um das Schlagwort von der sog. "wirtschaftlichen Betrachtungsweise"58, die als Gegensatz zur angeblich bloß "formalen und begrifflichen" zivilrechtlichen Beurteilung zu verstehen sei. In Anlehnung an § 1 Abs. 2 und 3 StAnpG 193458 lassen sich vor allem zwei Anwendungsbereiche der "wirtschaftlichen Betrachtungsweise" unterscheiden. a) Die "wirtschaftliche Betrachtungsweise" bei der Ermittlung des Sachverhalts Nach § 1 Abs. 3 StAnpG waren auch bei der Beurteilung von "Tatbeständen" die "Volksanschauung, der Zweck und die wirtschaftliche Bedeutung der Steuergesetze und die Entwicklung der Verhältnisse" Ftume, Festschr. Smend, S. 59 ff. FinArch 1953/54, 1 ff.; vgl. aber neuerdings Crezelius, Rechtsanwendung, S. 312 ff., der aus der liberalen Wirtschaftsordnung eine Führungsrolle des Zivilrechts ableitet. 57 Tipke, JuS 1970, 149, 150; Polland, S. 66 jeweils m. Nachw. ~s Dazu Hartz, Auslegung, S. 12, 13; C. H. Esser, S. 74 ff. und 115 ff. m. Nachw.; Rittner, S. 9 ff.; Wenz, S. 299, 307; Thiet, S. 195 ff.; Roellecke, S. 481, 5~

68

Ktein,

492. so Aufgehoben durch die Abgabenordnung v. 16. 3. 1976, BGBI. 1976 I, 613; zum Einfluß der Gesetzesänderung auf die hier behandelten Fragen Pawlowski, BB 1977, 253.

III. Die Orientierung des Steuerrechts am Privatrecht

27

zu berücksichtigen. Aus dem Zusammenhang ergab sich dabei, daß unter "Tatbestand" der tatsächliche Sachverhalt zu verstehen war60• § 1 Abs. 3 StAnpG 1934 schrieb gesetzlich fest, was Enno Becker schon vorher aus § 4 AO 1919 und § 9 AO 1931 gefolgert hatte: Der Richter sollte bei der richtigen Erfassung des Sachverhalts von dessen "wirtschaftlicher Bedeutung" ausgehen und nicht am "Äußerlichen, am Schein, an der formalen Gestaltung kleben bleiben" 61 • Diese Lehre von der richtigen Sachverhaltsbeurteilung, die das Idealbild vom allseits informierten und souveränen Rechtsanwender voraussetzte, wurde vor allem durch die Entwicklung während der nationalsozialistischen Zeit diskreditiert. § 1 Abs. 3 StAnpG sollte etwa nach den Bestrebungen von Fritz Reinhardt62 "bindendes Staatsgrundgesetz" werden, das als "Träger der Rechtserneuerung" insbesondere sämtliche Bestimmungen außer Kraft setze, die der nationalsozialistischen Weltanschauung widersprächen. Gleichzeitig seien entstehende Lücken durch diese Vorschrift zu schließen und Steuerumgehungen zu verhindern. Nach den Mißbräuchen durch die nationalsozialistische Ideologie63 vertrat eine starke literarische Strömung die These, daß für eine solche selbständige Sachverhaltsbeurteilung bei der Rechtsanwendung kein Raum sei64 • Maßgebend seien allein die Gesetzesauslegung und die Subsumtion als ein logisches Schlußverfahren (Syllogismus), wobei die Feststellung des Sachverhalts allein durch das Verfahrensrecht geregelt werde. § 1 Abs. 3 StAnpG war aus diesem Blickwinkel eine typische "nationalsozialistische Erfindung" 65 oder ein "methodologisches Unding"66 und deshalb als nichtig zu beurteilen67 • Neuere Entwicklungen in der Methodenlehre lassen allerdings auch das zuletzt beschriebene Verständnis der Rechtsanwendung in einem anderen Licht erscheinen. Insbesondere durch J. Esser68 ist auch außerhalb des Steuerrechts der Gedanke in den Vordergrund getreten, daß der Urteilsvorgang sich nicht in dem richtigen Subsumtionsschluß erschöpfe. Maßgebend sei neben der Richtigkeit der Obersatzbildung die Sachverhaltswürdigung. Das "Verstehen" des Sachverhalts müsse zudem 10

61

Polland, S. 25; Brandt, S. 1 ff. E. Becker, Reichsabgabenordnung, S. 43, 44; vgl. auch Ebert, S. 17 ff. m.

w. Nachw.

Fritz Reinhardt, RStBl. 1936, 1041 ff. Dazu insbesondere Brandt, S. 34 ff. 14 Hartz, S. 52; Hopfenmüller, S. 119, 123. 15 Meilicke, Steuerrecht, S. 103; dagegen Hartz, Auslegung, S. 29, 52. 66 Thiet, StbJb 1963/64, 183. 61 Tipke, JbFfSt 1970/1971, 102, 114; ders., JuS 1970, 149, 153; Brandt, S. 178; dort auch S. 58 ff. umfassend zum Meinungsstand. 68 Vorverständnis und Methodenwahl, S. 60 und 65. 62

63

28

A. Einführung

als Prozeß des Entwerfens und des Korrigierens verstanden werden, durch den er an die gleichfalls in diesem Sinne zu "verstehende" Norm herangeführt werde.

Kruse69 hat versucht, diese Entwicklung der Methodenlehre als eine nachträgliche Rechtfertigung der Thesen Beckers und der Sinnhaftigkeit des § 1 Abs. 3 StAnpG darzustellen. Hiervon gibt es Verbindungslinien zu dem Ansatz Pawlowskis10, der jetzt die "wirtschaftliche Betrachtungsweise" des Steuerrechts durch allgemeingültige Methoden der "funktionalen Qualifikation" ersetzen will71 • Er stützt sich dabei vor allem auf die Erkenntnis, daß auch die zivilrechtliche Qualifikation nicht an der "formalen äußeren Gestalt und deren rechtliche Einkleidung" anknüpfe, sondern - allerdings regelmäßig erst im Streitfall sehr wohl am "wirtschaftlichen Kern der Dinge". Walz12 formuliert hieraus eine Herausforderung des Steuerrechts an das Zivilrecht, unbeeinflußt von steuerrechtlich motiviertem Etikettenschwindel die Vertragstypenlehre so weiterzuentwickeln, daß auch angesichts neuer wirtschaftlicher Erscheinungsformen die gesellschaftliche Funktion des Vertragsrechts gewährleistet bleibt. Walz hat hierbei die möglichst kostengünstige Rationalisierung des privatrechtliehen Vermögensverkehrs im Auge, die gefährdet wäre, wenn nur steuerrechtlich motivierte, aber zivilrechtlich "unpassende" Gestaltungen akzeptiert würden. Im Grunde ist der zivilrechtliehen Rechtsprechung ein solcher Ausgangspunkt in vielen Zusammenhängen geläufig. Immerhin hat Rittner13 schon 1975 die zivilrechtliche Rechtsprechung mit einem beachtlichen Ergebnis daraufhin untersucht, welche Rolle bei ihr die "wirtschaftliche Betrachtungsweise" spielt. b) Die "wirtschaftliche Betrachtungsweise" bei der Auslegung von Steuergesetzen Nach § 1 Abs. 2 StAnpG waren bei der Auslegung der Steuergesetze neben deren Zweck und wirtschaftlicher Bedeutung die "Volksanschauung und die Entwicklung der Verhältnisse" zu berücksichtigen. Die hierdurch74 geforderte "wirtschaftliche Betrachtungsweise" stellte von Gesetzes wegen in Frage, ob das Zivilrecht maßgebend sein solle, wenn 89 Kruse, JbFfSt 1975/76, 35 ff.; vgl. auch Mersmann, JbFfSt 1968/69, 9, 19; dagegen kritisch Crezelius, Rechtsanwendung, S. 197. 7o Pawlowski, BB 1977, 253 ff.; vgl. auch schon Hopfenmüller, S. 119, 128; Leibrecht, S. 51, 65; ferner Paulick, DStR 1975, 564, 566. 11 Dazu Roellecke, S. 481, 493. 72 Walz, ZHR 1983, 280, 293 ff. 73 Rittner, S. 16 ff. Rittner selbst sieht in der "wirtschaftlichen Betrachtungsweise" allerdings eine "gefällige Floskel", die einer rationalen Rechtsfindung entgegenstehe. 74 Kritisch Hartz, Auslegung, S. 29.

III. Die Orientierung des Steuerrechts am Privatrecht

29

in Steuergesetzen Begriffe verwandt wurden, die dort schon mit einem mehr oder weniger fest umrissenen Inhalt gebräuchlich waren75• aa) Der bisherige Meinungsstand Ob und unter welchen Umständen vom zivilrechtliehen Begriffsverständnis abgewichen werden durfte, hatte seit jeher den zentralen Streitpunkt in der skizzierten Auseinandersetzung um das Verhältnis des Steuerrechts zum Zivilrecht dargestellt. Die von Ball und Enno Becker angeführte Emanzipationsbewegung sah in der Verwendung privatrechtlicher Tatbestandsmerkmale nur einen "Notbehelf", den allein die Spracharmut des noch wenig entwickelten Steuerrechts erforderlich mache78• Danach konnte das herkömmliche privatrechtliche Verständnis nur einen ersten und vorläufigen Anknüpfungspunkt dafür bieten, welcher Inhalt einem Begriff im steuerrechtliehen Zusammenhang beizulegen war. Die zeitgenössischen Widersacher der Emanzipationsbewegung führten dagegen vor allem den Gedanken der Rechtseinheit und die Rechtssicherheit ins Feld77 • Vor allem ihre Nachfolger lassen aber mehr oder weniger als Ausnahme gelten, daß aus Sinn und Zweck des Steuergesetzes ein abweichender Begriffsinhalt ermittelt werden könne78 • Im einzelnen wäre hier das Bild eines bunten Meinungsspektrums zu zeichnen, das insbesondere bei den Begründungen überaus vielfältige Nuancen aufweisen würde. Es muß aber in diesem Rahmen ausreichen, auf die ausführliche Zusammenstellung hinzuweisen, die Maaßen und Crezelius hierzu vor kurzem vorgelegt haben79 • Um zur Zielsetzung der vorliegenden Untersuchung hinzuführen, kommt es vor allem darauf an, auf eine moderne Entwicklung hinzuweisen, die besonders in der schon genannten Arbeit von Maaßen zum Ausdruck kommt. bb) Die Untersuchung von Maaßen

Maaßen will die Frage nach der Auslegung privatrechtlicher Begriffe in Steuergesetzen aus dem gewöhnlich hergestellten Zusammenhang der Ebert, S. 29. Ball, S. 118; E. Becker, Reichsabgabenordnung, S. 57; ders., StuW 1939, Sp. 745, 748 und öfter; a. A. Lion, VJSchrStFR 1927, 132, 134. 77 Boethke, StuW 1928, Sp. 1203 ff.; Geiler, StuW 1927, Sp. 497, 519. 78 Hartz, Auslegung, S. 43; Papier, S. 185 ff.; Leibrecht, S. 51, 60 ff.; Thiel, S. 195, 206; Eckhardt, StbJb 1961/62, 77, 137; Littmann, FR 1961, 485, 488; Paulick, DStR 1975, 564, 567, 577; v. Wallis, NWB, Fach 2, S. 3537, 3542; weitergehend Kruse, JbFfSt 1975/76, 35, 46; neue Gesichtspunkte bringt der Ansatz von Crezelius, Rechtsanwendung, S. 334 ff. Korrekturen schon im zivil75

71

rechtlichen Bereich vorzunehmen, indem nur materiell privatautonom ausgehandelte Vereinbarungen anerkannt werden. 71 Maaßen, S. 26 ff.; CrezeliUB, Rechtsanwendung, S. 178 ff.

30

A. Einführung

Gegensätzlichkeit von Zivil- und Steuerrecht lösen80• Für ihn stellt sich hier das allgemeine Problem der Interpretation gleichlautender Begriffe verschiedener Rechtstexte (S. 59 ff.). Dies führt Maaßen zu der Auseinandersetzung um "Idee und Wirklichkeit der Sinnbestimmung" (S. 68 ff.), in der er die herkömmlichen juristischen Auslegungsmethoden auf verlorenem Posten sieht. Nur noch die "philosophische Hermeneutik" scheint ihm in der Lage zu sein (S. 81), den Vorgang der Rechtsanwendung zutreffend zu analysieren. Einsichten in das "Verstehen sprachlicher Äußerungen über die Sache Recht" sind danach der Schlüssel für die Lösung der ursprünglichen Fragestellung. Freilich führt die Beobachtung des ontologischen Verstehensprozesses dazu8t, daß das Bemühen um objektive Auslegung als ideologische Täuschung entlarvt wird: Das Verstehen der Privatrechtsbegriffe sei nicht einmal ein subjektiv beherrschbarer Prozeß, sondern bleibe als Vorgang der Sinnerkenntnis einer rationalen Kontrolle weitgehend entzogen (S. 207). Von hier aus kann Maaßen die ursprüngliche Fragestellung nur noch umkehren: "Wie kommt es also, daß einem Privatrechtsbegriff dennoch im Steuerrecht und im Privatrecht - nach Auffassung der Erkenntnissubjekte - manchmal dieselbe Bedeutung zuzuschreiben ist?" (S. 222). Ferner löst sich auch bei ihm der Gegensatz zwischen Sachverhaltsbeurteilung und Gesetzesauslegung auf82 (S. 235). Die eigentliche Tragweite der Überlegungen Maaßens zeigt sich allerdings erst, wenn er die von ihm geforderte "korrigierende Auslegung" auf ihre rechtliche Zulässigkeit überprüft (S. 238 ff.). Das Gesetz wird zur "An-Sicht" des Gesetzgebers über die "Sache Recht", von der der Rechtsanwender mit seiner "Rechtsansicht" abweichen kann, sofern nur eine Übereinstimmung ,in der Sache' besteht" (S. 243). Den hier erkennbaren Mangel erkenntnisleitender Gesichtspunkte will Maaßen durch eine politische Steuerrechtstheorie auffüllen, deren Funktion er in der "Durchsetzung der inneren, materiellen Demokratisierung einer sozial- wie rechtsstaatlich verfaßten politischen Gesellschaft" sieht (S. 258). Zum Inhalt dieser politischen Steuerrechtstheorie führt er im wesentlichen nur aus, daß sie "zutreffende Vorstellungen über den Menschen und über das Verhältnis von Wirtschaft und Gesellschaft" voraussetze. Auch eine entwickelte Steuerrechtstheorie werfe jedoch das so Er leugnet sogar (S. 26), daß ein solcher Zusammenhang in der Vergangenheit bestanden habe. Dem ist nur insoweit zuzustimmen, als sich die vielschichtige Diskussion nur schwer in ein einheitliches Raster einordnen läßt. m Maaßen folgt dabei vor allem Hruschka, Das Verstehen von Rechtstexten, und Gadamer, Wahrheit und Methode. sz Ähnlich schon Brandt, S. 116 ff. unter Hinweis auf das mittlerweile geflügelte Wort Engischs vom "Hin- und Herwandern des Blickes zwischen Obersatz und Lebenssachverhalt".

IV. Der Standort der vorliegenden Untersuchung

31

Problem der Richtigkeitskontrolle auf. Dieses hält Maaßen letztlich jedoch nicht für lösbar (S. 268). Die Untersuchung Maaßens schließt mit ungewöhnlich selbstkritischen Bemerkungen zur praktischen Relevanz seiner theoretischen Darlegungen über die Richtigkeitskontrolle. Es fällt nicht schwer, die ernüchternde Tendenz dieser Schlußbemerkung auf weite Teile der Arbeit Maaßens zu übertragen: Nach vielen theoretischen Höhenflügen bleibt um so größere Ungewißheit über den praktisch einzuschlagenden Weg. Gleichwohl gebührt dieser eindrucksvollen Untersuchung das Verdienst, die seit langem diskutierte Frage der Auslegung zivilrechtlicher Begriffe im Steuerrecht an moderne Strömungen der Methodenlehre herangeführt zu haben88•

IV. Der Standort der vorliegenden Untersuchung 1. Einzeluntersudlung zur Auslegung zivilredltlidler Begriffe in Tatbeständen von Steuergesetzen

Die vorliegende Untersuchung befaßt sich mit einem Ausschnitt aus der soeben umrissenen Fragestellung nach dem Verhältnis des Steuerrechts zum Zivilrecht. Sie behandelt das Problem, ob der Inhalt bestimmter einzelner Begriffe in Tatbeständen von Steuergesetzen nach zivilrechtlichem Verständnis zu bestimmen ist. Insoweit ergibt sich also ein ähnlicher Ausgangspunkt wie bei den Überlegungen von Maaßen. Die vorliegende Untersuchung verfolgt jedoch einen anderen methodischen Weg. Es soll an eine Bemerkung von Spitaler angeknüpft werden, nach der bei dem gegenwärtigen Diskussionsstand eine weitere Differenzierung geboten sei, die nur von Einzeluntersuchungen erbracht werden könne8'. Dies trifft mit der Überlegung zusammen, daß der Vielzahl von Beiträgen zu den grundsätzlichen Fragen nur sehr wenige Untersuchungen gegenüberstehen, welche sich mit den einzelnen Anwendungsfällen befassen, die eigentlich den Anstoß für methodische Erörterungen geben. Zudem hat neuerdings die Arbeit von Maaßen mit einem sehr wenig ermutigenden Ergebnis die angesprochene Fragestellung aus einem rechtstheoretischen Blickwinkel betrachtet und in eindrucksvoller Weise ausgelotet. Dies rechtfertigt es nun um so mehr, sich eingehend mit einem konkreten Anwendungsfall zivilrechtlicher Begriffsbestimmung im Steuerrecht auseinanderzusetzen.

sa So im Ergebnis auch Kruse, StuW 1978, 176, 179. 84 Vorwort der Arbeit von Polland, S. VI; ders., DStR 1962, 29.

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A. Einführung

2. Der Begriff "Leibrente" in den §§ 9 Abs. 1 Nr. 1, 10 Abs. 1 Nr. 1a und 22 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG als Beispiel

Der Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist schon mehrfach als Beispiel dafür genannt worden, daß zivilrechtliche Begriffe in Tatbeständen von Steuergesetzen anzutreffen und auszulegen sind. Littmann85 hat schon 1961 den "Rententatbestand in§ 22 EStG" als Beispiel für die Frage angeführt, ob sein Inhalt nach zivilrechtlichem Verständnis zu bestimmen sei. An zentraler Stelle steht freilich die eingangs erwähnte Entscheidung des Bundesfinanzhofs88• Ihr Standort in der zuvor geschilderten Entwicklung läßt sich dahin bestimmen, daß sie entgegen der emanzipatorischen Bewegung für die Einheit der Rechtsordnung und für eine Anlehnung des Steuerrechts an das Zivilrecht eingetreten ist. Als praktische Folge dieser Entscheidung haben die §§ 759 bis 761 BGB und vor allem die dazu ergangene reichsgerichtliche Rechtsprechung große Bedeutung bei der steuerlichen Behandlung wiederkehrender Bezüge erlangt. Auch wenn dieses Gebiet des Einkommensteuerrechts wegen auffälliger Unstimmigkeiten immer wieder kritisch diskutiert wird87, bleibt die grundlegende Weichenstellung des Bundesfinanzhofs weitgehend außer Streit. Im Gegenteil haben die Terminologie der reichsgerichtliehen Entscheidungen und die dort angewandten dogmatischen Denkformen aus der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg in der typischen steuerrechtliehen Form von Richtlinien, Anleitungsbüchern und "systematischen Übersichten für die Praxis" 88 eine Verbreitung gefunden, die den kritischen Zivilrechtier erstaunen muß. Immerhin ist hier in zahllosen Gerichtsentscheidungen und literarischen Stellungnahmen ein kunstvolles und weit verzweigtes Gebäude errichtet worden, dessen zivilrechtliche Grundlage W eyers88 kurzerhand als "übersehene Bastion der Begriffsjurisprudenz" kennzeichnet. 3. Beitrag zur "inneren Rechtsvergleichung"

In dem angesprochenen Bereich ist eine Erscheinung anzutreffen, auf die vor allem Meincke80 hingewiesen hat. Bestimmte zivilrechtliche Rechtsfiguren, die in der zivilrechtliehen Rechtsprechung einen eher unbedeutenden Rang einnehmen, spielen im Steuerrecht eine große Rolle81 und führen dort zu einem reichhaltigen "zivilrechtlichen" Ent85

Littmann, FR 1961, 485.

BFH (o. Fußn. 1),, BStBl. III 1962, 304. Vgl. nur Tipke, StuW 1975, 327, 330. 88 Zu typischen Formen steuerrechtlicher Veröffentlichungen Weber-Fas, s. 22. se Weyers, in: Esser I Weyers, S. 343. 80 Meincke, JuS 1976, 693, 699. 88

87

IV. Der Standort der vorliegenden Untersuchung

33

scheidungsmaterial. Dieses haben Zivilrechtier bisher kaum ausgeschöpft. Damit ist ein besonders interessantes wissenschaftliches Betätigungsfeld unbestellt geblieben92 • Auch aus der Sicht des Steuerrechts ist dies zu bedauern: Unversehens führt ein scheinbar gesicherter zivilrechtlicher Ansatz dazu, daß man bei der durch das Fallmaterial geforderten Weiterentwicklung auf sich gestellt ist. Der hier zu behandelnde Bereich zeigt allerdings auch, daß es an dem dort erkennbaren "Steuerdickicht"93 liegt, wenn ein Blick über den Zaun des Steuerrechts unterbleibt. Der geschilderte Befund fordert ein methodisches Vorgehen heraus, das im Anschluß an Hartz9' treffend als "innerer Rechtsvergleich" zu bezeichnen ist. Hierin kommt zum Ausdruck, daß eine Gegenüberstellung angestrebt wird, aus der für "beide Rechtsordnungen" weitere Einsichten zu gewinnen sind. Auch das Zivilrecht kann nämlich von diesem Rechtsvergleich profitieren, wenn im Steuerrecht erkennbar wird, wie sich bestimmte zivilrechtliche Weichenstellungen auswirken, die in der zivilrechtliehen Entscheidungspraxis aus verschiedenen Gründen ohne maßgebliche Folgen bleiben. Der Gesichtspunkt des "inneren Rechtsvergleichs" legt einen Aufbau der Untersuchung nahe, bei dem die rechtliche Behandlung wiederkehrender Leistungen im gebotenen Rahmen zuerst anhand des einen und dann des anderen Rechtsgebiets dargelegt wird. Hierbei werden sich die Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausstellen, die anschließend kritisch diskutiert werden sollen.

91 Hier sei nur auf das Stichwort "Nießbrauch" hingewiesen, dessen steuerliche Bedeutung u. a. aus den Möglichkeiten zur Einkunftsverlagerung resultiert; hierzu umfassend Tipke (Hrsg.), Übertragung von Einkunftsquellen im Steuerrecht. et Meincke, JuS 1976, 693, 700; vgl. auch Hartz, JurJb 1969/70, 48, 63. 9a Tipke, StuW 1971, 1, 2. 9 ' Hartz, NJW 1971, 745, 746. 3 Weiter

B. Zivilrecht I. Allgemeine Bemerkungen

Anders als der Steuerrechtier wird der Zivilrechtier mit dem Begriff "wiederkehrende Bezüge" regelmäßig keine konkreten Vorstellungen verbinden. Allenfalls mag der Gedanke an "wiederkehrende Leistungen" i. S. des § 197 BGB einen ersten Anknüpfungspunkt bieten. Als Bezüge, für deren Beanspruchung eine besondere vierjährige Verjährungsfrist gilt, sind dort als Unterfall der "regelmäßig wiederkehrenden Leistungen" u. a. "Renten" erwähnt. Dieser Begriff, mit dem in erster Linie die Vorstellung eines Altersruhegeldes oder einer Invalidenversorgung, also einer Sozialversicherungsrente (§§ 1246-1248 RVO, §§ 23-25 A VG, §§ 45-48 RKnG), verbunden ist\ erfüllt im zivilrechtliehen Zusammenhang immer wieder einen bestimmten Zweck. Im Gegensatz zum Zins sollen Renten nicht "neben ..., sondern statt des Kapitals" geschuldet werden!. Anders als bei "Raten" handele es sich bei Renten nicht um eine bloße "Modalität der Zahlung" 8 • Vom Mietzins oder dem Lohn wird die Rente dadurch unterschieden, daß der einzelnen Rentenleistung keine "gerade ihr entsprechende" Gegenleistung gegenüberstehen dürfe4 • Ohne auf die damit schon angedeuteten Probleme einzugehen, soll an dieser Stelle nur festgehalten werden, daß der Begriff "Rente" im Zivilrecht verwandt wird, um eine Leistung zu umschreiben, deren periodische Wiederkehr nicht aus ihrer "Akzessorietät" 5 , dem vertraglichen Ausschluß des Verbots von Teilleistungen (§ 266 BGB) oder dem synal1 Zum wirtschaftswissenschaftlichen Begriffsverständnis Heinz Mii.Her, in: Staatslexikon (Recht Wirtschaft Gesellschaft), Bd. VI, Stichwort "Rente". 2 BGH, Urt. v. 20. 11. 1970 V ZR 71168 -, LM Nr. 2 zu § 248 = BB 1971, 107 = DNotZ 1971, 186; Urt. v. 24. 5. 1976 - III ZR 63164 -, WM 1976, 974, 975; Esser I Eike Schmidt, S. 204 unter Hinweis auf RG, Beschl. v . 25. 2. 1931 und Endentscheidung v . 19. 10. 1932, RGZ 141, 1, 7; Larenz, Schuldrecht I, § 12 IX, S . 170; Emmerich, S. 334; vgl. auch schon Crome, S. 603 ; anders Kohler, § 41 III, S. 112, der die Rente gegenüber dem Zins als Oberbegriff versteht. 3 Sepp, S. 26; Mendelsohn, S. 28; ähnlich Larenz, Schuldrecht I, § 12 IX, S.170. 4 Eccius, Gruchot 45, 11, 14; Hawlitzky, S. 4. 6 Kritisch zur Akzessorietät von Darlehenszinsen Soergell L i ppi sch I Häuser, Vor§ 607 BGB Rdnr. 2.

II. Gesetzliche Regelung von Rentenleistungen

35

lagmatischen Zusammenhang herzuleiten ist. Die periodische Wiederkehr soll insbesondere bei Leibrenten vielmehr unabhängig von äußeren Bedingungen allein aus der "Natur" oder dem "Wesen der Rente" folgen. Man sieht also in der Rente eine typische Form der wiederkehrenden Leistung. Diese Stellung rechtfertigt es, die zivilrechtliche Untersuchung der wiederkehrenden Leistung vor allem an der Rente zu orientieren. Freilich läßt sich die gesetzliche Regelung, der dogmatische Meinungsstand und die Vertragspraxis kaum zu einem harmonischen Bild der zivilrechtliehen Lage zusammenfügen. Deshalb ist es erforderlich, die genannten Bereiche zunächst getrennt zu behandeln. II. Gesetzliche Regelung von Rentenleistungen Wer im Zivilrecht nach der gesetzlichen Regelung von Rentenleistungen sucht, stößt sogleich auf das in § 759 BGB als "Leibrente" bezeichnete gesetzlich geregelte Schuldverhältnis. Bei näherem Zusehen erscheinen die Bestimmungen der §§ 759-761 BGB allerdings lückenhaft und wenig aussagekräftig. 1. Leibrente

Bei unbefangener Betrachtung deutet das Wort "Leibrente" (lip, lif =Leben) darauf hin, daß sich die genannten Bestimmungen auf eine Rente beziehen, die für die Lebenszeit eines Menschen zu zahlen ist. Darüber hinaus enthält § 759 BGB die Auslegungsregel, daß es "im Zweifel" auf die Lebensdauer des Gläubigers ankomme. Ebenfalls "im Zweifel" soll der für die Rente bestimmte Betrag deren Jahresbetrag sein. § 760 BGB bestimmt (dispositiv) den Zahlungsmodus, während § 761 BGB zwingend vorschreibt, daß bei einem Vertragsschluß das Leibrentenversprechen nur in schriftlicher Form wirksam abgegeben werden kann. Außerhalb der §§ 759-761 BGB beziehen sich die §§ 330 und 1073 BGB auf die Leibrente. § 330 BGB bestimmt als Auslegungsregel, daß bei drittbegünstigenden Leibrentenverträgen im Zweifel ein echter Vertrag zugunsten Dritter i. S. der §§ 328 ff. BGB vorliegt. § 1073 BGB regelt als Inhalt eines Nießbrauchs an einer Leibrente oder einem ähnlichen Recht, daß dem Nießbraucher die einzelnen Leistungen (endgültig) gebühren. Wie sonst kein anderes gesetzlich geregeltes Schuldverhältnis ist die Leibrente nur vage umrissen und kaum durch zwingende Vorschriften festgelegt. Das Gesetz läßt offen, ob und in welchen Fällen neben dem Vertrag auch das Gesetz als Begründungstatbestand in Frage kommt. Gerade wegen des ausgeprägten Regelungsdefizits erscheint es denkbar,

36

B. Zivilrecht

daß der Vertragstyp "Leibrente" ein weites Spektrum von Abreden über lebenslängliche Leistungen umfaßt. Betriebliche Ruhegehaltszusagen an Arbeitnehmer lassen sich nach dem Gesetzeswortlaut genauso als Leibrente beurteilen wie Unterhaltsversprechen gegenüber geschiedenen Ehefrauen. Andererseits kann auch der Eindruck entstehen, dies habe mangels näherer Regelung ohnehin nur terminologische Bedeutung. Eine solche Sicht würde freilich die Bedeutung der zwingenden Schriftform nach § 761 BGB unterschätzen. Zumindest in den ersten Jahrzehnten nach dem Irrkrafttreten des BGB hat das Schriftformerfordernis die Rechtsprechung zum Anwendungsbereich der §§ 759 bis 761 BGB stark beeinflußt. Hierauf wird noch im Zusammenhang mit der dogmatischen Behandlung von Rentenleistungen näher einzugehen sein. 2. Rente

Neben der Leibrente kennt das Bürgerliche Gesetzbuch die Rente in vielfältigen Erscheinungsformen. Allerdings ist die etymologisch naheliegende Annahme nicht zutreffend, daß der Begriff "Rente" ein gesetzlich geregeltes Schuldverhältnis bezeichne, das sich nur durch die fehlende Verknüpfung mit dem Leben einer Person von der Leibrente unterscheide. Das Bürgerliche Gesetzbuch kennt neben der Leibrente keine anderen Rentenleistungen als Gegenstand eines gesetzlich geregelten Schuldverhältnisses. Vielmehr werden Renten oder Geldrenten in verschiedenen Zusammenhängen im Gesetz erwähnt. Ein gemeinsamer Bezugsrahmen ist bei diesen verstreuten Regelungen nicht erkennbar6 , die auch in unterschiedlicher Weise mit den §§ 759-761 BGB verknüpft sind. In groben Zügen ergibt sich etwa folgendes Bild.

a) Schadensersatzrenten Nach§ 843 Abs. 1 BGB ist bei Körper- oder Gesundheitsverletzungen durch eine Geldrente Schadensersatz zu leisten7 , um eine eingetretene Verminderung der Erwerbsfähigkeit oder Vermehrung der Bedürfnisse auszugleichen. Auf diese Rente finden nach § 843 Abs. 2 BGB die Vorschriften des § 760 BGB Anwendung. Damit wird diese Schadensersatzrente hinsichtlich der Zahlungsweise im Ergebnis der Leibrente i. S. der §§ 759-761 BGB gleichgestellt, weil alle anderen Regelungen ohnehin nur für vertragliche Leibrentenversprechen gelten. Die Tatsache, daß der Gesetzgeber stattdessen den umständlichen Weg einer nur scheinbar punktuellen Verweisung gegangen ist, sollte Als Ausnahme ist nur die Verjährungsregelung in§ 197 BGB anzuführen. Die Rente als Form des Schadensersatzes geht auf das Reichshaftpflichtgesetz zurück (Mot. II, 785). 8

7

li. Gesetzliche Regelung von Rentenleistungen

37

als erster Hinweis dafür dienen, daß das Verhältnis der Leibrente zu anderen Rentenleistungen seit jeher schwer zu durchschauen ist. Auch das scheinbar einleuchtende Argument, im Falle des § 843 Abs. 1 BGB könne es sich schon deswegen nicht um eine Leibrente handeln, weil sie u. U. vor dem Ableben des Berechtigten erlösche8, verliert bei näherem Zusehen an Überzeugungskraft. Zwar ist es richtig, daß z. B. im Falle verminderter Erwerbsfähigkeit der auszugleichende Nachteil in der Regel nur bis zu einer gewissen Altersgrenze vorliegt•. Mit dem Ableben des Verletzten erlischt also in jedem Fall die Zahlungsverpflichtung, aber dies kann auch schon vorher durch andere Umstände eintreten. Jedoch gilt das gleiche für die Leibrente, wenn sie mit einer zulässigen10 Befristung oder Bedingung versehen ist. Die bisherigen Ausführungen treffen auch für die Schadensersatzrenten gemäß den §§ 844 Abs. 2 und 845 BGB zu. Im Falle der Tötung ergibt sich schon aus dem Gesetz (§ 844 Abs. 2 BGB), daß die Rente zum Ausgleich des Unterhalts durch den Getöteten nur während dessen mutmaßlicher Lebensdauer zu bezahlen ist11 • Auch hier kommt aber ("insoweit Schadensersatz zu leisten") ein früheres Erlöschen der Unterhaltsverpflichtung z. B. in Betracht, wenn sich der Unterhaltsberechtigte selbst versorgen kann. Auch die Verpflichtung zur Leistung von Diensten i. S. des§ 845 BGB kann auf einen bestimmten Zeitraum beschränkt sein. In beiden Fällen knüpft das Gesetz durch eine Verweisung auf § 843 Abs. 2 BGB in der schon geschilderten Weise an die Bestimmungen über die Leibrente an.

b) Geldrente als Form der Unterhaltsleistung Das BGB kennt ferner die Geldrente als Form der Unterhaltsleistung. Die Unterhaltspflicht zwischen Verwandten in gerader Linie(§§ 1601 ff. BGB) ist nach § 1612 Abs. 1 S. 1 BGB im Regelfall durch Entrichtung einer Geldrente zu erfüllen. Für Ehegatten gilt dies nach § 1361 Abs. 4 BGB, wenn sie getrennt leben. Auch wenn der Unterhalt durch Geldrente grundsätzlich an das Leben des Berechtigten geknüpft ist12, bezieht sich § 1614 Abs. 2 BGB nur beiläufig auf § 760 Abs. 2 BGB. Im übrigen 8 So bereits Eccius, Gruchot 45, 11, 19 gegen die seinerzeit herrschende Meinung von den "gesetzlichen Leibrenten i. S. der §§ 843-845 BGB". 0 Zu dieser Prognose RG, Urt. v. 23. 4. 1906 VI 314/05 - , RGZ 63, 195, 197. 10 Vgl. nur Palandt I Thomas, § 759 Anm. 2 b; ferner BGH, Urt. v. 13. 3. 1980- li ZR 179/78-, WM 1980, 593, 595. 11 s. allerdings BGH, Urt. v. 29. 4. 1960 VI ZR 51/59 - , BGHZ 32, 246, 248: Schadensersatz der Witwe über die mutmaßliche Lebenszeit des Geschädigten hinaus, weil ihr infolge des schädigenden Ereignisses die Witwenrente entgeht. 12 So ausdrücklich § 1615 Abs. 1 BGB.

B. Zivilrecht

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sind die Leistungsmodalitäten selbständig und abweichend von § 760 BGB im jeweiligen Zusammenhang näher bestimmt13• c) Sachenrechtliche Rentenverpflichtungen

Kein Bezug zu dem gesetzlich geregelten Typus findet sich bei den sachenrechtliehen Rentenverpflichtungen. Die Leistungen, die wegen eines Überbaus oder für die Inanspruchnahme eines Notweges zu erbringen sind, werden im Gesetz als Rente(§§ 912 Abs. 2 S. 2, 913 Abs. 1 und 2, 914 Abs. 1 und 2, 915 Abs. 2 BGB) oder Geldrente (§§ 912 Abs. 2 S. 1, 917 Abs. 2 BGB) bezeichnet. Die§§ 759-761 BGB sind hier weder aufgrund einer Global- noch einer Einzelverweisung anwendbar. Der Gedanke, daß die Rente für die Lebenszeit eines Menschen zu zahlen ist, scheidet völlig aus. Die Rentenleistungen sind vielmehr unabhängig von den persönlichen Verhältnissen beider Seiten solange zu erbringen, als der tatsächliche Zustand andauert, der zur Rentenverpflichtung geführt hat(§§ 914 Abs. 1, 917 Abs. 2 BGB). d) Rentenschuld und Rentenschein

Sowohl die Rentenschuld als auch der Rentenschein weisen begrifflich einen Bezug zur Rente auf. Bei der Rentenschuld i. S. der §§ 1199 ff. BGB handelt es sich um eine Unterart der Grundschuld, die auf periodisch wiederkehrende Leistungen zugeschnitten ist. Der Rentenschein (§§ 801 Abs. 2, 804 Abs. 1, 805 BGB) ist ein Nebenpapier zur Inhaberschuldverschreibung14, die ausnahmsweise keinen Kapitalrückzahlungsanspruch verbrieft16• Auch wenn hier die verbriefte Forderung als "Rente" angesprochen wird, ist keine Verbindung zu den vorher dargestellten gesetzlich geregelten Leib-, Geld- und sonstigen Renten erkennbar. Vielmehr erfährt der Rentenschein nur gemeinsam mit dem Zins- und Gewinnanteilschein (§§ 799 Abs. 1, 801 Abs. 2, 804 Abs. 1 und 2, 1081 Abs. 1, 1083 Abs. 1, 1296 BGB) in seiner Eigenschaft als Nebenpapier eine Sonderbehandlung, ohne daß dabei die verbriefte Rentenforderung näher qualifiziert wird. Auch§ 1199 BGB beschränkt sich auf die Aussage, daß bei der Rentenschuld als Unterart der Grundschuld nicht nur einmalig, sondern zu regelmäßig wiederkehrenden Terminen eine bestimmte Geldsumme aus dem Grundstück zu zahlen ist. Die Rentenschuld kann somit Kaufpreisraten ebenso sichern wie Mietzinsforderungen oder auch Leibrenten. Vgl. § 1361 Abs. 4 S. 2-4, §§ 1612 Abs. 3 und 1613 ff. BGB. Hadding, StudK BGB, Vor§ 793 Anm. 5. 16 Rehfeldt I Zöllner, Wertpapierrecht, § 27 II 1, S. 141. Bei dem üblicherweise verbrieften Kapitalrückzahlungsanspruch kommt als Nebenpapier zur Inhaberschuldverschreibung ein Zinsschein in Betracht. 13

14

111. Dogmatische Behandlung von Rentenleistungen

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e) Sonstige Bestimmungen über Renten oder rentenähnliche Leistungen Neben den erwähnten Regelungen des BGB gibt es zahlreiche andere zivilrechtliche Vorschriften, die sich auf Renten oder rentenähnliche Leistungen beziehen. Das EGBGB kennt etwa in Art. 114 die staatlichen Ablösungsrenten, und in Art. 96 werden verschiedene Altenteilsverträge aufgezählt, für die die landesgesetzlichen Vorschriften weitergelten sollen. Das Zivilprozeßrecht läßt mit § 258 ZPO bei wiederkehrenden Bezügen die Klage auf künftige Entrichtung zu. Eine entsprechende Abänderungsklage ist in § 323 ZPO vorgesehen. Zu erwähnen ist auch die Vorschrift des § 832 ZPO, nach der bei einer Gehaltsforderung oder einer ähnlichen in fortlaufenden Bezügen bestehenden Forderung sich deren Pfändung auch auf die künftig fällig werdenden Beträge erstreckt. Vor allem auf die zuletzt genannten Bestimmungen wird noch zurückzukommen sein. 111. Dogmatische Behandlung von Rentenleistungen 1. Zum aktuellen Stand

Der zivilrechtlich orientierte Jurist wird das Stichwort "Rente" allenfalls im Hinblick auf die betriebliche Altersversorgung in einen aktuellen Zusammenhang einordnen. In der Tat ist die Dynamisierung betrieblicher Versorgungsleistungen aus zivilrechtlicher Sicht der Schauplatz aktueller Entwicklungen, die von der Rechtsprechung initiiert16, die literarische Diskussion17 und schließlich auch den Gesetzgeber (§ 16 BetrAVG) beschäftigt haben. Neuere Veröffentlichungen18 belegen, daß deswegen noch längst keine Beruhigung eingetreten ist. Indessen ist leicht zu erkennen, daß die angesprochene Entwicklung nicht die Dogmatik wiederkehrender Bezüge betrifft. Sie spiegelt vielmehr das Spannungsverhältnis zwischen statischer Vertragsregelung und dynamischer Kaufkraftentwicklung wider. Es handelt sich also um 11 BAG, Urt. v. 30. 3. 1973 3 AZR 26/72, AP Nr. 4 zu § 242 BGB Ruhegehalt-Geldentwertung = DB 1973, 773 ff. = BAGE 25, 146; BAG, Urt. v. 30. 3. 1973 - 3 AZR 34/72, AP Nr. 5 zu § 242 BGB Ruhegehalt-Geldentwertung. 17 Bettermann, ZRP 1974, 13 ff.; Bode I Grabner, DB Beilage Nr. 1/1974; dies., DB 1974, 1577 ff.; Fürer I Förster I Rössler, DB 1974, 776 ff.; Heubeck I Schröder, BB 1973, 755 ff.; Höfer I Kemper, DB 1974, 1573 ff.; Medicus, Anm. zu BAG, AP Nr. 4 zu § 242 Ruhegehalt-Geldentwertung; Reichert-Facilides, JZ 1974, 483 ff.; Stötter, JZ 1974, 375 ff. 18 Blomeyer, SAE 1982, 12 ff. m. w. Nachw.; Ahrend I Förster I Rössler, BB Beilage Nr. 611980; Schaub, ZIP 1983, 23 ; vgl. auch schon Konzen, SAE 1977, 197 ff.; Kraft, SAE 1977, 102 f.

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ein Problem, das auch bei anderen Dauerschuldverhältnissen anzutreffen ist. Nicht ohne Grund mußte bei den Bemerkungen zu den wiederkehrenden Bezügen im Zivilrecht und speziell zur Rente vorwiegend auf ältere literarische Stellungnahmen zurückgegriffen werden. Dort wurde auch schon deutlich, daß der Schwerpunkt der Diskussion bei der Leibrente i. S. der §§ 759-761 BGB gelegen hat. Zudem ist für die jüngere Literatur festzustellen, daß sie ohne eigene Innovationskraft in die Vergangenheit gewandt ist. Als Beispiel mag hier die Kommentierung zur Leibrente im "Palandt" dienen. Es dominieren Verweisungen auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts und selbst die Hinweise auf neuere Entscheidungen führen wieder zu dieser zurück. Bei näherem Zusehen stellt sich auch heraus, daß der Text seit der 7. Auflage des Jahres 1949 kaum verändert worden ist. Als Ausnahme von dem geschilderten Stillstand sind vor allem die Beiträge von Maas 10 und Reinhart20 zu nennen21 • Auch Maas und Reinhart, die neue Gedanken vortragen, müssen sich jedoch vorwiegend mit der Rechtsprechung des Reichsgerichts auseinandersetzen. Auch dies belegt, daß dieses Rechtsgebiet durch die reichsgerichtliche Rechtsprechung geprägt wurde, die bis heute den Meinungsstand bestimmt••. 2. Die Grundlagen des gegenwärtigen Meinungsstandes

a) Die Entwicklung zur Stammrechtstheorie in der reichsgerichtliehen Rechtsprechung Bereits das - soweit ersichtlich - erste reichsgerichtliche Urteil zur Leibrente23 läßt erkennen, an welcher Stelle die §§ 759-761 des soeben in Kraft getretenen BGB eine problematische Regelung treffen. Der Kläger hatte seinen Eheschluß davon abhängig gemacht, daß der künftige Schwiegervater einen jährlichen Zuschuß zu den Haushaltskosten leisten müsse. Der Schwiegervater versprach mündlich eine Rente von 1800,- Mark jährlich, stellte aber bereits ein Jahr nach Eheschluß die Zahlungen ein. 18 Stammrecht und Einzelansprüche, Diss. jur. Bonn 1968. •o Reinhart, Zum Begriff der Leibrente im bürgerlichen Recht, in: Festschr. f. Wahl, S. 261 ff. 21 Einen kritischen Standpunkt vertritt neuerdings auch Pecher, in: Münchener Komm., § 759 BGB Rdnrn. 2 ff.; ferner Hadding, StudK BGB, Vor § 759 Anm. 5. 22 Vgl. nur Palandt I Thomas, § 759 BGB Anm. 1 und 2; Erman I Wagner, § 759 BGB Rdnrn. 1-6; Soergell Mormann, Vor § 759 BGB Rdnr. 2; v. Gamm, RGRK-BGB, § 759 Rdnrn. 1-6. 23 RG, Urt. v. 23. 5. 1906 IV 569105 -, RGZ 63, 323, 324.

III. Dogmatische Behandlung von Rentenleistungen

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Das Reichsgericht stimmt in dieser Entscheidung dem Berufungsgericht darin zu, daß der Schwiegervater nicht verpflichtet sei, weil es an der von § 761 BGB geforderten Schriftform fehle. Der Begriff der Leibrente i. S. der §§ 759-761 BGB verlange nur "periodisch wiederkehrende, auf eine längere Zeitdauer, im Zweifel auf die Lebensdauer des Rentenberechtigten, in Geld oder Naturalien zu entrichtende Leistungen". Allein schon wegen der periodischen Wiederkehr über einen längeren Zeitraum sollte also insbesondere die Formvorschrift des § 761 BGB anwendbar werden24 • Auf die Lebenslänglichkeit der Bezüge, die im zu entscheidenden Fall wohl nicht gegeben war, kam es danach nicht mehr an. In einer weiteren Entscheidung25 ging das Reichsgericht nochmals von diesem Verständnis der Leibrente aus, kam dann aber in einem bald darauf folgenden Urteil26 zur entscheidenden Wende. Es lag wiederum ein Ausstattungsversprechen vor, dessen überaus vorsichtige Formulierungen (der Schwiegervater war Anwalt und der Schwiegersohn war Richter) juristischer Auslegungskunst ein weites Feld boten. Das Reichsgericht nahm diesen Fall zum Anlaß, den Anwendungsbereich der §§ 759-761 BGB grundlegend abzustecken. Die Entscheidung stellt zum einen darauf ab, daß schon aus etymologischen Gründen27 (lip, lü = Leben) nur dann eine Leibrente vorliege, wenn zumindest als einer von mehreren Beendigungsgründen der Tod eines Menschen ins Auge gefaßt sei. Die Auslegungsvorschrift des § 759 Abs. 1 BGB wird also nicht mehr auf die Dauer der Rente bezogen, sondern auf die Person, auf deren Leben die Rente gestellt ist28 • Es war jetzt also zu lesen "im Zweifel für die Lebensdauer des Gläubigers" und nicht mehr "im Zweifel für die Lebensdauer des Gläubigers" 29 • Über diese Eingrenzung hinaus sah sich das Reichsgericht jedoch aus zwei Gründen veranlaßt, "den Leibrentenbegriff, wenn angängig, durch Aufstellung weiterer Begriffserfordernisse einzuengen" 30• Ebenso schon Matthiaß, § 129 IV A, S. 636. RG, Urt. v. 18. 4. 1907- IV 458/06 - , JW 1907, 332. 21 RG, Urt. v. 12. 12. 1907- IV 221/07 -, RGZ 67, 204 ff. 27 Das Urteil verweist auf Grimm's Deutsches Wörterbuch Bd. VI, S. 607 und einen Rechtsspruch des Magdeburger Schöffenstuhles (Magdeburger Fragen, S. 152): "Dorumne heisset is leibrenthe, dass ein man ym dy herlichkeit behelt zu syme lebin". 28 s. auch die entsprechende Wende bei Dernburg, Das bürgerliche Recht II 2, 1./2. Aufl. 1901, § 201 I 1, S. 107 einerseits und 3. Aufl. 1906, § 201 I 1, S. 128 andererseits. 29 So aber später noch Mendelsohn, S. 34 ff.; neuerdings wieder Pecher, in: Münchener Komm., § 759 BGB Rdnr. 4; eingehend zu diesem Auslegungsproblem Hawlitzky, S. 10; Kiesel, S. 2; Stuht, S. 43; ferner Staudinger I Amann, vor §§ 799-761 BGB Rdnr. 15. 30 RG (o. Fußn. 26), RGZ 67, 204, 208. 24 26

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Zum einen führt die Entscheidung ein gesetzessystematisches Argument an. Die bisher geforderten Merkmale sollen zu allgemein sein, um der systematischen Stellung der §§ 759-761 BGB gerecht zu werden. Würden sich die Merkmale der Leibrente darin erschöpfen, daß (im Zweifel für die Lebensdauer des Gläubigers) periodisch wiederkehrende Geld- oder Naturalienleistungen zu erbringen sind, so handele es sich nur um eine besondere Leistungsmodalität, deren gesetzestechnisch richtige Stellung in den allgemeinen Lehren vom Recht der Schuldverhältnisse wäre31 • Weil aber die Leibrente im besonderen Teil des Schuldrechts erscheine, sei zu folgem, daß das Bürgerliche Gesetzbuch von einem "in seinem Wesen eigenartigen Schuldverhältnis" ausgehe. Ein weiteres Argument leitet das Urteil aus dem Formerfordernis her. Aus dem bisherigen Verständnis von der Leibrente folge, daß die Wirksamkeit eines mündlichen Versprechens, über einen längeren Zeitraum periodisch wiederkehrende gleichmäßige Leistungen zu erbringen, an § 761 BGB scheitere. Dies sei untragbar, weil anders als bei § 313 S. 2 oder § 766 S. 2 BGB eine Bestimmung über die Heilung der Formnichtigkeit fehle und die beiderseitigen Leistungen in diesen Fällen während der dreißigjährigen Verjährungsfrist kondiziert werden könnten32. Besonders die zuletzt erwähnten Bedenken konnten nicht allein dadurch ausgeräumt werden, daß man die Lebenslänglichkeit der Leistungen stärker betonte. Das Reichsgericht setzte deshalb bei der Struktur des "eigenartigen" Leibrentenschuldverhältnisses an. Es sah die Leibrente nicht als "Mehrzahl einzelner, selbständiger Ansprüche mit fortschreitend aufeinander folgenden Fälligkeitsterminen", sondem als "in sich geschlossenes einheitliches Recht, dem die Eigenschaft der Nutzbarkeit i. S. der§§ 99 Abs. 2 und 100 BGB innewohnt". Diese Sicht der "rechtlichen Natur und des inneren Aufbaus des Leibrentenvertrages"33 sollte nach Meinung des Reichsgerichts dem Volksbewußtsein und der allgemeinen Anschauung in besonderem Maße entsprechen34• Aus diesem Verständnis der Leibrente zieht das Urteil weitreichende Folgerungen. Das geschlossene einheitliche Recht, das als "Stammrecht" bezeichnet wird, soll die Einzelansprüche durch sein Bestehen allein hervorbringen. Diese seien danach in ihrer Entstehung und ihrer Höhe nur noch abhängig von dem "Stammrecht" und könnten nicht durch das Rechtsverhältnis zwischen dem Leibrentenverpflichteten und -berechtigat So schon die Darstellung im Lehrbuch von Cosack, S. 333; ähnlich auch bei Crome, § 251, S. 607 ff.; eingehend dazu Sepp, S. 30 ff. a2 Eccius, Gruchot 45, 11, 12. 33 Endemann, § 189, S. 1185 Fußn. 5. 34 RG (o. Fußn. 26), RGZ 67, 204, 211.

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ten beeinflußt werden. Die Abwicklung des Leibrentenvertrages vollziehe sich also in mehreren Stufen. Zuerst müsse sich im Rahmen eines sonstigen Schuldverhältnisses die Verpflichtung zur "Bestellung eines Leibrentenstammrechts" ergeben. Dieses Stammrecht bringe nach seiner Bestellung bis zur Auszehrung oder seinem vorzeitigen Erlöschen (Kondiktion) in naturalistisch anmutender Weise35 gleichbleibende Einzelansprüche hervor. Bei den Hinweisen für das Berufungsgericht schlagen sich die Überlegungen zum "Leibrentenstammrecht" in der praktischen Unterscheidung nieder, ob die Bezüge nach den Parteivereinbarungen veränderlich sind oder nicht. Nur gleichbleibende Leistungen, die nach den Parteivereinbarungen nicht von Leistungsfähigkeit und Bedürftigkeit abhängig sein dürften, kämen nämlich als Früchte des geforderten "Stammrechts" in Frage und belegten im Einzelfall zugleich dessen Existenz. Es wird also nicht verlangt, die vertraglichen Vereinbarungen darauf zu prüfen, ob sie auf die Begründung eines "Stammrechts" gerichtet sind. Dies kann man wohl als Eingeständnis werten, daß sich die eingeführte Konstruktion auch nach Ansicht des Reichsgerichts nicht in den Parteivereinbarungen widerspiegelt. Als Fazit dieser Entscheidung ist festzuhalten, daß danach eine formbedürftige Leibrente nur dann vorliegen soll, wenn Leistungen für das Leben einer Person zu erbringen sind, die zudem nach den Parteivereinbarungen unter allen Umständen gleichbleiben.

b) Kritische Bemerkungen zur Entscheidung des Reichsgerichts vom 12. 12. 1907 Das Urteil vom 12. 12. 190736 hat für die Rechtsprechung die Grundlage der Dogmatik des Leibrentenvertrages (§§ 759-761 BGB) gelegt. Ihm ist nicht zu entnehmen, auf welche literarischen Einflüsse es zurückzuführen ist, daß das Reichsgericht mit Hilfe einer einigermaßen komplizierten Konstruktion eine recht überraschende Wende vollzogen hat. Das Urteil enthält nur mehrere teils zustimmende teils ablehnende Hinweise auf Eccius31 sowie auf die nicht näher bestimmte Rechtslehre. An dieser Stelle würde es zu weit führen, die damit begründete Starnmrechtstheorie anhand zeitgenössischer und neuerer Stellungnahmen kritisch zu beleuchten. Zum besseren Verständnis der weiteren Ausführungen soll hier nur auf einige naheliegende Einwände hingewiesen werden. 35 Besonders anschaulich Sepp, S. 65, 66, der zur Verteidigung der Starnmrechtstheorie das Bild der fruchttragenden Milchziege heranzieht. 36 o. Fußn. 26. a1 Eccius, Gruchot 45, 11 ff.

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Wenig überzeugend ist das Argument, die Leibrente könne nach ihrer systematischen Stellung keine bloße Leistungsmodalität sein und fordere deshalb das "Stammrecht" als charakteristische Eigentümlichkeit. Die Nachbarschaft der gesetzlichen Vorschriften über Spiel und Wette (§§ 762 ff. BGB) deutet darauf hin, daß das mit der Leibrente verbundene Wagnis die gesetzessystematische Stellung bestimmt. Nicht zuletzt sprechen auch die Materialien zum BGB für diese Sicht. Die Motive38 führen zunächst den Dresdner Entwurf an, der den Leibrentenvertrag als sog. Glücksvertrag unter dem Titel "Schuldverhältnis aus gewagten Verträgen" erfasse. Der Dresdner Entwurf folge dabei dem Preußischen Allgemeinen Landrecht (ALR I 11 6. Abschnitt) und könne sich auch auf das französische Recht stützen (Code civil Art. 1964 ff.). Man wolle in systematischer Hinsicht so weit nicht gehen, weil der Begriff des "gewagten Vertrages" zu unbestimmt sei. "Für die einzelnen Verträge" enthalte der Entwurf die "geeigneten Vorschriften je besonders". An dieser Stelle nennen die Motive ausdrücklich die Leibrente sowie Spiel und Wette. Demnach ist es zwar richtig, daß das Bürgerliche Gesetzbuch nicht den gewagten Vertrag als Typus kennt39, aber gleichwohl bestimmt das Moment besonderer Wagnis die gesetzessystematische Stellung der genannten Vertragsarten. Auch die ersten literarischen Stellungnahmen spiegeln zwar noch die Diskussion um die "Rechtsnatur der Leibrente" aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs wider40, beurteilen die §§ 759-761 BGB aber ebenso, wie es gerade dargestellt wurde41 • Auch wenn insgesamt eine gewisse Unsicherheit bei der Einordnung des Leibrentenvertrages festzustellen ist42, gab es (soweit ersichtlich) keine Versuche, im Sinne des Reichsgerichts die systematische Stellung der Leibrente aus der Struktur dieses Schuldverhältnisses zu erklären. Ferner läßt sich die vom Reichsgericht angenommene mehrstufige Begründung der Leibrentenverpflichtung nicht mit § 761 BGB vereinbaren. Diese Vorschrift, die noch die Reichstagskommission eingefügt hat43, kennt nur den Vertrag, für dessen Zustandekommen ein formbedürftiges Versprechen erforderlich ist. Bei der Konstruktion des Reichsgerichts ist schon nicht klar, ob sich § 761 BGB auf die "LeibMotive II, 635. Nur insoweit ist Reifenberg, S. 23 und Stuht, S. 15, zuzustimmen. 'o Dazu Rückert, S. 5 ff. 41 Heilfron, § 79, S. 768 Fußn. l; Matthiaß, § 129, S. 635 (Kapitelüberschrift: "Aleatorische Verträge"). 42 Vgl. etwa Stuht, S. 15; ferner Dernburg, Das bürgerliche Recht II 2, 1./2. Aufl., § 201, S. 107 Fußn. 2 und dessen Beurteilung als "kaufähnliches Geschäft". 43 Kom.-Ber., S. 92. as

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rentenbestellung" oder auf die Verpflichtung hierzu bezieht44 • Das Reichsgericht geht ohne weiteres vom ersteren aus, muß dann allerdings mit recht gezwungener Begründung45 auch das Verpflichtungsgeschäft einbeziehen, um den Sinn des § 761 BGB zu wahren. Schließlich ist dieses Verständnis der Leibrente auch nicht geeignet, die vom Reichsgericht beklagten Härten zu vermeiden, die aus der drohenden Formnichtigkeit folgen. Es kann nämlich nur bei Vereinbarungen helfen, nach denen die Höhe der Bezüge veränderlich ist. Bei gleichbleibenden Bezügen wäre doch wieder mit allen Konsequenzen von der Unwirksamkeit mündlicher Versprechen auszugehen. Selbst die wohlwollende Überlegung, daß dann aber wenigstens in einem Teil der Fälle Unbilligkeiten ausgeräumt wären, hilft hier wenig weiter. Gegen sie spricht nämlich ein unübersehbarer Wertungswiderspruch. Nach den Grundsätzen des Reichsgerichts wäre die Zusage einer lebenslänglichen Rente, die sich nach den Bedürfnissen des Gläubigers erhöhen kann, formfrei möglich. Der Übereilungsschutz würde also wegfallen, obwohl hier, anders als bei gleichbleibenden Leistungen, sogar zwei Unsicherheitsfaktoren (Lebensdauer und Bedürfnisse des Gläubigers) im Spiel wären48 • Schon diese Bemerkungen zeigen, daß die reichsgerichtliche Starnmrechtstheorie nicht nur aus theoretischer, sondern auch aus pragmatischer Sicht beachtlichen Einwänden ausgesetzt ist. Ihre spätere praktische Bedeutung läßt sich daher nur vor dem Hintergrund der weiteren Entwicklung verstehen.

c) Die Ergänzung der Stammrechtstheorie des Reichsgerichts um die Isolierungstheorie Die mit der Stammrechtstheorie eingeschlagene Linie verfolgte das Reichsgericht in der Entscheidung vom 8. 5. 190847 und vom 20. 3. 191148 • Die nächste Entscheidung vom 12. 10. 191248 hat jedoch eine andere Entwicklung eingeleitet. aa) Das Urteil vom 12. 10. 1912 Das genannte Urteil betrifft ein mündliches Ruhegehaltsversprechen, in dem ein stets gleichbleibender Betrag von 1000,- Mark jährlich 44 Dazu näher Hawlitzky, S. 55 ff. •a RG (o. Fußn. 26), RGZ 67, 204, 211.

48 Vgl. aber neuerdings wieder Pecher, in: Münchener Komm.,§ 759 Rdnr. 6; dazu ausführlich u. D li 2. 47 II 538/07 -, RGZ 68, 340 ff. 48 IV 448/10 - , WarnRspr 1911, Nr. 266. 48 IV 75/12 - , RGZ 80, 208 ff.

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zugesagt worden war. Hätte man lediglich die bisherigen Grundsätze angewandt, wäre die Annahme einer Leibrente unausweichlich gewesen. § 761 BGB hätte dann zur Unwirksamkeit des mündlichen Versprechens geführt. Die Entscheidung kommt jedoch zum gegenteiligen Ergebnis, ohne ausdrücklich die bisherige Linie zu verlassen. Das Reichsgericht greift einen Gesichtspunkt auf, der bisher dazu gedient hatte, das Erfordernis gleichbleibender Einzelleistungen zu belegen. Das "Stammrecht" sollte allein durch sein Bestehen die Einzelansprüche hervorbringen und diese sollten nur mittelbar vom Rechtsgrund ihrer Entstehung abhängen50• Man war davon ausgegangen, nur das "Stammrecht" und nicht auch die Einzelansprüche könnten von Bedingungen abhängig sein und einer Gegenleistung gegenüberstehen51 • Das Urteil vom 12. 10. 1912 setzt diese Argumentation fort, bezieht sie auch zunächst nur auf die Einzelansprüche, dann aber auf die Leibrente insgesamt52. Jetzt soll schon gegen eine Leibrente sprechen, wenn das Ruhegehaltsversprechen - in der Terminologie des Reichsgerichts also das Versprechen einer "Stammrechtsbestellung"- mit einer Gegenleistung verknüpft sei. Ein Gegenleistungsverhältnis müsse aber beim Ruhegehalt bejaht werden, weil ihm- jedenfalls in ihrer Gesamtheit- die noch zu erbringenden Dienstleistungen gegenüberstünden. Das Ergebnis dieser Entscheidung lautet also, daß auch bei gleichbleibenden Bezügen unter bestimmten Voraussetzungen eine Leibrente zu verneinen sei. Dies wird für das Ruhegehalt auch noch mit einem Hinweis auf die Verkehrsanschauung unterstützt. Die geschilderte Argumentation des Reichsgerichts ist nicht leicht nachzuvollziehen. Insbesondere fügt sich nicht in die bisherige Linie ein, daß das Leibrentenversprechen selbst nicht von einer Gegenleistung abhängig sein dürfe. Auch wird nicht klar, was aus der "Wesensgleichheit von Gehalt und Ruhegehalt" herzuleiten ist. Die recht gezwungene Begründung des Urteils läßt vermuten, daß es unabhängig von dogmatischen Überlegungen ein eher rechtspolitisches Ziel verfolgt53• Man muß sich als rechtstatsächlichen Ausgangspunkt des Reichsgerichts vor Augen halten, daß in vielen Fällen insbesondere Hausangestellte über Jahre oder sogar Jahrzehnte hinweg ihre Dienstleistungen auch im Hinblick auf eine mündlich zugesagte Altersversorgung erbrachten. Es mußte als sehr unbillig erscheinen, unter Hinweis auf § 761 BGB diese Aussicht zunichte zu machen. Andererseits bestand in diesen Fällen wohl kein RG (o. Fußn. 26) RGZ 67, 204, 211. Besonders deutlich RG (o. Fußn. 48), WarnRspr 1911, Nr. 266 ; ebenso auch schon Kiesel, S. 8, 9, der allerdings Ruhegehaltsversprechen als Leibrente beurteilt (S. 16, 17); ähnlich Stuht, S. 24, 25. 52 RG (o. Fußn. 49), RGZ 80, 208, 210. 53 So schon Hawlitzky, S. 61. so

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Bedürfnis, den Versprechenden vor Übereilung zu schützen. Jedenfalls konnte es dabei schlechterdings nicht darauf ankommen, ob unveränderliche Bezüge versprochen waren oder nicht. Auch wenn das Urteil vom 12. 10. 1912 offenbar eine eher pragmatische Zielsetzung verfolgt, hat es zu einer weiteren Leibrententheorie geführt, die weit über die Stammrechtsvorstellung hinausgeht. Der Eindruck einer eher "zufälligen" Schöpfung wird nachträglich dadurch verstärkt, daß der weitere Ausbau dieser Leibrententheorie nicht durch den bislang maßgeblichen vierten Zivilsenat54 erfolgte, sondern durch den siebten Zivilsenat. bb) Das Urteil vom 19. 12. 1916 In seiner Entscheidung vom 19. 12. 191655 war der siebte Zivilsenat erstmals58 mit einer mündlichen Zusage lebenslänglicher Bezüge befaßt. Er hatte die in einem Vergleich getroffene Regelung von Schadensersatzansprüchen aus § 825 BGB zu beurteilen, die sich aus der Liaison eines angeblichen Senators mit der Klägerin ergeben hatten. Auch hier drohte die Wirksamkeit des mündlich abgeschlossenen Vergleichs an § 761 BGB zu scheitern. Der Vergleich sah gleichbleibende Bezüge vor; von einer Gegenleistung konnte nicht (mehr) die Rede sein. Es fehlten also sämtliche Ansatzpunkte, mit denen bisher die Formnichtigkeit überwunden werden konnte. Dennoch knüpft die Entscheidung an die bisherige Rechtsprechung an und folgert aus den dort entwickelten Grundsätzen, daß es sich nicht um eine Leibrente i. S. der §§ 759-761 BGB handele. Sie greift den Gedanken auf, daß die Einzelbezüge nur aus dem Rentenrecht hervorgebracht werden. Wie schon in dem soeben behandelten Urteil steht dies aber nicht mehr in dem ursprünglichen Zusammenhang mit der Unveränderlichkeit der Bezüge. Die Entscheidung vom 19. 12. 1916 folgert hieraus jedoch nicht nur, daß das Leihrentenversprechen von einer Gegenleistung unabhängig sein müsse. Darüber hinaus sei erforderlich, daß das "Rentenrecht" vom Rechtsgrund der Zahlung losgelöst sei. Dies soll hier nicht zutreffen, weil weiterhin ersichtlich sei, daß man einen aus unerlaubter Handlung hergeleiteten Schadensersatzanspruch vertraglich geregelt habe. Die Ent54

Die unmittelbar folgenden Entscheidungen des vierten Senats v. 28. 2. IV 655/

1914 - IV 626/13 - , WarnRspr 1914, Nr. 166 und vom 14. 5. 1914 13 - , WarnRspr 1914, Nr. 243 brachten keine neuen Aspekte. 55 VII 349/16 -, RGZ 89, 259.

Ge Vom siebten Zivilsenat lag zwar schon eine Entscheidung zur Leibrente vor (Urt. v. 28. 9. 1906 - VII 629/05 - , RGZ 64, 133). Sie betraf aber einen Leibrentenvertrag i. S. des preußischen Stempelsteuergesetzes. Das Urteil folgt dabei der steuerrechtliehen Praxis, wonach der Erwerb der Rente der vorherrschende Vertragszweck sein müsse. Eine Anknüpfung an das Zivilrecht wird ausdrücklich abgelehnt.

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scheidung läßt erkennen, daß eine Umschaffung des Schuldgrundes erforderlich gewesen wäre, um zu einer Leibrente zu kommen. Mit dem Stichwort "Umschaffung" hatte der siebte Zivilsenat Raum dafür geschaffen57, daß die Rechtsprechung fortan den Leibrentenvertrag als abstraktes Rechtsgeschäft beurteilte, das keinen Bezug zum Rechtsgrund des Versprechens aufweisen durfte. Das "Rentenrecht" oder das "Stammrecht" mußte "isoliert" von den sonstigen Rechtsbeziehungen begründet werden. Die somit begründete "Isolierungstheorie" 58 trat neben die Stammrechtstheorie. Die Darstellung der Rechtsprechung hat gezeigt, daß beide jedenfalls in ihrer endgültigen Ausprägung unabhängig voneinander entstanden sind. Reinhart59 beklagt also mit Recht, daß beide Theorien in der literarischen Erörterung vielfach verschliffen werden. Die Entwicklung nach dem Inkrafttreten des BGB hatte mit der Entscheidung des siebten Zivilsenats vom 19. 12. 1916 einen gewissen Abschluß gefunden. Die Rechtsprechung verfügte nun über zwei Theorien zur Leibrente, mit denen sie die Formnichtigkeit gern. den §§ 761, 125 BGB zurückdrängen konnte80 •

d) Die praktische Anwendung der Leibrententheorien durch das Reichsgericht Nach den bisherigen Ausführungen zum Zweck der Leibrententheorien kann es nicht verwundern, daß in den folgenden Entscheidungen immer wieder dieselbe Problemstellung erscheint, die schon bei ihrer Entstehung Pate gestanden hatte. aa) Die Überwindung des Formerfordernisses nach § 761 BGB Wie ein roter Faden durchzieht die Frage des Formerfordernisses nahezu alle folgenden Entscheidungen des Reichsgerichts zur Leibrente. Die Mehrzahl der Fälle61 betreffen mündliche Ruhegeldzusagen, deren 67 Reinhart, S. 260, 267, der insgesamt der reichsgerichtliehen Rechtsprechung die hier herausgearbeitete Tendenz entnimmt, unterschätzt die Bedeutung dieser Entscheidung. Nach seiner Auffassung hat sich die Lehre von der "abstrakten Natur" des Leibrentenvertrages erst später herauskristallisiert. ss So zuerst Heck, § 121 VI, S. 365. s• S. 260, 265 Fußn. 22. 60 Vgl. zu dieser Beurteilung der Isolierungstheorie schon Hawlitzky, S. 60,

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81 RG, Urt. v. 29. 11. 1918 111 277/18 - , RGZ 94, 157 ff. mit krit. Anm. Titze, JW 1919, 184; Urt. v. 8. 3. 1928 - IV 518/27 - , JW 1928, 1287, 1288; Urt. v. 29. 10. 1931 - VI 234/31 - , JW 1932, 1371, 1372 mit Anm. KreUer; ähnlich auch Urt. v. 2.10.1937- III 76/37 - , JW 1938, 370, 371; ferner RAG, Urt. v. 10. 9. 1932 - 224/32 -, RAGE 11, 331, 334.

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Wirksamkeit an § 761 BGB zu scheitern drohte. Aber auch beim Miterbenausgleich82 stellt sich ebenso wie beim Altenteilsvertrag83 immer wieder dasselbe Problem. Gleiches gilt auch für den Verkauf eines OHG-Anteils84 und den Unterhaltsvergleich65 • Sogar das Ausstattungsversprechen88 findet sich wieder, Eine pragmatische Beurteilung dieser Rechtsprechung muß anerkennen, daß sie die befürchteten Unbilligkeiten formnichtiger Rentenversprechen vermeidet. Ihr gelingt es in nahezu allen Fällen, die Anwendung des § 761 BGB auszuschließen. Eine Ausnahme bildet allerdings eine der letzten Entscheidungen, nämlich das Urteil vom 19. 3. 193687, das ausgerechnet einen Unterhaltsvertrag als formbedürftige Leibrente betrachtet. Der vierte Zivilsenat hält für ausschlaggebend, daß der Rentenverpflichtete in der zugrunde liegenden notariellen Urkunde auf alle Rechte aus einer etwaigen Veränderung der Verhältnisse für die Zukunft verzichtet hatte (vgl. § 323 ZPO). Dadurch sei die gleichbleibende Höhe der Bezüge gesichert worden. Ferner stelle deswegen der Vertrag die selbständige und alleinige Grundlage der Rentenverpflichtung dar. Der einseitige Verzicht auf die Rechte aus § 323 ZPO schafft also danach gleichzeitig das "Stammrecht" und die geforderte Novation. Diese Argumentation kann nicht überzeugen. Sie läßt außer Betracht, daß auf Seiten des Berechtigten ein erhöhtes Unterhaltsbedürfnis beachtlich bleibt. Dies dürfte der Annahme entgegenstehen, die Bezüge seien unveränderlich. Eine solche Verknüpfung läßt auch eine Novation zweifelhaft erscheinen. Es erscheint ohnehin fraglich, ob selbst bei einem beiderseitigen Verzicht den Parteien unterstellt werden kann, sie wollten einen neuen Schuldgrund schaffen. Immerhin hätte dies zur Folge, daß etwaige Sicherheiten verloren gingen. Bei näherem Zusehen läßt sich die scheinbar singuläre Entscheidung vom 19. 3. 1936 aber durchaus der allgemeinen Tendenz zuordnen, aus Billigkeitserwägungen das Formerfordernis nach § 761 BGB zurückzudrängen. Es ist nämlich zu berücksichtigen, daß das entscheidende Gericht die zugrunde liegenden Vereinbarungen über die Ehescheidung als sittenwidrig beurteilt. Dies trifft hier noch damit zusammen, daß die Rentenberechtigte letztlich nicht leer ausgeht. Als schuldlos GeRG, RG, 84 RG, 65 RG, 61 RG,

Urt. v. 8. 10. 1917- IV 228/17 -, RGZ 91, 6, 7. Urt. v. 5. 4.1922- V 591/21 -, RGZ 104, 272, 274. Urt. v. 3. 2. 1922 - VIII 720/21 -, WarnRspr 1922, Nr. 65. Urt. v. 19. 3. 1936- IV 277/35 - , RGZ 150, 385, 390. Urt. v. 2. 8.1921 - IV 17/21 -, LZ 1921, Sp. 567; Urt. v. 17.9.1925 -IV 159/25 - , RGZ 111, 286, 287. 67 (o. Fußn. 65), RGZ 150, 385, 391. 62

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4 Weiter

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schierlene kann sie auf ihre gesetzlichen Unterhaltsansprüche verwiesen werden. Damit sind ihr im Ergebnis nur die Vorteile genommen, die aus dem sittenwidrigen Moment herrühren. Es bleibt also festzuhalten, daß das Formproblem das Reichsgericht veranlaßt hat, den Anwendungsbereich der §§ 759-761 BGB generell zurückzudrängen. Aber auch wenn in Ausnahmefällen eine Leibrente angenommen worden ist, kann dies auf Überlegungen zur Formnichtigkeit zurückgeführt werden. bb) Die weitere Ausformung der Leibrententheorien Sieht man von der soeben behandelten Entscheidung ab, wird im übrigen der ursprüngliche Ansatz konsequent fortgesetzt, den Anwendungsbereich des § 761 BGB einzuengen. Da immer wieder gleichbleibende Leistungen zu beurteilen sind88, muß vor allem auf die Isolierungstheorie zurückgegriffen werden. Diese gewinnt daher immer mehr an Übergewicht. Da aber vielfach nicht ausdrücklich die Novation verlangt wird88, sondern weniger deutlich von einem unabhängigen "Grundrecht" 70 oder "Stammrecht" 71 die Rede ist, kommt dies nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck. Unschärfen ergeben sich dadurch, daß einzelne Zivilsenate erstmals mit der Leibrentenproblematik befaßt werden71 • Eine gewisse Verwässerung des theoretischen Ansatzes folgt schließlich daraus, daß das Reichsgericht immer wieder die Verkehrsanschauung heranzieht, um jeweils einen Leibrentenvertrag abzulehnen73. Alles dies trägt dazu bei, daß die Leibrententheorien in der praktischen Anwendung nicht präzisiert, sondern eher verschliffen und uneinheitlich ergänzt werden. Insbesondere tritt die Bedeutung der Isolierungstheorie nicht mehr klar hervor. Als Beispiel dafür, daß ihre Konsequenzen vermieden werden, ist das Urteil vom 20. 12. 1922n zu nen68 s. z. B. RG (o. Fußn. 62), RGZ 91, 6, 7; (o. Fußn. 66), LZ 1921, Sp. 567; (o. Fußn. 64), WarnRspr 1922, Nr. 65; (o. Fußn. 66), RGZ 111, 286, 287; (o. Fußn. 61), JW 1938, 370, 371; Urt. v. 16. 10. 1941- V 54/41 -, DR 1942, 174. 88 So aber RG (o. Fußn. 62), RGZ 91, 6, 7 und (o. Fußn. 68), DR 1942, 174. 70 RG (o. Fußn. 66), RGZ 111, 286, 287 mit krit. Anm. Blume, JW 1925, 2756. 71 RG (o. Fußn. 61), JW 1928, 1287, 1288. 72 s. z. B. RG (o. Fußn. 61), RGZ 94, 157, 159 als erste Entscheidung des dritten und (o. Fußn. 61}, JW 1932, 1371, 1372 des sechsten Senats, in denen wieder der schon überholte Gedanke zum Tragen kommt, es müsse die Unabhängigkeit von der Gegenleistung gewahrt sein. 73 RG (o. Fußn. 55), RGZ 89, 259, 262; (o. Fußn. 61), RGZ 94, 157, 159; (o. Fußn. 63), RGZ 104, 272, 273; Urt. v. 20.12.1922- V 202/22 - , RGZ 106, 93, 95 und besonders deutlich (o. Fußn. 61), JW 1938, 370, 371, wo die Revision mit Recht darauf hingewiesen hatte, daß sich für die Leistung eines Anwaltshonorars in Rentenform keine Verkehrsauffassung gebildet haben könne. 74 (o. Fußn. 73), RGZ 106, 93, 95.

III. Dogmatische Behandlung von Rentenleistungen

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nen. Diese Entscheidung betrifft eine Nießbrauchbestellung an einem Grundstück gegen lebenslängliche Rente, also eine Gestaltung, die in ihrer Grundstruktur dem typischen Immobilienverkauf auf Leibrentenbasis entspricht. Hätte man hier ein ausdrückliches abstraktes Rentenversprechen oder eine Novation gefordert, wäre ein Leibrentenvertrag wider jeden Sprachgebrauch zu verneinen gewesen. Es hätte sich in aller Deutlichkeit die Frage gestellt, ob es überhaupt praktische Anwendungsfälle der §§ 759-761 BGB geben könne75 • Das Reichsgericht findet für dieses Dilemma, das die Fragwürdigkeit des eingeschlagenen Weges anschaulich widerspiegelt, nur eine offensichtliche Verlegenheitslösung18• Weil der rechtskundige Notar, der die Verträge verfaßt hatte, auch die Voraussetzungen der Leibrente gekannt habe, sei seiner Begriffswahl zu folgen77• cc) Sonstige Auswirkungen der Leibrententheorien Um das Bild der reichsgerichtliehen Rechtsprechung abzurunden, sind schließlich noch die Auswirkungen der Leibrententheorien darzulegen, die nur mittelbar mit dem Formproblem zusammenhängen78• Schon kurz nach der grundlegenden Entscheidung des vierten Zivilsenats vom 12. 12. 190778 hat der zweite Senat80 den Gedanken des früchtetragenden Stammrechts herangezogen, um die konkursrechtliche Behandlung der Leibrente zu klären. Das Urteil nimmt an, wenn die Leibrente als eine Mehrheit einzelner durch das Leben des Berechtigten bedingter Forderungen anzusehen sei, stehe dem aufrechnungswilligen Konkursgläubiger nach § 54 Abs. 3 KO nur ein Sicherungsrecht zu. Es weist diese Vorstellung jedoch zurück und sieht sich dabei in Übereinstimmung mit der soeben getroffenen Entscheidung des vierten Senats. Unabhängig davon war allerdings auch darauf zu verweisen, daß nach der Vorstellung des historischen Gesetzgebers die lebenslängliche Rente als Anwendungsfall des § 69 KO gedacht war81 und gerade nicht als Mehrheit bedingter Forderungen behandelt werden sollte. So aber schon Blume, JW 1925, 2756. Nach Reinhart, S. 261, 271 wird die fehlende Isolierung hier unterstellt. 77 Vgl. hierzu neuerdings den dogmatischen Erklärungsversuch bei Staudinger I Amann, vor §§ 759-761 BGB Rdnr. 35: Die Isolierungstheorie habe nur Bedeutung für die Fälle, in denen nicht die historisch überlieferte Form der Leibrente vorliege, bei der dem Leibrentenversprechen eine einmalige geldwerte Gegenleistung gegenüberstehe. 78 Wegen weiterer Auswirkungen, die vor allem in der Literatur erörtert werden, vgl. Staudinger I Amann, vor §§ 759-761 BGB Rdnr. 19 (Beweislast) und 23 (Vermögensübertragung). 78 RG (o. Fußn. 26), RGZ 67, 204 ff. 80 RG, Urt. v . 8. 5. 1908 II 538107 -, RGZ 68, 340, 343. 8t Hahn, Materialien zur Konkursordnung, 269. 76 78

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B. Zivilrecht

Einen weiteren Gesichtspunkt spricht die schon erwähnte Entscheidung vom 20. 12. 192282 an. Sie greift darauf zurück, daß nach der Stammrechtsvorstellung das Leibrentenversprechen schon durch die Bestellung des Leibrentenrechts erfüllt sei83. Daraus sei zu folgern, daß § 326 BGB nicht mehr angewandt werden könne, wenn nur noch einzelne Rentenleistungen ausbleiben. In dem zu entscheidenden Fall hatte also der Nießbrauchbesteller schon mit Abschluß des (vom beurkundenden Notar so bezeichneten) Leibrentenvertrages die Gegenleistung erhalten und bereits sein Rücktrittsrecht nach § 326 BGB verloren. Die Stammrechtstheorie führte danach zu der Rechtsfolge, daß der Leihrentenberechtigte bei Verzug des Schuldners nicht mehr aufgrund eines Rücktritts seine Gegenleistung zurückfordern konnte, sondern darauf angewiesen war, auf Erfüllung und Ersatz des Verzugsschadens zu klagen. Die Entscheidung vom 20. 12. 1922 räumt selbst ein, daß dies insbesondere dann untragbar sei, wenn der Berechtigte größere Vermögenswerte aus der Hand gegeben habe, um seine Versorgung zu sichern. Sie läßt deshalb im konkreten Fall eine Kondiktion nach § 812 Abs. 1 Satz 2, 2. Altern. BGB wegen Verfehlung des Versorgungszweckes zu. Dieses Urteil mit weitgehenden Konsequenzen aus der Stammrechtstheorie ist allerdings vereinzelt geblieben84. In seinem Urteil vom 5. 1. 193386 geht der sechste Senat ohne weiteres davon aus, daß ein Grundstückskäufer erst sukzessive mit Leistung der einzelnen Rentenbeträge den Kaufvertrag erfülle. 3. Die Reclltspredlung nadl 1945

Die dargestellte Rechtsprechung des Reichsgerichts läßt immer wieder das Ziel erkennen, das Formerfordernis gemäß § 761 BGB zurückzudrängen. Allerdings fällt .es schwer, die Stammrechtstheorie und vor allem die Isolierungstheorie in den Urteilen des Reichsgerichts als widerspruchsfrei und folgerichtig zu beurteilen. Insbesondere erscheint die Behauptung von Reinhart zweifelhaft, die Isolierungstheorie besteche durch ihre logische Folgerichtigkei~8 • Angesichts dieses Befundes ist zu fragen, was sich hinter der immer wieder anzutreffenden Feststellung87 verbirgt, der Bundesgerichtshof habe die Tradition des Reichsgerichts fortgesetzt. 82 RG (o. Fußn. 73), RGZ 106, 93, 95. 83 RG (o. Fußn. 26), RGZ 67, 204, 211. 84 Vgl. aber noch HansOLG Hamburg, Urt. v. 17. 12. 1963 - 2 U 91/63, MDR 1964, 414, 415. 86 - VI 289/32- HRR 1933, Nr.1177. 8e Reinhart, S. 261, 269. 87 Reinhart, S. 261, 268; Maas, S. 26 Fußn. 5.

III. Dogmatische Behandlung von Rentenleistungen

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a) Die Fortführung der Rechtsprechung des Reichsgerichts durch den Bundesgerichtshof Die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zu Leibrenten betreffen vorwiegend die Auslegung von Wertsicherungsklauseln88 • Bei näherem Zusehen ist nur ein Urteil anzutreffen, das sich anhand einer mündlichen Vereinbarung über eine gesellschaftsrechtliche Auseinandersetzung eingehend mit den Leibrententheorien befaßt. Auch diese Entscheidung des Bundesgerichtshofs89 zur Zusage lebenslänglicher Versorgungsleistungen an einen ausscheidenden Gesellschafter führt jedoch nicht die reichsgerichtliche Rechtsprechung i. S. einer Harmonisierung uneinheitlicher Entwicklungen fort. Im Gegenteil bleibt sie hinter dem bereits erreichten Stand zurück. Während es dem Reichsgericht mit Hilfe der Leibrententheorien immer gelungen war, drohende Unbillige. keiten aus der Formnichtigkeit zu vermeiden, erreicht dies der Bundesgerichtshof nur durch zusätzliche und allzu durchsichtige Erwägungen. Dabei hatte das Berufungsgericht schon eine Argumentation vorgezeichnet, wie sie aus der reichsgerichtliehen Rechtsprechung bekannt ist. Da es sich um endgültig festgelegte Beträge handelte, hatte das Berufungsgericht nach der Abstraktheit des Versprechens gefragt. Da dieses wie üblich im Zusammenhang mit der gesamten Auseinandersetzung stand, konnte auf dieser Grundlage eine Leibrente verneint werden. Obgleich der Bundesgerichtshof mehrfach auf einschlägige Reichsgerichtsentscheidungen hinweist, greift er diesen Gedanken, der mit der dort entwickelten Isolierungstheorie zu begründen gewesen wäre, nicht auf. Zwar ist schließlich doch noch von einer Schuldumschaffung die Rede, jedoch bezieht man dies nur auf einen Sonderfall. Der Bundesgerichtshof gibt vielmehr der Revision zu, daß das für die Leibrente geforderte "einheitliche nutzbare Recht" vorliege. Mit der Ergänzung, daß dies nur äußerlich der Fall sei, wird dann allerdings eine Argumentation eingeleitet, an deren Ende die Ablehnung der Leibrenteneigenschaft steht. Der sachliche Gehalt der folgenden Darlegungen ist freilich nur schwer zu erfassen. Ausschlaggebend sollen die Verkehrsauffassung, der Sinn und Zweck des Vertrages sowie das Bedürfnis sein, den Formzwang aus § 761 BGB vernünftig zu begrenzen, den man offenbar als über:. zogen betrachtet. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs sprechen alle diese Gesichtspunkte gegen die Formbedürftigkeit und damit wohl auch gegen eine Leibrente. 88 Vgl. nur BGH, Urt. v. 7. 4. 1967 V ZR 37/65 -, WM 1967, 786; Urt. v. 7. 4.1967- V ZR 37/65 - , BB 1967, 735; Urt. v. 1. 4. 1968- II ZR 123/66 - , WM 1968, 830 = BB 1968, 853; Urt. v. 21. 1. 1971 - II ZR 153/68 - , NJW 1971, 835; Urt. v. 21. 2. 1975 - V ZR 142/73 - , WM 1975, 445 = BB 1975, 623 ; ferner Urt. v. 18. 5. 1979- V ZR 205/77 -, BB 1979, 1259. 80 Urt. v. 16. 12. 1965 II ZR 274/63 -, WM 1966, 248 = BB 1966, 305 = DB 1966, 419.

B. Zivilrecht Man tut der Entscheidung vom 16. 12. 1965 wohl nicht Unrecht, wenn man ihre letzte Passage dahin versteht, daß unabhängig von allen dogmatischen Konstruktionen unbestrittene oder bewiesene mündliche Rentenzusagen nicht an § 761 BGB scheitern dürfen, weil die ratio dieser Formvorschrift nicht anzuerkennen sei. Der Eindruck, daß den reichsgerichtliehen Leibrententheorien nur zweitrangige Bedeutung zukommt, wird noch dadurch verstärkt, daß der Bundesgerichtshof in weiteren Entscheidungen ähnliche - allerdings schriftliche - Vereinbarungen durchaus als Leibrentenvertrag beurteilt hat. Z. B. betrifft das Urteil vom 12. 4. 197390 ebenfalls die Entschädigung eines ausscheidenden Gesellschafters, in der der zweite Senat ohne weiteres eine Leibrente sieht. Bei dieser schriftlichen Abrede besteht für ihn offenbar kein Anlaß, auf die eingrenzenden Merkmale einzugehen, mit denen er sieben Jahre zuvor noch eine Leibrente abgelehnt hatte. Die "Verkehrsauffassung sowie der Sinn und Zweck des Vertrages" hätten in dem einen wie in dem anderen Fall das gleiche Ergebnis nahegelegt. Es bleibt somit nur das "Bedürfnis, den Anwendungsbereich ... des Formzwangs nach § 761 BGB vernünftig zu begrenzen" als Erklärung für die vorgenommene Differenzierung. In die gleiche Richtung deutet eine jüngere Entscheidung des Bundesgerichtshofs'1, in der die Annahme einer Leibrente gegen die Revision verteidigt wird. Zwar knüpft der dritte Senat dabei an das Urteil vom 16. 12. 1965 an. Die "Verkehrsauffassung sowie der Sinn und Zweck des Vertrags" sollen jedoch bei dieser (schriftlichen) Vereinbarung zu einem anderen Ergebnis führen. Die sehr knappe Argumentation lautet: "Es besteht jedoch kein Grund zu der Annahme, daß ... die Verkehrsauffassung in einem Vertrag der vorliegenden Art ein Leibrentenversprechen nicht erblickt". Der Bundesgerichtshof erachtet es sogar als unschädlich, daß der Vertrag neben einer Wertsicherungsklausel auch eine Bestimmung enthält, die nach Ablauf einer gewissen Zeit eine Minderung des Rentenbetrages vorsieht. Dies schlägt sich in folgendem Leitsatz nieder: "Für einen Leibrentenvertrag ist nicht erforderlich, daß die Höhe der wiederkehrenden Leistungen während der gesamten Laufzeit der Leibrente unverändert bleiben muß." In dieser Entscheidung ist von der "Isolierung" oder der "Abstraktheit" des Leibrentenversprechens keine Rede mehr. Angesichts der getroffenen Vereinbarung ("Für die Übertragung des ... Geschäftsbetriebes verpflichtet sich ... ") kann wohl nicht zweifelhaft sein, daß diese Merkmale hier nicht vorliegen. II ZR 147/71 -, WM 1973, 1176. Urt. v. 13. 3. 1980 - III ZR 179178 -, WM 1980, 593.

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111. Dogmatische Behandlung von Rentenleistungen

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Die Ansicht, der Bundesgerichtshof habe die reichsgerichtliche Rechtsprechung fortgesetzt, kann also nicht uneingeschränkt geteilt werden. Zwar ist es richtig, daß insbesondere das Urteil vom 16. 12. 1965 hieran anknüpft. Bei näherem Zusehen stellt sich jedoch heraus, daß man den dogmatischen Verästelungen nicht mehr nachgeht. Stattdessen wird bei mündlichen Vereinbarungen eine Leibrente schon deswegen verneint, um § 761 BGB nicht eingreifen zu lassen. Bei schriftlichen Vereinbarungen nimmt der Bundesgerichtshof eher großzügig eine Leibrente an, auch wenn die reichsgerichtliehen Leibrententheorien ein anderes Ergebnis nahelegen. In diesem Zusammenhang mag beachtlich sein, daß insbesondere die neuere Rechtsprechung dem Formproblem nicht mehr so große Bedeutung zumißt. In der Tat ist die mündlich versprochene Altersversorgung von Hausangestellten nicht mehr eine für unsere Epoche typische Problemstellung. b) Die Rechtsprechung zu Sonderproblemen

Der soeben getroffenen Beurteilung der Rechtsprechung läßt sich nicht entgegenhalten, es fänden sich an anderer Stelle durchaus Anknüpfungen an die reichsgerichtliehen Leibrententheorien. Man könnte dabei etwa auf mehrere Entscheidungen verweisen, nach denen das "Stammrecht" von Schadensersatzrenten nach den allgemeinen Regeln verjährt02• Hierauf wird später noch näher einzugehen sein (D. II. 4. c) cc)). An dieser Stelle soll nur noch einmal (siehe schon o. B. II. 2. a)) darauf verwiesen werden, daß sich mit der Entwicklung der Leibrententheorien immer mehr die Ansicht durchgesetzt hat, daß die gesetzlichen Schadensersatzrenten nicht als Leibrenten i. S. der §§ 759-761 BGB anzusprechen seien". Die Leibrententheorien sind auch herangezogen worden, um Besonderheiten bei der Abänderung von Leibrentenbezügen zu begründen. Als Beispiel eines besonders ausgeprägten Standpunktes kann hier auf eine Entscheidung des Landgerichts Karlsruhe94 verwiesen werden. Dort wird angenommen, daß bei einem gerichtlichen Vergleich, in dem 92 BGH, Urt. v. 12. 7. 1960, VI ZR 92159 - , VersR 1960, 949; Urt. v. 11. 7. 1972, - VI ZR 85171 -, VersR 1972, 1078, 1079; Urt. v. 3. 7.1973 - VI ZR 38/72 -, NJW 1973, 1684, 1685; Urt. v. 17.10.1978 - VI ZR 213177 NJW 1979, 268; vgl. auch Urt. v. 11. 1. 1951 - III ZR 83150 -, BGHZ 1, 35, 42 zur

währungsrechtlichen Bedeutung des "Stammrechts". 83 Eccius, Gruchot 45, 11, 19; Drahota, S. 19; Kieset, S. 16; Planck I Lobe, Kommentar zum BGB, II 2, 4. Aufl., Vorbem. III vor § 759 gegen Crome, § 251 III Fußn. 23; Simeon, § 761, S. 537; 0. v. Gierke, § 207 IV, S. 801; vgl. auch noch Enneccerus I Lehmann, Schuldrecht, § 187 III, S. 774. 94 Beschl. v. 12. 12. 1966 I T 59166 -, Die Justiz 1967, 120 f.; ferner OLG Karlsruhe, Urt. v. 6. 6.1962 - 1 U 265161 -, NJW 1962, 1774 f.; vgl. auch neuerdings BayObLG, Beschl. v. 11. 10. 1979 - BReg 2 Z 39179 - , DNotZ 1980, 94, 96.

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B. Zivilrecht

eine Leibrente vereinbart wird, keine Abänderungsklage gern. § 323 ZPO möglich sei. Die einzelnen Leibrentenzahlungen seien nämlich nicht Einzelschulden, sondern Ausläufer eines rentenerzeugenden Gesamtverhältnisses. Es handele sich um absolut bestimmte Leistungen, die von irgendwelchen Änderungen der Sachlage angeblich unberührt blieben. Ihnen liege ein abgeschlossener Tatbestand zugrunde, der sich in Zukunft nicht mehr ändern könne. Darüber hinaus wird sogar in Zweifel gezogen, daß bei der Leibrente ein Wegfall der Geschäftsgrundlage denkbar sei95• Zum Wegfall der Geschäftsgrundlage ist auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12. 4. 1973ve zu verweisen, das nur noch darauf eingeht, wer die Beweislast für den Wegfall der Geschäftsgrundlage eines Leibrentenvertrages trägt. Im übrigen dürfte es zu einer differenzierten Betrachtung führen, wenn man - anders als das Reichsgericht97 - nicht mehr in § 323 ZPO die materielle Anspruchsgrundlage für eine Abänderung der laufenden Bezüge sieht. Vom Standpunkt des Reichsgerichts lag es nahe, danach zu fragen, ob diese Bestimmung auf die Leibrente "anwendbar" sei oder nicht. Die heute einhellige Meinung98 beurteilt § 323 ZPO als gesetzliche Grundlage für die prozessuale Verwirklichung eines Änderungsanspruchs, der aus dem materiellen Recht zu begründen ist. Verlangt man für den Leibrentenvertrag eine "abstrakte Verpflichtung, die von allen persönlichen Umständen und Bedürfnissen losgelöst ist", so kann man zwar auf diesem Weg zu dem Ergebnis kommen, daß eine Abänderungsklage bei der Leibrente aus materiellen Gründen ausscheidet99 • Maßgeblich wird aber vor allem sein, ob die Vereinbarungen im konkreten Fall vom Zweck der Unterhaltssicherung oder vom vermögensrechtlichen Leistungsaustausch geprägt sind100•

05 Vgl. auch RG, Urt. v. 11. 4. 1938 V 242137 - , DJ 1938, 1561 ff., wo allerdings keine Besonderheiten aus dem Vorliegen eines Leibrentenvertrages hergeleitet werden. ee - II ZR 147171 - , WM 1973, 1176 ff. 97 Urt. v. 30. 3. 1906 Il 497105 - , RGZ 63, 119; Urt. v. 23. 3. 1933 - IV 409132 - , RGZ 140, 170. 08 Vgl. nur Stein I Jonas I Schumann I Leipold, § 323 Anm. 5; Thomas I Putzo, § 323 Anm.l. 00 So offenbar Stein I Jonas I Schumann I Leipold, § 323 Anm. 5; Baumbach I Lauterbach I Albers I Hartmann, § 323 Anm. 3 A; Rosenberg I Schwab, § 159 I,

s. 963.

100 So ausdrücklich Pecher, in Münchener Komm., § 759 BGB, Rdnr. 24; vgl. auch schon RG, Urt. v. 19. 9. 1940 - V 37140 - , WarnRspr 1941, Nr. 89; Urt. v. 30. 6. 1932 - VIII 146132 - , LZ 1932, 1423.

IV. Vertragspraxis

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IV. Vertragspraxis Angesichts der geschilderten schwer zu durchschauenden Dogmatik des Leibrentenvertrages fragt man sich, in welcher Form diese theoretische Grundlage die Vertragspraxis prägt. Immerhin kann nach den Leibrententheorien die Vertragsgestaltung ihrerseits erhebliche praktische Auswirkungen haben. 1. Die wirtsdlaftlidle Bedeutung des Leibrentenvertrags

Auf den ersten Blick mag es naheliegen, die soeben angesprochene Fragestellung mit dem Hinweis zu bedenken, der Leibrentenvertrag führe ohnehin ein Schattendasein und schon deshalb bleibe das theoretische Verständnis der Leibrente weitgehend praktisch bedeutungslos. Nicht zuletzt könnte man hierzu auch die vorher getroffene Feststellung anführen, daß in den letzten Jahrzehnten die einstmals lebhafte Diskussion um die Leibrente fast zum Erliegen gekommen ist. Bei näherem Zusehen ergeben sich jedoch Zweifel, ob diese Einschätzung zutreffend ist oder ob man die Zusammenhänge nicht differenzierter beurteilen muß. Nach einer Schätzung von Reinhart101 werden jährlich 50 000 Leibrentenverträge abgeschlossen. Allerdings sind die Prämissen dieser Hochrechnung angreifbar. Reinhart geht davon aus, daß die Deutsche Bundesbank im Jahre 1970 in 10 000 Fällen Wertsicherungsklauseln in Leibrentenverträgen genehmigt habe. Er nimmt ferner an, daß doppelt so viele Verträge mit genehmigungsfreier Indexierung und noch einmal die gleiche Anzahl ohne eine Wertsicherung geschlossen werden. In den zugrunde liegenden 10 000 Fällen handelt es sich allerdings nach den herangezogenen statistischen Angaben nur um längerfristige und nicht um lebenslängliche Leistungen. Die Statistik über die Genehmigungspraxis der Bundesbank gibt aber ohnehin keinen Aufschluß über die Häufigkeit der Leibrente, weil schon bei der Erfassung nur zwischen einzelnen "Vertragsarten" differenziert wird und deshalb die Leibrente i. d. R. als "Kaufvertrag" erscheint. Anzuführen ist aus diesem Zusammenhang allenfalls der Umstand, daß bei wiederkehrenden Leistungen auf Lebenszeit des Empfängers nach den einschlägigen Richtlinien Wertsicherungsklauseln genehmigungsfähig sind102• Abgesehen davon, daß schon allein diese Richtlinien für eine gewisse wirtschaftliche Bedeutung des Leibrentenvertrages sprechen103, lassen sie einen 101

Reinhart, S. 261.

Mitteilungen der Deutschen Bundesbank, DNotZ 1978, 450, Nr. 3 a aa und b aa; vgl. ferner Dürkes, Wertsicherungsklauseln, C 22, S. 65 f., D 273 ff., s. 306 f. toa Vgl. auch Meyer I Richter, StBp 1969, 29. 102

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Gesichtspunkt hervortreten, der auch heute noch vielfach die Überlegungen bei der Veräußerung hochwertiger Wirtschaftsgüter bestimmen dürfte. Die Verrentung bietet nämlich gegenüber der einmaligen Entgeltleistung den Vorteil, daß die lebenslängliche Versorgung durch Wertsicherungsklauseln an Sachwerte gebunden werden kann. Nach den einschlägigen deutschen Erfahrungen mit der Geldwertstabilität spricht einiges dafür, daß die Leibrente nicht selten aus diesem Grund als Form der Entgeltleistung gefordert wird. Auf der anderen Seite ist nicht zu übersehen, daß vor allem bei dem Erwerb von Immobilien von interessierten Käufern die "Abwicklung auf Rentenbasis" gewünscht wird. Neben der stillen Hoffnung, unter "glücklichen" Umständen das Objekt für wenig Geld erwerben zu können, wird vor allem der Vorzug ausschlaggebend sein, die Finanzierung des Kaufpreises durch ein Kreditinstitut umgehen zu können104. Nach der Auskunft eines erfahrenen Maklers ist die darauf gegründete Nachfrage nach "Häusern auf Leibrentenbasis" gegenwärtig kaum zu befriedigen. Immerhin könne man je nach den örtlichen Verhältnissen von einem ein- bis dreiprozentigen Anteil an den Immobilienverkäufen ausgehen. Weitere Aufschlüsse über die praktische Bedeutung von Leibrentenverträgen lassen sich auch anhand der literarischen Hilfestellungen für die Vertragspraxis gewinnen. In Heft 37 der Heidelberger Musterverträge106 wird ausschließlich die "Verrentung" von Kaufpreisansprüchen behandeWoe. Daneben finden sich auch Erläuterungen zum Rentenvermächtnis107. Vereinzelt sind auch Hinweise zur Rentenschenkung anzutreffen108. Ein besonders aufschlußreiches Bild der Praxis spiegeln allerdings steuerrechtlich orientierte Leitfäden wider. Aus Gründen, die noch näher zu behandeln sind, müssen wegen der einkommensteuerliehen Auswirkungen Verträge über lebenslängliche Leistungen besonders sorgfältig gestaltet werden. Weil hiervon die rechtsberatende Praxis in zunehmendem Maße betroffen sei'09, hat Fetsch insbesondere für die notarielle Tätigkeit die zivilrechtliehen und steuerrechtliehen Probleme zusammengestellt. Ferner dürfte es für sich sprechen, daß die Zahl der nur steuerrechtlich orientierten Leitfäden mittlerweile kaum noch über10' Vgl. auch Staudinger I Amann, vor§ 759-761 BGB Rdnr. 3. 105 Haegele I PetzoZdt, Geschäfts- und Grundstücksveräußerung auf Rentenbasis. 101 Vgl. ferner Kersten I BühZing I Appell I KanzZeitner, S. 273 ff.; Knur, in: Form. Komm., S. 892, Form. 4. 620. 107 Graf zu Castell, in: Beck'sches Formularbuch zum Bürgerlichen, Handels- und Wirtschaftsrecht, VI 4, S. 639 f.; Wurm I Wagner I Zartmann, Kap.

68 V 4, S. 663. tos Wurm I Wagner I Zartmann, Kap. 23 II, S. 204. toP Fetsch, Vorwort.

IV. Vertragspraxis

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schaubar ist. Auf ihren Inhalt und die rechtlichen Gründe des zugrunde liegenden Informationsbedürfnisses wird noch näher einzugehen sein. Aus rechtstatsächlicher Sicht kann jedoch schon festgehalten werden, daß insbesondere bei der Betriebs- oder Praxisveräußerung Rentenvereinbarungen häufig oder gar "besonders häufig" 110 anzutreffen sind. Unter nahen Verwandten ist die Betriebs- oder Praxisübergabe auf "Rentenbasis" offenbar sogar die Regel. Die wirtschaftlichen Gründe für diese Vertragsgestaltung liegen auf der Hand. Der Veräußerer kann mit der Aufgabe seiner Erwerbstätigkeit seine Altersversorgung durch das betrieblich gebundene Vermögen sicherstellen111 • Für denjenigen, der den Betrieb oder die Praxis übernimmt, ergibt sich der Vorzug, insbesondere in der Übergangsphase nicht mit einer Liquiditätseinbuße oder einer Fremdfinanzierung belastet zu sein. Vor allem der Blick in die Praxis der steuerlichen Rechtsberatung zeigt also, daß die Leibrente keineswegs das Schattendasein führt, das man aufgrund der spärlichen zivilrechtliehen Behandlung vermuten könnte112• Ferner konnte schon angedeutet werden, wie sehr sich die dogmatische Ausformung des Leibrentenvertrages vom Zivilrecht ins Steuerrecht verlagert hat. 2. Zur Vertragsgestaltung a)

Die Bedeutung der Leibrententheorien in der KauteZarpraxis

Die Ausführungen zur praktischen Bedeutung des Leibrentenvertrages führen zu der Frage, wie sich die Leibrententheorien in der Vertragsgestaltung niederschlagen. Dabei auftretende Schwierigkeiten müßten doch eigentlich, so vermutet man weiter, die Diskussion um den Leibrentenvertrag immer wieder beleben. Da dies offensichtlich nicht der Fall ist, erscheint die praktische Bedeutung des Leibrentenvertrages doch wieder zweifelhaft. Andererseits erwecken die Anleitungen für die Vertragsgestaltung den Eindruck, daß man die Leibrententheorien ignoriert. Man findet viele Hinweise auf die versicherungsmathematische Ermittlung angemessener Rentenbeträge113• Auch die Wertsicherung der Rentenleistungen wird eingehend behandelt114. Vergebens sucht man nach Formulierungshilfen oder ErläuterunSo Mittelbach, Rdnr. 154 für die Leibrente; vgl. dort auch Rdnrn. 743 ff. Nach Mittelbach, Rdnr. 907 empfehlen die Spitzenverbände der einzelnen freien Berufe aus diesem Grund die Praxisveräußerung auf "Rentenbasis". 112 Ebenso Staudinger I Amann, vor § 759-761 BGB Rdnr. 3. 110

111

113 Kersten I Bühling /Appell I Kanzleitner, S. 273 f .; Haegele I Petzoldt, S. 24 ff.; eingehend hierzu Schneider I Schlund I Haas, S. 13 ff.

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B. Zivilrecht

gen, die sich auf die Leibrententheorien beziehen und mit denen ihrem Gehalt Rechnung getragen werden soll. Regelmäßig ist von der Bestellung eines "Stammrechts" ebensowenig die Rede wie von dem notwendig abstrakten Charakter eines Leibrentenvertrages115• Wenn man sich vor Augen hält, daß die Leibrententheorien vornehmlich der Lösung des Formproblems dienen, erscheint es allerdings durchaus plausibel, daß die Vertragspraxis hierauf keine Rücksicht nehmen muß. Sobald man den schriftlichen Vertragsschluß als selbstverständlich voraussetzt, kann man aus dem Blickwinkel des Formproblems die Abgrenzung der Leibrente zu sonstigen lebenslänglichen Leistungen vernachlässigen. Immerhin haben sich die Leibrententheorien aber auch in anderer Hinsicht ausgewirkt. Als sehr bedeutsam für die Vertragspraxis ist insbesondere die Möglichkeit eines Rücktritts hervorzuheben. Der von der Rechtsprechung entwickelte Ausschluß des Rücktrittsrechts beim Leibrentenvertrag sollte es eigentlich nahelegen, je nach dem Willen der Parteien einen Leibrentenvertrag oder sonstige lebenslängliche Leistungen anzustreben. Gerade diese Fragestellung kann bei näherem Zusehen aber als Beispiel dafür dienen, in welcher Weise die Vertragspraxis die Auswirkungen der Leibrententheorien vermeiden kann. b) Das besondere Sicherungsbedürfni s bei der Leibrente

Für den Veräußerer bietet die Entscheidung für die Leibrente vor allem den Vorteil, daß er höhere laufende Bezüge erhält als wenn er eine einmalige Kaufpreissumme langfristig anlegen würde. Zwar mag die dabei zu erzielende Rendite regelmäßig über der Verzinsung liegen, die üblicherweise bei der "Verrentung" zugrunde gelegt wird116• Zu diesem Zinsanteil kommt jedoch ein Kapitalanteil hinzu, der sich aus der versicherungsmathematischen Verteilung des Kapitalbetrages auf die noch zu erwartenden Lebensjahre ergibt117• Bei einer einmalig zu zahlenden Summe würde es sich dagegen verbieten, die laufenden Bezüge durch einen Kapitalverzehr zu erhöhen. Es ergäbe sich nämlich 114 Kersten I Bühling I AppeLl I Kanzteitner, S . 901; Haegete I Petzotdt, S. 14 ff.; Graf zu CasteH, in : Beck'sches Formularbuch zum Bürgerlichen, Handels- und Wirtschaftsrecht, S. 562; Knur, in: Form. Komm., S. 892 ff., Form. 4. 620; Dürkes, Wertsicherungsklauseln, D 44 ff. und 263 ff. 115 Kersten I Bühling I AppeH I Kanzteitner, S. 900, gehen im Rahmen des Unterhaltsvertrages auf die Abgrenzung zur Leibrente ein, ohne die Leibrententheorien zu erwähnen. 118 5-5112% nach Haegete I Petzoldt, S. 27; s. auch § 13 Abs. 1 BewG; bei Schneider I Sehtund I Haas, S. 19 wird jedoch mit Recht eine Orientierung am Kapitalmarkt empfohlen. 117 Dazu aus versicherungsmathematischer Sicht Apel, NeumannsZ, 692 und 807 sowie Hagedorn, NB 1953, 31, 32, ferner Piccard, S. 19 ff.

IV. Vertragspraxis

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bei abnehmendem Kapital ein immer geringerer Ertrag, der schließlich bei überdurchschnittlicher Lebensdauer des Verkäufers noch zu dessen Lebenszeit gänzlich versiegen würde. Bei der Vereinbarung einer Leibrente kann dagegen der Verkäufer ohne diese Sorge auf ein möglichst langes Leben hoffen, das ihm bei der Leibrente ohnehin "zusätzliche Leistungen" bringt. Den soeben geschilderten Vorzügen einer "Verrentung" steht freilich der Nachteil gegenüber, daß die Altersversorgung ohne weitere Vorkehrungen zwar theoretisch gesichert ist, aber praktisch von der Leistungsfähigkeit und -Willigkeit des Schuldners abhängt. Läßt man hier mit der reichsgerichtliehen Rechtsprechung das Recht zum Rücktritt außer Betracht, kann es sich z. B. anbieten, die Leibrente durch die Bestellung eines dinglichen Rechts an dem verkauften Grundstück abzusichern. Selbst dabei ergeben sich aber für den Rentenempfänger, der auf seine Altersversorgung angewiesen ist, untragbare Risiken. Die gebräuchliche Bestellung einer Reallast118 führt nämlich im Fall der Zwangsversteigerung nur zu einer fragwürdigen Sicherung. Gern. §§ 92, 121 ZVG ist aus dem Versteigerungserlös ein Deckungskapital zu bilden, das an die Stelle des Sicherungsgutes tritt. Maßgebend ist dabei die durchschnittliche Lebenserwartung des Berechtigten, allerdings kann das Deckungskapital höchstens auf den fünfundzwanzigfachen Betrag der Jahresleistung lauten (§ 121 Abs. 1 ZVG). Aus diesem verzinslich angelegten (§ 121 Abs. 2 ZVG) Deckungskapital erhält der Berechtigte die Erträge und die jeweiligen Kapitalanteile. Hat er seine durchschnittliche Lebensdauer erreicht oder ist der Zeitraum von fünfundzwanzig Jahren verstrichen, werden die Zahlungen eingestellt. Der Leibrentenempfänger muß also von vornherein damit rechnen, trotz der dinglichen Absicherung im hohen Alter mittellos gestellt zu sein. Wenig hilfreich ist für ihn sicherlich die eher sarkastische Bemerkung von Ripfel 119 , für den Rentenberechtigten, der mit dem Schwinden des Deckungskapitals das Erlöschen der Rente näherrücken sieht, dürfte diese Aussicht nicht geeignet sein, sein Leben zu verlängern. Im übrigen gehen mit der Bildung des Deckungskapitals auch die Vorteile einer Wertsicherungsklausel weitgehend verloren, weil fortan nur noch der Geldwert die Höhe der Leistungen bestimmt120 •

ua Vgl. Hagena, in: Münchener Vertragshandbuch, Bd. 4, VI 55. Die Rentenschuld gern. §§ 1199 ff. BGB gibt nicht die Möglichkeit, eine Wertsiche• rungsklausel dinglich abzusichern ; dazu Pecher, in: Münchener Komm., § 759 BGB Rdnr. 30 m. w. Nachw. m DNotZ 1969, 84, 86. t2o Ripfel, DNotZ 1969, 84, 86.

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B. Zivilrecht c) Die Oberwindung der Stammrechtstheorie durch die KauteZarpraxis

Bei näherem Zusehen trägt die Kautelarpraxis durchaus der Erkenntnis Rechnung, daß der Leibrentenberechtigte mit der Bestellung einer Reallast nicht ausreichend gesichert ist. Es findet sich etwa der Vorschlag, dem Berechtigten die Befugnis einzuräumen, z. B. bei dreimonatigem Rückstand (also wohl ohne Fristsetzung!) den Kapitalwert der noch ausstehenden Rente zu verlangen121 • Dieser Anspruch wird durch eine Höchstbetragshypothek gesichertm. Damit behält sich der Verkäufer vor, bei Zahlungsschwierigkeiten nachträglich auf die Zahlung einer einmaligen Kaufpreissumme umzuschwenken. Noch weiter geht die Anregung, ein "Rückübertragungsrecht" für den Fall einzuräumen, daß ein Leistungsrückstand (!) von einem Monat oder länger besteht123• Dabei ist eine wirksame Sicherung mittels einer Vormerkung nach§ 883 BGB möglich, die durch den Tod des Verkäufers auflösend bedingt ist. Die Position des Berechtigten kann sogar noch dadurch gestärkt werden, daß er bei der Rückübertragung die bereits empfangenen Rentenleistungen teilweise oder sogar ganz einbehalten kann. Um Verkäufer schwer zu vermittelnder Objekte für eine "Verrentung" zu gewinnen, werden von Maklerseite sogar Vertragsgestaltungen vorgeschlagen, die den Verfall nicht nur auf sämtliche Rentenleistungen, sondem sogar in zeitlicher Abstufung auf die einmalige Anzahlung von ca. 20 Ofo des Gesamtkaufpreises beziehen. Der Rentenschuldner mag damit für den Fall seiner Säumigkeit hart angefaßt werden. Auf der anderen Seite ist durchaus verständlich, daß der Verkäufer nur unter diesen Voraussetzungen auf die einmalige Kaufpreisleistung verzichtet und dem Käufer seine Altersversorgung anvertraut. V. Zusammenfassung

Auch wenn bisher nicht mehr als ein Überblick über die zivilrechtliehe Behandlung wiederkehrender Bezüge gegeben werden konnte, lassen sich doch schon einige Erkenntnisse formulieren. Sowohl in der gesetzlichen Regelung als auch in der dogmatischen Aufarbeitung und der Vertragspraxis nimmt die Leibrente innerhalb der wiederkehrenden Bezüge eine Sonderstellung ein. Darüber hinaus fällt es schwer, die genannten drei Bereiche zu einem geschlossenen Bild zusammenzufügen. Während im Sprachgebrauch des Gesetzes der Begriff "Rente" 121

122 123

Knur, in: Form. Komm., S. 896, Form. 4.620 Fußn. 4. Kersten I Bühling I Appell I Kanzleitner, S. 274. Haegele I Petzoldt, S. 35 Fußn. 15.

V. Zusammenfassung

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sehr undüferenziert verwandt wird, versucht die Dogmatik insbesondere dadurch einen spezifischen Begriffsinhalt zu prägen, daß die Rente gegenüber dem Zins abgegrenzt wird. Aber auch nur eine Betrachtung der Rechtsprechung läßt uneinheitliche Entwicklungen erkennen. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts hat bald nach lokrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches zeitgenössische Strömungen zur Dogmatik des Leibrentenvertrages aufgenommen. Es hat diese dann aber bald in schwer zu durchschauender Weise zu zwei Leibrententheorien entwickelt, die vornehmlich darauf abzielen, das Formerfordernis nach § 761 BGB zu vermeiden. Während die reichsgerichtliche Rechtsprechung zu diesem Zweck ein immer komplizierteres begriffliches Gebäude errichtet hat, ist in den wenigen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs eine eher pragmatische Haltung erkennbar. Zwar wird die reichsgerichtliche Rechtsprechung mit ihren Leibrententheorien wiedergegeben. Schließlich stehen aber doch kaum verhüllte Billigkeitserwägungen zur Formnichtigkeit im Vordergrund. Die Vertragspraxis muß auf das Formproblem ohnehin nur wenig Rücksicht nehmen. Sonstige Auswirkungen der Leibrententheorien (z. B. der Ausschluß des Rücktrittsrechts) werden durch besondere Vertragsgestaltungen weitgehend vermieden. Alles in allem entsteht für das Zivilrecht der Eindruck, daß die reichsgerichtliche Rechtsprechung zwar immer wieder angeführt wird, aber bei näherem Zusehen die gerichtliche und rechtsberatende Praxis in eher geringem Maße beeinflußt. Hierauf mag auch zurückzuführen sein, daß vor allem in jüngerer Zeit die Leibrententheorien weitgehend von Kritik verschont geblieben sind. Das soeben umrissene Bild der zivilrechtliehen Lage bedürfte an sich noch weiterer Ergänzung und Differenzierung. Insbesondere müßten den bislang vernachlässigten Stellungnahmen nachgegangen werden, die sich aus der zeitgenössischen Wissenschaft kritisch mit der reichsgerichtlichen Rechtsprechung auseinandergesetzt haben. An dieser Stelle soll jedoch die Erörterung der zivilrechtliehen Problematik zunächst abgebrochen werden. Es erscheint angebracht, zunächst den Zusammenhang mit den steuerrechtliehen Fragestellungen herzustellen. Dabei wird sich zeigen, an welchen Punkten die angestrebte rechtsvergleichende Betrachtung ansetzen kann und welche der angesprochenen Probleme aus diesem Blickwinkel zu vertiefen sind.

C. Steuerrecht I. Allgemeine Bemerkungen

Für das Zivilrecht war festzustellen, daß sich die aktuelle Diskussion nur am Rande mit der rechtlichen Behandlung von wiederkehrenden Leistungen befaßt. Schon ein erster Blick auf das Steuerrecht ergibt ein völlig anderes Bild. 1. Zur praktischen Bedeutung der Themenstellung

Der Steuerrechtier verbindet mit den Stichworten "wiederkehrende Bezüge" oder "Rente" eine ungewöhnliche Fülle schwieriger und lebhaft diskutierter Fragestellungen. Für eine Vielzahl von Steuerarten knüpfen sich an eine "Verrentung" sonst einmaliger Leistungen schwer zu überschauende steuerliche Folgen. Sie müssen bei der steuerrechtliehen Beratung sorgfältig herausgearbeitet werden, um unerwartete schwerwiegende Nachteile zu vermeiden. Andererseits ergeben sich in dieser Lage auch vielfältige Möglichkeiten bewußter Steuerplanung1 • Nimmt man etwa eine Betriebsübergabe auf Rentenbasis als Beispiel, bieten sich insbesondere unter nahen Verwandten wirtschaftlich durchaus ähnliche Gestaltungsmöglichkeiten, an die sich allerdings unterschiedliche steuerliche Belastungen knüpfen. Im Verhältnis zur einmaligen Entgeltzahlung können sich dabei Nachteile, aber auch beachtliche steuerliche Vorteile ergeben. Wer hier als Berater unerwartete Belastungen vermeiden oder alle Möglichkeiten der Steuerersparnis ausschöpfen will, muß sich allerdings durch einen Irrgarten von privaten oder betrieblichen, zeitlich begrenzten oder lebenslänglichen Veräußerungsrenten, Versorgungsrenten, Unterhaltsrenten, dauernden Lasten, Kaufpreisraten, sonstigen wiederkehrenden Bezügen und verschiedenen Optionen hindurchfinden, um für den jeweiligen Einzelfall die steuerlich günstigste Gestaltung vorschlagen zu können. Wenig hilfreich ist dabei auch der steuerrechtlich geschulte gesunde Menschenverstand. Aufgrund verschlungener und undurchsichtiger Entwicklungen haben sich Abgrenzungskriterien herausgebildet, die in ihrer endgültigen Gestalt nicht mehr einsichtig und nicht selten sogar wider1 Dazu allgemein Flick, Steuer-Kongreß-Report 1964, 83 ff.; speziell zur "Steuergestaltung" mittels Renten, Arlt, Steuer-Kongreß-Report 1969, 115 ff.

I. Allgemeine Bemerkungen

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sinnig sind. In dieser Lage soll eine kaum noch zu überschauende Flut literarischer Hilfestellungen2 einen Weg durch den Irrgarten weisen, der mit fortschreitender Entwicklung immer unübersichtlicher wird. Eineneuere Anleitung zur Übertragung von Mitunternehmeranteilen auf Angehörige gegen Leibrente3 ist bezeichnend für die Lage dieses Rechtsgebiets. Angesichts des dort vorgestellten komplizierten und formelreichen "Optimierungsverfahrens" der Steuergestaltung erscheint die Frage nach dem Gerechtigkeitsgehalt der zugrunde liegenden Regelung allzu schlicht und für den vorrangig angesprochenen Betriebswirtschaftler wohl auch einfältig juristisch. Fragwürdige rechtliche Differenzierungen erscheinen hier nur noch als seltsam geknickte und sich kreuzende Kurven zwischen den Koordinaten "kapitalisierte Steuerentlastung" und "tatsächlich erwartete Lebensdauer q" des Rentenberechtigten. 2. Zum juristisdlen Stellenwert des Themas

Der soeben für die Betriebsübertragung auf Rentenbasis vorgestellte Befund darf allerdings nicht den Eindruck erwecken, als ob rechtliche Erwägungen hinter betriebswirtschaftlicher Detailarbeit zurücktreten könnten. Die steuerliche Behandlung wiederkehrender Bezüge hat insbesondere in der jüngeren Vergangenheit mit gutem Grund den Gegenstand einer vehement geführten steuerrechtliehen Diskussion gebildet, die von judikatorischen und legislatorischen Lösungsversuchen eher angefacht als besänftigt wurde. Ohne schon zu weit vorzugreüen, sollen zum besseren Verständnis nur drei wichtige Gesichtspunkte herausgestellt werden, die dem Problem der wiederkehrenden Leistungen einen besonderen juristischen Stellenwert verleihen. a) Besondere Anforderungen an die Rechtssicherheit

Die steuerliche Behandlung wiederkehrender Bezüge stellt besonders hohe Anforderungen an das steuerliche Rechtssystem. Bei der Vertragsgestaltung müssen sich die Parteien im Hinblick auf einen langen 1 Vgl. nur Fetsch, Rentenvereinbarungen und ihre steuerlichen Folgen; Jansen I Wrede, Renten, Raten, Dauernde Lasten; Kanaplei, Renten im Einkommensteuerrecht; Kapp I Grune, Die Besteuerung von Renten; Richter, Handbuch der Rentenbesteuerung; Sauerland I Wendt I Schmidt I Schulz, Rentenbesteuerung; Troll, Renten und Nießbrauch im Steuerrecht; Fella, BB Beilage Nr. 711974; ders., StW 1977, 81 ff.; Fichtelmann, NSt 1978179, Renten Darstellung 1; Hild, StLex 3, 22, 1ff.; Jansen, NWB Fach ;3c, S.2437ff.;Krah, BB 1961, 1370 ff.; Meyer I Richter, DStR 1969, 172 ff., 207 ff., 234 ff., 268 ff., 301 ff.; MilthHng, NJW 1968, 1985 ff.; Schmidt, StBp 1968, 193 ff., J. Theis, DB Beilage Nr. 1111956; ders., DB Beilage Nr. 1311962; J. und W. Theis, DB Beilage Nr. 1511966; Winnerl, NWB, Fach 3, S. 4743 ff. 3 Schult, DB 1981, 5 ff.

5 Weiter

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C. Steuerrecht

Zeitraum darauf verlassen können, daß die zu erbringenden Leistungen bestimmte steuerliche Rechtsfolgen auslösen. Weil der Verpflichtete und der Berechtigte häufig einkommensteuerlich unterschiedlich belastet sind, hängt die Ausgewogenheit der vertraglichen Leistungen davon ab, ob die angenommenen einkommensteuerliehen Auswirkungen während der u. U. sehr langfristigen Vertragsabwicklung auch wirklich eintreten. Aus der Sicht des Berechtigten bedeutet dies, daß der Wert seiner lebenslänglichen Versorgung durch die steuerlichen Folgen beeinflußt wird. Es werden also hohe Ansprüche an die Rechtssicherheit' und die Vorhersehbarkeit der einkommensteuerrechtlichen Beurteilung von Rentenvereinbarungen gestellt. Nicht zuletzt erklärt sich hieraus der ungewöhnliche Eifer der literarischen Diskussionen, die die schwankende Entwicklung sowohl der Gesetzgebung als auch der Rechtsprechung in den letzten Jahrzehnten begleitet haben. b) Der Zusammenhang mit ungeklärten steuerrechtliehen Grundfragen

Zum zweiten muß man sich vergegenwärtigen, daß auch in scheinbar schlichten Fällen, in denen ein Steuerpflichtiger einem anderen Steuerpflichtigen wiederkehrende Leistungen verspricht, einkommensteuerliehe und auch erbschaftsteuerliche Grundfragen angesprochen werden. Wenn z. B. ein Vater seinem Sohn für dessen weitere Ausbildung'~ oder anläßlich der Eheschließung für einen längeren Zeitraum periodisch wiederkehrende Zahlungen zusagt, so fordert dieser Sachverhalt seit jeher zu prinzipiellen Debatten um die Einkommenbesteuerung heraus. Die diskutierten Fragen lauten etwa: Bezieht der Sohn steuerpflichtige Einkünfte? Mindern die Leistungen das zu versteuernde Einkommen des Vaters? Kommt es darauf an, "wie fest" die Unterstützung versprochen wird und ist gar notarielle Beurkundung erforderlich? Ist es entscheidend, ob die Leistungen für einen Zeitraum von fünf, zehn oder fünfzehn Jahren versprochen werden? Wirken sich die Zahlungen nur aus, wenn nicht "verdeckte Unterhaltsleistungen" vorliegen, wenn also der Vater nicht lediglich seine Unterhaltspflicht erfüllt? Ist der Fall anders zu entscheiden, wenn der Vater seine Unterstützung durch die Bestellung eines Nießbrauchs gewährt? Kommt es hier wiederum darauf an, ob der Nießbrauch an einem Wertpapierdepot oder einem Mietshaus bestellt wird? In welcher Weise und mit welcher Begründung ändert sich die rechtliche Beurteilung, wenn nicht der Vater, sondern ' Dazu Hartz, StbJb 1965/66, 75 ff.; Meilicke, StbJb 1963/64, 346, 354; zum Problem der Rückwirkung bei Rechtsprechungsänderungen Weisensee, StuW 1961, Sp. 17ff.; Hippe, DStR 1965, 556 ff.; Selmer, Steuer-Kongreß-Report 1974, 83, 118 ff.; H. W. Arndt, S. 53 ff.; Tipke, Rechtsfortbildung, S. 57. 5 RFH, Urt. v. 18.4.1923 III A 129/23 -, RStBl. 1923, 278, 279; Urt. v. 19. 6. 1923- IV eA 26/23 -, RStBl. 1924, 36.

I. Allgemeine Bemerkungen

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eine Tante oder gar ein nicht verwandter Gönner die Unterstützung verspricht? In welcher Form und zu welchem Zeitpunkt wird eine Verpflichtung zur Zahlung von Schenkungsteuer ausgelöst? Fallen Schenkung- und Einkommensteuer nebeneinander an oder können sie in irgendeiner Weise gegeneinander verrechnet werden? Welche Voraussetzungen sind zu erfüllen, damit es sich um Leistungen handelt, die nicht auf freiwillig begründeter Rechtspflicht beruhen6 ? Wie ist eine Gegenleistung zu berücksichtigen, zu der sich der Berechtigte verpflichtet? Kommt es dabei darauf an, ob die wiederkehrenden Leistungen während eines bestimmten Zeitraums oder auf Lebenszeit zu erbringen sind? Muß zwischen Leistungen in gleichbleibender Höhe und solchen unterschieden werden, die sich nach den Bedürfnissen des Berechtigten oder der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten richten? Diese Fragen, die fast alle schon seit Jahrzehnten diskutiert werden, hat der Gesetzgeber nicht eindeutig beantwortet; zum Teil hat er sie und weitere Fragen sogar selbst erst veranlaßt. Hier war und ist also eine besonders anspruchsvolle Form der Gesetzesauslegung gefordert, in die alle systembildenden Kräfte juristischer Methodik einfließen sollten. Dies hätte allerdings vorausgesetzt, daß das Steuerrecht innerhalb der Rechtswissenschaft einen höheren Rang einnimmt als dies bis heute noch der Fall ist7• Auch dann wäre freilich noch zweifelhaft geblieben, ob es hätte gelingen können, wiederkehrende Leistungen de lege lata widerspruchsfrei in eine steuerrechtliche Systematik einzugliedern. So aber ist es nicht verwunderlich, wenn das Wort von der Überkomplizierung des Steuerrechts8 in besonderem Maße für dieses Rechtsgebiet zutrifft'. Wenn in Fachpublikationen schon eine sarkastische Haltung gegenüber der Undurchschaubarkeit des Steuerrechts zum Ausdruck kommt, mag es kein Zufall sein, daß der Autor als Kenner der Rentenbesteuerung giJtl0 • In der Tat ist allein die Rechtspre8 Diese besonders merkwürdige Fragestellung hat sich erst durch das Dritte Steuerreformgesetz vom 5. 8. 1974 ergeben, dazu näher u. C. IV. 4. 7 Zum wissenschaftlichen Defizit des Steuerrechts Weber-Fas, S. 22; Tipke, Festschr. Wacke, S. 211 ff.; v. Arnim, StuW 1977, 252, 254; v. Wanis, JbFfSt 1974/75, 31, 41. 8 BVerfG, Beschl. v. 15. 3. 1967 1 BvR 575/62 - BVerfGE 21, 227, 235; Gaddum, Die Zeit v. 14. 6. 1978, 20; Tipke, Steuerrecht- Chaos, Konglomerat oder System?, StuW 1971, 2 ff.; Koch, JbFfSt 1978/79, 17, 24; ders., DStR 1978, 303; Vogel, StuW 1980, 206; vgl. auch schon Hartz, Steuer-KongreßReport 1964, 98, 106 ff. 0 Arlt, Steuer-Kongreß-Report 1969, 115, 116: "Buch mit sieben Siegeln"; Heister, Steuer-Kongreß-Report 1969, 457: "(einer) der schwierigsten Problemhereiche des Einkommensteuerrechts"; ähnlich auch Leykum, FR 1967, 51; Brockhoff, Steuer-Kongreß-Report 1965, 136, 146 spricht von einem erregenden geistigen Abenteuer; ders., BB 1975, 1249: "Rechtswirrwarr". 10 W. Theis, DB 1978, 2331: In eine Nervenheilanstalt werden zwei neue Patienten eingeliefert. "Schwere Fälle?" fragt der Chefarzt seinen Oberarzt.

s•

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C. Steuerrecht

chung des Bundesfinanzhofs zu diesem Problemkreis in all ihren Verästelungen kaum noch überschaubar. Das gleiche gilt von den sie begleitenden literarischen Stellungnahmen11• Es ist bezeichnend, daß gerade für dieses Gebiet versucht wird, neue Verfahren wie z. B. die Entscheidungsbaumtechnik" anzuwenden, um komplexe steuerliche Regelungen durchschaubar zu machen12•

c) Auswirkungen auf sozialpolitische Fragestellungen Ins Blickfeld der tagespolitischen Diskussion13 ist die Besteuerung von Renten vor allem deswegen gerückt, weil Sozialversicherungsrenten im Verhältnis zu anderen Versorgungsbezügen (insbesondere von Beamten) einkommensteuerlich nur gering belastet werden14 • Vor allem wegen dieses allgemeinpolitischen Aspekts war und ist die Rentenproblematik regelmäßig in den Überlegungen zur Reform der Einkommensteuers anzutreffen. Bis jetzt haben diese Überlegungen bewirkt, daß zur steuerlichen Entlastung von anderen Versorgungsbezügen ein Versorgungsfreibetrag (§ 19 Abs. 2 EStG) eingeführt18 und erhöht17 wurde. Seit dieser Erhöhung werden auch sonstige Alterseinkünfte "Der eine nicht", erwidert der Oberarzt. "Er sagt, er verstehe die Steuergesetze nicht". "Und der andere?" "Das ist ein ganz schwerer Fall. Er sagt, er verstehe sie". 11 Vgl. nur Apel, NB 1953, 74; Arlt, Steuer-Kongreß-Report 1969, 115; Blencke, FR 1972, 217; Böttcher I Beinert, DB 1964, 1386; Brockhoff, DStZ 1954, 399; ders., BB 1975, 1249; Charlier, StbJb 1966167, 279; Friesecke, FR 1967, 48; Grieger, BB 1964, 994; ders., JbFfSt 1967168, 9; ders., StbJb 1966167, 159, 177; ders., BB 1965, 1439; ders., DStZIA 1953, 45; Hagedorn, NB 1953, 31; Hardt, DB 1966, 1866; Hartz, DB 1956, 696; ders., DB 1964, 1360; Hoffmann, FR 1953, 38; ders., BB 1953, 285; ders., FR 1956, 107 und 512; Kleinsorge, DB 1965, 235; Korn, DNotZ 1953, 588; Krause, Bl. f. StR, SozV und ArbR 1953, 115; Littmann, Inf. 1968, 73; ders., DStR 1975, 553; Maubach, BB 1953, 171; Meyer I Richter, FR 1971, 483; Offerhaus, FR 1970, 344; Paus, BB 1978, 1157; Richter, StBp 1968, 111; ders., DStR 1970, 517; Sauer, StBp 1973, 178; Seithel, FR 1969, 119; J. Theis, DB 1953, 38; W. Theis, DB 1965, 449; J. u. W. Theis, DB Beilage Nr. 1511966; Vogt, WPg 1953, 12; ferner die Monographien von Aprath, Biergans I v. Stotzingen, Clarenz, Nuding, Schobe,r und v~ Stotzingen. u Vgl. Nett, Systematisierung der Renten und dauernder Lasten und deren Besteuerung. 13 Vgl. etwa Piel, Die Zeit v. 4. 11. 1977, Nr. 46, 25, 26. 14 Dazu Steuerreformkommission, Gutachten ESt, LSt II, Rdnr. 338. u BT-Drucks. IVI2342; BT-Drucks. IVI3189, 2; Denkschrift Troeger, S. 9; Einkommensteuerkommission, Untersuchungen, S. 219; Wiss. Beirat, Gutachten Direkte Steuern, S. 22 ff.; Steuerreformkommission, Gutachten ESt, LSt II, Rdnrn. 337 ff.; BT-Drucks. 711470, §§ 58, 59 und 64; vgl. auch den radikalen Vereinfachungsvorschlag des rheinland-pfälzischen Finanzministers Gaddum, veröffentlicht als Diskussionsentwurf der Arbeitsgruppe Finanzen beim Bund, § 22. 18 StÄndG v. 15. 5. 1965, BGBl. I, 377. 11 EStRG v. 5. 8. 1974, BGBl. I, 1769.

II. Zum Schwerpunkt der Untersuchung

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(Mieten, Zinsen u. ä.) durch den sog. Altersentlastungsbetrag (§ 24a EStG) einkommensteuerlich begünstigt. Weitere Veränderungen kündigen sich jedoch aufgrund einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts18 an. Zwar weist das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde der betroffenen Ruhegehaltsempfänger zurück, weil es die höhere Besteuerung von Beamtenpensionen für den maßgeblichen Zeitraum (1969 und 1970) noch als unbedenklich ansieht. Mittlerweile habe aber die steuerliche Begünstigung der Sozialversicherungsrentner ein Ausmaß erreicht, das im Verhältnis zu den Pensionären nicht mehr zu rechtfertigen sei. Der Beschluß fordert deshalb den Gesetzgeber auf, durch eine Neuregelung den veränderten Verhältnissen Rechnung zu tragen. Bis jetzt ist noch nicht ersichtlich, in welcher Weise der Gesetzgeber der unbestimmt gehaltenen Aufforderung des Bundesverfassungsgerichts nachkommen wird. Erste Anhaltspunkte ergeben sich aus dem Gutachten der Sachverständigenkommission Al terssicherungssysteme11• Auf jeden Fall wird sich aber die Diskussion um die Besteuerung von Sozialversicherungsrenten neu beleben. Dabei sollte man auch berücksichtigen, in welchem Gesamtzusammenhang dieser Unterfall der wiederkehrenden Bezüge i. S. des § 22 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG zu sehen ist20• II. Zum Schwerpunkt der Untersuchung Wiederkehrende Leistungen spielen bei einer Vielzahl von Steuerarten eine Rolle. Allerdings werfen sie nicht überall rechtliche Probleme auf, die eine nähere Untersuchung lohnen. 1. Weniger bedeutsame Randbereidle

Bei e1mgen Steuerarten erfordern wiederkehrende Leistungen eine eher steuertechnisch zu beurteilende Sonderbehandlung. Diese trifft etwa für die nunmehr bundesrechtlich geregelte Grunderwerbsteuer zu. Die Höhe dieser Verkehrsteuer richt~t sich grundsätzlich nach dem Wert der Gegenleistung (vgl. §§ 8 und 9 GrEStG 1983). Besteht diese aus periodisch wiederkehrenden Leistungen, stellen sich vielfältige Bewertungsfragen, denen hier nicht weiter nachzugehen ist1. Entsprechendes gilt auch für die Berechnung der Umsatzsteuer. 18 BVerfG, Beschl. v. 26.3.1980- 1 BvR 121, 122/76 - , WM 1980, 886 = JZ 1980, 566 = FR 1980, 357 = DB 1980, 1573 = NJW 1980, 2569; dazu ausführlich Welter, StuW 1980, 332 ff. 10 K. Littmann, S. 425 ff. 20 Vgl. dazu meine Anmerkungen StuW 1980, 332, 333 ff.

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C. Steuerrecht

Nach§ 8 Nr. 2 GewSt sind unter bestimmten Voraussetzungen Renten und dauernde Lasten dem Gewinn des Gewerbebetriebes wieder hinzuzurechnen, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind. In gleicher Weise ist gern. § 12 Abs. 1 Nr. 1 GewStG zu verfahren, wenn das Gewerbekapital aus dem Einheitswert errechnet wird. Die in § 8 GewStG angeführten Hinzurechnungen verfolgen das Ziel, unabhängig von den subjektiven Verhältnissen den objektiven Gewerbeertrag zu ermitteln. Neben bewertungsrechtlichen Problemen ergeben sich dabei für verschiedene Arten wiederkehrender Leistungen (betriebliche Veräußerungs- und Versorgungsrenten sowie Pensionszahlungen) besondere Fragen, die hier nicht weiter interessieren3 • Anzumerken ist nur, daß das Gesetz die Rente aus der Sicht des Zahlungspflichtigen als Unterfall der dauernden Last bezeichnet. Damit wird auf die einkommensteuerliche Terminologie verwiesen, die ohnehin schon für die zu korrigierende Gewinnermittlung giW. Besondere Abgrenzungsprobleme können sich daher aus gewerbesteuerlicher Sicht nicht stellen. 2. Wiederkehrende Leistungen als steuerlidJ. relevanter Vermögenswert

Wiederkehrende Leistungen werden auf seiten des Empfängers entweder als Betriebsvermögen erfaßt oder sie gehören mit ihrem Kapitalwert vermögensteuerlich zum sonstigen Vermögen (§ 4 Abs. 1 VStG; § 110 Abs. 1 Nr. 4 BewG). Auch hier steht die Bewertung dieser Leistungen im Vordergrund5 • Allerdings ist es wegen unterschiedlicher Freibeträge (§§ 110 Abs. 2 und 3, 111 Nr. 9 BewG) bedeutsam, zwischen Raten (§ 110 Abs. 1 Nr. 4 BewG) und Rentenzahlungen (§ 110 Abs. 1 Nr. 1 BewG) zu differenzieren. Jedoch zieht man dabei die im Einkommensteuerrecht entwickelten Abgrenzungskriterien heran, auf deren Erörterung somit verwiesen werden kann. Festzuhalten ist jedoch, daß Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen im Vermögensteuerrecht wie ein aktuell vorhandenes Vermögen behandelt werden, dessen Wert durch eine Abzinsung der zukünftig fällig werdenden Beträge zu ermitteln ist. 1 Vgl. hierzu Kapp I Grune, S. 24 ff.; Fetsch, S. 111 f.; Troll, Renten, S. 236, 237, 239 ff.; ferner Arlt, Steuer-Kongreß-Report 1969, 115, 138 und BFH, Urt. v. 26. 11. 1980 - li R 125/78 -, BStBl. li 1981, 284 ff. z Fetsch, S. 99 f. 3 Vgl. dazu näher Röder, StBp 1977, 102 ff. ' Dazu näher Arlt, Steuer-Kongreß-Report 1969, 115, 136. G Dazu eingehend Troll, Renten, S. 161 ff., 239 ff.; zum Abzug von wiederkehrenden Leistungen, die der Steuerpflichtige zu erbringen hat, vgl. Abschnitt 100 Abs. 1 VStR und BFH, Urt. v. 2. 10. 1981 - 111 R 19/78 - , BStBl. li 1982, 11 ff.; Urt. v. 19. 2. 1982- 111 R 108/80 - , BStBl. II 1982, 449.

Il. Zum Schwerpunkt der Untersuchung

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Der soeben herausgestellte Gesichtspunkt tritt im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht noch deutlicher hervor. § 23 Abs. 1 ErbStG gibt dem Erwerber die Möglichkeit, Steuern für den Kapitalwert von Renten und wiederkehrenden Leistungen jährlich nach dem Jahreswert zu entrichten. Diese Bestimmung setzt voraus, daß grundsätzlich für den gesamten Kapitalwert wiederkehrender Leistungen im voraus die Erbschaft- und Schenkungsteuer zu entrichten ist8 • Das Gesetz nimmt also beim "Erwerb einer Rente" (z. B. durch ein Rentenvermächtnis) eine einmalige steuerpflichtige Bereicherung i. S. des § 10 Abs. 1 ErbStG an. Es stellt damit den Anspruchsberechtigten dem Empfänger eines einmaligen Kapitalbetrages gleich. Das in § 23 Abs. 1 ErbStG gewährte Wahlrecht trägt dabei dem Umstand Rechnung, daß der Anspruchsberechtigte anders als jener die Steuern nicht aus den schon erhaltenen Mitteln begleichen kann. Da aber der progressiv gestaltete (§ 19 ErbStG) Steuersatz weiterhin aus dem Gesamtwert berechnet wird (§ 23 Abs. 1 S. 2 ErbStG), führt dieses Verfahren zur gleichen Steuerschuld. Bei Leibrenten können sich freilich Abweichungen ergeben, wenn die tatsächliche Lebensdauer nicht mit der bewertungsrechtlich angenommenen übereinstimme. Unabhängig von diesen Leistungsmodalitäten bleibt es aber dabei, daß das Gesetz die Begründung eines Anspruchs auf "Renten oder andere wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen" wie einen einmaligen Vermögenszufiuß besteuert. 3. Die wiederkehrenden Leistungen im Einkommensteuerrecht

Der Schwerpunkt der hier zu behandelnden Problematik liegt im Einkommensteuerrecht.

a) Zur historischen Entwicklung Die einkommensteuerliche Erfassung wiederkehrender Leistungen hat eine lange Tradition. Schon vor dem Inkrafttreten des ersten Reichseinkommensteuergesetzes vom 29. 3. 19208 haben sich die landesrechtlichen Regelungen mit diesen Vermögensverschiebungen befaßt. Zum Beispiel waren nach dem preußischen Einkommensteuergesetz vom 24. 6. 1891 8 die Einkünfte aus "Rechten auf periodische Hebungen" steuerpflichtig. Nach§ 15 dieses Gesetzes waren hierunter Wartegelder, Pensionen und sonstige fortlaufenden Einnahmen sowie Rentenbezüge zu verstehen, die "an die Person des Empfangsberechtigten geknüpft 1 7

Vgl. auch § 12 ErbStG i. V. m. §§ 33 und 44 BewG. Mittelsteiner, Steuer-Kongreß-Report 1963, 108, 110; Arlt, Steuer-Kon-

greß-Report 1969, 115, 133; für die Fälle des "überlangen" Bezugs bietet jetzt das Ablösungsrecht in § 23 Abs. 2 ErbStG eine gewisse Abhilfe. 8 RGBl., 359. • pr. GS, 175.

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C. Steuerrecht

sind". Bei Fuisting I Strutz10 wurde weiter unterschieden in: Renten aus einer Familienstiftung, Leibrenten, Unfallrenten, Entschädigungsrenten, die Wittumsrente, Alimente anläßlich einer Ehescheidung, Erziehungsbeihilfen, Stipendien, Beamtenpensionen und Altenteile. Entsprechend waren bei der Ermittlung des Einkommens zu zahlende Renten (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 pr. EStG 1891) und auf besonderen Rechtstiteln beruhende dauernde Lasten (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 pr. EStG 1891) abzuziehen. Ähnliche Regelungen galten in Württemberg und zum Teil auch in Bayern11 • Auf der soeben beschriebenen landesrechtliehen Grundlage bauen die § 1 Nr. 1 und 2 sowie§ 13 Nr. 2 des Reichseinkommensteuergesetzes von 1920 auf. Nach den zuerst genannten Bestimmungen sind "Leibrenten, Leibgedinge, Zeitrenten und andere unvererbliche Renten" sowie "Zuschüsse und sonstige Vorteile" als "sonstige Einkünfte" zu versteuern. § 13 Nr. 2 dieses Gesetzes läßt wiederum zu, daß auf "besonderem privatrechtlichen, öffentlich-rechtlichen oder gesetzlichen Verpflichtungsgrund beruhende Renten und dauernde Lasten" vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. b) Das geltende Recht Für das geltende Recht ist vor allem auf§ 22 Nr. 1 EStG zu verweisen. Nach dieser Bestimmung sind Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen, soweit sie nicht zu den benannten Einkunftsarten gehören, als sonstige Einkünfte zu versteuern. § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG läßt auf seiten des Leistungspflichtigen den Abzug von "auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende Renten und dauernde Lasten" als Sonderausgaben zu. Dies gilt jedoch nur dann, wenn es sich nicht um Betriebsausgaben und Werbungskosten handelt. Im zuletzt genannten Fall ist § 9 Abs. 1 Nr. 1 EStG einschlägig. "Auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende Renten und dauernde Lasten", die mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, können danach als Werbungskosten von den Einkünften abgezogen werden. Sowohl bei der Ermittlung der sonstigen Einkünfte als auch beim Abzug als Sonderausgaben oder Werbungskosten erfährt die Leibrente eine Sonderbehandlung. Insbesondere bestimmt § 22 Abs. 1 Buchst. a EStG, daß Leibrenten nur insoweit zu den sonstigen Einkünften gehören, als in den einzelnen Bezügen Einkünfte aus Erträgen des Rentenrechts enthalten sind. Dieser sog. Ertragsanteil wird noch näher umschrieben, er ist aber schließlich einer angefügten Tabelle zu entnehmen, die für insgesamt siebzig Altersstufen einen bestimmtEm Prozentsatz angibt. Maßgeblich ist für die gesamte 1o 11

Fuisting I Strutz, § 14 Anm. 14. Vgl. dazu im einzelnen v. Stotzingen, S. 64 ff.

II. Zum Schwerpunkt der Untersuchung

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Laufzeit das Alter des Rentenberechtigten bei Beginn der Rente (sog. "Eintrittsalter"). Für einen siebenundzwanzigjährigen Rentenempfänger ist beispielsweise ein Ertragsanteil von 60 Ofo abzulesen, während er für den neunundsechzigjährigen nur noch 20 Ofo beträgt12• Durch entsprechende Verweisungen (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a S. 2 und § 9 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG) ist sichergestellt, daß Leibrenten als Sonderausgaben oder Werbungskosten auch nur mit dem Ertragsanteil abzugsfähig sind.

c) Erste Fragestellungen An die soeben knapp geschilderte Rechtslage lassen sich auf den ersten Blick drei Fragen knüpfen. Unklar bleibt die von § 22 Abs. 1 EStG ausgesparte Behandlung wiederkehrender Bezüge, die zu den in§ 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 EStG bezeichneten Einkunftsarten gehören. Wird ein Gewerbebetrieb oder eine freiberufliche Praxis veräußert, ist also entweder§ 16 oder§ 18 Abs. 3 EStG einschlägig. Diese Bestimmungen gehen aber wiederum nicht auf wiederkehrende Bezüge ein, sondern sind offensichtlich auf einmalig zu zahlende Kaufpreiszahlungen zugeschnitten. Ferner erschließt sich nicht ohne weiteres der Sinn der in § 2 Abs. 1 Nr. 7 EStG genannten und in § 22 EStG geregelten Einkunftsart "sonstige Einkünfte". Während bei den übrigen Einkunftsarten für die Einkommensteuerpflicht jeweils an eine spezifische Form der Teilnahme am Wirtschaftsverkehr angeknüpft wird, trifft dies für § 22 EStG nicht zu. Die einzelnen Fallgruppen (wiederkehrende Bezüge, Einkünfte aus bestimmten Unterhaltsleistungen, Einkünfte aus Spekulationsgeschäften, Einkünfte aus Leistungen wie z. B. gelegentliche Vermittlungen sowie die gesetzlichen Bezüge von Bundes- und Landtagsabgeordneten) weisen keine Gemeinsamkeiten auf, aus denen man einen bestimmten Grund für die Einkommensteuerpflicht herleiten könnte. Offenbar handelt es sich hier um einen "Lückenbüßer" 13 im sonst aussagekräftigeren Einkünftekatalog. Dies läßt erahnen, daß in diesem Bereich die Grenzlinie zwischen steuerbaren und nicht steuerbaren Einkünften besonders schwierig zu bestimmen ist14• 12 Für Leibrenten, die auf eine bestimmte Zeit beschränkt sind (sog. abgekürzte Leibrenten), enthält das Gesetz eine Ermächtigung zum Erlaß einer Rechtsverordnung. Von dieser ist durch § 55 Abs. 2 der EStDV Gebrauch gemacht worden, und zwar in der Form einer weiteren Tabelle, die für bestimmte Laufzeiten unter Berücksichtigung des Eintrittsalters einen Ertragsanteil angibt. Wegen weiterer Sonderfälle vgl. § 44 Abs. 1 Nr. 2 und 3 EStDV. 13 So schonE. Becker, StuW 1935, Sp. 9. 14 Allgemein hierzu Wiemer, Nicht einkommensteuerpflichtige Einkünfte, der sich auch kurz (S. 103-106) mit den wiederkehrenden Bezügen befaßt.

C. Steuerrecht

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Schließlich ist auf den ersten Blick nicht einzusehen, warum aus den wiederkehrenden Bezügen nur die Leibrente die im einzelnen geschilderte Sonderbehandlung erfährt. Um eine Begünstigung von Alterseinkünften kann es sich schon deswegen nicht handeln, weil die Tabelle in§ 22 Nr. 1 Buchst. a EStG bereits für einen Dreißigjährigen nur einen Ertragsanteil von 58 Ofo vorsieht. Im übrigen ließe sich hieraus auch nicht erklären, warum auf der Seite des Verpflichteten nur die entsprechenden Ertragsanteile als Sonderausgaben oder Werbungskosten abzugsfähig sind. Das angedeutete Problem der sog. "betrieblichen Renten" soll hier im Hintergrund stehen und wird deshalb auch erst später knapp behandelt (C. V. 2. a)). Näher zu untersuchen sind die beiden anderen Fragen, die die sog. "privaten wiederkehrenden Leistungen" betreffen. Auch wenn dies auf den ersten Blick nicht erkennbar ist, besteht zwischen ihnen ein enger und aufschlußreicher Zusammenhang. Im übrigen liegt auf der Hand, daß die Privilegierung der Leibrente Abgrenzungsschwierigkeiten mit sich bringt, die wiederum zur zivilrechtliehen Dogmatik hinführen. Die weitere Untersuchung wird an einem Fall ansetzen, dessen höchstrichterliche Beurteilung auch noch heute das Verständnis für die einkommensteuerliche Problematik wiederkehrender Leistungen fördert. Gleichzeitig läßt sich von hier aus erläutern, welcher Sinn sich dahinter verbirgt, daß Leibrenten mit dem Ertragsanteil besteuert werden.

111. Der Hintergrund der Ertragsbesteuerung nach§ 22 Nr. 1 Buchst. a EStG 1. Das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 18. 9. 1952

Der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 18. 9. 19521 kommt eine ungewöhnliche Schlüsselfunktion zu2 • Sie brachte im Jahre 1952 eine radikale Wende für die Besteuerung privater wiederkehrender Leistungen. Gleichzeitig hat sie eine Entwicklung eingeleitet, die bis heute noch nicht abgeschlossen ist. a) Sachverhalt und Problemstellung

In dem zu entscheidenden Fall lag eine lebenslängliche Rente vor, die der Steuerpflichtige gegen eine Einmalprämie von 27 478,80 RM seit 1941 von einer Versicherungsgesellschaft bezogen hatte. Wegen der IV 70/49 -, BStBl. III 1952, 290. Vgl. schon Hoffmann, FR 1953, 38.

1 2

III. Hintergrund der Ertragsbesteuerung nach § 22 Nr. 1 Buchst. a EStG

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Kriegsereignisse war der ursprünglich vereinbarte Jahresbetrag von 2000,- RM ab 1946 auf 1200,- RM herabgesetzt worden. Das Finanzamt hatte die Bezüge bis auf einen Pauschsatz für Werbungskosten in Höhe von 200,- RM in vollem Umfang zur Besteuerung herangezogen. Dies stimmte mit der damaligen Praxis in Verwaltung und Rechtsprechung überein, die sich auf den Wortlaut des § 22 Nr. lb EStG 1939 stützte. Im Zusammenhang lautete diese Bestimmung wie folgt: § 22

Arten der sonstigen Einkünfte Sonstige Einkünfte sind: 1. Wiederkehrende Bezüge, soweit sie nicht zu anderen Einkunftsarten (§ 2

Abs. 3 Züf. 1--6) gehören, insbesondere a) vererbliche Renten, b) Leibrenten, Leibgedinge, Zeitrenten und andere unvererbliche Renten, c) Zuschüsse und sonstige Vorteile, die als wiederkehrende Bezüge gewährt werden. Ist die Zuwendung freiwillig oder an eine gesetzlich unterhaltsberechtigte Person gewährt, so ist sie nicht dem Empfänger zuzurechnen, wenn der Geber unbeschränkt steuerpflichtig ist.

Diese Vorschrift stellte nur auf die Form der Bezüge ab und ließ die Rechtsgründe, aus denen sie zu zahlen waren, unbeachtet. Allein die Periodizität reichte aus, um die Bezüge, die als einmalige Leistung durchaus steuerfrei sein konnten, der vollen Besteuerung zu unterwerfen. Jedenfalls im Jahr des Rentenbezugs standen diesen sonstigen Einkünften auch keine einkunftsmindernden Werbungskosten (§§ 2 Abs. 4 Nr. 2 und 9 EStG 1939) gegenüber. Demgegenüber wollte der Beschwerdeführer darauf verweisen, daß er sechs Jahre zuvor aus versteuertem Einkommen die Einmalprämie in Höhe von 27 478,80 RM geleistet habe, um jetzt die streitigen Bezüge zu erhalten. Diese Aufwendungen könnten nicht unberücksichtigt bleiben und seien deshalb auf die Zeit zu verteilen, in der er die Rente beziehe. Eine solche Argumentation des Steuerpflichtigen muß schon deswegen einleuchten, weil der Berechtigte je nach seiner Lebensdauer vielleicht gerade den seinerzeit eingezahlten Betrag zurückerhält. Der Chance, daß diese Summe übertroffen wird, steht das Risiko gegenüber, wegen eines frühzeitigen Todes sogar einen finanziellen Verlust zu erleiden. Insbesondere im letzten Fall erscheint es ungerechtfertigt, die Bezüge voll zu versteuern. Selbst bei der für den Berechtigten glücklicheren Entwicklung ist jedoch nicht einzusehen, warum auch die Rückzahlung des eingebrachten Betrages einkommensteuerpflichtig sein sollte. Solche

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C. Steuerrecht

Überlegungen lagen seinerzeit um so näher, als ein ungewöhnlich belastender Einkommensteuertarif anzuwenden waz-3. b) Bisheriger Diskussionsstand

Die Problematik der systemwidrigen Besteuerung von Kapitalrückzahlungen war indessen seit langem bekannt. Mit ihr hatte sich schon der Reichsfinanzhof auseinandersetzen müssen'. Jedenfalls für lebenslängliche Renten hatte er jedoch die dargestellten Einwände mit dem Hinweis abgewehrt, § 22 EStG 1939 und entsprechende ältere Regelungen5 knüpften ersichtlich allein an die äußere Form der Leistung an. Daher könne man nach dem Gesetz nicht auf den Rechtsgrund des Bezugs und die erbrachte Gegenleistung zurückgreifen8 • Die damit verbundenen Unbilligkeiten und Härten lägen zwar auf der Hand. Sie seien jedoch als gesetzesimmanent in Kauf zu nehmen, weil sie sich zwangsläufig aus der gesetzlichen Anknüpfung an die Form ergeben müßten. Die Haltung der reichsfinanzgerichtlichen Rechtsprechung mußte zum Widerspruch reizen, als in der Nachkriegszeit bei gestiegener Steuerbelastung7 kriegsbedingt gekürzten Renten und allmählich steigendem Kapitalbedarf8 der "Leibrentenkauf" als volkswirtschaftlich sinnvolle Form der Kapitalanlage in beispielloser Weise benachteiligt erschien. Die unterschiedlichen Vorschläge zur wirtschaftlich sinnvollen Behandlung der lebenslänglichen Rente orientierten sich an einem jeweils anderen Verständnis vom "Wesen" der lebenslänglichen Rente. Friedrich 9 trat de lege lata dafür ein, die Abschreibung eines sich im s Ab 1. 1. 1946 galt das Kontrollratsgesetz Nr. 12, das einen allgemein als konfiskatorisch empfundenen Steuertarif eingeführt hatte. Die Tabelle sah ab einem Einkommen von 10 000,- DM jährlich eine Gesamtbelastung von nahezu 50 °/o vor, die mit höherem Einkommen bis auf 85 Dfo anstieg; dazu auch Steuerreformkommission, Gutachten ESt, LSt II, Rdnr. 630. 4 RFH, Urt. v. 7. 5. 1930 VI A 827/27 - , RStBI. 1930, 578; Urt. v. 27. 1. 1944 - IV 157/43 -, RStBI. 1944, 363; Urt. v. 29. 3. 1944 - VI 28/44 - , RStBI. 1944, 651. 6 § 22 findet sich mit gleichem Wortlaut auch im EStG 1934, RGBI. I, 1005, 1012. Diese Vorschrift entspricht wiederum sinngemäß der Bestimmung des § 40 EStG 1925, RGBI. I, 189, 198, die Renten als "andere wiederkehrende Bezüge" der vollen Besteuerung unterwirft. 8 Besonders ausführlich RFH, Urt. v. 7. 5. 1930 (o. Fußn. 4), RStBI. 1930, 578; s. auch schon RFH, Urt. v. 7. 12. 1927- VI A 597/27 - , RStBI. 1928, 93 f.: Urt. v. 18. 1. 1928- VI A 192/27 - , RStBI. 1928, 97 f.; Urt. v. 14. 3. 1928- VI A 877/27 - . RStBI. 1928. 212. 7 Vgl. o. Fußn. 3; ferner Hoffmann, FR 1953, 38; Zitzlaff, DB 1953, 240. 8 Riepl, WPg 1950, 172; Hoffmann, BB 1953, 285. 9 DStZ 1947, 163; StuW 1949, Sp. 1; BB 1950, 936; zustimmend J. Theis, DB 1953, 89, 91; Laux, S. 36 ff.; Clarenz, S. 52; im Grundsatz auch Hoffmann, FR 1953, 38, 39; ders., BB 1953, 285, 286 und Heider, S. 152 ff.; ablehnend

III. Hintergrund der Ertragsbesteuerung nach§ 22 Nr. 1 Buchst. a EStG

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Laufe der Rentenzahlung verzehrenden "Rentenstammrechts" nach § 7 EStG 1939 zuzulassen. Andere Stimmen10 leugneten die Existenz eines "geheimnisvollen Stammrechts"11 • Sie plädierten de lege ferenda für eine mathematisch richtige12 Behandlung der lebenslänglichen Rente oder jedenfalls für eine Milderung der erkannten Unbilligkeiten13• c) Die Lösung des Bundesfinanzhofs

Die Appelle, die in der Nachkriegszeit immer lauter geworden waren, bedeuteten für die Rechtsprechung eine um so größere Herausforderung, als auch das EStG 1950 (BGBl. 1951 I, 1 ff.) nicht die dringende Änderung des § 22 Nr. 1 EStG gebracht hatte. Der Bundesfinanzhof trug den vorgetragenen Bedenken Rechnung, indem er sich von der bisherigen Rechtsprechung abwandte, die sich am Wortlaut des Gesetzes orientiert hatte. Wie ein roter Faden zieht sich durch die Entscheidungsbegründung das Argument, eine "wirtschaftliche Betrachtung" spreche dagegen, Veräußerungsrenten in vollem Umfang zu versteuern14• Auch bei näherem Zusehen finden sich nur undeutliche Spuren einer eigenen rechtlichen Begründung. Das Urteil beruft die Gleichmäßigkeit der Besteuerung und die allgemeinen Grundgedanken des Einkommensteuerrechts. Insbesondere stellt es mit der Vorinstanz die "grundlegenden Bestimmungen" des § 2 Abs. 4 Nr. 2 EStG 1939 heraus, nach denen die Einkünfte als Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten zu ermitteln seien. Bei seiner eigenen Lösung folgte der Bundesfinanzhof allerdings nicht den bisher diskutierten Vorschlägen, sondern einer kurz zuvor veröffentlichten Entscheidung des Finanzgerichts Düsseldorf15• Dessen Lösung geht wiederum auf die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs allerdings zu betrieblichen Renten zurück, auf die § 22 Nr. 1 EStG oder § 40 Kirch, DStZ 1948, 7 f.; Zitzlaff, DStZ 1949, 191 f .; Röncke, BB 1950, 586, 587; Diederichs, DNotZ 1952, 343, 347. 10 Riepl, WPg 1950, 172 ff., 318 ff.; Röncke, BB 1950, 586 ff. und im Prinzip auch Zitzlaff, DStZ 1949, 191 ff. 11 Röncke, BB 1950, 586, 587. 12 Grundlegend Apel, NeumannsZ 1938, 692 f. und 807 f. und wieder NB 1953, 74 f.; ähnlich Helling I Fischer, FR 1949, 331, 332; ferner Hagedorn, NB

1953, 31.

Diederichs, DNotZ 1952, 343, 347. Vgl. o. Fußn. 1. Es ist bezeichnend, daß Pausch, S. 13, 15 bei einem umfassenden geschichtlichen Rückblick gerade dieses Urteil dafür heranzieht, daß der Bundesfinanzhof von Anbeginn in seiner Rechtsprechung nicht "formal" war, sondern sich bemühte, "elastisch" den gegebenen wirtschaftlichen, rechtlichen und sozialen Verhältnissen Rechnung zu tragen. u FG Düsseldorf, Urt. v. 16. 7. 1952 - li 60/52 -, DB 1952, 615, 616. 13

14

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C. Steuerrecht

EStG 1925 als Vorläufer dieser Bestimmung nicht anzuwenden war 8 • Danach sollten die Bezüge in vollem Umfang steuerfrei bleiben, bis sie insgesamt die Höhe der erbrachten Gegenleistung17 erreichten, um dann voll versteuert zu werden. Dieses Verfahren räumte zwar die kritisierten Härten der bisherigen Rechtsprechung weitgehend aus. Verglichen mit den in der Literatur geäußerten Vorschlägen war es allerdings immer noch recht grob. Weil man nur zwischen zwei Phasen mit unterschiedlicher Besteuerung differenzierte, genoß der Berechtigte in relativ jungen Jahren Steuerfreiheit, um dann im Alter der vollen Besteuerung unterworfen zu werden18• Zitzlafjl' hat dazu mit Recht bemerkt, daß die nach ca. 15 Jahren einsetzende volle Steuerpflicht die Rente treffe, deren Kaufkraft sich mittlerweile durch die Geldentwertung verringert habe. Auch darüber hinaus ergaben sich einige Folgeprobleme20 • Schon wenig später mußte sich etwa der Bundesfinanzhof mit der Frage auseinandersetzen, ob die Änderung der Rechtsprechung auch für Leistungen aus einer Versicherung gelte, deren Prämien nach§ 10 Abs. 1 Nr. 2a EStG 1951 begünstigt gewesen waren21 • Dennoch konnte man sich zugute halten, den in der Tat gewichtigen Einwand ausgeräumt zu haben, es werde systemwidrig und wirtschaftlich unsinnig die Rückzahlung eines aus versteuertem Einkommen gebildeten Kapitals wiederum als Einkommen besteuert. d) Das obiter dieturn zur steuerlichen Behandlung wiederkehrender Leistungen beim Verpflichteten Es liegt auf der Hand, daß das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 18. 9. 195222 eine entscheidende Wende in der Besteuerung wiederkehrender Bezüge als "sonstige Einkünfte" brachte. Erst bei näherer Betrachtung stellt sich allerdings heraus, daß seine eigentliche Brisanz in einem eher beiläufig angefügten Satz, also einem obiter dictum, lag. u Dazu grundlegend RFH, Urt. v. 14.5.1930- VIA 706/28 -, RStBl. 1930, 580 f.; vgl. aber andererseits die Entscheidung vom selben Tag (o. Fußn. 4), RStBl. 1930, 578, 579, die für private Leibrenten die volle Besteuerung nach § 40 EStG 1925 rechtfertigt. 11 Zu den Schwierigkeiten, die Höhe der Gegenleistung zu bestimmen Korn, DNotZ 1953, 588, 594. 1s Lantau, BB 1955, 695. u DB 1953, 240. 20 Hierzu eingehend Heider, S. 171-192; ferner Grieger, DStZ/A 1953,45 ff.; Krause, Bl. f. StR, SozV und ArbR 1953, 115, 116. 11 BFH v. 5. 2. 1953 IV 41/49 -, BStBl. III 1953, 105; ferner BFH, Urt. v. 11. 2. 1954 - IV 331/53 - , BStBl. III 1954, 139, das für Leistungen aus Versicherungen mit laufenden Prämienzahlungen an der Rechtsprechung des Reichsgerichts festhält 22 V gl. o. Fußn. 1.

Ill. Hintergrund der Ertragsbesteuerung nach § 22 Nr. 1 Buchst. a EStG

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aa) Die Abzugsfähigkeit von "Renten und dauernden Lasten" nach§ 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1939 Wenn auch bisher die Besteuerung der Rente beim Berechtigten im Vordergrund gestanden hat, darf man nicht die Lage des Verpflichteten aus dem Auge verlieren. Als Komplementärvorschrift zu § 22 EStG 193923 gewährte § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1939 das Recht, auf "besonderen Verpflichtungsgründen beruhende Renten und dauemde Lasten" als Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen. Bestand ein Zusammenhang mit einer Einkunftsart (z. B. Vermietung und Verpachtung), sah § 9 Nr. 1 EStG 1939 in gleicher Weise die Abzugsfähigkeit als Werbungskosten vor. Bei Veräußerungsrenten hatte sich also bisher die Bruttobelastung des Verpflichteten dadurch gemindert, daß er sein zu versteuemdes Einkommen verringem konnte. Die jeweilige Steuererspamis ergab sich dabei aus dem persönlichen Grenzsteuersatz, der in der Nachkriegszeit bis auf 85 Ofo geklettert war. Selbst bei bescheidenem Einkommen hatte somit die Nettobelastung des Verpflichteten bei nur 50 °/o und darunter gelegen. bb) Die Einschränkung des Abzugs durch den Bundesfinanzhof und ihr fiskalischer Stellenwert Das genannte Urteil des Bundesfinanzhofset führt zur Seite des Zahlungsverpflichteten aus, daß das für die Besteuerung vorgestellte Verfahren auch für die Abzugsfähigkeit nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1939 gelte. Deshalb könne der Rentenverpflichtete erst dann seine Leistungen steuermindemd nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG abziehen, wenn seine Zahlungen den Wert des empfangenen Wirtschaftsguts erreicht hätten. Es läßt sich mit guten Gründen vertreten, daß der Bundesfinanzhof bei dieser Aussage den Zweck verfolgt hat, seine Ausführungen zur Besteuerung wiederkehrender Leistungen abzurunden25 • Hierfür spricht insbesondere die weitere unmotivierte Bemerkung26 , daß man bei einer Vgl. auch schon § 15 Abs. 1 Nr. 3 EStG 1925, RGBI. I, 189. (o. Fußn. 1), BStBl. Ill 1952, 290, 292. u a. A. Flume, DNotZ 1955, 115, 119, der davon ausgeht, daß dem Bundesfinanzhof die Konsequenzen seines obiter dieturn gar nicht klar waren. 28 Es fehlt sogar der Bezug zu § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1939, da beim Käufer eines Hauses die Aufwendungen mit der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 EStG 1939) zusammenhängen. Möglicherweise stand der Bundesfinanzhof unter dem Eindruck der Verwaltungspraxis, die nach Gronenborn, StbJb 1952, 103, 115 bisher den Abzug als Sonderausgaben gern. § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1939 zugelassen hatte; auch der Bundesfinanzhof hat jedoch wenig später den Abzug als Sonderausgaben ausdrücklich abgelehnt, wenn die wiederkehrenden Leistungen mit einer Einkunftsart zusammenhingen: BFH, Urt. v. 22.9.1955 - IV 451/53 - , BStBI. III 1955, 320. In diesem Fall kam es hierauf entscheidend an, weil statt § 9 Nr. 1 EStG 1939 die Einfamilienhausverordnung von 1937 anzuwenden war, 23

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C. Steuerrecht

Fortsetzung der bisherigen Rechtsprechung den Erwerb eines Hauses auf Rentenbasis zu Lasten der Allgemeinheit subventionieren würde. In der Tat hatte hierin aus fiskalischer Sicht der "Pferdefuß" der bisherigen Praxis zur Besteuerung des Rentenverpflichteten gelegen. Durch eine "Verrentung" war nämlich die Einkunftsermittlung in erheblichem Umfang verzerrt worden27 • Während der Kaufpreis für ein unbebautes Grundstück unter keinem Gesichtspunkt steuermindernd geltend zu machen war, hatte der Erwerber die wiederkehrenden Leistungen, die an die Stelle des Kaufpreises getreten waren, in vollem Umfang absetzen können. Auch im Hinblick auf abnutzungsfähige Wirtschaftsgüter (z. B. auch ein Gebäude) war eine systemwidrige Doppelentlastung eingetreten. Der Anschaffungspreis, der durch eine Abzinsung aller (voraussichtlichen) wiederkehrenden Leistungen ermittelt wurde, konnte einmal über die Absetzung für Abnutzung nach § 7 EStG von den Bruttoeinnahmen abgezogen werden. Der Zeitraum dieser Abschreibungen ergab sich dabei aus der gewöhnlichen Nutzungsdauer des Wirtschaftsgutes. Darüber hinaus war aber der Verpflichtete berechtigt gewesen, seine Zahlungen als Werbungskosten nach§ 9 Nr. 1 EStG 1939 geltend zu machen. Derselbe Aufwand hatte sich also mit einer gewissen zeitlichen Verschiebung gleich zweifach einnahme- und damit steuermindernd ausgewirkt. Deswegen nimmt Nuding 28 an, daß de.r entscheidende Senat des Bundesfinanzhofs sich vor allem gegen die "Kriegs- und Nachkriegsgewinnler" wenden wollte, die vielfach in Ruinengrundstücke investiert hatten. Es spricht in der Tat einiges dafür, daß für den Bundesfinanzhof insbesondere der WWlsch bestimmend war, ohnehin lukrative Geldanlagen nicht noch systemwidrig steuerlich zu begünstigen. Insbesondere läßt sich dies darauf stützen, daß der Bundesfinanzhof die grobe und schematische Verrechnung ohne jede Diskussion dem Lösungsvorschlag von Friedrich 21 vorgezogen hat. Dieser Vorschlag hätte nämlich den Vorteil geboten, während der gesamten Laufzeit den Berechtigten gegenüber der bisherigen Rechtslage steuerlich zu entlasten. Damit wäre vermieden worden, daß im hohen Alter wieder die volle Besteuerung einsetzt. Die Lage des Verpflichteten wäre aber davon unberührt geblieben und er hätte weiterhin die als ärgerlich empfundenen Steuervorteile genießen können30• nach der nur Zinsen abgezogen werden konnten. Dazu jetzt Sauerland I Wendt I Schmidt I SchuZz, S. 65. 17 28

28

Laux, S. 4. Nuding, S. 68. DStZ 1947, 163 ff.; StuW 1949, Sp. 1 ff.; BB 1950, 936 f.

Die vorstehenden Überlegungen werden dadurch bestätigt, daß (Bundesfinanzrichter) Hoffmann in einer Besprechung des Urteils, FR 1953, 38, 39, 30

III. Hintergrund der Ertragsbesteuerung nach § 22 Nr. 1 Buchst. a EStG

81

2. Die Folgen des Urteils für die Vertragspraxis a) Auswirkungen auf laufende Verträge

Mit der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 18. 9. 1952s1 war das Problem der einkommensteuerliehen Behandlung wiederkehrender Leistungen zu einer Lösung gekommen, die durch die vertragsberatende Praxis schwerlich begrüßt werden konnte. Aus deren Sicht mußte der Preis für eine Milderung der steuerlichen Belastung des Berechtigten zu hoch erscheinen, wenn auf der anderen Seite die Abzugsfähigkeit wiederkehrender Leistungen beim Verpflichteten nahezu beseitigt wurde. Es war damit allen steuerlichen Überlegungen der Boden entzogen, anhand derer man den angemessenen Bruttobetrag der wiederkehrenden Leistungen bestimmt hatte. Die dabei einkalkulierte steuerliche Belastung beim Berechtigten war weitgehend weggefallen. Insbesondere wurde aber die Erwartung des Verpflichteten enttäuscht, einen beachtlichen Teil der wiederkehrenden Leistungen aus der anfallenden Steuerersparnis finanzieren zu können. Beiden Gesichtspunkten war aber in der jüngsten Vergangenheit wegen des hohen Steuertarifs besondere Bedeutung zugekommen. Als letzter einschlägiger literarischer Hinweis zu dieser bedeutsamen Frage ist der Beitrag von Diederichsa2 zu nennen. Dort wird anhand der bisherigen Rechtslage zu besonders sorgfältiger Vertragsgestaltung ermahnt33• Mithin hatte das zuvor immer lauter geäußerte Argument, die Besteuerung wiederkehrender Leistungen müsse wegen der gestiegenen Steuerbelastung geändert werden, unversehens einen Sinn bekommen, der sich statt gegen fiskalisches Übermaß nun gegen den Verpflichteten richtete34• Die zusätzliche Belastung des Verpflichteten war in der Regel sogar höher als die Entlastung auf Seiten des Berechtigten. Deshalb gab es bei der Auseinandersetzung um die einkommensteuerliche Behandlung wiederkehrender Leistungen in der Person des Fiskus sogar einen lachenden Drittenss. den Vorschlag von Friedrich ablehnt und dabei allein auf die Auswirkungen beim Verpflichteten abstellt. 31 Vgl. o. Fußn. 1. 32 DNotZ 1952, 343, 348. 33 Diese Stellungnahme, die mit ihrem Erscheinen bereits durch die Änderung der Rechtsprechung überholt war, erhält eine besondere Note durch die Tatsache, daß es sich bei dem Verfasser um einen Bundesfinanzrichter handelte. " Nuding, S. 68, vermutet deswegen Ironie hinter der Urteilsbegründung des Bundesfinanzhofs, die dieses Argument aufnimmt. 31 Vgl. Maubach, BB 1953, 171, 172, der wohl mit Recht darauf hinweist, daß das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 18. 9. 1952 dem Fiskus mehr . einbringen konnte als manche im Bundestag hart umkämpfte neue Steuer. 6 Weiter

82

C. Steuerrecht b) Unsicherheiten aus der schwankenden Verwaltungspraxis

Neben den schon behandelten Unzulänglichkeiten des Verrechnungsverfahrens bot also vor allem die "Kehrseite der Medaille" Ansatzpunkte zur Kritik. Diese ließ auch nicht lange auf sich warten38• Insbesondere die vertragsgestaltende Praxis, die sich auf die bisherige Übung verlassen hatte, wartete mit herben Vorwürfen auf37• Selbst auf Seiten der Finanzverwaltung bestanden offenbar Bedenken, die Besteuerung in der vorgeschlagenen Weise durchzuführen118• Im Bundesfinanzministerium ging man wohl sogar davon aus, daß das Urteil des Bundesfinanzhofs gegen klare Vorschriften des Gesetzes verstoße und deshalb nicht angewandt werden solle31• Die Versuche, entgegen der neueren Rechtsprechung eine bundeseinheitliche Verwaltungspraxis durchzusetzen40 , mußten jedoch erst recht Verwirrung stüten41 • Diese wurde noch dadurch vergrößert, daß entsprechende Beschlüsse in den einzelnen Ländern auch auf ein unterschiedliches Echo stießen42 • Bei dieser Lage war eine durchgreifende Neuordnung der Besteuerung wiederkehrender Leistungen nach § 22 EStG nur noch durch eine Gesetzesreform zu erhoffen, die auch schon der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 18. 9. 1952 als wünschenswert bezeichnet hatte43 • 3. Die Reform der Rentenbesteuerung von 1954

Der Gesetzgeber nahm die geforderte Reform auch tatsächlich in Angrüf. Er legte mit dem Gesetz zur Neuordnung von Steuern vom 16. 12. 3• Hagedorn, NB 1953, 31, 32: "Kuckucksei"; Maubach, BB 1953, 171 f.; Theis, DB 1953, 89; Zitztaff, DB 1953, 240; Grieger, DStZIA 1953, 45, 48; aus etwas späterer Zeit Ftume, DNotZ 1955, 115, 120; Oswatd, FR 1955, 273, 274. 37 Vgl. vor allem Maubach, Haus und Boden, 30 ff.; den entgegengesetzten Standpunkt vertritt Hoffmann, BB 1953, 285, 288, der darauf verweist, daß

man bisher spekulativ auf eine "immerhin etwas eigenartige Vergünstigung" vertraut hätte. ae Vgl. Hartz, BB 1955, 517. u Vgl. Lenzki, BB 1955, 518, 519. 40 s. etwa den Erlaß des FinMin Schleswig-Holstein v. 1. 6. 1954, DB 1954, 507. 41 Streiber, DB 1954, 547. 41 Vgl. Steuerliche Hinweise o. Verf., FR 1954, 391. Ebenso wie bei Streiber (o. Fußn. 41) wird hier darauf hingewiesen, daß wegen der Ambivalenz des Problems der Fiskus den kürzeren ziehen müßte, wenn man nicht der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs folgen würde. Es war nämlich zu befürchten, daß der Verpflichtete die Vorteile der Abzugsfähigkeit in Anspruch nehmen würde, während der Berechtigte sich durch Rechtsmittel der Besteuerung entziehen könnte. 43 Zum Einfluß der Rechtsprechung auf die Gesetzgebung am Beispiel dieser Entscheidung Grund, S. 27, 42 ff.

III. Hintergrund der Ertragsbesteuerung nach § 22 Nr. 1 Buchst. a EStG

88

195444 eine Regelung vor, die die vielfachen Diskussionsbeiträge aus der jüngsten Vergangenheit in sich aufgenommen hatte. a) Inhalt und Umfang der Neuregelung

Im Mittelpunkt der Neuregelung stand die Reform des § 22 Nr. 1 EStG, also die Besteuerung wiederkehrender Bezüge. Die maßgebliche Bestimmung lautete nun wie folgt: § 22

Arten der sonstigen Einkünfte Sonstige Einkünfte sind: 1. Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen, soweit sie nicht zu den in § 2 Abs. 1 Nr. 1---6 bezeichneten Einkunftsarten gehören. Werden die Bezüge freiwillig oder einer gesetzlich unterhaltsberechtigten Person gewährt, so sind sie nicht dem Empfänger zuzurechnen, wenn der Geber unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist. Zu den in Satz 1 bezeichneten Einkünften gehören auch a) Leibrenten insoweit, als in den einzelnen Bezügen Einkünfte aus Erträgen des Rentenrechts enthalten sind. Als Ertrag des Rentenrechts gilt für die gesamte Dauer des Rentenbezugs der Unterschied zwischen dem Jahresbetrag der Rente und dem Betrag, der sich bei gleichmäßiger Verteilung des Kapitalwerts der Rente auf ihre voraussichtliche Laufzeit ergibt; dabei ist der Kapitalwert nach dieser Laufzeit zu berechnen. Der Ertrag des Rentenrechts (Ertragsanteil) ist aus der nachstehenden Tabelle zu entnehmen: b) Einkünfte aus Zuschüssen und sonstigen Vorteilen, die als wiederkehrende Bezüge gewährt werden; Ferner wurden die Bestimmungen neu gefaßt, nach denen "Renten und dauernde Lasten" als Sonderausgaben(§ 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1955) oder Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1955) abzugsfähig waren. Es wurde jeweils eine Bestimmung eingefügt, nach der bei Leibrenten nur der in§ 22 Nr. 1 Buchst. a EStG genannte Ertragsanteil abgezogen werden kann. Sowohl bei der Besteuerung des Berechtigten als auch bei der Abzugsmöglichkeit des Verpflichteten war nun die Leibrente als Sonderfall genannt, der eine spezielle steuerliche Behandlung erfahren sollte. Die Gesetzesfassung vermittelt allerdings nur einen unvollkommenen Eindruck des vom Gesetzgeber angestrebten Umfangs der Reform. Dieser wird erst aus der eingehenden Begründung zum Gesetzesentwurf45 und dem damit im wesentlichen übereinstimmenden Bericht des 44 45

BGBl. I, 373. BT-Drucks. II/481.

84

C. Steuerrecht

Ausschusses für Finanz- und Steuerfragente deutlich. Hieraus ergibt sich, daß man in entscheidenden Punkten über den Rahmen der bisherigen Diskussion hinausgehen wollte. Während das Urteil vom 18. 9. 195247 noch darauf beruhte, daß untragbare Unbilligkeiten bei der Besteuerung von Veräußerungsrenten (allgemeiner: entgeltlichen Renten) aufgetreten waren, sollten jetzt entgeltliche und unentgeltliche Leibrenten gleichermaßen entlastet werden. Zu dieser Erweiterung findet sich lediglich der Hinweis, daß die Einbeziehung der unentgeltlich erworbenen Leibrenten zwar nicht wirtschaftlich, aber aus systematischen Gründen geboten sei". Da es auf die Aufwendungen für die Begründung der Rentenansprüche nicht ankommen sollte, wollte man auch Sozialversicherungsrenten erfassen, die schon damals nur zum Teil auf eigenen Beitragsleistungen des Berechtigten beruhten. Weil mit der Neuregelung Sozialrenten in der Regel nicht der Besteuerung unterlägen, könne auch der bisherige Freibetrag von 600,- DM für Soziaiversicherungsrenten (§ 3 Nr. 4 EStG 1951) entfallen. An der Neuregelung des § 22 Nr. 1 Buchst. a EStG fällt auf, daß die bisherige Aufzählung von "a) vererbliehen Renten, b) Leibrenten, Leibgedinge, Zeitrenten und andere vererbliche Renten" nicht mehr anzutreffen ist. Das neue Recht stellt dem Oberbegriff "wiederkehrende Bezüge" nur die besonders behandelte Leibrente gegenüber. Obwohl hinsichtlich der begrifflichen Differenzierung eher ein Rückschritt festzustellen ist, wird aus den Gesetzesmaterialien der Anspruch erkennbar, das bisher diskutierte "Rentenproblem" insgesamt legislatorisch zu lösen. Man ging offenbar davon aus, die bisherigen Unterscheidungen könnten zu diesem Zweck in der Weise aufgelöst werden, daß den voll zu versteuernden sonstigen wiederkehrenden Bezügen nur die teilweise zu besteuernden Leibrenten gegenüberzustellen seien. Man glaubte etwa auf eine Sonderregelung der gleichfalls problematischen41 Zeitrenten verzichten zu können, da die Rechtsprechung diese Rentenart wohl gar nicht mehr anerkennen werde50• Ob der Entwurf die in der bisherigen Gesetzesfassung aufgezählten Leistungsformen den Leibrenten oder den sonstigen wiederkehrenden Bezügen zurechnet, wird nicht BT-Drucks. II/961. (o. Fußn. 1), BStBl. III 1952, 290 ff. 48 BT-Drucks. II/481, 87. 48 Vgl. etwa RFH, Urt. v. 11. 1. 1928- VI A 867/27 -, RStBl. 1928, 97, 98. 50 BT-Drucks. II/481, 88; hierzu gab etwa die Entscheidung des RFH vom 27. 1. 1941 - IV 157/43 -, RStBl. 1944, 363 Anlaß; s. aber schon Brockhoff, DStZ/A 1954, 399, 402, der in diesem Punkt die Begründung zum Regierungsentwurf relativiert. Danach soll die Behandlung der Zeitrenten nach dem Willen des Gesetzgebers der Rechtsprechung überlassen sein; ähnlich auch Lantau, BB 1955, 695, 697; ebenso nunmehr BFH, Urt. v. 25.11. 1980 - VIII R 71/76-, BStBl. li 1981, 358 f. 41

47

III. Hintergrund der Ertragsbesteuerung nach § 22 Nr. 1 Buchst. a EStG

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ganz klaz.li1• Jedenfalls geht der Bericht des Finanzausschusses ohne weiteres davon aus, daß in der Regierungsvorlage die verschiedenartigen Renten nunmehr unter dem Begriff der "Leibrente" zusammengefaßt seien62• b) Die Neuregelung als Weiterentwicklung der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 18. 9.1952

Obgleich schon in den Gesetzesmaterialien der Anwendungsbereich der Neuregelung unklar erscheint, herrschte im übrigen offenbar die Überzeugung vor, nunmehr ein Patentrezept für die einkommensteuerliehe Behandlung von wiederkehrenden Leistungen gefunden zu haben. Man wollte dem Grundgedanken des Urteils des Bundesfinanzhofs vom 18. 9. 1952 folgen und Kapitalrückzahlungen (oder allgemeiner: Vermögensumschichtungen) einkommensteuerfrei lassen. Die schlichte Verrechnung mit nachfolgender voller Besteuerung und Abzugsfähigkeit (so der Bundesfinanzhof) sollte jedoch durch ein ausgefeiltes und doch praktikables Verfahren ersetzt werden. Dabei waren insbesondere die bisher diskutierten versicherungsmathematischen Lösungsansätze63 eingeflossen. Indem der Gesetzgeber die mittlere Lebenserwartung des Berechtigten zugrunde legte, führte er die lebenslängliche Rente auf eine zeitlich bestimmte Laufzeit ( = Zeitrente)54 zurück. Damit konnten die Gesamtleistungen errechnet werden. Durch AbzinsungM war auch der Kapitalwert sämtlicher Rentenleistungen zu ermitteln. Der Abzinsungsbetrag entsprach wiederum dem auf die Gesamtlaufzeit entfallenden Zinsanteil, den man im Gegensatz zum Kapitalanteil besteuern wollte. Finanzmathematisch gesehen verändert sich freilich das Verhältnis der beiden Anteile in den Einzelleistungen während der gesamten Laufzeit50 • Zu Beginn der Zahlungen muß das ganze oder noch kaum zurückgezahlte Kapital verzinst werden, so daß sich ein relativ großer Zinsanteil ergibt. Mit der Zeit verringert sich durch die ausgezahlten Kapitalanteile der noch zu verzinsende Betrag. Der Zinsanteil sinkt immer mehr und geht schließlich gegen Null. Diesen finanzmathematisch st s. insb. BT-Drucks. II/481, 85. 62

BT-Drucks. II/961, 4.

Apel, NeumannsZ 1938, 692 f. sowie 807 f. und wieder NB 1953, 74 f.; Helling I Fischer, FR 1949, 331, 332; Hagedorn, NB 1953, 31 f. 53

64 Die hieraus wieder abzuleitende Besteuerung der Zeitrente nach dem Ertragsanteil lehnt der BFH nun aber ab und spricht sich für die volle Besteuerung aus (Urt. v. 25. 11. 1980 - VIII R 71/76 -, BStBl. Il 1981, 358 f.). 66 s. hierzu die finanzmathematische Einführung von Rose, StbJb 1973/74, 301, 306 ff. 51 Zur Berechnung der jeweiligen Zinsrate Apel, NeumannsZ 1938, 692; Riepl, WPg 1950, 172, 317, 319; Heider, 5.148 ff.; Biergans I v. Stotzingen, S. 40; vgl. auch schon RFH, Urt. v. 10. 2. 1932 - VI A 1323/30 -, RFHE 21, 25.

C. Steuerrecht

86

richtigen degressiven Verlauf wollte man jedoch aus Vereinfachungsgründen steuerlich nicht nachvollziehen. Als praktikable Lösung bot sich an, das Verhältnis sämtlicher Kapitalanteile zu sämtlichen Zins"'anteilen auf alle Einzelleistungen zu beziehen. Hierdurch wurde zwar die degressive Entwicklung vernachlässigt, aber schließlich ergab sich doch annähernd das finanzmathematisch richtige Gesamtergebnis. Eine weitere Vereinfachung folgte ferner daraus, daß man pauschal einen Zinssatz von 4 °/o festsetzte. Damit war für jede Laufzeit der durchschnittliche Zins- und Kapitalanteil zu errechnen und in einer Tabelle darzustellen57• Um die Anwendung für die Praxis zu erleichtern, hat man schließlich noch die Sterbetafel eingearbeitet58• Statt auf die voraussichtliche Dauer der Leistungen abzustellen, konnte man damit jeder einmalig bei Beginn der Leistungen zu bestimmenden Altersstufe59 einen durchschnittlichen Zins- oder Ertragsanteil zuordnen, der während der Gesamtlaufzeit konstant blieb. Das Ergebnis dieser Bemühungen ist die Tabelle, die geringfügig modifiziert80 noch in der geltenden Fassung des § 22 Nr. 1 Buchst. a EStG zu finden ist. Mit steigendem Eintrittsalter reduziert sich die voraussichtliche Laufzeit. Das Kapital wird also während eines kürzeren Zeitraums ausgeschüttet, so daß der in der Tabelle wiedergegebene Ertragsanteil sinkt. Auch wenn dieses neue Verfahren mit einem furchterregenden mathematischen Aufwand vorgestellt wurde81 , scheint seine Grundstruktur der in der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 18. 9. 1952 vorgeschlagenen Lösung zu entsprechen. Die Weiterentwicklung kann man vergröbernd damit umschreiben, daß die Trennung in zwei zeitlich 57 Diese Form der Regelung geht wohl auf einen Vorschlag von Heubeck, BB 1954, 497 zurück. ss Es wurde die Deutsche Sterbetafel 1949/51 für männliche Personen gewählt. 58 Dazu jetzt BFH, Urt. v. 30. 9. 1980 VIII R 13/79 -, BStBl. Il 1981, 155 ff. eo Durch Gesetz v. 22. 12. 1981 (BGBl. I, 1857) wurde die Tabelle geändert. 81 Nach Lantau, BB 1955, 695, 696 wurden die Tabellenwerte nach der Formel

E = 100 (1 - .

(R

= Jahresrentenbetrag;

v

=

R [

~+

vz (n- z)

nR

1

1

+ __4_

; z

l

)

= der nächstliegende niedrigere ganze Termin)

100 errechnet. Ähnlich G. Heubeck, BB 1954, 497, 498, der allerdings von einem

finanzmathematisch anspruchsvolleren Modell ausgeht. Er will unabhängig von der Kapitalrückzahlung den Ertragsanteil ermitteln und bei der Durchschnittsberechnung die Lebenserwartung einbeziehen. Es fällt auf, daß Heubeck auf dieser Grundlage zu erheblich abweichenden Tabellenwerten kommt.

IV. Die gegenwärtige einkommensteuerliche Problematik

87

hintereinanderliegende Besteuerungsphasen zu einer einheitlichen Behandlung während der Gesamtlaufzeit aufgelöst werden sollte. Während vorher die zeitliche Trennung zu einer Aufspaltung der Gesamtbezüge geführt hatte, wurde diese nun auf die Einzelleistungen projiziertu, bei denen sich damit steuerfreie und steuerpflichtige Anteile ergaben.

IV. Die gegenwärtige einkommensteuerliche Problematik als Folge der Reform von 1954 Der auf den ersten Blick "große Wurf" des Gesetzgebers schien denjenigen Unrecht zu geben, die eine gesetzgeberische Lösung des komplexen "Rentenproblems" als unmöglich bezeichnet hatten'. Sehr bald zeigte sich jedoch, daß die gesetzliche Regelung die Diskussion keineswegs beruhigen konnte, sondern diese sogar wieder neu entfachte. Schon kurz nach seinem Inkrafttreten entstand ein Streit um den Inhalt des Gesetzes1 • Bald wurde auch der Ruf nach einer Änderung3 oder sogar nach der Rückkehr zum status quo ante laut'. Die Kritik entzündete sich nicht an dem Verfahren, mit dem die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs weiterentwickelt wurde. Abgesehen davon, daß dessen finanzmathematischer Einschlag sicherlich immuni.,. sierend wirkte, war anzuerkennen, daß offensichtliche Nachteile der schlichten Verrechnung ausgeräumt waren. Man stieß sich auch nicht an der eingeführten Pauschalierung wie z. B. der Annahme einer durchschnittlichen Lebensdaue~. Insbesondere nach den heutigen Erfahrungen mit Hochzinsphasen erscheint ferner nicht unbedenklich8 , daß man generell einen Zinssatz von 4 °/o zugrunde legte, ohne die vertraglich getroffene Zinsabrede zu berücksichtigen7 • Gingen etwa die Parteien bei der Berechnung einer Leibrente von einem Zinsfuß von 8 Ofo aus8, führte die auf 4 °/o lautende Pauschalierung zu einer Steuerbefreiung um die Hälfte. Immerhin hat die ab 1. 1. 1982 geltende Fassung der Tabelle mit 81 1 1 3 4

5

Gronenborn, StbJb 1955156, 191, 208. Hoffmann, BB 1953, 285, 286 ; Theis, DB 1953, 89, 90. Flume, DNotZ 1955, 115, 122; ders., DB 1955, 833; Brockhoff, FR 1956, 53. Oswald, FR 1955, 273, 275. Littmann, FR 1955, 81, 83. s. im Gegenteil die insoweit lobende Stellungnahme von Hartz, Steuer-

Kongreß-Report 1964, 98, 116. 8 Rose, StbJb 1973174, 301, 309 Fußn. 18; vgl. auch die Berechnungen bei G. Heubeck I K . Heubeck, DNotZ 1978, 643, 648. 7 s. aber die Anregung von Heister, Steuer-Kongreß-Report 1969, 457, 475. 8 Vgl. etwa Schneider I Schlund I Haas, S. 19, die eine Orientierung am allgemeinen Kapitalmarkt empfehlen.

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C. Steuerrecht

der Erhöhung des Zinssatzes auf 5,5 °foD hier eine gewisse Abhilfe geschaffen. Abgesehen von dem Ärgernis, daß erneut längerfristig angelegte Verträge von einer unerwarteten steuerlichen Beurteilung erfaßt wurden10, bot die Neuregelung aber durchaus Zündstoff für kritische Auseinandersetzungen. Vor allem aus heutiger Sicht sieht man die Erfahrung bestätigt, daß ein neu in Kraft getretenes Gesetz zwar immer einige alte Streitfragen erledigt, in aller Regel aber neue {und vielleicht sogar mehr)11 aufwirft. Tatsächlich ist in diesem Fall die Wurzel bis heute andauernder Kontroversen darin zu finden, daß der Gesetzgeber 1954 den Rahmen der bisherigen Diskussion verlassen und neue wenig ausgereifte Überlegungen eingeführt hat. Im nachhinein lassen sich zwei neuralgische Punkte ausmachen, die jeweils zu mehr oder weniger intensiv diskutierten und praktisch relevanten Problemkreisen geführt haben. Diese sollen im folgenden näher betrachtet werden. 1. Die Abkehr von der Ermittlung der "Nettoeinkünfte"

Noch in der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 18. 9. 1952n hatte der Gedanke im Vordergrund gestanden, Kapitalrückzahlungen von der Einkommenbesteuerung auszunehmen. Auch wenn die Reform erklärtermaßen13 dieser Zielsetzung folgte, führte sie doch von dieser Überlegung weg und beruhte letztlich auf ganz anderen Prinzipien14• a) Die nur lückenhafte Oberwindung der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs durch den Bundesfinanzhof

Der Bundesfinanzhof hatte noch die Absicht verfolgt, auch für die wiederkehrenden Bezüge im Sinne des § 22 Nr. 1 EStG 1951 sicherzustellen, daß die Einkünfte im wirtschaftlichen Ergebnis als Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten{§ 2 Abs. 4 Nr. 2 EStG 1951) ermittelt werden konnten. Im übrigen galt nach wie vor, daß periodisch wiederkehrende Bezüge nur wegen ihrer Leistungsform einkommensteuerpflichtig waren. Dies wird etwa dann augenfällig, wenn man die Grundsätze der Rechtsprechung auf einen Fall anwendet, in dem der Rentenberechtigte wider alle statistisch belegten Erwartungen s. oben C. III. Fußn. 60. Flume, DNotZ 1955, 115, 132; ders., DB 1955, 833, 834; s. hierzu die Übergangsregelung in §§ 28, 25 EStDV 1955; ferner BFH, Urt. v. 12. 2. 1960 - VI 176/59-, BStBI. III 1960, 174. 11 Kötz, NJW 1979, 785. 11 (o. C. III. Fußn. 1) BStBI. III 1952, 290 ff. 13 BT-Drucks. II/481, 86. 14 s. schon Hoffmann, FR 1956, 512, 514; ders., FR 1956, 107. 8

1o

IV. Die gegenwärtige einkommensteuerliche Problematik

89

ein unerwartet hohes Alter erreicht. Wenn sich hierdurch insgesamt ein überhöhter Kaufpreis ergäbe, käme der Form des Zuflusses entscheidende Bedeutung zu. Als einmalige Leistung wäre dieser Vermögenszuwachs, sieht man von dem Sonderfall des § 23 EStG ab, nicht einkommensteuerpflichtig. Bei wiederkehrenden Bezügen wäre der Fiskus dagegen nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs an dem in Rentenform geleisteten Gewinn beteiligt gewesen. Die Frage der systemfremden15 Besteuerung eines Veräußerungsgewinns erhält bei näherer Betrachtung sogar noch ein wesentlich größeres Gewicht. Es war nämlich durchaus offen geblieben, ob die vom Bundesfinanzhof vorgeschlagene Verrechnung nicht generell bei wiederkehrenden Leistungen zu einer Versteuerung des Veräußerungsgewinnes geführt hätte16. Immerhin finden sich Anhaltspunkte17 dafür, daß der Wert von Immobilien mit den durch die AfA geminderten Anschaffungs- und Herstellungskosten in die Verrechnung eingehen sollte. Damit hätte sich in vielen Fällen die Wende in der Rechtsprechung für den Rentenberechtigten keineswegs so günstig ausgewirkt, wie es zunächst den Anschein haben mochte18. Im Rahmen der sonstigen Einkünfte nach§ 22 Nr. 1 EStG 1951 wäre es immerhin bei dem Unikum einer Wertzuwachsbesteuerung geblieben19. b) Die weitgehende Ausfüllung der Lücken durch die Reform von 1954

Ganz anders stellen sich die angesprochenen Punkte aus der Sicht der Neuregelung dar. Die Verzerrungen, die sich bei der groben Verrechnung ergeben mußten, wenn Abweichungen von der statistischen Lebensdauer auf16 Zum geltenden System: Tipke, Steuerrecht, 4. 4274, S.190, 191; Döring, S. 9 ff.; Kobs, S. 164 ff.; Lang, S. 152 ff.; Marder, S. 3 ff.; Ebnet, S. 91 ff.; Merkenich, S. 58 ff.; wegen des Bezuges zu den Einkommenstheorien vgl. Fasselt, S. 4 ff. 16 Vogt, WPg 1953, 12, 13; Grieger, DStZ/A 1953, 45, 47; Gronenborn, StbJb 1952, 103, 114, 115; Clarenz, S. 46, 47; Laux, S. 59, 60. 17 In der grundlegenden Entscheidung vom 18. 9. 1952 konnte offenbleiben, wie die Gegenleistung zu bewerten war, da es sich um einen Geldbetrag handelte. In dem Urteil des FG Düsseldorf (o. C. III. Fußn. 15), auf das sich der BFH stützte, war nur der "Buchwert" des veräußerten Grundstücks in die Verrechnung eingestellt worden. Nach Korn, DNotZ 1953, 588, 594 ist der BFH in einer wohl nicht veröffentlichten Entscheidung vom 5. 9. 1952 ebenso verfahren. Nach Inkrafttreten der Neuregelung ist der BFH dagegen in den nach der alten Rechtslage zu entscheidenden Fällen von dem gemeinen Wert ausgegangen, der zudem mit dem Kapitalwert der Rente gleichgesetzt wurde: BFH, Urt. v. 15. 2. 1957 -VI 150/55 -, BStBl. III 1957, 134, 135. 18· Hierauf hatte insbesondere Korn, DNotZ 1953, 588, 594 hingewiesen, der vor allem die noch nachteiligere Heranziehung des Einheitswerts abwenden wollte; ferner Theis, DB 1953, 89, 91 und "Steuerliche Hinweise" o. Verf., DB 1953, 584, 585. 18 Clarenz, S. 45, 46; Heider, S. 173.

C. Steuerrecht

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traten, sind wesentlich abgemildert. Bei einer verkürzten Laufzeit ist zwar der Ertragsanteil zu hoch bemessen, der Steuerpflichtige bezieht jedoch gleichwohl den allerdings zu niedrigen Kapitalanteil steuerfrei. Wird die durchschnittliche Lebenserwartung überschritten, ist zwar der Ertragsanteil zu niedrig angesetzt. Der Fiskus partizipiert aber wenigstens mit diesem Ertragsanteil an den statistisch nicht vorgesehenen Leistungen. Die Neuregelung, die den Kapitalwert der Leistungen unab~ hängig von der Höhe der Gegenleistung steuerfrei läßt, schließt auch eine versteckte Wertzuwachsbesteuerung aus. Gegenüber den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs besteht also von vomherein nicht die Gefahr eines Systembruchs. Auf den zweiten Blick kann nicht verwundern, daß die Neuregelung systemkonform erscheint. § 22 Nr. 1 EStG 1955 lehnt sich nämlich sehr eng an die in § 20 EStG geregelte Einkunftsart (Einkünfte aus Kapitalvermögen) an. Hier wie dort werden die Erträge aus einem tatsächlich vorhandenen(§ 20 EStG) oder fiktiven20 (§ 22 Nr. 1 Buchst. a EStG 1955) Kapitalstock einkommensteuerlich erfaßt. Die Anlehnung an eine "klassische" Einkunftsart macht noch einmal deutlich, daß die Reform auf ganzer Linie möglichst weit von der reichsgerichtliehen Rechtsprechung abrücken wollte, nach der allein die Leistungsform die Besteuerung wiederkehrender Bezüge i. S. des § 22 Nr. 1 EStG gerechtfertigt hatte. c) Konfliktstoff aus der Einbeziehung unentgeltlicher Leibrenten

aa) Modeme Bestrebungen zur "Reform der Reform" Nach der Schilderung dieser positiven Aspekte mag es fernliegend erscheinen, daß gerade in den dargestellten Abweichungen von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs der Konfliktstoff für zukünftige Auseinandersetzungen verborgen war. Am ehesten wird dies deutlich, wenn man sich vor Augen hält, in welche Reformvorschläge die damit ausgelöste über zwanzigjährige Diskussion eingeflossen ist. Der von dem rheinland-pfälzischen Finanzminister Gaddum vorgelegte Diskussionsentwurf eines vereinfachten Einkommensteuergesetzes (veröffentlicht als Diskussionsentwurf der Arbeitsgruppe Finanzen bei der Vertretung des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund) sieht § 22 Nr. 1 Buchstabe a EStG in folgender Fassung vor: ... a) Leibrenten insoweit, als sie über die zum Erwerb des Rentenrechts aufgewendeten Beträge hinausgehen; dabei sind die aufgewendeten Beträge gleichmäßig auf die voraussichtliche Laufzeit der Rente zu verteilen.

° Kritisch zu den Fiktionen in §

2

22 EStG: Meßmer, StbJb 1978/79, 64, 101.

IV. Die gegenwärtige einkommensteuerliche Problematik

91

Von dem verfeinerten Verrechnungsmodus abgesehen, erscheint wieder das Grundmuster der höchstrichterlichen Rechtsprechung vor der Reform von 1954. Dieser Diskussionsbeitrag kann jedoch nicht als unüberlegter Rückfall in längst überwundene Vorstellungen abgetan werden. Sowohl das Gutachten zur Reform der direkten Steuern von 196721 als auch das Gutachten der Steuerreformkommission von 1971 22 enthalten nämlich ähnliche Vorschläge. Das Gutachten der Steuerreformkommission spiegelt allerdings die verschiedenen Differenzierungen wieder, die sich mittlerweile in dem angesprochenen Bereich herausgebildet haben. Die Kommission plädiert nämlich dafür, Renten aus der Sozialversicherung weiterhin nur mit dem Ertragsanteil zu besteuern23 • Das Gutachten führt dabei vor allem auch sozialpolitische Gründe an und läßt den Gedanken nicht gelten, daß nur der Kapitalrückfluß steuerfrei bleiben sollte. Es wendet sich sogar gegen die Vorschläge, die für Veräußerungsrenten mit äquivalenter Gegenleistung fordern, zu einer verfeinerten Verrechnung zurückzukehren2'. Allein die privaten Versorgungsrenten, die zwar primär der Versorgung des Berechtigten dienten, aber doch mit einer gewissen Gegenleistung verknüpft sein könnten, sollen nach dem Willen der Steuerreformkommission anders als bisher besteuert werden. Nur hier hält sie es für gerechtfertigt, die wiederkehrenden Bezüge mit einem etwaigen Gegenwert zu verrechnen25 • Von den Besonderheiten der Sozialversicherungsrente abgesehen, verfolgt dieser Reformvorschlag also auch den Gedanken, zwischen entgeltlichen und unentgeltlichen wiederkehrenden Bezügen zu unterscheiden. Diese Feststellung gilt in noch stärkerem Maße für die Überlegungen, die Heister zu einer Reform anstelJt28 • Er legt selbst dar, daß die Unterscheidung von entgeltlichen und unentgeltlichen wiederkehrenden Leistungen einen Grundgedanken seiner Überlegungen bilde 27• Nach seiner Vorstellung sollen die unentgeltlichen wiederkehrenden Bezüge Wiss. Beirat, Gutachten Direkte Steuern, S. 22. Steuerreformkommission, Gutachten ESt, LSt II, Rdnr. 415. 23 Steuerreformkommission, Gutachten ESt, LSt li, Rdnr. 363. Die Kommission strebt allerdings an, Altersbezüge aus Vorsorgevermögen einheitlich zu behandeln. Sie schließt also die Versorgungsbezüge der Beamten und auch sonstige Altersbezüge in ihren Vorschlag ein; s. dazu im einzelnen Rdnr. 362-383. 24 Steuerreformkommission, Gutachten ESt, LSt II, Rdnr. 413. 25 Steuerreformkommission, Gutachten ESt, LSt U, Rdnr. 415. 11 Heister, Steuer-Kongreß-Report 1969, 457 ff. Es handelt sich . hierbei um das Ergebnis der Ausschreibung eines Steuerreformvorschlags, die das Deutsche wissenschaftliche Steuerinstitut der Steuerbevollmächtigten alljährlich vornimmt. Die Arbeit von Heister wurde als Steuerreformvorschlag 1969 mit dem zweiten Preis ausgezeichnet. 27 Heister, Steuer-Kongreß-Report 1969, 457, 466, 468. 21

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aus der Besteuerung nach dem Ertragsanteil herausgenommen werden. Er rechtfertigt dies damit, daß unentgeltliche wiederkehrende Leistungen keinen Zinsanteil "haben" 28• Heister greift dafür auf eine wirtschaftswissenschaftliche Definition des Zinses zurück, nach der es sich um ein Entgelt für geleisteten Konsumverzicht handele. Es versteht sich von selbst, daß Heister anband dieser Begriffsbestimmung zu dem Ergebnis kommen muß, daß der Bezieher einer unentgeltlichen Rente keinen Zinsanteil erhält. Heister zieht aus diesen Überlegungen aber nicht den naheliegenden Schluß, daß somit unentgeltliche wiederkehrende Bezüge weder steuerpflichtig noch abzugsfähig sein dürften. Während er bei entgeltlichen Leistungen nur den Zinsanteil für einkommensteuerlich relevant hält, tritt er bei fehlendem Entgelt für die volle Besteuerung und den vollen Abzug als Sonderausgaben ein29 • Heister stützt sich dabei auf allgemeine Erwägungen zur Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und auch auf soziale Gesichtspunkte. Er treibt somit die Unterscheidung zwischen entgeltlichen und unentgeltlichen wiederkehrenden Bezügen so weit, daß er in beiden Fällen denkbar unterschiedliche Vorstellungen zur Besteuerungswürdigkeit wiederkehrender Leistungen verfolgt. bb) Die Haltung der Rechtsprechung Schon die vorgestellten Reformvorschläge deuten darauf hin, daß die Einbeziehung der unentgeltlichen Leibrenten eher skeptisch aufgenommen worden ist. Dies kann nicht verwundern, wenn man sich vergegenwärtigt, worin der Bundesfinanzhof seinerzeit den Hauptgrund für die Schwierigkeiten gesehen hatte, die die gesetzliche Regelung aus der Zeit vor 1955 der Rechtsprechung stellte. Die Problematik, die man mit der Entscheidung vom 18. 9. 1952 lösen wollte, sollte sich nämlich gerade aus der gesetzlichen Zusammenfassung von entgeltlichen und unentgeltlichen Renten ergeben30• So wird verständlich, daß die erste Entscheidung des Bundesfinanzhofs zur Besteuerung unentgeltlicher Leibrenten31 nach § 22 Nr. 1 Buchst. a EStG 1955 eine gewisse Befremdung erkennen läßt. Der sechste Senat weist darauf hin, daß sich die Rechtsprechungsänderung nur auf (entgeltliche) Veräußerungsrenten bezogen habe. Deshalb hätte es nahe gelegen, im Steuerneuordnungsgesetz 1954 nur die Behandlung der Veräußerungsrente neu zu regeln. Die Entscheidung führt weiter aus, daß die gesetzliche Gleichstellung von entgelt28 18

Heister, Steuer-Kongreß-Report 1969, 457, 467. Heister, Steuer-Kongreß-Report 1969, 457, 479 ff.; Heister bekennt je-

doch offen, daß hierin ein Systembruch liegt. 30 BFH (o. C. 111. Fußn. 21), BStBl. 1953, 105. 31 BFH, Urt. v. 7. 8. 1959 - V I 284/58 -, BStBl. 111 1959, 463, 464.

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lieh und unentgeltlich eingeräumten "Rentenrechten" zu wirtschaftlich nicht überzeugenden Ergebnissen führen könne. Nach dieser ungewöhnlich deutlichen Kritik an der gesetzlichen Regelung kommt das Urteil jedoch zu dem Schluß, die angestellten Erwägungen seien nicht geeignet, die unentgeltlichen Leibrenten aus dem Anwendungsbereich der §§ 22 Nr. 1 Buchst. a und 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1955 herauszunehmen. Es handele sich um Fragen der Steuerpolitik und der Zweckmäßigkeit der gesetzlichen Regelung. Der sechste Senat kann aber der gesetzlichen Regelung nur insoweit einen Sinn abgewinnen, als der Gesetzgeber "offenbar nur des Vereinfachungszwecks wegen auch bewußt nicht zwischen entgeltlich und unentgeltlich erworbenen Renten unterschieden (hat)". cc) Die literarische Diskussion Einen ähnlichen Ansatz wie die Entscheidung des sechsten Senats vom 7. 8. 1959 verfolgt die Kritik von Hartz31• Hartz vermag der Gleichbehandlung von unentgeltlichen und entgeltlichen Leibrenten nur den Sinn abzugewinnen, daß der Gesetzgeber eine Typisierung vorgenommen habe. Diese Typisierung hält Hartz freilich für unangemessen, weil sie wesentliche Unterschiede beider Rentenformen außer Betracht lasse. Aus diesem Blickwinkel scheint es sich lediglich darum zu handeln, inwieweit der Gedanke der Vereinfachung sich bei der Besteuerung unterschiedlicher Lebenssachverhalte durchsetzen kann. Ein sachlich begründetes Konzept für die Gleichbehandlung entgeltlicher und unentgeltlicher Leibrenten ist nicht mehr erkennbar. Andere literarische Stimmen versuchen durchaus, sich mit dem Sinn der Neuregelung jenseits bloßer Vereinfachungstechnik auseinanderzusetzen. Aus der Sicht des Jahres 1962 stellt etwa Nuding umfassend die Diskussion um die Besteuerung unentgeltlicher Renten dar33• Bemerkenswert ist dabei seine FeststellungM, die gesetzliche Neuregelung habe eine eigenartige Mischung von Fort- und Rückschritt gebracht. Nach Nuding war die formale Betrachtung des Reichsfinanzhofs den unentgeltlichen Renten gerecht geworden und hatte die entgeltlichen Renten sachwidrig behandelt. Dagegen habe die Neuregelung dieses Verhältnis gerade umgekehrt35• Nuding30 strebt letztlich eine Auslegung des § 22 Nr. 1 Buchst. a EStG an, die nur Leibrenten einbezieht, denen zwar nicht unbedingt eine synallagmatische Gegenleistung, aber im Rahmen einer "Doppelschenkung"37 ein gewisser Vermögenswert

Hartz, Steuer-Kongreß-Report 1964, 98, 116; ders., StbJb 1965/66, 75, 78. S. 175 ff.; ferner Schober, S. 83 ff. a' Nuding, S. 78. ss So auch schon Hoffmann, BB 1953, 285, 286. 31 Nuding, S. 185. 31

ss Nuding,

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gegenübersteht. Er begründet seine Auffassung vor allem damit, daß der Gesetzgeber an den Fall der gänzlich unentgeltlichen Leibrente nicht gedacht habe. Nach Littmann38 spricht der aleatorische Charakter der unentgeltlichen Leibrente schon de lege lata für die Vollbesteuerung beim Berechtigten und den Vollabzug beim Verpflichteten. Er vertritt die Auffassung, daß alle Versuche verfehlt seien, die Rente in eine Vermögensrückzahlung umzudeuten. Die Stellungnahme bei Herrmann I Heuer ist eher unentschieden. EinmaP9 finden sich kritische Einwände gegen das gesetzgebensehe Konzept, während an anderer Stelle40 nur der Vereinfachungsgedanke als mögliche Rechtfertigung herangezogen wird. Schließlich soll aber doch ein Vergleich zur Vermögensbesteuerung für eine einheitliche Behandlung sprechen. Schon dieser Überblick zeigt, daß die Diskussion vor allem deswegen schwer durchschaubar geworden ist, weil immer wieder der Vereinfachungsgedanke eine nicht näher reflektierte Rolle spielt. Die gegensätzlichen Standpunkte erschließen sich daher am ehesten, wenn man auf die Kritik Flumes zurückgreift, die dieser der Neuregelung schon unmittelbar nach ihrem Inkrafttreten entgegengehalten hat. Der Beitrag Flumes über die Besteuerung der Renten aus dem Jahre 195541 spiegelt auch noch. aus heutiger Sicht am deutlichsten die Ursachen des Spannungsverhältnisses wider, das zwischen der gesetzlichen Regelung und einer naheliegenden wirtschaftlichen Betrachtung herrscht. Flume sieht in der Neuregelung "absurde Vorstellungen" 42 verwirk-

licht, die es durch eine "sachlogische Auslegung" zu eliminieren gelte. Er richtet sein Augenmerk vor allem darauf, wie sich die gesetzliche Regelung auf die Abzugsmöglichkeit beim Zahlungsverpflichteten auswirkt. Für die entgeltliche Veräußerungsrente begrüßt er, daß der Gesetzgeber das von der Rechtsprechung angewandte Verrechnungsverfahren weiterentwickelt habe. FZume wendet sich aber in ungewöhnlich scharfer Form dagegen, daß die verkürzte Abzugsfähigkeit unabhängig davon gelten soll, ob der Verpflichtete einen Gegenwert erhalten hat oder nicht. Er mißt insoweit die Neuregelung am Maßstab des Urteils des Bundesfinanzhofs vom 18. 9. 1952, das noch auf eine 37 Es handelt sich vor allem um die noch näher zu behandelnden Fälle vorweggenommener Erbfolge. Insb. die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs geht dabei nicht von einem synallagmatischen Leistungsverhältnis, sondern von wechselseitigen Schenkungen aus; vgl. etwa BFH, Urt. v. 16. 9. 1965- IV 67161 - , BStBl. 111 1965, 706, 708 a. E. 38 Littmann, EStR, §§ 22, Rdnr. 59. 39 Herrmann I Heuer, ESt, KSt, § 22 EStG Anm. 26. 40 Herrmann I Heuer, ESt, KSt, § 22 EStG Anm. 46. 41 Flume, DNotZ 1955, 115 ff.; ders., DB 1955, 833 f. 41 Flume, DNotZ 1955, 115, 123.

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wirtschaftlich "richtige" Ermittlung der Einnahmen und Ausgaben abgezielt hatte. Die Grundlinie, die den Gedankengang FZumes bestimmt, läßt sich mit einer paradox klingenden Aussage umreißen. Der durch die Reform von 1954 verwirklichte Gedanke, daß es nicht auf die Höhe der erbrachten Gegenleistung ankommen solle, ist aus seiner Sicht nur solange plausibel, als tatsächlich eine vom Verkehr als annähernd äquivalent beurteilte Gegenleistung vorliegt. Andernfalls scheint FZume die noch ältere Vorstellung43 eher einzuleuchten, wiederkehrende Bezüge seien allein wegen ihrer Leistungsform "besteuerungs-" und "ab-' zugswürdig". So läßt sich auch die bis zur Gegenwart vorherrschende kritische Tendenz erklären, die einerseits die geschilderten Vorteile akzeptiert, die sich aus der gesetzlichen Regelung ergeben, weil unabhängig von Art und Höhe der Gegenleistung der Kapitalwert der Leibrente steuerfrei bleibt. Die an sich konsequente Fortsetzung dieses Gedankens, wenn es schon nicht auf die Höhe der Gegenleistung ankomme, müsse die Gegenleistung eben gänzlich unberücksichtigt bleiben, stößt andererseits immer wieder auf Widerstand. FZumes Ausführungen von 1955 bieten gegenüber jüngeren Stellungnahmen den Vorteil, zeitnah und deswegen auch bemerkenswert klar die entscheidende Überlegung anzusprechen, die das in seinen Auswirkungen umstrittene gesetzgeberische Konzept kennzeichnet. In der Hoffnung, die Auswirkungen der Neuregelung noch abwenden zu können", schreibt FZume: " ... Eine solche Argumentation wäre allerschlimmste Begriffsjurisprudenz, die gewissermaßen hypnotisiert wäre von der Vorstellung des ,Rentenstammrechts' als einer Zwangsvorstellung." dd) Das "Rentenstammrecht" als Rechtfertigung für die Gleichbehandlung entgeltlicher und unentgeltlicher Leibrenten

Die Äußerung FZumes zum "Stammrecht" als "Zwangsvorstellung" bezieht sich auf die Begründung zum Steuerneuordnungsgesetz 195445 • Dort findet sich zwar zunächst der Gedankengang, wenn die Besteuerung der Rente nicht mehr von dem Wert der hingegebenen Vermögensgegenstände abhänge, sei es auch erforderlich, die unentgeltlich erworu RFH (o. C. III. Fußn. 4), RStBl. 1930, 578, 579. Vgl. auch Gronenborn, StbJb 1955/56, 191, 214, der ganz selbstverständlich davon ausgeht, daß bei unentgeltlichen Renten eine Spaltung in Ertragsanteil und Kapitalanteil nicht in Betracht komme; dagegen aber Lantau, BB 1955, 695, 696 und vor allem Brockhoff, FR 1956, 53, der die Neuregelung gegen die Angriffe Flumes verteidigt hat. " BT-Drucks. II/481, 87. 44

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benen Leibrenten in gleicher Weise wie die Veräußerungsrente zu besteuern. Im Mittelpunkt dieser Überlegungen steht dann freilich das "Rentenstammrecht", das nach der Regierungsvorlage auch ausdrücklich in das Gesetz aufgenommen werden sollte48 • Die Entwurfsbegründung geht davon aus, daß private Veräußerungsrenten nicht unmittelbar gegen die Hingabe des Vermögenswerts erworben werden47 • Der Vermögensgegenstand werde vielmehr gegen den Erwerb eines "Rentenstammrechts" hingegeben. Die einzelnen Bezüge erhalte der Berechtigte unabhängig von dem Verkauf aufgrund des ihm zustehenden "Stammrechts". Dieses "Stammrecht" und nur dieses "Stammrecht" will der Entwurf als Einkunftsquelle erfassen. Er sieht in dem Erwerb des "Stammrechts" einen einkommensteuerlich irrelevanten Vorgang in der Vermögenssphäre. Aus dieser Sicht erklärt sich die Gleichbehandlung entgeltlicher und unentgeltlicher Renten, da es nur noch auf die Innehabung des "Stammrechts" ankommen kann, das unabhängig von dem Erwerbstatbestand "Erträge abwirft" 48• Der "Verzehr des Rentenstammrechts" selbst bleibt unabhängig von dem zugrundeliegenden Erwerbstatbestand einkommensteuerfrei. In gleicher Weise würdigt der Entwurf die Seite des Zahlungsverpflichteten. Weil die Belastung mit einem "Rentenstammrecht" in der Vermögensebene liege, soll auch der Verpflichtete, der keine oder keine äquivalente Gegenleistung erhalten habe, nur den Ertragsanteil steuermindernd absetzen können4' . Die Entwurfsbegründung geht nicht auf die Frage ein, warum Leibrentenzahlungen überhaupt als Sonderausgaben abzugsfähig sein sollen. Auch zur Änderung des § 9 Nr. 1 EStG, die von Leibrenten nur den Ertragsanteil als Werbungskosten abzugsfähig sein läßt, findet sich keine nähere Erklärung. Es wird nur behaup-. tet, der Abzug der Renten beim Verpflichteten müsse der Besteuerung beim Berechtigten entsprechen. Gerade hieran wird deutlich, wie sehr die Vorstellung vom "Rentenstammrecht", das steuerpflichtige und abzugsfähige Erträge abwirft, seit der Reform von 1954 die einkommensteuerliche Würdigung privater unentgeltlicher oder entgeltlicher Leibrenten bestimmt. 41 Die Formulierung "Erträge des Rentenrechts" statt "des Stammrechts" geht auf eine Empfehlung des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen zurück (BT-Drucks. II/961, 4). Der Grund für diesen Abänderungsvorschlag ist aus dem Protokoll nicht ersichtlich. Man wollte wohl den Entwurf nur redaktionell verbessern. 47 BT-Drucks. II/481, 86. ·48 Kritisch zu dieser Vorstellung Hörstmann, StbJb 1962/63, 147, 171; Hoffmann, Anm. zu BFH, Urt. v. 11. 10. 1963 - VI 278/62 ....;., FR 1964, 63. •u BT-Drucks. 11/481, 86.

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d) Der Sonderfall "Sozialversicherungsrente"

Wie schon ausgeführt wurde50, ergeben sich aus der vergleichsweise milden Besteuerung von Sozialversicherungsrenten Bedenken im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot in Art. 3 Abs. 1 GG. Die vorliegende Untersuchung wird dieser verfassungsrechtlichen Frage nicht weiter nachgehen. Es soll nur herausgearbeitet werden, welche Bezüge sich zur allgemeinen Problematik der Besteuerung wiederkehrender Leistungen ergeben. Immerhin setzt auch eine zutreffende verfassungsrechtliche Beurteilung voraus, daß hierüber Klarheit besteht. aa) Die "Privilegierung" der Sozialversicherungsrenten Die beanstandete "Privilegierung" der Sozialversicherungsrenten ergibt sich daraus, daß sie als sonstige Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen gemäß § 22 Nr. 1 EStG besteuert werden, und zwar als Leibrenten mit dem ErtragsanteiL Die häufig anzutreffende Meinung, es handele sich um eine besondere sozialpolitisch motivierte Entlastung51 ist also aus historischer und systematischer Sicht irrig. Noch weniger trifft die Vorstellung zu, Renten aus der Sozialversicherung seien allgemein von der Einkommensteuer befreit52• Die Sozialversicherungsrenten sind vielmehr eingebunden in das 1954 gründlich reformierte System der Besteuerung wiederkehrender Bezüge i. S. des § 22 Nr. 1 EStG. So besehen rührt die steuerliche Bevorzugung gegenüber anderen Bezügen daher, daß diese zwar auch als Leibrenten beurteilt werden könnten53, aber z. B. als Betriebsrenten oder Beamtenpensionen den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zuzuordnen sind. Das Ausmaß der Entlastung wird augenfällig, wenn man sich vergegenwärtigt, daß der Ertragsanteil für einen vierundsechzigjährigen Berechtigten nach der Tabelle in § 22 Nr. 1 Buchst. a EStG nur 25 °io beträgt. Dies bedeutet etwa, daß er den Grundfreibetrag sowie sonstige Freibeträge und Pauschalen in vierfacher Höhe in Anspruch nehmen kann. Schon im Jahre 1973 konnte ein verheirateter Sozialversicherungsrentner einen Betrag bis zu 29 480,- DM steuerfrei beziehen, während der aktive Arbeitnehmer bei einem gleich hohen Bruttolohn 4414,- DM Einkommensteuer und 441,- DM Kirchensteuer zu zahlen

° C. I. 1. c).

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Vgl. etwa BT-Drucks. 7/2181, 9, nach der die besondere steuerliche Schonung sich aus dem durchschnittlich wesentlich niedrigeren Rentenniveau rechtfertigen soll. 52 So Thieme, DöV 1970, 537, 542 unter Hinweis auf § 2 Nr. 1 b EStG; gemeint ist wohl § 3 Nr. 1 b EStG, der allerdings nur Sachleistungen aus den gesetzlichen Rentenversicherungen betrifft; richtig dagegen Friauf, DStZIA 1974, 51, 55, 56. 53 Vgl. BFH, Urt. v. 29. 1. 1960 VI 202/59 - , BStBI. III 1960, 105. 51

7 Weiter

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hatte5' . In fünf Jahren hat sich der steuerfreie Betrag sogar auf 49 519,- DM erhöht55 und für 1981 war ein Betrag von 56 560,- DM zu errechnen58• Die geradezu explosive Dynamik erklärt sich daraus, daß jede Verbesserung der Sockelfreibeträge und Pauschalen dem Sozialversicherungsrentner gleich vierfach zugute kommt67 • Die Soziaiversicherungsrentner profitieren also in besonderem Maße davon, daß in diesem Bereich eine Anpassung an die Geldentwertung stattfindet. Weitere Verzerrungen ergeben sich dadurch, daß seit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs aus dem Jahre 196658 bei einer Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente und daran anschließendem Altersruhegeld zunächst eine abgekürzte Leibrente i. S. des § 55 Abs. 2 EStDV und dann eine weitere "normale" Leibrente angenommen werden50• Aus der Tabelle zu § 55 Abs. 5 EStDV ergeben sich für die abgekürzte Leibrente i. d. R. sehr niedrige Ertragsanteile80 • Die Aufspaltung hat schließlich für den Rentenberechtigten noch den Vorteil, daß das später einsetzende Altersruhegeld während seiner gesamten Laufzeit nach dem Ertragsanteil versteuert wird, der sich aus dem neu festzustellenden und damit höheren Eintrittsalter ergibt. Aus der Tatsache, daß der Rentenberechtigte in diesen Fällen "zwei Stammrechte verzehrt", ergibt sich im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung eine merkwürdige Abstufung. Diese wird sogar beim einzelnen Rentenbezieher augenfällig, wenn er die Altersgrenze erreicht. Bei gleichbleibenden Bezügen erhöht sich das zu versteuernde Einkommen u. U. auf ein Vielfaches. Diese Verzerrungen bleiben auch nicht deshalb ohne Folgen, weil sie etwa in einem ohnehin steuerfreien Bereich auftreten. Dies gilt schon dann nicht, wenn der Berechtigte noch andere Einkünfte, z. B. aus Vermietung und Verpachtung erzielt. Ferner 54 Klotz, BB 1973, 1569; diese Berechnungen stehen freilich unter dem Vorbehalt, daß die Höhe der Sozialversicherungsrenten nach oben begrenzt ist. 65 Piel, Die Zeit vom 4. 11. 1977, Nr. 46, 25; vgl. auch Bartsch, NJW 1977, 1324, 1325, der für 1977 den Betrag von 43 900,- DM errechnet. 61 Tipke, Steuergerechtigkeit, S. 87 ff.; zu neueren Berechnungen vgl. ferner Schreyer, StuW 1983, 136 ff., K. Littmann, S. 463 und Puhl, DB Beilage Nr. 9/1984, 8. 67 Hierzu kritisch Schreyer, StuW 1983, 136, 139. 68 Urt. v. 7. 12. 1966 VI 269/65 -, BStBl. II 1969, 156 ff.; ferner BFH, Urt. v. 10. 10. 1969- VI R 267/66 - , BStBl. II 1970, 9 ff. 6 ' Abschnitt 167 Abs. 5 EStR; ferner Meyer I Richter, DStR 1969, 172, 173. 80 Die abgekürzte Leibrente zeichnet sich durch zwei Erlöschenstatbestände aus. Wie eine Zeitrente ist sie auf eine bestimmte Zeit begrenzt. Innerhalb dieses Zeitraums erlischt sie aber auch beim Tod des Berechtigten. Hieraus folgt vor allem bei kürzeren Laufzeiten ein wesentlich geringerer Ertragsanteil als bei der Leibrente. Ausgangspunkt ist nämlich der wie bei einer Zeitrente zu ermittelnde Anteil, der sich durch das zusätzliche Risiko frühzeitigen Erlöschens weiter verringert; hieraus folgt für eine voraussichtlich noch fünfjährige Erwerbsunfähigkeitsrente ein Ertragsanteil von 9 %.

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darf man die Auswirkungen nicht unterschätzen, die sich im Bereich staatlicher Transferleistungen ergeben. Immer wenn hier an das zu versteuernde Einkommen angeknüpft wird, bemißt sich die Leistungsfähigkeit nur nach dem Ertragsanteil, so daß dessen Berechnung auch auf sehr niedrigem Niveau von Bedeutung sein kann. bb) Verschärfungen durch die Einführung des Versorgungsausgleichs Neuen Auftrieb hat die Diskussion um die Privilegierung der Soziaiversicherungsrente dadurch erhalten, daß das erste Ehereformgesetz vom 14. 6. 197681 den Versorgungsausgleich eingeführt hat. Diese Regelung läßt nämlich die Grenzen zwischen den verschiedenen Versorgungssystemen zerfließen, deren Besonderheiten gelegentlich plausibel machen konnten, daß jeweils unterschiedliche steuerliche Folgen eintreten62. Das Quasi-Splitting nach § 1587 b Abs. 2 BGB wandelt etwa den auszugleichenden Teil einer beamtenrechtlichen Anwartschaft in eine sozialversicherungsrechtliche Anwartschaft um63. Der Gesetzgeber hat bewußt davon abgesehen8' , die damit verbundenen steuerlichen Konsequenzen in den Versorgungsausgleich einzubeziehen. Deshalb treten nun im Verhältnis der geschiedenen Eheleute besonders augenfällig und konkret die Belastungsunterschiede auf, die bisher eher abstrakt zwischen zwei verschiedenen Versorgungssystemen festgestellt worden sind. Ausgerechnet der geschiedene Ehepartner, der seine Anwartschaft aus der beamtenrechtlichen Versorgung des anderen ableitet, genießt nämlich jetzt regelmäßig Steuerfreiheit und hat deswegen höhere Nettobezüge, die zudem noch an der Dynamik der Sozialrenten teilhaben65. An diesen Befund knüpft sich die Überlegung, zur Steuerersparnis kurz vor der Pensionierung eine Scheidung durchzuführen, um einen Teil der einkommensteuerlich benachteiligten beamtenrechtlichen Anwartschaft umzuwandeln68. Immerhin kann sich daraus für die BGBl. I, 1421; allgemein hierzu z. B. Ruland, NJW 1976, 1713 ff. Tiemann I Ferger, NJW 1977, 2137, 2140. 68 Wegen weiterer Einzelheiten s. Meincke, Steuer-Kongreß-Report 1978, 389, 396 ff.; Biergans, DB 1979, 955, 956; Biergans I v. Stotzingen, S. 170 ff. 81

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84 BT-Drucks. 7/4361, 22, 32; dazu die in der öffentlichen Anhörung geäußerte Kritik von Flume, Zur Sache 2/76, 18 ff. 65 Stuhrmann, DStR 1977, 468, 469 empfiehlt dem ausgleichsverpflichteten Ehepartner die Kürzung der Pensionsbezüge ganz oder, und das ist wohl realistischer, teilweise durch Zahlung eines Kapitalbetrags an den Dienstherrn abzuwenden. Stuhrmann sieht in diesen Zahlungen Werbungskosten, die bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abgezogen werden können; zustimmend Meincke, Steuer-Kongreß-Report 1978, 389, 400. 61 Meilicke, StbJb 1977/78, 243, 256, der sich auf die grundlegenden Ausführungen von Bartsch, NJW 1977, 1324ff. beruft. Meilicke selbst will aller-

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Eheleute eine monatliche steuerliche Entlastung von mehreren hundert Mark ergeben. Dieses Steuersparmodell läßt sich unschwer verfeinern, wenn die geschiedenen Eheleute wieder heiraten. In diesem Fall erhalten sie sich die steuerlichen und besoldungsmäßigen Vergünstigungen des Ehestandes. Vor allem steht der Ehefrau zusätzlich zu ihrer Sozialrente ein beachtliches Witwengeld zu, wenn sie ihren Ehemann überlebt. Die steuerlichen und versorgungsrechtlichen Ungereimtheiten verdichten sich zu einer verblüffenden Kuriosität, wenn man sich vergegenwärtigt, wie etwa eine um 15 Jahre jüngere Ehefrau, die als Beamtin tätig ist, die Altersversorgung ihres Ehemannes sicherstellen kann. Die Übertragung der Versorgungsanwartschaft läßt ihre Aktivbezüge unberührt. Ihr geschiedener Ehemann bezieht ab seinem 65. Lebensjahr eine regel~ mäßig steuerfreie Rente aus der Sozialversicherung, die das gemeinsame Einkommen somit bis zur Pensionierung der Ehefrau effektiv erhöht. Selbst nach diesem Zeitpunkt bleiben der Steuervorteil und vor allem auch die Vorzüge der dynamischen Sozialversicherungsrente. Bartsch67 beziffert den im Falle einer Lehrerin erzielbaren Gewinn eher vorsichtig auf 150 000,- DM. Selbst wenn diese Rechnung nur unter bestimmten Voraussetzungen aufgeht68, offenbart sich hier das Zerrbild eines besonderen staatlichen Schutzes für die intakte Ehe. Diese Frage ist hier nicht weiter zu vertiefen. Festzuhalten bleibt jedenfalls, daß der Versorgungsausgleich nicht nur für den Eingeweihten die Schwachstellen der Besteuerung von Altersbezügen offenlegt, sondern sogar zu dings die steuerliche Symmetrie dadurch herstellen, daß er den Versorgungsausgleich selbst der Besteuerung unterwirft. Er nimmt an, der beamtete Ehepartner erziele Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit, wenn das Familiengericht zugunsten des anderen Ehepartners eine Anwartschaft in der steuerlich vorteilhafteren gesetzlichen Rentenversicherung begründet. Damit dieses Verfahren nicht auf Kosten des beamteten Ehepartners geht, muß Meilicke freilich weiter fordern, daß die Einkommensteuerlast bei der Berechnung des Versorgungsausgleichs wertmindernd berücksichtigt wird; vgl. hierzu im einzelnen die Kritik von Meincke, Steuer-Kongreß-Report 1978, 389, 399 und Biergans, BB 1979, 955, 958; ferner Biergans I v. Stotzingen, S.177. 67 Bartsch, NJW 1977, 1324, 1328. 18 Bis zum Gesetz zur Ergänzung der Regelungen zum Versorgungsausgleich v. 15. 12. 1982 (BGBl. 1983 I, 105) stellte insb. das Ableben des Ehemannes ein Risiko dar, das die Scheidung endgültig nachteilig werden lassen konnte, weil damit die übertragene Anwartschaft unterging. Hier konnte jedoch eine Risikolebensversicherung helfen, deren Prämie aus den steuerfreien Bezügen des Ehegatten entnommen wurde. Im Falle der Wiederverheiratung führte dies zu dem weiteren Vorteil, daß wegen der gemeinsamen Veranlagung auch der Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 b aa EStG zum Tragen kommen konnte. Es ergab sich also das kuriose Ergebnis, daß das Risiko einer steuerlichen Manipulation nicht nur versicherbar war, sondern die erforderlichen Aufwendungen sogar steuerlich begünstigt waren. Nicht weniger bemerkenswert ist freilich, daß das o. a. Ergänzungsgesetz das geschilderte Risiko erheblich einschränkt, indem im Falle des Vorversterbens oder des Frühversterbens vor Bezug von zwei Jahresraten dem Ausgleichspflichtigen die verbleibende Anwartschaft wieder zugute kommt.

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publikumswirksamen Kuriositäten führt. Nicht zuletzt aus diesem Grund hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 26. 3. 198089 gefordert, die Besteuerung der Altersbezüge neu zu regeln. cc) Die Begünstigung der Sozialversicherungsrente als Unterfall der Leibrentenbesteuerung nach § 22 Nr. 1 Buchst. a EStG Wenn die Besteuerung der Sozialversicherungsrente diskutiert wird, steht regelmäßig die Frage der Gleichbehandlung von Alterseinkünften im Vordergrund. Dabei herrscht vielfach der Eindruck vor, die Privilegierung der Sozialversicherungsrente stünde isoliert im Einkommensteuerrecht. Wenn man sich dagegen vor Augen hält, daß es sich um einen Unterfall der Leibrentenbesteuerung nach § 22 Nr. 1 Buchst. a EStG handelt, treten in der Diskussion um die Besteuerung der Soziaiversicherungsrente schon bekannte Argumentationen hervor. Die Gegner der geltenden Regelung führen immer wieder an, aus den Arbeitnehmerbeiträgen errechne sich nur ein geringer Teil des ersparten Rentenkapitals70• Sie machen geltend, die Rentenzahlungen seien überwiegend auf Leistungen des Arbeitgebers und Bundeszuschüsse zurückzuführen. Es gehe aber nicht an, wegen einer Eigenleistung von etwa 5 °/o einen Anteil der Rentenbezüge von 80 °/o steuerfrei zu lassen71 • Rupp I v. Zezschwitz I v . OZshausen stellen fest, die legitimierbare steuerliche Entlastung werde damit um das vierzehn- bis fünfzehnfache überstiegen72 • Aber auch die Befürworter der gesetzlichen Regelung bewegen sich vielfach in diesen argumentatorischen Bahnen. So begründete etwa der Bundesfinanzhof schon 196073 seine Auffassung damit, daß die gesetzliche Regelung bei aller Kritikwürdigkeit immerhin anstrebe, eine Doppelbelastung zu verhindern. Die weitgehende Steuerbefreiung sei nämlich darin begründet, daß die Ansparbeträge, insbesondere die Leistungen des Arbeitgebers74 bereits steuerpflichtig gewe(o. C. I. Fußn. 18) WM 1980, 886 ff. Grundlegend G. Heubeck, DB 1964, 1669, 1670, der eine Eigenfinanzierungsquote von 2,5 bis 5,2% errechnet hat; ferner Nissen, DStZIA 1965, 144; Tipke, StuW 1971, 2, 13; K~otz, BB 1973, 1569, 1570; Friauf, DStZIA 1974, 51, 60; Rupp I v. Zezschwitz I v . O~shausen, S. 19; Flume, Zur Sache 2176, 26. 71 Kritisch zu der Berechnung des Eigenanteils FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 28. 5. 1974- IV 140171 - , EFG 1974, 426, 427. 72 Rupp I v. Zezschwitz I v. Olshausen, S. 28. 73 (o. Fußn. 53), BStBl. III 1960, 105, 106. 74 Hier ist der sechste Senat offenbar auch nach der seinerzeit geltenden Rechtslage von falschen Voraussetzungen ausgegangen; Friauf, DStZIA 1974, 51, 53 und Jii.sgen, DStZIA 1972, 281, 283 weisen mit allerdings unterschiedlicher Begründung darauf hin, daß die Arbeitgeberbeiträge für die Sozialversicherung nicht steuerpflichtig gewesen seien; vgl. auch BFH, Urt. v. 2. 8. 1968 - VI R 124167 - , BStBl. II 1968, 800; Urt. v. 28. 11. 1975 - VI R 89 70

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sen seien. Auch das Bundesverfassungsgericht hat für die Vergangenheit darauf abgestelle5 , daß die jetzigen Rentner (seinerzeit) als Erwerbstätige zu einem großen Teil die damaligen Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung aufgebracht hätten76 • Es liegt auf der Hand, woraus diese Argumentation ihre Überzeugungskraft zu schöpfen sucht. Es ist das Prinzip der Nettobesteuerung, das dem Bundesfinanzhof schon 1952 als ausreichende Legitimation gedient hat, mit einer jahrzehntealten Rechtsprechung zu brechen. Ebenso wie es dort zur "richtigen" Einkunftsermittlung führen sollte, wird es hier als Maßstab der Gleichbehandlung eingesetzt. Der Umstand, daß der Gesetzgeber 1954 von diesem Prinzip bewußt abrücken wollte, gerät dabei entweder nicht ins Blickfeld77 oder stößt von vornherein auf Unverständnis78• Im einzelnen ergibt sich hierzu in der Diskussion um die Besteuerung der Sozialversicherungsrenten ein überaus buntes Bild. Rupp I v. Zezschwitz I v. 0Zshausen19 nehmen an, daß auch der Gesetzgeber 1954 das "Rentenstammrecht" mit einem tatsächlich vorhandenen Kapitalstock gleichgesetzt habe. Infolgedessen messen sie der redaktionellen Änderung, die die Formulierung "Erträge des Stammrechts" in "Erträge des Rentenrechts" abgewandelt hat, eine weittragende Bedeutung zu. Nach ihrer Auffassung sei damit zum Ausdruck gekommen, daß der Gesetzgeber ein "Stammrecht" nun nicht mehr vorausgesetzt, sondern "kurzerhand fingiert" habe. Sie sehen sich hierin in der Gesetzesfassung bestätigt, nach der der Unterschied zwischen dem Jahresbetrag und dem Kapitalanteil als Ertrag des Rentenrechts "giZt" 80• Die Privilegierung der Sozialversicherungsrenten ohne Kapitalstock und ohne "Rentenstammrecht" gründe sich demnach auf 165/74, BStBl. II 1976, 228, 230; vgl. zur gegenwärtigen Rechtslage § 3 Nr. 62 EStG und K. Littmann, S. 459 insb. auch zu den Arbeitnehmeranteilen. 76 (o. C. I. Fußn. 18), WM 1980, 886, 888. 78 Dazu Welter, StuW 1980, 332, 339. 77 Diese Feststellung gilt insbesondere für die ältere Rechtsprechung des BFH. In seiner Entscheidung vom 28. 11. 1975 (o. Fußn. 74), BStBl. II 1976, 228, 230 stellt der sechste Senat auf einen Gesamtvergleich ab, der sämtliche einschlägigen steuerlichen Vergünstigungen umfaßt, hierzu kritisch Ruland, JuS 1976, 609, 610. 78 Vgl. etwa Tipke, StuW 1971, 2, 13, der im Anschluß an das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats von 1967 nur den Grundsatz gelten lassen will, allein die Rückzahlung früher angesparter Einkommensteile dürfe einkommensteuerfrei bleiben. 79 Zur Ungleichheit in der Einkommenbesteuerung der Versorgungsbezüge und Sozialrenten, S.16, 17; ähnlich auch Klotz, BB 1973, 1569, 1570, der vor allem darauf abstellt, daß die Rentenreform von 1957 das steuersystematisch anders zu beurteilende Umlageverfahren gebracht habe. 80 Wenn man hierin eine Fiktion sieht, so bezieht sie sich allenfalls darauf, daß man aus Vereinfachungsgründen statt von einem finanzmathematisch richtigen degressiven Verlauf von einem unveränderlichen Ertragsanteil ausgegangen ist; so auch Biergans I v . Stotzingen, S. 41.

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eine gesetzgeberische Fiktion, deren Rechtfertigung nach den Maßstäben des Gleichbehandlungsgebots zweifelhaft erscheine. Es ist bemerkenswert, daß auch der Bundesfinanzhof in seiner neueren Rechtsprechung diesem Ansatz folgt, dann aber zum entgegengesetzten Ergebnis kommt. Der sechste Senat geht gleichfalls davon aus81 , daß das in § 22 Nr. 1 Buchst. a EStG vorgesehene Besteuerungsverfahren "an sich" einen Kapitalstock verlange, den man offenbar mit einem "Rentenstammrecht" gleichsetzt. Der sechste Senat kommt also auch zu dem Ergebnis, daß sich die Leibrentenbesteuerung auf eine Fiktion gründet, sieht in dieser aber eine sozialpolitische Maßnahme des Gesetzgebers, die auch einer verfassungsrechtlichen Prüfung standhält. Andere Schlußfolgerungen ziehen diejenigen, die auch für Beamtenpensionen beanspruchen, daß sie aus einem "Stammrecht" fließen. W eisensee82 untersucht etwa die Begriffsmerkmale des "Stammrechts" und kommt zu dem Ergebnis, daß es auch den Beamtenpensionen eigen sei. Er leitet daraus die Folgerung ab, Grundlage der Besteuerung müsse auch hier§ 22 Nr. 1 Buchst. a EStG sein. Auch Weisensee glaubt in diesem Zusammenhang eine Fiktion feststellen zu können, aber nicht in § 22 Nr. 1 Buchst. a EStG, sondern in § 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Diese Bestimmung sieht er als "fiktiv und verfassungswidrig" an. Im allgemeinen gilt für die Diskussion um die Besteuerung der Sozialversicherungsrente, daß man dem Konzept eines "Rentenstammrechts" mit distanzierter Skepsis gegenübersteht. Jüsgen spricht etwa von einer "kühnen gesetzgeberischen Konstruktion" 88 und von einem "bedenklichen juristischen Aufhänger und anderen Ungereimtheiten" 84• Am weitesten entfernt sich wohl Troeger85 von den Vorstellungen des historischen Gesetzgebers, wenn er meint, nur Veräußerungsrenten sei ein "Rentenstammrecht" eigen. Die Schwierigkeiten mit der Besteuerung der Sozialversicherungsrenten rühre deswegen daher, daß der Gesetzgeber sie systemwidrig mit erfaßt habe, obwohl sie nicht Gegenleistung für einen veräußerten Vermögenswert seien. Nur vereinzelt wird noch erkennbar, daß die Reform von 1954 ganz gezielt die Unterscheidung zwischen entgeltlichen und unentgeltlichen Renten überwinden wollte und dabei die Sozialversicherungsrenten mit erfaßt hat88 • 81 BFH, Urt. v. 28. 11. 1975 (o. Fußn. 74), BStBl. II 1976, 228, 230; s. auch FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 28. 5. 1974 (o. Fußn. 71) EFG 1974, 426 und FG Baden-Württemberg, Urt. v. 23.11.1975 - IV 14/69 -, EFG 1976, 9. 82 DStZ/A 1964, 289, 292; ähnlich auch die allerdings eher rhetorische Bemerkung bei Friauf, DStZ/A 1974, 51, 59. sa Jii.sgen, DStZIA 1972, 281, 283. 84 Jüsgen, DStZ!A 1972, 281, 287. 86 Troeger, DB 1971, 1130, 1133. 88 s. vor allem Friauf, DStZ/A 1974, 51, 55, der auch richtig feststellt, daß es dem Gesetzgeber nicht gelungen sei, die ratio dieser Umstellung deutlich zu machen.

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Bei näherer Betrachtung kann es freilich nicht verwundern, daß das gesetzgeberische Konzept vor allem in diesem Bereich jede Überzeugungskraft verloren hat. Aus dem Blickwinkel des historischen Gesetzgebers haben sich die Verhältnisse in den letzten 20 Jahren in einem seinerzeit kaum vorstellbaren Ausmaß geändert. Man muß sich nur vergegenwärtigen, daß § 22 Nr. 1 Buchst. a EStG 1955 für Soziaiversicherungsrenten einen Freibetrag in Höhe von 600,- DM abgelöst hat. Dies geschah eher beiläufig, da die Neuregelung vor allem die offenkundigen Mißstände beheben sollte, die sich bei der Besteuerung sonstiger lebenslänglicher Leistungen ergeben hatten. Erst die Dynamisierung der Sozialversicherungsrenten im Jahre 1957 und der Umstand, daß seitdem auch durchschnittliche Einkommen in die Steuerprogression hineingewachsen sind, hat der "Privilegierung" der Sozialversicherungsrente die skizzierten Ausmaße gegeben. 2. Die Beschränkung der Reform auf Leibrenten

Als erster neuralgischer Punkt der Reform von 1954 hat sich herausgestellt, daß sie eine Abkehr vom Prinzip der Nettobesteuerung brachte, indem sie entgeltliche und unentgeltliche wiederkehrende Leistungen einkommensteuerlich gleich behandelte. Um dies möglichst scharf herauszuarbeiten, wurde bisher vernachlässigt, daß das Lösungsmodell der Reform nur für die "Leibrente" gelten sollte. Damit ist aber der zweite neuralgische Punkt angesprochen, der nun gleichfalls näher beleuchtet werden soll.

a) Widersprüche zwischen dem Leitgedanken der Reform und der Gesetzesfassung aa) Unklarheiten bei der einkommensteuerliehen Behandlung wiederkehrender Leistungen, die nicht Leibrenten sind Nach der dargestellten Vorgeschichte ist verständlich, daß die Schöpfer der Neuregelung ihr Lösungsmodell als Wendepunkt einer jahrzehntelangen Entwicklung verstanden87• Zu dem scheinbar ausgreifenden und umwälzenden gesetzgeberischenVorhaben steht die endgültige Gesetzesfassung jedoch in einem merkwürdigen Gegensatz. Dies kommt schon in dem äußeren Aufbau des Gesetzes zum Ausdruck. § 22 Nr. 1 EStG regelt in erster Linie die Besteuerung der Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen. Erst unter Buchstabe a erfaßt das Gesetz die Leibrenten, die auch zu den Einkünften aus wiederkehrenden Bezügen gezählt werden. In gleicher Weise stellen die §§ 10 Abs. 1 Nr. 1 und 9 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1955 die auf besonderen Verpflichtungsgründen be87

BT-Drucks. II/481, 85, 86.

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ruhenden dauernden Lasten und nicht näher spezifizierte "Renten" in den Vordergrund. Die Leibrente erscheint also einmal als Unterfall der wiederkehrenden Bezüge und zum anderen als Gegensatz zu den dauernden Lasten und Renten. Aus dem Gesetz erschließt sich dabei nur, daß die Besteuerung nach dem Ertragsanteil und die entsprechende Abzugsmöglichkeit ausschließlich für die Leibrente gelten. Selbst wenn man die Vorgeschichte der Reform heranzieht, bleibt dunkel, nach welchen Grundsätzen wiederkehrende Leistungen behandelt werden sollen, die nicht Leibrenten sind. Der geschilderte Befund muß einigermaßen überraschen, wenn man sich vor Augen hält, daß es die Neuregelung damit insoweit bei den Unklarheiten belassen hat, die schon seit Jahrzehnten die Diskussion um die Besteuerung wiederkehrender Leistungen beherrscht hatten. Auch in der Begründung zum Gesetzesentwurf findet sich kein Hinweis darauf, welches Besteuerungsverfahren in dem von der Reform ausgesparten Bereich gelten soll. Es wird nicht einmal deutlich, ob man bei diesen "sonstigen wiederkehrenden Leistungen" an die reichsgerichtliche Tradition oder an die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs anknüpfen wollte. Die Entscheidung zwischen der vollen steuerlichen Wirksamkeit oder der Verrechnung war also wieder offen. Bei näherer Betrachtung erschließt sich aus dem Gesetz nicht einmal, welche Art von Bezügen eigentlich nicht als Leibrenten und damit als "sonstige wiederkehrende Leistungen" zu beurteilen sind. Im Gegenteil wirkt das Nebeneinander von Renten und Leibrenten in den§§ 9 Abs. 1 Nr. 1, 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1955 eher verwirrend. Auch die Begründung zum Gesetzesentwurf hilft hier nur wenig weiter. Es findet sich nur der Hinweis88, daß man die bisher unter den Buchstaben a und b des § 22 Nr. 1 EStG 1951 geregelten Rentenarten als Anwendungsfälle der Besteuerung nach dem Ertragsanteil sehe. Dagegen sollten die Leibgedinge offenbar ebenso wie die bisher unter dem Buchstaben c geregelten Zuschüsse und Vorteile zu den sonstigen wiederkehrenden Leistungen gezählt werden. Danach wollte man wohl die bisherige Aufzählung in der Weise auflösen, daß man die mit dem Ertragsanteil zu besteuernden Renten von den Bezügen unterschied, die nicht als Rente angesprochen werden konnten. Dagegen spricht allerdings wieder die Fassung der §§ 9 Abs. 1 Nr. 1 und 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1955, nach der Renten und dauernde Lasten den Leibrenten gegenüberstehen. Diese gesetzliche Regelung läßt nur den Schluß zu, daß es auch Renten gibt, die in vollem Umfang abzugsfähig sind. Vollends dunkel bleibt schließlich, ob es sich bei den voll abzugsfähigen Renten und dauernden Lasten um die gleichen Leistungen 88

BT-Drucks. 11/481, 85; ferner Brockhoff, DStZ!A 1954, 399, 402.

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handelt, die nach§ 22 Nr. 1 EStG als wiederkehrende Bezüge in vollem Umfang zu versteuern sind80• bb) Die unausgesprochene Orientierung am Problem der "Leibrentenbesteuerung" Man ist angesichts der offensichtlich unüberlegten und verwirrenden Gesetzesfassung geneigt, von einer bemerkenswerten gesetzgeberischen Nachlässigkeit zu sprechen. Es fällt aus heutiger Sicht sogar schwer, die Hindernisse auszumachen, die dem Gesetzgeber seinerzeit den Blick für die Unvollständigkeit und Widersprüchlichkeit der gesetzlichen Regelung versperrt haben. Man muß zu diesem Zweck wieder auf deren Vorgeschichte zurückgreifen. In der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs läßt sich die Tendenz erkennen, die volle Besteuerung wiederkehrender Leistungen de lege lata zu rechtfertigen, aber andererseits den Anwendungsbereich dieses Besteuerungsverfahrens einzuschränken. Die zuletzt genannte Absicht ist insbesondere zwei Entscheidungen aus dem Jahre 1930 zu entnehmen. Das Urteil vom 14. 5. 1930'0 nimmt in einer Änderung der bisherigen Rechtsprechung für § 40 Nr. 1 und 2 EStG 1925 die sog. "Subsidiaritätsklausel" vorweg, die später mit dem EStG 1934 (RGBL I, 1005) in das Gesetz aufgenommen wurde. In dieser bis heute geltenden Regelung ist vorgesehen, daß "sonstige Einkünfte" gemäß § 22 Nr. 1 EStG nur gegeben sind, wenn die Bezüge nicht zu den anderen Einkunftsarten gehören. Die Aussage, daß wiederkehrende Bezüge allein wegen ihrer Leistungsform steuerpflichtig seien, galt somit seit der Entscheidung vom 14. 5. 1930 nur noch für den engen Bereich der sog. "privaten Renten". Als weitere aufschlußreiche Entscheidung ist das Urteil vom 7. 5. 193091 zu nennen. Es betont zunächst wieder die Bedeutung der "äußeren Form" für die volle Besteuerung wiederkehrender Bezüge. Eine Milderung vorkommender Härten könne nur durch eine einschränkende Auslegung des Begriffs "wiederkehrende Bezüge" erreicht werden. Auszuscheiden seien Leistungen, die sich als "Kapitalrückzahlungen aus einem darlehensähnlichen Geschäft" auffassen ließen. Schon dabei wird deutlich, welcher Kernbereich unangetastet bleiben mußte. Ein "darlehensähnliches Geschäft" sollte "regelmäßig" nicht vorliegen, "wenn 89 Dazu Biergans I v. Stotzingen, S. 66, 152, 238; dort wird der Begriff "sonstige wiederkehrende Leistungen" für den Bereich reserviert, in dem zwar eine Steuerpflicht nach § 22 Nr. 1 EStG besteht, aber mangels einer Rente oder dauernden Last keine Abzugsmöglichkeit nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 und § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG gegeben ist. 90 (o. C. III. Fußn. 16), RStBl. 1930, 580; vgl. auch schon das Urteil v. 7. 5. 1930 (o. C. III. Fußn. 4), RStBl. 1930, 578. 91 (o. C. III. Fußn. 4), RStBl. 1930, 578, 588.

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die Dauer der Bezüge unbestimmt (Leibrente) oder das Vertragsverhältnis aleatorischer Natur (Versicherungsleistungen) ist". Insbesondere das letzte Urteil des Reichsfinanzhofs zu dieser Frage92 läßt klar erkennen, daß sich damit- jedenfalls im Bereich entgeltlicher Leistungennur noch die "Leibrente" als Problemfall stellte. Diese Entscheidung betrifft Leistungen aus einer Versicherung, für die der Berechtigte eine einmalige Einzahlung erbracht hatte. Die Bezüge sollten während eines Zeitraums von 21 Jahren gezahlt werden, und zwar an den Berechtigten oder seine Erben. Obwohl hier der Gedanke an Kaufpreisraten fernlag und die Leistungen der "Rentenanstalt" bei unbefangener Beurteilung als (vererbliche) "Renten" anzusprechen waren, nahm der Reichsfinanzhof keine "vererbliche Rente" i. S. des§ 22 Nr. 1 EStG 1934 an. Er betrachtete vielmehr die "Rentenanstalt" als "Sparkasse" des Berechtigten, die im Laufe der einundzwanzig Jahre das Kapital einschließlich der Zinsen zurückzahle. Folglich war aus jedem Teilbetrag ein (von Jahr zu Jahr sinkender) Zinsanteil zu errechnen, den man den Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 EStG zuordnete. Die in § 22 Nr. 1 EStG 1934 genannte Einkunftsart ("sonstige Einkünfte") blieb.somit von vornherein außer Betracht. Vor allem die Parallelen in den Sachverhalten der Entscheidungen vom 27. 1. 1944 und vom 18. 9. 195293 zeigen deutlich, daß nur noch die unbestimmte Dauer lebenslänglicher Leistungen dazu führte, daß die Umdeutung wiederkehrender Leistungen in Raten mit Zins- und Tilgungsanteil nicht gelingen konnte. Schon der Reichsfinanzhof und dann auch der Bundesfinanzhof hatten den verbleibenden Bereich mit der "Leibrente" gleichgesetzt94 • Unter dem Eindruck dieser Rechtsprechung glaubte der Gesetzgeber, an diesem Punkt ansetzen zu müssen95• Im übrigen wollte er offenbar dem Prinzip des geringstmöglichen Eingriffs folgen. Aus dieser Sicht erklärt sich jedenfalls zwanglos die ansonsten eher undurchsichtige Fassung der§§ 9 Abs. 1 Nr. 1 und 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1955. Während vorher nur die auf besonderen RFH, Urt. v. 27. 1. 1944 (o. C. III. Fußn. 4), RStBI. 1944, 363. Hier wie dort geht es um "Rentenleistungen" aufgrund einer Einmalprämie, die während eines längeren Zeitraums von einer Versicherung erbracht werden. Aus der Sicht der Versicherung liegen auch jeweils gleiche wirtschaftliche Tatbestände zugrunde, da bei einer Vielzahl von Versicherten die Ungewißheit der Leistungsdauer in der durchschnittlichen Lebenserwartung aufgeht. Unterschiede ergeben sich nur, wenn man die einzelnen Versicherungsverhältnisse betrachtet, da dort die individuelle Lebensdauer eine Rolle spielt. ' 4 Vgl. dazu aus der Sicht des Jahres 1956 J. Theis, DB Beilage Nr. 11/1956, Einleitung. 95 Dies läßt die Entscheidung des BFH v . 25. 11. 1980 VIII R 71/76 - , BStBl. II 1981, 358 f. außer acht, wenn sie davon ausgeht, nach dem Willen des historischen Gesetzgebers sollte es für alle anderen wiederkehrenden Bezüge bei der vollen Besteuerung bleiben. 92

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Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und dauernden Lasten erwähnt waren, hat man die an § 22 Nr. 1 Buchst. a EStG orientierten Bestimmungen über die Leibrente einfach unvermittelt angefügt. cc) Die fehlende Aufarbeitung des Begriffs der "Leibrente"

Wenn auch die Leibrente als Form der wiederkehrenden Leistung im Mittelpunkt der Reform von 1955 gestanden hat, sucht man vergeblich nach zeitgenössischen Überlegungen zu einer steuerrechtliehen Begriffsbestimmung. Insbesondere die Gesetzesmaterialien zeigen, daß sich auch die Verfasser des Entwurfs über diesen Aspekt der Reform kaum Gedanken gemacht haben. Eine Bemerkung von Brockhofre, dem wohl seinerzeit zuständigen Referenten im Bundesfinanzministerium, zeigt, daß man sich in diesem Zusammenhang sogar auf die "eindeutige Klärung" dieses Begriffs in der zivilgerichtliehen Rechtsprechung verlassen wollte. In der Tat konnte jedenfalls die einkommensteuerliche Dogmatik keine Hilfestellung leisten, da sämtliche bisherigen gesetzlichen Regelungen die Leibrenten neben sonstige wiederkehrende Bezüge gestellt hatten, ohne irgendwelche Abgrenzungsprobleme aufzuwerfen. Für die Diskussion nach Inkrafttreten der Reform gilt die aus heutiger Sicht kaum verständliche Feststellung, daß nach wie vor die Bedeutung des Begriffs der Leibrente unerkannt blieb. Es finden sich allenfalls Überlegungen zur Besteuerung der Zeitrente. Allerdings soll die entgeltliche Zeitrente ohnehin als Kapitalrückzahlung zu behandeln sein, so daß die in § 22 Nr. 1 EStG angeführte Einkunftsart außer Betracht bleibe07• Zwar wird die Besteuerung der unentgeltlichen Zeitrente diskutiert98 • Dies geschieht jedoch im Zusammenhang mit der Überlegung, ob auch die unentgeltliche Leibrente nur mit dem Ertragsanteil zu besteuern sei. Die Streitfragen, die mit diesem Problem angesprochen sind, lassen wiederum die Bedeutung des Begriffs der "Leibrente" zurücktreten°9 • Darüber hinaus konnte man sich offenbar keine wiederkehrenden Leistungen vorstellen, die in vollem Umfang abzugsfähig waren. Dies zeigt sich etwa an einer Stellungnahme von Brackhoff aus dem Jahre 1956100• Er behandelt dort den Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1955. Es ist bezeichnend, daß Brockhoff nicht von der Sonderbehandlung der Leibrente, sondern von der ab dem 1. 1. 1955 geltenBrockhoff, DStZIA 1954, 399, 400. Nuding, S. 73. 98 Nuding, S. 206 ; Brockhoff, DB 1955, 176, 177 ; Lantau, BB 1955, 695, 697. ee Vgl. etwa Schober, S. 87, 88. 100 Brockhoff, DStZ/A 1956, 182 f. 98

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den "Rentenbesteuerung" spricht. Abgesehen von dem Abzug der Schuldzinsen macht nach Brackhoff die "Rente" den Hauptanwendungsbereich des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1955 aus. Insbesondere bezieht er hier und auch in einer Stellungnahme aus dem Jahre 1959101 "Scheidungsrenten"102 und "Versorgungsrenten" 103 mit ein. Nur am Rande erscheinen die dauernden Lasten, die in der Praxis kaum eine Rolle spielen sollen. Brockhoff ist sogar der Ansicht, sie seien so selten, daß der Gesetzgeber in Zukunft auf ihren Abzug innerhalb des § 10 EStG verzichten könne. Bei Kanaplei 104 findet sich dazu die Bemerkung, die Unterscheidung wiederkehrenden Leistungen angesprochen wurde, blieb im Ergebnis die ohne praktische Bedeutung, da jeweils für den Abzug und die Steuerpflicht das Gleiche gelte105• Wie sehr in den Jahren nach 1955 die Besteuerung nach dem Ertragsanteil im Vordergrund gestanden hat, kommt nicht zuletzt dadurch zum Ausdruck, daß die Einkommensteuerkommission es noch 1964 für entbehrlich gehalten hat, dauernde Lasten nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu den abzugsfähigen Sonderausgaben zu zählen. Diese Abzugsmöglichkeit habe nämlich keine praktische Bedeutung106• Selbst wenn vereinzelt die Abgrenzung der Leibrente zu anderen wiederkehrenden Leistungen angesprochen wurde, blieb im Ergebnis die Vorrangstellung der Leibrente unberührt. So zeichnete sich etwa in den Einkommensteuerrichtlinien eine Begriffsbestimmung der Leibrente ab107• Danach durfte die Höhe der Bezüge nicht "hin- und herschwanken". Diese Abgrenzung verlor aber schon dadurch ihre Schärfe, daß Sachbezüge und nach einer veränderlichen Größe bemessene Leistungen doch der Leibrente zugeordnet wurden. Hierzu hat sich Sauerberg108 Brockhoff, BB 1959, 1167 f. Es handelt sich hierbei um Zahlungen an den geschiedenen Ehegatten, die entgegen der 1956 geäußerten Ansicht von Brackhoff in den folgenden Jahren noch eine erhebliche Rolle spielen sollten. Auf die steuerlichen Aspekte der Konventionalscheidungen wird noch zurückzukommen sein. 103 Brackhoff meint damit Leistungen, die im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge von den Kindern an die Eltern erbracht werden. 104 S. 4; vgl. aber auch S. 73 für die Seite des Berechtigten. 1os Ähnlich Nuding, S. 19. 101 Einkommensteuerkommission, Untersuchungen, S. 145; vgl. auch Hartz, DB 1956, 696, 697; Littmann, FR 1955, 81 ff.; ferner aus den Jahren 1963 und 1964 Sebiger, Steuer-Kongreß-Report 1964, 120, 131, und Meilicke, StbJb 1963/64, 347, 358, die insbesondere die Zahlungen an den geschiedenen Ehegatten ohne weiteres als Leibrenten beurteilen. Wie noch zu zeigen sein wird, ist insbesondere in diesem Bereich die Besteuerung nach dem Ertragsanteil verdrängt worden. 107 Vgl. insbesondere Abschnitt 167 der EStR 1955, BStBl. I 1956, 75, 154. 108 FR 1959, 179. 1o1 102

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kritisch geäußert, der aus zivilrechtlicher Sicht von einem wesentlich engeren Leibrentenbegriff ausgegangen ist. Neben Sauerberg ist auch noch Oswald109 als einer derjenigen zu nennen, die nicht der allgemeinen Tendenz gefolgt sind. Oswald kennt allerdings nur eine "Unterhaltsrente" als Gegensatz zur Leibrente. Im Ergebnis bleibt es aber sogar nach dieser Auffassung dabei, daß nur der Ertragsanteil einkommensteuerlich relevant werden kann, da Oswald diese "Unterhaltsrente" mit den nicht abzugsfähigen Zuwendungen i. S. von § 12 Nr. 2 EStG gleichsetzt. Trotz der lebhaften literarischen Diskussion war es schließlich die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, die zur allgemeinen Überraschung aufdeckte, daß ein praktisch bedeutsamer Bereich verblieben war, in dem die Besteuerung nach dem Ertragsanteil nicht Platz gegriffen hatte.

b) Die "Bewältigung" der Reform durch die Rechtsprechung aa) Die Entwicklung zur Anknüpfung an die zivilrechtliche Definition der Leibrente Wenn man die höchstrichterliche Rechtsprechung aus der Zeit nach Inkrafttreten des Reformgesetzes von 1954 betrachtet, so zeigt sich auch hier, daß der Anlaß der Reform die Gesetzesauslegung bestimmte. Im Vordergrund steht jeweils die neu eingeführte Besteuerungs- und Abzugsfähigkeit nach dem ErtragsanteiL Außerhalb des Blickfelds bleibt dabei, daß der Begriff "Leibrente" eine Abgrenzungsfunktion erfüllen könnte. In dem Gutachten vom 27. 3. 1958110 geht der sechste Senat etwa ohne weiteres davon aus, daß die Leistungen aus den Pensionskassen der I. G. Farbenindustrie entweder als Bezüge aus einem Arbeitsverhältnis nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG oder als Leibrenten i. S. des § 22 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG zu beurteilen seien. Durchweg wird der "Arbeitslohn i. S. des § 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG" der "Rente i. S. des § 22 Nr. 1 Buchst. a EStG" gegenübergestellt. Wenn dabei auch beachtliche Abgrenzungsschwierigkeiten auftreten, so liegen diese aber jedenfalls nicht innerhalb des von § 22 Nr. 1 EStG geregelten Bereichs. Die Frage, ob Pensionsansprüche überhaupt als Leibrenten beurteilt werden können, gerät deswegen nicht ins Blickfeld. Die gleiche Einstellung wird auch aus dem Urteil vom 7. 8. 1959111 erkennbar, das Versorgungsbezüge zwischen Verwandten betrifft. Ein erstes Signal setzt dabei aber der ausführlich FR 1955, 273. uo BFH, Gutachten v. 27. 3. 1958 - VI D 1/57 -, BStBI. III 1958, 258 ff. tu -VI 284/58 -, BStBI. III 1959, 463 f.

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IV. Die gegenwärtige einkommensteuerliche Problematik

111

wiedergegebene Vortrag des Bundesministers der Finanzen, der dem Verfahren gern. § 287 Nr. 2 AbgO a. F. wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Streitfrage beigetreten war. Die entscheidenden Passagen lauten: "Leibrenten i. S. des § 22 Nr. 1 Buchst. a und des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1955 seien regelmäßig wiederkehrende, gleichmäßige Bezüge (Leistungen) in Geld oder Geldeswert, deren Dauer von der Lebenszeit einer Person abhängt, sofern ein Stammrecht (Rentenrecht) begründet sei, dessen Früchte die einzelnen Rentenformen seien (Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 67, 212; Bd. 150, 390; ... Es sei auch zweifelhaft, ob die Schwester ein Rentenstammrecht erworben habe. Ein Rentenstammrecht liege nicht vor, wenn die Rente nicht unabhängig und losgelöst von den künftigen wirtschaftlichen Verhältnissen der Beteiligten für die Laufzeit der Rente zugesagt werde, sondern die einzelnen Leistungen von der Bedürftigkeit des Rentenberechtigten abhängig blieben (Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 150, 390; Reichsgerichtsrätekommentar, 10. Aufl. 1953, Anm. 1 zu § 759 BGB). Fortlaufende Unterhaltsleistungen seien, selbst wenn sie als "Rente" bezeichnet würden, eine fortlaufende Reihe selbständiger Ansprüche. Der Beschwerdegegner habe sich aber verpflichtet, seiner Schwester, die auch von ihrem geschiedenen Ehemann Unterhaltszahlungen erhalte, zusätzliche Leistungen "mit Rücksicht auf deren Bedürftigkeit zu gewähren". Nach Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 111, 287 sei in der Regel anzunehmen, daß in solchen Fällen die Leistungen unter dem stillschweigenden Vorbehalt gleichbleibender Verhältnisse stünden; die zugesagten Leistungen blieben also von der Bedürftigkeit des Empfängers abhängig." Auf den ersten Blick muß diese Argumentation verwundern, da sie in besonderem Maße fiskalischen Interessen zu widersprechen scheint. Immerhin ist zu beurteilen, ob die gezahlten Beträge nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1955 von den Einkünften abgezogen werden können. Daher hätte es näher gelegen, wenn dem Steuerpflichtigen entgegengehalten worden wäre, daß eine Leibrente vorliege und daher nur der Ertragsanteil abzugsfähig sei112• Der Sinn der ministeriellen Stellungnahme erschließt sich erst, wenn man den dahinterstehenden unausgesprochenen Gedanken offenlegt. Sie ist nämlich offenbar an der Vorstellung orientiert, daß das Gesetz nur die Besteuerung und Abzugsfähigkeit von Rentenleistungen regele. Auch hier bleiben also sonstige wiederkehrende Leistungen außerhalb des Blickfelds. Die angeführte Argumentation läuft also darauf hinaus, daß jeglicher Abzug zu versagen sei, weil - in der Terminologie des Gesetzes - weder Renten noch dauernde Lasten i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1955 vorliegen. Auch die neu eingeführten Gesichtspunkte betrafen also nicht den inneren Regelungsbereich der 111 Vgl. etwa den Behördenvortrag in dem Urteil v. 10. 10. 1963 VI 288/ 62 - , BStBl. III 1963, 584, nach dem eine Zeitrente wie eine Leibrente be-

handelt werden soll.

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§§ 9 Abs. 1 Nr. 1, 10 Abs. 1 Nr. 1, 22 Nr. 1 EStG 1955, sondern dessen Abgrenzung nach außen.

Um so mehr muß es erstaunen, daß der sechste Senat die wiedergegebene Argumentation zweieinhalb Jahre später in einer Entscheidung eingesetzt hat, um innerhalb der §§ 9 Abs. 1 Nr. 1, 10 Abs. 1 Nr. 1, 22 Nr. 1 EStG 1955 eine grundlegend neue Differenzierung einzuführen. In dem schon eingangs erwähnten Urteil vom 29. 3. 1962113 wird der Wortlaut des Gesetzes erstmals unbefangen ausgelegt. Danach steht nämlich die Vollabzugsfähigkeit nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1955 im Vordergrund und der für die Leibrente geltende Abzug des Ertragsanteils stellt sich als Ausnahme dar. Verfälscht wird der Gesetzeswortlaut allerdings wieder dadurch, daß das Urteil den Bereich der vollen Abzugsfähigkeit mit dem der "dauernden Lasten" i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG gleichsetzt. Danach soll bei der Anwendung dieser Vorschrift zwischen in vollem Umfang -abzugsfähigen dauernden Lasten und den Leibrenten unterschieden werden, bei denen nur der Ertragsanteil abzugsfähig sei. Für die damit erforderliche Abgrenzung zieht das Urteil vom 29. 3. 1962 Kriterien heran, die an die soeben wiedergegebene Stellungnahme des Bundesfinanzministers erinnern. Hier wie dort wird die reichsgerichtliche Rechtsprechung berufen, die für die Leibrente ein einheitliches nutzbares Recht {"Stammrecht") gefordert habe. Da nur gleichmäßige Leistungen Früchte eines einheitlichen nutzbaren "Stammrechts" sein könnten, seien schwankende Leistungen nicht als Leibrente, sondern als dauernde Last zu beurteilen. Wie auch schon nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts114 sind nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs insbesondere dann zahlen- oder wertmäßig festgelegte Zuwendungen abzulehnen, wenn nach den vertraglichen Vereinbarungen ein "angemessener, standesgemäßer oder ähnlich abgegrenzter Unterhalt" zu gewähren sei. Ferner spreche gegen eine Leibrente, wenn der Berechtigte "gewisse Gegenleistungen" zu erbringen habe. Aus den Urteilsgründen selbst wird kaum erkennbar, welche bedeutsame Wende diese Entscheidung etwa sieben Jahre nach Inkrafttreten der Reform von 1954 vollzogen hat. Im Gegenteil kann der Eindruck entstehen, als folge man einer im steuerrechtliehen Schrifttum vorgezeichneten Entwicklung. Insbesondere deuten dies die Hinweise auf die Literaturstellen an, die auch schon das "Stammrecht" als Begriffselement der Leibrente gefordert haben sollen115• Dies ist nur insofern VI 105/61 -, BStBl. III 1962, 304 f. IV 277/35 -, RGZ 150, 385, 390. 116 Insb. E . Becker, Grundlagen, § 291, S. 346; vgl. ferner Kanaplei , S. 1, 2; Schober, S. 85 ff. m. w. Nachw.; Geyler, S. 76 ff. befaßt sich eingehend mit den zivilrechtliehen Abgrenzungskriterien, ohne allerdings der Leibrente die dauernden Lasten gegenüberzustellen. 113 -

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z. B. Urt. v. 19. 3. 1936 -

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richtig, als tatsächlich schon seit langem im Steuerrecht der Terminus "Stammrecht" anzutreffen war. Er wurde aber nicht dazu verwandt, um Renten und dauernde Lasten voneinander zu unterscheiden. Im Gegenteil wurde aus der Zusammenstellung von "Renten und dauernden Lasten" gefolgert, auch die Renten müßten auf einer einheitlichen Verpflichtung beruhen, die man mit dem "Rentenstammrecht" gleichsetzte118. bb) Die "dauernde Last" als Gegensatz zur Leibrente In der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 29. 3. 1962 war einigermaßen überraschend117 zutage getreten, daß entgegen dem bisherigen Verständnis der Reform von 1954 neben den Leibrenten die dauernden Lasten einkommensteuerlich relevant geblieben waren. Wie bereits erkennbar geworden ist (o. C. II. 3.) hat auch der Begriff der "dauernden Lasten" eine lange Tradition. Auch während vieler Jahrzehnte war jedoch die Bedeutung dieses Begriffs unklar geblieben. Regelmäßig118 hatte man sich darauf beschränkt, eine Erläuterung wiederzugeben, die aus einem Urteil des Reichsfinanzhofs vom 19. 6. 1923119 stammt. Dort findet sich die wenig bestimmte Aussage, daß unter dauernden Lasten "nach dem Wortsinn des Begriffs nur solche verstanden werden (können), die eben dauernd auf einem Grundstück ruhen oder dauernd einer. Person anhaften, wie z. B. Reallasten, Altenteile oder Leibgedinge, Erbzinskanon und dergleichen". Bezeichnend ist ferner, daß die Rechtsprechung gerne das Begriffspaar "Renten oder dauernde Lasten" eingesetzt hatte120, um einer genaueren Abgrenzung enthoben zu sein. Es waren sogar immer wieder die Gemeinsamkeiten beider Leistungsformen betont worden121 • Die unklare Haltung der Literatur spiegelt am treffendsten die sibyllinische Aussage E. Beckers 122 wider, die Begriffe der "Rente" und 118 Vgl. etwa BFH, Urt. v. 24. 1. 1952 IV 352151 - , BStBl. Ill 1952, 48; ferner Kanaplei, S. 1, 2. 117 Laux, S. 10, 11 hatte z. B. noch wenige Jahre zuvor die Auffassung vertreten, insb. die Abhängigkeit von einem Unterhaltsbedürfnis spreche für eine Rente; auch die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Abgrenzung von Raten deutete in diese Richtung: (o. C. Ill. Fußn. 6), RStBl. 1928, 97, 98. 118 Vgl. Höfer, in: Hartmann I Böttcher, Großkommentar ESt (1958), § 9 Anm. 7 c; Btümich I Falk, EStG, 8. Aufl. 1959, § 9 Anm. 8 b. 119 IV eA 26123 - , RStBl. 1924, 36. 120 z. B. RFH, Urt. v. 18. 4. 1923- Ill A 129123 - , RStBl. 1923, 278, 279; wie die Entscheidung des BFH v. 12. 4. 1957 - VI 75155 - , BStBl. Ill 1957, 275 zeigt, hat der BFH diese Tradition sogar nach 1955 fortgeführt. 121 RFH, Urt. v. 19. 8. 193.1 VI A 420131 - , BStBl. 1931, 910; ferner BFH (o. Fußn. 116), BStBl. Ill 1952, 48, der darauf hinweist, die Begriffe "dauernde Last" und "Rente" seien zwar nicht identisch, wohl aber einander ähnlich; so auch schon Geyler, S. 70, 76. 122 E. Becker, Grundlagen, § 292, S. 346.

8 Welter

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der "dauernden Lasten" könnten einander nicht ausschließen, da Renten Lasten seien und auch dauernde Lasten sein könnten. Becker sieht nur insofern ein Bedürfnis für eine Abgrenzung, als Renten eben nicht dauernd sein müßten. Auch diese sehr vage Differenzierung fand jedoch keine Resonanz in der Rechtsprechung. Dort schloß man gerade umgekehrt aus dem Gesetzeswortlaut, daß auch Renten auf längere Sicht zu gewähren seienm. Wie bereits ausgeführt wurde, hat dieses unklare Begriffsverständnis auch die Reform von 1954 überdauert. Selbst diejenigen, die als Wegbereiter der zivilrechtliehen Definition der Leibrente gelten können, waren nicht von der Alternative der Leibrente zur dauernden Last ausgegangen124• Schober125 wirft zwar die Frage auf, ob nicht in Zukunft die Unterscheidung zwischen Leibrenten und dauernden Lasten bedeutsam sei. Auch er kann sich aber schließlich doch nicht zu einer klaren Stellungnahme durchringen128• Dieser Befund verdeutlicht, wie vor allem die wenig überlegte und inhaltlich unklare Gesetzesfassung dazu beigetragen hat, daß die möglichen Konsequenzen der Reform von 1954 im dunkeln bleiben konnten. 3. Auswirkungen der Anlehnung an das Zivilrecht

Durch das Wort von der "Einheit der Rechtsordnung" hatte das Urteil vom 29. 3. 1962127 zwischen dem zivilrechtliehen Begriffsverständnis der Leibrente und der steuerlichen Behandlung wiederkehrender Bezüge eine enge Verbindung geschaffen. Mit dieser Entscheidung stand nämlich fest, daß die Besteuerung nach dem Ertragsanteil nur in einem bestimmten Bereich der wiederkehrenden Leistungen galt, der anhand der zivilrechtliehen Dogmatik abzugrenzen war. Wie folgenschwer diese Weichenstellung für die weitere Entwicklung der Rechtsprechung gewesen ist, läßt sich an wenigen Anzeichen ablesen. Besonders aufschlußreich ist eine Betrachtung des anschließenden Zeitraums von 1963 bis 1965. a) Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs in den Jahren 1963 bis 1965 Es spricht allein für sich, daß aus dem genannten Zeitraum - soweit ersichtlich - insgesamt 19 Urteile128 vorliegen, die die Abgrenzung der 123 BFH (o. Fußn. 116), BStBl. 111 1952, 48, 49 m. w. Nachw. aus der Rechtsprechung. 124 Vgl. Sauerberg, FR 1959, 179, 180, der nur von "anderen Renten" spricht.

125

s. 15.

m Schober, S. 82; obgleich die Arbeit von Schober im Jahre 1964 erschienen ist, geht sie nicht auf die Entscheidung des BFH vom 29. 3. 1962 (o. Fußn. 113) ein. Offenbar ist der Stellenwert dieses Urteils erst nach und nach erkannt worden. 127 (o. Fußn. 113), BStBl. 111 1962, 304.

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Leibrente zu dauernden Lasten betreffen. Der Bundesfinanzhof hatte also durchschnittlich alle zwei Monate zu dieser Frage Stellung zu nehmen. Schon diese ungewöhnliche Entscheidungsdichte belegt, welche Unklarheit auf allen Seiten herrschte. Offenbar bedurfte es noch weiterer kasuistischer Erläuterung, um den Gedanken der "Einheit der Rechtsordnung" für die Praxis aufzubereiten. Wie sehr diese Weiterentwicklung aber von wachsendem Unbehagen begleitet war, läßt sich am deutlichsten an der letzten Entscheidung129 dieses Zeitraums ablesen. In deren abschließender Passage lautet es: Die in den vorstehenden Ausführungen angeschnittenen Unstimmigkeiten und Ungerechtigkeiten und weitere damit eng zusammenhängende Rechtsprobleme, wie z. B. die Behandlung unentgeltlich begründeter Renten oder dauernder Lasten, können nach Auffassung des Senats nicht mit den Mitteln der Gesetzesauslegung behoben und gelöst werden. Eine befriedigende Behandlung der privaten Renten und der dauernden Lasten ist nur auf gesetzgeberischem Wege möglich. Dieser Bemerkung kommt besonders großes Gewicht zu, weil sie vom sechsten Senat stammt, der bis auf wenige Ausnahmen in dem angesprochenen Zeitraum alle Entscheidungen zur Besteuerung privater Renten getroffen hatte. Zwar scheint es so, als sei die resignierende Haltung dieses Senats in der seit 1955 geltenden Gesetzesfassung begründet. Ein anderes Bild ergibt sich jedoch, wenn man den Ursachen dieser negativen Einstellung nachgeht. In dem Entscheidungsmaterial der zurückliegenden drei Jahre ist nämlich an den kritischen Stellen immer wieder ein Zusammenhang mit dem zivilrechtliehen Verständnis der Leibrente i. S. des § 22 Nr. 1 Buchst. a EStG und ihren Folgen anzutreffen. Insbesondere zwei Problembereiche lassen sich im nachhinein herausarbeiten. 128 BFH, Urt. v. 26. 4. 1963 VI 82/62 - , StRK EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 1 R. 49; Urt. v. 28. 6. 1963 - VI 321/61 -, BStBl. III 1963, 424 f.; Urt. v. 10. 10. 1963 - VI 115/61 -, BStBl. III 1963, 592; Urt. v. 11. 10. 1963 - VI 53/61 -, BStBl. III 1963, 594; Urt. v. 11. 10. 1963 - VI 59/62 -, BStBl. III 1963, 594 f.; Urt. v. 11. 10. 1963 - VI 162/61 -, BStBl. III 1964, 8 ff.; Urt. v. 31. 1. 1964 - VI 166/62 -, StRK EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 1 R. 62; Urt. v. 21. 2. 1964 - IV 295/59 -, StRK BStBl. III 1964, 475 ff. = StRK EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 1 R. 63; Urt. v. 3. 12. 1964 - IV 99/62 -. BStBl. III 1965, 166 ff. = StRK EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 1 R. 68; Urt. v. 5. 4. 1965 - VI 330/63 -, BStBl. III 1965, 359 f.; Urt. v. 5. 4. 1965 -VI 339/63 -, BStBl. III 1965, 360 f.; Urt. v. 4. 5. 1965 -VI 285/64 -, BStBl. III 1965, 444 = StRK EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 1 R. 72; Urt. v. 26. 5. 1965 - I 386/62 -, StRK EStG § 10 Abs.1 Ziff.1 R. 82; Urt. v. 16. 7. 1965 - VI 286/64 -'-, BStBl. III 1965, 582 !.; v. 16. 7. 1965 - VI 8/65 ~. StRK EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 1 R. 83; Urt. v. 16. 7. 1965 - VI 295/64 -, BStBl. III 1965, 583 ff. = StRK EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 1 R. 74; Urt. v. 20. 8. 1965 - VI 156/64 -, BStBl. III 1965, 706; Urt. v. 16. 9. 1965 - VI 67/61 -, BStBl. III

1965, 706 ff. 128 BFH (o. Fußn. 128), BStBl. III 1965, 706 ff.

s•

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C. Steuerrecht aa) Spannungen zwischen den zivilrechtliehen Abgrenzungskriterien und den steuerlichen Folgen

Die Orientierung am zivilrechtliehen Begriffsverständnis bedeutete nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 29. 3. 1962 vor allem, daß die getroffenen Vereinbarungen daraufhin zu untersuchen waren, ob die versprochenen Leistungen gleichbleibend oder veränderlich sein sollten. Dabei ließ sich anhand der reichsgerichtliehen Rechtsprechung unschwer begründen, warum Gewinn- und Verlustbeteiligungen keine Leibrenten sein konnten130• Kaum einzusehen war jedoch, warum deswegen die Besteuerung nach dem Ertragsanteil nicht Platz greifen sollte. Insbesondere wenn im Einzelfall der Abzug als dauernde Last in voller Höhe oder der als Leibrente mit einem sehr niedrigen Ertragsanteil zur Debatte stand, mußten die eingesetzten Abgrenzungskriterien belanglos erscheinen. Auch wenn in den ersten Entscheidungen dieses Zeitraums eine Rechtfertigung versucht wird, ist diese recht weit hergeholt. Der sechste Senat führt etwa in seiner Entscheidung vom 10. 10. 1963131 an, Gewinnbeteiligungen seien keine Leibrenten im Sinne des§ 22 Nr. 1 Buchst. a EStG, weil die Höhe der jährlich zu erwartenden Bezüge nicht zu bestimmen sei. Hierauf kann es schon deswegen nicht ankommen, weil dem Veranlagungsverfahren eine ex post-Betrachtung eigen ist (§ 25 Abs. 1 EStG), die den angesprochenen Unterschied bedeutungslos werden läßt. Nicht einmal die soeben kritisierte Rechtfertigung war in den Fällen heranzuziehen, in denen eine Leibrente abgelehnt wurde, obwohl es sich nicht um schwankende Bezüge handelte. In seiner Entscheidung vom 4. 5. 1965132 hatte der sechste Senat Pensionszahlungen an frühere Hausangestellte zu beurteilen, die der Kläger aufgrund schriftlicher Verpflichtung in stets gleichbleibender Höhe leistete. Hier führt die Anlehnung an das Zivilrecht dazu, daß das Urteil eine Leibrente ablehnt, weil es an einem "selbständigen Stammrecht" fehle. Vielmehr sei der Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis bestehen geblieben. Mit ähnlicher Begründung war auch schon die Entscheidung vom 5. 4. 1965ua dazu gekommen, daß eine Schadenersatzrente gemäߧ 844 BGB keine Leibrente i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1955, sondern eine dauernde Last sei. Auch hier fehle es an einem "selbständigen Rentenstamm180 BFH (o. Fußn. 128), StRK EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 1 R. 49; (o. Fußn. 128), BStBl. III 1963, 592 (o. Fußn. 128), StRK EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 1 R. 62; (o. Fußn. 128), BStBl. III 1964, 475 ff. 131 (o. Fußn. 128), BStBl. III 1963, 592. 131 (o. Fußn. 128), BStBl. III 1965, 444. 133 (o. Fußn. 128), BStBI. III 1965, 359, 360.

IV. Die gegenwärtige einkommensteuerliche Problematik

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recht", dessen Erträge die einzelnen Zahlungen sein müßten. Ausschlaggebend soll sein, daß bei Schadensersatzleistungen aus § 844 BGB jede einzelne Zahlung "unmittelbar auf dieser gesetzlichen Vorschrift (beruhe) und unmittelbare Schadensersatzleistung (sei)". Dabei muß freilich offen bleiben, welcher Zusammenhang zwischen diesen Abgrenzungstheorien und den beachtlichen steuerlichen Konsequenzen besteht. Die Anlehnung an das Zivilrecht führte auch dazu, daß eher nebensächliche Vertragsbestimmungen zu jeweils unterschiedlichen steuerlichen Folgen führen konnten. Vor allem im Bereich der Unterhaltsrenten im weitesten Sinn machte sich dies auch sehr bald bemerkbar. Die typische Fallgestaltung bildeten dabei steuerlich überaus vorteilhafte134 Vereinbarungen über die Versorgung von Ehefrauen nach der Scheidung. Die Entscheidung vom 11. 10. 1963135 folgert aus der zivilrechtlichen Stammrechtstheorie, daß die vereinbarte Anhindung der Bezüge an das Gehalt eines Regierungsrats nicht gegen eine Leibrente spreche. Dagegen stößt sie sich an einer Vertragsklausel, nach der sich die "Vertragsschließenden die Geltendmachung der Bestimmung des § 323 ZPO (vorbehalten)". Das Urteil führt dazu aus, hiermit könne eine clausula rebus sie stantibus angesprochen sein. Es komme aber auch in Betracht, daß die Bezüge bei verminderter Leistungsfähigkeit herabzusetzen seien. In diesem Fall könne keine Leibrente angenommen werden. Knapp zwei Jahre später brachten allerdings drei Entscheidungen des gleichen Senats vom seihen Tage eine deutliche Wende. Jetzt soll es von vornherein "in der Regel" nicht dem Parteiwillen entsprechen, bei Unterhaltsvereinbarungen anläßlich einer Ehescheidung ein "Rentenstammrecht" zu begründen136. Der sechste Senat schließt sich vielmehr der Auffassung des Reichsgerichts an, daß in diesen Fällen zumindest erforderlich sei, auf die Rechte aus § 323 ZPO zu verzichten. Nach der zweiten Entscheidung137 soll allerdings der Verzicht auf die Rechte aus § 323 ZPO nicht für die Annahme einer Leibrente ausreichen, wenn andere Vertragsbestimmungen gegen die Gleichmäßigkeit der Bezüge sprechen. Das Urteil stellt dabei darauf ab, daß die Bezüge an das Nettogehalt des Verpflichteten, eines Angestellten, geknüpft waren. Das Finanzamt hatte dagegen aus der Entscheidung des Bundes134 Der steuerliche Nutzen ergab sich daraus, daß im Rahmen einer Konventionalscheidung Vereinbarungen getroffen wurden, die den "Unterhalt" der geschiedenen Ehefrau zu abzugsfähigen Sonderausgaben des Ehemannes i. S. d. § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1955 werden ließen, ohne daß das in § 12 Nr. 2 EStG 1955 normierte Abzugsverbot eingreifen konnte; dazu eingehend BFH, Urt. v. 7. 12.1966.- VI 298/65 - , BStBl. 111 1967, 245 ff. Das Einkommensteuergesetz 1975 hat diese beliebte Steuergestaltung durch eine Änderung des § 12 Nr. 2 EStG unmöglich gemacht; hierzu näher oben (IV. 4. c) cc)). 135 (o. Fußn. 128), BStBI. 111 1963, 594, 595. 138 (o. Fußn. 128), BStBI. 111 1965, 582, 583. 137 StRK EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 1 R. 83.

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finanzhofs vom 11. 10. 1963 138 geschlossen, daß eine Leibrente auch dann vorliege, wenn die Höhe der Bezüge an ein bestimmtes Beamtengehalt oder- wie hier- an das Nettogehalt eines Angestellten geknüpft sei. Das Urteil weist diese Überlegung mit der Begründung zurück, in jener Entscheidung sei der Verpflichtete gerade kein Staatsbeamter gewesen139. Das dritte Urteil vom 16. 7. 1965140 betont aber auch wieder, der Vorbehalt der Änderungsmöglichkeit nach § 323 ZPO in einer Unterhaltsvereinbarung könne dazu führen, daß die Leistungen nicht als Leibrente, sondern als dauernde Last zu beurteilen seien. Sieht man einmal von differenzierteren Erwägungen ab, die sich vor allem in den Urteilsgründen finden, ging die Tendenz der geschilderten Rechtsprechung dahin, die steuerlich folgenschwere Abgrenzung zwischen Leibrenten und dauernden Lasten daran zu orientieren, ob die Vereinbarungen eine bestimmte Klausel enthielten. Abgesehen davon, daß auch die zivilrechtliche Bedeutung dieser Vertragsklausel zweifelhaft war, konnte sie jedenfalls mit den schwerwiegenden steuerlichen Folgen nicht in einen sinnvollen Zusammenhang gebracht werden. Vor allem hieran wird deutlich, wie sehr auch schon wieder im Jahre 1965 die Besteuerung wiederkehrender Bezüge ins Zwielicht fiskalischer Willkür geraten war. bb) Schwierigkeiten bei der steuerlichen Behandlung dauernder Lasten Das in der Rechtsprechung anzutreffende Unbehagen verstärkte sich auch dadurch, daß ein anderer Problembereich an Bedeutung gewann. Bei einer Durchsicht der Urteile fällt auf, daß sie bis auf wenige Ausnahmen schließlich eine dauernde Last annehmen. In der Regel fehlte es nämlich an der Unveränderlichkeit der Bezüge und darüber hinaus wurden Schadensersatzleistungen und Pensionszahlungen wegen des fehlenden "selbständigen Stammrechts" als dauernde Lasten beurteilt. Hatte also für die ersten Jahre nach der Reform noch gegolten, daß auch in der Rechtsprechung unausgesprochen die Leibrente im Vordergrund stand, mußte diese nun der dauernden Last ihren Platz einräumen. Dies bedeutete gleichzeitig, daß das Konzept, das die Reform von 1955 für die Besteuerung wiederkehrender Leistungen verfolgt hatte, weitgehend ins Leere gegangen war. (o. Fußn. 128), BStBl. 1963, 594, 595. Offenbar hätte also schon gegen eine Leibrente gesprochen, wenn ein Staatsbeamter seine Gehaltsgruppe zur Bemessungsgrundlage der Bezüge gemacht hätte, während das bei jedem anderen unschädlich gewesen wäre. Schon diese Differenzierung zeigt, auf welch schmalem Grat sich die Rechtsprechung bewegte und wieviel Glück dazu gehörte, die richtige Formulierung zu finden. 140 (o. Fußn. 128), BStBI. 111 1965, 583 ff. 138

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Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 29. 3. 1962141 war eine dauernde Last einerseits voll abzugsfähig, aber beim Empfänger auch voll zu versteuern. Ähnlich wie schon in der Nachkriegszeit mußte jedoch in vielen Fällen die beachtliche steuerliche Entlastung des Verpflichteten fragwürdig erscheinen. Bei einer Veräußerung oder einer vorweggenommenen Erbfolge hätte die volle Besteuerung und der volle Abzug gerade wieder zu denselben Ungereimtheiten geführt, die schließlich die Reform von 1954 bewirkt hatten. Deren Stellenwert erscheint in einem merkwürdigen Licht, wenn man sich vor Augen hält, wie die Rechtsprechung nun die gröbsten Unbilligkeiten vermied. So als hätte es die mit hohem Anspruch angetretene Reform von 1954 gar nicht gegeben, werden ebenso wie in der Entscheidung vom 18. 9. 1952m die wiederkehrenden Leistungen mit dem Wert der Gegenleistung verrechnet. In seinem Urteil vom 28. 6. 1963143 greift der sechste Senat ganz selbstverständlich auf die Rechtsprechung aus der Zeit vor der Reform zurück144, um eine Verrechnung vorzunehmen. Zwei weitere Entscheidungen des ersten145 und des vierten146 Senats setzen diese Linie ohne weitere Begründung fort. Die Entscheidung vom 16. 9. 1965147 stellt jedoch dieses Verrechnungsverfahren in den größeren Zusammenhang der Besteuerung wiederkehrender Leistungen und ihrer Entwicklung. Sie kommt dabei zu einem zwiespältigen Befund. Einerseits sieht man die bisherige Rechtsprechung bestätigt. Auch die Reform von 1955, die den Kapitalanteil von Leibrenten steuerfrei lasse, verfolge nämlich den Gedanken, Vermögensumschichtungen bei der Besteuerung wiederkehrender Bezüge auszunehmen. Wende man aber nach neuem Recht das Verrechnungsverfahren auf die dauernden Lasten an, so wären die Leistungen beim Verpflichteten erst nach langer Zeit oder überhaupt nicht abzugsfähig. Dies widerspreche jedoch der gesetzlichen Regelung, die in den §§ 9 Abs. 1 Nr. 1 und 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1955 offensichtlich von der Abzugsfähigkeit als Regelfall ausgehe. Aus § 9 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1955 schließt der vierte Senat auf den gesetzgeberischen Willen, daß dauernde Lasten sogar dann abzugsfähig sein sollen, wenn sie echtes Entgelt im Sinne eines Kaufpreises seien. Trotz erheblicher Bedenken148 müsse man sich an dem Gesetzeswortlaut orien(o. Fußn. 113), BStBl. III 1963, 304, 305. (o. C. Ill. Fußn. 1), BStBl. Ill 1952, 290 ff. 143 (o. Fußn. 128), BStBl. Ill 1963, 424, 425. 144 Auch das Urteil vom 15. 2. 1957 VI 155/55-, auf das sich die genannte Entscheidung beruft, hatte sich noch auf die Rechtslage des Zeitraums vor 1955 bezogen. 146 (o. Fußn. 128), BStBl. III 1964, 475 ff. 146 StRK EStG § 22 Ziff. 1 R. 66 (o. Fußn. 128). 147 (o. Fußn. 128), BStBl. Ill 1965, 706 ff. 148 Insbesondere sah man schon die Widersprüche, die sich wegen § 12 141

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tieren. Die volle Abzugsfähigkeit dauernder Lasten solle daher nicht mehr durch eine Verrechnung eingeschränkt werden. Am Schluß des genannten Urteils vom 16. 9. 1965 findet sich allerdings der sibyllinische149 Hinweis, man werde in Übereinstimmung mit dem ersten und sechsten Senat150 den "Gedanken der Verrechnung der Werte von Leistung und Gegenleistung nur auf kaufähnliche oder darlehensähnliche Vorgänge nach der Art des dort (d. h. in der vorher zitierten Entscheidung vom 28. 6. 1963151) entschiedenen Sonderfalles (anwenden), nicht jedoch auf Betriebs- und sonstige Vermögensübergaben im Wege der wechselseitigen Schenkung oder der Schenkung unter Auflage". Diese Bemerkung muß im Zusammenhang der Entscheidungsgründe wohl dahin verstanden werden, daß man nur in den Fällen eine Verrechnung vornehmen wollte, in denen der Berechtigte eine einmalige Geldleistung erbracht hatte152• Bei diesem Sachverhalt liegt auch die gedankliche Verbindung zu einem "(Renten)Kauf" und einem "Darlehen" besonders nahe. Auch wenn dem Urteil wegen seiner letzten Passage die wünschenswerte Klarheit fehlt, spricht alles dafür, daß der sechste Senat dauernde Lasten nunmehr bis auf besondere Ausnahmefälle uneingeschränkt zum Abzug zulassen wollte163• Damit war nach einigen Umwegen für die dauernden Lasten als praktisch bedeutsamNr. 2 EStG bei Leistungen an gesetzlich unterhaltsberechtigte Personen ergeben mußten. Dieser Gesichtspunkt wird unten (IV. 4. c) bb)) noch eingehend behandelt. Er ist in dem größeren Zusammenhang zu sehen, daß die Besteuerung wiederkehrender Bezüge nicht nur von den bisher behandelten Vorschriften bestimmt wird. 149 Es wird noch darauf einzugehen sein, welche weitere Verwirrung diese Urteilspassage gestiftet hat. Die Konsequenzen, die sich insb. aus den Ausführungen dieses Urteils zur Abzugsfähigkeit dauernder Lasten nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 EStG ergeben, erscheinen vielfach so fernliegend, daß man sie gerne übergeht und sich an die letzte Urteilspassage hält; vgl. schon Charlier, StbJb. 1966/67, 279, 304, 305, Fußn. 77, der an den Folgen dieses Urteils zweifelt. 150 Diese Bemerkung kann sich nicht auf die einschlägigen Urteile dieser Senate beziehen. In beiden Fällen handelte es sich um Betriebsübertragungen auf nahe Angehörige und damit gerade um die Fallgestaltung, bei der der vierte Senat jetzt keine Verrechnung zulassen will. 151 (o. Fußn. 128), BStBl. III 1963, 424 f. Das Urteil betrifft einen Fall, in dem sich die Berechtigte die wiederkehrenden Leistungen durch eine einmalige Geldzahlung "erkauft" hatte. Besonderheiten ergaben sich allerdings daraus, daß der Vertrag zwischen unterhaltsberechtigten Personen geschlossen worden war und die Bezüge erklärtermaßen zu Versorgungszwecken gezahlt wurden. 152 Vgl. auch schon Hartz, DB 1964, 1360, der bereits das Urteil des ersten Senats vom 27. 5. 1964 (o. Fußn. 128), BStBl. III 1964, 475 ff., kritisiert hatte, weil es den vom sechsten Senat entschiedenen "Sonderfall" verallgemeinert habe. Auch diese Stellungnahme unterscheidet zwischen der Hingabe von Geld und der Betriebsübergabe, bei der nicht verrechnet werden soll; ferner Fichtelmann, StLex 7/1973, 3, 10, 25 und Offerhaus, FR 1970, 344, 345. 153 So jetzt auch Biergans, DStR 1981, 455, 460.

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sten Fall wiederkehrender Leistungen wieder der wenig befriedigende· Stand erreicht, der in der Nachkriegszeit bis zur Entscheidung vom 18. 9. 1952 154 gegolten hatte. Daher wird verständlich, daß das Urteil vom 16. 9. 1965155 mit der schon wiedergegebenen Passage endet, in der der Gesetzgeber zum Handeln aufgefordert wird. b) Die EntwickLung bis zur Gegenwart

aa) Die Grundlinien Bei erstem Zusehen zeichnet sich ein Gesamtbild ab, in dem der schon behandelte Zeitraum von 1963-1965 als Entwicklungs- und die Folgezeit als Konsolidierungsphase erscheint. Hierfür spricht etwa schon, daß sich nach 1965 die zeitliche Abfolge der einschlägigen Entscheidungen deutlich verlangsamt hat158• Dies bedeutet freilich nicht, daß die Rechtsprechung von ihrem Appell an den Gesetzgeber abgerückt ist und sich von der Sinnhaftigkeit der geltenden Besteuerung wiederkehrender Bezüge überzeugt hat. Die Ursachen, die zu einer gewissen Beruhigung geführt haben, sind wesentlich vielschichtiger und nicht ohne weiteres erkennbar. Einmal ist von erheblicher Bedeutung, daß der Gesetzgeber die Rechtsprechung mit ihren Problemen alleine gelassen hat. Dadurch blieb den Gerichten gar keine andere Wahl, als die bisher entwickelten Ansätze (o. C. III. Fußn. 1), BStBI. 1952, 290 ff. (o. Fußn. 128), BStBl. III 1965, 706 ff. 158 Soweit ersichtlich liegen folgende Entscheidungen vor: BFH, Urt. v. 25.11. 1966 - VI R 111, 112/66 -, BStBl. III 1967, 178 f.; Urt. v. 2.12. 1966 -VI R 31/66 -, BStBl. III 1967, 179 f. = StRK EStG § 10 Abs.1 Ziff.1 R. 94; Urt. v. 2. 12. 1966 - VI 153/65 -, StRK EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 1 R. 99 ; Urt. v. 2. 12. 1966- VI 365/65 -, BStBl. III 1967, 243 f. = StRK EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 1 R. 96; Urt. v. 7. 12. 1966- VI 298/65 - , BStBl. Ill 1967, 245 f . = StRK EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 1 R. 98; Urt. v. 12. 4. 1967 - I 129/64 - , BStBl. II 1967, 262 f. = StRK EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 1 R.100 = DB 1968, 739 f.; Urt. v. 30. 11. 1967 - IV R 12/67 -, BStBl. II 1967, 262 f. = StRK EStG § 22 Ziff. 1 R. 97; Urt. v. 10. 10. 1969 - VI R 267/ 66 -, BStBl. II 1970, 9 ff. = StRK EStG § 22 Ziff. 1 R. 102; Urt. v. 25. 5. 1973- VI R 375/69 - , BStBl. II 1973, 680 = StRK EStG § 22 Ziff. 1 R . 106; Urt. v. 27. 9. 1973 - VIII R. 71/69 - , BStBl. II 1974, 101 f. = StRK EStG § 22 Ziff. 1 R. 108; Urt. v. 11. 3. 1975 - VIII R 1/74 -, BStBl. li 1975, 630 f. = StRK EStG § 22 Ziff. 1 R. 111; Urt. v. 1. 8. 1975 - VI R 48/73 -, BStBl. II 1975, 881 = StRK EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 1 R. 134; Urt. v. 1. 8. 1975 - VI R 168/73 - , BStBl. Il 1975, 882 ff. = StRK EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 1 R. 135; Beschl. v. 20. 5. 1976 - VI B 138/75 - , StRK EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 1 R. 140; Urt. v. 21. 12. 1977 - I R 52/76 - , BStBl. II 1978, 332 f. = StRK EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 1 R. 144 = JZ 1978, 570; Urt. v. 9. 10. 1978 - VIII R 9/77 - , BStBl. li 1979, 133 f.; Urt. v. 18. 3. 1980 - VIII R 69/78 - , BStBl. li 1980, 501 ff. = StRK EStG § 22 Ziff. 1 R. 125; Urt. v. 20. 5. 1980 - , VI R 108/77 -, BStBl. Il 1980, 573 = StRK EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 1 R. 154 ; Urt. v . 30. 5. 1980 - VI R 153/77 - , BStBl. II 1980, 575 ff. = StRK EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 1 R. 154; Urt. v. 19. 9. 1980 - VI R 161/77 - , BStBl. II 1981, 26 ff.; Urt. v. 2. 12. 1980- VII R 197/78 - , BStBl. Il 1981, 263 ff.; Urt. v. 22. 9. 1982- IV R 154/79 - , BStBl. II 1983, 99 ff. 154 155

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fortzuführen. Es mußte angesichts der komplexen Problematik von vorneherein aussichtslos erscheinen, anhand des zu entscheidenden Einzelfalls ein neues, aber doch aus der gesetzlichen Regelung ableitbares Konzept zu entwickeln. Von daher erklärt sich, daß die einschlägigen Entscheidungen stereotyp auf die Erkenntnisse insbesondere des sechsten Senats aus den Jahren 1963-1965 zurückgreifen. Wie ein roter Faden zieht sich durch die Urteilsgründe die schon bekannte Argumentation, der Begriff "Leibrente" sei anhand bürgerlich-rechtlicher Grundsätze zu bestimmen. Daher müsse eine Leibrente "auf einem Rentenstammrecht beruhende wiederkehrende, fest begrenzte und gleichmäßige Leistungen auf die Lebensdauer des Berechtigten zum Gegenstand haben" 167• Gerade wegen dieser Kontinuität war es der Verwaltungsund Beratungspraxis möglich, sich immer mehr auf die Linie der Rechtsprechung einzustellen. Auf diese Weise wurde insbesondere durch die Einkommensteuerrichtlinien ein allgemein akzeptiertes Beurteilungsraster entwickelt, das die in diesem Bereich sehr bedeutsame Steuerplanung erleichterte und Kontroversen schon von vorneherein ausschloß. Vor diesem Hintergrund erklärt sich, daß nur noch Fälle höchstrichterlich entschieden wurden, die entweder auf Beratungsmängel oder -pannen zurückgingen158 oder die durch irgendwelche Besonderheiten aus dem Rahmen fielen. Hierzu zählt etwa die Entscheidung vom 10. 10. 1969158, in der erstmals die dynamisierte Sozialversicherungsrente am Maßstab der Auslegungsgrundsätze gemessen wurde, die die Rechtsprechung mittlerweile zu § 22 Nr. 1 Buchst. a EStG entwickelt hatte. Die Dynamik, die mit dem Gesetz zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Angestellten160 eingeführt worden war, mußte die Annahme einer Leibrente zweifelhaft erscheinen lassen. Das Urteil begegnet jedoch dieser Veränderung, indem es als vergleichbaren Sachverhalt die Vereinbarung einer Wertsicherungsklausel heranzieht, die schon immer unschädlich gewesen sei. Gleichfalls weist der sechste Senat die Vorstellung zurück, die Steigerungen begründeten zusätzliche "Stammrechte", deren Ertragsanteile jeweils neu bestimmt werden müßten. Die Erhöhung der Rentenzahlungen durch Rentenanpassungsgesetze sei vielmehr "von 157 s. z. B. BFH (o. Fußn.156), BStBl. 111 1967, 179 f.; (o. Fußn. 156), BStBl. 111 1967, 245 f.; (o. Fußn. 156), BStBl. II 1973, 680 f. sowie aus neuerer Zeit (o. Fußn. 156), BStBl. II 1975, 882. 158 Für diese Verfahren ist typisch, daß sie engagiert betrieben wurden und die Kläger "prinzipielle" und "grundsätzliche" Erwägungen bemühten, um die Sinnhaftigkeit des grundlegenden Ansatzes in Frage zu stellen; vgl. etwa das Parteivorbringen in den Urteilen vom 25. 5. 1973 (o. Fußn. 156), BStBl. II 1973, 680, 681 und v. 1. 8. 1975 (o. Fußn. 156), BStBl. II 1975, 882, 883. 15D BFH (o. Fußn. 156), BStBl. II 1970, 9 ff. 180 Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetz (AnVNG) v. 23. 2. 1957, BGBl. I, 88.

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vornherein im Stammrecht der Rente als eine Arbeitswertrente vorgesehen". Mit dieser recht beherzten Argumentation hat der sechste Senat auch die dynamische Sozialversicherungsrente in den Regelungsbereich des § 22 Nr. 1 Buchst. a EStG eingebunden, ohne im übrigen durch sozialpolitische Rücksichten die allgemeine Auslegung des Leibrentenbegriffs in Frage zu stellen. Ferner ist hier das Urteil vom 11. 3. 1975181 zu nennen. Es betrifft einen Vertrag, den ein selbständiger Handelsvertreter erst bei seinem Ausscheiden mit dem Unternehmer geschlossen hatte, um seine Altersversorgung sicherzustellen. Anders als im Regelfalllag also kein Dienstvertrag zugrunde, der schon von vornherein die Verpflichtung zur Altersversorgung begründet hätte. Hier mußte angesichts der bisherigen Rechtsprechung fraglich erscheinen, ob die Vereinbarung, die offenbar auch Elemente eines Vergleichs über Schadensersatzansprüche enthielt, nicht doch ein selbständiges "Stammrecht" begründete. Der achte Senat greift dabei sogar auf den Gedanken zurück, daß eine Umschaffung erforderlich sei, um eine Leibrente anzunehmen. Wegen der Wettbewerbs- und Treueklausellehnt er schließlich ab, daß ein neues Schuldverhältnis vereinbart sei. Hieran ist bemerkenswert, daß der Bundesfinanzhof in den Fällen, in denen er eine Leibrente positiv annimmt, die Selbständigkeit des "Stammrechts" gar nicht erst erörtert182 • Im allgemeinen kann jedoch gelten, daß die Routine vielfach schon formelhaft erstarrter Rechtsprechung in einen weitgehend abgesicherten praktischen Konsens einmündete. Allerdings darf man dabei nicht übersehen, daß sich der ursprüngliche Ansatz bei dieser Entwicklung unmerklich verändert hat. Vor allem hierauf ist zurückzuführen, daß grobe Unbilligkeiten weitgehend vermieden werden konnten. Diese Abweichungen sollen im folgenden näher beleuchtet werden. bb) Die Abmilderung des Gegensatzes zwischen Leibrenten und dauernden Lasten Die Erkenntnis, daß nach der gesetzlichen Regelung dauernde Lasten uneingeschränkt abzugsfähig sein sollten, ließ zunächst um so schärfer den unvermittelten Gegensatz zwischen Leibrenten und dauernden Lasten hervortreten. Immerhin hatte die Verrechnung jedenfalls in den Fällen, in denen den Bezügen eine Gegenleistung gegenüberstand, die wenig plausiblen Unterschiede in der steuerlichen Behandlung erheblich abgemildert. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16. 9. BFH (o. Fußn. 156), BStBl. II 1975, 630 f. Vgl. etwa BFH (o. Fußn. 156), BStBl. 111 1967, 179 f.; (o. Fußn. 156), BStBl. II 1968, 262 f.; (o. Fußn. 156), BStBl. 111 1967, 262 f.; (o. Fußn. 156), BStBl. II 1970, 9 ff.; (o. Fußn. 156), BStBl. II 1973, 680; (o. Fußn. 156), BStBl. II 1975, 881 f.; (o. Fußn. 156), BStBl. II 1975, 882 ff.; (o. Fußn. 156), BStBl. II 1978, 332 f. 181

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1965163 erweckt zunächst den Eindruck, als wolle man sich de lege lata mit den offen eingestandenen Ungereimtheiten abfinden. Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, daß der sechste Senat nicht allein an den Gesetzgeber appelliert, sondern auch schon selbst einen Weg weist, um das unbefriedigende Nebeneinander der unterschiedlichen Besteuerungsverfahren zu überwinden. Die genannte Entscheidung vom 16. 9. 1965 betrifft verschiedenartige Altenteilsleistungen an den Onkel des Beschwerdeführers, die aus einem Hofübergabevertrag herrührten. Zum einen handelt es sich um Naturalleistungen, die den lebenslänglichen Unterhalt auf dem Hof sicherstellen sollten. Zusätzlich bestand aber noch die Verpflichtung, einen gleichbleibenden Geldbetrag von 100,- DM monatlich zu zahlen. Während der Senat in seiner Entscheidung vom 29. 3. 1962164 eher einer einheitlichen Betrachtung zugeneigt hatte165, zog er nun vor, die verschiedenen Leistungen zu trennen. Es soll nach diesem Urteil nicht darauf ankommen, daß der Übernahmevertrag insgesamt darauf abgezielt hatte, den angemessenen Unterhalt sicherzustellen. Vielmehr seien die Leistungen aufzuspalten, so daß der gleichbleibende Geldbetrag als Leibrente behandelt werden könne. Nur die daneben zu erbringenden etwa gleichwertigen Naturalleistungen müßten als vollabzugsfähige dauernde Lasten beurteilt werden. Aus dem Beschluß des sechsten Senats vom 20. 5. 197616e ergibt sich, daß die Rechtsprechung die "Aufspaltungslösung" in der Folgezeit keineswegs nur auf den Sonderfall beschränkt hat, daß Naturalleistungen mit Geldleistungen zusammentreffen. Dieser Beschluß weist nämlich darauf hin, daß der Rechtsfrage, ob reine Geldleistungen in Leibrenten und dauernde Lasten aufgeteilt werden können, keine grundsätzliche Bedeutung zukomme. Mehrere unveröffentlichte Entscheidungen hätten nämlich bereits eine solche Aufteilung vorgenommen. Es habe sich um Fälle gehandelt, in denen die Vereinbarungen neben einer gleichbleibenden Geldleistung Zahlungen vorgesehen hätten, die von veränderlichen Faktoren abhingen (Umsatz, Steuer, Krankenversicherungstarife). 183 (o. Fußn. 156), BStBl. III 1965, 706 ff. Vgl. jetzt auch BFH, Urt. v. 28. 7. 1983- IV R 174/80 - , BStBl. II 1984, 97, 100. 164 BFH (o. Fußn. 113), BStBl. III 1962, 304, 305. 165 Es findet sich in den Gründen des Urteils v. 16. 9. 1965 zwar der Hinweis, man habe bereits in der Entscheidung vom 29. 3. 1962 die Möglichkeit

einer Trennung bejaht. Das ist insofern richtig, als dort die Aufspaltung nicht gänzlich ausgeschlossen worden war. Letztlich hatte man aber wegen des einheitlichen Verpflichtungsgrundes und dem engen Zusammenhang zwischen Sach- und Geldleistungen gemeint, daß für Unterhaltsverträge "der vorliegenden Art", eine Trennung "regelmäßig" nicht in Frage komme. 166 BFH (o. Fußn. 156), StRK EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 1 R. 140 m. Anm. Fichtelmann.

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Das Urteil vom 18. 3. 1980117 spaltet schließlich gewinnabhängige Versorgungsleistungen in einen Mindestbetrag ( = Leibrente) und einen Erhöhungsbetrag ( = dauernde Last) auf. Es sei nämlich unbeachtlich, daß die Vertragsparteien von "einer Unterhaltsrente" gesprochen haben, deren Höhe nach den getroffenen Vereinbarungen veränderlich sein sollte. Der achte Senat folgt dabei der Ansicht des Finanzgerichts168, daß der "wirkliche Wille" der Parteien dahin gegangen sei, zwei unterschiedliche und voneinander unabhängige Geldleistungen "festzulegen". Der Betrieb sei nämlich "sozusagen gegen das selbständige Rentenstammrecht eingetauscht" worden. Damit erfülle dieser Teil der einheitlichen Abrede die Merkmale einer Leibrente. Nur die zusätzlichen Leistungen könnten daher als dauernde Last behandelt werden. Insbesondere in der zuletzt genannten Entscheidung wird das Bemühen erkennbar, auch bei nur geringen Anhaltspunkten eine Aufspaltung anzustreben. Danach kommt jedenfalls bei entgeltlichen Leistungen die Annahme einer einheitlichen dauernden Last nur noch dann in Betracht, wenn kein Mindestbetrag ermittelt werden kann169• Offenbar strebt diese Rechtsprechung mit der weitgehenden Aufspaltung170 einen pragmatischen Kompromiß an, der im Regelfall das Spannungsverhältnis zwischen den Extremen Leibrente einerseits und dauernde Last andererseits abmildert. Ein unklares Bild ergibt sich dagegen, wenn man ermitteln will, ob und in welchem Umfang das Verrechnungsverfahren weiterhin dazu dient, die Unterschiede in der steuerlichen Behandlung von Leibrenten und dauernden Lasten abzumildern. Die Entscheidung des vierten Senats vom 20. 8. 1970171 zu einer betrieblichen Zeitrente erweckt den Eindruck, als gehöre die Verrechnung zum gängigen Instrumentarium der Besteuerung dauernder Lasten. Dort ist ganz selbstverständlich davon die Rede, daß seit der Nachkriegszeit das Problem privater wiederkehrender Bezüge durch die Verrechnung gelöst werde und daß sich mit der Reform von 1954 nur für die Leibrenten etwas geändert habe. Der vierte Senat bezieht dies auf alle "echten Veräußerungsrenten, die (o. Fußn. 156), BStBl. II 1980, 501, 503. FG Nürnberg, Urt. v. 2. 3. 1978 - VI 104/77 - , EFG 1978, 380, 381. 189 Anders aber noch die Entscheidung des sechsten Senats vom 30. 5. 1980 (o. Fußn. 156), StRK EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 1 R. 155. Dieser Entscheidung zustimmend und kritisch zur Rechtsprechung des achten Senats v. Bornhaupt, DStR 1981, 335, 336. no Hierzu kritisch StoH, S. 12. 171 BFH, Urt. v . 20. 8. 1970 IV 143/64 - , BStBl. II 1970, 807, 809 ; vgl. aber andererseits BFH (o. Fußn. 156), BStBl. li 1974, 101, wo auch bei einer angemessenen Gegenleistung eine Verrechnung abgelehnt wird. Auch hier wird allerdings nicht klar, wann ein darlehens- oder kaufähnliches Geschäft vorliegen soll, bei dem eine Verrechnung in Frage käme. 1s1 188

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nicht Leibrenten sind (Veräußerungszeitrenten und dauernde Lasten)". Er verweist in diesem Zusammenhang sogar auf seine eigene Entscheidung vom 16. 9. 1965m, deren Aussage aus den genannten Gründen allerdings ungeachtet der schon erörterten sibyllinischen Schlußpassage hinreichend deutlich für das Gegenteil spricht173• Die festgestellten Unstimmigkeiten lassen nur den Schluß zu, daß sogar derselbe Senat in dieser Frage keine einheitliche Linie finden kann. Hierbei mag auch eine Rolle spielen, daß bei unbefangener Betrachtung die volle Besteuerung und der volle Abzug dauernder Lasten im Falle eines Veräußerungsgeschäfts so eklatant sinnwidrig wäre, daß sich die Verrechnung geradezu aufdrängt. Hierfür spricht auch, daß in der Literatur immer wieder der vielfach nicht näher erläuterte Hinweis174 anzutreffen ist, dauernde Lasten seien mit einer Gegenleistung zu verrechnen175• Diese Tendenz kann nicht verwundern, da schließlich die gleiche Frage betroffen ist, wegen der schon in der Nachkriegszeit die steuerliche Behandlung wiederkehrender Bezüge als untragbar erschienen war. Der Kauf eines Mietshauses auf "Rentenbasis" kann178 Vgl. oben Fußn. 156. Nach der Entscheidung des siebten Senats vom 25. 11. 1980 (o. Fußn. 95), BStBl. II 1981, 358 f., kommt weder eine Besteuerung des Ertragsanteils noch eine Verrechnung in Betracht, weil nur der Gesetzgeber eine solche Behandlung der privaten Zeitrente anordnen könne. Das hier erörterte Urteil des vierten Senats wird als "nicht einschlägig" bezeichnet. 174 Vgl. aber aus neuerer Zeit zutreffend Biergans I v. Stotzingen, S. 147 ff. 176 Jansen, NWB, Fach 3 c, S. 2443, 2444; Knur, DNotZ 1968, 197, 212; Seithel, LSW 911979, Gruppe 5, 722, 724, 730; Offerhaus, FR 1970, 344; Troll, Privater Hausbesitz, S. 109 unter Hinweis auf die sicherlich überholte Entscheidung vom 28. 6. 1963 (o. Fußn. 128), BStBl. III 1963, 424, 425; Bühler I Pautick, EStG, § 10 Rdnr. 4, S. 14; unsicher Grieger, StbJb. 1966167, 159, 184; anders noch ders., BB 1965, 1439; einer klaren Stellungnahme enthalten sich Jansen I Wrede, S. 210 einerseits und S. 219 andererseits; Littmann, EStR, § 10 Rdnr. 35 glaubt der Rechtsprechung eine allerdings nicht konsequent durchgehaltene Differenzierung zwischen "Geschäften mit angemessener Gegenleistung" ohne Verrechnung und "voll entgeltlichen Geschäften" mit einer Verrechnung entnehmen zu können. Littmann selbst plädiert dafür, den Gegenleistungsgedanken bei dauernden Lasten gänzlich außer acht zu lassen. Ähnlich wie Littmann unterscheidet die Kommentierung bei Herrmann I Heuer, ESt, KSt, § 22 EStG Anm. 5 (9) zwischen Schenkungen unter Auflage einerseits und kaufmännisch ausgewogenen Vorgängen andererseits. Allerdings soll danach auch bei gemischten Schenkungen eine Verrechnung stattfinden; vgl. aber daselbst § 9 Anm. 23, wo diese Rechtsfrage als keineswegs geklärt bezeichnet wird. 178 Littmann, EStR, § 9 Rdnr. 46 a zieht aus dem Vollabzug dauernder Lasten die Konsequenz, daß "man sie dann allerdings auch nicht in die AfABemessungsgrundlage einzuberechnen habe". Diese Anregung, der (soweit ersichtlich) in der Verwaltungspraxis nicht gefolgt wird, würde dazu führen, daß die Aufwendungen für das Gebäude nicht doppelt zu berücksichtigen wären. Es bliebe aber bei der Systemwidrigkeit, daß die Anschaffungskosten für Grund und Boden abzugsfähig wären; vgl. auch Sauerland I Wendt I Schmidt I Schulz, S. 63, 64, 67, 68: Berechnung eines Barwerts und Ansatz als Anschaffungskosten bei allen wiederkehrenden Leistungen. 112 173

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nämlich ungeachtet aller Reformen und Rechtsfortbildung zu den gleichen systemwidrigen steuerlichen Vorteilen führen wie ehedem, wenn man keine Leibrente, sondern eine dauernde Last vereinbart. Diese Tatsache allein mag schon überraschend genug erscheinen. Doch ist an sich noch mehr verwunderlich, daß überaus unklar erscheinen muß, wie diese Fallgestaltung höchstrichterlich entschieden würde. Das Rechtsprechungsmaterial bietet insofern keine eindeutige Hilfestellung177• Im Gegenteil fällt bei dessen Durchsicht auf, daß seit über einem Jahrzehnt keine Entscheidung getroffen wurde, bei der einer dauernden Last eine äquivalente Gegenleistung gegenüberstand. Dies erklärt auch die Stellungnahme der Steuerreformkommission178, daß bei Veräußerungsgeschäften dauernde Lasten zwar nicht ausgeschlossen seien, aber selten vorkommen dürften. Dieser Befund ist nach den bisher erläuterten Kriterien für eine Abgrenzung zwischen Leibrenten und dauernden Lasten kaum erklärlich. Man muß sich dazu vergegenwärtigen, daß der "Vorbehalt der Rechte aus § 323 ZPO" in diesem Zusammenhang eine immer größere Bedeutung erlangt hat. cc) Die Bedeutung des Vorbehalts der Rechte aus§ 323 ZPO bei der Abgrenzung zwischen Leibrente und dauernder Last Eine Durchsicht der einschlägigen Urteile zeigt, daß immer wieder der vorliegende oder fehlende Ausschluß der Rechte aus § 323 ZPO eine Rolle spielt, um im Einzelfall die vereinbarten wiederkehrenden Leistungen als eine Leibrente oder eine dauernde Last zu beurteilen. Es fällt jedoch schwer, in dem tatsächlich und rechtlich nuancenreichen Rechtsprechungsmaterial eine einheitliche Linie zu erkennen. Zunächst setzte sich die schon angedeutete Tendenz fort, eine dauernde Last anzunehmen, weil die Abänderungsmöglichkeit nach § 323 ZPO nicht ausgeschlossen sei. Diese Regel sollte nicht nur für Unterhaltsvereinbarungen gelten, sondern auch für Zuwendungen im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge179• Ferner spielte keine Rolle, ob überhaupt einer der in § 323 Abs. 4 ZPO genannten Verpflichtungsgründe vorlag oder stattdessen nur eine privatrechtliche Vereinbarung180. Für das Ende des Jahres 1966 galt also, daß bei allen denkbaren Fallgestaltungen nur dann eine Leibrente in Betracht kommen konnte, wenn die ,.Rechte aus § 323 ZPO" vertraglich abbedungen waren. Die m Das Urteil vom 27. 9. 1973 (o. Fußn. 156), BStBl. II 1974, 101, 103 schließt zwar eine Verrechnung bei angemessener Gegenleistung aus, läßt aber wieder für ,.darlehens- oder kaufähnliche Geschäfte" eine Ausnahme gelten. 178 Gutachten, ESt, LSt II Rdnr. 414. 178 Vgl. etwa BFH (o. Fußn. 156), BStBl. 111 1967, 243 f. 180 BFH (o. Fußn. 156), BStBl. 111 1967, 245 ff.

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folgenden Entscheidungen führten jedoch zu einer anderen Weichenstellung, die durch die Argumentation mit § 323 ZPO eher verdeckt wurde. Eine eher kritische Einstellung gegenüber diesem Abgrenzungskriterium läßt schon die Entscheidung des ersten Senats vom 12. 4. 1967181 erkennen. Dieses Urteil weist darauf hin, daß § 323 ZPO nicht auf privatschriftliche Verträge anwendbar sei. Ferner sei auch nicht deshalb eine dauernde Last anzunehmen, weil die Vereinbarung für den Fall "eventuell eintretender schlechter Geschäftslage" ausdrücklich eine Verpflichtung vorsehe, über eine Neufestsetzung der Versorgungsrente zu verhandeln. Hiermit soll lediglich ein möglicher Wegfall der Geschäftsgrundlage angesprochen sein. Da § 242 BGB aber auch für die Leibrente gelte, sei dies unschädlich. In dieser Entscheidung werden also die aus § 323 ZPO gewonnenen Kriterien abgeschwächt. Es entsteht auch der Eindruck, als gehe man von vorneherein von einer Leibrente aus und verteidige diesen Standpunkt gegen Einwände, die nach der bisherigen Rechtsprechung durchaus nahelagen182• Auch eine Entscheidung des vierten Senats vom 30. 11. 1967183 läßt eine deutliche Tendenz zugunsten der Leibrente erkennen. Der Senat fordert nämlich eine weite Auslegung des Leibrentenbegriffes, um dem Vereinfachungszweck der Neuregelung von 1955 Rechnung zu tragen. Augenfällig wird diese Entwicklung ferner in einem Urteil des sechsten Senats184 , das einen Prozellvergleich betrifft, der zwischen dem Kläger und seiner Mutter die Nachfolge in eine OHG gegen lebenslängliche Versorgung geregelt hatte. Obwohl damit ein Titel i. S. des§ 323 Abs. 4 ZPO vorlag, stößt sich der Senat nicht daran, daß es an dem Ausschluß der Abänderungsmöglichkeit fehlt. Wenn die sonst gern geforderte ausdrückliche Klausel nicht notwendig sein soll, weil die Leistungen aufgrund des "Rentenstammrechts" gesetzlich absolut bestimmt seien, so klingt dies nach einer kaum verhüllten petitio principii. Auch dem Einwand des Klägers, es liege ein Leibgedingevertrag vor, der bürgerlich-rechtlich nicht als Leibrente beurteilt werde, hält man eine sehr durchsichtige Argumentation entgegen. Die in diesem Bereich sonst uneingeschränkt geforderte Bindung an das Zivilrecht soll nur insoweit anzunehmen sein, als "die Verpflichtung des Klägers ... auf einem Rentenstammrecht beruht, das regelmäßig wiederkehrende, fest beBFH (o. Fußn. 156), BStBl. li 1968, 262 f. Zur damit hervorgerufenen Verwirrung der Praxis FG Bremen, Urt. v. 28. 7. 1971 - I 43/70 -, EFG 1972, 18, 19; hier wird kaum verhüllt der Vorwurf erhoben, der erste und der sechste Senat des BFH verschleierten evidente Gegensätze ihrer Rechtsprechung; ähnlich Btencke, FR 1972, 217, 218 und Meyer I Richter, DStR 1969, 234. 183 BFH (o. Fußn. 156), BStBl. li 1967, 262 f. 184 BFH (o. Fußn. 156), BStBl. II 1973, 680 ff. 181

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grenzte und gleichmäßige Leistungen zum Inhalt hat, damit eine Leibrente angenommen werden kann" 185• Andere Urteile weisen demgegenüber eine geradezu entgegengesetzte Tendenz auf, indem sie von vorneherein der Annahme einer dauernden Last zuneigen. Dies gilt etwa für die Entscheidung des achten Senats vom 27. 9. 1973188, die eine privatschriftliche Unterhaltsvereinbarung betrifft, nach der ein getrennt lebender Ehemann eine "Leibrente" in feststehenden monatlichen Raten zu zahlen hatte. Der Ehemann hatte ferner in einem weiteren Schreiben bekräftigt, daß er "immer die gleichen Beträge als Rente schicke und auch in Zukunft schicken werde". Dennoch folgert das Urteil aus dem allgemeinen Rechtsgedanken des § 323 ZPO, daß die Merkmale einer Leibrente nur "rein äußerlich und solange erfüllt sind, als nicht außerhalb des Rentenvertrages liegende Verhältnisse und Umstände die Rentenleistungen beeinflussen". Letztlich soll der Zusammenhang mit einer "echten Unterhaltspflicht" dafür ausschlaggebend sein, daß statt einer Leibrente voll zu besteuernde Bezüge vorliegen. Sehr aufschlußreich ist schließlich das Urteil vom 1. 8. 1975187, weil es die eigentlichen Wertungskriterien erkennen läßt. Diese Entscheidung betrüft eine vorweggenommene Erbfolge zwischen den klagenden Eheleuten und ihren Eltern bzw. Schwiegereltern. Die Eheleute, auf die das Eigentum an einem Grundstück und der damit verbundene Gewerbebetrieb übertragen worden war, hatten sich zur Versorgung der Eltern durch Naturalleistungen und eine Rente von 500,- DM monatlich verpflichtet. Schon in der Prozeßgeschichte war der "Ausschluß des § 323 ZPO" bedeutsam gewesen. Um ihre Position zu untermauern, hatten die Beteiligten sogar eine weitere "klarstellende" Vereinbarung getroffen, nach der "der§ 323 ZPO nicht ausgeschlossen werden soll". Das Finanzgericht hatte jedoch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs dafür herangezogen, daß es nicht maßgeblich auf einen ausdrücklichen oder stillschweigenden "Vorbehalt des § 323 ZPO" ankommen könne. Die Entscheidung des sechsten Senats spricht sich in diesem Fall mit einer aufschlußreichen Begründung für eine nur beschränkt abzugsfähige Leibrente aus. Sie argumentiert dabei nicht mit einem Ausschluß der Rechte aus§ 323 ZPO. Ausschlaggebend soll sein, "ob die Rentenleistungen nach Maßgabe der Leistungsfähigkeit der Verpflichteten und des Unterhaltsbedürfnisses des Berechtigten abänderbar sind, also unter ähnlichen Voraussetzungen, unter denen nach § 323 ZPO bei der Verurteilung zu künftig fällig werdenden Leistungen eine Abänderungs185 188 187

Dazu kritisch Wrede, Information 1975, 145, 151. BFH (o. Fußn. 156}, BStBl. II 1974, 103 ff. BFH (o. Fußn. 156), BStBl. II 1975, 881 ff.

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klage erhoben werden kann". Danach dient die Argumentation mit § 323 ZPO also nur der Verdeutlichung einer bestimmten Vertragsauslegung. Jetzt rückt die Urteilsbegründung einen Umstand in den Vordergrund, dessen Stellenwert vorher nicht so deutlich geworden war188• Die Leistungen seien nämlich deswegen unveränderlich, weil der Verpflichtete durch die vorweggenommene Erbfolge einen Vermögenswert erhalten habe. Damit sei die Höhe der Bezüge nicht allein von "dem Gesichtspunkt der Unterhaltsleistung, sondern wesentlich von dem der Verschaffung eines Gegenwerts" bestimmt. Deswegen entspreche in, diesen Fällen die "Unabänderbarkeit auch der Gegenleistung dem Willen der Vertragsparteien". Das Urteil vom 1. 8. 197518e verdeutlicht, daß die Entscheidung zwischen einer Leibrente und einer dauernden Last jenseits der Argumentation mit § 323 ZPO von dem Gesichtspunkt der Entgeltlichkeit bestimmt wird. Wenn man das gesamte Rechtsprechungsmaterial aus diesem Blickwinkel betrachtet, wird dieser Zusammenhang augenfällig. Offenbar ist in allen Fällen eines unentgeltlichen Erwerbs keine Leibrente angenommen worden190• Umgekehrt ist keine Entscheidung ersichtlich, die bei Veräußerungsrenten eine dauernde Last angenommen hat. Ähnliches gilt für die Fälle vorweggenommener Erbfolge. Sie werden zwar von der Rechtsprechung als unentgeltlicher Vorgang beurteilt, aber der Verpflichtete erhält immerhin einen "angemessenen Gegenwert". Auch hier ist man regelmäßigm von einer Leibrente ausgegangen182. In einer neueren Entscheidung193 wird für die Fälle vorweg188 s. aber Grune, StRK-Anm. EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 1 R. 96, der schon im Jahre 1967 geäußert hat, der Gesichtspunkt der Gegenleistung sei in der Rechtsprechung ausschlaggebend. Grune ist schon damals davon ausgegangen, daß die Auslegung des Begriffs Leibrente auf eine Differenzierung zwischen entgeltlichen und unentgeltlichen Renten hinauslaufe. Aus seiner Sicht liegt ein solches Vorgehen schon deswegen nahe, weil er den übertragenen Vermögenswert mit dem für die Leibrente geforderten "Stammrecht" gleichsetzt. Dies ist jedoch nicht der Sinn der zivilrechtliehen Starnmrechtstheorie und schon gar nicht ihrer Übertragung ins Steuerrecht. Im Gegenteil diente sie ursprünglich als Begründung dafür, entgeltliche und unentgeltliche Renten gleich zu behandeln. tse (o. Fußn. 156), BStBl. II 1975, 881 ff. 190 Vor dem hier betrachteten Zeitraum hat das Urteil vom 11. 10. 1963 (o. Fußn. 128), BStBl. III 1963, 594, 595 eine unentgeltliche Leibrente jedenfalls nicht von vorneherein ausgeschlossen; später fiel jedoch bei "reinen Unterhaltsrenten" die Entscheidung immer zugunsten einer dauernden Last: BFH (o. Fußn. 156), StRK EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 1 R. 99; (o. Fußn. 156), BStBl. III 1967, 245 f.; (o. Fußn. 156), BStBl. Il 1974, 103 f. 181 Als Ausnahmen sind das Urteil vom 2. 12. 1966 (o. Fußn. 156), BStBl. III 1967, 243 f. und aus jüngerer Zeit die Entscheidungen vom 20. 5. 1980 (o. Fußn. 156), BStBl. II 1980, 573 ff. und vom 30. 5. 1980 (o. Fußn. 156), BStBl. II 1980, 575 ff. zu nennen; vgl. aber in dem zuerst genannten Urteil die Argumentation des Finanzgerichts, die den Gesichtspunkt der Gegenleistung über den "formalen Hinweis auf § 323 ZPO" stellt.

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genommener Erbfolge die Annahme einer Leibrente sogar mit dem Argument unterstützt, der übergebene Betrieb sei "sozusagen gegen das selbständige Rentenstammrecht eingetauscht" worden. Schließlich ist die Regel anzutreffen, daß anders als bei "reinen Unterhaltsverträgen" bei "Vermögensübergabeverträgen" eine "Rente" nur dann nicht angenommen werde, wenn die "Abänderbarkeit nach § 323 ZPO" ausdrücklich vereinbart sei104 • Auch einige literarische Stellungnahmen sehen hinter der Argumentation mit § 323 ZPO den Gesichtspunkt der Gegenleistung, der in der Regel für die Entscheidung zwischen der Leibrente und der dauernden Last den Ausschlag gebe 185• Zumindest geht man davon aus, daß die vorliegende oder fehlende Gegenleistung ein Indiz gegen oder für die dauernde Last sei196• 4. Der Gesichtspunkt der Entgeltlichkelt bei der Entscheidung zwisrhen Leibrenten und dauernden Lasten

Um die soeben beschriebene Entwicklung der Rechtsprechung zutreffend beurteilen zu können, ist es erforderlich, sich über die Überzeugungskraft der immer wieder hervorgehobenen Vertragsauslegung Klarheit zu verschaffen. a) Die Vertragsauslegung anhand der vorliegenden oder fehlenden Gegenleistung

Bei Vereinbarungen über wiederkehrende Leistungen, die einer gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung Rechnung tragen, wird man in der Regel zu einer Auslegung kommen können, die für den Fall veränderter Verhältnisse {erhöhtes Unterhaltsbedürfnis des Berechtigten oder verminderte Leistungsfähigkeit der Verpflichteten) eine Anpassung nahelegt. Darüber hinaus erscheint es allerdings zu verallgemeinernd, eine solche Auslegung allein auf den Gesichtspunkt der Unentgeltlich182 BFH (o. Fußn. 156), BStBl. III 1967, 179 f.; (o. Fußn. 156), BStBl. II 1968, 262 f.; (o. Fußn. 156), BStBl. III 1967, 262 f.; (o. Fußn. 156), BStBl. II 1973, 680; (o. Fußn. 156), BStBl. II 1978, 332 f.; (o. Fußn. 156), BStBl. II 1981, 26 ff. 183 BFH (o. Fußn. 156), BStBl. II 1980, 501, 503. 184 BFH (o. Fußn. 156), BStBl. II 1983, 99, 101; vgl. auch Staudinger I Amann, vor § 759-761 BGB Rdnr. 10. 196 Vgl. bereits Schmidt, StBp 1968, 193, 196 und Schulz, BB 1969, 1172, 1173; ferner Sauer, StBp 1973, 178, 179; Wollny, BB 1980, 306, 313; vgl. auch Brockhoff, BB 1975, 1249, der allerdings nicht den Hintergrund dieser Rechtsprechung aufhellt, sondern sie im Zusammenhang mit der "§ 323 ZPO-Klausel" aus einem Hang zum Perfektionismus erklärt. Zur Verteidigung der Rechtsprechung zu § 323 ZPO vgl. v. Bornhaupt, DStR 1981, 335, 339. m Biergans I v . Stotzingen, S. 10; Jansen I Wrede, S. 50, 51, 54; Sauerland I Wendt I Schmidt I Schulz, S. 24, 25.

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keit zu stützen. Die fehlende gesetzliche Unterhaltsverpflichtung läßt nämlich die Annahme fernliegend erscheinen, gerade weil der Verpflichtete von vornherein keine Gegenleistung verlangt habe, wolle er bei vermehrten Bedürfnissen des Berechtigten seine Leistungen erhöhen. Auch eine Auslegung, nach der der Verpflichtete unterhalb der in§ 528 Abs. 1 BGB (Einrede des Notbedarfs) vorgesehene Schwelle zur Minderung der Leistungen berechtigt sein soll, bedürfte konkreter Anhaltspunkte im Einzelfall. Besonders aufschlußreich ist jedoch eine Betrachtung der Fälle vorweggenommener Erbfolge, in denen wegen des vorliegenden "angemessenen Gegenwertes" eine Leibrente vermutet wird. Man muß sich etwa vor Augen halten1117, daß die Eltern bei einer Erhöhung ihrer Bedürfnisse deswegen keine Anhebung der Versorgungsbezüge verlangen können, weil sie ihre Lebensgrundlage, wie hier die (u. U. florierende) Bäckerei, zu Lebzeiten auf den Sohn übertragen haben. Aber auch aus dem Blickwinkel der anderen Seite ergibt sich ein schiefes Bild. Verschlechtern sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Verpflichteten, weil der übernommene Betrieb weniger Ertrag abwirft als erwartet, soll er gleichwohl verpflichtet bleiben, den unveränderten Betrag weiterhin zu zahlen. Der Sohn wird dies schon deswegen als ungerecht empfinden, weil die Eltern auch die Ertragseinbußen hätten hinnehmen müssen. Ähnliche Unstimmigkeiten ergeben sich, wenn der übernommene Betrieb wider Erwarten floriert. Auch hier ist nicht einzusehen, daß die Eltern keine Erhöhung ihrer Bezüge verlangen können, weil sie dem Sohn die Grundlage seines Wohlstandes übertragen haben. Der Gesichtspunkt der Gegenleistung ist also in den Fällen vorweggenommener Erbfolge nicht geeignet, die von der Rechtsprechung gepflogene typisierende Vertragsauslegung plausibel zu begründen. Überzeugend ist eigentlich nur der Gedanke, der Empfänger einer Gegenleistung müsse größere Opfer bringen, wenn seine Leistungsfähigkeit gemindert ist188• Damit ist freilich nur ein schmaler Ausschnitt der denkbaren Fallgestaltungen angesprochen, der nicht der Ausgangspunkt einer umfassenden typisierenden Vertragsauslegung sein kann. Aus dem Blickwinkel einer sachgerechten Vertragsauslegung ist gegen die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs vor allem einzuwenden, daß 187 Vgl. dazu den Fall, der der Entscheidung vom 1. 8. 1975 (o. Fußn. 156), BStBl. II 1975, 881 ff. zugrunde liegt. u s So ausdrücklich Schulz, BB 1969, 1172, 1173, der allerdings zu sehr verallgemeinert. Die Interessenlage ist nämlich schon dann anders, wenn der übertragene Vermögenswert die Quelle der wiederkehrenden Leistungen bildet. So liegen die Dinge aber regelmäßig in den Fällen vorweggenommener Erbfolge.

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sie dem vorliegenden oder fehlenden "Ausschluß der Rechte aus § 323 ZPO" eine zu große Bedeutung zumißt. Bei unbefangener Betrachtung wird es für die Vertragschließenden sehr_ fern liegen, hierdurch eine Aussage über die Veränderlichkeit der Leistungen zu treffen. In der Regel führt dies dazu, daß es bei der Vermutung zugunsten der entgeltlichen Leibrente oder der unentgeltlichen dauernden Last bleibt. Dies hat nicht zuletzt auch die Analyse der vorliegenden Entscheidungen bestätigt. Auch die Ausnahmen, die auf eine bewußte steuerplanende Vertragsgestaltung zurückzuführen sind, lassen das Vorgehen der höchstrichterlichen Rechtsprechung eher zweifelhaft erscheinen. b) Der Zusammenhang mit dem Problem der Nettobesteuerung oder der Gleichbehandlung entgeltlicher und unentgeltlicher wiederkehrender Leistungen

Da sich der Gesichtspunkt der Vertragsauslegung als wenig tragfähig erwiesen hat, liegt die Vermutung nahe, daß der Rechtsprechung noch andere Erwägungen zugrundeliegen. Hier drängt sich die Erinnerung an den schon behandelten Problemkreis der Abkehr vom Prinzip der Nettobesteuerung auf. Bisher konnte jedoch davon ausgegangen werden, daß es sich bei der Unterscheidung zwischen entgeltlichen und unentgeltlichen Renten um ein Anliegen der Rechtsprechung handelte, das die Reform von 1955 nicht überdauert hat. Jetzt aber taucht dieses Abgrenzungskriterium am Ende einer Entwicklungslinie auf, die scheinbar nur die Abgrenzung der Leibrenten zu den dauernden Lasten betrifft. Hier stellt sich jedoch als Grundsatz heraus, daß entgeltliche Leistungen als Leibrenten nur teilweise und unentgeltliche Leistungen als dauernde Lasten voll zu versteuern und abzugsfähig sein sollen. Dies entspricht etwa den Vorstellungen Flumes199, die unmittelbar nach der Reform von 1954 noch mit deren Grundidee und dem Gesetzeswortlaut unvereinbar erschienen200. Es zeichnet sich also ab, daß die Rechtsprechung nach und nach das gesetzgeberische Konzept der Behandlung wiederkehrender Leistungen ausgehöhlt hat, ohne diesem offenen Widerstand entgegenzusetzen. Sie hat dabei den Gedanken der Nettobesteuerung wiederkehrender Leistungen gegenüber den Vorstellungen der Reform von 1954 unmerklich durchgesetzt. Welche verschlungenen Wege dabei im Laufe einer langen Entwicklung zurückzulegen waren, zeigt sich am deutlichsten daran, daß die erste einschlägige Entscheidung201 noch angenommen hatte, schon eine "gewisse Gegenleistung" spreche gegen eine Leibrente. Zweifellos hat sich die soeben beschriebene Tendenz in der Rechtsprechung unmerklich durchgesetzt, ohne daß dies von den Beteiligten 190 Flume, DNotZ 1955, 115, 125. zoo Brockhoff, FR 1956, 53, 54. 201 BFH (o. Fußn. 113), BStBl. III 1962, 304, 305.

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bewußt herbeigeführt worden ist. Ausschlaggebend dürfte gewesen sein, daß die gesetzliche Unterscheidung zwischen Leibrenten und dauernden Lasten sich auf diese Weise wenigstens einigermaßen sinnvoll auswirken konnte. Dennoch erscheint es aus methodischer Sicht nicht unbedenklich, wie die Begriffe "Leibrente" und "dauernde Last" nach und nach mit einem Sinn erfüllt wurden, der den Vorstellungen des Gesetzgebers zur Leibrentenbesteuerung offensichtlich zuwiderläuft. Im Hinblick auf die Vertragspraxis führt die vordergründige Argumentation mit "Klauseln gemäß § 323 ZPO" zu dem Nachteil, daß die dahinterliegenden Wertungen durch bewußte Vertragsgestaltung überspielt werden können202 • Die schwerwiegendsten Bedenken lassen sich der Rechtsprechung allerdings aus steuersystematischer Sicht entgegenhalten. Zwar erscheint der Gedanke der Nettobesteuerung, nach dem auch bei wiederkehrenden Bezügen eine Gegenleistung zu berücksichtigen ist, bei unbefangener Betrachtung heute noch ebenso plausibel wie vor der Reform von 1954. Gleichwohl darf man sich nicht darauf verlassen, daß er sich in die Systematik des geltenden Einkommensteuerrechts einfügt. Im Gegenteil muß man mit gegenläufigen Tendenzen rechnen. Dies hängt damit zusammen, daß die Besteuerung wiederkehrender Leistungen nicht allein durch die schon behandelten Normen bestimmt wird. Vielmehr spielt dabei § 12 Nr. 2 EStG eine erhebliche Rolle, dessen Regelungsgehalt den Bemühungen der Rechtsprechung bei der Unterscheidung zwischen Leibrenten und dauernden Lasten gerade zuwiderläuft. c) Das Spannungsverhältnis zu den Rechtsfolgen des§ 12 Nr. 2 EStG

aa) Zur Tragweite des Abzugsverbots für Renten und dauernde Lasten Nach§ 12 Nr. 2 EStG dürfen freiwillige Zuwendungen, Zuwendungen auf Grund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht und Zuwendungen an eine gegenüber dem Steuerpflichtigen gesetzlich unterhaltsberechtigte Person203 weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom 102 Vgl. etwa den Ratschlag von Kapp, JbFfSt 1971172, 274, 281: "Einkommensteuerlich ist eine Rentenvereinbarung nur dann sinnvoll, wenn sich die Rente als sog. dauernde Last darstellt. Das ist aber nur dann der Fall, wenn es sich um wiederkehrende Bezüge handelt, die der Höhe nach schwanken"; so bemerkenswert nüchtern ist die Quintessenz, die sich für die steuerberatende Praxis ergibt. Vgl. auch Sauerland I Wendt I Schmidt I Schutz, S. 25, die auf den ausdrücklichen Vorbehalt der "Änderungsmöglichkeit nach § 323 ZPO" abstellen, der auch bei entgeltlichen Leistungen die Vermutung zugunsten der Leibrente ausräumen soll; offenbar wird in der Praxis nur selten die steuerlich überaus vorteilhafte Vereinbarung einer (voll) entgeltlichen dauernden Last angestrebt. Man kann sich wohl nicht vorstellen, daß in diesen Fällen eine Verrechnung unterbleibt.

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Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Seit dem Steueränderungsgesetz 1979204 ist eindeutig klargestellt205, daß § 12 Nr. 2 EStG auch im Verhältnis zu dem Sonderausgabenabzug nach§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG und somit für die dort geregelten Renten und dauemden Lasten eingreift2oe. Zu dem Verständnis dieser Bestimmung muß man sich auch vergegenwärtigen, daß das Abzugsverbot für Zuwendungen auf Grund "freiwillig begründeter Rechtspflicht" erst durch das Dritte Steuerreformgesetz vom 5. 8. 1974207 eingefügt worden ist. Vorher hatte der Schwerpunkt der Regelung bei dem Abzugsverbot für Zuwendungen an eine gesetzlich unterhaltsberechtigte Person gelegen. Die Auslegungsregeln, die hierzu entwickelt worden sind, weisen einen Bezug zu dem Gesichtspunkt der Gegenleistung auf. bb) Das Abzugsverbot für Zuwendungen an gesetzlich unterhaltsberechtigte Personen Für den Begriff der "unterhaltsberechtigten Personen" bieten sich zwei Auslegungsmöglichkeiten an. Zum einen kann man denjenigen als Unterhaltsberechtigten bezeichnen, dem ein aktueller Unterhaltsanspruch zusteht. Es erscheint aber auch eine Auslegung möglich, die auf die potentielle Unterhaltsberechtigung abstellt und somit den Kreis der betroffenen Personen weiter faßt. Bereits der Reichsfinanzhof%08 und ihm folgend der Bundesfinanzhof%08 haben sich für die letzt203

den.

Die Einbeziehung der jeweiligen Ehegatten soll hier vernachlässigt wer-

Steueränderungsgesetz 1979 v. 30. 11. 1978, BGBl. I, 1849. Der Einleitungssatz des § 12 EStG lautete vorher: "Unbeschadet des § 10 dürfen weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden ... " 208 Die Rechtsprechung war mit der herrschenden Meinung in der Literatur schon immer von diesem Rangverhältnis ausgegangen: BFH, Urt. v . 6.11. 1970- VI R 94/69 -, BStBl. II 1971, 99, 100; Urt. v. 6. 7.1973- VI R 379/70-, BStBl. II 1973, 868, 869; v. 13. 7. 1973 - VI R 222/71 -, BStBl. II 1973, 776, 777; Urt. v . 18. 10. 1974- VI R 175/72 -, BStBl. I1 1975, 502, 503; a. A. Leykum, FR 1967, 51; Littmann, DStR 1971, 125; Brockhoff, BB 1974, 1434 und Blencke, DStZ/A 1975, 96, 97. 2117 BGBl. I, 1769. 208 Allerdings setzte sich die weitere Auslegung erst nach einigem Schwanken durch: vgl. etwa noch RFH, Urt. v. 29. 10. 1930 - VI A 886/30, RStBl. 1931, 10, 11; anders aber RFH, Urt. v. 26. 8. 1936 - VI A 652/36, RStBl. 1936, 1133, 1134; Urt. v. 13. 7. 1939 - IV 125/39 - , StuW 1939, Sp. 831, 832; Urt. v. 31. 7. 1941 - IV 130/41 - , RStBl. 1941, 861, 862; Urt. v. 14. 4. 1943 - VI 434/ 42 --., RStBl. 1943, 516, 517. Wegen der Gründe für den Wandel der Rechtsprechung s. E. Becker, Grundlagen, § 14, S. 18. 208 Grundlegend BFH, Urt. v . 24. 2. 1961 VI 84/60, BStBl. III 1961, 188, 189; ferner BFH, Urt. v. 8. 9. 1961 - IV 227/60 - , BStBl. III 1961, 535, 536; Urt. v. 31. 10. 1969 - VI R 60/68 - , BStBl. I1 1970, 115, 116; Urt. v. 14. 11. 1969 -VI R 50/68 - , BStBl. II 1970, 376; Urt. v . 6. 11. 1970 - VI R 94/69 - , 204

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genannte Auslegungsmöglichkeit entschieden, schon um den Erfordernissen des steuerlichen Massenverfahrens Rechnung zu tragen. Dieser abstrakten Betrachtung steht freilich das Bedenken210 entgegen, daß sie im Interesse einer Typisierung Zuwendungen an bestimmte Verwandte ohne Rücksicht auf den Verpflichtungsgrund diskriminiert. Dies ginge schon deswegen zu weit, weil damit sogar ein Abzugsverbot gegenüber den in § 9 Abs. 1 Nr. 1 EStG geregelten Werbungskosten ins Blickfeld geriete211 • An dieser Stelle griff die Rechtsprechung auf den von ihr zugrunde gelegten Sinn der Vorschrift zurück, in der Grauzone zwischen steuerlich irrelevanter Privatsphäre und dem Bereich der Einkommenserzielung das fiskalische Interesse durchzusetzen212• Aus diesem Blickwinkel begründete § 12 Nr. 2 EStG die Vermutung213, daß zwischen den Zuwendungen und den verwandtschaftlichen Beziehungen ein Zusammenhang besteht. Diese Vermutung war vor allemm dadurch auszuräumen, daß der Verpflichtete darauf verwies, er erbringe die Leistungen jedenfalls überwiegend deswegen, weil er einen Gegenwert erhalten habe215• Es bildete sich alsbald die Regel heraus, daß bei einer "angemessenen" Gegenleistung, deren Wert in etwa die Hälfte des Wertes der Rentenverpflichtung ausmachen mußte, das Abzugsverbot in§ 12 Nr. 2 EStG ausgeräumt sei216 • Wegen dieser allgemein gebilligten BStBl. II 1971, 99; Urt. v. 13. 7. 1973- VI R 222171 - , BStBl. II 1973, 776, 778; Urt. v. 31. 10. 1973 - VI R 206170 - , BStBl. II 1974, 86, 87; Urt. v. 30. 1. 1974 - I R 16172 - , BFHE 111, 336, 339; Urt. v. 18.10. 1974 - IV R 175172 - , BStBl. II 1975, 502, 503; vgl. auch Metz, DStZIA 1934, 695, 696; Scholz, DStZIA 1940, 153, 154; Hippe, StRK-Anm. EStG § 12 Nr. 2 R. 31; Littmann, EStR, § 12 Rdnr. 103; Blümich I Falk, EStG, § 12 Anm. VII 4; Bühler I PauHck, EStG, § 12 Rdnr. 6, S. 9; Gericke, in: Forkel-Kommentar, § 12 Rdnr. 36; anders noch Strutz, S. 383. 210 Vgl. dazu näher Heister, S. 41 ff. 211 Wie noch zu erläutern sein wird, würde dabei allerdings der Begriff "Zuwendung" eine Möglichkeit bieten, entgeltliche Umsatzgeschäfte auszunehmen. 212 Vgl. BFH, Urt. v. 8. 2. 1957 -VI 27156 - , BStBl. III 1957, 207, 209; Urt. v. 5. 7. 1957 - VI 74155 - , BStBI. III 1957, 393, 394; Urt. v. 28. 6. 1963 - VI 321161 - , BStBl. III 1963, 424, 425. Für den besonders heiklen Bereich der Pensionsrückstellungen zugunsten Arbeitnehmer-Ehegatten wurde diese Sicht erst durch das Bundesverfassungsgericht durchgesetzt: BVerfG, Beschl. v. 22. 7. 1970 - I BvR 285166, I BvR 445167, I BvR 192169 - , BStBl. II 1970, 652, 656. 213 Heister, S. 57. 214 s. aber auch die Entscheidung des BFH (o. Fußn. 206), BStBl. II 1973, 868, 869, nach der "besondere - in der Regel schuldrechtliche - Beziehungen" denkbar seien, die die potentielle Unterhaltsberechtigung überlagern. Welche unentgeltlichen Leistungen damit angesprochen sein könnten, bleibt unklar. 216 Dazu sehr kritisch Grieger, JbFfSt 1967168, S. 9, 24, der darauf hinweist, daß nur begüterte Steuerpflichtige in die Lage versetzt werden, "Unterhaltsleistungen" von den Einkünften abzuziehen.

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Rechtsprechung, die sich auf Sinn und Zweck des § 12 Nr. 2 EStG stützte, kam es nicht darauf an, ob aus dem Begriff der Zuwendung etwas für oder gegen die Unentgeltlichkeit der Leistungen herzuleiten war. Daher unterblieb auch weitgehend 217 eine Auseinandersetzung mit dem zivilrechtliehen Zuwendungsbegriff, der jedenfalls entgeltliche und unentgeltliche Vermögensverschiebungen umfaßt218 • cc) Das Abzugsverbot für Zuwendungen "auf Grund freiwillig begründeter Rechtspflicht" Auf den ersten Blick muß das Abzugsverbot für Zuwendungen auf Grund freiwillig begründeter Rechtspflicht rätselhaft erscheinen. Faßt man nur vertragliche Leistungen ins Auge, so ergibt sich die merkwürdige Fragestellung, unter welchen Voraussetzungen Verträge "unfreiwillig" abgeschlossen werden. Hierzu ist sogar schon ein "philosophischer Begriff der Freiwilligkeit" bemüht worden219 • Danach sei die Freiwilligkeit zu verneinen, wenn der "Wille eines Dritten" oder die "Macht anderer Umstände" den Steuerpflichtigen zu einem bestimmten Verhalten zwinge. Dem Verständnis dieser Bestimmung ist es aber eher förderlich, wenn man sich vergegenwärtigt, wie es zu diesem Abzugsverbot gekommen ist. Man stößt dabei auf den Umstand, daß der Gesetzgeber wegen eines ohnehin nur noch kurzlebigen220 sozialpolitischen Ärgernisses mit leichter Hand in den komplizierten Regelungsmechanismus der §§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a. F. und 12 Nr. 2 a. F. EStG eingegriffen hat. Stein des Anstoßes bildete die Möglichkeit, aufgrund einer Vereinbarung nach § 72 S. 2 EheG "unfreiwillige" Leistungen an den schuldig geschiedenen221 und deshalb nicht unterhaltsberechtigten ehemaligen Partner zu zahlen222 • 218 BFH, Urt. v. 23. 1. 1964 IV 8/62 -, BStBl. III 1964, 422, 423; Urt. v. 30. 11. 1967- IV 137/63 - , BStBl. li 1968, 264, 265. 217 s. aber Heister, S. 47 ff., der für die Rechtslage vor 1975 dem bürgerlichrechtlichen Zuwendungsbegriff folgt. 218 Vgl. statt aller Hadding, Der Bereicherungsausgleich, S. 2: "Zuwendung ist jede willentliche Mehrung fremden Vermögens". 219 Brockhoff, BB 1975, 76, 77. 220 Mit der Einführung des Zerrüttungsprinzips und der grds. fehlenden Unterhaltspflicht beider geschiedenen Ehegatten durch das Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts vom 14. 6. 1976, BGBl. 1976 I, 1421, hat sich das Problem der Unterhaltsvereinbarung anläßlich einer Konventionalscheidung erledigt. Zu dieser Perspektive schon Ue~ner, StbJb 1971172, 389, 415 und Koch, DStZ/A 1972, 2, 4. 221 Es kam auch in Betracht, daß die Ehe ohne Schuldausspruch auf Klage des zu versorgenden Partners nach § 48 EheG geschieden wurde. In diesen Fällen bestand keine gesetzliche Unterhaltspflicht nach § 61 Abs. 2 EheG; vgl. dazu BFH v. 12. 8. 1960- VI 82/60 - , BStBl. III 1960, 424, 425. 222 Vgl. hierzu schon Brockhoff. BB 1959, 1167, 1168; Sebinger, Steuer-Kongreß-Report 1964, 120, 131 und Müthling, NJW 1968, 1985, 1989; ferner Gerard, NWB Fach 3, S. 4273, 4274 und Ue~ner, StbJb 1971/72, 389, 413 ff.

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Bei dieser Gestaltung stand § 12 Nr. 2 EStG nach herrschender Auffassung einem Abzug nicht entgegen. Es versteht sich von selbst, daß bei entsprechender Beratung keine Leibrente, sondern eine dauernde Last vereinbart wurde. Beim zahlenden Teil minderte sich somit die finanzielle Last der "Unterhaltszahlungen" vor allem bei hoher Progressionsstufe ganz erheblich. Der andere Partner mußte allerdings die Bezüge nach § 22 Nr. 1 EStG in vollem Umfang versteuern223 • Der Vorteillag aber darin, daß der Berechtigte regelmäßig weitaus geringer steuerlich belastet war. Man nutzte also das Progressionsgefälle zwischen den geschiedenen Eheleuten zu Lasten des Fiskus aus, obwohl an sich für diese Fälle in der seinerzeit geltenden Fassung des § 33a EStG der eher bescheidene Freibetrag von jährlich 1200,- DM vorgesehen war. Das soeben beschriebene steuerliche "Schlupfloch" eröffnete sich vor allem deswegen, weil das seinerzeit geltende Scheidungsrecht weitgehend Manipulationen zuließ, die vor allem eine beliebige Verschiebung der gesetzlichen Unterhaltspflicht erlaubten. Demgegenüber mußte auch die weite Auslegung des § 12 Nr. 2 EStG versagen, die auch die potentielle Unterhaltspflicht genügen ließ. Der Gesetzgeber sah jedoch aus steuerrechtlicher Sicht eine entscheidende Schwäche darin, daß die mit dem Abzugsverbot in § 12 Nr. 2 EStG a. F. für "freiwillige" Zuwendungen gezogene Schrankem durch "formaljuristische Gestaltungen"m, d. h. durch wirksame Vereinbarung über die Zahlungspflicht, überwunden werden konnte. Also ergänzte man § 12 Nr. 2 EStG durch ein weiteres Abzugsverbot für "Zuwendungen aufgrund freiwillig begründeter Rechtspflicht". Damit war dieses steuerliche Ärgernis226 ausgeräumt, das sich aus dem bei Konventionalscheidungen geübten Verfahren ergab227 • 223 Nach einem Kurzbeitrag (o. Verf.) in StBg 1976, 243, 244 soll beim Verpflichteten der Vollabzug, beim Berechtigten jedoch nur die Besteuerung nach dem Ertragsanteil Platz gegriffen haben. Wenn auch in diesem Bereich vielfältige Merkwürdigkeiten anzutreffen sind, war dieses Ergebnis nur durch weitere, und zwar ungesetzliche Manipulationen zu erreichen. 224 Streng genommen muß man allerdings im Auge behalten, daß sich nach der seinerzeit herrschenden Auffassung aus der ersten Alternative des § 12 Nr. 2 a. F. EStG in Wahrheit gar kein Abzugsverbot ergab, weil schon für die Rente oder dauernde Last i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG a. F. grundsätzlich eine wirksame Verpflichtung verlangt wird: Herrmann I Heuer, EStG, KStG, § 10 Anm. 36 und 49; ferner BFH (o. Fußn. 221), BStBl. 1960, 424, 425. 22s Koch, DStZ/A 1972, 2, 4. 226 Den damit verbundenen emotionalen Stellenwert belegt die Äußerung von Gericke, in: Forkel-Kommentar, § 12 Rdnr. 34 (Stand 1981): ... das Konventionalscheidungsloch ... (ist) ... zugestopft. 227 Zu naheliegenden Umgehungsmöglichkeiten Richter, FR 1974, 443, 444; Seithel, DStR 1974, 757, 760 und Felix, Steuer-Kongreß-Report 1975, 405, 427, 428; gerade im Hinblick auf die Fragestellung dieser Arbeit verdient

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Bei näherem Zusehen stellt sich freilich die Frage, ob der Gesetzgeber mit der Einfügung eines weiteren Abzugsverbots nicht über sein Ziel hinausgeschossen ist. Eigentlich wollte man nur die Fälle "verdeckter Unterhaltsleistungen" erfassen, bei denen im Scheidungsverfahren hinsichtlich der gesetzlichen Unterhaltspflicht manipuliert worden war. Unabhängig von diesen Voraussetzungen gilt das neue Abzugsverbot auch für Leistungen zwischen Fremden, bei denen Manipulationen mit der gesetzlichen Unterhaltsberechtigung von vornherein ausscheiden. Für unentgeltliche Leistungen zwischen nicht unterhaltsberechtigten Personen228 läßt sich noch im nachhinein ein Sinn des neuen Abzugsverbots zusammenreimen. Zwar steht in diesen Fällen einer Abzugsmöglichkeit die Steuerpflicht des Empfängers gegenüber, so daß das fiskalische Interesse nur insoweit betroffen ist, als zwischen den Beteiligten ein Progressionsgefälle besteht. Auch hatte man für die einkommensteuerliche Beurteilung bisher als entscheidend angesehen, daß auf der Seite des Verpflichteten eine längerfristige Verminderung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und auf der Seite des Berechtigten eine entsprechende Verbesserung eintritt228 • Hierzu ist allerdings vorstellbar, daß der Gesetzgeber dieser an sich ethisch und sozialpolitisch begrüßenswerten230 Einkommensverteilung skeptisch gegenübersteht, weil er insoweit ein uneingeschränktes staatliches Monopol anstrebt. Denkbar ist auch eine Einstellung des Gesetzgebers, solche altruistischen Leistungen seien praktisch irrelevant. Bei entgeltlichen Leistungen führen jedoch auch wohlwollende Auslegungsversuche nicht weiter. Offensichtlich sollte an der Abzugsfähigkeit von "auf besonderen (vertraglichen) Verpflichtungsgründen beruhenden Renten oder dauernden Lasten" nach den §§ 9 Abs. 1 Nr. 1 und 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG nichts geändert werden. Andererseits ist nicht ersichtlich, daß das Merkmal der Entgeltlichkeit gegen die Freiwilligder Vorschlag von Felix besondere Beachtung, der geschiedenen Ehefrau an einem "Rentenstammrecht" nach § 1073 BGB den lebenslänglichen Nießbrauch zu bestellen; dagegen aber jetzt BFH, Urt. v. 14. 12. 1976 - VIII R 146/73 -, BStBI. II 1977, 115 ff.; allgemein zur Problematik des Nießbrauchs Söffing, S. 125 ff. 228 Wegen eines Beispielsfalles s. Fetscn, S. 45; ferner Rose, StbJb 1975/76, 41, 52, der vor allem den Gesichtspunkt aufgreift, daß die Gesetzesänderung die steuerlichen Daten langfristiger Verträge geändert hat. 220 Heister, Steuer-Kongreß-Report 1969, 457, 480. 230 Nuding, S. 78, hat seinerzeit der Reform von 1955 entgegengehalten, die Beschränkung des Abzugs auf den Ertragsanteil mindere die private Hilfsbereitschaft und leiste den sozialpolitischen und moralischen Gefahren des Wohlfahrtsstaates Vorschub. Er betont dagegen "das psychologische Moment der direkten und persönlichen Hilfe für die Moral eines Volkes"; vgl. auch Heister, Steuer-Kongreß-Report 1969, 457, 481, der die volle Abzugsfähigkeit unentgeltlicher dauernder Lasten mit sozial erwünschten Nebeneffekten rechtfertigt; s. jetzt auch Blümicn I Falk, EStG, § 12 VII 3.

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keit i. S. des§ 12 Nr. 2 EStG spricht. Bei der "Aufarbeitung der Reform" dieser Vorschrift haben sich nun zwei Wege abgezeichnet, auf denen für entgeltliche Leistungen der zu weit gefaßte Anwendungsbereich eingeschränkt werden soll. Ein naheliegender Ansatzpunkt hat sich für diejenigen231 angeboten, die schon bisher den Zuwendungsbegriff eng gefaßt hatten, um das Abzugsverbot für Zuwendungen an gesetzlich unterhaltsberechtigte Personen einzugrenzen. Sie konnten diese begriffliche Argumentation auf die Neuregelung übertragen232 • Bei richtigem Verständnis war die Definition der Zuwendung jedoch allenfalls 233 als begriffliches Kürzel für die sachorientierten Erwägungen zur Einschränkung des Abzugsverbots für Zuwendungen an unterhaltsberechtigte Personen zu verstehen. Andere Stimmen, die die bisherige Rechtsprechung zum Abzugsverbot für Leistungen an unterhaltsberechtigte Personen zutreffend beurteilen und daher dem genannten begrifflichen Ansatz nicht folgen, versuchen den Sinngehalt dieser Rechtsprechung auf das neue Abzugsverbot zu übertragen. Sander 2:w spricht sich auf dieser Grundlage für eine "analoge Anwendung der Rechtsprechung" aus. Er stützt sich dabei auf den "Sinn und Zweck der Rechtsprechung und der neuen Tatbestandsvariante als auch die Interessenlage der jeweils am Abzug interessierten Steuerpflichtigen". Diese Argumentationsnöte spiegeln freilich nur die gesetzgeberische Fehlleistung wider, Unterhaltsmanipulationen mit dem Merkmal der "Freiwilligkeit" begegnen zu wollen.

Während Richter236 ohne nähere Begründung zum gleichen Ergebnis kommt, versucht SeitheF36 die Gesetzgebungsgeschichte fruchtbar zu 231 Herrmann I Heuer, ESt, KSt, § 12 EStG Anm. 8 a; Littmann, EStR, § 12 Rdnr. 92; Blümich I Falk, EStG, § 12 Anm. VII 1; Gericke, in: Forkel-Kommentar, § 12 Rdnr. 30. 232 Vgl. etwa Herrmann I Heuer, ESt, KSt, Erg. zu § 12 EStG Anm. 8 a; Gericke, in: Forkel-Kommentar, § 12 Rdnr. 30 a. E.; Littmann, EStR, § 12 Rdnr. 95 b, der allerdings nicht ganz sicher ist: "Die freiwillige Rechtspflicht wird auf unentgeltliche Zuwendungen gerichtet sein müssen". Sauerland I Wendt I Schmidt I Schulz, S. 38 ff. und 46 ff. bringen die Gegenleistung sowohl beim Zuwendungsbegriff als auch bei den allgemeinen Erwägungen zu den Abzugsverboten ins Spiel; ferner Jansen, NWB, Fach 3 c, S. 2437. 233 Wie bereits erwähnt, hat die Rechtsprechung selbst nicht begrifflich argumentiert, sondern offengelegt, daß die Gegenleistung die Vermutung der Unterhaltsleistung ausräumt; vgl. dazu auch Meyer I Richter, DStR 1969, 172, 173, die allerdings selbst den begrifflichen Ansatz verfolgen. 234 DStR 1975, 631, 634. 235 FR 1974, 443, 444; ebenso Fichtelmann, NSt 1978, Renten-Darstellung 1, 27, 28. 236 DStR 1974, 757, 758.

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machen. Der Entwurf der Bundesregierung eines Dritten Steuerreformgesetzes237 hatte nämlich in § 68 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 vorgesehen, daß sowohl Zuwendungen an unterhaltsberechtigte Personen als auch Leistungen aufgrund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht nur abzugsfähig sein sollten, die "im wirtschaftlichen Zusammenhang stehen mit einer Gegenleistung, deren gemeiner Wert mindestens der Hälfte des Wertes der dauernden Last entspricht". Obwohl der Finanzausschuß diese im Grundsatz sinnvolle Reform288 des § 10 Abs. 1 Nr. 1a wegen der "vordringlichen Änderungen des EStG" nicht weitergeführt hat, will Seithel darauf zurückgreifen, wie man die "Weiterentwicklung des Regierungsentwurfs sinnvollerweise verstehen muß". Als ultima ratio dient dabei die Feststellung, daß eine andere Auslegung im Hinblick auf das Zusammenspiel der Abzugsverbote zu einem völlig widersinnigen Ergebnis führen würde239• dd) Generelles Abzugsverbot für unentgeltlich begründete Renten und dauernde Lasten Auch wenn sich gegen die soeben beschriebenen Auslegungswege Einwände vorbringen lassen, wird man ihnen im Ergebnis schon deswegen folgen müssen, weil sie den zu weiten Anwendungsbereich des neu eingeführten Abzugsverbots einschränken. Jedenfalls spricht alles dafür, daß die Verwaltungspraxis und auch die Rechtsprechung wenigstens diese Möglichkeit ergreifen werden, um das neue Abzugsverbot halbwegs sinnvoll anzuwenden. Wenn "freiwillig" i. S. des§ 12 Nr. 2 als "unentgeltlich" zu lesen ist, wird freilich wieder eine Gesetzesinterpretation eingeführt, die nur für Eingeweihte nachvollziehbar ist und die den Forderungen nach Klarheit und Verständlichkeit der Steuergesetze240 Hohn spricht. Auch die zutreffende Erkenntnis, daß wegen der Reform des Scheidungsrechts einer Aufhebung des neu eingeführten Abzugsverbots nichts im Wege steht24\ dürfte wegen anderer "vordringlicher" Aufgaben nicht zu einer Änderung des Gesetzes führen. Man kann also für das geltende Einkommensteuerrecht davon ausgehen, daß sowohl wiederkehrende Leistungen an unterhaltsberechtigte 237 BT-Drucks. 7/1470, 49. 238 Sie hätte nämlich das Ziel verfolgt, das verwirrende Nebeneinander

von Abzugsmöglichkeit und Abzugsverbot zu beseitigen. Wie vordringlich diese Aufgabe ist, ergibt sich nicht zuletzt daraus, daß der Gesetzgel;>er bei der soeben behandelten Ergänzung des § 12 Nr. 2 EStG offenbar selbst ein Opfer der kaum noch überschaubaren Rechtslage geworden ist. 150 Seithel, DStR 1974, 757, 759. 240 Vgl. dazu den Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 7/2180, 2, der allerdings die Einfachheit der sozialen Gerechtigkeit gegenüberstellt. Daß es auch eine Komplizierung ohne irgendeinen Gerechtigkeitsgehalt gibt, belegt das Beispiel dieser Gesetzesänderung allerdings treffend. 241 Biergans I v . Stotzingen, S . 65.

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als auch an nicht unterhaltsberechtigte Personen gemäß § 12 Nr. 2 EStG vom Abzug ausgeschlossen sind, wenn ihnen nicht eine "angemessene Gegenleistung" gegenübersteht. Es gilt also jetzt allgemein die Regel, daß unentgeltliche wiederkehrende Leistungen ohne eine solche Gegenleistung nicht abzugsfähig sind. d) Der Wirrwarr gegenläufiger Wertungen am Beispiel einer Praxisübertragung vom Vater auf den Sohn

Aus der Rechtsprechung zur Abgrenzung der Leibrente zu den dauernden Lasten konnte die Tendenz herausgelesen werden, unentgeltliche Leistungen als dauernde Lasten in größerem Umfang zum Abzug zuzulassen als entgeltliche Leistungen, die in der Regel als Leibrente beurteilt werden. Die Untersuchung des § 12 Nr. 2 EStG hat ergeben, daß diese Bestimmung für unentgeltliche Leistungen ein Abzugsverbot vorsieht, das 1974 sogar noch über die bisher erfaßten Sonderfälle hinaus ausgedehnt worden ist und seither allgemein gilt. Die Unentgeltlichkeit spricht also einmal für und das andere Mal gegen den Abzug. Entsprechendes gilt wegen der in § 22 Nr. 1 S. 2 EStG vorgesehenen Wechselwirkung auch für die Besteuerung. Mit umgekehrten Vorzeichen sind auch aus der Entgeltlichkeit jeweils entgegengesetzte Schlußfolgerungen zu ziehen. Es liegt auf der Hand, daß die geschilderten gegenläufigen Wertungen zu einer wenig plausiblen Abstufung der rechtlichen Beurteilung führen. Welche Spannungen dabei auftreten, soll an einem Fall vorweggenommener Erbfolge auf "Rentenbasis" erläutert werden. Hier stehen nämlich gerade auch betriebliche Veräußerungs- und Versorgungsrenten im Blickfeld, deren steuerliche Behandlung von zivilrechtliehen Einflüssen unberührt geblieben ist. Damit steht ein nur steuerrechtlich orientierter Vergleichsmaßstab zur Verfügung. aa) Mögliche Fallgestaltungen und ihre einkommensteuerrechtliche Beurteilung Wenn der Sohn eines Rechtsanwalts die väterliche Praxis gegen lebenslängliche wiederkehrende Leistungen übernimmt, kommen aus steuerlicher Sicht mehrere "Rentenarten" in Betracht242 • Zum einen kann es sich um eine betriebliche Veräußerungsrente243 handeln, bei der Leistung und Gegenleistung nach kaufmännischen m Vgl. auch die Übersichten bei v. Bornhaupt, DStR 1981, 335 ff. und insb. Biergans, DStR 1981, 455 ff. 243 Hierzu Seithel, LSW 9/1979, Gruppe 5, 716, 717; Fetsch, S.44f.; Jansen! Wrede, S. 75 ff.; Sauerland I Wendt I Schmidt I Schulz, S. 90 ff.; Stendel, JbFfSt 1969170, 267, 275; Biergans I v. Stotzingen, S. 89 ff.; Biergans, DStR 1981, 455, 456; wegen einer Veräußerungsrente zwischen nahen Angehörigen: BFH Urt.

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Gesichtspunkten abgewogen sind. Auch eine betriebliche Versorgungsrente244 ist aber nicht von vornherein auszuschließen. Zwar hat die Rechtsprechung bis zur Entscheidung vom 18. 1. 1979245 nach anfänglichem Schwanken dazu tendiert, eine nur in Ausnahmefällen zu widerlegende tatsächliche Vermutung zugunsten einer außerbetrieblichen Veranlassung anzunehmen248 • Hierzu ist mit Recht kritisch angemerkt worden247, daß dies faktisch auf einen Ausschluß betrieblicher Versorgungsrenten zwischen nahen Angehörigen, insbesondere zwischen Eltern und Kindern, hinauslaufe. Die soeben erwähnte Entscheidung vom 18. 1. 1979 faßt nun aber die bisherige theoretische Ausnahme für den Sonderfall der Praxisübergabe an den verwandten oder verschwägerten Sozius ins Auge. Wenn also der Sohn schon als Sozius tätig war und seinen Vater mit Rücksicht auf dessen Aufbauarbeit lebenslänglich versorgt, ist nach dieser Rechtsprechung eine betriebliche Versorgungsrente anzunehmen. Es kann und wird auch in der RegeF48 so sein, daß private Motive überwiegen und daher die Leistungen mit Rücksicht auf die familiäre Bindung erbracht werden249• Die beschriebenen Fallgestaltungen ziehen unterschiedliche steuerliche Folgen nach sich. Bei einer betrieblichen Veräußerungsrente sind die Bezüge des Vaters so lange steuerfrei, bis sie die beim Verkauf zu bildenden Buchwerte v. 17.12. 1964- IV 378161 - , BStBl. 1111965, 170, 171; Urt. v. 16.7.1969- IR 186166 - , BStBl. II 1970, 56, 57 m. Anm. Richter, DStR 1970, 517, 518; BFH, Urt. v. 24. 10. 1978 - VIII R 172175 -, BStBl. li 1979, 135, 136 und aus jüngerer Zeit Urt. v. 22. 9. 1982 - IV R 154/79 - , BStBI. II 1983, 99 ff.; grundlegend zum Unterschied zwischen Veräußerungsrenten und Versorgungsrenten im Hinblick auf die bilanzielle Behandlung BFH, Urt. v. 26. 1. 1978 - IV R 62177 - , BStBl. li 1978, 301 ff. 244 Hierzu Herrmann I Heuer, ESt, KSt, § 5 EStG Anm. 61 Renten (12 ff.); Fetsch, S. 91 ff.; Jansen I Wrede, S. 134 ff.; Sauerland I Wendt I Schmidt I Schutz, S. 119 ff.; Seithel, StRK-Anm., EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 1 R. 51-57, 3, 4; ders., LSW 911979, Gruppe 5, 712, 719; Felix, DStR 1964, 19 ff.; Haas, DStZIA 1974, 411, 420; Biergans, DStR 1981, 455, 456 f. 246 IV R 76176 -, BStBl. II 1979, 403 ff. 241 BFH, Urt. v. 16. 6. 1959 I 141158 - , BStBl. 111 1962, 271; Urt. v. 17. 1. 1961 - I 141/60 - , BStBI. III 1961, 130, 131; Urt. v. 23. 1. 1964 - IV 8162 - , BStBI. 111 1964, 422; Urt. v. 25. 8. 1966 - IV 299162 - , BStBl. III 1966, 675, 676; Urt. v. 16. 11. 1972 - IV R 38168 - , BStBI. II 1973, 184 ff.; Urt. v. 6. 3. 1975 - IV R 191/71 - , BStBl. li 1975, 600 ff. und Urt. v . 21. 12. 1977 - I R 52176 -, BStBI. II 1978, 332, 333. t47 Meyer, DStR 1969, 301, 302. t4s Vgl. Biergans, DStR 1981, 455, 457. 141 Auch nach dem Urteil vom 18. 1. 1979 (o. Fußn. 245), BStBI. II 1979, 403 ff. soll anband der tatsächlichen Umstände zwischen betrieblicher und privater Veranlassung unterschieden werden. Vgl. jetzt auch BFH, Urt. v. 22. 9. 1982 (o. Fußn. 243); hier wird neben der Veräußerungsrente und der privaten Versorgungsrente die betriebliche Versorgungsrente für die Praxisübertragung zwischen Vater und Sohn gar nicht mehr erwähnt.

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erreichen250• Danach unterliegen sie als Veräußerungsgewinn nach § 18 Abs. 3 EStG in vollem Umfang251 der Steuerpflicht252 • Die steuerlichen Auswirkungen beim Verpflichteten hängen im einzelnen davon ab, ob er nach § 5 EStG oder nach § 4 Abs. 3 EStG den Gewinn ermitteW53• Leitbild ist aber jedenfalls das beim Vermögensvergleich zu beachtende Verfahren254 • Bei der dort erforderlichen Aktivierung der Anschaffungskosten ist der Barwert der Rente anzusetzen255. Der Käufer hat ferner die Zahlungsverpflichtung zu passivieren und der veränderten Lebenserwartung des Berechtigten entsprechend von Jahr zu Jahr fortzuschreiben. Da einerseits die Barwertminderung (als Ertrag) und andererseits die Rentenzahlungen (als Aufwand) in die Gewinn- und Verlustrechnung einfließen, schlägt deren Differenz zu Buche. Der so ermittelte Betrag läßt sich mit gewissen Vorbehalten258 als der Zinsanteil der Rentenzahlung ansprechen. Insgesamt betrachtet bindet dieses Verfahren eine "Verrentung" in die allgemeine Gewinnermittlung ein. Das übliche Instrumentarium der periodengerechten z:ro Dieses Verrechnungsverfahren geht auf die reichsgerichtlidle Rechtsprechung zurück: RFH (o. Fußn. C. III. Fußn. 16), RStBl. 1930, 580; wegen näherer Einzelheiten vgl. Seithel, LSW 911979, Gruppe 5, 718; Hild, StLex, 3, 22, 7, 8; Wollny, BB 1980, 306, 307; Haas, DStZIA 1974, 411, 415 ff.; Fetsch, S. 78 ff.; Jansen I Wrede, S. 79 ff. 251 Zur Ausnutzung des Freibetrages in § 16 Abs. 4 EStG und der Tarifvergünstigung in § 34 Abs. 1 und 2 EStG durch eine Option vgl. Abschnitt 139 Abs. 10 EStR; ferner BFH, Urt. v. 30. 1. 1974 - IV R 80170 -, BStBl. II 1974, 452, 453 und Biergans, DStR 1981, 455. 252 Eine Verfeinerung dieses Verfahrens ist dadurch möglich, daß die einzelnen Leistungen in einen sofort zu versteuernden Zinsanteil und einen zu verrechnenden Tilgungsanteil aufgespaltet werden; hierzu tendiert die Entscheidung des BFH vom 20. 8. 1970 - IV 143164 -, BStBl. II 1970, 807 ff. s. dazu auch Meyer I Richter, FR 1971, 463, 464; Nissen, JbFfSt 1971172, 122, 139; Herrmann I Heuer, ESt, KSt, § 5 Anm. 61 (Renten [6 und 7]); Biergam; I v. Stotzingen, S. 90 und Biergans, DStR 1981, 455, 458. 253 Seithel, LSW 911979, Gruppe 5, 716, 717; Jansen I Wrede, S. 79 ff. ; Sauerland I Wendt I Schmidt I Schutz, S. 114 ff. 254 Das Urteil des BFH vom 31. 8. 1972 IV R 93167 -, BStBl. II 1973, 51 ff. betont dies auch für den Wegfall der Leibrentenverpflichtung. 255 Wegen weiterer Einzelheiten der Barwertermittlung vgl. BFH, Urt. v. 31. 1. 1980 - IV R 126176 -, BStBl. II 1980, 491 ff. = DStR 1980, 600 m. Anm. Littmann und Reichel, BB 1983, 1072 ff.; Herrmann I Heuer, ESt, KSt, § 5 EStG Anm. 61 (Renten [9]). 258 Man muß im Auge behalten, daß dieses Verfahren bei lebenslänglichen Renten auch den außerordentlichen Ertrag oder Aufwand erfaßt, der durch eine gegenüber der Statistik verkürzte oder verlängerte Lebenserwartung des Berechtigten entsteht. Es berücksichtigt sogar die Veränderung in der statistischen Lebenserwartung, die sich dadurdl ergibt, daß der Berechtigte älter wird; hierzu Fetsch, S. 78. Da andererseits die einmal ermittelten Anschaffungskosten unverändert bleiben, ergeben sich Verschiebungen, die mit den Unsicherheiten statistischer Lebenserwartung zusammenhängen; vgl. aber auch Biergans I v. Stotzingen, S. 94, die hier ohne weiteres vom "Ertragsanteil" der Rente sprechen.

IV. Die gegenwärtige einkommensteuerliche Problematik

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Gewinnermittlung überwindet also weitgehend die Besonderheiten dieser Leistungsform. Anders verhält es sich dagegen bei der betrieblichen Versorgungsrente. Hier handelt es sich um nachträgliche Einkünfte i. S. d. § 24 Nr. 2 EStG i. V. m. § 18 Abs. 1 EStG. Sie sind nicht das Entgelt für die überlassenen Wirtschaftsgüter, sondern eine Vergütung für die zugunsten der Praxis erbrachten Leistungen. Daher kommt eine Verrechnung mit Buchwerten nicht in Betracht257 • Die Bezüge sind sogleich in vollem Umfang steuerpflichtig258. Für die Seite des Betriebserwerbers gilt gleichfalls, daß die wiederkehrenden Leistungen nicht das Entgelt für die erworbenen Wirtschaftsgüter sind259• Hieraus folgt, daß er keine Anschaffungskosten aktivieren kann und nach § 7 Abs. 1 EStDV die bisherigen Buchwerte fortführen muß260 • Ferner scheidet eine Passivierung des Rentenbarwertes grundsätzlich281 aus282 und die laufenden Zahlungen sind sogleich in vollem Umfang als abzugsfähige Betriebsausgaben zu behandeln263 • Ein völlig anderes Bild ergibt sich, wenn nicht betriebliche Beweggründe überwiegen und somit private wiederkehrende Leistungen vorliegen. Jetzt greift § 22 Nr. 1 EStG auf seiten des Berechtigten ein, wobei allerdings nach Satz 2 dieser Vorschrift die Besteuerung von weiteren Voraussetzungen abhängt. Ist der Geber unbeschränkt steuerpflichtig, werden die Bezüge nicht dem Begünstigten zugerechnet, wenn sie einer "gesetzlich unterhaltsberechtigten Person" zufließen. Der Vater ist jedenfalls potentiell unterhaltsberechtigt, so daß es nach der schon dargestellten herrschenden Meinung darauf ankommt, ob er durch die Praxis seinem Sohn einen Gegenwert verschafft hat, der die Belastung mit der Zahlungsverpflichtung wenigstens zur Hälfte aufwiegt. Ist das der Fall, muß er die Bezüge versteuern, ansonsten bleiben sie steuerfrei. Bei einer Besteuerung ist weiter zu unterscheiden zwischen 157 Biergans I v. Stotzingen, S. 157; Biergans, DStR 1981, 455, 461; vgl. aber auch Stendel, JbFfSt 1969/70, 267, 283, der auf eine anderslautende Ansicht der Finanzverwaltung hinweist, die allerdings nach Haas, DStZIA 1974, 411, 417 schon wieder überholt sein soll. 258 Fetsch, S. 93, 94; Jansen I Wrede, S. 144 ff.; Sauerland I Wendt I Schmidt I Schulz, S. 120, 121; Herrmann I Heuer, ESt, KSt, § 5 Anm. 61 (Renten [14]); Seithel, LSW 9/1979, Gruppe 5, 728; Hild, StLex 111975, 10, 11; BFH, Urt. v. 27. 4. 1977- IR 12174 - , BStBl. II 1977, 603 ff.

Biergans I v. Stotzingen, S . 160. Jansen I Wrede, S. 147. zet Seithel, LSW 911979, Gruppe 5, 727. uz Kritisch Biergans I v. Stotzingen, S. 161. 183 Fetsch, S. 94; Jansen I Wrede, S. 147; Sauerland I Wendt I Schmidt I Schulz, S. 120, 121; Herrmann I Heuer, ESt, KSt, § 5 Anm. 61 (Renten [15]) mit Hinweisen auf die Gegenmeinung; BFH (o. Fußn. 258), BStBl. II 1977, 603 ff. und Urt. v. 26. 1. 1978 - IV R 62/77 -, BStBl. II 1978, 301 ff. 2so

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Leibrenten und dauernden Lasten. Die maßgeblichen Kriterien und die jeweiligen Konsequenzen sind schon ausführlich behandelt worden264 • Die steuerliche Lage des Sohnes kann knapp damit umrissen werden, daß sich die Besteuerung des Vaters und seine Möglichkeiten zum Sonderausgabenabzug nach§ 10 Abs. 1 Nr. la EStG spiegelbildlich entsprechen. Auf seiner Seite ist somit nach den gleichen Kriterien ins Auge zu fassen, daß er entweder den vollen Betrag oder nur den Ertragsanteil steuermindernd einsetzen kann. Schließlich kommt auch in Betracht, daß die Leistungen steuerlich irrelevant sind. bb) Kritische Würdigung Schon die Schilderung der verschiedenen Fallgestaltungen hat gezeigt, daß sich eine ganze Skala abgestufter steuerlicher Folgen ergibt. Einmal fällt der schroffe Gegensatz zwischen betrieblichen Veräußerungsrenten und Versorgungsrenten ins Auge. Wenn die Rechtsprechung bei der Abgrenzung der Rentenarten maßgeblich auf subjektive Umstände auf Seiten der Parteien abstellt, erscheint dies im Hinblick auf die steuerlichen Folgen kaum tragfähigH5 • Bedenken ergeben sich auch daraus, daß unter nahen Angehörigen die betriebliche und private Versorgungsabsicht auseinandergehalten werden sollen. Es fragt sich, ob dabei nicht die Anforderungen an die tatrichterliche Überzeugungsbildung überspannt werden. Dem kritischen Betrachter muß auch auffallen, daß in den Urteilsbegründungen immer wieder wenig plausible Argumentationen erscheinen. Fehlt es etwa an Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung, soll die Betriebsübergabe schon gänzlich unentgeltlich erfolgen268 • Auch die Rentenleistungen werden in diesem Zusammenhang als freigebig bezeichnet, selbst wenn andererseits die "Gegenleistung" das Abzugsverbot in § 12 Nr. 2 EStG nicht eingreifen läßt. Schließlich folgert aber die Rechtsprechung wiederum aus der Unentgeltlichkeit, es überwiege die außerbetriebliche Veranlassung, weil ein Fremder eine Gegenleistung gefordert hätte267 • Unabhängig von diesen hier nicht weiter zu verfolgenden Einwänden, die vor allem die Randbereiche betreffen, ist aber dennoch festzuhalten, Vgl. auch Biergans, DStR 1981, 455, 459. Paus, BB 1978, 1157, 1160 weist mit Recht darauf hin, daß der Gedanke der Veräußerung und der Gedanke der Versorgung sich regelmäßig ergänzen. Auch die Veräußerungsrente i. S. der Rechtsprechung soll nämlich der Versorgung dienen, und dies wird aus der Sicht des Veräußerers häufig der Hauptzweck sein; zustimmend Biergans I v. Stotzingen, S. 154. 288 Vgl. etwa BFH (o. Fußn. 246), BStBl. li 1973, 184 ff. (o. Fußn. 246), BStBl. I1 1975, 600, 601; (o. Fußn. 258), BStBl. I1 1977, 603, 605. 267 BFH (o. Fußn. 245), BStBl. II 1973, 184 ff.; kritisch auch Leykum, FR 1967, 51, 52. 284

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daß die Grundstruktur der Besteuerung betrieblicher Renten in sich widerspruchsfrei ist. Man braucht die getroffenen Unterscheidungen nur auf den Idealtypus zu beziehen, um die angeführten Kritikpunkte in den Hintergrund treten zu lassen. Es leuchtet nämlich ein, daß nur der Gewinn steuerpflichtig ist, wenn die Leistungen als Gegenwert für materielle Wirtschaftsgüter erbracht werden. Das gleiche gilt für die volle Besteuerung, wenn der Berechtigte die Bezüge nur als Versorgung bezieht und somit die einmal geschaffene Einkunftsquelle nachwirkt. So betrachtet fügt sich die Besteuerung betrieblicher wiederkehrender Leistungen nahtlos in das Gesamtsystem betrieblicher Einkünfte ein. Ein völlig anderes Bild ergibt sich jedoch, wenn man den privaten Bereich ins Auge faßt. Gerade die Beschränkung auf den Idealtypus bringt das Zerrbild einer sachgerechten Besteuerung zutage. Der Vater, der in dem dargelegten Fall der Praxisübertragung auf den Sohn zwar nicht den kaufmännisch abgewogenen, aber einen hohen Gegenwert hingegeben hat, muß seine Bezüge versteuern. Bemessen sich die wiederkehrenden Leistungen nach dem Umsatz oder sind die "Rechte aus § 323 ZPO" vorbehalten, trifft ihn die volle Steuerpflicht. Andernfalls muß er nur den Ertragsanteil versteuern, obwohl die Annahme einer Leibrente u. U. 288 zu höheren Leistungen führen kann. Er wird dagegen vollends steuerlich geschont, wenn der Wert der Praxis verhältnismäßig gering war. Ist nämlich der Versorgungsanspruch im Verhältnis zum Praxiswert um mehr als 100 °/o überhöht, bleiben die Bezüge nach § 22 Nr. 1 S. 2 EStG steuerfrei. Die gleiche Lage ergibt sich mit umgekehrtem Vorzeichen auf der Seite des Sohnes. Muß er sich bei sinkenden Umsätzen an seiner Verpflichtung zu gleichbleibenden Leistungen festhalten lassen, ist gerade deswegen nur der Ertragsanteil abzugsfähig. War er so großzügig gewesen, daß er eine "überhöhte" Versorgungsrente zugesagt hat, kommt er sogar wegen seiner größeren Belastung überhaupt nicht in den Genuß des Sonderausgabenabzugs nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG288 • Ihm ist also zu einer wirtschaftlich ohnehin vorteilhaften Kleinlichkeit zu raten, um auch noch zusätzlich steuerlich bevorzugt zu werden270 • 288 Es ist z. B. möglich, daß sich der Umsatz ungünstig entwickelt oder die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten aus sonstigen Gründen abnimmt. 269 Auf diese Ungereimtheit hat schon Grieger, StbJb 1966/67, 159, 181 hingewiesen, der allerdings resignierend feststellt, daß mit Gesetzesauslegung nicht mehr zu helfen sei und eine sinnvolle Besteuerung dem Gesetzgeber überlassen bleibe; vgl. auch Meyer I Richter, FR 1970, 373, 375 und Stendel, JbFfSt 1969170, 267, 279, 280. 270 Nissen, JbFfSt 1971/72, 122, 136 spricht im Hinblick auf diese Auswirkungen des § 12 Nr. 2 EStG von "unverständlichen, unsinnigen und damit ungerechten Ergebnissen".

10•

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Der Eindruck, daß sich dieses Ergebnis wohl nicht in das sonstige System der Einkommensbesteuerung einfügt, bestätigt sich, wenn man die Behandlung der betrieblichen Veräußerungsrenten als Vergleichsmaßstab heranzieht. Zu versteuern ist hier nur der Gewinn, also nicht das Äquivalent für die bisherigen Buchwerte. Bei der privaten Versorgungsrente wird das gleiche Ergebnis annähernd erreicht, wenn der Berechtigte keine Gegenleistung oder nur eine geringe hingegeben hat. In dem eher vergleichbaren Fall, daß sich der Rentenanspruch und der übergebene Betrieb in ihrem Wert annähernd entsprechen, ist die private Versorgungsrente dagegen als dauernde Last voll oder als Leibrente zum Teil zu versteuern und abzugsfähig. Stellt man also eine Beziehung zwischen der möglichen Abstufung der Wertverhältnisse und den steuerlichen Folgen her, führt dies zu dem merkwürdigen Ergebnis, daß die extremen Gegensätze steuerlich in etwa gleich behandelt werden. Dagegen greifen in den Fällen, in denen annähernd vergleichbare Wertverhältnisse vorliegen, denkbar unterschiedliche steuerliche Folgen ein. Allerdings werden diese Divergenzen in der Regel wieder dadurch abgemildert, daß die angemessene Gegenleistung zwar die Abzugsfähigkeit privater wiederkehrender Leistungen erst herbeüührt. Dann schränkt sie aber wieder den Umfang des Abzugs ein, weil sie auf eine Leibrente hindeuten soll. Hieran wird deutlich, daß einerseits fragwürdige und andererseits widersprüchliche Argumentationen sich in ihren Auswirkungen abmildern können und deshalb bei isolierter Betrachtung des Einzelfalls nicht zu evident sinnwidrigen Ergebnissen führen. Schon eine bewußt oder unbewußt "planwidrige" Vertragsgestaltung läßt jedoch das volle Ausmaß der widersprüchlichen Wertungsmaßstäbe wieder hervortreten271 • 5. Das Meinungsbild in der Literatur

Abschließend soll noch auf den Stand der literarischen Diskussion emgegangen werden, um das Bild der einkommensteuerliehen Behandlung wiederkehrender Bezüge zu vervollständigen. a) Allgemeine Tendenz Flume212 hat in einer ersten Stellungnahme zur Reform von 1955 dem Gesetzgeber vorgeworfen, er sei hypnotisiert von der Vorstellung des "Rentenstammrechts" als einer Zwangsvorstellung. Wer Flumes Standpunkt teilt, müßte heute diese Diagnose auf nahezu alle Autorenm be171 Vgl. dazu die bei Biergans I v. Stotzingen, S. 167, 168 angeführten Gestaltungsmöglichkeiten. m Flume, DNotZ 1955, 115, 123. 173 Nach Fetsch, S. 19 soll hier der seltene Fall einer einhelligen Auffassung vorliegen. Wie noch zu zeigen sein wird, erscheint diese Feststellung allerdings bei näherem Zusehen zweifelhaft.

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ziehen, die sich literarisch zur Besteuerung wiederkehrender Bezüge äußern. Bei der Erläuterung der Besteuerung wiederkehrender Bezüge nach § 22 Nr. 1 EStG spielt das "Rentenstammrecht" die ausschlaggebende Rolle. Es wird durchweg274 als Merkmal eingesetzt, um zwischen der Besteuerung des Ertragsanteils (Leibrenten) und der gesamten Bezüge (dauernde Lasten) zu unterscheiden. Man versteht dabei ebenso wie die Rechtsprechung das "Rentenstammrecht" als einheitlich nutzbares Recht, dessen Früchte die einzelnen Bezüge darstellen275 • In der RegeJ278 wird dabei deutlich, daß es sich um eine Anleihe aus dem Zivilrecht handelt. Nur vereinzelt277 sind jedoch Stellungnahmen anzutreffen, die sich mit dem zivilrechtliehen Ursprung des "Rentenstammrechts" auseinandersetzen. Durchweg unterbleibt278 eine vertiefte kritische Betrachtung. Eine große Rolle spielen Überlegungen zu § 323 ZPO in der einschlägigen Literatur. Immer wieder erscheint der Hinweis, die "Änderungsmöglichkeit des § 323 ZPO" müsse vereinbart oder ausgeschlossen werden, um je nach Bedarf eine Leibrente oder eine dauernde Last zu vereinbaren. Sogar Stimmen, die aus zivilprozessualer Sicht diesem Verfahren kritisch gegenüberstehen, kommen nicht umhin, entsprechende Empfehlungen auszusprechen271 • Demgegenüber wird auch versucht, die "Bezugnahme auf § 323 ZPO" für den Regelfall als die mit ihren zivil274 Vgl. etwa Herrmann I Heuer, EStG, § 22 Anm. 5 (3), 25 (1), 26, 26 a, 27, 27 a (1) (6), 33, 37 (2) (3), 44, 46, 51, 63; Scholtz, in: Forkel-Kommentar, § 22 Rdnr. 15 und 37; Blümich I Falk, EStG, § 22 Anm. III 2 b; J. und W. Theis, BB Beilage Nr. 15/1966, 1, 2; Seithel, FR 1969, 119; ders., StRK-Anm. EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 1 R. 74; Schulz, BB 1969, 1172; Rosenau, DB Beilage Nr.1811969, 2; Fella, BB Beilage Nr. 711974, 2; ders., StW 1977, 81; Jansen, NWB, Fach 3 c, S. 2437, 2438; Bordewin, NWB, Fach 3 b, S. 2542; Fichtelmann, NSt 1978, Renten Darstellung 1, 2; Seithel, LSW, 911979, Gruppe 5, 699; v. Bornhaupt, DStR 1981, 335, 336; Bremser, S. 11; Nuding, S. 14; Schober, S. 6 und 12; Kanaplei, S. 1; Kapp I Grune, S . 29; Jansen I Wrede, S. 29 ff.; Fetsch, S. 19; Sauerland I Wendt I Schmidt I Schulz, S. 20. 276 s. etwa Herrmann I Heuer, ESt, KSt, § 22 Anm. 25 (2); Bilhler I Paulick, EStG § 22, S. 13; Scholtz, in: Forkel-Kommentar, § 22 Rdnr. 13; Blilmich I Falk, § 22 Anm. III 2 b; Fetsch, S. 20; Friesecke, FR 1967, 48; Schmidt, StBp 1968, 193, 194. 171 Vgl. nur Scholtz, in: Forkel-Kommentar, § 22 Rdnr. 13 und 15; ebenso auch Gericke, in: Forkel-Kommentar, § 10 Rdnr.15. 277 Wrede, Information 1975, 145, 150 f.; Jansen I Wrede, S. 29; Fetsch, S. 2 ff.; Schulz, BB 1969, 1172. 278 Blümich I Falk, EStG, § 22 Anm. III 2 b; Uelner, StbJb 1971/72, 389, 414; Sauerland I Wendt, S. 25; J. und W. Theis, DB Beilage Nr. 1511966, 5; Seithel, FR 1969, 119, 122; besonders deutlich Fetla, BB Beilage Nr. 7/1974; 7; Meyer I Richter, DStR 1969, 234; dies., FR 1970, 373, 375; Ebeling, DStR 1972, 295, 302, der allerdings an der Beständigkeit dieser Rechtsauffassung zweifelt; s. aber andererseits wieder Thoma, DStR 1977, 159, 160; differenzierend Jansen I Wrede, S. 49 ff. und Schulz, BB 1969, 1172, 1174, 1175. 17' Fetsch, S. 23.

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rechtlichen Folgen gewollte und auch zivilrechtlich sinnvolle Vertragsgestaltung zu erklären280• Vielfach281 stößt man darauf, daß den "dauernden Lasten" die "Renten" gegenübergestellt werden. Es ist dann auch nicht mehr von dem "Stammrecht" der Leibrente, sondern allgemein vom "Rentenstammrecht" die Rede. Dabei wird regelmäßig auch die Zeitrente eingeschlossen182. Nach Wrede283 soll sogar die zivilrechtliche Rechtsprechung zu den §§ 759 ff. BGB für die Zeitrente bedeutsam sein, weil sich beide Rentenarten nur durch die Dauer der Leistungen unterschieden. In diesem Zusammenhang fällt auf, daß man nicht nur die immer wieder betonte zivilrechtliche Grundlage verläßt, sondern auch offensichtliche steuerrechtliche Unstimmigkeiten übergeht. Immerhin stehen sowohl in § 9 Abs. 1 Nr. 1 als auch in § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG Renten und dauernde Lasten nebeneinander. Das Gesetz zieht also gerade nicht die Grenzlinie zwischen diesen beiden Leistungsformen, sondern zwischen den Renten und dauernden Lasten einerseits und Leibrenten andererseits. Hieran wird deutlich, daß es wohl aussichtslos ist284 , Licht in das Begriffswirrwarr "Rente- dauernde Last- Leibrente- wiederkehrende BezügeZuschüsse und sonstige Vorteile" zu bringen. Schon der Versuch, die Begriffe "Leibrente" und "dauernde Last" in ein System einzufügen, stößt auf Schwierigkeiten. Einerseits liegt es nämlich nahe, die "dauernde Last" als Oberbegriff zu verstehen285• Dann müßte aber der Gegensatz zur Leibrente wenig anschaulich als "andere dauernde Last" umschrieben werden288. Noch schwieriger ist es, aus der Sicht des Berechv. Bornhaupt, DStR 1981, 335, 338. Blümich I Falk, EStG, § 22 Anm. 111 2 b; Fella, BB Beilage Nr. 711974, 2; ders., StW 1977, 81; J. und W. Theis, DB Beilage Nr. 1511966, 2; .Jansen I Wrede, S. 30; Nuding, S. 14; Schober, S. 12; mit besonderem Nachdruck Bremser, S. 11 ff.; schwankend Herrmann I Heuer, ESt, KSt, § 22 Anm. 26, 27 und 63 einerseits sowie 44 andererseits; s. auch Fetsch, S. 19, der allerdings klarstellt, daß nur die Leibrente eine Sonderbehandlung nach § 22 Nr. 1 Buchst. a 280

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EStG erfährt. 282 So ausdrücklich Bremser, S. 13. 283 Jansen I Wrede, S. 29. 284 s. etwa die wenig erfolgversprechenden Ansätze bei Schottz, in: Forkel-Kommentar, § 22 Rdnr. 8. Danach soll der Begriff der Rente mit dem Begriff des wiederkehrenden Bezugs auf der Empfängerseite und mit dem Begriff der dauernden Last auf der Geberseite identisch sein. Dagegen hält Haase, DStZIA 1974, 412, den "wiederkehrenden Bezug" für den "Oberbegriff aller Renten". Diese Bemühungen zeigen nur, daß man auch mit scharfsinnigen Ableitungen unüberlegte und deshalb verworrene Regelungen nicht in ein System bringen kann. 285 So Bühler I Paulick, § 10 EStG Rdnr. 4, S. 12; J . und W. Theis, DB Beilage Nr. 1511966, 3; Fetsch, S. 18; s. auch BFH, Urt. v. 16. 7. 1965- VI 295164-, BStBl. 111 1965, 583, 584; anders Herrmann I Heuer, ESt, KSt, § 10 EStG Anm. 41. 288 So schon richtig Charlier, StbJb 1966167, 279, 292, der zudem auf die widersprüchliche Praxis der Rechtsprechung verweist; ferner Schutz, BB

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tigten den Gegensatz zur Leibrente auszudrücken287• Insbesondere in der Verwaltungspraxis scheint es sich eingebürgert zu haben, vom "Bezug einer dauernden Last" zu sprechen288 • Wenige literarische Stellungnahmen289 finden sich zu den Einzelfällen, in denen der Bundesfinanzhof hervorgehoben hat, daß die Leibrente ein selbständiges Stammrecht erfordere290• Wrede291 befaßt sich wohl am ausführlichsten mit diesem Gesichtspunkt. Er versteht die geforderte Selbständigkeit dahin, daß nicht eine Mehrzahl einzelner selbständiger Ansprüche bestehen dürfe, sondern nur ein "in sich geschlossenes ein'heitliches Recht". Diese Rechtskonstruktion soll nach dem Zivilrecht zum "Wesen" einer Leibrente gehören. Ob ein "Rentenstammrecht" (gemeint ist wohl ein "selbständiges Rentenstammrecht") vereinbart worden ist, sei durch Auslegung zu ermitteln. Anhaltspunkte sollen die Verwendung des Begriffs "Leibrente" und der Umstand sein, daß die Versorgung des Berechtigten beabsichtigt ist. In einigen Formulierungen Wredes klingt deutlich die reichsgerichtliche Isolierungstheorie212 an. Schließlich ergibt sich jedoch, daß Wrede hieraus keine weitreichenden Folgerungen zieht. Nach seiner Auffassung sollen nämlich Kaufpreisreuten in jedem Fall die erforderliche Selbständigkeit aufweisen. Gegenleistung sei immer das "Stammrecht", "während man das von den einzelnen Zahlungen, die dem Empfänger als Früchte des Stammrechts zufließen, nicht sagen kann". b) Kritische Stimmen

Die Untersuchung der einschlägigen Entscheidungen hat ergeben, daß bei der steuerlichen Behandlung wiederkehrender Leistungen Abgrenzungskriterien eingesetzt werden, die nicht geeignet erscheinen, daran anknüpfende steuerliche Folgen zu rechtfertigen. Angesichts dieses Befundes muß es verwundern, daß nicht auf breiter Grundlage Kritik laut geworden ist. Welche ungewöhnliche Zurückhaltung in diesem 1969, 1172; Meyer I Richter, FR 1970, 373, 374; Jansen I Wrede, S. 58; Gericke, in: Forkel-Kommentar, § 10 Rdnr. 12. 287 Jansen I Wrede, S. 219: "Wiederkehrende Bezüge, die nicht Renten sind"; Fetsch, S. 19: "Sonstige wiederkehrende Leistungen". 288 Vgl. etwa J . und W . Theis, DB Beilage Nr. 1511966, 3; ferner Fetsch, S. 53, der "steuerpflichtige dauernde Lasten" erwähnt. 289 Vgl. etwa Herrmann I Heuer, ESt, KSt, § 22 Anm. 27 (1); ferner W. Theis, DB 1965, 449, 451; Littmann, DStR 1975, 553. 290 BFH (o. Fußn. 128), BStBl. III 1965, 359 f.; (o. Fußn. 128), BStBl. III 1965, 444 ff.; (o. Fußn. 156), BStBl. II 1975, 630 f. 291 Jansen I Wrede, S. 35 ff. 282 s. auch Theis, DB 1965, 449, 451, der ausdrücklich die Novation des Schuldverhältnisses verlangt. Theis vermeidet es jedoch ebenfalls, diesen Gesichtspunkt über bestimmte Sonderfälle hinaus allgemein als Abgrenzungskriterium einzusetzen.

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Bereich geübt wird, belegt treffend die Kommentierung bei Bühler I Paulick. Dortt03 wird zwar zunächst festgestellt, Renten und dauernde Lasten unterschieden sich nur geringfügig, aber dann folgt doch eine unkritische Wiedergabe der divergierenden steuerlichen Behandlung. Man stößt lediglich in anderem Zusammenhang auf die Bemerkung204, daß die "Konstruktion eines Stammrechts" manchmal etwas künstlich sei. Auch in der Kommentarliteratur findet sich jedoch eine Stellungnahme, die von der allgemein anzutreffenden positiven Haltung abweicht. Littmann, der schon 1955 das Eingreifen des Gesetzgebers mit herber Kritik bedacht ha~05 , hat die Entwicklung der Rechtsprechung mit Skepsis verfolgt. Er wendet sich nunmehr nicht gegen das zivilrechtliche Verständnis der Leibrente208, in deren Mittelpunkt das "Rentenstammrecht" steht2117 • Auch lehnt er es in diesem Zusammenhang nicht von vomherein ab, zivilrechtliche Begriffe ins Steuerrecht zu übernehmen und dabei ihrer angestammten Auslegung zu folgen. Er gibt freilich zu bedenken, daß auch im bürgerlichen Recht eine gesetzliche Begriffsbestimmung der Leibrente fehle. Zudem sei die immer wieder herangezogene Rechtsprechung des Reichsgerichts keineswegs einheitlich und müsse überdies im Zusammenhang mit dem Formproblem des § 761 BGB gesehen werden. Littmann hält jedoch die gegenwärtige Praxis für untragbar, weil sie den Erfordernissen des Steuerrechts eher zuwiderlaufe. Gerade die Strenge und Gleichmäßigkeit der Rentenverpflichtung spreche nämlich dafür, Renten im größeren Umfang zum Abzug zuzulassen als dauernde Lasten208 • Littmann kann in diesem Zusammenhang auf eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs200 verweisen, die vor dem Hintergrund der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit300 in der Tat eigenartig anmutet. Aus dem Umstand, daß der Ver283

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296

BühZer I PauZick, EStG, § 9 Rdnr. 7, S. 10. BühZer I PauZick, EStG, § 22 Rdnr. 4, S. 5 a. Littmann, FR 1955, 81 ff.; diese engagierte Stellungnahme schließt mit

der Aufforderung: "Man bewahre uns vor der permanenten Steuerreform! Aber man beseitige schleunigst die neue Rentenbesteuerung und stelle den bisherigen Zustand wieder her!" 218 Littmann, EStR § 10 Rdnr. 22; vgl. auch dens., Information 1968, 73, 74 und DStR 1970, 468, 469 mit einzelnen Reformvorschlägen. 207 Dies gilt allgemein für die Kritiker der Rechtsprechung. Eine Ausnahme bildet ArZt, Steuer-Kongreß-Report 1969, 115, 118, der im Gegensatz zur allgemeinen Auffassung im Steuerrecht die zivilrechtliche Lehre für verworren hält. s. dagegen Jansen I Wrede, S. 28 "Die wesentlichen Merkmale einer Leibrente i. S. d. § 759 BGB sind ... seit langem geklärt". Brockhoff, SteuerKongreß-Report 1965, 136, 144 gibt nur zu bedenken, daß die enge Bindung an das bürgerliche Recht in der Praxis zu Schwierigkeiten führe. 288 Littmann, EStR, § 10 Rdnr. 29; ebenso StendeZ, JbFfSt 1969/70, 267, 279. :08 BFH (o. Fußn. 128), BStBI. III 1963, 594. 300 Dazu neuerdings Tipke, Steuergerechtigkeit, S. 57 ff. und die Gegenposition von Arndt, Festschr. Mühl, S. 17 ff., sowie CrezeZius, Rechtsanwen-

IV. Die gegenwärtige einkommensteuerliche Problematik

153

pflichtete zu seiner Erleichterung die Leistungen unter bestimmten Voraussetzungen mindern durfte, glaubte der sechste Senat auf eine dauernde Last schließen zu müssen. Der Steuerpflichtige kam also in den Genuß des Vollabzugs, gerade weil seine Verpflichtung eine geringere wirtschaftliche Belastung mit sich brachte301 • Auf ähnliche Ungereimtheiten weist Seithel302 hin, der die Rechtsprechung aus dem Blickwinkel des Berechtigten betrachtet. Er hält es für untragbar, daß ausgerechnet dann die Vollbesteuerung eingreifen soll, wenn die Bezüge in ihrer Höhe unsicher und schwankend sind und möglicherweise sogar ganz wegfallen können. Seithel wendet sich jedoch im Ergebnis nicht gegen die Rechtsprechung, sondern führt die festgestellten Ungereimtheiten auf die Reform von 1955 zurück. Nach seiner Auffassung müßte durch eine Gesetzesänderung Abhilfe geschaffen werden. Auch Fetsch303 vermag keine sinnvolle Verknüpfung zwischen der üblichen Abgrenzung der Leibrente zur dauernden Last und den damit verbundenen steuerlichen Folgen erkennen. Fetsch hält der Rechtsprechung entgegen, daß sich in beiden Fällen im wesentlichen gleiche Auswirkungen auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des. Berechtigten und des Verpflichteten ergeben. Nach Tipke sind die Erwägungen zu einem "Rentenstammrecht" "bürgerlich-rechtlich" nicht unrichtig3°4 • Sie könnten aber einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit nicht gerecht werden305• Er wirft der Rechtsprechung vor06 , sie erfülle durch bloßes "Begriffekloppen" ihre Aufgabe nicht und trage "zu dem in Juristenkreisen nicht zu Unrecht verbreiteten Eindruck bei, das Steuerrecht sei nur eine Anhäufung unverständlicher Singularitäten". Brockhofr07 wirft dem Bundesfinanzhof eine "formaljuristische Betrachtung" vor. Er hat dabei insbesondere die Fälle im Auge, in denen eine Leibrente abgelehnt wird, weil die engen zivilrechtliehen Voraussetzungen nicht vorlägen. Nach Brackhoff widerspricht die volle Bedung, S. 339; ferner ausführlich Birk, S. 21 ff. und Lang, StuW 1983, 103, 104; vgl. aber auch schon K. Schmidt, Die Steuerprogression, S. 41 ff. und Handbuch, S. 141. 301 s. dazu im Anschluß an Littmann auch Heister, Steuer-Kongreß-Report, 457, 463. ao! 303

StRK-Anm. EStG, § 10 Ziff. 1 R. 51-57, S. 8.

s. 25.

Tipke, StuW 1975, 327, 330; etwas kritischer ders., StuW 1976, 157, 161. s. auch schon Tipke, StuW 1974, 340, 344; ferner ders., Steuergerechtigkeit, S. 67 und 85 f. aoe Tipke, StuW 1976, 157, 161. 307 Brockhoff, in: Lademann I Söffing I Brockhoff, § 22 Rdnr. 16. 304

305

154

C. Steuerrecht

steuerung bei dem typischerweise sozial schwachen Rentenempfänger dem Sinn des Gesetzes. Im Sinne einer Zusammenfassung ist hierzu schließlich die prägnante Aussage von Grieger308 zu zitieren, die Unterscheidung zwischen dauernden Lasten und Leibrenten sei oft "geradezu unsinnig". Andere kritische Stellungnahmen versuchen erst gar nicht, die Unterscheidung zwischen Leibrenten und dauernden Lasten mit dem Sinngehalt der §§ 9 Abs. 1 Nr. 1, 10 Abs. 1 Nr. 1a und 22 Nr. 1 EStG in Verbindung zu bringen. Sie äußern entweder ganz unbestimmt ihre Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Unterscheidungsmerkmale300• Oder sie stoßen sich daran, daß die Rechtsprechung es ermögliche, durch die Gestaltung der vertraglichen Vereinbarungen je nach Belieben für die Leibrente oder die dauernde Last zu optieren310• Auch die Steuerreformkommission311 hat ausdrücklich die Manipulationsmöglichkeiten mißbilligt, die sich in dem angesprochenen Bereich ergeben. Mit Recht weist das Gutachten darauf hin, daß insbesondere der "Vorbehalt gern. § 323 ZPO" beliebige "Steuergestaltung" ermögliche. Gerade das wird freilich von anderer Seite eher begrüßt312• Einige Stimmen äußern auch Zweüel an der rechtlichen Grundlage dieser Klauseln. Es wird darauf hingewiesen, daß ein vertraglicher Vorbehalt überflüssig sei, wenn ein in§ 323 Abs. 4 ZPO genannter Vertrag vorliege313• Ein vertraglicher Vorbehalt der Rechte aus § 323 ZPO bestätige nur eine bestehende Rechtslage. Es sei deshalb widersinnig, wegen einer solchen Klausel eine dauernde Last anzunehmen. Seithel314 bemerkt, es sei umstritten, ob es sich bei § 323 ZPO lediglich um formelles Recht handele oder auch um eine materiell-rechtliche Regelung. Jedenfalls müsse eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse vorliegen, um die Bezüge herauf- oder herabzusetzen. Es komme also · letztlich auf Grundsätze an, die der clausula rebus sie stantibus entsprächen oder dieser immerhin sehr nahe kommen. Da

JbFfSt 1967168, 9, 23. Vgl. etwa Herrmann I Heuer, ESt, KSt, § 22 EStG Anm. 26 und Meyer I Richter, FR 1970, 373, 374. 310 Grieger, StbJb 1966167, 159, 183; Blencke, FR 1972, 217, 218; s. auch ArZt, Steuer-Kongreß-Report 1969, 115, 118, der allerdings die Vorteile für geschickte "Steuergestalter" in den Vordergrund stellt. 311 Steuerreformkommission, Gutachten ESt, LSt li, Rdnrn. 411 ff. 312 s. schon Charlier, StbJb 1966167, 279, 281; ferner Kapp, JbFfSt 1971/72, 274, 281. Man muß freilich auch sehen, daß diese "Manipulationen" in der Praxis die Problematik unstimmiger Abgrenzungskriterien entschärfen; jedenfalls ist dann nicht der Steuerpflichtige der Leidtragende. a1s W. Theis, DB 1965, 449, 452. 314 StRK-Anm. EStG § 10 Abs.1 Ziff.1 R. 51-57, S. 7 und R. 74, S. 2. 8os Grieger, 3oo

IV. Die gegenwärtige einkommensteuerliche Problematik

155

aber in jedem Fall das "allgemeine Recht der Geschäftsgrundlage" gelte, könne es auf einen "Vorbehalt nach § 323 ZPO" nicht ankommen315• Fetsch 316 führt gegen die Rechtsprechung an, daß es sich bei § 323 Abs. 4 ZPO lediglich um eine - an sich entbehrliche - Klarstellung handele. Den in Abs. 4 aufgezählten Titeln komme nämlich keine Rechtskraft zu, deren Durchbrechung geregelt werden könne. Der "Verzicht auf die Rechte des § 323 ZPO" müsse daher auch in gerichtlich oder notariell beurkundeten Unterhaltsverträgen dem strengen Wortsinn nach ins Leere gehen. c) Einzelne Nuancierungen

Eine gesonderte Betrachtung verdienen die Stellungnahmen, die die Ansätze der Rechtsprechung aufnehmen, hieraus aber in manchen Punkten andere Folgerungen ableiten. Sie machen nämlich deutlich, daß selbst innerhalb des gewöhnlich als "herrschende Meinung" apostrophierten Bereiches keineswegs ein einheitlicher Grundkonsens herrscht. Wer sich mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs an dem zivilrechtliehen Begriffsverständnis der Leibrente orientiert, muß sich über die These wundern, auch für die lebenslängliche oder zeitlich begrenzte dauernde Last sei ein "Stammrecht" zu verlangen317 • Es findet sich sogar die Bemerkung, Rechtsprechung und Literatur gingen unwidersprochen davon aus, daß auch bei der dauernden Last ein "Stammrecht" vorliege818• Neuerdings soll dies immerhin die Meinung der "überwiegenden Literatur" sein318 • De lege ferenda wird hieraus abgeleitet, auch für ·dauernde Lasten müsse die Besteuerung nach dem Ertragsanteil Platz greifen320• Nicht nur bei der dauernden Last rückt das "Stammrecht" ins Blickfeld, sondern auch bei der Zeitrente. Es wurde schon erwähnt, .daß vielfach von einem "Rentenstammrecht" gesprochen wird, wobei man gelegentlich auch die Zeitrente ausdrücklich einbezieht. Über diese eher terminologischen Unschärfen hinaus spielt das "Stammrecht" aber auch sachlich in der Diskussion um die Zeitrentenbesteuerung eine maßgebliche Rolle. Indem der Gesetzgeber bei der Reform von 1954 die bisher3u Ähnlich auch Brockhoff, BB 1975, 1249, 1250. S. 22; zustimmend Richter, StRK-Anm. EStG § 22 Ziff. 1 R. 108. 317 Littmann, EStR, § 10 Rdnr. 34; BWmich I Falk, EStG, § 10 Anm. 111 3 c; W. Theis, DB 1965, 449, 451; nach HaCIJse, DStZA 1974, 441, 413 soll das "Stammrecht" nicht erforderlich, aber auch nicht schädlich sein; s. aber J. und W. Theis, DB Beilage Nr. 1511966, 3; eine Meinungsänderung ist auch bei Jansen I Wrede, S. 61 gegenüber der Vorauflage zu verzeichnen. 318 Meyer I Richte1·, FR 1970, 373, 376. 315 818

319 320

Biergans I v. Stotzingen, S. 25. Meyer I Richter, FR 1970, 373, 376; Biergans I v. Stotzingen,

S. 237, 243.

156

C. Steuerrecht

unter den wiederkehrenden Bezügen erwähnte Zeitrente als entbehrlich322 wegfallen ließ, hat er der Praxis ein Rätsel aufgegeben, das bis heute noch nicht gelöst ist, aber vielfältige Spekulationen veranlaßt hat. Das Spektrum reicht allein für die entgeltliche Zeitrente von der Annahme, daß es eine Veräußerungszeitrente "eigentlich gar nicht gibt" 323 über die Verrechnungslösung324 und die These, für den Verpflichteten sei auf jeden Fall nur der Zinsaufwand abzugsfähig325 bis zur Gleichstellung mit der Leibrente i. S. des § 22 Nr. 1 Buchst. a 321• All dies wird freilich von der neueren Rechtsprechungm abgelehnt, die die volle Besteuerung gemäߧ 22 Nr. 1 EStG als unbefriedigend, aber nach der Gesetzeslage unumgänglich ansieht828• Bei der unentgeltlichen Zeitrente steht die Auffassung, daß die volle Versteuerung und der Vollabzug gerechtfertigt seien3" in krassem Gegensatz zu dem Vorschlag, die in § 22 Nr. 1 Buchst. a EStG für die Leibrente getroffene Regelung auch auf die unentgeltliche Zeitrente anzuwenden330• In der Diskussion um die Besteuerung der Zeitrente ist das Argument anzutreffen, auch bei Zeitrenten sei zwischen einem sich verzehrenden 3!1 s. schon § 11 Nr. 1 EStG 1920, RGBl. 359, 362 und noch § 22 Nr. 1 b EStG 1950, BGBI. 1951 I, 1, 11. 321 BT-Drucks. 111481, 88, zu Art. 1 Ziff. 18 a. 313 BFH, Urt. v. 24. 4. 1970 VI R 212169 - , BStBl. II 1970, 541, 542 im Anschluß an die überwiegende Auffassung im Schrifttum. Allerdings sollen nach dieser Entscheidung entgeltlich erworbene Zeitrenten "regelmäßig" keine Renten, sondern Kapitalrückzahlungen sein; zur möglichen Bedeutung des "regelmäßig" s. Jansen I Wrede, S. 44 und Meyer, StRK-Anm. EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG R. 112; ferner Littmann, DStR 1970, 468; Meyer I Richter, FR 1971, 463 ff. 824 BFH (o. Fußn. 171), BStBl. II 1970, 807, 809. 325 BFH, Urt. v. 29. 10. 1974 VIII R 131170 - , BStBl. II 1975, 173 ff.; danach kommt eine Zeitrente in Betracht, wenn die Gegenleistung nach "ins Gewicht fallenden Wagnisgesichtspunkten" bemessen sei. Die Besteuerung dieser Zeitrente soll von nicht näher bezeichneten Umständen des Einzelfalles abhängen~ 321 FG Düsseldorf, Urt. v. 10. 9. 1975- V 260/70 E - , EFG 1976, 233; wegen weiterer Differenzierungen s. Meyer I Richter, DStR 1969, 207, 208; vgl. auch umfassend Biergans I v. Stotzingen, S. 13, 74, 85 ff. an BFH, Urt. v. 25. 11. 1980 (o. Fußn. 95), BStBl. II 1981, 358 f. us Kritisch Littmann, EStR, § 22 Rdnr. 62. 329 BFH (o. Fußn. 112), BStBl. 111 1963, 584 mit dem Hinweis auf den klaren Wortlaut des Gesetzes; kritisch Schulz, BB 1969, 1172, 1175, der hervorhebt, daß die unterschiedliche Behandlung unentgeltlicher Leib- und Zeitrenten durch nichts gerechtfertigt sei. Gegen eine Differenzierung nach der Entgeltlichkeit läßt sich in der Tat mit Schulz einwenden, wenn für Leibrenten aus "systematischen Gründen" eine Gleichbehandlung geboten sei, müsse dies auch für die Zeitrente gelten; nach Hußmann, DB 1980, 513 soll der Hinweis auf das genannte Urteil sogar geeignet sein, bei der Finanzverwaltung den vollen Abzug einer privaten Versorgungszeitrente durchzusetzen. aao Lantau, BB 1955, 695, 697 ; Brockhoff, DStZIA 1954, 399, 402.

IV. Die gegenwärtige einkommensteuerliche Problematik

157

"Stammrecht" 331 (oder RentenrechW~sz und einem zu versteuernden Ertragsanteil zu unterscheiden. Das "Zeitrentenstammrecht" soll also die Lücke füllen, die dadurch entstanden ist, daß der Gesetzgeber einerseits die Zeitrente im Gesetz nicht mehr erwähnt und sich andererseits für die Leibrente auf die Fiktion einer vorschüssigen Zeitrente gestützt hat333, die während der voraussichtlichen Lebensdauer des Berechtigten zu zahlen ist. Spätestens an dieser Stelle drängt sich die Vermutung auf, daß man nicht immer das gleiche meint, wenn von einem "Stammrecht" die Rede ist. Offenbar hat das "Stammrecht" für das Steuerrecht einen Bedeutungsinhalt gewonnen, der nur noch mittelbar auf den zivilrechtliehen Ausgangspunkt zurückzuführen ist.

111 Brockhoff, Steuer-Kongreß-Report 1965, 136, 142; Tipke, Steuerrecht, 4. 4272, S. 187; vgl. auch BFH (o. Fußn. 171), BStBl. II 1970, 807, 809. 332 Blilmich I Falk, EStG § 22 Anm. III 2 b; vgl. auch Laux, S. 107, 108, der sich allerdings im Ergebnis dafür ausspricht, unentgeltliche Renten voll zu besteuern. ssa Lantau, BB 1955, 695.

D. Rechtsvergleichende Betrachtung zwischen Zivilrecht und Steuerrecht Die steuerrechtliche Untersuchung hat ein wenig befriedigendes Bild ergeben. Immer wieder waren Wertungswidersprüche und eine über~ raschende Systemlosigkeit anzutreffen. Dies ist sicherlich nicht in vollem Umfang auf eine Anlehnung an das Zivilrecht zurückzuführen. Auch das Steurrecht selbst hat nicht zuletzt durch eine wenig überlegte Gesetzgebung seine eigenen Ungereimtheiten geschaffen. Dennoch ist schon erkennbar geworden, daß Anleihen aus dem Zivilrecht bedeutsame steuerrechtliche Weichenstellungen beeinflussen und so für das Steuerrecht die Behandlung wiederkehrender Bezüge maßgeblich bestimmen. Eine kritische Betrachtung im Sinne eines inneren Rechtsvergleichs setzt zunächst voraus, daß sowohl die Gemeinsamkeiten als auch die Divergenzen beider Rechtsgebiete offen zu Tage liegen. Sie sollen daher anhand der bisherigen Ausführungen herausgearbeitet werden. I. Die Anknüpfung des Steuerrechts an das Zivilrecht 1. Keine schlichte 'Vbernabme der zivilrechtliehen Dogmatik

Auch wenn die Rechtsprechung zu § 22 Nr. 1 Buchst. a EStG sich immer wieder auf die Einheit der Rechtsordnung beruft, erscheint bei näherem Zusehen zweifelhaft, ob zivilrechtliche Vorstellungen wirklich ins Steuerrecht übernommen werden. Wie schon verschiedentlich erkennbar geworden ist, ergeben sich sowohl in größerem Zusammenhang als auch in einzelnen Punkten deutliche Divergenzen.

a) Der unterschiedliche Stellenwert der Lehre vom "isolierten Leibrentenstammrecht" Bereits an äußeren Anzeichen ist erkennbar, daß die Lehre vom "isolierten Leibrentenstammrecht'' in beiden Rechtsgebieten einen unterschiedlichen Stellenwert einnimmt. Während die steuerrechtliche Rechtsprechung zu § 22 Nr. 1 Buchst. a EStG aus den letzten zwanzig Jahren kaum noch zu überschauen ist, liegen nur sehr wenige einschlägige Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vor. Sie stützen ~ich

I. Die Anknüpfung des Steuerrechts an das Zivilrecht

159

zudem auf die vor einigen Jahrzehnten entwickelte Rechtsprechung des Reichsgerichts, die seither (zumindest in der Gerichtspraxis) nicht mehr kritisch überprüft worden ist. Schon hieran wird deutlich, welch unterschiedliche praktische Auswirkungen sich an die fraglichen dogmatischen Vorstellungen knüpfen. Dieser erste Eindruck läßt sich durch eine Fülle von Details aus der bisherigen Untersuchung belegen. Zu erwähnen ist das Formproblem, das einerseits die reichsgerichtliche Rechtsprechung bestimmt hat, aber andererseits in der Praxis wohl keine Rolle mehr spielt. Abgesehen davon, daß die von § 761 BGB geforderte Schriftform in der Regel schon aus anderen Gründen gewahrt sein dürfte, läßt die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs1 die Tendenz erkennen, unabhängig von begrifflichen Konstruktionen zu einem billigen Ergebnis zu kommen. Ähnliches gilt auch hinsichtlich der Frage, wann das Leibrentenversprechen erfüllt ist. Würde man hier konsequent den Leibrententheorien des Reichsgerichts folgen, wäre mit dem Zeitpunkt der "Stammrechtsbestellung" Erfüllung eingetreten und der Rücktritt des Vertragspartners ausgeschlossen. Wie schon ausgeführt worden ist (B. II. 2. d) cc)) sucht auch die Rechtsprechung diese Benachteiligung des Vertragspartners durch eine bereicherungsrechtliche Lösung zu vermeiden. Im übrigen hat sich gezeigt, daß die Kautelarpraxis weit übet diesen Ansatz hinausgeht, indem sie für den Verzugsfall scharfe Sanktionen vorsieht. Die tatsächliche Vertragsgestaltung und die Stammrechtstheorie stehen gerade hier in einem denkbar großen Gegensatz. Überhaupt hat sich bei der zivilrechtliehen Untersuchung ergeben, daß die reichsgerichtliche Rechtsprechung zwar immer wieder berufen wird, aber bei näherem Zusehen in der Vertragspraxis und ihrer gerichtlichen Beurteilung keine wesentliche Bedeutung hat. Der Gegensatz zu den Ergebnissen der steuerrechtliehen Untersuchung ist denkbar groß. Die im einzelnen geschilderten Auswirkungen des zivilrechtliehen Verständnisses der Leibrente im Rahmen des § 22 Nr. 1 Buchst. a EStG sind offensichtlich und für alle Beteiligten überaus bedeutsam. Aus der Sicht der Vertragspraxis ist es zwingend erforderlich, die einschlägige steuerrechtliche Rechtsprechung und ihre Weiterentwicklung genauestens zu beobachten. Wie dort Formulierungsnuancen beurteilt werden, muß wegen der steuerlichen Auswirkungen rasch und möglichst wortgetreu in die Vertragsgestaltung umgesetzt werden. Zahllose literarische Äußerungen begleiten diesen Prozeß, der zu einem schwer zu durchschauenden Spezialgebiet des Einkommensteuerrechts geführt hat. 1

Urt. v. 16. 12. 1965 - II ZR 274/63 -, WM 1966, 248, 249.

160 D. Rechtsvergleichende Betrachtung zw. Zivilrecht und Steuerrecht Auch die sozialpolitisch umstrittene Besteuerung von Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung ist eng mit den zivilrechtliehen Leibrententheorien verknüpft. Die steuerliche Privilegierung hängt auf der Ebene der Rechtsanwendung davon ab, ob man die fraglichen Renten als Leibrenten i. S. des § 22 Nr. 1 Buchst. a EStG beurteilt. Für die Überlegungen des Gesetzgebers war ausschlaggebend, daß auch bei den Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung ein einkommensteuerlieh irrelevantes "Stammrecht" verzehrt werden sollte. Die Rechtsprechung hat diesen Gedanken für die Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrentenoch weiter geführt. Durch den Versorgungsausgleich hat sich der Streit um die Privilegierung der Sozialversicherungsrente noch verschärft. Unversehens geraten dabei begriffsjuristisch anmutende Konstruktionen in den Mittelpunkt aktueller sozialpolitischer Kontroversen. Die Auswirkungen der Leibrententheorien im Zivilrecht und im Steuerrecht sind hier auch nicht mehr im Ansatz miteinander vergleichbar.

b) Abweichungen des Steuerrechts vom Zivilrecht Angesichts des unterschiedlichen Stellenwertes, den die Leibrententheorien einerseits im Zivilrecht und andererseits im Steuerrecht einnehmen, wäre es eher überraschend, wenn sie bis ins letzte Detail übereinstimmend ausgeformt und angewandt würden. Den kritischen Beobachter stimmt aber vor allem skeptisch, daß nach der bisherigen Untersuchung die jeweilige Anwendung der Leibrententheorien durch unterschiedliche Tendenzen bestimmt wird. aa) Tendenzielle Divergenzen Im Zivilrecht herrscht seit der ersten einschlägigen Entscheidung des Reichsgerichts der Gedanke vor, den Anwendungsbereich des § 761 BGB möglichst einzuschränken. In der Folgezeit wurden immer mehr Merkmale der Leibrente i. S. der §§ 759 ff. BGB entwickelt, so daß ernsthaft die Frage nach dem verbleibenden Anwendungsbereich dieser Vorschriften zu stellen war. Jedenfalls die geforderte Novation wird man wohl immer verneinen können. Nimmt man etwa einen Hauskauf auf Rentenbasis als Beispiel, so erscheint es nahezu ausgeschlossen, daß die Parteienvereinbarungen das Synallagma zwischen den Pflichten des Verkäufers und den Rentenzahlungen nicht mehr erkennen lassen2 • Für das Steuerrecht hat die Untersuchung dagegen ergeben, daß die Leibrente seit 1955 im Mittelpunkt eines Regelungssystems steht, mit dem das jahrzehntealte Problem der Besteuerung wiederkehrender Leistungen endgültig gelöst werden sollte. Dies ist nur unter der Vort

So schon Blume, JW 1925, 2756; ferner Hawlitzky, S. 27.

I. Die Anknüpfung des Steuerrechts an das Zivilrecht

161

aussetzung sinnvoll, daß mit dem Begriff "Leibrente" der zu regelnde Bereich zutreffend und vor allem auch ergiebig umschrieben ist. Hier ist also eine Tendenz zugunsten der Annahme einer Leibrente angelegt, die der des Zivilrechts gerade zuwiderläuft. Ferner hat sich eine weitere Nuance dadurch ergeben, daß die Rechtsprechung in der Differenzierung zwischen Leibrenten und dauernden Lasten eine Lösung der Probleme sucht, die aus ihrer Sicht aus der gesetzlichen Gleichbehandlung entgeltlicher und unentgeltlicher Bezüge folgen. Wenn man das Ergebnis dieser Bemühungen vergröbernd mit der Regel umschreibt, insbesondere eine äquivalente Gegenleistung deute auf eine Leibrente hin, so ist dies mit dem zivilrechtliehen Ausgangspunkt nicht mehr vereinbar. Dort ist eher umgekehrt davon die Rede, der Bezug auf eine Gegenleistung spreche gegen das Vorliegen einer Leibrente. Schließlich ist festzuhalten, daß im zivilrechtliehen Bereich seit den Entscheidungen des Reichsgerichts die Leibrententheorien nahezu unverändert fortgeführt werden. Insbesondere sind sie von der Weiterentwicklung der Schuldrechtsdogmatik unberührt geblieben. Im Steuerrecht war dagegen zu beobachten, wie in kurz aufeinanderfolgenden Entscheidungen der dogmatische Ansatz anhand verschiedener Fallgruppen konkretisiert und dabei auch durch spezifisch steuerrechtliche Einflüsse verändert wurde. Dabei hängt die im Zivilrecht anzutreffende Stagnation und die dynamische Weiterentwicklung im Steuerrecht wieder eng mit dem unterschiedlichen Stellenwert zusammen, den die Leibrententheorien in beiden Rechtsgebieten einnehmen. bb) Abweichungen im Detail Angesichts der divergierenden oder sogar gegenläufigen Tendenzen wäre es verwunderlich, wenn im Detail völlige Übereinstimmung festgestellt werden könnte. So kann auch nicht die Erkenntnis überraschen, daß das Reichsgericht die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung wohl nicht als Leibrente i. S. der §§ 759 ff. BGB beurteilt hätte. Welten liegen zwischen der von ihm berufenen "rechtsgeschichtlichen Entwicklung aus dem mittelalterlichen Leibrentenkauf" 3 und dem modernen Sozialversicherungssystem, dessen Umlageverfahren durch sozialstaatliehen Zwang einen Wertetransfer zwischen der arbeitenden und der nicht mehr tätigen Generation sicherstellt4 • RG, Urt. v. 12. 12. 1907- IV 221107, RGZ 67, 204, 210. Wegen weiterer Einzelheiten vgl. Welter, StuW 1980, 323, 335; ferner Maas, S. 29, der mit dem Hinweis auf den "Sprachgebrauch des Lebens" bei "öffentlichen und privaten Ruhegehältern, Witwenpensionen und dergleichen" ganz selbstverständlich eine Leibrente verneint; ebenso Palandt I Thomas, § 759 BGB Anm. 2 c; Staudinger I Amann, vor §§ 759-761 BGB Rdnr. 33 und auch schon 0. v. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. III, § 207 IV, S. 801 Fußn. 35; anders dagegen Enneccerus I Lehmann, Schuldrecht, § 187 III, 3

4

11 Weiter

162 D. Rechtsvergleichende Betrachtung zw. Zivilrecht und Steuerrecht Immerhin ist als gemeinsamer Ausgangspunkt festzuhalten, daß nur bei mehr oder weniger unveränderlichen Bezügen von einer Leibrente gesprochen werden kann. Die im Steuerrecht erkennbare Neigung, bei unentgeltlichen Bezügen, insbesondere wenn sie dem Unterhalt des Berechtigten dienen, eine Leibrente abzulehnen, ist jedoch in dieser Form im Zivilrecht nicht anzutreffen5 • Im Gegenteil gehen die Motive zum BGB1 davon aus, daß es der regelmäßige Zweck der Leibrente sei, dem Unterhalt des Berechtigten zu dienen. An anderer Stelle7 ist sogar davon die Rede, daß der Alimentationsvertrag in den §§ 759 ff. BGB erfaßt sei, wenn nicht "Naturalalimente nach Bedürfniß zu gewähren sind". Auch das Reichsgericht hat in Fällen, in denen das Formproblern nicht betroffen war, Leistungen aus "unentgeltlichen Verträgen auf Unterhaltsgewährung" als Leibrente beurteiUS. Selbst die Entscheidung des Reichsgerichts vom 19. 3. 19369 , auf die man sich bei der steuerlichen Behandlung von Unterhaltsverträgen immer wieder stützt, kann bei näherem Zusehen eher in eine andere Richtung weisen. Festzuhalten ist nämlich, daß das Reichsgericht die Vereinbarung über die Unterhaltsleistung im Ergebnis als Leibrente qualifiziert. Dies ist um so bedeutsamer, als diese Entscheidung damit der generellen Tendenz zuwiderläuft, den Anwendungsbereich des § 761 BGB einzuschränken. Ferner wird hier eine Leibrente bejaht, obwohl nur der Verpflichtete auf alle Rechte aus einer etwaigen Veränderung der Verhältnisse verzichtet hatte. Damit ergibt sich ein deutlicher Widerspruch zur These der steuerrechtliehen Judikatur, bei Unterhaltsverträgen sei generell zu vermuten, daß vor allem auf Seiten des Berechtigten eine Änderung der Bedürfnisse maßgeblich bleibe. Die kritische Betrachtung der Entscheidung vom 19. 3. 193610 (o. B. III. 2. d) aa)) hat auch schon zweifelhaft erscheinen lassen, ob der einseitige Verzicht auf die Rechte aus § 323 Abs. 1 i. V. m. Abs. 4 ZPO nach den reichsgerichtliehen Leibrententheorien für eine Leibrente sprechen S. 774, wo allerdings auch eine Schadenersatzrente als Leibrente beurteilt wird. 6 Wie die Kommentierung bei Staudinger I Amann, vor §§ 759-761 BGB Rdnr. 10 zeigt, macht sich jedoch neuerdings der Einfluß der steuerrechtliehen Rechtsprechung bemerkbar; vgl. aber noch die Voraufl. bei Staudinger I BrändZ, Vorbem. 19 vor § 759: Unübertragbarkeit des "Leibrentenstammrechts" wegen seines vermutlichen Unterhaltscharakters; Gegenbeispiele aus der Rspr. wie LG Kiel, Urt. v. 22. 2. 1968 - 7 S 104167 - , MDR 1968, 669 verweisen auf die im Vordergrund stehende Eigenschaft der Rente als Kaufpreis, die den Gesichtspunkt des Unterhalts zurückdränge. • Motive II, 639; vgl. ferner Kiesel, S. 1, 3. 1 Motive II, 636. 8 RG, Urt. v. 19. 9. 1940- V 37140 -, WarnRspr Nr. 89, S. 200. 8 .,.... IV 277135 - , RGZ 150, 385, 391. 10 IV 277135 -, RGZ 150, 385, 390.

I. Die Anknüpfung des Steuerrechts an das Zivilrecht

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kann. Dabei hat sich zudem herausgestellt, daß das genannte Urteil im Zusammenhang mit Billigkeitserwägungen zur Formnichtigkeit zu sehen ist. Es muß also bedenklich erscheinen, daß die steuerrechtliche Rechtsprechung anhand dieser11 vereinzelt gebliebenen Entscheidung den "Vorbehalt der Rechte aus § 323 ZPO" als Kriterium für die Abgrenzung der Leibrente zur dauernden Last entwickelt hat. Selbst der genannte zivilrechtliche Ansatz ist aber verlassen, wenn auch bei privatschriftlichen Vereinbarungen solche Vorbehaltsklauseln verlangt werden. Zwar findet sich auch in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine zustimmende Stellungnahme zu einer "Abänderungsklausel gemäß § 323 ZPO" in einem privatrechtliehen Vertrag12• Hier wird jedoch betont, daß damit auf eine Änderungsmöglichkeit aus materiellrechtlichen Gründen verwiesen sei. Es komme nämlich zum Ausdruck, daß dem betroffenen Vertrag die clausula rebus sie stantibus eigen sei. Dies stimmt wieder mit der nunmehr herrschenden Ansicht überein, daß § 323 Abs. 1 ZPO nur prozessuale Bedeutung habe und lediglich einem materiell-rechtlichen Änderungsanspruch gegenüber der Rechtskraft zur Durchsetzung verhelfe13• Wenn man sich noch vor Augen hält, daß auch bei der Leibrente ein Wegfall der Geschäftsgrundlage ins Auge gefaßt wird14, verliert die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ihre zivilrechtliche Grundlage. Offenbar ist für sie noch die überholte Vorstellung (o. B. III. 3. b)) maßgebend, daß es sich bei§ 323 Abs. l ZPO um eine materielle Anspruchsgrundlage für eine Abänderung der laufenden Bezüge handele15• Allerdings konnte auch in der jüngeren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs die Tendenz festgestellt werden, bei der Argumentation mit § 323 ZPO weniger auf entsprechende Ausschluß- und Vorbehaltsklauseln, sondern im Sinne einer Vertragsaus11 Vgl. noch OLG Karlsruhe, Urt. v. 6. 6. 1962 1 U 265/61 -, NJW 1962, 1774 f. 12 BGH, Urt. v. 27. 10. 1959 VI ZR 157/58 -, FamRZ 1960, 60, 61; ferner OLG Braunschweig, FamRZ 1979, 928. 13 Vgl. hierzu im einzelnen Haarmann, S. 171 ff. m. w. Nachw. 14 BGH, Urt. v. 12. 4. 1973 II ZR 147/71 - , WM 1973, 1176 f.; vgl. auch schon RG (o. Fußn. 8) WarnRspr 1941, Nr. 89: Der Leibrentenvertrag sei dem "Einwand einer Veränderung der Geschäftsgrundlage zugänglich. Dieser Satz müsse besonders "weitherzig" angewandt werden, wenn die Leibrente als unentgeltlicher Vertrag auf Unterhaltsgewährung gerichtet sei. In diesem Fall liege die Annahme nahe, daß die Leibrente in der bedungenen Höhe nur von jemand gezahlt werden solle, der selbst ausreichende Mittel zum Lebensunterhalt habe; ferner Esser, Schuldrecht II, § 92 IV 2, S. 260: Die clausula rebus sie stantibus habe besondere Bedeutung für die Leibrente, weil sie die einzige Möglichkeit biete, "dieses Dauerschuldverhältnis im Wege der Abänderungsklage (§ 323 ZPO) ganz neuen tatsächlichen Umständen anzupassen". 15 Vgl. aber v. Bornhaupt, DStR 1981, 335, 338, der einerseits zutreffend von einer "rein prozessualen Qualität" des § 323 ZPO ausgeht, aber andererseits gleichwohl die Abgrenzung anhand der fraglichen Klauseln verteidigt.

164 D. Rechtsvergleichende Betrachtung zw. Zivilrecht und Steuerrecht

legung auf den Rechtsgedanken des § 323 Abs. 1 ZPO zurückzugreifen18• Freilich zeigen neuere Entscheidungen auch wieder, daß bei entsprechen-, der Vertragsgestaltung doch wieder formalistisch auf den "Vorbehalt nach§ 323 ZPO" abgestellt werden muß17• Die angebliche Anknüpfung an das Zivilrecht wird vollends zweifelhaft, wenn man sich vergegenwärtigt, daß dort an anderer Stelle vom "Unterhaltsstammrecht" die Rede ist. Auch dem gesetzlichen Unterhaltsanspruch soll ein "Stammrecht" zugrunde liegen, das die einzelnen Unterhaltsforderungen hervorbringe18• Insbesondere bei einem Verzicht wird streng zwischen den einzelnen Forderungen und dem "Stammrecht" unterschieden••, wobei sogar die jeweilige Verfügungsbefugnis verschiedenen Personen zustehen können soll28• Ähnliches gilt auch für den Schadensersatzanspruch gemäß § 844 Abs. 2 BGB. Nach der finanzgerichtlichen Rechtsprechung21 soll er keine Leibrente beinhalten. Nach der Auffassung des Bundesgerichtshofs22 ist ihm jedoch ein "Stammrecht eigen", aus dem die Rechte auf die einzelnen wiederkehrenden Leistungen fließen23 • In der zivilrechtliehen Diskussion ist sogar versucht worden, die Theorie vom "Leibrentenstammrecht" mit dem Hinweis auf die "gesetzlichen Leibrenten" (z. B. aus § 843 oder § 845 BGB) zu rechtfertigen, deren einheitlicher Entstehungsgrund auch zu einer "einheitlichen Verpflichtung" führe 24 • Hier wird auch deutlich, daß sich innerhalb des Zivilrechts der Blickwinkel je nach den Umständen ändern kann. Das Reichsgericht15, das seinerzeit 18 BFH, Urt. v. 1. 8. 1975 VI R 48/73 - , BStBl. li 1975, 881 ff.; dazu eingehend o. C. IV. 3. b) cc). 11 BFH, Urt. v. 20. 5. 1980 VI R 108/77 - , BStBl. li 1980, 573 ff.; Urt. v. 19. 9. 1980 - VI R 161/77 - , BStBl. li 1981, 26, 28; vgl. auch Hagena, in: Münchener Vertragshandbuch, Bd. 4, VI 55 Anm. 10. 18 RG, Urt. v. 23. 3. 1923 VII 147/22 - , RGZ 106, 396, 400; BGH, Urt. v. 29. 2.1956 - IV ZR 202/55 - , BGHZ 20, 127, 131; Roquette, 8.142; ähnlich auch FurZer, S. 2, 3 und Dölle, Familienrecht I, § 41 III, S. 599 : "Quelloder Grundrecht"; ferner Buchholz, Rpfleger 1952, Sp. 51, 58; eingehend zum "Unterhaltsstammrecht": Maas, S. 92 ff. 18 Reinhardt, S. 53, 54 Fußn. 205; Richter, in: Münchener Komm. § 1585 c BGB Rdnr. 29; Scheffler, in: RGRK-BGB, § 1714 Anm.l; RG, Urt. v. 9. 1. 1925 - VI 335/24 - , LZ 1925, Sp. 261, 262; Urt. v. 7. 1. 1930 - III 145/29 - , JW 1930, 990. 10 Gernhuber, Familienrecht, § 30 XII 6, S. 423; in diesem Punkt a. A. Reinhardt, S. 53, 54 Fußn. 205. 11 BFH, Urt. v. 5. 4. 1965 VI 330/63 - , BStBl. III 1965, 359, 360 und Urt. v. 19. 10. 1978 - VIII R 9/77 - , BStBl. li 1979, 133, 134; ferner FG München, Urt. v. 23. 9.1977- V 175/75 E - , EFG 1978, 124, 125. 11 Vgl. etwa BGH, Urt. v. 17.10.1978- VI ZR 213/77 - , NJW 1979, 268. 13 Jansen I Wrede, S. 36 stellen in den Vordergrund, daß es bei den Schadenersatzrenten an der Selbständigkeit des "Stammrechts" fehle. 24 Dazu näher Mendelsohn, S. 54 ff.; ferner Drahota, S. 23. 25 Urt. v . 19. 12. 1916 -VII 349/ 16 -, RGZ 89, 259, 261.

I.

Die Anknüpfung des Steuerrechts an das Zivilrecht

165

mit einer vertraglichen Abrede über einen Schadensersatz befaßt war, lehnte vor dem Hintergrund des Formproblems noch ein "besonderes Rentenrecht" und damit eine Leibrente ab. Der Bundesgerichtshof hatte dagegen einen gesetzlichen Anspruch zu beurteilen, bei dem die Vorstellung eines "Stammrechts" im Hinblick auf die Verjährung bedeutsam war. Spätestens an dieser Stelle muß man einsehen, daß es wohl müßig ist, das Entscheidungsmaterial der zivil- und steuerrechtliehen Rechtsprechung auf weitere Widersprüche im Detail zu untersuchen. Weder auf der einen noch auf der anderen Seite ist nämlich eine in sich geschlossene einheitliche Dogmatik anzutreffen. Für das Steuerrecht wurde schon gezeigt, wie im Sinne einer fortlaufenden und sich korrigierenden Entwicklung bei der Anwendung des § 22 Nr. 1 Buchst. a EStG spezifisch steuerrechtliche Gesichtspunkte Bedeutung gewinnen konnten. Auch für das Zivilrecht trifft es jedoch nicht zu, daß man hier von einem allgemein anerkannten und widerspruchsfreien "Gedankengebäude" sprechen kann. 2. Die Fehlvorstellung von dem gesicherten Stand der zivilrechtliehen Dogmatik

Aus steuerrechtlicher Sicht kann man sicherlich mit Recht das Ansinnen zurückweisen, bei jeder Anknüpfung an das Zivilrecht die höchstrichterliche Rechtsprechung kritisch zu würdigen oder gar literarisch geäußerte Gegenstimmen zu berücksichtigen. Das Steuerrecht wäre zweifellos überfordert, wenn es zuvor zivilrechtliche Streitfragen klären sollte. Gleichwohl erscheint es aus zivilrechtlichem Blickwinkel bedenklich, mit welcher Selbstverständlichkeit insbesondere in der steuerrechtliehen Literatur davon die Rede ist, im Zivilrecht seien die Eigenarten der Leibrente oder gar der Rente im allgemeinen seit langem geklärt.

a) Rente Schon bei der zivilrechtliehen Untersuchung ist deutlich geworden, daß man im Zivilrecht vergeblich nach einem entwickelten Regelungssystem oder einer überzeugenden Dogmatik für wiederkehrende Leistungen sucht26 • Das Gesetz verwendet den Begriff Rente für verschiedene Formen wiederkehrender Leistungen. Das Spektrum reicht von der Unterhaltsrente (z. B. § 1612 BGB) bis zum Rentenschein (z. B. § 801 Abs. 2 BGB). Im Gegensatz zu dieser umfassenden Begriffsbildung erscheint die Rente in§ 197 BGB als Unterfall regelmäßig wiederkehrender Leistungen. Als wenig ergiebig haben sich schließlich auch die 28

So auch Bremser, S. 3.

166 D. Rechtsvergleichende Betrachtung zw. Zivilrecht und Steuerrecht Bemühungen der Rechtsprechung erwiesen21 , neben dem "akzessorischen" Zins, die "nicht akzessorische" Rente einzuführen, die sich wiederum von der Rate28 unterscheiden soll. Hier sollte dem Steuerrechtier klar werden, daß sich die zivilrechtliche Rechtsprechung nur am Rande eines rechtlichen und wirtschaftlichen Problemfeldes bewegt, das die steuerrechtliche Judikatur schon während einiger Jahrzehnte 29 erkundet hat. Allerdings ist auch für das Zivilrecht gegenüber dem bisher geschilderten Stand eine Weiterentwicklung festzustellen, wenn man sich Rechtsgebieten von aktueller Bedeutung zuwendet. Beispielsweise spielt die rechtliche Beurteilung von Raten und deren Zinsanteilen bei Konsumentenkrediten30 eine noch größere Rolle als bei anderen Kreditverhältnissen31. Nicht nur in der Rechtsprechung, sondern auch in der Gesetzgebung ist eine Tendenz festzustellen, nach der Ratenzahlungen ähnlich wie im Steuerrecht an eher wirtschaftlichen Maßstäben gemessen werden. Während z. B. der Gesetzgeber in § 4 Abs. 2 AbzG in den Kaufpreisraten noch keine laufzeitabhängige Vergütung anerkannt hat32, spricht der wesentlich jüngere33 § 1a Abs. 1 S. 3 AbzG von den "Raten einschließlich Zinsen". Ferner ist nach§ 1 Abs. 1 S. 5 AbzG34 der 27

107.

BGH, Urt. v. 20. 11. 1970 -

V ZR 71/68 - , LM Nr. 2 zu § 248 = BB 1971,

28 Dazu näher Mendelsohn, S. 28 mit der üblichen begrifflichen Argumentation: "Bei jenen sind die Teilleistungen eine bloße ,Modalität der Zahlung', sie können, brauchen aber nicht notwendig als periodisch wiederkehrende Leistungen versprochen werden, es ist also bei den Ratenleistungen die successive, in bestimmten Zeiträumen erfolgende Entrichtung inhaltlich nicht mehr wesentlich". 20 Vgl. z. B. RFH, Urt. v. 7. 5. 1930 VI A 827/27 - , RStBl. 1930, 578 zur Aufspaltung von Kaufpreisraten in steuerfreie Amortisation und steuerpflichtige Zinsen; ferner RFH, Urt. v. 10. 2. 1932- VIA 1323/30 - , RFHE 31, 21 ff.; Urt. v. 27. 1. 1941 - IV 157/43 - , RStBl. 1944, 363; BFH, Urt. v. 24. 4. 1970 - VI 212/69 - , BStBl. II 1970, 541. Im übrigen ist hier auf die Fülle von Entscheidungen zur betrieblichen Rente zu verweisen, deren praeter legem gefundene Ergebnisse schon vorgestellt worden sind (IV. 4. d) aa)). 30 Zu diesem Begriff Hadding, Konsumentenkredit, S. 29 ff. 81 Dies liegt daran, daß es beim Konsumentenkredit häufig an einer echten Zinsabrede fehlt. Das. Entgelt für die Kreditgewährung wird als sog. "Gebühr" erhoben, die statt auf das ausstehende Kapital auf den ursprünglichen Kreditbetrag bezogen ist. Insbesondere im ·Störungsfall muß aber geklärt werden, welche Verzinsung die jeweiligen Kreditgebühren sicherstellen und wie hoch die Zinsanteile in den Raten sind; dazu näher Hadding, Konsumentenkredit, S. 71 ff. und S. 260 ff. 32 Die "Fälligkeit der Restschuld" i. S. dieser Bestimmung bezieht sich nach der Vorstellung des Gesetzgebers nämlich auf den Kaufpreis einschließlich des vollen Teilzahlungszuschlags. Nicht verbrauchte Zinsen sollen also nicht herausgerechnet werden; vgl. OLG München, Urt.. v. 18.10.1968- 8 U 989/68 - , NJW 1969, 53, 54, mit der Begründung zum Regierungsentwurf des § 4 Abs. 2 AbzG; ferner Hadding, Konsumentenkredit, S. 267 m. w. Nachw. n Diese Bestimmung wurde durch Gesetz vom 1. 9. 1969 (BGBl. I, 1541) eingefügt und trat am 1. 7. 1970 in Kraft.

I. Die Anknüpfung des Steuerrechts an das Zivilrecht

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aus den Zinsen und sonstigen Kosten gebildete "effektive Jahreszins" anzugeben. Wie die Berechnung dieses effektiven Jahreszinses erkennen läßt, wird die Ratenzahlung damit als ein Vorgang verstanden, der finanzmathematisch als "Verrentung" bezeichnet wird35• Auch hier löst sich also der Gegensatz zwischen Rate, Zins und Rente zugunsten einer Betrachtung auf, die bei wiederkehrenden Leistungen den Faktor Zeit durch rechnerische Verfahren in den Zins als Entgelt für eine weit ver'standene Kapitalnutzung umsetzt.

b) Leibrente Im Rahmen der zivilrechtliehen Untersuchung sind einige Einwände gegen die Rechtsprechung des Reichsgerichts vorgetragen worden, die vor allem die Annahme betreffen, es müsse sich bei der Leibrente um ein "eigenartiges" Schuldverhältnis mit dem "Stammrecht" als besonderem Merkmal handeln36• Auch die Bemerkung von W eyers37 ist schon bekannt, nach der hier eine "übersehene Bastion der Begriffsjurisprudenz" anzutreffen sei. Eine kritische Betrachtung kann darüber hinaus vor allem an dem herausgearbeiteten Motiv der reichsgerichtliehen Rechtsprechung ansetzen, den Anwendungsbereich des § 761 BGB immer mehr einzuschränken. Zu wenig überlegt erscheint der Vorschlag der Reichstagskommission38, noch in der Endphase des Gesetzgebungsverfahrens die Schriftform für die Leibrente vorzuschreiben, als daß man hierauf komplizierte dogmatische Konstruktionen gründen könnte. Deren Ausbau wird um so zweifelhafter, je mehr es tatsächlich gelingt, die Bedeutung des Formerfordernisses zurückzudrängen. Hier entsteht der Eindruck einer Gesetzeskorrektur, die durch eine begriffliche Argumentation verdeckt wird. Nahezu als offenes Eingeständnis eines solchen Vorgehens kann man die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verstehen, die den Formzwang nach § 761 BGB "vernünftig" begrenzen will, indem sie danach unterscheidet, ob sich eine Rentenvereinbarung "äußerlich" als Leibrentenvertrag darstellt oder ob "auch die Verkehrsauffassungdarin einen solchen Vertrag erblickt" 39• Die Vorstellung, die reichsgerichtliche Rechtsprechung habe eine widerspruchsfreie und allgemein anerkannte Dogmatik des Leibrenten34 Eingefügt durch Gesetz vom 15. 5. 1974 (BGBl. I, 1169) und in Kraft seit 1. 10. 1974. 86 Vgl. Hadding, Konsumentenkredit, S. 148 ff. 3e RG (o. Fußn. 3)., RGZ 67, 204, 208, 210. 37 Esser I Weyers, Schuldrecht II, § 44 IV 2. 38 Komm.-Ber., S. 92. 39 BGH, Urt. v. 16. 12. 1965 I1 ZR 274/63 -, WM 1966, 248.

168 D. Rechtsvergleichende Betrachtung zw. Zivilrecht und Steuerrecht

vertrages entwickelt, hält auch einer Überprüfung anhand zeitgenössischer Stellungnahmen nicht stand. Heck40 hat schon 1929 in wenigen Sätzen die Schwächen der reichsgerichtliehen Rechtsprechung aufgedeckt. Er wendet gegen die "eigenartige Beurteilung" des Leibrentenvertrages zunächst ein, sie überschätze die Formulierungsfrage. Wie auch sonst seien auch hier "Einheitsformung" und "Mehrheitsformung" zulässig und folgenfrei. Eine "Lösung vom Kausalverhältnis" könne man auch bei anderen Schuldverhältnissen antreffen, wobei allerdings die dem Reichsgericht vorschwebende "ganz losgelösten Verträge" gar nicht vorkämen. Heck vermißt femer einen Zusammenhang zwischen den eingesetzten Abgrenzungskriterien und der ratio legis des § 761 BGB. Schließlich sei es sehr wohl gerechtfertigt, bei der Nichterfüllung einzelner Raten die "allgemeinen Grundsätze" anzuwenden. Allein das damit angesprochene Rücktrittsrecht nach § 326 Abs. 1 BGB sei "Gesetz und auch allein geeignet, dem Gläubiger genügend Schutz" zu gewähren. Schon Heck sieht die reichsgerichtliche Rechtsprechung vor dem Hintergrund des durch § 761 BGB aufgeworfenen Formproblems. Es stellt sich nach seiner Auffassung bei allen Unterhaltsverträgen, da es sich um Leistungen handele, die für die Zukunft, und zwar für eine ungewisse Zukunft versprochen würden. Allerdings habe die Reichstagskommission versäumt, den Kaufmann vom Schutz des § 761 BGB auszunehmen. Heck will hier durch eine Analogie helfen. Er erkennt im übrigen auch an, daß eine formbedürftige Leibrente in den Fällen zu vemeinen sei, in denen, wie z. B. beim Ruhegehalt, nur Nebenleistungen neben anderen Leistungen versprochen werden. An dieser Stelle ist femer Henle41 zu nennen, auch wenn er Heck in einigen Punkten widerspricht. Er bezeichnet die reichsgerichtliche Rechtsprechung als unhaltbar und wirft ihr Begriffsjurisprudenz vor. Die "Schilderung des Stammrechts" ist nach seiner Auffassung "juristische Mystik". Einen größeren Blickwinkel eröffnet die Kritik von Siber42 • Er lehnt im Anschluß an Heldrich 43 die Auffassung ab, die das "Rentenrecht" als "Stammrecht" versteht, aus dem die einzelnen "Zieler" entspringen. Immerhin spricht Siber ebenfalls von dem "Rentenrecht", das er als Zusammenfassung der einzelnen "Zieler" sieht und mit dessen Begründung der Leibrentenvertrag erfüllt werde. Siber wendet sich vor allem gegen die Vorstellung, die "Zieler" seien "durch Erleben aufschiebend bedingte Einzelforderungen". Aus dieser Gegenüberstellung wird deutlich, daß die Diskussion um das "Leibrentenstammrecht" auch vor dem 40 41 42 43

Grundriß des Schuldrechts, § 121 VI, S. 365, 366. Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, S. 162, 163. Schuldrecht, § 69, 5, S. 383; ähnlich Kreß, § 26 3 b, S. 74. IheringsJb 78, 269 Fußn. 2, 272 Fußn. 1.

I. Die Anknüpfung des Steuerrechts an das Zivilrecht

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Hintergrund überaus vielfältiger Bemühungen zu sehen ist, periodisch wiederkehrende Leistungen dogmatisch zu erfassen. Die bei Enneccerus44 zu findende Überlegung, ob "mehrere selbständige Einzelansprüche" 45, "nur eine einzige resolutiv bedingte" 46 Rentenforderung festzustellen sei oder ob es sich um einzelne aus einem einheitlichen Rentenrecht erwachsende Rentenforderungen47 handele, zeigt das Grundmuster eines sich immer wieder differenzierenden Meinungsstandes auf48 • Er erschöpft sich vor allem nicht mehr in zustimmenden und ablehnenden Stellungnahmen zum "Stammrecht", sondern betrifft vor allem das Verhältnis der Einzelforderungen zu dem "Grundrecht". Neben der These von einer "Erwerbsberechtigung (Anwartschaft) ...9 findet sich die Auffassung vom "Stammrecht" als einem "Forderungsrecht", das einen "einheitlichen Gesamtanspruch erzeugt" 50• Dieser Satz 0. v. Gierkes läßt eine Verbindung zwischen der Stammrechtstheorie und der Vorstellung eines "Gesamtanspruchs" erkennen51 , die schon im Gemeinen Recht als Hilfsmittel gedient hatte, um bei wiederkehrenden Leistungen die Stellung des Gläubigers durch einen Anspruch im Sinne Windscheids 52 bezeichnen zu können. Wenn Langeheineken53 unter dem Einfluß dieser Lehre bei Miet- und Pachtverhältnissen oder dem familienrechtlichen Unterhaltsanspruch von einem "einheitlichen Gesamtanspruch" spricht, wird die Parallele zur Diskussion um das "Leibrentenstammrecht" deutlich. Auch bei Langeheineken soll der "Gesamtanspruch" als ein "einheitliches Rechtsgebilde, als ein einziger Anspruch" zu beurteilen sein. Hier wie dort finden sich die gleichen Argumente, um eine einheitliche Forderung zu begründen. Als Beispiele mögen die Hinweise auf den Gebrauch des Singulars54 und die Klagemöglichkeit nach § 258 ZP055 dienen. 44

Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts,§ 408 II 1, S. 533 Fußn. 2.

Planck I Andre, Bürgerliches Gesetzbuch, Bd. II, Vor § 759 li 1. 48 Eccius, Gruchot 45, 11, 20; Sepp, S. 57 ; Kohler, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, Bd. II 1, § 121 IV 1 c 8, S. 307; Endemann, Lehrbuch des Bür45

gerlichen Rechts, Bd. I,§ 189, 2, S. 1185 f. 47 Enneccerus, daselbst; Oertmann, Kommentar zum BGB, § 759 BGB, Vorbem. 5. 48 Insbesondere Hawlitzky, S. 16 ff. und Kiesel, S. 25, 26 vermitteln einen Eindruck von dem facettenreichen Bild, das sich seit dem lokrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches ergeben hatte. 49 Enneccerus, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, § 408 II 3, S. 534. 50 0. v. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. III, § 207, S. 802 Fußn. 43. 5t Dazu Hawlitzky, S. 20 ff. 52 Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. I, § 43, S. 111 ff.; zur Zusammenfassung von "Einzelansprüchen" zum "Gesamtanspruch", der ein "einheitliches subjektives Recht" ausmachen soll: Dernburg, Pandekten, § 43 1, S. 185 Fußn. 5; ferner Hellwig, S. 41, der die Einzelansprüche in einem "Gesamtschuldverhältnis" zusammenfaßt, das er als "Quelle von gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüchen" sieht. sa S. 144 ff.; dagegen v. Tuhr, § 16 I 2, S. 271 f.

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Die angedeutete Verbindung wird auch in den Ausführungen von Drahota58 bestätigt. Drahota hat den Leibrentenvertrag unmittelbar vor der Entscheidung des Reichsgerichts vom 12. 12. 190757 erörtert. Ohne deren Einfluß vertritt auch er die Auffassung von der Einheitlichkeit des Rentenrechts. Er bezieht sich zwar auf die schon vorliegenden Arbeiten von Eccius und Sepp, stützt sich aber vor allem auf die folgende Begründung: Bei der Leibrente handele es sich nach allgemeiner Ansicht "von alters her" um eine wiederkehrende Leistung. Das "Wesen" wiederkehrender Leistungen werde zutreffend in einer "einzigen, für eine einzige Gegenleistung übernommene Verbindlichkeit" gesehen. Diesem Begriff der wiederkehrenden Leistung entspreche hier das Leibrentenrecht, das die einzelnen Leistungen hervorbringe. Auch im Gemeinen Recht habe man bei periodischen Leistungen zwischen dem Recht auf diese und den einzelnen Leistungsverbindlichkeiten geschieden. Auch eine jüngere Stellungnahme verdeutlicht noch einmal die geschilderten Zusammenhänge. W eber58 nennt die Leibrente als Beispiel dafür, daß bei wiederkehrenden Leistungen neben den Einzelansprüchen ein "Gesamtanspruch" anzunehmen sei. Er setzt diese Aussage offenbar mit dem Inhalt der herrschenden "Einheits- oder Leistungstheorie" gleich und bezieht sich auf die einschlägige reichsgerichtliche Rechtsprechung. Es würde den Rahmen der vorliegenden Untersuchung sprengen, wenn man die Bedeutung der Stammrechtsvorstellung in der Entwicklung der Schuldrechtsdogmatik ausloten wollte. Nur auf einzelne Aspekte wird noch zurückzukommen sein. Immerhin kann schon festgehalten werden, daß die reichsgerichtliche Rechtsprechung zur Leibrente und die dort entwickelte Stammrechtstheorie eng mit den zeitgenössischen Vorstellungen über die dogmatische Erfassung wiederkehrender Leistungen verknüpft ist. Hieraus erklärt sich auch, daß selbst innerhalb einer sogenannten "herrschenden Stammrechtstheorie" verschiedene Ansätze und Strömungen anzutreffen sind. Darin spiegelt sich nur die Meinungsvielfalt und der fortschreitende Wandel in dem allgemeineren Zusammenhang wider. Ferner vermittelt dieser Blickwinkel die Einsicht, daß sich in der Stammrechtstheorie ein bestimmter Entwicklungsstand in der dogmatischen Behandlung wiederkehrender 54 Langeheineken, S. 146: ",Die Forderung' in § 1088 Abs. l S. 2 BGB"; vgl. dazu als Parallele nur Sepp, S . 60: "Leibgut, Leibrecht, vitalitum". 55 Langeheineken, S. 146; als Parallele wiederum nur Sepp, S. 64. 56 S. 24; vgl. auch Crome, System des Deutschen Bürgerlichen Rechts, Bd. II, § 250 A 1, S. 603, 604. s1 (o. Fußn. 3), RGZ 67, 204 ff. ss Staudinger I Weber, Einl. C 27 vor § 241 BGB; vgl. auch Staudinger I Brändl, Vorbem. 9 vor§ 759 BGB.

I.

Die Anknüpfung des Steuerrechts an das Zivilrecht

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Leistungen verfestigt und verselbständigt hat. Unter diesem Vorzeichen kann man auch der Feststellung W eyers59 zustimmen, daß es sich hier um eine übersehene Bastion der Begriffsjurisprudenz handelt. 3. Strukturelle Gemeinsamkeiten

Für das Steuerrecht geht der gesicherte Anknüpfungspunkt verloren, wenn man das zivilrechtliche Verständnis der Leibrente als zum Teil zweckorientiertes weit aufgefächertes Meinungsspektrum und als Entwicklungsprozeß sieht, der vielfachen Einflüssen und Strömungen ausgesetzt ist. Die Einordnung wiederkehrender Leistungen in die allgemeine Schuldrechtsdogmatik und die steuerrechtliche Problemstellung liegen zu weit auseinander, um auf den ersten Blick noch ähnliche Ausgangspunkte erkennen zu lassen. Dennoch war immer wieder das "Stammrecht" als Verbindungselement beider Rechtsgebiete anzutreffen. Im Steuerrecht hat es sowohl auf der Ebene der Gesetzgebung als auch der Rechtsanwendung eine Bedeutung gewonnen, die sich allein durch ihren zivilrechtliehen Hintergrund kaum noch erklären läßt.

a) Das "Stammrecht" als Verbindungselement zwischen Steurrecht und Zivilrecht Die bisherige Untersuchung hat gezeigt, wie die Vorstellung eines "Stammrechts" in der reichsgerichtliehen Rechtsprechung eingesetzt wurde und welche Rolle ihr bei der Besteuerung des Ertragsanteils wiederkehrender Bezüge nach § 22 Nr. 1 Buchst. a EStG zukommt. Dies soll an dieser Stelle nicht noch einmal wiederholend zusammengefaßt werden. Hier kommt es vielmehr darauf an, den bisherigen, von der Leibrente ausgehenden Blickwinkel zu erweitern, um für beide Rechtsgebiete den allgemeinen Stellenwert der Stammrechtstheorie erkennbar werden zu lassen. Bei der Betrachtung des Zivilrechts konnte schon dadurch ein weiterer Ausblick gewonnen werden, daß die Verbindung zwischen der Starnmrechtstheorie und der Vorstellung eines "Gesamtanspruchs" wiederkehrender Bezüge aufgezeigt wurde. Ferner hat sich ergeben, daß der Bundesgerichtshof60 bei Schadensersatzrenten von der Verjährung eines "Stammrechts" spricht, ohne ausdrücklich eine Leibrente anzunehmen. Auch das angeführte "Unterhaltsstammrecht" 61 ist nicht aus der reichsEsser I W eyers, Schuldrecht li, § 44 IV 2. BGH, Urt. v. 12. 7. 1960 - VI ZR 92/59 - , VersR 1960, 949; Urt. v. 11. 7. 1972- VI ZR 85/71 - , VersR 1972, 1078, 1079; Urt. v. 3. 7. 1973 - VI ZR 38/72 - , NJW 1973, 1624, 1625; Urt. v. 17. 10. 1978 - VI ZR 213/77 -, NJW so

80

1979, 268. 81 D . I. 1. b) bb).

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D. Rechtsvergleichende Betrachtung zw. Zivilrecht und Steuerrecht

gerichtlichen Leibrententheorie abzuleiten. Schließlich kann auch auf Bemühungen hingewiesen werden, bei handelsrechtliehen Personengesellschaften in der Mitgliedschaft62 oder in den Gewinnansprüchen63 ein "Stammrecht" auszumachen, das z. B. Gegenstand einer Nießbrauchbestellung sein soll. Auch die steuerrechtliche Untersuchung hat Ausprägungen der Stammrechtsvorstellung ergeben, die nur mittelbar auf die reichsgerichtliche Theorie eines "Leibrentenstammrechts" zurückgeführt werden können. So kann etwa das "Stammrecht" der Zeitrente und der dauernden Last (C. IV. 5. c)) nicht mit dem vom Reichsgericht herausgestellten "Stammrecht" identisch sein. Die Bemühungen der reichsgerichtlichen Rechtsprechung zielten gerade darauf ab, die "Leibrente als eigenartiges Schuldverhältnis" durch das "Stammrecht" von ähnlichen wiederkehrenden Leistungen abzugrenzen. Darüber hinaus ist dem Eindruck vorzubeugen, daß das "Stammrecht" erst seit der Reform von 1955 und der darauffolgenden Rechtsprechung im Steuerrecht eine beachtliche Rolle spielt. Der Versuch Friedrichs, das Problem der Besteuerung wiederkehrender Leistungen mit der Hilfe eines abschreibungsfähigen "Stammrechts" zu lösen, wurde bereits erwähnt (C. III. 1. b)). Auch in der Rechtsprechung finden sich lange vor der einkommensteuerlichen Sonderregelung für die Leibrente Stellungnahmen zum "Stammrecht", die sogar auf die reichsgerichtliche Rechtsprechung verweisen. Als erste einschlägige Äußerung des Reichsfinanzhofs ist das Gutachten vom 7. 1. 1921 6' zu nennen. Dieses Gutachten betrifft die Frage, in welchem Zeitpunkt die Schenkung wiederkehrender Leistungen vollzogen ist. Hiervon hing nach § 40 Abs. 3 S. 2 ErbStG 191965 das Eintreten der Steuerpflicht ab. Insbesondere die schenkungsteuerliche Erfassung wiederkehrender Leistungen war seinerzeit noch wenig entwickelt. Gegenüber unzulänglichen Ansätzen im Erbschaftsteuergesetz von 190666 hatte das Gesetz von 1919 in seinem § 50 neben der Besteuerung nach dem gesamten Kapitalwert eine Option für die Besteuerung nach dem Jahreswert vorgesehen. Ferner enthielt § 40 Abs. 3 S. 2 ErbStG 1919 erstmals eine Regelung, wonach die Steuerpflicht bei Schenkungsversprechen erst nach deren Vollzug eintreten sollte. Vor diesem 62 U. Huber, S. 163; allgemein zum Verständnis der Mitgliedschaft Hadding, Festschr. R. Reinhardt, S. 249 ff. 63 Siebert, BB 1956, 1126; Sudhoff, NJW 1971, 481, 483; ders., NJW 1974, 2205 ff.; dagegen Ftume, Festschr. Larenz, S. 769, 783 ff.; Rohtff, NJW 1971, 1337, 1340; Teichmann, ZGR 1972, 1, 21; unentschieden BGH, Urt. v. 12. 12. 1974- II ZR 166/72 -, DNotZ 1975, 735, 737. 64 I D 3/20 -, RFHE 4, 243 ff. 65 RGBl. 1919, 1543, 1558. 68 RGBl. 1906, 654; vgl. insb. § 18 und§ 55 dieses Gesetzes.

I. Die Anknüpfung des Steuerrechts an das Zivilrecht

173

Hintergrund muß man die Fragestellung sehen, die das erwähnte Gutachten zu klären hatte. So wird auch verständlich, daß es nicht einfach auf den systematischen Zusammenhang der erbschaft- und schenkungsteuerlichen Regelung verweisen konnte67 • Das Gutachten bemüht stattdessen die reichsgerichtliche Rechtsprechung, nach der mit der Bestellung des "Leibrentenstammrechts" Erfüllung eintrete. Ebenso sei in diesem Zeitpunkt das Leibrentenversprechen steuerlich vollzogen. Der Reichsfinanzhof weist allerdings die Auffassung des Reichsfinanzministers zurück68, daß es somit bei allen Rentenverträgen auf deren Abschluß und nicht auf die Leistung einzelner Bezüge ankomme. Das Gutachten betont zu Recht, daß das Reichsgericht nur den Begriff der Leibrente anhand des "früchtetragenden Stammrechts" entwickelt habe. Denkbar sei immerhin68, daß sich auch "bei anderen Rentenrechten als Leibrenten als Parteiwillen im Einzelfall feststellen läßt, daß das Rentenstammrecht selbst alsbald mit dem Abschluß des Schenkungsvertrags Wirkung erlangen sollte". Schon an dieser ersten Einbruchstelle der reichsgerichtliehen Rechtsprechung zur Leibrente ist also festzustellen, daß die steuerrechtliche Dogmatik den Gedanken des "Stammrechts" verallgemeinert und für ihre Zwecke einsetzt. Das Gutachten des Reichsfinanzhofs vom 7. 1. 1921 hat über seine eigentliche Fragestellung hinaus Auswirkungen auf die steuerliche Behandlung wiederkehrender Leistungen gehabt. An dieser Stelle ist nur darauf hinzuweisen, daß schon kurze Zeit später der sechste Senat den Gedanken des "Rentenstammrechts" eingesetzt hae0 , um Studienzuschüssen die Qualität einer nach § 13 Nr. 2 S. 1 EStG 192071 abzugsfähigen Rente abzusprechen. Eine wenige Jahre ältere Entscheidung des gleichen Senats setzt sich schon mit der Frage auseinander'2 , ob es sich bei dem "Leibrentenstammrecht" um ein abschreibungsfähiges Wirtschaftsgut i. S. des § 16 Abs. 3 EStG 192573 handele.

b) Das "Stammrecht" als Gegenstand einer funktionalen rechtsvergleichenden Betrachtung Da diese Untersuchung als "innerer Rechtsvergleich" konzipiert ist, liegt es nahe, auch hier die Methoden einzusetzen, die sich im Bereich 87 Eine Besteuerung nach dem gesamten Kapitalwert setzt nämlich voraus, daß die Steuerpflicht vor den einzelnen Leistungen und damit wohl schon bei Vertragsschluß einsetzt. 88 (o. Fußn. 64), RFHE 4, 243, 246. ee (o. Fußn. 64), RFHE 4, 243, 249. 70 Urt. v. 19. 6. 1923 IV eA 26/23 -, RStBl. 1923, 36. 71 RGBl. 1920, 359, 364. 72 Urt. v. 7. 12. 1927- IV A 597/27 -, RStBl. 1928, 93, 94. 1a RGBl. I, 189, 192.

174 D. Rechtsvergleichende Betrachtung zw. Zivilrecht und Steuerrecht des "äußeren Rechtsvergleichs" herausgebildet haben. Dort hat sich als methodisches Grundprinzip, aus dem sich alle anderen Methodenlehrsätze ergeben, das der Funktionalität durchgesetzf4 • Danach bezieht sich Rechtsvergleichung nicht auf die Äußerlichkeiten der Rechtssysteme, sondern sie soll an dem konkreten Sachproblem ansetzen. In welcher Weise und mit welchen Mitteln sie gelöst werden, bildet den Gegenstand funktionaler rechtsvergleichender Betrachtung. Die gleiche Aufgabe75 und nicht mehr oder weniger differierende Systembegriffe der Rechtsordnungen bestimmen damit ihren Blickwinkel. Das Verfahren, das hier angewandt werden soll, läßt sich als Variation des umrissenen methodischen Grundprinzips verstehen. Ausgangspunkt ist hier allerdings das "Stammrecht" als dogmatische Figur, dessen verschiedene Funktionen in beiden Rechtsgebieten herausgearbeitet werden. Auf diese Weise läßt sich die äußerliche begriffliche Ähnlichkeit anhand einer problemorientierten Betrachtung hinterfragen und überwinden. Zwar ist hier nicht wie bei der äußeren Rechtsvergleichung vom Sachproblem auszugehen, das jedoch immerhin den erkenntnisleitenden Gesichtspunkt bildet. Hier wie dort ist es die Funktion, die verschiedene Systeme vergleichbar macht und dogmatische Figuren auf Sachprobleme zurückführt. Das geschilderte Vorgehen bietet zugleich den Vorzug, die wenig fruchtbare Fragestellung zu überwinden, ob es ein "Stammrecht" bei der Leibrente "gibt". Dies würde zu einer Auseinandersetzung mit der gleichsam ontologischen Betrachtung des Reichsgerichts führen, die für das Steuerrecht, das sich offenbar zugunsten eigener Zwecke des "Stammrechts" bedient, keinen Ertrag bringen kann. Würde man schließlich die Frage nach der "Existenz" des "Leibrentenstammrechts" im Sinne der Nützlichkeit juristischer Konstruktionen zu beantworten suchen, stieße man ohnehin auf die verschiedenen Funktionen des "Stammrechts" und auf das Problem ihrer methodischen Rechtfertigung. Die beabsichtigte innere funktionale Rechtsvergleichung läßt sich in ungewöhnlich glücklicher Weise durch eine äußere Rechtsvergleichung ergänzen. Das französische Recht kann in einigen Punkten als tertium comparationis dienen. Es kennt nämlich mit der "rente viagere" eine Form lebenslänglicher Leistung, die im wesentlichen der deutschen Leibrente entspricht. Ähnlich wie im deutschen Recht begegnet man der rente viagere als gesetzlich geregelten Typ eines Schuldvertrags (Art. 1968 ff. C. c.) und als Form des steuerbaren Einkommens (Art. 79 C. G. I). 14 75

Zweigert I Kötz, § 3 II, S. 29, 30. Esser, Grundsatz und Norm, S. 29.

I. Die Anknüpfung des Steuerrechts an das Zivilrecht

175

Der Code civil enthält eine ausführlichere Regelung der Leibrente als das Bürgerliche Gesetzbuch. So legt er etwa schon unmißverständlich fest, daß die rente viagere auf ein oder mehrere Leben gestellt werden kann (Art. 1972 C. c.), wobei auch das eines unbeteiligten Dritten in Betracht kommt (Art. 1971 C. c.). Die unentgeltliche Leibrente (Art. 1969: "rente viagere a titre purement gratuit") ist ebenso ausdrücklich erwähnt wie die entgeltliche (Art. 1968: "rente Viagere a titre onereux"). Als Gegenleistung ist angeführt "une chose mobiliere appreciable" oder "un immeuble". Aus der Regelung weiterer Einzelheiten ist insbesondere Art. 1978 C. c. hervorzuheben, der für den Verzug mit einzelnen Raten Vorsorge trifft. Art. 1983 C. c. enthält sogar eine Bestimmung über die Beweislast, und zwar zuungunsten des "proprietaire d'une rente viagere". Auch der Fall, daß derjenige, auf dessen Leben die Leibrente gestellt ist, schon tot ist oder innerhalb der nächsten 20 Tage stirbt, ist gesetzlich geregelt. Nach Art. 1974 und Art. 1975 C. c. ist der Vertrag nichtig. Aus rechtsvergleichender Sicht kommt es aber vor allem darauf an, daß sich im Code civil keine § 761 BGB entsprechende Bestimmung findet. Art. 1969 C. c. stellt lediglich klar, daß bei freigiebiger Zuwendung oder letztwilliger Verfügung auch für Leibrenten die allgemeinen Formvorschriften zu beachten sind. Weder die entgeltliche noch die unentgeltliche Leibrente unterliegt also einer besonderen Form78 • Damit entfällt für das französische Recht jeder Anlaß, den Leibrentenbegrüf anband bestimmter Merkmale einschränkend zu interpretieren. Es ist auch unbeeinflußt durch ungelöste Fragen der Leistungsstörung und der Beweislastverteilung. Eine Betrachtung des französischen Zivilrechts ist daher in besonderem Maße geeignet, Aufschluß darüber zu geben, wie sich die dogmatische Beurteilung des Leibrentenvertrages ohne die Sonderprobleme des deutschen Rechts entwickeln kann. Wie bereits erwähnt, greift auch das französische Einkommensteuerrecht in Art. 79 C. G. I. "rentes viageres" neben verschiedenen anderen Bezügen als steuerbare Einkünfte auf. Ähnlich wie im deutschen Recht enthält das Gesetz eine Sonderregelung für die Leibrente. Art. 158 Abs. 6 C. G. I. unterwirft bei entgeltlichen Renten nur einen bestimmten Anteil der Besteuerung, der jeweils vom "Eintrittsalter" des Berechtigten abhängt. Das Gesetz führt hier Gruppen an, denen ein Anrechnungsfaktor von 70 {J/o (unter 50 Jahre), 50 Ofo (50 bis 59 Jahre), 78 Allerdings gilt auch hier Art. 1341 c. c. für die Beweisbarkeit (Ferid, 2 K 48). Ferner ist die Unterscheidung zwischen dem "contrat synallagmatique" und dem "contrat unilateral" bedeutsam. Der letztere, der nach der Vorstellung eines Realvertrags bei einer Rente gegen Kapitalzahlung angenommen wird, erfordert nicht die in Art. 1325 C. c. vorgesehene doppelte Vertragsausfertigung; dazu näher Baudry-Lacantinerie, Nr. 1160 b, S. 732;

a. A. Aubryl Rau I Esmein, § 388, S. 132.

176 D. Rechtsvergleichende Betrachtung zw. Zivilrecht und Steuerrecht

40 °/o (60 bis 69 Jahre) und 30 °/o (über 69 Jahre) zugeordnet wird. Die unentgeltliche Leibrente ist dagegen in vollem Umfang zu versteuern. Das Gesetz erlaßt keineswegs sämtliche wiederkehrende Bezüge. Nach einer Regelung über zeitlich begrenzte Leistungen sucht man vergeblich. Schließlich ist auch noch zu beachten, daß die geschilderte Sonderregelung der entgeltlichen Leibrente nicht für die in Art. 79 C. G. I. gleichfalls erfaßten "pensions" 77 gilt. Damit sind Altersruhegelder, Beamtenpensionen und Sozialversicherungsrenten grundsätzlich voll zu versteuern. Abzugsfähig sind Rentenleistungen gern. Art. 156 Abs. 2 Nr. 2 C. G. I. nur noch in eingeschränktem Umfang. Die Rente muß aus der Zeit vor dem 2. November 1959 herrühren und auf einer wirksamen, unentgeltlich begründeten Verpflichtung beruhen78 •

II. Die Funktion des "Stammrechts" im Zivilrecht Schon in der bisherigen Untersuchung war erkennbar, daß die Leibrententheorien im Zivilrecht zweckorientiert konzipiert und eingesetzt wurden. Die reichsgerichtliche Rechtsprechung konnte etwa weitgehend auf das Bemühen zurückgeführt werden, die Formnichtigkeit gemäß § 761 BGB zu vermeiden. Eine funktionale Betrachtung muß auch diesen Punkt noch einmal aufgreifen. Ihr Schwergewicht wird aber dort liegen, wo weniger offensichtliche Funktionen anzutreffen sind, die, ob überholt oder nicht, jedenfalls bewußt gemacht werden sollten. Auch dabei kann freilich die jeweils angesprochene Problematik nicht annähernd erschöpfend behandelt werden. Es muß ausreichen, daß aus der Sicht des Steuerrechts abzuschätzen ist, ob sich eine Übernahme in das eigene Regelungssystem einfügt oder nicht. 1. Fortsdlreibung bistorisdler Wurzeln

Am Beginn der reichsgerichtliehen Rechtsprechung zum "Leibrentenstammrecht"1 steht die Aussage, die Eigenart der Leibrente als in sich geschlossenes einheitliches Recht sei ihr durch ihre rechtsgeschichtliche Entwicklung "aufgeprägt". Alle ihre Erscheinungsformen seien aus der durch "sogenannten Leibrentenkauf erkauften Rente" hervorgegangen2 • Auch bei den später entstandenen unentgeltlichen "Abarten" der Leibrente, stehe dem "Erwerber des Leibrentenrechts, auch wenn er den in Zur Definition: Documentation Pratique Des Impöts Directs, § 15. Wegen weiterer Einzelheiten vgl. Memento Pratique Francis Lefebvre, Rdnr. 227; Documentation Pratique Des Impöts Directs, § 530. 1 RG (o. D. I. Fußn. 3), RGZ 67, 204, 210. 2 Ähnlich schon Drahota, S. 19; ferner Mendelsohn, S. 18; Stuht, S. 27. 77

78

Il. Die Funktion des "Stammrechts" im Zivilrecht

177

der älteren Rechtssprache als Rentenkapital bezeichneten Kaufpreis nicht dafür herzugeben hat, ein diesem Rentenkapitale entsprechendes Stammrecht" zu. Schon vor der erwähnten Entscheidung des Reichsgerichts haben sich vor allem Sepp3 und Eccius4 mit der rechtlichen Qualität der Leibrente aus historischem Blickwinkel auseinandergesetzt. In der Folge der reichsgerichtliehen Rechtsprechung haben unzählige Stellungnahmen diesen Ansatz übernommen. Bei näherem Zusehen ergibt sich freilich auch hier ein differenziertes Bild. Das Reichsgericht sieht das "Stammrecht" als Abstraktion des Rentenkapitals, das beim Rentenkauf als der ursprünglichen Form der Leibrente noch konkret vorhanden gewesen sei. In der Literatur wird dagegen das "Stammrecht" daraus abgeleitet, daß man die Leibrente im Mittelalter als dingliches Nutzungsrecht an einem Grundstück6 verstanden habe6 • Die Leibrente sei daher ursprünglich "ein dem Eigentum gleichgestelltes dingliches Recht und als solches naturgemäß ein einheitliches Ganzes" 7 gewesen. Ferner stützt sich die historische Argumentation auf den Sprachgebrauch des römischen Rechts. Dieser habe eine durch "stipulatio in annos singulos" erzeugte Forderung als "una et incerta et perpetua obligatio" bezeichnet. Auch bei Hinzufügung von "quod vivam" sei man von einer unbedingten und nur durch den Tod beendeten Obligation ausgegangen8 • a) Der Sprachgebrauch des römischen Rechts

Aus heutiger Sicht wird man dem Sprachgebrauch des römischen Rechts nicht den Stellenwert zubilligen, wie dies um die Jahrhundertwende unter dem Eindruck der Pandektenjurisprudenz noch der Fall war. Bei näherem Zusehen erscheint es aber gar nicht erforderlich, diese prinzipielle Frag~ näher zu behandeln. Es zeigt sich nämlich, daß selbst eine solche historische Betrachtung nicht unbedingt in die Richtung der Stammrechtstheorie weist. Schon Sepp' hatte sich damit auseinanderzusetzen, daß bei der Schenkung einer Leibrente von mehreren Forderungen gesprochen wurde10• 3 4

s. 57 ff.

Gruchot 45, 11, 21.

s Stobbe, S . 26, 31.

6 So schon Eccius, Gruchot 45, 11, 21 ; Sepp, 59; Drahota, S. 9, 23; ferner Reifenberg, S. 13; Hawlitzky, S . 16. 7 Drahota, S. 23; vgl. auch dort S. 9 zur Unterscheidung zwischen census realis und census personalis. 8 Eccius, Gruchot 45, 11, 21 und Sepp, S. 57 mit dem Hinweis auf D 45.1.16.1 und 4 sowie I 3.15.3; ähnlich Hawlitzky, S . 16; dazu kritisch schon Mendelsohn, S. 52 ff. 8 S. 57 ff. 10 c 8.53.34.4.

12 Weiter

178 D. Rechtsvergleichende Betrachtung zw. Zivilrecht und Steuerrecht

Auch das legatum in annos singulos sollte mehrere einzelne Forderungen enthalten11 • Eccius12 hatte deswegen die Argumentation mit dem Sprachgebrauch des römischen Rechts eher vorsichtig beurteilt. Sepp13 versucht dagegen, in den Fällen der Schenkung und des Vermächtnisses Besonderheiten auszumachen, die eine abweichende Beurteilung nahegelegt hätten. Bei der Schenkung habe sich das Sonderproblem gestellt, ob die Wertgrenze zur formbedürftigen Schenkung überschritten werde. Bei der Wahl zwischen dem Gesamtwert oder dem der einzelnen Jahresleistung habe die fragliche Codexstelle sich für die letztgenannte Alternative entschieden. Ein ähnlicher Zusammenhang sei auch bei dem Vermächtnis anzutreffen. Die Zuwendung an einen Sklaven oder einen Haussohn sei dem Gewalthaber zugefallen. Bei einer Beurteilung der Rente als einheitliche Forderung wäre dieser Vorgang abgeschlossen gewesen und hätte durch eine Freilassung oder Emanzipation nicht wieder beeinflußt werden können. Um den Bedachten nach der Aufhebung des Gewaltverhältnisses in den Genuß der Zuwendung kommen zu lassen, habe man das Rentenvermächtnis in eine Mehrheit jährlicher Bezüge aufgeteilt. Die Argumentation von Sepp läßt sich ohne Mühe dafür verwenden, das römische Recht gegen die Annahme eines einheitlichen Forderungsrechts sprechen zu lassen. Die Textstellen, die Sepp zur Begründung seiner Ansicht heranzieht, erscheinen auch bei ihm als terminologische Aussage ohne materielle Auswirkungen. Deswegen lassen sich die Fälle der Schenkung und des Vermächtnisses nicht als Ausnahme abtun. Nur hier hängen nämlich vom dogmatischen Verständnis der Rente konkrete Rechtsfolgen ab, und offenbar entspricht nur die Aufteilung in einzelne Forderungen den betroffenen Sachproblemen. Demgegenüber wäre es ein Rückschritt, allein an einem unverbindlichen Sprachgebrauch anzuknüpfen, der korrigiert und überwunden wird, sobald materielle Auswirkungen ins Blickfeld geraten. Eine ähnliche Beurteilung ergibt sich, wenn man das französische Zivilrecht heranzieht, das vor allem im Vertragsrecht der römischen Rechtstradition verhaftet ist14• Maas 15 hat als Gegner der Stammrechtstheorie darauf verwiesen, daß der Code civil, wie in Art. 1980 erkennbar werde, von einer Vielheit einzelner getrennter Forderungen aus11 D 36.2.10.2: Cum in annos singulos legatur, non unum legatum esse, sed plura constat. n Gruchot 45, 11, 21. 13 s. 58 f. u Vgl. statt vielerZweigert !Kötz, S. 95. 15 S. 48, 135 im Anschluß an Mendetsohn, S. 54, 64 und Hawlitzky, S. 14; ähnlich schon Sepp, S. 60, der allerdings doch wieder darauf abstellt, daß der Rentenberechtigte "proprietaire d'une rente" genannt wird.

IL Die Funktion des "Stammrechts" im Zivilrecht

179

gehe. Wenn es dort heiße: "La rente viagere n'est acquise au proprietaire que dans la proportion du nombre de jours qu'il a vecu"' spreche dies zwingend gegen die Annahme eines einheitlichen Rechts. Die Argumentation von Maas kann nicht überzeugen, gibt doch Art. 1980 Abs. 1 im wesentlichen16 eine Selbstverständlichkeit wieder, die man allenfalls anders17 formulieren könnte18• Bei näherem Zusehen zeigt sich überdies, daß dem französischen Recht bei der Leibrente die Vorstellung eines früchtetragenden19 "juristischen Wesens" 20 gar nicht fremd ist. Freilich geht es dabei vor allem um den noch zu behandelnden Zusammenhang der Verjährung. Zuzustimmen ist Maas jedoch darin, daß das französische Recht keine Stammrechtstheorie kennt, die die Merkmale der Leibrente festlegt und dadurch den Anwendungsbereich gesetzlicher Bestimmungen eingrenzt. Im Vordergrund steht hier die Lebenslänglichkeit der Bezüge, deren Höhe Art. 197621 in das Belieben der Vertragsparteien stellt. Das Versprechen lebenslänglicher Bezüge zur Belohnung geleisteter Dienste wird ohne weiteres als Leibrente beurteilt22 • Der wesentliche Unterschied zwischen einer "rente viagere" und der gesetzlich nicht geregelten "bail a nourriture" 23 wird allein darin gesehen, daß es sich einmal um eine "obligation de donner" und zum anderen um eine "obligation de faire" handele24 • Wie fern es für das französische Recht liegt, eine Stammrechtstheorie mit dem Vorliegen eines "eigenartigen Rechtsverhältnisses" zu begründen, zeigt sich auch daran, daß man in der "rente viagere" keinen eigenständigen Schulclvertragstyp sieht. Es soll sich bei entgeltlicher Begründung entweder um ein Darlehen (Geld als Gegenleistung) oder einen Kauf (sonstige 16 Es ist an dieser Stelle sicherlich nicht mehr regelungsbedürftig, daß die Leibrente mit dem Tod erlischt. Darüber hinaus kann Art. 1980 Abs. 1 C. c. nur entnommen werden, daß der Todestag auch nicht anteilig zu berücksichtigen ist. 11 Vgl. z. B. § 760 Abs. 3 BGB. 18 Wenig glücklich ist es allerdings, daß das Gesetz auf das Leben des Rentenberechtigten abstellt. Die "rente viagere sur la tete d'un tiers" (Art. 1971 C. c} bleibt dabei unberücksichtigt; wegen der korrigierenden Auslegung vgl.

Aubry I Rau I Esmein I Ponsard, § 389, S. 140. 19 Vgl. Art. 584 C. c., wo als "fruits civils" u. a. "les arrerages des rentes"

genannt werden.

20 Baudry-Lacantinerie, Nr. 1173, S. 738; ähnlich Aubry I Rau I Esmeinl Ponsard, § 390, S. 160: "Le fonds ou corps de la rente".

21 Der Sinn dieser Bestimmung liegt wohl darin, die Rente wegen ihres aleatorischen Charakters von gesetzlichen Zinsbeschränkungen freizustellen; vgl. dazu näher Baudry-Lacantinerie, Nr. 1164, S. 753; ferner Rückert,

s. 23.

22 Planiol I Ripert I Besson, Nr. 1225, S. 574 m. w. Nachw. zu der Frage, ob es sich hier um eine unentgeltliche Zuwendung handelt. 23 So wird das Versprechen lebenslänglicher Versorgung durch Naturalleistungen bezeichnet. 24 Planiol I Ripert I Besson, Nr. 1247, S. 602.

12•

180 D. Rechtsvergleichende Betrachtung zw. Zivilrecht und Steuerrecht

Werte als Gegenleistung) handeln25 • Das erstere ergibt sich sogar unmittelbar aus dem Gesetz (Art. 1909, 1910 C. c.). b) Das "Stammrecht" als Abstraktion des Rentenkapitals Die Argumentation des Reichsgerichts beruht auf zwei Prämissen. Zum einen soll die Leibrente historisch aus dem Leibrentenkauf hervorgegangen sein; erst später habe sich die Begründung durch Schenkung oder Vermächtnis sowie der Erwerb gegen eine andere Gegenleistung als eines baren Kaufpreises herausgebildet. Zum anderen müßte die rechtsgeschichtliche Entwicklung in die gesetzliche Regelung der Leibrente eingeflossen sein, um den Anwendungsbereich dieser Bestimmungen festlegen zu können. Beginnt man mit der zuletzt genannten Voraussetzung, so weisen sämtliche Auslegungskriterien in eine andere Richtung. Aus systematischem Blickwinkel ist festzuhalten, daß die Leibrente mitnichten als Unterfall des Kaufs, sondern in der Nachbarschaft der Vorschriften über Spiel und Wette anzutreffen ist. Auch eine teleologische Betrachtung wird in den §§ 759-761 BGB keine Verbindung zu kaufrechtlichen Bestimmungen entdecken. Vor allem gilt dies für die herausragende Bestimmung des § 761 BGB, deren Formerfordernis dem Grundsatz der Formfreiheit von Kaufverträgen entgegensteht. Fragt man schließlich nach dem Willen des historischen Gesetzgebers, so lassen sich die Motive28 dafür anführen, daß man der Entscheidung nicht vorgreifen wollte, ob bei einer Leibrente ein einheitliches Forderungsrecht oder eine Mehrheit von bedingten Forderungsrechten anzunehmen sei. An anderer Stelle27 findet sich die Bemerkung, daß diese Frage in ihrer Allgemeinheit der Wissenschaft überlassen bleiben solle. Sogar die Beschränkung auf den Leibrentenvertrag, die die Vermächtnisrenten und gesetzliche Leibrenten in den Hintergrund rücke, wird allein mit pragmatischen Erwägungen gerechtfertigt28• Unter keinem denkbaren Gesichtspunkt läßt sich also etwas dafür herleiten, daß die gesetzliche Regelung der Leibrente im Bürgerlichen Gesetzbuch am Bild des Leibrentenkaufs orientiert sei. Auch gegen die erste Prämisse der reichsgerichtliehen Ausführungen, nach der die Leibrente in allen ihren Erscheinungsformen "aus der ursprünglich einzigen Gestalt", dem Rentenkauf, entstanden sei, läßt sich einiges vorbringen. 25

Planiol I Ripert I Besson, Nr. 1223, S. 573; Baudry-Lacantinerie, Nr. 1161,

s. 732, 733. 2e 27 28

Motive li, 640. Prot. III, 417. Prot. II, 486.

II. Die Funktion des "Stammrecllts" im Zivilrecht

181

Die Ausführungen von Rückert29 belegen die Unsicherheit, die in der Mitte des 19. Jahrhunderts über die historischen Wurzeln des Leibrentenvertrages bestand. Rückert, dem nach eigenem Bekunden nur wenige wissenschaftliche Bearbeitungen des Leibrentenvertrages zugänglich waren30, äußert sich nur vorsichtig über die geschichtliche Entwicklung des Leibrentenvertrages. Verträge über lebenslängliche Versorgung seien "schon früher" vorgekommen und hätten entweder mit einer gewöhnlichen Schenkung oder mit einer vorweggenommenen Erbfolge in Verbindung gestanden. Den häufig anzutreffenden Vorbehalt der Nutznießung will er als "bloße Limitation der Schenkung" allerdings ausklammern. Zwischen den herkömmlichen Versorgungsverträgen und dem Leibrentenvertrag besteht nach Rückert "ohne Zweifel eine Verwandtschaft" 31 • Er vermutet allerdings, daß sich aus ihnen der "eigentliche Verpfründungsvertrag" herausgebildet habe. Dieser sei dem Leibrentenvertrag zwar ähnlich, weise aber doch "wesentliche Unterschiede zum Leibrentencontract" auf. Diese Unterschiede sieht er darin, daß beim Verpfründungsvertrag ein anderer für den Pfründer die "Bewirtschaftung des Capitals" übernehme. Bei der Leibrente komme dagegen das "Capital als etwas für sich allein Productives in Betracht". Der Vertragschluß ziele darauf ab, "die Art seiner Productivität zu ändern". Aus diesen wenig bestimmten Differenzierungen schließt er für die Leibrente auf einen "anderen ökonomischen Gehalt". Deshalb pflege sie und der Verpfründungsvertrag in jeweils anderen Schichten der Gesellschaft vorzukommen. Die Verpfründung gewähre dem Arbeitsunfähigen einen "Ersatz seiner Arbeit". Die Leibrente diene dagegen dem "Luxus, (dem) der gewöhnliche Ertrag des Capitals nicht genügt". Der solchermaßen soziologisch umschriebene "Leibrentencontract" hat nach Rückert "wohl die Stelle eingenommen, an welcher vorher andere, einfachere Geldgeschäfte vorkamen". Seine Vorläufer seien insbesondere der Rentenkauf und das Darlehen. Dessen "erste sichere Spuren" sieht Rückert in den Geldgeschäften der montes pietatis, die schon als Leibrentenanstalt tätig geworden seien32• Die Ausführungen von Rückert enthalten zwar keine Hinweise auf die Vorstellung eines "Leibrentenstammrechts". Sie bestätigen aber immerhin den historischen Ausgangspunkt des Reichsgerichts. Gerade deswegen wird man diesen aber eher skeptisch beurteilen müssen. Die Differenzierungen Rückerts zwischen den einzelnen Geschäftsformen, die allenfalls soziologisch von Interesse sind, können nämlich nicht plausibel machen, daß voneinander unabhängige Entwicklungslinien 18 80 31

31

S. 2 ff.; vgl. auch Stobbe, S. 25 ff. Riickert, S. 2. Riickert, S. 4. Riickert, S. 5; kritisch Kiesel, S. 1 und Stuht, S. 11.

182 D. Rechtsvergleichende Betrachtung zw. Zivilrecht und Steuerrecht vorliegen sollen. Zu wesentlich erscheint der gemeinsame Zweck lebenslänglicher Versorgung, als daß der Nutzungsvorbehalt, die Verpfründung und die Leibrente auf verschiedene Wurzeln zurückgeführt werden könnten. Diese Annahme steht auch im Gegensatz zu den Ergebnissen neuerer Forschungen. Insbesondere ist hier auf eine breit angelegte Untersuchung von Ogris33 zu verweisen. Nach den Ausführungen von Ogris läßt sich der modernrechtliche Leibrentenvertrag auf zwei Wurzeln zurückführen. Einmal habe die Leibrente ihre Grundlage in den Schenkungen mit Vorbehalt lebenslänglicher Nutznießung (donatio reservato usufructu ad dies vitae) der fränkischen Zeit und des frühen Mittelalters. Zum anderen habe sie sich aus der Schenkung mit Vorbehalt lebenslänglicher Unterhaltsreichung (Verpfründungsvertrag) entwickelt34 •

Ogris geht von den religiösen und wirtschaftlichen Beweggründen aus, die sowohl die Schenkung mit Vorbehalt lebenslänglicher Nutznießung als auch die Verpfründung im frühen Mittelalter bestimmt haben35• Aus der Sicht des Schenkers war u. a. von Bedeutung, daß seine Versorgung für den Rest seines Lebens gesichert war. In einem Fall wurde dies durch die lebenslängliche Nutzung des geschenkten Gutes erreicht, das ihm gleichzeitig eine enge rechtliche und wirtschaftliche Beziehung zum Schenkungsobjekt erhielt. Bei der Verpfründung wurde die Versorgung durch die Eingliederung in die klösterliche Gemeinschaft erreicht. In beiden Fällen ergaben sich Nachteile für den Schenker. Der Nutzungsvorbehalt erforderte die Bewirtschaftung des Gutes, die mit nachlassender Arbeitskraft mühsam oder gar unmöglich werden konnte. Die Verpfründung sicherte zwar den Lebensunterhalt, brachte aber mannigfache Abhängigkeiten mit sich. Für den Vorbehalt ergab sich eine Lösung der geschilderten Problematik, als mit der Ausbildung des durchsetzbaren schuldrechtlichen Anspruchs die Bedeutung der unmittelbaren Sachherrschaft zurückgedrängt werden konnte38• Bei der Schenkung mit Leibrentenvorbehalt erhielt der Schenker schließlich eine festgelegte lebenslängliche Rente. Eine ähnliche EntwiCklung war auch bei der Verpfründung durch die zunehmende Verweltlichung dieses Instituts möglich. An die Stelle der Versorgung im Kloster trat die Lieferung bestimmter Versorgungsgüter. Die Selbstübergabe mit Leib und allem Gut wurde schließlich durch die Übertragung bestimmter Vermögensobjekte ersetzt37• 33

Der mittelalterliche Leibrentenvertrag, Wien 1961.

Ogris, S. 25, 26. ss Ogris, S. 27 ff., 66 ff. 38 Ogris, S. 43 ff. 37 Ogris, S . 93 ff. 34

II. Die Funktion des "Stammrechts" im Zivilrecht

183

Am Ende beider Entwicklungslinien sieht Ogris den Leibrentenkauf, bei dem im Sinne eines versicherungswirtschaftlichen Geschäfts ein Kapital gegen lebenslängliche Leistungen hingegeben wurde38• Erst an diesem Punkt erscheint also das vom Reichsgericht herausgestellte "Rentenkapital" des Leibrentenkaufs. Andere Gegenleistungen als Bargeld bestimmen somit nicht "bloße Abarten" der "ursprünglich einzigen Gestalt, der durch Leibrentenkauf erkauften Rente". Im Gegenteil handelt es sich dabei um ältere Formen der Leibrente, die erst zum Leihrentenkauf geführt haben. c) Das "Stammrecht" als Relikt eines dinglichen Nutzungsrechts

Während Ogris die These von der zentralen Stellung des Leibrentenkaufs nicht bestätigt, läßt sich seine Untersuchung durchaus dafür heranziehen, daß sich die Leibrente aus einem dinglichen Nutzungsrecht entwickelt hat39• Bei dem Vorbehalt lebenslänglicher Nutznießung handelte es sich um eine dingliche Belastung des geschenkten Gutes, die dem Berechtigten sogar die unmittelbare Sachherrschaft gewährte40 • Ogris beschreibt im einzelnen den Weg, der von der dinglichen Vitalleihe zur schuldrechtlichen Leibrente geführt hat. Er gewährt damit Einblick in einen Abschnitt rechtskultureller Entwicklung, in dem natural wirtschaftliches Denken nach und nach überwunden wurde. Mit vordringender Geldwirtschaft41 und einer Verfestigung der Rechtsordnung traten die Nachteile eines bloß schuldrechtlichen Anspruchs in den Hintergrund. Entsprechendes galt für die Vorzüge unmittelbarer Sachherrschaft am Vorbehaltsgut, die immerhin mit der Last eigenverantwortlicher Bewirtschaftung verbunden war. Ogris spricht bei der Behandlung bestimmter Übergangsfol'Il)en, dit~ trotz ihrer geld- und kreditwirtschaftlichen Funktion den Nutzungsvorbehalt an einem Gut vorsahen, von einem "Relikt, das gleichsam versteinert in eine Zeit neuer Wirtschaftserfordernisse hineinragte" 42 • Mit dem ausgehenden 13. Jahrhundert sei die überlieferte Rechtsform allgemein in Wegfall gekommen. Die Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert markiere zugleich den endgültigen Übergang zum zweiseitig verbindlichen Schuldvertrag, der statt vom Jenseitsgedanken von dem Gedanken der Gegenleistung beherrscht werde. Ogris, S. 61, 95. Zur Grundstücksbelastung gegen das sog. Ewiggeld ("Rentenkauf") vgl. Sepp, S. 5. Nach der Auffassung von Sepp hat der Rentenkauf zunächst die "Dinglichkeit" des Leibrentenvertrages bestimmt, die dem "Wesen des Leibrentenvertrages" jedoch nicht eigentümlich ist. ·· 40 Ogris, S. 43. 41 In diesem Sinne bezeichnet Sepp, S. 4 den Leibrentenvertrag als "Kind der Geldwirtschaft". 42 Ogris, S. 64. 38 38

184 D. Rechtsvergleichende Betrachtung zw. Zivilrecht und Steuerrecht

Wenn Ogris schon aus dem Blickwinkel des ausgehenden 13. Jahrhunderts von dem dinglichen Nutzungsrecht als einem "versteinerten Relikt" spricht, sollte man heute einer darauf aufbauenden dogmatischen Argumentation keine große Überzeugungskraft zubilligen. So lautet jedenfalls die Stellungnahme von Maas, der die historischen Zusammenhänge ähnlich wie Ogris sieht43 • In der Tat trägt derjenige eine schwere Argumentationslast, der den dogmatischen Wert von Denkformen verteidigt, über die bereits mehrere Jahrhunderte rechtskultureller und rechtsdogmatischer Entwicklung hinweggegangen sind. Er wird sich auch nicht auf den Wert des rechtsgeschichtlichen Standpunkts berufen können. Es zeugt nämlich von eher unhistorischem Denken, ohne Rücksicht auf das veränderte Umfeld punktuell auf den Ursprung dogmatischer Entwicklungen zurückgreifen zu wollen. 2. Elnsdlränkung des Formerfordernisses gemäß § 761 BGB

Die Entscheidung des Reichsgerichts vom 12. 12. 19074 4, die die Starnmrechtstheorie begründet hat, weist neben der rechtsgeschichtlichen Entwicklung vor allem auf das Formproblem hin. Insbesondere weil eine Heilung gesetzlich nicht vorgesehen sei, werde es notwendig, "den Leibrentenbegriff, wenn angängig durch Aufstellung weiterer Erfordernisse einzuengen". Darüber hinaus hat die zivilrechtliche Untersuchung ergeben, daß sich die folgende Rechtsprechung, wie insbesondere an der dort entwickelten Isolierungstheorie deutlich wird, vorrangig an dem Formproblem orientiert hat. Deren Eignung, das Formerfordernis zurückzudrängen, wird dadurch belegt, daß lebenslänglichen Bezügen wegen fehlender "Abstraktion" praktisch immer die Qualität als Leibrente abgesprochen werden kann45• Auch eine funktionale Betrachtung kann sich an dieser Stelle nicht darauf beschränken, der Stammrechtstheorie zu bescheinigen, daß sie jedenfalls mit ihren späteren Ergänzungen das Formproblem löse. Von einer Problemlösung kann nämlich keine Rede sein, weil das Formerfordernis einfach bis zur Bedeutungslosigkeit zurückgedrängt wird. Dabei ist offensichtlich, daß die eingesetzten Begriffsmerkmale nicht in eine sinnvolle Beziehung zu dem Sachproblem zu bringen sind. Es hat sich etwa schon gezeigt, daß eine Erhöhung der Gefahr für den Versprechenden zur Formfreiheit führen kann46• Die festzustellenden Ver43 Maas, S. 43 ff. bezieht insbesondere weltliche Geschäfte ein, und nach seiner Einschätzung ist der Übergang vom dinglichen Recht zur persönlichen Verpflichtung wohl erst im 15. oder 16. Jahrhundert vollzogen gewesen; ähnlich wie Maas schon Mendelsohn, S. 53. •• (o. D. I. Fußn. 3), RGZ 67, 204, 208. u Vgl. Reinhart, S. 261, 282.

li. Die Funktion des "Stammrechts" im Zivilrecht

185

zerrungen werden sogar noch verschärft, wenn man den Gedanken der Isolierung mit heranzieht. Er ist schon deswegen nicht mit der Regelungssystematik des BGB in Einklang zu bringen, weil § 761 BGB wegen § 780 BGB seinen Sinn verlöre, wenn tatsächlich die Abstraktion das auslösende Gefahrenmoment wäre47• Trotz dieser kritischen Anmerkung ist noch einmal hervorzuheben, welcher Stellenwert der Formvorschrift des § 761 BGB für die Dogmatik des Leibrentenvertrages zukommt. Die Ausgangslage, die sich ohne das Formproblem darbieten würde, läßt sich anhand einer Bemerkung von Eccius48 und durch einen Blick auf das französische Recht aufzeigen. Eccius hat schon kurz nach dem Inkrafttreten des BGB darauf hingewiesen, daß allein§ 761 BGB dazu nötige, den Begriff der Leibrentenpflicht näher abzugrenzen. Ohne diese Vorschrift hätte man im Zweifel sogar eine analoge Anwendung der Bestimmungen über die Leibrente ins Auge fassen müssen49 • In die gleiche Richtung deutet der Umstand, daß im französischen Recht keine Merkmale herausgebildet worden sind, die die Leibrente von sonstigen lebenslänglichen Bezügen unterscheiden sollen. Ein solches Vorgehen wäre auch offensichtlich sinnlos, weil der Code civil eine ausgefeilte Regelung bereithält, deren Gehalt vor allem auf die Lebenslänglichkeit der Bezüge zugeschnitten ist. Selbst wo die Grenzen der rente viagere deutlich überschritten sind, wird z. B. im Fall des "bail a nourriture" mit guten Gründen die analoge Anwendung einiger Bestimmungen der Art. 1968 ff. C. c. erwogen50• Es ist nicht die Aufgabe dieser Arbeit, für die zivilrechtliehen Probleme der Leibrente eine detaillierte Lösung zu entwickeln. Deshalb kann hier nur angedeutet werden, welche methodisch vertretbaren Wege ins Auge gefaßt werden können. Zu erinnern ist an die Versuche, das Formproblem durch eine Analogie51 zu den Bestimmungen über die Heilung formnichtiger Geschäfte zu entschärfen52• Vor allem liegt es 46 Vgl. B. III. 2. b): Versprechen lebenslänglicher Leistungen, die vom Bedürfnis des Berechtigten abhängig sind. 41 Larenz, Schuldrecht li, § 65 III, S. 491. 48 Gruchot 45, 11, 12. 48 Die analoge Anwendung des Leibrentenrechts auf "nicht eigentliche Leibrenten" war tatsächlich u. a. schon von Andre (Planck I Andre, Bürgerliches Gesetzbuch, § 759 Anm. 1 a) gefordert worden, bevor man sich der Bedeutung des Formproblems bewußt geworden war. 50 Planiol I Ripert I Besson, Nr. 1247, S. 602; differenzierend Aubry I Rau I Esmein I Ponsard, § 387, S. 130; a. A. Beudant I Bequignion-Lagarde, S. 468. 51 Hiervon scharf zu trennen ist die Frage, ob eine Heilung z. B. nach § 313 S. 2 BGB auch ein mündliches Leibrentenversprechen erfaßt, das im Rahmen eines Grundstückskaufvertrages abgegeben worden war; hierzu bejahend BGH, Urt. v. 17. 3. 1978- V ZR 217175 -, NJW 1978, 1577 und verneinend Pecher, in: Münchener Kommentar,§ 761 BGB Rdnr.10 m. w. Nachw. u Nach Enneccerus I Lehmann, Schuldrecht, § 187 li 3, S. 773 ist § 518 Abs. 2

186 D. Rechtsvergleichende Betrachtung zw. Zivilrecht und Steuerrecht

aber nahe, das Formerfordernis durch eine teleologische Reduktion des § 761 BGB einzuschränken. Freilich fällt die Ermittlung des Regelungsziels ungewöhnlich schwer. Die in den Materialien erwähnte "Wichtigkeit des Leibrentenvertrages und die lange Dauer seiner Wirksamkeit" 53 bringen keine Klarheit. Das Argument der langen Wirkungsdauer erscheint wenig überzeugungskräftig, weil sonstige Renten über beliebig lange Zeiträume formfrei versprochen werden können. Die "Wichtigkeit" ist wiederum ein zu schillernder Begriff, um daraus ein konkretes Regelungsziel ableiten zu können. Der systematische Zusammenhang legt es nahe, das Gefahrenmoment, dem § 761 BGB begegnen soll, vor allem in der quantitativen Unbestimmtheit lebenslänglicher Bezüge zp sehen54 • Gering erscheinende Monatsbeträge können sich bei durchschnittlicher und erst recht bei überdurchschnittlicher Lebensdauer des Berechtigten zu unerwartet hohen Summen addieren. Vor allem bei einem voreiligen mündlichen Versprechen mag dem Verpflichteten vielfach nicht klar sein, welchen Gesamtbetrag er zuwendet. Hiervon ausgehend kann eine teleologische Reduktion der Formvorschrift daran anknüpfen, ob dem Versprechenden aus anderen Gründen vor Augen steht, daß eine Verbindung zwischen dem Gesamtbetrag und dem Monatsbetrag herzustellen ist. Dies wird etwa der Fall sein, wenn zunächst ein Kaufpreis ausgehandelt wird, der dann auf monatliche Leistungen umgerechnet werden muß55• Legt man diese Differenzierung einer BGB entsprechend anzuwenden, so daß der Verpflichtete geleistete Zahlungen nicht zurückfordern kann; Oertmann, Kommentar zum BGB, § 761 BGB Anm. 4 verlangt die Leistung beider Teile, um die Formunwirksamkeit ganz oder teilweise zu überwinden; Siber, Schuldrecht, § 69, 3, S. 582 zieht eine Analogie zu § 313 S. 2 BGB heran und hält es für ausreichend, wenn der Versprechende die Gegenleistung erhalten hat; gegen eine Möglichkeit der Heilung v . Gamm, RGRK-BGB, §761 Anm. 4; ferner Staudinger I Amann, § 761 BGB Rdnr. 5 m. w. Nachw.; ausführlich zur Heilung des formunwirksamen Leibrentenvertrages Hawlitzky, S. 50 ff.; Reinhart, S. 261, 280. 53 Komm.-Ber., S. 92. 54 Dies haben wohl auch die Vertreter der herrschenden Meinung im Auge, die in § 761 BGB einen Schutz vor Übereilung verwirklicht sehen; vgl. Staudinger I Amann, § 761 BGB Anm. 2; Soergell Mormann, § 761 BGB Rdnr. 1; Reinhart, S. 261, 280; ferner ganz deutlich Pecher, in: Münchener Komm., § 759 BGB Rdnr. 2 und § 761 Rdnr. 1; vgl. auch schon RG, Urt. v . 18. 4. 1907 - IV 458106 - , JW 1907, 332. 55 So Hadding, StudKomm BGB, Anm. 5 vor § 759 BGB; Pecher, in: Münchener Komm., § 759 BGB Rdnr. 5 u. 6, der einen ähnlichen Ausgangspunkt wie Hadding einnimmt, verfolgt schließlich bei der teleologischen Reduktion doch eine andere Linie. Es soll darauf ankommen, daß das Leibrentenrecht "unabhängig von Gegenleistungen und darüber hinaus weitgehend zweckfrei ist". In den kritischen Fällen will Pecher danach abgrenzen, ob die Vereinbarung "in das zugrundeliegende Rechtsverhältnis das der Leibrente eigentümliche Risikomoment der unbestimmten Dauer erst hineinträgt". Pecher kann allerdings nicht überzeugend darlegen, in welchen Fällen dies nicht zutreffen soll, wenn tatsächlich Bezüge auf Lebenszeit versprochen werden. In der Mehrzahl der von ihm genannten Beispielsfälle angeblicher Formfreiheit ließen sich hierzu nämlich Zweifel anmelden.

II. Die Funktion des "Stammrechts" im Zivilrecht

187

teleologischen Reduktion des § 761 BGB zugrunde, wird man in einem weiten Bereich zu sachgerechten Ergebnissen kommen. Als wenig befriedigend mag man beurteilen, daß danach z. B. ein Pensionsversprechen im Rahmen eines Dienstvertrages weiterhin fennbedürftig wäre. Für diesen und ähnliche Fälle macht sich die Tendenz bemerkbar, eine Leibrente mit der Begründung zu verneinen, das "Schwergewicht der Leistungen liege nicht bei den Rentenzahlungen, sondern bei den geschuldeten Diensten, dem Schadensersatz oder der gesellschaftsrechtlichen Auseinandersetzung" 58 • Freilich bleibt dabei unklar, wie diese Abgrenzung mit dem Schutzbedürfnis des Versprechenden korrespondieren soll. Ob seine Leistung den Schwerpunkt der Vertragsbeziehungen ausmacht, müßte aus dem Blickwinkel des Übereilungsschutzes eher nebensächlich erscheinen. Allerdings wäre es auch verwunderlich, wenn eine im Ansatz so wenig reflektierte Formvorschrift wie § 761 BGB allein durch das übliche methodische Instrumentarium auf einen widerspruchsfreien und allgemein anerkannten Regelungsgehalt beschränkt werden könnte. Hieraus wird man ableiten können, daß das durch § 761 BGB geschaffene Formproblem einen denkbar schlechten Boden bietet, um darauf eine zivilrechtliche Dogmatik wiederkehrender Bezüge zu gründen. 3. Das "Stammrecllt" als Bild für ein Recbtsverhältnis, das fortlaufend neue Ansprüche hervorbringt

Um eine wichtige Funktion zu erfassen, die das "Stammrecht" seit der grundlegenden Entscheidung des Reichsgerichts vom 12. 12. 190757 eingenommen hat, muß man sich die dogmatische Ausgangslage, vor der das Reichsgericht stand, in zweierlei Hinsicht vergegenwärtigen. Einmal ist zu berücksichtigen, daß noch um die Jahrhundertwende wenig Klarheit über den Begriff und den Stellenwert des Schuldverhältnisses herrschte. Zum anderen sollte im Auge behalten werden, daß erst 1914 durch eine Veröffentlichung 0. v. Gierkes58 das "dauernde Schuldverhältnis" als spezifische Fonn des Rechtsverhältnisses ins allgemeine Bewußtsein gehoben wurde.

a) Das "Stammrecht" als Vergegenständlichung eines Rechtsverhältnisses Schon aus dem Sprachgebrauch des Bürgerlichen Gesetzbuches läßt sich ablesen, daß um die Jahrhundertwende mit dem Begriff des Schuldverhältnisses keine einheitliche Vorstellung verbunden war. Offen56 57 58

Beitzke, Nichtigkeit, S. 53; Maas, S. 32; kritisch Ditteney, S. 137.

(o. D. I. Fußn. 3), RGZ 67, 204 ff. IheringsJb 64, 355 ff.

188 D. Rechtsvergleichende Betrachtung zw. Zivilrecht und Steuerrecht

sichtlich ist z. B. in § 241 S. 1 BGB ein anderes Schuldverhältnis gemeint als etwa in den §§ 273 Abs. 1, 292 Abs. 1 und 425 Abs. 1 BGB58• Dies hat zu dem bekannten Sprachgebrauch geführt, der im Anschluß an Siber60 zwischen dem Schuldverhältnis im engeren und im weiteren Sinne differenziert. Ernst WoW1 hat im einzelnen belegt, daß die damit angesprochene Unterscheidung im 19. Jahrhundert in der Pandektenwissenschaft entwickelt worden ist und um die Jahrhundertwende noch nicht abschließend geklärt war. Von der römisch-rechtlichen Obligation ausgehend, wurde bald der einzelne Anspruch, aber dann auch wieder das gesamte Rechtsverhältnis ins Auge gefaßt. Deswegen bewegte sich der Gesetzgeber auf unsicherem Boden, als er, um das Fremdwort zu vermeiden, statt von der "Obligation", vom "Schuldverhältnis" sprach82, das als Begriff auch erst im 19. Jahrhundert entwickelt worden war63 • Erst durch die weiteren Arbeiten von Siber6 ' wurde es zum juristischen Allgemeingut, daß das Schuldverhältnis und die einzelnen Ansprüche auseinander zu halten sind. Allerdings haben sich bis in die Gegenwart begriffliche und gedankliche Unschärfen erhalten, die nicht zuletzt auf die Herleitung des Schuldverhältnisses aus verschiedenen rechtlichen Wurzeln zurückzuführen sind85• Wenn man davon ausgeht, daß das dogmatische Instrumentarium nicht zur Verfügung steht, das erst die bewußte Unterscheidung zwischen Schuldverhältnis und Einzelanspruch hergibt, so ist in der Tat mit der Leibrente ein besonders schwer zu durchschauender Vertragstyp angesprochen. Zum Beispiel kennt zwar auch das Mietverhältnis ständig neu entstehende Mietzinsforderungen. Diesen steht aber jeweils die Gebrauchsüberlassung gegenüber66 • Bei der Leibrente fehlt es dagegen an einem solchen "realen Entstehungstatbestand". Dies gilt selbst für die entgeltliche Leibrente, bei der die Gegenleistung im voraus erbracht wird und dann nicht mehr ohne weiteres als Grundlage der einzelnen Rentenansprüche zu verstehen ist. Hier bedarf es einer gedanklichen Brücke, die die Verbindung zwischen der Gegenleistung Neusset, S. 21, 23. Der Rechtszwang im Schuldverhältnis, S. 92. 81 Festgabe Herrfahrdt, S. 197, 198. 82 Motive Il, 1. 83 Ernst Watt, Festgabe Herfahrdt, S. 197. 84 Wegen ihrer praktischen Bedeutung ist insbesondere die Kommentierung der §§ 241 ff. im Kommentar von Planck hervorzuheben, die Siber ab der 4. Aufgabe übernommen hat; vgl. aber auch schon v. Tuhr, § 5 II und III, S.125 ff. 65 Ernst Watt, Festgabe Herfahrdt, S. 197, 198. 68 Vgl. etwa v. Tuhr, § 5 Il 2, S. 126: ... "Mietzinsforderungen, welche pro rata temporis durch den gewährten Gebrauch entstehen ..."; ähnlich auch Heltwig, S. 40. se 80

Il. Die Funktion des "Stammrechts" im Zivilrecht

189

und den Rentenbezügen schafft und zugleich einen Boden für deren fortlaufende Entstehung abgibt. In der Tat scheint das reichsgerichtliche "Rentenstammrecht" auf beide Zwecke zugeschnitten zu sein. Seine Funktion als Abstraktion des Rentenkapitals wurde schon im rechtsgeschichtlichen Zusammenhang vorgestellt (D. II. 1. b)). Ebenso ist seine Eigenschaft, "den jedesmaligen Anspruch ... auf die Einzelgefälle durch sein Bestehen allein hervor (zu bringen)" ausdrücklich in der Entscheidung vom 12. 12. 1907 erwähnt87• Die auch schon von Maas88 vertretene These, das "Stammrecht" sei mit dem Schuldverhältnis gleichzusetzen", läßt sich dadurch unterstützen, daß man die Stammrechtstheorie mit den Aussagen zum Schuldverhältnis vergleicht. Wenn das Schuldverhältnis als "Quelle"70 oder als "Organismus"71 bezeichnet wird, kehrt sogar der naturalistische Sprachgebrauch wieder. Auch die Bezeichnung der einzelnen Ansprüche als "Erzeugnis" oder "Ausfluß" des Schuldverhältnisses72 ist nicht weit von der Vorstellung des "früchtetragenden Stammrechts" entfernt. Der Vorwurf von Zepos73 , die "Organismus"-Theorie leide an empirischen Elementen, weil sie Bildungen aus dem organischen Leben mitbringe7\ ließe sich mit gleichem Wortlaut der Stammrechtstheorie entgegenhalten. Andererseits läßt sich auch zwischen der von Zepos vertretenen "gestalttheoretischen" Auffassung des Schuldverhältnisses und der Vorstellung eines "Stammrechts" als Zusammenfassung der Einzelansprüche leicht eine Verbindung herstellen. Die Erkenntnis, daß das "Stammrecht" die Funktion des Schuldverhältnisses übernommen hat, läßt sich auch von einer anderen Seite her bestätigen. Es wurden schon die Versuche erwähnt (D. I. 3. a)), bei der Mitgliedschaft in einer handelsrechtliehen Personengesellschaft ein "Stammrecht" auszumachen75• Auch wenn hiervon in anderen Beiträgen nicht ausdrücklich die Rede ist, lassen sich aber deutliche Parallelen zur 87 88

RG

(o.

s. 89.

D. I. Fußn. 3}, RGZ 67, 204, 210, 211.

89 Nach der vorliegenden Untersuchung ist hiermit allerdings nur ein Aspekt der Stammrechtsvorstellung erfaßt. 7° Kreß, § 4, 3, S. 25, 27; Neussel, S. 33; ähnlich auch schon Hellwi g, Anspruch und Klagerecht, S. 4. 71 Heldrich, IheringsJb 78, 259, 268 Fußn. 2; Siber, Schuldrecht, § 1 1, S. 1. Nach Neussel, S. 25 ist das Schuldverhältnis im Sinne Sibers als etwas "Lebendiges" zu verstehen, das nach entsprechender Befruchtung Früchte produziere; s. auch schon Savigny, § 4, S. 7, der von der "organischen Natur" des Rechtsverhältnisses spricht.

11

Neussel, S. 33.

AcP 155, 487, 488. 7' Vgl. auch Beuthien, S. 268 Fußn. 11, der sich gegen das Bild des sprudelnden Borns oder der fruchttreibenden Pflanze wendet. 75 U. Huber, S. 163. 1a

190 D. Rechtsvergleichende Betrachtung zw. Zivilrecht und Steuerrecht

Stammrechtstheorie erkennen. Flume16 spricht etwa von der "einheitlichen Rechtsposition" oder der "Einheit der Rechtsposition". Dieser Einheitsgedanke steht auch am Anfang der Stammrechtstheorie77 und hat dieser sogar einen weiteren Namen gegeben78• Flume spricht offen aus, worauf diese Argumentation abzielt: Es wird die "Vergegenständlichung" der Beteiligung an der Personengesellschaft angestrebeu. Aus der Stellung in einem Rechtsverhältnis80 wird ein subjektives Recht, das Gegenstand von Verfügungen81 sein kann. Die Abtretung, die Verpfändung und der Nießbrauch können sich also nicht nur auf einzelne Ansprüche des Gesellschafters beziehen, sondern auf seine Rechtsstellung insgesamt. Mit dem Stichwort "Nießbrauch" läßt sich der Argumentationskreis schließen. Der Theorie vom Leibrentenstammrecht hat seit jeher82 § 1073 BGB88 als Beleg dafür gedient, daß der Leibrente ein "Stammrecht" eigen sei, an dem der Nießbrauch bestellt werde. Aus dem Blickwinkel der gesellschaftsrechtlichen Diskussion läßt sich das dahin umformulieren, daߧ 1073 BGB für die Zwecke des Nießbrauchs die "Vergegenständlichung" der Leibrente bestimme. Auch das Gesetz scheint also die genannte Funktion des "Stammrechts" zu bestätigen. Für eine funktionale Betrachtung ist dabei weniger bedeutsam, daß der Gesetzgeber mit § 1073 BGB zur rechtlichen Qualität der Leibrente nicht Stellung nehmen wollte8t. Allerdings kann man aber auch § 1073 BGB nur als Abweichung von § 1067 BGB verstehen. § 1073 BGB bringt dann von Gesetzes wegen zum Ausdruck, daß die Vertragsparteien bei der Nießbrauchbestellung an einer LeibFestschr. Larenz, S. 769, 775. RG (o. D. I. Fußn. 3), RGZ 67, 204, 210: "in sich geschlossenes einheitliches Recht"; ferner Drahota, S. 23 ff. 7il Vgl. nur Reinhart, S. 261, 268: "Einheitstheorie". 1e Flume, Festschr. Larenz, S. 782. 80 Hadding, Festschr. Rudolf Reinhardt, S. 249, 262. 81 Hier ist auch auf den schon erwähnten Verzicht auf das "Unterhaltsstammrecht" zu verweisen. 81 RG (o. D. I. Fußn. 3), RGZ 67, 204, 212, wo allerdings § 1073 BGB ausdrücklich nur unterstützend herangezogen wird; ferner Sepp, S. 65; Drahota, S. 26; Kiesel, S. 27; Reifenberg, S. 14. 81 Ohne diese Vorschrift wäre der Nießbrauch an den einzelnen Forderungen zu bestellen. Der Nießbraucher dürfte nach § 1074 BGB die Forderung einziehen. Da es sich bei Geld um eine verbrauchbare Sache handelt, würde er gemäß § 1075 Abs. 1 BGB Eigentum an dem geleisteten Gegenstand erhalten, müßte aber nach Beendigung des Nießbrauchs gemäß § 1067 Abs. 1 BGB Wertersatz leisten. Ihm würde also letztlich nur ein Zinsgewinn verbleiben. Dies stünde regelmäßig mit den Vorstellungen der Vertragsparteien nicht in Einklang, die mit dem Nießbrauch "an der Leibrente" dem Nießbraucher die einzelnen Rentenleistungen endgültig zuwenden wollen. st Motive III, 543; Prot. III, 417. 78

77

U. Die Funktion des "Stammrechts" im Zivilrecht

191

rente stillschweigend davon ausgehen, daß § 1067 BGB abbedungen ist85• Diese Lösung versagt allerdings gegenüber der parallelen Argumentation, auch § 832 ZPO setze voraus, daß das "Stammrecht" künftiger Leistungen von der Pfändung erfaßt werde86 • Abzulehnen ist jedenfalls die Auffassung, die Heldrich87 und Maas88 den Anhängern der Stammrechtstheorie entgegenhalten. Danach soll bei dem Nießbrauch an einer Leibrente "nur die eigenartige Beteiligung eines Dritten, des Nießbrauchers an einem bereits bestehenden Schuldverhältnis" anzunehmen sein. Vorzuziehen ist demgegenüber die Annahme, daß § 1073 BGB ausnahmsweise einem Schuldverhältnis die Qualität eines subjektiven Rechts zugesteht. Auch wenn man nach richtiger Ansicht81 dieser Ausnahmevorschrift die analoge Anwendung nicht versagt, ist dies mit dem Nachweis einer planwidrigen Regelungslücke und gleicher Interessenlage verbunden". Die pauschale Rechtfertigung einer Starnmrechtstheorie läßt sich schon deswegen aus § 1073 BGB nicht herleiten. Im übrigen darf auch nicht übersehen werden, daß in § 1073 BGB ja nicht nur von dem Nießbrauch an einer Leibrente die Rede ist, sondern gleichfalls von dem Nießbraucher "eines Auszugs oder eines ähnlichen Rechts". Auch spricht§ 832 ZPO von einer "Gehaltsforderung oder einer ähnlichen in fortlaufenden Bezügen bestehenden Forderung". Um eine Eigenart der Leibrente könnte es sich bei dem § 1073 BGB zugrunde liegenden "Stammrecht" also ohnehin nicht handeln. Auch hier mag ein Blick auf das französische Recht der Abrundung dienen. Art. 588 C. c. gibt dem Nießbraucher das Recht auf die einzelnen Rentenbeträge und hält ausdrücklich fest, daß dabei, anders als bei sonstigen verbrauchbaren Sachen (Art. 587 C. c.), keine Ersatzpflicht besteht. Zur Ausbildung einer Stammrechtstheorie im Sinne der deutschen Dogmatik hat auch diese Bestimmung nicht führen können. Bemerkenswert ist allerdings, daß als Gegenstand der Pfändung einer Leibrente (Art. 636 Code de Procerlure Civile) "le fonds meme de la rente" ins Auge gefaßt wird91 •

Vgl. dazu Hadding, Festschr. Rudolf Reinhardt, S. 249, 259. Dazu Drahota, S. 26; Stuht, S. 29; Reifenberg, S. 13. 87 IheringsJb 78, 259, 273. 88 s. 93. 89 Barthotomeyczik, S. 113; ferner Hadding, NJW 1979, 405 m. w. Nachw. 80 Dies ist auch Siebert, BB 1956, 34, 35 Fußn. 7 und Sudhoff, NJW 1971, 481, 483 entgegenzuhalten; ferner zutreffend Rohtff, NJW 1971, 1337, 1342. 91 Aubry I Rau I Esmein I Ponsard, § 388, S. 139; Planioll Ripert I Besson, Nr. 1226, S. 575. 85

86

192 D. Rechtsvergleichende Betrachtung zw. Zivilrecht und Steuerrecht

b) Das "Stammrecht" als Inbegriff der Merkmale eines Dauerschuldverhältnisses Auch bei der Begründung der reichsgerichtliehen Stammrechtstheorie im Jahre 1907 war schon die dauernde Leistung als Gegensatz zur vorübergehenden bekannt. Allerdings konnte damit noch nicht das moderne Dauerschuldverhältnis angesprochen sein, weil auch die zeitraubende, aber dennoch nur einmalige Leistung als dauernde Leistung verstanden wurde92 • Erst mit der Schrift 0. v. Gierkes zu den dauernden Schuldverhältnissen83 zeichneten sich deren besondere Merkmale ab, die in der weiteren Diskussion immer präziser herausgearbeitet wurden. Dabei lassen sich schon bei 0. v. Gierke, der die Leibrente mehrfach als Beispiel für ein dauerndes Schuldverhältnis erwähnt'\ Parallelen zur Stammrechtstheorie erkennen. Schon terminologisch kommt dies dadurch zum Ausdruck, daß 0. v. Gierke bei wiederkehrenden Leistungen eine Verpflichtung dauernder Art annimmt, die "stoßweise Einzelverpflichtungen" erzeuge. Diese gingen zwar durch Erfüllung unter, allein die "Stammverpflichtung" bleibe davon im Bestand und Wirkungskraft unberührt'5 • 0. v. Gierke spricht sogar noch deutlicher vom Forderungsrecht auf die Einzelleistung, die sich zur bestimmten Zeit "als reife Frucht vom Stammrecht" löse98 • Im Anschluß an 0. v. Gierke hat Gschnitzer91 den Begriff "unverbrauchbares Schuldverhältnis" eingeführt. Als bildhafter Vergleich dient ihm dabei die unverbrauchbare Sache, die Früchte trage, ohne dabei in ihrem Bestande vermindert zu werden. Ebenso werfe das Dauerschuldverhältnis Nutzungen ab und bleibe dabei in seinem "Stamme" unversehrt. Auch über die angeführten vordergründigen Ähnlichkeiten hinaus sind bei 0. v. Gierke und der durch ihn ausgelösten Entwicklung Verbindungen zur Stammrechtstheorie des Reichsgerichts und ihren literarischen Vorläufern anzutreffen. Drahota118 hatte schon 1906 zur Rechtfertigung der Stammrechtstheorie darauf hingewiesen, daß allein der Zeitablauf die Fälligkeit der einzelnen Bezüge herbeiführe. Auch bei Eccius" findet sich die Bemerkung, die "Einheitlichkeit" einer Rentenverbindlichkeit führe dazu, sie als so lange dauernd zu betrachten, bis ein Endigungsgrund eingetreten sei. Hier wird also aus dem engen Blickwinkel der Leibrente schon vorweggenommen, daß das Zeitelement einem DauerSteinberger, S. 3 ff.; H. Weber, S. 114m. w. Nachw. IheringsJb 64, 356 ff. •• 0. v. Gierke, IheringsJb 64, 360, 361, 387, 389, 391, 403. 95 0. v. Gierke, IheringsJb 64, S. 360. 91 0. v. Gierke, IheringsJb 64, S. 374. 97 IheringsJb 76, 317, 324.

12

ua

'8

s. 24.

" Gruchot, 45, 11, 20.

11. Die Funktion des "Stammrechts" im Zivilrecht

193

Schuldverhältnis ein besonderes Gepräge gibt. Die Abhängigkeit des Leistungsumfangs nur von der Zeit hat sich in der modernen Zivilrechtsdogmatik sogar als das wesentliche Charakteristikum des Dauerschuldverhältnisses herausgestellt100• Wenn man sich vergegenwärtigt, welche Merkmale des Dauerschuldverhältnisses mittlerweile hieraus hergeleitet worden sind, erkennt man aus einem anderen Blickwinkel immer wieder maßgebliche Aussagen der Stammrechtstheorie. Um das sog. unechte Dauerschuldverhältnis zu beschreiben, greift z. B. H. W eber101 auf die Leibrente zurück, weil bei dieser der Umfang der Leistungspflicht nur wegen des ungewissen Endpunktes unbestimmt sei. Allein der Zeitablauf dürfe nämlich bei einem (echten) Dauerschuldverhältnis den Umfang der Leistungspflicht festlegen. Hier erinnert man sich an die bekannte Argumentation des Reichsgerichts, das "Stammrecht" bringe den jedesmaligen Anspruch auf die Einzelgefälle durch sein Bestehen allein hervor. Von dem Rechtsgrund seiner Entstehung sei der Anspruch auf die Einzelleistungen nur noch mittelbar abhängig102• Hier wie dort schwingt die Vorstellung eines "Selbstläufers" mit, der durch äußere Umstände nicht beeinflußbar ist und bei dem z. B. keine unmittelbare Verknüpfung zwischen dem einzelnen Rentenanspruch und einer Gegenleistung hergestellt werden kann. Diese Parallele läßt sich sogar noch weiterführen. Das Reichsgericht schreibt in seiner grundlegenden Entscheidung dem "Stammrecht" ohne nähere Begründung die Qualität zu, die "erhöhte Zuverlässigkeit in der Entstehung und Verwirklichung der Einzelansprüche" sicherzustellen. Auch in der weiteren Diskussion um das Dauerschuldverhältnis ist der Gedanke von Bedeutung gewesen, Dauerschuldverhältnisse seien widerstandsfähiger, stabiler und weniger anfällig gegenüber Mängeln als vorübergehende Schuldverhältnisse103• Bemerkenswert ist ferner, wie bei 0. v. Gierke das dauernde Schuldverhältnis in die Nähe eines dinglichen Rechts gerückt wird104• Anders als vorübergehende Schuldverhältnisse sei es geeignet, aus sich heraus eine gegenständliche Herrschaft zu gewährleisten. Deshalb könnten dauernde Schuldverhältnisse "Brücken vom Schuldrecht zum Sachenrecht" schlagen. 0. v. Gierke gibt selbst zu erkennen, daß dabei Rechtsvorstellungen "germanischen Ursprungs" mitschwingen, mit denen er die romanistische Tradition überwinden will105• Ähnlich argumentiert 100 101

H. Weber, S. 118.

s. 117, 118.

RG (o. D. I. Fußn. 3), RGZ 67, 204, 211. los Ditteney, S. 93, 95, 105; H. Weber, S. 119. 104 0. v. Gierke, IheringsJb 64, 355, 407. 105 0. v . Gierke, IheringsJb 64, 355, 410. 102

13 Welter

194 D. Rechtsvergleichende Betrachtung zw. Zivilrecht und Steuerrecht 0. v. Gierke zur Leibrente, die er nicht in romanistische Vertragsschablonen gepreßt sehen wilPoe.

Nicht zu übersehen sind schließlich die Gemeinsamkeiten im Bereich des Rücktrittsrechts. 0. v. Gierke101 leitet von der allgemeinen Feststellung, daß bei dauernden Schuldverhältnissen für den Rücktritt kein Raum sei, zur Leibrente über. Auch wo das Gesetz, wie z. B. bei der Leibrente, ein Kündigungsrecht nicht gewähre, müsse es dabei verbleiben. Es ist bezeichnend, daß 0. v. Gierke an dieser Stelle Sepp und andere Vertreter der Stammrechtstheorie zitiert. Deren Ansätze will er offenbar gleichzeitig fundieren und in einen größeren dogmatischen Zusammenhang stellen. Auch scheint etwa die Bemerkung von Drahota108, das Rücktrittsrecht gemäß § 326 BGB scheide beim Leibrentenvertrag aus, weil ihm "eine gewisse Stetigkeit eigen" sei, die allgemeinere Argumentation 0. v . Gierkes zum dauernden Schuldverhältnis vorwegzunehmen. Es fällt auch nicht schwer, den Bogen von den Ursprüngen der Starnmrechtstheorie über die Ausführungen 0. v. Gierkes bis zur heutigen Diskussion um das Dauerschuldverhältnis zu spannen. Das Reichsgericht sah selbst seine Stammrechtstheorie im Gegensatz zu der Vorstellung einer "Mehrzahl einzelner, selbständiger Ansprüche mit fortschreitend aufeinanderfolgenden Fälligkeitsterminen". 0. v. Gierke behandelt die gleiche Fragestellung, die er allerdings aus dem Blickwinkel des zeitlichen Andauerns sieht. Weil der Anspruch als das Recht definiert sei, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen(§ 194 BGB), müsse auch das Recht, ein dauerndes Tun oder Unterlassen zu verlangen, unter den Anspruchsbegriff fallen. Deshalb nimmt er im Anschluß an Langeheineken108 einen "Gesamtanspruch" an, aus dem die Einzelansprüche entspringen110• H. Weber greift diesen Gedanken als wertvoll auf, verwirft allerdings die Bezeichnung "Gesamtanspruch" oder "Stammrecht"111 • H. Weber will an diese Stelle den Begriff "Dauerleistungsanspruch" 112 setzen und kennt keine "Einzelansprüche" mehr, die immer wieder neu ent108

0. v. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. III, S. 803.

IheringsJb 64, 355, 390, 391 ; vgl. ferner Gschnitzer, IheringsJb 76, 317, 326 ff., 362, 390. 108 s. 37. 108 S. 146, 248; vgl. auch dort S. 146, 147 Fußn. 2, wo der Anspruch auf ein Unterlassen von Dauer und der Gesamtanspruch auf wiederkehrende Leistungen wegen ihrer gemeinsamen Eigenschaft nebeneinandergestellt werden, sich zwar nicht in einer einzigen Leistung zu erschöpfen, aber doch von homogener Beschaffenheit zu sein. 110 0. v. Gierke, IheringsJb 64, 355, 368. 111 H. Weber, S. 121. 112 Ahnlieh schon Wiese, S. 837, 840 ff. 107

II. Die Funktion des "Stammrechts" im Zivilrecht

195

stehen113• Hier unterscheidet er sich von Beuthien114, der zwar auch zwischen dem Dauerschuldverhältnis und der Dauerschuld unterscheidet. Er sieht jedoch aus der Dauerleistungspflicht vorübergehende Leistungspflichten entstehen. Gegen die Vorstellung einer Dauerschuld, die gleichsam zwischen dem Schuldverhältnis und dem Einzelanspruch steht, wendet sich Ernst Wolf115• Weil Inhalt einer Schuld nur eine einzelne Leistung, Bemühung! oder Unterlassung sein könne, existiere keine "Verpflichtung zur Dauerleistung".

Ditteney116 sieht demgegenüber das "Wesen" der Dauerschuldverhältnisse allein darin begründet, daß ihnen ein Gesamtanspruch eigen sei, der Einzelansprüche hervorbringe. Diesen Gesamtanspruch setzt er mit einem "Stammrecht" gleich, wodurch, so hält er Beitzke111 entgegen, "genauer und plastischer" als mit dem Begriff "Rechtsverhältnis" der dogmatische Zusammenhang umschrieben werde. Auf dieser Grundlage beantwortet er die Frage, ob die Leibrente ein Dauerschuldverhältnis darstelle. Weil zum Wesen der Dauerschuldverhältnisse das Nebeneinander von "Stammrecht" und Einzelansprüche gehöre und weil die sog. Einheits- oder Isolierungstheorie zutreffend ein "selbständiges, geschlossenes Stammrecht auf fortlaufende Bezüge" annehme, sei die Leibrente in diese Gruppe einzuordnen118• Insbesondere die unbefangene Argumentation von Ditteney macht deutlich, wie die Theorie vom "Leibrentenstammrecht" mit der Dogmatik des Dauerschuldverhältnisses verknüpft ist. Gerade eine vereinfacliende Sicht wie die Ditteneys, die sich über die Komplexität dieser Leibrententheorie hinwegsetzt119, vermag um so deutlicher einen Aspekt ihres Inhalts und damit eine Funktion des "Stammrechts" aufzudecken.

113 114

115

H. Weber, S. 124.

s. 269.

Das Arbeitsverhältnis, S. 95.

s. 11, 12. 111 s. 20.

116

118 Ditteney, S. 137, 138; auch bei Staudinger /Weber, Einl. C 27 vor § 241 BGB wird die "Einheits- oder Isolierungstheorie" mit der Ansicht gleichgesetzt, nach der bei wiederkehrenden Leistungen neben den Einzelansprüchen ein Gesamtanspruch anzunehmen sei. 118 Vgl. dagegen schon Kreß, S. 73 ff., der zwar selbst auch durch den Leibrentenvertrag ein Dauerschuldverhältnis mit einem "Gesamtanspruch" begründet sieht, aber gleichwohl die reichsgerichtliche Stammrechtstheorie als unklar ablehnt.

13*

196 D. Rechtsvergleichende Betrachtung zw. Zivilrecht und Steuerrecht 4. Die Aktualisierung zukflnftiger Forderungen durch das "Stammrecht"

Wenn mit Hilfe des "Stammrechts" ein Rechtsverhältnis vergegenständlicht wird, ist dies zugleich damit verbunden, daß die zukünftig entstehenden Ansprüche hinsichtlich ihres Entstehungsgrundes in die Gegenwart verlagert werden. Im folgenden soll dieser Aspekt des "Stammrechts", der nicht in jedem Fall mit einer Vergegenständlichung verbunden sein muß, im Vordergrund stehen.

a) Die Klage auf zukünftige Leistungen gemäß § 258 ZPO Nach § 258 ZPO kann bei wiederkehrenden Leistungen auch wegen der erst nach Erlaß des Urteils fällig werdenden Leistungen Klage auf zukünftige Entrichtung erhoben werden. Die Befürworter der Starnmrechtstheorie haben hierin eine Bestätigung dafür gesehen, daß der Leibrente ein "Stammrecht" eigen sei120• Die künftig entstehenden Einzelansprüche könnten im voraus kein Klagerecht erzeugen. Nur das "Stammrecht", das ja schon mit seiner Bestellung bestehe, sei als Gegenstand der Klage denkbar. Die Vertreter der Stammrechtstheorie konnten sich darauf berufen, daß in den Motiven zur Zivilprozeßordnung insbesondere die Leibrenten als Beispiel wiederkehrender Leistungen erwähnt waren121 • Drahotam erweckt sogar den Eindruck, die Anwendbarkeit des § 258 ZPO auf die Leibrente hänge davon ab, ob man ein "Stammrecht" annehme. Wenig später hat § 258 ZPO eine ähnliche Rolle gespielt, als der "Gesamtanspruch" dauernder Leistungen diskutiert wurde. Die Vorstellung einzelner Ansprüche ohne einen zugrunde liegenden "Gesamtanspruch" sollte durch§ 258 ZPO widerlegt werdenm. Auch aus diesem Blickwinkel bestätigt sich noch einmal die These von der Verknüpfung der Stammrechtstheorie mit der Dogmatik des Dauerschuldverhältnisses.

Maas 124 möchte "energisch" den Vertretern der Stammrechtstheorie widersprechen, die § 258 ZPO für ihre Zwecke reklamieren. Aus heutiger Sicht dürften allerdings keine großen Anstrengungen mehr angebracht sein. Allzu abwegig muß die Vorstellung erscheinen, die Leibrente sei uo Eccius, Gruchot, 45, 11, 22, 23; Sepp, S. 64; Drahota, S. 25; Stuht, S. 30; Reifenberg, S. 13. 121 Hahn, Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, Bd. VIII, S. 100. m S. 25; ähnlich Kiesel, S. 31 und Reifenberg, S. 13. ua Langeheineken, S. 146, 147 und 0 . v. Gierke, IheringsJb 64, 355, 375 gegen Hellwig, Anspruch und Klagerecht, S. 376 ff.; die Auffassung, daß in § 258 ZPO eine auf Zweckmäßigkeit beruhende gesetzliche Bestimmung ohne dogmatischen Gehalt zu sehen sei, wurde auch vertreten von Mendelsohn, S. 61 und v . Tuhr, § 16 I 1, S. 272; vgl. ferner Maas, S. 65, 66. m 8.65.

li.

Die Funktion des "Stammrechts" im Zivilrecht

197

nur deswegen als wiederkehrende Leistung i. S. des § 258 ZPO anzusprechen, weil ihr ein "Stammrecht" eigen sei. Zu den wiederkehrenden Leistungen im Sinne dieser Vorschrift werden mit gutem Grund mittlerweile Unterhaltszahlungen125, Schadenersatzrenten sowie Ruhegehaltsansprüche gerechnet126• Den Anwendungsbereich dieser Vorschrift orientiert man einhellig nicht an dogmatischen Konstruktionen, sondern am Zweck dieser Klagemöglichkeit127• Deshalb werden nicht mehr gleichhohe Leistungen verlangt128, sondern nur noch ausreichende Sicherheit bei der Feststellung ihrer zukünftigen Höhe129• Die wiederkehrenden Leistungen können in ungleichmäßigen Zeiträumen anfallen und die Zeitdauer ihrer Wiederkehr muß nicht bestimmt sein130• Mit der Vorstellung eines "Stammrechts", das die Stellung der Leibrente als "eigenartiges Rechtsverhältnis" begründen soll, hat alles dies offensichtlich nichts mehr zu tun. Auch die seit 0. v. Gierke gültige Frage, ob § 258 ZPO für alle wiederkehrenden Leistungen einen "Gesamtanspruch" belege131 , kann hier ebenso unbeantwortet bleiben, wie die nach der rechtlichen Qualität des nunmehr für§ 258 ZPO geforderten "einheitlichen Schuldgrundes". Fest steht jedenfalls aus heutiger Sicht, daß § 258 ZPO zukünftige wiederkehrende Leistungen einer gegenwärtigen Klagemöglichkeit zuführt. Aus Gründen des Rechtsschutzes werden diese Leistungen also für den Zivilprozeß aktualisiert und bereits jetzt in einem - freilich erst zukünftig vollstreckbaren Titel zusammengefaßt. b) Das "Stammrecht" im Konkurs

Das dogmatische Verständnis der Leibrente gewinnt vor allem im Falle des Konkurses praktische Bedeutung. Wird der Konkurs über das Vermögen des Gläubigers einer Leibrente eröffnet, ist die Frage zu beantworten, inwieweit sich die Leibrente im gegenwärtigen Vermögen des Gemeinschuldners und damit in der Konkursmasse (§ 1 Abs. 1 KO) niederschlägt. Beim Konkurs des Schuldners ist zu entscheiden, welche Forderungen der Gläubiger anmelden kann. Für beide Fälle hat die Stammrechtstheorie eine maßgebliche Rolle gespielt. 125 Vgl. dazu schon Heltwig, Lehrbuch des deutschen Civilprozeßrechts, Bd. I, S. 371. 126 Stein I Jonas I Schumann I Leipold, § 258 Anm. I 2; Rosenberg I Schwab,

§ 93 II 2, S. 520.

So schon RG, Urt. v. 16. 5. 1904 - IV 425103 - , RGZ 58, 139, 141. Vgl. RG, Urt. v. 11. 12. 1899 - VI 250/99 -, JW 1900, 48. 1" RG, Urt. v. 4. 10. 1934 VI 231134 - , RGZ 145, 196, 198; ferner Urt. v. 6. 5. 1935 - VI 616/34 -, JW 1935, 2949, in dem sogar eine Durchschnittsrente gebildet wird. 13° Stein I Jonas I Schumann I Leipold, § 258 Anm. I 1; Rosenberg I Schwab, § 93 Anm. li 2, S. 520. 131 IheringsJb 64, 355, 375. 127 128

198 D. Rechtsvergleichende Betrachtung zw. Zivilrecht und Steuerrecht

Sepp132 hat wohl als erster133 dargestellt, welche Konsequenzen die Annahme eines "Stammrechts" für den Konkurs des Gläubigers und des Schuldners mit sich bringt. Danach gehört beim Konkurs des Rentengläubigers das Leibrentenrecht zur Konkursmasse. Es umfaßt neben den bereits fälligen Ansprüchen auch sämtliche Ansprüche, die erst zukünftig fällig werden. Dieses Leibrentenrecht wird vom Konkursverwalter für die Masse verwertet. Der Konkursverwalter kann es entweder veräußern oder die einzelnen Raten an den jeweiligen Fälligkeitsterminen für die Masse einziehen. Sepp wendet sich dabei allerdings gegen eine erweiternde Auslegung des§ 166 Abs. 2 KO, die ermöglichen würde, nach Aufhebung des Konkurses weitere Raten einzuziehen134. Vorteilhaft sei daher die Veräußerung des "Leibrentenrechts ... im Ganzen". Notfalls sei auch an eine Übernahme durch einen Konkursgläubiger gern. § 162 KO zu denken. Als selbstverständlich ist bei Sepp vorausgesetzt, daß es sich bei den zukünftigen Bezügen nicht um einen Neuerwerb handelt, der nicht in die Konkursmasse fallen würde. Auch um dies zu begründen, wird in der neueren Literatur das "Stammrecht" verwandt185• Das "Stammrecht", das schon bei Konkurseröffnung vorhanden sei, soll belegen, daß die erst anfallenden Bezüge nicht "neu verdient" werden. Allerdings wird dabei auch dem Ruhegehalt138 oder Miet- und Pachtzinsforderungen187 ein solches "Stammrecht" zugeschrieben. Im übrigen geht man ebenso wie Sepp davon aus, daß die Leibrente als "einheitliches Stammrecht" 138 der Konkursmasse zuzurechnen sei. Allerdings scheint die von Sepp geforderte Verwertung des "Stammrechts im Ganzen" in den Hintergrund getreten zu sein. Es ist vorwiegend138 nur davon die Rede, daß die während des Verfahrens fällig werdenden Renten in die Konkursmasse fielen140• Im Konkurs des Rentenschuldners scheint die Ausgangslage einfacher zu sein. Die §§ 65-70 KO stellen eine ganze Palette von Regelungen

s. 52 ff. Vgl. aber auch die gleichzeitig veröffentlichte Schrift von Kiesel, S. 47, 48; ferner schon Eccius, Gruchot, 45, 11, 23 für den Konkurs des Rentenschuldners; vgl. auch aus jüngerer Zeit Staudinger I Amann, vor§ 759 Rdnr. 22. 132 133

m Sepp, S. 53, 55.

Mentzel I Kuhn I Uhlenbruck, § 1 Rdnr. 100; Jaeger I Henckel, § 1 Rdnr. . . tse Mentzel I Kuhn I Uhlenbruck, § 1 Rdnr. 100. m Jaeger I Henckel, § 1 Rdnr. 125. 138 Jaeger I Henckel, § 1 Rdnr. 94; Mentzel I Kuhn I Uhlenbruck, § 1 Rdnr. 56. 13' Vgl. aber Pecher, in: Münchener Komm.,§ 759 BGB Rdnr. 34. 140 Jaeger I Henckel, § 1 Rdnr. 94; Mentzel I Kuhn I Uhlenbruck, § 1 Rdnr. 56; ferner Soergel I Mormann, Vor§ 759 BGB, Rdnr. 5. ts5

144.

li. Die Funktion des "Stammrechts" im Zivilrecht

199

zur Verfügung, die jeweils auf bestimmte Arten von Forderungen zugeschnitten sind. Auf den zweiten Blick fällt es allerdings nicht leicht, die Leibrente einer der angesprochenen Bestimmungen zuzuordnen. Je nachdem, ob die einzelnen Ansprüche durch das Erleben auflösend oder aufschiebend bedingt gedacht werden, führen die §§ 66 und 67 KO zu entgegengesetzten Rechtsfolgen. Andererseits sprechen auch die §§ 69 und 70 KO jeweils einen anderen Aspekt der Leibrente an. Da es sich um wiederkehrende Bezüge handelt, liegt eine Kapitalisierung gemäß § 70 KO nahe, wobei allerdings wegen der unbestimmten Laufzeit eine Schätzung gern. § 69 KO angebracht erscheint. Das geschilderte Problem der Gesetzesanwendung hat das Reichsgericht141 im Anschluß an Sepp142 mit Hilfe der Stammrechtstheorie gelöst. Damit läßt sich die Vorstellung ablehnen, bei der Leibrente handele es sich um eine Mehrheit aufschiebend bedingter Ansprüche. Nach der Stammrechtstheorie liegt ein einheitliches Forderungsrecht vor, das unter einer auflösenden Bedingung steht. Wegen§ 66 KO kann dieses Forderungsrecht wie ein unbedingtes geltend gemacht werden. Da die Laufzeit der Leibrente nicht feststeht, ist sie nach Auffassung des Reichsgerichts auf einen unbestimmten Geldbetrag gerichtet, so daß eine Schätzung gern. § 69 KO erforderlich werde. Nach dem Vorbild dieser Rechtsprechung verfährt die Praxis bis in die Gegenwart143• Allerdings werden über die Leibrente hinaus sämtliche Versorgungsansprüche auf Lebenszeit einbezogen144. Die soeben umrissene konkursrechtliche Problematik kann hier nicht ausgelotet werden. Immerhin seien einige Zweifel angemeldet, ob die Annahme eines "Stammrechts" erforderlich ist, um das angestrebte Ergebnis zu erreichen. Wie schon angedeutet, stellen die §§ 65 ff. KO beim Konkurs des Schuldners einen Bestand an Regeln zur Verfügung, die nur in ihrer Vereinzelung der Leibrente nicht gerecht werden können. Der Gesichtspunkt der periodischen Wiederkehr ist in § 70 KO angesprochen und die unbestimmte Laufzeit in § 69 KO, während der spezielle Beendigungsgrund in den §§ 66 und 67 KO erlaßt ist. Wendet man die genannten Bestimmungen mit ihrem jeweils betroffenen Regelungsgehalt auf die Leibrente an, stellt sich jedenfalls dann das vom Reichsgericht angestrebte Ergebnis ein, wenn man eine auflösende Bedingung gern. § 66 KO annimmt. Im übrigen bleibt fraglich, ob nicht die in § 67 KO ausgesprochene Rechtsfolge eher angemessen ist. Stirbt 141 I4Z

RG, Urt. v. 8. 5. 1908 , -

s. 74 ff.

II 538107 -, RGZ 68, 340, 342.

143 Vgl. statt vieler v. Gamm, RGRK-BGB, § 759 Anm. lO und Pecher, in: Münchener Komm., § 759 Rdnr. 22. 144 Mentzel I Kuhn I Uhlenbruck, § 69 Rdnr. 3; Jaeger I Lent, § 69 Rdnr. 3.

200 D. Rechtsvergleichende Betrachtung zw. Zivilrecht und Steuerrecht nämlich der Leibrentengläubiger "vorzeitig", bleibt das unbefriedigende Ergebnis, daß der Konkurs zu einer Erweiterung der Leistungspflicht geführt hat. Wenn man sich vor Augen führt, wie Sepp140 mit einer analogen Anwendung des § 323 ZPO dieses Ergebnis zu mildern sucht, liegt es durchaus nahe, in einer Sicherung gern. § 67 KO die bessere Lösung zu sehen146• Dieser Gesichtspunkt könnte eher berücksichtigt werden, wenn man statt von einer Stammrechtstheorie von dem methodisch richtigen Ansatz ausgehen würde, daß bei der konkursrechtlichen Behandlung der Leibrente eine Gesetzeslücke anzutreffen ist. Sie kann durch einzelne Regelungsbestandteile der§§ 66-70 KO ausgefüllt werden, wobei allerdings die jeweils betroffenen Interessen offenzulegen sind. In ähnlicher Weise stellt sich auch beim Konkurs des Gläubigers einer Leibrente das Problem, wie eine Leibrente in das gegenwärtige Vermögen des Gemeinschuldners i. S. des § 1 Abs. 1 KO umzusetzen ist. Hier liegt eine Analogie zu den §§ 69 und 70 KO nahe, die beide darauf gerichtet sind, künftige Forderungen zu aktualisieren. Die zwischen §§ 66 und 67 KO liegende Weichenstellung kann allerdings nicht auf den Konkurs des Gläubigers übertragen werden. Diese Vorschriften bewerten nämlich die Interessen eines bestimmten Massegläubigers und des Gemeinschuldners. Sie lassen sich daher nicht auf die umgekehrte Ausgangslage anwenden, bei der die Ansprüche des Gemeinschuldners zu ermitteln sind. Hier kann man jedoch auf allgemeine Grundsätze zurückgreifen, nach denen auch aufschiebend bedingte Forderungen zur Masse gezählt werden147• Für die vorliegende Untersuchung ist festzuhalten, daß das "Stammrecht" in dem konkursrechtlichen Zusammenhang eingesetzt wird, um die zukünftig anfallenden Leistungen schon gegenwärtig zur Masse oder zu den Konkursforderungen rechnen zu können. Neben der Funktion, zukünftige Ansprüche zu aktualisieren, gerät auch hier die Rolle des "Stammrechts" als Bild für das Rentenkapital wieder ins Blickfeld. Sowohl im Konkurs des Gläubigers als auch des Schuldners wird durch Kapitalisierung ein Betrag ermittelt, der sich als das ausstehende "Rentenkapital" bezeichnen läßt. Besonders verdient aber hervorgehoben zu werden, daß die durch die "Stammrechtstheorie" gelösten Sachprobleme auch dem üblichen methodischen Instrumentarium zu-1 gänglich sind. Damit lassen sich die gleichen Ergebnisse erzielen. Wenn sich jedoch eine Abweichung ergibt, ist dies nur zu begrüßen, weil damit eine Schwachstelle der methodisch undurchsichtigen Starnmrechtstheorie offengelegt wird.

s. 78. us a. A. Kiesel, S. 48; Stuht, S . 33. 147 Jaeger I Henckel, § 1 Rdnr. 129.

145

li. Die Funktion des "Stammrechts" im Zivilrecht

201

c) Das "Stammrecht" als Gegensiand der Verjährung Schon in den Anfängen der Stammrechtstheorie ist die Diskussion um die Verjährung der "Leibrente im Ganzen" anzutreffen. Allerdings ist hier noch keine einheitliche Linie zu erkennen. aa) Die gegensätzlichen Schlußfolgerungen von Sepp und Eccius Sepp148 zieht zwei Schlußfolgerungen aus seiner These, nach der es sich bei der Leibrente um ein einheitliches Recht handele, dessen einzelne Raten Früchte dieses Rechts gleich den Zinsen eines Kapitals seien. Zum einen verjähre das Leibrentenrecht wie jedes Recht gern. § 194 BGB, und zwar mangels einer besonderen gesetzlichen Bestimmung gemäß § 195 BGB in dreißig Jahren. Der Beginn dieser Verjährungsfrist sei mit der Fälligkeit der ersten Rate gleichzusetzen. Zum anderen gelte zwar für die einzelne Rate § 197 BGB mit seiner vierjährigen Verjährungsfrist. Darüber hinaus folge aber aus § 224 BGB, daß die einzelnen Raten zugleich mit dem Leibrentenrecht verjährten, auch wenn die in§ 197 BGB genannte Frist noch nicht abgelaufen sei149• Eccius150 geht zwar auch von einer "einheitlichen, durch den Tod nur in ihrer Dauer begrenzten Verbindlichkeit" aus, kommt aber bei der Verjährung zu einem anderen Ergebnis als Sepp. Er sieht in den einzelnen Raten keine Nebenleistungen, die von einem Hauptanspruch abhängen. Als "Anspruch" bestünden "nur die Ansprüche auf die einzelnen Leistungen" 151 • Selbst wenn man das durch Vertrag begründete Leibrentenrecht von dem Rechte auf die einzelne Leistung scheiden könne, sei mit der vertragsmäßigen Verpflichtung dieses Recht zugleich entstanden. Jedenfalls gebe es i. S. eines verjährbaren Anspruchs nichts weiter als "eben die Rentenleistung selbst". bb) Die Verjährung des "Gesamtanspruchs" wiederkehrender Bezüge Die gegensätzlichen Stellungnahmen von Eccius und Sepp machen deutlich, daß die Stammrechtstheorie die Frage der Verjährung nicht eindeutig beantwortet. Im übrigen sollte man sich anband der Ausführungen von Mendelsohn 152 vergegenwärtigen, in welchem größeren us S. 85; ebenso Stuht, S. 34, 35. Ebenso Staudinger I Amann, Vor § 759 BGB Rdnr. 24; v. Gamm, RGRKBGB § 760 Anm. 2; Soergel I Mormann, § 760 Rdnr. 2; Pecher, in: Münchener Komm., § 761 BGB Rdnr. 5. 150 Gruchot 45, 11, 26; ähnlich auch Kiesel, S. 29, 30. 151 Ahnlieh Siber, Schuldrecht, § 69, 5 a, S. 384; Oert mann, Kommentar zum BGB, § 197 BGB, Anm. 2 d. 152 S. 104; ferner Crome, System des Deutschen Bürgerlichen Rechts, Bd. li, § 250 A 1, S. 604 Fußn. 4. 149

202 D. Rechtsvergleichende Betrachtung zw. Zivilrecht und Steuerrecht Zusammenhang seinerzeit das Problem der Verjährung von Leibrentenbezügen zu sehen war. Damit war nämlich eine gemeinrechtliche Kontroverse angesprochen, die schon seit der Glossatorenzeit nicht nur die Leibrente, sondern die Verjährung der "Rechte auf terminliehe Leistungen" betroffen hatte. Mendelsohn weist für das Pandektenrecht den Meinungsstand nach und erwähnt neben früheren Kodifikationen auch das Schweizer Obligationenrecht, nach dem bei Leibrenten und ähnlichen periodischen Leistungen das "Forderungsrecht im Ganzen" verjähre153• Auch an dieser Stelle wird also erkennbar, daß bestimmte Aussagen der Stammrechtstheorie allgemeine Merkmale periodisch wiederkehrender Leistungen umscllreiben wollen. Es kann daher nicht überrascllen, wenn sich auch in den grundlegenden Ausführungen 0. v. Gierkes zu dauernden Schuldverhältnissen15' eine Stellungnahme zur Verjährung findet. Wie schon erwähnt (D. II. 3. b)) verwendet 0. v. Gierke das Bild eines "Stammrechts", um den "einheitlichen Gesamtanspruch" wiederkehrender Leistungen zu umschreiben. Dieser "Gesamtanspruch" verjährt nach der Ansicht 0. v. Gierkes in dreißig Jahren, wenn inzwischen keine Einzelleistung erfolgt, anerkannt oder eingeklagt seP55• Heute wird vielfach allen Dauerschuldverhältnissen, aus welchen Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen entstehen, ein verjährbares "Stammrecht" zugeschriebenm. cc) Zur Entwicklung der Rechtsprechung Die Erkenntnis, daß die Vorstellung eines verjährbaren "Stammrechts" nur noch mittelbar mit der Dogmatik des Leibrentenvertrages zusammenhängt, läßt sich vor allem auch durch die Entwicklung der Rechtsprechung belegen. Bis heute wird die gerichtliche Praxis durch die Entscheidung des Reichsgerichts vom 30. 5. 1932157 bestimmt. Diese Entscheidung, die zeitlich unbegrenzte Leistungen aus einem Vergleich betrifft, nimmt ausdrücklich auf die reichsgerichtliche Rechtsprechung zur Leibrente Bezug. Während die Frage nach dem verjährbaren "Stammrecht" für wiederkehrende Leistungen noch nicht entschieden sei, habe man zur "Rechtsnatur" der Leibrente anerkannt, daß die einzelnen Rentengefälle als "Nutzungen eines in sich geschlossenen einheitlichen Rentenrechts anzusehen seien". Was für das Leibrentenrecht gelte, sei für "Fälle nach Vgl. auch Maas, S. 136. IheringsJb 64, 355 ff. 155 0. v. Gierke, IheringsJb 64, 353, 376 Fußn. 31. 156 Vgl. Staudinger I Dilcher, § 194 BGB Rdnr. 8; Soergel I Augustin, § 194 BGB, Rdnr. 3. 157 -VIII 135132 -, RGZ 136, 427, 430. 153

154

II. Die Funktion des "Stammrechts" im Zivilrecht

203

Art des vorliegenden nicht entscheidend anders anzusehen". Das Reichsgericht bemüht sogar eine wirtschaftliche Betrachtung, um zu belegen, daß die Zusage, jedes Jahr unbegrenzt die Grundsteuern zu tragen, nicht als Versprechen einer Summe von Einzelleistungen beurteilt werden könne. Vielmehr handele es sich um eine einheitliche "Gesamtverpflichtung mit einzelnen Gefällen". Diese verjähre mangels besonderer Regelung in dreißig Jahren(§ 195 BGB). Gemäߧ 224 BGB analog könne dann auch nicht mehr der einzelne Anspruch geltend gemacht werden. Ebenso wie die skizzierte Entscheidung des Reichsgerichts betreffen auch die des Bundesgerichtshofs keineswegs Leibrenten i. S. der §§ 759 BGB, denen das "Stammrecht" als "eigentümliches" Merkmal zugeschrieben wird158• Der Bundesgerichtshof befaßt sich vielmehr mit Schadenersatzrenten, die er nicht als Leibrenten anspricht150• An anderer Stelle180 ist sogar davon die Rede, daß im Anschluß an die reichsgerichtliehe Rechtsprechung die Auffassung vertreten werde, bei Dauerschuldverhältnissen, aus denen Ansprüche auf wiederkehrende, wirtschaftlich einheitliche Leistungen entstünden ,unterliege nicht nur jeder Teilanspruch für sich, "sondern auch der ,Gesamtanspruch' (das ,Stammrecht')" der Verjährung. Der Bundesgerichtshof läßt dies jedoch dahingestellt bleiben und lehnt eine Verjährung anschließend aus gesellschaftsrechtlichen Erwägungen ab181 • Die Haltung des Bundesgerichtshofs läßt sich also bei näherem Zusehen nicht dahin umschreiben, daß die Verjährung des "Stammrechts" wiederkehrender Bezüge allgemein anerkannt sei. dd) Das "verjährbare Stammrecht" aus methodischer Sicht Zur Funktion des "Stammrechts" ist hier festzuhalten, daß zukünftige Ansprüche als Gegenstand der Verjährung in die Gegenwart verlagert werden. In dem "Gesamtanspruch" oder dem "Stammrecht" werden zukünftige Ansprüche aktualisiert, um hierauf die Verjährungsregeln anwenden zu können182 • Bei der methodischen Rechtfertigung dieses Vorgehens sollte man davon ausgehen, daß das BGB über § 197 BGB hinaus keine angemessene Regelung für periodisch wiederkehrende Leistungen bereithält. Eine Diskussion um den "Dauerleistungs158 Entgegen der Ansicht von Lieb, ZHR 144, 427, 430 geht es auch in der grundlegenden reichsgerichtliehen Entscheidung nicht um einen "Leibrentenfall". 159 (o. D. I. Fußn. 21), VersR 1960, 949; (o. D. I. Fußn. 21), VersR 1972, 1078, 1079; (o. D. I. Fußn. 21), NJW 1973, 1684, 1685; (o. D. I. Fußn. 21), NJW 1979, 268. 160 BGH, Urt. v. 6. 6. 1968 II ZR 118/66 -, BGHZ 50, 232, 234. 181 Dazu ausführlich Lieb, ZHR 144, 427, 431; Beitzke, Anm. zu BAG, AP Nr. 2 zu § 128 HGB m. w. Nachw.; ferner Reinhardt I Schultz, Gesellschaftsrecht, Nr. 141 und Wiesner, ZIP 1983, 1032 ff. zur neueren Rspr. 182 Ähnlich schon Hetdrich, IheringsJb 78, 259. 267.

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D. Rechtsvergleichende Betrachtung zw. Zivilrecht und Steuerrecht

anspruch" und seine Verjährbarkeit gern. § 194 BGB würde nicht weiterführen und brächte auch die Gefahr begrifflicher Argumentation mit sich. Demgegenüber fällt es nicht schwer, eine planwidrige Gesetzeslücke nachzuweisen. Der erste Entwurf zum BGB hatte nämlich in seinem § 160 für "selbständige wiederkehrende Leistungen" die Verjährung des "Anspruchs im Ganzen" vorgesehen163• Die schwierige Frage nach einem "über den Ansprüchen auf die einzelnen Leistungen stehenden Gesamtanspruch" sollte aus praktischen Gründen für die Verjährung allgemein entschieden werden164• Die Kommission beschloß dagegen mit unklarer Begründung, diese Bestimmung zu streichen185• Der "Gesamtanspruch" fließe nämlich nicht aus der "Natur der Sache", sondern beruhe auf "künstlicher Fiktion". Allerdings sollten aus der Beseitigung der fraglichen Bestimmung "praktische Nachteile nicht erwachsen". Es kann jedoch nicht zweifelhaft sein, daß z. B. im Falle des Schadenersatzes in Rentenform ein Bedürfnis nach der Verjährung des "Gesamtanspruchs" besteht186 • § 852 BGB und vor allem auch § 14 StVG liegt nämlich der Gedanke zugrunde, daß die Folgen der schädigenden Handlung innerhalb eines kurzen Zeitraumes geklärt werden sollen. Würde man hier nur§ 197 BGB anwenden, könnten zeitlich unbegrenzt die immer wieder neu entstehenden einzelnen Ansprüche geltend gemacht werden. Die kurzen Verjährungsfristen der §§ 852 BGB und 14 StVG würden nur deswegen nicht eingreifen, weil sie nicht auf wiederkehrende Bezüge zugeschnitten sind. Aus methodischer Sicht ist damit eine Gesetzeslücke festgestellt, die mit guten Gründen187 als "planwidrig" bezeichnet werden kann. Es ergibt sich ferner, daß sie nach der vorliegenden Interessenlage jedenfalls in einem gewissen Bereich durch ein nach§ 194 ff. BGB verjährendes "Stammrecht" sinnvoll zu schließen ist188• Die Rede vom "Stammrecht" verdeckt in diesem Zusammenhang also einen Analogieschluß und dessen methodische Begründung. Nicht einmal für den Bereich der ua Auch damit wollte man nicht zur dogmatischen Beurteilung wiederkehrender Leistungen Stellung nehmen. Die Verjährung sollte nämlich eingreifen, auch wenn im Einzelfall zweifelhaft sein könne, ob ein Gesamtanspruch anzunehmen sei. Dies hinge von der "Natur des zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses" ab (Motive I, 310). 1&4 Motive I, 310, 311. 185 Prot. I, 212; dazu schon Langeheineken, S. 145 Fußn. 4. 118 Zum Bedürfnis nach einer Verjährung des "Stammrechts" Lieb, ZHR 144, 427, 430; ferner schon Hawlitzky, S. 21, 22. 187 Insbesondere können die Argumente, die von der Kommission für eine Streichung des § 160 des Entwurfs angeführt worden sind, nicht überzeugen; vgl. dazu v. Feldmann, in: Münchener Komm., § 224 BGB Rdnr. 3. 1 68 Ähnlich schon v. Tuhr, § 16 I 2, S. 272; ferner Maas, S. 134 Fußn. 2.

II. Die Funktion des "Stammrechts" im Zivilrecht

205

Verjährung folgt hieraus allerdings eine pauschale Rechtfertigung der Stammrechtstheorie. Im Gegenteil wird hierdurch eine differenzierte Betrachtung nahegelegt. Beispielsweise ist es auf dieser Grundlage möglich, zwischen den Schadenersatzfällen und dem Problem der Haftung ausgeschiedener Gesellschafter zu unterscheiden. Weil § 159 HGB nur bereits entstandene Ansprüche erfassen kann, ist es zwar hier auch so, daß für Ansprüche, die zukünftig aus Dauerschuldverhältnissen entstehen, keine Vorsorge getroffen ist. Wegen der Akzessorietät der Gesellschafterhaftung ergibt sich jedoch eine besondere Interessenlage. Bei Dauerschuldverhältnissen, die von der Gesellschaft noch erfüllt werden, kann die Frist des § 159 HGB nämlich verstreichen, ohne daß der Gläubiger wegen eines einzelnen Anspruchs unbefriedigt bleibt. Erst wenn die Gesellschaft ihre Leistungen nach einiger Zeit einstellt, wird sich der Gläubiger an den ausgeschiedenen Gesellschafter wenden, ohne daß von einer "verspäteten" Inanspruchnahme die Rede sein kann. Würde man hier von der Verjährung des "Stammrechts" ausgehen, wäre der Gläubiger gezwungen, ohne weiteren Anlaß eine verjährungsunterbrechende Feststellungsklage zu erheben. Mit Recht führt der Bundesgerichtshof181 dazu aus, daß dies vom Gesichtspunkt der "praktischen Vernunft" aus fernliege. Wenn er deswegen die Verjährung des "Stammrechts" gern. § 159 HGB ablehnt, läßt sich dies in die methodisch einsichtige Argumentation umsetzen, daß wegen der besonderen Interessenlage an dieser Stelle ein Analogieschluß ausscheidet. ee) Ausblick auf das französische Recht Die Erkenntnis, daß die soeben beschriebene Funktion des "Stammrechts" unabhängig von allen anderen Aussagen der Stammrechtstheorie als Analogieschluß methodisch zu rechtfertigen ist, läßt sich auch noch durch einen Blick auf das französische Recht bestätigen. Auch wenn das französische Recht keine Stammrechtstheorie im Sinne der deutschen Dogmatik kennt, ist dort ein verjährbares "besonderes Grundrecht" bekannt170• Bei Baudry-Lacantinerie111 soll sich die Verjährung beziehen auf "la rente, c'est-a-dire l'etre juridique dont les arrerages sont le produit". Ebenso wird nach herrschender Meinung unterschieden zwischen der Verjährung der einzelnen Ansprüche in fünf Jahren (Art. 2227 C. c.) und der Verjährung des "Gesamtanspruchs" 172, die sich mangels besonderer Bestimmung gern. Art. 2262 C. c. in dreißig Jahren vollziehen soll173• m (o. Fußn. 160), BGHZ 50, 232, 236. 170 Unrichtig daher Maas, S. 135 Fußn. 4. 171

Nr. 1173, S. 732.

Aubry I Rau I Esmein I Ponsard, § 390, S. 160: "le droit d'exiger le service d'une rente viagere (le fonds ou corps de la rente)". 172

206 D. Rechtsvergleichende Betrachtung zw. Zivilrecht und Steuerrecht Auch hier findet sich also eine naturalistisch anmutende Terminologie, mit der der Gegenstand der Verjährung umschrieben wird. Ebenso wie im deutschen Recht soll damit eine Gesetzeslücke geschlossen werden, ohne daß man dieses methodische Vorgehen offenlegt. d) Das "Stammrecht" als Gegenstand der Erfüllung

Zuletzt soll auch noch behandelt werden, welche Bedeutung dem "Stammrecht" bei der Frage zukommt, wann der Leibrentenvertrag erfüllt ist. Wie schon erwähnt (B. III. 2. d) cc)), geht die Stammrechtstheorie davon aus, daß dies schon mit der "Bestellung des Stammrechts" geschehen sein soll. Nach den gewonnenen Erkenntnissen ergeben sich zwei Ansatzpunkte für eine kritische Betrachtung. Ebenso wie bei der Verjährung kann man danach fragen, ob hinsichtlich eines "Gesamtanspruchs" eine planwidrige Regelungslücke festzustellen ist, die durch die Annahme eines "Stammrechts" interessengerecht geschlossen werden kann. Daneben läßt sich aber auch darauf zurückgreüen, daß die Vorstellung eines "Stammrechts" die Merkmale eines Dauerschuldverhältnisses widerspiegelt. Dies hängt insofern mit der Frage der Erfüllung zusammen, als sich dort bei Leistungsstörungen Besonderheiten ergeben können. aa) Die entsprechende Anwendung des§ 362 BGB auf den "Gesamtanspruch" Gemäß § 362 BGB erlischt das Schuldverhältnis, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird. Der Begriff Schuldverhältnis ist hier im engeren Sinne verwandt und bezeichnet die einzelne Rechtsbeziehung (Forderung) innerhalb des Schuldverhältnisses im weiteren Sinn17\ Bei wiederkehrenden Leistungen sind also gemäß § 362 BGB die einzelnen Ansprüche zu erfüllen. Geschieht dies nicht, kann der Gläubiger gemäß § 326 unter bestimmten Voraussetzungen wegen Nichterfüllung vom Vertrag zurücktreten. Von der Erfüllung eines "Gesamtanspruchs" kann man nach der gesetzlichen Regelung nur insofern sprechen, als nach vollständiger Vertragsabwicklung der Gläubiger wegen der Gesamtheit seiner Einzelansprüche befriedigt ist175• Im übrigen ist§ 362 BGB auf einen "Gesamtanspruch" nicht anwendbar. Wer hier von einer Gesetzeslücke spricht, wir.d allerdings nur schwer belegen können, daß sie innerhalb des gesetzlichen Regelungssystems 173 Vgl. neben den bereits genannten Stellungnahmen Beudant I BequignonLagarde, Nr. 817, 462, 463; ferner auch schon Zachariä, S. 629. 174 Vgl. statt aller Lüderitz, StudK BGB 1 vor§ 362. 175 Dies gilt selbst nach der Vorstellung von Wiese, S. 837, 843 ff., der von einer fortschreitenden Teilerfüllung der "Dauerschuld" ausgeht.

II. Die Funktion des "Stammrechts" im Zivilrecht

20'Z

als planwidrig zu bezeichnen ist. Insbesondere ist entgegen dem ersten Eindruck der Ausschluß des Rücktrittsrechts für die Leibrente nicht in den Motiven vorgezeichnet. Wenn dort178 ein Rücktrittsrecht ausdrücklich abgelehnt wird, ist zu berücksichtigen, daß hier ein außerordentliches Kündigungsrecht i. S. des § 554 BGB gemeint ist177 • Ferner muß man beachten, daß der Erste Entwurf für den Fall des Verzugs ein allgemeines Rücktrittsrecht nicht kannte. Er sah nur in § 369 Abs. 2 den Rücktritt vor, wenn wegen des Verzugs für den Gläubiger das Leistungsinteresse weggefallen war. Dies kam aber vor allem bei Geldleistungen von vornherein nicht in Betracht118• § 326 BGB geht auf die Beschlüsse der Zweiten Kommission zurück, die mit § 277 ihres Entwurfs erstmals für den Verzug bei gegenseitigen Verträgen ein allgemeines Rücktrittsrecht einführte. Sie wendete sich dabei ausdrücklich gegen die entgegenstehende Haltung der Ersten Kommission170• Es ist daher verfehlt, die genannte Aussage der Motive mit der Anwendung des§ 326 BGB in Verbindung zu bringen180• Unabhängig von der Frage der planwidrigen Gesetzeslücke zeigt jedenfalls ein Vergleich der jeweiligen Interessenlagen, daß eine Analogie nicht in Betracht kommt. Wenn der Schuldner die einzelne geschuldete Leistung erbringt, ist das Interesse des Gläubigers insofern befriedigt, so daß das Schuldverhältnis i. S. des § 362 BGB erlöschen kann. Demgegenüber ist nicht zu sehen, wie sich die Lage des Gläubigers durch die "Bestellung des Stammrechts" auch nur verbessern soll. Wenn das Reichsgericht von der "erhöhten Zuverlässigkeit in der Entstehung und Verwirklichung der sich aus dem Stammrecht auslösenden Einzelansprüche" spricht18\ fehlt hierfür jede rechtliche Grundlage. Die "Bestellung des Stammrechts" kann über die bestehende schuldrechtliche Verpflichtung hinaus dem Gläubiger keine Sicherung, geschweige denn eine Befriedigung verschaffen. Allenfalls wäre daran zu denken, daß die getroffenen Vereinbarungen darauf abzielen, eine abstrakte Verpflichtung im Sinne der Isolierungstheorie zu begründen182 • Dies müßte jedoch durch Auslegung gern. § 157 BGB ermittelt werden183• Im Regelfall dürfte allerdings die Interessenlage des Gläubigers dagegen spre11e 177

Motive II, 641, 642.

§ 554 entspricht nämlich § 528 des Ersten Entwurfs, in dem gleichfalls

noch ein Rücktritt vorgesehen war. n8 Vgl. Protokolle II, S. 1293. 171 Vgl. Protokolle II, S. 1289 ff. l&o So aber Drahota, S. 36 Fußn. 2; vgl. auch Mendelsohn, S. 97 und Maas, S. 113 Fußn. 4. 181 RG (o. D. I. Fußn. 3), RGZ 67, 204, 211. tBJ Ähnlich schon Stuht, S. 53; ferner Heldrich, JheringsJb 78, 259, 273. 183 Vgl. Heldrich, IheringsJb 78, 259, 273.

208

D. Rechtsvergleichende Betrachtung zw. Zivilrecht und Steuerrecht

chen, die synallagmatische Leistungspflicht des Schuldners allein in der Begründung einer abstrakten Verbindlichkeit zu sehen. Jedenfalls handelt es sich dann darum, durch Auslegung die "geschuldete Leistung" im Sinne des § 362 BGB zu bestimmen. Von einer Gesetzeslücke und deren Schließung kann hier keine Rede mehr sein. Es hat sich also gezeigt, daß das "Stammrecht" bei der Erfüllung nicht die methodisch zu rechtfertigende Funktion erfüllen kann, einen Analogieschluß zu umschreiben. Während die Verjährung durchaus auf das "Stammrecht" oder den "Gesamtanspruch" zu beziehen ist, trifft dies für die Erfüllung nicht zum. Die Erkenntnis, daß das "Stammrecht" dazu dienen kann, eine Gesetzeslücke anband eines Analogieschlusses zu schließen, darf also nicht verallgemeinert werden. bb) Die Einschränkung des Rücktrittsrechts bei Dauerschuldverhältnissen Es wurde bereits angedeutet (D. li. 3. b)), daß der Ausschluß des Rücktritts beim Leibrentenvertrag mit Bestrebungen in Verbindung gebracht werden kann, bei Dauerschuldverhältnissen generell den Rücktritt zu versagen und durch eine Kündigung zu ersetzen. Dies soll an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden, da hiermit ein Problem angesprochen ist, das nur in den bereits behandelten Randbereichen mit der Stammrechtstheorie zusammenhängt. Hinzuweisen ist jedoch auf den Versuch von Maas185, im Anschluß an Beitzke188, die Leibrente in die allgemeinen Überlegungen zu den Leistungsstörungen bei Dauerschuldverhältnissen einzustellen. Er sieht bei der Leibrente eine ähnliche Lage wie beim Sukzessivlieferungsvertrag, für den er den Teilrücktritt187 als angemessene Sanktion vorschlägt. Schließlich darf aus jüngerer Zeit H. Weber nicht unerwähnt bleiben, der sich u. a. mit den Leistungsstörungen beim Leibrentenvertrag befaßt188. Er greüt dabei auf seine Unterscheidung zwischen echten und unechten Dauerschuldverhältnissen zurück. Den letzteren lägen "an sich" vorübergehende Leistungen zugrunde, die der Schuldner auf zeitlich unbestimmte Zeit zu erbringen hätte und die deshalb umfang184 Vgl. auch Staudinger I Amann, vor §§ 759-761 BGB Rdnrn. 26 ff. 185 s. 112. 18& S. 46, 53; vgl. auch Staudinger I Amann, vor § 759 BGB Rdnr. 26 ff. · 187 Dieser Rücktritt entfaltet nur Wirkungen für die Zukunft und läßt den bereits abgewickelten Teil des Vertrages unberührt; vgl. auch Maas, S. 121, 122 zu dem Problem, das sich z. B. bei Grundstücksübertragungen aus der Unteilbarkeit der Gegenleistung ergibt. 188 H. Weber, S. 138.

III. Die Funktion des "Stammrechts" im Steuerrecht

209

mäßig nicht begrenzt seien. Müßten wegen Leistungsstörungen vertragsauflösende Sanktionen ergriffen werden, ergebe sich jedoch eine zeitliche Zäsur. Damit entfalle das entscheidende Merkmal der Dauerleistung und die Rückabwicklung sei wie bei umfangmäßig bestimmten Leistungen vorzunehmen. Bei der Nichtigkeit eines Leibrentenversprechens greife § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 1 BGB ein, weil der status quo ante hier wie bei jedem vorübergehenden Schuldverhältnis zu erreichen sei. Entsprechendes dürfte nach H. Weber auch für den Rücktritt gelten. Auch wenn sich in der Diskussion um die Leibrente als Dauerschuldverhältnis für das Rücktrittsproblem neue Meinungsverschiedenheiten und unterschiedliche Ausgangspunkte abzeichnen, ist gleichwohl gegenüber der Stammrechtstheorie ein Erkenntnisfortschritt festzuhalten. Die Besonderheiten, die die Leibrente ebenso wie andere Dauerschuldverhältnisse aufweist, werden daraufhin überprüft, in welcher Weise und gegebenenfalls mit welchen Modüikationen die gesetzlichen Regelungen für Leistungsstörungen anzuwenden sind. Aus methodischer Sicht handelt es sich vorwiegend darum, einen Analogieschluß oder eine teleologische Reduktion zu begründen. Die leitenden Gesichtspunkte188 werden offengelegt180 und sind auch kritischer Überprüfung zugänglich. Es lassen sich auch weitere sachliche Erwägungen einbeziehen, wie z. B. das schon behandelte (B. IV. 2. b)) besondere Sicherungsbedürfnis des Leibrentengläubigers. Auch die Gründe, die für das französische Recht zu einem Ausschluß des Rücktrittsrechts geführt haben (Art. 1978 C. c.) können berücksichtigt werden. Dagegen erscheint die Rede vom "Stammrecht", durch dessen Bestellung der Leibrentenvertrag erfüllt werde, als begriffliche Leerformel ohne sachlichen Gehalt. 111. Die Funktion des "Stammrechts" im Steuerrecht Die Annahme, daß die Vorstellung eines "Stammrechts" im Steuerrecht eine bestimmte Funktion erfüllt, läßt sich nach den bisher gewonnenen Erkenntnissen auf zwei Anhaltspunkte stützen. Zum einen konnte festgestellt werden (D. I. 3. a)), daß eine solche Argumentation schon gebräuchlich war, bevor die Reform von 1954 das Problem der Abgrenzung von Leibrenten zu sonstigen wiederkehrenden Leistungen aufgeworfen hat. Zum anderen spielt das "Stammrecht" auch in der gegenwärtigen Diskussion eine Rolle, die sich allein durch seine zivil18' Die Bedeutung des Zeitelements, Schwierigkeit der Rückabwicklung im Vergleich zum einmaligen Leistungsaustausch usw. 180 Vgl. auch schon Crome, System des Deutschen Bürgerlichen Rechts, Bd. II, § 251 I 2 b, S. 610, der bei aleatorischen Verträgen den Rücktritt ausschließen will, weil man von einem "konsumirten Effekt" nicht zurücktreten könne.

14 Weiter

210 D. Rechtsvergleichende Betrachtung zw. Zivilrecht und Steuerrecht rechtliche Herkunft nicht mehr erklären läßt (C. IV. 5. c)). Zusätzlich kann hier noch auf das Österreichische Einkommensteuerrecht verwiesen werden, in dem auch die Vorstellung des "Stammrechts" allenthalben anzutreffen ist, obwohl die Rechtslage in Österreich im wesentlichen der deutschen vor der Reform von 1954 entspricht1 • Hieran anknüpfend soll herausgearbeitet werden, welche steuerrechtliehen Funktionen des "Stammrechts" die angesprochenen Argumentationen erkennen lassen. 1. Die Abgrenzung der Leibrente zu sonstigen wiederkehrenden Leistungen

Die bisherige Untersuchung hat schon eingehend verdeutlicht, in welcher Weise das Merkmal des "Stammrechts" seit der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 29. 3. 19622 eingesetzt wird, um Leibrenten i. S. der §§ 9 Abs. 1 Nr. 1, 10 Abs. 1 Nr. 1a, 22 Nr. 1 Buchst. a EStG von sonstigen wiederkehrenden Leistungen zu unterscheiden. Welcher Sinn dieser Abgrenzung aus steuerrechtlicher Sicht zukommt, ist dabei ebenso erörtert worden wie die Frage, inwieweit die höchstrichterliche Rechtsprechung die zivilrechtliche Grundlage zugunsten eigener Erwägungen verlassen hat. Zur Abrundung der bisherigen Ausführungen soll an dieser Stelle nur darauf verwiesen werden, daß die Überlegung nicht stichhaltig ist, die Besteuerung nach dem Ertragsanteil könne aus steuerlichen Gründen nur für unveränderliche Bezüge und mithin nur für die Leibrente i. S. der zivilrechtliehen Stammrechtstheorie gelten. Das Modell der gegenwärtigen Leibrentenbesteuerung läßt sich nämlich ohne besondere Schwierigkeiten auf veränderliche Leistungen übertragen. Die erforderliche Aufspaltung in einen Ertrags- und Kapitalanteil entpuppt sich bei näherem Zusehen nämlich als ein Bewertungsproblem, das ohnehin auch für veränderliche Leistungen in anderem Zusammenhang zu lösen ist•. Beispielsweise ist für die Vermögensteuer der Kapitalwert solcher Bezüge nach bestimmten Regeln4 festzusetzen. Auch bei betrieblichen wiederkehrenden Leistungen, die in ihrer Höhe schwanken, muß für die bilanzielle Behandlung das Problem der zutreffenden Kapitalisierung gelöst werden5 • Dazu näher Stoll, S. 8 ff. VI 105/61 -, BStBl. 111 1962, 304 f. 3 Vgl. aber BFH, Urt. v. 18. 7. 1972 VIII R 16/68 - , BStBl. II 1972, 884, 885: Die Bewertung des Wegfalls von Unterhaltsansprüchen stoße auf nahezu unüberwindliche Schwierigkeiten. 4 § 15 Abs. 3 BewG; dazu näher Troll, Renten, S. 245 m. w. Nachw.; ferner Ebeling, DStR 1972, 295, 302, der feststellt, daß sich in manchen Fällen Leibrenten und dauernde Lasten bewertungsrechtlich gar nicht unterschieden. 1

2 -

III. Die Funktion des "Stammrechts" im Steuerrecht

211

Es ist deshalb aus steuerrechtlicher Sicht nur folgerichtig und systemgerecht, wenn Reformvorschläge de lege ferenda dafür eintreten, das Modell der Leibrentenbesteuerung auf alle wiederkehrenden Leistungen zu übertragen8 • 2. Bild für eine Einkunftsquelle

a) Hinweise aus dem Sprachgebrauch in Literatur und Rechtsprechung Ruppe hat vor kurzer Zeit in einem vielbeachteten Beitrag die wichtigsten Einkunftsquellen des geltenden Steuerrechts aufgezähW. Dabei erscheint neben der freiberuflichen Tätigkeit, dem Gewerbebetrieb und dem Dienstverhältnis u. a. auch das "Stammrecht auf wiederkehrende Bezüge". Ruppe8 sieht in diesem "Stammrecht" eine Ausnahme der von ihm herausgearbeiteten Regel, daß die Teilnahme am Marktgeschehen gemeinsames und charakteristisches Merkmal der gesetzlichen Einkunftsquellen sei'. Betrachtet man aus diesem Blickwinkel Äußerungen zum "Rentenstammrecht", so läßt sich in der Tat feststellen, daß damit häufig eine Einkunftsquelle angesprochen ist.

Bemerkenswert klar kommt dies noch in den Erläuterungen von Fuisting I Strutz zum preußischen Einkommensteuerrecht zum Ausdruck. Dort ist zwar nicht von einem "Stammrecht" die Rede. § 6 des preußischen Einkommensteuergesetzes führt jedoch die "Rechte auf periodische Hebungen" in einem Zusammenhang an, der als Aufzählung der verschiedenen Einkunftsquellen verstanden wird10• Aus dem Erfordernis der "Quellenmäßigkeit der Jahreseinkünfte" wird gefolgert, daß ein dauernder Zustand vorliegen müsse11 • Ferner bilde das Recht auf periodische Hebung nur dann eine "besondere Quelle", wenn es "selbständig für sich" bestehe12• Die geschilderte Tendenz setzt sich auch in der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs zum Einkommensteuerrecht des Reiches fort. Beispiels1

48;

Vgl. dazu nur Biergans I v. Stotzingen, S. 106 f.; s. dort auch S. 39 und ferner Jansen I Wrede, S. 139 ff.; Sauerland I Wendt I Schmidt I Schu.lz,

8.116 f.

8 v. Stotzingen, S. 345 ff.; v. Stotzingen (S. 353) stützt sich bei der Ermittlung des Ertragsanteils veränderlicher wiederkehrender Bezüge auf den Vorschlag von Heister, Steuer-Kongreß-Report 1969, 457, 460; ferner Biergans I v. Stotzingen, S. 242 ff. und auch schon Meyer I Richter, FR 1970, 373, 375. 7 Ru.ppe, S . 7, 15. 8 s. 16, 39. ' Hierzu kritisch, aber wenig überzeugend v. Stotzingen, S. 345 Fußn. 4. 1° Fu.isting I Stru.tz, § 6 Anm. 10 und 15. 11 Fu.isting I Stru.tz, § 6 Anm. 9. 11 Fu.isting I Stru.tz, § 6 Anm. 16; vgl. auch dort§ 14 Anm. 14.

14•

212 D. Rechtsvergleichende Betrachtung zw. Zivilrecht und Steuerrecht

weise wird in dem Urteil vom 19. 6. 192318 darauf abgestellt, ob mit einer Zusage von Studienzuschüssen ein "einheitliches Rentenstammrecht" begründet sei, "aus dem heraus - gewissermaßen als seine Erträge (§ 99 Abs. 2 BGB) - die einzelnen Zuschußleistungen ohne weiteres erwachsen" 14• In ähnlicher Weise wirft die Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 10. 4. 195315 die Frage auf, ob bei der Schenkung eines "Stammrechts" (Beteiligung am Betrieb, hypothekarisch gesichertes Darlehen, Nießbrauch) die "Früchte dieses Stammrechts allgemein Einkünfte dieses Berechtigten" seien. In die gleiche Richtung deutet die Aussage, ein Betrieb (als bisherige Einkunftsquelle) könne "sozusagen gegen das selbständige Rentenstammrecht eingetauscht" werden18• Im übrigen erinnern auch die Entscheidungen des Bundesfinanzhofs zur Leibrente und zur dauernden Last i. S. des § 22 Nr. 1 Buchst. a Nr. la EStG an die Überlegungen zur "Quellenmäßigkeit" wiederkehrender Leistungen17• Hier wie dort spielt nämlich das Merkmal der Dauerhaftigkeit eine entscheidende Rolle18• Auch für Zuschüsse und sonstige Vorteile i. S. des § 22 Nr. 1 Buchst. b wird ein "einheitlicher Rechtsgrund" verlangt18 oder gar gefordert, sie müßten den Charakter von Nutzungen eines Rechtsverhältnisses haben20 • Hier sind auch die Ausführungen von Littmann21 zu nennen, der für alle wiederkehrenden Bezüge i. S. des § 22 Nr. 1 EStG einen einheitlichen Rechtsgrund verlangt. Biergans I v. Stotzingen22 gehen schließlich davon aus, daß eine Einkommensquelle bei wiederkehrenden Leistungen vorliege, wenn auf sie ein Rechtsanspruch bestehe21• Dieses 1s (o. D. I. Fußn. 70), RStBl. 1924, 36.

Hier folgen Hinweise auf die reichsgerichtliche Rechtsprechung zur Leibrente und auf Gutachten des Reichsfinanzhofs. 15 -IV 384/52 -, BStBl. III 1953, 157. 18 BFH, Urt. v. 18. 3. 1980 VIII R 69/78 -, BStBl. II 1980, 501; ebenfalls zum Wechsel der Einkunftsart durch Begründung eines "selbständigen Stammrechts" BFH, Urt. v. 20. 8. 1965 - VI 156/64 -, BStBl. III 1965, 706. n Vgl. Fuisting I Strutz, § 6 Anm. 10. 18 Vgl. nur BFH, Urt. v. 24. 1. 1952- IV 352/51 -, BStBl. III 1952, 48; Urt. v. 7. 8. 1959 - VI 284/58 -, BStBl. III 1959, 463; Urt. v. 12. 6. 1968 - IV 254/ 62 -, BStBl. II 1968, 653, 654: "ungewöhnlich langer, nicht mehr übersehbarer Zeitraum"; Urt. v. 6. 7. 1973 -VI R 379/70 -, BStBl. II 1973, 868, 869. 18 BFH, Urt. v. 28. 2. 1978- VIII R 116/75 -, BStBl. li 1978, 387, 388. 20 Urt. v. 20.7.1971- VIII 24/65 -, BStBl. II 1972, 170, 171; vgl. aber noch Stendel, JbFfSt 1969/70, 267, 269, der das "Stammrecht" mit dem "einheitlichen Berechtigungsgrund" gleichgesetzt und nur für die Leibrente gefordert hat. 21 EStR, §§ 22, 23 Rdnr. 2. 22 s. 243. 28 Ähnlich Tipke, Steuerrecht, 6. Aufl., § 11 3. 427, S. 172, der allerdings der Rechtsprechung entnimmt, daß für wiederkehrende Bezüge ein "Stamm14

111. Die Funktion des "Stammrechts" im Steuerrecht

213

Recht auf die laufenden Bezüge sei also die Einkunftsquelle und es werde bei der Leibrente als "Stammrecht" bezeichnet. Auf dieser Grundlage wenden sie sich sogar gegen die Praxis, betriebliche Versorgungsrentenden Einkünften aus Gewerbebetrieb zuzurechnen. Nach ihrer Ansicht fließen diese Einkünfte nicht aus der früheren betrieblichen Tätigkeit, sondern aus dem "Rentenstammrecht" zu24 • In ähnlicher Weise wenden sich andere Stimmen25 dagegen, daß § 12 Nr. 2 EStG auf die Zahlung einer Leibrente angewandt werden könne. Rechtsgrund der Unterhaltszahlung sei nämlich das "Stammrecht", durch das der rechtliche Zusammenhang mit den verwandtschaftlichen Beziehungen "unterbrochen" werde. Diese Ansicht fußt auf der Überlegung, daß § 12 Nr. 2 EStG als Abzugsverbot nicht eingreift, wenn auf den Berechtigten eine Einkunftsquelle übertragen wird, aus der er "originär" Einkünfte zieht28 • Littmann27 setzt die Überwindung des Abzugsverbots sogar mit dem Fall gleich, daß "Stammrechte eingeräumt oder übertragen werden". Ein Blick auf das französische Einkommensteuerrecht zeigt allerdings, daß es keiner ausgeprägten Stammrechtstheorie i. S. der reichsgerichtliehen Rechtsprechung bedarf, um bei einer Leibrente eine Einkunftsquelle auszumachen. Das französische Einkommensteuerrecht geht auch im Grundsatz von einem Einkunftsbegriff aus, dem eine gewisse periodische Wiederkehr eigentümlich ist28• Allein dieser Ansatz reicht aus, um sowohl "pensions" als auch "rentes viageres" neben Löhnen und Gehältern der Einkommensteuer zu unterwerfen (Art. 79 C. G. 1.). b)

Der Zusammenhang mit dem Einkunftsbegriff

Für das preußische Einkommensteuerrecht war es nur folgerichtig, daß man bestrebt war, bei wiederkehrenden Leistungen eine Einkunftsquelle auszumachen. Da dieses Einkommensteuerrecht an der recht" oder eine Zusicherung für längere Zeit nicht erforderlich sei; nach der angeführten Entscheidung (BFH, Urt. v. 27. 11. 1959 -VI 172159 -, BStBl. 111 1960, 65) ist für Zuschüsse i. S. des § 22 Nr. 1 c EStG 1953 keine Mindestdauer zu verlangen, allerdings müßten sie auf einer "einheitlichen Entschließung des Gebers" beruhen. Vgl. aber auch Ctarenz, S. 11, der den erforderlichen "einheitlichen Verpflichtungsgrund" mit dem "Rentenstamrrirecht" gleichsetzt; ferner BFH, Urt. v. 18. 1. 1963 - VI 242161 -, BStBl. III 1963, 141. 24 Biergans I v. Stotzingen, S. 159; ähnlich Wollny, BB 1980, 306, 311; ebenso schon Brockhoff, FR 1956, 438, 439. 25 Hermann I Heuer, EStG, KSt, § 22 EStG Anm. 12. 28 Hermann I Heuer, ESt, KSt, § 12 EStG Anm. 8 g; ferner Ruppe, S. 32 m. w. Nachw. 27 EStR, § 12 Rdnr. 116; ähnlich Hermann I Heuer, ESt, KSt, § 12 EStG Anm.8g. 28 Lefebvre I Pöllath I Rädler, Rdnr. 370.

214 D. Rechtsvergleichende Betrachtung zw. Zivilrecht und Steuerrecht Quellentheorie orientiert warD, lag es nahe, in Zweifelsfällen die einzelnen Einkunftsarten anhand der Aussagen dieser Theorie abzugrenzen. Da hiernach die "Erträge dauernder Quellen der Gütererzeugung" als besteuerungswürdig angesehen wurden30, rückten wiederkehrende Leistungen allein wegen des Gesichtspunkts der Wiederkehr ins Blickfeld31. Andererseits konnte das Merkmal der Dauerhaftigkeit dazu dienen, gelegentliche und ungewisse Zuschüsse von denen abzugrenzen, die langfristig der Befriedigung der materiellen Bedürfnisse dienen konnten. Dagegen ist es nicht selbstverständlich, daß die angesprochenen Überlegungen die Zeit des preußischen Einkommensteuerrechts überdauern konnten. Immerhin markiert das Einkommensteuergesetz von 192032 eine Abkehr von den Vorstellungen der Quellentheorie33• Hier sind die Forderungen der Reinvermögenszugangstheorie von Schan;!4 weitgehend verwirklicht, die die Gesamtheit aller Güterzugänge als steuerpflichtiges Einkommen erfassen will. Auf die Form und die Nachhaltigkeit des Zuflusses soll es danach nicht mehr ankommen35• Zwar hat kurze Zeit später das Einkommensteuergesetz von 192538 diesen Gedanken wieder abgeschwächt. Seither herrscht jedoch die Doktrin, das insofern unverändert fortgeltende Einkommensteuerrecht folge keinem der beiden theoretischen Ansätze, sondern schreibe einen pragmatischen Kompromiß gesetzlich fest37• Allerdings ist immer wieder bet ont worden, daß vor allem der Ansatz der Quellentheorie überwunden sei38• Fasselt30 hat hierzu sogar auf die in § 2 Abs. 1 Nr. 7 EStG genannte Einkunftsart "sonstige Einkünfte" verwiesen. Weil damit im Sinne einer Generalklausel sonstige Leistungsgewinne erlaßt würden, stehe das geltende Einkommensteuerrecht dem "denkbar weitesten Einkommensteuerbegriff ungleich näher" als dem eingeschränkten der Quellentheorie. 20 Vgl. nur Tipke, Steuerrecht, § 11 4. ao Fuisting I Strutz, § 6 Anm. 2, S. 162.

1, S. 148; ferner Fasselt, S. 9.

31 Zu den historischen Wurzeln der Besteuerung von Rentenleistungen

Vocke, S . 197, 198.

RGBl., 395. Dazu näher Buck, S. 17; Birk, S. 18. 8' Fin-Arch, Bd. I, 1 ff. 85 Zu den politischen und wirtschaftlichen Gründen der Abkehr von der Quellentheorie vgl. Bühler, Lehrbuch, § 6, S. 27; ferner Fasselt, S. 34 ff. und Walz, S. 77, 78. 88 RGBl. I, 189. 17 Vgl. schon die Begründung zum EStG 1934, RStBl. 1935, 33; ferner RFH, Urt. v.16.11. 1927- VIA 229/27-, RStBl. 1928, 27; weiterführend K. Schmidt, Handbuch, S. 142. 88 Bühler, Lehrbuch, § 6 I, S. 28, 29; B ecker, Grundlagen, § 166, S. 206. SD S. 53. 31 83

111. Die Funktion des "Stammrechts" im Steuerrecht

215

Wenn man insbesondere anband der Stellungnahme von Fasselt der Frage nachgeht, wie gerade in der von ihm herausgestellten Einkunftsart Überlegungen der Quellentheorie sich behaupten konnten, so läßt sich für diesen vermeintlichen Widerspruch eine Erklärung finden. Es ist richtig ,daß die in § 2 Abs. 1 Nr. 1-6 EStG genannten Einkunftsarten die steuerpflichtigen Einkünfte pragmatisch umschreiben, ohne einen theoretischen Einkunftsbegriff vorauszusetzen. Das Gesetz zählt vielmehr bestimmte wirtschaftliche Tätigkeiten auf, und die damit zusammenhängenden Einkünfte werden ohne Rücksicht auf die Art und Weise ihrer Entstehung einkommensteuerlich erfaßt. Bei der in § 22 EStG geregelten Einkunftsart trüft dies jedoch nur zum Teil zu. Ohne weiteres fügen sich die Einkünfte aus Spekulationsgeschäften (§§ 22 Nr. 2, 23 EStG) und der Tätigkeit als Abgeordneter (§ 22 Nr. 4 EStG) in den Einkünftekatalog ein. Dagegen werfen bereits die "Einkünfte aus Leistungen" (§ 22 Nr. 2 EStG) trotz der beispielhaften Erläuterung Probleme der Rechtsanwendung auf40• Ein Blick in einschlägige Urteile und Kommentierungen zeigt, daß dabei prinzipielle Fragen der Besteuerungswürdigkeit zu klären sind. Nur aufgrund solcher Erwägungen kann man hier zu dem Ergebnis kommen, daß zwar der Nobelpreis, aber nicht der Staatspreis für das Kunsthandwerk in Nordrhein-Westfalen steuerfrei sei41 • Einer unbefangenen Betrachtung wird sich auch nicht ohne weiteres erschließen, daß hier die Steuerpflicht für Einkünfte aus gewerbsmäßiger Unzucht42 und aus der Tätigkeit eines Erpressers 43 geregelt ist. In diesem Fall wird auch der Steuerpflichtige, der einen ungeklärten Vermögenszuwachs durch seine angebliche Erpressertätigkeit plausibel machen wollte, von dieser Beurteilung überrascht worden sein. Eine ähnliche Erfahrung dürfte der Steuerpflichtige gemacht haben, der sich zu einem ungeklärten Vermögenszuwachs schließlich dahin eingelassen hat, er habe die fraglichen DM 78 000,- heimlich durch das Einsammeln leerer Coca-Cola-Flaschen erwirtschaftet. Auch hier hat der Bundesfinanzhof eine Leistung i. S. des § 22 Nr. 3 angenommen und somit die Steuerpflicht bejaht44• Noch viel verschwommener sind allerdings die Konturen der "Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen" i. S. des § 22 Nr. 1 EStG. Eine zugrundeliegende wirtschaftliche Betätigung ist zwar denkbar45, aber offenbar nicht erforderlich. Steuerpflichtig sind nämlich auch "Einkünfte 40

So schon E. Becker, Grundlagen, § 171, S. 213, 214.

" Littmann, EStR, § 22, Rdnr. 110. 42 43

41

45

BFH, Urt. v. 17. 4. 1970- VI R 164/68 -, BStBl. II 1970, 620 f. FG Münster, Urt. v. 18. 2. 1966 -VI a 312/65 -, EFG 1966, 409, 410. BFH, Urt. v. 6. 6. 1973 - I R 203/71 - , BStBl. II 1973, 727 f. z. B. beim Kauf eines Hauses auf "Rentenbasis".

216 D. Rechtsvergleichende Betrachtung zw. Zivilrecht und Steuerrecht aus Zuschüssen und sonstigen Vorteilen, die als wiederkehrende Bezüge gewährt werden" (§ 22 Nr. 1 Buchst. b EStG). Bei der Entscheidung über die Besteuerungswürdigkeit anhand des Merkmals der Wiederkehr ist der Rechtsanwender somit weitgehend auf sich gestellt. Nicht verwundern kann dabei, wenn er sich an den Vorstellungen der Quellentheorie orientiert. Hierin wurzelt nämlich die Anknüpfung an das Merkmal der periodischen Wiederkehr. c) Folgerungen für die Sinnhaftigkeit des § 22 EStG

Eine BetraChtung des theoretischen Hintergrundes hat ergeben, daß der Gesetzgeber seit dem Einkommensteuergesetz von 1925 zwar eine pragmatische Lösung verfolgt, aber dabei vor der in § 2 Abs. 1 Nr. 7 EStG genannten Einkunftsart Halt gemacht hat'8 • Insbesondere innerhalb des von§ 22 Nr. 1 und 3 EStG umschriebenen Bereichs stellen sich auf der Ebene der Gesetzesanwendung scheinbar überwundene Probleme des steuerlichen Einkunftsbegriffs47 • Aus diesem Blickwinkel werden noch einmal die geschilderten Auseinandersetzungen um die Besteuerung wiederkehrender Leistungen verständlich. Die Anknüpfung an die Form der Leistung, die Ermittlung eines Überschusses durch Verrechnung und die Erfassung des Zinsanteils bilden Grundpositionen im Streit um die Ausformung des Einkunftsbegriffs für wiederkehrende Leistungen. Es sollte Einigkeit darüber zu erzielen sein, daß die Rechtsprechung mit dieser Aufgabe überfordert ist, zumal nicht zuletzt die bereits vorgenommenen Gesetzesänderungen sinnvolleLösungende lege lata verhindern. Hier kann nur der Gesetzgeber durch eine überlegte und theoretisch fundiertere Form Abhilfe schaffen48 • Bei näherem Zusehen ist der dabei einzuschlagende Weg sogar schon vorgezeichnet. An dieser Stelle soll nicht näher behandelt werden, ob die verbliebene einkommensteuerliche Grauzone vollends beseitigt werden kann49 oder ob eine Generalklausel erforderlich bleibt. Jedenfalls spricht alles dafür, die Grenzen zwischen den spezifizierten Einkunftsarten und den "sonstigen Einkünften" zugunsten der ersteren zu verschieben. Nicht zuletzt würde dabei gerade im Hinblick auf die wiederkehrenden Bezüge i. S. des § 22 Nr. 1 EStG eine bewährte Tradition fortgeführt werden50• Es ist hier nämlich in Erinnerung zu rufen, daß schon der So schonE. Becker, Grundlagen, § 171, S. 213, 214; ferner Laux, S. 114. Vgl. schon Vogt, WPg 1953, 12, 13, nach dessen Auffassung der Gesetzgeber mit dem "Sammelparagraphen 22" keine glückliche Hand gehabt habe; als Beispiel zu § 22 Nr. 3 aus der Rspr. neuerdings BFH, Urt. v. 26. 10. 1982 - VIII R 83/79 -, BStBl. II 1983, 404 f. 48 Sogar einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz stellt Lang, StuW 1983, 103, 112 in den Raum. 49 So Laux, S. 114. 46

41

III. Die Funktion des "Stammrechts" im Steuerrecht

217

Reichsfinanzhof sich mit Erfolg darum bemüht hat, den Anwendungsbereich des§ 22 Nr. 1 EStG und seiner Vorläufer einzuschränken. Einen ersten bedeutsamen Schritt bildete dabei die Herausnahme sämtlicher betrieblicher Leistungen51• Dem ist der Gesetzgeber wenige Jahre später mit der Einfügung der "Subsidiaritätsklausel" in das Einkommensteuergesetz 193452 gefolgt. Weiterhin ist schon im einzelnen geschildert worden (C. III. 2. a) bb)), wie nach und nach zeitlich begrenzte Leistungen aus dem Anwendungsbereich des § 22 Nr. 1 EStG herausgenommen wurden. Hier hat die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofes an die Zinsanteile der wiederkehrenden Leistungen angeknüpft, um diese dann den Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG) zuzuordnen53. Die Reform von 1954 läßt sich als der- allerdings mißglückteVersuch verstehen, dieses Modell auch auf lebenslängliche Leistungen zu übertragen. Die geschilderte Entwicklung kann man folgerichtig fortsetzen, indem bei der Besteuerung sämtlicher wiederkehrender Leistungen an den Zinsanteil angeknüpft wird54• Die bisher in § 22 Nr. 1 EStG genannten Einkünfte könnten dann der in § 20 EStG geregelten Einkunftsart zugeordnet werden. Kein Hindernis sollten dabei die Besonderheiten bilden, die sich aus der unbestimmten Laufzeit lebenslänglicher Leistungen ergeben. Wie die vielleicht etwas zu detaillierte Tabelle in § 22 Nr. 1 Buchst. a EStG zeigt, bestehen praktikable Möglichkeiten, die Zinsanteile steuerlich vereinfachend zu erfassen. Hier soll nicht weiter untersucht werden, ob bei den wiederkehrenden Leistungen ein Restbereich bleibt, auf den das beschriebene Lösungsmodell mangels eines Zinsanteils nicht anwendbar ist55• Diese Annahme liegt für alle Fälle nahe, in denen nicht von einer "Verrentung" eines geschuldeten Kapitalbetrages gesprochen werden kann. Zu denken ist hier insbesondere an die Sozialversicherungsrente58 und die Schaden50 Vgl. hierzu schon Bühler, StuW 1948, Sp. 559, 574, dessen Prognose im nachhinein als zu optimistisch beurteilt werden muß. 51 BFH, Urt. v. 14. 5. 1930 VI A 706/28 - , RStBI. 1930, 580 f.; vgl. auch schon (o. D. I. Fußn. 29), RStBl. 1930, 578. 52 RGBl. I, 1005, 1012. 53 Sehr weitgehend BFH (o. D. I. Fußn. 29) VI R 212/69 - , BStBI. li 1970, 541; vgl. auch BFH, Urt. v . 20. 8. 1970 - IV 143/64 -, BStBI. II 1970, 807 ff. wegen des Zinsanteils betrieblicher Zeitrenten. 64 Ebenso der Vorschlag von Biergans I v. Stotzingen, S. 242 ff.; ähnlich schon Grune, DStZ/A 1964, 39, 41 f. 66 Zum Bereich der Unterhaltsleistungen vgl. Lang, StuW 1983, 103, 111. 56 Seitdem das Anwartschaftsdeckungsverfahren durch das Umlageverfahren abgelöst worden ist, werden die eingehenden Mittel nahezu unmittelbar an die Rentenempfänger weitergeleitet. Es unterbleibt also eine Kapitalbildung. Die Leistungen der Versicherten werden also nicht angesammelt und "verrentet" wieder ausgeschüttet. Wie schon der Begriff "Generationenver-

218 D. Rechtsvergleichende Betrachtung zw. Zivilrecht und Steuerrecht

ersatzrente gemäß § 844 Abs. 2 BGB57• Selbst in diesem Zusammenhang wirkt sich der beschriebene Ansatz jedoch fruchtbar aus, weil über die Besteuerungswürdigkeit dieser bestimmten Leistungen bewußt zu entscheiden ist. Für die Sozialversicherungsrente wäre dies mit dem Vorteil verbunden, daß die eher undurchsichtige Besteuerung nach dem Ertragsanteil als Form der Privilegierung durch eine offene Begünstigung abgelöst werden könnte158• Insofern kann auch die französische Regelung als Vorbild dienen, die einmal zwischen Renten und Pensionen unterscheidet und zudem detaillierte Befreiungsvorschriften enthäUS0 • Bei der Schadenersatzrente gemäß § 844 Abs. 2 BGB müßte man wohl vergeblich nach einem plausiblen Grund für ihre Besteuerung suchen60• Gerade hieran zeigt sich aber noch einmal, daß die Auflösung der bislang in § 22 Nr. 1 EStG geregelten Einkunftsart einen beachtlichen systematischen Fortschritt bedeuten würde. 3. Bild für eine einkommensteuerlicll relevante Minderung der Leistungsfähigkeit

a) Rückschlüsse aus der Annahme eines "Stammrechts" bei allen nach§ 10 Abs.l Nr.la EStG abzugsfähigen wiederkehrenden Leistungen Die Betrachtung des steuerrechtliehen Meinungsspektrums hat ergeben, daß auch für die dauernde Last i. S. des§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG ein "Stammrecht" verlangt wird (o. C. IV. 5. c)). Die hierzu bei Jansen I Wrede81 zu findende Begründung läßt deutlich einen Aspekt der Starnmrechtsvorstellung hervortreten. Hiermit soll nämlich ein geeigneter Weg beschritten sein, um die Abzugsfähigkeit als dauernde Last angetrag" zeigt, handelt es sich um Vermögensverschiebungen zwischen dem erwerbstätigen Teil der Bevölkerung und denjenigen, die schon aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind. 57 Zur Besteuerung von Schadenersatzrenten vgl. Steinle, S. 46 ff. 58 Dazu schon Weiter, StuW 1980, 332, 340. 50 Erschreckend ist allerdings der Umfang und die Unübersichtlichkeit der vorgesehenen Befreiungen; dazu näher Memento Pratique, Rdnr.1630; Documentation Pratique, §§ 850 ff. 80 Vgl. dazu die wenig befriedigende Entscheidung des BFH v. 19. 10. 1978 - VIII R 9/77 -, BStBl. II 1979, 133 ff., die nicht überzeugend begründen kann, warum die Gewährung des "Unterhalts" in der Form des Schadenersatzes (wegen der Annahme einer dauernden Last sogar in vollem Umfang!) steuerpflichtig sein soll; wenn sich die Leistungen beim Schädiger nicht steuermindernd auswirken, kommt man zu dem merkwürdigen Ergebnis, daß der Fiskus von dem schädigenden Ereignis profitiert. Näher zu den Einzelheiten der Besteuerung von Schadenersatzrenten v. Bornhaupt, NWB, Fach 3, S. 4581 ff.; (o. Verf.), NWB, Fach 3, S. 4729 ff. u 6. Aufl., S. 61; wie schon erwähnt hat die 7. Aufl. insofern eine Meinungsänderung gebracht.

III. Die Funktion des "Stammrechts" im Steuerrecht

219

messen zu beschränken62 • Der Begriff des "Stammrechts" soll also dazu dienen, abzugswürdige wiederkehrende Leistungen von sonstigen Leistungen zu unterscheiden. Hier kommt die Vorstellung zum Ausdruck, das "Stammrecht" umschreibe eine nachhaltige Minderung der Leistungsfähigkeit, die wiederum als Grund für die Abzugsfähigkeit nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG gesehen wird. Auch wenn die genannte Stellungnahme mittlerweile überholt ist, öffnet sie den Blick für den theoretischen Hintergrund vieler Diskussionsbeiträge zum "Stammrecht" und der Abzugsmöglichkeit wiederkehrender Leistungen. Schon Geyler63 hat die Verpflichtung zu wiederkehrenden Leistungenaufgrund eines "Rentenstammrechts" vagen Versprechungen gegenübergestellt, die nach Umfang und Dauer einen unbegrenzten Spielraum lassen. Weil diese nur eine moralische, nicht aber eine rechtlich bindende Verpflichtung begründeten, seien sie "keinesfalls ausreichend". Einer Stellungnahme von Böttcher64 ist zu entnehmen, daß nach der Rechtsprechung die "Begründung eines Rentenstammrechts ... so stark" sei, daß sie zur einkommensteuerliehen Abzugsfähigkeit führen müsse. W. Theis85 hat einer Entscheidung des Finanzgerichts Karlsruhe88 zugestimmt, nach der das fehlende "Stammrecht" sowohl für die Rente als auch die dauernde Last i. S. des§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG die Abzugsmöglichkeit beseitige. Der Begriff des "Stammrechts" sei nämlich für beide Formen der wiederkehrenden Bezüge gleich, weil jeweils ein besonderer Verpflichtungsgrund erforderlich sei. Auch Meyer I Richter61 verknüpfen den gesetzlich geforderten "besonderen Verpflichtungsgrund" mit der Annahme eines "Stammrechts". Wenn ein "Stammrecht" fehle, werde freiwillig geleistet68, und zudem sei die erforderliche Dauerhaftigkeit der wiederkehrenden Leistungen nicht gegeben. Stoll89 äußert sich kritisch zur Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, die ein "Stammrecht" für eine dauernde Last nicht fordere. Schon der Begriff "dauernde Last" verlange einerseits eine Belastung und andererseits eine Anspruchsberechtigung. Vorauszusetzen sei deshalb ein "Stammanspruch", aus dem die Forderungen auf Erbringung der ein62 63 64

Jansen I Wrede, 6. Aufl., S. 57.

s. 71, 75.

StbJb 1954/55, 153, 176.

" DB 1965, 449, 451. 66 87 88 68

Urt. v. 16. 12. 1960 - I 200/60 -, EFG 1961, 156, 157. FR 1970, 373, 375. Ähnlich Fichtelmann, NSt 1978, Renten Darstellung 1, S. 26. S.14f.

220

D. Rechtsvergleichende Betrachtung zw. Zivilrecht und Steuerrecht

zeinen Leistungen abgeleitet werden könnten. Nur "aus einem Dauerverhältnis dieser Mindestgestaltung heraus" könne die Leistungsfähigkeit des Berechtigten auf Dauer gestärkt und - so darf man ergänzen - des Verpflichteten geschwächt erscheinen. Zwar folgen ein Teil der Literatur70 und insbesondere die Rechtsprechung nicht dem herausgearbeiteten begrifflichen Ansatz. Dennoch ist auch hier das Bemühen erkennbar, durch ähnliche sachliche Erwägungen den Kreis der abzugsfähigen wiederkehrenden Leistungen zu begrenzen. Schon in einem Urteil vom 18. 4. 192371 hat der Reichsfinanzhof ausgeführt, daß Zuschüsse, die für einige Jahre gewährt werden, nicht die "Natur von Rentenschulden besitzen". In einer kurz darauffolgenden Entscheidung72 wird Studienzuschüssen der Abzug versagt, weil selbst der Beschwerdeführer nicht behauptet habe, daß mit der fraglichen Zusage ein "Rentenstammrecht" begründet worden sei. Auch eine dauernde Last könne nicht angenommen werden, da der Verpflichtete nur "vorübergehende, kein sein Vermögen auf die Dauer belastenden Verpflichtungen übernommen" habe. Auch dem Beschwerdeführer könne es nicht gefallen, wenn diese Verpflichtungen durch ein "ewiges" Studium des Sohnes wirklich zu dauernden würden. Das Urteil vom 19. 8. 193178 fordert für dauernde Lasten eine "längere Dauer, die allerdings meist unbestimmt sein wird". Weniger strenge Maßstäbe werden an die Rente gelegt, aber auch hier sei eine "Zusage auf längere Zeit" zu verlangen. Der Bundesfinanzhof hat die geschilderte Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs fortgeführt. Weil die Begriffe der "dauernden Last" und der Rente einander ähnlich seien, lehnt das Urteil vom 24. 1. 1952n die Abzugsfähigkeit von Studienzuschüssen wegen der fehlenden dauernden Belastung ab. Insbesondere die Entscheidung vom 20. 7. 197175 läßt das Bemühen erkennen, die Abzugsmöglichkeit wiederkehrender Leistungen sachgerecht einzuschränken. Hier wird offengelege6, daß die Anforderungen an die Annahme "wiederkehrender Bezüge" i. S. des § 22 Nr. 1 EStG hoch angesetzt werden, weil diese auf der Seite des Verpflichteten eine abzugsfähige Last darstellten. Deshalb müßten einkommensteuer70 Vgl. Hermann I Heuer, ESt, KSt, § 10 EStG Anm. 36, die herausstellen, daß der geforderte "besondere Verpflichtungsgrund" und das "Rentenstammrecht" nicht identisch seien. 71 111 A 129/23 -, RStBl. 1923, 278, 279. 72 (o. D. I. Fußn. 70), RStBl. 1924, 36; ähnlich auch Urt. v. 28. 5. 1929 VI A 646/29 -, RStBl. 1929, 453, 454. 73 -VI A 420/31 -, RStBl. 1931, 910. 74 (o. Fußn. 18), BStBl. 111 1952, 48, 49. 75 (o. Fußn. 20), BStBl. II 1972, 170, 171. 76 Dazu kritisch Blencke, StRK-Anm. EStG § 22 Ziff. 1 R. 105.

III. Die Funktion des "Stammrechts" im Steuerrecht

221

lieh relevante wiederkehrende Leistungen den "Charakter der Nutzungen eines Rechtsverhältnisses" haben, und sie dürften nicht von einer jedesmaligen neuen Entschlußfassung abhängen. b) Folgerungen für die Sinnhaftigkeit des§ 10 Abs.l Nr.la EStG

An dieser Stelle kann weitgehend auf die kritischen Ausführungen zu § 22 Nr. 1 EStG verwiesen werden. Ebenso wie in dieser Bestimmung die nähere Ausformung einer Einkunftsart der Rechtsanwendung überlassen wird, umschreibt§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG nur vage eine einkommensteuerlich relevante Minderung der Leistungsfähigkeit. Hier wie dort ist es das Merkmal der Wiederkehr, das zunächst ein breites Spektrum von Leistungen ins Blickfeld rückt. Deshalb kann schon beim ersten Zusehen die rechtspolitische Forderung erhoben werden, den wirklich betroffenen Bereich anband sachlicher Kriterien im Gesetz zu umschreiben. Allerdings macht die Anlehnung an die Überlegungen zu § 22 Nr. 1 EStG einige zusätzliche Bemerkungen erforderlich. Ein gleichsam spiegelbildliches Vorgehen könnte durch das sog. Korrespondenzprinzip nahegelegt werden. Nach dieser immer wieder herausgestellten Regel77 sollen sich bei wiederkehrenden Leistungen die Besteuerung des Empfängers und die Abzugsmöglichkeiten beim Verpflichteten entsprechen. Dies sei in § 22 Nr. 1 S. 2 EStG angeblich gesetzlich verankert. Dabei wird übersehen, daß die dort festgelegte Abhängigkeit der Steuerpflicht von der Abzugsmöglichkeit nur eine Folge der Konturenlosigkeit der betroffenen Einkunftsart ist. Weil nur an das formale Merkmal der Wiederkehr angeknüpft wird, erscheint es unbillig, die Leistungen auch noch "doppelt" 78 zu besteuern. Von diesen ohnehin fragwürdigen Überlegungen71 muß man sich freimachen, wenn die Reform des § 22 Nr. 1 EStG als Problem der Spezifizierung einer Einkunftsart und die Reform des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG i. S. einer Konkretisierung steuermindernder persönlicher Belastungen verstanden wird. Zwischen diesen beiden Gesichtspunkten läßt sich offensichtlich keine Verbindung herstellen, da die Besteuerungswürdig77 RFH, Urt. v. 18.1.1928- VI A 192/27 RStBI. 1928, 97; BFH, Urt. v. 18. 9. 1952 - IV 70/49 - , BStBI. III 1952, 290, 292; Urt. v. 23. 4. 1953 - IV 176/57 - , BStBI. III 1958, 277; (o. Fußn. 23), BStBI. III 1960, 65, 66; vgl. auch Urt. v. 10. 5. 1960 - I 205/59 - , BStBI. III 1960, 335, 336; ferner BT-Drucks. II/961, 88. 78 RFH, Urt. v. 10. 9. 1930 VI A 485/30 - RStBI. 1930, 811, 812; Geyler, s. 70, 83. 71 Kritisch zum Korrespondenzprinzip Blencke, StRK-Anm. EStG § 22 R. 105; Littmann, EStR, § 22 Rdnr. 18; Tipke, StuW 1980, 1, 8; ders., Steuergerechtigkeit, S. 86; Biergans I v . Stotzingen, S. 64, 159; vgl. dort aber auch s. 239, 240.

222 D. Rechtsvergleichende Betrachtung zw. Zivilrecht und Steuerrecht

keit beim Berechtigten noch nichts über die besondere Belastung beim Verpflichteten aussagt. Um dies zu veranschaulichen, ist an die Steuerpflicht von Zinseinnahmen zu erinnern, die selbstverständlich nicht von der Abzugsmöglichkeit beim Verpflichteten abhängt. Wenn also vorgeschlagen wurde, die bisher in § 22 Nr. 1 aufgeführte Einkunftsart weitgehend in der in § 20 EStG genannten aufgehen zu lassen, so ist hieraus nichts für eine entsprechende Abzugsmöglichkeit beim Verpflichteten herzuleiten. Im Gegenteil werden die bisherigen Ausführungen durch die Feststellung bestätigt, daß der Abzug von Zinsen als Sonderausgaben durch Art. 1 Nr. 3 des Steueränderungsgesetzes vom 26. 6. 197380 beseitigt worden ist81 • Damit rückt die Abzugsmöglichkeit für Leib- und Zeitrenten ohnehin in ein merkwürdiges Licht. Wenn man im Sinne der Reform von 1954 bei Leibrenten zwischen dem "Stammrecht" und dem zinsähnlichen Ertragsanteil unterscheidet, ist die Abzugsfähigkeit von Zinsen das Vorbild und im Interesse der Systemgerechtigkeit auch die Voraussetzung für die steuerliche Wirksamkeit des Ertragsanteils der Leibrente. Dieser Zusammenhang ist auch schon immer betont worden82 • Man muß sich deshalb ohne Rücksicht auf verschwommene Vorstellungen von einem "Stammrecht" Rechenschaft darüber ablegen, nach welchem Kriterium der Kreis der abzugsfähigen wiederkehrenden Leistungen bestimmt werden soll. Dabei wird sich wohl die Erkenntnis durchsetzen, daß wiederkehrende Leistungen regelmäßig nicht anhand eines "subjektiven oder privaten Nettoprinzips" 83 abzugsfähig sind84 • In der praktischen Gesetzesanwendung konnte dies bisher nur dadurch eo BGBl. I, 545. Allgemein hierzu Mittetsteiner, Steuer-Kongreß-Report 1974, 73 ff.; s. aber auch StoH, S. 476, 477, der diese Gesetzesänderung anband eines übergeordneten Korrespondenzprinzips kritisiert. 82 Einkommensteuerkommission, Untersuchungen, S. 142; Heister, SteuerKongreß-Report 1969, 475 ff.; Koch, DStZ/A 1972, 2, 4. Anders aber wieder der Gesetzesentwurf eines Dritten Steuerreform-Gesetzes (BT-Drucks. 7/1470), dessen § 68 zwar folgerichtig Zeitrenten nicht berücksichtigen will. Dagegen soll die Abzugsmöglichkeit des Ertragsanteils von Leibrenten beibehalten werden, weil mit der Leibrente ein "besonderes Wagnis" verknüpft sei (BTDrucks. 7/1470, 280). 83 Tipke, StuW 1980, 1, 4; das genannte Prinzip ist daraus abgeleitet, daß die Abzugsfähigkeit von Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen Einkunftsteile, die aus privaten Gründen der Existenzsicherung nicht disponibel sind, der Besteuerung entziehen soll. 84 So schon Tipke, StuW 1980, 1, 5 für "nicht zwangsläufige" Renten und dauernde Lasten; ders., Steuergerechtigkeit, S. 85; vgl. auch Biergans I v. Stotzingen, S. 246, 247, die ihre Überlegungen allerdings schon bei der Erkenntnis abbrechen, daß die Abzugsmöglichkeit des Ertragsanteils mit der von Zinsen zusammenhängt. Damit ist der Blick für andere Gesichtspunkte und Fallgestaltungen (z. B. die Belastung mit einer Schadenersatzrente aufgrund einer Gefährdungshaftung) versperrt. 81

III. Die Funktion des "Stammrechts" im Steuerrecht

223

verschleiert werden, daß man entgeltliche Zeitrenten als verzinsliche Raten verstanden hat. Die Vereinbarung lebenslänglicher Leistungen ist wiederum im privaten Bereich zu umständlich, um durch "mißbräuchliche" Gestaltungen im Gesetz angelegte Wertungswidersprüche aufzudecken85• Im übrigen sind hier auch die Auswirkungen des § 12 Nr. 2 EStG zu nennen, die auf mittlerweile undurchsichtige Weise die Abzugsmöglichkeit wiederkehrender Leistungen erheblich einschränken. Daranknüpft sich die weitere Forderung, bei einer Reform die Wechselwirkung von Sonderausgabenabzug und Abzugsverbot aufzuheben. Die abzugsfähigen Leistungen sollten positiv aufgezählt werden. Damit läßt sich verhindem, daß der Gesetzgeber wie in der Vergangenheit selbst den Überblick über den verbleibenden Bereich abzugsfähiger Leistungen verliert. Als Bestätigung für die soeben vorgestellte These kann schließlich der Hinweis auf das französische Einkommensteuerrecht dienen. Gemäß Art. 156 Abs. 2 Nr. 2 C. G. I. sind Renten abzugsfähig, wenn sie zwangsläufig88 und unentgeltlich zu zahlen sind. Selbst diese eingeschränkte Abzugsmöglichkeit gilt aber nur noch für eine Übergangszeit; weitere Voraussetzung ist nämlich, daß die Verpflichtung vor dem 2. 11. 1959 entstanden ist. Darüber hinaus können nur noch bestimmte (z. B. anläßlich einer Ehescheidung durch Urteil begründete) Renten abgesetzt werden. 4. Bild für das Rentenkapital

Schließlich ist noch auf eine bedeutsame steuerrechtliche Funktion des "Stammrechts" einzugehen, die in besonderem Maße zum Verständnis der gegenwärtigen einkommensteuerliehen Behandlung von Leibrenten beiträgt. a) Hinweise aus dem Sprachgebrauch in Literatur und Rechtsprechung Rose hat vor einiger Zeit in einem Beitrag über Zinssatzfragen in der Steuerpraxis Renten- und Ratenzahlungen aus finanzmathematischer Sicht behandelt. Seine Erläuterungen87 knüpfen daran an, daß 85 Wer beim Erwerb eines privaten Kraftfahrzeugs der Abschaffung des Schuldzinsenabzugs ausweichen will, muß nur eine lebenslängliche dauemde Last oder eine Zeitrente vereinbaren, um seine Zahlungen steuermindernd einsetzen zu können; dazu schon Mittelsteiner, Steuer-Kongreß-Report 1974, 73, 81. 88 Vgl. die Erläuterung des Gesetzestextes ("a titre obligatoire") in Memento Pratique Rdnr. 227: decision de justice, Obligation legale, engagement librement consenti mais decoulant d'un titre ou d'un ensemble de faits susceptibles de faire la preuve d'une obligation. s1 Rose, StbJb 1973/74, 300, 308.

224 D. Rechtsvergleichende Betrachtung zw. Zivilrecht und Steuerrecht gleichbleibende Zahlungen, die man Annuitäten oder Zeitrenten nenne, über einen bestimmten Zeitraum zu erbringen sind. Aus finanzmathematischer Sicht sei der Rechtsgrund dieser Leistungen unerheblich, so daß zwischen der Verzinsung und Tilgung eines Darlehens und Rentenzahlungen kein Unterschied bestehe. Insbesondere bleibe unberücksichtigt ,daß im ersten Fall ein "Darlehensbetrag", bei einer Rente aber häufig nichts anderes als das Zahlungsversprechen vorhanden sei, das man häufig als "Stammrecht" bezeichne. Eine Hilfsannahme soll dieses Vorgehen plausibel machen: Man müsse sich vorstellen, daß der Rentenberechtigte zu Beginn der Rentenlaufzeit einen dem Wert der ganzen Rente entsprechenden Barbetrag empfangen und diesen dann dem Rentenverpflichteten mit der Bitte wieder ausgehändigt habe, ihn (zu verzinsen und) in gleichen Annuitäten an ihn auszuzahlen. Für Leibrenten gelte das gleiche, nachdem durch dieses oder jenes Verfahren ihre voraussichtliche Laufzeit festgelegt worden sei. Die Erläuterung von Rose setzt an die Stelle des Rentenversprechens und seiner Erfüllung die Vorstellung eines zu verzinsenden und zu tilgenden Kapitals, dessen Höhe dem Barwert der Rente entspricht88• Bei näherem Zusehen ergibt sich, daß diese gedankliche Brücke häufig verwandt wird, wenn von dem "sich verzehrenden Stammrecht" gesprochen wird.

Stendel führt zum "Rentenstammrecht" aus, daß man es "wirtschaftlich" als verzinsliches Kapital ansehe, dessen Tilgung und Verzinsung in Form der Rente erfolge88• Das "Rentenstammrecht" entspreche insoweit der Verpflichtung zur Zahlung eines langfristig und zinspflichtig geschuldeten Kaufpreises. Stendel hält diese Vorstellung wirtschaftlich für richtig, meldet aber Zweifel an ihrer Übertragung ins Steuerrecht an. Allenfalls trete bei der entgeltlichen Rente der "Kapitalverzinsungscharakter" deutlich hervor. Bei den unentgeltlichen Renten sei er schon nicht mehr erkennbar. Schulz80 geht davon aus, daß das "Rentenstammrecht" ein Schuldverhältnis eigener Art begründe, bei dem der Verpflichtete von vornherein mit einer bestimmten Kapitalschuld zugunsten des Berechtigten belastet werde. Dieser "Erfüllungsakt" schaffe dann seinerseits "neue Ansprüche in Form der einzelnen Rentenleistung, die rein äußerlich - abweichend von der Regelung in § 22 EStG - in vollem Umfang Ertrag des Rentenrechts" seien.

Ebenso Mittelbach, StRK-Anm. EStG § 4 Betr. Ein. R. 1, 1, 4. Stendel, JbFfSt 1969/70, 267, 269. uo BB 1969, 1172. 88

8&

III. Die Funktion des "Stammrechts" im Steuerrecht

225

Nach Biergans I v. Stotzingen91 entspricht das "Rentenstammrecht" einem langfristig und zinspflichtig gestundeten Kaufpreis. Deshalb liege es entgegen der Rechtsprechung "allen auf einem Recht basierenden wiederkehrenden Zahlungen" zugrunde. Auch in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist davon die Rede, daß bei einer Zeitrente, "die Forderung (das Stammrecht)" einen bestimmten Kapitalwert besitze, der sich durch Abzinsung der Summe aller noch ausstehenden Teilbeträge ergebe92 • Deshalb bestehe jeder einzelne Teilbetrag aus einem Tilgungsanteil und einem Zinsanteil, die jeweils einkommensteuerlich verschieden zu behandeln seien. Eine Verallgemeinerung dieser Grundsätze und auch ihre Anwendung auf Leibrenten wird jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen. Ferner ist hier auf den in der Rechtsprechung üblichen Sprachgebrauch zu verweisen, nach dem "Rentenstammrechte" aktiviert93 werden oder beim Erwerb auf Rentenbasis die abschreibungsfähigen Anschaffungskosten des erworbenen Wirtschaftsgutes bestimmen94 • Hierzu hat der Bundesfinanzhof schon 1959 ausgeführt, daß sich eine Kaufpreisrente aus einem "gedachten Grundbetrag (Rentenstammrecht) und einer Verzinsung dieses Grundbetrags" zusammensetze95. In diesem Zusammenhang ist schließlich noch der schon behandelte (B. 111. 1. b)) Versuch zu nennen, bei dem Berechtigten einer Leibrente ein "Rentenstammrecht" als abschreibungsfähiges Wirtschaftsgut auszumachen. Hier wird die Vorstellung deutlich, daß die Leistung des Berechtigten (z. B. ein Geldbetrag) gegen das "Rentenstammrecht" eingetauscht98 wird und beim Berechtigten wie ein gleichmäßig zu verzinsender und zu tilgender Kapitalertrag einerseits Erträge abwirft und sich nach und nach "aufbraucht". Allerdings gerät hier auch noch ein anderer Gesichtspunkt ins Blickfeld, wegen dem sich insbesondere in der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs die Vorstellung vom abschreibungsfähigen "Stammrecht" nicht durchsetzen konnte. Da in § 16 Abs. 3 EStG 1925 nur bestimmte körperliche Gegenstände als abschreibungsfähige Wirtschaftsgüter genannt waren, hätte die Argumentation mit dem "Rentenstammrecht" auch insoweit eine Gleichstellung des An91

s. 6, 243.

(o. Fußn. 53) BFH, BStBl. II 1970, 807, 809; vgl. aber jetzt BFH, Urt. v. 25. 11. 1980 - VIII R 71/76 - , BStBl. II 1981, 358 f.; näher zur älteren einschlägigen Rechtsprechung Schober, S. 91 ff. 93 Vgl. BFH, Urt. v. 20. 1. 1971 I R 147/69 - , BStBl. II 1971, 302. 94 BFH, Urt. v. 5. 2. 1969 I R 21/66 -, BStBl. II 1969, 334. 95 BFH, Urt. v. 29. 9. 1955 IV 326/53 -, BStBI. III 1956, 194. 86 So jetzt auch BFH (o. Fußn. 16), BStBl. II 1980, 501, 502; vgl. auch schon BFH, Urt. v. 5. 2. 1953- IV 41/49 -, BStBl. III 1953, 105, 106; ferner Wollny, BB 1980, 306, 311. 92

15 Weiter

226 D. Rechtsvergleichende Betrachtung zw. Zivilrecht und Steuerrecht

spruchsauf die Leibrentenzahlungen plausibel machen müssen07 • Diesen Schritt hat der Reichsfinanzhof jedoch nicht vollzogen98• b) Zur Rechtfertigung der Funktion des "Stammrechts" als Bild für ein Rentenkapital

Aus heutiger Sicht läßt sich für die beschriebene Funktion des "Rentenstammrechts" vor allem die für Leibrenten geltende gesetzliche Regelung anführen. Wie schon näher ausgeführt worden ist (o. C. III. 3. b) und IV. 1. c) dd)), liegt der Besteuerung nach dem Ertragsanteil nämlich der Gedanke zugrunde, daß sich der Erwerb eines "Rentenstammrechts" im Sinne eines Kapitalzuflusses in der Vermögenssphäre abspiele1111• Im Gesetzestext hat sich dies darin niedergeschlagen, daß in § 22 Nr. 1 Buchst. a EStG der "Ertrag des Rentenrechts" definiert wird als Unterschied zwischen dem Jahresbetrag der Rente und dem Betrag, der sich bei gleichmäßiger Verteilung des Kapitalwertes der Rente auf ihre voraussichtliche Laufzeit ergibt100• Einen sicheren Orientierungspunkt kann freilich die Anknüpfung an die einkommensteuerliche Regelung nicht bieten, weil hierin gerade die Wurzel vielfältiger Unklarheiten und Kontroversen liegt. Deshalb ist es hilfreich, zusätzlich noch die schon vorgestellten (C. li. 2.) Bereiche heranzuziehen, in denen Rentenleistungen wie aktuell vorhandenes Vermögen behandelt werden. Sowohl bei der Vermögensteuer als auch bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer bildet der Kapitalwert wiederkehrender Leistungen den Gegenstand der Besteuerung. Wenn hier von einem "Rentenstammrecht" gesprochen wird101, so kann man hierin eine bildhafte Umschreibung des Kapitalwertes sehen, die den Gegenstand der Besteuerung veranschaulichen soll. Mit dieser Maßgabe ist die Vorstellung eines auszuschüttenden Kapitalbetrages aus der gesetzlichen Regelung abzuleiten. Vor dem geschilderten Hintergrund ist durchaus ins Auge zu fassen, daß die Argumentation mit einem "Rentenstammrecht" (im Sinne eines 97 Seit dem EStG 1934 ist in § 7 Abs. 1 allerdings nur noch von Wirtschaftsgütern die Rede; zur Einbeziehung zeitlich begrenzter Rechte als nichtkörperliche Gegenstände nunmehr BFH, Urt. v. 27. 6.1978 - VIII R 12/72 -, BStBl. II 1979, 38 ff. os RFH (o. D. I. Fußn. 68), RStBl. 1928, 93, 94 ; Urt. v. 14. 3. 1928 - VI A 877/27 -, RStBl. 1928, 212; hierzu näher Schober, S. 95 ff.; Laux, S. 38 ff.; Nuding, S. 59, 60. 80 BT-Drucks. 2/481, 86; dazu MüthHng, NJW 1968, 1985, 1987. 100 Vgl. dazu BT-Drucks. 2/481, 86. 101 Vgl. Kapp, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, § 23 Rdnr. 1; ferner BFH, Urt. v. 27.11.1974 - II 175/64 -, BStBl. II 1975, 539, 540: das "Stammrecht" schließe als rechtliches Band die künftigen Leistungen zu einem gegenwärtigen Erwerb zusammen.

III. Die Funktion des "Stammrechts" im Steuerrecht

227

Kapitalbetrages) im Einzelfall eine methodisch zu rechtfertigende Funktion erfüllt. Beispielsweise ist hier das Gutachten des Reichsfinanzhofs zu nennen, das sich mit der fehlenden Regelung zur Entstehung der Steuerschuld bei wiederkehrenden Leistungen auseinandersetzen mußte102. Wenn hier auf die "Bestellung des Stammrechts" abgehoben wird, so läßt sich das als Umschreibung einer Analogie103 verstehen, mit der die fragliche Gesetzeslücke geschlossen wird. Das "Stammrecht" ist hier ein Kürzel für den Rechtsgedanken, daß die Erbschaft- und Schenkungsteuer bei wiederkehrenden Leistungen einen fiktiven Kapitalbetrag als Gegenstand der Besteuerung kennt, der durch die Abzinsung der zukünftigen Leistungen ermittelt wird. Diese Aktualisierung zukünftiger Leistungen zu einem Kapitalbetrag läßt sich sinnvoll bei den Überlegung einsetzen, wann die Steuerpflicht entsteht. Es spricht nämlich alles dafür, diesen Zeitpunkt anhand des Gegenstandes der Besteuerung zu bestimmen, um einen Systembruch möglichst zu vermeiden. Ähnliches gilt für die Argumentation, der Empfänger wiederkehrender Leistungen könne die Abschreibungen für ein "Rentenstammrecht" steuermindernd einsetzen. Auch hier ist insofern eine Regelungslücke festzustellen, als der Steuerpflichtige nicht periodengerecht seine Aufwendungen geltend machen kann, die für den Erwerb der wiederkehrenden Leistungen erforderlich ware.r~:· Diese Lücke läßt sich durch die Annahme schließen, der Berechtigte habe damit ein "Rentenstammrecht" erworben, das als abnutzungsfähiges Wirtschaftsgut nach § 7 Abs. 1 EStG während des Zeitraumes abzuschreiben ist, in dem die Leistungen zufließen. Dies entspricht dem schon erwähnten Gedankengang von Rose104, nach dem an die Stelle der Zahlungsverpflichtung ein verzinslicher und zu tilgender Kapitalbetrag gesetzt werden sollte, um sich die wirtschaftlichen Zusammenhänge zu vergegenwärtigen. Allerdings ist diese positive Stellungnahme zum "Stammrecht" als Wirtschaftsgut i. S. des§ 7 Abs. 1 EStG mit dem Vorbehalt zu versehen, daß eine solche Lückenfüllung sinnvoll ist, wenn wiederkehrende Leistungen allein wegen der Form des Zuflusses besteuert werden und dabei die 102 Gutachten v. 7. 1. 1921- I D 3/20 -, RFHE 4, 244 ff. 103 Auf die Frage der Zulässigkelt eines steuerschärfenden Analogieschlus-

ses soll hier nicht weiter eingegangen werden; vgl. hierzu Tipke, Steuerrecht, § 3 3.14, S. 48ff.; ders., Rechtsfortbildung, S.7ff. und 407ff.und Walz,S.142ff. sowie Crezelius, Rechtsanwendung, S. 362 ff. Wenn hier positive und system-

bildende Aspekte der Stammrechtsvorstellung herausgearbeitet werden, ist von zweitrangiger Bedeutung, ob diese de lege lata oder nur de lege ferenda zu verwirklichen sind. Im übrigen ist Walz, S. 233 zuzustimmen, daß das herausgestellte Analogieverbot nicht praktiziert wird und im übrigen wohl auch nicht praktizierbar ist. Zu anderen Fällen verkappter Analogie vgl. Crezelius, StuW 1981, 117 ff.; den methodischen Einwänden von Crezelius ist insb. im Hinblick auf die Vorstellung eines "Stammrechts" in vollem Umfang zuzustimmen. 104 StbJb 1973/74, 301, 308 Fußn. 17. 15*

228 D. Rechtsvergleichende Betrachtung zw. Zivilrecht und Steuerrecht

einmalige Gegenleistung berücksichtigt werden soll. Ein anderer Ausgangspunkt ergibt sich, wenn nach dem hier geäußerten Vorschlag (D. III. 2. c)) auch bei der Einkommensteuerpflicht wiederkehrender Leistungen an eine wirtschaftliche Tätigkeit angeknüpft wird. In diesem Fall sind die angesprochenen Fragen schon auf der Ebene der Einkunftsermittlung zu klären. c) Schlußfolgerungen

Aus der Erkenntnis, daß die Vorstellung eines "Stammrechts" im Sinne des Kapitalwertes wiederkehrender Leistungen durchaus systemgerecht und methodisch überzeugend sein kann, sollen abschließend noch einige Schlußfolgerungen gezogen werden. aa) Zur Unterscheidung verschiedener Arten wiederkehrender Leistungen Die Stammrechtstheorie des Reichsgerichts kennt nur bei gleichmäßigen lebenslänglichen Leistungen (Leibrente) das "früchtetragende Stammrecht". Allerdings hat sich gezeigt, daß auch im Zivilrecht unabhängig von dieser Theorie die Vorstellung eines "Stammrechts" auf andere wiederkehrende Leistungen angewandt wird. Hierzu konnten bestimmte Funktionen dieses "Stammrechts" herausgearbeitet werden. Für das Steuerrecht liegt es deshalb nahe, das "Stammrecht" als Bild für den Kapitalwert auf andere wiederkehrende Leistungen zu übertragen. Die Dauer dieser Leistungen kann dabei keine Rolle spielen, so daß die Unterscheidung zwischen Raten, Zeit- und Leibrenten hinfällig wird. Auf die Veränderlichkeit der Leistungen wird es nur insoweit ankommen, als ein Kapitalwert bestimmbar sein muß. Dabei kann für verschiedene Steuerarten diese Entscheidung nur einheitlich getroffen werden. Für schwankende, aber gleichwohl vermögensteuerpflichtige sowie erbschaft- und schenkungsteuerpflichtige Leistungen105, ist also auch einkommensteuerlich ein "Rentenstammrecht" anzunehmen. Daraus folgt, daß die Besteuerung nach den "Erträgen des Stammrechts" über die Leibrente hinaus auf den umrissenen Kreis der wiederkehrenden Leistungen erstreckt werden sollte. Dies trifft mit den Erwägungen zusammen, die zur Funktion des "Stammrechts" bei der Unterscheidung zwischen Leibrenten und sonstigen wiederkehrenden Leistungen vorgetragen worden sind (o. D. III. 1.). Eine Verknüpfung ergibt sich auch mit den Überlegungen zur Besteuerungswürdigkeit wiederkehrender Leistungen vor dem Hintergrund des Einkunftsbegriffs (D. II. 2. c). Wenn dort eine Zuordnung zu der in § 20 EStG geretos Entscheidend ist die prinzipielle Steuerpflicht unabhängig von Freibeträgen und sonstigen Steuerbefreiungen.

111. Die Funktion des "Stammrechts" im Steuerrecht

229

gelten Einkunftsart ins Auge gefaßt wurde, so läßt sich dies nun um den Hinweis ergänzen, daß für wiederkehrende Leistungen die Vorstellung eines "Stammrechts" das sonst vorhandene Kapital ersetzen kann106• bb) Zur Gleichbehandlung wiederkehrender Leistungen mit und ohne Gegenleistung Die steuerrechtliche Untersuchung hat ergeben, daß die Rechtsprechung der gesetzlichen Gleichbehandlung entgeltlicher und unentgeltlicher Leistungen mit Skepsis gegenübersteht (C. IV. 1. c) bb)). Ferner konnte schon anhand der Gesetzesbegründung gezeigt werden, welche Rolle in diesem Zusammenhang das "Rentenstammrecht" bei der Reform von 1954 gespielt hat. Hier ist es hilfreich, sich vor Augen zu führen, daß mit dem "Stammrecht" ein Kapitalbetrag gemeint ist, der dem Barwert wiederkehrender Leistungen entspricht. Aus diesem Blickwinkel wird nämlich deutlich, daß die Gleichbehandlung entgeltlicher und unentgeltlicher Leistungen mit der Frage verknüpft ist, ob und wie die Konkurrenz zwischen erbschaft- und schenkungsteuerlicher Belastung einerseits und der Einkommensteuer andererseits abzumildern oder aufzulösen ist107• Hierzu hat insbesondere die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs noch die Auffassung vertreten, wiederkehrende Leistungen seien als unentgeltliche Zuwendung erbschaftsteuerpflichtig und wegen der "äußeren Form der Gewährung" auch der Einkommensteuer unterworfen108• Die auch in anderen Fällen anzutreffende Doppelbelastung ist mittlerweile109 für den Erwerb von Todes wegen durch § 35 EStG gemildert worden110• Die Vorstellung eines "Rentenstammrechts" kann hier aber dazu führen, die Konkurrenz zwischen Einkommenbesteuerung und der Besteuerung unentgeltlicher Zuwendungen von vornherein auszuschließen. Sie dient nämlich dazu, die Vermögensmehrung bei der Zuordnung zu den verschiedenen Steuerarten in zwei Teile aufzuspalten: in den rechnerisch zu ermittelnden Kapitalwert und die Zinsen, die sich aus der "Ausschüttung des Kapitals" über einen längeren Zeitraum ergeben111 • Aus diesem Blickwinkel erscheint § 22 Ähnlich schon Vocke, Finanzwissenschaft, S. 338. Vgl. aber Hoffmann, FR 1956, 512, 514, der diesen Zusammenhang noch nicht erkennt. 108 RFH, Urt. v. 6. 2. 1941 IV 200/40 -, RStBl. 1941, 418; ebenso BFH (o. Fußn. 20), BStBl. II 1972, 170, 171 mit Anm. Blencke, StRK-Anm. EStG § 22 Ziff.1 R. 105, 2; zur Abzugsfähigkeit der jährlichen Erbschaftsteuerzahlungen als dauernde Last RFH, Urt. v. 14. 8. 1935 - VI A 582/35 - , RStBl. 1935, 1496; BFH, Urt. v. 15. 11. 1957 - VI 79/55 -, BStBl. III 1958, 103, 104; Urt. v. 5. 4. 1965- VI 339/93 - , BStBl. III 1965, 360, 361. 1oB § 35 EStG gilt ab dem 1. 1. 1975. 110 Dazu Crezelius, BB 1979, 1342, 1343 m . w. Nachw. 111 Hierzu näher Welter, StuW 1980, 332, 339. tos

107

230 D. Rechtsvergleichende Betrachtung zw. Zivilrecht und Steuerrecht Nr. 1 Buchst. a EStG als Komplementärvorschrift zu der erbschaft-und schenkungsteuerliehen Regelung, nach der periodisch wiederkehrende Leistungen mit ihrem gegenwärtigen Kapitalwert zu erfassen sind. Die Gleichbehandlung entgeltlicher und unentgeltlicher Leibrenten läßt sich also damit begründen, daß auch der Kapitalanteil unentgeltlicher wiederkehrender Leistungen einkommensteuerlich unbeachtlich bleiben muß, weil dieser der Erbschaft- und Schenkungsteuer unterworfen ist. Wem gleichwohl suspekt erscheint, daß bei diesem Verfahren für den Kapitalwert häufig jegliche112 oder jedenfalls die hohe einkommensteuerliche Belastung entfällt, sollte sich vergegenwärtigen, daß hierin nur das allgemeine Belastungsgefälle zwischen der Einkommensteuer und der Erbschaft- und Schenkungsteuer zum Ausdruck kommt. In Grenzbereichen können sich daher an durchaus ähnliche Tatbestände sehr stark divergierende steuerliche Folgen knüpfen. Auch die soeben geschilderte Funktion des "Stammrechts" spricht noch einmal dafür, alle wiederkehrenden Leistungen einkommensteuerlieh nur mit dem Zinsanteil zu erfassen113 • Die steuerliche Doppelbelastung ist nämlich nicht nur für Leibrenten unbefriedigend. Im übrigen ist sie eine Folge des dadurch zu überwindenden wenig entwickelten einkommensteuerliehen Ansatzes, die Steuerpflicht schon an die Form des Zuflusses zu knüpfen114 • Schließlich spricht auch alles dafür, das bislang nur teilweise bestehende Komplementärverhältnis116 zwischen § 23 ErbStG118 und § 22 Nr. 1 Buchst. a EStG117 systemgerecht zu vervollständigen. cc) Zur Sinnhaftigkeit des§ 9 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG

Die Erkenntnis, daß der Gesetzgeber der Reform von 1954 mit dem "Rentenstammrecht" die Vorstellung eines verzinslichen Kapitalbetrages verbunden hat, vermag Aufschluß über den Sinn des§ 9 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG zu geben, nach dem für Leibrenten der Abzug als Werbungskosten nur auf den Ertragsanteil beschränkt ist. m Wegen der Freibeträge wird in der Regel keine Erbschaft- und Schenkungsteuer anfallen. m Vgl. dazu auch den Vorschlag von Biergans I v . Stotzingen, S. 245. 114 So bereits Bühler, StuW 1948, Sp. 559, 578, 579, der mit Überlegungen zum "Rechtsgrund" der betroffenen Steuerarten zu einem Erkenntnisfortschritt beitragen will; zum Zusammenhang mit dem Einkunftsbegriff Crezelius, BB 1979, 1342, 1346. 115 Dazu näher Fetsch, S. 107, 108. 118 Besteuerung des Kapitalwertes von Renten oder anderen wiederkehrenden Nutzungen oder Leistungen; zur erbschaftsteuerliehen Erfassung schwankender wiederkehrender Bezüge Kapp, BB 1979, 1621, 1623. m Besteuerung des Ertragsanteils von Leibrenten.

111. Die Funktion des "Stammrechts" im Steuerrecht

231

§ 9 Abs. 1 S. 1 EStG legt als Grundregel fest, daß abzugsfähige Werbungskosten alle Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen sind. In den Nrn. 1-7 werden dann beispielhaft (Werbungskosten sind auch . . .) einige Aufwendungen aufgezählt. Wenn man sich vor Augen hält, daß das "Stammrecht" als Bild für das Rentenkapital dient, so erscheint die in Nr. 1 S. 2 getroffene Regelung zweifelhaft, nach der nicht der Kapitalanteil, sondern nur der Ertragsanteil von Leibrenten abzugsfähig sein soll. Bei unbefangener Betrachtung liegt es näher, vor allem im Rentenkapital eine Aufwendung für die Erzielung von Einnahmen zu sehen. Dieses Rentenkapital entspricht bei einer einmaligen Leistung dem aufgewandten Betrag, der selbstverständlich als eine abzugsfähige Aufwendung i. S. des § 9 Abs. 1 S. 1 EStG behandelt wird. Geht man dieser Unstimmigkeit nach, so stößt man in der Begründung des Regierungsentwurfs zur Reform von 1954 lediglich auf die Bemerkung, der Abzug der Renten beim Verpflichteten müsse der Besteuerung beim Berechtigten entsprechen118• Hier erscheint also auch das schon widerlegte Korrespondenzprinzip (o. D. III. 3. b)), das im Zusammenhang des Werbungskostenabzugs schon bei erstem Zusehen unbegründet ist: Wenn Aufwendungen zur Einnahmeerzielung vorliegen, so kann ihr Abzug sicherlich nicht mit dem Hinweis versagt werden, z. B . wegen eines nicht gewerblichen Verkaufsgeschäftes sei der fragliche Betrag bei dem Empfänger nicht steuerpflichtig. Über die geschilderte Erwägung hinaus scheint man sich bei der Formulierung des § 9 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG keine Gedanken gemacht zu haben. Es bleibt also bei der merkwürdigen Feststellung, daß in dieser beispielhaften Aufzählung ohne plausiblen Grund der Abzug von Aufwendungen versagt wird, deren Abzugsfähigkeit nach der in § 9 Abs. 1 S. 1 EStG genannten Grundregel eigentlich nicht zweifelhaft sein kann.

Angesichts der geschilderten gesetzgeberischen Fehlleistung fragt man sich, wie diese sich in der Praxis auswirkt. Überraschen muß dabei, daß an keiner Stelle Klagen über die Sinnhaftigkeit der fraglichen Regelung anzutreffen sind. Bei näherem Zusehen erklärt sich dies allerdings durch die Übung, z. B. beim Erwerb von Immobilien den Kapitalwert der Leibrente über die Absetzungen für Abnutzungen als Werbungskosten (§§ 9 Abs. 1 Nr. 7, 7 Abs. 1 EStG) abzuziehen119• Für dieses Verfahren wird sogar § 9 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG angeführt120• Dabei verkennt man offenbar, daß der Regelungsgehalt des § 9 Abs. 1 Nr. 7 EStG nur dahin geht, an sich abzugsfähige Aufwendungen in ihrer steuerlichen Wirksamkeit über die Nutzungsdauer des angeschafften Wirtschaftsgutes zu verteilen. Durch eine solche allgemeine Regelung ue BT-Drucks. 21481, 88. Vgl. nur Jansen I Wrede, S. 195. 120 Sauerland I Wendt I Schmidt I Schulz, S. 65. 111

232 D. Rechtsvergleichende Betrachtung zw. Zivilrecht und Steuerrecht läßt sich § 9 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG nicht beiseite schieben, der als Spezialvorschrift den Kapitalanteil aufgrund eines zweifelhaften Korrespondenzprinzips von den abzugsfähigen Werbungskosten ausnimmt. Besonders aufschlußreich ist allerdings die Behandlung der Fälle, in denen die Leibrente nicht der Anschaffung eines abnutzungsfähigen Wirtschaftsgutes dient. Hier stößt man auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 25. 2. 1975m, das die Abzugsfähigkeit von Abstandszahlungen in der Form einer Leibrente betrifft. Diese sind von einem Grundstückseigentümer an den bisherigen Pächter für die einverständliche Aufhebung des Pachtverhältnisses geleistet worden. Der Ertragsanteil der Leibrente wird dabei zutreffend nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG beurteilt und zum Abzug zugelassen. Das gleiche soll aber auch für die "Tilgungsbeträge" gelten. § 9 Nr. 1 S. 2 EStG stehe dem nicht entgegen, weil sich diese "fiktive" Regelung nur auf die in den Zahlungen enthaltenen Zinsen beziehe. Nach dem Wortsinn und auch nach der "systematischen Stellung" sei dort "nur die Höhe des als Zins abziehbaren Ertragsanteils einer Leibrente" geregelt. Darüber hinaus könnten Tilgungsbeträge nach § 9 Abs. 1 S. 1 EStG abgezogen werden, wenn es sich um Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen handele. Diese Entscheidung des Bundesfinanzhofs, deren allgemeine Bedeutung durchweg verkannt wirdm, kann als letzter Beleg dafür dienen, daß die in der Tat wenig sinnvolle Vorschrift des § 9 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG durchweg nicht angewandt wird. Ohne dies offenzulegen, hat die Rechtsprechung ungeachtet des entgegenstehenden Gesetzeswortlauts den zutreffenden Grundgedanken der Reform von 1954 auch auf die Abzugsfähigkeit von Leibrenten als Werbungskosten übertragen. Die Einsicht, daß das "Rentenstammrecht" als Bild für das Rentenkapital zu verstehen ist, erschließt auch den Weg zu einer gesetzlichen Regelung, mit der das Konzept der Reform von 1954 auch für die Werbungskosten folgerichtig ergänzt worden wäre. Weil es sich auch bei dem Kapitalanteil um Aufwendungen zur Einkunftssicherung handelt, hätte die volle Abzugsfähigkeit beibehalten werden müssen. Nur für den Fall des Erwerbs abnutzungsfähiger Wirtschaftsgüter i. S. des § 7 Abs. 1 EStG wäre eine Regelung in Frage gekommen123, nach der -VIII R 115/70 -, BStBl. II 1975, 730, 731. Vgl. Jansen I Wrede, S. 189: "Ausnahmsweise ... kann auch der Tilgungsanteil ... abziehbar sein"; Sauerland I Wendt I Schmidt I Schutz, S. 62: " ... können die Rentenleistungen ... u. U. sogar trotz der Vorschrift des § 9 Abs.1 Nr. 1 S. 2 EStG in voller Höhe ... abzugsfähig sein"; ähnlich Gericke, in: Forkel-Kommentar, § 9 Rdnr. 13: "Der volle Abzug ist hier durch § 9 S. 1 gerechtfertigt, denn der typische Fall von Satz 2 Ziff. 1 ist hier nicht gegeben". 121

12!

III. Die Funktion des "Stammrechts" im Steuerrecht

233

der Kapitalwert das Abschreibungsvolumen bestimmt, während der Ertragsanteil im jeweiligen Veranlagungszeitraum abgezogen werden kann124 • Es handelt sich um einen bemerkenswerten Fall verdeckter Rechtsfortbildung, wenn in der Praxis so verfahren wird, als sei die soeben geschilderte Regelung Gesetz geworden, die sich doch erheblich von der Vorschrift des geltenden § 9 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG unterscheidet.

us Allerdings ist durchaus zu erwägen, den Abzug der Kapitalanteile wiederkehrender Leistungen nicht nach der Nutzungsdauer des angeschafften Wirtschaftsgutes, sondern dem gleichfalls langfristigen Zahlungszeitraum zu bestimmen; selbstverständlich können diese Aufwendungen nur einmal (vgl. schon Buck, S. 40) abgezogen werden, so daß in diesem Fall eine Abschreibung gemäß §§ 9 Abs. 1 Nr. 7, 7 Abs. 1 EStG entfallen würde. uc So aber schon de lege lata BFH, Urt. v. 29. 9. 1955 - IV 326/53 -, BStBl. III 1956, 194 aufgrund der Erwägung, daß das "Rentenstammrecht" als "Grundbetrag" die Höhe der Absetzungen bestimme, die Ertragsanteile wie Zinsen abzugsfähig seien und diese Aufwendungen sich steuerlich jeweils nur einmal auswirken könnten; zustimmend BFH, Urt. v. 4. 8. 1961 - VI 269/60 -, BStBl. II1 1961, 563, 564.

E. Schluß Nach der Fülle von Details, die die vorliegende Untersuchung zur zivilrechtliehen und steuerrechtliehen Beurteilung wiederkehrender Leistungen ergeben hat, soll abschließend noch einmal die grundlegende Frage nach dem Verhältnis des Steuerrechts zum Zivilrecht angesprochen werden. Dies schafft einerseits eine klärende Distanz zu den behandelten Detailfragen. Andererseits können die gewonnenen Ergebnisse dazu dienen, die vielfach nur theoretisch und abstrakt behandelte Problematik vor dem Hintergrund eines bestimmten Bereiches konkreter Rechtsanwendung zu betrachten. Nach den Ergebnissen der vorliegenden Untersuchung erscheint schon die Fragestellung zweifelhaft, ob das Steuerrecht bei der Auslegung bestimmter Begriffe dem Zivilrecht folgen sollte oder nicht. Die zivilrechtliche Auslegung des Begriffs "Leibrente" i. S. der §§ 759 ff. BGB bietet nämlich keinen festen Anknüpfungspunkt, an dem sich das Steuerrecht orientieren könnte. Hier hat sich das Bild eines uneinheitlichen Entwicklungsprozesses ergeben, der selbst innerhalb der reichsgerichtlichen Rechtsprechung von verschiedenen Kräften bestimmt wird. Die Übernahme der reichsgerichtliehen Rechtsprechung durch den Bundesgerichtshof reicht bei näherem Zusehen kaum über eine Fortführung der Terminologie hinaus. Die reichsgerichtliehen Leibrententheorien mußten auch einem dogmatischen Entwicklungsstand zugeordnet werden, der schon längst überholt ist. Die Auslegung der §§ 759 ff. BGB konnte davon unberührt bleiben, weil im Ergebnis nur die Auswirkungen des Formerfordernisses gemäß § 761 BGB betroffen waren, dessen Einschränkung auch unter Billigkeitsgesichtspunkten plausibel erscheinen mußte. Zudem ist die zivilrechtliche Dogmatik in einem solchen Ausmaß von der Bewältigung des Formproblems geprägt, daß schon allein aus diesem Grund eine Übertragung in andere Rechtsgebiete ausscheiden sollte. Hier ist daran zu erinnern, daß die §§ 759 ff. BGB wohl nur deswegen nicht auf andere lebenslängliche wiederkehrende Leistungen analog angewandt werden, weil man bemüht ist, das Formerfordernis gemäߧ 761 BGB möglichst weit zurückzudrängen. Im übrigen sind in den genannten Bestimmungen keine sachhaltigen Regelungen anzutreffen, die an die Lebenslänglichkeit der Leistungen anknüpfen und deren analoge Anwendung eine Gesetzeslücke schließen würde. Als Gegenbeispiel war dazu das französische Zivilrecht zu nen-

E. Schluß

235

nen, in dem ohne Rücksicht auf das Formproblem eine möglichst umfassende Anwendung der sachhaltigen Bestimmungen über die "rente viagere" angestrebt werden kann. Wenn aber im Zivilrecht nur die herausragende Bedeutung des Formproblems eine analoge Anwendung auf sonstige lebenslängliche Leistungen verhindert, erscheint es sehr fernliegend, daß das Steuerrecht sogar einer überaus restriktiven Auslegung des Begriffs "Leibrente" folgen soll. Im Steuerrecht spielt nämlich einerseits das Formproblem keine Rolle und andererseits sind die gesetzlichen Bestimmungen über die Leibrente durchaus sachhaltig1. Hierzu hat sich dann auch ergeben, daß es fragwürdig erscheint, wenn bei der Auslegung der einkommensteuerliehen Bestimmungen über die Leibrente immer wieder eine Anlehnung an das Zivilrecht behauptet wird. Im einzelnen konnten vielfältige Divergenzen aufgezeigt werden. Vor allem war festzustellen, daß zivilrechtliche Ansätze in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung anhand steuerrechtlicher Überlegungen weiterentwickelt und unmerklich verändert worden sind. Hervorzuheben ist allerdings, daß bei einer funktionalen Betrachtung der Stammrechtsvorstellung gleichwohl Gemeinsamkeiten anzutreffen waren. Als Bild für eine Aktualisierung und Vergegenständlichung oder für den Kapitalwert wiederkehrender Leistungen konnte die Funktion des "Stammrechts" in beiden Rechtsgebieten beschrieben werden. Gemeinsamer Ausgangspunkt waren vielfach gesetzliche Bestimmungen, die nur auf einmalige Leistungen zugeschnitten sind und deshalb für wiederkehrende Leistungen eine Regelungslücke aufweisen. Aus methodischer Sicht konnte in diesen Fällen das "Stammrecht" als Umschreibung einer Analogie verstanden werden, die als solche allerdings nicht immer überzeugend zu begründen war. Erst auf dieser methodischen Ebene gewann das Wort von der "Einheit der Rechtsordnung" einen Gehalt, der einer vordergründigen, auf das Begriffliche beschränkten Betrachtung verborgen geblieben wäre. Hier bedurfte es im Sinne eines internen Rechtsvergleichs der gleichen Methoden, wie sie sich für den Vergleich nationaler Rechtsordnungen als fruchtbar erwiesen haben. Bei der gewählten funktionalen Betrachtung erschien der immer wieder herausgestellte Gegensatz zwischen der "formalen" Sicht des Zivilrechts und der "wirtschaftlichen Betrach1 Zur Zulässigkeit einer Analogie auch zuungunsten des Steuerpflichtigen vgl. Tipke, Steuergerechtigkeit, S. 128 ff.; ders., Rechtsfortbildung, S. 7 ff. und 407 ff.; dort auch zu weiteren auf der Jahrestagung der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft 1981 geäußerten Ansichten; ferner Crezelius, StuW 1981, 117 ff.; ders., Rechtsanwendung, S. 362 ff. und neuerdings BFH, Urt. v. 20. 10. 1983- IV R 175/79 - , BStBl. I1 1984, 221. 2 Vgl. das Beispiel der Erfüllung durch die "Bestellung eines Stammrechts"

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E. Schluß

tungsweise" des Steuerrechts als eine Nuancierung, die aus der Hechtsvergleichung als unterschiedlicher StiP verschiedener Rechtsordnungen bekannt ist. Zur Frage, inwieweit die soeben zusammengefaßten Erkenntnisse über den untersuchten Bereich hinaus verallgemeinert werden können, müssen hier wenige Bemerkungen genügen. Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß der Gesetzgeber schlecht beraten war, als er bei der Reform von 1954 an den im Zivilrecht geprägten Begriff "Leibrente" angeknüpft hat. Die damit schon vorgezeichnete Anlehnung an das Zivilrecht muß hier unweigerlich dazu führen, daß sich dieser Begriff als "Fehlbestimmung des positiven Rechts"' erweist. Der gemeinte Sachverhalt ist nämlich damit offenbar nur unzulänglich umschrieben und die Verwendung des zivilrechtliehen Begriffs kann nicht einmal mehr als Notbehelf gerechtfertigt werden. Es spricht alles dafür, daß es sich nicht um den Regelfall ~tteuerlicher Gesetzgebung handelt. Deshalb darf man die für die Leibrente getroffene Feststellung nicht verallgemeinern, daß auf der begrifflichen Ebene keine Einheitlichkeit zu erreichen ist. Selbst wenn an dem zivilrechtliehen Begriffsinhalt festgehalten werden kann und allenfalls in Randbereichen Korrekturen vorzunehmen sind, sollte jedoch eine rechtlich undurchsichtige "wirtschaftliche Betrachtung" unterbleiben5• Auch hier kann die Erkenntnis hilfreich sein, daß unabhängig von begrifflichen Divergenzen ein einheitliches methodisches Vorgehen anzustreben ist. Nicht zuletzt würde dies auch zu einer wünschenswerten "Verrechtlichung" des Steuerrechts beitragen.

Zweigert I Kötz, S. 80. Maaßen, S. 223. 5 Ebenso Rittner, S. 54, der die wirtschaftliche Betrachtungsweise der Rationalität der Rechtsfindung gegenüberstellt; ähnlich Vogel, JbFfSt 1978/79, 34, 52; Walz, S. 223 führt die kodifikatorische Systemlosigkeit des Steuer3

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rechts als Grund dafür an, daß sich dort die sonst üblichen Methoden der Rechtsanwendung nicht durchsetzen konnten; andererseits (S. 231) soll die Systemlosigkeit des Steuerrechts auch zu mangelndem richterlichen Selbstbewußtsein bei Begriffsbildung und dogmatischer Konstruktion und deswegen zu unüberlegten Anlehnungen an das Zivilrecht geführt haben.

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