Grundriss der Physik für höhere realistische Lehranstalten: (Realgymnasien, Oberrealschulen u. s. w.) [2., neubearb. Aufl., Reprint 2022] 9783112679265, 9783112679258


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German Pages 275 [536] Year 1888

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Table of contents :
Aus dem Vorwort zur ersten Auflage
Vorwort zur zweiten Auflage
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Erster Kursus
I. Allgemeine und besondere Eigenschaften der Körper
II. Mechanik
III. Die Lehre Tom Schall — Akustik
IV. Die Lehre vom Licht — Optik
V. Magnetismus
VI. Elektrizität
VII. Die Lehre von der Wärme
Zweiter Kursus
I. Mechanik
II. Wellenlehre und Akustik
III. Die Lehre vom Licht — Optik
IV. Magnetismus
V. Elektrizität
VI. Die Lehre von der Wärme
VII. Mathematische Geographie und Astronomie
Anhang. Logarithmentafel
Alphabetisches Sachregister
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Grundriss der Physik für höhere realistische Lehranstalten: (Realgymnasien, Oberrealschulen u. s. w.) [2., neubearb. Aufl., Reprint 2022]
 9783112679265, 9783112679258

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GRUNDRISS DER PHYSIK FÜR

HÖHERE REALISTISCHE LEHRANSTALTEN (REALGYMNASIEN, OBERREALSCHULEN u. s. w.)

VON

PROF. DR.

GEORG KREBS,

OBEKLEHBER AN DER MUSTERSCHULE (REALGYMNASIUM) ZU FRANKFURT A. M.

ZWEITE, NEU BEARBEITETE AUFLAGE.

MIT 475 ABBILDUNGEN IM TEXT UND EINER

SPEKTBALTAFEL.

LEIPZIG, V E R L A G VON V E I T & COMP. 1888.

Das Recht der Herausgabe von Übersetzungen vorbehalten.

Druck von M e t z g e r i W i t t i g in Leipzig.

Aus dem Yorwort zur ersten Auflage. Der vorliegende G r u n d r i ß d e r P h y s i k ist zunächst dazu bestimmt, als Lehrbuch für die Schüler von Realschulen I. Ordnung und von höheren Gewerbeschulen (jetzt Realgymnasien und Oberrealschulen) zu dienen. Auf rein wissenschaftlicher Grundlage und mit möglichster Heranziehung der Mathematik bearbeitet, enthält der Grundriß zugleich diejenigen A n w e n d u n g e n der physikalischen Gesetze, welche für Wissenschaft und Technik von hervorragender Bedeutung sind. Der Mechanik, welche die Basis für eine wissenschaftliche Auffassung der physikalischen Lehren bildet, ist eine 'hinlängliche Ausdehnung gegeben worden; ebenso der Wellenlehre, welche namentlich der Akustik und Optik als Grundlage dient. In betreff der übrigen Teile der Physik bemerken wir nur kurz, daß soviel Stoff aufgenommen worden ist, als sich in der zu Gebote stehenden Zeit wird durchnehmen lassen; übrigens kann vieles von dem in kleinerer Schrift Gegebenen bei Mangel an Zeit ohne Störung des Zusammenhangs überschlagen werden. Als Anhang ist ein Abriß der mathematischen Geographie und Astronomie beigefügt. Durchweg hat sich der Verfasser bemüht, für die theoretischen Darlegungen, unbeschadet der wissenschaftlichen Strenge, die möglichst einfache Form und für die experimentellen Nachweise die schlagendsten Versuche zu finden. Ebenso hat der Verfasser den Anforderungen der neueren Wissenschaft überall Rechnung getragen; wir verweisen in dieser Hinsicht nur auf die Berücksichtigung des absoluten Systems neben dem irdischen, der Reuleauxschen Aufstellungen über die „Maschine" und ihre Teile, auf die Beschreibung der in der letzten Zeit zu hoher Vollkommenheit gelangten dvnamo-elektrischen Maschinen, sowie auf die eingehende Behandlung der mechanischen Wärmetheorie und der Meteorologie. Bei allen wichtigen Entdeckungen und Erfindungen sind historische Nachweise gegeben, wobei es jedoch rätlich erschien, zur Schonung des Gedächtnisses Maß zu halten. Vielen Paragraphen sind, um das zeitraubende Diktieren zu ersparen, Aufgaben beigefügt, welche meist so einfach sind, daß sie ohne weitere Erklärung von Stunde zu Stunde aufgegeben werden können; der Verfasser ist freilich nicht der Meinung, daß dieselben zur Einübung des Gelernten ausreichten. Um in der Wahl von Aufgaben, welche in der Schule gelöst werden sollen, nicht behindert zu sein, sind am Schlüsse vierstellige Tafeln der gemeinen Logarithmen und der trigonometrischen Funktionen angehängt. W a s die methodische Behandlung des Stoffes betrifft, so waltet in der Mechanik und Wellenlehre die Deduktion, in den übrigen Kapiteln die Induktion vor. In der Optik wird die im Eingang bloß berührte Theorie erst bei der Besprechung der Interferenz, Beugung und Polarisation ausführlich dargelegt, während in der Wärmelehre die Theorie neben den Erscheinungen hergeht und successive aufgebaut wird.

IV

Vorwort.

Ob man im einzelnen Falle vorziehen soll, das Gesetz an die Spitze zu stellen und den Versuch zur Bestätigung nachfolgen zu lassen, oder das Gesetz herauszuexperimentieren, muß dem Ermessen des Lehrers anheimgestellt bleiben. Immerhin aber ist festzuhalten, daß beim ersten Unterricht in einer Wissenschaft, welche wesentlich auf Erfahrung beruht, die Kenntnis der Thatsachen das Fundament bilden muß; besteht doch der wesentlichste Nutzen für die allgemeingeistige Bildung, welchen das Betreiben der Naturwissenschaft gewährt, darin, daß der Schüler gewöhnt wird, nur auf Grund wohlerkannter Thatsachen und mit voller Objektivität zu urteilen und zu schließen.

V o r w o r t zur z w e i t e n Auflage. Die vorliegende zweite Auflage des Grundrisses der Physik unterscheidet sich von der ersten vornehmlich dadurch, daß der Lehrstoff auf zwei Kurse verteilt worden ist, von welchen der erste das Pensum für Untersekunda und der zweite da3 für Obersekunda und Prima enthält. Wenn man auch den allgemeinen Gründen, welche für eine Zweiteilung sprechen, nicht unbedingt beipflichten will, so fällt doch bei höheren r e a l i s t i s c h e n Anstalten der Umstand stark ins Gewicht, daß so viele Schüler nach Absolvierung der Untersekunda die Schule verlassen und es gewiß Pflicht ist, diesen, um so mehr als sie von einer realistischen Anstalt abgehen, wenigstens einen Überblick über die wichtigsten Erscheinungen auf dem Gesamtgebiet der Physik mitzugeben. Aus diesem Grund ist auch der I. Kursus auf Untersekunda beschränkt worden, während unter anderen Umständen Untersekunda und Obersekunda hätten zusammengefaßt werden können. Noch bemerke ich, daß manche kleinere Zusätze, welche, um den Zusammenhang nicht zu zerreißen, dem Lehrstoff des I. Kursus angefügt sind, erst bei den Repetitionen in Obersekunda und Prima durchzunehmen sein werden; der kundige Lehrer wird dieselben auch ohne genauere Bezeichnung herausfinden. Selbstverständlich ist es zweckmäßig, wenn nicht geboten, bei dem Unterricht in Obersekunda und Prima stets zum voraus die einschlägigen Paragraphen aus dem I. Kursus zur Repetition aufzugeben; dieselben sind im II. Kursus überall (am Rande) genau bezeichnet. Die neueren Erscheinungen auf dem Gesamtgebiete der Physik, vornehmlich die elektrischen (einschließlich der neueren Maße), haben gebührende Berücksichtigung gefunden, wie denn überhaupt das Material auf das Sorgfältigste gesichtet worden ist. Der Umfang des Buches ist infolge der neuen Verordnungen, welche für viele Schulen eine Reduktion der Lehrstunden in der Physik herbeiführten, nicht unerheblich vermindert worden. So darf der Verfasser wohl hoffen, daß die neue Auflage den Beifall der Fachgenossen finden und zu den alten Freunden noch manche neue sich erwerben werde. F r a n k f u r t a/M. im Februar 1888.

Der Verfasser.

Inhaltsverzeichnis. Seite

Aus dem Vorwort zur ersten Auflage Vorwort zur zweiten Auflage Einleitung Begriff und Aufgabe der Physik

in iv 1 1

Erster K u r s u s . I. Allgemeine und besondere Eigenschaften der Körper I! a. Allgemeine Eigenschaften der Körper 3 b. Besondere Eigenschaften der Körper 7 II. Mechanik 12 a. Von den Bewegungen und den Kräften 12 b. Von den Maschinen 24 c. Einiges aus der Dynamik der festen Körper 34 d. Einiges aus der Mechanik der flüssigen Körper 40 e. Einiges aus der Mechanik der gasförmigen Körper 45 III. Die Lehre vom Schall — Akustik 55 IV. Die Lehre vom Licht — Optik 63 a. Entstehung und Verbreitung des Lichtes 63 b. Reflexion des Lichtes (Katoptrik) 67 c. Brechung des Lichtes (Dioptrik) 70 d. Die Farbenzerstreuung (Dispersion) 78 e. Vom Auge 80 V. Magnetismus 83 a. Grundeigenschaften der Magnete 83 b. Erdmagnetismus 87 VI. Elektrizität 88 a. Reibungselektrizität 88 b. Berührungs- oder galvanische Elektrizität 99 c. Elektromagnetismus 106 d. Induktionselektrizität 110 VII. Die Lehre von der Wärme 113 a. Ausdehnung der Körper durch die Wärme 113 b. Veränderung des Aggregatzustandes durch die Wärme . . . 120 c. Fortpflanzung der Wärme 124 d. Von den Dampf-, Heißluft- und Gaskraftmaschinen . . . . 129 Zweiter K u r s u s . I. Mechanik Einleitung A. Mathematische Bewegungslehre B. Physische Bewegungslehre VorbegrifFe 1. Statik der festen Körper a. Zusammensetzung und Zerlegung der Kräfte im allgemeinen b. Arbeit und Arbeitsfähigkeit c. Zusammensetzung der parallelen Schwerkräfte d. Gleichgewicht der Kräfte an Maschinen

134 134 136 147 147 151 151 159 164 170

vi

Inhaltsverzeichnis.

2. Dynamik der festen Körper a. Dynamik unter der bloßen Einwirkung äußerer Kräfte . . b. Dynamik der festen Körper unter Mitwirkung der Molekularkräfte c. Von den Hindernissen der Bewegung 3. Statik der tropfbarflüssigen Körper t. Dynamik der tropfbarflüssigen Körper 5. Statik der gasförmigen Körper 6. Dynamik der gasförmigen Körper II. Wellenlehre und Akustik A. Wellenlehre a. Die wichtigsten Arten der Wellenbewegung b. Reflexion und Brechung der Wellen e. Interferenz und Beugung der Wellen B. Lehre vom Schall (Akustik) a. Eigenschaften des Schalles b. Die wichtigsten schallerregendeu Körper c. Zusammengesetzte Schallempfindungen d. Fortpflanzung des Schalles III. Die Lehre vom Lieht — Optik a. Verbreitung und Reflexion des Lichtes b. Brechung des Lichtes (Dioptrik) c. Falbenzerstreuung (Dispersion) des Lichtes d. Das Auge und die optischen Instrumente e. Einiges aus der Theorie des Lichtes IV. Magnetismus V. Elektrizität • . a. Reibungs- und Influenzelektrizität b. Galvanische oder Berührungselektrizität 1. Ursprung der galvanischen Elektrizität 2. Galvanische Ketten und Batterieen 3. Widerstands- und Leitungsfähigkeit; Ohmsches Gesetz . . 4. Wirkungen der galvanischen Kette 5. Elektromagnetismus 6. Thermoelektrizität 7. Induktionselektrizität VI. Die Lehre von der Wärme a. Ausdehnung der Körper durch die W ä r m e . . b. Die Änderung des Aggregatzustandes durch die Wärme . . . c. Spezifische W ä r m e d. Fortpflanzung der W ä r m e e. Von den Dampf-, Heißluft- und Graskraftmascliinen f. Meteorologie VII. Mathematische Geographie und Astronomie a. Scheinbare Bewegung der Fixsterne b. Scheinbare Bewegung der Sonne c. Bewegung und Beschaffenheit der Planeten und ihrer Trabanten 1. Gestalt und Größe der Erde 2. Bewegung der Erde . . 3. Gestalt und Größe der Erdbahn und der Planetenbahnen überhaupt; Entfernung der Gestirne 4. Zeitrechnung 5. Die scheinbare und wirkliche Bewegung der Plaueteil . . 6. Beschreibung der einzelnen Planeten 7. Der Mond der Erde d. Kometen, Meteorite und Zodiakallicht e. Beschaffenheit und Eigenbewegung der Fixsterne Anhang. Logarithmen Alphabetisches Sachregister

Seile

185 185

21 5 22)5 226 24i> 258 258 258 258 264 270 278 278 282 288 291 293 293 300 314 324 331 346 352 352 361 361 364 369 373 379 389 391 405 405 410 422 430 435 445 456 456 467 472 472 475 481 487 491 497 500 505 508 510 516

Einleitung. Begriff und Aufgabe der Physik. I. Natur und Naturwissenschaft. Die Gesamtheit alles sinnlich Wahrnehmbaren bezeichnet man mit dem Namen N a t u r . Die Natur besteht aus vielen deutlich voneinander unterscheidbaren Teilen, welche N a t u r k ö r p e r genannt werden. Jeder Naturkörper nimmt einen bestimmten Raum ein; das den Raum Erfüllende heißt S t o f f oder Materie. Die Kenntnis der Eigenschaften und der Veränderungen der Naturkörper bezeichnet man mit dem Namen N a t u r w i s s e n s c h a f t ; sie zerfallt in N a t u r b e s c h r e i b u n g und N a t u r l e h r e ; die erstere (Mineralogie, Botanik, Zoologie) beschäftigt sich mit den b l e i b e n d e n Merkmalen der Naturkörper, die letztere dagegen mit den V e r ä n d e r u n g e n , welche die Naturkörper durch ihre Einwirkung aufeinander erleiden, d. h. mit den Naturerscheinungen. Bei den Veränderungen, denen die Naturkörper unterworfen sind, bleibt entweder der Stoff (und das Gewicht) unverändert oder nicht, im ersteren Fall spricht man von p h y s i k a l i s c h e n , im letzteren von c h e m i s c h e n Veränderungen (Schmelzen und Verdampfen des Schwefels, Magnetisierung des Eisens — Brennen des Schwefels, Rosten des Eisens). Danach zerfällt die Naturlehre in P h y s i k und Chemie. Von der Physik hat man als besonderen Zweig die A s t r o n o m i e (Sternkunde) abgesondert. Die Naturkörper zerfallen in a n o r g a n i s c h e (Mineralien) und organ i s c h e (Pflanzen und Tiere); die eigentümlichen „Lebenserscheinungen" der letzteren, welche teils auf physikalischen, teils auf chemischen, in ziemlich enge Grenzen eingeschlossenen Vorgängen beruhen, behandelt die P h y s i o l o g i e . II. Naturgesetze und Hypothesen. Naturerscheinungen gehen entweder von selbst in der Natur vor sich, oder werden durch künstliche Veranstaltungen — E x p e r i m e n t e , Versuche — hervorgerufen (Regenbogen — Farbenspektrum mit Hilfe des Prismas). Es ist eine Hauptaufgabe der Naturlehre, die Bedingungen, unter denen die Naturerscheinungen vor sich gehen, durch Beobachtung zu erforschen, die Abhängigkeit der dabei vorkommenden Größen nach Maß und Zahl zu bestimmen und so ein allgemeines Gesetz — N a t u r g e s e t z , welchem eine Reihe verwandter Erscheinungen unterworfen sind, zu gewinnen; es gelingt dies nicht selten durch Anstellung von Versuchen besser, als durch Betrachtung freiwillig sich darbietender Erscheinungen, weil man im ersteren Fall imstande ist, alle nicht zugehörigen Bedingungen auszuschließen. Eine Naturerscheinung e r k l ä r e n heißt, sie auf bekannte Naturgesetze zurückführen. Die Methode der Aufsuchung eines Naturgesetzes durch sorgfältige Betrachtung der Einzelerscheinungen nennt man I n d u k t i o n . Die Naturgesetze sind meist aus unvollständiger Induktion gewonnen worden und leiden deshalb, namentlich wenn sie sich auf eine sehr große Krebs,

Physik.

II. Aufl.

1

2

Einleitung.

Zahl von Erscheinungen beziehen, an einer gewissen Unsicherheit; je mehr solcher Erscheinungen als mit dem Gesetz übereinstimmend gefunden werden, d. h. je mehr die Induktion im Laufe der Zeit vervollständigt wird, einen um so höheren Grad von Zuverlässigkeit erlangen die Naturgesetze; manche derselben sind freilich so allgemeiner Natur, daß die Induktion nie ganz vervollständigt werden kann. Man nennt solche allgemeine Naturgesetze wohl auch P r i n z i p i e n (Prinzip von der gleichen Wirkung und Gegenwirkung). Die Naturwissenschaft bleibt aber bei der Beobachtung der Naturerscheinungen und der Aufstellung der Naturgesetze nicht stehen; sie fragt auch nach den U r s a c h e n , welche diese Erscheinungen hervorrufen und mit Notwendigkeit einen bestimmten gesetzmäßigen Verlauf veranlassen. Über die Ursachen der Naturerscheinungen lassen sich aber vorläufig nur Vermutungen — H y p o t h e s e n — aufstellen. Aus den Hypothesen müssen sich die Naturgesetze logisch ableiten lassen; derartige Ableitungen nennt m a n T h e o r i e e n o d e r S y s t e m e , in welchen die zugehörige Hypothese meist als mit einbegriffen betrachtet wird (Newtons Gravitationstheorie; das Weltsystem des Kopernikus; die Theorie des Lichts auf Grund der Vibrationshypothese). Manchmal gelingt es, aus solchen Theorien bisher unbekannte Erscheinungen vorauszusagen. Eine Hypothese verdient um so mehr Zutrauen, je mehr Erscheinungen aus ihr in möglichst einfacher und ungezwungener Weise erklärt werden können; widerspricht die Hypothese nur einer einzigen unumstößlichen und wohl erkannten Thatsache, so muß sie als irrig verworfen werden. Die Gedankenthätigkeit, Einzelgesetze aus umfassenden Hypothesen abzuleiten, nennt man D e d u k t i o n . HL Einteilung der Physik. Alle Veränderungen in der Natur entstehen nach der Meinung der Naturforscher durch die Einwirkungen der Körper aufeinander (I); während man aber früher annahm, daß den Körpern gewisse Kräfte innewohnten, vermöge deren sie aufeinanderwirkten, hat man neuerdings die Hypothese aufgestellt, daß die Körper, indem sie entweder als Ganzes, oder in ihren einzelnen Teilchen in ständiger Bewegung sich befanden, lediglich durch „Druck und Stoß" aufeinander wirkten und so Veränderungen in ihren Zuständen wechselseitig hervorbrächten, d. h. Naturerscheinungen erzeugten. Derjenige Teil der Physik, welcher sich mit der äußeren, sichtbaren Bewegung der ganzen Körper befaßt, wird M e c h a n i k genannt; der andere Teil, welcher die auf der Bewegung der kleinsten Teilchen der Körper beruhenden Erscheinungen betrachtet, heißt P h y s i k im engeren Sinne; sie zerfällt je nach der Art dieser zum Teil noch nicht hinreichend erkannten Bewegungen in verschiedene Kapitel: S c h a l l , L i c h t , W ä r m e , M a g n e t i s m u s und E l e k t r i z i t ä t . Nach dieser Darstellung erscheint die Mechanik als ein Teil der Physik; man könnte indessen auch, wenn man unter Mechanik die Lehre von der Bewegung überhaupt, die unendlich kleine der einzelnen Körperteilchen mit eingeschlossen, versteht, umgekehrt die Physik im engeren Sinn als einen Teil der Mechanik ansehen.

Allgemeine Eigenschaften der Körper.

3

Erster Kursus. I. Allgemeine und besondere Eigenschaften der Körper, a. Allgemeine Eigenschaften der Körper. § X. Allgemeine und besondere Eigenschaften der Körper. Die Eigenschaften der Naturkörper sind teils a l l g e m e i n e , welche allen zukommen, teils b e s o n d e r e , welche nur einzelne besitzen. — Die allgemeinen Eigenschaften sind: G r ö ß e , U n d u r c h d r i n g l i c h k e i t , P o r o s i t ä t , A u s d e h n b a r k e i t und Z u s a m m e n d r ü c k b a r k e i t , T e i l b a r k e i t , S c h w e r e , T r ä g h e i t und B e w e g l i c h k e i t . — Die besonderen Eigenschaften (der Grad der Durchsichtigkeit, die Verschiedenartigkeit der Farbe, Härte u. s. w.) bilden die u n t e r s c h e i d e n d e n M e r k m a l e der Körper. § 2. Größe. Jeder Körper nimmt einen gewissen Raum ein; er hat eine bestimmte A u s d e h n u n g (Volumen) oder G r ö ß e . Das Volumen der Körper mißt man mittels eines Würfels von bestimmter Seitenlänge. Das Flächen- und Körpermaß basiert auf dem Längenmaß. Das in vielen Staaten, namentlich aber in der Wissenschaft gebräuchliche Längenmaß ist das M e t e r (m); es ist hinlänglich genau der zehnmillionste Teil eines Erdmeridianquadranten. Das U r m e t e r , ein PlatinIridiumstab, wird im Pariser Staatsarchiv aufbewahrt. 1 Meter (m) = 10 Decimeter = 100 Centimeter (cm) = 1000 Millimeter (mm). 1 Meter = 0,1 Dekameter = 0,01 Hektometer = 0,001 Kilometer (km). 1 geographische Meile = 1 / 16 Aquatorealgrad = 7420 m. Zum Messen von Flächen bedient man sich eines Quadrats über der Längeneinheit: Quadratmeter, Quadratdecimeter u. s. w. 1 Ar (a) = 100 Quadratmeter (qm), 1 Hektar (ha) = 100 Ar. Die abgekürzte Bezeichnung für Quadratkilometer ist qkm, für Quadratcentimeter: qcm und für Quadratmillimeter: qmm.

Zum Messen von Körpern bedient man sich des Kubikmeters (cbm), Kubikdecimeters, Kubikcentimeters (ccm) und Kubikmillimeters (cmm). Ein Kubikdecimeter wird L i t e r (1) genannt; 1 Hektoliter (hl) = 100 Liter; 1 Scheffel = 1 / 2 Hektoliter; 1 Schoppen = 1 / 2 Liter. Die früher gebräuchliche Längeneinheit war der Fuß, welcher in 10 oder 12 Zolle und in 100 oder 144 L i n i e n geteilt war — D e z i m a l - und D u o d e z i malmaß. Vergl. auch Tab. I, II, III im Anhang.

§ 3. Undurchdringlichkeit. Will man einen Nagel in eine Wand einschlagen, so müssen die Teilchen der Wand an dieser Stelle entfernt werden. — Paßt ein Trichter gut auf den Hals einer Flasche, oder setzt man ihn mittels eines Stopfens auf, so wird, wenn man Wasser in denselben gießt, nur wenig davon in die Flasche fließen; erst wenn man den Trichter etwas hebt, bezüglich den Stopfen lüftet, damit die Luft aus der Flasche entweichen kann, fließt das Wasser rasch ein: Ist eine Stelle 1*

4

Allgemeine Eigenschaften der Körper.

[Erster

eines Raumes mit Stoff erfüllt, so kann dort kein anderer sein — d i e M a t e r i e i s t u n d u r c h d r i n g l i c h . Gerade diese Eigenschaft der Körper ist es, an der man das Vorhandensein derselben erkennt. Größe und Undurchdringlichkeit nennt man w e s e n t l i c h e Eigenschaften der Körper. Was geschieht, wenn man ein Glas, mit der Öffnung unten, in Wasser taucht? T a u c h e r g l o c k e . — Den Versuch mit Flasche und Trichter macht man am besten auf folgende Art: Die eine Öffnung einer zweihalsigen Flasche verstopft man mittels eines soliden, die andere mittels eines durchbohrten Stopfens, durch dessen Bohrung ein Trichterrohr mit verengter Spitze geht. Was geschieht, wenn man Wasser in den Trichter gießt, und was, wenn man den soliden Stopfen herausnimmt? § 4. Porosität. Schwamm, spanisches Rohr u. s. w. zeigen schon mit freiem Auge große Zwischenräume — P o r e n — zwischen der Masse. Bei anderen Körpern sind die Poren so klein, daß sie nur auf Umwegen nachgewiesen werden können, aber immer sind sie vorhanden — a l l e K ö r p e r sind porös. Quecksilber läßt sich durch Holz und Leder pressen: Wird eine eiserne Röhre von 30—40 cm Länge, welche unten mit einem Stück weichen Leders verschlossen ist und oben einen angekitteten Glastrichter trägt, mit Quecksilber gefüllt, so läuft dasselbe in feinen Strahlen durch das Leder. — Metallröhren, in welchen sich Wasser in gepreßtem Zustand befindet (hydraulische Presse), beschlagen sich außen mit einem feinen Tau. — Die Akademie zu Florenz setzte (1661) Wasser in einer Silberkugel einem starken Druck aus, wobei das Gefäß außen feucht wurde. — Füllt man eine etwa 80 cm lange, am einen Ende zugeschmolzene Glasröhre von 1 cm Weite zur Hälfte mit Wasser und gießt darauf bis zu einer Marke (Gummiring) stärksten, durch Fuchsin rot gefärbten Weingeist, verschließt die Röhre mit dem Daumen und kehrt wiederholt um, so steht alsdann die Flüssigkeit ca. 1 cm unter der Marke; ein Teil des Weingeistes ist in die Poren des Wassers gedrungen, was man auch daran erkennt, daß zahlreiche Luftblasen aus der Flüssigkeit aufsteigen. § 5. Zusammendrückbarkeit u n d Ausdehnbarkeit. Ein Schwamm, ein Stückchen Brot lassen sich durch gelindes Pressen und ein Stück Eisen durch kräftiges Hämmern auf ein kleineres Volumen bringen: A l l e K ö r p e r s i n d z u s a m m e n d r ü c k b a r . Die Zusammendrückbarkeit läßt sich aus der Porosität allein erklären, weshalb es nicht nötig ist anzunehmen, daß auch die Materie zusammendrückbar sei. Ebenso lassen sich alle Körper durch Zug ausdehnen (Gummi); auch durch Erwärmung kann das Volumen vergrößert werden: A l l e Körper sind ausdehnbar. § 6. Teilbarkeit. Jeder Körper läßt sich durch mechanische Mittel (Stoßen, Schneiden u. s. w.) in Stücke zerlegen, und jedes Stück kann wieder in kleinere zerlegt werden: A l l e K ö r p e r s i n d t e i l b a r . Die Teilbarkeit findet praktisch ihre Grenze an der sinnlichen Wahrnehmbarkeit und an der Feinheit der Teilungsinstrumente. Mit einer einzigen Krone kann man eine Statue, welche einen Reiter zu Pferd in Lebensgröße darstellt, vergolden. — Man kann Platindraht durch Umgießung mit Silber in Cylinderform, Ausziehung des Cylinders zu Draht und Auflösung des Silbers mittels Salpetersäure zu einer Feinheit von Viaoo m m Dicke bringen, so daß der Draht nur glühend sichtbar wird. — Mit Hilfe der Teilmaschine kann man auf die Breite von 1 cm Hunderte und Tausende von Strichen in Glas ritzen. — Durch Auflösung fester Substanzen in Wasser erhält man Teilchen, welche nicht mehr

Kursus.]

Allgemeine Eigenschaften der Körper.

5

sichtbar sind. — Homöopathische Verdünnung. — Deutliche Färbung großer Wassermassen durch Spuren von Karmin und Chamäleonsalz, und von Alkohol durch Fuchsin. — Viele Riechstoffe (Moschus, Kampfer) zerlegen sich freiwillig (durch Verdunstung) in sehr feine Teilchen.

Trotzdem nimmt man nicht an, daß die Teilbarkeit unbegrenzt sei, sondern daß es kleinste, mit dem Ganzen gleichartige Teile — M o l e k ü l e — gebe, welche sich durch mechanische Mittel nicht weiter teilen lassen. Durch chemische Mittel freilich können die Moloküle in noch kleinere Teile — A t o m e — zerlegt werden, welche bei den einfachen Stoffen gleichartig, bei den zusammengesetzten ungleichartig sind (Schwefel —- Zinnober). Die Moleküle sind namentlich in den festen und flüssigen Stoffen je zu größeren, wenn auch immerhin noch sehr kleinen Teilchen, welche man M a s s e t e i l c h e n , P a r t i k e l n oder Mole nennt, vereinigt. § 7. Schwere. 1) Ein Stein, den wir aus der Hand lassen, fällt zur Erde; ein reifer Apfel fällt vom Baum und ein loser Ziegel vom Dach. Um diese Erscheinungen zu erklären nimmt man an, daß die Erde eine Anziehung auf die in ihrer Nähe befindlichen Körper ausübe. Diese Anziehung nennt man S c h w e r k r a f t oder S c h w e r e . Die Richtung, in welcher die Körper fallen, geht nach dem Mittelpunkt der Erde und wird v e r t i k a l oder l o t r e c h t genannt. Ein Faden, an welchen ein schwerer Körper gehängt ist — S e n k b l e i , L o t — giebt die vertikale Richtung an. Wird ein Senkblei über ruhig stehendem Wasser aufgehängt, so bildet es mit der Oberfläche desselben nach allen Seiten hin rechte Winkel. — Die Ebene des ruhig stehenden Wassers wird h o r i z o n t a l (wagrecht) genannt; es steht also die vertikale Richtung auf der horizontalen senkrecht. Unter welcher Voraussetzung können Vertikallinien als parallel angesehen werden und unter welcher nicht? — Zwei vertikale Mauern von 10 m Höhe, welche eine Meile voneinander entfernt sind, stehen oben um etwa 1,5 cm weiter voneinander ab, als unten. Das Senkblei wird beim Aufstellen von Mauern, Thürpfosten, Fenstergewänden u. s. w. benutzt. Um zu untersuchen, ob eine Ebene horizontal ist, bedient man sich der S e t z w a g e ; es ist dies ein gleichschenkliges Dreieck, an dessen Spitze ein mit einer Kugel beschwerter Faden hängt; geht der stets vertikal hängende Faden nach der Mitte der Grundfläche der Setzwage, so ist die Unterlage horizontal.

2) Alle Körper üben, vermöge der Anziehungskraft der Erde, einen Druck auf ihre (ruhende) Unterlage aus. Der Druck, den ein Körper auf seine Unterlage ausübt, wird sein a b s o l u t e s G e w i c h t genannt; er ist gleich der Anziehungskraft, mit welcher die Erde an dem Körper wirkt. Die Einheit des Gewichtes ist in vielen Staaten und durchweg in der Wissenschaft das G r a m m (g), besser G r a m m g e w i c h t , d . i . möglichst genau das Gewicht eines Kubikcentimeters Wasser bei 4° C. In Paris wird ein Platinblock aufbewahrt, das U r k i l o g r a m m , von welchem das Gramm der tausendste Teil ist; das Kilogramm (Kilogrammgewicht) ist möglichst genau das Gewicht eines Liters Wasser bei 4° C.

6

Allgemeine Eigenschaften der Körper.

[Erster

1 Gramm (g) = 10 Decigramm = 100 Centigramm = 1000 Milligramm (mg). 1 Gramm = 0,1 Dekagramm = 0,01 Hektogramm = 0,001 Kilogramm (kg). 1 Tonne (t) = 1000 Kilogramm. Das früher gebräuchliche G e w e h t war das P f u n d ; 1 Zollpfund = Vs Kilogramm (vergl. Tab. IV).

Das Gewicht bestimmt man mittels der F e d e r w a g e (Fig. 1). Sie besteht aus einem cylindrischen Gehäuse, in welchem sich eine Feder befindet, die einerseits am Ende a des Gehäuses und anderseits an einem mit einer eingeteilten Stange verbundenen Kolben k befestigt ist. Wird die Wage mittels des oberen Ringes irgendwo aufgehängt und unten am Haken ein Körper angehängt, so bewegt sich das Gehäuse, indem die Feder zusammengepreßt wird, um so mehr abwärts, je schwerer der Körper ist; dabei tritt die Stange oben mehr aus dem Gehäuse heraus. W i e eicht man die W a g e ? Welcher Teilungspunkt der Stange muß im unbelasteten Zustand am oberen Ende des Gehäuses sichtbar sein?

Das Gewicht der Körper ist nicht an allen Erdorten gleich; im allgemeinen nimmt es mit der geographischen Breite zu; an den Polen ist es um ca. 1 / 200 größer als am Äquator. Es übt also auch die Erde nicht an allen Orten eine gleichgroße Anziehung auf die Körper aus. Doch ist der Unterschied im Gewichte an verschiedenen Erdorten so gering, daß man gewöhnlich von dem Gewichte' eines Körpers spricht, ohne Angabe des Ortes, wo es bestimmt worden. Die G l e i c h h e i t der Gewichte zweier Körper kann man mittels der Feder- oder der Krämerwage bestimmen. 3) Ein Kubikcentimeter Holz wiegt weniger, als ein Kubikcentimeter Blei; das Blei ist s p e z i f i s c h schwerer als Holz. U n t e r d e m s p e z i f i s c h e n oder V o l u m - G e w i c h t e eines S t o f f e s v e r s t e h t man das Gewicht der Volumen^ e i n h e i t d e s s e l b e n (in korrespondierenden Maßen, z. B. Federwage. Gramm und Kubikcentimeter). Zwischen dem spezifischen Gewicht y, dem absoluten Gewicht q und dem Volumen v gilt die Gleichung: q = v.

y.

Als Einheit des Volumens wählt man gewöhnlich das Kubikcentimeter; dann ist das spezifische Gewicht (S. c) des Bleis l l 1 / 2 g, des Silbers lO1/^ g u. s. w. Nicht selten gebraucht man den Ausdruck „spezifisches Gewicht" im relativen Sinn: man vergleicht die Gewichte fester und flüssiger Stoffe mit dem eines gleichen Volumens Wasser bei 4° C. (S.W) und die gasförmiger mit dem eines gleichen Volumens Luft oder Wasserstoff bei gleichem Druck und gleicher Temperatur (S.L oder S. H); das spezifische Gewicht eines Stoffes ist dann die Z a h l , welche angiebt, wievielmal derselbe mehr wiegt, als ein gleiches Volumen eines Vergleichungsstoffes. Man könnte hiernach zwischen b e n a n n t e m und u n b e n a n n t e m spezifischem Gewicht unterscheiden.

Kursus.]

Besondere Eigenschaften der Körper.

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Da 1 ccm Wasser 1 g wiegt, so stimmen das benannte und unbenannte spezifische Gewicht der Zahl nach überein; das erstere ist für Blei 111/2 g und das letztere II 1 /,. (Das S. c des Bleis ist ll'/a g und das S . W 11V2-) Ein Liter Luft wiegt (bei 0° C. und 760 min Druck) 1,2932 Gramm (das S. 1 der Luft ist 1,2932 g); die Luft ist 773mal leichter als Wasser. Ein Liter Wasserstoff wiegt 0,089578; er ist 147 2 mal leichter als Luft (das S. H der Luft ist 14,43). Das Gewicht eines Liters Wasserstoff nennt man ein K r i t h . Häufig gebraucht man auch für das unbenannte spezifische Gewicht den Ausdruck D i c h t e . Merke aus der Tabelle Kursus II § 109 die spezifischen Gewichte einiger Körper in runden Zahlen.

§ 8. Trägheit und Beweglichkeit. Eine auf horizontaler Bahn liegende Kugel bedarf eines Anstoßes, um in Bewegung zu kommen; ohne einen solchen würde sie in Ruhe verharren. Ist sie aber einmal in Bewegung, so würde sie unaufhörlich in derselben Richtung und mit derselben Geschwindigkeit weiterrollen, wenn ihr keine Hindernisse im Wege ständen; in Wirklichkeit freilich kommt die Kugel bald wieder zur Ruhe; aber schon daran, daß sie um so weiter läuft, je glatter die Bahn ist, erkennt man, daß die Unebenheiten der Bahn es sind, welche die Geschwindigkeit der Kugel immer mehr vermindern: J e d e r K ö r p e r v e r h a r r t in dem Z u s t a n d , sei es nun R u h e oder B e w e g u n g , in welchem er ist; nur durch eine äußere Einwirkung, eine „ K r a f t " , kann der Bewegungszustand eines Körpers, sowohl was Richtung als Geschwindigkeit betrifft, geändert werden. — A l l e K ö r p e r b e s i t z e n T r ä g h e i t o d e r B e h a r r u n g s v e r m ö g e n (Galilei 1564—1642). Während einerseits kein Körper von selbst seinen Bewegungszustand ändern kann, muß anderseits jede äußere Kraft, wenn keine Gegenwirkung stattfindet, eine Bewegungsänderung hervorbringen — a l l e K ö r p e r sind beweglich. Gleichbleibende Bewegung der Himmelskörper; durch Menschenhand kann keine Bewegung erzeugt werden, welche ohne ständige Anwendung einer Kraft stets dieselbe bliebe. — Allmähliches Aufhören der Bewegungen durch Reibung. — Ein schwerer, rasch um eine Achse rotierender Kreisel setzt der Hand, welche die Richtung seiner Achse ändern will, einen deutlich fühlbaren Widerstand entgegen. — Auch die lebenden Wesen, welche durch ihre „inneren" Kräfte nur die Lage ihrer Gliedmaßen gegeneinander verändern können, würden sich ohne gleichzeitige äußere Einwirkung (Reibung am Boden) nicht fortbewegen können.

b. Besondere Eigenschaften der Körper. § 9. Die drei Aggregatzustände der Körper. Viele Körper, wie ein Stück Eisen, Holz, Granit, haben eine bestimmte Gestalt und ein bebestimmtes Volumen und setzen der Änderung derselben durch Zug oder Druck einen erheblichen Widerstand entgegen; man nennt solche Körper f e s t oder s t a r r . Andere, wie Wasser, Petroleum, Weingeist nehmen nur in kleineren Mengen eine bestimmte, kugelförmige Gestalt an — T r o p f e n (Öltropfen in einem Gemisch von Wasser und Alkohol); in größeren Mengen fließen sie auseinander, wenn man sie nicht in Gefäße einschließt, an deren Wände sie sich anlegen; doch bleibt das Volumen stets erhalten, in welches

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Besondere Eigenschaften der Körper.

[Erster

Gefäß man sie auch bringen mag. Körper, welche keine bestimmte Gestalt, aber ein bestimmtes Volumen haben, nennt man f l ü s s i g , genauer t r o p f b a r f l ü s s i g . Mit geringer Anstrengung lassen sich die Teilchen flüssiger Körper v e r s c h i e b e n . Eine dritte Art von Körpern, die g a s - oder l u f t f ö r m i g e n (Luft, Leuchtgas, Wasserdampf), haben weder eine bestimmte Gestalt noch ein bestimmtes Volumen; sie zeigen das Streben den möglichst großen Raum einzunehmen: Tabaksrauch breitet sich rasch im ganzen Zimmer aus und macht sich überall durch den Geruch bemerklich; ebenso Leuchtgas, welches aus undichten Röhren oder einem -geöffneten Hahn strömt. Eine mittelgroße Kochflasche A wird rundum erhitzt und mit einem Gummistopfen verschlossen, durch dessen Bohrung eine Knieröhre mit Glashahn geht. Nachdem sich die Flasche (bei geschlossenem Hahn) einigermaßen abgekühlt hat, wird ihre Knieröhre mittels eines kurzen Gummischlauchs mit der einfachen, hahnlosen einer größeren Kochflasche B verbunden, in welcher sich rote Dämpfe von Stiekstofftrioxyd befinden. (Letzteres stellt man durch Erhitzen von Salpetersäure und Stärke in einer geräumigen Kochflasche unter dem Rauchfang her; das Einleiten in B geschieht einfach dadurch, daß man das Gasleitungsrohr der Entwickelungsflasche in die Flasche B bis nahe an den Boden führt). Sobald man nun den Hahn der Knieröhre A öflnet, schießt ein Teil der roten Dämpfe mit hörbarem Zischen von B nach A.

Die luftförmigen Körper haben mit den tropfbarflüssigen die l e i c h t e V e r s c h i e b b a r k e i t d e r T e i l c h e n gemein, sie sind also auch flüssig, unterscheiden sich aber von den tropfbarflüssigen dadurch, daß sie den möglichst größten Raum einzunehmen suchen; man nennt sie deshalb ausdehnsamflüssig. Die drei Zustände, in welchen die Körper existieren können, nennt man die A g g r e g a t z u s t ä n d e der Körper. § 10. Kohäsion. Um feste Körper zu zerbrechen, muß man oft eine bedeutende Kraft anwenden; bei flüssigen lassen sich die Teilchen schon mit geringer Anstrengung voneinander trennen und die luftförmigen Körper laufen von selbst auseinander. Man nimmt deshalb an, daß zwischen den Teilchen der festen und flüssigen Körper eine Anziehungskraft herrsche. Die Anziehungskraft, welche zwischen den Teilchen eines und desselben Körpers herrscht, nennt man K o h ä s i o n . Die Stücke einer zerbrochenen Siegellackstange haften beim Aneinanderdrücken nur dann wieder aneinander, wenn sie vorher weich gemacht worden sind. Man schließt daraus, daß die Kohäsion eine Kraft ist, welche nur auf sehr geringe Entfernung hin, dann aber oft mit bedeutender Stärke wirkt. Durch Erwärmung kann man feste Körper flüssig und flüssige gasförmig machen (Wachs, Blei, Eisen — Wasser, Weingeist, Petroleum); die Wärme dehnt die Körper aus (eine Kugel, welche in der Kälte knapp durch einen Ring geht, geht erhitzt nicht mehr durch); durch Erwärmung wird also die Entfernung der Teilchen voneinander vergrößert und dadurch die Kohäsion geschwächt.

Kursus.]

Besondere Eigenschaften der Körper.

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Viele Körper, wie Wachs und Schmiedeeisen, werden weich, ehe sie schmelzen. Wo beim Flüssigwerden ausnahmsweise Verringerung des Gesamtvolumens eintritt (Eis), sind jedenfalls im festen Zustand größere Poren vorhanden, welche bei der Verflüssigung ausgefüllt werden; die Moleküle (oder Mole) selbst sind im flüssigen Zustand weiter voneinander entfernt als im festen.

Weil die Teilchen luftförmiger Körper, wenn kein Hindernis entgegensteht, sich möglichst weit voneinander entfernen, so ist jedenfalls keine oder eine nur sehr geringe Kohäsion vorhanden, eher könnte man an eine abstoßende Kraft denken; doch läßt sich die Neigung der luftförmigen Körper, sich auszudehnen, besser durch die Annahme erklären, daß die Teilchen derselben in Bewegung sind; diese Bewegung setzen sie, weil sie keine Einwirkung aufeinander ausüben, nach dem Gesetz der Trägheit in gleichbleibender Richtung und mit unveränderter Geschwindigkeit fort, bis sie gegen ein anderes Teilchen oder irgend einen Körper anstoßen. Die Moleküle luftförmiger Körper verhalten sich wie geworfene Kugeln, welche keinen Zusammenhang untereinander haben. Aber auch von den Molekülen der festen und flüssigen Körper nimmt man an, daß sie in ständiger Bewegung seien. Durch Zuführung von Wärme wird die Geschwindigkeit d^r Bewegung verstärkt. Wegen der Kohäsion können sich die Teilchen flüssiger und fester Körper, obwohl sie in Bewegung sind, nicht beliebig weit voneinander entfernen; ein Molekül, welches sich von einem anderen nach irgend einer Richtung hin entfernt, wird von den Nachbarmolekülen alsbald wieder zurückgezogen; die Moleküle der festen und flüssigen Körper vollführen schwingende Bewegungen; die der letzteren können außerdem übereinander weggleiten. Drückt man gegen einen Körper, so empfindet man einen Gegendruck, der um so stärker wird, je mehr sich das Volumen des Körpers verringert; es muß also außer der Kohäsion noch eine abstoßende Kraft, welche man E x p a n s i o n nennt, herrschen; sie wächst beim Annähern der Moleküle in stärkerem Verhältnisse als die Kohäsion. Soll ein Körper ausgedehnt werden, so muß man eine Zugkraft anwenden; mit der Entfernung der Moleküle nimmt also die Expansion rascher ab als die Kohäsion. Im gewöhnlichen Zustand halten Kohäsion und Expansion einander das Gleichgewicht. Viele Physiker sind der Meinung, daß die abstoßende Kraft durch einen außerordentlich feinen, den ganzen Weltenraum erfüllenden und zwischen den Molekülen aller Körper gelagerten Stoff, den W e l t ä t h e r , bewirkt werde. Je näher die Moleküle aneinander kommen, um so mehr wird der Äther verdichtet, und um so stärker wird der Stoß der bewegten Moleküle des Äthers gegen die des Körpers. Ebenso wächst die Stoßkraft der Äthermoleküle mit der Temperatur, woraus zu schließen ist, daß die Geschwindigkeit der Bewegung größer wird. — Die Kohäsion erklären viele Physiker aus dem Stoß der Moleküle des äußeren Weltäthers auf die Körpermoleküle. — Ein Molekül samt seiner Ätherhülle heißt D y n a m i d e . Der a t o m i s t i s c h e n Theorie, welche die Materie als aus einzelnen getrennten Teilchen bestehend ansieht, steht die d y n a m i s c h e , von manchen Philosophen verteidigte, gegenüber, welche die Masse für ein Kontinuum hält, in dessen Inneren sich jedoch mannigfache Hohlräume befinden können.

Besondere Eigenschaften der Körper.

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[Erster

§ 11. Adhäsion. Zwei Spiegelglasplatten, oder auch eine Spiegelglas* und eine polierte Metallplatte, haften, wenn sie aufeinandergelegt werden, oft so gut, daß die untere an der oberen beim Indiehöheheben hängen bleibt, selbst wenn noch ein Gewicht angehängt wird. Noch besser haften zwei erwärmte und aufeinandergepreßte Metallplatten. Man schließt hieraus, daß auch die Teilchen verschiedener Körper einander anziehen. Die Anziehungskraft, welche zwischen den Teilchen verschiedener Körper herrscht, nennt man A d h ä s i o n . Eine solche Anziehung ist auch zwischen festen und flüssigen Körpern thätig. Auf die eine Schale einer W a g e (Fig. 2) stelle man ein Glas Wasser und lege auf die andere soviel Gewichte, daß die W a g e im Gleichgewicht steht. Dann schiebe man die Stange 8 in der Röhre CD soweit herunter, daß die Glasplatte P Q die Wasseroberfläche wenigstens an einer Stelle berührt. Mit Hilfe der Schrauben u, v, w gelingt es dann die Glasscheibe überall in Berührung mit der Wasseroberfläche zu bringen. Nunmehr kann man aus der anderen Wagschale verschiedene Gewichte herausnehmen, ehe die Glasscheibe abreißt.

Nach dem Abreißen zeigt sich die Glasscheibe benetzt, was nicht der Fall ist, wenn man Quecksilber statt Wasser nimmt. Bei Wasser reißt die oberste Schicht, welche an der Glasplatte hängen bleibt, von dem unteren Wasser ab; es ist also die Adhäsion des Wassers an das Glas größer, als die Kohäsion der Wasserteilchen. Bei Quecksilber ist es umgekehrt. Wasser steht in einem Glasgefäße am Rande höher als in der Mitte; die Glaswand zieht das ihr anliegende Wasser stärker an, als es von dem Wasser in der Mitte angezogen wird. Quecksilber dagegen steht am Rande eines Glases tiefer als in der Mitte. Die zwischen den Molekülen der Körper wirkenden Kräfte Kohäsion und Adhäsion, nennt man M o l e k u l a r k r ä f t e . Fig. 2.

Adhäsion zwischen festen und flüssigen Körpern.

Auf der Adhäsion beruht das Hängenbleiben des Staubes an der Decke, des Wassers und Eises an den Fensterscheiben, des Amalgams an Glasspiegeln, der Gold- und Silberschicht beim Vergolden unedler Metalle; das Schreiben mit Bleifeder, Kreide und Tinte, das Leimen, Kitten und Löten; das Plattieren d. h. das Aufeinanderbefestigen erwärmter Metallplatten lediglich durch Zusammenpressung u. s.w. Auch Gase haften sehr stark an festen Körpern; erhitzt man Wasser in einem Glase, so werden an den Wänden rasch sich vergrößernde Luftbläschen sichtbar; die am Glase haftende und durch die Adhäsion stark verdichtete L u f t dehnt sich beim Erwärmen aus, die äußerste Schicht L u f t entfernt sich dabei soweit von dem Glas, daß die Adhäsion teilweise oder ganz aufhört, weshalb sich die komprimierte L u f t sehr stark ausdehnt und in Form rasch sich vergrößernder Luftbläschen sichtbar wird. Poröse Körper (frisch ausgeglühte Kohle, Platinschwamm) absorbieren Gase besonders stark. — Legt man auf einen ebenen Spiegel oder auf eine mit frisch

Kursus.]

Besondere Eigenschaften der Körper.

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ausgeglühter Kohle abgeriebene Silberplatte ein Papier, in welchem ein Buchstabe ausgeschnitten ist, haucht darauf, nimmt das Papier weg und behaucht die Platte abermals, nachdem der erste Hauch verschwunden ist, so tritt der Buchstabe deutlich hervor, weil sich jetzt der Wasserdampf hauptsächlich an den noch nicht behaucht gewesenen Stellen ansetzt — H a u c h b i l d e r von Moser. § 12. Arten der Körper. Ein Körper heißt h a r t , wenn er der Verschiebung seiner Teilchen einen großen Widerstand entgegensetzt; im anderen Falle w e i c h (Eisen — Wachs). Ein Körper, welcher eine starke Formänderung verträgt, ohne in Stücke zu springen, heißt g e s c h m e i d i g (biegsam, dehnbar); im anderen Falle s p r ö d e (Kupfer — Glas). Ein Körper, welcher seine frühere Gestalt oder sein früheres Volumen wieder annimmt, nachdem die Kraft, welche dieselben verändert, zu wirken aufgehört hat, nennt man e l a s t i s c h . Jeder Körper ist bis zu einem gewissen Grad elastisch; doch vertragen viele nur eine geringe Gestalt- oder Volumenänderung, ohne (wenn sie geschmeidig sind) dauernd verbogen zu werden, oder (wenn sie spröde sind) zu zerspringen; solche Körper nennt man häufig u n e l a s t i s c h . Für jeden Körper giebt es eine gewisse Grenze, bis zu welcher die Gestalt* oder Volumenänderung der wirkenden Kraft proportional ist; man nennt dieselbe die E l a s t i z i t ä t s g r e n z e des Körpers. (Prüfung durch Anhängung von Gewichten an einen Spiraldraht, Glasspirale, Gummischlauch u. dergl.) In hohem Grad elastisch sind die G a s e . Die Beschaffenheit eines Körpers hängt wesentlich von der Bereitung und Behandlung desselben ab; mehrfach geglühter Eisendraht ist weich; gehämmert oder glühend in Wasser abgelöscht, wird er hart; in ähnlicher Weise kann man Stahl sowohl glashart, als im höchsten Grad biegsam herstellen. Glühend in Wasser abgelöschtes Glas wird sehr spröde: Glasthränen, Bologneser Fläschchen; in feine Fäden ausgezogen, ist es höchst elastisch: Brochen und Kleider aus Glasfäden. Werden Glasgefäße, noch wann, längere Zeit in heißem Öl gehalten, so verlieren sie sehr an Sprödigkeit — u n z e r b r e c h l i c h e s Glas. Sprungfedern; Wagenfedern; Uhrfedern; Federn zum Verschluß von Tintenfässern; Federwagen. Eine geringe Volumenänderung, selbst durch große Kräfte, erfahren die tropfbaren Flüssigkeiten, eine merkliche, selbst durch kleinere Kräfte, die Gase; die ersteren nennt man deshalb auch wohl u n z u s a m m e n d r ü c k b a r (inkompressibel); übrigens sind sie innerhalb der Grenzen ihrer geringen Zusammendrückbarkeit ebenfalls elastisch. Einen gutschließenden Kolben kann man beinahe bis auf den Boden einer dickwandigen Glasröhre treiben; hört der Druck auf, so bewegt sich der Kolben wieder nach oben; ist er gut geölt, so kann es vorkommen, daß er aus der Bohre herausspringt, nachdem man ihn durch einen starken, raschen Schlag tief hinabgetrieben hat. Um die Zusammendrückbarkeit von Flüssigkeiten zu zeigen, kann man folgendermaßen verfahren: Man füllt einen Eeagiercylinder bis zu 2/a mit einer dünnen Lösung von gelbem Blutlaugensalz und verschließt die Oflnung mittels eines Gummistopfens, in dessen Bohrung eine in eine feine Spitze ausgezogene Glasröhre gesteckt ist. Man stellt nun den Eeagiercylinder, mit der Spitze nach unten, in einen weiteren Glascylinder, nachdem man sich überzeugt hat, daß die Flüssigkeit nicht ausfließt. Auch ist es gut mittels eines Metallringes den Eeagiercylinder zu beschweren. Man füllt dann den weiten Cylinder bis nahe an das obere Ende mit

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Von den Bewegungen und den Kräften.

[Erster

Wasser und vervollständigt die Füllung mit Eisenchloridlösung. Die Cylinderöffnung wird hierauf mit einer nassen, stramm angezogenen Schweinsblase überbunden und auf diese ein starker Druck mit der Hand ausgeübt; alsbald sieht man in dem Glasröhrchen des Reagiercylinders an immer höheren und höheren Stellen Berlinerblau entstehen.

II. M e c h a n i k , a. Ton den Bewegungen und den Kräften. § 13. Buhe und Bewegung. Die Mechanik ist die Lehre vom Bewegungszustande der Körper. — Wenn ein Körper gegen einen anderen seinen Ort nicht verändert, so sagt man, er sei in bezug auf diesen, also r e l a t i v in Ruhe; ob ein Körper a b s o l u t in R u h e ist, d. h. ob er überhaupt seinen Ort im Räume nicht verändert, läßt sich nicht feststellen. Wenn ein Körper in bezug auf einen anderen seinen Ort verändert, so ist er in B e w e g u n g ; ist der zweite Körper in Ruhe, so nennt man die Bewegung des ersten a b s o l u t , im anderen Falle r e l a t i v . Eine relative Bewegung wird s c h e i n b a r genannt, wenn ein Beobachter, welcher sich selbst als ruhend ansieht, die Bewegung eines anderen Körpers auf sich bezieht; nicht selten geschieht dies mit dem B e w u ß t s e i n , daß hier keine Thatsache, sondern ein Schein vorliegt, indem in Wirklichkeit der Beobachter in Bewegung und der beobachtete Körper in Ruhe sich befindet. Scheinbare Bewegung der Fixsterne; einer Brücke, auf welcher man steht, während man unverwandt auf das Wasser sieht; der Bäume auf dem Felde, wenn man sie von einem fahrenden Eisenbahnzug aus betrachtet u. s. w.

Unter der B a h n eines Körpers, welche gerad- oder krummlinig sein kann, versteht man die Gesamtheit der Orte im Räume, welche ein bewegter Körper nach der Reihe einnimmt. Es giebt im wesentlichen zwei Bewegungsarten, die f o r t s c h r e i t e n d e und die d r e h e n d e ; bei der ersteren beschreiben alle Punkte eines Körpers parallele und gleiche Bahnen, bei der letzteren Kreise um eine ruhende Achse (Schleifstein, Schwungrad). Ändert die Achse während der Bewegung ihre Lage, so kann die Bewegung fortschreitend und drehend zugleich werden. § 14, Gleichförmige Bewegung. Wenn ein Fußgänger immer denselben Schritt einhält und in jeder Sekunde denselben Weg, etwa 1,5 m, zurücklegt, so sagt man, er mache eine g l e i c h f ö r m i g e Bewegung mit der G e s c h w i n d i g k e i t 1,5m: E i n e B e w e g u n g h e i ß t g l e i c h f ö r m i g , wenn in g l e i c h e n Z e i t e n g l e i c h e W e g e z u r ü c k g e l e g t w e r d e n . D i e G e s c h w i n d i g k e i t ist g l e i c h dem W e g in e i n e r S e k u n d e . D e r in i r g e n d v i e l S e k u n d e n b e i der g l e i c h f ö r m i g e n B e w e g u n g z u r ü c k g e l e g t e W e g ist g l e i c h d e m P r o d u k t a u s Ges c h w i n d i g k e i t u n d Z e i t (in Sekunden). Ist o die Geschwindigkeit eines gleichförmig bewegten Körpers, so gilt für den Weg s nach t Sekunden: s = c.t.

(1)

Kursus.]

Von den Bewegungen und den Kräften.

Hieraus ergiebt sich: o = -j- und In Worten!

t

= -J-

13 (2)

G e s c h w i n d i g k e i t s t a b e l l e : Ein Fußgänger 1,8—1,6 m. — Ein Pferd im Schritt 1,2 m. — Ein Pferd im Galopp 5 m. — Ein Postwagen 3 m. — Ein gewöhnlicher Eisenbahnzug 7—8 m. — Ein Schnellzug 14 m. — Ein Adler 30 m. — Der Schall (in der Luft) 332 m. — Eine Büchsenkugel 400 m. — Ein Punkt am Äquator 460 m. — Das Licht (in der Luft) 40 000 Meilen. — Die Elektrizität (im Kupferdraht) 62000 Meilen. — Der Mond in seiner Bahn um die Erde */,—'/steile. — Die Erde in ihrer Bahn um die Sonne 4 Meilen. A u f g a b e n : 1. Wieviel Meter legt ein Schnellzug in 15 Minuten zurück? — 2. Wie groß ist die Geschwindigkeit eines Pferdes, welches 1 km in 6 Minuten und 10 Sekunden zurücklegt? — 3. In wieviel Zeit legt die Erde eine Strecke zurück, welche gleich dem Äquator der Erde (5400 Meilen) ist?

§ 15. Gleichmäßig veränderte Bewegung. 1) E i n e B e w e g u n g h e i ß t g l e i c h m ä ß i g v e r ä n d e r t , wenn die G e s c h w i n d i g k e i t in g l e i c h e n Zeiten um g l e i c h v i e l z u - o d e r a b n i m m t , und zwar nennt man die Bewegung im einen Fall g l e i c h m ä ß i g b e s c h l e u n i g t , im anderen g l e i c h m ä ß i g v e r z ö g e r t . Verschiedene gleichmäßig veränderte Bewegungen derselben Art (beschleunigte oder verzögerte) unterscheiden sich lediglich durch die Größe der A c c e l e r a t i o n , d. i. die G e s c h w i n d i g k e i t s ä n d e r u n g in d e r S e k u n d e . Bezeichnet man mit v die Geschwindigkeitsänderung in ¿Sekunden und mit p die Acceleration, so ist: v=pt.

(1)

Die Acceleration ist positiv oder negativ, jenachdem die Bewegung beschleunigt oder verzögert ist; die positive Acceleration nennt man auch B e s c h l e u n i g u n g , die negative V e r z ö g e r u n g . B e i s p i e l e : Freier Fall; Wurf vertikal aufwärts; Fall längs schiefer Ebenen; Wurf aufwärts schiefer Ebenen.

2) Der W e g nach t Sekunden bei der gleichmäßig beschleunigten Bewegung eines Körpers von der Ruhe aus ist, wegen des gleichmäßigen Anwachsens der Geschwindigkeit, derselbe, wie wenn der Körper mit dem arithmetischen Mittel aus der Anfangs- und Endgeschwindigkeit ebensolange g l e i c h f ö r m i g sich bewegt hätte. Ist die Anfangsgeschwindigkeit o und die Endgeschwindigkeit v, so ist das arithmetische Mittel aus der Anfangs- und Endgeschwindigkeit = Wegg s nach t Sekunden: , s = $vt.

= \ v und deshalb der ... (2)

3) Aus (1) und (2) erhält man: s = { p f . (3) D i e W e g e nach i r g e n d v i e l e n S e k u n d e n v e r h a l t e n s i c h wie die Q u a d r a t e der Zeiten. — Der Weg in der e r s t e n S e k u n d e i s t g l e i c h der h a l b e n B e s c h l e u n i g u n g (setze in (3) t — 1).

4) Nach (t — 1) Sekunden ist der Weg:

i P ( f - l) 2-

W

ip.(2t-l),

(5)

Zieht man diesen Weg von dem Weg nach t Sekunden ab, so erhält man als Ausdruck für den Weg innerhalb der ( ten Sekunde:

14

Von den Bewegungen und den Kräften.

[Erster

d. h. die Wege in den einzelnen Sekunden verhalten sich wie die aufeinanderfolgenden ungeraden Zahlen. Aus (1) und (3) läßt sich weiter ableiten: v2 = 2 p s. (4) A u f g a b e n : 1) Die Beschleunigung bei einer gleichmäßig beschleunigten Bewegung beträgt 0,25 m; wie groß ist die Endgeschwindigkeit und der Weg nach 18 Sekunden? — 2) Der Weg nach 6 Sekunden beträgt 72 m; wie groß ist der Weg in der ersten Sekunde? — 3) Ein Körper bewegt sich mit der Beschleunigung 10 m und erlangt nach einer gewissen Zeit die Endgeschwindigkeit 160 m; wie groß ist der zurückgelegte Weg und wieviel Sekunden hat sich der Körper bewegt?

§ 16. Ungleichmäßig veränderte Bewegung. Eine Bewegung heißt ungleichmäßig verändert, wenn die Acceleration nicht ständig dieselbe bleibt. Eine besonders wichtige, hierhergehörige Bewegung ist die schwing e n d e , bei welcher immer nach derselben Zeit derselbe Bewegungszustand wiederkehrt. — Pendel. § 17. Begriff von Kraft und Masse. Kein Körper kann von selbst seinen Bewegungszustand ändern (§ 8), es gehört dazu eine Einwirkung vonseiten eines anderen Körpers, eine K r a f t . Kraft ist alles, was den Bewegungszustand eines Körpers ändern kann. Jeder Körper setzt der Änderung seines Bewegungszustandes einen (mehr oder minder großen) Widerstand entgegen; die Größe dieses Widerstands wird Masse genannt. An jeder Kraft unterscheidet man den A n g r i f f s p u n k t , d. h. denjenigen Punkt eines Körpers, auf welchen sie zunächst wirkt, ferner die (augenblickliche oder dauernde) R i c h t u n g und Größe. Die Richtung der Kraft wird durch die Richtung einer geraden Linie und die Größe durch eine auf der Richtung vom Angriffspunkt aus abgetragene Strecke bezeichnet, indem man irgend eine Strecke als Einheit der Kraft annimmt. § 18. Arten der Kräfte. Eine Kraft ist k o n s t a n t oder v e r ä n d e r l i c h , jenachdem sie stets dieselbe Stärke behält oder nicht; dabei kann zugleich die Richtung immer dieselbe bleiben oder sich verändern. Aller Erfahrung nach bringt eine Kraft dieselbe Geschwindigkeitsänderung an einem Körper hervor, einerlei ob derselbe in Ruhe ist, oder schon eine Bewegung besitzt. Wirkt nun eine konstante Kraft an einem Körper, welcher in Ruhe war, oder schon eine Geschwindigkeit in der Kraftrichtung hatte, so erlangt derselbe in gleichen Zeiten gleiche Geschwindigkeitszunahmen; die Bewegung wird gleichmäßig beschleunigt. — Hört die Kraft zu wirken auf, so läuft der Körper mit der Geschwindigkeit g l e i c h f ö r m i g weiter, welche er am Ende der Kraftwirkung besessen. Hat ein Körper eine gewisse Geschwindigkeit und wirkt ihm eine konstante Kraft direkt entgegen, so erlangt er eine gleichmäßig verzögerte Bewegung. Veränderliche Kräfte bringen ungleichmäßig veränderte Bewegungen hervor. Kräfte, welche nur sehr kurze Zeit dauern (Stoß, Schlag), nennt ^ man m o m e n t a n e , die anderen k o n t i n u i e r l i c h e . Auch die ersteren

Kursus.]

Von den Bewegungen und den Kräften.

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bringen während der kurzen Dauer ihrer Wirkung veränderte Bewegungen hervor. Wenn ein Körper, an dem eine Kraft wirkt, durch einen unbeweglichen Körper (feste Wandj an seiner Bewegung gehindert wird, so übt er auf diesen lediglich einen Druck aus; danach unterscheidet man zwischen b e w e g e n d e n und D r u c k k r ä f t e n (Bewegung erzeugende Erdschwere und Gewicht!). Oft teilt man auch die Kräfte in b e w e g e n d e und w i d e r s t e h e n d e ein, jenachdem sie die Geschwindigkeit eines Körpers vermehren oder vermindern. Doch kann jede Kraft bewegend und widerstehend oder beides zugleich sein; die Reibung der Lokomotivräder an den Schienen hemmt die Bewegung und macht sie zugleich möglich. Ohne den Widerstand der Luft könnten die Vögel nicht fliegen, und doch vermindert derselbe zugleich die Geschwindigkeit der Bewegung. Eine und dieselbe Kraft kann bewegend oder widerstehend sein, jenachdem sie in derselben Richtung an einem Körper wirkt, in welcher er sich bereits bewegt, oder in der entgegengesetzten. Als widerstehende Kräfte oder B e w e g u n g s h i n d e r n i s s e bezeichnet man gewöhnlich diejenigen, welche, wie die Reibung, die Adhäsion, der Luftwiderstand stets geschwindigkeitsvermindernd wirken. Die gewöhnlich in der Praxis benutzten Kräfte sind: Die Muskelkraft der Menschen und Tiere, die Schwerkraft, die lebendige Kraft bewegter Massen, z. B. die Kraft des fließenden Wassers und des Windes; ferner die Spannkraft des Wasserdampfs und der komprimierten oder erhitzten Luft, die magnetische und elektrische Anziehung und Abstoßung, die Explosionskraft (des Pulvers, Knallgases und eines Gemenges von Luft und Leuchtgas).

§ 19. Das Prinzip von der gleichen Wirkung und Gegenwirkung. Nach dem Gesetz der Trägheit kann kein Körper seinen Bewegungszustand von selbst ändern: Jede Kraft, welche an einem Körper A wirkt, geht also von einem anderen Körper B aus. Nun zeigt aber die Erfahrung, daß der Körper A mit derselben Kraft auf den Körper B zurückwirkt, mit welcher dieser auf A wirkt: D i e A k t i o n ist g l e i c h der R e a k t i o n , oder die W i r k u n g ist g l e i c h der G e g e n w i r k u n g . Drückt man mit der Hand gegen eine Feder, so spürt man einen Gegendruck, und es ist eine logische Notwendigkeit, daß, sobald Gleichgewicht eingetreten ist, Wirkung und Gegenwirkung gleich seien, denn wäre der Druck der Feder stärker als der der Hand, so müßte diese zurückweichen, während im anderen Fall die Feder noch weiter zusammengehen müßte. (Gegenseitige Anziehung von Erde und Stein, oder von Sonne und Erde; gegenseitige Anziehung und Abstoßung elektrischer und magnetischer Körper.) § 20. Beziehung zwischen Kraft und Masse. Eine konstante Kraft ist ramal so groß wie eine andere, wenn sie in derselben Masse eine n mal so große Beschleunigung hervorbringt, wie diese. Eine Masse ist nmal so groß wie eine andere, wenn eine n mal so große Kraft dazu gehört, um ihr dieselbe Beschleunigung zu erteilen, wie der anderen. Eine Kraft ist n.m mal so groß wie eine andere, wenn sie, an einer mmal so großen Masse wirkend, eine nmal so große Beschleunigung hervorbringt, wie die andere an der einfachen Masse.

16

Von den Bewegungen und den Kräften.

[Erster

Es gilt nun noch die Einheit der Kraft und der Masse festzustellen. Zunächst ist zu bemerken, daß zwei Körper, welche an demselben Erdort gleichstark von der Erde angezogen werden, also gleiches Gewicht haben, von jeder anderen Kraft gleiche Beschleunigung erfahren, also gleiche Masse haben. Man kann deshalb alle Kräfte durch Schwerkräfte, bezüglich Gewichte ausdrücken. Als Einheit der Kraft gilt gemeiniglich das Kilogrammgewicht, kurz das Kilogramm. Ist eine Federwage in Paris nach Kilogrammen geeicht, und wird sie durch eine Kraft bis zum Teilstrich 1 ausgezogen, so beträgt die Kraft ein Pariser Kilogrammgewicht und gilt als Krafteinheit. Kann eine Kraft die Federwage bis zum Teilstrich 6 ausbiegen, so besitzt 6ie 6 Krafteinheiten, oder beträgt 6 kg. Eine zum Messen von Kräften dienende Federwage wird K r a f t m e s s e r oder D y n a m o m e t e r genannt. Als Einheit der Masse gilt diejenige, welche durch die Einheit der Kraft die Einheit der Beschleunigung erfährt. Wenn die Erde an der Kilogrammmasse, d. i. die Masse eines Liters Wasser, zieht, so erteilt sie derselben eine Beschleunigung, welche in unsern Gegenden 9,81m beträgt; man nennt dieselbe E r d b e s c h l e u n i g u n g und bezeichnet sie mit g. Soll nun eine Masse durch die an der Kilogrammmasse wirkende Erdschwere nur eine Beschleunigung von 1 m erfahren, so muß sie 9,81 oder g Kilogrammmassen betragen. Die Einheit der Masse ist also das g fache der Kilogrammmasse. Bezeichnen P, M und p die Maßzahlen einer Kraft, einer Masse und einer Beschleunigung, welche in Kraft-, bezüglich Massen- und Längeneinheiten ausgedrückt sind, so gilt: P = Mp:

(1)

D i e K r a f t i s t g l e i c h d e m P r o d u k t a u s Masse u n d B e schleunigung. Ist die wirkende Kraft die Erdschwere S (das Gewicht), so gilt: S=Mg

woraus:

M = —• 9

(2)

D i e M a ß z a h l e i n e r M a s s e wird g e f u n d e n , wenn m a n d a s (in K i l o g r a m m e n a n g e g e b e n e ) G e w i c h t d e r s e l b e n d u r c h d i e E r d b e s c h l e u n i g u n g (in Metern) d i v i d i e r t . Wirkt eine und dieselbe Kraft an zwei verschiedenen Massen M1 und M2, SO gilt, wenn p1 und p2 die Beschleunigungen sind: M1p1 = M2 p2,

oder

Mx :M2=p2

\p 1 ,

(3)

d. h. bei g l e i c h e n K r ä f t e n v e r h a l t e n sich die M a s s e n umg e k e h r t wie die B e s c h l e u n i g u n g e n . Die einzelnen Körper haben verschiedenes Gewicht, also auch verschiedene Massen, doch aber fallen alle im luftleeren Räume gleichschnell; daraus folgt, daß die Schwerkraft, welche an den Körpern zieht, den Massen

Kursus.]

17

Von den Bewegungen und den Kräften.

derselben proportional sein muß: Die Erde zieht an jedem einzelnen Massenelement. § 21. Atwoodsche Fallmaschine. Die Gesetze der gleichförmigen und gleichmäßig beschleunigten Bewegung lassen sich leicht mit Hilfe der Atwoodschen Fallmaschine experimentell prüfen. Innerhalb kleiner Fallstrecken kann die Schwerkraft als eine konstante Kraft und deshalb der freie Fall als eine gleichmäßig beschleunigte Bewegung angesehen werden. Am oberen Ende einer vertikal gerichteten, mit einer Teilung versehenen Säule (Fig. 3) ist eine leicht bewegliche Rolle angebracht, über welche ein Faden geht, an dessen Enden zwei gleiche Gewichte (Gewichtsstücke, Massen) hängen. Die an beiden Gewichten wirkenden Schwerkräfte halten einander das Gleichgewicht; es ist also so gut, als ob die Schwerkraft nicht an ihnen wirkte: Will oder kann man von dem Gewicht einer Masse absehen, so nennt man sie eine bloß t r ä g e , sonst eine schwere Masse. Legt man noch ein kleines Übergewicht q auf das eine der beiden Gewichte, so entsteht eine gleichmäßig beschleunigte Bewegung, deren Beschleunigung bei weitem kleiner ist, als die beim freien Fall. Ist m die Masse des Übergewichtes, M die Gesamtmasse der beiden gleichen Gewichte und p die Beschleunigung an der Fallmaschine, so gilt nach (3) in § 20:

Kursus.]

Einiges aus der Mechanik der gasförmigen Körper.

49

wo und v2 die Volumina und p1 und p2 die entsprechenden, auf die Gasmasse ausgeübten Drücke bedeuten. Um dieses Gesetz nachzuweisen, kann man sich des Apparates Fig. 54 bedienen; er besteht aus einer gebogenen Glasröhre, deren langer Schenkel oben offen und trichterförmig erweitert, der kurze aber geschlossen ist. Gießt man zunächst soviel Quecksilber in den Trichter, daß dasselbe am untersten Punkt der Teilung bei ab (12) in den Schenkeln steht, so ist in dem kurzen Schenkel Luft von gewöhnlicher Dichte und Spannkraft eingeschlossen. Gießt man jetzt noch soviel Quecksilber nach, daß es im langen Schenkel 76 cm über dem im kurzen steht, so nimmt die Luft nur noch die Hälfte des früheren Raumes ein (es steht im langen Schenkel bei d und im kurzen Schenkel bei c). Der Druck, den das Quecksilber und die Luft über demselben auf die im kurzen Schenkel eingeschlossene ausübt, ist gleich zwei Atmosphären. Gießt man weiter soviel Quecksilber in den Trichter, so daß es im langen Schenkel um 2 >76 cm höher steht, als im kurzen, so hat sich die Luft soweit zusammengezogen, daß sie nur noch 1 j 3 des früheren Raumes einnimmt u. s. w. Jedesmal wenn Gleichgewicht eingetreten ist, sind äußerer Druck und Spannkraft der Luft einander gleich (§ 19). Um das Mariottesche Gesetz für verdünnte Luft nachzuweisen, bedient man sich einer weiten, mit Quecksilber gefüllten Röhre, in welche eine enge, oben mit einem Hahn versehene eingeschoben werden kann (Fig. 55). Taucht man die enge, etwas Luft enthaltende, Röhre bei offenem Hahn zunächst so tief in die weite, daß das Quecksilber in beiden Röhren gleich hoch steht, schließt den Hahn und hebt die enge Röhre in die Höhe, bis die Luft in ihr 54 Ä a ottes den doppelten Raum einnimmt, so ist das Quecksilber i " 1 ;.. ii i, , , i . . . Gesetz für Luftvern in derselben um / 2 - 7 6 cm, und hebt man sie so hoch, dichtung. daß die Luft den dreifachen Raum einnimmt, so ist das Quecksilber in ihr um 2 / 3 • 76 cm gestiegen. Hieraus folgt, daß die auf den doppelten oder dreifachen Raum ausgedehnte Luft nur noch die Hälfte, bezüglich den dritten Teil der ursprünglichen Spannkraft besitzt. Das Mariottesche Gesetz wird bei der Kompression begreiflicherweise nur so lange gelten, als die Moleküle nicht so nahe aneinanderrücken, daß eine gegenseitige Anziehung erwacht, jedenfalls nicht so weit, bis das Gas in den flüssigen Zustand überzugehen beginnt. — Arago und Dulong haben das Gesetz bis zu einem Druck von 27 Atmosphären für Luft geprüft. Regnault hat durch genauere Versuche gezeigt, daß Luft, Sauerstoff, Stickstoff und überhaupt alle Gase, mit Ausnahme des Wasserstoffs sich bei hohem Druck stärker zusammenziehen, als es das Mariottesche Gesetz verlangt. Solche Gase, wie Ammoniak, Schwefeldioxyd u. s. w., welche schon bei geringem Druck flüssig werden, ziehen sich auch

Krobs, Physik. II. Aufl.

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Einiges aus der Mechanik der gasförmigen Körper.

[Erster

schon bei geringem Druck stärker zusammen, als es das Mariottesche Gesetz verlangt. Umgekehrt verhält sich der Wasserstoff; er zieht sich bei hohem Druck weniger zusammen, als es sein müßte. — Ableitung des Mariotteschen Gesetzes aus der Bewegung der Gasmoleküle (§ 10)! A u f g a b e n : 1. Es ist das Volumen v einer unter dem Drucke b stehenden Gasmasse auf den Normalbarometerstand (760 mm) zu reduzieren. — 2. Wie verhalten sich die spezifischen Gewichte yt und y2 einer Gasmasse, ¿S] wenn dieselbe bezüglich den Drücken^), undp 2 ausgesetzt wird?

§ 54. Luftpumpe (Otto v. Guericke 1650). — Die schon wiederholt erwähnte Luftpumpe dient dazu, um möglichst luftleere Räume herzustellen. 1) Wir beschreiben zuerst die Y e n t i l l u f t p u m p e (Fig. 56). Sie besteht aus einem Cylinder — S t i e f e l — in welchem sich ein Kolben aufund abbewegen kann. Der Stiefel ist durch eine Röhre mit einem Teller — R e z i p i e n t — verbunden, der in der Mitte einLoch hat, und auf den eine gut abgeschliffene Glasglocke gestellt werden kann. Der KolFig. 56. Ventilluftpumpe. Fig. 55. Mariottes ben hat ein nach Gesetz für dieLuftverdünnung.

oben sich öffnendes Ventil, und ein ebensolches ist am Boden des Cylinders angebracht. — Befindet sich der Kolben ganz unten, und zieht man ihn in die Höhe, so entsteht unter ihm ein luftverdünnter Raum; infolgedessen öffnet sich das Boden- und schließt sich das Kolbenventil, und es strömt Luft aus der Glocke in den Stiefel. Wird nun der Kolben abwärts bewegt, so wird die Luft unter dem Kolben komprimiert; es schließt sich deshalb das Bodenventil, sodaß die Luft aus dem Stiefel nicht mehr nach der Glocke zurückströmen kann, während das Kolbenventil sich öffnet und die Luft ins Freie entweichen läßt, sobald die Luft unter dem Kolben dichter geworden ist, als die äußere. Durch Wiederholung dieses Verfahrens kann man schließlich einen sehr stark verdünnten Raum erzeugen. Fig. 57 zeigt eine z w e i s t i e f l i g e V e n t i l l u f t p u m p e m i t B a r o m e t e r p r o b e H. Die Barometerprobe ist ein abgekürztes Barometer, dessen Schenkel höchstens 20 cm lang sind; es steht unter einer kleinen Glocke, die beim Auspumpen ebenfalls luftleer wird, da sie mit der Verbindungsröhre zwischen Stiefel und Rezipient kommuniziert; das Quecksilber beginnt erst zu sinken, wenn der Luftdruck so schwach geworden

Kursus.]

Einiges aus der Mechanik der gasförmigen Körper.

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ist, daß er nicht mehr einer Quecksilbersäule von 20 cm das Gleichgewicht halten kann. 2) Die H a h n l u f t p u m p e unterscheidet sich von der Ventilluftpumpe dadurch, daß die beiden Ventile fehlen u n ( j statt ihrer ein doppelt dur chbohrterHahn (Sengerdscher Hahn) in die Verbindungsröhre zwischen Stiefel und Rezipientund zwar unmittelbar unter dem ersteren eingesetzt ist. Fig. 58 zeigt den Hahn in zwei um eine Vierteldrehung verschiedenenStellungen. In der ersten sieht man die eine Bohrung, welche gerade durchgeht; in der zweiten ist dieselbe zu einem Punkt verkürzt, Z w e i s t i e f l i g e Ventilluftpumpe, pig 57 dagegen sieht man vollständig die zweite Bohrung, welche von oben nach vorn geht. Steht der Hahn in der ersten Stellung, so ist der Stiefel mit dem Rezipienten, und steht er in der zweiten Stellung, so ist der Stiefel mit der freien Luft in Verbindung. Wenn das Auspumpen beginnt, so muß der Kolben unten sein und der Hahn die erste Stellung haben. Zieht man den Kolben auf, so verbreitet sich die Luft unter der Glocke auch auf den Stiefel; wird nun der Kolben abwärts bewegt, nachdem man vorher den Hahn in die zweite Stellung gedreht hat, so entweicht die Luft unter dem Kolben durch die s enger jjcher 8 Hahn schiefe Bohrung des Hahnes hinaus ins Freie. Durch Wiederholung dieses Verfahrens, wobei man vor dem Auf- und Abwärtsbewegen des Kolbens dem Hahne stets die geeignete Stellung geben muß, kann man eine sehr hohe Verdünnung erzielen. Übrigens geht selbst bei den besten Luftpumpen die Verdünnung nicht unter 1 mm herab, so daß also das Quecksilber im geschlossenen Schenkel der Barometerprobe 1 mm höher steht, als im offenen. Die Ursache davon ist der nicht zu vermeidende s c h ä d l i c h e R a u m , d. i. der, wenn auch sehr kleine, Raum zwischen dem ganz herabgedriickten Kolben einerseits, und dem Boden des Stiefels (bei Ventilluftpumpen) oder dem Hahn anderseits (welch letzterer stets mit Luft von gewöhnlicher Dichte gefüllt ist, die sich wieder in den Cylinder ergießt, wenn der Kolben aufgezogen wird).

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Einiges aus der Mechanik der gasförmigen Körper.

[Erster

Ist v das Volumen des schädlichen Raumes und V das des Stiefels, sowie D die Dichte der äußeren Luft und d die Dichte der Luft bei dem äußerst erreichbaren Grad der Verdünnung, so gilt: § 55. V e r s u c h e mit der L u f t p u m p e . 1) Ein Licht erlischt und ein Tier stirbt unter der Glocke der Luftpumpe, sobald man auspumpt. — 2) Eine schlaffe, zugebundene Blase bläht sich auf und ein runzeliger Apfel wird glatt; aus einem Ei, welches ein kleines Loch hat, fließt das Eiweiß aus. — 3) Eine Blase, welche über einen Cylinder gespannt ist, der statt der Glocke auf den Teller der Luftpumpe gesetzt wird, biegt sich erst ein und platzt alsdann. — 4) Zwei Halbkugeln von Messing, welche gut aufeinander passen, lassen sich nur mit großer Anstrengung auseinander reißen, nachdem sie luftleer gemacht worden sind. (Versuch Otto von Guerickes auf dem Reichstag zu Regensburg 1654 vor Kaiser Ferdinand III mit Halbkugeln von 0,67 Ellen Durchmesser, welche erst von 16 Pferden auseinandergerissen werden konnten.) — 5) Wasser, welches nur mäßig erwärmt worden ist, kocht unter der Luftpumpe. — 6) Wenn Wasser unter der Luftpumpe siedet, so kühlt es sich ab; bei der Dampfbildung wird Wärme verbraucht; schafft man nun die Dämpfe dadurch weg, daß man ein Gefäß mit Schwefelsäure unter die Glocke stellt, so wird die Dampfbildung und die Abkühlung des Wassers so stark, daß das Wasser alsbald gefriert (Eismaschinen, Luftpumpe von Carré). Im kleinen stellt man Eis am einfachsten so her, daß man zwei Glasschälchen ineinander stellt, von denen das obere Äther und das untere Wasser enthält. Durch die rasche Verdunstung des Äthers entsteht eine solche Kälte, daß das Wasser gefriert. — 7) Quecksilber läßt sich durch Holz und Leder pressen (Quecksilberregen). — 8) In einer luftleeren Röhre fallen Körper vom verschiedensten spezifischen Gewicht (Flaumfeder, Bleikugel) gleich schnell — F a l l r ö h r e . — 9) Der Schall verschwindet unter der Glocke einer Luftpumpe, wenn man hinlänglich auspumpt und dafür sorgt, daß die Schwingungen der Glocke sich nicht auf den Körper der Luftpumpe fortpflanzen. — 10) Legt man ein Stück Holz in Wasser, so sinkt es beim Auspumpen nach und nach unter, während eine große Menge Luft aus dem Holz entweicht. Die Holzmasse an sich ist schwerer als Wasser. — 11) Ein teilweise mit Wasser gefülltes Gefäß, welches durch einen Stopfen verschlossen ist, durch den eine Glasröhre bis beinahe auf den Boden geht, wird H e r o n s b a l l genannt (Fig. 59). Fig. 59. Stellt man einen Heronsball unter die Luftpumpe und pumpt aus, so Heronsball. S p r i n gt das Wasser aus der Glasröhre so lange, bis die innere Luft, durch Ausdehnung auf ein größres Volumen, ebenso dünn geworden ist, wie die äußere. § 56. Saug- u n d D r u c k p u m p e . 1) Die S a u g p u m p e (Fig. 60) besteht aus einer in Quellwasser (in einen „ S u m p f " ) tauchenden Röhre, welche sich oben in den cylindrischen „Stiefel", in dem ein Kolben aufu n d abgehen k a n n , erweitert. A m Boden des Stiefels, sowie auch im Kolben, befindet sich ein nach oben aufgehendes Ventil. Zieht man den K o l b e n in die Höhe, so entsteht unter demselben ein verdünnter B a u m ; durch den D r u c k der äußeren L u f t wird das W a s s e r in die Bohre u n d in den Stiefel getrieben, wobei das Bodenventil sich öffnet, das Kolbenventil aber geschlossen bleibt. D r ü c k t m a n den Kolben nieder, wobei das Bodenventil sich schließt, so wird die noch u n t e r ihm befindliche L u f t komprimiert u n d entweicht durch das sich öffnende Kolbenventil. Schließlich, wenn der K o l b e n an das Wasser k o m m t , geht auch dieses über den K o l b e n , um beim nachherigen Aufwärtsziehen, wobei wieder neues Wasser durch das Bodenventil in den Stiefel steigt, bis zur Ausflußröhre gehoben zu werden.

Kursus.]

Einiges aus der Mechanik der gasförmigen Körper.

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2) Bei der D r u c k p u m p e (Fig. 61) ist der Kolben ohne Ventil, dagegen ist noch ein Seitenrohr vorhanden, welches ein nach außen aufgehendes Ventil enthält. Zieht man den Kolben in die Höhe, so öffnet sich das Bodenventil und schließt sich das Druckventil (im Seitenrohr); das Wasser steigt über das Bodenventil, um beim Niedergang des Kolbens, wobei das Bodenventil sich schließt, samt der noch im Stiefel enthaltenen Luft durch das sich öffnende Druckventil in die Seitenröhre — S t e i g r o h r — gedrückt zu werden. Mittels der Saugpumpe kann man Wasser nicht über 10,33 m heben. Das Einsteigen des Wassers in den Stiefel der Pumpe erklärte man bis zu Galileis Zeit dadurch, daß man der Natur einen Abscheu vor dem leeren Raum (horror vacui) zuschrieb. Nachdem aber die Pumpenmacher zu Florenz sich überzeugt, daß das Wasser nicht unbegrenzt hoch steige, mußte man Fig. 60. Saugpumpe. Fig. 61. Druckpumpe. diese Erklärung fallen lassen; man wandte sich an Galilei, welcher seinen Schüler Toricelli schickte, um den Grund dieser Erscheinung zu erforschen. Toricelli löste das Rätsel, indem er den Druck der Luft als die Ursache für das Aufsteigen des Wassers erkannte. Als Wasserhebmaschinen erwähnen wir noch die A r c h i m e d s c h e S c h r a u b e und das P a t e r n o s t e r werk. Die erstere besteht aus einer schlangenförmig um eine geneigte Achse gewundenen Röhre. Stellt man dieselbe mit ihrem unteren Ende in Wasser und dreht die Achse rasch, so steigt das Wasser durch die Schwungkraft in der Röhre auf und fließt oben aus. Das Paternosterwerk besteht aus einer Röhre und einer Kette ohne Ende, auf welcher runde Scheiben angebracht sind, die möglichst genau in die Röhre passen. Die aufrecht stehende Röhre, sowie der untere Teil der Kette taucht in in zu hebendes Wasser. Setzt man die Kette in Bewegung, sodaß der Teil derselben, welcher in der Röhre sich befindet, in die Höhe geht, so nehmen die Scheiben das Wasser mit nach oben, wo es ausfließt.

§ 57. Feuerspritze. Die Feuerspritze ist eine Verbindung einer Druckpumpe mit einem Heronsball (§ 55). Das Wasser in einem Heronsball kann nicht bloß dadurch zum Springen gebracht werden, daß man ihn unter die Luftpumpe stellt und auspumpt, sondern auch dadurch, daß man in die Röhre Luft einbläst oder durch ein Seitenrohr Wasser einpumpt. Das letzte Verfahren wird bei der Feuerspritze (Fig. 62) angewendet. Der Heronsball, hier W i n d k e s s e l genannt, steht mit zwei Druckpumpen in Verbindung, von denen immer die eine, diejenige deren

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[Erster

Einiges aus der Mechanik der gasförmigen Körper.

K o l b e n niedergeht, Wasser in den Heronsball pumpt und dadurch die L u f t auf einen kleineren Raum zusammenpreßt. H ä l t man das in den Windkessel gehende R o h r anfangs zu, bis die L u f t hinlänglich komprimiert ist, so spritzt beim Öffnen das Wasser hoch auf. Ist die L u f t auf 1 / 3 ihres ursprünglichen Raumes verdichtet, so springt der Strahl, da die äußere L u f t entgegenwirkt, 2 - 1 0 , 3 3 m hoch. B e i Anwendung von nur einer Druckpumpe könnte der Strahl nicht auf konstanter Höhe gehalten werden. Bei der Spritzflasche der Chemiker (Fig. 63) a

Fig. 62.

Feuerspritze.

Fig. 63. Spritzflasche der Chemiker.

wird durch Einblasen von Luft durch die Röhre a eine Verdichtung erzeugt, infolgedessen das Wasser aus b ausspritzt. § 5 8 . H e b e r . U m kleinere Mengen Flüssigkeit aus einem Gefäße zu entnehmen, bedient man sich des S t e c h h e b e r s (Fig. 64). E s ist dies eine Glasröhre, welche unten in eine Spitze ausgeht und oben bauchig erweitert ist. H ä l t man sie mit der Spitze in eine Flüssigkeit und saugt J: Ü F oben mit dem Munde die L u f t aus, so steigt die Flüssigkeit durch den überwiegenden D r u c k der äußeren L u f t in dem Stechheber auf; nimmt man jetzt den Mund weg und verschließt die Öffnung mit dem Daumen, so kann man den Heber aus der Flüssigkeit herausnehmen, ohne daß etwas ausfließt; dies geschieht erst, ** wenn man den Daumen lüftet. Durch Fig. 64. Fig. 65 Winkelheber. rasches Verschließender Öffnung kann Stechheber.

,

,

,.

.

,

,

man den Ausfluß wieder hemmen. D i e Chemiker benutzen einen ähnlich gebildeten Heber — P i p e t t e , um eine Flüssigkeit tropfenweise ausfließen zu lassen. D e r W i n k e l h e b e r (Fig. 65) dient dazu, um eine Flüssigkeit in größerem Maße kontinuierlich ausfließen zu machen. E r besteht aus einer winkelförmig gebogenen Glasröhre ABO, welche mit ihrem kürzeren

Kursus.]

Die Lehre vom Schall — Akustik.

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Schenkel in die Flüssigkeit gestellt wird. Saugt man nun bei G die Luft aus, so steigt die Flüssigkeit durch den überwiegenden Druck der äußeren Luft auf die Flüssigkeit im Gefäß über die Umbiegung B, da diese gewöhnlich nicht sehr hoch über der Oberfläche MN steht, und füllt die ganze Röhre an. Nimmt man nun den Mund bei G weg, so fließt die Flüssigkeit kontinuierlich aus, wenn G unter dem Spiegel MN steht. Sowohl auf MN, als auf das bei G ausfließende Wasser wirkt der Druck der Luft. Dem Luftdruck auf MN wirkt aber der Druck einer Wassersäule von der Höhe DE, und dem Luftdruck bei Q eine Wassersäule von der Höhe F G entgegen. Da FG > ED, so überwiegt der Druck auf MN und das Wasser fließt aus. Hebt man den Heber, bis G mit MN in derselben Horizontalen liegt, so hört das Fließen auf; hebt man noch höher, so fließt die in der Eöhre enthaltene Flüssigkeit in das Fig 66 Qjftheber Gefäß zurück. Hat man Flüssigkeiten, welche nicht in den Mund kommen dürfen, so bedient man sich der sogenannten G i f t h e b e r . Fig. 66 zeigt einen solchen, welcher eine Seitenröhre besitzt, an der man saugt; mit einiger Vorsicht kann man verhindern, daß die Flüssigkeit in den Mund kommt. Für sehr giftige oder leicht verdunstende- Flüssigkeiten benutzt man besser den Giftheber (Fig. 67). Er hat drei durch Hähne oder Glasstopfen verschließbare Öffnungen a, b, e. Ist der. kurze Schenkel in die Flüssigkeit eingestellt, so schließt man e, öffnet a und b und gießt in b solange von derselben Flüssigkeit ein, bis die Röhre ganz geF i g ' C7 ' G i f t h o b e r ' füllt ist; die in ihr enthaltene ^ Luft entweicht dabei durch a. Schließt man nun a und b und öffnet c, so , fließt die Flüssigkeit aus, wenn o unter dem Niveau der Flüssigkeit im Gefäße steht.

III. Die Lehre Tom Schall — Akustik.

§ 59. Entstehung des Sehalles. Wenn man einen elastischen Körper biegt oder dreht, so sucht er, wenn die wirkende Kraft aufhört,

56

D i e L e h r e v o m Schall — A k u s t i k .

[Erster

seine frühere Gestalt und sein früheres Volumen wieder anzunehmen. Drückt man z. B. von oben auf einen Reif aus dünnem Stahl (Fig. 68), so biegt sich derselbe derart, daß sein horizontaler Durchmesser sich vergrößert; läßt man den Ring los, so wird er durch die Elastizitätskraft mit wachsender Geschwindigkeit in seine frühere Lage ab zurückgezogen; da er nun dort mit einer gewissen Geschwindigkeit ankommt, so geht er vermöge • -ä der Trägheit darüber hinaus, seinvertiJSr kaier Durchmesser wird jetzt größer als der horizontale; währenddessen nimmt seine Geschwindigkeit, weil er durch die Elastizitätskraft nach ab Fig. 68. Schwingender Reif. zurückgezogen wird, mehr und mehr ab, bis sie schließlich gleich 0 ist; da aber die Elastizitätskraft immer noch zieht, so kehrt er mit wachsender Geschwindigkeit nach ab zurück, geht über ab hinaus, wobei sein horizontaler Durchmesser wächst u. s. w. Der Ring macht also ähnliche Schwingungen, wie ein Pendel, und er würde dieselben, einmal angestoßen, unaufhörlich fortsetzen, wenn er keine Reibung an der Luft und an seinem Befestigungspunkte a erführe. Derartige Schwingungen macht auch eine angeschlagene , Stimmgabel; man kann dieselben teils durch leise Berührung mit dem Finger direkt fühlen, teils daran bemerken, daß die Gabel an den Enden wie angeschwollen aussieht. Auch eine mit einem Violinbogen angestrichene Saite läßt eine solche Verdickung in der Mitte erkennen (Fig. 69); der Lichteindruck, den die Saite im Auge hervorbringt, wenn sie auf der einen Seite sich Fig. 69. Fig. 70. befindet, dauert noch fort, nachdem Schwingende Schwingende Glocke. sie schon auf die andere Seite überSaite. gegangen ist. Streicht man eine Glocke (Fig. 70), welche am Rande von kleinen, an Fäden hängenden Holzkügelchen berührt wird, mit einem Violinbogen an, so springen die Kügelchen weit weg. — Streicht man eine mit Sand bestreute Glasplatte, welche an einem Punkte festgehalten wird, mit einem Violinbogen an, so hüpft der Sand an einzelnen Fig. 71. Chladnis Klangfiguren.

Kursus.]

Die Lehre vom Schall — Akustik.

57

Stellen in die Höhe und lagert sich an anderen an (Knotenlinien); es entstehen dabei eigentümliche Figuren — C h l a d n i s c h e K l a n g f i g u r e n (1787) — welche verschieden ausfallen, je nach der Stelle, wo man die Glasplatte festhält, und wo man sie anstreicht; an einzelnen Stellen ist also die Scheibe in schwingender Bewegung, an anderen in Ruhe (Fig. 71). Wenn elastische Körper in schwingender Bewegung sich befinden, so erzeugen sie gewöhnlich in uns eine eigentümliche Empfindung, welche wir im allgemeinen S c h a l l , je nach der besonderen Beschaffenheit desselben aber Ton, Klang, Geräusch u. s. w. nennen. Als schallerregende mente — Violine, Klavier 3) Stäbe oder längliche 4) Luft (Blasinstrumente

Körper benutzt man: 1) gespannte Saiten (Saiteninstruu.s.w.); 2) Scheiben oder gespannte Membrane (Trommel); Plättchen (Triangel, Mundharmonika, Klarinette) und — Orgelpfeife).

§ 60. Fortpflanzung des Schalles. Wir können keine Empfindung haben, wenn nicht eines unserer Sinnesorgane in Bewegung gesetzt wird; da nun die schwingenden Bewegungen tönender Körper nicht direkt unser Gehörorgan treffen, so muss irgend ein Körper, welcher sich zwischen unserem Ohre und dem tönenden Körper befindet, die Übertragung der Bewegung vermitteln; dieser Körper kann wohl kein anderer sein, als die Luft. Und in der That, bringt man ein Schlagwerk unter eine Luftpumpe und pumpt aus, so verschwindet der Ton. Wenn ein Körper schwingt, so setzt er die zunächst an ihm liegende Luft in Bewegung, diese die folgende u. s. w., bis schließlich diejenige in Vibration kommt, welche unser Ohr umgiebt. Die Luft kommt dabei in eine ähnliche, schwingende Bewegung, wie der tönende Körper selbst, denn geht z. B. die eine Zinke einer Stimmgabel nach rechts, so stößt sie auch die ihr anliegende Luft nach rechts; geht die Luft wieder zurück, so entsteht hinter ihr ein verdünnter Raum, in welchen die nächstliegende Luft hereinstürzt; sie folgt also, nachdem sie zuerst nach rechts gegangen, der Stimmgabel auch in ihrer Bewegung nach links. Dasselbe gilt für die folgenden Luftschichten. Da jede Bewegung einige Zeit braucht, um sich von einem Teilchen eines Körpers auf das folgende fortzupflanzen, so fangt jedes folgende Luftteilchen seine Schwingungen später an, als das vorhergehende. Es muß deshalb auch eine merkliche Zeit verfließen, bis der Schall vom schallenden Körper aus sich um eine gewisse Strecke fortgepflanzt hat; der Weg, den der Schall in einer Sekunde in der Luft zurücklegt, also seine Fortpflanzungsgeschwindigkeit in der Luft, beträgt 332 m. Man hat dies festgestellt, indem man Kanonen abfeuerte und von größerer Ferne her beobachtete, wieviel Zeit zwischen dem Blitz und dem Knall verstrich; das Licht verbreitet sich so schnell (40 000 Meilen in einer Sekunde), daß es kleinere Strecken in unmeßbar kurzer Zeit durcheilt. — Auch durch feste und flüssige Körper pflanzen sich die Töne fort und zwar oft noch schneller, als durch die L u f t ; die Geschwindigkeit des Schalles ist im Tannenholz 18 mal und im Wasser 4 1 / 2 mal so groß wie in der Luft.

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Die Lehre vom Schall — Akustik.

[Erster

Wenn die Luft Schallschwingungen fortpflanzt, so entstehen in ihr Verdichtungen und Verdünnungen; weil nämlich jedes folgende Teilchen seine Bewegung etwas später beginnt, als das vorhergehende, so werden an einzelnen Stellen die Luftteilchen aufeinander zugehen, an anderen voneinander wegeilen; die einen sind gerade in ihrer vorwärtsgängigen, die anderen in ihrer rückwärtsgängigen Bewegung begriffen. Schwingungen, bei welchen jedes folgende Teilchen später seine Bewegung beginnt, als das vorhergehende, nennt man f o r t s c h r e i t e n d e ; sie bringen keinen Ton hervor, sondern pflanzen nur die Töne anderer Körper fort. Bei einer gespannten Saite, welche angestrichen, oder einer Stimmgabel, welche angeschlagen worden, gehen alle Teilchen der Saite oder jeder Zinke der Stimmgabel gleichzeitig durch die Gleichgewichtslage nach der einen Seite hin, erreichen gleichzeitig ihre weiteste Ausbiegung und kehren gleichzeitig wieder zurück u. s. w.; die Saite und die Stimmgabel machen s t e h e n d e Schwingungen, und diese sind es, welche einen Ton erzeugen. § 61. Reflexion und Beugung des Schalles. Für die Reflexion des Schalles gilt dasselbe Gesetz wie beim Stoß elastischer Körper (§ 43): D e r S c h a l l wird u n t e r d e m s e l b e n W i n k e l r e f l e k t i e r t , u n t e r w e l c h e m er a u f g e f a l l e n ist. Spricht man senkrecht gegen eine Wand, so wird der Schall in derselben Richtung reflektiert. — Man kann in einer Sekunde ca. 6 Silben sprechen und hören. Ist nun eine Wand 332:12 = ca. 28 m von einem Sprechenden entfernt, so kommt eine Silbe nach 1 / e Sekunde von der Wand reflektiert zurück: der Gehörnerv hat, von der direkt gehörten Silbe angeregt, gerade zu schwingen aufgehört, wenn die reflektierte Silbe zurückkommt; man hört deshalb die Silbe noch einmal — e i n s i l b i g e s E c h o . Ist die Wand w-28 m entfernt, so kann man n Silben sprechen, ehe die erste reflektierte Silbe zurückkommt; — man hört zuerst die n, Silben direkt und dann noch einmal, als von der Wand reflektierte — n s i l b i g e s Echo. Stehen mehrere Wände hinter- und übereinander, so hört man eine oder mehrere Silben mehrmals hintereinander — m e h r f a c h e s E c h o (Adersbach in Böhmen 7 silbig und 3 fach, Lurleifelsen 17 fach). Dasselbe tritt ein, wenn man zwischen zwei parallelen Wänden einen lauten Ton erregt; der Schall wird von einer Wand zur anderen und wieder zurückreflektiert, wobei er jedesmal am Ohr vorübergeht (Schloss Simonetta in Mailand, 56fach). Ist eine Wand sehr nahe am Sprechenden, so wird der direkt gehörte Schall durch den reflektierten verstärkt; ist sie etwas weiter, aber doch noch nicht 28 m weit entfernt, so fallt der erste Teil der reflektierten Silbe mit dem letzten der direkt gehörten zusammen, während der letzte Teil der reflektierten Silbe nachklingt — N a c h h a l l . In elliptisch oder parabolisch gekrümmten Flächen (Kirchenkuppeln u. s. w.) werden Schallwellen, welche an einer Stelle erregt werden, in einen bestimmten Punkt reflektiert, sodaß man dort, und nur dort, selbst einen leisen Schall deutlich vernimmt (Ohr des Dionys, Flüstergalerien in der Peterskirche zu Rom, der katholischen Kirche in Darmstadt u. s. w.).

Kursus.]

Die Lehre vom Schall — Akustik.

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Auf der B e u g u n g der Schallwellen um eine nicht zu breite Wand herum beruht die Erscheinung, daß man einen vor einer Wand erregten Schall auch hinter derselben wahrnimmt.

§ 62. Stärke des Tones. Ob ein Ton laut oder leise klingt, hängt objektiv von der Größe der Masse, und von der Weite der Schwingungen des schallenden Körpers, sowie subjektiv von der Entfernung ab, in der wir uns von dem schallenden Körper befinden. Eine Glocke tönt lauter, als eine ebensoweit von uns entfernte gespannte Saite, weil erstere weit mehr schwingende Teilchen hat, als letztere; sie klingt in gleicher Entfernung von unserem Ohr lauter, wenn sie stark, als wenn sie schwach angeschlagen wird. Zur Verstärkung der Töne eines Klaviers sind für jeden Ton meist drei gleichgestimmte Saiten nebeneinander gespannt, welche gleichzeitig angeschlagen werden. Stehen mehrere Personen verschieden weit von demselben schallenden Körper, so hört diejenige, welche ihm am nächsten ist, den Ton am lautesten: der schallende Körper setzt zuerst die w e n i g e Luft, welche ihn umgiebt, in schwingende Bewegung; diese muß die nächste Schicht, welche die erste kugelförmig umgiebt, in Bewegung bringen u. s. w., jede folgende Kugelschicht ist größer als die vorhergehende, die Stärke der Bewegung der einzelnen Luftteilchen muß also immermehr abnehmen, sodaß in größerer Entfernung, wo die Weite der Schwingungen der Luftteilchen sehr gering ist, das Ohr nicht mehr in Bewegung gebracht werden kann — der Ton verschwindet. Befindet sich eine Glocke im Mittelpunkte einer Kugel von 1, 2, 3 . . . Meter Halbmesser, so hat sie im zweiten und dritten Fall 4-, bezüglich 9 mal soviel Luft auf der Oberfläche dieser Kugeln in Bewegung zu setzen, als im ersten; daher ist denn auch die Stärke des Schalles in doppelter und dreifacher Entfernung vier-, bezüglich neunmal schwächer, als im ersten. Alles zusammengefaßt, gilt: D i e S t ä r k e des S c h a l l e s ist der l e b e n d i g e n K r a f t der s c h w i n g e n d e n B e w e g u n g des s c h a l l e n d e n K ö r p e r s g e r a d e u n d dem Q u a d r a t der E n t f e r n u n g des H ö r e n d e n von dem s c h a l l e n d e n K ö r p e r u m g e k e h r t p r o p o r t i o n a l . Wird ein Körper stark angeschlagen, so setzt er auch die Luft auf weitere Erstreckung hin in merkliche Bewegung, der Ton wird auf große Entfernung hin gehört. § 63. Höhe des Tones. Eine und dieselbe Saite giebt immer denselben Ton, gleichviel ob sie stark oder schwach angestrichen wird; ebenso ist es mit einer Glocke, einer Stimmgabel u. s. w. Auch ändert sich der Ton, oder genauer, die H ö h e des Tones nicht, wenn wir uns von dem schallenden Körper entfernen; es muß also, sowohl in den stehenden Schwingungen des schallenden Körpers, als in den fortschreitenden, den Ton fortpflanzenden Schwingungen der Luft irgend etwas Gleichbleibendes sein — dieses ist die Z a h l der Schwingungen in einer Sekunde. Ebenso wie ein Pendel (innerhalb gewisser Grenzen) stets gleichviel Schwingungen macht, einerlei ob es stärker oder schwächer angestoßen wird, ebenso ist es auch bei einem schallenden Körper. Bei stärkerem Anschlag ist die Weite der Schwingungen, d. h. der Weg, den

Die Lehre vom Schall — Akustik.

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jedes Teilchen hin und her macht, größer, indem es aber zugleich eine größere (mittlere) Geschwindigkeit besitzt, braucht es doch nicht mehr Zeit, um diesen größeren Weg zurückzulegen, als wenn es, schwach angestoßen, einen kleineren Weg mit geringerer Geschwindigkeit macht. Ähnlich ist es mit den Luftschwingungen in kleinerer und größerer Entfernung von dem schallenden Körper. D i e H ö h e e i n e s T o n e s h ä n g t a b von d e r A n z a h l d e r S c h w i n g u n g e n in e i n e r S e k u n d e . Zur Bestimmung der Schwingungszahlen der Töne bedient man sich der sogenannten Sirenen. Fig. 72 zeigt die Sirene von Savart; sie besteht aus einem großen Rad A, welches durch einen Riemen mit einem kleineren_B verbunden ist; mitdiesem auf derselben Achse sitzt das gezahnte Rad C, dem ein elastisches Blättchen (von Metall oder Kartonpapier) gegenübersteht. Wird das große Rad A mittels der Kurbel umgedreht, so drehen sich B (und C) in dem Maße öfter um, als der Halbmesser von A größer ist, als der von B. Jedesmal, wenn ein Zahn von C das elastische Blättchen ergreift, biegt sich dieses nach der einen Seite, und schnellt wieder zurück, wenn die auf den Zahn folgende Lücke kommt. Fig. 72.

Sirene von Savart.

Jedei

"

Z a h n

(und

die

zugehörige L ü c k e ) bringt

also eine Schwingung des Blättchens hervor. Je rascher man dreht, um so mehr Schwingungen macht das Blättchen in der Sekunde und um so höher wird der Ton, den es erzeugt. Angenommen, das große Rad habe einen 20 mal so großen Halbmesser wie B und drehe sich lmal in der Sekunde um, so machen B und C 20 Umgänge in der Sekunde. Hat nun C 100 Zähne, so entstehen bei jedem Umgang des großen Rades, d. h. in jeder Sekunde, 2000 Schwingungen des Blättchens. Mit Hilfe eines Zählwerks, welches an dem Apparate angebracht ist, läßt sich genau die Zahl der Umgänge von C und damit die Zahl der Schwingungen ermitteln.

§ 64. Resonanz. Eine angeschlagene Stimmgabel, welche man an ihrem Stiele in der Hand hält, giebt einen kaum merklichen Ton; stellt man sie aber auf eine Tischplatte oder auf einen Holzkasten von angemessenen Dimensionen (Fig. 73), so wird der Ton sehr laut; die Luftwellen, welche die kleinen Stimmgabelzinken erzeugen, können das Ohr nicht in hinreichende Bewegung versetzen; von der großen Tischplatte aber gehen, indem sie ebenfalls in Schwingung kommt, eine große Zahl von Luftwellen aus, welche sich an einzelnen Stellen dadurch verstärken, daß an diesen eine ganze Anzahl von Verdichtungen, bezügl. Verdünnungen zusammentreffen und so eine erheblich verstärkte Bewegung veranlassen Fig. 73. Stimmgabel auf (dafür heben freilich an anderen Stellen VerResonanzkasten. dünnungen und Verdichtungen einander auf). Hält man eine Stimmgabel über eine Röhre von bestimmter Länge oder vor einen Kasten von geeigneten Dimensionen, so tönt die Luft im

Kursus.]

Die Lehre vom Schall — Akustik.

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Inneren der Röhre und des Kastens mit. Eine gespannte Saite und eine Stimmgabel kann eine andere, g l e i c h g e s t i m m t e zum Mittönen bringen. Stellt man eine Spieluhr auf einen hohlen Kasten, welcher durch einen langen Draht mit einem ebensolchen Kasten verbunden ist, so hört man die Spieluhr deutlich, wenn man das Ohr an diesen Kasten hält. Ein hohler Kasten oder ein größeres Brett kann mit vielen Tönen mittönen. Jenachdem ein Körper, wie eine Luftsäule, nur auf einen bestimmten Ton, oder auf sehr verschiedene Töne antwortet, wie ein größeres Brett, spricht man von M i t t ö n e n oder von R e s o n a n z . Bei fast allen musikalischen, namentlich Saiten-Instrumenten verstärkt man den Ton dadurch, daß man Resonanzkästen (Geige, Guitarre) oder Resonanzböden (Klavier) anwendet. § 65. Gesetze der Saitensehwingungen. Die Höhe des Tones, welchen eine gespannte Saite giebt, hängt von verschiedenen Umständen ab: 1. von der L ä n g e , 2. von der D i c k e , 3. von der Stärke der S p a n n u n g und 4. von dem S t o f f e , aus welchem die Saite gemacht ist. Zur Untersuchung der hier geltenden Gesetze bedient man sich des M o n o c h o r d s , eines dünnwandigen Resonanzkastens, über den sich eine oder mehrere Saiten spannen lassen (Fig. 74). Die Länge der Saite kann man dadurch verändern, daß man an irgend einer Stelle einen Steg g unterstellt und den einen oder den anderen Teil der Saite anstreicht ; die Spannung läßt sich dadurch vergrößern oder verkleinern, daß man an die über eine Bolle JJ Fig. 74. Monochord, gehende Saite ein größeres oder kleineres Gewicht p anhängt. Man kann außerdem dickere und dünnere, Darm-, Stahl- oder Messingsaiten aufspannen und findet dabei folgende Gesetze: D i e H ö h e d e s T o n e s , d. h. d i e Z a h l d e r S c h w i n g u n g e n i n der S e k u n d e , ist der W u r z e l aus dem s p a n n e n d e n G e w i c h t e g e r a d e , s o w i e d e r L ä n g e , D i c k e u n d d e r W u r z e l a u s dem s p e z i f i s c h e n G e w i c h t e d e s S t o f f s , a u s d e m die S a i t e b e s t e h t , u m gekehrt proportional. § 66. Das Stimmorgan. Wenn man über eine Glasröhre von ca. 2 cm Weite zwei dünne Kautschukplättchen spannt, welche in der Mitte eine feine Bitze zwischen sich lassen, und am anderen Ende in die Bohre

Die Lehre vom Schall — Akustik.

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[Erster

hineinbläst, so erhält man je nach der Stärke des Anblasens Töne von verschiedener Höhe. Mit diesem Apparat hat das menschliche Stimmorgan große Ähnlichkeit. Am oberen Ende der aus knorpeligen und häutigen Ringen bestehenden Luftröhre befinden sich zwei dünne Häutchen, S t i m m b ä n d e r , welche die Luftröhre bis auf einen feinen Spalt, die S t i m m r i t z e (Fig. 75), verschließen. Über der Stimmritze befindet sich der am einen Ende befestigte, am anderen freie K e h l d e c k e l — das fleischige „Zäpfchen", welches sich im Zustande der Ruhe über die Stimmritze legt und nur der Luft den Eintritt in die LuftFig ' S5timmorgaC„hliCheS r ö h r e gestattet. Die mit der Luftröhre verbundenen Lungen bilden den Blasebalg und die Mundhöhle den Schallbecher des Stimmorganes. (Die in der Mundhöhle befindliche Luft schwingt mit und verstärkt den Ton.) Von der Dicke, der Gleichmäßigkeit und der Spannung der Stimmbänder hängt die Beschaffenheit der Stimme ab. — Bei den Vögeln befindet sich das Stimmorgan, d e r S i n g m u s k e l a p p a r a t , am unteren Ende der Luftröhre, weshalb z. B. eine Gans noch schreien kann, wenn der obere Teil der Luftröhre durchgeschnitten ist. § 67. Das Gehörorgan. Das Gehörorgan besteht aus dem äußeren, mittleren und dem inneren Ohr. Das erstere besteht aus der O h r m u s c h e l M (Fig. 76) und dem bis ans T r o m m e l f e l l T reichenden, ca. 3 cm langen G e h ö r g a n g C. Die Ohrmuschel hat den Zweck möglichst viel Schallwellen aufzufangen, um sie konzentriert auf das Trommelfell zu leiten. Manche Tiere, wie z. B. Pferde, können die Ohrmuschel beliebig bewegen und nach der Seite hin drehen, von welcher der Schall m., herkommt. Schwerhörige halten, um

I

:

noch mehr Schallwellen aufzufangen, die Hand ans Ohr, oder bedienen rfül sich eines dem äußeren Ohre nachß " \ \ gebildeten H ö h r r o h r e s . Das mittfctl® lere Ohr, die sogenannte P a u k e n In h ö h l e , beginnt mit dem Trommel' W r Jf T, an welches das eine eines i s t; Ende das'andere Fig. 76 a. Hammer, Ende des Hamflli !//

Fig. 76. Menschliches Ohr.

.Ambos, Steigbügel.

mers liegt auf einem breiten Knöchelchen, dem A m b o s n, der durch ein kleines l i n s e n f ö r m i g e s K n ö c h e l c h e n f mit dem S t e i g b ü g e l g verbunden ist. Zwei kleine Muskeln drücken Hammer und Ambos gegeneinander. Die

Kursus.]

Entstehung und Verbreitung des Lichtes.

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Paukenhöhle steht durch d i e E u s t a c h i s c h e R ö h r e E (Fig. 76) mit der Mundhöhle in Verbindung. Das innere Ohr, das L a b y r i n t h , besteht aus dem Yorhof V, den drei B o g e n g ä n g e n R und der S c h n e c k e L. Am Yorhof befindet sich eine eirunde elastische Haut, das o v a l e F e n s t e r , an welches der Steigbügel angewachsen ist, und am Ende der Schnecke ist ein ähnliches Häutchen, das r u n d e F e n s t e r . In das mit einer Flüssigkeit angefüllte Labyrinth tritt, vom Gehirn ausgehend, der G e h ö r n e r v N ein, welcher sich im Labyrinth verzweigt. Trifft ein Schall unser Ohr, so wird das Trommelfell in Bewegung gesetzt, welches seine Schwingungen auf die Gehörknöchelchen und durch diese auf das ovale Fenster überträgt; letzteres versetzt das im Labyrinth befindliche Wasser in schwingende Bewegung, welche sich schließlich dem Gehörnerv mitteilt. Das runde Fenster, das gleichzeitig mit dem ovalen Fenster hin- und hergeht, hat offenbar den Zweck, zu ermöglichen, daß das unzusammendrückbare Wasser überhaupt in schwingende Bewegung geraten kann. — Übrigens ist an der Einrichtung des Ohres noch manches dunkel, namentlich ist man über die Funktionen der drei Bogengänge noch keineswegs im klaren.

IV. D i e Lehre vom L i c h t — Optik, a) Entstehung und Verbreitung des Lichtes. § 68. Wesen und Quellen des Lichtes. L i c h t ist die Ursache der Sichtbarkeit der Körper. — Die Fixsterne, sowie brennende und teilweise auch verwesende Körper besitzen die Eigenschaft der Sichtbarkeit an sich, man nennt sie l e u c h t e n d e oder s e l b s t l e u c h t e n d e Körper, während die anderen d u n k e l e heißen. Dunkele Körper können unter dem Einfluß leuchtender sichtbar werden (Erde, Mond, die Planeten überhaupt). — Körper, welche dem Licht mehr oder weniger den Durchgang gestatten, nennt man d u r c h s i c h t i g oder d u r c h s c h e i n e n d ; die anderen u n d u r c h s i c h t i g (Glas, Milchglas, Holz). Die vornehmste Lichtquelle ist für uns die S o n n e ; andere Lichtquellen sind die F i x s t e r n e , welche indessen wegen ihrer großen Entfernung uns nur geringe Lichtmengen zusenden. Besonders wichtig als Lichtquellen sind mannigfaltige chemische Prozesse, welche richtig reguliert zu Beleuchtungszwecken benutzt werden: Verbrennung von Öl, Stearin, Wasserstoff und Sauerstoff (Drummondsches Licht) u. s. w. Auch durch den galvanischen Strom können Glüherscheinungen hervorgerufen werden, die ein sehr helles Licht verbreiten — elektrisches Licht. Geringere Bedeutung als Lichtquellen haben die p h o s p h o r e s z i e r e n d e n K ö r p e r , von denen es zwei Arten giebt; die einen, wie Phosphor und faules Holz, leuchten von selbst im Dunkeln infolge eines chemischen Prozesses; die anderen, wie Bologneser Leuchtstein, Austernschalen und die als künstliche Leuchtsteine bekannten Schwefel Verbindungen der alkalischen Erd-

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Entstehung und Verbreitung des Lichtes.

[Erster

metalle, leuchten kurze Zeit im Dunkeln nach, wenn sie von der Sonne beschienen worden sind. E s giebt zwei Möglichkeiten, wie leuchtende und beleuchtete Körper von der F e r n e her auf unser A u g e einwirken könnten; entweder dadurch, daß von ihnen, wie von riechenden Körpern, kleinste, unsichtbare Teilchen ausströmen und ins Auge eindringen, oder dadurch, daß leuchtende Körper, ähnlich wie schallende, sich in lebhafter Bewegung befinden und einen den ganzen Weltenraum erfüllenden, äußerst feinen Stoff — den Ä t h e r — in Wellenbewegung versetzen. Welche von diesen beiden Theorien die-richtige ist, ob die von Newton aufgestellte E m i s s i o n s t h e o r i e , oder die von Grimaldi (1665) begründete und von Huygens, Young und Fresnel ausgebildete Y i b r a t i o n s t h e o r i e , k a n n erst später entschieden werden. F ü r jetzt sei nur soviel bemerkt, daß alle Physiker heutzutage der Vibrationstheorie huldigen. § 69. Verbreitung des Lichtes. Ein leuchtender Körper wird nicht gesehen, wenn in gerader Linie zwischen ihm und dem Beobachter ein undurchsichtiger K ö r p e r sich befindet. Stellt man vor eine brennende Kerze zwei mit j e einem Loch (A und B, Fig. 77) versehene Schirme, so sieht man die Kerze durch B nur dann, wenn A und B sich in gerader Richtung mit der Kerze befinden. Außerdem erblickt man auf dem ¡weiten Schirm bei B, oder überlaupt in gerader Richtung mit A ind der Kerze das umgekehrte Bild derselben. Diese Versuche leuten darauf hin, daß s i c h d a s Licht in g e r a d e n L i n i e n , wel)he m a n S t r a h l e n n e n n t , v e r j r e i t e t . Das umgekehrte Bild auf lern zweiten Schirm läßt sich leicht konstruieren, wenn man von allen Punkten der Kerze gerade Linien lurch das Loch im ersten Schirm ieht; die von den untersten P u n k 77. Geradlinige Verbreitung des Lichtes, ten des Körpers ausgehenden Strahlen treffen den zweiten Schirm an höheren Stellen, als die von den oberen ausgehenden. J e größer die Öffnung A, um so undeutlicher wird das Bild; eine große Öffnung k a n n als aus vielen kleinen, von denen jede ein verkehrtes Bild des Gegenstandes entwirft, angesehen werden. Diese Bilder fallen teilweise übereinander und geben, wie leicht durch Konstruktion zu finden, ein Bild der Öffnung selbst und nicht des leuchtenden Gegenstandes. Die G e s c h w i n d i g k e i t des Lichtes in der L u f t beträgt 4 0 0 0 0 Meilen; trotzdem braucht ein Sonnenstrahl, um zu uns zu gelangen, 8 l / 2 Minuten. Die Blätter der Bäume überdecken sich vielfach so, daß nur ganz feine Öffnungen zwischen ihnen bleiben; man sieht alsdann, wenn die Sonne hindurchscheint, runde Sonnenbildchen auf dem Boden; bei partiellen Sonnenfinsternissen sind die.'Bildchen sichelförmig. Fig.

Kursus.]

Entstehung und Verbreitung des Lichtes.

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Das Licht selbst ist unsichtbar, man sieht nur beleuchtete Körper. Läßt man in ein dunkeles Zimmer durch eine runde Öffnung Sonnenstrahlen fallen, so sieht man auf der gegenüberliegenden Wand einen hellen Fleck (Sonnenbildchen); erst wenn man Staub erregt, oder raucht, so sieht man die „Lichtstrahlen" oder vielmehr die in gerader Richtung beleuchteten Staub- oder Rauchteilchen. — Bei dem sogenannten Wasserziehen der Sonne sieht man die in gerader Richtung beleuchteten Wasserteilchen der Wolken.

§ 70. Schatten. Steht ein leuchtender Körper vor einem undurchsichtigen, so entsteht hinter diesem ein dunkeler Raum, welcher aus zwei Teilen, dem ganz dunkelen K e r n s c h a t t e n und dem halbdunkelen H a l b s c h a t t e n besteht. Zieht man an die beiden Kugeln (Fig. 78), von denen die größere den leuchtenden und die kleinere den dunkelen Körper vorstellt, die äußeren und die inneren Berührenden, so schließen die ersteren den Kern- und die letzteren den Halbschatten ein. In den Raum des Kernschattens kann kein Punkt des leuchtenden Körpers scheinen, in den des Halbschattens aber schicken um so mehr Punkte des leuchtenden Körpers Licht, ie weiter T„. „„ 1- O

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Fig. 78. Schatten,

die Stelle von dem Kernschatten entfernt ist. Der Halbschatten wird also vom Kernschatten ausgehend immer heller. Stellt man in den Schattenraum einen Schirm, so hat der Kernschatten, sowie der ihn umgebende Halbschatten denselben Umriß, wie der undurchsichtige Körper (Schluß auf die Gestalt der Erde aus der Form ihres Schattens bei Mondfinsternissen u. s. w.). Ein einziger leuchtender Punkt, wie man ihn annähernd durch einen brennenden Magnesiumdraht, namentlich unmittelbar vor dem Erlöschen erhalten kann, erzeugt lediglich einen Kernschatten, zwei leuchtende Punkte erzeugen einen Kern- und einen überall gleichhellen Halbschatten. Die Schattenbilder (ausgeschnittene Papiere, vor welche eine Flamme gestellt wird) beruhen darauf, daß Licht, welches durch weite Öffnungen fällt, das Bild der Öffnung und nicht des leuchtenden Körpers geben. A u f g a b e . Konstruktion des Kernschattens: 1) durch einen leuchtenden Punkt; 2) durch zwei leuchtende Punkte. — Nachweis durch Konstruktion, daß der Halbschatten, durch einen ganzen leuchtenden Körper, z. B. eine breite Gasflamme hervorgebracht, um so heller ist, je weiter die Stelle von dem Kernschatten entfernt ist. — Stelle einer Kugel die schmale Seite einer Gasflamme gegenüber!

§ 71. Messung der Lichtstärke — Photometrie. Apparate, welche zur Vergleichung der Lichtstärken verschiedener Lichtquellen dienen, nennt man P h o t o m e t e r . Das gebräuchlichste Photometer ist das von B u n s e n (1847). Der Hauptbestandteil desselben ist ein Papierschirm, welcher in der Mitte einen Fettfleck (gewöhnlich mittels einer Lösung von Stearin in Alkohol erzeugt) besitzt. Stellt man auf die eine Seite des Schirmes eine Flamme, so erscheint auf dieser Seite der Fleck dunkel und das Papier hell; auf der anderen Seite ist es umgekehrt. Der Fettfleck läßt mehr Licht durch, Krebs,

Physik.

II. Aufl.

5

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Entstehung und Verbreitung des Lichtes.

[Erster

als das uligefettete Papier. Bringt man noch eine Flamme auf die andere Seite des Schirmes, so kann man es durch Verrücken der einen Flamme dahinbringen, daß der Fleck verschwindet. Befindet sich das Auge z. B. auf der rechten Seite des Schirms, so schickt die hier befindliche Flamme viel Licht durch den Fleck auf die linke Seite, welches für das Auge verloren geht. Wenn nun die Flamme links ebensoviel Licht durch den Fleck nach rechts schickt, so wird das von der Flamme auf der rechten Seite für das Auge verlorengegangene Licht durch die auf der linken Seite stehende Flamme wieder ersetzt, und Papier und Fleck erscheinen gleich hell. Ist dies eingetreten, so beleuchten beide Flammen den Schirm gleich stark, und man hat nur noch die Entfernungen abzumessen und zu quadrieren, denn die S t ä r k e d e r B e l e u c h t u n g n i m m t im Q u a d r a t d e r E n t f e r n u n g des l e u c h t e n d e n K ö r p e r s von dem zu b e l e u c h t e n d e n ab. (Bringe eine Kerze nach der Reihe in den Mittelpunkt einer Kugelfläche von 1, 2, 3 . . . Meter Halbmesser (§ 62). D a der Fleck nicht hinlänglich verschwindet, wenn gleiche Flammen gleiche Entfernung vom Schirm haben, oder bei ungleichen Flammen die Lichtstärken den Quadraten der Entfernungen umgekehrt proportional sind, so hat man zwei Methoden vorgeschlagen, um eine exakte Messung der Lichtstärke zu ermöglichen. 1) Man bringt am Schirm einen Winkelspiegel a n , so daß man beide Seiten des Schirmes zugleich sehen kann; die richtige Stellung ist erreicht, wenn der Fleck auf beiden Seiten gleich hell erscheint. 2) Bunsen schließt in einen Kasten, welcher vorn eine Röhre trägt, die durch ein gefettetes Papier verschlossen ist, eine Flamme ein und stellt die zu vergleichenden Flammen nach der Reihe dem Schirm gegenüber; jede wird so lange gerückt, bis der Fleck verschwindet und dann wird die Entfernung abgemessen u. s. w. Mit Hilfe des Bunsenschen Photometers läßt sich auch erweisen, daß die Beleuchtungsstärke im Quadrat der Entfernung abnimmt. Stellt man auf die eine Seite des Schirms eine und auf die andere Seite in der doppelten Entfernung vier Kerzen, so verschwindet der Fleck. Auch läßt sich zeigen, daß bei schiefem Auffallen der Strahlen die Beleuchtungsstärke geringer wird. Man stellt zwei gleiche Kerzen rechts und links vom Schirm, die eine ebenso hoch, wie der Fleck, die andere höher oder tiefer; man muß alsdann die letztere Flamme näher an den Schirm stellen, als die erstere, wenn der Fleck verschwinden soll. — Auch durch eine theoretische Betrachtung läßt sich zeigen, daß eine Fläche stärker beleuchtet wird, wenn die Strahlen eines leuchtenden Körpers, z. B. der Sonne senkrecht, statt schief auffallen. Es sei mn (Fig. 79) eine Fläche, auf welche Fig. 79. Abhängigkeit der Helligkeit vom Ausfallswmkel. P a r a l l e l e

Sonnenstrahlen

fallen;

bringt man die Fläche in die Richtung mn, so fallen alle Strahlen zwischen an und rri über mn hinaus; mn empfängt also nicht soviel Strahlen wie mn. In der Praxis ist übrigens die Lichtstärke einer Flamme nicht das allein Maßgebende; es kommt auch auf den Kostenpreis des Brennmateriales an; der „Beleuchtungswert" einer Flamme ist der Lichtintensität direkt und dem Kostenpreis umgekehrt proportional. Aber auch der Beleuchtungswert ist bei Anschaffung einer Lichtquelle nicht allein entscheidend; es fragt sich, um die v o r t e i l h a f t e s t e Lichtquelle zu ermitteln, zunächst, welche Helligkeit für den vorliegenden Zweck

Kursus.]

Reflexion des Lichtes (Katoptrik).

67

notwendig ist, und dann wählt man unter den Lichtquellen, welche die betreffende Helligkeit erzeugen, diejenige aus, welche den größten Beleuchtungswert besitzt. Genügt z. B. für eine Küche die Helligkeit einer Stearinkerze, so ist diese vorteilhafter, weil billiger als eine Gasflamme, obwohl ihr Beleuchtungswert geringer ist. A u f g a b e n : 1. Eine Stearinkerze und eine Petroleumlampe machen den Fleck beim Bunsenschen Photometer verschwinden, wenn die erste 25 cm und die letztere 48 cm vom Schirm entfernt ist. In welchem Verhältnis stehen die Lichtintensitäten beider Lichtquellen? — 2. Damit der Fleck verschwindet, muß eine Stearinkerze 25 cm und eine Gasflamme 65 cm vom Schirme entfernt sein; das in einer Stunde verbrauchte Gas ist doppelt so teuer, als das in derselben Zeit verbrauchte Stearin; in welchem Verhältnis stehen die Beleuchtungswerte beider Lichtquellen?

b. Reflexion des Lichtes (Katoptrik). § 72. Reflexion an ebenen Spiegeln. 1) Wenn ein L i c h t s t r a h l auf eine e b e n e , p o l i e r t e F l ä c h e , e i n e n e b e n e n „ S p i e g e l " f ä l l t , so wird er u n t e r d e m s e l b e n W i n k e l z u r ü c k g e w o r f e n , u n t e r dem er a u f g e f a l l e n ist. Im Mittelpunkte eines halbcylindrischen Messingstreifens (Fig. 80) ist ein kleiner Spiegel s drehbar befestigt. Senkrecht auf der Mitte des Spiegels ist ein Zeiger be befestigt, welcher sich mit dem Spiegel dreht und das Einfallslot vorstellt. Die eine Hälfte des Messingstreifens ist in 90 Grade eingeteilt und in der Mitte, am Nullpunkt, ist ein Schlitz 0 a angebracht. Stellt man den Zeiger auf 20 0 und sieht durch den Schlitz nach der Mitte des Spiegels, so erblickt man dort die Zahl 40 u. s. w. Objektiv kann man die Erscheinung darstellen, dadurch daß man ein Bündel

navollalai. T inktoh-alilfln /1n]• i' 11 Hin T n n Ii im

Fig. 80.

Müllers Reflexioneapparat.

Fig. 81.

Konstruktion der Bilder bei ebenen Spiegeln.

2) Wenn von einem P u n k t e a (Fig. 81) S t r a h l e n , wie ab, ad . . . auf einen e b e n e n S p i e g e l ss' f a l l e n , so w e r d e n sie so r e f l e k t i e r t , als ob sie von einem P u n k t e a a u s g i n g e n , w e l c h e r ebenso weit h i n t e r dem S p i e g e l sich b e f i n d e t , wie der l e u c h t e n d e P u n k t a d a v o r l i e g t . Zieht man von a eine Senkrechte auf ss', so fällt a in dieselbe und es ist ap = a'p. Es sei ab ein von a ausgehender Lichtstrahl, welcher von dem Spiegel ss' in der Richtung bc reflektiert wird. Man verlängere bo rückwärts, bis sie die Senkrechte ap auf den Spiegel ss' im Punkte a schneidet. 5*

68

Reflexion des Lichtes (Katoptrik).

[Erster

Nach dem Reflexionsgesetze (1) muß

Flg. 110a.

Schiffskompaß.

Fig. 110 b.

Kardanische Aufhängung.

gerichtet sein, daß die Spitze der Nadel stets vertikal gehalten wird und möglichst in Ruhe bleibt; zu dem Zwecke ist sie auf dem mit Blei beschwerten Boden eines Messingcylinders cc (Fig. 110) aufgesetzt; dieser Messingcylinder kann sich um eine Achse, bezüglich um zwei an einem Ringe d befestigte Spitzen drehen, welcher letztere wiederum in einem Ringe f um die auf der vorigen senkrechte Achse tt drehbar ist — Kardanische Aufhängung. Der Umstand, daß die Magnetnadel stets mit dem einen Pole ungefähr nach Norden und mit dem anderen nach Süden zeigt, deutet darauf hin, daß die Erde selbst ein Magnet ist, deren magnetischer Nordpol von dem Kapitän Roß (1831) auf der Insel Boothia felix im nördlichen Amerika unter 70° nördlicher Breite und 97° westlicher Länge, und der Südpol im Süden von Vandiemensland unter 66° südlicher Breite und 146° östlicher Länge gefunden worden ist. Unsere Benennung der Pole der Magnetnadel ist eigentlich falsch; man müßte denjenigen Pol,

88

Reibungselektrizität.

[Erster

welcher nach Norden zeigt, Südpol nennen, wie dies auch die Franzosen thun. Übrigens ändert sich die Deklination im Laufe der Zeit erheblich. Der Kompaß, anfangs mit natürlichen Magneten (Leitsteinen) versehen, ist zuerst in Europa im 11. Jahrhundert bekannt geworden; bei den Chinesen soll er schon lange zuvor im Gebrauche gewesen sein. Größere Seefahrten auf dem offenen Meere sind erst seit der Erfindung des Kompasses möglich geworden. — Kolumbus soll zuerst die Deklination bemerkt haben. — Auch zur Orientierung auf dem Lande und in Bergwerken, zum Winkelmessen u. s. w. kann der Kompaß benutzt werden. — Ein Instrument, welches mit allen Vorrichtungen versehen ist, um die Deklination eines Ortes zu bestimmen, wird D e k l i n a t i o n s b u s s o l e oder D e k l i n a t o r i u m genannt.

VI. E l e k t r i z i t ä t . a. Reibungselektrizität. § 93. Eigenschaften eines elektrischen Körpers. 1) Schon im Altertum (600 v. Chr.) hatte man die Beobachtung gemacht, daß Bernstein, wenn er mit einem wollenen Tuche gerieben wird, die Eigenschaft erlangt, leichte Körperchen, wie Papierschnitzel, Kork- und Hollundermarkkügelchen anziehen zu können, um sie alsbald wieder abzustoßen. Dasselbe thun Harz, Hartgummi und Schwefel, wenn sie mit Wolle oder Pelz, und Glas, wenn es mit auf Seide oder Leder gestreutem Zinkamalgam gerieben wird. Die Ursache dieser und ähnlicher Erscheinungen nennt man E l e k t r i z i t ä t (Bernstein = IJXWTQOV) , den Zustand, in welchen die genannten Körper durch Reiben gelangen, den e l e k t r i s c h e n , sowie die Körper selbst, wenn sie in diesem Zustande sich befinden, e l e k t r i s c h , im anderen Falle unelektrisch. Die elektrische Anziehung und Abstoßung zeigt man am besten mit Hilfe des e l e k t r i s c h e n P e n d e l s (Fig. 111), d. i. ein an einem Seidenfaden aufgehängtes Hollundermarkkügelchen, oder der e l e k t r i s c h e n N a d e l , d. i. ein auf einer Spitze schwebendes Glas-, Hartgummi- oder MessingFig. 111. Elektrisches Pendel. stäbchen. Auch kann man sich eines an zwei Fäden aufgehängten H o r i z o n t a l p e n d e l s bedienen.

2) D i e A n z i e h u n g z w i s c h e n e i n e m e l e k t r i s c h e n u n d une l e k t r i s c h e n K ö r p e r ist g e g e n s e i t i g : Ein elektrisches Stäbchen zieht ein unelektrisches, welches auf der Spitze der elektrischen Nadel schwebt, an und umgekehrt. 3) E i n e l e k t r i s c h e r K ö r p e r g i e b t e i n e n T e i l s e i n e r E l e k t r i z i t ä t m e h r o d e r m i n d e r l e i c h t a n a n d e r e K ö r p e r bei der B e r ü h r u n g m i t d e n s e l b e n a b ; ein unelektrisches Hartgummi- oder Glasstäbchen, oder ein an einem Seidenfaden hängendes Hollundermark-

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kügelchen, welches einige Zeit mit einem elektrischen Körper in Berührung gewesen, ist imstande (sehr kleine) Papierschnitzel anzuziehen: Elektrisierung durch M i t t e i l u n g . Daß der ursprüngliche elektrische Körper dabei an Elektrizität verliert, sieht man daran, daß er unelektrische Körper nicht mehr so lebhaft anzuziehen vermag. — Ein oder mehrere Male mit der Hand berührt, wird ein elektrischer Körper unelektrisch; auch durch bloße Berührung mit der Luft verliert er nach einiger Zeit seine Elektrizität vollständig.

§ 94. Positive und negative Elektrizität. Wesen der Elektrizität.

1) Ein mit Pelz geriebenes Hartgummistäbchen zieht ein mit Amalgam geriebenes Glasstäbchen oder ein mit Schießbaumwolle geriebenes Hartgummistäbchen, welches auf der Nadelspitze schwebt, lebhafter an, als wenn das letztere unelektrisch wäre. — Setzt man aber ein mit Amalgam geriebenes Glasstäbchen auf die Nadelspitze und nähert ihm ein ebenso behandeltes Glasstäbchen, so wird es abgestoßen; ebenso findet Abstoßung zwischen zwei mit Pelz geriebenen Harz- oder Hartgummistäbchen statt. Man unterscheidet hiernach zwei Arten von Elektrizität: G l a s - und H a r z e l e k t r i z i t ä t , welche sich so verhalten, daß u n g l e i c h n a m i g e E l e k t r i z i t ä t e n e i n a n d e r a n z i e h e n und g l e i c h n a m i g e e i n a n d e r abstoßen. Ein Hartgummistäbchen, zur Hälfte mit Pelz, zur Hälfte mit Schießbaumwolle gerieben, wird von demselben elektrischen Körper an der einen Hälfte angezogen, an der anderen abgestoßen. — Die Abstoßung gleichnamig elektrischer Körper zeigen sehr hübsch zwei an Seidenfäden hängende Kollodiumballons, welche man mehrmals mit der Hand gestrichen hat. Nur die Abstoßung kann entscheiden, daß ein Körper Elektrizität besitzt und welcher Art dieselbe ist. 2) D i e e l e k t r i s c h e A n z i e h u n g und A b s t o ß u n g n i m m t a b im Q u a d r a t der E n t f e r n u n g . 3) Zwei an den Enden eines Fadens hängende Hollunderkügelchen (Fig. 112) treten, mit einem harzelektrischen Körper berührt, auseinander; nähert man ihnen nun einen glaselektrischen Körper, so werden sie lebhaft angezogen und, wenn sie nur kurze Zeit mit demselben in Berührung gewesen sind, so stehen sie alsdann nicht mehr so weit auseinander; durch wiederholte Berührung mit dem glaselektrischen Körper gehen sie endlich ganz zusammen und schließlich wieder aus112 Doppeleinander, werden aber dann nicht mehr von dem glaspendel. elektrischen Körper angezogen, sondern abgestoßen. 4) Solche und ähnliche Versuche haben zu der Ansicht geführt, daß die zwei entgegengesetzten Elektrizitäten einander teilweise oder ganz ausgleichen können, ähnlich wie positive und negative Zahlen, weshalb man auch die eine, die Glaselektrizität, p o s i t i v und die andere, die Harzelektrizität, n e g a t i v nennt (Symmer 1759). Dieser „dualistischen" Ansicht von der Natur der Elektrizität, welche gewöhnlich der Erklärung

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der elektrischen Erscheinungen zu Grunde gelegt wird, steht die „unitarische" (Franklin und Äpinus, 1750 — 55) gegenüber, welche die positive Elektrizität als einen Überschuß und die negative als einen teilweisen Mangel an der gewöhnlichen Elektrizitätsmenge, welche die Körper im unelektrischen Zustand besitzen sollen, ansieht. Nach beiden Ansichten sollte die Elektrizität ein unwägbares Fluidum sein, da ein Körper im elektrischen Zustande nicht mehr wiegt, wie im unelektrischen. Die dualistische Theorie hält unelektrische Körper für solche, welche positive und negative Elektrizität in gleicher Menge besitzen. Beim Reiben zweier Körper aneinander wird der eine immer positiv, der andere negativ elektrisch. Wird eine ca. 8 cm große, an einem Glasgriff gehaltene Glasscheibe mit einer ebenfalls an einem Glasgriff gehaltenen Holzscheibe, welche mit amalgamierten Leder überzogen ist, gerieben, so wird die erstere positiv, die letztere negativ (Nachweis mittels eines elektrischen Pendels). Außerdem kann ein und derselbe Körper, je nach dem Reibzeug, positiv oder negativ werden (Hartgummi mit Pelz und mit Schießbaumwolle gerieben). Nach den neueren Theorien beruhen die elektrischen Erscheinungen auf Bewegungen (Schwingungen oder Strömungen) des in den Körpern enthaltenen Äthers; auch hier giebt es eine dualistische und eine unitarische Ansicht; die eine erklärt die positive und negative Elektrizität aus zwei entgegengesetzten Bewegungen des Äthers, die andere spricht von Äther-Verdichtungen und -Verdünnungen und möglicherweise von Strömungen des Äthers von den verdichteten nach den verdünnten Stellen. Wie weit die Körpermoleküle dabei beteiligt sind, steht dahin. Ob ein Körper positiv oder negativ elektrisch wird, hängt nicht bloß vom Reibzeug, sondern auch von der Beschaffenheit seiner Oberfläche und dergleichen ab; mat.tgesehliffenes Glas wird mit Wolle, Federn, Papier und der Hand gerieben negativ, während glattes Glas nur mit Pelz gerieben negativ wird. Die verschiedenen Papiersorten werden mit denselben Körpern gerieben verschieden elektrisch; die meisten Sorten werden mit Pelz, Hand, Wolle und Seide negativ, mit Kautschuk und Schießbaumwolle positiv. Die Metalle werden mit Glas und Seide negativ, mit Harz, Schwefel, Schießbaumwolle und Bernstein positiv. — Einige Kristalle, wie Kalkspat, Topas, Bergkristall, Glimmer, werden mit Wolle, Seide und Leder positiv.

§ 95. Gute und schlechte Leiter. Berührt man einen elektrischen Metallstab nur an einer Stelle, so giebt er a l l e seine Elektrizität an die Hand ab; die Elektrizität ist imstande, von allen Punkten der Metalloberfläche nach der Ableitungsstelle hin zu eilen. Ein Gummi- oder Glasstab dagegen verliert bei der Berührung nur die an der Berührungsstelle befindliche Elektrizität und selbst diese nur teilweise. — Ein Hollunderkügelchen, welches an einem Metallfaden an einem eisernen Gestell hängt, wird von einem elektrischen Körper angezogen, aber nicht wieder abgestoßen. Aus diesen und ähnlichen Versuchen schließt man, daß die Elektrizität leicht durch gewisse Körper von Teilchen zu Teilchen forteilen kann, durch andere nicht; danach unterscheidet man g u t e und s c h l e c h t e L e i t e r der Elektrizität — K o n d u k t o r e n und I s o l a t o r e n . Diebesten Leiter sind die Metalle, vornehmlich Silber, ferner Kohle, Säuren, Salzlösungen, überhaupt Flüssigkeiten und feuchte Substanzen; als Nichtleiter

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gelten Seide, Harz, Kautschuk, Hartgummi (Ebonit), Wolle, Haare, trockene Luft, fette und ätherische Öle. Zwischen den guten und schlechten Leitern stehen die Halbleiter: Alkohol, trockenes Holz, Marmor, Schweielblumen, Stroh und viele Mineralien. Gute Leiter der Wärme sind auch gute Leiter der Elektrizität. Durch Erwärmen wird die Leitungsfahigkeit für Elektrizität (nicht die für Wärme) beträchtlich erhöht. Gase werden in hoher' Temperatur ziemlich gute Leiter. — Soll ein Körper seine Elektrizität behalten, so muß er mit Isolatoren umgeben werden; Erwärmen der elektrischen Apparate ist besonders vorteilhaft, weil dadurch die Oberfläche von der anhaftenden Feuchtigkeit befreit wird. Die elektrischen Versuche gelingen am besten im Winter an kalten, heiteren Tagen in der Nähe eines geheizten Ofens. Metalle darf man nicht direkt mit der Hand anfassen, wenn man sie elektrisch machen will, man versieht sie zu dem Zwecke mit Handhaben von Glas oder Hartgummi. Weitere Versuche über Leitungsfähigkeit sind: Eine auf der elektrischen Nadel schwebende Metallstange, deren eine Kugel von einem elektrischen Glasstabe berührt worden ist, wird an beiden Enden von dem Glasstabe abgestoßen; ein Hartgummistab dagegen, welcher nur am einen Ende mit Pelz gerieben worden ist, wird nur an diesem Ende von einem negativen Körper abgestoßen, am anderen angezogen. — Ein an einem Seidenfaden aufgehängtes Kügelchen pendelt zwischen einem elektrischen Körper und einer mit der Erde in leitender Verbindung stehenden Metallplatte hin und her. — Ebonit muß zeitweilig mit Glaspapier und mit Petroleum, oder mit Ammoniak und mit Petroleum abgerieben werden.

§ 96. Elektrische Verteilung (Influenz); Elektroskop und Elektrometer. Jede Vorrichtung, welche geeignet ist, die Art der Elektrizität eines Körpers erkennen zu lassen, nennt man E l e k t r o s k o p ; dahin gehört also auch das elektrische Pendel und die elektrische Nadel. Ein feineres Elektroskop ist das Strohhalm- oder Goldblattelektroskop (Volta, Bennet). Gestattet der Apparat auch einen Schluß auf die Menge der Elektrizität, so heißt er E l e k t r o m e t e r . — Das gewöhnliche Elektroskop (Fig. 113) besteht aus einem Messingstäbchen, welches isoliert durch den Hals einer Flasche geht, oben einen Knopf und unten zwei Strohhalme oder Goldblättchen trägt. Ambesten Fig. 113. Das gewöhnl i c h e Elektrosko besteht die Fassung des Halses aus Ebonit. PStellt man zwei Elektroskope in einer Entfernung von ca. 30 cm voneinander auf, legt über die Fassungen, dicht an die Messingstäbchen, einen in Knöpfe endigenden, in der Mitte mit einem Ebonitgriff versehenen Messingdraht und bringt einen elektrischen Stab in die Nähe des einen Elektroskops, so schlagen die Blättchen beider Elektroskope aus. Ist der angenäherte Stab etwa negativ elektrisch, so sind die Blättchen des ihm am nächsten stehenden Elektroskops positiv und die des ferneren negativ; denn bringt man einen andern, schon vorher etwa schwach positiv gemachten Stab in die Nähe des Bauches des ersten oder des zweiten Elektroskops, so biegen sich die Blättchen von dem

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Stabe weg, bezüglich nach ihm hin. — Entfernt man den negativen Stab, so gehen die Blättchen der Elektroskope zusammen. — Entfernt man dagegen den die Elektroskope verbindenden Draht, während der elektrische Stab noch in der Nähe ist, so bleibt auch nach Entfernung des letzteren der Ausschlag der Blättchen in beiden Elektroskopen bestehen. — Hält man den Finger auf den Knopf eines der leitend verbundenen Elektroskope, in deren Nähe sich ein negativ elektrischer Stab befindet, entfernt zuerst den Finger und dann den Stab, so schlagen beide Blättchenpaare mit positiver Elektrizität aus. Diese Erscheinungen erklären sich daraus, daß jeder Körper im unelektrischen Zustand beide Elektrizitäten in gleicher Menge vereinigt (gebunden) enthält; wird nun ein negativer Stab in die Nähe gebracht, so wird eine Verteilung der beiden Elektrizitäten bewirkt; die positive Elektrizität wird nach der dem Stab zunächstliegenden Stelle des Körpers hingezogen und die negative nach der fernsten Stelle abgestoßen. — Entfernt man den elektrischen Stab, so vereinigen sich die getrennten Elektrizitäten wieder und der Körper erscheint unelektrisch. — Hält man den Finger auf den Körper, während der elektrische Stab in der Nähe ist, so wird die gleichnamige Elektrizität in die Erde abgestoßen; nach Entfernung, zuerst des Fingers und dann des Stabes, wird die ungleichnamige, bisher festgehaltene Elektrizität frei und verbreitet sich über den ganzen Körper. — Was geschieht, wenn man zuerst den Stab und dann den Finger entfernt? Das Elektrisieren eines unelektrischen Körpers durch bloße Annäherung eines elektrischen nennt man Elektrisierung durch V e r t e i l u n g oder I n f l u e n z ( C a n t o n 1735, Ä p i n u s 1759, W i l k e 1775); dieselbe gelingt vollkommen nur bei guten Leitern — warum? Ein stark elektrischer Körper zieht einen schwach gleichnamig elektrischen an — warum? Die elektrische Verteilung läßt sich auch nachweisen: 1) mittels eines isolierten, wagrechten Metallcylinders, an dessen Enden je ein paar Fadenpendel befestigt sind; 2) mittels eines vertikalen, isolierten Messingcylinders, an dessen Enden je ein kurzes Fadenpendel befestigt ist (Rieß); 3) mittels des auf einer isolierten Spitze drehbaren „Verteilungsstabes" mit „Verbindungsdraht" (Krebs); der . v...-^ Verteilungsstab besteht aus zwei Messingdrähten, ä r -&J w e l c h e in der Mitte durch Hartgummi verbunden sind (Fig. 114); nähert man dem einen Ende des Verteilungsstabes eine negative Stange und berührt die beiden Messingenden des Stabes mit je einem Ende des Verbindungsdrahtes (Messinge draht mit Hartgummigriff), so zeigt sich, nach Entfernung der Gabel und der elektrischen Stange, die eine Hälfte des Verteilungsstabes positiv, die andere negativ. Wie verfährt man, um den ganzen Verteilungsstab positiv elektrisch zu machen? Fig. 114. Verteilungsstab mit 4 1 mittels zweier auf isolierten Füßen stehenden Verbindungsdraht. Messingkugeln; stellt man dieselben dicht aneinander, nähert der einen einen elektrischen Körper und entfernt darauf beide Kugeln voneinander, so zeigt sich die eine positiv, die andere negativ elektrisch (Prüfung mittels eines elektrisierten Fadenpendels).

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§ 97. Feststellung, ob ein elektrischer Körper positiv oder negativ ist. Nähert man dem Knopf eines Elektroskops einen etwa positiv elektrischen Körper, so schlagen die Blättchen mit positiver Elektrizität aus, gehen aber wieder zusammen, wenn der elektrische Körper entfernt wird. — Hält man den Finger auf den Knopf eines Elektroskopes und nähert einen etwa positiv elektrischen Körper, so bleiben die Blättchen beisammen; entfernt man nun zuerst den Finger und dann den elektrischen Körper, so schlagen die Blättchen mit negativer Elektrizität aus. — Nähert man einem auf die soeben beschriebene Weise negativ elektrisierten Elektroskope einen negativ elektrischen Körper, so gehen die Blättehen noch weiter auseinander; nähert man dagegen einen positiv elektrischen, so gehen sie bei fortschreitender Annäherung immer mehr zusammen, um nach vollständigem Verschwinden des Ausschlags schließlich mit positiver Elektrizität auseinander zu gehen. Auf diese Art ist es leicht zu bestimmen, welche Elektrizität ein Körper besitzt. § 98. Die Reibungselektrisiermaschine. Um größere Mengen Elektrizität hervorzubringen, bedient man sich der Elektrisiermaschinen. Die gewöhnlichste ist die Reibungselektrisiermaschine (Fig. 115); sie besteht aus dem Reib e r , dem R e i b z e u g und dem K o n d u k t o r . Der Reiber ist gewöhnlich eine Glasscheibe (oder auch ein Glascylinder), welche auf einer gläsernen Achse sitzt, die mittels einer Kurbel umgedreht werden kann. Das Reibzeug besteht aus zwei Lederkissen, Fig. 115. Reibungselektrisiermaschine. welche auf einem Glasfuße sitzen und an denen sich die Glasscheibe beim Umdrehen reibt; die Kissen sind mit Amalgam bestrichen und mit langen Wachstaffetstreifen versehen; der isolierende Taffet verhindert die seitliche Ausströmung der Elektrizität von der Scheibe. Unter „Konduktor" versteht man eine auf einem Glasfuße stehende Metallkugel oder -röhre; die Elektrisiermaschine hat deren gewöhnlich zwei, einen zur Ansammlung der positiven Elektrizität der Glasscheibe und einen zur Ansammlung der negativen Elektrizität der Reibkissen.

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In den Konduktor der Scheibe lassen sich zwei Ringe von Holz, welche inwendig mit Stanniol ausgelegt und mit Metallspitzen versehen sind, einstecken; oft nimmt man statt dessen zwei dicke gebogene Messingdrähte mit oder ohne Spitzen; die Scheibe bewegt sich bei der Drehung zwischen den Ringen, wirkt verteilend auf die Elektrizitäten des Konduktors, zieht die negative herbei, um sich mit ihr zu vereinigen, sodaß die positive allein auf den Konduktor zurückbleibt. Die Glasscheibe, als schlechter Leiter, würde nicht, wie der glutleitende Konduktor alle ihre Elektrizität auf einmal abgeben. Setzt man auf den Konduktor einen Holzring — W i n t e r s c h e r R i n g , welcher im Innern mit Stanniol belegt ist, so schlagen die Funken auf größere Entfernungen über. Auch ineinander gesteckte, teilweise mit Stanniol bekleidete Glasröhren (Emsmann) thun dieselben Dienste. Die Reibungselektrisiermaschine ist von O t t o von G u e r i c k e (1602 —1680) erfunden worden; sie hatte indessen noch keinen Konduktor und bestand lediglich aus einer Schwefelkugel, welche um eine Achse drehbar war und durch Daraufhalten der Hand gerieben wurde. — B o s e , Professor in Wittenberg, fügt den Konduktor und Gießing, Drechsler in Leipzig, das Reibzeug hinzu; Beschreibung einer solchen Maschine durch Winkler, Professor in Leipzig, 1744. Planta (1755) wendet zuerst eine Glasscheibe an, nachdem schon früher die Schwefelkugel durch eine Glaskugel und dann durch einen Glascylinder ersetzt worden war. — Amalgam von Kienmayer (1788): 2 Teile Quecksilber, 1 Teil Zinn und 1 Teil Zink. — Neuerdings sind die Reibungselektrisiermaschinen von W i n t e r in Wien (1850) wesentlich verbessert worden. Im Jahre 1840 beobachtete A r m s t r o n g , daß der aus feinen Öffnungen strömende Dampf eines Dampfkessels elektrisch sei, und konstruierte eine D a m p f e l e k t r i s i e r m a s c h i n e ; ein auf Glasröhren stehender Dampfkessel läßt den Dampf durch eine Anzahl enger Holzröhren gegen einen Metallkamm strömen, der mit einer großen isolierten Metallkugel in Verbindung steht. Durch die Reibung der Wasser- und Dampfteilchen an den Wänden der Röhren wird der Dampf positiv und der Kessel negativ; den Konduktor für die negative Elektrizität bildet der Kessel selbst, für die positive die vorhin erwähnte Metallkugel. § 99. V e r s u c h e mit der Elektrisiermaschine. 1) Um größere Funken von dem Konduktor einer Reibungselebtrisiermaschine zu erhalten, bedient man sich des F u n k e n z i e h e r s , einer Metallkugel, welche mit der Erde in leitender Verbindung steht. Der Konduktor wirkt verteilend auf die zwei Elektrizitäten der Kugel, stößt die gleichnamige ab und zieht die ungleichnamige an, mit welcher er sich unter Feuererseheinung vereinigt. Im verdünnten Räume geht die Elektrizität auf größere Entfernung, aber büschelförmig über— e l e k t r i s c h e s E i , G e i ß l e r sche R ö h r e n . Den absolut leeren Raum vermag die Elektrizität nicht zu durchdringen. In verschiedenen Gasen nimmt der Funke verschiedene Farben an; ebenso richtet sich die Farbe nach der Natur der Metalle, zwischen denen er überspringt. Dabei fliegen ständig Metallstückchen von dem positiven Pol nach dem negativen hinüber. — In Gasen von gewöhnlicher Dichtigkeit springt der aus einem Büschel feiner, verästelter, leuchtender Fäden bestehende Funke im Zickzack über; man nimmt an, daß er die Luft vor sich her verdichtet und dann seitwärts springt, da die Elektrizität leichter durch dünnere, als durch dichtere Luft geht. 2) Eine S p i t z e auf den Konduktor einer Elektrisiermaschine gesetzt, verhindert eine stärkere Ansammlung der Elektrizität auf dem Konduktor; positive Elektrizität strömt aus einer Spitze in Form eines Büschels, negative bildet über derselben ein helles Pünktchen. — 3) Ein mit Spitzen versehenes Rädchen — F l u g r ä d c h e n , mit dem Konduktor einer Elektrisiermaschine in Verbindung gesetzt, dreht sich entgegengesetzt der Auströmungsrichtung der Elektrizität — Vergleich mit dem Segnerschen Wasserrad. — 4) Aus einer Person, welche

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auf einem I s o l i e r s c h e m e l — Schemel mit Glasfüßen — steht, kann man, da sie einen Teil des Konduktors bildet, Funken ziehen. Der auf dem Isolierschemel Stehende hat das Gefühl, als ob das Gesicht mit Spinnweben bedeckt sei, weil sich die kleinen Haare im Gesicht sträuben. — 5) In der Nähe der Elektrisiermaschine nimmt man einen Geruch nach O z o n wahr. — 6) Läßt man Elektrizität aus einer Spitze auf ein mit Jodkaliumkleister befeuchtetes Papier strömen, so erhält es blaue Flecken; das Jodkalium wird zersetzt und es bildet sich Jodstärke. — 7) Der elektrische Funke vermag Äther und heißen Alkohol zu entzünden und Knallgas zum Explodieren zu bringen — e l e k t r i s c h e P i s t o l e . — 8) Läßt man Elektrizität auf einen Harzkuchen oder eine Ebonitplatte schlagen und streut Bärlappsamen auf, so zeigen sich nach dem Wegblasen des überflüssigen Samens bei positiver Elektrizität strahlige, bei negativer Elektrizität rundliche Figuren — L i c h t e n b e r g s c h e F i g u r e n (1778). Elektrisiert man eine Metallplatte und eine ihr gegenüberstehende, isolierte Spitze entgegengesetzt und streut Bärlappsamen auf die Platte, so zeigen sich nach dem Abblasen ringförmige Staubfiguren — K u n d t s c h e F i g u r e n (1869). — 9) Erwähnenswert sind noch: das elektrische Glockenspiel, der Puppentanz, die Spinne, die Blitztafel und Blitzröhre , die Einwirkung des Konduktors der Elektrisiermaschine auf einen springenden Wasserstrahl (die man übrigens schon durch eine stark elektrische Hartgummistange bewerkstelligen kann) u. s. w.

§ 100. Verbreitung der Elektrizität auf der Oberfläche der Körper. D i e E l e k t r i z i t ä t v e r b r e i t e t sich l e d i g l i c h auf d e r O b e r f l ä c h e d e r K ö r p e r . Man kann dies auf sehr verschiedene Arten nachweisen; die einfachste besteht darin, daß man auf den Konduktor einer Elektrisiermaschine eine Metallröhre (Fig. 116) setzt, welche innen und außen mit je einem Doppelpendel versehen ist; nur die äußeren Pendel entfernen sich voneinander, wenn die Elektrisiermaschine in Gang gesetzt wird. Fig. n6. Elektrizität Ein Elektroskop, auf isolierender Unterlage, mit n u r a u f d -Oberfläche, einem Drahtkorb überdeckt, schlägt nicht aus, selbst wenn man auf denselben elektrische Funken springen läßt. Bei nicht kugelförmigen Körpern ist die Elektrizität auf der Oberfläche nicht gleich verteilt; stärker gekrümmte Teile, namentlich Spitzen, enthalten auf der Einheit der Fläche mehr Elektrizität, als schwächer gekrümmte; aus ihnen strömt denn auch die Elektrizität leicht aus. § 101. Ansammlungsapparate. 1) Die F r a n k l i n s c h e T a f e l (Fig. 117) besteht aus einer Glastafel, welche auf beiden Seiten in der Mitte mit Stanniol belegt, am Eande aber gefirnißt ist. Läßt man auf das Stanniol der einen Seite Funken z. B. F i g 1 1 7 F r a n k l i n s c ] l e positiv elektrische schlagen, während man das StanTafel, niol der anderen Seite ableitend berührt, so wird die erste Stanniolplatte positiv, die andere annähernd ebensostark negativ elektrisch; die positive Elektrizität der einen Seite wirkt durch das Glas hindurch verteilend auf die andere; die entgegengesetzten Elektrizitäten der beiden Stanniolplatten halten einander fest, sodaß die Tafel sich wie

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ein unelektrischer Körper verhält. Man könnte deshalb die erste Stanniolplatte mit einer unbegrenzten Menge positiver (und die hintere mit ebenso viel negativer) Elektrizität laden, wenn die Glasplatte unendlich dünn und ein absoluter Nichtleiter wäre. Da aber die Glasplatte eine gewisse Dicke hat, so kann die auf die Vorderseite aufschlagende positive Elektrizität nicht genau so viel negative binden, als sie selbst beträgt; ein Teil der positiven Elektrizität ist also frei und erlangt bei fortdauernder Ladung schließlich dieselbe Spannung, wie die Elektrizität auf dem Konduktor, sodaß eine weitere Ladung unmöglich wird. Ist die Glasplatte dünn, so springen beide Elektrizitäten bei stärkerer Ladung entweder durch die Scheibe, indem sie dieselbe durchbohren, oder sie laufen über den Rand zueinander, wenn derselbe nicht breit und gut gefirnißt ist. Immerhin aber läßt sich eine weit stärkere Ladung erzielen, wenn beide Seiten entgegengesetzte Elektrizität enthalten, als wenn nur positive (oder negative) Elektrizität auf der einen Seite wäre. Eine Abänderung der Franklinschen Tafel ist die L e y d e ner- oder K l e i s t s c h e F l a s c h e (Fig. 118); sie ist innen und Fig. 119. Gemeiner AusFig. 118. Leydener und außen bis zu einer gelader. Flasche. wissen Höhe mit Stanniol belegt, der Rand ist gefirnißt und durch den Deckel geht ein Draht, welcher oben in einen Knopf und unten in eine Kette endigt, die bis auf den Boden herabhängt. Will man die Franklinsche Tafel oder die Leydener Flasche e n t l a d e n , d. h. die zwei Elektrizitäten zur Vereinigung miteinander bringen, so bedient man sich dazu des A u s l a d e r s (Fig. 119); er besteht aus zwei gebogenen, durch ein Scharnier verbundenen und mit isolierenden Griffen versehenen Drähten. Berührt man mit dem Knopf des einen Armes des Ausladers die eine Belegung und nähert den Knopf des anderen Armes der zweiten Belegung, so vereinigen sich bei einer gewissen Annäherung die beiden Elektrizitäten in einem starken Funken. — Oft kann man noch einen zweiten und dritten Funken (von abnehmender Stärke) erhalten. W h e a t s t o n e (1834) fand die Geschwindigkeit der Elektrizität bei der Entladung einer Leydener Flasche (durch Kupferdraht) zu 62 000 Meilen; jetzt nimmt man sie zu 40 000 Meilen (gleich der des Lichtes) an. Je höher der unbelegte Hals einer Flasche, eine um so größere Dichte kann man erzielen, weil die Elektrizitäten nicht so leicht über den hohen Hals weglaufen und sich miteinander vereinigen können. — Statt den Deckel auf die Flasche zu setzen, bringt man ihn, wenn stärkere Ladungen erzielt werden sollen, besser im Inneren der (cylindrischen) Flasche unmittelbar über der inneren Belegung an; es verdoppelt sich dadurch die Höhe des Halses.

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Verbindet man von mehreren Leydener Flaschen einerseits die Knöpfe und anderseits die äußeren Belege leitend miteinander, so erhält man eine e l e k t r i s c h e B a t t e r i e , mit Hilfe deren man noch stärkere — mechanische, thermische, optische, chemische, psychologische und magnetische — Wirkungen erzielen kann (Durchschlagen von Glasplatten, Glühendmachen und Schmelzen von Drähten, Entzündung von Pulver, elektrische Schläge, welche durch eine ganze Beihe von Personen gehen u. s. w.)-

§ 102. Atmosphärische Normal - Elektrizität. Die Atmosphäre enthält im normalen (gewitterfreien) Zustande stets eine gewisse Menge Elektrizität und zwar meist positive; man kann sich hiervon überzeugen, wenn man auf ein Elektroskop eine lange Stange, welche in eine Spitze endigt, setzt und wohl auch ein Stückchen brennenden Zunders auf derselben anbringt. Statt einer Spitze kann man auch eine Kugel nehmen, in welchem Falle eine Influenzwirkung eintritt (Saussure, Peltier). Die Menge der positiven Elektrizität wächst mit der Höhe über der Erdoberfläche : Ein mit einer Spitze versehenes Elektroskop nimmt entgegengesetzte Elektrizität an, wenn es auch nur um ca. 2 m gehoben oder gesenkt wird. Man hat zwei tägliche Maxima und Minima der Elektrizität beobachtet; das erste Minimum tritt früh morgens ein (im Winter etwa um 71/2 Uhr, im Sommer um 5 Uhr), das erste Maximum in den früheren Vormittagsstunden (im Winter um 9'/ 2 Uhr, im Sommer um 7 Uhr); das zweite Minimum am Nachmittag (im Winter um 2*/2 Uhr, im Sommer um 4 x / 2 Uhr), das zweite Maximum am Abend (im Winter um 6 l j 2 Uhr, im Sommer um 9 1 / 2 Uhr). Die Menge der Elektrizität ist bei hellem Himmel größer als bei bedecktem und im Winter größer als im Sommer. Nebel zeigen sich meist positiv, Regen dagegen bald positiv, bald negativ. Die Ursache der atmosphärischen Normalelektrizität ist noch nicht ergründet; bald giebt man als solche den Vegetationsprozeß und überhaupt die in der Natur stattfindenden Oxydationen, bald die Verdunstung des Wassers oder umgekehrt die Kondensation des Wasserdampfs, bald auch die negative Elektrizität der Erde an. § 103. Elektrizität bei Gewittern. Gewaltige Mengen von Elektrizität sammeln sich bei Gewittern in den Wolken; die eine, die „Hauptwolke" enthält positive Elektrizität und ist, oft ringsum, von einer Anzahl negativer Wolken umgeben. Schon Otto v. Guericke verglich den Funken der Elektrisiermaschine mit dem Blitz und das Knistern des Funkens mit dem Donner. Der Blitz schlägt teils zwischen zwei Wolken über, teils zwischen einer Wolke und einem Gegenstand auf der Erde. Zieht eine z. B. positiv elektrische Wolke nahe über die Erde hin, so wirkt sie influenzierend, namentlich auf die höher gelegenen Gegenstände, zieht die negative Elektrizität an und stößt die positive in die Erde ab. Endigt ein hoher Gegenstand, z. B. ein Turm, in eine Spitze, so strömt ständig negative Elektrizität aus derselben nach der Wolke K r e b s , Physik. II. Aufl.

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Reibungselektrizität.

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hin, um sieh mit deren positiver Elektrizität ohne Blitzschlag zu vereinigen; endigt aber ein hoher Gegenstand in eine breite Fläche oder eine Kugel, so sammelt sich negative Elektrizität in größerer Menge an und gleicht sich schließlich mit der positiven der Wolke in einem heftigen Blitzschlag aus. Auf der Wirkung der Spitzen beruht das St. E l m s f e u e r , d. i. das Leuchten von Schiffsmasten, Türmen, Baumspitzen u. s. w. bei Gewittern. Auch gründet sich hierauf die Wirksamkeit des B l i t z a b l e i t e r s . Der Blitzableiter besteht aus einer hohen, über der Dachfirste eines Hauses angebrachten „Auffangestange", welche in eine aus feinem Silber oder Kupfer bestehenden Spitze endigt, die auch vergoldet sein kann. Die Auffangestange ist mit einer metallischen, über die ganze Dachfirste gehenden und bis in den Erdboden geführten Leitung verbunden, welche gewöhnlich unten mit einem Zinkdrahtseil, das in eine feuchte Grube versenkt und mit Kohle umgeben wird, verbunden ist. Wenn der Blitz in irdische Gegenstände schlägt, so folgt er gewöhnlich den guten Leitern, welche er nicht selten schmilzt oder verflüchtigt, während er schlechte zertrümmert; erfolgt keine Entzündung brennbarer Gegenstände, so nennt man den Blitz einen k a l t e n S c h l a g . Von fernen Gewittern sieht man oft noch die Blitze, ohne den Donner zu hören — W e t t e r l e u c h t e n . Wenn der Blitz in einen hohen Gegenstand einschlägt, so ist es möglich, daß eine in der Nähe befindliche Person, ohne direkt vom Blitz getroffen worden zu sein, beschädigt oder gar getötet wird; es findet nämlich auch in ihr eine elektrische Verteilung statt; gleichen sich nun die entgegengesetzten Elektrizitäten der Wolke und des hohen Gegenstandes in einem Blitze aus, so springen auch die zwei entgegengesetzten Elektrizitäten im Inneren des menschlichen Körpers zueinander und erzeugen eine heftige Erschütterung der Nerven — e l e k t r i s c h e r R ü c k s c h l a g . Auch die N o r d - und S ü d l i c h t e r sieht man als elektrische Erscheinungen an. In den Polargegenden zeigen sich diese herrlichen Lichterscheinungen fast in jeder Nacht, während sie in niederen Breiten selten und unter den Tropen fast nie zu sehen sind. Nach Sonnenuntergang erscheint ein dunkeles Segment am Himmel, welches von einem hellen Saum umgeben ist; bald schießen aus ihm helle, verschiedenfarbige Strahlen, welche alle nach einem Punkte hinzueilen scheinen, nach dem Punkte nämlich, wohin die Spitze der Inklinationsnadel zeigt; sie vereinigen sich oft hoch über dem Segment und bilden die sogen. K r o n e des Polarlichtes. Über die Entstehung des Polarlichtes ist nichts Sicheres bekannt. S o h n c k e giebt als Ursache der Gewitterelektrizität die Reibung feuchter, aufsteigender Luftströme an den Eisnadeln der Cirruswolken an, welche bei Gewittern (nach Sohncke) ziemlich tief herabgehen sollen. Die Elektrizität der Gewitterwolken kann man durch Drachen, in deren Schnur Metallfäden eingelegt sind, zur Erde leiten (Franklin 1752); de Romas erhielt Funken von 1—3 m Länge und mehreren Centimetern Durchmesser. Schlägt der Blitz durch trockenen Sand, so schmilzt er denselben teilweise und erzeugt hohle, zusammenhängende Röhren, Blitzröhren.

Kursus.]

Berührungs- oder galvanische Elektrizität.

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Die Blitze sind oft von beträchtlicher Länge und verästeln sich häufig — F a d e n - oder L ä n g e n b l i t z e ; andere sind rundlich und explodieren — K u g e l blitze, wieder andere erhellen breite Strecken am Himmel — F l ä c h e n b l i t z e . Um sich bei Gewittern vor dem Blitz zu schützen, stelle man sich nicht in die Nähe guter Leiter (Öfen u. dergl.) und lösche das Feuer, da Rauch und verdünnte Luft die Elektrizität gut leiten; im Freien vermeide man Dachtraufen und stelle sich nicht als einzigen erhabenen Gegenstand auf, jedoch auch nicht zu nahe an höhere Gegenstände, wie Bäume u. s. w. Übrigens ist die Zahl der jährlich vom Blitz Erschlagenen gering, in Frankreich etwa 100 (Arago). Bei nahen Gewittern hört man den Donner meist als einfachen Schlag, bei fernen Gewittern entwickelt er sich durch das Widerhallen an den Wolken und Gebirgen zu einem länger andauernden „Rollen"; auch wird er im ersten Fall fast unmittelbar nach dem Blitz, im zweiten oft beträchtlich später vernommen. — Geruch nach Ozon!

b. Berührungs- oder galvanische Elektrizität. § 104. Entdeckung der galvanisohen Elektrizität. Luigi G a l v a n i in Bologna machte im Jahre 1790 die Bemerkung, daß die Schenkelmuskeln frisch getöteter und enthäuteter Frösche jedesmal in Zuckungen gerieten, wenn die Rückenmarksnerven mit einem Messer berührt und gleichzeitig aus einer in der Nähe befindlichen Elektrisiermaschine Funken gezogen wurden. Diese Erscheinung, welche heutzutage als elektrischer Rückschlag (§ 103) gedeutet wird, suchte G a l v a n i durch Annahme einer den Tieren eigentümlichen Elektrizität zu erklären. Um den Einfluß der Luftelektrizität auf die vermeintliche tierische Elektrizität zu prüfen, hing G a l v a n i frisch getötete und enthäutete Frösche an einem kupfernen Haken an dem eisernen Geländer seines Gartens auf; die Frösche gerieten jedesmal in Zuckungen, wenn der Wind die Füße gegen das Geländer trieb. Heutzutage pflegt man den Versuch in der Art anzustellen, daß man die Schenkelmuskeln eines Frosches mit einem Kupferstreifen und die bloßgelegten Rückenmarksnerven mit einem Zinkstreifen berührt, der mit dem Kupferstreifen verlötet ist. Nach G a l v a n i s Ansicht entladet sich die tierische Elektrizität durch den metallischen Bogen und versetzt dadurch den Frosch in Zuckungen. Y o l t a in Pavia wies aber nach, daß solche Zuckungen nicht eintreten, wenn beide Streifen des metallischen Bogens von d e m s e l b e n Metalle sind, desgleichen wenn man einen Frosch etwa an einem e i s e r n e n Haken an ein e i s e r n e s Geländer hängt; er schloß daraus, daß die Quelle der Elektrizität nicht im Frosche, sondern an der Berührungsstelle der zwei v e r s c h i e d e n e n Metalle liege. Diese Elektrizität, welche nicht dem Wesen, sondern nur der Entstehungsweise nach von der Reibungselektrizität verschieden ist, nennt man g a l v a n i s c h e , B e r ü h r u n g s oder K o n t a k t - E l e k t r i z i t ä t . Berührt man eine Zink- und eine Kupferplatte, welche man an zwei isolierenden Handgriffen hält, miteinander, so wird das Zink positiv und das Kupfer negativ elektrisch, wie sich allerdings nur mit feinen Apparaten nachweisen läßt. V o l t a hat eine ganze Anzahl von Körpern, namentlich Metalle, miteinander in Berührung gebracht und in jedem 7*

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Berührungs- oder galvanische Elektrizität.

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Falle untersucht, welcher der beiden Körper positiv und welcher negativ wird; ebenso auch, wie groß die entstehende Elektrizitätsmenge verhältnismäßig ist. Er hat alsdann eine Reihe aufgestellt, welche so geordnet ist, daß das vorhergehende Metall bei der Berührung positiv, das nachfolgende negativ wird, und daß die am weitesten in der Reihe auseinanderstehenden Glieder die größte Elektrizitätsmenge liefern. Diese Reihe, Spannungsreihe genannt, heißt: Z i n k , B l e i , Zinn, E i s e n , K u p f e r , Gold, S i l b e r , P l a t i n , K o h l e . Aber nicht bloß feste Körper, sondern auch feste und flüssige oder zwei flüssige werden in Berührung miteinander entgegengesetzt elektrisch. Manche Physiker sind übrigens der Meinung, daß zwei absolut trockene Platten keine Elektrizität lieferten, indem die geringe Menge Elektrizität, welche sich thatsächlich zeigt, von einer auf der Oberfläche der Metalle lagernden Feuchtigkeits- oder Oxydschicht herrühre. Als Ursache der galvanischen Elektrizität nimmt man eine besondere Kraft, die e l e k t r o m o t o r i s c h e an, welche bei der Berührung zweier verschiedener Körper die Trennung der positiven und negativen Elektrizität bewirkt. § 105. Einfache galvanische Kette. Stellt man zwei verschiedene Metalle, z. B. eine Zink- und eine Kupferplatte, in eine Flüssigkeit (ver(ia f^ Zu dünnte Schwefelsäure oder Kochsalzlösung), so zeigt sich das obere Ende der Kupferplatte positiv und das der Zinkplatte negativ elektrisch (Fig. 120). Sind an die beiden Metallplatten zwei Kupferdrähte angelötet und verbindet man dieselben durch einen feinen Eisen- oder Platindraht, so kommt derselbe ins Glühen. Hält man ferner den einen Draht auf eine Holzraspel, während man mit dem andern über dieselbe wegfahrt, so beF'^alvan Kette° 8 m e r k t man ein lebhaftes Funkensprühen; indem die beiden Elektrizitäten durch den feinen Draht oder über die Holzraspel hinweg sich vereinigen, entsteht eine ähnliche Wärmewirkung, wie wenn man den Schlag einer Leydener Flasche durch einen feinen Draht gehen läßt. — Taucht der eine Kupferdraht ständig in Quecksilber, während der andere abwechselnd eingetaucht und herausgenommen wird, so bemerkt man, namentlich beim Herausnehmen des zweiten Drahtes aus dem Quecksilber, ein kleines Fünkchen. Zwei M e t a l l e in B e r ü h r u n g mit einer F l ü s s i g k e i t bilden eine e i n f a c h e g a l v a n i s c h e K e t t e oder ein g a l v a n i s c h e s E l e ment; die an die Metallplatten angelöteten Drähte nennt man P o l drähte; sind die Poldrähte in leitender Verbindung, so ist die Kette geschlossen, sonst g e ö f f n e t . Durch eine Leydener Flasche kann man einen Draht nur für die sehr kurze Dauer der Entladung glühend machen; bei einem galvanischen Elemente aber dauert das Glühen längere Zeit fort; durch die Berührung der zwei Metalle mit der Flüssigkeit bilden sich unaufhörlich gleiche Mengen positiver und negativer Elektrizität, welche auf dem Drahte sich vereinigen und verschwinden, und durch neu sich bildende Elektrizitätsmengen immerwährend ersetzt werden.

Kursus.]

Berührungs- oder galvanische Elektrizität.

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Man hat es also hier mit einem kontinuierlichen e l e k t r i s c h e n S t r o m e zu thun, oder eigentlich mit zwei Strömen; der Strom der positiven Elektrizität geht oben von der Kupferplatte (Fig. 120) nach der Zinkplatte hin und umgekehrt strömt die negative Elektrizität kontinuierlich von dem oberen Zinkende nach dem Kupfer hin. Man nennt das Kupfer den p o s i t i v e n und das Zink den n e g a t i v e n P o l . Genau genommen geht der positive Strom oben vom Kupfer nach dem Zink und strömt dann vom Zink innerhalb der Flüssigkeit nach dem Kupfer, während der negative Strom die umgekehrte Richtung verfolgt. Da innerhalb der Flüssigkeit die positive Elektrizität vom Zink zum Kupfer und die negative vom Kupfer zum Zink geht, so nennt man das Zink auch das positive M e t a l l (aber den negativen Pol) und das Kupfer das negative Metall (aber den positiven Pol). § 106. Galvanische Batterie. Ebenso wie man mehrere Leydener Flaschen zu einer e l e k t r i s c h e n Batterie vereinigen kann, lassen sich

Fig. 121.

Galvanische Batterie.

auch mehrere einfache galvanische Ketten zu einer g a l v a n i s c h e n B a t t e r i e (Fig. 121) zusammensetzen; man hat nur nötig, das elekropositive Metall der einen Kette mit dem elektronegativen der folgenden zu verbinden; es bleibt dann im ersten und letzten Becher j e eine Platte übrig, von denen die eine elektropositiv, die an- Fig. 122. Voltasche Säule, dere elektronegativ ist. Eine andere und zwar die älteste Form der galvanischen Batterie ist die Voltasche Säule (Fig. 122); sie besteht aus einer großen Zahl Voltascher Elemente, von denen jedes von einer Zink- und Kupferplatte mit zwischengelegter feuchter Scheibe gebildet ist. Neben der Säule ist ein solches Element, auseinandergelegt, abgebildet. Die Yoltasche Säule ist im Dezember 1799 zuerst aufgebaut worden. § 107. Konstante Ketten. Die bis jetzt erwähnten galvanischen Ketten haben den Nachteil, daß sie sehr rasch an Kraft abnehmen. E s rührt dies von den chemischen Zersetzungen her, welche beim Schließen des Stromes in der Flüssigkeit vor sich gehen. Bei einer gewöhnlichen mit verdünnter Schwefelsäure gefüllten Kette entsteht durch den galvanischen Strom eine Zersetzung der Flüssigkeit, infolgedessen sich Wasserstoff an der Kupferplatte absetzt; hierdurch aber nimmt die Stromstärke rasch ab, was man schon daran sieht, daß das Glühen eines zwischen

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Berührungs- oder galvanische Elektrizität.

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den Polen ausgespannten feinen Drahtes bald aufhört. Gelingt es, den Wasserstoff' zu beseitigen, oder überhaupt nicht entstehen zu lassen, so bleibt die Kraft der Kette längere Zeit konstant. 1) Das C h r o m s ä u r e - oder T a u c h e l e m e n t (Fig. 123) besteht aus zwei Kohlenplatten und einer dazwischen befindlichen, mittels einer Stange auf- und abschiebbaren Zinkplatte; das Element ist sonach eigentlich ein doppeltwirkendes ; die Flüssigkeit erhält man auf folgende Weise: Man löst 120g Kaliumdichromat in 200g heißen Wasser, gießt vorsichtig 250 g Schwefelsäure zu und füllt mit 800 g Wasser auf. Durch die dabei entstehende Chromsäure (Chromtrioxyd) wird der Wasserstoff von der Kohlenplatte entfernt. 2) Die D a n i e l l s c h e K e t t e (Fig. 124) beFig. 123. Tauchelement. steht aus einem Glase, in welchem sich ein Zinkcylinder befindet; hierin steht eine poröse Thonzelle und in dieser ein Kupfercylinder; in das Glas wird verdünnte Schwefelsäure und in die Thonzelle Kupfervitriol gegossen. Beim Schließen des Stromes setzt sich Kupfer an den Kupfercylinder ab, was selbstverständlich die Wirkung der Kette nicht beinträchtigt. Dieses Element ist nicht sehr Stark, aber im hohen Maße konstant,

Fig. 124. Daniellsche Kette.

Fig. 125. Bunsensches Element.

3) Das B u n s e n s c h e E l e m e n t (Fig. 125) besteht aus einem Glase V, in welchem ein Zinkcylinder Z steht; in diesem befindet sich eine Thonzelle P und darin ein Kohlencylinder C oder eine Kohlenplatte. In das Glas gießt man verdünnte Schwefelsäure und in die Thonzelle konzentrierte Salpetersäure; durch letztere wird der Wasserstoff an der Kohle entfernt. 4) Die G r o v e s c h e K e t t e unterscheidet sich von der Bunsenschen bloß dadurch, daß ein Platinblech, statt einer Kohlenplatte in der konzentrierten Salpetersäure steht. Die Bunsensche und Grovesche Kette liefern einen sehr starken und nahezu konstanten Strom.

Kursus.]

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§ 108. Thermische und optische Wirkungen des galvanischen Stromes. Wir haben schon gesehen, daß der galvanische Strom feine Drähte glühend machen kann; man benutzt dies u. a. um Minen in Bergwerken zu entzünden, Felsen zu sprengen u. s. w. In eine Patrone ist ein feiner Eisendraht eingefügt, dessen Enden an zwei kurzen Kupferdrähten befestigt sind, die aus der Patrone hervorsehen. Verbindet man die hervorstehenden Drahtenden mit den Poldrähten einer galvanischen Batterie und schließt dieselbe, so wird der Eisendraht glühend und die Sprengmasse entzündet.

Läßt man einen elektrischen Strom durch einen in einem luftleeren Gläschen befindlichen dünnen Kohlefaden gehen, so wird derselbe glühend — G l ü h l i c h t (Fig. 126). Ein bei weitem helleres Licht geben zwei zugespitzte Kohlenstäbe, durch welche ein starker Strom geleitet wird. Die Spitzen müssen anfänglich miteinander in Berührung sein; sie fangen nun zu glühen an und setzen das Glühen fort, auch wenn sie mehrere Millimeter voneinander entfernt werden; zwischen denselben entwickelt sich dann ein leuchtender Bogen — B o g e n l i c h t . Übrigens wird die Helligkeit wesentlich durch die glühenden Kohlenspitzen und nicht durch den Bogen hervorgebracht. Die positive Kohle verbrennt doppelt so rasch wie die negative. Man hat elektrische Lampen konstruiert, welche selbstthätig die Kohlenspitzen in der richtigen Entfernung voneinander halten. Das elektrische Licht wird zur Haus- und Straßenbeleuchtung, in Theatern, bei nächtlichen Bauten und zur kräftigen Beleuchtung kleiner Objekte (photoelektrisches Mikroskop) benutzt. § 109. Magnetische Wirkungen. Im Jahre 1820 ¿lühUcht. machte Örsted die Bemerkung, daß eine Magnetnadel ihre gewöhnliche Südnordrichtung verläßt, wenn man in ihrer Nähe einen galvanischen Strom schließt — Ö r s t e d s F u n d a m e n t a l v e r s u c h . Aus der Größe der Ablenkung einer Magnetnadel durch einen galvanischen Strom kann man die Stärke des letzteren erkennen. Man hat zu diesem Zwecke verschiedene Instrumente u. a. die T a n g e n t e n b u s s o l e (Pouillet 1837) konstruiert. In der Mitte eines unten offenen Metallringes KK (Fig. 127) befindet sich eine auf einer Spitze drehbare Magnetnadel, welche über einem eingeteilten Kreise spielen kann; die beiden Enden des Ringes a und b werden mit den Poldrähten einer galvanischen Batterie verbunden. Der Apparat wird so gestellt, daß der Ring in die Ebene des magnetischen Meridians fällt. Die Stromstärke ist der T a n g e n t e des Ausschlagswinkels proportional. Fig. 127. Tangentenbussole.

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Berührungs- oder galvanische Elektrizität.

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§ 110. Chemische Wirkungen. Durch die Seitenwände zweier oben mit Hähnen versehener Glasröhren (Fig. 128), welche mit einer dritten in eine offene Kugel sich erweiternden Glasröhre kommunizieren, gehen zwei Platindrähte, welche einerseits in zwei Platinplättchen endigen und andererseits in zwei Klemmschrauben a und b eingefügt sind. Durch Eingießen von verdünnter Schwefelsäure in die Kugel der dritten Röhre füllt man die beiden anderen und schließt alsdann die Hähne. Leitet man nun einen galvanischen Strom in a und b, so beginnt eine lebhafte Gasentwickelung an den beiden Platinplättchen; die eine Röhre füllt sich mit S a u e r s t o f f , die andere mit W a s s e r s t o f f und zwar tritt der letztere dem Volumen nach in doppelter Menge auf, wie der erstere. An der Menge der in einer bestimmten Zeit entwickelten Gase kann man die Stärke des galvanischen Stromes erkennen. Sehr viele Körper Fig. 128. WasserFig. 129. Zersetzung von Salzen. lassen sich mit Hilfe zersetzungsapparat. des galvanischen Stromes zersetzen. In eine gebogene Glasröhre (Fig. 129) tauchen zwei an Platindrähte befestigte Platinplättchen; füllt man diese Röhre z. B. mit Chlorkupferlösung, der etwas Schwefelsäure zugesetzt ist, weil dadurch die Leitungsfahigkeit der Flüssigkeit erhöht wird, und leitet einen Strom ein, so setzt sich an derjenigen Platte, welche mit dem negativen Pol in der Batterie in Verbindung steht, Kupfer ab, während an der anderen Chlor aufsteigt. § 111. Galvanoplastik. Es ist schon (§ 108) bemerkt worden, daß in der Daniellschen Kette sich Kupfer an dem Kupfercylinder absetze. Diese Kupferschicht ist leicht ablösbar und zeigt alle Erhabenheiten und Vertiefungen, welche der Kupfercylinder besitzt. Diesen Umstand haben S p e n c e r und J a c o b i (1837) benutzt, um Gegenstände zu verkupfern, oder Kupferabdrücke zu machen. Zu dem Zwecke benutzt man einen Apparat, welcher einem Danielischen Elemente ähnlich ist. In einem weiten Glase (Fig. 130) ist ein Glascylinder, der unten mit einer Tierblase, welche die poröse Thonzelle vertritt, zugebunden ist, so aufgehängt, daß die Blase etwas von dem Boden des weiten Gefäßes abste lt Fig 130 Galvano^ dem Cylinder, welcher mit sehr verdünnpiastischer Apparat, ter Schwefelsäure gefüllt ist, hängt an einem Metall-

Earsus.]

Berührungs- oder galvanische Elektrizität.

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drahte ein Zinkstüek, und in dem weiten, mit Kupfervitriollösung gefüllten Gefäße ist an einem Metalldrahte eine Form aus Gips, Guttapercha oder einem leichtflüssigen Metallgemisch befestigt. Ist die Form von Gips oder Guttapercha, so muß sie durch Bestreichen mit Graphit oder Bronzepulver leitend gemacht werden. Durch die chemische Zersetzung der Flüssigkeiten in der Kette lagert sich alsbald eine Schicht Kupfer auf der Form ab, welche nach 1—2 Tagen dick genug ist, um abgenommen werden zu können. Wenn man statt Kupfervitriol gold- oder silberhaltige Flüssigkeiten anwendet, kann man Gegenstände ebenso leicht vergolden oder versilbern. Die Kunst Gegenstände metallisch zu überziehen, oder Metallabdrücke von denselben herzustellen, bezeichnet man mit demNamenGalvanoplastik. § 112. Iieitungswiderstand; Ohmsehes Gesetz. Läßt man einen galvanischen Strom durch Drähte von verschiedener Länge und Dicke und von verschiedenem Material (Silber, Kupfer, Eisen u. s. w.) gehen, so bemerkt man, daß die Nadel einer Tangentenbussole, welche gleichzeitig in den Stromkreis eingeschaltet ist, verschieden große Ausschläge giebt; der Strom wird, indem er durch Körper verschiedener Länge, Dicke und verschiedenem Material geht, in verschiedenem Maße geschwächt — er erfahrt verschieden große W i d e r s t ä n d e . Dabei gelten, zunächst für Metalldrähte, folgende Gesetze: 1) B e i g l e i c h e m M a t e r i a l ist d e r W i d e r s t a n d d e r L ä n g e d i r e k t u n d dem Q u e r s c h n i t t e u m g e k e h r t p r o p o r t i o n a l . Dasselbe Gesetz gilt auch für Flüssigkeiten: Läßt man zwei (runde) Platinplatten von je 1 qcm Querschnitt, welche 1 dem voneinander entfernt sind, etwa in konzentrierte Kupfervitriollösung tauchen und schaltet die Platten in einen Stromkreis, so leistet die Flüssigkeit zwischen den Platten dem Strome einen Widerstand, welcher 1 / 2 , 1 / 3 . . . so groß ist, als wenn die Platten 2, 3 . . . dem voneinander entfernt sind; der Flüssigkeitscylinder, welcher sich zwischen den Platinplatten befindet, kann als ein Draht angesehen werden, dessen Länge gleich der Entfernung der Platten und dessen Querschnitt gleich dem Flächengehalte der Platten ist. Nimmt man Platinplatten von 2, 3 . . . qcm Querschnitt, welche 1 dem voneinander entfernt sind, so ist der Widerstand 2, 3 . . . mal geringer, als er bei gleicher Entfernung der Platten ist, wenn diese 1 qcm Fläche haben. 2) Die Größe des Leitungswiderstandes hängt nicht minder von dem Material des Leiters ab; Metalle setzen dem Strome den geringsten Widerstand entgegen und unter diesen steht wieder das Silber voran. Als Einheit des Widerstandes nimmt man denjenigen, welchen ein Quecksilberfaden von 1 qmm Querschnitt und 106 cm Länge darbietet; man nennt dieselbe ein O h m (1884). 1 Die Zahl der Widerstandseinheiten, welche ein Draht von 1 qmm Querschnitt und 1 m Länge dem Strome 1 Die früher gebrauchten Einheiten waren die J a c o b i s c h e (1848) und die Siemenssche(1849), die erstere ist der Widerstand eines Kupferdrahts von 1 mmDurchmesser und Im Länge, die letztere die eines Quecksilberfadens von 1 qmm Querschnitt und 1 m Länge.

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Elektromagnetismus.

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darbietet, nennt man den s p e z i f i s c h e n L e i t u n g s w i d e r s t a n d desselben. — J e größer der spezifische Leitungswiderstand eines Materials, um so geringer ist seine s p e z i f i s c h e L e i t u n g s f ä h i g k e i t . Die spezifische Leitungsfahigkeit läßt sich durch folgende Verhältniszahlen ausdrücken: Silber 100, Kupfer 77, Gold 56, Natrium 37, Aluminium 34, Zink 27, Eisen 14, Platin 10,5, Blei und Neusilber 8, Quecksilber 1,6, Wismut 1,2, Gaskohle 0,0386. Die Flüssigkeiten leiten meist millionfach schlechter als die Metalle. Setzt man für die Leitungsfahigkeit des Silbers 100, so gilt: Käufliche Salpetersäure 0,00 009 377 Schwefelsäure (1 Vol. Säure und 11 Vol. Wasser) 8 868 Kochsalz (bei 9,5° gesättigt) 3152 Zinkvitriol (bei 14,4° gesättigt) 0 577 Kupfervitriol (konz.) 0542 Eeines Wasser ist ein fast vollkommener Nichtleiter. 3) In einem Stromkreise herrscht ein doppelter Widerstand, im Elemente selbst und im äußeren Schließungskreise. Man unterscheidet danach einen ä u ß e r e n und einen i n n e r e n Widerstand, welch letzterer wesentlich von den in dem Elemente befindlichen Flüssigkeiten herrührt. Die Stärke eines Stromes hängt von zwei Umständen ab, 1) von der Neigung, welche die das Element zusammensetzenden Metalle und Flüssigkeiten besitzen, Elektrizität zu erzeugen, von der sogen, e l e k t r o m o t o r i s c h e n K r a f t , und 2) von dem (inneren und äußeren) Widerstande, den der Strom erfahrt: Die S t r o m s t ä r k e ist der elektromotorischen K r a f t d i r e k t u n d dem G e s a m t w i d e r s t a n d u m g e k e h r t p r o p o r t i o n a l . (Ohmsches Gesetz.) Sollen mehrere Elemente miteinander verbunden werden, so kann dies auf sehr verschiedene Weise geschehen. So lassen sich z. B. 12 Zinkkohlenelemente auf folgende Arten verbinden: 1) das Zink jedes vorhergehenden Bechers mit der Kohle des folgenden (Hintereinanderschaltung) ; 2) alle Kohlenstücke einerseits und alle Zinkstücke anderseits (Nebeneinander- oder Parallelschaltung); 3) je 2, 3, 4 oder 6 Elemente werden parallel zu einem 2-, 3-, 4- oder 6 plattigen Elemente und diese 6, 4, 3 oder 2 plattigen Elemente hintereinander geschaltet. Welche Kombination die beste ist, richtet sich nach dem äußeren Widerstande, der zu überwinden ist; es ist diejenige Kombination die wirksamste, bei welcher der innere Widerstand dem äußeren am nächsten kommt. Als Einheit der elektromotorischen Kraft gilt das V o l t , welches ungefähr gleich der elektromotorischen Kraft eines Danielischen Elementes ist. Die Einheit der Stromstärke — ein A m p è r e — besitzt ein Strom, welcher bei 1 Volt Spannung einen Widerstand von 1 Ohm erfahrt.

c. Elektromagnetismus. § 113. Elektromagnet. Wenn man auf ein Stück weiches Eisen übersponnenen Kupferdraht wickelt und einen galvanischen Strom durch

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Elektromagnetismus.

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die Windungen leitet, so wird das Eisen stark magnetisch und zwar erhält es an dem Ende seinen Südpol, von welchem aus betrachtet der (positive) Strom um das Eisen in der Richtung des Uhrzeigers läuft, einerlei ob der Draht von rechts nach links oder umgekehrt gewunden ist (Fig. 131 A und B). Ist das Eisen sehr weich, was durch wiederholtes Ausglühen erzielt werden kann, so hört der Magnetismus desselben sofort auf, wenn man den Strom unterbricht. — Ein mit übersponnenem Kupferdraht umwickel/ tes Eisenstück wird E l e k t r o m a g n e t J W \ genannt. — Statt den Draht direkt auf | |pe> W" J

Fig. 1 3 1 . Elektromagnete.

Fig. 132. Hufeisenförmiger Elektromagnet.

das Eisen zu winden, kann man das Eisen auch in eine Holzspule, welche mit Kupferdraht umwickelt ist, stellen. Will man einen hufeisenförmigen Elektromagnet herstellen, so muß man zwei Drahtspulen über die Schenkel schieben, welche, von den Polen aus gesehen, entgegengesetzt gewunden sind (Fig. 132). Nimmt man statt weiches Eisen harten Stahl, so behält derselbe, nachdem er einige Zeit von einem Strome umlaufen worden, einenTeil seines Magnetismus dauernd bei. Stahl magnetisiert man übri133. gens besser Mörses Telegraph, durch Streichen an einem kräftigen Elektromagnete. § 114. Der Morsesche Drucktelegraph. Eine der wichtigsten Anwendungen, welche man mit dem Elektromagnet gemacht hat, ist die als Motor bei der elektrischen Telegraphie.

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Einem hufeisenförmigen Elektromagnete AA (Fig. 133) steht ein Anker b, welcher an einem um die Achse C drehbaren Hebel BB befestigt ist, gegenüber; eine Feder D hält, wenn kein Strom durch die Um Windungen des Elektromagnetes geht, den Anker b von den Polen entfernt; wird aber der Strom geschlossen und das Hufeisen magnetisch, so zieht es trotz der Feder D den Anker b herab. Das Hebelende B (rechts) ist nach oben gebogen und endet in eine abgestumpfte Kante t, über welche ein schmaler Papierstreifen ppp langsam und gleichförmig hinweggleitet; derselbe wird durch zwei Walzen (n), welche durch ein Uhrwerk gedreht werden und zwischen denen er geklemmt hindurchgeht, fortgezogen. Oberhalb des Papierstreifens, der Kante t gerade gegenüber, befindet sich ein Rädchen H, welches durch die Schwärzerrolle L beständig mit einer fetten, blauen Farbe überzogen wird. Wird der Strom geschlossen, so geht der Anker b und der Hebelarm B nieder, während t sich hebt; t drückt den Papierstreifen gegen das Rädchen H; je nach der Dauer der Stromschließung entsteht hierdurch auf dem Papiere ein Punkt oder ein Strich; aus diesen zwei Zeichen kann man aber alle Buchstaben des Alphabets herstellen. (Der ursprüngliche Morse hatte am Ende des Schreibhebels eine Spitze, welche vertiefte Eindrücke von Punkten und Strichen auf dem Papier erzeugte). Zum bequemen Öffnen und Schließen des Stromes dient der T a s t e r oder S c h l ü s s e l (Fig. 134). E r besteht aus einem Hebel, welcher bei A um eine Achse drehbar ist und durch eine Feder f auf der linken Seite gehoben und auf der rechten niedergedrückt wird. Bei a und c sind zwei Schrauben eingelassen, denen kleine Metallkegel b und d gegenüberstehen. In d ist der positive Poldraht P der Batterie eingeführt und von der , „ • Taster m » zum Telegraphen. m, x. Achse A 6geht der LeiFig. 134. tungsdraht L nach der andern Station. Wenn man nun den Knopf K soweit niederdrückt, daß c und d in Berührung kommen, so geht der positive Strom von d nach c, über den Hebel nach A und durch L nach der anderen Station. Läßt man den Knopf K los, so entfernt sich c von d und der Strom ist unterbrochen. Was nun den negativen Strom betrifft, so hat man denselben früher auf einem besonderen Drahte von der einen Station zur andern geführt, wo er sich in den Windungen des Elektromagnetes mit dem positiven vereinigte. Heutzutage aber führt man die negative Elektrizität an der Station selbst in die Erde, indem man den negativen Poldraht etwa mit

Kursus.]

Elektromagnetismus.

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der Wasser- oder Gasleitung des Hauses in Verbindung setzt. Die positive Elektrizität wird ebenso, nachdem sie durch den Draht L nach der anderen Station und durch die Windungen des Elektromagnetes gegangen, in die Erde geleitet. Beide Elektrizitäten fließen in die Erde ab und in dem Maße, in welchem dies geschieht, bilden sich in der Batterie neue Mengen positiver und negativer Elektrizität, welche in die Drähte einlaufen. Die positive Elektrizität geht nicht direkt in die Windungen des Elektromagnetes auf der anderen Station, sondern erst nach dem Schlüssel der dortigen Station. Gesetzt, es würde von der zweiten Station nach der ersten telegraphiert, so geht der positive Strom der Batterie auf der zweiten Station von dort nach hier über den Draht L auf den Hebel, dann von a nach b und durch R nach den Windungen des Elektromagnetes unserer Station. Wird der Knopf K auf unserer Station niedergedrückt, so ist der (positive) Strom der zweiten Station zwischen a und b unterbrochen, selbst wenn dort der Schlüssel niedergedrückt ist. Man hat übrigens seit längerer Zeit auch elektrische Telegraphen konstruiert, welche die Depeschen in gewöhnlicher Druckschrift abgeben (Telegraph von Hughes). § 115. Elektrische Schellen. In vielen größeren Häusern sind heutzutage „elektrische Schellen" im Gebrauche, deren Hauptbestandteil ein Elektromagnet ist. Fig. 135 zeigt eine elektrische Schelle; e ist der Elektromagnet, dem ein Eisenstab f, welcher unten an einer Feder befestigt ist und oben einen Klöppel K trägt, als Anker gegenübersteht. An den Eisenstab legt sich eine Feder g an, welche mit dem einen Pole eines galvanischen Elementes verbunden werden kann. Das eine Drahtende der Umwindung des Elektromagnetes geht nach der Klemmschraube p , das andere nach der Klemmschraube p, welche letztere mit dem Anker leitend verbunden ist. Die Poldrähte des galvanischen Elementes werden mit p und m verbunden. An einer Stelle ist die Leitung unterbrochen; es stehen dort zwei federnde MessingblättFig. 135. Elektrische Schelle. chen gegenüber, von denen das eine mit einem Knopf versehen ist; drückt man auf letzteren, so berühren die Messingblättchen einander und es geht nun der Strom von p durch die Umwindung des Elektromagnetes nach p, von da nach dem Anker, nach der Feder g und weiter nach der Klemmschraube m zum Element zurück. Das Hufeisen wird nunmehr magnetisch und zieht den Anker herbei, dessen Klöppel K gegen die Glocke T schlägt; dadurch aber entfernt sich der Anker vor der Feder g, der Strom wird unter-

110

Induktionselektrizität.

[Erster

brochen und der Anker, welcher nicht mehr angezogen wird, bewegt sich nach der Feder g zurück, wodurch abermals der Strom hergestellt ist, sodaß das Spiel von neuem beginnt. — Der Elektromagnet nebst Anker kann auch, wenn die Leitung nirgends unterbrochen ist, zum selbstthätigen, immerwährenden Öffnen und Schließen eines Stroms benutzt werden; er führt dann den Namen W a g n e r s c h e r H a m m e r . Man hat auch den galvanischen Strom zu benutzen gesucht, um Bewegung hervorzurufen (elektrische Uhren, Schiffe, Lokomotiven), oder mit anderen Worten, um mechanische Arbeit zu leisten. (Vergl. § 117).

d. Induktionselektrizität. § 116. Magneto- und Voltainduktion. Dreht man zwei Drahtrollen t und t (Fig. 136), deren Windungen miteinander verbunden sind, um eine Achse f vor den Polen eines starken Stahlmagnetes AB, so entsteht jedesmal, wenn die Rollen an den Polen vorübergehen, ein kurz dauernder Strom in den DrahtSfW % Windungen. Um diese Stromstöße in die äußere Leitung zu führen, ff verbindet man das eine Ende der Drahtbewickelung mit der eisernen Achse f und das andere mit einem Kupferring, welcher auf der Achse, von derselben wohl isoliert, sitzt. An der Achse und dem Kupferring schleift je eine Messingfeder, an welche Drähte mit messingenen, cylindrischen Handhaben befestigt werden. Faßt man die zwei Messingcylinder mit befeuchteten Händen an, und dreht • -•'-j ' »•. _ die Rollen rasch um, so verspürt Fig. 136. Clarkes Magnetoioduktionsmaschine.

m a n

löbhafte

Zuckungen. Durch die abwechselnde Annäherung der Rollen an die Pole und Entfernung von denselben, werden kurz dauernde Ströme in den Windungen hervorgerufen -— i n d u z i e r t . Dasselbe geschieht, wenn man eine Drahtrolle einer anderen, in welcher ein starker Strom fließt, nähert und wieder von ihr entfernt. Besser aber läßt sich der Versuch so ausführen, daß man eine Rolle mit wenigen Windungen dicken Drahtes in eine andere mit vielen Windungen dünnen Drahtes steckt und in die erste einen Strom leitet, welcher durch einen Wagnerschen Hammer (§ 115) in rascher Folge geöffnet und geschlossen wird. Die innere Rolle nennt man die H a u p t r o l l e , die äußere die I n d u k t i o n s r o l l e . Die Drahtenden der letzteren sind nach zwei Ständern (Fig. 137) geführt, in welche die Drähte der äußeren Leitung eingesetzt werden. Befindet sich in der inneren Rolle ein Eisenstab oder ein Drahtbündel, so verstärkt sich die Wirkung bedeutend;

Kursus.]

Induktionselektrizität.

111

denn das Eisen wird beim Schließen und Öffnen des Stromes magnetisch und wieder unmagnetisch; es wirkt dann auf die Rolle gerade so, als ob dieselbe abwechselnd einem Magnet genähert und wieder von ihm entfernt würde; dazu kommt nun noch die direkte Einwirkung des Hauptstromes auf die Induktionsrolle.

Fig. 137.

Funkeninduktor.

Die Hervorrufung von Induktionsströmen durch Magnete nennt man M a g n e t o i n d u k t i o n und durch galvanische Ströme Y o l t a i n d u k t i o n . Die Induktionsströme haben eine große Spannung, sodaß größere Induktionsapparate oft Funken von mehreren Decimetern Länge geben. Die kleineren Induktionsapparate werden vielfach zu medizinischen Zwecken (bei Lähmungen, Rheumatismus u. s. w.) benutzt. In dem Induktionsapparat (Fig. 137) ist rechts ein S t r o m w e c h s l e r oder K o m m u t a t o r angebracht; derselbe besteht aus zwei voneinander isolierten Halbcylindern, an welchen zwei Federn schleifen; an diese werden die Poldrähte des Hauptstromes geführt, von welchen die positive und negative Elektrizität je auf einen der Halbcylinder und von da in die Hauptrolle gehen. Der Kommutator läßt sich um seine Achse (mittelst Knopf und Stange) drehen, sodaß der positive Strom nach Belieben auf den einen oder den anderen Halbcylinder und somit in der einen oder anderen Richtung durch die Windungen der Hauptrolle geführt werden kann.

§ 117. Magnetelektrische und dynamoelektrische Maschine. Läßt man statt zweier Rollen eine ganze Anzahl solcher, welche über einen geschlossenen eisernen Ring gewickelt sind, vor oder besser zwischen den Polen eines Hufeisenmagnetes rotieren, so erhält man bei rascher Umdrehung des Ringes eine so große Zahl von Stromstößen, daß dieselben einen fast kontinuierlichen Strom ergeben, um so mehr als alle Rollen untereinander verbunden sind. Eine solche Maschine nennt man eine m a g n e t e l e k t r i s c h e (Fig. 138). Um die Verbindung der Rollen miteinander und mit der äußeren Leitung herzustellen, ist auf der Drehungsachse des eisernen, rollenbesetzten Ringes ein sogenannter K o l l e k t o r angebracht, an welchem Federn schleifen, die mit der äußeren Leitung in Verbindung stehen. Da die Federn meist aus einer größeren Zahl von Kupferdrähten bestehen so nennt man sie S c h l e i f b ü r s t e n . Der Kollektor besteht aus ebensoviel Kupferstreifen, als Rollen auf dem Ring sitzen, alle wohl voneinander und von der Achse isoliert. Die Enden jeder Rolle sind mit zwei

t 112

Induktionselektrizität.

[Erster

aufeinander folgenden Kupferstreifen verbunden (vergl. auchFig. 139), sodaß je das Ende der einen und der Anfang der folgenden Rolle an demselben

„Fig. 138. ,„ 0



Maschine von Gramme.

Kupferstreifen

befestigt

sind.

namoelektriscbe Maschine von S i e m e n s (1867), bei weleinen Elektromagnet ersetzt ist. In Fig. 139 ist rr der eiserne, mit Rollen besetzte Ring, xy der Kollektor, ab und cd sind die Schleifbürsten. Der Ring kann zwischen den Polen NS zweier gedreht werden. Mit derSchleifbürste cd ist die Bewickelung der diese wieder mit der von , pp •*

verbunden; das Ende der letzteren geht hier nach einer elektrischen Lampe L und von da zur Schleifbürste ab. Während bei einer magnetelektrischen Maschine, wegen der gleichbleibenden Stärke des Stahlmagnetes, der elektrische Strom nicht über eine gewisse Intensität __—— J\ gebracht werden kann, — - ^ ist es bei der dynamo_7 von welch letzterer wir jedoch vorläufig f\«x\ absehen wollen. | \ \ Bildet die Kraft AP (Fig. 172) mit M | der Tangente TT' an die Bahn MN im p7r F Punkte A einen Winkel a, so kann man , P in zwei Kräfte zerlegen, von denen die Fig. 172. Bewegung auf vorgeschriebener Bahn.

.

1

T

v / n i m

eine A P aui der langente senkrecht steht und für die Bewegung verloren geht, während die andere AP" in die Richtung der Tangente fällt und mit voller Stärke wirkt. Dabei gilt: P= P. cos a. Da P ' < P, so geht stets an Kraft verloren, wenn die Kraftrichtung nicht mit der Richtung der Tangente an die Bahn zusammenfällt.

Kursus.]

Zusammensetzung u. Zerlegung d. Kräfte im allgemeinen.

153

g 161. Zusammensetzung zweier nicht parallelen Kräfte, welche an zwei fest verbundenen Punkten wirken. Es seien A und B (Fig. 173) zwei festverbundene Punkte, an welchen zwei nicht parallele Kräfte F' und F" wirken. Um nun die Resultierende derselben zu finden, verlängere man ihre Richtungen bis zu ihrem Durchschnittspunkt C, den man sich mit A und B festverbunden denkt, und verlege die Angriffspunkte von F' und F" nach diesem Punkte, sodaß CD und GE die beiden Kräfte vorstellen. Den Angriffspunkt der Resultierenden CO derselben kann man an den mit C festverbunden gedachten Punkt K verlegen, wo die Richtung der Resultierenden die Verbindungslinie von A und B trifft; dabei muß F i S - 1 7 3 - Resultierende zweier an zwe gj^

qq

festen Punkten angreifender Kräfte.

Zieht man sowohl von dem Punkte 0 , als auch von einem beliebigen Punkte W der Resultierenden Senkrechte, OM, ON und WR, WS, auf F' und F", so ist: A DMO A EON, also GM: ON = DO-.OE = F": F': ferner ist: WR: WS = OM: ON, also WR: WS = F": F'; Die A b s t ä n d e eines b e l i e b i g e n P u n k t e s der R e s u l t i e r e n d e n zweier nicht p a r a l l e l e n , an f e s t v e r b u n d e n e n P u n k t e n wirkenden K r ä f t e von den R i c h t u n g e n der S e i t e n k r ä f t e v e r h a l t e n sich u m g e k e h r t wie die S e i t e n k r ä f t e . Derselbe Satz gilt auch, wenn die Kräfte an demselben Punkt wirken. § 162. ZusammenI. § 24. setzung zweier gleichstimmig parallelen Kräfte, welche an zwei festverbundenen Punkten wirken. Seien F' und F" (Fig. 174) zwei gleichstimmig parallele Kräfte, welche an den zwei festverbundenen Punkten A und B angreifen, so werden deren m Richtungen, beliebig ver- Z w e i gleichstimmig parallele Kräfte. längert, einander nicht schneiden; man bringt deshalb an A die Kraft AE und an B die Kraft BF an, welche beide einander gleich sein,

154

Zusammensetzung u. Zerlegung d. Kräfte im allgemeinen.

[Zweiter

in die Linie AB fallen und nach entgegengesetzter Richtung wirken sollen. Kombiniert man nun F' mit AE und F" mit BF, so erhält man zwei nicht parallele Kräfte AG und BH, deren Richtungen verlängert einander in J schneiden mögen. Nun verlegt man AO und BH nach J. sodaß JM=AO und JP—BH. Zieht man jetzt durch J sowohl eine Parallele mit AB, als auch eine solche mit AG (und BD) und zerlegt JM in JK und JN und JP in JL und JO, so erhält man wieder vier Kräfte JK, JL, JN und OJ, wobei: JK = AE, JL = BF, JN = AG = F' und JO = BD = F". Weil nun AE=BF, so ist auch JK = JL. Diese zwei Kräfte heben einander auf, während JN und JO eine Resultierende ergeben, welche gleich F' + F" und den Richtungen der gegebenen Kräfte parallel ist. Den Angriffspunkt J der Resultierenden kann man nach dem Durchschnittspunkt S der Resultierenden mit der Verbindungslinie von A und B verlegen, sodaß nun S T = F' + F" die Resultierende vorstellt. Um die Lage von S zu finden, erwäge man, daß: AS:MN=JS:JN und BS:OP= JS:JO. Durch Division dieser beiden Gleichungen erhält man, wenn man zugleich bedenkt, daß MN = OP: AS: BS = JO: JN, oder SA:SB = F":F'. In Worten! (I. § 24.) Wie verhalten sich die Senkrechten von einem Punkt der Resultierenden auf die Richtungen der Seitenkräfte? A u f g a b e . An einer mit ihren Enden auf zwei festen Punkten liegenden Stange von 1 m Länge wirkt in einer Entfernung von 0,25 m von dem einen Ende eine Kraft von 5 kg; wie groß ist der Druck auf die Stützpunkte?

§ 163. Zusammensetzung zweier ungleicbstimmig parallelen Kräfte, welche an zwei festverbundenen Punkten wirken. Sind F' f und F" (Fig. 175) zwei unC A B / F " gleichstimmig parallele Kräfte, welche an den Punkten A und /F2 B wirken und ist F' > F", so y zerlege F' in zwei gleichstimmig parallele Komponenten, von denen die eine, F2, in B angreifen und gleich F" sein Fig. 175. Ungleichstimmig parallele Kräfte. s o l l ; w ä hrend die andere, F, alsdann gleich F' — F" sein muß und in einem Punkte C angreift, sodaß: AC:AB = F2:F. (1) Nunmehr hat man drei Kräfte, F, F" und F2, von denen die beiden letzteren einander aufheben, weshalb F als Resultierende übrig bleibt. Aus Gleichung (1) findet sich, wenn man bedenkt, daß F2 = F": A G: AB + AC = F": F + F", oder GA : GB = F": F'. (2) Die Resultierende z w e i e r u n g l e i c h s t i m m i g p a r a l l e l e n K r ä f t e ist g l e i c h d e r e n U n t e r s c h i e d , sie ist der g r ö ß e r e n g l e i c h s t i m m i g p a r a l l e l , ihr A n g r i f f s p u n k t l i e g t auf der V e r l ä n g e r u n g d e r A n g r i f f s p u n k t e der K o m p o n e n t e n , auf Seite der g r ö ß e r e n der-

Korans.]

Zusammensetzung u. Zerlegung d. Kräfte im allgemeinen.

155

s e l b e n , u n d die A b s t ä n d e des A n g r i f f s p u n k t e s der R e s u l t i e r e n den von d e n e n der S e i t e n k r ä f t e v e r h a l t e n sich u m g e k e h r t wie diese. Wie verhalten sich die Senkrechten von einem Punkt der Resultierenden auf die Richtungen der Seitenkräfte?

§ 164. Kräftepaar. Indem speziellen Fall, wo zwei g l e i c h e und ungleichstimmig parallele Kräfte an zwei festverbundenen Punkten wirken, ist die Resultierende gleich Null und ihr Angriffspunkt liegt im Unendlichen, denn aus Gleichung (2) folgt unter dieser Voraussetzung: CA=CB, was nur möglich ist, wenn C im Unendlichen gelegen ist. Zwei gleiche und ungleichstimmig parallele Kräfte (Fig. 176) haben also überhaupt keine Resultierende; sie bewirken lediglich eine Drehung des Körpers (in der durch den Pfeil angegebenen Richtung). Man nennt zwei K /p" solche Kräfte ein K r ä f t e p a a r , D r e h ^ / p a a r oder D r e h z w i l l i n g . Stehen die j ij Kraftrichtungen auf der Verbindungslinie A B der Angriffspunkte schief oder senkrecht, so hat man bezüglich ein schief17g. Kräftepaar, oder rechtwinkliges Kräftepaar. E i n s c h i e f w i n k e l i g e s K r ä f t e p a a r k a n n d u r c h ein r e c h t winkeliges ersetzt werden, welches dieselben K r ä f t e und dens e l b e n K r ä f t e a b s t a n d b e s i t z t . Den Kräfteabstand nennt man den A r m und das Produkt aus Kraft und Arm das M o m e n t des Paares. Ist P eine der beiden gleichen Kräfte eines Paares und a der Abstand der Kraftrichtungen, so ist das Moment des Paares P. a; das Paar selbst bezeichnet man häufig durch P, a. An A und B (Fig. 177) wirken zwei gleiche und entgegengesetzte Kräfte .4.Mund B N ( P u n d —P). Zieht man durch irgend einen Punkt der Verbindungslinie der Angriffspunkte A und B eine Gerade A B', ^ welche auf AM und BN senkrecht steht, so kann man die Angriffspunkte der Kräfte P und — P von A und B nach Ä und B' verlegen, ohne daß die Wirkung geändert wird. Man kann demnach jedes schiefwinkelige Paar durch ein rechtwinkeliges ersetzen. Der Arm unseres Paares ist A'B' und das Moment P-A'B'. Wir werden deshalb in der Folge immer A-" ^ voraussetzen, daß die Verbindungslinie der Angriffs„. . . . „ , . 1I J RR ../V r J N- I I J ? ../V Fig. 177. Moment eines T punkte der Kräfte auf den Richtungen der Kräfte Kräftepaares senkrecht stehe.

§ 165. Zusammensetzung beliebig vieler parallelen, an festverbundenen Punkten wirkenden Kräfte. 1) Hat man beliebig viele gleichstimmig parallele, an fest verbundenen Punkten wirkende Kräfte FX,F2.F3 . . . . zusammenzusetzen, so sucht man erst die Resultierende R1 von Fx und F2, setzt diese mit F3 zusammen, wobei man eine neue Resultierende R2 erhält, kombiniert diese mit F 4 u. s. w. Da J?! = F1 + F2; R2 = Rl + F3-, R3 = R2 + Fi . . ., so muß R2 = F1 + F2 + F3; R3 = + F2 + F3 + Fi u. s. w.; es ist also die Gesamtresul-

156

Zusammensetzung u. Zerlegung d. Kräfte im allgemeinen.

[Zweiter

tierende aller Kräfte diesen gleichstimmig parallel und gleich ihrer Summe; ihr Angriffspunkt ergiebt sich in Verfolg der angegebenen Konstruktion, wird übrigens später noch auf eine andere Art bestimmt werden. 2) Sind die Kräfte teils gleichstimmig, teils ungleichstimmig parallel, so suche man die Resultierende der nach der einen und diejenige der nach der andern Richtung wirkenden Kräfte; man erhält dann zwei entgegengesetztparallele Kräfte, welche entweder eine Resultierende (die möglicherweise = 0 sein kann) oder ein Kräftepaar liefern. Wenn man parallele Kräfte, welche eine Resultierende haben, so um ihre Angriffspunkte dreht, daß ihre Richtungen parallel bleiben, so ändert der Angriffspunkt der Resultierenden seine Lage nicht, weshalb er auch der M i t t e l p u n k t der parallelen Kräfte genannt wird; die Resultierende dreht sich nur um diesen Angriffspunkt, sodaß sie den Kräften parallel bleibt; der Angriffspunkt der Resultierenden hängt lediglich von der Lage der Angriffspunkte der einzelnen Kräfte und von der Größe der Kräfte, nicht aber von der Richtung derselben ab. § 160. Satz der Momente für parallele Kräfte in bezug auf eine Ebene. Das Moment einer Kraft in bezug auf eine Ebene ist das Produkt aus der Kraft und dem Abstand ihres Angriffspunktes von der Ebene. Fällt man nun von den Angriffspunkten einer Anzahl paralleler Kräfte und ihrer Resultierenden (wobei also vorausgesetzt ist, daß die Kräfte eine Resultierende haben) Senkrechte auf eine beliebige Ebene, so gilt der Satz: D a s Moment der R e s u l t i e r e n den in bezug a u f eine E b e n e ist gleich der Summe der Momente der Komponenten. Seien zunächst Pl und P 2 (Fig. 178) zwei gleichstimmig parallele Kräfte und iB, ihre Resultierende; seien ferner AM = xx, BN = xt und CS = die Abstände der „ , „ .. „, Angriffspunkte A, B und C der Kräfte und rig. , , ^ j-, . , 6 178. Momentensatz paralleler Kräfte. ihrer Resultierenden von der Ebene so ist: B1 = P, + P2, woraus: Bl . rl = P , . + P2. rt. (1) Zieht man jetzt durch C die Linie UV\\ MN, so ist: Bl . rt = Pt. (a-, - A U) + P 2 (x, + B V) oder: J?, . = P , . + P 2 . x, - P1 . A V + P 2 . B V. (2) Aus der Ähnlichkeit der Dreiecke A C Uund BCV, sowie aus § 162 folgt aber: P, : P2 = Br-.AÜ, weshalb Gleichung (2) in die folgende übergeht: Bi. r, = P , . xt + P 2 . z 2 . (3) Hat man drei Kräfte, so findet man die Resultierende iü 2 , wenn man die Resultierende Bi von P t und P 2 mit der dritten Kraft P 8 zusammensetzt; nun folgt aus (3), wenn man den Abstand des Angriffspunktes der Resultierenden i?2 yon der Ebene EE mit r2 und den des Angriffspunktes von P 8 mit xa bezeichnet: Ä 2 . r8 = . + P 3 . x3 und daraus B2 = P, ,xl + Pt. xt + P 3 . x%.

Kursus.]

Zusammensetzung u. Zerlegung d. Kräfte im allgemeinen.

157

Durch Fortsetzung dieser Schlußweise ergiebt sich für beliebig viele Kräfte: B.r = Z(P.x), (4) wo B die Gesamtresultierende bezeichnet. Wendet man diesen Satz gleichzeitig auf 3, etwa aufeinander senkrecht stehende Ebenen an, so lassen sich die drei Abstände r, p, q des Angriffspunktes der Resultierenden von den drei Ebenen nach Gleichung (4) finden, womit die Lage dieses Angriffspunktes völlig bestimmt ist. Liegen die Angriffspunkte aller parallelen Kräfte in einer Ebene, so kann man auch die Momente der Kräfte auf eine in dieser Ebene liegende G e r a d e beziehen (Momentachse). Geht die Moment-Ebene oder -Achse durch den Angriffspunkt der Resultierenden, so ist die Summe der Momente aller Kräfte gleich Null.

§ 167. Drehkräfte. Wenn sich ein Körper um eine feste Achse dreht, so nennt man jede an dem Körper in einer zur Achse senkrechten Ebene liegende Kraft, welche während der Drehung ihre Lage in der Ebene beibehält, eine Drehkraft. Sei MN (Fig. 179) eine solche Ebene (Drehebene), C ihr Durchschnittspunkt mit der Achse und P eine Drehkraft, so bleibt eine von C auf die Richtung von P gezogene Senkrechte CA während der Drehung stets auf P senkrecht. Diese Senkrechte nennt man den Dreharm oder kurz Arm von P und das Produkt von Kraft und Arm das Drehmoment oder kurz das Moment der Kraft. 1) Zwei Drehkräfte stehen im Gleichgewicht, wenn sie gleiche Momente haben und in entgegengesetztem Sinne drehen. Es seien P und P 1 (Fig. 179) zwei an A und B in entgegengesetztem Sinne wirkende Drehkräfte mit den Armen CA und CB. Ist ferner P.CA = P1.CB, so muß C ein Punkt der Resultierenden der (an den Endpunkten der Stange A B wirkenden) Kräfte sein (§ 161). Da aber C fest ist, so wird die Resultierende aufgehoben.

2) Zwei Drehkräfte sind äquivalent, wenn sie gleiche Momente haben und in derselben Richtung drehen.

Wirkt an einem Punkt A eine Drehkraft P um den festen Punkt C, so kann man an einem beliebigen Punkt B ohne Änderung des Effektes zwei gleiche und entgegengesetzte Kräfte P ' und —P' anbringen, welche auf CB senkrecht stehen und so groß sind, daß P ' . CB = P . CA. Dreht nun P ' in derselben Richtung wie P (und — P ' in der entgegengesetzten), so heben P und — P einander auf und es bleibt P ' als Resultierende zwischen P , P ' und — P ' . Ist CB = CA, so muß auch P ' = P sein.

Die Größe der Wirkung einer Drehkraft hängt hiernach nicht bloß von ihrer Größe allein, sondern auch von der ihres Armes, bezüglich von dem Produkt beider, dem Momente ab. 3) E i n e Drehkraft auf den Arm 1 reduzieren, heißt eine ihr äquivalente suchen, welche am Arm 1 wirkt. Die gesuchte Kraft

158

Zusammensetzung u. Zerlegung d. Kräfte im allgemeinen.

[Zweiter

ist gleich dem Momente der gegebenen, denn wirkt P am Arm a und Q am Arm 1, so ist im Falle der Äquivalenz: P.a — Q. 1 = Q. 4) Durch jeden, um eine Achse drehbaren Körper kann man unendlich viele (einander parallele) Drehebenen legen. Wegen der festen Verbindung dieser Drehebenen läßt sich jede Drehkraft aus einer Drehebene in irgend eine andere verlegen, unter der Bedingung, daß der Arm derselbe bleibt. 5) Bildet eine Kraft, welche an einem um eine Achse drehbaren Körper wirkt und bei der Drehung stets ihre Lage gegen den Körper behält, mit der durch ihren Angriffspunkt gehenden Drehebene einen Winkel, so kann man sie in zwei Komponenten zerlegen, von denen die eine auf der Drehebene senkrecht steht und verloren geht, während die andere in die Drehebene fallt und allein auf die Drehung Einfluß hat (falls ihre Richtung nicht durch die Drehungsachse geht). 6) Das Moment der Resultierenden beliebig vieler Drehkräfte ist gleich der algebraischen Summe der Momente der Komponenten. Haben die Kräfte P1 am Arm p,, P , am Arm p2, P 3 am Arm p%, —P 4 am Arm pt und —P 6 am Arm pb eine Resultierende R am Arm r, so kann man alle Kräfte auf den Arm 1 reduzieren und erhält, da man auch alle an d e n s e l b e n Arm verlegen kann, als an diesem wirkend die Kräfte P t .pi, P 2 , P 3 .pt, — Pi.pl und —P 5 ,ps. Die Resultierende dieser am Arm 1 wirkenden Kräfte ist gleich der algebraischen Summe derselben; sie muß aber auch gleich R.r sein, folglich: R.r = P, , P l + P 2 .pt + P3.p3P,.p, - P 6 .p6 = 2{P.p). Wie findet man zu beliebig vielen Drehkräften die resultierende, auf den Arm 1 reduzierte Drehkraft? — Wie gestaltet sich der Satz, wenn die (ihre Lage gegen den Körper bei der Drehung behaltenden) Kräfte nicht in Drehebenen liegen?

7) Stehen eine Anzahl Kräfte im Gleichgewicht, so ist die algebraische Summe ihrer Momente gleich Null. Stehen eine Anzahl Drehkräfte im Gleichgewicht, so ist entweder ihre Resultierende gleich Null, oder sie greift an der festen Achse an, d. h. es ist entweder R = o oder r = o; in beiden Fällen ist R.r = o, also 2 (P .p) — o.

Die Resultierende giebt den Druck an, den die Drehkräfte auf die Achse ausüben. 8) Eine Drehkraft ist einem Kräftepaar äquivalent, welches dasselbe Moment besitzt, in derselben Richtung dreht und dessen Armmitte in den festen Punkt der Drehebene fällt. Ein Kräftepaar, dessen Armmitte in die Achse fällt, kann als aus zwei Drehkräften zusammengesetzt angesehen werden, deren Momentensumme gleich dem Momente des Kräftepaares ist. Die zwei Drehkräfte kann man durch eine ersetzen, deren Moment gleich der Momentensumme jener beiden ist; bei gleichem Arm muß die Drehkraft doppelt so groß wie eine der Kräfte des Paares sein.

§ 168. Satz von den statischen Momenten. Unter dem statischen Moment einer Kraft in bezug auf einen Punkt versteht man das Produkt aus der Kraft und der Senkrechten von dem gewählten Punkt auf die Richtung der Kraft. Liegen in einer freibeweglichen Ebene eine Anzahl Kräfte, so können dieselben, auch wenn sie ihre Richtung im R ä u m e behalten, wenigstens innerhalb einer sehr kurzen Zeit als Drehkräfte in bezug auf jeden beliebigen Punkt der Ebene angesehen werden, denn

Kursus.]

Arbeit und Arbeitsfähigkeit.

150

zieht man von irgend einem Punkt Senkrechte auf die Kräfte, so bleiben bei der Drehung innerhalb einer sehr kurzen Zeit die rechten Winkel bestehen; es gilt also (§ 167): Das statische Moment der Resultierenden beliebig vieler, in einer freibeweglichen Ebene liegender Kräfte in bezug auf einen beliebigen Punkt der Ebene ist gleich dem statischen Moment der Seitenkräfte. Wie lautet der Satz, wenn die Kräfte im Gleichgewicht stehen, oder wenn sie eine Resultierende haben, der gewählte Punkt aber auf letzterer liegt?

§ 169. Zusammensetzung beliebig gerichteter, an festverbundenen

Punkten wirkender Kräfte. Man wähle einen beliebigen Punkt 31, den man mit den Angriffspunkten Av A2, A3 . . . . der gegebenen Kräfte I\, 1\, / 3 . . . fest verbunden annimmt und bringe an demselben zwei Reihen Kräfte: I\, I\, P 3 . . . und —1\, — 1\, — I J 3 . . . an, von denen die einen den gegebenen Kräften gleich und gleichstimmig, die anderen gleich und ungleichstimmig parallel sind; die ersteren ergeben eine Resultierende, die letzteren bilden mit den gegebenen Kräften Paare, welche sich durch Drehkräfte von gleichen Momenten ersetzen lassen, wobei man als Achse eine etwa durch M gelegte Gerade annehmen kann; die Drehkräfte, bezüglich ihre in die zugehörigen Drehebenen fallenden Komponenten lassen sich zu e i n e r Drehkraft vereinigen. Man erhält also im ganzen eine Kraft K, welche nach einer bestimmten Richtung wirkt, und eine Drehkraft D, welche zusammen eine fortschreitende und eine drehende Bewegung erzeugen. Übrigens kann auch K oder D, oder die eine und die andere gleich Null sein. b. Arbeit und Arbeitsfähigkeit. § 170. Zeiteffekt und Wegeffekt. Aus der Grundgleichung K=Mp folgt, wenn man beiderseits, das eine Mal mit t, das andere Mal mit s multipliziert: Kt = Mpt ' Ks = Mps woraus: Kt = Mv Ks = | Mv2, denn 1pt = v und s —

• 2p Das Produkt aus Kraft und Zeit nennt man den Z e i t e f f e k t und das Produkt aus Kraft und Weg den W e g e f f e k t oder die m e c h a n i s c h e A r b e i t der Kraft; ferner das Produkt aus Masse und Endgeschwindigkeit die B e w e g u n g s g r ö ß e und das halbe Produkt aus der Masse und dem Quadrat der Geschwindigkeit die l e b e n d i g e K r a f t oder die k i n e t i s c h e E n e r g i e der M a s s e : 1) D e r Z e i t e f f e k t e i n e r K r a f t i s t g l e i c h der d u r c h sie i n n e r h a l b e i n e r gewissen Z e i t in e i n e r M a s s e e r z e u g t e n B e w e g u n g s größe. 2) D e r W e g e f f e k t oder die m e c h a n i s c h e A r b e i t e i n e r K r a f t i s t g l e i c h der l e b e n d i g e n K r a f t oder der k i n e t i s c h e n E n e r g i e ,

160 welche die K r a f t , auf eine g e w i s s e W e g s t r e c k e hin an einer Masse w i r k e n d , in d i e s e r h e r v o r b r i n g t . 3) H a t ein Körper schon eine g e w i s s e G e s c h w i n d i g k e i t und w i r k t an ihm eine K r a f t in e i n e r R i c h t u n g , w e l c h e der der Bewegung g l e i c h oder e n t g e g e n g e s e t z t ist, so i s t der Zeite f f e k t der K r a f t g l e i c h der Ä n d e r u n g der B e w e g u n g s g r ö ß e der Masse, oder der W e g e f f e k t ( A r b e i t ) der K r a f t ist g l e i c h der Ä n d e r u n g der k i n e t i s c h e n E n e r g i e der Masse.

Hat nämlich eine Masse M die Geschwindigkeit und wird durch eine Kraft K innerhalb der Zeit t ihre Geschwindigkeit auf r 2 gebracht, so ist, wenn tx und t2 die Zeiten bezeichnen, während welcher die Kraft die Masse von der Ruhe aus auf die Geschwindigkeiten vt bezüglich bringen könnte: Kt,, - Ktt = Mvt - Mv,. Hieraus folgt: Kt = Mv2 — Mi\. Bringt ferner die Kraft Kl, auf dem Wege wirkend, die Masse von der Geschwindigkeit vl auf v.2, so ist, wenn ÄJ und s2 die Wege bezeichnen, auf welchen die K r a f t , von der Ruhe aus, auf die Masse M wirken muß, um diese auf die Geschwindigkeit v t , bezüglich zu bringen: Hieraus folgt: i = '

V 2

~ ,

und Ks = •> MV22

- • Mv,\

C a r t e s i u s nahm Mv, L e i b n i z Mr"* als Maß einer Kraft; bei dem ersten ist vorauszusetzen, daß die Kräfte gleich lange Zeit, bei dem letzteren, daß sie auf gleich großen Wegstrecken gewirkt haben.

§ 171. Maß der Arbeit. Über das M e t e r k i l o g r a m m , S e k u n d e n m e t e r k i l o g r a m m und die P f e r d e k r a f t vergl. I. § 38. Es ist nicht einerlei, ob man sagt: die Arbeit ist gleich dem Produkt aus Kraft und Weg, oder gleich dem Produkt aus Widerstand und Weg, letzteres ist nur zulässig, wenn außer der Überwindung des Widerstandes nicht noch eine andere Arbeit, z. B. Vergrößerung der Geschwindigkeit, geleistet wird. Hebt man z. B. einen in Ruhe befindlichen Stein auf die Höhe h, und kommt er dort nicht mit der Geschwindigkeit o, sondern mit der v an, so ist: P.h=

Q.k

+

^v2.

Die Dimension der absoluten Arbeitseinheit in dem System gr, cm, sec, das sogen. E r g , ist gr.cm 2 . sec—2. Das Erg ist die Arbeit, welche ein Dyn auf die Erstreckung von 1 cm an 1 gr leisten kann. Die praktische Einheit der Arbeit, das Meterkilogramm, ist in absoluten Einheiten = 981 -lO5 gr.cm 2 . sec—3 = 9,81 • 10 7 Erg. DieDimension des Effektes, des Sekundenergs, ist gr.cm 2 .sec- 3 ; das Sekundenmeterkilogramm ist in absoluten Einheiten = 981 • 10"' gr.cm 2 .sec— 3 oder = 9 , 8 1 - 1 0 7 Sekundenerg. Die Pferdekraft ( H . P = Horsepower) oder Pferdestärke (P.S) ist = 75-9,81-10'. gr.cm 2 . s e c - 3 oder = 736-10 7 Sekundenerg.

§ 172. Positive und negative Arbeit. Wirkt eine Kraft an einem Körper in einer Richtung, in welcher sich derselbe nicht bewegen kann, so zerlege man die Kraft in zwei Kräfte, von denen die eine in die Richtung der Bewegung fällt und die andere darauf senkrecht steht. Sei Fig. 180 MN die Bahn, in welcher ein Körper sich zu bewegen gezwungen ist (hier auf der hohlen Seite), und AB die Richtung einer

Kursus.]

Arbeit und Arbeitsfähigkeit.

161

Kraft P ; ist ferner AG die Berührende an die Bahn im Punkte A und a der Winkel, welchen die Kraft mit der Bahnrichtung bildet, so gilt: P ' = AG=P. cos« und P " = AD = P . s i n a . Die letztere Kraft P" geht verloren und es ist die Arbeit der Kraft P, wenn sie den Körper von A bis E bewegt hat, gleich P'.AE. D i e A r b e i t d e r K r a f t ist g l e i c h dem P r o d u k t a u s d e m W e g u n d d e r P r o j e k t i o n d e r K r a f t auf den Weg. Projiziert man AE auf die Richtung der Kraft P, so ist: P'.AE

=

P.AE'.

Hiernach ist d i e A r b e i t d e r K r a f t a u c h g l e i c h d e m P r o d u k t

Fig. 180. Positive Arbeit.

Fig. 181. Negative Arbeit.

Bildet die Richtung der Kraft AP (Fig. 181) mit der der Bahn AE einen stumpfen Winkel, so fallt die Projektion des Weges auf die Richtung der Kraft in die Verlängerung derselben, während, wenn der genannte Winkel spitz ist, die Projektion des Weges auf die Richtung der Kraft, in diese selbst fällt (Fig. 180). Im letzteren Falle nennt man die Arbeit der Kraft p o s i t i v und sagt, ihr Angriffspunkt schreite v o r w ä r t s , während man im ersteren Falle die Arbeit n e g a t i v nennt und sagt, der Angriffspunkt der Kraft schreite r ü c k w ä r t s . — Wenn a = 90°? Die Schwerkraft leistet an einem aufsteigenden Körper eine negative Arbeit, oder der Körper leistet gegen sie eine Arbeit.

§ 173. Arbeitsfähigkeit (Energie). 1) Ist eine Masse in Bewegung, so besitzt sie Arbeitsfähigkeit der Bewegung oder kinetische Energie. Die Arbeit, welche ein in Bewegung befindlicher Körper vermöge der Größe seiner Masse und seiner Geschwindigkeit, bis letztere völlig verzehrt ist, leisten kann, ist gleich der Arbeit, welche auf ihn hat verwendet werden müssen, um ihn auf die betreffende Geschwindigkeit zu bringen. Die kinetische Energie £ Mv2, welche ein Körper von der Masse M und der Geschwindigkeit v besitzt, kann man sich durch die Arbeit einer konstanten Kraft

v2

hervorgerufen denken, wohei Ks = \ Mv2 und s = —.

^

Wirkt nun eine Kraft JT,

v2 ¿p l

der Masse direkt entgegen, so wird deren Geschwindigkeit Null, wenn .Sj = -—; es ist also die (negative) Arbeit der Kraft Xl, v2

bis die Geschwindigkeit der Masse

verzehrt ist, gleich — Kx . -— . Ist nun Ky = nK, j

so ist auch

= np, folglich

s. = — s und daher K.s,11 = Ks. n

K r e b s , Physik.

II. Aufl.

11

162

Arbeit und Arbeitsfähigkeit.

[Zweiter

2) Auch ruhende Körper oder Körpermoleküle können Energie besitzen. Ein in einer gewissen Höhe über der Erde befindlicher Körper kann, wenn er niedersinkt, Arbeit verrichten und zwar soviel, als auf ihn verwendet werden muß, um ihn so hoch zu heben (Gewichtstein an einer Standuhr). Diese Art von Energie nennt man p o t e n t i e l l e Energie, A r b e i t s f ä h i g k e i t der L a g e oder S p a n n k r a f t . Potentielle Energie besitzen u. a. eine gespannte Feder oder Bogensehne, komprimierte Luft und Schießpulver. § 174. Begriff des Potentials. Die Arbeit, welche gegen die Anziehungskraft der Erde geleistet werden muß, um die Masseneinheit von dem Orte A, wo sie sich eben befindet, nach dem Unendlichen zu bewegen, nennt man das Pot e n t i a l der Schwerkraft (oder der Erde) am Punkte A, oder auch das Potential des Punktes A in bezug auf die Erde. Ein anderer Punkt B, in welchem sich eine Masseneinheit befindet, hat ein größeres oder kleineres Potential, jenachdem er näher oder weiter von der Erde liegt. Den Unterschied der Potentiale der zwei Punkte nennt man ihre P o t e n t i a l d i f f e r e n z ; es ist dies die Arbeit, welche man leisten muß, um die Masseneinheit von dem der Erde näheren Orte zu dem entfernteren zu bringen, oder umgekehrt, die Arbeit, welche die Erde leistet, wenn sie den Körper von dem ihr ferneren Ort zu dem näheren bewegt. Ist ein Punkt unendlich weit von der Erde, so ist sein Potential in bezug auf die Erde gleich Null. Dagegen hat die potentielle Energie der Masseneinheit in einem unendlich fernen Punkte ihren größtmöglichen Wert. Denkt man sich um die Erde eine Anzahl konzentrischer Kugelschalen, so herrscht an allen Punkten, welche auf einer derselben liegen, das gleiche Potential. Flächen gleichen Potentials nennt man Niveau flächen. Wenn ein Gramm Wasser von einem höheren Niveau auf ein niederes herabsinkt, so wird eine gewisse Arbeit geleistet, welche die Potentialdifferenz der beiden Niveaux bezeichnet. Fällt ein Körper von der Masse m aus dem Unendlichen bis zur Oberfläche der Erde und kommt er dabei auf die Geschwindigkeit v, so ist der Wert i rn v'1 die erlangte kinetische Energie, bezüglich die Arbeit, welche die Erde an dem Körper geleistet hat; dieser Wert ist zugleich das m-fache des Potentials eines Punktes an der Oberfläche der Erde. Wird ein Körper mit der vorhin erwähnten Geschwindigkeit v vertikal aufwärts geworfen, so kommt er im Unendlichen mit der Geschwindigkeit und der kinetischen Energie Null an; ebensogroß ist sein Potential in unendlicher Ferne. Befindet sich ein Körper von der Masse 1 in einem Punkte A über der Erdoberfläche, so ist sein Potential gleich der kinetischen Energie, welche er, aus dem Unendlichen bis A fallend, erlangen würde. Ist von zwei Punkten A und B über der Erdoberfläche A der nähere, so ist die Potentialdifferenz zwischen A und B gleich dem Zuwachs an kinetischer Energie, welche der Körper, von B bis A fallend, erlangt. Zieht man von dem Mittelpunkt der Erde Strahlen bis ins Unendliche, so stehen dieselben auf den Niveauflächen senkrecht; man nennt diese Strahlen K r a f t linien, da sie die Richtung der Anziehungskraft der Erde angeben. Wird die Masseneinheit auf einer Niveaufläche bewegt, so leistet die Erde keine Arbeit an ihr, es ändert sich also weder die potentielle Energie, noch das Potential; die Richtung der Bewegung der Masseneinheit ist nämlich auf den Kraftlinien senkrecht, weshalb die Projektion der Kraft auf die Richtung des Weges Null ist. Bedeutet EE (Fig. 182) die Oberfläche der Erde und wird der Punkt A auf der Niveaufläche NN nach dem Punkt B der der NN sehr nahen Niveaufläche 1 1 N N in einer Richtung AB geführt, welche mit der Kraftlinie KKl einen Winkel bildet, so muß man, um die Arbeit zu finden, welche gegen die auf dem Wege AB als konstant anzunehmende Schwerkraft zu leisten ist, AB auf KK1 projizieren und die Projektion KB mit der Schwerkraft multiplizieren; man erhält

Kursus.]

163

Arbeit und Arbeitsfähigkeit.

dabei dieselbe Arbeit, als wenn der Punkt A in der Richtung einer Kraftlinie von der einen Niveaufläche auf die andere bewegt worden wäre. Ist der Abstand zwischen NN und NlNl so groß, daß bei der Bewegung von der einen Niveaufläche zur anderen, die Schwerkraft nicht konstant bleibt, so braucht man nur zwischen NN und Nl Nl eine große Zahl sehr naher Niveauflächen einzuschieben und die Arbeiten je von einer zur anderen Niveaufläche zu addieren. Daraus ergiebt sich, daß dieselbe Arbeit zu leisten ist, einerlei auf welchem geraden oder krummlinigen Wege man einen Körper von einer Niveaufläche zu einer anderen bewegt. „ „. „. , T^ T. -rr- j „ ^ ,. , . , Fig. 182. Niveauflachen. Der Begriff des Potentials ist nicht bloß bei der Schwerkraft, sondern bei allen im umgekehrten Verhältnis des Quadrats der Entfernung wirkenden Kräften, so namentlich bei den magnetischen und elektrischen Anziehungen und Abstoßungen, von Bedeutung.

§ 175. Verwandlung der Energie; Erhaltung der Energie. Wirft man einen Körper vertikal in die Höhe, so vermindert sich seine Geschwindigkeit, also auch seine kinetische Energie immer mehr; dagegen steigt er immer höher, d. h. seine potentielle Energie vermehrt sich. Hört er zu steigen auf, so ist seine kinetische Energie gleich Null und seine potentielle Energie ein (relatives) Maximum. Fällt der Körper wieder herab, so wächst seine Geschwindigkeit und kinetische Energie, dagegen vermindert sich seine Höhe über der Erde und damit seine potentielle Energie. Beim Aufsteigen findet Verwandlung (Umsetzung) von kinetischer Energie in potentielle und beim Herabfallen das Umgekehrte statt. Die Summe der k i n e t i s c h e n und p o t e n t i e l l e n E n e r g i e ist in j e d e m A u g e n b l i c k dieselbe. Hat nämlich ein vertikal aufwärts geworfener Körper ursprünglich die Geschwindigkeit v und könnte er vermöge derselben bis h aufsteigen, wo v2 = 2 gh, so würde er, wenn er bis zu der geringeren Höhe hx aufgestiegen wäre, die Geschwindigkeit vx verloren haben, wo v2x = 2 ghx ist; er besäße also in der Höhe \ noch die lebendige Kraft MQi—h^g. Von der Höhe hx mit der Anfangsgeschwindigkeit 0 herabfallend, würde er wieder die Geschwindigkeit erlangen; er besitzt also auf der Höhe hx die potentielle Energie | Mvx 2 = Mghr Die gesamte Energie auf der Höhe \ ist also: M(h — hi)g + Mhxg = Mgh — J Mv2.

Ähnliche Verwandlungen von kinetischer und potentieller Energie ineinander bemerken wir beim schwingenden Pendel, bei der Bewegung der Himmelskörper u. s. w. Wenn v e r s c h i e d e n e M a s s e n a u f e i n a n d e r w i r k e n , ohne d a ß sie von a n d e r e n M a s s e n b e e i n f l u ß t w e r d e n , so b l e i b t die S u m m e der k i n e t i s c h e n u n d p o t e n t i e l l e n E n e r g i e e n dieser M a s s e n dies e l b e ; es kann nur eine Verwandlung von potentieller und kinetischer Energie ineinander stattfinden. Dies ist der Satz von der E r h a l t u n g der E n e r g i e . (Mayer 1842, Helmholtz 1847.) 11*

164

Zusammensetzung der parallelen Schwerkräfte.

[Zweiter

Bei dieser Darlegung ist von Reibungswiderständen abgesehen; in Wirklichkeit verzehren diese einen erheblichen Teil 'der kinetischen, äußerlich sichtbaren Energie, welche indessen nicht verloren geht, sondern sich in schwingende Bewegungen der Moleküle der einander reibenden Körper, also in unsichtbare Energie verwandelt und die Erscheinungen des Schalles, des Lichtes, der Wärme, des Magnetismus und der Elektrizität hervorruft. Ebenso wie sich äußerlich sichtbare Energie ganzer Körper in unsichtbare der Moleküle verwandeln kann, ist auch das Umgekehrte möglich. — Alle physikalischen Erscheinungen beruhen auf Energieverwandlungen, bei denen nie etwas verloren geht: D i e E n e r g i e des W e l t a l l s ist k o n s t a n t (Clausius). § 176. Satz von d e n virtuellen Arbeiten. Wenn eine Anzahl im Gleichgewicht stehender Kräfte an einem Körper wirken, so bringen sie keine Änderung des Bewegungszustandes (der Geschwindigkeit und somit der lebendigen Kraft) hervor, sie leisten also auch keine Arbeit. Doch aber können die Kräfte gezwungen werden, einzeln Arbeit zu leisten, wenn entweder der Körper schon eine Bewegung besitzt, oder ihm eine solche willkürlich erteilt wird — v i r t u e l l e Arbeiten; es gilt aber dann der Satz: d i e S u m m e d e r v i r t u e l l e n A r b e i t e n b e l i e b i g v i e l e r , an e i n e m K ö r p e r im G l e i c h g e w i c h t s t e h e n d e r K r ä f t e ist g l e i c h N u l l . Es seien P , , P 2 , P 3 , P 4 im Gleichgewicht stehenden Kräfte und es bewege sich der Körper in dei Zeit t durch andere Kräfte in irgend einer Richtung um eine Strecke S fort, so bewegen sich auch die Angriffspunkte der im Gleichgewicht stehenden Kräfte je um dieselbe Strecke in der genannten Richtung fort; projiziert man die Strecke S auf die Richtungen der Kräfte, so geben die Projektionen tlt s,,, sa, s4 die Strecken an, um welche die Angriffspunkte der Kräfte in der Richtung derselben voran- oder zurückgeschritten sind; die virtuellen Arbeiten der Kräfte sind alsdann gleich 2{P.s). Da die Kräfte keine Änderung der Geschwindigkeit und somit der lebendigen Kraft hervorbringen, so muss 2 (P. s) = 0 sein. Sind die Kräfte nach Größe oder Richtung veränderlich, so gilt der Satz nur für unendlich kleine Verschiebungen, bezüglich für eine Summe solcher. Haben mehrere Kräfte eine Resultierende, so gilt der Satz: D i e A r b e i t der R e s u l t i e r e n d e n i s t g l e i c h d e r S u m m e d e r A r b e i t e n d e r K o m p o n e n t e n . E s ist nämlich die Summe der Arbeiten der gegebenen Kräfte und ihrer Gegenresultierenden gleich Null; die Arbeit der Gegenresultierenden ist aber gleich der negativen Arbeit der Resultierenden. A u f g a b e . In welcher Beziehung steht der Satz von den virtuellen Arbeiten zu der goldenen Regel (1. § 29)? c. Zusammensetzung der parallelen Schwerkräfte. 25.

§ 177. A l l g e m e i n e B e s t i m m u n g des Schwerpunkts. E s seien mv m,2, m3 . . . die Massen der einzelnen Punkte eines Körpers und g die Erdbeschleunigung, so sind die an den einzelnen Punkten wirkenden Schwerkräfte rnl g, m,ly, m3g . . ., die im Schwerpunkt des Körpers angreifende Resultierende aller Schwerkräfte ist also (mx + m2 + m3 + . . . ) g — M.g, wo M die Gesamtmasse des Körpers bedeutet. Bildet man nun die Momente aller Schwerkräfte und ihrer Resul-

Kursus.]

Zusammensetzung der parallelen Schwerkräfte.

165

tierenden in bezug auf eine bestimmte Ebene, wobei x^ x2, x3 die Abstände der einzelnen Moleküle und X den Abstand des Schwerpunktes von der gewählten Ebene bedeutet, so ist (§ 50):

MgX

hieraus folgt:

= {m1x1 + m2x2 -|

)g\

„ _ mlxl + m^x^ + . . . ~~ M

oder:

Ist ein Körper homogen, d. h. haben gleiche Volumina gleiche Massen, so nimmt die Gleichung (1) folgende Gestalt an: v

oder, da m .g = v.-/,

_ m2{x)

wo y das spezifische Gewicht: x

=

(2)

dabei bedeutet V das Gesamtvolumen des Körpers. Der Schwerpunkt ist aber noch nicht bestimmt, wenn man seinen Abstand nur von einer Ebene kennt; man muß deshalb noch zwei andere wählen und die Abstände des Schwerpunktes von ihnen bestimmen (dreiachsiges Koordinatensystem). Liegt eine Ebene oder Gerade symmetrisch gegen einen homogenen Körper, so liegt der Schwerpunkt desselben in ihr —- S c h w e r e b e n e , S c h w e r l i n i e ; denn nimmt man diese Ebene als Momentebene, so ist die Summe der Momente der einzelnen Schwerkräfte und deshalb auch das Moment der Resultierenden, also der Abstand ihres Angriffspunktes von der Symmetrie-Ebene (oder -Geraden) gleich Null. Der Durchschnittspunkt dreier Schwerebenen, oder zweier Schwerlinien giebt den Schwerpunkt an.

§ 178.

Schwerpunkte überall gleichschwerer Linien (Stäbe).

1) Um den Schwerpunkt des U m f a n g e s e i n e s D r e i e c k s ABC (Fig. 183) zu finden, verbinde man die Schwerpunkte, d. h. die Mittelpunkte Ä, B', C' der drei Seiten des Dreieckes und suche den Mittelpunkt S des Kreises, welcher dem Dreiecke A'B'C' eingeschrieben ist; alsdann ist S der gesuchte Schwerpunkt. Sucht man nämlich die Resultierende der beiden in A' und B' angreifenden parallelen Schwerkräfte, welche bezüglich den Längen der Seiten B C und A C proportional sind, so ist ihr Angriffspunkt in einem Pnnkte D gelegen, welcher durch die Gleichung -DA' _ AC

DB• ~ BC

Jj^

A F

j

Schwerpunkt vom Umfange eines Dreiecks. 183

bestimmt ist. Die Verbindungslinie C D halbiert also den Winkel A'C'B' und ist zugleich eine Schwerlinie, denn auf ihr muß der Angriffspunkt der Resultierenden der in C' und D angreifenden K r ä f t e , d. h. der Schwerkräfte aller drei Seiten liegen. Ebenso sind A'F und B'E, welche die Winkel an A\ bezüglich B' halbieren, Schwerlinien u. s. w.

2) Der Schwerpunkt eines K r e i s b o g e n s liegt auf dem den Bogen

Zusammensetzung der parallelen Schwerkräfte.

166

[Zweiter

halbierenden Radius und sein Abstand vom Mittelpunkte ist die vierte Proportionale zum Bogen, zum Radius und zur Sehne. Man teile sich den Kreisbogen A CB (Fig. 184) in sehr viele kleine Teile und nehme eine zur Sehne AB parallele Gerade MN, welche durch den Mittelpunkt O des Kreisbogens geht, als Momentachse an. Ist DE ein kleines, als geradlinig anzusehendes Stück des Bogens, so ist das Moment desselben gleich DE. DK, wo DK 1. MN. Nun ist aber A DEF~ AODK, wo EFII AB. Hieraus folgt: DE. DK=DO. EF=r.EF. Sucht man in derselben Weise die Momente aller Bogenstückchen, so erhält man als Momentensumme (in bezug auf MN): r.AB. Ebenso groß ist auch das Moment der Resultierenden. Ist nun s der Schwerpunkt des Bogens und x = SO sein Abstand vom Mittelpunkt 0, V ^ so muß, wenn man die Sehne A B mit s und den Fig. 184. Schwerpunkt eines Kreis- Bogen ACB mit b bezeichnet: bogens.

,

,

r. s

x .6 = r . s oder x = —=— • o A u f g a b e . Bestimmung des Schwerpunkts einer überall gleichschweren S t a n g e und eines K r e i s r i n g s aus der Lage von Symmetrieebenen. § 179. S c h w e r p u n k t e überall gleichschwerer F l ä c h e n (Platten). 1) Der Schwerpunkt eines D r e i e c k e s liegt in der Verbindungslinie einer Ecke mit der Mitte der Gegenseite und ist um ein Drittel der Höhe von dieser entfernt. Ist ABC (Fig. 185) das gegebene Dreieck, so zerlege man es durch Linien, welche der einen Seite AB parallel sind, in eine (sehr große) Anzahl dünner Stangen; alsdann liegen die Schwerpunkte aller dieser Stangen in der Linie CD welche die Seite AB und sämmtliche Stangen halbiert; CD ist also eine Schwerlinie. Dasselbe gilt für AE, wenn E der Mittelpunkt von BC ist; der Durch-

Fig. 185.

Schwerpunkt eines Dreiecks.

Fig. 186.

Schwerpunkt eines Trapezes.

schnitfcspunkt S von CD und AE ist also der Schwerpunkt des Dreieckes ABC. Aus der Geometrie aber ist bekannt, daß SD: SC = 1 : 2 und SD:CD = 1:3. Zieht man noch die Linien SF und CG senkrecht auf AB, so muß auch SF: CG = 1:3. 2) Den Schwerpunkt eines T r a p e z e s zu finden. Ist AB CD (Fig. 186) das gegebene Trapez und bezeichnet man die Grundlinien AB und CD bezüglich mit a und b, sowie die Höhe mit h, so suche man zuerst die Schwerpunkte B und Q der Dreiecke ABD und ACD, in welche man das Trapez durch die Diagonale AD zerlegen kann. Der Inhalt des ersten Dreieckes ist und der des anderen ^ ;

außerdem sind die Abstände der Schwerpunkte Q

Kursus.]

Zusammensetzung der parallelen Schwerkräfte.

167

und R von AB, welche als Momentachse genommen wird, bezüglich 2/3 h und 1/BA. Ist nun der Abstand SS' des notwendig auf der Linie QR liegenden Schwerpunktes S des Trapezes von A B gleich x, so muß, da die drei Schwerkräfte, welche in Q, R und S angreifen, bezüglich den Inhalten der Dreiecke ACD und ABD, sowie des Trapezes AB CD proportional sind: la + b)h „ , bh , , ah h a +26 w o r a u B I - I Ä - - 2 " + ih-~2~> =37TJZugleich muß S auf der Schwerlinie EF, welche die Mitten der parallelen Gegenseiten halbiert, liegen.

3) Den Schwerpunkt eines beliebigen V i e r e c k s zu finden. Sei AB CD (Fig. 187) das gegebene Viereck, so zerlege dasselbe durch eine Diagonale A C in zwei Dreiecke ABC und ACD; halbiert man nun AC und verbindet denHalbierungspungspunkt E mit B und D, so erhält man die Schwerpunkte S' und S" der Dreiecke ABC und A CD, wenn man DE und EB in drei gleiche Teile teilt und je den der Seite A C nächstgelegenen Drittelungspunkt nimmt. Auf a der Verbindungslinie S' S", welche der Fig. 187. Schwerpunkt eines Vierecks. Diagonale B D parallel sein muß, liegt der Schwerpunkt S des ganzen Viereckes. Die in S' und S" angreifenden Schwerkräfte verhalten sich wie die Inhalte der Dreiecke ACD und ABC, und man muß deshalb, um S zu finden, die Linie S' S" so teilen, daß S'S:S"S = AABC-.AACD. Die genannten Dreiecke haben dieselbe Grundlinie A C, sie verhalten sich also wie ihre Höhen, d. h. wie die von B und D auf A C gefällten Senkrechten. Diese Höhen verhalten sich aber wie die Linien B G und D G. Trägt man nun D G von B aus auf BD ab, sodaß BF = DG und verbindet F mit E, so ist. der Durchschnittspunkt S der FE mit S'S" der verlangte Schwerpunkt des Vierecks.

4) Den Schwerpunkt eines P o l y g o n s zu finden. Man teile das Polygon durch Diagonalen, welche von einer Ecke ausgehen, in Dreiecke, suche von jedem Dreieck den Schwerpunkt und setze die an den Schwerpunkten wirkenden, den Inhalten der Dreiecke proportionalen Schwerkräfte in derselben Weise zu einer Resultierenden zusammen, wie man überhaupt parallele Kräfte zusammensetzt.

5) Den Schwerpunkt -eines zu finden.

Kreissektors

Sei CA DB (Fig. 188) der gegebene Sektor, so denke man sich denselben durch sehr viele Radien in schmale Dreiecke zerlegt; dann liegen die Schwerpunkte aller dieser Dreiecke auf einem Kreisbogen A'D'B', welcher zwei Drittel Fig. 188. Schwerpunkt des Radius des Sektors zum Radius hat. Man erhält auf eines Sektors. diese Weise statt des Sektors einen überall gleichschweren Kreisbogen A'DB', dessen Schwerpunkt auf CD liegen muß; nach 178, 2 ist: r a _ fr-3« _ , rt

6) Den Schwerpunkt eines S e g m e n t s zu finden. Das Segment ADB und dem Dreieck GAB. sind bezüglich:

(Fig. 189) ist der Unterschied zwischen dem Sektor CADB Die Inhalte des Sektors, des Dreiecks und des Segments irb\

4 As;

rb — hs)

168

Zusammensetzung der parallelen Schwerkräfte.

[Zweiter

wobei r den Redius, b den Bogen, s die Sehne des Segments und h die Höhe des Dreiecks ACB bezeichnet. Zieht man durch den Miittelpunkt C eine Gerade MN parallel der Sehne AB, nimmt diese Linie als Achse der Momente und bezeichnet den Abstand des Schwerpunkts S des Segments von MN mit x, so muß, weil die Abstände der Schwerpunkte S' des Sektors und S" des Dreiecks ABC von der Achse MN bezüglich gleich l y

und \ h

sind, die Beziehung gelten: i . r S . f - r - = \h

+ £ (rb — Iis). x,

* _ t «1 ' 7 rb- Iis ~ T2 F ' wenn man unter F den Inhalt des Segments versteht. 7) D e r Schwerpunkt des Mantels Fig. 189. Schwerpunkt eines Segments. eines C y l i n d e r s liegt in der Mitte der Achse, wie aus der L a g e von Symmetrie-Ebenen und -Geraden leicht hervorgeht. 8) D e r Schwerpunkt des Mantels eines K e g e l s liegt in einem P u n k t der Achse, welcher von der Grundfläche um ein Drittel der Höhe des Kegels absteht. Man teile die Mantelfläche durch unendlich viele Seitenkanten in schmale Dreiecke, deren Schwerpunkte in ein Drittel der Höhe des Kegels über der Grundfläche liegen. Alle diese Schwerpunkte liegen also in einer Kreislinie, welche der Kegelgrundfläche parallel ist und um x/3 h von der Grundfläche absteht: ihr Schwerpunkt, und folglich auch der Schwerpunkt des Kegelmantels, liegt in ihrem Mittelpunkt. 9) D e n Schwerpunkt des Mantels eines K e g e l s t u m p f e s zu finden. Man ergänze den Kegelstumpf zum Kegel und ziehe von der Spitze unendlich viele Seitenkanten; der Mantel des Stumpfes zerfällt alsdann in eine große Zahl Trapeze, deren Schwerpunkte alle in eine den Grundflächen parallele Kreislinie fallen; ihr Schwerpunkt und somit der des Mantels des Kegelstumpfs liegt in einem Abstand h r + 2 r" Y ' r + r" von der Grundfläche mit dem Radius r . 10) D e r Schwerpunkt einer K u g e l z o n e oder K u g e l k a p p e liegt in der Mitte der Höhe derselben. Teilt man nämlich die Zone in lauter gleichhohe, sehr dünne Zonen, so haben dieselben alle gleichen Inhalt; die Schwerpunkte derselben liegen in der Höhenlinie der ursprünglichen Zone, sodaß man eine überall gleichschwere Stange erhält, deren Schwerpunkt in ihrer Mitte liegt. A u f g a b e . Bestimmung des Schwerpunktes einer Kreisfläche und eines Parallelogramms aus der Lage von Symmetrieebenen. § 180. S c h w e r p u n k t e überall gleichschwerer Körper. 1) D e r Schwerpunkt eines C y l i n d e r s liegt im Mittelpunkt der Achse. 2) Der Schwerpunkt eines P r i s m a s liegt in der Mitte der Verbindungslinie der Schwerpunkte der Grundflächen. 3) Der Schwerpunkt einer d r e i s e i t i g e n P y r a m i d e liegt in der woraus

Kursus.]

Zusammensetzung der parallelen Schwerkräfte.

169

Verbindungslinie der einen Ecke (Spitze) mit dem Schwerpunkte der gegenüberliegenden Fläche (Grundfläche) und ist um l j i der Höhe der Pyramide von der Grundfläche entfernt. Es sei AB CD (Fig. 190) die gegebene dreiseitige Pyramide, S1 der Schwerpunkt der Fläche BCD und der der Fläche ACD, so gehen die Linien AS1 und BS 2 bezüglich durch die Schwerpunkte aller mit BCD und ACD parallelen Durchjl schnittsdreiecke, denn Ahnlichkeitsstrahlen schneiden ähnliche zwischen demselben Büschel liegende Flächen in homologen Punkten. Der Schwerpunkte der Pyramide muß also sowohl auf ASl als auf BS, liegen, d. h. da wo diese Linien (welche beide in der Ebene ABE liegen) einander treffen. Verbindet man Sl und S2, so ist: StSt || AB und 5,/Sj = i AB; denn ES2: EA = ESt : EB = 1:3; deshalb ist: ASS,S,2 ~ AS AB-, hieraus folgt: SSl: SA = Sl S-i: AB= 1 : 3 und SSt: St A = 1:4. 4) Der Schwerpunkt einer v i e l s e i t i g e n P y r a m i d e liegt in der Verbindungsc linie der Spitze mit dem Schwerpunkte Fig. 190. Schwerpunkt einer dreider Grundfläche und ist um ein Viertel seitigen Pyramide. der Höhe von ihr entfernt. Man zerlege die Grundfläche durch Diagonalen, welche von einer Ecke ausgehen, in Dreiecke, so erhält man n— 2 dreiseitige Pyramiden, deren Schwerpunkte sämtlich in einer Ebene liegen, welche von der Grundfläche um der Höhe absteht. Diese Ebene ist also eine Schwerebene. Verbindet man ferner die Spitze mit dem Schwerpunkte der Grundfläche, so geht diese Linie durch die Schwerpunkte aller der Grundfläche parallelen Durchschnittsflächen, weil ähnliche Flächen von demselben Ahnlichkeitsstrahl in entsprechenden Punkten geschnitten werden; diese Linie ist also eine Schwerlinie und wo sie die genannte Schwerebene trifft, ist der Schwerpunkt der Pyramide. 5) In betreif des Schwerpunktes eines K e g e l s gilt derselbe Satz, wie für eine Pyramide. 6) Den Schwerpunkt eines K u g e l s e k t o r s zu finden. Man ziehe an die zugehörige Kugelklappe unendlich viele Radien, wodurch man viele sehr dünne Kegel erhält; die Schwerpunkte dieser Kegel liegen in einer Kugelkappe mit dem Radius 3/4 r, wenn r der Radius des Kugelsektors ist. Auf dieser Kugelkappe (und zugleich auf dem Mittelradius) muß der Schwerpunkt des Kugelsektors liegen. Der Schwerpunkt einer Kugelkappe liegt aber in der Mitte der Höhe derselben. Die Höhe der Kugelkappe nun, auf welcher der Schwerpunkt des Kugelsektors liegt, beträgt 3/4 h, wenn h die Höhe der Kappe des Kugelsektors bezeichnet; der Abstand des Schwerpunktes vom Mittelpunkte beträgt also; i ' — 4 • ! = « ( 2 r — h). 7) Den Schwerpunkt eines K u g e l s e g m e n t e s zu finden. Man erwäge, daß die Inhalte des Kugelsegmentes, des zugehörigen Kugelsektors und des Kegels, welcher das Segment zum Sektor ergänzt, bezüglich die Werte: inh\3r — h)-, ^nlr*-, -¡¡nh(2r — h) (r — h) haben; die zugehörigen Abstände der Schwerpunkte vom Mittelpunkte sind: z; |(2r-A); f (r - h).

170

Gleichgewicht der Kräfte an Maschinen.

[Zweiter

Hieraus ergiebt sich leicht nach dem allgemeinen Momentensatz: X i

I. § 26.

~ Sr — h § 181. Berechnung der Stabilität. Ist S (Fig. 191) der Schwerpunkt eines Körpers, LMNK ein vertikaler, durch den Schwerpunkt gehender Durchjf schnitt desselben, LK die als Linie sich darstellende r — G r u n d f l ä c h e und K die zum Punkt verkürzte Kante, / '—JV um welche ¡der Körper umgeworfen werden soll, so I \ n beträgt die Arbeit einer beliebigen Kraft, wenn sie den Schwerpunkt von S bis B gehoben: Q.BC, wo Q das Gewicht des Körpers, SC eine Horizontale und SB ein mit dem Radius SJt beschriebener Kreisbogen ist. Bezeichnet man SK mit r und SA mit h, wo n ** SA eine Vertikale, so ist die zu leistende Arbeit: Fig. 191. Stabilität.

A = Q . (r -

h).

d. Gleichgewicht der KrBfte an Maschinen. § 182. Begriff der Maschine; Elementenpaare. E i n e M a s c h i n e i s t e i n e V e r b i n d u n g w i d e r s t a n d s f ä h i g e r K ö r p e r , w e l c h e so e i n g e r i c h t e t ist, daß mittels i h r e r N a t u r k r ä f t e g e n ö t i g t werden k ö n n e n , u n t e r b e s t i m m t e n B e w e g u n g e n zu w i r k e n (Reuleaux). Damit eine Bewegung b e s t i m m t sei, muß sie auf vorgeschriebener Bahn erfolgen; jeder Maschinenteil besteht also aus zwei einander (ganz oder teilweise) umhüllenden Körpern derart, daß der eine dem anderen als Bahn dient. Eine Maschine ist hiernach nicht aus einzelnen Elementen, sondern aus E l e m e n t e n p a a r e n zusammengesetzt. Die Zahl der wesentlich verschiedenen Elementenpaare ist aber, wie sich zeigen wird, gering. Es giebt im allgemeinen nur zwei Arten der Bewegung, die fortschreitende und die drehende; die allgemeinste Bewegung ist die drehendfortschreitende (§ 152) oder die allgemeine S c h r a u b e n b e w e g u n g , bei welcher in jedem Augenblick sowohl die Achse, als die Ganghöhe der Schraube sich ändern kann; der Körper bewegt sich also in jedem Augenblick längs einer anderen Schraube. Man kann sich nun die Achsen der Schrauben, längs welcher ein Körper nach der Reihe fortschreitet und um welche er sich gleichzeitig dreht, im Räume verzeichnet denken; sie bilden zusammen eine R e g e l f l ä c h e und werden M o m e n t a n a c h s e n genannt. Nun soll dieser Körper an einem andern, mit dem er ein Elementenpaar bildet, sich hinbewegen. Man kann sich aber mit dem zweiten Körper eine ganz gleiche Regelfläche verbunden denken, mit deren Geraden a", b", c". . . nach und nach die entsprechenden Geraden a, b', c . . . der ersten Regelfläche bei der Bewegung des ersten Körpers auf dem zweiten zusammenfallen. Die Bewegung erfolgt dann in der Weise, daß, wenn in einem gewissen Augenblick zwei entsprechende Geraden d und a" der beiden Regelflächen aufeinander liegen, der erste Körper zunächst längs dieser Geraden gleitet, bis der Durchschnittspunkt von d und b' mit dem von a" und b" zusammenfallt, und dann sich um

Kursus.]

Gleichgewicht der Kräfte an Maschinen.

171

dieselbe dreht, bis die zwei folgenden entsprechenden Geraden b' und b" der zwei Regelflächen zusammenfallen; nun erfolgt wieder Gleitung längs dieser Achse und Rollung um dieselbe, bis das dritte Paar c und c" entsprechender Achsen zusammenfallt u. s. w. Rollung (ohne Gleitung) genügt, wenn die Regelflächen aufeinander abwickelbar sind, d. h. wenn durch bloße Drehung um ein momentan zusammenfallendes Achsenpaar das folgende zur Deckung kommt, wie dies z. B. bei Kegel- und Cylinderflächen stattfindet. Wird die Forderung gestellt, daß bei der Relativbewegung des einen Elementes eines Paares gegen das andere, dieselben einander stets in allen Punkten berühren, daß also das eine das andere vollkommen umschließt, so ist weder eine Änderung der Achse, noch der Ganghöhe der Schraube möglich; die Bewegung erfolgt alsdann längs einer g e w ö h n l i c h e n oder N o r m a l s c h r a u b e n l i n i e (I. § 37). Die Verbindung einer Schraubenmutter mit einer Schraubenspindel giebt das S c h r a u b e n p a a r , genauer N o r m a l s c h r a u b e n p a a r (Fig. 192). Hält man das eine Element des Paares fest, so kann das andere nur eine ganz bestimmte Bewegung und zwar eine drehend-fortschreitende längs derselben Schraubenlinie ausführen. Es giebt in der Ebene nur zwei Linien, welche so beschaffen sind, daß jedes Stück derselben mit einem

Fig. 192.

Schraubenpaar.

Fig. 193.

Prismenpaar.

Fig. 194.

Drehkörperpaar.

gleichgroßen anderen zur Drehung gebracht werden kann, es ist dies die Gerade und der Kreis. Im Räume giebt es bloß eine Kurve, welche dieselbe Beschaffenheit besitzt, es ist die gewissermaßen aus Gerade und Kreis z u s a m m e n g e s e t z t e N o r m a l s c h r a u b e n l i n i e ; nur längs einer solchen Kurve kann ein Körper sich bewegen, der von einem anderen fest umschlossen ist. Wird die Höhe der Schraubengänge unendlich groß, so ge"ht die Schraube in das P r i s m e n p a a r (Fig. 193) über, bei welchem jedes der Elemente nur eine fortschreitende Bewegung ausführen kann, wenn das andere festgehalten wird. — Ist die Höhe der Schraubengänge gleich Null, so kann nur eine drehende Bewegung stattfinden; man erhält dann das D r e h k ö r p e r p a a r (Fig. 194). — Hält man den ersten Körper fest und bewegt den zweiten, so vollführt dieser dieselbe Bewegung, wie vor-

Gleichgewicht der Kräfte an Maschinen.

172

[Zweiter

hin jener — bei der U m k e h r u n g des Paare3 erhält man wieder dieselbe Bewegung. Es ist aber nicht nötig, daß die Elemente eines Paares einander in allen Punkten berühren, sie können dies auch nur in einzelnen, wechselnden Punkten, jedoch derart thun, daß die beabsichtigte Bewegung und keine andere erfolgen muß. Beide Arten von Elementenpaaren haben die Eigenschaft der g e g e n s e i t i g e n U m h ü l l u n g und der Zwangl ä u f i g k e i t miteinander gemein, die ersteren nennt man n i e d e r e oder U m s c h l u ß p a a r e , die letzteren h ö h e r e Elementenpaare. In Fig. 195 berührt z. B. ein Körper einen anderen in drei Punkten, und es wird der eine im andern eine Drehung ausführen können, wenn die drei Normalen in den drei Berührungspunkten einander in einem Punkte O schneiden. Nach einer unendlich kleinen Drehung um O werden sich die zwei Ele-

Fig. 195.

Höheres Paar.

Fig. 196.

Hebel als vollkommenes Drehkörperpaar.

mente wieder in drei anderen Punkten berühren und es kann eine weitere Drehung erfolgen, wenn sich die Normalen an die drei neuen Berührungspunkte abermals in einem Punkte schneiden — das Elementenpaar ist zwangläufig ohne Umschlußpaar zu sein. Es giebt aber auch unselbständige Paare, d. i. solche, bei denen die zwei Elemente einander nur nach einer Seite hin berühren, sodaß keine Zwangläufigkeit statt", / ¡. findet, wie dies z. B. bei einem Hebel und einer schiefen Ebene in der gewöhnlichen Ausführung, sowie bei gezahnten Rädern der Fall ist. Bei den ersteren wird die ständige BerühFig. 197. WagbalkenFig. 198. Verbindung gezahnter rung durch eine Kraft schneide und Pfanne. Räder. (z. B. die Schwerkraft) bewirkt — k r a f t s c h l ü s s i g ; bei den letzteren durch feste Verbindungen (Verkettung) — k e t t e n s c h l ü s s i g . Fig. 196 zeigt den Hebel als vollkommen ausgeführtes, Fig. 197 als unselbständiges, kraftschlüssiges Drehkörperpaar (Wagbalkenschneide und Pfanne); Fig. 198 zeigt zwei gezahnte Räder, bei welchen der ständige Anschluß durch die Verbindung der Achsen mittels einer Stange c erreicht ist. — Inwiefern weicht die gewöhnliche Ausführung der schiefen Ebene von einem vollkommenen Prismenpaar ab? § 183. Kinematische Ketten. Durch Verbindung von Elementen-

Kursus.]

Gleichgewicht der Kräfte an Maschinen.

173

paaren gelangt man zu komplizierteren Gebilden, den k i n e m a t i s c h e n Ketten. Fig. 199 zeigt eine Verbindung von vier Drehkörperpaaren: ab, de, ef und hg. Hier ist der Zapfen b mit dem Zapfen c, ferner die Hülse d mit der Hülse e, der Zapfen f mit dem Zapfen g und die Hülse h mit der Hülse a durch eine Stange verbunden; das Ganze bildet eine kinematische Kette, und zwei (durch eine Stange) verbundene gleichartige Elemente zweier Paare heißen ein G l i e d der Kette (z. B. der Zapfen b und der mit ihm durch eine Stange verbundene Zapfen c). Von einer b e s t i m m t e n Bewegung aller Glieder kann nur dann die Rede sein, wenn ein Glied festFig. 199. Kinematische Kette. gestellt ist. Wenn eine kinematische Kette so beschaffen ist, daß jedes Glied gegen das andere eine ganz bestimmte r e l a t i v e Bewegung ausführen muß, so nennt man die Kette z w a n g l ä u f i g g e s c h l o s s e n oder kurz g e s c h l o s s e n ; wird aber ein Glied festgestellt, z. B. ah, so beschreiben die Glieder einer geschlossenen Kette gegen ah bestimmte a b s o l u t e Bewegungen; man nennt eine solche Kette einen M e c h a n i s m u s oder ein Getriebe. Die in Fig. 199 abgebildete Kette (welche die Bewegung zwischen Balancier und Kurbel einer Niederdruckmaschine vorstellt) kann auf vier Arten zum Getriebe gemacht werden. Wirkt auf ein Glied eines Mechanismus eine Kraft, welche dasselbe in Bewegung zu setzen vermag, so erhält man eine M a s c h i n e . Die Verkettung von Elementen dient, wie schon § 182 angedeutet, nicht selten dazu, die sichere und ständige Berührung unselbständiger Elementenpaare zu bewirken. In Fig. 198 sind die Zahnräder a und b dadurch in ständiger Berührung gehalten, daß ihre Zapfen im Inneren zweier an einer Stange c angebrachter Hohlformen sich drehen: das Ganze ist kein geschlossenes Paar, sondern eine geschlossene kinematische Kette aus drei Paaren und drei Gliedern; ein Elementenpaar sind die gezahnten, ineinandergreifenden Umfänge a und b der Räder, die beiden anderen Elemente sind die zwei Zapfen, jeder von seiner an der Stange c angebrachten Hohlform umschlossen; das Element a ist durch den Körper des Rades mit dem einen Zapfen, das Element b ebenso mit dem anderen Zapfen verkettet (vergliedert), während das dritte Glied durch die Stange e, welches die beiden Hohlformen verbindet, gebildet wird. § 184. Die biegsamen kinematischen Elemente. In der Mechanik werden nicht bloß starre, sondern auch biegsame feste, sowie flüssige und gasförmige Körper als Maschinenelemente verwendet. Als biegsame feste Körper verwendet man die Schnur oder das Seil, das Band und den Riemen, das Drahtseil, das Bremsband u. s. w. Diese Körper sind wenigstens in einer Richtung wie starre Körper verwendbar

•11191

m

m

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Gleichgewicht der Kräfte an Maschinen.

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und heißen deshalb Zug- oder D r u c k k r a f t o r g a n e , je nachdem sie in der Richtung des Zuges oder des Druckes sich wie starre Körper verhalten. Wegen ihrer Nachgiebigkeit lassen sich die Zugkraftorgane leicht mit festen Körpern zu Elementenpaaren vereinigen (Rolle, Flaschenzug, Wellrad). Bei der Bewegung berühren diese Zugkraftorgane die Elemente, mit welchen sie verbunden sind, immer in anderen und anderen Punkten (und zwar kraftschlüssig); sie bilden also mit diesen höhere Elementenpaare. — Zu den Druckkraftorganen gehört die gegliederte Bremskette (Fig. 200), welche, in einen Hohlcylinder eingelegt, durch einen am einen Ende ausgeübten Druck sich vorwärts schieben läßt. Die meisten Druckkraftorgane gehören aber den flüssigen und gasförmigen Körpern Fig. 200. Gegliederte Bremskette. an; die flüssigen sind hierzu namentlich durch ihre Unzusammendrückbarkeit und die gasförmigen, wie Wasserdampf und heiße Luft, durch ihre Spannkraft befähigt; sie sind stets in Gefäße eingeschlossen, mit denen sie ein Paar bilden (Fig. 201). Ihre Anwendung in dem Maschinenwesen ist sehr mannigfaltig — Wassersäulenmaschine, hydraulische Presse, Dampf- und Heißluftmaschine.

Fig. 201. Druckkraftorgan (hydraulische Presse).

Fig. 202. Kraftschluß durchFedern.

Als Zug- und Druckkraftorgane gleichzeitig verwendbar sind die F e d e r n , namentlich Spiralfedern. Sind die Gänge der Federn dicht beieinander, so eignen sie sich mehr zu Zug-, und sind sie weit auseinander, zu Druckkraftorganen; im letzteren Falle ist es gut, um das seitliche Ausweichen zu verhindern, sie in Gefäße einzuschließen. Auch können die Federn verwendet werden, um den Kraftschluß bei unselbständigen Elementenpaaren herbeizuführen. Damit z. B. ein Kolben in dem Cylinder einer Dampfmaschine gut schließt, setzt man denselben aus mehreren Stücken zusammen (Fig. 202); an dem Kern in der Mitte sind Federn angebracht, welche die Kolbenstücke stets fest an den Cylinder pressen. Damit der Dampf nicht durch die Ritzen entweichen kann, ist der Kolben aus zwei Lagen derart gebildet, daß die Ritzen nicht übereinander zu liegen kommen. Bei Zug- und Druckkraftorganen kann nur

Kursus.]

Gleichgewicht der Kräfte an Maschinen.

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Gleichgewicht bestehen, wenn gleiche und entgegengesetzte Zug- oder Druckkräfte an ihnen wirken. § 185. Elementengattungen. Stellen wir die Elementenpaare, welche bei den Maschinen vorkommen können, zusammen, so erhalten wir folgende Gattungen: 1) H ö h e r e P a a r e : a) a u s s t a r r e n E l e m e n t e n : Die allgemeine Schraube in ihren verschiedenartigen Gestaltungen; b) m i t b i e g s a m e n E l e m e n t e n : Zugkraftorgan, Druckkraftorgan und Gefäß. 2) N i e d e r e o d e r U m s c h l u ß p a a r e : Normalschraube, Drehkörperpaar nnd Prismenpaar. § 186. Der Hebel. Die an einem Hebel wirkenden Kräfte sind I. § 28. Drehkräfte, deren Drehpunkt der Unterstützungspunkt des Hebels ist. Es gilt deshalb der Satz: A n e i n e m H e b e l h e r r s c h t G l e i c h g e w i c h t , wenn die a l g e b r a i s c h e S u m m e d e r D r e h m o m e n t e in b e z u g auf d e n U n t e r s t ü t z u n g s p u n k t g l e i c h N u l l ist (§ 167). In Fig. 203 findet Gleichgewicht statt, wenn: P j . DAX - P 2 . DB, + P 3 . DG, - P 4 . DE, + PS.DF,= 0. Die Dreharme, d. h. die Senkrechten, vom Unterstützungspunkt auf die Richtungen der Kräfte nennt man hier H e b e l a r m e . Das allgemeine Hebelgesetz läßt sich auch aus § 176 ableiten: Dreht man den Hebel nur um einen sehr kleinen Winkel, so beschreiben die Endpunkte der Hebelarme sehr kleine Bogen u t , a 2 . . . «>,, ics . . ., welche als die (in die Richtungen der Kräfte fallenden) Wege der Kräfte genommen werden können; dann ist nach § 176:

D

Fig. 203.

Hebelgesetz.

P, m, + P 2 M2 + . • — Qi wi ~ Qnw2 — • . • = 0. Nun verhalten sich aber die Bogen wie die Hebelarme u. s. w.

Wie das Gleichgewichtsgesetz bei nur zwei Kräften (Kraft und Last) ausgeprochen wird, siehe I. § 28. Sind die zwei geradlinigen, an einem Hebel wirkenden Kräfte einander parallel, so kann man in obiger Proportion statt der Hebelarme die Stücke der Stange setzen, welche vom Drehungspunkt bis zu den Angriffspunkten der Kräfte reichen (Fig. 205): P : Q = DB: DA. Fallen die Hebelarme in eine Gerade (Fig. 204), so hat man einen g e r a d l i n i g e n , sonst einen W i n k e l h e b e l (Fig. 205). Der Druck auf den Drehungspunkt des Hebels wird angegeben durch die Resultierende aller am Hebel wirkenden und parallel mit sich selbst an den Drehungspunkt verlegten Kräfte. Ginge die Resultierende aller

Gleichgewicht der Kräfte an Maschinen.

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an einem Hebel wirkenden Kräfte (falls eine solche vorhanden ist) nicht durch den festen Unterstützungspunkt, so könnte sie nicht aufgehoben werden und es könnte deshalb auch kein Gleichgewicht stattfinden. Aufgaben. 1) Die Hebelstange eines mathematischen zweiseitigen Hebels hat eine Länge von 0,75 m; der Drehungspunkt ist 0,25 m von dem einen Ende entfernt, an welchem eine Kraft von 2 kg wirkt; wie groß muß für den Zustand des Gleichgewichtes die am anderen Ende wirkende Kraft sein? — 2) Wie groß ist die gesuchte Kraft in der vorigen Aufgabe, wenn der Hebel ein physischer ist und sein Gewicht 0,5 kg beträgt? — 3) An einer überall gleichschweren Hebelstange von 0,25 kg Gewicht und 1,25 m Länge, deren Unterstützungspunkt 0,55 m vom einen Ende entfernt ist, wirken drei vertikal abwärts ziehende Kräfte P n P 2 , P 3 , in den Entfernungen 0,25; 0,35; und 0,80 von dem Ende, welches dem Unterstützungspunkte am nächsten ist. Wie groß muß P 3 sein, wenn P, = 3 kg und

Fig. 204.

Geradliniger Hebel.

Fig. 205.

Winkelhebel.

P 2 = 5 kg ist? — 4) Wie groß ist P 3 in der vorigen Aufgabe, wenn die Kräfte P 1; P 2 und P 3 mit der Stange (von dieser aus in der gewöhnlichen Drehungsrichtung gezählt) die Winkel 65° 20', 72° 45' und 102° 33' bilden? (Zerlege die Kräfte je in zwei, von denen die eine in die Richtung der Stange fällt und die andere auf ihr senkrecht steht.) — 5) Vier Kräfte wirken an einer gewichtlos gedachten Stange von 1 m Länge in den Entfernungen 0,25, 0,50, 0,60 und 0,85 m von dem einen Endpunkte; die Winkel, welche die Kräfte (von der Stange aus in der gewöhnlichen Drehungsrichtung gezählt) mit der Stange bilden, seien 72° 18', 106° 14', 204° 13' und 226° 18'; wo muß für den Fall des Gleichgewichtes der Drehungspunkt liegen, wenn die Kräfte bezüglich 1 kg, 1,5 kg, 2 kg und 2,5 kg betragen?

I. § 30.

§ 187. Die gleicharmige Hebelwage (gewöhnliche Schalenwage). Drei Eigenschaften muß eine brauchbare Wage haben, sie muß r i c h t i g , s t a b i l und e m p f i n d l i c h sein. 1) Die Wage ist richtig, wenn der Wagbalken ein gleicharmiger Hebel ist und die Wagbalkenhälften sowie die Wagschalen gleich schwer sind; alsdann müssen auch gleiche Gewichte in den Schalen im Gleichgewicht stehen. 2) Die Wage ist s t a b i l , wenn der Schwerpunkt des Wagbalkens, sowie die Mitte der Verbindungslinie der Aufhängepunkte der Schalen unter dem Drehungspunkte sich befinden; ja auch dennoch, wenn letztere in den Drehungspunkt fallt; liegt sie aber oberhalb desselben, so wird die Stabilität zweifelhaft. 3) Um die Bedingungen für die E m p f i n d l i c h k e i t zu untersuchen, denken wir uns in die eine Wagschale ein Übergewicht^» gelegt; es senkt sich nun der Wagbalken auf dieser Seite und bildet mit seiner vorigen Lage einen gewissen Winkel a, den A u s s c h l a g s w i n k e l .

Kursus.]

Gleichgewicht der Kräfte an Maschinen.

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Ist AS (Fig. 206) die Verbindungslinie der Aufhängepunkte der Schalen, R die Mitte dieser Linie, B der Drehungspunkt, 2 P das Gewicht der Wagschalen und der gleichen Belastung, S der Schwerpunkt des Wagbalkens, dessen Gewicht = Q sei und p das an A wirkende Übergewicht, dann ist für den Zustand des Gleichgewichts: p . I)Ä= 2 P . BR + Q. DS". Hieraus findet sich leicht: p.AT. cos« = [2 P.BR + Q.BS] sin« oder: p.AT = [1P.BR + Q.BS] tg a. Nun ist aber: p . AT — p. AR — p • TR = p.AR-p.BR.iga, woraus, wenn l = A R die Länge des Wagbalkens bedeutet: p.l = [(2 P + p).BR + Q. BS] . tga, oder: p^l 9 " (2 P + p)BR + Q.BS' Der Ausschlagswinkel wird also um so größer, je größer das Ubergewicht und je länger der Wagbalken, je kleiner das Gewicht der Wagschalen, der gleichen Belastung und des Wagbalkens und je kleiner die Abstände des Schwerpunktes des Wagbalkens und des Punktes R von dem Drehungspunkt ist. Die E m p f i n d l i c h k e i t einer Wage bestimmt sich nach dem Verhältnis des kleinsten Übergewichtes, welches noch einen Ausschlag hervorbringt, zu der größten Belastung, welche die Wage Fig. 206. Gleichgewicht an der Wage. verträgt. Die Empfindlichkeit soll nicht unter V200000 sein und geht oft noch bis VioooooooGeht die Verbindungslinie der Aufhängepunkte durch den Drehpunkt, so ist wegen DR = 0: , tgtt =

-Q7BS '

es ist also der Ausschlagswinkel von der Belastung theoretisch unabhängig (Reibung!), und es verhalten sich die Tangenten der Ausschlagswinkel wie die Übergewichte. Um zu sehen, ob eine Wage richtig ist, vertauscht man zwei Massen, welche Gleichgewicht herstellen, miteinander, indem man jede in die andere Wagschale bringt; tritt abermals Gleichgewicht ein, so ist die Wage richtig. Mit einer unrichtigen Wage wiegt man, indem man den zu wiegenden Körper durch Schrotkörner „tariert", den Körper aus der Wagschale entfernt und statt desselben Gewichte einlegt (Bordas doppelte Wägung). Die häufig an den Enden des Wagbalkens angebrachten Schrauben dienen zur Regulierung der Länge desselben und eine Schraube in der Mitte des Wagbalkens (oben) zur Regulierung der Lage des Schwerpunktes. Bei der gewöhnlichen und der Straßburger Wage (I. § 30) ist es gleichgültig, auf welche Stellen der Schalen man Ware und Gewicht legt; denn wenn im Gleichgewichtszustand die Wage in Bewegung gesetzt wird, so beschreiben die Angriffspunkte von Kraft und Last gleiche Wege, einerlei auf welchen Stellen der Schalen Ware und Gewicht liegen. Wir fügen hier noch die Beschreibung der Z e i g e r w a g e (Fig. 207) an; sie ist ein Winkelhebel, an dessen einem Arme die Wagschale hängt, während der K r e b s , Physik. II. Anfl.

12

Gleichgewicht der Kräfte an Maschinen.

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[Zweiter

andere, der Zeiger, derart beschwert ist, daß er bei unbelasteter Schale auf den Nullpunkt der Teilung zeigt; die Einteilung an dem Quadranten macht man empirisch, indem man 1, 2, 3 . . . g auflegt und die Stellen bezeichnet, wohin der Zeiger weist. A u f g a b e . Es sei D (Fig. 208) der Drehungspunkt einer Schnell wage und A der Aufhängepunkt der Ware; wie ist die Einteilung des Balkens auszuführen, wenn ein Gewichtstein von 1 kg an C oder E angebracht werden muß, um einer Ware (an A) von 1 kg, bezüglich n kg das Gleichgewicht zu halten? Der Wagbalken nebst Schale oder Haken, dessen Schwerpunkt in 8 liegt, wiege m kg.

Fig. 207. Zeigerwage.

Fig. 208.

Schnellwage.

§ 188. Zusammengesetzte H e b e l w a g e n . D i e Brücken- oder D e z i m a l w a g e (Fig. 209) ist ein zusammengesetztes Hebel werk. An dem Endpunkt A des Hebels ACD hängt die Wagschale mit dem Gewicht P und auf der „Brücke" EF liegt die Last Q. Der eine Endpunkt E der Brücke ist mit dem Punkt B des Hebels ACD verbunden und der ÜB 1) andere F, um wel~K chen sich die Brücke drehen kann, ruht auf einer mit GHverbundenen Pfanne; F G H selbst ist wieE H der um H drehbar, G während G mit D a verbunden ist. Fig. 209. Brückenwage. Die • Brückenwage ist so eingerichtet, daß die Ware Q stets das Zehnfache des Gewichtes P beträgt, einerlei auf welche Stelle der Brücke man sie legt. Liegt Q in J auf, so zerlegt sich Q in Q.EJ Q.JF und EF EF ' von denen das erstere in E oder in B und das andere in F eingreift und sich auf K überträgt. Die in K wirkende Komponente zerlegt sich wieder in zwei, von denen die an