Grundlagen des Tourismus: Lehrbuch in 5 Modulen 9783486709902

Dieses Buch besteht aus fünf etwa gleich umfangreichen Modulen: (1) Einführung Tourismus von Waldemar Berg (2) Grundlage

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Grundlagen des Tourismus: Lehrbuch in 5 Modulen
 9783486709902

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Grundlagen des Tourismus Lehrbuch in 5 Modulen

von

Prof. Dr. Axel Schulz Waldemar Berg Prof. Dr. Marco A. Gardini Prof. Dr.Torsten Kirstges Prof. Dr. Bernd Eisenstein 3., vollständig überarbeitete Auflage

OldenbourgVerlag München

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

© 2010 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0 oldenbourg.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Lektorat: Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, [email protected] Herstellung: Anna Grosser Coverentwurf: Kochan & Partner, München Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier Gesamtherstellung: Druckhaus „Thomas Müntzer“ GmbH, Bad Langensalza ISBN 978-3-486-59725-7

Vorwort Reisen war früher das Privileg einer kleinen Schicht von Adligen, die zur Zerstreuung in die Sommerfrische fuhren. Heute ist Urlaub und Reisen ein fester Bestandteil im Leben von vielen Millionen Menschen. Die Entwicklungen im Massentourismus machen es möglich, dass Touristen nahezu alle Länder und Kontinente der Welt bereisen können. Die Tourismusindustrie zählt weltweit zu den größten und dynamischsten Wirtschaftszweigen mit einer großen ökonomischen Bedeutung für die Zielregionen rund um die Welt. Aufgrund der zunehmenden Bedeutung dieser Industrie rücken die betriebswirtschaftlichen Managementtechniken sowie die volkswirtschaftlichen Effekte des Tourismus immer stärker in den Fokus der Betrachtung. Das vorliegende Buch erläutert die wesentlichen Bestandteile, Merkmale und Systemteilnehmer in einem kompakten Werk. Hierzu ist unser Buch in fünf etwa gleich umfangreiche Module unterteilt: Modul 1: Einführung Tourismus von Waldemar Berg Die Tourismusbranche ist eine von starken Veränderungen geprägte „Industrie“, die nicht mehr nur eine Geschäftsbeziehung zwischen den Systemteilnehmern (Reisenden, Reiseveranstaltern, Reisevermittlern und den Leistungsträgern) darstellt, sondern mit ihren ergänzenden Bereichen und ihren Randbereichen mittlerweile weltweit der größte Arbeitgeber ist. In „Einführung Tourismus“ werden die Wirkungsweisen und Charakteristika im Tourismus sowie deren komplexe volkswirtschaftlichen Effekte aufgezeigt. Darüber hinaus werden auch auf die Vernetzung mit anderen Wirtschaftsund Industriezweigen, der Notwendigkeit einer gezielten Tourismuspolitik und die unterschiedlichsten Interessensvertretungen eingegangen. Auch werden die im Tourismus relevanten Managementtechniken (z.B. Krisen-, Lean-, Projektmanagement)sowie alle Akteuren, die in den einzelnen Segmenten des Tourismus tätig sind, vor- und dargestellt. Modul 2: Grundlagen Verkehr im Tourismus von Axel Schulz Verkehrsdienstleistungen sind wichtiger Bestandteil der touristischen Leistungskette und erfreuen sich kontinuierlich wachsender Markt- und Beförderungszahlen. Unter-

VI

Vorwort

nehmen wie der Frankfurter Flughafen oder die Deutsche Bahn gehören zu den größten Unternehmen und damit auch Arbeitgebern in Deutschland und leisten einen unverzichtbaren Beitrag für den Industriestandort Deutschland. Modul 2 gibt eine strukturierte Einführung in alle wesentlichen Aspekte des Luft-, Schiffs-, Bahn- und Straßenverkehr. Hierbei werden die wichtigsten operativen Bereiche und Managementaufgaben der Verkehrsbetriebe vorgestellt, so dass der Verkehr in der Luft, auf der Straße, auf der Schiene und auf dem Wasser aus touristischer Perspektive in einem Werk hinreichend behandelt wird. Modul 3: Grundlagen der Hotellerie und des Hotelmanagements im Tourismus von Marco A. Gardini Die Hotellerie ist eine spannende und lebendige Branche. Die Veränderungsdynamik in der Hotelbranche nimmt zu und so sieht sich die Wettbewerbs- und Managementlandschaft in der Hotellerie inmitten eines tiefgreifenden Prozesses der Veränderung, der mittel- bis langfristig zu nachhaltigen Restrukturierungen auf vielen Hotelmärkten führen wird. Nicht zuletzt die globale Wirtschafts- und Finanzkrise der letzten Jahre lehrt uns, die Hotellerie weniger als Handwerk zu verstehen, denn als eine internationale und vernetzte Branche, deren Akteure, Eigentümer ebenso wie Manager, im intensiven und länderübergreifenden Wettbewerb stehen. Der Wandel von kleinen, personengebundenen Wirtschaftseinheiten zu größeren Organisationen, rückt demzufolge das Management dieser Unternehmen an eine zentrale Stelle und der Beruf des Managers bzw. die Managementtätigkeit in der Hotellerie erlangt eine veränderte Bedeutung. Modul 4: Grundlagen des Reisemittler- und Reiseveranstaltermanagements von Torsten Kirstges Dieses Modul stellt eine Einführung in das Management, die Aufgabenbereiche und die Arbeitsabläufe bei Tourismusunternehmen dar, die als Reiseveranstalter oder Reisemittler agieren. Der Leser lernt die Besonderheiten dieser touristischen Dienstleistungen sowie die zentralen Strukturen ihres Marktes kennen und erfahren, mit welchen Geschäftsmodellen und Marketingmaßnahmen Veranstalter und Reisebüros erfolgreich sein können. Einblicke in die Grundlagen des Reiserechts sowie in die besonderen umsatzsteuerlichen Rahmenbedingungen des Veranstaltergeschäfts runden dieses Modul ab. Modul 5: Grundlagen des Destinationsmanagements von Bernd Eisenstein Touristische Zielgebiete als geographische Räume sind nach wie vor die „Kristallisationspunkte des touristischen Geschehens“. Der durch die veränderten Rahmenbedingungen intensivierte Wettbewerb auf diesem Markt von Räumen hat zu einer umfas-

Vorwort

VII

senden Diskussion geführt, in deren Fokus die Frage steht, wie insbesondere traditionelle Destinationen den neuen Anforderungen gerecht werden können. Auch wenn dessen Grundzüge erklärt werden, so steht das moderne Management der Destination nicht im Mittelpunkt der vorliegenden Publikation. Es ist vielmehr das Anliegen dieses Moduls, ein Grundverständnis für das „Produkt Reiseziel“ im Sinne eines touristischen Raumes zu schaffen, um die anschließend tiefer gehende Auseinandersetzung mit den Problembereichen und Lösungsansätzen des Managements von Tourismusorganisationen und Destinationen zur Bewältigung der zukünftigen Herausforderungen zu erleichtern. In diesem Sinne werden als Grundlagen des Destinationsmanagements die Rolle des touristischen Zielgebietes im System Tourismus und die Wirkungen des Tourismus im Zielgebiet erläutert. Es wird aufgezeigt, wie sich die Nachfrage nach Reisezielen darstellt, welche Phasen der touristischen Entwicklung ein geografischer Raum durchlaufen kann und welche Bestandteile als Produktionsfaktoren eine Rolle für die Wettbewerbsfähigkeit der Destination spielen. Das vorliegende Buch in seiner Gesamtheit richtet sich an alle Studenten und Studentinnen von Universitäten, Hochschulen, Berufsakademien und privaten Bildungseinrichtungen mit dem Schwerpunkt Tourismus in all seinen Ausprägungen. Es leistet einen Beitrag für ein grundlegendes Verständnis der Tourismusbranche, ihre Vernetzung mit anderen Wirtschafts- und Industriezweigen sowie ihre Spezifika und Funktionsweisen. Kempten, München, Wilhelmshaven und Heide im März 2010

Axel Schulz Waldemar Berg Marco A. Gardini Torsten Kirstges Bernd Eisenstein

Inhaltsübersicht Vorwort

V

Modul 1: Einführung Tourismus

1

Waldemar Berg Modul 2: Grundlagen Verkehr im Tourismus

139

Axel Schulz Modul 3: Grundlagen der Hotellerie und des Hotelmanagements im Tourismus

275

Marco A. Gardini Modul 4: Grundlagen des Reisemittler- und Reiseveranstaltermanagements

423

Torsten Kirstges Modul 5: Grundlagen des Destinationsmanagements

551

Bernd Eisenstein Stichwortverzeichnis

709

Einführung Tourismus Überblick und Management Waldemar Berg

Modul 1

Modul 1

Modul 1

Inhaltsverzeichnis 1

Wirtschaftsfaktor Tourismus

7

1.1

Grundlagen im Tourismus

8

1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4 1.2.5

Wirtschaftsfaktor Tourismus Tourismus in Zahlen Ökonomische Effekte Kennzahlen im Tourismus Das touristische Angebot Die touristische Nachfrage

2

Tourismuspolitik

2.1

Begriffsdefinition Politik/ Tourismuspolitik

46

2.2

Zielsetzungen und Instrumente der Tourismuspolitik

47

2.3

Träger und Ebenen der Tourismuspolitik

49

2.4 2.4.1 2.4.2

Internationale Tourismuspolitik Internationale Organisationen/ Institutionen Internationale Dach- und Fachverbände

50 51 54

2.5 2.5.1 2.5.2

Nationale Tourismuspolitik Staatliche Tourismuspolitik Nicht-staatliche Träger der nationalen Tourismuspolitik

58 59 61

2.6

Regionale und Kommunale Tourismuspolitik

64

3

Ausgewählte Managementformen im Tourismus

3.1 3.1.1 3.1.2

Grundlagen des Managements Der Begriff Management Managementfunktionen

72 72 73

3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5

Yield-Management Begriffsdefinition Anwendungsgebiete und Ziele des Yield-Managements Instrumente des Yield-Managements Rahmenbedingungen des Yield-Managements Voraussetzungen für ein erfolgreiches Yield-Management

75 75 75 76 78 79

12 12 21 26 29 34 45

71

4

Inhaltsverzeichnis

3.2.6

Chancen und Risiken des Yield-Managements

80

3.3 3.3.1 3.3.2

Cash-Management Abgrenzung und Funktion des Cash-Managements Aufgaben und Gestaltungsräume des Cash-Managements

81 81 82

3.4 3.4.1 3.4.2 3.4.3 3.4.4 3.4.5 3.4.6 3.4.7

Krisenmanagement Arten Spezifika von Krisen Ursachen für Krisen und ihre Auswirkungen im Tourismus Verfahren zur Identifikation potenzieller Krisen Schwerpunkte des Krisenmanagements Die Bedeutung der Kommunikationspolitik im Krisenfall Probleme im Krisenfall Krisenhandbuch

83 84 85 85 87 88 88 89

3.5 3.5.1 3.5.2

Risikomanagement Aufgaben des Risikomanagements Risikoverminderung und Risikovermeidung

91 91 93

3.6 3.6.1 3.6.2

Qualitätsmanagement Dimensionen der Qualität im Tourismus Total-Quality-Management im Tourismus

94 94 95

3.7 3.7.1 3.7.2

Projektmanagement Projektmanagement im Tourismus Phasen des Projektmanagements

98 98 99

3.8

Corporate Social Responsibility-Management

103

3.9 3.9.1 3.9.2 3.9.3 3.9.4

Lean-Management Eigenschaften, Kernelemente und Probleme des Lean-Managements Prinzipien und Leitgedanken des Lean-Managements Grundstrategien und Arbeitsprinzipien des Lean-Managements Umsetzung des Lean-Managements im Tourismus

107 108 108 109 111

3.10 3.10.1 3.10.2 3.10.3

Change-Management Die Umsetzung von Change-Management Risiken und Schwächen des Change-Managements Angewandtes Change-Management im Tourismus

112 113 114 115

3.11 3.11.1 3.11.2 3.11.3

Personalmanagement Personalsituation im Tourismus Problembereiche im Personalmanagement im Tourismus Grundlagen erfolgreichen Personalmanagements

117 117 118 119

3.12 3.12.1 3.12.2 3.12.3

Management der Informationstechnologie im Tourismus (CRS/GDS) Abgrenzung und Träger der Systeme Leistungsangebot, Funktionalität und Finanzierung Vor-, Nachteile und rechtliche Problematik

122 124 125 127

5

Literaturverzeichnis

135

Wichtige Internetquellen

137

Modul 1

Inhaltsverzeichnis

Modul 1

1

Wirtschaftsfaktor Tourismus

Lernziele



Am Ende dieses Kapitels sollten Sie Folgendes können:  wesentliche Grundlagen im Tourismus beherrschen sowie wichtige Definitionen und Abgrenzungen vornehmen können;  die Entstehung und die Entwicklung der Tourismuswirtschaft nachvollziehen können;  die ökonomische Bedeutung des Tourismus beherrschen, wichtige Kennzahlen und Effekte kennen und Tourismus als einen wichtigen Wirtschaftsfaktor begreifen;  wesentliche Spezifika der Anbieter-und Nachfragerseite kennen und nachvollziehen können.

Strandkörbe an der Nordseeküste

8

1.1

Wirtschaftsfaktor Tourismus

Grundlagen im Tourismus

Die Tourismusbranche ist eine der wichtigsten Wachstumsbranchen weltweit. Die WTO (World Tourism Organisation – Welttourismusorganisation) bescheinigt der Tourismuswirtschaft ein stetiges und über dem Durchschnitt anderer Branchen liegendes Wachstum, trotz starker Schwankungen in den vergangenen Jahren ausgelöst durch eine volatile Konjunktur, Epidemien, kriegerische Handlungen und weltweite Terroraktionen. Nach Angaben der WTO und des WTM (World Travel Monitors) wird für die Jahre bis 2010 ein weltweites Wachstum um 5% erwartet. In Europa, als volumenstärkster Markt, wird mit einem Wachstum von 4 bis 5% gerechnet. Die deutsche Reisebranche hat sich erneut als Wachstumsmotor der deutschen Wirtschaft bewährt. Der gesamtwirtschaftliche Produktionswert der Tourismusindustrien in Deutschland beläuft sich auf mehr als ca. 316 Mrd. Euro pro Jahr. Hierbei wird von einer Wertschöpfung der Tourismusbranche von ca. 88 Mrd. Euro ausgegangen. Die Deutschen sind die größten Nettodevisenbringer im internationalen Reiseverkehr. Die Reiseausgaben im Ausland entsprechen 4,7% des gesamten privaten Verbrauchs (DZT 2009). Tourismuswirtschaft ist eine „Querschnittsindustrie“; Kernbereiche der Tourismuswirtschaft sind das Gastgewerbe, Reiseveranstalter und Reisemittler sowie Verkehrsbetriebe wie Fluglinien, Reedereien, Bahn, Bus- und Mietwagenunternehmen. Die Begriffe Tourismus, Fremdenverkehr, Reiseverkehr werden oftmals (und wahlweise) synonym oder für unterschiedliche Erscheinungen verwendet. Der Begriff Fremdenverkehr wird aufgrund der Dienstleistungs- und Kundenorientierung heute zunehmend durch den Begriff Tourismus ersetzt, denn ein Gast oder Kunde wird ungern als Fremder bezeichnet. All diese Bezeichnungen meinen das Reisen, also den Verkehr zwischen dem Heimatort und dem vorübergehenden Aufenthaltsort einer Person zum Zweck der Erholung, der Regeneration, des Gelderwerbs und aus sonstigen Gründen. Der Begriff Fremdenverkehr wird für die Gesamtheit der Beziehungen und Erscheinungen, die mit einer Reise in Verbindung steht, verwendet (Freyer 2001). Der Begriff Fremdenverkehr, heute Tourismus, beschäftigt Wissenschaftler bereits seit gut hundert Jahren. Demzufolge wurden im Zeitablauf auch mehrere Definitionsansätze formuliert, von denen nachfolgend eine Auswahl präsentiert wird. „Fremdenverkehr ist der Begriff all jener und in erster Reihe aller wirtschaftlichen Vorgänge, die sich im Zuströmen, Verweilen und Abströmen Fremder nach, in und aus einer bestimmten Gemeinde, einem Lande, betätigen und damit unmittelbar verbunden sind.“ (Schullern zu Schrattenhofen, 1911) „Summe der Beziehungen zwischen einem am Orte seines Aufenthaltes nur vorübergehend befindlichen Menschen an diesem Ort.“ (Glücksmann, 1935)

9

„Fremdenverkehr ist somit der Inbegriff der Beziehungen und Erscheinungen, die sich aus dem Aufenthalt Ortsfremder ergeben, sofern durch den Aufenthalt keine Niederlassung zur Ausübung einer dauernden oder zeitweilig hauptsächlichen Erwerbstätigkeit begründet wird.“ (AIEST, 1954) „Das Studium des Tourismus sei folglich das Studium von Personen außerhalb von ihrem normalen Lebensraum, der Einrichtungen, die den Erfordernissen der Reisenden entsprechen und der Wirkungen, die sich auf das ökonomische, physische und soziale Wohlergehen der Gastgeber haben.“ (Jafari, 1977) Definitionsansatz im angelsächsischen Raum: „Tourismus ist als eine temporäre Bewegung/Reise von Personen nach Destinationen außerhalb ihrer normalen Arbeitsund Wohnstätte definiert.“ (Mathieson/Wall, 1982) Definitionsansatz nach WTO: analog zu e. g. Definitionen: „… sind Touristen Personen, die ein anderes Land besuchen als das, in dem sie den normalen Wohnsitz haben, für irgendeinen Grund, außer einer Beschäftigung nachzugehen, die vom besuchten Land bezahlt wird.“ (Inskeep, 1991) „Die Gesamtheit der Beziehungen und Erscheinungen, die sich aus dem Reisen und dem Aufenthalt von Personen ergeben, für die der Aufenthaltsort weder hauptsächlicher und dauernder Wohn- noch Arbeitsort ist.“ (Kaspar, 1996) „Fremdenverkehrspolitik ist die zielgerichtete Planung und Beeinflussung/Gestaltung der touristischen Realität und Zukunft durch verschiedene Träger – staatliche, private, übergeordnete.“ (Freyer, 2001) Demzufolge ist ein Reisender jemand, der einen befristeten Ortswechsel (vorübergehende Ortsveränderung) zum Zweck der Erholung (Regeneration) oder dem Gelderwerb vornimmt. Tourismus (oder Fremdenverkehr) schließt außer der Urlaubsreise auch den gesamten Geschäftsreiseverkehr, Tagungs-, Messe- und Kongressreisen sowie die Kur- und Bäderreisen mit ein. Nach Bieger (2002, S. 2) beinhaltet der Tourismus sowohl Geschäfts- als auch Freizeitreisen. Tourismus erfasst nicht nur die Angebote und Nachfrager, sondern auch die wirtschaftlichen, ökologischen, politischen und gesellschaftlichen Folgen. Der Tourismus ist nicht nur ein Wirtschafts-, sondern ein Lebensbereich (12–15% ihres aktiven Lebens verbringt eine Person eines europäischen Industrielandes, die konsequent alle gesetzlichen Ferien ausschöpft, als Tourist – Geschäftsreisen nicht eingerechnet). Tourismus ist sowohl Mobilität im normalen Wohn- und Arbeitsbereich (Freizeit- und Geschäftsreisen) als auch Bewegung/Mobilität außerhalb des normalen Wohn- und Arbeitsbereiches sowie Reisen mit Übernachtungen (Urlaubs- und Geschäftsreisen). Freyer bilanziert aus den o. g. Definitionsansätzen und unterscheidet zwischen einem touristischen Kernbereich, einem engeren und weiteren Tourismusbegriff. Der „weit“ gefasste Tourismusbegriff meint alle Erscheinungen, die mit dem Verlassen des ge-

Modul 1

Wirtschaftsfaktor Tourismus

10

Wirtschaftsfaktor Tourismus

wöhnlichen Aufenthaltsortes und dem Aufenthalt am anderen Ort verbunden sind, während der „eng“ gefasste Tourismusbegriff eine Abgrenzung hinsichtlich der Zeit und Reisedauer, des Ortes und der Entfernung und der Motive des Ortswechsels mit der jeweiligen Schwerpunktsetzung vornimmt. Der touristische Kernbereich betrachtet eine mindestens mehrtägige Urlaubs- und Erholungsreise. Tourismus ist von zwei wesentlichen Faktoren abhängig. Zum einen von konstitutiven Elementen des Reisens (der Ortswechsel, der Aufenthalt und das Motiv) und zum anderen von der verfügbaren Zeit bzw. Freizeit (gebundene und/oder ungebundene). Ein weiterer Ansatz einer wissenschaftlichen Betrachtung ist die Unterscheidung bzw. die Definition des Begriffes Tourismus bzw. Fremdenverkehr (Eisenstein 2000) in eine Normaldefinition (Teilung zwischen „Verkehr“ und „fremd“), eine Realdefinition (Betrachtung des Fremdenverkehrs überwiegend bzw. ausschließlich aus Sicht seiner ökonomischen Wirkungen) und eine Universaldefinition (Versuch der Erfassung aller mit dem Begriff Fremdenverkehr in Zusammenfassung stehende Arten, Erscheinungsformen und Merkmale durch Verallgemeinerungen). Die Tourismusindustrie wird abgegrenzt in eine „klassische“ (auch primäre oder Tourismusindustrie i. e. S.), eine „ergänzende“ Tourismusindustrie und eine touristische „Randindustrie“ (Freyer 2001). 





klassische Tourismusindustrie: Hier werden tourismus-typische Produkte und Dienstleistungen von tourismus-typischen Unternehmen (z. B. Reiseveranstalter, Reisemittler, Fluggesellschaften) für einen typischen Nachfrager (Reisenden) erstellt. ergänzende Tourismusindustrie: Hier werden tourismus-typische Produkte und Dienstleistungen (z. B. Reiseliteratur, Reisebekleidung) von einem tourismus-untypischen Unternehmen (z. B. Verlag, Bekleidungsunternehmen) für einen typischen Nachfrager (Reisenden) erstellt. touristische Randindustrie: Hier werden tourismus-untypische Produkte und Dienstleistungen (z. B. Bewirtungen, Massagen) von tourismus-untypischen Unternehmen (z. B. Gastronomen, physiotherapeutische Praxen, Friseure) für typische Nachfrager (Reisende) erstellt.

Reisen haben sich von einem „Luxusgut“ in der Vergangenheit zu einem „Massengut“ in der Gegenwart entwickelt. Dies ist einer Reihe von Faktoren geschuldet (Freyer 2001). Zu dieser Entwicklung trugen bei u. a. das Transportwesen und die Motorisierung der Gesellschaft, eine verbesserte Einkommenssituation und der gestiegene Wohlstand der Bevölkerung (insbesondere ab dem Jahr 1960), der Anstieg der Freizeit und die stetige Erweiterung des Jahresurlaubes von abhängig Beschäftigten, die rasante Entwicklung des Kommunikationswesens mit der Möglichkeit zur Echtzeitübertragung von Anfragen und Buchungen, ein zeitweiliges Bevölkerungswachstum, ein höheres Bildungsniveau und das Entstehen einer Tourismusindustrie, die spezifische Produkte für die spezifische Nachfrage nach Ortsveränderungen erstellt.

11

Eine wichtige Abgrenzung muss hinsichtlich der Tourismusarten und der Tourismusformen vorgenommen werden. Die Strukturierung von Reiseerscheinungen nach „Tourismusarten“ beantwortet die Frage nach dem Warum (Warum wird ver- bzw. gereist?); es handelt sich somit um eine Gliederung nach den „inneren“ Merkmalen, wie z. B. Reiseinhalt, Reisemotiv und Reiseziel. Die Strukturierung nach „Tourismusformen“ beantwortet die Frage nach dem Wie (Wie wird ver- bzw. gereist?); es handelt sich somit um eine Gliederung nach den „äußeren“ (formalen) Merkmalen, z. B. Reisedauer, Reisemittel, Reisezeitpunkt, Reiseorganisation (Bütow 2006).

Tourismusart

Tourismusform

Frage: Warum wird ver- bzw. gereist? Gliederung nach den „inneren“ Merkmalen, z.B.

Frage: Wie wird ver- bzw. gereist? Gliederung nach den „äußeren“ (formalen) Merkmalen, z.B.

Reiseinhalt, z.B. Geschäfts-, Besuchs-, Pilger-,

Reisedauer, z.B. Ausflug, Kurzreise,

Bildungs-/Studien-, Urlaubsreise, Bade-, Sporturlaub, Naturerlebnis, Sextourismus, Kur-/Wellness-Aufenthalt

Urlaubsreise, Langzeitreise

Reisemotiv, z.B. Erholung, Erlebnis, Selbstverwirklichung, Entdeckung, Arbeit, Kontemplation u.a.

Reisezeitpunkt, z.B. Haupt-, Vor-, Nach-, Zwischensaison, Feiertage, Jahreszeiten

Reiseziel, z.B. Fernreise oder Naherholung, Auslands- oder Inlandsreise, Incoming oder Outgoing, Berge, Land, Wasser, Städte, Kultur, Höhlen u.a.

Reisemittel, z.B. Bahnreise, Flugreise, Busreise, Schiffsreise, Pkw-Reise, Fahrradreise, Bootsreise u.a. Reiseorganisation, z.B. Pauschal- (Voll-, Teilpauschalreise) oder Individualreise

Reiseteilnehmer, z.B. Kinder-/Jugendreise, Seniorenreise, Familienreise, Gruppenreise u.a.

Abb. 1.1 Reisearten und Reiseformen

(Quelle: Bütow 2006)

Ein anderer Abgrenzungsansatz ist der von Freyer, dargestellt in nachfolgender Abbildung.

Modul 1

Wirtschaftsfaktor Tourismus

12

Wirtschaftsfaktor Tourismus

Abgrenzung nach: Arten und Formen des Tourismus Motivation (Motiv, Bezeichnung)

Geschäft und Gesundheit (Geschäfts- und Kurtourismus)

Erholung (Urlaubs-, ErholungsTourismus)

Studium, Arbeit, Auswandern (Studien-, AuswanderungsTourismus, Arbeitsaufenthalte)

Dauer (Tage, Übernachtungen, Bezeichnung)

0 bis 24 Stunden, 1 bis 4 Tage, 5 bis 31 Tage (Tagestourismus, Ausflugs-, Kurzreisen)

5/6 bis 45 Tage (Erholungstourismus, Langzeitreisen)

über 1 Jahr (Daueraufenthalte)

Zielort (Entfernung, Bezeichnung)

Heimatort, nähere Umgebung (Stadttourismus, Nahtourismus)

Inland/Ausland (Inlands- u. Auslands-tourismus)

zum Arbeitsplatz, kleiner Grenzverkehr, Berufspendler

wird nur teilweise dem Tourismus zugerechnet (touristischer Randbereich)

wird (fast) immer unter Tourismus verstanden (touristischer Kernbereich)

wird nicht dem Tourismus zugerechnet

Abb. 1.2 Reisearten und Reiseformen

1.2

(Quelle: Freyer 2001)

Wirtschaftsfaktor Tourismus

Die wirtschaftliche Bedeutung (direkte und indirekte) des Tourismus wird in Geldeinheiten (Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt), in geschaffene Arbeitsplätze, getätigten Kapitalinvestitionen sowie die den generierten Effekten (z. B. Ausgleichs-, Devisen-, Beschäftigungseffekte) gemessen. Nach Kaspar sind die ökonomischen Faktoren einer positiven Tourismusentwicklung sowohl die Zunahme des verfügbaren Einkommens, eine stabile Währungslage und eine günstige Konjunktursituation. Ein Rückgang der industriellen Produktion sowie eine unstabile Währungslage und eine ungünstige Konjunktursituation würde die Tourismusentwicklung negativ beeinflussen.

1.2.1

Tourismus in Zahlen

Tourismus ist eine der weltweiten Wachstumsbranchen der Zukunft mit einem prognostizierten Wachstum von jährlich rund 3% nach Europa. Europa gilt weltweit (2008: weltweit 924 Mio. internationale Ankünfte) mit 448,5 Mio. internationalen Ankünften im Jahr 2008 und einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von + 4% als der wichtigste Reisemarkt. Die Wachstumsprognosen für Europa werden von der UNWTO bis zum Jahr 2020 mit jährlich ca. 3% angegeben. Nachfolgende Tabelle zeigt die tatsächlichen Ankünfte bis 1995 und die Prognosen bis zum Jahr 2010 und 2020.

Regionen Europa Amerika Ostasien/ Pazifik Afrika Mittlerer Osten Südasien Welt

13

Ankünfte in Mio. 1995 2010 2020

336,0 110,0 81,0

527,9 190,0 195,0

717,0 282,0 397,0

20,0 14,0

47,0 36,0

77,0 68,0

4,0 565,0

11,0 1.006,0

19,0 1.561,0

Abb. 1.3 Wachstumsprognosen für Europa und weltweit

Jährliches Wachstum % 1995–2020 3,1 3,8 6,5

Marktanteile in % 1995 2020

59,8 19,3 14,4

45,9 18,1 25,4

5,5 6,7

3,6 2,2

5,0 4,4

6,2 4,1

0,7 100,0

1,2 100,00

(Quelle: UNWTO 2008)

Die Region mit dem derzeitigen und künftigen rasantesten Wachstum ist zweifelsohne der Mittlere Osten, nicht nur bedingt durch Neugründungen und die internationale Ausrichtung der heimischen Fluggesellschaften, sondern auch durch die weltweit ehrgeizigsten Hotelprojekte und Freizeitanlagen. Dennoch wird Europa als touristische Destination Marktführer bleiben. Rund drei Viertel aller Europäer verbringen ihren Urlaub innerhalb Europas. Ein tendenzieller Zuwachs der Reisen in die osteuropäischen Regionen/Länder ist zu erwarten. Die am 01. Mai 2004 der Europäischen Union beigetretenen osteuropäischen Staaten haben einen Anteil von fast 80% des gesamten osteuropäischen Reisevolumens und sind zusammen mit Russland ausgesprochen wichtige Quellmärkte der Zukunft. Fachleute prognostizieren eine Absenkung des europäischen Marktanteils an internationalen Ankünften von derzeit 60% auf 45%, der Anteil an ankommenden Reisenden nach Europa wird jedoch steigen. Die WTO schätzt für das Jahr 2020 ca. 717 Mio. grenzüberschreitende Touristenankünfte in Europa (DZT 2009). Wie verreisen die Europäer? „Luft“ und „Straße“ sind die dominierenden Kategorien bei Reisen in Europa. Die nachfolgende Abbildung zeigt die Verteilung der internationalen Reisen der Europäer nach der Wahl der Transportart im Jahr 2008.

Modul 1

Wirtschaftsfaktor Tourismus

14

Wirtschaftsfaktor Tourismus

Schiffsreisen 3% Bahnreisen 7%

sonstige 2% Flugreisen 50%

Busreisen 9%

Autoreisen 29%

Abb. 1.4 Verteilung internationaler Reisen der Europäer nach Transportart 2008 (Quelle: DZT /WTM 2009 (5))

Deutschland als Reiseland (DZT 2009) wird aufgrund seines natürlichen und abgeleiteten Angebotes, aber auch dank der Bemühungen der Deutschen Zentrale für Tourismus eine immer wichtigere Destination für Gäste aus Europa und Übersee. Die nachfolgende Abbildung weist für das Jahr 2008 folgende wichtige Kennzahlen für Deutschland aus:

wirtschaftliche Bedeutung des Tourismus in Deutschland 2008 gesamtwirtschaftliche Produktionswert der Tourismusindustrie Wertschöpfung der Tourismusbranche direkter Anteil am BIP* internationale Ankünfte 2008 (in Tsd. – Incoming) Ankünfte per 100 Einwohner Deutschland Tourismus 2008 Übernachtungen aus dem Inland (in Tsd.) Wachstum Inland Übernachtungen aus dem Ausland (in Tsd.) Wachstum Ausland Übernachtungen insgesamt (in Tsd.) Wachstum insgesamt davon Hotel/Pension Übernachtungen aus dem Inland (in Tsd.) Übernachtungen aus dem Ausland (in Tsd.) Übernachtungen insgesamt (in Tsd.) Anzahl Hotelbetten (Stand Juli 2008) Auslastung der Hotellbetten (2007: 36,7%) Outgoing Tourismus 2008 Reisen der Deutschen (in Tsd.) davon ins Ausland (in Tsd.) Urlaubsauslandsreisen per 100 Einwohner Incoming aus Europa 2008 Deutschlandreisen der Europäer (in Tsd.) Ausgaben für die Deutschlandreise pro Reise/pro Nacht Aufenthaltsdauer in Deutschland (Durchschnitt in Nächte) Tourismusbilanz 2008 Reiseausgaben Reiseeinnahmen Saldo Internationale Tourismusbilanz Reiseausgaben der Deutschen im Inland 2008 *ohne Geschäftsreisen, VFR-Reisen, öffentliche Investitionen Abb. 1.5 Wichtige Kennzahlen zum Deutschlandtourismus 2008

15

185 Mrd. € 94 Mrd. € 3,2% 24,9 30 313.043 + 1,9% 56.537 + 3,2% 369.580 + 2,1% 173.028 45.218 218.246 1.678.738 36,5% 302.000 75.900 63 37.300 531/79 € 7,2 62,0 Mrd. € 27,2 Mrd. € -34,8 Mrd. € 65,9 Mrd. € (Quelle: DZT 2009)

Obwohl die Einheimischen mit 81% der Ankünfte die wichtigste Touristengruppe in Deutschland bilden, steigt der Anteil der ausländischen Besucher kontinuierlich. Die Verteilung der Gesamtankünfte nach der Herkunft im Jahr 2008 in Deutschland zeigt nachfolgende Abbildung.

Modul 1

Wirtschaftsfaktor Tourismus

16

Wirtschaftsfaktor Tourismus Asien 2% Am erika 2%

Afrika, Australien, Neuseeland und Ozeanien 65 Jahre

(Quelle: DRV 2008)

Insbesondere der demographische Einflussfaktor „Alter“ ist bei der Analyse von Kreuzfahrtpassagieren von besonderem Interesse. Veränderungen in der Altersstruktur des Nachfragers führen zu neuen Anforderungen an die Angebots- und Marketingkonzeptionen der Kreuzfahrtindustrie sowie deren Umsetzung. Um konkurrenzfähig zu bleiben, müssen folglich demographische Veränderungen und deren Folgen frühzeitig erkannt werden, damit das jeweilige Unternehmen Anpassungen treffen kann. Je nach Altersgruppe kommen ganz unterschiedliche Wertevorstellungen und Motive zum Tragen. Die Zusammensetzung der Passagiere hängt dabei von Ziel und Dauer der Reise, Kosten und Jahreszeit ab. Zur Hauptferienzeit und bei niedrigen

Modul 2

dung. Das Fahrgebiet, die darin gefahrene Route, die Zahl und die Charakteristik der angelaufenen Häfen sowie die damit verbundene Möglichkeit zu Landausflügen bestimmt ebenfalls, in manchen Fällen sogar ausschließlich, die Reiseentscheidung. In der Regel wirken jedoch beide Faktoren zusammen. Bestimmungsfaktoren bzw. Motive, die zur Buchung einer Kreuzfahrt führen, sind folgende sechs Punkte: Luxus, Geselligkeit an Bord, Abschalten vom Alltag, Land und Leute sehen, Vielseitigkeit und Bequemlichkeit.

210

Kreuzfahrten

Preisen sinkt der Altersdurchschnitt. Im Vergleich zu den Flusskreuzfahrten ist der Altersdurchschnitt mit ca. 50 Jahren allerdings vergleichsweise jung. Aufgrund ihrer Eigenschaften, wie ein bequemer Transport oder organisierte Landausflüge, eignet sich eine Kreuzfahrt besonders für ältere Menschen. Allerdings müssen bei der Ansprache von Senioren bestimmte Details beachtet werden. So legen sie viel Wert darauf, dass auf ihre speziellen Interessen, Wünsche und Bedürfnisse eingegangen wird, sie wünschen aber gleichzeitig keine Sonderbehandlung, die auf ihr Alter schließen lässt.  Produktpolitik Eine Kreuzfahrt ist die Verknüpfung der beiden Grundelemente Schiff und Fahrtroute. Die Kreuzfahrt ist hinsichtlich Reisezeitpunkt, -dauer und -ziel sowie hinsichtlich des Leistungsumfangs genau vordefiniert. Unterschieden wird zwischen den touristischen Hauptleistungen als Kernleistungen, wie Beförderung, Unterkunft, Verpflegung, Reiseleitung, und den touristischen Nebenleistungen als Zusatz, wie Information, Beratung, Versicherung. Kreuzfahrtschiffe unterscheiden sich nicht nur in ihrer Größe, sondern auch in ihren Ausstattungselementen voneinander. Neben den Standardausstattungselementen, wozu u. a. Restaurants, Bars, verschiedene Läden, ein Erholungsbereich und teilweise ein Kasino gehören, müssen Kreuzfahrtenanbieter Besonderheiten bieten, um sich von den Mitbewerbern zu differenzieren. Dafür lassen sich insbesondere die USamerikanischen Reedereien für ihre Neubauten immer spektakulärere Ausstattungselemente einfallen, z.B. Kletterwände, Schlittschuhbahnen und Minigolfanlagen. Auf den Kreuzfahrtschiffen werden unterschiedliche Kabinen angeboten, die sich in ihrer Lage, Größe und Ausstattung voneinander unterscheiden und somit verschiedene Kategorien bilden. Die Kategorien sind ein wichtiges Gestaltungselement in der Produkt- und Preispolitik des Kreuzfahrtenanbieters. Es gilt, je größer, je besser ausgestattet desto teurer sind die Kabinen. Hinsichtlich der Lage der Kabinen wird zwischen Schiffsvertikale und -horizontale unterschieden. Für die Vertikale gilt, je höher die Kabine im Schiffdeck ist, desto besser ist i. d. R. die Ausstattung und entsprechend höher ist der Preis. Bezogen auf die horizontale Lage sind die Kabinen im Mittelschiff im Allgemeinen ruhiger und vibrationsärmer als die Kabinen im Vorderund Hinterschiff. Zu unterscheiden ist außerdem zwischen Innen- und Außenkabinen. Außenkabinen werden dank der Fenster oder Bullaugen durch Tageslicht beleuchtet und haben oft sogar Balkone; die Beleuchtung der Innenkabinen hingegen erfolgt durch künstliches Licht. Da die Innenkabinen über keinen Tageslichtzugang verfügen, sind sie insbesondere auf Nordlandfahrten beliebt. Auch in der Größe unterscheiden sich die Kabinen. Über die kleinsten Kabinen verfügt die easyCruise One mit ca. 10 m². Die größte Suite an Bord eines Schiffes befindet sich auf der Norwegian Dawn und ist 497 m² groß. Die Kabinenausstattung variiert in Abhängigkeit zur gebuchten Kabinenkategorie, entspricht aber in der Regel den Standards die man auch aus guten Hotels gewohnt ist. Ausgestattet sind alle Kabinen mit einem WC und einem eigenen Bad oder einer Dusche. Weiterhin bieten sie einen Schrank, eine Sitzmöglichkeit, einen Tisch, einen Fernseher z. T. mit Video und Ra-

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dio, zudem sind auch individuell regulierbare Klimaanlagen und ein Telefon vorhanden. Bei den Kabinen werden Einzel-, Doppel- und Zweibettkabinen unterschieden. Eine Doppelkabine hat entweder ein Unter- und ein Oberbett oder ein Unter- und ein Pullmannbett, ein aus der Wand klappbares Bett. Diese Kabinenart ist aufgrund der nötigen Kletterei und des geringen Platzangebotes für ältere Passagiere kaum geeignet. Die Zweibettkabine hat entweder ein Unter- und ein Sofabett oder zwei Unterbetten. Unterbetten sind zwei freistehende Betten. In seltenen Fällen findet man auch ein zusammenstehendes Bett. In der Regel werden Kabinen für zwei Personen angeboten. Da heute weitere Zielgruppen wie z. B. Familien erschlossen werden sollen, finden sich auf den Neubauten vermehrt Mehrbettkabinen oder Kabinen mit Verbindungstüren, um so den Ansprüchen dieser Zielgruppe gerecht zu werden. Wichtig sind auf modernen Kreuzfahrtschiffen auch das Vorhandensein behindertengerechter Kabinen, wobei dann auch der Zugang zu allen Einrichtungen und Räumlichkeiten für Behinderte möglich ist. 

Fahrtgebiete

Mittelmeer 37% USA/ Karibik 15%

Nordland 20% Übersee 6%

Abb. 3.13

WestEuropa 12%

Ostsee 10%

Fahrtgebiete deutscher Hochseekreuzfahrtpassagiere

(Quelle: DRV 2008)

Die Auswahl von Fahrtgebieten für die Kreuzfahrten stellt ein wichtiges Kriterium für den Erfolg bzw. Misserfolg dieser Reiseart dar. Die Bestimmung der Fahrtgebiete ist damit zu einem wesentlichen Element des Marketings geworden. Nachdem die Meere rund um Europa, vor allem Skandinavien und das Mittelmeer, anfänglich die ersten Fahrtgebiete der Kreuzschifffahrt darstellten, hat sich die Kreuzfahrtbranche heute die ganze Welt als Fahrtgebiet erschlossen.

Modul 2

Kreuzfahrten

212 

Kreuzfahrten

Mittelmeer

Man unterscheidet Fahrten im westlichen und östlichen Mittelmeer. Die beste Reisezeit ist von April bis Oktober. In den vergangenen Jahren zeichnet sich verstärkt der Trend ab, das Mittelmeer durch Winterrouten gezielt zur Ganzjahresdestination auszubauen. Außerdem drängen verstärkt auch die drei großen US-Reedereien in den Mittelmeermarkt. Für europäische Gäste ist das Mittelmeer das beliebteste Fahrtgebiet, da zum einem die Anreise nicht aufwendig ist und zum anderen eine Vielzahl europäischer Städte und Sehenswürdigkeiten in unmittelbarer Nähe der Häfen leicht zu erreichen sind. Die wichtigsten Starthäfen für eine Kreuzfahrt im westlichen Mittelmeer sind Mallorca und Genua. Die meisten Kreuzfahrten im Mittelmeer dauern 7 oder 14 Tage. Sehr häufig sind Kombinationsreisen mit einer Woche Schiffsreise und einer Woche Badeurlaub. Eine typische 7-tägige Turnuskreuzfahrt startet von Mallorca nach Barcelona, St. Tropez, Portofino, Rom und endet wieder auf Mallorca. 

USA/Karibik

Von den ca. 320 Kreuzfahrtschiffen weltweit bieten ca. 50 % Karibikkreuzfahrten an. Gerade in der kalten Jahreszeit überwintern immer mehr Kreuzfahrtschiffe in dieser Region und befahren die unterschiedlichsten Routen zwischen den 35 Inselstaaten. Dies liegt einerseits daran, dass sich mit den USA der weltweit größte Kreuzfahrtmarkt in der Nähe befindet; andererseits liegt es daran, dass die klimatischen Bedingungen optimal sind. Die Karibik ist eine Ganzjahresregion, wobei die Monate Juni bis November zur Hurrikansaison gezählt werden. Zu den wichtigsten Abfahrtshäfen einer Karibikkreuzfahrt gehören Fort Lauderdale, Miami und Port Canaveral an der Westküste Floridas. 

Nordland

Das Nordland-Fahrtgebiet erstreckt sich von Norwegen im Osten über Spitzbergen und der Packeisgrenze im Norden bis Island im Westen und die Färöer-Inseln im Süden. Die beste Reisezeit ist der Hochsommer zwischen Mitte Juni und August, wobei besonders das Schauspiel der Mitternachtssonne für viele Passagiere unvergesslich ist. Ausgangshäfen für Kreuzfahrten sind Kiel, Bremerhaven und Hamburg, bei internationalen Anbietern auch Kopenhagen oder Amsterdam. Nordland-Kreuzfahrten sind ursprünglich nur von den Postschiffen auf den Hurtigruten befahren worden. In jüngster Zeit schicken vermehrt auch andere Reedereien ihre Kreuzfahrtschiffe in diese Region.  Preisgestaltung Das Produkt Hochseekreuzfahrt besteht aus einer Bündelung mehrerer touristischer Leistungen und ist im Vergleich mit anderen Touristikmärkten im Nachfrageverhalten unelastischer und weniger preissensibel. Immer eingeschlossen in den Reisepreis der Kreuzfahrt sind die Übernachtungen in der jeweils gebuchten Kategorie und Vollpension an Bord, in der Regel bis zu sechs Mahlzeiten täglich. Auch das Unterhaltungsprogramm und die Bordeinrichtungen sind zum größten Teil inklusive. Landausflüge sowie Beauty- und Wellnesseinrichtungen müssen hingegen stets extra bezahlt werden. Trinkgelder sind selten im Reisepreis enthalten, bei den meisten Anbietern werden sie an Bord noch zusätzlich bezahlt.

Kreuzfahrten

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Leistungs- und Ausstattungsunterschiede nach Schiffs- und Kabinenkategorie bieten im Kreuzfahrtenverkehr besonderen Anlass zur Preisdifferenzierung. Ebenso variiert der Preis einer Kreuzfahrt grundlegend nach der Saison und der Personenanzahl pro Kabine. Klassifizierung

Kabinenkategorien

Reisezeit/-dauer

– Qualitätsstandard des

– Kabinentyp: Größe, Aus-

– Haupt-/ Nebensaison

Schiffes – Anzahl der Sterne

stattung und Lage – Vor- oder Achterschiff vs. Mittschiff – Höhe des Decks

– Anzahl der Tage

Abb. 3.14

– Auslastung – Anzahl Personen – Yield-Management

Bestimmungsfaktoren für den Preis einer Kreuzfahrt

Eine Differenzierung kann durch die Klassifizierung eines Schiffs nach Sternen erfolgen. Der Reisepreis (ohne Trinkgelder und Getränke) wird dabei in vier Größenklassen eingeteilt: Budget (75 bis 125 €, 22 % Marktanteil), Standard (125 bis 175 €, 28 %), Premium (175 bis 250 €, 29 %) und Luxus (> 250 €, 21 %) pro Tag eingeteilt. Auch die Kabinen eines Kreuzfahrtschiffs werden nach ihrer Größe, Ausstattung und Lage im Schiff preislich in Kategorien eingeteilt. Die Raumgröße ist ausschlaggebend für die Bezeichnung als einfache Kabine, Suite, Appartement oder Penthouse und steht gleichermaßen für Komfort und Bewegungsfreiraum. Angeboten werden auch Glücks- oder Garantiekabinen. Bei Glückskabinen zahlt man einen bestimmten festgelegten Preis. Welche Kabine in welcher Kategorie man am Ende wirklich bekommt, erfährt der Kunde erst kurz vor der Abfahrt. Bei der Garantiekabine hat der Kunde die Sicherheit, eine bestimmte Kategorie als Minimum zu erhalten. Jedes Fahrgebiet besitzt auf Grund von Wetter- und Klimaverhältnissen eine Saison, in der Kreuzfahrten durchgeführt bzw. nachgefragt werden. Saisonzeiten sind außerdem bestimmt durch eine hohe Nachfrage zu den Urlaubszeiten, Ferien und Feiertagen. Wird eine Fahrtroute zu verschiedenen Reisedaten angeboten, lässt sich bei den Kreuzfahrtunternehmen ein differenzierter Preis nach Haupt- und Nebensaison erkennen. Kleinere Reedereien in der Größenordnung von ca. zwölf Schiffen erheben lediglich unterschiedliche Preise zu den Saisonzeiten entsprechend der Nachfragestärke. Größere Reedereien vergeben täglich variierende Preise, die sich durch computergestützte Yield-Managementsysteme dem Buchungs- und Nachfrageverlauf automatisch anpassen.

Modul 2

Die europäischen Reedereien richten sich bei der Preisfestsetzung in erster Linie nach der Kosten-Plus-Preisbildung. Zur Errechnung des Durchschnittspreises einer Kreuzfahrt werden alle Kosten plus einer Marge für eine Reise berechnet und auf die Anzahl der Passagiere umgelegt. Dafür wird generell mit einer Break-Even-Auslastung von 75 % der Gesamtkapazität eines Schiffs gerechnet. Bei amerikanischen Reedereien gibt es schon vielmals Yield-Managementsysteme zur Preis- und Nachfragesteuerung.

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Kreuzfahrten

Fallbeispiel easyCruise Kreuzfahrten für 40 €

easyCruise ist eines der jüngsten Unternehmen der erfolgreichen Easy-Gruppe und bietet seit Sommer 2005 Kreuzfahrten an. Zielgruppe sind Kunden zwischen 20 und 40 Jahren, die viel Spaß für wenig Geld haben wollen und sicherlich nicht auf die gängigen Passagierschiffe fahren würden, wie sie zu Dutzenden auf den Weltmeeren kreuzen. Diesem Kundenkreis wird eine Billigkreuzfahrt ohne jegliche Extras bzw. Komfort angeboten. Die Preise beginnen dafür bei ca. 40 € pro Tag. Diese Preisstruktur kann nur mittels großer Einsparungen und Kostensenkungen erreicht werden. Die Kreuzfahrt soll letztlich der Übernachtung dienen, Spaß haben können die Passagiere an Land. Ziel ist ein so genanntes City-Hopping und die Übernachtung an Bord. Die Kabinen wurden in 10 m² große Zellen verwandelt und die meisten Fenster zugeschweißt. Die Passagiere leben aus dem Koffer. Für Reinigung der Kabine sowie frische Bettwäsche und Handtücher müssen sie extra zahlen. Die Reisen sind dafür konkurrenzlos billig. Bei 40 € pro Nacht beginnt der Kabinenpreis, kann aber auch auf über 100 € ansteigen. Für anspruchsvollere Gäste gibt es einige Suiten mit Balkon ab 240 € – ebenfalls ohne Verpflegung und Getränke. Ein Café und zwei Bars bieten Drinks und Snacks; die Unterhaltung beschränkt sich darauf, dass gelegentlich ein Diskjockey auflegt. In das Projekt easyCruise wurden nur knapp 20 Mill. € investiert. Hierzu wurde ein ehemaliges Luxusschiff günstig aus der Konkursmasse einer italienischen Reederei erworben und in Singapur umgebaut. Das Schiff „easyCruise One“ wurde im gleichen grellen Orange wie die Flugzeuge von easyJet lackiert. Den 210 Passagieren und 54 Crewmitgliedern stehen 75 10 m² große Doppelkabinen, sieben Viererkabinen und vier Suiten zur Verfügung. Des Weiteren gibt es vier Bars und einen Fitnessraum. Aufgrund der großen Nachfrage wurde im Sommer 2008 ein größeres Schiff „easyCruise Life“ mit 250 Kabinen für 550 Gäste in Betrieb genommen. Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede bestehen zwischen easyJet und easyCruise?

 Kommunikation Die zielgerichtete Kundenkommunikation spielt eine wichtige Rolle im MarketingMix da der Kunde das Produkt Kreuzfahrt nicht anfassen kann (Intangibilität und Immaterialität). Der Kunde erwirbt lediglich ein Leistungsversprechen; er sucht daher nach Hinweisen auf die Leistungsfähigkeit des Veranstalters.

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Ziel der Werbung ist es, den Bekanntheitsgrad des Kreuzfahrtenanbieters zu erhöhen. Wichtigstes Vertriebs- und auch Werbemittel ist dabei der jeweilige Anbieterkatalog.



Eine weitere Möglichkeit ist die Direktwerbung, die v. a. zur Stammkundenkommunikation dient; die vorhandenen Kundendaten ermöglichen eine sehr persönliche Ansprache bei Mailings und Katalogzusendungen.



Die Verkaufsförderung setzt direkt im Ladenlokal des Reisebüros an und meint hier die Ausstattung mit Dekorations- und Informationsmaterial, eine nautische Schaufenstergestaltung mit Schiffsmodellen oder Rettungsringen.



Zur Sonstigen Kommunikation gehören die Auftritte auf touristischen Messen, bei denen sich die Kreuzfahrtanbieter mit einem Stand präsentieren. Beispiele hierfür sind die ITB in Berlin oder die jährlich stattfindende Kreuzfahrtmesse „Cruise Live“ in Hamburg.



Ebenfalls wichtig ist das Product-Placement. Das bekannteste Beispiel aus dem Kreuzfahrtbereich ist die ZDF-Serie „Das Traumschiff“, bei deren Handlung den Zuschauern das Schiff und der Ablauf der Kreuzfahrt sowie die speziellen Eigenschaften der Reiseart näher gebracht werden, ohne jedoch das Schiff in den Vordergrund zu stellen.

 Vertriebskanäle und Buchung Da der Fixkostenanteil beim Produkt Kreuzfahrt sehr hoch ist (ca. 70 %), hat die Distributionspolitik die zentrale Funktion, die unverkauften Kapazitäten und damit auch die Leerkosten einer Kreuzfahrt möglichst gering zu halten. –

Der indirekter Vertriebsweg mit Hilfe der Reisebüros ist mit ca. 78 % Umsatzanteil der Hauptvertriebskanal. Wichtigstes Verkaufshilfsmittel sind die Reedereiund Veranstaltungskataloge. Sie geben eine Übersicht und Informationen über das Produkt Schiff und über die einzelnen Angebote.



Der direkte Vertrieb hat im Gegensatz zu anderen touristischen Leistungsträgern bei den Kreuzfahrtenanbietern nur einen geringen Anteil. Der Eigenvertrieb der Veranstalter (ca. 11 % Umsatzanteil), neue Medien (ca. 4 %) und weitere Vertriebsmedien (ca. 7 %) sind hier zu nennen.



Zur Buchung einer Kreuzfahrt dienen als Orientierungshilfe die Deckpläne und Kabinengrundrisse der Schiffe. Für die Buchung wird ein Anmeldeformular ausgefüllt. Das Reisebüro erfragt anschließend die gewünschte Kabine beim Anbieter der Kreuzfahrt; im Falle der Bestätigung wird die Kabine als Optionsbuchung an den Kunden weitergegeben.

Modul 2

Kreuzfahrten

216

Kreuzfahrten

3.2.4 Dienstleistung Hochseekreuzfahrt  An- und Abreise Arrangements zur An- und Abreise sind oftmals ein wichtiger Produktbestandteil und auch ein entscheidender Wettbewerbsfaktor, da die meisten Passagiere eine längere Anreise haben bzw. nicht in der Nähe des Hafens wohnen. Aufgrund der zunehmenden Bedeutung dieser Arrangements, wie auch der Vor- und Nachprogramme, diversifizieren sich einige Kreuzfahrtgesellschaften nicht nur horizontal, sondern auch vertikal in der Wertschöpfungskette. So besitzt z. B. die Carnival Cruise Line eine eigene Flugzeugflotte und eigene Hotels. –

Bei der individuellen An- und Abreise bucht der Kunde lediglich die Kreuzfahrt ab und bis Hafen und führt die An- und Abreise auf eigene Initiative durch. Die verschiedenen Möglichkeiten der individuellen Anreise sind Anfahrt mit eigenem Pkw, Zug und Linienflug. Der eigene Pkw wird relativ selten für die Anreise verwendet, da einerseits hohe Parkgebühren anfallen und zudem viele Kreuzfahrten am Ende der Reise nicht im selben Hafen anlegen, so dass ein individueller Rücktransport organisiert werden müsste. Häufig ist zudem eine Hotelübernachtung notwendig, da der Anfahrtsweg inklusive Risikopuffer schon bei den nahen Mittelmeerzielen sehr weit ist. Auch bei Zugfahrten ist dies ein Nachteil, zudem muss der Gepäcktransport vom Bahnhof zum Hafen selbst organisiert werden. Die Verwendung eines Linienfluges ist somit die teuerste, aber auch bequemste und zeitminimalste Form der individuellen Anreise.



Eine organisierte An- und Abreise buchen die Passagiere zusammen mit ihrer Kreuzfahrt häufig wenn der Abfahrt- bzw. Ankunftshafen weiter entfernt liegt. Die Varianten Fly&Cruise, Rail&Cruise oder Coach&Cruise werden in das Leistungspaket und somit im Reisepreis eingeschlossen. Allerdings ist zu beachten, dass alle Bestandteile einer Reise in ihrem Niveau möglichst aufeinander abgestimmt sein sollten. Bei den Fly&Cruise-Angeboten führen Reisen mit unterschiedlicher Länge bei gleichem Schiff zu verschiedenen Tagessätzen, da die Kosten des Fluges auf eine unterschiedliche Zahl von Tagen umgelegt werden. Außerdem wird bei Linienflügen vor Beginn der Seereise häufig eine Übernachtung angeboten, um bei Flugverspätungen das Schiff nicht zu verpassen. Da die Kreuzfahrtanbieter auf bestimmten Strecken ein nennenswerter Umsatzträger der Fluggesellschaften sind, bekommen sie entsprechende Großkundenrabatte. Die Einbindung des Fly&Cruise-Konzeptes ist eine Voraussetzung für die Erschließung neuer Fahrtgebiete, da so auch weiter entfernte Ziele erschlossen werden können.



An Bord gehen ist auch unter dem Begriff „Einschiffen“ bekannt. An Bord werden die Passagiere vom Kreuzfahrtpersonal begrüßt und nach Aushändigung des Kabinenschlüssels bzw. der Schlüsselkarte zu ihrer Kabine geleitet. Es folgt eine kurze Erklärung der Kabineneinrichtung. Zusätzlich findet der Passagier in seiner Kabine wichtige gedruckte Informationen über Essenszeiten, Veranstaltungen, Ausflugsmöglichkeiten sowie Hinweise zum Schiff selbst vor. Die Begrüßung der Passagiere durch den Kapitän, die Offiziere und die Reisebegleitung erfolgt meist

Kreuzfahrten

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Das Gepäck wird bei Ankunft des Gastes auf dem Flughafen vom Personal der Reedereien entgegengenommen und wird von dort aus bis in die Gästekabine gebracht. Auch beim Check-out wird dessen Transport weitestgehend von den Angestellten übernommen. Bevor das Gepäck an Bord des Schiffes gelangt, muss es ebenso wie Passagiere und Handgepäck durch eine Sicherheitskontrolle. Im Normalfall gibt es keine zahlenmäßige Begrenzung der Stücke, die mit an Bord gebracht werden können. Einschränkungen ergeben sich jedoch durch eventuelle Anreise per Flug und Gewichtsbegrenzungen durch die Fluggesellschaften bzw. durch die Größe der Schiffskabine. Damit Gepäckstücke in die richtige Kabine gelangen, erhalten Passagiere zusammen mit den Reiseunterlagen farblich (jede Farbe steht für ein Passagierdeck) und mit Kabinennummer gekennzeichnete Kofferanhänger, die an die Koffer bzw. Taschen angebracht werden müssen.



Das von Bord gehen heißt in der Fachsprache „Ausschiffung“. Sie erfolgt in der Regel ohne Formalitäten und Kontrollen. Vorbereitet wird sie am Vortag. Die Passagiere erhalten ein Anweisungsblatt mit allen Hinweisen für einen reibungslosen Ablauf. Außerdem erfolgen die Gepäckbereitstellung vor der Kabine und die Bezahlung der offenen Rechnungen beim Purser. Passagiere, die für ihre Rückreise noch Informationen benötigen, erhalten diese im Informationsbüro oder im Bordreisebüro. Wer eine organisierte Heimreise gebucht hat, erhält die noch notwendigen Unterlagen dafür, falls er sie nicht schon zusammen mit anderen Reiseunterlagen erhalten hat. Am letzten Tag des Bordaufenthaltes finden üblicherweise auch die Abschiedscocktailparty und das Captainsdinner statt, bei dem der Kapitän in der Regel ein paar Worte über den Verlauf der Kreuzfahrt sagt. Nach der Ankunft des Schiffes im Hafen wird es von den Hafenagenten abgefertigt und für die Landung freigegeben. Danach wird zuerst das Gepäck von Bord gebracht und in der Zollhalle unter den Initialen der Passagiere bereitgestellt. Sobald der Aufruf zum Verlassen des Schiffes ertönt, gehen auch die Passagiere von Bord.

3.2.4.1 Leistungserbringung an Bord Der Ablauf einer jeden Kreuzfahrt wird durch das ihr zugrunde liegende Gesamtprogramm der Reise bestimmt. Der Kreuzfahrtveranstalter muss das Gesamtprogramm in Tagesprogramme umsetzen und für deren Realisierung Sorge tragen. Im Rahmen der Vorbereitungen muss das Schiff betankt und mit den nötigen Versorgungsmitteln wie Frischwasser, Nahrungsmitteln und Getränken versorgt werden. –

Bei der Transportleistung unterscheidet sich die Kreuzfahrt grundlegend von den anderen Verkehrsmitteln. Kreuzfahrten sind mehrtägige Schiffsreisen mit Hotelcharakter, die nicht dem Transport von Passagieren oder der Ortsveränderung dienen, sondern bei der das Schiff sehenswerte Punkte des Fahrtgebietes anläuft. Das

Modul 2

am ersten Kreuzfahrttag. Im Rahmen des Einschiffens wird den Passagieren auch ein Orientierungsrundgang auf dem Schiff angeboten, damit sie alle wichtigen Einrichtungen kennenlernen und eine erste Orientierungshilfe erhalten; ihm folgt auf Wunsch der Passagiere eine ausführlichere Inspektion.

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Kreuzfahrten

Beförderungsmittel Kreuzfahrtschiff ist selbst ein Urlaubsziel und damit signifikantes Produktmerkmal. Schiff und Route erzeugen beim Reisenden die Erwartung eines immateriellen Zusatznutzens, der bei keinem anderen Pauschalreiseprodukt so deutlich in Erscheinung tritt. –

Die Verpflegung ist wesentlicher Bestandteil der Kreuzfahrt und entscheidet maßgeblich über deren Erfolg bzw. Misserfolg. Das fortwährende Essen ist eine der Hauptaktivitäten der Gäste an Bord. Dabei hängen Qualität und Vielfalt der Speisen von der Schiffskategorie ab. Es werden vier bis sechs Mahlzeiten am Tag gereicht, wobei dies auf großen Schiffen in zwei Sitzungen pro Mahlzeit geregelt wird. Grund hierfür ist die Platzkapazität der Restaurants, welche nur für ca. die Hälfte der Gäste ausreicht.



Ein typischer Tagesverlauf auf dem Schiff in Bezug auf Mahlzeiten beginnt um 6 Uhr morgens mit Kaffee und Tee an Deck, gefolgt von einem Frühstück im Hauptrestaurant oder Buffet in einem der anderen Restaurants. Danach wird ein warmes Mittagessen, wahlweise mit Service im Restaurant oder in Form eines Buffets in einem der Cafés, angeboten. Dem folgt um 16 Uhr ein English Afternoon Tea mit kleinen Snacks und Kuchen. Am Abend wird dann die Hauptmahlzeit, das Dinner, serviert. Ein weiteres großes Essen wird um Mitternacht angeboten. Die Präsentation und der Rahmen des Essens sind je nach Marktsegment der Kreuzfahrtveranstalter unterschiedlich. Die Angebote reichen von der einfachen Pizzeria bis hin zu exklusiven Galaabenden.



Die Freizeitgestaltung an Bord ist ein weiteres Produktmerkmal. Aufgrund der Vielzahl der angebotenen Aktivitäten werden Kreuzfahrtschiffe häufig als „schwimmende Ferieninsel“ bezeichnet. Qualität und Quantität des Bordprogramms bestimmen maßgeblich das Wohlbefinden der Gäste an Bord, da der Kreuzfahrer den größten Teil seiner Reise auf dem Schiff verbringt.



Bei den Unterhaltungsangeboten sind die Unterschiede zwischen den verschiedenen Kreuzfahrttypen und Schiffsgrößen besonders groß. Das vielfältigste Unterhaltungsprogramm wird an Bord der Megakreuzfahrtschiffe geboten. Es werden zumeist große Musicalshows gezeigt, die allen Zielgruppen gefallen. Auf Luxuskreuzfahrten wird häufig ein anspruchsvolles Kulturprogramm geboten (z. B. klassische Musik oder Lesungen). Auf den meisten Schiffen werden zudem Vorträge über die angelaufenen Häfen und die zu besichtigenden Sehenswürdigkeiten sowie die Geschichte und Kultur der besuchten Destination gehalten.

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Der Spa-Bereich eines Schiffes besteht zumeist aus einem Fitnessstudio und einem umfassenden Wellnessbereich mit Saunen, Dampfbädern, Whirlpools sowie einem Schönheitssalon. Das Angebot von Anwendungen, für die extra gezahlt werden muss, beinhaltet klassische und moderne Massagetechniken, verschiedenen Therapieformen, Gesichtsbehandlungen und Maniküre. Die Spas werden in der Regel ebenfalls nicht selber von den Reedereien betrieben, sondern es werden Konzessionen an externe Betreiber vergeben.



Weitere wesentliche Punkte sind Kleidung & Trinkgeld. Beim Einschiffen erhält der Passagier die Informationen über die Kleider- und die Tischordnung. Die Kleiderordnung ist auf den Megakreuzfahrtschiffen eher leger, wobei nur zum Abendessen und v. a. für die traditionellen Anlässe, wie das Kapitänsdinner, festlichere Kleidung erforderlich und angebracht ist. Ein weiteres Thema ist die Regelung des Trinkgeldes. Zumeist wird es am Ende der Reise direkt an den zuständigen Steward gegeben oder direkt vom Kundenkonto abgebucht.

3.2.4.2 Zusatzleistungen Die Zusatzleistungen beeinflussen in besonderem Maße das Qualitätsempfinden der Passagiere und somit auch ihre Gesamtzufriedenheit. Besonders Gäste, welche schon zahlreiche Kreuzfahrten unternommen haben, buchen verstärkt aufgrund des angebotenen Zusatznutzens. –

Die Reiseleitung untersteht dem Cruise Director und repräsentiert das gesamte Kreuzfahrtunternehmen. Zu den wichtigsten Aufgabengebieten der Reiseleitung bzw. Gästebetreuung zählen die Information der Gäste mit reisetechnischen Hinweisen, z. B. bezüglich Reiseablauf sowie die eigentliche Gästebetreuung.



Die Animation trägt entscheidend zum Gesamteindruck der Kreuzfahrt bei. Die Animation setzt ein inhaltliches Konzept ebenso voraus wie ein Mitarbeiterteam, das nicht nur fachlich (als Sport-, Musik-, oder Kinderanimateur) kompetent, sondern auch kontakt- und kommunikationsfähig, flexibel und belastbar ist.



Altersgerechte Kinderbetreuung wird insbesondere bei den Megakreuzfahrtschiffen angeboten. Besonders vielfältig ist das Kinderprogramm der Disney Schiffe, die u. a. ein komplettes Kinderdeck haben, auf das den Eltern der Zutritt verwehrt bleibt.



Die Ausflüge sind ein wichtiges Motiv für eine bestimmte Kreuzfahrt, da die Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Kreuzfahrt oftmals von der Anzahl und Ort der angelaufenen Häfen und der damit verbundenen Ausflüge abhängig ist. Sie sind als Zusatzleistung nicht im Pauschalpreis enthalten. Angeboten werden zumeist Halb- und Ganztagesausflüge, wobei die Passagiere häufig per Bus zu den Sehenswürdigkeiten befördert werden.



Vor- und Nachprogramme sollen in Kombination mit der Kreuzfahrt die Gesamtattraktivität der Reise steigern. Besonders beliebt ist eine Woche Kreuzfahrt und im Anschluss eine Woche Landurlaub.

Modul 2

Kreuzfahrten

220 –

Kreuzfahrten

Auf einigen Luxuskreuzfahrtschiffen gibt es noch immer so genannte GentleHosts. Dies sind alleinstehende Männer zwischen 50 und 75 Jahren, die gleichaltrigen Frauen vom Kreuzfahrtenanbieter als Gesellschaftspartner vermittelt werden.

Erkenntnisse Hochseekreuzfahrten



 Die reine Transportleistung ist nicht der Hauptgrund der Kreuzfahrtreise.  Im Reisepreis inbegriffen sind zumeist Leistungen wie Verpflegung, Übernachtung, Animation, Entertainment und Reiseleitung.  Man unterscheidet zwischen Luxus-, Club- und Studienkreuzfahrten.  Der Reisepreis beträgt ca. 1900 €, 75 % der Passagiere sind über 40 Jahre und die Reisedauer beträgt ca. 10 Tage.  Aus den USA (70 %), England (7 %) und der BRD (4 %) kommt ein Großteil der weltweiten Passagiere.  Die drei wichtigsten nationalen Anbieter sind Aida Cruises, Phoenix Reisen und Hapag Lloyd Kreuzfahrten.  Die drei wichtigsten internationalen Anbieter sind Carnival Cruise, Royal Caribbean und Star Cruises.  Hauptzielgebiete sind das Mittelmeer und die Karibik.

3.3

Flusskreuzfahrten

Flüsse werden schon seit Jahrtausenden zur Fracht- oder Personenbeförderung genutzt. Der Flusstourismus begann bereits im 18. Jahrhundert für Adlige und Geistliche, die in der Sommerfrische den Komfort eines Schiffes bevorzugten. Der Beginn der modernen touristischen Flusskreuzfahrten begann erst in den 1960er Jahren mit dem Bau moderner Kabinenschiffe. Heute sind die Reisen auf den Flüssen aus dem touristischen Markt nicht mehr wegzudenken. Der Vorteil der Flussreisen ist, dass das Landerlebnis gleichberechtigt neben das Bordleben tritt und der Gast auf ganz bequeme Weise die Vielfalt und Schönheit der Landschaften genießen kann. Die Reise beginnt schon mit dem Einchecken an Bord. Das andauernde Aus- und Einpacken der Koffer entfällt. An den organisierten Ausflügen und Programmen kann ganz entspannt teilgenommen werden. Zudem stehen immer die gleichen Ansprechpartner zur Verfügung und für den Reisenden entstehen keine Sprachbarrieren. Besonders die Zielgruppe der 50-plus Generation schätzt diese bequeme Form des Reisens.

Kreuzfahrten

221

3.3.1 Arten von Flusskreuzfahrten Ähnlich wie bei Hochseekreuzfahrten gibt es auch bei Flusskreuzfahrten verschiedene Angebotsbereiche. Es lassen sich jedoch deutliche Unterschiede in der Gestaltung des Programms und der Ausrichtung der Kreuzfahrt erkennen: Traditionelle Flusskreuzfahrten Die traditionelle Flusskreuzfahrt ist die Hauptreiseart der Flusskreuzfahrten. Es dominiert ein älteres und wohlhabendes Publikum. Inhaltlich besteht diese Art der Flusskreuzfahrt aus einer Kombination von Städtereise und reizvoller Landschaft. Die Ausflüge sind zumeist auf Stadtführungen und Fahrten in die nähere Umgebung beschränkt. Im Gegensatz zu den Hochseekreuzfahrtschiffen halten die Flussschiffe vorwiegend über Nacht. Tagsüber sind die Hauptprogrammpunkte entweder die erlebte Landschaft vom Schiff aus oder angebotene Ausflüge. Ein weiterer Bestandteil ist eine komfortable Umgebung an Bord, hervorragender Service und eine umfassende qualitativ hochwertige Verpflegung.  Themenkreuzfahrten Bei den Themenkreuzfahrten ist das gesamte Angebot der Reise, wie die Route, evtl. auch Termine, das Bordprogramm und die Ausflüge etc., auf ein bestimmtes Thema ausgerichtet. Das besondere Thema wird daher zum Hauptmotiv der Buchung für die betreffende Reise. Ein Beispiel sind Musikreisen mit dem Besuch von z. B. Konzerte, Ballett, Opern und Operetten sowie mit Konzerten an Bord, Seminaren und Vorträgen mitfahrender Künstler. Beliebte Themenreisen sind auch Gourmet- oder Weinkreuzfahrten. Auf Gourmetkreuzfahrten kochen Spitzenköche für die Passagiere an Bord der Schiffe und es werden Menüs und Spezialitäten der jeweiligen Länder sowie Ausflüge in berühmte Restaurants empfohlen. Weinkreuzfahrten beinhalten Weinseminare, Verköstigungen und Ausflüge zu Weinanbaugebieten und Winzereien. Daneben werden auch Film- und Literaturreisen, Sprachreisen mit Kursen an Bord sowie Esoterik-, Beauty- und Happy Single-Kreuzfahrten angeboten.  Weitere Angebote Weitere Angebotsarten sind besonders Kennenlern- oder Schnupperreisen mit reduzierten Preisen, die i.d.R. zwischen vier und sechs Tage dauern und bis auf wenige Ausnahmen in der Vor- bzw. Nachsaison (Winter) liegen. Eine weitere Angebotsart sind Festtagsreisen über Weihnachten und/oder Silvester mit einer Dauer von ca. acht

Modul 2



222

Kreuzfahrten

bis zwölf Tagen. Eine besondere Stellung nehmen sportlich- und fitnessorientierte Kreuzfahrten ein. Neben Pool und Sauna stehen ebenso Fitnessraum und Putting Green, Trekkingräder für Radtouren, Ausflüge zum Rafting und die Möglichkeit zum Golfspielen an Land zur Verfügung.

3.3.2 Produktbestandteile

Bei Flusskreuzfahrten steht in erster Linie die bequeme Form des Reisens im Vordergrund. Flussreisen bieten eine optimale Verbindung aus Entspannung und Entdeckungen. Im geruhsamen Reisetempo fährt man durch unterschiedlichste Landschaften, vorbei an historischen Bauten, Burgen, Schlössern, Dörfern, Städten, Wäldern und Weinberge. Somit erhält man von Deck aus einen großen kulturellen Einblick in die verschiedensten Regionen und Länder. Jeden Tag wird in anderen Städten angelegt und der Gast hat durch organisierte oder individuelle Landgänge die Möglichkeit, einen Einblick in die Städte und in das Leben dort zu bekommen. Die meisten Anlegestellen liegen sehr zentral, so dass sich die Gäste meist schon mit wenigen Schritten direkt im Zentrum befinden. Aufgrund der oft nahe gelegenen Abfahrtshäfen innerhalb Europas bieten Flusskreuzfahrten auch eine ideale Voraussetzung für einen Kurzurlaub.  Schiffskategorien Flusskreuzfahrtschiffe sind ihren Fahrtgebieten zumeist fix zugeordnet. So ist z.B. die Größe der Flussschiffe durch die Brücken, die unterquert werden, den Schleusenkammern oder auch durch die Breite der Kanäle, begrenzt. Die Flusskreuzfahrtschiffe lassen sich in zwei Größenklassen einteilen, die von touristischer Bedeutung sind. Dabei orientiert man sich am Bettenangebot. Die „Großschiffe“ verfügen i.d.R. über eine Anzahl von ca. 200 Betten und verkehren besonders auf der Donau, dem Rhein, der Mosel sowie auf den großen russischen und ukrainischen Flüssen. Die kleinere Kategorie verfügt über ca. 100 Betten. Die neu in Dienst gestellten Flusskreuzfahrtschiffe, die so genannten „Schiffe der dritten Generation“, entsprechen den heutigen Anforderungen an Technik und Sicherheit. Ermöglicht wurde dies durch geringere Maße, eine versenkbare Brücke und einen neuen (Pumpjet-)Antrieb. So verfügen die Schiffe über einen Doppelboden und drei durchlaufende Decks. Der Schallpegel in den Kabinen und Gesellschaftsräumen beträgt nicht mehr als 55 Dezibel.  Ausstattung Die Ausstattung der Schiffe reicht von einfach bis luxuriös. Je nach Kategorie beträgt das Verhältnis von Mitarbeitern zu Passagieren (PCR) ca. 1:4 bis 1:8. Fast alle Schiffe bieten ausschließlich Außenkabinen und z.T. eine eigene Veranda an. Die Kabinengröße variiert zwischen 8 bis 25 m². Auf allen Schiffen gibt es ein Restaurant, eine Bar, eine Bibliothek, eine Boutique und ein Sonnendeck mit Liegestühlen. Manche

Kreuzfahrten

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Schiffe sind zudem mit Swimmingpool und Fitnessraum ausgestattet. Die Küchen bereiten ein vielfältiges Speisenangebot. Auch Sonderwünsche der Gäste, wie Schonoder Diätkosten, werden dabei berücksichtigt. Die Ansprüche der Gäste sind in den letzten Jahren stark gestiegen und sie möchten sich immer öfter „etwas gönnen“. Auf dem Markt werden daher fast nur noch 4-Sterne-Schiffe nachgefragt.

Modul 2

Fahrtgebiete



Sonstige 3%

Russl./Ukr. 10,5 %

Nil 19,5 %

Italien 0,1 %

Deutschland 15,7 %

Frankreich 8,4 % Donau 37,2 %

Abb. 3.15

Benelux 5,6 %

Fahrtgebiete deutscher Flusskreuzfahrtpassagiere

(Quelle: DRV 2008)

Das Angebot an Flusskreuzfahrtrouten in Europa ist sehr vielfältig. Insgesamt sind über 15.000 km in Europa auf dem Wasser befahrbar. Außerhalb Europas hat der Nil die größte Bedeutung. Seit Öffnung des Ostblocks werden auch Flusskreuzfahrten auf der Wolga angeboten. In Südamerika hat der Amazonas die größte touristische Anziehungskraft. Die beste Reisezeit ist in den Monaten von April bis Oktober.

Blick in die Wachau

224 

Kreuzfahrten

Donau

Auf einer Länge von 2.888 km, von denen 2.510 km schiffbar sind, erstreckt sich die Donau über zehn europäische Länder und stellt ein optimales Fahrgebiet für Flusskreuzfahrten dar. Für die meisten Fahrten ist Passau der Ausgangsort. Jedes Jahr legen in Passau ca. 1.500 Kreuzfahrtschiffe an und transportieren dabei ca. 213.000 Passagiere. Viele angebotene Reisen führen nach Wien und weiter nach Budapest, einige auch bis hin zum Donaudelta. 

Rhein

Der Rhein gehört zu den traditionsreichsten Flusskreuzfahrtgebieten in Europa. Mit einer Länge von 1320 km ist er Deutschlands längster Fluss. Ursprünglich wurde der Fluss nur mit Tagesschiffen zwischen den Städten Köln, Koblenz und Mainz befahren. Heute fahren über 30 Flusskreuzfahrtschiffe auf dem Rhein. Eine Reise von Basel nach Amsterdam dauert im Schnitt sieben Tage. Bei den Fahrtrouten gibt es jedoch eine Vielzahl an Möglichkeiten für Kombinationen mit den Nebenflüssen des Rheins. 

Wolga

Die Wolga ist der längste und wasserreichste Strom Europas. Sie entspringt nordwestlich von Moskau und mündet nach 3530 km unterhalb von Astrachan ins Kaspische Meer. Die Reisen auf der Wolga werden meist in Verbindung mit den Nebenflüssen Newa, Swir, Moskwa und Don angeboten. Durch die Breite des Stroms können hier die größten Passagierschiffe Europas mit einer Kapazität von bis zu 300 Personen eingesetzt werden. Zu einer der populärsten Strecken gehört eine Fahrt von Moskau nach St. Petersburg. Diese Fahrt dauert im Schnitt zwischen 8 und 13 Tagen. 

Nil

Auf einer Länge von 6.671 km reihen sich neun Länder des afrikanischen Kontinents entlang des Nils, bis dieser letztendlich in das Mittelmeer mündet. Der Tourismus in Ägypten hat mit schwankenden Tourismuszahlen aufgrund von Kriegen und Anschlägen im eigenen Land zu kämpfen. Internationale Reiseveranstalter bieten Kreuzfahrten auf dem Nil größtenteils in Kombination mit Landaufenthalten im Rahmen von Studien- bzw. Rundreisen in Ägypten an. Ca. 60 und 85 % aller Ägyptenurlauber buchen eine Kreuzfahrt auf dem Nil. 

Weitere Routen

In Deutschland bieten neben den bekannten Rhein und Donaurouten die Nebenflüsse Mosel, Saar, Main und Neckar viele Kombinationsmöglichkeiten mit Rheinreisen an. Jeder dieser Flüsse hat seinen eigenen Charakter und durchfließt unterschiedliche Landschaften. In den Niederlanden und den nördlichen Teil von Belgien bieten Rhein, Ijsselmeer, Schelde und Maas vielfältige Routenkombinationen. Die Reisen auf den französischen Flüssen Saone und Rhone sind in den letzten Jahren immer populärer geworden. In Italien ist der Po mit 600 km der längste Fluss. Eine Reise auf dem Po beginnt oder endet in Cremona bzw. in Venedig und führt durch die Poebene in Oberitalien. Weitere genutzte Strecken für Flusskreuzfahrten sind: Douro (Spanien/ Portugal), Djnepr (Ukraine), Havel, Oder, Elbe und Moldau.

Kreuzfahrten

225

Trend Passagiere Pass.nächte in Tsd. Umsatz in Mill. € Ø Reisepreis in € Ø Reisedauer Abb. 3.16

2003

2004

2005

2006

2007

 

274.000

298.000

311.000

326.000

334.000

2.235

2.294

2.373

2.623

2.592

  

313

335

364

370

390

1142

1185

1173

1137

1180

8,14

8,04

8,14

7,60

7,7

Marktüberblick Flusskreuzfahrten 2002 bis 2007

(Quelle: DRV 2008)

Flusskreuzfahrten gehören zu den am stärksten wachsenden Marktsegmenten in der Touristik. Die führenden Anbieter auf dem Flusskreuzfahrtenmarkt sind überwiegend See- und Flussreisenspezialisten. Der Markt ist sehr zersplittert und es gibt eine Vielzahl von nationalen Anbietern. Ein großer Teil des nationalen Angebotes wird allerdings mit von internationalen Reedereien gecharterten Schiffen abgewickelt. Die großen Touristikkonzerne (insbesondere TUI) bieten auch Reisen auf dem Wasser an, können mit ihren Umsätzen jedoch nicht mit den Flussreisenspezialisten konkurrieren. –

Viking River Cruises ist ein weltweit tätiger Konzern mit Hauptsitz in Basel (Schweiz). Im Jahr 2007 machte die Gesellschaft ca. 200 Mill. € Umsatz mit 82.000 Passagieren, wobei mittlerweile ca. 70 % der Gäste aus Nordamerika kommen. Viking River Cruises ist Markführer in Deutschland und weltweit. Mit 25 modernen Flusskreuzfahrtschiffen, ist Viking auf vielen Flüssen in Europa und der ganzen Welt unterwegs.



Phoenix Flussreisen ist in Deutschland der größte Veranstalter von Flussreisen. Ca. 45 Flussschiffe fahren exklusiv unter Phoenix Flussreisen-Flagge, denn Phoenix chartert die Flusskreuzfahrtschiffe komplett und hat damit maßgeblichen Einfluss auf Reiseroute und Bordprogramm. Vom einfacheren 3-Sterne-Schiff mit Betreuung durch den Kapitän bis hin zum luxuriösen 5-Sterne-Schiff werden Reisen für jeden Geschmack angeboten. Phoenix Flussreisen gilt zudem als Spezialist für Nil-Reisen.



Nicko tours veranstaltet Flussreisen auf eigens dafür angecharterten Schiffen auf den Flüssen Wolga, Dnjepr, Donau, Oder, Rhein und Mosel sowie Nil und Jangtse. Insgesamt fahren 28 Schiffe unter Nicko tours-Flagge mit einer Gesamtkapazität von ca. 3.000 Passagierbetten. Der Schwerpunkt liegt im 3- und 4-Sterne-Segment. Im Jahr 2007 verzeichnete Nicko tours knapp 55.000 Reiseteilnehmer



Die A-ROSA Flussschiff GmbH ist einer der führenden Spezialisten für hochwertige Kreuzfahrten auf Flüssen. Zurzeit fahren für A-ROSA sieben Schiffe, vier davon auf der Donau, zwei auf der Rhône und ein Schiff auf dem Rhein. Ein weiteres

Modul 2

3.3.3 Marktüberblick

226

Kreuzfahrten

Schiff befindet sich im Bau und wird 2010 in Dienst gestellt. Das Unternehmen hat Büros in Rostock und der Schweiz mit insgesamt ca. 365 Mitarbeitern und machte 2008 einen Gesamtumsatz von 45 Millionen Euro.

Fallbeispiel Serenité River Cruising Gleiten durch den Tag

Mit der Masse der gleichförmigen Flusskreuzfahrtschiffe hat der 38 m lange und nur 5 m breite kleine Flusskreuzer nur wenig gemeinsam. Die geringe Größe hat den Vorteil, dass auch kleinere Flüsse und besonders die schmalen französischen Kanäle befahren werden können. Die Passagiere werden von nur fünf Besatzungsmitgliedern versorgt. Das Schiff bietet Platz für zwölf Passagiere, welche ca. 2000 € pro siebentägige Reise zahlen. In diesem Preis sind alle Leistungen (Gourmetessen, Getränke und Ausflüge) enthalten. Die Einrichtung ist elegant und die sechs Kabinen bieten trotz einer Größe von nur 12 m² ausreichend Platz. Das Hauptdeck besteht aus einem einzigen Raum, der mehrfach unterteilt ist. Dieses schwimmende Wohnzimmer ist Speisesaal, Bar, Lounge, mobiles Büro der Eigner und Steuerstand in einem. Das Schiff durchquert Europa auf seinen Wasserstraßen. Bei allen Strecken wird darauf Wert gelegt, dass abwechselnd eindrucksvolle Landschaften und wenige aber sehenswerte Ausflugsziele angesteuert werden. Nachts wird am Hafen angelegt, schließlich möchte man die Landschaft tagsüber entdecken. Erarbeiten Sie in einem Verkaufsgespräch den Mehrwert der Serenité!

3.3.4 Nachfragegruppen Der Wachstumstrend der Flusskreuzfahrten in den letzten Jahren ist ungebrochen. Die Zahl der Neukunden nimmt ständig zu und auch für die kommenden Jahre rechnen die führenden Anbieter weiterhin mit einem Nachfrageanstieg. Die Hauptzielgruppe der Flusskreuzfahrtkunden liegt in der 50-Plus-Generation. Damit sind die Teilnehmer der Flusskreuzfahrten im Schnitt um bis zu zehn Jahre älter als bei den Hochseekreuzfahrten. Im Hinblick auf die demografische Entwicklung in Deutschland und Gesamteuropa mit einem ständig wachsenden Anteil von Personen über 50 Jahren ist mit einem starken Wachstum der Hauptzielgruppe zu rechnen.

Kreuzfahrten

227

34 %

35 %

56–65 J.

über 65 J.

20,60 %

1,60 %

1–14 J.

15–25 J.

Abb. 3.17

26–40 J.

41–55 J.

Altersstruktur der deutschen Flusskreuzfahrtpassagiere 2007

(Quelle: DRV 2008)

Die Senioren gehören zudem zu einer der lukrativsten Zielgruppe des Tourismus. Es wird demnach auch ein stetig wachsendes Marktpotenzial für Flusskreuzfahrten geben. Reiseveranstalterstudien zufolge haben viele Flusskreuzfahrtkunden das Erwerbsleben bereits hinter sich gelassen, verfügen über eine hohe Kaufkraft und sind weniger anfällig für konjunkturelle Schwankungen. Zudem zeigen sie ein überproportional starkes kulturelles Interesse. Ein weiterer Punkt für die starke Ausrichtung auf die Zielgruppe ist auch die bequeme und sichere Form des Reisens. Der Komfort, das mitreisende Hotel, kulinarische Genüsse und eine Betreuung durch kompetente Reiseleiter sind die maßgeblichen Entscheidungskriterien dieser Zielgruppe für eine Flusskreuzfahrt. Betrachtet man die länderspezifische Nachfrage, so gehört Deutschland zu dem europäischen Land mit dem größten Passagieraufkommen. Neben den deutschen Touristen sind in Europa noch der englische, der schweizerische, der französische und der italienische Markt von großer Bedeutung. Ebenfalls von großer Bedeutung ist das Passagieraufkommen von US-Amerikanern auf den europäischen Flüssen.

Erkenntnisse Flusskreuzfahrten



 Bei Flusskreuzfahrten sind Landerlebnis und Bordleben gleich wichtig. Es gibt traditionelle und Themenfahrten.  Wichtige Anbieter sind Viking River Cruises, Phoenix, A-ROSA u.w. Alle Anbieter sind im Vier-Sterne-Segment tätig.  Der Reisepreis beträgt ca. 1200 €, 70 % der Passagiere sind über 55 Jahre alt und die Reisedauer beträgt ca. acht Tage.  Hauptzielgebiete sind die europäischen Flüsse, besonders die Donau und der Rhein. Wichtiges außereuropäisches Ziel ist der Nil.

Modul 2

7,30 % 0,50 %

228

Kreuzfahrten



Vertiefungsfragen

 Wodurch unterscheiden sich die Luxus- von den Clubkreuzfahrten?  Was sind die Unterscheidungskriterien der einzelnen Kreuzschiffskategorien?

 Welche unterschiedlichen Produktbestandteile haben Hochsee- und Flusskreuzfahrten?

 Welche Produkttypen und beliebten Fahrgebiete gibt es bei Flusskreuzfahrten?

 Welche Zukunftsperspektiven erwarten Sie für Kreuzfahrten?

Literaturhinweise  



Dowling R.K. (Hrsg.), Cruise Ship Tourism, Joondalup 2006 Mundt J., Baumann E., Kreuzfahrten, in: Mundt J., Reiseveranstaltung, München 2007, S. 369–402



Gruner + Jahr (Hrsg.), Märkte & Tendenzen: Kreuzfahrten, Gruner & Jahr Marktanalyse, Hamburg 2009



Schäfer C., Kreuzfahrten – Die touristische Eroberung der Weltmeere, Dissertation, Nürnberg 1998

   

Schüssler O., Passagier-Schifffahrt, DRV-Publikation, Frankfurt/Main 2005 Schüssler O., Kreuzfahrtmarkt 2008, Studie des DRV, Frankfurt/Main 2009 Schulz A., Verkehrsträger im Tourismus, München 2009 Schulz A., Kreuzfahrten und Schiffsverkehr im Tourismus, München 2010

Internetquellen 



www.tourismus-grundlagen, www.tourismus-kreuzfahrten.de Weitere Fallbeispiele, Folien und aktuelle Informationen zum Buch



www.shippax.se Sehr gute Seite mit aktuellen Informationen und Zahlen zu allen Bereichen der Passagierschifffahrt



www.reederverband.de Offizielle Homepage des Verbands deutscher Reeder (VDR) mit Statistiken, Berufsbildern, Berichten und Pressemitteilungen



www.shipparade.com Englischsprachige Seite mit Infos und Bildern von Kreuzfahrtschiffen. Bilder und Informationen über Kreuzfahrthäfen sind ebenfalls abrufbar.



www.flusskreuzfahrten.de Internetauftritt eines Expertenreisebüros für Flusskreuzfahrten, Beschreibungen von Reedereien, Schiffstypen und Fahrtrouten

Bahnen Modul 2

4

Lernziele



Am Ende dieses Kapitels sollten Sie Folgendes können:

 Die Besonderheiten des Bahnverkehrs herausarbeiten;  Einen Überblick des Unternehmens Deutsche Bahn AG geben;  Unterschiedliche Zugtypen erläutern;  Das Vertriebs- und Tarifsystem der Deutschen Bahn beurteilen;  Die Zukunft des Hochgeschwindigkeitsbahnverkehrs in Europa skizzieren;

 Die verschiedenen Luxuszüge benennen können.

Zukunft der Bahn? ICE und TGV Weitere Informationen, Fallbeispiele & Übungen unter www.tourismus-grundlagen.de

230

Bahnen

4.1

Überblick

Eisenbahnen sind schienengebundene Verkehrsmittel zum Transport von Gütern und Personen. Die Fahrzeuge werden an mechanischen oder magnetischen Schienen geführt. Zu den mechanisch geführten Systemen gehören vor allem die Schienenbahnen, die das Rad-Schiene-System nutzen. Nach demselben technischen Prinzip funktionieren auch andere Bahnen, bspw. Straßenbahnen, Stadtbahnen, U-Bahnen, Hochbahnen und Bergbahnen. Großer Vorteil des Bahnverkehrs ist der niedrige Energieverbrauch infolge der geringen Rollreibung zwischen Rad und Schiene. Aufgrund der notwendigen spezifischen Infrastruktur (Gleise, Bahnhöfe, Signalanlagen) sind jedoch hohe Investitionen erforderlich.

Bahnverkehr Schienenverkehr Schienennahverkehr

Schienenfernverkehr

- U-Bahnen - Stadtbahnen - Schnellbahnen (S-Bahn) - Straßenbahnen - Kabelbahnen - Hochbahnen - Hängebahnen

- Linienverkehr - Charterverkehr - Hochgeschwindigkeitszüge - Luxuszüge - Nachtzüge - Magnetschwebebahn - Güterverkehr

Abb. 4.1

Weitere Bahnen

-

Bergbahnen

Bahnen im Freizeitbereich

Zahnradbahnen Seilbahnen Reibradbahnen Sessel- & Schlepplifte

- Historische Züge/ Museumsbahnen - Achterbahnen - Geisterbahnen

Überblick Bahnverkehr

Eine weitergehende Unterscheidung der Verkehrsformen in Schienenpersonenfernverkehr und öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) ist in Deutschland üblich. Zum ÖPNV gehört neben dem Schienennahverkehr auch der öffentliche Busnahverkehr. Beide Nahverkehrsarten werden im Weiteren nicht näher betrachtet, da sie für den Tourismus nur eine untergeordnete Rolle spielen. Für die Tourismusindustrie ist die Unterscheidung zwischen Linien- und Charterverkehr üblich. Große Teile des touristischen Bahnverkehrs werden allerdings im Rahmen des normalen Linienverkehrs abgewickelt.

Bahnen

4.2

231

Markt & Strategie Bahn

Vorläufer der Eisenbahn sind die Holzspurbahnen der spätmittelalterlichen Bergwerke. Eiserne Gleisbahnen gab es in englischen Hüttenwerken gegen Ende des 18. Jahrhunderts, welche allerdings durch Pferde oder menschliche Muskelkraft bewegt wurden. Erst die Erfindung der Dampfmaschine durch James Watt ermöglicht den maschinellen Betrieb. Am 13.2.1804 fuhr der erste mit Dampfkraft bewegte Eisenbahnzug der Welt auf der Hüttenwerkbahn von Merthyr Tydfil in Südwales. Die Maschine zog auf fünf Wagen zehn Tonnen Fracht und zusätzlich 70 Mann in vier Stunden und fünf Minuten über die neun Meilen lange Strecke (ungefähr 15 km). Der Beginn des personengestützten Eisenbahnzeitalters wird durch die Eröffnung der Strecke Stockton – Darlington 1825 markiert. Die ersten bedeutenderen Städte, die durch eine Eisenbahn miteinander verbunden wurden, waren 1830 Liverpool und Manchester. Die Eisenbahn verbreitete sich von hier aus zunächst langsam, dann immer schneller über die ganze Erde. 1835 wurde in Deutschland die erste Eisenbahnstrecke (6 km lang) zwischen Nürnberg und Fürth eröffnet, 1839 die 116 km lange Eisenbahnstrecke zwischen Leipzig und Dresden. In den folgenden Jahrzehnten wurden in ganz Deutschland Eisenbahnlinien gebaut. Diese wurden teilweise privatwirtschaftlich geführt, teilweise unterstanden sie der Leitung des Staates, daher war das Netz nicht flächendeckend und ärmere Landesteile wurden vom Bahnverkehr nicht erschlossen. Die deutschen Eisenbahnen wurden deshalb 1895 verstaatlicht und blieben in dieser Organisationsform bis nach dem Ersten Weltkrieg bestehen. Durch den Zweiten Weltkrieg wurde ein Großteil der Lokomotiven und Waggons zerstört, aber nach Ende des Krieges war die Eisenbahn das einzige überregionale Verkehrsmittel und wurde von Flüchtlingen, Kriegsheimkehrern, Reisenden und für den Güterverkehr genutzt. Nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland entstand 1949 die Deutsche Bundesbahn, während die Bahn in der DDR weiterhin die Deutsche Reichsbahn blieb. Der Schienenverkehr war bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts das Hauptverkehrsmittel in Deutschland. Dann wurde die Automobilindustrie in Deutschland immer stärker und das Autofahren beliebter. Der Staat investierte mehr Finanzmittel in den Straßenverkehr als in das Schienennetz und die Bahn verlor an Bedeutung. Die Wiedervereinigung von Ost- und Westdeutschland im Jahr 1990 machte es möglich, eine dringend benötigte Reform des Eisenbahnwesens durchzuführen.

4.2.2 Marktumfeld & -teilnehmer Die Schiene zeichnet sich gegenüber anderen Verkehrsträgern durch eine Reihe von Marktbesonderheiten aus, die mitunter erheblichen Einfluss auf den Betrieb und die Erfolgsaussichten des Schienenverkehrs nehmen: –

Der Verkehrsweg Schiene stellt besondere Anforderungen an das System Eisenbahn. So muss ein Eisenbahnunternehmen die hohen Kosten für die Infrastruktur

Modul 2

4.2.1 Historie

232

Bahnen

durch eine intensive Nutzung der Gleisanlagen sicherstellen. Schlüsselfaktoren zur bestmöglichen Auslastung von Strecken sind die zu Verfügung stehende Streckenkapazität bzw. -leistungsfähigkeit. –

Eine weitere Besonderheit des Schienenverkehrs betrifft die Besitzverhältnisse, da andere Verkehrsträger durch eine Trennung der Eigentumsverhältnisse des Verkehrsträgersystems gekennzeichnet sind. Das Eigentum bzw. die Kontrolle für Verkehrswege liegt meist beim Staat, während die Bereitstellung der Verkehrmittel (Flugzeuge, Busse) sowie die Bereitstellung von Stationen (z. B. Flughäfen, Schiffshäfen) jeweils durch private Unternehmen erbracht werden. Dies ist bei dem System Schiene anders, da bei den staatlichen Bahnen Schienenfahrzeuge, Gleise und Bahnhöfe im Besitz einer Gesellschaft sind.



Zudem ist die Bahn aufgrund der staatlichen Besitzverhältnisse von der Verkehrspolitik und wechselnden Regierungen abhängig. Schließlich war die Bahn bis 1994 als Behörde organisiert und damit an staatliche Weisungen direkt gebunden. Betriebswirtschaftlich sinnvolle Entscheidungen und marktorientierte Entwicklungen waren deshalb kaum möglich. Die Bahn wurde – neben der Landwirtschaft und dem Kohlebergbau – zu einem der größten Empfänger staatlicher Subventionen. Die Verschuldung belief sich Anfang der 1990er Jahre auf fast 35 Mrd. €.

4.2.3 Zahlen & Fakten Deutsche Bahn Konzernumsatz (Mill. €) Betriebsergebnis (Mill. €) Mitarbeiter Betriebsstellen (Bahnhöfe etc.) Schienennetz (km) Reisende (Mrd.) Personenkilometer (Mrd.) Trassen-km DB-Züge (Mill.) Trassen-km externe Unternehmen (Mill.) Abb. 4.2

Unternehmenszahlen der Deutschen Bahn

2003

2005

2007

28.228 - 172 242.759 5.665 35.593 1,682 69.534 917,8 70,5

25.055 1.352 216.389 5.707 34.211 1,785 72.554 887,7 110

31.309 2.895 237.078 5.718 33.890 1,835 74.792 902,1 146,6

(Quelle: DB Geschäftsberichte)

Als Aktiengesellschaft unterliegt das Unternehmen der Deutschen Bahn den Bilanzierungsvorschriften des HGB und veröffentlicht ihre Konzernabschlüsse jährlich. Wichtige wirtschaftliche Kennzahlen sind bspw. Umsatz, Anlagevermögen, Eigenkapital, Cashflow vor Steuern und Investitionen. Maßgeblich für die Umsatzentwicklung der DB AG sind außerdem Leistungskennzahlen, zu denen im Personenverkehr die Anzahl der Reisenden, Reisendenkilometer,

Bahnen

233

Das wesentliche touristische Aufgabengebiet umfasst den Fernverkehr der Deutschen Bahn, wobei der Schwerpunkt auf mittleren Entfernungsbereichen (100 bis 450 km) zwischen Ballungsgebieten im In- und Ausland liegt. Der Fernverkehr findet sowohl im Linien- als auch im Charterverkehr statt. Das Zugangebot im Fernverkehr von 1.291 Zügen täglich nutzten im Jahr 2007 119 Mill. Reisende, wobei die Auslastung der Fernzüge lediglich 40 % betrug. Im touristischen Bereich hat sich die Deutsche Bahn AG von maßgeblichen Beteiligungen getrennt, um sich verstärkt auf ihr Kerngeschäft konzentrieren zu können. Der Nah- und Regionalverkehr ist für die kurzen Distanzen bis ca. 100 km zuständig und bietet ein weit verzweigtes Regionalverkehrsnetz. Ziel ist das Angebot eines integrierten Angebots von Schiene und Bus. Das Geschäftsfeld Stadtverkehr beinhaltet insbesondere die S-Bahn in Berlin und Hamburg sowie 22 Busgesellschaften in ganz Deutschland. DB Fernverkehr Reisende/Jahr 119 Mill. Züge/Tag 1.290 Lokomotiven 276 Triebzüge 252 Reisezugwagen 2.219 Mitarbeiter 15.011 Umsatz 3,3 Mrd €

DB Regio Reisende/Jahr 1,2 Mrd. Züge/Tag 22.054 Lokomotiven 1.492 Triebwagen 6.690 Reisezugwagen 6.143 Mitarbeiter 15.011 Umsatz 6,5 Mrd €

DB Stadtverkehr Reisende Schiene/Jahr Reisende Bus/Jahr Züge/Tag Busse Triebwagen Mitarbeiter Umsatz

541 Mill. 723 Mill. 3.851 4.300 1.895 12.231 1,9 Mrd €

DB Bahn Vertrieb 6.800 Mitarbeiter 9.500 Automaten 3.500 Reisebüros 420 Reisezentren 6 Callcenter Abb. 4.3

Betriebsleistungen der Deutschen Bahn

Ca. 300 Mill.Tickets/Jahr bahn.de:ca.700 Mill. Reiseauskünfte/Jahr Kanalmix: ca. 33 % personenbedient Ca. 66 % systembasiert

(Quelle: Daten und Fakten Deutsche Bahn 2008)

Der Personenverkehr befindet sich heute auf dem Weg zum ganzheitlichen Mobilitätsdienstleister. Schon jetzt umfasst die Bahn nicht nur die Eisenbahn, sondern auch ergänzende Dienstleistungen, wie das stunden- oder tageweise Mieten von Autos (DB Carsharing) oder Fahrrädern (Call a bike) und die feste Vernetzung mit dem öffentlichen Personennahverkehr. In Zukunft ist eine weitere Verflechtung zwischen allen Verkehrsträgern zu geschlossenen Mobilitätsketten geplant.

Modul 2

Betriebsleistung und im Schienengüterverkehr die Anzahl der beförderten Güter, Transportleistung, Transportweite, Anzahl der Bahnhöfe und die Betriebsleistung gehören. Die wesentlichen Zahlen sind in der nachfolgenden Abbildung zusammengefasst:

234

4.3

Bahnen

Produktionsfaktoren Bahn

Das Transportmittel Eisenbahn ist zusammengesetzt aus Lokomotiven und Eisenbahnwagen. Lokomotiven unterscheiden sich nach der primären Antriebsenergie in Dampf-, Diesel- und Elektrolokomotiven. Der Wagenpark differenziert sich nach Funktion in Personen- und Güterwagen. Im Bereich des Personenverkehrs gibt es besondere Wagenformen, wie z. B. Doppel-, Schlaf-, Salon- und Speisewagen. Der Unternehmensbereich DB Fuhrpark-Gruppe stellt die Fahrzeuge in Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen bereit. Der ICE 1 z. B. entstand gemeinsam mit den Unternehmen ABB, AEG, Siemens, Thyssen-Henschel, Krupp und Krauss-Maffei. Die Lokomotiven und Triebwagen sind mit Baureihennummern gekennzeichnet, die den Typ des Transportmittels erkennbar machen. So entspricht die Baureihe 401 z. B. dem ICE 1. Hinsichtlich der Produktqualität differenziert sich das Leistungsangebot der Bahn in zwei Klassen. Die Bahn gilt allgemein als ein sicheres Verkehrsmittel. Ausgereifte Sicherheitseinrichtungen gibt es sowohl in den Triebfahrzeugen als auch für die Bahnanlagen. Auf den Schienen fahren unterschiedliche Zugtypen. Diese sind nach Funktionszweck, Schnelligkeit und Komfort zu unterscheiden:  Intercity-Express (ICE) Der Intercity-Express (ICE) ist das Flagschiff der Deutschen Bahn. Die Triebzüge verteilen sich auf fünf Baureihen (59 ICE 1, 44 ICE 2, 67 ICE 3, 71 ICE T und 19 ICE TD), von denen rund 60 Triebzüge ins Ausland verkehren. Die Züge erreichen im Fahrgastbetrieb Höchstgeschwindigkeiten zwischen 200 und 320 km/h und befördern über die Hälfte der Reisenden im deutschen Eisenbahnfernverkehr. Seit 1991 nutzten etwa 550 Mill. Fahrgäste den ICE, allein im Jahr 2007 waren es ca. 70 Mill. Menschen.

Der ICE 3 wurde von der Deutschen Bahn AG erstmals im Sommer 2000 als Zubringer für die Weltausstellung (Expo) in Deutschland eingesetzt. Er kann auch international eingesetzt werden, da er für die verschiedenen Stromsysteme der Niederlande, Belgiens und Frankreichs ausgelegt ist. Die Antriebsmotoren befinden sich beim ICE 3 nicht mehr in den Triebköpfen an den Enden des Zuges, sondern sind unter den Fahrgasträumen verborgen und auf mehrere Wagen verteilt. Während beim ICE 1 nur 8 von bis zu 64 Achsen angetrieben werden, sind es beim ICE 3 16 von 32 Achsen. Dadurch verbessert sich die Beschleunigung erheblich: Um eine Geschwindigkeit von 100 km/h zu erreichen, benötigt der ICE 3 49 Sekunden gegenüber 80 Sekunden beim ICE 1. Ein großer Vorteil ist daher der beträchtliche Fahrzeitgewinne auf Strecken mit vielen Geschwindigkeitswechseln. Insgesamt beschleunigen 8000 kW die acht Wagen

Bahnen

235

 Intercity (IC) Im Jahre 2007 fuhren 52 Mill. Fahrgäste mit den Intercity-Zügen und ihren 1618 Reisezugwagen. Der IC verbindet im Ein- oder Zwei-Stunden-Takt größere Städte und erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h. Züge gleicher Qualität, die die Metropolen der Nachbarländer mit Deutschland verbinden, fahren unter dem Namen EuroCity. Die meisten ICs und ECs verfügen über ein Bordrestaurant oder ein Bordbistro. Für die Fahrt muss ein Aufpreis gezahlt werden, der jedoch geringer ist als beim ICE. Die Intercity-Züge der Deutschen Bahn wurden inzwischen modernisiert. Unter anderem finden die Kunden Notebook-Steckdosen in den Abteilen der 1. Klasse und an den Tischplätzen im Großraum beider Wagenklassen.  DB Autozug Für Reisende, die im Urlaub nicht auf ihr Auto oder Motorrad verzichten wollen, gibt es den DB AutoZug. Mit ihm werden touristisch relevante Gebiete in Deutschland, Frankreich, Italien und Österreich angefahren. Die Züge sind in Sitzwagen, Liegewagen und Schlafwagen unterteilt. Die Preise richten sich nach Teilnehmer, Autogröße und Reiseziel. Sie variieren zudem nach Abfahrtsdatum; in der Hauptreisesaison liegen die Kosten höher. Pro Fahrzeug werden zwischen 50 € und 250 € in der günstigsten, zwischen 100 € und 600 € in der höchsten Preisklasse fällig. Je nach Komfort, bspw. bei einem eigenen Abteil mit Dusche und WC, kann sich der Preis weiter erhöhen. In jüngster Zeit wurden trotz guter Auslastungen einige Strecken gestrichen, da die Trassenpreise für die in- und ausländischen Strecken stark gestiegen sind.  City Night Line (CNL) Zum Fahrplanwechsel im Dezember 2007 wurden die Nachtzugangebote der Bahn (DB Nachtzug, UrlaubsExpress und CityNightLine) in der Marke City Night Line zusammengeführt. Diese einheitliche und internationale Marke setzt neue Maßstäbe im internationalen Nachtreiseverkehr. Die Markenvereinheitlichung umfasst neben dem gemeinsamen Namen und einem einheitlichen Zugauftritt im rot-weißen DBDesign insbesondere eine Angleichung der Standards bei Komfort, Qualität und Service und setzt so neue Maßstäbe im internationalen Nachtreiseverkehr. Das Angebot umfasst zahlreiche Verbindungen in folgende Länder: Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Italien, Niederlande, Österreich, Schweiz und Tschechien. Der DNachtzug (D-Nacht) ist ein Angebot verschiedener Bahngesellschaften und fährt in die meisten Länder Osteuropas. Der EuroNight ist ein Angebot der Partnerbahnen aus Österreich, Italien, Ungarn und Rumänien.

Modul 2

des ICE 3 auf seine Reisegeschwindigkeit von 300 km/h (Höchstgeschwindigkeit: 330 km/h). Eingesetzt wird der ICE3 zumeist unter den Marketingnamen ICE Sprinter. Diese Zuggattung pendelt früh morgens und spät abends zwischen Deutschlands Metropolen und ist besonders für Geschäftsleute interessant.

236

Bahnen

4.4

Marketing & Vertrieb Bahn

 Nachfrage Vielen Bahnkunden ist ein hohes Maß an Flexibilität wichtig. Sie wollen sich spontan für einen Zug entscheiden. Diese Zielgruppe will sich nicht im Vorfeld auf einen Zug festlegen und deshalb sind die Frühbucherangebote der Bahn für sie nicht interessant. Da ältere Menschen häufig nicht mehr in der Lage sind, über längere Strecken mit dem Auto zu fahren und ihren Urlaub oft im Inland verbringen, nutzen sie gerne die Bahn als Verkehrsmittel. Fast jeder fünfte Rentner fährt mit der Bahn in den Urlaub. Die Bahn bietet spezielle Angebote für Geschäftsreisende an. Geschäftskunden haben den Anspruch, zeitsparend, komfortabel, ruhig und vermehrt auch kostengünstig zu reisen.  Tarifsystem Die Preispolitik der Bahn ist durch das Tarifsystem vorgegeben. Es erfolgt eine Mischkalkulation. Sondertarife gibt es z.B. für Reiseveranstalter oder Jugendreisen. Von Reisezeit, Klasse, Zugart und Strecke, Anzahl der reisenden Personen und Zeitkarten abhängig ist die Differenzierung der Preise. Die Bahn vertreibt seit 2008 außerdem kurzzeitig Tickets zu Sonderkonditionen in Supermarktketten und bei Ebay. Yield-Management spielt bei der Bahn nur eine geringe Rolle, da anders als bei anderen Verkehrsmitteln bei der Bahn der Fahrscheinkauf meist nicht im Zusammenhang mit der Festlegung auf einen bestimmten Zug steht. Dennoch versucht die Deutsche Bahn ihre Auslastung ansatzweise mit Hilfe der Prinzipien von Yield-Management zu steuern, indem Kunden für frühzeitige Buchungen besondere Rabatte erhalten. Das umfangreiche Angebot hinsichtlich unterschiedlicher Regionen und verschiedener Zugtypen hat zu einer heterogenen Preislandschaft der Deutschen Bahn geführt. Grundsätzlich ist jedoch zwischen „Normalpreisen“ und „Sonderpreisen“ zu unterscheiden. Normalpreise sind die Kilometerpreise, die Relationspreise und die Pauschalen. Zu den Sonderpreisen zählen vor allem zeitlich oder regional begrenzte Angebote. Räumliche Differenzierung z.B. LOCOPreissystem Abb. 4.4

Zeitliche Differenzierung z.B. GutenAbend-Pass

Personelle Differenzierung z.B. SeniorenPaß, TwenTicket

Preisdifferenzierung bei der Deutschen Bahn AG

Quantitative Differenzierung z.B. BahnCard, Großkundenabo., NetzCard (Quelle Meffert 2000)

Bei einer räumlichen Preisdifferenzierung wird die Verkehrsdienstleistung an unterschiedlichen Orten zu verschiedenen Preisen angeboten. Diese Differenzierung bietet die Bahn beim so genannten LOCO-Preissystem des ICE an. Hier wird der Preis nicht mehr über die Entfernung, sondern unter Berücksichtigung der relativen Wettbewerbssituation auf dieser spezifischen Relation festgelegt.

237

Die zeitliche Preisdifferenzierung wird gezielt zur Steuerung von Nachfrage und Kapazitäten eingesetzt. Dabei werden die Preise zu nachfragestarken Zeiten höher festgelegt als zu nachfrageschwachen Zeiten. Typische nachfragestarke Zeiten sind ab Freitagnachmittag bis Sonntagabend, sowie Morgen- und Abendverbindungen. Eine weitere Preisdifferenzierungsstrategie der DB ist die personelle Preisdifferenzierung. Diese setzt an nachfragespezifischen Merkmalen an. So werden verschiedene Tarife und Angebote für Jugendliche, Familien mit Kindern, Senioren u.a. offeriert. Für Gruppen von bis zu fünf Personen bietet die DB das Wochenendticket und die Ländertickets an. Das zentrale Instrument der Preispolitik der DB ist die BahnCard. Mit der BahnCard, besteht die Möglichkeit, Fahrscheine zum halben Preis zu erwerben. Ende 2007 waren über vier Millionen Bundesbürger in Besitz einer BahnCard, wovon ca. 50 % jeweils eine BahnCard 25 bzw. BahnCard 50 haben. Dieses Ticketangebot gilt in fast allen Zügen der DB – an allen Tagen und für den Verlauf eines Jahres. Die Gültigkeit der BahnCard wurde weiterhin auf viele regionale Busgesellschaften der DB und auf Strecken der Regionaleisenbahngesellschaften, sowie auf Züge der CityNightLine ausgedehnt. Ausgeschlossen sind jedoch DB Autozüge und Sonderzüge.  Distribution Die Distribution erfolgt im Direktvertrieb durch die DB AG und im Fremdvertrieb. Insgesamt werden 78 % der Produkte direkt von der deutschen Bahn vertrieben. Bahneigene Vertriebskanäle sind vor allem die DB Reisezentren. Des Weiteren werden Fahrscheine im Zug, an Automaten, über das Internet sowie in Callcentern vertrieben. In der nachfolgenden Abbildung ist die derzeitige prozentuale Verteilung der Absatzkanäle zu sehen. Es ist zu beachten, dass sich die Darstellung auch auf den Fahrscheinverkauf für den Nahverkehr bezieht.

Reisebüros 22%

Automaten 18% Sonstiges 4% Call Center 2%

DB Reise Zentren 50%

Abb. 4.5

Prozentuale Verteilung der Absatzkanäle

www. bahn.de 4%

Modul 2

Bahnen

238

Bahnen

Erkenntnisse Deutsche Bahn



 Die Deutsche Bahn hat mehr als 200.000 Beschäftigte und jährlich ca. 1,8 Mrd. Reisende.  Relevant für den Tourismus ist der Fernverkehr mit 119 Mill. Reisenden. Allerdings sind die Züge nur zu ca. 40% ausgelastet.  Die Deutsche Bahn ist kein rein privatwirtschaftliches, sondern ein staatliches Unternehmen.  Im Gegensatz zu anderen Verkehrsträgern ist die Infrastruktur der Bahn (Bahnhöfe, Gleise usw.) im Besitz einer Gesellschaft.  Wichtige Zugtypen sind der ICE, der IC, der DB Autozug und der City Night Line.  Es gibt verschiedene Instrumente der Preispolitik, z.B. BahnCard, Ländertickets oder Angebote für Senioren. Bahntickets werden vor allem direkt von der Deutschen Bahn vertrieben.

4.5

Weitere Bahnen

Die Deutsche Bahn AG ist nach beförderten Passagieren die größte Bahngesellschaft in Europa. Auf den Plätzen zwei und drei folgen die englische Bahngesellschaft ATOC und die französische SNCF. Weltweit die meisten Passagiere hat die japanische Bahngesellschaft JR, die mehr Passagiere als alle europäischen Bahngesellschaften zusammen transportiert hat. In Europa ist in den letzten Jahren ein leichter Anstieg im Bahnverkehr zu verzeichnen. Weltweit fährt niemand so häufig Bahn wie die Schweizer. Bei je 40 Fahrten legte jeder Eidgenosse 2006 rein rechnerisch insgesamt 2001 km zurück. Japan (1800 km), und Frankreich (1288 km) folgen mit deutlichem Abstand. Deutschland liegt mit im Schnitt 907 km je Einwohner auf Platz zehn.

4.5.1 Hochgeschwindigkeitszüge Ein Hochgeschwindigkeitszug ist ein Zug, der mit hoher Geschwindigkeit (200 bis 500 km/h) verkehrt. Um diese hohen Geschwindigkeiten zu erreichen, wird eine große elektrische Antriebsleistung montiert und der Zug gleichzeitig so leicht wie möglich gebaut. Hierzu werden Materialien, Bauweisen und Verfahren aus der Luft- und Raumfahrtindustrie übernommen. Aufgrund der starken Motorisierung sind die Hochgeschwindigkeitszüge in der Lage, wesentlich größere Steigungen zu überwinden als herkömmliche Züge. Die speziellen Schnellfahrstrecken können so freier trassiert werden und Baukosten für Neubaustrecken werden gesenkt. In Zukunft sollen die Hochgeschwindigkeitszüge durch den Neubau von europaweiten Trassen zu einer ernsthaften Konkurrenz der Linien- und Billigfluggesellschaften ausgebaut werden. Bei Strecken von bis zu drei Stunden Fahrzeit können diese Züge den Ge-

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239

Modul 2

schwindigkeitsvorteil der Düsenflugzeuge egalisieren, da die Bahnhöfe zumeist im Stadtzentrum sind und ein umständliches Check-in entfällt. Unter diesem Zeitlimit ist die Bahn schneller, günstiger und direkter. Zurzeit entsteht ein europäisches Hochgeschwindigkeitsnetz, welches bis 2025 in ganz Europa ausgebaut werden soll.

Abb. 4.6

Hochgeschwindigkeitsnetz in Europa

(Quelle: UIC 2008)

 Frankreich Bereits seit 1981 fahren die ersten TGV-Züge (Train à Grande Vitesse = Hochgeschwindigkeitszug) auf der Neubaustrecke von Paris nach Lyon. Die Fahrzeit zwischen Paris und Lyon wurde von vier auf zwei Stunden verkürzt. Mit 20 Mill. Reisenden jährlich und einem Marktanteil von 57 % war die Neubaustrecke sofort ein großer Erfolg. Zwischen den angebundenen Städten haben die Reisen per TGV aufgrund der Zeitersparnis die Flugreisen verdrängt und den Markteintritt von Billigfluggesellschaften bis heute weitgehend verhindert.

Von Paris aus geht es auf 1540 km eigenem TGV-Netz in alle Richtungen: in den Südosten bis zum Mittelmeer, in den Südwesten nach Bordeaux, in den Westen nach Rennes und mit Geschwisterzügen nach London, Brüssel und Köln. Der im Juni 2001 in Betrieb genommene TGV Méditerranée braucht für die 750 km zwischen Paris und

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Marseille nur noch drei Stunden. Des Weiteren gibt es zwei neue Strecken, welche München und Frankfurt/Main mit Paris verbinden.  Spanien Im Jahre 1992 fand in Sevilla die Weltausstellung EXPO statt. Die Eisenbahn benötigte für die 574 km lange Strecke zwischen Madrid und Sevilla fast sechs Stunden. Nach einer Planungs- und Bauzeit von lediglich viereinhalb Jahren wurde am 19. April 1992 einer Hochgeschwindigkeitsstrecke durch die spanische Eisenbahngesellschaft RENFE eingeweiht. Durchgehende Züge von Madrid nach Sevilla benötigen heute lediglich 2 Stunden 15 Minuten Fahrzeit. Für den Alta Velocidad Española (AVE) mussten neue Schienen gebaut werden, denn die spanische Bahn benutzt eine größere Spurbreite als die anderen europäischen Bahnen. Heute umfasst das spanische Hochgeschwindigkeitsnetz bereits 1957 km mit Verbindungen von Madrid nach Malaga, Sevilla, Cordoba, Valldolid und Barcelona. Besonders die neueröffnete Strecke zwischen den beiden wichtigen Zentren Madrid und Barcelona wird eine große Zukunft vorhergesagt. Diese Verbindung benötigt nur noch 2 Stunden und 37 Minuten für die 600 km lange Strecke. Der Fahrpreis beträgt zwischen 40 und 170 €, welcher allerdings bei einer mehr als sechsminütigen Verspätung wieder erstattet wird.

Hochgeschwindigkeitszug AVE  Transeuropäischer Hochgeschwindigkeitsverkehr Nachdem feststand, dass der Eurotunnel gebaut werden sollte, mussten sich die Ingenieure um die Konstruktion neuer Hochgeschwindigkeitszüge kümmern. Der neue Zug musste eine ganze Reihe von Bedingungen erfüllen, um für den Einsatz von Paris nach London gerüstet zu sein. So muss der Zug drei verschiedene Stromsysteme und vier Signalsysteme verarbeiten können. Zudem müssen die Einstiege sich an die verschieden hohen Bahnsteige anpassen, die sich auch unterschiedlich weit von den Schienen befinden. Die Eurostar-Züge fahren vom Pariser Nordbahnhof aus nach London Waterloo International bzw. von Brüssel nach London W.I. Wer von Paris aus nach Brüssel fahren möchte, muss den Thalys nehmen. Für die Verbindung zwischen Deutschland und Frankreich stehen die beiden Verbindungen zwischen Paris

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und Stuttgart bzw. Frankfurt/Main zur Verfügung und schließlich gibt es auch noch eine TGV Verbindung nach Zürich.

Am Anfang waren Bahnreisen sehr unbequem. Die Waggons waren schlecht beheizt und kaum beleuchtet. Die Gleise schüttelten die Reisenden auf ihren Holzbänken durch. Gepolsterte Sitze gab es noch nicht. Auch Direktverbindungen waren eine Seltenheit. An jeder Landesgrenze mussten die Reisenden aussteigen und in einen Zug des anderen Fürstentums oder Staates umsteigen. So dauerten längere Strecken eine Ewigkeit und waren mit vielen Reisestrapazen verbunden. Nach einem Besuch in den USA im Jahr 1872 und inspiriert durch die dortigen Erfolge der Gebrüder Pullman entschloss sich der 27-jährige Belgier Georges Lambert Nagelmackers, Sohn des Besitzers der ältesten belgischen Handelsbank, die „Compagnie Internationale des Wagons-Lits“ (CIWL) zu gründen. Er wollte den PullmanBrüdern auf dem noch nicht erschlossenen, europäischen Schnellzugreisemarkt zuvorkommen. Seine Vision war, das seine Züge nicht nur die komfortabelsten und luxuriösesten sein sollten, sondern sie sollten auch quer über die innereuropäischen Landesgrenzen hinweg durch ganz Europa fahren können. Um diese Ziele zu erreichen, entwickelte er den ersten komfortablen Reisewaggon mit Abteilen und Polstersitzen. Außerdem entwarf er einen Schlafwagen, einen Salonwagen und einen Gepäckwagen sowie den allerersten Speisewagen samt eingebauter Küche. Seine Idee war es, den Reisenden auf langen Strecken eine Art Hotel auf Rädern zu bieten. Sämtliche Luxuszüge auf dem europäischen Kontinent wurden bis zum Ersten Weltkrieg ausschließlich von Wagon Lits betrieben. Die ersten Luxuszüge verbanden die europäischen Hauptstädte Berlin, London, Paris, Rom, St. Petersburg und Wien. Später richtete die CIWL saisonale Luxuszüge zu den bekannten Kurorten Cannes, Karlsbad und Marienbad ein.  Orient-Express Anfang Juni 1883 fand dann die Jungfernfahrt des Orient-Express statt. Dieser erste Luxuszug bestand aus zwei Schlafwagen, einem Speisewagen dessen Innenraum mit einer Wandbekleidung aus Gobelins, Maroquinleder und Samt ausstaffiert war, einem Wagen der den Smoking Room mit angeschlossener Bibliothek für die Herren und ein Boudoir für die Damen enthielt, ein Wagen für die Angestellten mit Büro und Küche und einem Gepäckwagen. Die Reisezeit von Paris nach Istanbul betrug ca. 70 Stunden und der Zug legte eine Strecke von 3186 km zurück. In den durchfahrenen Ländern gab es jeweils lokale Speisen und Folkloredarbietungen. Bekannt wurde der OrientExpress nicht nur durch seinen Luxus und sein Publikum, sondern durch spektakuläre Vorfälle. 1891 wird der Zug von Räubern überfallen, die mit einer Beute von 120.000 Britischen Pfund entkommen konnten. Im Jahr darauf wird der Zug wegen einer Choleraepidemie an Bord unter Quarantäne gestellt. 1894 eröffnete die Betreiberfirma CIWL in Istanbul ein eigenes Hotel ausschließlich für Orient-Express-Passagiere. Im Jahr 1917 wurde Mata Hari, eine Spionin der Deutschen, im Zug festgenommen und von der französischen Armee exekutiert. 1929 steckte der Zug fünf Tage lang in ei-

Modul 2

4.5.2 Luxuszüge

242

Bahnen

nem Schneesturm in der Türkei fest. Dieser Vorfall diente 1934 Agatha Christie als Kulisse für ihr Buch „Mord im Orient-Express“. Im Jahr 1963 wurde ein Teil des James-Bond-Filmes „Liebesgrüße aus Russland“ an Bord des Orient-Express gedreht. In der heutigen Zeit verwenden mehrere Reiseveranstalter den Namen OrientMenubeispiel Express, um luxuriöse SchienenkreuzfahrHummer mit Brandysauce ten durchzuführen. Ein englischer UnterFrikassee aus Frühlingsgemüse nehmer schickt seit Mai 1982 einen detailgebratene Ente getreu renovierten Luxuszug mit der techmit weißem Trüffel, nischen Ausstattung des 20. Jahrhunderts parfümierte Gänseleberpastete, auf Jungfernfahrt: den Venice-SimplonBabykürbis und Silberzwiebeln, Orient-Express. Da der Orient-Express sautierte Kartoffeln noch mit Originalwaggons fährt, ist der Komfortstandard nicht so hoch wie bei französische Käsespezialitäten anderen Luxuszügen. In den Abteilen gibt knusprige Zartbitterschokolade und es z. B. nur eine Waschnische mit WaschBergamotte-Eisdessert becken und warmem Wasser. Dusche und Toilette sind an den Enden der Waggons Konfektauswahl eingebaut. Außerdem müssen die StockbetKaffee aus Kolumbien ten tagsüber heruntergeklappt werden, um Sitzmöglichkeiten im Abteil zu bieten, da ein Doppelabteil nur 2,8 m² groß ist und somit nur sehr wenig Raum bietet. Zum Ausgleich ist ein eigener Barwagen mit integrierter Cocktailbar Teil des Zuges. Dazu spielt nachmittags und abends ein Pianist an einem Flügel. Passagiere, die abends in diese Bar gehen möchten, müssen sich allerdings an die Kleidervorschriften halten. In den Empfehlungen zur Reisebekleidung während einer Reise mit dem Orient-Express heißt es: „You can never be overdressed“. Der Zug bietet seinen Gästen drei Bordrestaurants. In zwei Restaurants können die Gäste léger gekleidet essen gehen, aber im Lalique gibt es eine Kleiderordnung: Herren müssen im Smoking, Damen im Abendkleid erscheinen. Neben dem abgebildeten Menu kann im Restaurant auch à la Carte bestellt werden. Alle Gerichte werden frisch zubereitet. Tischreservierungen können tagsüber beim verantwortlichen Steward abgegeben werden. Zur Verpflegung gibt es an Bord aller Züge auch einen 24-Stunden-Kabinen-Service der den Passagieren rund um die Uhr kleinere Gerichte in die Abteile bringen kann. Der Luxus hat allerdings auch seinen Preis: Die einfache Strecke von Paris nach Istanbul kostet ca. 6500 € pro Person. Die Fahrt dauert sechs Tage, wobei die Gäste lediglich drei Nächte im Zug übernachten. Das Unternehmen betreibt noch weitere Luxuszüge, unter anderem seit 1993 den „Eastern & Oriental Express“. Die Stammstrecke dieses Zuges ist die Verbindung von Singapur nach Bangkok über Kuala Lumpur. Die Reise dauert drei Tage. Beide Nächte werden im Zug verbracht.  Pride of Africa Einer der bekanntesten Züge im südlichen Afrika trägt den Namen „Pride of Africa“ (Stolz von Afrika). Er wird von dem Unternehmen Rovos Rail (gegründet 1989 und benannt nach dem Eigentümer Rohan Vos) betrieben, welches seinen Sitz in Pretoria

243

hat. Rovos Rail ist mit drei Zügen und einer Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h im südlichen Afrika unterwegs. Die landschaftlich schönste Route ist jene von Pretoria nach Kapstadt. Der Pride of Africa bietet die größten aller Kabinen an. Die DeluxeSuiten messen 11 m², die Royal-Suiten sogar ganze 16 m² und nehmen somit jeweils einen halben Waggon ein. Die Zugreisenden haben ihren eigenen privaten Aufenthaltsraum und im Badezimmer steht zusätzlich zur Dusche auch eine Badewanne. Die Waggons stammen aus den 1920er und 1930er Jahren, sie sind liebevoll restauriert und auf den neusten technischen Stand gebracht worden. Neben den Kabinenwaggons verfügt jeder Zug noch über einen Panoramawaggon mit großen Scheiben, einen Bar-, Lounge- und Club-Waggon sowie einen Restaurantwaggon im Stil der Belle Epoque. Die Gourmetküche auf dem Niveau eines 5-Sterne-Hotels wird hohen Ansprüchen gerecht. Die Dauer und Kosten der Fahrten variiert stark – angefangen von einer Eintagestour entlang der Gartenroute von Kapstadt bis George (760 €) bis hin zu einer 13-tägigen Sonderfahrt über 6100 km von Kapstadt bis nach Daressalam für 6900 €.  Blue Train Ein weiterer berühmter Zug im südlichen Afrika ist der Blue Train (Blauer Zug). Ihn gibt es schon seit dem Jahr 1946, zuerst fuhr er unter dem Namen Union Limited. Der Blue Train befährt insgesamt vier Routen: drei davon jeweils von Pretoria zu den Victoria Falls in Sambia, nach Hoedspruit und nach Kapstadt. An allen Bahnhöfen der Start- bzw. Zielorte sind spezielle Lounges mit Rezeptionen eingerichtet, in denen die Fahrgäste wie in einem Hotel einchecken können und ihr Gepäck abgeben können, das von Angestellten in die entsprechenden Waggons gebracht wird. Pretoria ist der zentrale Abfahrtsbahnhof der Blue Trains. Die Strecke Pretoria – Kapstadt wird dreimal wöchentlich befahren.

Layout des Blue Train  Royal Scotsman In Schottland gibt es seit 1985 den Royal Scotsman, der durch die schottischen High- und Lowlands fährt. Der Royal Scotsman bietet viele verschiedene, manchmal auch nach Themen klassifizierte Rundreisen

Modul 2

Bahnen

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Bahnen

durch Schottland an. So werden Golftouren, kulinarische Rundreisen oder so genannte Shootingtours (Fünf-Tages-Touren mit den Royal Scotsman bei denen man, von einem Jäger begleitet, von einem Jagdrevier ins andere reist und Wild jagt) angeboten. Das Besondere an diesem Zug sind nicht nur seine perfekt restaurierten historischen Speisewagen, Schlafwagen sowie sein Panoramawagen, sondern auch, dass sich die Fahrgesellschaft aus maximal 36 Gästen zusammensetzt, die von 16 Zugbegleitern exklusiv betreut werden. Angeboten werden Reisen von ein bis sieben Tagen bzw. Nächten. Eine weitere Eigenheit ist, das der Zug nachts entweder auf einem Seitengleis oder in einem ruhigen Bahnhof hält und somit seinen Passagieren einen ruhigen Schlaf ohne Erschütterungen und anderen Störungen ermöglicht.  Glacier Express Eine außergewöhnliche Bahnfahrt, jedoch lediglich ein Tagesausflug, ist die Fahrt mit dem Glacier Express in der Schweiz. Die Strecke führt von St. Moritz über Davos bis nach Zermatt und ist 291 km lang. Über ebenso viele Brücken und durch 91 Tunnel fährt man knapp acht Stunden mit dem Glacier Express. Der höchste Punkt der Reise wird bei der Überquerung des Oberalppasses mit 2033 Metern erreicht. Der Zug verbindet den Kanton Graubünden, die Zentralschweiz mit dem Vierwaldstädtersee und den Kanton Wallis. Der gesamte Zug ist mit Panoramawaggons bestückt, das heißt, jeder Waggon hat große Aussichtsfenster an den Seiten und auch noch Fenster im Dach für die Blicke nach oben auf die Berggipfel.

Erkenntnisse Weitere Bahnen



Hochgeschwindigkeitsbahnverkehr:  Für Hochgeschwindigkeit (200-500 km/h) sind spezielle Züge und Gleisanlagen notwendig.  Von einer Fahrtzeit von bis zu drei Stunden sind die Züge eine große Konkurrenz für Linien- und Billigfluggesellschaften.  Zurzeit entsteht in Europa ein länderübergreifendes Hochgeschwindigkeitsnetz.  In Europa sind Frankreich (TGV), Spanien (AVE) und Deutschland (ICE) führend. Luxuszüge:  Trotz des geringen Platzangebots sind Luxuszüge sehr beliebt und teuer.  Bekannte Luxuszüge sind Orient-Express, Pride of Africa, Blue Train, Royal Scotsman und Glacier Express.  Luxuszugreisen sind zumeist mehrtägige Schienenkreuzfahrten und durchaus vergleichbar mit Schiffskreuzfahrten.

Bahnen

245



Vertiefungsfragen

 Hochgeschwindigkeitszüge könnten für die Linienfluggesellschaften eine starke Konkurrenz werden. Nennen und begründen Sie lohnende Strecken in Deutschland?

 Warum lässt sich das Tarifsystem der Fluggesellschaften nicht auf die  Der Orient-Express ist der bekannteste aller Luxuszüge. Erläutern Sie dessen Serviceleistungen!

 Vergleichen Sie die Transportleistungen von Flug & Bahn auf der Strecke zwischen Stuttgart und Paris!

Literaturhinweise



  

Deutsche Bahn (Hrsg.), Deutsche Bahn Geschäftsbericht 2007, Berlin 2008



Mehdorn H., Klein-Bötting R., Möglichkeiten und Grenzen der marktorientierten

Deutsche Bahn (Hrsg.), Deutsche Bahn Zahlen und Fakten 2007, Berlin 2008 Meffert, H. (Hrsg.): Verkehrsdienstleistungsmarketing – Marktorientierte Unternehmensführung bei der Deutschen Bahn AG, Wiesbaden 2000 Führung in deregulierten Märkten am Beispiel der Deutschen Bahn, in: Bruhn M., Kirchgeorg M., Meier J. (Hrsg.), Marktorientierte Führung im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel, Wiesbaden 2007, S. 197–208

 

Monheim, H., Nagorni, K. (Hrsg.), Die Zukunft der Bahn, Karlsruhe 2004 Schulz A., Verkehrsträger im Tourismus, München 2009

Internetquellen 



www.tourismus-grundlagen.de, www.tourismus-verkehr.de Weitere Fallbeispiele, Folien und aktuelle Informationen zum Buch



www.uic.asso.fr Homepage des Internationalen Eisenbahnverbandes



www.bahn.de Homepage der Deutschen Bahn AG und die am häufigsten besuchte deutsche Internetseite im Tourismus



www.eurailpress.com. Sehr nützliche Seite, welche eine Volltextsuche in den wichtigsten Zeitschriften bietet.



www.pro-bahn.de Interessenvertretung der Fahrgäste des öffentlichen Verkehrs. Meist kritische Thesen, Themenpapiere und Artikel zum Thema Bahn.

Modul 2

Deutsche Bahn übertragen?

Straßenverkehr Modul 2

5

Lernziele



Am Ende dieses Kapitels sollten Sie Folgendes können:

 Teilnehmer und Leistungsanbieter im Straßenverkehr kennen;  Produkttypen von Busreisen herausarbeiten;  Marktüberblick der Mietwagenunternehmen geben;  Verschiedene Formen des Individualverkehrs benennen und erläutern können.

Verkehrsmittel im Straßenverkehr Weitere Informationen, Fallbeispiele & Übungen unter www.tourismus-grundlagen.de

248

Straßenverkehr

5.1

Überblick

Das Reisen auf Straßen zählt zu den ältesten Fortbewegungsarten der Menschheit. Im Hinblick auf die Bedeutung im Tourismus wurde diesem Sektor bislang jedoch nur relativ wenig Beachtung geschenkt. Trotz der Entwicklung neuer Transportmittel und der Verlagerung auf Flugreisen zählt das individuelle Reisen auf der Straße nach wie vor zu einem der bedeutendsten Sektoren im Tourismus. Neben den bekannten Sparten Busreiseverkehr und Autovermietung spielt natürlich besonders der Individualverkehr mit den eigenen Personenkraftwagen, Motorrädern oder Caravans eine bedeutende Rolle. Busverkehr • Linienverkehr • Gelegenheitsverkehr

Abb. 5.1

Autovermietungen • Firmengeschäft • Ferienautovermietung • Unfallersatzwagen • Leasing

Individualverkehr • Personenkraftwagen • Motorradverkehr • Caravaning & Reisemobile

Klassifizierung des Straßenverkehrs und touristischen Gesichtspunkten

 Historie Die ersten Grundlagen für das Reisen auf der Straße sind schon im Römischen Reich entstanden. Bereits damals gab es ein gut entwickeltes, vorbildliches Straßennetz, dessen Hauptverkehrsrouten um 300 n. Chr. bereits 90.000 km umfassten und vom heutigen Großbritannien zum Indischen Ozean und von Spanien nach Ägypten führten. Daneben existierten noch ca. 200.000 km an Nebenstrecken. Als Fortbewegungsarten an Land kamen bis Ende des 19. Jahrhunderts nur zu Fuß, zu Pferd oder mit der Kutsche in Frage, was das Reisen damals sehr viel langsamer und beschwerlicher machte. Ein römischer Kurier konnte z. B. etwa 80 km am Tag zurücklegen. Der große Ausbau des Straßensystems und die wachsende Bedeutung des Reisens auf der Straße kamen mit der Entwicklung des ersten Automobils im Jahre 1886 von Carl-Friedrich Benz. Schon vier Jahre später gab es in Deutschland bereits 265.000 Autobesitzer. Im Jahr 1950 waren es ein halbe Mill. und heute hat der gesamte Bestand in Deutschland 60 Millionen motorisierte Fahrzeuge erreicht. Die Idee, ein Autobahnnetz zu schaffen, entstand in den 1920er Jahren. Der erste Abschnitt wurde 1932 zwischen Köln und Bonn in Betrieb genommen. Mit dem Ausbau des Straßennetzes und der zunehmenden privaten Motorisierung stieg auch die Mobilität der Bevölkerung und das Auto gewann immer mehr an Bedeutung als Reisemittel. Der Prozentsatz der Autourlauber erreichte in den 1960er Jahren die gleiche Bedeutung wie zuvor der Urlaub mit der Bahn. Im Jahr 1968 benutzten mit 60 %

Straßenverkehr

249

 Verkehrsinfrastruktur in Deutschland Laut Statistischem Bundesamt umfasst das derzeitige Straßennetz in Deutschland insgesamt 231.000 km. Auf die einzelnen Bereiche aufgeteilt, entfallen auf die Bundesautobahnen eine Länge von 12.400 km, auf die Bundesstraßen 41.000 km, auf die Bundesfernstraßen 53.400 km sowie auf Land- bzw. sonstige Straßen 124.200 km. Beim Vergleich der Entwicklung der einzelnen Bereiche ist zu erkennen, dass besonders die Autobahnen verstärkt ausgebaut werden, wobei auch Bundesstraßen in Autobahnen umgewandelt werden. Bei den Landesstraßen hat sich die Gesamtlänge in den letzten zehn Jahren um circa 2 % reduziert. Die Kreisstraßen hingegen wurden aufgrund der Vergrößerung der Dörfer und Städte um 6 % erweitert. In Deutschland werden täglich circa 3 Mrd. Personenkilometer (PKm) zurückgelegt. Umgerechnet auf die Jahresverkehrsleistung werden ca. eine Billion Personenkilometer zurückgelegt. Die Verteilung auf die einzelnen Verkehrsträger zeigt, dass mit ca. 900 Mrd. km mehr als 90 % auf den motorisierten Individualverkehr entfallen.  Mobilitätsverhalten Grundsätzlich kann der Verkehr in zwei Bereiche unterteilt werden, den Alltagsverkehr, wozu der Berufsverkehr, der Ausbildungsverkehr und der Wirtschaftsverkehr zählen, und den Freizeitverkehr. Dieser wird noch in den alltäglichen Freizeitverkehr und in den nichtalltäglichen Freizeitverkehr unterteilt, wozu Urlaubsverkehr, Kurzreisen, Tagesausflugsverkehr und Erlebniseinkauf zählen. In der Bevölkerung hat sich der Freizeitanteil in den letzen Jahren stark erhöht, daraus resultiert eine deutliche Zunahme des Freizeitverkehrs. So ist die Zahl der Freizeitwege in den letzten 20 Jahren von 70 Mill. auf etwa 80 Mill. Wege täglich gestiegen. Bezogen auf die Jahreskilometerleistung entfallen ca. 420 Mrd. Pkm auf diesen Bereich. Der Anteil des Freizeitverkehrs liegt damit mit 40 % deutlich über dem des Arbeits- und Ausbildungsverkehrs mit knapp 23 %. Bezogen auf die gesamten Kilometerleistungen werden fast die Hälfte aller Kilometer für den Bereich Freizeit und Urlaub zurückgelegt. Ein Grund für das starke Anwachsen des Freizeitverkehrs ist, dass unter anderem das Autofahren bereits als Freizeitbeschäftigung angesehen wird und die Freizeitmobilität für viele ohne Auto schon nicht mehr denkbar ist.

5.2

Busverkehr

Die Busunternehmen bieten ihre Omnibusse als reines Transportmittel im Linienoder Gelegenheitsverkehr an. Innerhalb von Deutschland überwiegt der Nahverkehr. Der Überlandverkehr mit dem Omnibus hat die Rolle der Ergänzung des Schienenverkehrs und soll Gebiete ohne Bahnlinien erschließen. Im touristischen Bereich hat der Linienverkehr mit dem Bus keine große Bedeutung. So sind viele Busunternehmen keine rein touristischen Firmen, sondern überwiegend im Linienverkehr des

Modul 2

bereits mehr als die Hälfte aller Urlauber das Auto für ihre Urlaubsreise. Dieser Wert ist bis heute fast konstant geblieben.

250

Straßenverkehr

öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) tätig. Die meisten Busunternehmen führen beide Verkehrsarten mit jeweils unterschiedlichen Schwerpunkten durch. So werden Überlandbusse unter der Woche als Linienbusse eingesetzt und können an den Wochenenden z. B. für Vereinsausflüge genutzt werden. Neben dem öffentlichen Personennahverkehr existiert in vielen Ländern ein ausgeprägter nationaler und internationaler Fernlinienverkehr. In Deutschland haben solche Fernlinien nur eine geringe Bedeutung für die Bustouristik, da die benötigten Linienkonzessionen von den zuständigen Behörden selten vergeben werden. Beim Mietomnibusverkehr wird lediglich die Beförderungsleistung des Busses angeboten. Ziel und Ablauf der Fahrt werden vom Auftraggeber bestimmt. Vereinsausflüge, Klassenfahrten und Betriebsausflüge sind typische Reisen, die unter diese Verkehrsart fallen. Große Busreiseveranstalter wie RUF-Jugendreisen oder Studiosus sehen ihre Kernkompetenz in der Organisation von Busreisen und lassen diese dann von ausgesuchten Busunternehmen durchführen. Der Mietomnibusverkehr nimmt eine wichtige Stellung im Gelegenheitsverkehr ein. Rund drei viertel des Gelegenheitsverkehrs wird unter dieser Verkehrsart durchgeführt.

Gelegenheitsverkehr Busreiseveranstalter Abb. 5.2

Mietomnibusse

Linienverkehr Ausflugsverkehr

Fernlinienverkehr

ÖPNV

Arten des Busverkehrs

Die spezifischen Vorteile im Vergleich zu anderen Verkehrsträgern spielen eine große Rolle: Mit dem Bus kann nahezu jedes Ziel direkt angefahren werden. Der Bus ist weder zeitlich noch streckenmäßig an einen Fahrplan gebunden, somit können Kundenwünsche bezüglich der Zeiten oder Fahrtrouten berücksichtigt werden. Außerdem wird das Gepäck mitbefördert und dies bis hin zur Eingangstür der Unterkunft. Der Bus ist zudem ein sicheres, umweltverträgliches und sehr günstiges Verkehrsmittel.

5.2.1 Marktüberblick Bus Nur ca. 20 % der Busunternehmen treten selbst als Reiseveranstalter auf. Zusätzliche touristische Leistungen wie Unterkunft, Verpflegung und Freizeitprogramm werden zu einem Reisepaket geschnürt und meist über den eigenen Katalog vermarktet. Merkmale der Bustouristik sind insbesondere der vom Unternehmer fest aufgestellte Plan, der von allen Teilnehmern gemeinsame Ausflugszweck (bei der Ferienzielreise die Erholung), der allen Fahrgästen vorliegende Fahrausweis (bei Pauschalreisen er-

Straßenverkehr

251

 Kennzahlen In Deutschland gibt es etwa 5.500 private Omnibusunternehmen. Die Mehrheit der Unternehmen führt neben dem öffentlichen Personennahverkehr nur Ausflugfahrten durch, nur ca. 1.100 Busreiseveranstalter haben ein eigenes Programmen und einen Katalog. Die Busbranche verfügt über rund 24.500 Linienbusse, 20.500 reine Reisebusse und 17.500 Busse, die sowohl für Reisen als auch für den Linienverkehr eingesetzt werden. Für Reisen und Ausflugsfahrten werden somit ca. 38.000 Busse eingesetzt. Die mittelständische Unternehmensstruktur ist in der Bustouristik vorherrschend, das heißt, dass die Mehrzahl der Unternehmen auf regionalen Märkten mit einem Einzugsgebiet von bis zu 250 km vertreten ist. Im Durchschnitt hat ein Busunternehmen zwischen zehn und elf Fahrzeuge und beschäftigt ca. 13 Mitarbeiter. Es sind jedoch sowohl kleine Familienunternehmen mit ein bis zwei Fahrzeugen, Mittelbetriebe als auch Großbetriebe mit mehr als 50 Fahrzeugen und über 100.000 Reisende im Jahr auf dem Busreisemarkt präsent.  Rechtliche Rahmenbedingungen Die wichtigsten Rahmenbedingungen regelt das Personenbeförderungsgesetz. Jede Art der gewerblichen Personenbeförderung ist in Deutschland genehmigungspflichtig. Für jede Verkehrsart, also Ausflugsfahrten, Mietomnibusverkehr, Ferienzielreise sowie für den Linienverkehr gibt es eigene Genehmigungen, die von der zuständigen Genehmigungsbehörde erteilt werden. Nur wenn die Sicherheit und Leistungsfähigkeit des Betriebes gewährleistet ist, und zudem die persönliche und fachliche Eignung des Antragstellers nachgewiesen werden kann, wird die entsprechende Genehmigung erteilt. Die Gültigkeit ist im Gelegenheitsverkehr auf maximal vier Jahre, im Linienverkehr auf acht Jahre beschränkt. Die strenge Abgrenzung des Gelegenheitsverkehrs vom Linienverkehr wird insbesondere durch das Bereitstellungsverbot und das Unterwegsbedienungsverbot sichtbar: –

Aufgrund des Bereitstellungsverbotes dürfen im Gelegenheitsverkehr keine Busse auf öffentlichen Straßen und Plätzen bereitgestellt werden, um Fahrgäste aufzunehmen, die nicht bereits gebucht haben, um z. B. eine spontane Stadtrundfahrt oder einen bedarfsgerechten Transfer anzubieten.



Das Unterwegsbedienungsverbot verhindert das Absetzen oder Aufnehmen von Fahrgästen während einer innerdeutschen Reise. Die Reisegruppe muss vom Ausgangsort der Reise bis zu ihrer Rückkehr identisch sein. Lediglich das Einsammeln und Ausfahren der Gäste in ihrer Heimat ist erlaubt.

Die strengen Rahmenbedingungen durch das Personenbeförderungsgesetz haben somit die Entwicklung der regionalen Marktstruktur auf dem Busreisemarkt begünstigt und die überregionalen Veranstalter mit der Absicht benachteiligt, Maßnahmen

Modul 2

setzt durch die Angabe des Gesamtpreises) und die Rückkehr zum Ausgangsort (die so genannte Rundfahrt mit geschlossener Tür). Die Ferienzielreise ist außerdem noch durch das einheitliche Reiseziel, sowie die Mindestleistungen Beförderung und Unterkunft gekennzeichnet. Schließlich werden Busse vor allen in Zielgebieten bei Transfers, Rundfahrten und Ausflügen eingesetzt.

252

Straßenverkehr

zur optimalen Kapazitätsauslastung oder Bedienung verschiedener Teilmärkte zu verhindern. Die meisten Busunternehmen sind zumindest im Besitz der Genehmigungen für Ausflugsfahrten und Mietomnibusverkehr. Die Genehmigung für die Ferienzielreise ist an „ausreichende Erfahrungen auf dem Gebiet des Reiseverkehrs geknüpft“. Eine besondere Stellung nimmt der Linienverkehr ein. Es ist sehr schwierig, solch eine Genehmigung zu erhalten. Durch ein strenges Genehmigungsverfahren soll hier der Marktzutritt kontrolliert werden. Die Konzessionsvergabe schützt den Schienenverkehr vor intermodaler Konkurrenz, insbesondere die Monopolstellung der Deutschen Bahn auf vielen Linienverbindungen wird so staatlich unterstützt.  Geschäftsmodelle Der Vorteil der zumeist kleinen Unternehmen liegt darin, sich individuell auf die Kunden einzustellen zu können und die Reiseangebote dementsprechend anzupassen. Dennoch ist es für die Busreiseveranstalter schwer, sich in bestimmten Segmenten zu differenzieren, da sich Angebote wie bspw. 3-5-Tage-Städtereisen kaum voneinander unterscheiden. Die meisten Busreiseveranstalter verfolgen lediglich die Marktdurchdringungsstrategie, um ihren Marktanteil durch gezielte Zielgruppenansprache zu erhöhen. Allerdings wird es für Busreiseveranstalter immer wichtiger, sich von der Konkurrenz durch Schaffung von Alleinstellungsmerkmalen zu differenzieren. Gerade die günstigen Angebote der Billigfluggesellschaften, aber auch der Deutschen Bahn, stellen für die Busbranche eine erhebliche Gefahr vor allem im Segment Städtereisen dar.

5.2.2 Transportmittel Bus Der Funktionsfähigkeit des Personenbusverkehrs liegt der bedarfsgerechte Einsatz der drei Produktionsfaktoren Bus, Verkehrswege und Stationen zugrunde. Für den Betrieb eines Busunternehmens und die Leistungserbringung sind der Einsatz von Omnibussen und die Nutzung der Verkehrswege und Stationen die Grundvoraussetzung. 

Busmodelle

Reisebus

Kleinbus

Abb. 5.3

Midibus

Größenklassen von Reisebussen

Standardbus

Standardbus lang

Doppeldeckerbus

Straßenverkehr

253



Die kleinste Kategorie sind die Kleinbusse. Sie haben Platz für 9 bis 17 Fahrgäste und eine durchschnittliche Länge zwischen fünf und sieben Metern. Sie werden meistens für Kurzstrecken, Tagestouren oder Transferfahrten eingesetzt.



Die nächstgrößere Klasse wird als Midibus bezeichnet. Der Vorzug dieser kompakten Reisebusse liegt in der Wendigkeit in engen Städten und auf Bergstrecken. Sie haben Platz für 18 bis 38 Fahrgäste. Von den Maßen sind sie den großen Reisebussen ähnlich, jedoch kürzer. Die Länge dieser Busse liegt zwischen 7 m und 10 m, die Höhe kann bis zu 3,30 m betragen.



Als Standardbus bezeichnet man Reisebusse, die Platz für 40 bis 49 Personen, je nach Ausstattung, bieten. Die durchschnittliche Buslänge in dieser Klasse beträgt ca. 12 m und diese Busse sind meist zweiachsig. Sie sind multifunktional einsetzbar und dadurch für den Busunternehmer äußerst wirtschaftlich.

Innenansicht eines Neoplan Cityliners –

Als Standardbus lang werden Reisebusse bezeichnet, die eine Länge von knapp 13 bis 14 m aufweisen. Modelle dieser Kategorie haben Platz für 52 bis 59 Personen plus Begleiter und sind in ihrer Ausstattung den Standardbussen ähnlich. Sie sind außerdem dreiachsig und dadurch ist eine höhere Zuladung, im Vergleich zu den Standardbussen, möglich.



Die Kategorie der Doppeldeckerbusse weist die größte Sitzplatzanzahl aus. In einen solchen Bus finden je nach Ausstattung auf zwei Etagen zwischen 72 und 89 Personen Platz. Die durchschnittliche Länge beträgt 13 bis 14 m. Die Bauweise ist immer dreiachsig. Durch ihre Größe sind sie besonders wirtschaftlich für den Busunternehmer auf Strecken mit hohem Personenaufkommen.

Modul 2

Hinsichtlich der Größe lassen sich Reisebusse in fünf Kategorien einteilen.

254

Straßenverkehr

 Klassifizierung Grundlage für das System der Klassifizierung des Sitzkomforts sind Kriterien wie Beinfreiheit und Qualität der Rückenlehne. Außerdem werden auch Serviceeinrichtungen wie Bordtoilette, Miniküche oder Klimaanlage in der Klassifizierung mit berücksichtigt. Die verschiedenen Komfortstufen werden in 1- bis 5-Sterne-Ränge eingeteilt. Je mehr Sterne desto höher die Leistungskriterien, die das Fahrzeug erfüllen muss. Der Sitzkomfort im Reisebus wird laut einer EU-Richtlinie definiert. Die Beinfreiheit muss bei Reisebussen mindestens 68 cm betragen, welches einem 3-SterneBus entspricht. Die Bezeichnung der Gütestufe und die zu erfüllenden Kriterien werden wie folgt definiert: –

Standardclass (), der Bus für den kurzen Trip ist ausgestattet mit einer Abfallbeseitigung, einem Mikrofon für die Reiseleitung und einer Musikanlage. Zudem gehören eine Heizung, Lüftung und Nachtbeleuchtung zur Grundausstattung.



Touristclass (), der Bus für kleinere Ausflüge enthält zusätzlich Sonnenschutz an den Seitenfenstern. Außerdem steht ein Stauraum von 15 Litern für Gepäck jedem Reisegast zur Verfügung.



Komfortclass (), der Reisebus bietet zusätzlich eine Toilette mit Waschbecken, verstellbare Rückenlehnen, eine Gepäckablage, einen Fahrgasttisch, eine Doppelverglasung, eine Leselampe sowie eine Klimaanlage. Zudem gibt es eine Miniküche an Bord. Das Komfortmaß beträgt mindestens 68 cm und die Rückenlehne muss mindestens 3 cm stark sein.



Firstclass (), der Fernreisebus besitzt auch Fußstützen und hat im Heck des Fahrzeuges besonders viel Platz, da sich nur 4 Sitze in einer Reihe befinden dürfen. Das Komfortmaß muss mindestens 74 cm und die Stärke der Rückenlehne mindestens 4 cm betragen.



Luxusclass (), der Bus bietet ein Komfortmaß von 81 cm sowie eine Rückenlehnenstärke von mindestens 5 cm. Weiterhin verfügt der Reisebus über variierenden Bordkomfort.

Über den jeweils vorgeschriebenen Komfort hinaus können in jedem klassifizierten Bus Sonderausstattungen eingebaut sein, die durch Symbole eindeutig ausgewiesen sind. Die Symbole stehen von links nach rechts für: Miniküche, Bordküche, Klimaanlage, Toilette, Garderobe, Videoanlage, Telefon und Audioanlage.

Abb. 5.4

Symbole für Serviceeinrichtungen in Bussen

Straßenverkehr

255

5.2.3 Marketing & Vertrieb Bus

 Nachfrage Die Kunden der Busreiseveranstalter haben im Vergleich zu anderen touristischen Segmenten einen hohen Anteil an Stammkunden. Die teilnehmerstärksten Kundengruppen von Busreisen sind Singles, Paare ohne Kinder, Jungsenioren (Generation 50plus) und Senioren (Generation 60plus) in den mittleren und unteren Einkommensgruppen. Für die Abstimmung des Angebots auf die Zielgruppe ist es wichtig, den Wertewandel der Zielgruppe der Senioren zu berücksichtigen. So sind Senioren heute finanziell unabhängiger, allgemein gesünder und mobiler, reiseerfahrener und konsumfreudiger als noch vor einigen Jahren. Ihre Reisemotive sind vor allem der Wunsch nach sozialen Kontakten und Geselligkeit, Aktivität und persönliche Unabhängigkeit. Zudem haben sie im Gegensatz zu jüngeren Reisenden ein sehr stark ausgeprägtes Sicherheitsbedürfnis. Die zweitgrößte Zielgruppe der Busreisenden mit einem Anteil von circa 20 % ist die der Jugendlichen (14–29 Jahre). Der Besuch von Großveranstaltungen wie Festivals und Konzerte, der Besuch von attraktiven Städten und die Besichtigung historischer Sehenswürdigkeiten stellen häufig Reisemotive dieser Zielgruppe dar. Bei beiden Zielgruppen ist die Gruppenzugehörigkeit das Entscheidungskriterium. Außerdem ist eine großzügige Ausgabebereitschaft auf beiden Seiten festzustellen. Ein großer Vorteil für die Busunternehmen ist der überdurchschnittlich hohe Stammkundenanteil im Vergleich zu anderen touristischen Segmenten. Allerdings kommen die Kunden der regionalen Busreiseveranstalter aus einem sehr begrenzten Quellgebiet.  Produktpolitik Auch bei der Produktgestaltung können Busreisen ebenso wie andere Pauschalreisen in unterschiedliche Kategorien eingeteilt werden, je nach dem, welches Kriterium angelegt wird: u. a. nach der Reisedauer (Ausflugs-, Kurzreise, Wochenend-, Urlaubsund Langzeitaufenthalt), der demographischen Zielgruppe (Jugend-, Seniorenreisen oder Single-, Familienurlaub), oder dem dominierenden Urlaubsmotiv (Erholungs-, Gesundheits-, Kultur-, Studien-/Bildungs-, Aktiv-, Abenteuerreisen). Bei der Reisedauer ist zwischen Tages-, Kurz- und Urlaubsreisen zu unterscheiden. Jedoch hat sich in der Bustouristik eine andere Art der Kategorisierung durchgesetzt:

Modul 2

Busreiseveranstalter müssen ihre Reisen auf die Bedürfnisse ihrer Kunden ausrichten. Dazu ist zunächst eine Analyse der Zielgruppen und Nachfrage erforderlich, aus der sich die Zielsetzung und Strategie des Unternehmens ableiten lassen. Schließlich können diese im Marketing-Mix über das Produkt, den Preis, die Kommunikation und den Vertrieb kundengerecht umgesetzt werden.

256

Straßenverkehr

Produkttyp

Erläuterungen

Ausflugsfahrt

– Tagesausflug mit vorgegebenem Reisezweck – keine Reiseleitung, Betreuung erfolgt durch Busfahrer – Durchführung erfolgt nach Plan des Unternehmers – Rückkehr an Ausgangsort – sehr günstiger Reisepreis – Sonderfahrten zu Theater, Musicals ...

Kurzreise

– Reisezweck ist durch ausgeschriebenes Reiseprogramm vorgegeben – fakultativ können Ausflüge, Stadtrundfahrten angeboten werden – Zielreise, evtl. thematisch bedingte Zwischenstopps – evtl. örtliche Reiseleitung – Preisniveau sehr niedrig

Städtereise

– Zweck ist Aufenthalt in einer Stadt mit historischer od. kultureller

Bekanntheit – Reiseleitung oder Stadtführung sind obligatorisch – Reisedauer > 3 Tage – Qualität der Reise ist abhängig von der Übernachtung

Rundreise

– Besuch mehrerer Orte mit Besichtigungsprogramm – Besichtigungs- und Aufenthaltsorte sind fester Programmbestandteil,

Ausflüge sind fakultativ – Reisedauer > 5 Tage – ständige Reisebegleitung ist obligatorisch

Studienreise

– Reisezweck ist ausgeschriebene und detaillierte Thematik – geschulte Reiseleitung – Ziel- oder Rundreise

Urlaubsreise

– Reisezweck ist Urlaubsaufenthalt – Zielreise – Aufenthaltsdauer min. eine Woche

Abb. 5.5

Produkttypen der Buspauschalreise

 Preisgestaltung Eine wichtige Grundlage für die Kalkulation ist die zu erwartende Teilnehmerzahl, welche im Schnitt bei 30 bis 32 Gästen liegt. Durch eine Mindestteilnehmerzahl von 15 Personen sichern sich die meisten Busreiseveranstalter gegen hohe Verluste ab. Die Differenzierung der Busreiseveranstalter erfolgt in Anlehnung an die Unternehmensphilosophie und der gewünschten Zielgruppe zumeist über den Preis. In der Preiskalkulation der Beförderungsleistung werden die Kosten, die Preise der Wettbewerber (Marktpreise) und die Ausgabebereitschaft der Nachfrager berücksichtigt. Als Preisuntergrenze werden kurzfristig die variablen Kosten und langfristig die Deckung der gesamten Kosten angesetzt

Straßenverkehr

257

 Vertriebskanäle/Buchung Der Eigenvertrieb macht im Durchschnitt mit etwa zwei Drittel den größten Anteil am Gesamtvertrieb bei den Busreiseveranstaltern aus. Vereins- und Clubreisen werden z. B. hauptsächlich über den direkten Vertriebsweg der Busreiseveranstalter verkauft. Mit dem Eigenvertrieb wird vorwiegend der bereits vorhandene Kundenstamm angesprochen. Beim Fremdvertrieb werden Vertriebspartner mit einbezogen und die touristischen Produkte über Agenturen, Reisebüros, Internetplattformen etc. angeboten. Die am häufigsten gewählte Form des Fremdvertriebs sind klassische Reisebüros.

Erkenntnisse Bus



 Man unterscheidet zwischen Gelegenheits- und Linienverkehr.  Von ca. 5.500 Omnibusunternehmen sind nur ca. 1.100 Busreiseveranstalter.  Rechtliche Einschränkungen sind das Bereitstellungs- und das Unterwegsbedienungsverbot.  Busse werden nach Größe und nach Sternen klassifiziert.

5.3

Mietwagen

Im Gegensatz zu allen bisher diskutierten Verkehrsträgern übernimmt der Kunde bei der Autovermietung eine sehr aktive Rolle. Er ist selber der Fahrer und damit für die Beförderung verantwortlich. Ihm wird nur der Mietwagen als Transportmittel zur Verfügung gestellt. Er kann frei entscheiden, in welcher Geschwindigkeit und auf welcher Route er die gewünschte Strecke zurücklegen will.

5.3.1 Marktüberblick Mietwagen Die Mietwagenbranche kann in die Geschäftsfelder Firmengeschäft (54 % Marktanteil), Freizeit- und Privatgeschäft (16 %), Tourismus (18 %) sowie Unfallersatzwagen (9 %) untergliedert werden. Der Bereich Leasing bzw. Weiterverkauf der Mietwagen wird üblicherweise gesondert betrachtet. Je nach Mietwagenunternehmen, abhängig

Modul 2

 Kommunikation Über 60 % des Werbebudgets der Busreiseunternehmen fallen dabei auf den Bereich Printmedien. Das Hauptinstrument für die Kommunikation und den Vertrieb ist der Reisekatalog. Manche Reiseveranstalter veröffentlichen neben dem Hauptkatalog einen Winterkatalog oder einen zusätzlichen kleinen Katalog für bestimmte Zielgruppen, wie z. B. einen Sonderkatalog für Radreisen. Busunternehmen haben im Allgemeinen einen sehr großen Stammkundenanteil, der mit Hilfe von Direktmarketing angesprochen werden soll.

258

Straßenverkehr

von der Unternehmensgröße, liegen die Umsatzschwerpunkte in einem oder mehreren Geschäftsfeldern. Der Mietwagenmarkt besteht aus tausenden Klein- und mittelständischen Unternehmen und wenigen großen Anbietern. Auf die Vielzahl von verschiedenen Unternehmen kann an dieser Stelle nicht einzeln eingegangen werden. Der Anbietermarkt wird in die Hauptgruppen Geschäftsreiseanbieter, Mietwagenkooperationen und -broker, Ferienautoanbieter und Billiganbieter aufgeteilt. –

Die meisten Autovermietungen sind Geschäftsreiseanbieter. Die Unternehmen bieten die volle Produktpalette in einem weltweiten Netz an. Hierbei werden auch Privatpersonen und Touristen angesprochen.



Bei den Mietwagenkooperationen handelt es sich um einen Zusammenschluss von vielen regionalen Kleinanbietern zu einem großen nationalen Verbund, ohne dass diese durch den Zusammenschluss ihre Eigenständigkeit verlieren. Dadurch können die angeschlossenen Kleinanbieter bspw. Mengenvorteile beim Einkauf oder Synergieeffekte bei der Vermarktung nutzen und ihren Kunden durch ein flächendeckendes Netz an Vermietstationen einen besseren Service bieten.



Anders sieht es bei den Mietwagenbrokern aus. Da diese über keine eigenen Stationen und Fahrzeuge verfügen, arbeiten sie weltweit mit kleinen lokalen Anbietern zusammen und vermitteln diese lediglich. Diese Kooperation bietet den kleinen Anbietern die Möglichkeit, internationale Kunden zu gewinnen. Für den Broker bedeutet diese Art der Zusammenarbeit, dass er seinen Kunden ein weltweites Stationsnetz anbieten kann, ohne über ein eigenes umspannendes Netz zu verfügen.



Die Anbieter von Ferienmietwagen haben sich auf die Kundengruppe der Touristen spezialisiert. Ihre Stationen befinden sich häufig an internationalen Flughäfen in beliebten Feriengebieten. Sie treten dabei meist als Broker auf.



Wie bei den Fluggesellschaften schon längst üblich, drängen inzwischen auch immer mehr Billigmietwagen auf den Mietwagenmarkt. Easycar oder Laudamotion versuchen, ihre Billigstrategie von ihren Fluggesellschaften easyJet und Lauda Air auf die Autovermietung zu übertragen. Ähnlich wie bei den Billigfluggesellschaften oder Billigkreuzfahrten sind bei den Mietwagen nur sehr wenige Basisleistungen inkludiert. Der Vertrieb dieser Anbieter beschränkt sich meist nur auf ihre eigenen Internetseiten.

Im weltweiten Gesamtmarkt gehören Enterprise Rent a Car als Marktführer sowie Hertz, die Avis Budget Group, Vanguard mit National/Alamo, Sixt, Avis Europe und Europcar zu den führenden Unternehmen. Sie beherrschen mit 64 % knapp zwei Drittel des gesamten weltweiten Mietwagenvolumens. Der europäische Markt ist nach dem US-Markt der zweitwichtigste Markt weltweit. Die wichtigsten Märkte in Europa sind Deutschland und Großbritannien, gefolgt von Frankreich und Italien. Die wichtigsten Anbieter auf europäischer Ebene sind Avis Europe, Hertz und Europcar, die zusammen annähernd 50 % des Marktes abdecken.

Straßenverkehr

259

Sixt 25%

Hertz 14%

Europcar 23%

Modul 2

Sonstige 23%

Avis 15%

Abb. 5.6

Anteil Autovermietstationen in Deutschland

(Quelle: Gruner & Jahr 2009)

Der deutsche Markt wird zu über zwei Drittel von den großen Vermietketten Sixt, Europcar, Avis und Hertz dominiert. Ein weiteres Drittel teilen sich rund 580 meist klein- oder mittelständische Unternehmen. Der Anteil der „Großen Vier“ hat sich von 40 % im Jahr 1988 auf 64 % im Jahr 2000 daher stark erhöht und erreichte im Jahr 2007 sogar 72 %.

5.3.2 Marketing & Vertrieb Mietwagen Das Marketing und die Vertriebsstruktur sind mit entscheidend über den Erfolg eines Mietwagenunternehmens. Im nachfolgenden Kapitel wird zunächst die Struktur der Nachfragegruppen analysiert. Anschließend erfolgt im Rahmen der Produkt- und Preispolitik sowie der Kommunikation und Vertriebskanäle eine Analyse der Marketinginstrumente.  Nachfrage Der Nachfragemarkt kann in verschiedene Zielgruppen mit deren jeweiligen typischen Bedürfnissen differenziert werden.

260

Straßenverkehr

Einzelkunde

B

Freizeitanmieter

E

Urlauber

D

Fun-Autofahrer

Ü R

Internet-User Reisender Unfallgeschädigter

F N I S

Vertragshändler S Flottenabnehmer Firmenkunde

Abb. 5.7

E

Individuelle Bestimmung der Mietart, Kurzzeit, Langzeit, flexibel, variabel Mittelfristige Planung, freizeittaugliche Fahrzeuge (z.B. Kombi, Allrad, Fun) Mittelfristige Planung, reisetaugliche Fahrzeuge, saisonbedingte Buchung Kurzfristige Buchungsmöglichkeit, spezifische Fahrzeuge, flexibel, variabel Konkrete Planung, verbindliche Reservierung, kostengünstige Fahrzeuge unbegrenzte Laufleistung, Navigation, gehobene Ausstattung Sofortige Verfügbarkeit, offene Laufzeit, unbegrenzte Laufleistung Angepasster Fuhrpark, günstige Mietmöglichkeit, Rahmenabkommen Einheitlicher Fuhrpark, Rahmenabkommen, Fuhrparkmanagement Kontinuierliche Anmietung, konstante Planung, Fuhrparkmanagement

Nachfragestruktur bei Autovermietungen

 Produktpolitik Jedes Mietwagenunternehmen teilt seinen Fuhrpark in unterschiedliche Kategorien nach Fahrzeuggröße ein. Bei der Reservierung wird dem Kunden kein konkretes Fahrzeugmodell bestätigt, sondern nur die entsprechende Kategorie. In den USA werden die Fahrzeuge in der Regel in die fünf Kategorien Economy, Compact, Intermediate, Premium und Luxury aufgeteilt. Diese nehmen rund 90 % des Gesamtfuhrparks ein, wobei schon die kleineren Klassen Economy und Compact zwei Drittel der Fahrzeuge ausmachen. Die Servicequalität spielt in einer Dienstleistungsbranche wie in dem Mietwagenunternehmen eine bedeutende Rolle. Oft bietet allein der Service die Möglichkeit, sich gegenüber der Konkurrenz abzuheben, da das Produkt an sich nur geringe Unterschiede aufweist. So bietet bspw. Sixt einen Express-Service an, bei dem der Kunde den Autoschlüssel mit Hilfe einer Reservierungsnummer am Automaten abholen kann. Gleichzeitig erhält er eine Wegbeschreibung, die ihn zu seinem Mietwagen führt.  Preisgestaltung Die Preisgestaltung der Mietwagenunternehmen stellt für den Kunden einen sehr unübersichtlichen Tarifdschungel dar. So reichen die Bezeichnungen von Feiertags-, Ferien- und Freizeittarif, über Flughafen- oder Bahnstationstarif, Schnäppchentarif, Frühbuchertarif, Internettarif, Hochzeitstarif bis hin zum Studententarif. Die wichtigsten Tarife sind jedoch zeitabhängig: Tages-, Wochend- und Wochenpauschalen.

261

 Vertriebskanäle Auch bei den Mietwagenanbietern wird zwischen den direkten Vertriebskanälen mit Internet, Telefon und Vermietstationen und den indirekten mit Reisebüros und Reiseveranstalter unterschieden. Der direkten Vertriebskanal wird sehr häufig genutzt (ca. 50–75 %) und bietet dem Mietwagenanbieter zwei entscheidende Vorteile: Zum einen können Vertriebskosten eingespart werden, da keine Vermittlungsgebühren anfallen, und zum anderen erhalten die Mietwagenfirmen mehr Informationen über den Kunden und dessen Buchungsverhalten.



Erkenntnisse Mietwagen

 Mietwagen werden von Geschäftsreise-, Ferienauto- und Billiganbietern sowie Kooperationen und Broker angeboten.  Marktführer sind Avis, Hertz, Europcar und Sixt mit einem Marktanteil von 72 %.  Mietwagen werden häufig direkt gebucht.

5.4

Individualverkehr Individualverkehr

PKWverkehr Abb. 5.8

Motorradverkehr

Caravaning & Reisemobile

Fahrradtourismus

Unterscheidungsformen des Individualverkehrs

Im Gegensatz zum öffentlichen Verkehr benutzt der Einzelne beim Individualverkehr ein zumeist eigenes Verkehrsmittel für den Transport. Der Individualverkehr erbringt den größten Anteil der gesamten Beförderungsleistungen in der Bundesrepublik. Dementsprechend ausführlich wird diese Verkehrsart statistisch erfasst und ausgewertet. Auch wenn die Privatpersonen selbst keine statistischen Zahlen liefern, so kann doch aufgrund von Verkehrszählungen und verbrauchten Treibstoffen die Beförderungsleistung im Individualverkehr ermittelt werden. Allerdings werden bei dieser Methode zumeist nicht die Beweggründe für eine Autofahrt ermittelt, so dass der touristische Aspekt des Individualverkehrs nur schwer zu ermitteln ist. Eine Beson-

Modul 2

Straßenverkehr

262

Straßenverkehr

derheit ist der Fahrradverkehr, da diese Verkehrsform als einzige ohne maschinellen Antrieb auskommt.

5.4.1 Personenkraftwagen Das gesamte Straßennetz und die Kraftfahrzeugindustrie dienen im weitesten Sinne dem Reiseverkehr. In den 1950er und 1960er Jahren erlebte der Pkw-Tourismus einen rasanten Anstieg. Seit Ende der 1980er Jahre geht dieser Anteil langsam zurück. Grund hierfür ist die steigende Zahl der Flugreisen. Trotzdem ist der Pkw noch immer das am häufigsten genutzte Verkehrsmittel für Urlaubsreisen. Laut des Statistischen Bundesamts verfügt im Durchschnitt jeder bundesdeutsche Haushalt über 1,1 Autos. Nach dem jahrzehntelangen Anstieg der Pkw-Zulassungen nimmt ihre Zahl auf deutschen Straßen heute nur noch geringfügig zu. So kommen z. zurzeit auf 1.000 Einwohner 575 Pkws. Grundsätzlich zählen alle Führerscheinbesitzer zur Zielgruppe für Reisen mit dem Personenkraftwagen (Pkw). Der Anteil der Führerscheinbesitzer ist in den letzten Jahren stetig angewachsen. Die jüngeren Jahrgänge bis zu einem Alter von 40 Jahren haben generell fast vollständig einen Führerschein. Da die Pkw-Touristen einen so hohen Anteil an den Gesamtreisenden ausmachen, ist ihre Struktur mit der der Gesamtbevölkerung sehr ähnlich. Der Pkw wird zu den unterschiedlichsten Zwecken genutzt. Die Nutzungszwecke der Personenkraftwagen können in drei große Bereiche eingeteilt werden. Dies sind der Berufsverkehr, wozu Berufs-, Ausbildungsfahrten und Geschäftsreisen zählen, der Einkaufsverkehr und der Freizeit- bzw. Tourismusverkehr. Würden heute alle deutschen Pkw-Urlauber gleichzeitig mit ihrer Urlaubsreise beginnen, entstünde ein Stau, der in seiner gesamten Länge zweimal um die Erde reichen würde. Die Vorteile des Autos als Urlaubsmittel, und damit die Hauptgründe für die Wahl, sind vor allem der hohe Grad an Freiheit, Flexibilität, Spontanität und die Möglichkeit der individuellen Gestaltung der Reise im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln. Zudem sind Urlaubsziele schnell und bequem erreichbar. Die Nutzung des Autos als Reisemittel ist stark abhängig von den Reisezielen und damit von den jeweiligen Entfernungen der Urlaubsdestinationen. Bei Unterscheidung der Nutzung der einzelnen Verkehrsmittel nach Deutschlandreisen und den Reisen insgesamt wird deutlich, dass sich bei Reisen innerhalb Deutschlands 75 % und in die Alpenregion fast gleichviel mit 74,4 % der Reisenden für das Auto als Transportmittel entscheiden. Über 40 % aller deutschen Autoreisenden haben sich im Jahr 2003 für ihr Heimatland als Ziel entschieden und sind damit die wichtigste Zielgruppe für den Tourismus in Deutschland. Zu den beliebtesten Auslandszielen zählen Italien, Österreich und Frankreich. Die Gründe hierfür liegen vor allem darin, dass diese Ziele nur eine relativ geringe Entfernung haben und oftmals am bequemsten mit dem Auto zu erreichen sind. Als alternatives Verkehrsmittel kommt bei diesen Zielen meist nur die

Straßenverkehr

263

Bahn in Frage. Die Bedeutung des Pkws als Urlaubsmittel nimmt mit steigender Entfernung rapide ab. Besonders bei Reisezielen, die nicht über Landwege erreichbar sind, bzw. die Fernreisen sind, ist der Anteil des Autoreiseverkehrs verschwindend gering.

In Deutschland sind laut des Statistischen Bundesamtes zurzeit insgesamt rund 3,8 Mill. Motorräder, Leichtkrafträder und Roller sowie etwa 1,6 Mill. Mopeds, Mokicks und Mofas registriert. Bezogen auf die einzelnen Haushalte besitzen ca. 10 % ein Motorrad. Der Trend bei den Motorradtypen zeigt deutlich, dass der Anteil der leistungsstarken Motorräder über 750 ccm in den letzten Jahren konstant angestiegen ist. Fast jedes dritte neu zugelassene Motorrad hat eine Motorleistung über 1000 ccm, womit diese Quote doppelt so hoch ist wie in Gesamteuropa. Im Allgemeinen werden die Straßenmotorräder in vier Typen wie Enduromaschinen, Chopper, Cruiser und Tourenmaschinen unterteilt. Bei den Neuzulassungen nach Motorradtypen entfällt auf die Chopper mit 30 % der größte Anteil. Mit ca. 90 % ist der überwiegende Anteil der Halter männlich. Bei einer Betrachtung nach Altersgruppen fällt auf, dass die Altersgruppe von 40 bis 44 Jahren am stärksten vertreten ist. Das Durchschnittsalter von 41,8 Jahren hat sich in den letzten Jahren stetig nach oben geschraubt. Der typische Motorradfahrer wird als männlicher Akademiker mit einem Altersdurchschnitt von circa 40 Jahren und einem guten bis sehr gutem Einkommen skizziert. Insgesamt zeichnet eine deutliche Verlagerung des Motorrades als Nutzobjekt hin zum Lifestyle- und Prestigeobjekt ab. Ein Großteil der Motorradfahrer möchte einfach zum Spaß fahren. Auch Ausflüge an Wochenenden oder in der Freizeit sind beliebter geworden. Der zweckgebundene Transport, wie zur Arbeit und Ausbildung, ist hingegen weiter rückläufig. Neben der Nutzung in der Freizeit spielt das Motorrad auch bei Urlaubsreisen als Verkehrsmittel eine bedeutende Rolle. Das Besondere bei den Urlaubreisen mit dem Motorrad ist, dass die Freizeitaktivität Motorradfahren mit einem Urlaub verbunden werden kann. Zudem ist die Fahrt in den Urlaub wichtiger als der Aufenthalt am Zielort selbst. Entscheidend bei der Auswahl der Zielgebiete ist die landschaftliche Strecke. Bei den Zielgebieten ist Norditalien der klare Favorit. Jeder Fünfte entscheidet

Modul 2

5.4.2 Motorrad

264

Straßenverkehr

sich für eine Fahrt auf den italienischen Bergstrecken und kurvigen Straßen. Jeweils circa 14 % verbringen ihren Motorradurlaub in Frankreich bzw. in Deutschland. Zu einer der beliebtesten Routen innerhalb Deutschlands zählt unter anderem die Deutsche Alpenstraße. Schließlich gibt es bei Motorradreisen gibt es eine Vielzahl an Organisationsformen. Der Grund dafür liegt vor allem darin, dass neben Veranstaltern von Motorradreisen eine Vielzahl an Motorradclubs in Deutschland existieren, die regelmäßig ihre eigenen Reisen organisieren. Daneben gibt es noch eine große Anzahl derjenigen, die ihre Route komplett individuell organisieren. Insgesamt ist bei der Organisation von Motorradreisen zu erkennen, dass diese zumeist in Gruppen bzw. für Gruppen organisiert werden.

5.4.3 Caravaning Der Bereich Caravaning und Reisemobile ist in den letzten Jahren in Deutschland sehr stark angewachsen. Der Urlaub auf Rädern mit einem Pkw und Wohnanhänger, im Folgenden auch Caravaning genannt, oder mit motorisierten Reisemobilen, liegt derzeit im Trend. Insgesamt sind in Deutschland laut Kraftfahrtbundesamt aktuell etwa 370.000 Reisemobile und über 614.000 Caravans zugelassen. Beim Caravanbestand wird jedoch von einer Dunkelziffer von über 50 % ausgegangen, da die auf den Dauerstandplätzen abgestellten und nicht angemeldeten Fahrzeuge nicht registriert werden. Bei den Reisemobilen liegt die Dunkelziffer bei ca. 20 %, da diese oft als Pkw, Lkw oder Büromobil angemeldet werden. In den letzten Jahren entschieden sich 7 % der deutschen Reisenden bei ihrer Haupturlaubsreise für die Unterkunftsform Camping. Bei den Inlandsreisen liegt dieser Anteil mit 9 % noch deutlich höher. Der Vergleich der Entwicklung von Caravans mit den Reisemobilen zeigt, dass in Deutschland ein klarer Trend hin zu selbstfahrenden Reisemobilen geht. Die Zahl der neu zugelassenen Caravans ist um 4,6 % auf 21.562 Fahrzeuge im Jahr 2004 gesunken. Die Zahl der neu zugelassenen Motorcaravans ist hingegen um 8,8 % gestiegen und hat mit 19.363 Fahrzeugen die bisherige Höchstmarke erreicht. Die Zielgruppe für Caravaningurlauber gilt als jung, urban, gebildet und besser verdienend. Bei der Verteilung des Alters wird deutlich, dass die über 55-jährigen 2 % und die 14-bis 34-jährigen 9 % der Reisenden ausmachen. Campingtouristen kommen mit verstärkt aus Großstädten, haben im Durchschnitt einen höheren Bildungsstand besitzen und zählen zu den besserverdienenden Haushalten. Dies bedeutet, dass bei dieser Zielgruppe weder Kosten noch Mühen gescheut werden, um den Urlaub mit einem Höchstmaß an Individualität und Beweglichkeit verbringen zu können.

265

Modul 2

Straßenverkehr

Innenansicht eines Hymer Reisemobils Beim Campingtourismus ist Deutschland das Hauptreiseland der einheimischen Bevölkerung. Von allen Reisenden entschieden sich 9 % für einen Campingurlaub in Deutschland. Die große Bedeutung Deutschlands für den Campingtourismus spiegelt sich in der großen Anzahl an Campingplätzen wider. Deutschland bietet den Camping- und Caravaningurlaubern sehr unterschiedliche Ferienziele, die in kurzen Entfernungen erreichbar sind. Bayern und Mecklenburg-Vorpommern zählten mit jeweils über einer Mill. Ankünften und über drei Mill. Übernachtungen von Touristencampern zu den wichtigsten Zielgebieten für Campingurlauber innerhalb Deutschlands. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer liegt hier jeweils bei drei bis vier Nächten. Neben den deutschen Reisezielen sind auch die nahen südeuropäischen Gebiete von großer Bedeutung für den Campingtourismus.

Erkenntnisse Individualverkehr



 Unterscheidungsformen sind: Pkw, Motorrad und Caravaning.  Jeder Haushalt in Deutschland besitzt 1,1 Pkw.  Pkw werden für Berufs-, Einkaufs- und Freizeitverkehr genutzt.  Motorräder sind häufig Lifestyle Objekte für ältere männliche Akademiker.  Caravaning & Reisemobile sind heutzutage sehr beliebt. Besonders die teuren Reisemobile werden bevorzugt.

266

Straßenverkehr



Vertiefungsfragen

 Skizzieren Sie die Vertriebswege der Autovermieter!  Erläutern Sie die Stärken und Chancen des touristischen Busreiseverkehrs!

 Busse werden mit einer Einteilung in Sterne kategorisiert. Welche Unterschiede ergeben sich zwischen einem 1-Sterne-Bus und einem 4Sterne-Bus?

 Wodurch unterscheidet sich das Konzept der Firma Rotel von normalen Busreisen?

 Recherchieren Sie im Internet eine optimale Motorradtour durch die Alpen (Hotels, Routenverlauf, Sightseeing)!

Literaturhinweise 



Becker O., Goslich W., Müller G., Bus- und Gruppenreisen, Marktchancen, Produkte, Erfolgsfaktoren, Meßkrich 2006



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 

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Internetquellen 



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www.bav.de Bundesverband der Autovermieter Deutschlands e.V. Informationen, Pressemitteilungen und aktuelle Marktdaten



www.bdo-online.de Bundesverband deutscher Omnibusunternehmer. Zahlen, Daten und Fakten zu unterschiedlichen Themen der Busbranche



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www.uitp.com Weltverband der öffentlichen Verkehrsunternehmen

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Modul 2

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Modul 2

Literaturverzeichnis

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Modul 2

Schiffsreisen

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Modul 2

Straßenverkehr

Grundlagen der Hotellerie und des Hotelmanagements im Tourismus Hotelbranche – Hotelbetrieb – Hotelimmobilie Marco A. Gardini

Modul 3

Modul 3

Inhaltsverzeichnis Die Hotellerie als Branche und Wirtschaftszweig

1.1

Einordnung der Hotellerie in das Gesamtsystem Tourismus

280

1.2

Begriff und Erscheinungsformen von Hotelunternehmen

281

1.3

Branchenstruktur der Hotellerie

284

1.4

Organisationsformen in der Hotellerie

288

1.5

Qualitätskategorien und Hotelklassifizierung

292

1.6

Die deutsche Hotellerie im Wandel

294

1.7

Grundlegende Strukturen und Akteure der internationalen Hotellerie

297

2

Dienstleistungsbesonderheiten der Hotellerie

2.1

Begriff und Dimensionen von Dienstleistungen

304

2.2 2.2.1

Zum Dienstleistungscharakter der Hotelleistung Zur „Erlebniswelt“ Hotel als materielles und immaterielles Leistungssystem Konsequenzen der Dienstleistungsbesonderheiten für die Hotellerie

307

2.2.2 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3

279

303

308 312

Dienstleistungsqualität und Kundenzufriedenheit als Erfolgsfaktor in der Hotellerie Begriff der Qualität Qualitätsdimensionen von Dienstleistungen Wirkungszusammenhänge zwischen Kundenerwartungen, Kundenzufriedenheit und Dienstleistungsqualität

316 316 317 320

3

Hotelmanagement und Hotelbetrieb

327

3.1

Grundlegende Leistungs- und Organisationsbereiche eines Hotelbetriebs 328

3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3

Der Hotelbetrieb und seine Leistungen Besonderheiten der Leistungspolitik in der Hotellerie Zur Bedeutung der Standortwahl in der Hotellerie Gestaltungsbereiche des Leistungsprogramms in der Hotellerie

332 332 339 342

3.3

Angebots- und Nachfragestrukturen in der Hotellerie

347

Modul 3

1

278

Inhaltsverzeichnis

3.4

Ausgewählte betriebswirtschaftliche Kennziffern in der Hotellerie

350

3.5

Personalqualität als Erfolgsfaktor in der Hotellerie

353

4

Akteure, Produkte und Märkte in der Hotellerie

4.1 4.1.1 4.1.2

Ausgewählte Anbieter und Produktkonzepte in der Hotellerie Strategische Gruppen und Schlüsselanbieter in der Hotellerie Ausgewählte Produktkonzepte in der Hotellerie

360 360 365

4.2 4.2.1 4.2.2

Ausgewählte Märkte und Marktsegmente in der Hotellerie Der Geschäftsreisemarkt Der Freizeitreisemarkt

374 374 377

5

Hotelmanagement und Hotelimmobilie

5.1

Zum Verhältnis von Hotelimmobilie und Hotelmanagement

386

5.2

Eigentumsverhältnisse und Vertragsstrukturen

389

5.3

Entwicklungen auf dem deutschen Hotelimmobilienmarkt

394

5.4

Arten von Hotelinvestitionen

397

5.5 5.5.1 5.5.2 5.5.3

Kriterien von Investitionsentscheidungen in der Hotellerie Markt- und Standortkonzept Betreiber- und Vertragsmodell Finanzierung und Finanzierungspartner

400 401 408 410

Literaturverzeichnis

359

385

415

Die Hotellerie als Branche und Wirtschaftszweig

Lernziele



Am Ende dieses Kapitels sollten Sie Folgendes können:

 die Hotellerie als Teil der Tourismusindustrie einordnen;  einen Überblick über den Hotelmarkt und die Branchenstruktur der Hotellerie geben;

 die verschiedenen Betriebsarten und Erscheinungsformen von Hotelunternehmen unterscheiden;

 die Unterschiede zwischen Hotelketten und Hotelkooperationen herausarbeiten;

 die Aufgaben und Probleme der Hotelklassifizierung benennen;  den Strukturwandel der Hotellerie von unternehmerzentrierten Hotelbetrieben, hin zu konzern- bzw. kooperationsgebundenen Organisationseinheiten verstehen;

 die grundlegenden Strukturen und Akteure der internationalen Hotellerie skizzieren.

The Fairmont Banff Springs, Alberta, Kanada Weitere Informationen unter www.tourismus-grundlagen.de

Modul 3

1

280

1.1

Die Hotellerie als Branche und Wirtschaftszweig

Einordnung der Hotellerie in das Gesamtsystem Tourismus

Die Hotellerie ist ein wesentlicher Bestandteil des wirtschaftlichen Bezugsrahmens Tourismus und repräsentiert einen bedeutsamen Anteil an der touristischen Wertschöpfungskette. Das in Abb.1.1 dargestellte Bezugssystem des Tourismus unterscheidet drei Dimensionen: die eigentlichen Kernfunktionen des Tourismus, die drei Arten von Institutionen, die die einzelnen Kernfunktionen erfüllen, sowie die notwendige Infrastruktur für den Tourismus (Schultze 1993, S.73). Zu den Kernfunktionen innerhalb der Wertschöpfungskette des Tourismus zählen die Entwicklung und der Vertrieb der touristischen Dienstleistungen bzw. der Pauschalangebote für Transport und Aufenthalt, die Transportleistung, die Beherbergung und Verpflegung sowie touristische Nebenleistungen (Kaspar 1990, S.24; Pompl 1997, S.1f.). Kernfunktionen Institutionen Reine Tourismusbetriebe

Infrastruktur

Touristische Beherbergung/ Distribution/ Transport Verpflegung Nebenleistung Packaging • Reisevermittler • Airlines • Hotel, Pension, • Kongreß- und Motel, Gasthof, Tagungswesen • Reiseveranstalter • Bahn Sonstige • Messen und • Schiffahrt • FremdenverAusstellungen • Gastronomie kehrsämter, /• Straßengeb. verbände,.. Verkehr • Kuren und Bäderwesen • Terminalbetreiber Transportsysteme ReservierungsFremdenverkehrsort (Straße, Schiene..) systeme

Tourismusspezialisierte Betriebe

•Marktforschungs- • Produktion institute - Fahrzeugbau • Werbeagenturen - Anlagenbau •... • Dienstleistung - Autovermieter - Gepäckträger

Tourismusabhängige Betriebe

•Marktforschungsinstitute • Werbeagenturen •...

• • • • •

Bergbahnen Skilifte Fähren Tankstellen ...

• Produktion - Möbel - Küchentechn. • Dienstleistung - Berater - Architekten

• Produktion - Souvenirind. - Reiseausrüst. • Dienstleistung - Fremdenführ. - Versicherung

• Gastronomie

• Produktion - Sportartikelind. - Fotoind. • Dienstleistung - Kulturanbieter - Spielbanken

Abb.1.1: Bezugsrahmen des Tourismus (Quelle: Schultze 1993, S.73)

In diesem Rahmenkonzept gehört die Hotellerie zu den reinen Tourismusbetrieben, deren Existenzgrundlage originär vom Angebot touristischer Leistungen abhängt. Tourismusspezialisierte oder tourismusabhängige Betriebe bieten hingegen derivative Leistungen im Tourismussektor an und sind in unterschiedlichem Maße wirtschaftlich von den Nachfrageentwicklungen im Fremdenverkehr abhängig. Die grundsätzliche Vernetztheit der vier touristischen Kernfunktionen im Zusammenhang mit der dazugehörigen Infrastruktur hat in der jüngeren Vergangenheit dazu

Die Hotellerie als Branche und Wirtschaftszweig

281

Auf einzelbetrieblicher Ebene lässt sich dieses Phänomen der Wertkettenverknüpfung, beispielhaft an der Entwicklung der Preussag AG festmachen, die seit Mitte 2002 als TUI (Touristik Union International) firmiert. Neben dem betriebswirtschaftlich bemerkenswerten, strategischen Wandel vom Stahlunternehmen zu einem Touristikanbieter, spiegelt sich im Portfolio der TUI AG die Entwicklung zu einem integrierten Touristikkonzern mit Zugriff auf alle Kernfunktionen der touristischen Wertschöpfungskette wider. So ist die Hoteltochter der TUI AG, die TUI Hotels & Resorts aktuell mit 279 Hotels in 30 Ländern nicht nur die größte deutsche Hotelkette, sondern ist darüber hinaus im Größenvergleich der weltweit größten Hotelgesellschaften auf Rang 11 platziert. Auch der Touristikkonzern Thomas Cook plc. verfolgt mit ca. 30 Veranstaltermarken, 3.000 Reisebüros, 46 Hotels und Ferienressorts und einer Flotte von 97 Flugzeugen einen solchen Ansatz (Stand Dezember 2008).

1.2

Begriff und Erscheinungsformen von Hotelunternehmen

Eine exakte wissenschaftliche und juristische Definition des Begriffs Hotel gestaltet sich aufgrund der Vielfalt der Leistungsfacetten im Hotel- und Gastgewerbe als außerordentlich schwierig. Konstitutives Merkmal und Hauptleistung eines jeden Hotels ist unbestritten die Befriedigung des Bedürfnisses nach Beherbergung und Verpflegung, wobei die Beherbergungsfunktion als der wesensbestimmende Teil eines Hotelunternehmens gilt. Das Verhältnis, in dem beide Leistungen zueinander stehen, kann sehr verschieden sein und setzt sich – wie später noch dargestellt – aus einer Vielzahl von Kombinations- und Einzelleistungen zusammen. Innerhalb der Beherbergungsunternehmen lassen sich die Beherbergungsformen in zwei Gruppen einteilen, die sich aus den Entwicklungen und Anforderungen der touristischen Nachfrage ergeben haben: die traditionelle Hotellerie einerseits und die ergänzende Hotellerie (Parahotellerie) andererseits. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) bzw. das Statistische Bundesamt differenzieren dabei in ähnlicher Form, indem einerseits das klassische Beherbergungsgewerbe (Hotels, Hotels Garni, Pensionen, Gasthöfe) und andererseits das sonstige Beherbergungsgewerbe (Camping, Ferienhäuser etc.) unterschieden werden. Abb.1.2 gibt einen Überblick über die Systematik der Beherbergungsformen.

Modul 3

geführt, einzelne bzw. die gesamten Kernfunktionen der touristischen Wertschöpfungskette zu bündeln und im Rahmen vertikaler, betrieblicher oder überbetrieblicher Zusammenarbeit zu einer integrierten Vermarktungsleistung zusammenzufassen. So sind bspw. auf der Ebene überbetrieblicher Zusammenarbeit zunehmend gemeinsame Vermarktungsanstrengungen zwischen den verschiedenen Bereichen zu beobachten, die in der Literatur unter dem Stichwort Destinationsmanagement subsumiert werden.

282

Die Hotellerie als Branche und Wirtschaftszweig

Beherbergung

Hotellerie Synonyme: Traditionelle Hotellerie Eigentliche Hotellerie

Parahotellerie Synonyme: Zusätzliche Beherbergung Ergänzende Hotellerie

Hôtellerie proprement dite

Hébergement complémentaire

• Hotel • Gasthof • Pension • Motel

• • • • •

Appartement Ferienwohnung/-haus Camping/Caravaning Jugendherbergen Sonstige Kollektivunterkünfte

• Aparthotel • Boarding House • Long/Extended stay

Abb.1.2:

Systematik der Beherbergungsformen (Quelle: Kaspar 1982, S.77)

Die wesentlichen Unterschiede der Beherbergungsformen und Betriebsarten im Bereich der klassischen bzw. traditionellen Hotellerie und der Parahotellerie sind dabei Folgende (DEHOGA 2009):  –







Klassische Hotellerie Hotel garni Ein Hotel garni ist ein Hotelbetrieb, der Beherbergung, Frühstück, Getränke und höchstens kleine Speisen anbietet. Gasthof Der Gasthof ist üblicherweise ein ländlicher Gastronomiebetrieb, der Speisen und Getränke anbietet und auch einige Unterkünfte bereithält. Motel Das Motel ist ein Hotel mit einem auf Kraftfahrer ausgerichteten Standort und nahe gelegener Parkmöglichkeit. Pension Eine Hotelpension/Pension ist ein Betrieb, der sich von den Hotels durch eingeschränkte Dienstleistungen unterscheidet. Mahlzeiten werden nur an Hausgäste abgegeben. Die Bezeichnung Hotelpension ist häufiger in Städten zu finden. Ein Fremdenheim ist ein Pensionsbetrieb einfacher Art.

Die Hotellerie als Branche und Wirtschaftszweig



 –





Aparthotel (Apartment-Hotel) Ein Aparthotel oder Apartment-Hotel ist ein Hotel, in dem die Unterbringung in Studios oder Apartments erfolgt. Boardinghouse (Serviced Apartment) Das Boardinghouse (Serviced Apartment) ist ein Beherbergungsbetrieb in städtischer Umgebung, in dem die Unterbringung für längere Zeit erfolgt. Der Service reicht von sehr geringem Angebot bis hin zu einem hotelmäßigen Room Service. Parahotellerie Appartement/Ferienwohnung/Ferienhaus Ein Appartement bzw. eine Ferienwohnung ist eine abgeschlossene Unterkunft innerhalb eines Hauses mit eigenem Sanitärbereich und Selbstverpflegungseinrichtung, in der zum vorübergehenden Aufenthalt Gäste aufgenommen werden. Camping (Caravaning) Camping/Caravaning umfasst das Übernachten auf einem Campingplatz mit einem Zelt oder Wohnwagen (Caravan) beziehungsweise Wohnmobil. Jugendherberge Eine Jugendherberge ist ein Beherbergungsbetrieb, in dem in erster Linie junge Leute zu meist kurzfristigem Aufenthalt aufgenommen und in dem Speisen und Getränke nur an Hausgäste abgegeben werden. Jugendherbergen bieten Programme und Aktivitäten für zwanglose pädagogische oder der Erholung dienende Zwecke an.

Eine weitere Dimension des Hotelbegriffs sind bestimmte Standards, die in den zahlreichen Bemühungen um eine Definition als Beschreibungsmerkmale herausgestellt werden. Die Standards sind eine Funktion der Bedürfnisse des Hotelgastes, der Anforderungen des Gesetzgebers und der Verbände, sowie der Beurteilungskriterien unabhängiger oder durch die Hoteliers bestellter Bewertungsinstanzen (Schultze 1993, S.68). Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband bzw. der Schweizer Interessenverband – der Schweizer Hotelier-Verein – beschreiben Hotelunternehmen wie folgt: –

SHV (Schweizer Hotelier Verein 1992): "...als Betriebe, die über eine vollständige Einrichtung für den Aufenthalt, die Unterkunft und die Verpflegung seiner Gäste verfügen. Sie zeichnen sich durch einen der Kategorie angemessenen Wohnund Aufenthaltsstandard und durch entsprechende Dienstleistungen aus."



DEHOGA (Deutscher Hotel- und Gaststättenverband 1988): „...als einen Beherbergungsbetrieb mit angeschlossenem Verpflegungsbetrieb für Hausgäste und Passanten. Es zeichnet sich durch einen angemessenen Standard seines Angebots und durch entsprechende Dienstleistungen aus.“ Als Mindestvoraussetzungen setzt der DEHOGA mindestens 20 Gästezimmer voraus, von denen ein erheblicher Teil mit eigenem Bad/Dusche und WC ausgestattet sein muss sowie die Existenz eines Hotelempfangs.

Modul 3



283

284

Die Hotellerie als Branche und Wirtschaftszweig

Die Schwierigkeit einer exakten Definition des Hotelbegriffs findet in den Bemühungen um eine möglichst vollständige Erfassung der zahlreichen Hoteltypen ihre Fortsetzung. So lassen sich die vielfältigen Erscheinungsformen in der Hotellerie durch einen mehrdimensionalen Ansatz erfassen, der nach kunden-, unternehmens- und standortspezifischen Kriterien differenziert. Ein Hotel kann dabei auch mehrere der aufgeführten Kriterien gleichzeitig in sich vereinigen (Abb.1.3).

Differenzierungskriterien

Kundenbezogene

Kriterien

Hoteltypen

• Aufenthaltszweck - Geschäft - Ferien • Aufenthaltsdauer • Qualitätsanspruch

Tagungshotel Ferienhotel Residenzhotel Luxushotel

Abb.1.3:

1.3

Unternehmensbezogene

Standortbezogene

Kriterien

Hoteltypen

Kriterien

Hoteltypen

• Betreiberform

Eigentum-/ Franchise-/ Pacht-/ Managementbetrieb

• Infrastruktur

Flughafenhotel Bahnhofhotel Motel

• Standort

• Öffnungsdauer

Zweisaison-/ Einsaisonbetrieb

Stadthotel Land-/Berghotel Seehotel

Typologie von Hotelunternehmen (Quelle: Gardini 2009, S.30)

Branchenstruktur der Hotellerie

Der deutsche Hotelmarkt gilt mit ca. 36.000 Hotels, ca. 16,6 Mrd. Euro Umsatz im Bereich der klassischen Hotellerie, ca. 350.000 Beschäftigten und einem potenziellen Marktvolumen von ca. 580 Mio. verfügbaren Betten im Jahr 2008, zwar als einer der attraktivsten, aber auch als einer der schwierigsten Märkte in Europa. Große Überkapazitäten seit der Wiedervereinigung drücken dauerhaft auf die Preisentwicklung so wie auch lange Rezessionsphasen seit den 1990er Jahren dazu geführt haben, dass der deutsche Hotelmarkt seit 1995 nur in fünf Jahren nennenswerte Wachstumsraten von mehr als 1% erzielt hat, wobei das bereits auch die Sondereffekte durch die Fußballweltmeisterschaft im Jahr 2006 mit einbezieht (IHA 2009, S.5ff.). Um die Branchenstruktur der Hotellerie im Detail zu beleuchten, ist es sinnvoll, zunächst die Betriebsarten und Größenverhältnisse in Bezug auf die Marktteilnehmer zu untersuchen, um im Anschluss daran auf die Markt- und Wettbewerbsverhältnisse eingehen zu können.

Die Hotellerie als Branche und Wirtschaftszweig

285

 Umsatzentwicklung in der Hotellerie Einen ersten Einblick in die Branchenstruktur der Hotellerie in der Bundesrepublik vermittelt der gastgewerbliche Zahlenspiegel des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Abb.1.4).

Betriebe gesamt 239.794 Beherbergungsgewerbe - 45.227 Betriebe – - 358.000 -

Umsatz gesamt 55,5 Mrd.€ Umsatz

Beschäftigte gesamt 1.105.000 32,4 Mrd.€ (58,4%)

4,4 Mrd.€ (7,9%) Kantinen/Caterer - 11.067 Betriebe – - 110.000 Beschäftigte -

Gaststättengewerbe -183.500 Betriebe - 637.000 Beschäftigte -

Abb.1.4: Umsätze, Marktteilnehmer und Beschäftigte im Gastgewerbe im Jahr 2008 (Quelle: DEHOGA 2009b)

Die Umsatzentwicklung im Beherbergungsgewerbe stellt sich im vergangenen Jahrzehnt dabei wie folgt dar (Abb.1.5).

Gesamtumsatz Beherbergungsgewerbe 2008: 18,6 Mrd. € 1 ,9

1,9

2 ,0

15,7

16,4

16,6

16,6

2005

2006

2007

2008

1,6

1,6

1,7

1,8

1,8

1 ,8

16,7

16,6

16,1

15,4

15,5

2000

2001

2002

2003

2004

S onstiges Behe rbergungsgew erbe Klassische Hotellerie (Hotels, Hotels Garni, Gasthöfe, Pensione n)

Abb.1.5: Umsatzentwicklung im Beherbergungsgewerbe 2000 bis 2008 (Quelle: DEHOGA 2009a)

Modul 3

18,7 Mrd.€ (33,7%)

286

Die Hotellerie als Branche und Wirtschaftszweig

 Betriebsarten und Größenklassen in der Hotellerie Als Maßstab für Größenverhältnisse in der Hotellerie lassen sich die Anzahl der Zimmer bzw. Betten, der Umsätze oder die Anzahl der Beschäftigten heranziehen. Hierbei wird nach Betrieben der Klein-, Mittelstands- und Großhotellerie unterschieden, ohne dass es jedoch hierfür eine einheitliche quantitative Systematik bzw. offizielle Größenklassifikation der Hotelunternehmen gäbe. Nach Betriebsarten lassen sich dabei für das klassische Beherbergungsgewerbe (Traditionelle Hotellerie) im Jahr 2008 folgende Strukturen in Deutschland identifizieren:

Durchschnittlich ca. 41 Zimmer/ 73 Betten pro Hoteleinheit

Hotel

Hotel Garni

Gasthöfe

Pensionen

Klassische Hotellerie Gesamt

Betriebe

13.597

8.161

9.317

5.456

36.531

Zimmer

559.558

174.013

113.752

68.254

915.577

Betten

1.004.387

297.521

202.010

114.822

1.618.470

Abb.1.6: Die Struktur der traditionellen Hotellerie nach Betriebsarten im Jahr 2008 (Quelle: IHA 2009, S.27)

In Bezug auf die hotelspezifischen Betriebsgrößenklassen weisen die Zahlen des Jahres 2008 für das klassische Beherbergungsgewerbe ca. 36.000 Hotelunternehmen aus, von denen ca. 90% über weniger als 49 Zimmer verfügen (Abb.1.7). Aktuell gibt es in Deutschland nur 24 Hotels mit einer Zimmerkapazität über 500 Zimmern und nur drei mit einer Kapazität von mehr als 1.000 Zimmern. Neben dem Park Inn Alexanderplatz in Berlin mit 1.012 Zimmern und dem Sheraton Frankfurt Hotel Towers am Frankfurter Flughafen mit 1.008 Zimmern, weist das aktuell größte und umsatzstärkste deutsche Hotel – das Estrel Residence & Congress Hotel Berlin – mit 1.125 Zimmern und 2.250 Betten Dimensionen auf, die in der klein- und mittelständischen Hotellerie in Deutschland kaum anzutreffen sind. Andere Größenordnungen findet man bspw. in den USA, wo Hotelunternehmen mit einer Kapazität von unter 300 Betten als klein, unter 600 als mittel und erst Hotels mit einer Kapazität von über 600 Betten als Großbetriebe angesehen werden (Horwath et al. 1970, S.456f.). Das aktuell größte Hotel der Welt ist dabei das The Venetian in Las Vegas mit 7.128 Zimmern, so wie sich auch weitere 14 Hotels in Las Vegas unter den 20 größten Hotels der Welt befinden.

Die Hotellerie als Branche und Wirtschaftszweig

287

Klassische Hotellerie nach Betriebsgrößenklassen im Jahr 2008 Betriebsgrößenklassen Hotels von...bis 0 – 49 Zimmer

32.072

50 – 99 Zimmer

2.401

100 – 199 Zimmer

1.061

200 – 499 Zimmer

333

500 und mehr Zimmer

24

Summe

35.891

Die traditionelle Hotellerie nach Betriebsgrößenklassen im Jahr 2008 (Quelle: IHA 2009, S.26)

Betrachtet man im Weiteren die Umsatzsteuerstatistik im Hotelgewerbe im Detail, zeigt sich denn auch, dass Hotels verglichen mit anderen Wirtschaftszweigen mit ca. durchschnittlich 920.000 Euro Jahresumsatz relativ geringe Umsätze aufweisen (Henschel 2008, S.39). Überträgt man im Weiteren die Zahlen der Umsatzsteuerstatistik auf die Größenklassifikation des Handelsrechts für Kapitalgesellschaften, wie sie das HGB in § 267 vorsieht, so stellt man fest, dass knapp 95% aller Hotelunternehmen in Deutschland am Umsatz gemessen zu den kleinen Gesellschaften zählen würden. Die Größenklassifikation nach Umsatz in der traditionellen Hotellerie in Deutschland ergibt für das Jahr 2005 denn auch das in Abbildung 1.8 dargestellte Bild. Steuerpflichtige Hotelunternehmen und deren Umsatzanteile nach Umsatzgrößenklassen im Jahr 2005 Umsatzgrößenklassen Hotels Umsatz von...bis 0 - 250.000 €

72,5%

18,7%

250.000 – 1.000.000 €

22,0%

27,9%

mehr als 1.000.000 € Summe

5,5 %

53,4%

100,0%

100,0%

ca. 5% der Hotels vereinigen mehr als die Hälfte des Gesamtumsatzes auf sich

Abb.1.8: Die traditionelle Hotellerie nach Umsatzgrößenklassen im Jahr 2005 (Quelle: Statistisches Bundesamt 2007)

Modul 3

Abb.1.7:

ca. 90 % der Hotels haben weniger als 49 Zimmer

288

Die Hotellerie als Branche und Wirtschaftszweig

 Top Ten der Hotelbetriebe und Hotelgruppen Betrachtet man die deutsche Hotellerie auf einzelbetrieblicher Ebene bzw. auf der Ebene der Hotelgruppen, ergeben sich für die Top Ten der Hotelbetriebe bzw. Hotelgruppen in Deutschland folgende Größenordnungen. (Abb.1.9):

Hotelbetrieb Rang

Nettoumsatz 2008 in Mio.€

Hotelgruppe

Nettoumsatz 2008 in Mio.€

1

Estrel Residence&Congress Hotel, Berlin

54,6

Accor Hotellerie Deutschland GmbH

811,5

2

Hotel Bayerischer Hof, München

49,8

InterContinental Hotels Group

569,4

3

Sheraton Frankfurt Hotel&Towers, Frankfurt/Main

49,0

Best Western Hotels Deutschland GmbH

500,6

4

InterContinental Berlin, Berlin

43,0

Maritim Hotelgesellschaft GmbH

378,9

5

Hotel Adlon Kempinski, Berlin

38,4

Steigenberger Hotels AG

378,3

6

ArabellaSheraton Grand Hotel, München

36,9

Starwood Hotels & Resorts Worldwide Inc.

357,2

7

Center Parcs Bungalowpark, Bisbinger Heide, Bisbingen

35,3

Marriott International

266,3

8

Hotel Sport- und Kurhotel Sonnenalp, Ofterschwang

34,2

NH Hoteles Deutschland GmbH

254,4

9

InterContinental Frankfurt Frankfurt/Main

34,1

Hospitality Alliance AG/Ramada Worldwide

248,4

10

Park Inn BerlinAlexanderplatz

33,5

Neue Dorint GmbH

247,3

Abb.1.9: Die zehn umsatzstärksten Hotelbetriebe und Hotelgruppen in Deutschland 2008 (Quelle: Alberti 2009a, S.3 und 2009b, S.2)

1.4

Organisationsformen in der Hotellerie

In der Hotellerie werden – wie in Abb.1.10 überblickartig dargestellt – mit der Individualhotellerie, der Kettenhotellerie und den Hotelkooperationen unterschiedliche Organisations- und Wettbewerbsformen unterschieden. Im Folgenden werden diese Organisationsformen kurz skizziert.

Die Hotellerie als Branche und Wirtschaftszweig

289

 Individualhotellerie Die Individualhotellerie und damit das in privater Hand geführte Hotel ist für die meisten Märkte Europas ein charakteristisches Strukturmerkmal. Unter einem Eigentums- bzw. Privathotel wird das traditionelle Hotel verstanden, bei dem sich Immobilie (Grundstück, Gebäude) und operatives Geschäft, sprich die Betreibung des Hotels, in einer Hand befinden (z.B. Hotel Bareiss, Traube Tonbach). Die Rechtsform der Hotelunternehmen ist in der Regel die der Einzelunternehmen; Personen- oder Kapitalgesellschaften sind zumeist nur bei großen Betriebseinheiten anzutreffen. Der Hoteleigentümer trägt das volle unternehmerische Risiko, mit entsprechender Umsatz-, Kosten-, Gewinn- und Personalverantwortung.

Hotelunternehmen Markenhotellerie Hotelkooperation

Einzel-/ Individualhotel

Hotelkette Franchisehotel

Filialsystem

Hotelkonzern

einzelbetrieblich

mehrbetrieblich

mehrbetrieblich

mehrbetrieblich

mehrbetrieblich

Rechtlich und wirtschaftlich selbständige Hotels

Horizontaler Zusammenschluss rechtlich und wirtschaftlich selbständiger Hotels; teilweise gehören Konzernhotels zugleich einer Hotelkooperation an (z.B. ist das Münchner Rocco Forte The Charles Hotel zudem eines der Leading Hotels of the World)

Vertikaler Zusammenschluss rechtlich und wirtschaftlich selbständiger Hotels

Unternehmen mit mehreren rechtlich unselbständigen Hotels (Filialbetriebe)

Rechtlich selbständige und zumeist wirtschaftlich abhängige Hotels unter einheitlicher Leitung

Abb.1.10: Unterscheidungsformen von Hotelunternehmen (Quelle: Gruner et al. 2008, S.161)

 Hotelketten Unter einer Hotelkette wird eine Gruppe von Hotelbetrieben bzw. -unternehmen verstanden, die organisatorisch unter einheitlicher und zentraler Leitung operieren, am Markt unter gleichem Namen auftreten und hinsichtlich ihres Angebots den gleichen qualitativen Standard bieten (z.B. Steigenberger Hotels und Resorts, NH Hoteles, Hilton, Intercontinental, Marriott). Hotelketten können dabei – wie in Abb.1.10 dargestellt – entweder als Filial- bzw. Franchisesystem oder als Hotelkonzern organisiert sein. Charakteristisch ist hierbei, dass wesentliche betriebswirtschaftliche Teilfunktionen, wie z.B. Werbung, Marktforschung oder Qualitätsmanagement, aus den einzelnen Häusern ausgegliedert und der Kettenzentrale übertragen sind. Hotelketten können dabei auch unterschiedliche Qualitätssegmente bedienen, wobei die einzelnen

Modul 3

Individualhotellerie

290

Die Hotellerie als Branche und Wirtschaftszweig

Hotels nach dem Grad ihrer Ausstattung und des Serviceangebots unter bestimmten Markennamen zusammengefasst werden (z.B. Accor mit Sofitel, Pulmann, Mercure, Novotel, Ibis, Etap etc.). Je nach Organisationsform der Hotelketten bzw. Hotelkonzerne gibt es zum einen reine Betreibergesellschaften, die sich ausschließlich auf das Management von Hotelunternehmen spezialisiert haben, oder es gibt Hotelketten, die sowohl das Immobilienvermögen (Grundstück, Gebäude) als auch das operative Geschäft kontrollieren (siehe Kapitel 5). In der Praxis existieren zahlreiche Mischformen zwischen diesen gegensätzlichen Ansätzen.  Hotelkooperationen Hotelkooperationen verkörpern eine je nach Kooperation mehr oder weniger formalisierte Form des Zusammenschlusses von Einzelunternehmen, bei der die rechtliche und wirtschaftliche Selbständigkeit der Einzelhotels erhalten bleibt. Ziel von Hotelkooperationen ist es, über gemeinsame Aktivitäten eine werbewirksame Marke aufzubauen, den Verkauf zu intensivieren und die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, um derart ein Gegengewicht zu den finanzstarken internationalen Hotelketten zu schaffen (z.B. Romantik Hotels, Viabono, Familotels). Aktuell sind in Deutschland 61 Hotelkooperationen aktiv, in denen 2.326 einzelne, rechtlich selbständige Hotels zu einem Verbund im Sinne einer institutionalisierten Vermarktungskooperation zusammengeschlossen sind (IHA 2009, S.102). Die Aufnahme in eine Hotelkooperation ist an bestimmte Auflagen und Kriterien gebunden, die von der Vermarktungszentrale („Systemkopf“) festgelegt werden (z.B. Eigentümerstruktur, Klassifizierungsniveau, Betriebstyp, Standort, Marktfokus, Ambiente etc.). Die Mitgliedschaft in einer Hotelkooperation ist mit unterschiedlichen Kostenkomponenten verbunden, deren Struktur und Zusammensetzung sich kooperationsabhängig unterscheidet. In der Regel sind jedoch eine einmalige Aufnahmegebühr, laufende Mitgliedsbeiträge, Kosten für das Reservierungssystem und Umlagen für bestimmte Marketing- und PR-Aktivitäten zu entrichten.

Gesellschaft

Markenname(n)

291

Hotels Inland

Hotels Ausland

1. Accor Hotellerie Deutschland

Sofitel, Suitehotel, Novotel , Mercure, Ibis, Etap, Formule1

304

3.871

2. Viabono GmbH

Viabono

270

0

3. Land-gut-hotels

Land-gut-hotels

191

48

4.Best Western Hotels Deutschland

Best Western

166

4.200

5. Ringhotels e.V.

Ringhotels

130

2

6. Flair Hotels e.V.

Flair Hotels

119

12

7. Top International Hotels GmbH

Top International Hotels&Top City &Country Line

110

48

8. Romantik Hotels&Restaurants

Romantik Hotels& Restaurants

97

99

9. Akzent Hotels

Akzent

94

3

Select Marketing Hotels

91

117

10. Select Marketing Hotels

Abb.1.11: Top Ten der deutschen Markenhotellerie 2008 (Quelle: IHA 2009, S.103ff.)

 Markenhotellerie Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) und der Hotelverband Deutschland (IHA) differenzieren dabei nicht mehr zwischen Hotelgesellschaften bzw. Hotelketten und Hotelkooperationen, sondern haben hierfür den Begriff der Markenhotellerie geprägt. Unter diesem Oberbegriff werden Hotelgesellschaften und Hotelgruppen geführt, die – – –

über mindestens vier Hotels verfügen, wovon sich mindestens eins in Deutschland befindet und die mit einer Dachmarkenstrategie am deutschen Hotelmarkt operieren, die sich unter anderem im Hotelnamen dokumentiert (IHA 2009, S.101).

Auch wenn der Begriff der Markenhotellerie aus Markengesichtspunkten nicht kritikfrei ist, hat er sich aus Vereinfachungsgründen und Gründen der Markttransparenz durchgesetzt, da die zahlreichen Kooperationen in der Hotellerie sich im Marktverhalten und Marktauftritt zunehmend den Kettenhotels angleichen und die Grenzen zwischen Kette und Kooperation aus Kundensicht immer mehr verschwimmen. Gegenwärtig werden 128 Unternehmen mit 3.559 Betrieben auf dem deutschen Markt gezählt, die der o.g. Definition der Markenhotellerie genügen (IHA 2009, S.102), wobei hier auch unklare definitorische Abgrenzungen zu Doppelzählungen führen. Abb.1.11 zeigt die zehn größten Hotelanbieter auf dem deutschen Hotelmarkt nach Anzahl der Betriebe aus dem Bereich der Markenhotellerie.

Modul 3

Die Hotellerie als Branche und Wirtschaftszweig

292

1.5

Die Hotellerie als Branche und Wirtschaftszweig

Qualitätskategorien und Hotelklassifizierung

Charakteristisch für die Hotellerie ist die Klassifikation von Hotels nach Angebotsbzw. Qualitätskategorien. Die entscheidende Kategorisierungsaufgabe besteht darin, die Vielfalt gastgewerblicher Angebotsformen zu ordnen, um dadurch in- und ausländischen Touristen Vergleichsmöglichkeiten zu verschaffen. Die vom Gesetzgeber oder von der betreffenden Standesorganisation vorgenommene objektive Unternehmensklassifikation dient demnach der Preis- und Leistungstransparenz für den Konsumenten. Aber auch aus der Sicht der Hotellerie bietet eine objektive Klassifikation eine Reihe von Vorteilen. So ist beispielsweise eine offizielle Unternehmensklassifikation – in Verbindung mit der stets einhergehenden Preisnormierung – als objektives Werbeargument für einen bestimmten Qualitätsstandard zu betrachten. Des Weiteren schafft eine Unternehmens- und Preisklassifikation die Voraussetzungen für die Durchführung von Betriebsvergleichen und ermöglicht jedem Unternehmen eine Überprüfung der eigenen Leistungsfähigkeit, sowie eine Beurteilung der Wettbewerbsfähigkeit im Hinblick auf die Konkurrenz. Die meisten Fremdenverkehrsländer verfügen über staatliche Einrichtungen oder Verbandsorganisationen, welche über das Leistungs- und Qualitätsniveau des Hotels befinden und daraus eine Klassifizierung ableiten. Diese Systeme können entweder formeller oder informeller Natur sein, sie sind entweder staatlich oder privatrechtlich organisiert und sie sind entweder freiwilliger oder verpflichtender Natur. In der Bundesrepublik Deutschland wird erst seit 1996 seitens der DEHOGA eine einheitliche, formelle und privatrechtlich organisierte Klassifizierung vorgenommen, die für Hotelbetriebe – anders als bspw. in Österreich oder Südtirol – jedoch nicht zwingend vorgeschrieben ist. Seitdem wurde der Kriterienkatalog dreimal aktualisiert und überarbeitet (zuletzt 2009), neue technische Innovationen wurden aufgenommen und alte nicht mehr zeitgemäße Standards entfernt. Aktuell sind 7.614 Hotelbetriebe klassifiziert, was einem Anteil von ca. 21% an der klassischen Hotellerie entspricht. Die Mehrzahl der zertifizierten Hotels (87%) sind dabei Betriebe in der 3- und 4Sternekategorie. Die Zertifizierung ist im Zeitalter des Onlinevertriebs auch ein wichtiges Suchkriterium in zahlreichen Internet-Hotelplattformen (z.B. hrs.com, hotel.de) geworden und sichert zertifizierten Betrieben eine entsprechende Marktpräsenz über die nicht zertifizierte Betriebe nicht verfügen. Darüber hinaus nehmen in Deutschland zahlreiche weitere private Anbieter entsprechende Klassifizierungen vor, die, obwohl teilweise nicht in der Fremdenverkehrsbranche tätig, in der Veröffentlichung von Hotel- und Restaurantführern einen guten Werbeträger sehen (z.B. Varta, Michelin, Shell). Weltweit existieren derzeit ca. 100 verschiedene Klassifikationssysteme, wobei diese Hotelklassifizierungen sich unterschiedlichster Bewertungssystematiken (Sterne, Diamanten, Punkte, Prozente etc.) und inhaltlicher Bewertungskriterien bedienen. So liegen bspw. der deutschen Hotelklassifizierung insgesamt 230 Kriterien über die verschiedenen Kategorien zugrunde (hotelsterne.de 2009).

Die Hotellerie als Branche und Wirtschaftszweig

293

Komfort • Einzelzimmer 14 qm, Doppelzimmer 18 qm • 90% der Zimmer mit Dusche oder Bad/WC • Erweitertes Frühstück oder Frühstücksbüffet • 12-stündig besetzte Rezeption, Telefon im Zimmer • 70% der Zimmer mit TV-Anschluss • Restaurant

• Einzelzimmer 18 qm, Doppelzimmer 26 qm • Suiten • 4 Stunden besetzte Rezeption mit Concierge-Bereich • Alle Zimmer mit Dusche/WC,davon 80% mit Bad/WC • Hotelhalle mit Getränkeservice, Restaurant, Hotelbar • Konferenz- und Bankettmöglichkeit First Class • Einzelzimmer 16 qm, Doppelzimmer 24 qm • Alle Zimmer mit Dusche oder Bad/WC • Frühstücksbüffet und Zimmerservice • Bademantel auf Wunsch, Kosmetikspiegel, Fön • Alle Zimmer mit TV-Anschluss • Empfangshalle, Restaurant, Hotelbar

Standard • Einzelzimmer 12qm, Doppelzimmer 16 qm • 50% der Zimmer mit Dusche oder Bad/WC • Getränkeautomat • Sitzgelegenheit pro Bett • Tisch

Tourist • Einzelzimmer 8 qm, Doppelzimmer 12 qm • Empfangsdienst • Kontinentales Frühstück • Fließend Kalt-/ Warmwasser • Kofferablage • Aufenthaltsraum

Abb.1.12: Auszüge aus dem Kriterienkatalog der Hotelklassifizierung nach DEHOGA; (Quelle: hotelsterne.de, Einsehdatum 20.5.2009)

Die Kategorisierungs- und Klassifizierungsnotwendigkeit von Hotels ist nicht unumstritten (Rainer 2009). Die Hauptargumente der Klassifizierungskritik münden im Tatbestand, dass Klassifizierungen in obigem Sinne oftmals einem absoluten, angebotsorientierten Qualitätsbegriff folgen, und nicht einem relativen, der charakterisiert durch die Erfüllung spezifischer Anforderungen die Kundenerwartungen in den Mittelpunkt der Betrachtung stellt. Qualität wird in derartigen Klassifizierungssystemen im Wesentlichen mit dem Vorhandensein und dem Zustand zählbarer Kriterien und Ausstattungsmerkmale assoziiert und somit inputorientiert aufgefasst (Abb.1.12). So entziehen sich vielfach neuere Hotelkonzepte immer mehr den Klassifikationsmöglichkeiten, da vielfach die Hardware zwar eine Einordnung in bestimmte Kategorien ermöglicht, diese aber nicht zwingend mit dem angebotenen Serviceniveau bzw. dem Produktkonzept übereinstimmen (z.B. 25hours, Motel One, H2O, Meiniger Hostels). Die Qualität des Outputs, sprich die Kundenzufriedenheit, die nicht zuletzt durch zahlreiche immaterielle bzw. qualitative Faktoren im Dienstleistungsprozess beeinflusst wird, bleibt bei derartigen Qualitätskategorien außen vor, so dass die Staatsbzw. Verbandsklassifizierungen aus Kundensicht nicht mehr als ein erster Orientierungspunkt sind. Insofern werden existierende Hotelbeurteilungssysteme vielfach als nicht ausreichend marktorientiert, einengend, bürokratisch und nicht zeitgemäß angesehen. Insbesondere im Zeitalter von Web 2.0 stehen dem Gast mittlerweile neben einer Fülle an Informationen der Anbieter zudem tagesaktuelle Bewertungen und Beschreibungen von Gästen in zahlreichen Hotelbewertungsportalen zur Verfügung,

Modul 3

Luxus

294

Die Hotellerie als Branche und Wirtschaftszweig

die die bestehenden Systeme der deutschen Klassifizierung als relativ unflexibel erscheinen lassen. Darüber hinaus glauben viele Hotelgesellschaften/-ketten, dass aufgrund ihrer Produktsegmentierung und ihres Markennamens jegliche Beurteilungssysteme überflüssig geworden sind, insbesondere wenn es sich um international etablierte Marken handelt, die nationale Bewertungsschemata überschreiten. Dies zeigt sich in Entwicklungen in der internationalen Hotellerie, die mit prägnanten Klassifizierungsbegriffen bzw. Namenszusätzen im Markennamen eine gewisse Preis- und Leistungstransparenz gegenüber den Kunden schaffen wollen (Budget, Economy Limited Service, Economy Full Service, Mid Price-Full Service, First Class, Luxury).

1.6

Die deutsche Hotellerie im Wandel

Die Hotelbranche in Deutschland hat sich bis dato wie oben gezeigt, im Gegensatz zu den Entwicklungen in den USA, bis in die heutige Zeit noch ihren Mittelstandscharakter bewahrt. Eine klein- und mittelständisch geprägte Struktur ist ein signifikanter Indikator für das Vorhandensein einer fragmentierten Branche. PORTER charakterisiert eine fragmentierte oder zersplitterte Branche als Branchentypus, in dem „...die Wettbewerber weder signifikante Marktanteile besitzen noch das Branchenergebnis beeinflussen können“ (Porter 1999, S.249). Dieses Merkmal ist auch aktuell für die Mehrzahl der weltweiten Hotelmärkte wesensbestimmend (Schultze 1993, S.164). So zeigt ein Blick auf die Branchenstrukturen aller EU-Mitgliedstaaten, dass sich im Durchschnitt aller Länder noch im Jahr 1990 ca. 75% der Gesamtkapazität in der Hotellerie im Besitz kleiner, unabhängiger Familienbetriebe befanden und im Schnitt nur ca. 15% von Hotelketten kontrolliert wurden. In der Budgethotellerie (1 bis 2-Sterne) sind aktuell bspw. in Deutschland noch ca. 96% der Hotels individuell geführte Hotels, in Italien sogar 98% (Nadrowski 2009, S.156). Einschränkend muss hier jedoch berücksichtigt werden, dass eine differenzierte Betrachtung der verschiedenen Sternekategorien und Standorte unterschiedlich hohe Konzentrationsmaße ergibt. So dominiert in den städtischen Ballungszentren oftmals die Kettenhotellerie das Hotelangebot, während in der Ferienhotellerie nach wie vor noch die unabhängigen und inhabergeführten Einzelunternehmen überwiegen. Städte wie Frankfurt/Main (74%), Düsseldorf (65%), Dresden (63%) oder Berlin (57%) weisen entsprechend hohe Konzentrationsgrade der markengebundenen Häuser in Deutschland auf (hotelbiz consulting 2003, S.8). Aktuell wird der Grad der Marktdurchdringung konzern- bzw. kooperationsgebundener Organisationseinheiten – sprich der Markenhotellerie in Europa – im Durchschnitt auf 25% geschätzt, während in den USA der geschätzte Marktanteil der Hotelketten bzw. Kooperationen auf 70% beziffert wird (TREUGAST Solutions Group 2009a, S.50). Obwohl die deutsche Hotellerie im Vergleich zu anderen Hotelmärkten und anderen Wirtschaftszweigen noch einen relativ geringen Konzentrationsgrad aufweist, schreitet der Konzentrationsprozess seit den 1990er Jahren verstärkt fort und wird in den nächsten Jahren mit weiteren Marktbereinigungen zu Lasten der Individualhotellerie

Die Hotellerie als Branche und Wirtschaftszweig

295

– –









eine voranschreitende Globalisierung der Hospitality Industrie und die damit verbundenen Fusionen, Übernahmen und Allianzen in vielen Märkten; Marktbereinigungen zu Lasten der mittelständischen Hotellerie, was langfristig zu Konzentrationsmaßen in der Hotelbranche führen wird, die sich den heutigen Verhältnissen in den USA annähern; veränderte Eigentumsstrukturen, die zu einer Neutarierung des Verhältnisses zwischen Betreibern, Investoren und Immobilienbesitzern führen und darüber hinaus einen starken Professionalisierungsdruck ausüben werden, mit klarer Ausrichtung auf ein ertrags- bzw. renditeorientiertes Management; Technologiesprünge, die sowohl auf lokaler wie auf globaler Ebene Operations (z.B. Informationstechnologie, Facility/Utility Management, Telekommunikation) sowie Marketing und Vertrieb (z.B. E-Distribution, Web 2.0, Mobile Commerce, CRM) nachhaltig beeinflussen werden; Demographische Entwicklung in vielen Industrieländern, die sowohl auf dem Arbeits- als auch dem Absatzmarkt in den nächsten 20 bis 30 Jahren zu massiven Veränderungen in den jeweiligen Angebots- und Nachfragestrukturen führen wird; Polarisierung und Vernischung der Märkte, was Hotelunternehmen immer deutlicher vor die Notwendigkeit stellt, sich klar und konsequent im Wettbewerb zu positionieren.

Modul 3

verbunden sein. Die Wettbewerbsintensität zwischen Individual- und Kettenhotellerie hat entsprechend deutlich zugenommen und so finden sich in der jüngeren Zeit in der öffentlichen Diskussion denn auch verstärkt Beiträge (vgl. Gardini 2006, Peters 2007), die den Strukturwandel in der Hotellerie thematisieren und deutschland- bzw. europaweit einen merklichen Übergang von ehemals mittelständischen, fragmentierten Branchenstrukturen und familien- bzw. unternehmerzentrierten Hotelbetrieben, hin zu konzern- bzw. kooperationsgebundenen Organisationseinheiten konstatieren: “…the hotel sector in Europe has changed faster in the past ten years than any time of history“ (Harrison/Enz 2005, S.356). Die in diesem Zusammenhang zitierten strukturellen Veränderungstreiber lassen sich – stark vereinfacht – sowohl im globalen Umfeld als auch auf der Wettbewerbsebene folgendermaßen verorten (Gardini 2009a, S.25):

296

Die Hotellerie als Branche und Wirtschaftszweig

121 Gesellschaften

128 Gesellschaften

95 Gesellschaften 41 Gesellschaften

1.068 Hotels

1985

71 Gesellschaften

1.224 Hotels

1990

1.949 Hotels

1995

2.301 Hotels 2000

3.559 Hotels

2008

Abb.1.13: Entwicklungsdynamik der Markenhotellerie in Deutschland von 1985 bis 2008 Quelle: IHA 2009, S.102

Ohne Anspruch auf eine erschöpfende Benennung aller Veränderungstreiber und ohne im Einzelnen bei Betrachtung der aktuellen Strukturveränderungen auf die absolute oder relative Bedeutung dieser Umweltimpulse für die Hotellerie einzugehen, verdeutlicht auch die Entwicklung der Markenhotellerie in den letzten 20 Jahren, die zunehmende Bedeutung von markengebundenen Organisationseinheiten (Kooperationen und Ketten) gegenüber der klassischen Individualhotellerie. Unterzieht man die Konzentrationsentwicklungen in der deutschen Hotellerie einer näheren Betrachtung, so muss man zwischen einer mengenbezogenen (Kapazität) und einer wertbezogenen (Umsatz) Perspektive unterscheiden. Im Jahr 2008 waren – wie in Abbildung 1.13 dargestellt – 128 auf dem deutschen Markt agierende Hotelgesellschaften (Ketten und Kooperationen) bekannt, die im Sinne des oben genannten Markenbegriffs der DEHOGA als Markenhotellerie über 3.559 Betriebe verfügen. Diese Betriebe erwirtschafteten nach Schätzungen des Hotelverband Deutschland (IHA) im Jahr 2008 mit ca. 8,4 Mrd. Euro (Vorjahr 8,3 Mrd. Euro) einen Marktanteil von 50,6% (Vorjahr 50,1%) des Gesamtumsatzes, obwohl sie mit 3.559 Beherbergungsbetrieben nur knapp 9,9% (Vorjahr 9,8%) der Betriebe stellt (IHA 2009, S.108f.). Legt man anstelle der Umsatzzahlen die Zimmerkapazität zugrunde, so stellten Ketten und Kooperationen im Jahr 2008 34,9% (Vorjahr 35,2%) der Hotelkapazität in Deutschland. Insofern verzeichnet der Markttrend im letzten Jahrzehnt einen deutlichen Anstieg der markengebundenen Hotellerie und einen Rückgang der Individualhotellerie. Institutionelle Investoren fördern dabei das Wachstum der Markenhotellerie in Europa und so werden sich Schätzungen zufolge denn auch die Strukturen in der Europäischen Union und somit auch in Deutschland zunehmend den Verhältnissen in den USA angleichen (Gardini 2008, S.7).

Die Hotellerie als Branche und Wirtschaftszweig

Grundlegende Strukturen und Akteure der internationalen Hotellerie

Die Globalisierung in der Hotellerie zeigt in den letzten ca. 20 Jahren eine ungleichmäßige geographische Entwicklung. Sie zeigt sich bspw. darin, dass die weltweite Hotelkapazität von 1980 bis 1997 insgesamt nur um ca. 77,9% gestiegen ist, während die Boomregion Asia-Pacific in diesem Zeitraum um beeindruckende 879% zulegte. Dies hatte zur Folge, dass die Region Asia-Pacific ihren weltweiten Marktanteil von 4,7% im Jahr 1980 auf 24,3% im Jahre 2004 rasant steigern konnte, während Europa und die USA ein wesentliches langsameres Wachstum der Hotelkapazitäten zu verzeichnen hatten. Auch wenn Europa weltweit nach wie vor den größten Anteil an Bettenkapazität auf sich vereinigt, ist der Marktanteil gegenüber den anderen Regionen von 52,2% im Jahre 1980 auf 35,7% im Jahre 2004 gesunken (Henschel 2008, S. 45f.).

Land

Weltweit

Europa

Nord-

Latein-

Asien /

Mittlerer Osten /

amerika

amerika

Pazifik

Afrika

USA

56,9%

24,1%

80,8%

32,4%

28,4%

30,2%

Großbritannien

12,5%

14,1%

12,7%

5,6%

11,1%

11,4%

9,8%

24,9%

3,2%

12,5%

9,0%

11,3%

Spanien

5,3%

16,4%

0,4%

24,5%

0,3%

3,4%

Deutschland

2,5%

6,7%

0,2%

4,2%

0,6%

13,0%

China

2,3%

0,0%

0,0%

0,0%

18,5%

0,0%

Japan

2,2%

0,1%

0,2%

0,0%

16,8%

0,4%

Kanada

1,2%

0,5%

1,5%

1,2%

1,5%

1,5%

Hongkong

0,9%

0,1%

0,1%

0,2%

6,5%

0,7%

Niederlande

0,8%

2,2%

0,0%

1,2%

0,1%

4,5%

Frankreich

Abb.1.14: Weltweite Marktanteile nach Nationalität der Hotelgesellschaften im Jahr 2008 (Quelle: MKG-Consulting 2008 zitiert nach IHA 2009, S.113)

Nichtsdestoweniger verzeichnete der Hotelinvestmentmarkt Europa in den letzten Jahren eine deutlich über dem Durchschnitt der vorangegangenen Jahre liegende Performance. So wies der europäische Hotelinvestmentmarkt im Jahre 2006 mit 21,6 Mrd. Euro und im Jahr 2007 mit 18,7 Mrd. Euro, über den Betrachtungszeitraum von zehn Jahren, absolute Höchstwerte auf. 50% dieses Transaktionsvolumens entfielen dabei auf die drei größten europäischen Märkte Großbritannien, Deutschland und Frankreich (Deka Bank 2008). Weltweit gesehen befinden sich die meisten Hotelkapazitäten zwar noch in Europa, jedoch bei sinkender Tendenz, da insbesondere Nordund Südamerika, die BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China) sowie der

Modul 3

1.7

297

298

Die Hotellerie als Branche und Wirtschaftszweig

Mittlere Osten im zukünftigen Fokus internationaler Expansionsprozesse stehen (Mintel 2008). So kündigten die 20 größten Hotelgesellschaften der Welt unlängst an, bis zum Jahr 2015 1,1 Millionen neue Zimmer schaffen zu wollen, wobei 480.000 Zimmer in Nord- und Südamerika sowie 300.000 im pazifischen Raum bzw. im Mittleren Osten entstehen sollen (MKG-Consulting 2008). Rang

Hotelnam e/Sitz

Anzah l Zim m er

Anzahl Hotels

Länder

1

Interco ntinental Group (G B)

58 5094

3.949

1 00

2

Wynd ham W orldwide (USA)

55 0.576

6.544

90

3

M arriott Internatio nal (U SA)

51 7.909

2.901

69

4

Hilton Corpo ration (USA )

49 7.738

2.959

76

5

A ccor (F)

45 9.494

3.857

1 00

6

C hoice Hotels Intern ational (USA)

44 5.254

5.516

38

7

Best W estern International (USA )

30 8.636

4.035

80

8

Starwood Hotels & Resorts (U SA )

27 4.535

8 97

1 00

9

C arlson Ho sp. W orld wide (U SA)

14 8.511

9 71

70

13 8.503

7 20

44

80 .0 21

2 88

30

10 Glo bal Hyatt (USA)

11 TU I Grup pe (D) 41 M aritim Hotelgesellschaft (D)

14 .3 14

49

5

42 Steigenberger Hotels AG (D)

14 .2 13

82

7

Abb.1.15: Die größten Hotelkonzerne der Welt 2008 (Quelle: MKG Consulting 2008; Corporate Websites Stand März 2008)

Betrachtet man die Verteilung der globalen Marktanteile in der weltweiten Hotellerie, bezogen auf die nationale Herkunft der Hotelgesellschaften, wird deutlich, dass die weltweiten Hotelmärkte insbesondere von den US-amerikanischen Hotelgesellschaften dominiert werden (Abb.1.14). So finden sich unter den Top Ten der größten internationalen Hotelkonzerne des Jahres 2008 allein sieben US-Unternehmen. Während sich die amerikanischen Hotelgesellschaften schon seit Längerem international betätigen, expandieren in Europa viele Hotelunternehmen erst in den letzten Jahren verstärkt über ihre Grenzen hinaus (z.B. Accor, NH Hoteles, Sol Melia, Barceló). Abb.1.15 verdeutlicht in diesem Zusammenhang, dass die deutschen Wettbewerber auf internationaler Ebene bislang kaum über eine ausreichende Marktgröße verfügen, um in diesem globalen Wettlauf bestehen zu können. Die größte deutsche Hotelkette stellt die Hotelgruppe des Reiseveranstalters TUI dar, die mit ihren 278 Hotels in 30 Ländern in der Liste der weltweit größten Hotelgesellschaften auf Rang 11 geführt wird. Als erste Hotelgesellschaft deutschen Ursprungs befindet sich die Maritim Ho-

Die Hotellerie als Branche und Wirtschaftszweig

299

telgesellschaft auf Platz 41, dicht gefolgt von der Steigenberger Hotels AG (Platz 42) und Kempinski (Platz 43). Global gesehen, spielt die deutsche Hotellerie mit einem Marktanteil von 2,5% im Jahr 2008 denn auch nur eine untergeordnete Rolle. Selbst bei einer ausschließlichen Betrachtung des europäischen Marktes beläuft sich der Anteil der deutschen Hotellerie nur auf 6,7% (Abb.1.14).

Hotels

Zimmer

35.000

4.500.000

30.000

25.000

4.000.000

Prozentuale Entwicklung bezogen auf die Anzahl der Hotels

3.903.050 3.500.000

61%

3.000.000

20.000

2.500.000 2.402.645

15.000

2.000.000

291%

1.500.000

20.048 10.000

38%

1.229.887

1.000.000

5.000 502.508

500.000

6.888

4.987 0

0 1970

1986

1996 Hotels

2006

Zimmer

Abb.1.16: Wachstum der weltweit zehn größten Hotelketten im Zeitraum 1970 bis 2006 (Quelle: In Anlehnung an Frehse 2009, S.238)

Die Expansionsbestrebungen der internationalen Konkurrenten zwingen die deutschen Hotelkonzerne zukünftig zu einer verstärkten Internationalisierung ihrer Geschäftstätigkeit. Erst jüngst ließen verschiedene internationale Key Player der Hotelbranche ihre zukünftigen Wachstumsstrategien verlauten. Marriott will in den nächsten sieben Jahren ca. 80.000 neue Zimmer schaffen, Choice International ca. 78.000, während Accor bis zum Jahr 2010 ein Wachstum um weitere 200.000 neue Zimmer anstrebt, nachdem das Zimmerkontingent des Konzerns in den letzten fünf Jahren bereits um 28% gewachsen ist. Hilton plant die insgesamt größte Expansion in der Geschichte der Kette. In Kooperation mit dem US-amerikanischen Finanzinvestor Blackstone will das Unternehmen in den nächsten zehn Jahren weltweit ca. 900 neue Hotels mit 120.000 Zimmer eröffnen (MKG Consulting 2008). Und auch die spanische Gruppe NH Hoteles will bis 2009 die Anzahl ihrer Hotelzimmer vorrangig in Europa von derzeit 38.990 auf 71.387 erhöhen, während InterContinental ankündigte, ihr Konzept „Express by Holiday Inn“ solle sich in den nächsten Jahren zur am schnellsten wachsenden Hotelmarke in Europa entwickeln (Härle/Haller 2007). Abbildung 1.16 ver-

Modul 3

32.207

300

Die Hotellerie als Branche und Wirtschaftszweig

deutlicht das Ergebnis dieser globalen Expansionsbestrebungen. Während die weltweit zehn größten Hotelketten im Jahre 1970 über 4.987 Hotels mit 502.502 Zimmern verfügten, waren es Ende 2006 bereits 32.207 Hotels mit 3.903.050 Zimmern (Frehse 2009, S.238). Bezogen auf den Weltmarkt vereinen die zehn größten Hotelgesellschaften damit ca. 20% der weltweiten Hotelkapazität auf sich.

Europa Deutschland Moskau Paris London Amsterdam Barcelona Wien München Prag Hamburg Frankfurt Köln Berlin Warschau Budapest

Auslastung 2007 2007/ 2006 % % 69,2 1,0 63,9 1,8 71,3 0,0 77,6 4,3 82,6 0,6 80,4 -1,5 73,1 1,1 75,6 -0,4 73,3 4,3 71,5 -1,1 74,4 -1,9 60,9 -1,1 67,8 3,7 70,7 5,4 67,2 4,1 66,7 -1,5

Average Room Rate 2007 2007/ 2006 (€) % 115 5,5 85 0,2 257 11,5 217 5,7 192 9,0 146 3,9 142 9 112 10,7 114 3,5 104 -1,1 99 -0,8 106 -1,4 94 -1,2 87 -2,2 91 8,9 84 2,8

RevPAR 2007 2007/ 2006 (€) % 80 6,5 55 1,9 183 11,5 168 10,2 159 9,7 117 2,3 104 10,2 85 10,3 84 8 74 -2,1 73 -2,8 65 -2,5 64 2,5 62 3,1 61 13,4 56 1,2

Quelle: Deloitte Hotelbenchmark Survey

Abb.1.17: Die Performance deutscher Hotels im internationalen Vergleich im Zeitraum 2006 bis 2007 (Quelle: Deloitte Hotelbenchmark Survey 2008)

Der weltweite Hotelmarkt befindet sich denn auch in den letzten zehn Jahren in einem tiefgreifenden Strukturwandel. Insbesondere die großen Ketten streben zunehmend danach, in allen Ländern präsent zu sein, und so prägen – ähnlich wie im deutschen Hotelmarkt – eine hohe Wettbewerbsintensität und starke Konzentrationsprozesse auch international das Bild. Im Gegensatz zu seinen amerikanischen und asiatischen Mitbewerbern ist der europäische Hotelmarkt wie oben skizziert nach wie vor durch ein fragmentiertes Angebot charakterisiert. Die Strukturproblematik der deutschen Hotellerie zeigt sich auch in einem europäischen Vergleich der Leistungskennzahlen durchschnittlicher Zimmererlös, Auslastung und RevPAR, in dem die deutsche Hotellerie deutlich schlechter abschneidet als der europäische Durchschnitt (Abb.1.17). Auch wenn die Globalisierung im Wesentlichen einen Prozess darstellt, den hauptsächlich die großen Hotelkonzerne verfolgen können, bleibt jedoch auch die Individualhotellerie von den Wirkungen dieser Aktivitäten nicht unberührt. So führt die verstärkte Expansion der internationalen Hotelketten in die Niedrig- und Mittelpreissegmente und die Ausweitung des weltweiten Hotelangebots in vielen nationalen

Die Hotellerie als Branche und Wirtschaftszweig

301

Wichtige Erkenntnisse



Der Hotelbegriff ist kein geschützter Begriff. Die deutsche Hotellerie ist eine klein- und mittelständisch geprägte Branche (ca. 90% der Betriebe haben weniger als 49 Zimmer). Der Strukturwandel in der Hotellerie führt mittel- bis längerfristig dazu, dass immer mehr Hotelunternehmen Teil einer Kette oder einer Kooperation sein werden (Stichwort: Markenhotellerie). Der Nutzen der Hotelklassifizierung ist umstritten. Die internationale Hotellerie wird von US-amerikanischen Hotelketten dominiert.

Vertiefungsfragen



 Welche vier Wertschöpfungsfunktionen im Tourismus unterscheidet man?

 Nach welchen Kriterien lassen sich die verschiedenen Betriebsarten und Erscheinungsformen in der Hotellerie unterscheiden?  Was versteht man unter dem Begriff der Markenhotellerie?  Was ist der Unterschied zwischen einer Hotelkette und einer Hotelkooperation?

 Was versteht man unter dem Stichwort „Strukturwandel in der Hotellerie“?

Modul 3

Märkten zu einem intensiven Preiswettbewerb, den die klein- und mittelständische Individualhotellerie auf der Kostenseite kaum erwidern kann. Auch dem gestiegenen Markenbewusstsein wird aus Sicht internationaler Kunden, eher von der Kettenhotellerie als von der Individualhotellerie, entsprochen werden können. Einheitliche Qualitätsstandards, ein hohes Maß an Dienstleistungsbereitschaft und Freundlichkeit bei einem optimalen Preis-/Leistungsverhältnis gehören heutzutage zu den selbstverständlich gewordenen Erwartungen eines Hotelgastes. Diese Anforderungen können derzeit nur mehr größere Hotelgesellschaften bzw. Hotelkooperationen standort- und länderübergreifend erfüllen und auch garantieren. In Erwartung dieser Entwicklung wird der gegenwärtig bereits zu Lasten der Individualhotellerie geführte Verdrängungswettbewerb weltweit auch in Zukunft weiter an Härte zunehmen. Das expansive Vordringen der internationalen Kettenhotellerie in die aus Sicht der Individualhoteliers einst sicheren europäischen Märkte, wird erst dann zum Erliegen kommen bzw. an Dynamik verlieren, wenn das angestrebte Wachstum von internationalen Hotelinvestoren nicht länger finanziert wird (Peters 2007, S.81).

302

Die Hotellerie als Branche und Wirtschaftszweig

Literaturhinweise



 Clarke, A., Chen, W.: International Hospitality Management, Amsterdam 2007.

 Gardini, M.A.: Handbuch Hospitality Management, Frankfurt/Main 2009.

 Gardini, M.A.: Marketing-Management in der Hotellerie, 2. Aufl., München 2009.

 Henschel, U.; Hotelmanagement, 3. Aufl., München 2008  Hänssler, K.H. (Hrsg.): Management in Hotellerie und Gastronomie, 7. Aufl. München 2008.

 Walker, J.: Exploring the Hospitality Industry, New Jersey 2008.

Internetquellen  www.dehoga.de



Offizielle Homepage des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands, der Branchenvertretung der Hotellerie und Gastronomie mit Statistiken, Berichten, Pressemitteilungen etc.  www.dagusta.de Presseplattform mit News, Personalien, Berichten, Pressemitteilungen aus der Hotellerie und Gastronomie etc.  www.hospitalityinside.de Kostenpflichtiges Online-Magazin mit Marktanalysen, Statistiken, News, Personalien, Berichten, Pressemitteilungen aus der Hotellerie und Gastronomie etc.  www.mkgconsulting.com Interessante Seite einer der führenden europäischen Marktforschungs- und Beratungsunternehmen im Bereich der Hotellerie.

Dienstleistungsbesonderheiten der Hotellerie

Lernziele



Am Ende dieses Kapitels sollten Sie Folgendes können:

 die konstitutiven Merkmale von Dienstleistungen erläutern und verstehen;

 den Dienstleistungscharakter der Hotellerie und dessen Konsequenzen für das Management eines Hotelbetriebs verstehen;

 das Hotel als materielles und immaterielles Leistungssystem begreifen;

 die besondere Bedeutung des Wettbewerbsfaktors Qualität für den Erfolg eines Hotelunternehmens erkennen;

 die Qualitätsdimensionen von Hotelleistungen beschreiben;  die Wirkungszusammenhänge zwischen Kundenerwartungen, Kundenzufriedenheit und Dienstleistungsqualität verstehen.

Rocco Forte, Hotel Villa Kennedy, Frankfurt Weitere Informationen unter www.tourismus-grundlagen.de

Modul 3

2

304

2.1

Dienstleistungsbesonderheiten der Hotellerie

Begriff und Dimensionen von Dienstleistungen

Die Systematisierungsansätze von Dienstleistungen sind in der Literatur überaus vielfältig. Ausgangspunkt vieler Dienstleistungsdefinitionen ist oftmals eine DreiPhasen-Betrachtung der Dienstleistung, anhand derer in einem zweiten Schritt die konstitutiven Merkmale von Dienstleistungen herausgearbeitet werden. Dabei wird zwischen potenzial-, prozess- und ergebnisorientierten Definitions- und Erklärungsansätzen unterschieden (Meffert/Bruhn 2009, S.16ff.; Corsten/Gössinger 2007, S.19ff.):  Potenzialorientierte Dienstleistungsdimension Dienstleistung wird in dieser Definition als das Potenzial eines Unternehmens interpretiert, das mit Hilfe von Menschen oder Maschinen als Absatzobjekten seine Leistungsfähigkeit anbietet bzw. seine Bereitschaft vermittelt, diese marktlich zu verwerten. Blois spricht in diesem Zusammenhang von Signalen "...as an indication that the service will be performed satisfactorily." (Blois 1983, S.254). Differenzierungen von Dienstleistungen ergeben sich durch die jeweilige Mensch- und/oder ObjektAusprägung der angebotenen Leistungsfähigkeiten. Handelt es sich vornehmlich um menschliche Leistungsfähigkeiten, die zur Erstellung einer Dienstleistung eingesetzt werden, spricht man von einer klassischen, persönlich erbrachten Dienstleistung, wie sie bspw. für eine Rechtsberatung oder eine ärztliche Konsultation kennzeichnend ist. Ist die angebotene Dienstleistung jedoch durch einen vollkommenen Ersatz menschlicher durch maschinelle Leistungsfähigkeiten gekennzeichnet, spricht man von einer vollautomatisierten (maschinellen) Dienstleistung (z.B. Geldautomaten, Waschanlage). Ungeachtet der Tatsache, ob es sich um menschliche oder maschinelle Leistungsfähigkeiten des Anbieters handelt, stellen Dienstleistungen in dieser Phase zunächst lediglich ein Leistungsversprechen des Anbieters dar – Levitt spricht hier von "…buying promises" (Levitt 1981, S.96).  Prozessorientierte Dienstleistungsdimension Schwerpunkt dieser Perspektive ist der Tätigkeits- bzw. Prozesscharakter von Dienstleistungen sowie die daraus resultierende Zeitdimension. Dienstleistungen stellen vielfach eine Tätigkeit oder einen Prozess dar und werden um ihrer selbst willen nachgefragt, d.h. der Kunde fragt genau diesen Prozess bzw. die Teilnahme an diesem Prozess nach (z.B. Massage, Konzert, Theater). Rathmell weist in diesem Zusammenhang auf die Unterschiede zur Sachleistung hin: "Goods are produced, services are performed" (Rathmell, 1974, S.58). Berekoven definiert demzufolge auch Dienstleistungen als "...der Bedarfsdeckung Dritter dienende materielle und/oder geistige Prozesse, deren Vollzug und deren Nutzung einen (zeitlich und räumlich) synchronen Kontakt zwischen Leistungsgeber und Leistungsnehmer (bzw. dessen Verfügungsobjekt) technisch bedingen und von der Bedarfsdeckung her erfordern." (Berekoven 1974, S.29). Wesentliche Merkmale der prozessorientierten Dienstleistungsperspektive sind demnach zum einen die Notwendigkeit der Einbindung des Kunden bzw. dessen Verfügungsobjekten in den Dienstleistungsprozess – Meyer spricht von der

Dienstleistungsbesonderheiten der Hotellerie

305

 Ergebnisorientierte Dienstleistungsdimension Die ergebnisorientierte Dienstleistungsinterpretation geht davon aus, dass nicht die Teilnahme an der Dienstleistungserstellung (zeitraumbezogene Sichtweise), sondern das Ergebnis der dienstleistenden Tätigkeit nachgefragt wird (zeitpunktbezogene Sichtweise). Eine Dienstleistung wird demzufolge als der Output von anbieterinternen Faktorkombinationsprozessen charakterisiert, also als ökonomisches, nutzenstiftendes Endergebnis der Dienstleistungsproduktion. Dieses nutzenstiftende Endergebnis besteht aus Kundensicht zumeist in einem individuellen Wohlbefinden auf der Basis einer Problemlösung, eines Erlebnisses oder einer physischen bzw. psychischen Weiterentwicklung. Dabei wird nicht verkannt, dass materielle Trägermedien als Basis für die Erzielung des Leistungsergebnisses eine Rolle spielen können, oftmals steht jedoch der immaterielle Charakter der originären Dienstleistung im Vordergrund (z.B. der Erholungszustand nach einem Urlaub). Die Dienstleistungsbesonderheiten basieren demzufolge auf den Kernmerkmalen der Immaterialität (Intangibilität), des weitgehenden Zusammenfalls von Produktion und Absatz im Zuge der Endkombination (Uno-Actu-Prinzip) sowie aus dem – zumindest in persönlichkeitsintensiven Dienstleistungskontexten – notwendigen Einbezug des Kunden in den Prozess der Leistungserstellung. Die Dienstleistungsproduktion verläuft dabei üblicherweise in zwei Phasen: Vorkombination und Endkombination (Corsten/Gössinger 2007; S.110ff.). Im Rahmen der Vorkombination werden die notwendigen Leistungspotenziale aufgebaut, wobei das generelle Leistungspotenzial eines Unternehmens als Kapazität bezeichnet wird und die damit verbundene potenzielle Verfügbarkeit der Leistung als Leistungsbereitschaft (z.B. das Hotel mit seiner Bettenkapazität, dem Personal, dem Gebäude- und Freizeitanlagen, den Kücheneinrichtungen etc.). Im Rahmen der Endkombination werden schließlich in einem zeitlich synchronen Prozess durch das Zusammenspiel zwischen den internen Produktionsfaktoren (Einrichtungen, Personal etc.) sowie der Integration des externen Faktors (Kunden bzw. deren Verfügungsobjekte) absatzfähige Dienstleistungen erstellt (Meffert/Bruhn 2009, S.37f.). Ein weiteres Merkmal das in der Literatur oftmals genannt wird, ist die Nichtlagerfähigkeit von Dienstleistungen. So kann im Gegensatz zu anderen Industrien wie bspw. der Automobilindustrie ein Hotelzimmer das an einem Tag nicht verkauft wird, nicht gelagert und zu einem späteren Zeitpunkt verkauft werden, während dies hingegen mit einem Fahrzeug möglich ist. Jedes nichtverkaufte Zimmer ist angesichts der fixen Kapazität als Umsatzbringer bzw. Deckungsbeitrag verloren. Als ein weiteres Merkmal wird die Volatilität der Dienstleistungsqualität genannt, d.h., die Qualität der Leistungserbringung hängt sehr stark davon ab, wer wann welche Dienstleistung für wen zu erbringen hat. Auch dies ein Unterschied im Vergleich zur Automobilindustrie, wo aufgrund der weitestgehenden Automatisierung der Produktionsprozesse und der Möglichkeit zahlreicher prozessbegleitender Qualitätskontrollen, Qualitätsunterschiede im Endprodukt sehr gering bzw. selten sind (Grönroos, 2007, S.53ff.; Lovelock/Wright 2002, S.9ff.).

Modul 3

Integration eines externen Faktors (Meyer 1994b, S.21ff.). – und zum anderen das Charakteristikum der Immaterialität von Dienstleistungen, da, "...letztlich jede Verrichtung immaterieller Natur ist." (Corsten/Gössinger 2007, S.22).

306

Dienstleistungsbesonderheiten der Hotellerie

Aus den Kernmerkmalen von Dienstleistungen folgen bestimmte Sekundäreigenschaften, die aus Anbieter und Nachfragersicht von Bedeutung im Konsumprozess sind (Nelson 1970, S.312):

Konstitutive Merkmale von Dienstleistungen Intangibilität/Immaterialität

Zusammenfall von Konsum und Produktion (Uno Actu-Prinzip= Leistung wird am Kunden oder an dessen Verfügungsobjekt erbracht) Integration des externen Faktors/ Bedeutung des persönlichen Kontaktes

Eigenschaften von Dienstleistungen Sucheigenschaften („search qualities“) Erfahrungseigenschaften („experience qualities“) Glaubenseigenschaften („credence qualities“)

Abb.2.1: Besonderheiten von Dienstleistungen (Quelle: Gardini 2009, S.20)

So mangelt es vielen Dienstleistungen aufgrund der Immaterialität an sog. Sucheigenschaften (search qualities), d.h. Produkt-/Leistungseigenschaften, die vor dem Kauf einer Überprüfung unterzogen werden können, wie bspw. die Probefahrt beim Autokauf. Ob ein Hotel hingegen den Ansprüchen genügt (z.B. ruhiger Schlaf, gepflegte Zimmer, angenehmes Ambiente), kann man i.d.R. nicht vorher ausprobieren. Dies führt dazu, dass die Mehrzahl von Dienstleistungen durch sog. Erfahrungseigenschaften (experience qualities) definiert sind, die der Konsument erst nach dem Kauf beurteilen kann. Bei einer Vielzahl von Dienstleistungen ist jedoch auch nach der Nutzung nicht immer ein sicheres Werturteil über bestimmte Leistungseigenschaften möglich, so dass man hier auch von den sog. Vertrauenseigenschaften (credence qualities) von Dienstleistungen spricht. Dies ist bspw. in Dienstleistungskontexten der Fall, in denen der Produzent einer Dienstleistung gegenüber dem Konsumenten über einen deutlichen Wissensvorsprung verfügt (z.B. Rechtsanwalt, Steuerberater, Arzt), der Zusammenhang einer Leistung mit den dazugehörigen Input- oder Potenzialfaktoren nicht immer eindeutig auszumachen ist und/oder die Wirkungen und Eigenschaften einer Leistung sich erst nach einer längeren bzw. unsicheren Zeitspanne einstellen. Ob eine ärztliche Therapie, eine Kapitalanlage oder ein anwaltlicher Ratschlag unter gegebenen Umständen die beste aller möglichen Alternativen für den Kunden darstellt, ist denn auch in der Retrospektive oftmals mehr eine Vertrauensangelegenheit als ein rational abgesichertes Werturteil. Credence qualities spielen jedoch im Kontext von Hotelleistungen kaum eine Rolle.

Dienstleistungsbesonderheiten der Hotellerie

2.2

307

Zum Dienstleistungscharakter der Hotelleistung

Materielle Komponenten

Immaterielle Komponenten Prozessuale K.

Beherbergung

Alles was dem Gast im Zusammenhang mit dem Zimmer angeboten wird

Speisen/Getränke

Alles was dem Gast zum Verzehr angeboten wird

Komfort

Alles Materielle, das dem Gast zur Verfügung gestellt wird

Sensuelle K.

Service

Atmosphäre

Alle Dienste, die im Beherbergungs-, Verpflegungs-, NL-Bereich geleistet werden

Alles Immaterielle, das auf das Empfinden und Erlebnis des Gastes Einfluss hat

Ambiente Alles was der Gast rund um den Aufenthalt im Hotel wahrnimmt und erlebt

Zentrale Komponenten

Komplettierende Komponenten

Abb.2.2: Dimensionen der Hotelleistung (Quelle: nach Poggendorf 1991, S.98)

Das Ausmaß und die Bedeutung des persönlichen Kontakts zwischen Leistungsanbieter und Leistungsnachfrager wird in der Hotellerie im Wesentlichen durch die jeweilige Hotelkategorie bzw. das Qualitätssegment determiniert. Die Dominanz der Dienstleistungsaspekte, die Individualität der Leistungserstellung und die große Bedeutung des persönlichen Kontaktes zwischen Hotelmitarbeitern und Hotelgästen in weiten Teilen der Hotellerie charakterisieren demzufolge Hotelleistungen als Erfahrungsgüter, ein Merkmal, welches dazu führt, dass Kunden im Vorfeld die relative Leistungsqualität eines Hotels nur sehr schwer oder nur indirekt einschätzen können. Weitere Dienstleistungsspezifika, wie das Erfordernis der Kundenpräsenz bzw. Kundenbeteiligung, die Immaterialität zumindest von Teilen und Ergebnissen der angebotenen

Modul 3

Barth und Theis charakterisieren Hotelunternehmen als personenbezogene, kundenpräsenzbedingte Dienstleistungsbetriebe, die durch den Einsatz materieller und immaterieller interner Faktoren, direkte Leistungen an Dritte abgeben, wobei diese als externe Faktoren in den Leistungserstellungsprozess zu integrieren sind (Barth/Theis 1998, S.15ff.). Während Beherbergung und Verpflegung, wie später noch detailliert skizziert, Kernleistungen darstellen (siehe Kapitel 3), übernehmen die Nebenleistungen zusätzliche Dienstleistungsfunktionen und stellen in ihrer Ausgestaltung ein wichtiges Differenzierungsmerkmal für Hotelunternehmen in ihrem jeweiligen Kunden-/Marktsegment dar.

308

Dienstleistungsbesonderheiten der Hotellerie

Leistungen, die Erstellung und der Absatz der Leistungen nach dem Uno-ActuPrinzip sind typische Merkmale bzw. wesentliche Bestandteile der Hotelleistung und kennzeichnen demzufolge das Hotel eindeutig als ein Dienstleistungsunternehmen. In den folgenden Abschnitten sollen die Dienstleistungsspezifika der Hotelleistung und deren Konsequenzen, sowohl in Bezug auf die Erbringung und Vermarktung von Hotelleistung als auch im Hinblick auf die Qualitätswahrnehmung durch die Kunden, näher untersucht werden.

2.2.1

Zur „Erlebniswelt“ Hotel als materielles und immaterielles Leistungssystem

Zu einer „Erlebniswelt“ oder – wie manche Autoren es ausdrücken – zu einer „sozialen Bühne“ (Goffmann 1969, S.187) wird ein Hotelunternehmen erst dann, wenn es gelingt, das ökonomische bzw. materielle System mit dem sozio-emotionalen bzw. immateriellen System so zu koppeln, dass sowohl den bewussten als auch den unbewussten Bedürfnissen und Erwartungen des Gastes auf der Sach- und Beziehungsebene entsprochen wird. Es ist unbestrittener Konsens in der Dienstleistungsliteratur, dass die Augenblicke, in denen ein Kunde mit einem Dienstleistungsunternehmen bzw. ihrer Personifizierung in Gestalt der Mitarbeiter der Unternehmen in Kontakt tritt, als entscheidende Momente – sog. „Moments of Truth“ – der Qualitätswahrnehmung und -beurteilung durch den Kunden angesehen werden und daher der besonderen Aufmerksamkeit des Management unterliegen sollten (Carlzon 1987; Grönroos 1990). Anhand der grundsätzlichen Gestaltung von Dienstleistungsinteraktionen ergeben sich verschiedene Erkenntnisse und so lassen sich aus dem Wirkungszusammenhang zwischen Leistungsmerkmalen, Interaktionspartnern, Interaktionsumfeld, Interaktionsprozess und dem daraus resultierenden Interaktionsergebnis, die wesentlichen Determinanten zwischenmenschlicher Interaktionen sowie deren Implikationen für das Marketing von Hotelleistungen aufzeigen (Klaus 1995, S.260ff.; Lehmann 1995, S.31ff.; Gardini 2001, S.31ff.):  Interaktionspartner “Although a service is an interaction between a customer and a complex system, a very important element of many services is a person-to-person encounter” (Mattsson 1994, S.46). Im Mittelpunkt der Dienstleistungsinteraktion in der Hotellerie steht denn auch der Mensch, der – geprägt durch psychische (z.B. Wissen, Einstellungen, Motive, Emotionen), physische (z.B. Alter, Gesundheit, Geschlecht) und soziale (z.B. Normen, Werte, Kulturstandards) Determinanten – individuell verschiedene Verhaltensweisen und Voraussetzungen in den Interaktionsprozess mit einbringt. Diese können sowohl auf Kunden- als auch auf Mitarbeiterseite im Rahmen der Mensch-zuMensch-Interaktionen sehr dynamische und sich wechselseitig verstärkende Austauschprozesse generieren und dadurch sehr unterschiedliche und vielschichtige Dienstleistungssituationen und -ergebnisse hervorbringen.  Interaktionsumfeld Das Interaktionsumfeld bildet sich aus unternehmensexterner und unternehmensinterner Umwelt. Unternehmensextern unterliegen sowohl Kunde, Mitarbeiter als auch das

309

Hotelunternehmen als organisatorische Einheit den sozio-kulturellen Umwelteinflüssen, wie sie sich durch Normen, Werte und Verhaltenskodexe aus dem gesellschaftlichen Umfeld ergeben. Diese externen Rahmenbedingungen wirken unternehmensintern auf die normative Dimension des Dienstleistungsmanagement ein. So prägt das organisationale Umfeld in den Kundenkontaktmomenten über Faktoren wie Unternehmenskultur, Struktur- und Prozessgestaltung, Führungs- und Anreizsysteme oder die jeweilige Kommunikation nach innen und außen, das Zusammenspiel zwischen Mitarbeiter und Kunden. Bitner erweitert diese unternehmensinterne Betrachtungsperspektive und verweist darüber hinaus auf die Funktion der physischen Gestaltung des Interaktionsumfeldes, wie zum Beispiel den Standortcharakteristika oder der Gebäude-, Anlagen- und Lichtarchitektur. “In interpersonal servicescapes, special consideration must be given to the effects of the physical environment on the nature and quality of the social interaction between and among customers and employees” (Bitner 1992, S.58). Aus Perspektive des Gastes gilt es über die Innengestaltung von Zimmern, Aufenthaltsräumen und Hotelanlagen eine Stimmung bzw. Atmosphäre zu schaffen, die als wohltuend empfunden wird. Die atmosphärischen Aspekte der baulichen Gestaltung im Sinne eines solchen Stimmungsmanagement sind dabei vielfältig und können so unterschiedliche Komponenten umfassen wie die Raumgestaltung, das Raumklima, die Raumbeduftung, Dekorationen, den Einsatz von Farben und/oder Licht, musikalische Untermalung etc. (Dreyer/Dehner 2003, S.41f.). Die effektive und effiziente Gestaltung sowohl interner als auch marktgerichteter Organisations- und Dienstleistungsprozesse, die positive Beeinflussung von Interaktionen über die bewusste Einrichtung und Strukturierung von Kommunikationszonen und Begegnungsabläufen sowie die potenzielle akquisitorische Wirkung eines über entsprechende bauliche Gestaltungsansätze transportierten Qualitäts-/Markenimage eines Hotelunternehmens, sind demzufolge entscheidende Gestaltungsfaktoren eines KundeMitarbeiter-Interaktionskontextes (Bitner 1992, S.67f.).  Interaktionsprozess und -ergebnis Die unmittelbaren Austauschbeziehungen zwischen Unternehmen, Kunde und Mitarbeiter, finden dabei sowohl auf einer sach-rationalen als auch auf einer sozioemotionalen Ebene statt. Die Befriedigung technisch-ökonomischer Qualitätsansprüche dient der Erfüllung der Kundenanforderungen auf der Sachebene, während den psycho-sozialen Ansprüchen auf der Beziehungsebene des Interaktionsprozesses entsprochen wird. Die Qualität der Gesamtleistung, sprich des Interaktionsprozesses und des Interaktionsergebnisses, ergibt sich in einer Bedürfnisbefriedigung auf beiden Ebenen. Die Einflussfaktoren der Kunde-Mitarbeiter-Interaktionen im Hotelbereich sind je nach Leistungsprofil vielschichtig und können in unterschiedlicher Stärke auf die Qualitätswahrnehmung der Kunden einwirken. Leistungscharakteristika, wie die individuelle oder standardisierte Form der Leistungserstellung, das unterschiedliche Maß nicht sichtbarer Leistungselemente (z.B. Freundlichkeit, Ambiente, Wohlbefinden), die Anzahl/Güte der Mitarbeiter, mit denen man in Kontakt kommt, oder der situative Kontext einer Interaktion, die sich oftmals auch unter Zeitdruck oder Stress vollziehen kann, prägen das Qualitätsempfinden von Kunden. Auch auf Mitarbeiterseite spielen unterschiedliche Faktoren eine Rolle und können ein Serviceereignis

Modul 3

Dienstleistungsbesonderheiten der Hotellerie

310

Dienstleistungsbesonderheiten der Hotellerie

positiv oder negativ beeinflussen: die grundsätzliche Einstellung zu Arbeit bzw. Leistung, charakterliche Merkmale (Kommunikationsfreude, Menschenkenntnis usw.), die jeweilige Ausbildung und Berufs- bzw. Branchenerfahrung, die Tagesform oder ganz einfach die Frage, ob der Kunde lieber von einem männlichen oder weiblichen Mitarbeiter bedient werden möchte. Kunden wiederum sind unterschiedlich gut informiert über ein Produkt, sind Neuem gegenüber aufgeschlossen oder eher risikoavers, haben je nach Nationalität oder Kulturkreis eine unterschiedliche Auffassung darüber, was Servicequalität sein soll oder bringen in Abhängigkeit vom Einkommen oder Interesse einen unterschiedlichen Grad an Involvement in den Interaktionsprozess ein (Gardini 2001, S.31f.). Abbildung 2.3 fasst diese Erkenntnisse nochmals zusammen.

Leistungsmerkmale • Heterogenität • Immaterialität • Individualität • Integrationsgrad • Multipersonalität • Innovationsgrad • Dimensionierung • Situativer Kontext • ...

Mitarbeitermerkmale • Eigenschaften • Einstellungen • Fähigkeiten • Ausbildung/Qualifikation • Berufserfahrung • Branchenerfahrung • Geschlecht • „Tagesform“

Einflussfaktoren der Dienstleistungsinteraktion

•...

Kundenmerkmale • Individualität • Involvement • Risikodisposition/-wahrnehmung • Vertrauensdisposition • Information/Produkt Know-how • Loyalität • Kultureller/Sozialer Hintergrund • „Tagesform“ •...

Organisationsmerkmale • Unternehmensphilosophie/-kultur • Ziele • Strategien • Strukturen/Prozesse • Führungs-/Anreizsysteme • Personalsysteme • Kommunikation •...

Abb.2.3: Ausgewählte Einflussfaktoren der Dienstleistungsinteraktion (Quelle: Gardini 2001, S.32)

Um die Komplexität der Hotelleistungen vor allem im Hinblick auf einen kundenorientierten Ansatz transparenter zu gestalten, empfiehlt sich aus Marketingperspektive die bereits oben skizzierte, gedankliche Trennung des Leistungssystems in ein materielles und ein immaterielles Subsystem (Duch 1980, S.27; Lockwood 1989, S.352f.). Für eine Sensibilisierung des Marketing-Managements im Hinblick auf eine verstärkte Kundenorientierung ist die Konsequenz einer solchen Zweiteilung von wesentlicher Bedeutung. Die Qualitätsbeurteilung bzw. -wahrnehmung des Hotelkunden differenziert auf unterschiedliche Art und Weise zwischen materiellen und immateriellen Faktoren. Grönroos unterscheidet in seinem Modell zwischen der technischen (Tech Quality) und der funktionalen (Touch Quality) Dimension von Dienstleistungsange-

Dienstleistungsbesonderheiten der Hotellerie

311

boten (Grönross 1984, 1990). Während die technische Dimension sich mit der Frage des „Was erhält der Kunde?“ im Sinne der materiellen Leistungselemente befasst (z.B. Etagen- oder Restaurantservice), stellt die funktionale Dimension auf das „Wie wird die Dienstleistung dargeboten?“ ab (z.B. schnell, zuvorkommend, zuverlässig) und unterliegt somit sehr stark der subjektiven Wahrnehmung des Kunden. Dabei ist von dem Tatbestand auszugehen, dass Kundenzufriedenheit sich nicht über die reine Erfüllung von materiellen Leistungselementen einstellt (dies verhindert nur Unzufriedenheit), sondern entscheidend von den immateriellen Faktoren und der damit einhergehenden Erfüllung von hierarchisch nachfolgenden Bedürfnissen beeinflusst wird.

Potentialebene

Prozessebene

Ergebnisebene

Immaterielle Wirkungsebene „Touch Dimension“

• Makro/Mikro-Standort • Unternehmensklassifikation • Kooperations-/Kettenzugehörigkeit • Hotelarchitektur (Anlage, Gebäude) • Hotelausstattung (Technik, Funktionalität) • Preisniveau • Breite/Tiefe des Leistungsangebots • Image • Personal • ...

• Atmosphäre • Lage der Hotelanlage/-gebäude • Stil/Ästhetik der Hotelanlage/-gebäude • Personal (Aussehen, Kleidung) • ...

• Anzahl der Mitarbeiter • Lage der Zimmer • Ausschilderung innerhalb des Hotels • Sauberkeit • Öffnungs-/Servicezeiten • Technischer Zustand der Anlagen (z.B. TV, Klima, Garten, Sauna,..) • Tagungs-/Sport-/Freizeiteinrichtung • ...

• Zimmer/Restaurant/Baratmosphäre (Farbgestaltung, Duft, Dekor,...) • Serviceeinstellung/-mentalität • Hilfsbereitschaft, Freundlichkeit Verläßlichkeit, Kompetenz, Reaktionsfähigkeit, Einfühlungsvermögen des Personals • Betriebsklima • ...

• • • • •

• Kundenzufriedenheit • Erholung, Entspannung,... • Übereinstimmung von Kundenerwartung und Kundenerlebnis • After Sales Marketing • ...

Kundenzufriedenheit Folgebuchungen Empfehlungen Schnelligkeit Check-In/Out ...

Abb.2.4: Qualitäts- und Dienstleistungsdimensionen in der Hotellerie

In Anlehnung an die oben beschriebene Drei-Phasen-Betrachtung von Dienstleistungen lassen sich den Potenzial-, Prozess- und Ergebnismerkmalen der Hotelleistungen denn auch jeweils eine immaterielle (High Touch) und eine materielle (High Tech) Wirkungsebene zuordnen (Faust 1993, S.23f.; Dreyer/Dehner 2003, S.43). Abbildung 2.4 fasst diese Betrachtungen noch einmal zusammen.

Modul 3

Materielle Wirkungsebene „Tech-Dimension“

312

Dienstleistungsbesonderheiten der Hotellerie

2.2.2

Konsequenzen der Dienstleistungsbesonderheiten für die Hotellerie

Ausgehend von den verschiedenen Dimensionen und Merkmalen der Hotelleistung können im Folgenden die wesentlichen Anforderungen und Besonderheiten der Vermarktung von Hotelleistungen abgeleitet werden. Die Konsequenzen der Dienstleistungsspezifika in der Hotellerie sind wie bereits gesehen vielfältig und äußern sich – wie in Abbildung 2.5 dargestellt – aus Kunden- und Produzentensicht zusammenfassend wie folgt (Bieger 2000; Meffert/Bruhn 2009):

Konsequenzen für Anbieter

Konsequenzen für Nachfrager

• Mangelnde Konkretisierbarkeit • Informationsarmut • Keine Vorratsproduktion, Lagerbarkeit • Standortgebundenheit • Einwirkung des Kunden im Leistungserstellungsprozess • Steuerungsproblematik sozialer Interaktionen • Mitarbeiterqualität als Differenzierungsfaktor • Eingeschränkte Standardisierungsmöglichkeiten • Probleme der Messung und Bewertung der Leistungsqualität (Qualitätskontrolle) • Kein Eigentumstransfer • ...

• Intransparenz über die zu erwartende Leistung • Individuelle, unvorhersehbare Qualität • Hohes Kauf-/Qualitätsrisiko • Informationsasymmetrie • Hoher Informationsbedarf • Bevorzugung persönlicher Informationsquellen • Mitwirkung im Leistungserstellungsprozess • Probleme kollektiver Dienstleistungsangebote • Mitarbeiter als Engpassfaktor • Komplexität der Bewertung der Leistungsqualität • Kein Eigentumstransfer • ...

Abb.2.5: Konsequenzen der Dienstleistungsbesonderheiten

 Kundensicht Aufgrund der wenigen physisch wahrnehmbaren Leistungsmerkmale ist die Auswahl und Bewertung der Leistungsfähigkeit eines Hotelangebots durch den Kunden erschwert und trotz intensiver Suchprozesse lassen sich diesbezügliche kundenseitige Informationsdefizite nur begrenzt abbauen. Diese Unsicherheit ist vor allem bei Erstkäufen von Dienstleistungen bedeutsam. Dadurch muss der Kunde bei einer Vielzahl von Dienstleistungen seine Kaufentscheidung unter erheblicher Unsicherheit hinsichtlich der Bedarfsgerechtigkeit angebotener Unternehmensleistungen treffen. Des Weiteren unterliegen Vergleiche zwischen Anbietern gleichartiger Dienstleistungsangebote besonderen Schwierigkeiten. Als Folge davon ist der Dienstleistungsnachfrager im Vergleich zum Käufer von Sachleistungen einem generell höheren Kaufrisiko ausgesetzt, das sich in seiner Gesamtstruktur aus einer Anzahl von Einzelrisiken zusammensetzt (Schiffman/Kanuk 2007, S.214f.). Der Abbau dieser Informationsdefizite erfolgt im Dienstleistungsbereich bevorzugt über persönliche Informationsquellen (z.B. Familie, Freunde, Geschäftspartner), wobei auch oftmals der Preis als Indikator zur Bewertung des Kauf- bzw. Qualitätsrisikos herangezogen wird. Auch Unsicher-

Dienstleistungsbesonderheiten der Hotellerie

313

 Anbietersicht Viele Dienstleistungen weisen aufgrund ihres immateriellen Charakters im Gegensatz zu Sachleistungen eine allgemeine Informationsarmut auf, d.h., sie definieren sich nicht über wahrnehmbare Produkteigenschaften wie bspw. ein Automobil, das man mit nahezu allen Sinnen erfahren kann (z.B. Geruchssinn, Optik, Haptik), sondern sie sind wenig konkret in ihren sinnlich wahrnehmbaren Leistungsmerkmalen (z.B. Versicherungs-/Bankprodukte, Consultingleistungen). Dies führt zu Visualisierungs- und Präsentationsproblemen von Dienstleistungsangeboten. Des Weiteren stellt die Messung und Bewertung des Nutzens und der Qualität von Dienstleistungen ein quantitatives und qualitatives Bewertungs- und Messproblem dar. So ist aufgrund des Uno Actu-Prinzips und der damit zusammenhängenden fehlenden Speicherbarkeit von Dienstleistungen auch keine nachgelagerte Qualitätskontrolle möglich, sondern es müssen andere Formen der proaktiven Qualitätssicherung gefunden werden. Insbesondere die Erbringung von personenbezogenen Dienstleistungen unterliegt vielfältigen inter- und intraindividuellen Schwankungen in Bezug auf die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft des Anbieterpersonals, so dass die Steuerbarkeit sozialer Interaktionen problembehaftet bleibt. Die Art und der Umfang der Kundenbeteiligung an der Leistungserstellung hat ebenfalls zur Folge, dass die Standardisierungsmöglichkeiten eingeschränkt sind und die Gewährleistung eines gleichbleibend hohen Qualitätsniveaus situativen Unwägbarkeiten unterliegt. Hier spielen auch Probleme der Auslastung und Kapazitätsfestlegung eine Rolle. Durch die weitgehende Simultanität von Produktion und Absatz wird auch die Bedeutung der Standortfrage in vielen Dienstleistungsbereichen unterstrichen. Überall dort, wo immobile Produktionsfaktoren (z.B. Anlagen, Grundstücke) als Vorkombination der Leistungsfaktoren zum Einsatz kommen und die Ergebnisse dieser Faktorkombinationen zeitraumbezogen und somit nicht transportierbar sind, kann man von einer Standortgebundenheit der Dienstleistungsanbieter sprechen, wie z.B. in der Hotellerie oder bei Krankenhausleistungen. Aus Marketingsicht haben die genannten dienstleistungsspezifischen Besonderheiten verschiedene Auswirkungen (Abb.2.6). Da es sich bei der Leistung eines Dienstleistungsanbieters in erster Linie um ein Leistungsversprechen handelt, das auf internen Fähigkeitspotenzialen beruht, ist es für ein Dienstleistungsunternehmen demnach von besonderer Bedeutung, möglichen Kunden diese Potenziale zu kommunizieren und ihnen den Nutzen der angebotenen Dienstleistung zu verdeutlichen. Um der Immaterialität und der damit verbundenen Unsicherheit und Leistungsintransparenz auf Kundenseite zu begegnen, übernimmt das Marken- bzw. Unternehmensimage als Qualitäts- und Vertrauenssignal die wichtige Funktion der Profilierung und Orientierung gegenüber dem Kunden. Die Möglichkeit über verbale und/oder visuelle Surrogate die Darstellung des Leistungsversprechens (z.B. in Form von Räumlichkeiten, Prospekten, Filmen, Virtuelle Rundgänge) tangibler zu gestalten

Modul 3

heiten über das erforderliche Ausmaß und die Art der Beteiligung im Leistungserstellungsprozess beeinflussen die Kaufentscheidung nachhaltig. Bei kollektiven Dienstleistungen, wie bspw. der Hotellerie oder bei vielen Tourismusangeboten, bestehen Risikopotenziale aus Kundensicht in der Gefahr unangenehmer Hotelgäste oder Mitreisender.

314

Dienstleistungsbesonderheiten der Hotellerie

(im Sinne von begreifbar oder erfahrbar) oder die Materialisierung von immateriellen Dienstleistungselementen (z.B. persönliche Zuweisung eines Ansprechpartners, Papierbezüge auf Toilettenbrillen oder Namenslisten des Reinigungspersonals auf den Toiletten im Hotel zur Demonstration von Hygiene und Pflege) sind dabei ebenfalls Optionen, um auf die Art und Qualität der Dienstleistung hinzuweisen (Meffert/Bruhn 2009, S.61f.).

Eigenschaften der Leistung

Konsequenzen für das Marketing

• Intangibilität/Immaterialität - Intransparenz, Unsicherheit, hohe Suchkosten des Kunden

• Bedeutung der Kommunikation ( Image, Marke,...) • Bedeutung eines kompletten Leistungssystems

• Zusammenfall von Konsum und Produktion (Uno Actu-Prinzip) - Keine Vorratsproduktion, Lagerbarkeit - Standortgebundenheit

• Bedeutung flexibler Absatz- und Preisgestaltungsmöglichkeiten für die Abstimmung von Angebot und Nachfrage

• Integration des externen Faktors/ Bedeutung des persönlichen Kontaktes - Individuelle, unvorhersehbare Qualität - Probleme der Messung und Bewertung von Leistungen

• Bedeutung des internen Marketings • Marketingorientierung im Leistungserstellungsprozeß • Steuerung von Kundenerwartungen • Bedeutung des Qualitätsmanagement

Abb.2.6: Besonderheiten des Marketing von Hotelleistungen (Quelle: In Anlehnung an Meffert/Bruhn 2009, S.40ff.)

Die Nichtlagerfähigkeit von Dienstleistungen und die Standortgebundenheit unterstreicht die Bedeutung flexibler Absatz- und Preisgestaltungsmöglichkeiten für die Koordination von Angebot und Nachfrage. Ein effizientes Kapazitätsmanagement im Spannungsfeld zwischen Produktions- und Marketinganforderungen gewinnt dabei an Bedeutung. Dabei ist auch dem Zielkonflikt zwischen langfristigen Marketingzielen im Sinne einer glaubwürdigen Markenpositionierung und kurzfristigen, flexiblen Absatzoptimierungen durch strategische (z.B. Segmentdifferenzierung) und operative Maßnahmen (z.B. aktionsspezifische Kommunikation) entgegenzuwirken. Aus der Integration des Kunden in den Dienstleistungserstellungsprozess und der Bedeutung des persönlichen Kontakts lassen sich für das Dienstleistungsmarketing folgende Implikationen ableiten: die Erstellung einer Dienstleistung und somit auch das Ergebnis eines solchen Prozesses wird durch die Einwirkung eines Fremdfaktors mitbestimmt. Daraus können Qualitäts- und Standardisierungsprobleme resultieren, da die Fähigkeit und der Willen zur Mitwirkung bei Kunden sehr individuell ausgeprägt sein kann (z.B. bedingt durch Informationsasymmetrien oder kundenspezifische Einstellungen). Hier gilt es, durch geeignete Maßnahmen die gewünschte Rollenverteilung zwischen Kunde und Unternehmen respektive Mitarbeitern im Rahmen des Interaktionsprozesses zu kommunizieren. Darüber hinaus ist durch die Präsenz des

Dienstleistungsbesonderheiten der Hotellerie

315

Kunden die Marketingorientierung auch während der Erbringung der Dienstleistung sicherzustellen, d.h. im Gegensatz zur industriellen Fertigung ist hier auch im Produktionsprozess unmittelbar auf die Bedürfnisse des Kunden Rücksicht zu nehmen (z.B. durch angenehme Raumgestaltung, Temperatur, Hintergrundmusik).

Promotion

Product

Product Place Promotion Place

4 P´s des klassischen Konsumgütermarketing

Personnel Price Physical facilities

7 P´s des Dienstleistungsmarketing

Abb.2.7: Die sieben P´s des Dienstleistungsmarketing (Quelle: Magrath 1986)

Um den zahlreichen betriebswirtschaftlichen Implikationen, die sich aus den Besonderheiten von Dienstleistungen ergeben, gerecht zu werden, geht man in der Dienstleistungsliteratur davon aus, dass ein erweitertes Verständnis von Marketingorientierung vonnöten ist, das neben den klassischen externen Aufgaben des Marketing auch die internen Prozesse zwischen Unternehmen und Mitarbeitern sowie die interaktiven Prozesse zwischen Mitarbeitern und Kunden im Zuge des Kundenkontakts prägt (Grönroos 1984, Magrath 1986; Bitner 1992). So wird argumentiert, dass im Dienstleistungsbereich den klassischen vier Instrumenten des externen Marketing (product, price, promotion, place) drei weitere Aktivitätsbereiche hinzugefügt werden müssen, um aus Marketingsicht erfolgreich zu sein: process, people, physical facilities. Process als fünftes Element des Marketing-Mix im Dienstleistungsbereich stellt auf die kundengerechte Gestaltung der Dienstleistungsprozesse ab, d.h., die optimale Gestaltung der Kundenkontaktsituationen im Sinne eines effizienten Zeitmanagements, des gewünschten Ausmaßes an Kundenintegration, der Unterstützung durch die internen Geschäftsprozesse im back-office und Ähnlichem mehr. People als Marketinginstrument greift die Bedeutung der Mitarbeiter als Differenzierungsfaktor im Wettbewerb auf und skizziert die Aufgaben im Rahmen des Internen Marketing, die ein Dienstleistungsunternehmen durchführt, um das gesamte Personal zu befähigen und zu motivieren, den Kunden in jeder Phase des Dienstleistungsprozesses voll zufriedenzustellen. Physical facilities ist als Erweiterung der Produktpolitik zu sehen und stellt auf die

Modul 3

Price

Process Management

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Dienstleistungsbesonderheiten der Hotellerie

Bedeutsamkeit von Aspekten ab, die über den eigentlichen Produktkern hinausgehen, sprich das Hotelprodukt Zimmer bzw. Übernachtung, die aber nichtsdestotrotz einen wesentlichen Bestandteil der Qualitätswahrnehmung der Kunden darstellen (z.B. Gebäude-, Raum- und Anlagengestaltung eines Ferienressorts, sonstige Infrastruktur).

2.3

Dienstleistungsqualität und Kundenzufriedenheit als Erfolgsfaktor in der Hotellerie

2.3.1

Begriff der Qualität

Qualität gilt als ausschlaggebender Faktor für den Erfolg eines Dienstleistungsunternehmens. Da die Bedeutung des Wortes Qualität (etymologisch: Beschaffenheit, Eigenschaft, Güte oder Wert) an sich wertneutral ist – es gibt gute und schlechte Qualität – ist die eindeutige Festlegung eines unternehmensspezifischen Qualitätsbegriffs Voraussetzung, um zu einem klaren Verständnis für Qualitätsaspekte im Unternehmen zu gelangen. Der Zugang zum Begriff der Qualität ist dabei durchaus komplex und spiegelt sich in der Vielfalt der Ansätze der betriebswirtschaftlichen Literatur wider, den Qualitätsbegriff umfassend und abschließend zu definieren. GARVIN fasst die unterschiedlichen Facetten der Qualität in fünf Definitionsansätzen zusammen (Garvin 1984, S.25ff.):  Absoluter Qualitätsbegriff (transcendent) Qualität in diesem Sinne definiert, entspricht am ehesten der umgangssprachlichen Auffassung, die Qualität mit eher abstrakten und nicht unmittelbar messbaren Eigenschaften wie einzigartig, vollkommen, hochwertig beschreibt (z.B. Das beste Hotel Deutschlands).  Produktorientierter Qualitätsbegriff (product-based) Die Qualität eines Produktes oder einer Dienstleistung wird als Eigenschafts- oder Merkmalsbündel interpretiert. Qualitätsunterschiede ergeben sich aus dem Vergleich entsprechender Eigenschaften und Leistungsmerkmale (z.B. Qualitätssegmente der Hotelklassifizierung).  Kundenorientierter Qualitätsbegriff (user-based) Qualität ergibt sich als Ergebnis eines subjektiven Bewertungsprozesses durch den Kunden. Ist der individuelle Verwendungszweck erfüllt, wird ein Produkt oder eine Dienstleistung als qualitativ zufriedenstellend oder hochwertig betrachtet (z.B. Kundenzufriedenheit als Qualitätsmaßstab). Herstellungsorientierter Qualitätsbegriff (manufacturerbased) Qualität wird gleichgesetzt mit der Einhaltung unternehmensinterner Spezifikationen und Standards (z.B. check-out-Dauer max. 3 min.; Zimmereinigung in 10 min.). 

Dienstleistungsbesonderheiten der Hotellerie

317

Die verschiedenen Ansätze zeigen, dass es, um zu einem praktikablen und nutzbringenden Qualitätsverständnis zu gelangen, notwendig ist, Qualität nicht als absolute Größe zu betrachten, sondern dass Qualität immer in einem relativen Kontext steht. Als Vergleichs- bzw. Bezugsgrößen lassen sich kunden-, unternehmens- und umfeldseitige Qualitätsanforderungen identifizieren, zu denen die Beschaffenheit einer Leistung in Beziehung gesetzt werden kann (Bruhn 2003, S.27f.). Die Deutsche Gesellschaft für Qualität (DGQ) definiert denn auch Qualität als die „...Gesamtheit von Eigenschaften und Merkmalen eines Produktes oder einer Tätigkeit, die sich auf deren Eignung zur Erfüllung gegebener Erfordernisse bezieht“ (DGQ 1995). Ausgangspunkt und Endpunkt der Qualitätsbemühungen eines Unternehmens ist immer der Kunde, denn nur er generiert Umsatz und Gewinn und so muss Qualität denn auch, als die Summe der geforderten Eigenschaften eines Produktes oder einer Dienstleistung, die sich zur Erfüllung von Kundenbedürfnissen eignen, verstanden werden.

2.3.2

Qualitätsdimensionen von Dienstleistungen

Ergänzend zu diesen Ausführungen und den phasenperspektivischen Dienstleistungsdimensionen von Hotelleistungen (Potenzial-, Prozess- und Ergebnismerkmale), wie sie in Kapitel 2.2.1 beschrieben wurden, sind für die Hotellerie die Ergebnisse der amerikanischen Forschergemeinschaft Parasuraman/Zeithaml/Berry zur Operationalisierung der Qualitätsdimensionen von Dienstleistungen von Bedeutung (Parasuraman et al. 2001; Zeithaml et al. 1992). Mit Hilfe eines von ihnen entwickelten Instrumentes zur Messung von Dienstleistungsqualität – dem SERVQUAL-Ansatz – zeigen Zeithaml et al. fünf Qualitätsdimensionen für Dienstleister auf, die für das Qualitätserleben und die Qualitätsbeurteilung von entscheidender Bedeutung sind und die Kundenerwartungen und -wahrnehmungen in nachhaltiger Form prägen:  Materielles (Tangibles) Gesamtheit des physischen Erscheinungsbildes des Anbieters wie Hoteleinrichtungen, Ausstattung, Mitarbeiterkleidung, Kommunikationsmittel usw. (z.B. Sind Eingangshalle und sonstige Räume architektonisch attraktiv gestaltet? Sind Zimmer, Tischdecken, Geschirr und Besteck sauber?).  Zuverlässigkeit (Reliability) Fähigkeit, die versprochenen Leistungen verlässlich und präzise auszuführen (z.B. Werden Nachrichten prompt weitergeleitet? Ist die Hotelrechnung korrekt? Wird der Wake-up-call pünktlich ausgeführt?).

Modul 3

 Wertorientierter Qualitätsbegriff (value-based) Qualität wird im Sinne eines günstigen Preis-/Leistungsverhältnisses definiert, d.h. auch Low-Budget-Hotelkonzepte können bei einem so definierten Qualitätsbegriff, aus Kundensicht qualitativ hochwertiger eingeschätzt werden als ein Hotel der 5Sternekategorie)

318

Dienstleistungsbesonderheiten der Hotellerie

 Einfühlung (Empathy) Individuelle Aufmerksamkeit und Fürsorge für die Belange des Kunden, d.h. die Fähigkeit und Bereitschaft, auf spezifische Kundenwünsche einzugehen, im Sinne des sich Hineinversetzens in den Kunden (z.B. Werden Stammgäste mit Namen angesprochen? Ist der Hoteldirektor schnell zu erreichen, wenn der Gast ein Problem hat?).  Souveränität (Assurance) Kompetenz, Vertrauenswürdigkeit und Zuvorkommenheit der Mitarbeiter sowie deren Fähigkeit, Sicherheit zu vermitteln, d.h. Kunden das Gefühl zu geben, mit ihren Wünschen und Bedürfnissen gut aufgehoben zu sein (z.B. Handelt es sich beim Servicepersonal um Fachkräfte oder um Aushilfen? Ist die Empfehlung und das Verhalten des Concierge überzeugend?).  Entgegenkommen (Responsiveness) Schnelligkeit und Aufgeschlossenheit bei der Lösung von Kundenproblemen, d.h. die Fähigkeit auf spezifische oder unvorhergesehene Probleme und Wünsche der Kunden unbürokratisch und lösungsorientiert zu reagieren (z.B. Wenn eine Reservierung falsch gelaufen ist, bringt das Hotel es schnell in Ordnung? Wird eine Beschwerde schnell und unkompliziert behandelt?). Auf diesen Ergebnissen aufbauend, stellen die Autoren das in Abb. 2.8 dargestellte GAP-Modell vor, das anhand von fünf strategischen Qualitätslücken (Gaps) mögliche Ursachen für mangelnde Servicequalität dokumentiert und damit implizit die Aufgaben des Qualitätsmanagement festlegt. Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen dabei vier unternehmensinterne Lücken, die Qualitätsprobleme verursachen und die für die entscheidende und wettbewerbsrelevante fünfte Qualitätslücke – die Diskrepanz zwischen der vom Kunden erwarteten und der von ihm tatsächlich erlebten Leistung – verantwortlich sind:

Dienstleistungsbesonderheiten der Hotellerie Mündliche Empfehlungen

319

Persönliche Bedürfnisse

Bisherige Erfahrungen

Erwarteter Service Dienstleistungsnachfrager

Lücke 5 Erlebter Service

Geleisteter Service

Lücke 1

Dienstleisterkommunikation nach außen (Versprochener Service)

Lücke 3 Normen für Servicequalität Lücke 2 Vorstellungen des Managements von Kundenerwartungen

Abb.2.8: Das GAP-Modell der Dienstleistungsqualität (Quelle: Zeithaml et al.1992, S.62)

 Lücke 1 Disparität zwischen Kundenerwartungen und den Vorstellungen und Wahrnehmungen des Dienstleistungsanbieters bezüglich dieser Erwartungen. (z.B. während die Hotelleitung möglicherweise der Ansicht ist, dass ihre Kunden Wert auf große Zimmer legen, erwarten die Gäste hingegen in Wirklichkeit einen 24-Stunden Room Service).  Lücke 2 Disparität zwischen den vom Dienstleistungsanbieter wahrgenommenen Kundenerwartungen und deren Umsetzung in unternehmensinterne Qualitätsspezifikationen, normen und -standards. Konsequenz dieser mangelhaften Kundenorientierung sind Service- und Qualitätsstandards, die unter Umständen an den Bedürfnissen der Kunden vorbeigehen. (z.B. in der Außengastronomie werden nur Kännchen Kaffee serviert; Check-out bis spätestens 10 Uhr; Frühstück nur bis 9.30 Uhr etc.).  Lücke 3 Disparität zwischen unternehmensinternen Qualitätsspezifikationen, -normen, -standards und tatsächlich erstellter Dienstleistungsqualität. Die Leistungsausführung wird i.d.R. von vielen Faktoren beeinflusst: schlechte Ausbildung, mangelhafte Kommunikation mit dem Management, fehlende Rollenklarheit, ungeeignete Technik

Modul 3

Dienstleistungsanbieter

Lücke 4

320

Dienstleistungsbesonderheiten der Hotellerie

für die Serviceaufgaben, mangelnder Handlungsspielraum etc. (z.B. Kundenbeschwerden die aufgrund mangelnder Befugnis vom Kundenkontaktmitarbeiter nicht bearbeitet werden können, überlastete Telefonzentralen, die Anrufe erst nach häufigen Klingeln entgegennehmen etc.).  Lücke 4 Disparität zwischen tatsächlich erstellter und in externer Kommunikation versprochener Dienstleistungsqualität. Viele Unternehmen machen den Fehler des „Overpromising“, d.h. sie wecken beim Kunden falsche Erwartungen, indem sie Leistungen ausloben, die das Unternehmen im betrieblichen Alltag nicht in der versprochenen Qualität liefern kann. (z.B. übertriebene Fotos in Verkaufsprospekten/im Internet; Garantieversprechen, die nur in absoluten Ausnahmefällen greifen etc.). Zeithaml et al. kommen in ihren Forschungen zu dem Schluss, dass der Ausgangspunkt für unbefriedigende Leistungsergebnisse, im Sinne der fünften Lücke, in einer unzureichenden Markt- und Kundenkenntnis der Marketingverantwortlichen liegt, die zwangsläufig zu falschen oder unvollständigen Vorstellungen des Managements, von dem was Kunden wirklich erwarten führt. Ursächlich sind dafür, neben einer mangelhaften Betonung von Marktforschungsaktivitäten, das geringe Ausmaß und/oder Interesse an direktem Kundenkontakt, die unzulängliche Kommunikation zwischen dem Kundenkontaktmitarbeitern und dem Management sowie eine oftmals tief gestaffelte Unternehmenshierarchie, die die Stimme des Kunden nur selten zur Unternehmensspitze durchdringen lässt.

2.3.3

Wirkungszusammenhänge zwischen Kundenerwartungen, Kundenzufriedenheit und Dienstleistungsqualität

Entscheidende Einflussgrößen erfolgreicher Dienstleistungskonzepte sind die Bedürfnisse, Wünsche, Erwartungen und Nutzenvorstellungen von Kunden bezüglich einer bestimmten Dienstleistung. Allein die subjektive Aussage des Kunden über den Grad der Erfüllung dieser Bedürfnisse ist dabei maßgebend für das Ausmaß seiner Kundenzufriedenheit. Kundenzufriedenheit wird in der Literatur definiert als das Resultat eines komplexen psychischen Vergleichs- und Informationsverarbeitungsprozesses und beschreibt einen Zustand, der sich aus dem Zusammenwirken zwischen den exante Erwartungen von Kunden bezüglich einer bestimmten Leistung und den ex-post Wahrnehmungen und Erfahrungen der Kunden nach Inanspruchnahme dieser Leistung ergibt (Homburg/Rudolph 1998, S.38ff.). Die Bestimmungsgrößen von Kundenerwartungen und deren Einfluss auf die wahrgenommene Leistungsqualität sind denn auch Gegenstand vielfältiger Diskussionen in der Dienstleistungsliteratur (hierzu anstatt vieler Parasuraman et al. 2001; Bruhn 2000). Kundenerwartungen werden dem allgemeinen Begriffsverständnis folgend als Standards interpretiert, mit denen die erfahrene Qualität einer Dienstleistungstransaktion abgeglichen wird. Dabei werden in der Dienstleistungsliteratur grundsätzlich folgende Erwartungsbegriffe unterschieden:

Dienstleistungsbesonderheiten der Hotellerie

321

 predictive expectations Erwartungen definieren sich als Prognose- oder Eintrittswahrscheinlichkeit positiver/negativer Ereignisse im Rahmen einer Dienstleistungstransaktion, im Sinne von allgemein als typisch betrachteten Abläufen spezifischer Dienstleistungen (z.B. Beim Check-in/Check-out gibt es immer lange Warteschlangen).

 comparative expectations Erwartungen definieren sich als Vergleichsgrößen zu ähnlichen bzw. gleichartigen Dienstleistungstransaktionen (z.B. Bankangestellte sind freundlicher als Hotelangestellte). Angesichts der Existenz verschiedener Arten von Kundenerwartungen stellt sich mit Blick auf die Kundenzufriedenheit die Frage, welcher Art der Kundenerwartung entsprochen werden muss, um zu einem – aus Sicht des Hotelkunden – befriedigenden Werturteil zu gelangen. Die verschiedenen Dimensionen von Standards sind zum Teil dabei auch ursächlich für die von Zeithaml et al. in ihren Forschungen zum GAPModell der Dienstleistungsqualität konstatierte Disparität zwischen den tatsächlichen Kundenerwartungen und den prognostizierten Kundenerwartungen aus der Sicht des Anbieterunternehmens (Zeithaml et al. 1992, S.62ff.). In verschiedenen Untersuchungen zu den Erwartungen und Prioritäten von Hotelgästen und den Vorstellungen des Managements bezüglich zu erfüllender Kundenanforderungen, konnte diese Kommunikationslücke nachgewiesen werden (Nightingale 1985; Saleh/Rhyan 1991). Zeithaml et al. kommen zu der Schlussfolgerung, dass die Kunden zwischen einem gewünschten (desired service) und einem noch als ausreichend akzeptierten (adequate service) Qualitätsstandard unterscheiden und von einer Disparität zwischen Kundenerwartungen und Kundenwahrnehmung und damit einhergehender Unzufriedenheit des Kunden erst dann gesprochen werden kann, wenn die erfahrene Dienstleistungsqualität weder einem gewünschten noch einem akzeptablen Niveau entspricht. Zwischen der Maximalforderung (oberer Sollwert) und der der Minimalanforderung (unterer Sollwert) an eine Dienstleistung existiert eine sog. „zone of tolerance“, die der Absorption anbieterseitiger intra- und interindividuellen Qualitätsschwankungen dient und deren Bandbreite im Wesentlichen durch den Minimalstandard determiniert ist (Zeithaml et al. 1993, S.5ff.). Dies erklärt sich durch den Tatbestand, dass ein gewünschtes Qualitätsniveau im Sinne einer Idealvorstellung über den Zeitablauf wesentlich stabiler ist und sich eher sukzessiv aufgrund von Erfahrungswissen verändert, während ein gerade noch toleriertes Qualitätsniveau sich als höchst volatil erweist und stark durch Kontextfaktoren beeinflusst wird. Als prädisponierende Einflussfaktoren der Erwartungshaltung von Kunden, auf die Unternehmen zum großen Teil Einfluss nehmen können, sind in Erweiterung der Ergebnisse von Zeithaml et al. folgende Variablen zu nennen (Zeithaml et al. 1993, S.5f.):

Modul 3

 normative expectations Erwartungen definieren sich als gewünschter Ablauf oder Form einer Dienstleistungstransaktion im Sinne einer Idealleistung, die zu einer 100% Entsprechung der Kundenerwartung führt (z.B. Es wäre schön, wenn man max. eine Minute warten müsste, bevor man an der Reihe ist).

322

Dienstleistungsbesonderheiten der Hotellerie

 Kontextvariablen Betreffen bestimmte situative Umstände auf Anbieter- bzw. Nachfragerseite, die sich der jeweiligen autonomen Disponierbarkeit entziehen (z.B. ein Computerausfall, die Erwartung schneller Reaktionszeiten von Anbieterseite bei Notfällen wie einem Unfall oder das Verständnis auf Nachfragerseite in Ausnahmesituationen, wie z.B. bei Hotels in Katastrophengebieten).  Kognitive Variablen Betreffen die Informationsaufnahme, -verarbeitung und -speicherung im Hinblick auf bestimmte Bedürfnisse und Nutzenvorstellungen des Nachfragers bezüglich einer Dienstleistung (insbesondere Preis-/Leistungsrelationen stellen ein wesentliches Einflusspotenzial im Hinblick für das erwartete Qualitätsniveau dar).  Emotive Variablen Betreffen Prozesse der Aktivierung, Emotion, Motivation und Einstellung und ihre Bedeutung für die kognitive Informationsverarbeitung in Bezug auf das Kaufentscheidungsverhalten (z.B. Involvement, bestimmte persönliche Grundeinstellungen; Auffassungen von Dienstleistungskultur und/oder -qualität).  Vergleichsvariablen Betreffen potenzielle Alternativen, die in Anspruch genommen werden können. Dies können Anbieteralternativen sein oder „Do it yourself“-Alternativen, im Sinne einer Anbietersubstitution durch den Kunden (z.B. Etagenservice vs. Minibar).  Erfahrungswissen Betrifft die bereits vorliegenden Erfahrungswerte bezüglich einer bestimmten Dienstleistung (z.B. Wiederholungskauf, Frequent Traveller, Meetingplaner).  Unternehmenskommunikation Betrifft die gezielte Kommunikationspolitik eines Dienstleisters (z.B. Werbung, PR etc.).  Informelle Kommunikation Betrifft die informellen Informationskanäle des Dienstleistungsnachfragers (z.B. Hotelbewertungsportale, Freunde, Geschäftspartner etc.).  Image Betrifft das ´Overall Standing´ des Dienstleistungsunternehmens im Markt.

Dienstleistungsbesonderheiten der Hotellerie Kundenzufriedenheit sehr zufrieden

323

Begeisterungseigenschaften

Leistungseigenschaften

Leistungserfüllung Basiseigenschaften

vollständig

völlig unzufrieden

Abb.2.9: Kano-Modell der Kundenzufriedenheit (Quelle: Bailom 1998, S.48)

Das Konstrukt der Kundenzufriedenheit als Ergebnis spezifischer Dienstleistungstransaktionen bzw. -ereignisse bedarf demzufolge einer differenzierten Annäherung. So ist davon auszugehen, dass unterschiedliche Faktoren zur Kundenzufriedenheit respektive -unzufriedenheit führen, was auch mit den Beobachtungen von Zeithaml et al.bezüglich der Minimal- bzw. Maximalerwartungen von Dienstleistungsnachfragern korrespondiert. Diese entsprechen dem Dualismus einer Routine- bzw. Minimumkomponente und einer Ausnahme- bzw. Werterhöhungskomponente der Qualitätswahrnehmung, wie er auch dem Kano-Modell der Kundenzufriedenheit zugrundeliegt (Hermann et al. 2000a, S.47; Bailom 1998, S.48f.). Die Routinekomponente (Basiseigenschaften) ist durch die Erfüllung grundlegender Anforderungen gekennzeichnet, die der Nachfrager als normaltypisch für die jeweilige Dienstleistung betrachtet, während die Ausnahmekomponente (Begeisterungseigenschaften) Qualitätsmerkmale umfasst, die als Zusatzleistung empfunden werden. Unterschreitet eine Dienstleistung das Minimumlevel, so wird dies als qualitätsmindernd wahrgenommen, während die Erfüllung von Ausnahmemerkmalen als qualitätssteigernd wahrgenommen wird. So trägt ein sauberes Hotelzimmer nicht unmittelbar zur Kundenzufriedenheit bei, sondern hilft nur, Unzufriedenheit zu vermeiden, während ein für die Kategorie übergroßes Zimmer unter Umständen als qualitätssteigernd wahrgenommen wird und damit einen positiven Beitrag zur Kundenzufriedenheit leistet.

Modul 3

völlig unzureichend

324

KontextKontextVariablen Variablen

Dienstleistungsbesonderheiten der Hotellerie

Kognitive Kognitive Variablen Variablen

Emotive Emotive Variablen Variablen

VergleichsVergleichsVariablen Variablen

Kundenerwartungen a.d.Dienstleistungsqualität =Sollwert Kundenerwartungen a.d.Dienstleistungsqualität =Sollwert Ideale Akzeptable DL-Qualität DL-Qualität Toleranzzone = = Oberer Sollwert Unterer Sollwert

ErfahrungsErfahrungswisse n wisse n

Formelle Informelle Formelle Informelle Kommunikation Kommunikation Kommunikation Kommunikation

Soll-Ist Vergleich Soll-Ist Vergleich

Stabilisierende Zufriedenheit Stabilisierende Zufriedenheit

Erhöhung des Erhöhung des Anspruchsniveaus Anspruchsniveaus

Aufrechterhaltung Aufrechterhaltung des Anspruchsniveaus des Anspruchsniveaus

Image Image

Kundenwahrnehmung Kundenwahrnehmung der tatsächlichen der tatsächlichen Dienstleistungsqualität Dienstleistungsqualität = = Istwert Istwert

Diffuse Unzufriedenheit Diffuse Unzufriedenheit

Senkung des Senkung des Anspruchsniveaus Anspruchsnive aus

Aufrechterhaltung Aufrechte rhaltung des Anspruchsniveaus des Anspruchsniveaus

Verfälschung der Ohne neue Ohne ne ue Verfälschung der SituationsProblemlösungsProblemlösungsSituationswahrnehmung versuche versuche wahrnehmung

Progressive Progressive Zufriedenheit Zufriedenheit = Oberer Sollwert = Oberer Sollwert

Stabilisierte Stabilisierte Zufriedenheit Zufriedenheit = Unterer Sollwert = Unterer Sollwert

Resignative Resignative Zufriedenheit Zufriedenheit = Unterer Sollwert = Unterer Sollwert

Ne ue ProblemNe ue Problemlösungsversuche lösungsversuche

PseudoFixierte Konstruktive Konstruktive Fixierte PseudoZufriedenheit Unzufriedenheit Unzufriedenheit Unzufriedenheit Unzufriedenheit = Istwert