Grundkurs in Volkswirtschaftslehre [5 ed.] 9783428513451, 9783428113453

Das Lehrbuch von Lothar Hübl, Wolfgang Meyer und Luca Rebeggiani bietet einen kompakten Grundriss der Volkswirtschaftsle

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German Pages 166 Year 2003

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Grundkurs in Volkswirtschaftslehre [5 ed.]
 9783428513451, 9783428113453

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LOTHAR HÜBL . WOLFGANG MEYER . LUCA REBEGGIANI

Grundkurs in Volkswirtschaftslehre

Die Autoren:

Prof. Dr. rer. pol. Lothar Hübl, Inhaber des Lehrstuhls Konjunktur- und Strukturpolitik am Institut für Volkswirtschaftslehre der Universität Hannover. Geb. 1941, Studium des Wirtschaftsingenieurwesens an der Technischen Universität Berlin und der Volkswirtschaftslehre, Politik und Philosophie an der Universität Oxford. 1972 Habilitation im Fach Volkswirtschaftslehre. Hauptarbeitsgebiete: Konjunkturpolitik, Strukturpolitik, Allgemeine Wirtschaftspolitik. Prof. Dr. rer. pol. Wolfgang Meyer, Hochschuldozent am Lehrstuhl Konjunkturund Strukturpolitik des Instituts für Volkswirtschaftslehre der Universität Hannover. Geb. 1947, Studium der Wirtschaftswissenschaften in Hannover, Saarbrücken und Regensburg. 1988 Habilitation im Fach Volkswirtschaftslehre. Hauptarbeitsgebiete: Arbeitsökonomik, Wirtschaftspolitik. Dipl.-Ök. Luca Rebeggiani, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl Konjunktur- und Strukturpolitik des Instituts für Volkswirtschaftslehre der Universität Hannover. Geb. 1977, Studium der Wirtschaftswissenschaften, Geschichte und Italianistik in Hannover. Seit 2002 wissenschaftlicher Mitarbeiter. Hauptarbeitsgebiete: Einkommensverteilung, Entwicklungspolitik, Sportökonomie.

Grundkurs in Volkswirtschaftslehre Von Lothar Höbl . Wolfgang Meyer Luca Rebeggiani Fünfte, völlig überarbeitete Auflage

Duncker & Humblot . Berlin

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

1. Auflage 1973 2. Auflage 1975 3. Auflage 1981 4. Auflage 1989 5. Auflage 2003

Alle Rechte vorbehalten

© 2003 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISBN 3-428-11345-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 @

Vorwort zur fünften Auflage Dieser Grundkurs in Volkswirtschaftslehre ist rur Studienanfänger gedacht. Dazu wird auf kleinem Raum ein Überblick über volkswirtschaftliche Grundproblerne mit aktuellem Bezug gegeben. Wegen dieser Beschränkung müssen manchmal Detailfragen gekürzt werden. Das hat andererseits den Vorteil, dass der Zusammenhang der Probleme deutlicher hervortritt. In diesem Grundkurs wird bewusst auf Zitate im Text und eine ausruhrliche Literaturliste verzichtet. Statt dessen werden am Ende jedes Kapitels einige ausgewählte Literaturhinweise gegeben. Dort findet der Leser auch Kontrollfragen zur Überprüfung des Verständnisses. Die runfte Auflage wurde komplett überarbeitet. Im gesamtwirtschaftlichen Rechnungswesen wird das in der EU einheitlich angewandte System der Europäischen Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung vorgestellt. In den Abschnitten Geld und Geldpolitik werden die Änderungen berücksichtigt, die sich durch die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion und die damit zusammenhängende einheitliche Geldpolitik der Europäischen Zentralbank ergeben. Die Ausfiihrungen zu gesamtwirtschaftlichen Zusammenhängen wurden völlig neu konzipiert. Anhand von gesamtwirtschaftlicher Nachfrage und gesamtwirtschaftlichen Angebot werden die unterschiedlichen Theorieansätze Neoklassik und Keynesianismus erläutert und in ihren wirtschaftspolitischen Implikationen diskutiert. Bei der Wirtschaftspolitik wird nach Ordnungs-, Prozessund Strukturpolitik differenziert und auf die veränderten Bedingungen in der EWWU eingegangen. Universität Hannover, Herbst 2003

Lothar Hübl, Wolfgang Meyer, Luca Rebeggiani

Inhaltsverzeichnis 1. Allgemeine Grundlagen ........................................................................................... 11 1.1. Grundprobleme .................................................................................................. 11 1.2. Organisation des Wirtschaftsprozesses .............................................................. 17 Kontrollfragen .......................................................................................................... 19 Weiterfiihrende Literatur zu Kapitell ...................................................................... 20

2. Pläne der Wirtschaftssubjekte ................................................................................ 21 2.1. Private Haushalte ............................................................................................... 21 2.1.1. Konsumgüternachfrage .............................................................................. 23 2.1.2. Arbeitsangebot. .......................................................................................... 32 2.1.3. Kritische Würdigung ................................................................................. 37 2.2. Unternehmen ...................................................................................................... 38 2.2.1. Güterangebot ............................................................................................. 40 2.2.2. Faktornachfrage ......................................................................................... 53 2.2.3. Kritische Würdigung ................................................................................. 56 2.3. Staat ................................................................................................................... 58 2.3.1. Begründung der Staatstätigkeit.. ................................................................ 58 2.3.2. Finanzierung .............................................................................................. 60 2.4. Private Organisationen ohne Erwerbscharakter ................................................. 62 Kontrollfragen .......................................................................................................... 63 Weiterfiihrende Literatur zu Kapitel 2 ...................................................................... 64

3. Märkte....................................................................................................................... 65 3.1. Gütermärkte ....................................................................................................... 66 3.2. Faktormärkte ...................................................................................................... 70 3.2.1. Arbeitsmarkt .............................................................................................. 70 3.2.2. Markt für Kapital ....................................................................................... 72

8

Inhaltsverzeichnis 3.3. Der Markt als Steuerungsinstrument .................................................................. 73 3.3.1. Idealfall ...................................................................................................... 73 3.3.2. Kritische Würdigung ................................................................................. 75 Kontrollfragen .......................................................................................................... 78 Weiterfuhrende Literatur zu Kapitel 3 ...................................................................... 79

4. Wirtschafts kreislauf und gesamtwirtschaftliches Rechnungswesen ................... 80 4.1. Grundschema des Wirtschaftskreislaufs ............................................................ 80 4.2. Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung .............................................................. 86 4.2.1. Entstehungsrechnung ................................ ................................................. 87 4.2.2. Verteilungsrechnung .................................................................................. 91 4.2.3. Verwendungsrechnung .............................................................................. 93 4.2.4. Zusammenfassung ..................................................................................... 94 4.3. Zahlungsbilanz ................................................................................................... 96 4.4. Kritische Würdigung .......................................................................................... 98 Kontrollfragen ........................................................................................................ 102 Weiterfuhrende Literatur zu Kapitel 4 .................................................................... 102

5. Geld ......................................................................................................................... 103 5.1. Funktionen des Geldes ..................................................................................... 103 5.1.1. Tauschmittelfunktion ............................................................................... 103 5.1.2. Wertmesserfunktion ................................................................................. 105 5.2. Organisation des monetären Sektors ................................................................ 105 5.3. Materielle Abgrenzung des Geldes .................................................................. 107 5.3.1. Noten ....................................................................................................... 107 5.3.2. Münzen .................................................................................................... 108 5.3.3. Sichteinlagen ........................................................................................... 108 5.3.4. Ge1dmengenkonzepte .............................................................................. 108 5.4. Geldversorgung und Geldangebot... ................................................................. 110 5.4.1. Versorgung mit Zentralbankge1d ............................................................. liD 5.4.2. Entstehung von Bankengeld: Die Buchgeldschöpfung ............................ 110 5.5. Geldnachfrage .................................................................................................. 113 Kontrollfragen ........................................................................................................ 115 Weiterführende Literatur zu Kapitel 5 .................................................................... 115

Inhaltsverzeichnis

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6. Gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge ............................................................. 116 6.1. Gesamtwirtschaftliches Angebot ..................................................................... 118 6.2. Gesamtwirtschaftliche Nachfrage .................................................................... 122 6.3. Gesamtwirtschaftliche Angebots-Nachfrage-Analyse aus neoklassischer Sicht. .................................................................................. 125 6.4. Gesamtwirtschaftliche Angebots-Nachfrage-Analyse aus keynesianischer Sicht ................................................................................ 128 6.5. Konjunkturschwankungen in Deutschland ....................................................... 134 Kontrollfragen ......................................................... ........ .......... ............. ................ 140 Weiterführende Literatur zu Kapitel 6 .................................................................... 141 7. Wirtschaftspolitik................................................................................................... 142 7.1. Träger der Wirtschaftspolitik ........................................................................... 142 7.2. Ziele der Wirtschaftspolitik ............................................................................. 143 7.3. Ordnungspolitik ............................................................................................... 147 7.4. Prozesspolitik ................................................................................................... 150 7.4.1. Fiskalpolitik ............................................................................................. 150 7.4.2. Geldpolitik ............................................................................................... 155 7.5. Strukturpolitik .................................................................................................. 158 Kontrollfragen ........................................................................................................ 161 Weiterführende Literatur zu Kapitel 7 .................................................................... 161

Sachregister ................................................................................................................ 163

1. Allgemeine Grundlagen Wenn man heute in der Bundesrepublik Deutschland den Wirtschaftsteil einer Zeitung aufschlägt, so stößt man auf die unterschiedlichsten ökonomischen Aktivitäten und Probleme: "Das Parlament verabschiedet Änderungen zu Steuergesetzen"; "Die Europäische Zentralbank ergreift geldpolitische Maßnahmen"; "Deutsche Unternehmen investieren im Ausland"; "Ausländische Unternehmen beteiligen sich an deutschen Unternehmen"; "Die Lebenshaltungskosten lagen 2002 um lediglich 1,4 Prozent über denen des VOljahres; das Wachstum des realen Bruttoinlandprodukts betrug im gleichen Zeitraum 0,2 Prozent". Im eigenen persönlichen Bereich fällt man laufend ökonomische Entscheidungen, wie über den Kauf von Lebensmitteln, den Abschluss eines Bausparvertrages, das Mieten einer Wohnung, das Buchen einer Urlaubsreise, die Bereitschaft, Überstunden zu leisten. Um zu sehen, wie diese verschiedenartigen Vorgänge zusammenhängen und sich gegenseitig beeinflussen, ist eine systematische Analyse des Wirtschaftsgeschehens erforderlich. Nur so kommt man von der rein äußerlichen Beschreibung zu Erklärungen und zum Verstehen von Zusammenhängen.

1.1. Grundprobleme Seit frühesten Zeiten besteht für den Menschen die Notwendigkeit, mit den ihm zur Verfiigung stehenden Mitteln seinen Lebensunterhalt zu sichern. Einer Fülle von Wünschen standen und stehen nur begrenzte Möglichkeiten ihrer Befriedigung gegenüber. Aus dieser Diskrepanz zwischen Bedürfnissen und Bedürfnisbefriedigungsmöglichkeiten erwächst die Notwendigkeit des Wirtschaftens.

a) Bedürfnisse Bedürfnisse sind Geruhle des Mangels, begleitet vom Verlangen, den Mangel zu beseitigen. Sie ergeben sich sowohl aus der Natur des Menschen, wie z.B. die Bedürfnisse nach Schlaf, Nahrung und Kleidung, als auch aus dem Zusammenleben mit anderen Menschen, wie die nach Geselligkeit und Anerkennung. Die konkrete Ausprägung der Bedürfnisse und die Formen ihrer Be-

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I. Allgemeine Grundlagen

friedigung sind historisch und gesellschaftlich abhängig. So gehört z.B. das Auto als Transportmittel mittlerweile zur Normalausstattung eines Haushalts der hochindustrialisierten Gesellschaften in Nordamerika, Europa, Japan und Australien. Noch vor 200 Jahren wurde das Bedürfuis nach Transportleistung für Menschen und Sachgüter durch Pferdewagen erfüllt. Unsere Wünsche werden auch von Nachbarn, von Arbeitskollegen, von Gruppenzugehörigkeiten und von der Werbung beeinflusst. Die Wirtschaftswissenschaft beschäftigt sich vorwiegend mit denjenigen Bedürfnissen, die materiell befriedigt werden können, z.B.: Hunger, Durst, Unterhaltung, Ausbildung etc. Sie untersucht nicht Bedürfuisse wie das Verlangen nach Zärtlichkeit oder politischer Freiheit. Letztere dürfen natürlich nicht völlig aus der Betrachtung ausgeklammert werden. Zielt man nur auf eine maximale Befriedigung der materiellen Bedürfuisse, so übersieht man, dass das menschliche Wohlergehen stark durch psychische Faktoren wie nervliche Belastung, Kontakt zu Mitmenschen oder Ähnliches beeinflusst wird. b) Güter als Gegenstand des Wirtschaftens Alles, was der Bedürfuisbefriedigung dient, bezeichnet man als Güter. Güter sind sowohl Sachgüter als auch Dienstleistungen. Sachgüter, wie Zucker, Auto oder ein Radio, sind lagerfähig; Dienstleistungen, wie ein Haarschnitt, Ausbildung oder eine Mallorcareise dagegen nicht, da sie im Augenblick der Produktion konsumiert werden. Güter, die der unmittelbaren Bedürfnisbefriedigung dienen, heißen Konsumgüter (Lebensmittel, Auto, Radio, Haarschnitt); solche, die auf dem Umweg über die Produktion anderer Güter der mittelbaren Bedürfuisbefriedigung dienen, heißen Investitionsgüter (Drehbank, Computer, LKW). Von besonderer Bedeutung ist weiterhin die Unterscheidung in öffentliche und private Güter. Öffentliche Güter sind diejenigen Güter, die vom Staat bereitgestellt werden, weil eine gewünschte Versorgung über den Markt in quantitativer und/oder qualitativer Hinsicht nicht gewährleistet ist, z.B. Deiche, Schulen, Straßen, öffentliche Sicherheit. Alle anderen Güter sind private Güter, bei denen sich die Wirtschaftssubjekte das Recht auf ausschließliche Nutzung erwerben können, Z.B. Brot, Auto, Computer. c) Produktionsfaktoren und Produktionsprozess Die Erstellung neuer Güter unter Einsatz der Produktions faktoren Arbeit, Boden und Kapital sowie unter Einsatz von Vorprodukten (Rohstoffe, Halbfertigwaren, Fertigteile, Energie) bezeichnet man als Produktion. Dazu gehört auch die Leistung, die ein Händler erbringt, wenn er einen Fernseher, den er

1.1. Grundprobleme

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fertig vom Hersteller bezieht, an den Kunden weiter veräußert. Seine Leistung ist die Bereitstellung des Fernsehers rur den Endverbraucher. Abb. 1-1: Schema des Produktionsprozesses in einem Unternehmen

Einsatz in den Prozess

Ergebnis des Prozesses

Vorprodukte anderer Unternehmen

Verkauf von Gütern an Haushalte

~

Nutzung dauerhafter Produktionsmittel ~

Arbeit Boden

~



Produktionsprozess im Unternehmen

~

Verkauf von Gütern an andere Unternehmen ~

Lagern von Gütern Erstellung eigener Anlagen





Die eingesetzten Vorprodukte lassen sich, wie alle Güter, wieder auf die Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Kapital zurückfuhren. ca) Arbeit Unter Arbeit versteht man jede auf wirtschaftliche Ziele gerichtete planmäßige menschliche Tätigkeit. Im ökonomischen Sinne arbeiten Berufssportler genau so wie Künstler, Fließbandarbeiter oder Straßenbauer. cb) Boden Unter Boden versteht man alle genutzten und bewirtschafteten natürlichen Hilfsquellen, wie z.B. die Erdoberfläche als Bauplatz rur Wohngebäude und Fabriken, als Wasserweg, als Stoffträger sowie die Vegetation und das Klima. cc) Kapital Unter Kapital versteht man die zur Produktion eingesetzten Produktionsmittel, d.h. Maschinen, Gebäude, Werkzeuge. Man muss dazu bei gesamtwirtschaftlichen Überlegungen auch noch all die Güter zählen, die erzeugt, aber noch nicht konsumiert wurden, d.h. die Lagerbestände. Diese Definition gibt

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1. Allgemeine Grundlagen

den volkswirtschaftlichen Kapitalbegriff wieder, der aus den Quantifizierungsüberlegungen der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung entstand. cd) Originäre und derivative Produktionsfaktoren Wichtigster und in jedem Produktionsprozess eingesetzter Produktionsfaktor ist die Arbeit. Da die gesamte Kapitalausstattung Güter darstellt und diese Güter produziert werden mussten, lässt sich das Kapital auf den Faktor Arbeit zurückführen. Arbeit bezeichnet man daher als originären Produktionsfaktor und Kapital als derivativen Produktionsfaktor. Der Boden ist ursprünglich nicht durch einen Produktionsprozess entstanden, sondern einfach vorhanden gewesen und damit ein originärer Produktionsfaktor. Bedenkt man jedoch den Einfluss, der von Staudämmen, künstlicher Bewässerung und sonstigen Verbesserungen der Bodennutzungsmöglichkeiten ausgeht, dann ist der Boden dem Kapital verwandt. Die Abgrenzung der Produktionsfaktoren untereinander ist ausgesprochen problematisch und keinesfalls endgültig geklärt. Ein Problem ist z.B. die Zuordnung des technischen Fortschritts zu den Produktionsfaktoren. Theoretisch lässt sich technischer Fortschritt als höhere Ergiebigkeit bei konstantem Faktoreneinsatz definieren. In der Realität ist technischer Fortschritt stets mit einer Änderung der Faktoreinsatzverhältnisse verbunden. Außerdem bedeutet er gleichzeitig die Einführung neuer Produkte oder neuer Produktionsverfahren. In hochindustrialisierten Ländern war technischer Fortschritt traditionell nur durch verstärkten Kapitaleinsatz zu erreichen. In den letzten Jahrzehnten trat dagegen die Bedeutung des Humankapitals für den technischen Fortschritt immer mehr in den Vordergrund. Komplexe Maschinen und Verfahren erfordern bestens ausgebildete Arbeitskräfte, die ihrerseits in der Lage sind, die angewendeten Verfahren noch weiter zu verbessern. Das Humankapital beeinflusst die Qualität des Produktionsfaktors Arbeit, kann aber mit dem Realkapital verglichen werden: Es wird durch Investitionen in Bildung aufgebaut, erzeugt bei richtiger Nutzung über einen Zeitabschnitt hinweg einen Strom von Gütern und Leistungen und nutzt sich schließlich mit der Zeit ab. Gerade in hochindustrialisierten Volkswirtschaften, wo ansonsten der Produktionsfaktor Arbeit durch die hohen Lohnkosten benachteiligt ist, spielt das Humankapital eine entscheidende Rolle. ce) Arbeitsteilung In den urzeitlichen Gesellschaften bestand weitgehend eine Einheit zwischen den Produzenten und den Konsumenten von Gütern. Im Gegensatz dazu ist die

1.1. Grundprobleme

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heutige industrielle Gesellschaft durch einen hohen Grad an Arbeitsteilung gekennzeichnet. Diese lässt sich in folgenden Ebenen aufzeigen: Innerbetriebliche Arbeitsteilung

Innerhalb eines Betriebes wird die Produktion eines Gutes in einzelne Unterabschnitte gegliedert. Kein Arbeiter baut heute ein ganzes Auto vom Chassis bis zum Aschenbecher. Die einzelnen Fertigungsabschnitte sind derart aufgegliedert, dass einem Arbeiter nur wenige spezielle Handgriffe bei der Montage übertragen werden. Andere Aufgaben, wie z.B. die Materialbeschaffung oder den Vertrieb des Autos übernehmen besondere Abteilungen des Unternehmens. Dadurch können bei jedem Arbeiter ganz bestimmte Fertigkeiten entwickelt und genutzt werden. Die Nachteile einer weitgehenden Spezialisierung liegen darin, dass monotone Arbeitsabläufe vorherrschen und die Arbeit ohne Sinn erlebt wird, da der einzelne Arbeiter oft nicht an der unmittelbaren Fertigstellung des Endprodukts beteiligt ist. Diese Monotonie und diese mangelnde Einsicht der Ergebnisse stellen den Kern der sogenannten Entfremdung des Menschen von seiner Arbeit dar. Modeme Produktionsmethoden berücksichtigen diese Problematik und sind wieder zu integrierten Abläufen zurückgekehrt. Volkswirtschaftliche Arbeitsteilung

Innerhalb eines Wirtschaftsgebietes wie der Bundesrepublik Deutschland sind die einzelnen Unternehmen auf Vorleistungen anderer Unternehmen angewiesen. Das VW-Werk hat keine eigenen Erzgruben, betreibt keine Stahlwalzstraßen, sondern bezieht viele hundert Einzelteile von Zulieferfirmen. Die volkswirtschaftliche Arbeitsteilung ist in der Tatsache begründet, dass die Erzeugung der Vielzahl von Gütern, die in einer Industriegesellschaft hergestellt werden, organisatorisch und technisch vorteilhafter in Betrieben vonstatten geht, die nur wenige dieser Güter herstellen. Man kann sich natürlich einen Mammutkonzern vorstellen, der Waschpulver, Radios, Computer, Harzer Käse und Ferienreisen produziert, und über einen gewissen Zeitraum hinweg war durchaus ein Trend in diese Richtung zu beobachten. Doch wird auch in einem solchen Konzern eine Aufgliederung in organisatorisch und räumlich getrennte Einheiten sinnvoll sein. Internationale Arbeitsteilung

Analog zu der volkswirtschaftlichen Arbeitsteilung findet eine internationale Arbeitsteilung statt. Die Bundesrepublik Deutschland importiert z.B. Eisenerz

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1. Allgemeine Grundlagen

aus Schweden, Rum aus Jamaika, Fernseher aus Japan und exportiert ihrerseits Autos in die USA, Maschinen nach Indonesien, Bier nach Italien. Die Gründe rur die internationale Arbeitsteilung liegen in • der unterschiedlichen Ausstattung der Länder mit Boden, Arbeitskräften und Kapital (Holz aus Finnland, Textilien aus Pakistan), • der unterschiedlichen technischen Entwicklung der Länder (Fernseher aus Japan, Maschinen nach Indonesien), • den besonderen Wünschen der Verbraucher der verschiedenen Länder (Porsche-Export in die USA, Whisky aus Schottland). Gemeinsam ist allen diesen Bereichen, dass die Arbeitsteilung die wirtschaftlichen Interdependenzen erhöht: im Betrieb zwischen den Abteilungen, in der Volkswirtschaft zwischen den einzelnen Betrieben und Branchen, international zwischen den am Welthandel beteiligten Ländern. So griffen Währungskrisen, wie die Ostasien-Krise Mitte der 90er Jahre oder die Argentinienkrise um die Jahrtausendwende, schnell auf die jeweiligen Nachbarländer über und trafen schließlich auch die westlichen Industrieländer. Länder, die in ihrer Energieversorgung auf Erdöl setzen, bekamen durch die Ölkrisen 1973/74 und 1990/91 Versorgungsprobleme. Ein Streik der amerikanischen Hafenarbeiter kann sich auf die Beschäftigungslage in Niedersachsen auswirken, da diese stark von der Produktion des VW -Werkes und damit VOn dessen Exporten abhängt. Wie im betrieblichen und volkswirtschaftlichen Bereich, überwiegen auch bei der internationalen Arbeitsteilung die Vorteile, da in der Regel eine bessere Güterversorgung bei niedrigeren Preisen rur alle teilnehmenden Staaten sichergestellt wird. Dies ist aber nicht immer der Fall, vor allem wegen des extremen Größen- und Machtgefälles zwischen den beteiligten Ländern, so dass dieses Thema in der Ökonomie und Politik Gegenstand von hitzigen Debatten ist. d) Anreize

Eine Grundeinsicht der Psychologie und der Sozialwissenschaften lautet: Die Menschen reagieren auf Anreize. Diese können materieller (höhere Löhne, niedrigere Preise) oder immaterieller Art (Status, Macht) sein. Eine Erhöhung der Anreize steigert die Wahrscheinlichkeit, dass die dadurch unterstützte Handlungsalternative VOn den Wirtschaftssubjekten gewählt wird. So können die wirtschaftlichen Entscheidungsträger durch eine geeignete Anreizsetzung ihre Ziele verfolgen. Zum Beispiel kann die Aussicht auf eine Gehaltserhöhung oder einen Karrieresprung die Leistungsbereitschaft der Beschäftigten steigern, genauso eine Steuervergünstigung die Investitionstätigkeit der Unternehmen.

1.2. Organisation des Wirtschaftsprozesses

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Allerdings sind die Anreizstrukturen der Menschen teilweise sehr komplex, so dass sich u.U. nicht der erwartete Effekt einstellt. Des Weiteren zielen Anreize immer auf eine freiwillige Reaktion der Gegenseite ab. Diese Reaktion kann aber unter bestimmten Bedingungen ausbleiben. So lautet eine Faustregel bei expansiven wirtschaftspolitischen Maßnahmen des Staates: "Man kann die Pferde (Haushalte, Unternehmen) zur Tränke führen, aber saufen (konsumieren, investieren) müssen sie schon selber".

1.2. Organisation des Wirtschaftsprozesses Die Vielfalt der laufend zu treffenden wirtschaftlichen Entscheidungen erfordert einen organisatorischen Rahmen, in dem der Wirtschaftsprozess ablaufen kann. Die zur Bedürfnisbefriedigung vorhandenen knappen Mittel müssen auf die gegenwärtigen und zukünftigen individuellen und kollektiven Bedürfnisse aufgeteilt werden. Kollektive Bedürfnisse werden durch öffentliche Güter befriedigt. Es muss also geregelt werden, welche Güter in welchen Mengen mit welchem Produktionsfaktoreinsatz produziert werden sollen, und es muss gleichzeitig bestimmt werden, aufwen die Güter verteilt und welche Gegenleistungen dafür verlangt werden sollen. Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, die Rahmenbedingungen für den Wirtschaftsprozess zu ordnen. a) Zentralverwaltungswirtschaftliche Ordnung

In einer zentralverwaltungswirtschaftlichen Ordnung werden alle Informationen über die Bedürfnisse der Haushalte und die Produktionsmöglichkeiten der Unternehmen bei der zentralen Planungsbehörde gesammelt. Diese Stelle hat die Aufgabe, die Wünsche bezüglich der Versorgung mit privaten und öffentlichen Gütern mit den Möglichkeiten abzustimmen. Das Planungsergebnis, der zentrale Plan, legt dann alle Produktions- und Verbrauchsentscheidungen verbindlich fest. Für diese Festlegung braucht die zentrale Planungsbehörde zum einen vollständige Information und zum anderen einen Maßstab, mit dem die verschiedenen individuellen und kollektiven Bedürfuisse gegeneinander abgewogen werden können. b) Marktwirtschaftliehe Ordnung

In einer marktwirtschaftlichen Ordnung entscheiden die privaten Haushalte, Unternehmen und der Staat im Rahmen ihrer Gegebenheiten frei über ihre Aktivitäten. Die Koordination der Wirtschaftspläne der einzelnen Wirtschaftssubjekte erfolgt hierbei nicht im Vorhinein. Die Nachfrager und Anbieter von

18

1. Allgemeine Grundlagen

Gütern und Faktorleistungen treffen sich mit ihren jeweiligen Vorstellungen auf Märkten, und es zeigt sich erst hier, ob die Pläne verwirklicht werden können oder korrigiert werden müssen. Die Koordinationsfunktion übernimmt dabei der sich auf dem Markt bildende Preis, der selbst ein wesentlicher Bestandteil der Planungsüberlegungen der Beteiligten ist. In dieser Ordnung wird also im Gegensatz zur zentralverwaltungswirtschaftlichen Ordnung dezentral geplant. c) Wirtschaftsordnungen in der Realität

Die beiden aufgeführten Ordnungsmöglichkeiten sind idealtypisch. In der Wirklichkeit kommen sie in reiner Ausprägung nicht vor. In den existierenden Wirtschaftsordnungen wird den Verbrauchern nur in Ausnahmesituationen wie Naturkatastrophen und Kriegen die fonnale Freiheit der Konsumwahl genommen und durch Zuteilung ersetzt. Fonnale Freiheit heißt dabei nur, dass die Verbraucher innerhalb des vorhandenen Konsumgüterangebots frei wählen dürfen. Der Entscheidungsbereich, in dem sich die realen Wirtschaftsordnungen hauptsächlich unterscheiden, ist der Produktionssektor. Zur Analyse der Unterschiede sollen zwei Fragen untersucht werden, die die heutige bzw. die zukünftige Güterversorgung betreffen: • Wer entscheidet über die Produktion? • Wer entscheidet über die Verwendung des nicht konsumierten Produktionsüberschusses? In den überwiegend zentralverwaltungswirtschaftlich organisierten Wirtschaften wie z.B. der ehemaligen DDR und UdSSR wurden die Grundsatzentscheidungen der Güterversorgung von der zentralen Planungsinstanz gefällt. Die Legitimation hierzu erfolgte aus dem politischen System. Privateigentum an Produktionsmitteln gab es praktisch nicht. Man spricht deshalb auch von einer sozialistischen Wirtschaftsordnung, wie es sie heute noch auf Kuba und in Nordkorea gibt. In den überwiegend marktwirtschaftlich organisierten Wirtschaften werden die beiden oben genannten Entscheidungen zur Güterversorgung von den Unternehmensleitungen getroffen. Je nach Marktfonn und Wettbewerbsintensität sind dabei die Unternehmen an die Wünsche der Verbraucher in unterschiedlichem Ausmaß gebunden. Die Unternehmensleitungen werden unterschiedlich legitimiert. In Zentralverwaltungswirtschaften werden sie von der Planbehörde eingesetzt. Die Produktionsmittel gehörten dem Staat. In den westlichen Industriestaaten werden die Unternehmensleitungen durch diejenigen eingesetzt, die das Privateigentum an den Produktionsmitteln haben.

Kontrollfragen und Literatur zu Kapitel 1

19

Ein Unterscheidungskriterium fiir Marktwirtschaften ist das Ausmaß der staatlichen Eingriffe in den Wirtschaftsablauf. Der Einfluss des Staates auf die Wirtschaft ist dabei lange Zeit immer größer geworden, bevor in den 80er Jahren eine Trendwende eingeleitet wurde. Bestreben der staatlichen Einflussnahme ist es, Fehlentwicklungen, die sich aus einer reinen Marktwirtschaft ergeben können, wie z.B. Monopolisierung einzelner Wirtschaftszweige, Unterversorgung strukturschwacher Regionen oder soziale Benachteiligung einkommensschwacher Gruppen zu vermeiden. Staatliche Stellen haben im Laufe der Zeit immer mehr Aufgaben an sich gezogen. Erst als die hohen Kosten der staatlichen Aktivitäten die wirtschaftliche Entwicklung behinderten, setzte ein Umdenken ein. Im Folgenden soll die spezielle Wirtschaftsordnung zugrunde gelegt werden, wie wir sie in Deutschland und den meisten westlichen Staaten antreffen und die am Besten als Marktwirtschaft mit staatlicher Einflussnahme gekennzeichnet werden kann. Für die Bundesrepublik ist dazu der Terminus "soziale Marktwirtschaft" geprägt worden. Die Antwort auf die Frage nach dem ,besten' Wirtschaftssystem hängt wesentlich von der Wahl der Beurteilungskriterien ab. Als solche bieten sich Z.B. an: • gesellschaftliche Ziele wie Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichheit, • die Gütererzeugung nach Arten, Qualitäten und Mengen, • die Verteilung von Einkommen • die Anpassungsfähigkeit an veränderte Umweltbedingungen, • die soziale Sicherung. Diese Liste ließe sich weiter ergänzen. Welche Kriterien man auswählt, ist eine politische Entscheidung, die nur vor einem konkreten gesellschaftlichen Hintergrund zu beantworten ist.

Kontrollfragen 1. Erläutern Sie, warum Menschen wirtschaften müssen und nach welchen Prinzipien dies rational geschehen kann. 2. Nach welchen Kriterien lassen sich Güter unterteilen? Nennen Sie Beispiele. 3. Was versteht man unter dem Produktionsprozess in einer Volkswirtschaft? 4. Was versteht man unter der Arbeitsteilung und welche Formen lassen sich unterscheiden?

20

1. Allgemeine Grundlagen

5. Wie lässt sich das Wirtschafts system der Bundesrepublik Deutschland theoretisch klassifizieren?

Weiterführende Literatur zu Kapitell Eine sehr anschauliche Einfiihrung in volkswirtschaftliche Grundprobleme geben die, allerdings sehr umfangreichen, amerikanischen Standardlehrbücher, wie z.B.:

Mankiw, N.G.: Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, 2. Aufl., Stuttgart, 2001 Samuelson, P./ Nordhaus, W.: Economics, 17. Aufl., Boston, 2001 Für den Einstieg sind außerdem zu empfehlen:

Bartling, H./Luzius, F.: Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, 14. Aufl., München, 2002 Baßeier, U./Heinrich, J./Utecht, B.: Grundlagen und Probleme der Volkswirtschaft, 17. Aufl., Köln, 2002 Zum Wirtschaftssystem Deutschlands siehe:

Lampert, H./Bossert, A.: Die Wirtschafts- und Sozialordnung der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der Europäischen Union, 14. Aufl., München, 2001

2. Pläne der Wirtschaftssubjekte Entscheidungsträger in einer Marktwirtschaft sind die Wirtschaftssubjekte private Haushalte, Unternehmen und Staat (öffentliche Haushalte). Sie stellen Wirtschaftspläne auf, in denen sie ihr ökonomisches Verhalten festlegen. Welche Ziele die Wirtschaftssubjekte bei der Aufstellung der Wirtschaftspläne berücksichtigen und welche Folgerungen daraus für ihr Verhalten gezogen werden können, soll im Folgenden erörtert werden. Auf die Entscheidungen der Wirtschaftssubjekte wirken heute vielfach politische und wirtschaftliche Interessenzusammenschlüsse ein. Da diese Gruppen zum Teil große Bedeutung haben und sie keinem der oben genannten Wirtschaftssubjekte direkt zuzuordnen sind, werden sie in Abschnitt 2.4. als Private Organisationen ohne Erwerbscharakter gesondert berücksichtigt.

2.1. Private Haushalte Ein privater Haushalt ist definiert als eine Person oder Personengruppe, die für sich einen Wirtschaftsplan aufstellt, in dem über Einkommenserzielung und Einkommensverwendung entschieden wird. Im Allgemeinen verfügen private Haushalte über mindestens einen der Produktionsfaktoren Arbeit, Kapital oder Boden. Sie bieten den anderen Wirtschaftssubjekten Unternehmen und Staat ihre Produktionsfaktoren zur Nutzung an und erzielen dadurch Einkommen. Zu den Haushalten zählen auch solche Gruppen, die Einkommen ohne direkte Gegenleistung wie Stipendien, Renten, Sozialhilfe empfangen. Diese Einkommen heißen Transfereinkommen. Haushalte sind ein alleinlebender Student genauso wie eine zwölfköpfige Großfamilie. Ob Wirtschaftspläne ausdrücklich aufgestellt werden oder durch ein bestimmtes Verhalten widergespiegelt werden, spielt keine Rolle. Bei kleinen Ausgaben des täglichen Lebens werden eher Gewohnheiten überwiegen, während bei größeren Transaktionen wie einem Eigenheimbau oder einem Autokauf genau geplant wird. Der Haushalt wirtschaftet mit dem Ziel, seine Bedürfnisse optimal zu befriedigen. Dabei trifft er Entscheidungen über: I. die Einkommenserzielung, d.h. die Höhe seines Einkommens im Rahmen der ihm verfügbaren Produktionsfaktoren. Der Haushalt kann z.B. seine Ar-

22

2. Pläne der Wirtschaftssubjekte

beitskraft einem Unternehmen verkaufen oder sie in Form von Freizeit selbst nutzen. 11. die Einkommensverwendung, d.h. • die Höhe der Konsumausgaben. Der Haushalt entscheidet, welchen Teil des Einkommens er für Konsumzwecke verwendet und wieviel er spart; • die Verwendung der Konsumausgaben, d.h. die Aufteilung der Konsumausgaben auf die unterschiedlichen Güter. So kann man z.B. mit 10 EUR zwanzig Flaschen Bier oder auch drei Flaschen Bier, Brot, Butter und Käse kaufen; • die Anlageform der Ersparnisse. Man kann 1000 EUR als Sparguthaben anlegen, im Strumpf zu Hause aufbewahren oder Wertpapiere kaufen. Die Struktur des Entscheidungsprozesses eines privaten Haushalts ist in Abb. 2-1 wiedergegeben, wobei die Einflüsse auf die Einkommenserzielung in dem liegenden gestrichelten Rechteck festgehalten sind, jene auf die Einkommensverwendung in dem stehenden. Abb. 2-1: Die Struktur des Entscheidungsprozesses des privaten Haushalts

--1- -- --;

Einkommens-

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Einkommenserzielung

2.1. Private Haushalte

23

Die Einkommenserzielung wird durch das Angebot an Produktionsfaktoren seitens des Haushaltes bestimmt, das wiederum von deren Verfügbarkeit, deren Preisen sowie den Präferenzen des Haushalts abhängt. Diese können auch von externen Detenninanten wie Mode oder Werbung beeinflusst werden. Das erzielte Einkommen (stehendes Rechteck) kann dann entweder gespart oder konsumiert werden. Bei dieser Entscheidung sowie bei der Wabl zwischen verschiedenen Konsumgütern spielen ebenfalls die Präferenzen eine Rolle, bei der Güterwahl auch die jeweiligen Güterpreise. Wird ein privater Haushalt unternehmerisch aktiv, indem er z.B. eine Kneipe betreibt, dann zählt er mit den Entscheidungen, die das Unternehmen betreffen, zu den Wirtschafts subjekten Unternehmen. Er stellt als privater Haushalt seine Arbeitskraft und seine Ersparnisse seinem Unternehmen zur Verfügung. Bei den Entscheidungen der privaten Haushalte wird in der einfachen neoklassischen Theorie von Folgendem ausgegangen: Jeder Haushalt ist informiert über die Preise und Eigenschaften der Güter, die in seinen Begehrkreis fallen und über die Preise, die er für die in seinem Besitz befindlichen Produktionsfaktoren erzielen kann. Er ist sich der unterschiedlichen Möglichkeiten bei der Einkommenserzielung und Einkommensverwendung bewusst und kann sie bewerten. Diese einfachen Annahmen sind für die Realität problematisch, jedoch für die Theorienbildung notwendig. 2.1.1. Konsumgüternachfrage

a) Einfache Ableitung der Nachfragekurve Aus didaktischen Überlegungen wird nicht mit der Analyse der Einkommenserzielung begonnen, die logisch vor der Einkommensverwendung liegt, sondern davon ausgegangen, dass die Entscheidung über die Einkommenshöhe schon optimal getroffen wurde. Der private Haushalt muss im Rahmen der Einkommensverwendung jetzt die Höhe der Konsumausgaben bzw. der Ersparnisse, die Anlagefonn der Ersparnisse und die Verwendung der Konsumausgaben bestimmen. Die erste Entscheidung ist intertemporaler Art, die zweite eine unter spezieller Unsicherheit. Ihre Analyse erfordert theoretische Bausteine, die hier nicht geliefert werden können. Auf sie soll daher nur kurz eingegangen werden. Die Höhe der Ersparnisse hängt z.B. vom Einkommen der Haushalte und von ihren individuellen Vorstellungen über die Zukunft ab. Zwei identische Haushalte mit gleichem gegenwärtigen Einkommen werden unterschiedliche Ersparnisse bilden, wenn Haushalt 1 erwartet, dass sein zukünftiges Einkommen steigt und Haushalt 2 davon ausgeht, dass sein zukünftiges Einkommen sinkt. Daneben kann auch die Höhe der Sparzinsen eine Rolle spielen. Die

24

2. Pläne der Wirtschafts subjekte

Anlagefonn der Ersparnisse hängt davon ab, wie lange das Geld festgelegt werden soll, von der Höhe der Ersparnisse, von der Risikofreudigkeit des Haushalts sowie von seinem Infonnationsgrad. Im Folgenden gehen wir davon aus, dass auch diese Entscheidungen optimal getroffen sind, so dass der Haushalt nur noch entscheiden muss, welche Güterkombination er konsumieren will. Ziel ist es, die individuelle Nachfragekurve eines privaten Haushaltes herzuleiten. Den prinzipiellen Verlauf von individuellen Nachfragekurven kann man sich aufgrund von Plausibilitätsüberlegungen verdeutlichen. Die nachgefragte Menge eines Gutes hängt nicht allein vom Preis dieses Gutes, sondern auch von den Preisen anderer Güter, von der Einkommenshöhe des Haushaltes sowie von dessen individuellen Wünschen ab. Analysiert man nur den Einfluss des Güterpreises auf die nachgefragte Menge, so muss man alle anderen Einflussfaktoren konstant setzen. Als Ergebnis erhält man für den Nonnalverlauf, dass bei hohen Preisen geringe Mengen und bei niedrigen Preisen große Mengen nachgefragt werden. Dieser Zusammenhang ergibt sich daraus, dass bei steigendem Preis für das betrachtete Gut die Kaufrnöglichkeiten des Haushalts eingeschränkt werden (Einkommenseffekt) und auf alternative Bedürfnisbefriedigungsmöglichkeiten ausgewichen wird (Substitutionseffekt). Bei der graphischen Darstellung der individuellen Nachfragekurve in einem Preis-Mengen-Diagramm erhält man eine von links oben nach rechts unten verlaufende Kurve (vgl. Abb. 2-2). Beim Preis Pmax fragt der Haushalt keine Einheit dieses Gutes nach. Ist das Gut gratis erhältlich, d.h. der Preis Null, so fragt der Haushalt die Sättigungsmenge qmax nach. Die in Abb. 2-2 dargestellte individuelle Nachfragekurve gilt bei gegebenen Werten für die übrigen Bestimmungsfaktoren der Konsumgüternachfrage. Abb. 2-2: Individuelle Nachfragekurve Preis p

Pmax.

p" p'

Menge q

2.1. Private Haushalte

25

Bei steigendem Einkommen Y wird der Haushalt bei allen möglichen Preisen in der Regel größere Mengen nachfragen als vorher. Beim Preis p' in Abb. 2-3 steigt die nachgefragte Menge von q' auf q", wenn das Einkommen von Y, auf Y2 steigt. Mit steigendem Einkommen verschiebt sich also hier die Nachfragekurve nach rechts. Güter, fiir die dies gilt, bezeichnet man als superior; solche, die bei steigendem Einkommen in geringerem Umfang nachgefragt werden, als inferior. Superiore Güter sind der Normalfall; zu ihnen zählen insbesondere auch Luxusgüter wie Reisen oder Schmuck, bei denen die Nachfrage bei einem Einkommensanstieg überproportional steigt. Zu den inferioren Gütern gehören preiswerte Güter des Grundbedarfs, wie billige Lebensmittel oder Busfahrten. Bei einem Einkommensanstieg können diese z.B. durch höherwertige Lebensmittel oder Fahrten im eigenen PKW ersetzt werden, so dass die Nachfrage nach den inferioren Gütern sinkt.

Abb. 2-3: Individuelle Nachfragekurven bei unterschiedlicher Einkommenshähe Preis p

Menge q Verschiebungen der Nachfragekurve können sich natürlich auch durch Geschmacksveränderungen, die z.B. durch Mode, Werbung und die soziale Stellung beeinflusst werden, oder durch Preisänderungen anderer Güter ergeben. Die auf den nächsten Seiten wiedergegebene Ableitung der individuellen Nachfragekurve ist fiir das weitere Verständnis nicht unabdingbare Voraussetzung. Dem Leser, der sich mit wirtschaftswissenschaftlichen Problemen intensiver beschäftigen will, wird empfohlen, diese Herleitung durchzuarbeiten. Für eine erste Einfiihrung kann bei Abschnitt 2.1.2. weitergelesen werden.

b) Ableitung der Nachfragekurve mit Hilfe der Indif.{erenzkurvenanalyse Der Haushalt kann im Allgemeinen aus einer Vielzahl von Gütern wählen. Jedes Güterbündel bringt dem Haushalt einen bestimmten Nutzen. Verhält sich der Haushalt rational, wird er aus den Güterkombinationen, die er sich leisten

26

2. Pläne der Wirtschaftssubjekte

kann, jene kaufen, die den größten Nutzen stiftet. Um eine graphische Darstellung zu ermöglichen, beschränken wir uns im Folgenden darauf, dass nur zwei Güter vom Haushalt begehrt werden. ba) Bilanzgerade Die Kaufinöglichkeiten des Haushalts sind durch sein Einkommen und durch die Preise der beiden betrachteten Güter beschränkt. Wir nehmen an, dass fiir den Konsum die Summe C zur Verfügung steht. Die Güterpreise betragen PI und P2. Gibt der Haushalt die gesamte Konsumsumme fiir den Güterkauf aus, so gilt: (2.1)

Kauft der Haushalt nur Gut 1, d.h. ist q2 = 0, dann errechnet sich die Menge ql aus: (2.2)

Entsprechend gilt fiir ql (2.3)

qlmax

=

C

=-

PI

0: q2mox

C

=-

P2

Die Gleichung (2.1) definiert eine Gerade mit den Achsabschnitten

c und der Steigung

Diese Gerade wird allgemein als Bilanzgerade bezeichnet. Es handelt sich um die Budgetlinie des Haushalts. Sie ist der Ort der möglichen Güterkombinationen, die bei gegebenen Preisen die Konsumsumme gerade ausschöpfen. In Abb. 2-4 ist die Bilanzgerade graphisch dargestellt.

27

2.1. Private Haushalte Abb. 2-4: Bilanzgerade des Haushalts

Gut 1

fC

PI

I..

c

p,

Gut 2 ~I

Steigt das Einkommen und die damit verbundene Konsumsumme des Haushalts, so werden beide Achsenabschnitte größer und die Bilanzgerade verschiebt sich parallel nach außen. Ändern sich die Güterpreise, so verändert sich die Steigung der Geraden. bb) Indifferenzkurven Nachdem sich der Haushalt über die Kaufmöglichkeiten informiert hat, muss er diese bewerten. Dabei wird unterstellt: • Der Haushalt ist in der Lage, von zwei Güterkombinationen A oder B zu sagen, welche er vorzieht, oder zu sagen, dass er sie als gleich gut betrachtet. • Es gibt nur eine zutreffende Möglichkeit: A besser als B, A gleich gut wie B, B besser als A. • Die Nutzenvorstellungen sind transitiv, d.h. ist A besser als B und ist B besser als C, so ist A besser als C. • Enthält eine Güterkombination B von allen Gütern mindestens so viel wie die Güterkombination A und von einem Gut mehr als die Güterkombination A, so ist B besser als A. Diese abstrakte Erörterung soll an einem Beispiel erläutert werden. Es seien die Güterkombinationen A, B, C und D wie folgt gegeben: A: 1 Urlaubsreise nach Dänemark, 50 Kästen Bier, 3 Anzüge B: 1 Urlaubsreise nach Italien, 30 Kästen Bier, 2 Anzüge

C: 1 Skiurlaub in Österreich, 10 Kästen Bier, 1 Anzug

D: 1 Skiurlaub in Österreich, 10 Kästen Bier, 2 Anzüge.

2. Pläne der Wirtschaftssubjekte

28

Haushalt I verreist gern und macht sich nicht viel aus Bier und Kleidung. Er entscheidet: "C ist besser als B", ,,B ist besser als A" und folglich "C ist besser als A". Haushalt II erfreut sich an Bier und Kleidung. Für ihn ist deshalb die Rangfolge: A - B - C. Beide verhalten sich streng rational. Die unterschiedlichen Rangordnungen der Güterkombinationen erklären sich aus der unterschiedlichen subjektiven Beliebtheit. Man sagt, die Haushalte haben Präferenzen. Unabhängig von den subjektiven Präferenzen ziehen alle Haushalte die Kombination D der Kombination C vor. Es gibt im Allgemeinen unterschiedliche Mengenkombinationen dieser Güter, die vom Haushalt gleich eingeschätzt werden, z.B.: (1 Flasche Bier, 8 Käsebrote)~ (2 Flaschen Bier, 5 Käsebrote)~ (3 Flaschen Bier, 3 Käsebrote ) Stellt man alle Güterkombinationen, die dem Haushalt den gleichen Nutzen

U bringen, graphisch dar, so erhält man so genannte Indifferenzkurven. Bezüg-

lich der Güterkombinationen auf einer solchen Kurve verhält sich der Haushalt indifferent. Als Extremfälle erkennt man: • die vollständige Substituierbarkeit eines Gutes durch ein anderes, d.h. ein Gut kann das andere ersetzen, z.B. Butter und Margarine. • die strenge Komplementarität, d.h. ein Gut ist ohne das andere nicht nutzbar, z.B. linker Schuh und rechter Schuh. Abb. 2-5: Kurven gleicher Nutzeneinschätzung (IndifJerenzkurven) Gut I: Butter

Gut 1: linke Schuhe

300 200 100

2

'--__~....;;:a.-~--. Gut 2: Margarine 100 200 300 400

LS B'

C'

'----2-3-""4-

......~

Gut 2: rechte Schuhe

Die Kombinationen, die durch die Punkte A, B, C, bzw. A', B' und C' dargestellt werden, bringen dem Haushalt identischen Nutzen. Im Normalfallliegt die Form der Indifferenzkurven zwischen diesen beiden Extremfällen, wie in Abb. 2-6 veranschaulicht wird.

29

2.1. Private Haushalte

Abb. 2-6: Häufigster Ver/aufvon IndiJferenzkurven Gut 1: Bier

Gut 2: Käsebrote

Beim Übergang von der Kombination A" zur Kombination B" verzichtet der Haushalt auf eine Flasche Bier zugunsten zweier Käsebrote. Soll er auf eine weitere Flasche Bier verzichten, so ist er dazu nur bereit, wenn er zusätzlich drei Käsebrote erhält. Je mehr er von einem Gut in Relation zum anderen Gut hat, desto geringer wird seine Neigung, auf das relativ knappe Gut zu verzichten. Daraus ergibt sich ein konvexer Verlauf der Indifferenzkurven. Kurven, die weiter vom Nullpunkt entfernt liegen, repräsentieren ein höheres Nutzenniveau. Man kann sich den ganzen ersten Quadranten durch Indifferenzkurven bedeckt vorstellen. Lage und Gestalt der Indifferenzkurven geben die Präferenzstruktur des Haushalts wieder. Abb.: 2-7: IndiJferenzkurven for unterschiedliche Präferenzstrukturen Gut 1: Bier

Gut 1: Bier

Gut 2: Käsebrote Bierliebhaber

Gut 2: Käsebrote Käseliebhaber

Indifferenzkurven dürfen sich nicht schneiden, da sonst Güterkombinationen, die von beiden Gütern mehr enthalten als andere Güterkombinationen, mit diesen als gleichwertig angesehen würden (vgl. Abb. 2-8).

2. Pläne der Wirtschaftssubjekte

30

Abb.: 2-8: IndifJerenzkurven können sich nicht schneiden Gut 1

c B

Gut 2

Aus: Nutzen der Kombination A = Nutzen der Kombination B, und: Nutzen der Kombination A = Nutzen der Kombination C müsste folgen: Nutzen der Kombination B = Nutzen der Kombination C. Das ist aber nicht der Fall. Der Punkt C enthält von beiden Gütern mehr und stellt somit ein höheres Nutzenniveau als B dar. bc) Haushaltsoptimum Um zu bestimmen, welche Gütermengen bei gegebenen Kaufinöglichkeiten und Präferenzen nachgefragt werden, legt man die Bilanzgerade in das Indifferenzlrurvensystem des privaten Haushalts (vgl. Abb. 2-9). Der Haushalt wählt die Güterkombination, die ihn bei gegebener Budgetlinie das höchste Nutzenniveau erreichen lässt. Das ist dort der Fall, wo die Budgetlinie eine Indifferenzkurve tangiert. Diesen Punkt Q nennt man Haushaltsgleichgewichtspunkt oder Haushaltsoptimum. bd) Nachgefragte Gütermenge bei unterschiedlichen Preisverhältnissen Ändert sich der Preis eines Gutes bei Konstanz des Preises des anderen Gutes und der sonstigen Bedingungen, so ändert sich der Achsabschnitt des Gutes, dessen Preis sich ändert. Aus Formel (2.2) und (2.3) sieht man sofort, dass sich bei steigendem Preis die Achsabschnitte verkürzen, bei sinkendem Preis verlängern (vgl. Abb. 2-10).

31

2. L Private Haushalte

Abb. 2-9: Haushaltsoptimum Gut I

T c p;

1 1l1li

C

P2

~I

Abb. 2-10: Haushaltsoptimum bei unterschiedlichen Preisverhältnissen

Gut 1

-1t 1

PI< PI'< PI"< PI III ql> ql'> q/'> qllll

c

~ q, p, qt' -

P;'

q,"

.l_q,"'~~~~ 14l1li----- p; c - - - -.....1

Gut 2

Trägt man die Menge ql in Abhängigkeit von PI ab, dann erhält man die individuelle Nachfragekurve des Haushalts fiir Gut 1. Man sieht, dass mit steigendem Preis die nachgefragte Menge sinkt (vgl. Abb. 2-11). Dies ist der typische Verlauf einer Nachfragekurve. Ausnahmen von diesem Verlauf sind in bestimmten Fällen möglich, sollen hier aber nicht weiter behandelt werden. be) Nachgefragte Gütermenge bei unterschiedlicher Konsumsumme Ändert sich die Konsumsumme bei Konstanz des Preisverhältnisses, so erhält man eine neue Budgetlinie, die parallel zur ursprünglichen liegt. Mit stei-

2. Pläne der Wirtschaftssubjekte

32

gender Konsumsumme kann die nachgefragte Menge für ein Gut entweder zunehmen oder abnehmen. In Abb. 2-12 gilt Ersteres für Gut 1 und Letzteres für Gut 2. Geht man davon aus, dass die Änderung der Konsumsumme durch eine Einkommensänderung bedingt ist, handelt es sich bei 1 um ein superiores und bei 2 um ein inferiores Gut. Abb. 2-11: Individuelle Nachfragekurve

q"I q'I

Abb. 2-12: Haushaltsoptimum bei veränderter Konsumsumme

Gut 1

Gut 1 superior, Gut 2 inferior

Gut 2

2.1.2. Arbeitsangebot Bei der Bestimmung der Gütemachfrage war unterstellt worden, dass der Haushalt ein bestimmtes Einkommen bezieht. Die Höhe des Einkommens ist

2.1. Private Haushalte

33

aber keine gegebene Größe, sie ist selbst Bestandteil der Planungsüberlegungen. Die Haushalte erzielen dadurch Einkommen, dass sie in ihrem Besitz befindliche Produktionsfaktoren den Unternehmen oder dem Staat gegen Entgelt zur Nutzung überlassen. Wieviele ihrer Produktionsfaktoren sie den Unternehmen anbieten, hängt zum einen von den Preisen ab, die ihnen fiir die Überlassung gezahlt werden, und zum anderen von alternativen Nutzungsmöglichkeiten. Jemand, der ein Stück Land besitzt, wird z.B. überlegen, welche Einnahmen er durch Verpachtung erzielen kann und ob ihn diese Einnahmen dafiir entschädigen, dass er das Stück nicht selbst als Schrebergarten nutzen kann. Alle Haushalte bei uns besitzen den Produktionsfaktor Arbeit. Deshalb soll im Folgenden das Arbeitsangebot des Haushalts betrachtet werden. a) Individuelles Arbeitsangebot

Bei der Ableitung der Arbeitsangebotsfunktion des Haushalts wird in der Literatur häufig mit dem gleichen Instrumentarium gearbeitet wie bei der Bestimmung der Güternachfrage. Berücksichtigt man, dass der Tag 24 Stunden hat und davon im Durchschnitt 8 Stunden fiir Schlafen und 2 Stunden fiir Essen unbedingt notwendig sind, dann verbleiben 14 Stunden als mögliche Arbeitszeit oder mögliche Freizeit. Die Wechselbeziehung zwischen Arbeitszeit und Freizeit muss weiter analysiert werden. Für die Arbeitszeit erhält man Lohn. Arbeitszeit mal Lohnsatz ergibt das erzielbare Einkommen. Mit dem Einkommen kann man einen Güterkorb erwerben. Höhere Freizeit verringert den möglichen Konsum. In Konkurrenz stehen somit Einkommen, d.h. möglicher Konsum, und Freizeit. Bei unterschiedlicher Lohnhöhe gibt es unterschiedliche Einkommens-Freizeitbedingungen, die dem Haushalt gleiche Befriedigung bringen, was durch Indifferenzkurven dargestellt werden kann. Der Haushalt wird bei gegebenem Lohnsatz die Kombination wählen, die ihn auf die höchste Indifferenzkurve fiihrt. Wäre der Haushalt frei in der Wahl der Arbeitszeit, so befände sich bei gegebenem Lohnsatz z.B. Haushalt 1 bei 20 ArbeitsstundenlWoche und Haushalt 2 bei 44 ArbeitsstundenlWoche im Optimum. Die individuellen Arbeitsangebotskurven, die mit der Indifferenzkurvenanalyse ableitbar sind, können die in Abb. 2-13 wiedergegebenen Verläufe nehmen. Der obere Teil der Abbildung besagt, dass dieser Haushalt bei einem niedrigen Lohnsatz wenig und bei einem höheren mehr Arbeit anbietet, da bei einem steigenden Lohnsatz der mit der Angebotsausdehnung verbundene Freizeitverlust geringer eingeschätzt wird als die zusätzliche Kaufkraft.

2. Pläne der Wirtschaftssubjekte

34

Abb. 2-13: Mögliche individuelle Arbeitsangebotskurven Lohnsatz w

w"

w'

A'

A"

Arbeitsmenge A

Lohnsatz w

w"

w'

A"

A'

Arbeitsmenge A

Der untere Teil der Abbildung lässt sich wie folgt interpretieren: Bei einem sehr niedrigen Lohnsatz nimmt der Haushalt eine lange Arbeitszeit hin, um das für den Lebensunterhalt notwendige Einkommen zu sichern. Mit steigendem Lohnsatz wird weniger Arbeit angeboten, weil die Freizeit relativ hoch bewertet wird und die gewünschte Versorgung bei kürzerer Arbeitszeit gesichert ist. In der Realität sind häufig Mischfälle der beiden grundsätzlichen Verläufe zu beobachten. So können individuelle Angebotskurven bei niedrigen Lohnsätzen negativ geneigt sein und bei hohen positiv oder umgekehrt, jeweils abhängig von den Präferenzen. Da für den Haushalt die Kaufkraft des Einkommens bei der Planung wichtig ist, ändert er sein Angebotsverhalten, wenn sich die Güterpreise ändern. Verhält sich der Haushalt rational, so wird er bei einer Steigerung des Preisniveaus P'

2.1. Private Haushalte

35

um x % auf P" das Angebot genauso anpassen wie bei einer Lohnsatzsenkung von w' um x % auf w", weil seine Kaufinöglichkeiten in beiden Fällen gleich eingeschränkt werden. Geht man von einer steigenden Angebotskurve aus, dann ergibt sich also wie bei einer Preisniveausteigerung eine Linksverschiebung. Dies ist im oberen Teil der Abb. 2-14 dargestellt. Abb. 2-14: Arbeitsangebotskurve bei Preisniveausteigerungen

Lohnsatzw

w'

/

AA(W,plf)

--

---I I I

I I I

A"

A'

w"

pli> p'

Arbeitsmenge A

Reallohnsatz ;

w'

P'

pli> p'

w' pli

A"

A'

Arbeitsmenge A

Da der rational handelnde Haushalt seine Arbeitsangebotsplanung an der realen Kaufkraft ausrichtet, kann die Angebotskurve alternativ auch in Abhängigkeit vom Reallohnsatz wlP dargestellt werden, wie im unteren Teil der Abbildung 2-14. Die Steigerung des Preisniveaus von P' auf P" bewirkt hier eine Senkung des Reallohns und eine Bewegung auf der Angebotskurve nach links unten.

36

2. Pläne der Wirtschaftssubjekte

Die obigen Betrachtungen waren sehr abstrakt, da es dem privaten Haushalt in der Regel nicht möglich ist, seine Arbeitszeit beliebig zu gestalten. Eine Einschränkung des Entscheidungsspielraums ergibt sich durch gesetzliche Vorschriften, soziale Normen, die konjunkturelle Lage und die Organisation des Arbeitsmarktes. Längerfristig werden bei der Planung des Arbeitsangebots auch Qualitätsänderungen berücksichtigt. Eine Verschlechterung der Arbeitsqualität, wie sie z.B. durch körperlichen Verschleiß im Produktionsprozess entsteht, wird der Haushalt höchstens aus Unkenntnis oder unter ökonomischem Zwang hinnehmen. Eine Verbesserung der Qualität der Arbeitskraft, womit aus Sicht des Haushalts in der Regel auch eine höhere Entlohnung verbunden ist, ist z.B. durch Bildung erreichbar. Hierbei lassen sich folgende ökonomische Überlegungen anstellen: Geht der Haushalt davon aus, dass mit höherer Qualifikation ein höherer Lohnsatz verbunden ist, so wird er sich unter ökonomischen Aspekten so lange weiterbilden, wie er erwarten kann, dass die zukünftige Lohnsteigerung die Bildungsaufwendungen überkompensiert. Es ist natürlich zu beachten, dass im Bildungsbereich solche ökonomischen Überlegungen manchmal sekundär sind. So spielen auch Aspekte wie z.B. Sozialprestige von bestimmten Qualifikationen oder Berufsfeldern, gesellschaftliche Herkunft und das lokale Bildungsangebot eine wichtige Rolle. b) Arbeitsmarkt in der Bundesrepublik Deutschland

In Deutschland werden Regelungen über die Arbeitsbedingungen getroffen durch: • gesetzliche Bestimmungen, z.B. über Kinderarbeit, Mutterschutz, Nachtarbeit; • tarifvertragliche Vereinbarungen, z.B. über Arbeitszeit, Lohnsätze, Urlaubslänge; • freiwillige private Vereinbarungen zwischen -nehmer, z.B. über Zulagen, Überstunden, Urlaub.

Arbeitgeber

und

In den Tarifverhandlungen zwischen den Gewerkschaften und den Arbeitgeberverbänden werden Regelungen über Lohnsätze, Arbeitszeiten, Urlaub etc. getroffen. Die Tarifverträge sind nur rur die Mitglieder der Tarifparteien bindend, können aber in besonderen Situationen vom Bundesminister rur Arbeit rur allgemein verbindlich erklärt werden. De facto erhalten auch Nichtgewerkschaftsmitglieder die Vergünstigungen aus den Tarifverträgen, da anderenfalls die Arbeitnehmer verstärkt in die Gewerkschaften eintreten würden. Natürlich richten sich die verhandelnden Gewerkschaftsfunktionäre nach den

2.1. Private Haushalte

37

Wünschen ihrer Mitglieder, wenn darüber zu entscheiden ist, ob Verbesserungen den Arbeitnehmern in Form von höherem Einkommen oder in Form von kürzerer Arbeitszeit zugute kommen sollen. Doch ist bei einem solchen kollektiven Verfahren, das aus Machtgründen geführt wird, nicht gewährleistet, dass jeder individuelle Haushaltswunsch (z.B. 22-Stunden-Woche oder 44-StundenWoche) erfüllt wird. Nach oben hin kann sich der Haushalt durch Ableisten von Überstunden seiner optimalen Arbeitszeit und damit seinem optimalen Einkommen nähern, wenn es die konjunkturelle Lage erlaubt. Nach unten sind diese Möglichkeiten begrenzt. Die Flexibilität steigernde Teilzeitarbeit, die einen Fortschritt in diese Richtung darstellen kann, hat bei uns zwar an Bedeutung gewonnen, sich aber noch nicht endgültig auf breiter Basis durchgesetzt. 2.1.3. Kritische Würdigung Einen Menschen, der sich nach dem Wirtschaftlichkeitsprinzip verhält, d.h. mit den ihm gegebenen Mitteln den größtmöglichen Erfolg anstrebt, bezeichnet man als homo oeconomicus. Dieses Verhalten wurde in den bisherigen theoretischen Ableitungen implizit unterstellt. Unser Mustermensch hatte eine Bedürfnisskala, die kurzfristig konstant und insbesondere von der Produzentenseite her nicht beeinflussbar war. Außerdem war er über Preise und Qualitäten der unterschiedlichen Güter vollständig informiert. Die Kosten der Informationsbeschaffung, wie sie durch Preisvergleiche und das Lesen von Testberichten anfallen, wurden für ihn vernachlässigt. Im Folgenden soll dieses Konzept kritisch gewürdigt werden. • Der Bereich der Produktion von Gütern wird als gegeben angenommen. Der Haushalt hat beschränkt die Wahl, wieviel er arbeiten will. Die Umstände, unter denen er am Fließband, im Großraumbüro oder im Akkordsystem arbeitet, gehen in die Betrachtung nicht ein. Die menschliche Arbeit ist in diesem Konzept eine Last, weil sie einzig und allein der Einkommenserzielung dient. Zur Bedürfnisbefriedigung gehört jedoch nicht nur ein gefüllter Güterkorb, sondern auch ein erfülltes Arbeitsleben. Besonders wichtig ist die Möglichkeit, im gewünschten Tätigkeitsfeld und weitgehend selbstbestimmt zu arbeiten. • Bei gegebenen Bedürfnissen gibt es im Allgemeinen verschiedene Formen ihrer Befriedigung. Dabei liegt es nahe, sich an den erreichbaren Gütern zu orientieren. Betrachten wir Z.B. das Bedürfnis nach Transportleistung in einer Großstadt: Dieses Bedürfnis könnte befriedigt werden mit Hilfe von Bussen, Straßenbahnen, Autos, U- und S-Bahnen, Förderbändern, Transrapidbahnen etc. Durch dieses Beispiel werden einige weitere Punkte deutlich, die die Annahmen über den homo oeconomicus einschränken:

38

2. Pläne der Wirtschafts subjekte

1. In den wenigsten Fällen kennt der Haushalt alle Möglichkeiten der Bedürfnisbefriedigung. Sein ökonomischer Horizont ist begrenzt. Er konzentriert seine Überlegungen auf vorhandene Güter A, B, c. .. , auch wenn andere noch zu entwickelnde Möglichkeiten womöglich schneller und sicherer wären (unsichere Autos - sichere Transrapidbahnen). 2. Da die Informationsbeschaffung Zeit und Geld kostet, tendiert der Haushalt dahin, sich auf weniger aufwändige Verhaltensweisen festzulegen: Assoziation von hohem Preis und Qualität statt Information über Qualität oder Anpassung an allgemeine Konsummuster. Diese Tendenzen werden unterstützt und gesteuert durch vielfaltige Formen der Werbung. Werbung umfasst notwendige und sinnvolle Information bis zur Koppelung von Gesundheit, Glück und Prestige an das zu verkaufende Gut, womit angebliche oder tatsächliche Produktdifferenzierung erreicht wird. Je mehr tatsächlich oder angeblich unterschiedliche Güter auf den Markt gebracht werden, desto unsicherer sind die Konsumenten über Qualitätsunterschiede, woraus eine leichtere Beeinflussbarkeit resultiert. Herausragende Beispiele sind Waschmittel, Zigaretten und Kosmetika. 3. Die Güter werden oft nicht zu dem Preis angeboten, der ihren volkswirtschaftlichen Kosten entspricht (Einwegflaschen, Autos, Plastiktüten). So muss ein Autofahrer kein Entgelt fiir die Lärm- und Geruchsbelästigung von Fußgängern bezahlen. Das ruhrt dazu, dass es ,rational' erscheint, Güter, die solche negativen externen Effekte in hohem Maße haben, übermäßig nachzufragen. Letztlich muss jedoch jede Gesellschaft alle entstehenden Kosten tragen. Daher wird in den letzten Jahren verstärkt versucht, diese Kosten durch gezielte politische Maßnahmen, wie die Erhebung der Ökosteuer auf Brennstoffe oder die Einruhrung des Pfandes auf Einwegverpackungen, zu internalisieren, d.h. im Endkundenpreis zu integrieren. 4. Bestimmte Bedürfnisse eines Haushalts (z.B. Deichschutz vor Hochwasser oder Bereitstellung einer Straßenverbindung von seinem Wohnort zu einer benachbarten Stadt) lassen sich nicht durch individuelle Kaufakte befriedigen: der Nutzen eines Deiches oder des Rechtssystems kommt sehr vielen bzw. allen Wirtschaftssubjekten zugute und ist nicht sinnvoll in ,Einzeleinheiten ' verkaufbar. Solche Güter werden nach einem politischen Verfahren vom Staat rur alle bereitgestellt (vgl. Abschnitt 2.3.).

2.2. Unternehmen Ein Unternehmen ist definiert als eine juristische und technischorganisatorische Einheit zur Produktion von Gütern. Das Unternehmen verfUgt

2.2. l1nternehrnen

39

über eine bestimmte Ausstattung an Produktionsmitteln, kauft von anderen Unternehmen Rohstoffe und Vorprodukte und von den Haushalten Faktorleistungen. Die Kombination dieses Faktoreinsatzes (input) ergibt als Produktionsergebnis (output) die erstellten Güter. Unternehmen sind eine Würstchenbude genauso wie der VW-Konzern und die Deutsche Bahn. Mögliche Ziele des Unternehmens sind Z.B.: Gewinnmaximierung, Umsatzmaximierung, Mindestverzinsung des eingesetzten Kapitals oder Versorgung der Bevölkerung mit bestimmten Gütern. Bei den meisten Unternehmen ist die Gewinnerzielung das Oberziel, woraus sich ein Produktionsziel ableitet, welches Mittelcharakter hat. Auch ehemals staatliche Unternehmen, wie Bahn oder Post, bei denen traditionell das Produktionsziel im Vordergrund stand, sind heute Kapitalgesellschaften, die verstärkt auf Gewinn- und Renditeerzielung hinarbeiten müssen. Im Folgenden soll daher die Zielsetzung ,Gewinnmaximierung' unterstellt werden. Abb. 2-15: Die Strnktur des Entscheidungsprozesses des Unternehmens Was wird

--- ----1- ----:

Güterpreise P., P2'oo.

pro:"~~l-

Angebot Y., Y2'oo.

+--

L

t--

Alternative Umsätze p·Y. Alternative Kosten Q.= f(y.)

111

1 1Kosten der Vorleistungen 1 1 1 1 1 1 1 1

---"-------~-------------Zielsetzung: Gewinnerzielung Gewinn = Umsatz - Kosten

~

: 1 1 1

Prod.-faktorProduktionsnachfrage +- technik

_______________ L ___ Faktorpreise q., q2'oo.

_I ---------Wie wird produziert.

40

2. Pläne der Wirtschaftssubjekte

Das Unternehmen trifft Entscheidungen über: I. die Art und Menge der Güter, die produziert werden sollen;

II. die Kombination der Produktionsfaktoren zur Herstellung der Güter. Im Rahmen von kurz- und mittelfristigen Betrachtungen wird davon ausgegangen, dass die Technologie nicht geändert wird. Langfristig spielt sie natürlich eine wichtige Rolle. Die Einflüsse auf die Entscheidung ,wie' produziert wird sind in Abb. 2-15 in dem liegenden Rechteck, jene auf ,was' produziert wird im stehenden Rechteck festgehalten. Zunächst steht die Entscheidung nach dem ,Was', dem gewünschten Güterangebot, an, die unter Berücksichtigung der erzielbaren Preise sowie der möglichen Alternativen flillt. Maßgeblich tUr das ,Wie' ist dann die Wahl der Produktionstechnik, die zusammen mit den Faktorpreisen die Nachfrage nach Produktionsfaktoren bestimmt. 2.2.1. Güterangebot a) Einfache Ableitung der Güterangebotskurve eines Unternehmens

Ziel dieses Abschnitts ,Güterangebot' ist es, die Güterangebotskurve eines Unternehmens herzuleiten. Den prinzipiellen Verlauf von Güterangebotskurven kann man sich aufgrund von Plausibilitätsüberlegungen verdeutlichen. Die angebotene Menge hängt nicht allein vom Preis dieses Gutes ab, sondern auch von den Preisen anderer Güter, die das Unternehmen eventuell produzieren könnte, sowie von der Kostensituation, die maßgeblich durch die Produktionstechnik und die Faktorpreise bestimmt wird. Analysiert man nur den Einfluss des Güterpreises auf die angebotene Menge, so muss man die anderen Einflussfaktoren konstant setzen. Als triviales Ergebnis erhält man tUr den Normalverlauf, dass bei hohen Preisen viel und bei niedrigen Preisen wenig angeboten wird. Bei der graphischen Darstellung der Güterangebotskurve in einem Preis-Mengen-Diagramm ergibt sich eine von links unten nach rechts oben verlaufende Kurve (vgl. Abb. 2-16). Die so abgeleitete Angebotskurve gilt bei einer gegebenen Kostensituation. Bei steigenden Kosten Q, die z.B. durch Faktorpreiserhöhungen, verteuerte Vorleistungen oder höhere Steuern beeinflusst werden, wird das Unternehmen entweder eine geringere Menge zum gleichen Preis, oder die gleiche Menge zu einem höheren Preis anbieten als vorher, was allerdings bei vollkommener Konkurrenz nicht möglich ist. Mit steigenden Kosten verschieben sich also die Angebotskurven nach links. Entsprechend kann Rationalisierung die Angebotskurve nach rechts verschieben (vgl. Abb. 2-17).

2.2. Unternehmen

41

Abb. 2-16: Güterangebotskurve eines Unternehmens Preis p

pli

p'

q"

q'

Menge q

Abb. 2-17: Güterangebotskurven bei unterschiedlichen Kostensituationen Preis p

p'

q'"

q"

q' Mengeq

Im Folgenden wird die Angebotskurve aus produktionstheoretischen Überlegungen abgeleitet. b) Güterangebotskurve des Mengenanpassers bei Gewinnmaximierung Für das Unternehmen stellt sich das Problem, die Produktionsmenge entsprechend der Zielsetzung Gewinnmaximierung zu bestimmen. Der Gewinn G ergibt sich aus der Differenz von Erlös E und Kosten Q, d.h. (2.4)

G (q) = E (q) - Q (q)

42

2. Pläne der Wirtschaftssubjekte

ba) Erlöskurve

Für den Erlös nehmen wir an, dass das Unternehmen den Preis p als vorgegeben betrachtet und zu diesem Preis jede von ihm gewünschte Menge absetzen kann. Das Unternehmen kann, um die Gewinne zu maximieren, nur die Menge variieren und heißt deshalb Mengenanpasser. Dies ist der Fall, wenn auf dem Markt vollkommene Konkurrenz herrscht (vgl. Kapitel 3). (2.5)

Der Erlös steigt proportional zur Menge. Mit jeder zusätzlich verkauften Einheit ergibt sich ein zusätzlicher Erlös in Höhe des Preises. Abb. 2-18: Erlöskurve des Mengenanpassers Erlös E

E=p.q

Menge q Ergibt sich eine Preisänderung fiir das Gut, dreht sich die Erlöskurve. Bei einer Preiserhöhung wird sie steiler, bei einer -senkung flacher. bb) Kostenkurve Das Unternehmen muss nun ermitteln, welche Kosten mit der Produktion des Gutes bei alternativen Gütermengen verbunden sind. Zur Erleichterung der graphischen Darstellung beschränken wir uns bei der Ermittlung der Kostenkurve auf die zwei Produktionsfaktoren Kapital K und Arbeit A. Isoquanten

Eine wichtige Bestimmungsgröße der Kosten ist die Produktionstechnik, durch die festgelegt ist, welche Faktormengen für die Produktion einer bestimmten Menge q benötigt werden.

43

2.2. Unternehmen

Es gibt im Allgemeinen unterschiedliche Mengenkombinationen dieser Faktoren, die gleiche Produktionsergebnisse ermöglichen, z.B. bei der StahlblechhersteIlung: I.

10 Einheiten Kapital

(manuelle Herstellung mit wenigen Maschinen)

50 Arbeiter

11.

20 Einheiten Kapital

(halbautomatische Maschinen) 10 Arbeiter

III.

40 Einheiten Kapital

(vollautomatische Strasse)

2 Arbeiter

(2 vollautomatische Strassen)

4 Arbeiter

Dagegen bringt: IV.

80 Einheiten Kapital

im Allgemeinen die doppelte Produktionsmenge wie im Fall III. Den Zusammenhang zwischen verschiedenen Faktorkombinationen und den damit erzielbaren Produktionsmengen bezeichnet man als Produktionsfunktion. Stellt man die Faktorkombinationen, die die gleiche Produktionsmenge erbringen, graphisch dar, so erhält man so genannte Isoquanten, d.h. Kurven ,gleicher Mengen'. Als Extremfalle erkennt man (vgl. Abb. 2-19): • die vollständige Substituierbarkeit der Faktoren untereinander in einem ökonomisch relevanten Bereich (substitutionale Produktionsbedingungen); • die strenge Limitationalität, d.h. eine Einheit des Faktors A ist ohne eine bestimmte Menge des Faktors K unbrauchbar (limitationale Produktionsbedingungen). Abb. 2-19: Kurven gleicher Produktionsmengen

Arbeit

Arbeit

1 Taxifahrer

Kapital Nahezu vollständige Substituierbarkeit, z.B. Grasmähen

1 Taxe 2 Taxen

Kapital

Strenge Limitationalität, z.B. Taxiunternehmen

Bei arbeitsintensiver Produktion wird bei gegebenem Faktorpreisverhältnis relativ viel Arbeit, bei kapitalintensiver Produktion relativ viel Kapital einge-

44

2. Pläne der Wirtschaftssubjekte

setzt (vgl. Abb. 2-21). Analog zur Theorie des Haushalts gilt auch hier: Isoquanten können sich nicht schneiden. Im Punkt A wird das Gras z.B. mit der Hand gerupft, im Punkt B mit der Sense gemäht, im Punkt C wird eine Mähmaschine eingesetzt. Im Punkt A' fährt ein Taxifahrer ein Taxi, im Punkt B' ist ein Taxifahrer unbeschäftigt, im Punkt C' kann ein Taxi mangels Fahrer nicht eingesetzt werden. Im Normalfall liegt die Form der Isoquanten zwischen diesen beiden Extremfällen. Der gesamte erste Quadrant ist von einer Schar von konvexen Isoquanten überdeckt. Je weiter eine Isoquante vom Ursprung entfernt liegt, desto höher ist die repräsentierte Produktionsmenge. Lage und Gestalt der Isoquanten geben die technischen Bedingungen der Produktion wieder (vgl. Abb. 2-20). Abb. 2-20: Häufigster Verlauf der Isoquanten

Arbeit

apital Abb. 2-21: Isoquanten für unterschiedliche Technologien

Arbeit

Arbeit

... Arbeitsintensive Produktion

Kapital

Kapitalintensive Produktion

Kapital

2.2. Unternehmen

45

Bilanzgerade

Wir nehmen an, dass die Faktoren, die das Unternehmen kaufen muss, vorgegebene Preise haben. Den Preis für Kapital bezeichnet man als Zinssatz (i), den Preis für Arbeit als Lohnsatz (w). Bei Einsatz der Faktormengen A und K ergeben sich als Kosten (Q): (2.6)

Q=i·K +w·A

Diese Gleichung definiert eine Gerade, die auch als Bilanzgerade oder Isokostenlinie (geometrischer Ort gleicher Gesamtkosten) des Unternehmens bezeichnet wird. Wird nur Arbeit eingesetzt und kein Kapital, dann erhält man den Achsabschnitt A o. (2.7)

Wird nur Kapital eingesetzt und keine Arbeit, dann erhält man den Achsabschnitt K o. (2.8)

Die Steigung beträgt

i

-tga=-~=--

g

w

Wie man unmittelbar aus (2.7) und (2.8) ersieht, liegen Bilanzgeraden, die höhere Kosten repräsentieren, weiter rechts oben. Abb. 2-22: Bilanzgerade des Unternehmens

Arbeit

T

.Q. w

1 I-

.Q. i

Kapital

2. Pläne der Wirtschaftssubjekte

46

bc) Minimalkostenkombination Das Unternehmen ist bestrebt, jede bestimmte Menge q des herzustellenden Gutes zu den geringsten Kosten zu produzieren. Sind die Produktionsbedingungen limitational, so wird das Unternehmen dazu die technisch notwendigen Faktoren einsetzen. Im Isoquantenschema (vgl. Abb. 2-19) bedeutet dies, dass nur die Eckpunkte wirtschaftlich sinnvolle Lösungen ergeben. Sind die Produktionsbedingungen substitutional, muss die kostenminimale Faktoreinsatzkombination analytisch bestimmt werden. I. Die Menge qo kann mit den in der Isoquante qo beschriebenen Kombinationen hergestellt werden (vgl. Abb. 2-23).

11. Die mit der jeweiligen Faktorkombination verbundenen Kosten werden durch die zugehörige Bilanzgerade angezeigt. III.Die kostenminimale Faktorkombination ist die, bei der die Isoquante qo einen Punkt mit einer Bilanzgeraden gemeinsam hat, die möglichst nahe am Ursprung liegt. Solch ein Punkt kann nur ein Tangentialpunkt sein. In Abb. 2-23 ist das der Punkt T auf der Bilanzgeraden Q". Kostenminimal ist dieser Punkt, weil jede Bilanzgerade, die weiter vom Ursprung entfernt liegt, ein höheres Kostenniveau repräsentiert, so z.B. im Punkt S. IV. Die kostenminimalen Faktoreinsatzmengen sind A I und K I • V. Variiert man die Gütermenge q, so besteht bei Berücksichtigung der jeweiligen Minimalkostenkombination ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Kosten und produzierter Gütermenge.

Abb. 2-23: Minimalkostenkombination Arbeit (Std.)

Q a, Preis größer als Grenzkosten), bietet das Unternehmen soviel an wie es maximal produzieren kann. Die Kapazitätsgrenze bestimmt den maximal möglichen Gewinn. Falls p< a ist, bietet das Unternehmen nichts an. Bei der graphischen Darstellung in Abb. 2-27 ist der erste Fall unterstellt. Abb. 2-27: Gewinnmaximale Angebotsmenge bei linearem Gesamtkostenverlauf E,Q

E=p. q

Menge q Angebotsmenge bei S-jOrmigem Gesamtkostenverlauf Zur Ableitung der gewinnmaximalen Angebotsmenge wird vom oben angegebenen speziellen S-förmigem Gesamtkostenverlauf ausgegangen. Der Gewinn ist wieder Umsatz minus Kosten. G(q) = p.q -0,04q3 + 0,9l-10q

Die Bedingungen für das Gewinnmaximum sind nach (2.11) und (2.12)

,

G'(q) = P- 0,12l + 1,8q -10~0 P =0,12l-1,8q +10= GK G"(q) = -0,24q + 1,8 < 1,8/0,24 = 7,5< q

°

2. Pläne der Wirtschaftssubjekte

52

Damit überhaupt ein Gewinn auftritt und nicht der Verlust minimiert wird, muss außerdem der Preis über den Durchschnittskosten liegen. Zur Ermittlung der Durchschnittskosten DK werden die Gesamtkosten Q durch die Produktionsmenge q dividiert. (2.13)

DK=ß. q

Für unsere spezielle Kostenfunktion sind die Durchschnittskosten: DK =

Der oben ermittelte Preis p schnittskosten sein.

=

o,o4l- O,9q + 10

0,12 q2 - 1,8 q + 10 muss größer als die Durch-

0,12q 2 -1,8q + 10> 0,04q 2 -0,9q + 10

d. h. 0,08q > 0,9 q > 11,25 Wenn das Unternehmen überhaupt auf dem Markt auftritt, so ist die angebotene Menge größer als 11,25, wobei dann der Preis über den Durchschnittskosten liegt (vgl. Abb. 2-26). Vorstehende Überlegungen sind in Abb. 2-28 graphisch verdeutlicht. Es sind dort die Erlös- und die Kostenkurve dargestellt. Abb. 2-28: Gewinnmaximale Angebotsmenge bei S-jOrmigem Gesamtkostenverlauf E,Q

Q

E=p. q

Menge q

2.2. Unternehmen

53

Wie man sieht, macht das Unternehmen nur bei Angebotsmengen zwischen

q2 und q4 Gewinn, da bei kleineren bzw. größeren Mengen die Kosten höher

sind als die Erlöse. Die Gewinnmaximierungsbedingung Preis = Grenzkosten ist bei der Angebotsmenge erfüllt, bei der Erlös- und Kostenkurve gleiche Steigung haben. Dies ist sowohl bei ql als auch bei q3 gegeben. Bei ql liegt allerdings ein Gewinnminimum (Verlust) vor, wie auch ein Blick auf die zweite Bedingung für das Gewinnmaximum bestätigt. Die gewinnmaximale Angebotsmenge ist also q3. be) Angebotskurve

Die Angebotskurve gibt bei alternativen Preisen die jeweilige gewinnmaximale Angebotsmenge an. Gegenüber der vorhergehenden Betrachtung wird also der vorgegebene Preis P variiert. Steigt er gegenüber der Ausgangssituation von PI auf P2' dann erhöhen sich die Erlöse. Bei den in Abb. 2-27 dargestellten Bedingungen ändert sich das Angebotsverhalten nicht. Gewinnmaximal ist weiterhin ein Angebot an der Kapazitätsgrenze; aufgrund des gestiegenen Preises ist der Gewinn jetzt höher als vorher. Bei dem S-förmigen Kostenverlauf ergeben sich dagegen Änderungen, wie Abb. 2-29 zeigt. Die Menge, bei der die Erlöse die Kosten übersteigen und Erlös- und Kostenkurve gleiche Steigung haben, verschiebt sich nach rechts; die gewinnmaximale Angebotsmenge steigt also (hier von ql auf q2). Sinkt der Preis, dreht sich umgekehrt die Erlöskurve nach unten und die gewinnmaximale Angebotsmenge geht zurück. Sinkt der Preis soweit, dass die Erlöskurve die Kostenkurve gerade in einem Punkt tangiert, ist die Untergrenze des Angebots erreicht (hier q3). Der Preis ist hier genauso hoch wie die Durchschnittskosten, und der Gewinn beträgt Null. Bei geringeren Preisen kann nicht mehr mit Gewinn produziert werden. Die Angebotskurve erhält man, wenn die gewinnmaximalen Preis-MengenKombinationen in ein Diagramm gezeichnet werden (Abb. 2-30). Sie beginnt im Minimum der Durchschnittskosten und steigt dann an. Da entlang der Angebotskurve immer die Bedingung Preis = Grenzkosten erfüllt ist, entspricht die Angebotskurve der Grenzkostenkurve. Die Angebotskurve des Unternehmens ist also der ansteigende Teil der Grenzkostenkurve, der oberhalb der Durchschnittskostenkurve verläuft. 2.2.2. Faktornachfrage Wie wir oben gesehen haben, kann ein Unternehmen eine bestimmte Produktmenge durch verschiedene Kombinationen von Arbeit und Kapital herstellen. Bei gegebenem Faktorpreisverhältnis (Lohnsatz : Zinssatz) ist eine dieser

54

2. Pläne der Wirtschaftssubjekte

Kombinationen kostenminimal. Diese Menge an Faktoren wird das Unternehmen nachfragen. Ändert sich das Faktorpreisverhältnis z.B. durch Lohnsatzerhöhungen, so ändert sich die Minimalkostenkombination und damit die nachgefragte Menge an Arbeit und Kapital. Abb. 2-29: Gewinnmaximale Angebotsmenge bei unterschiedlichen Preisen E,Q

Mengeq

Abb. 2-30: Angebotskurve bei S-jOrmigem GesamtkostenverlauJ

Preis

10 8 6

4 2

2

4

6

8

10

12

14

16

q

55

2.2. Unternehmen

Bei gegebenem Gesamtkosteneinsatz Q (Budget) und einem Anstieg des Lohnsatzes von w\ auf W2 kann nur noch die kleinere Produktmenge q2 produziert werden. Dabei werden weniger Arbeit A 2 und mehr Kapital K 2 eingesetzt als vorher. Soll nach wie vor die Menge q\ erzeugt werden, dann muss das Budget auf Q' erhöht werden. Abb. 2-31: Faktornachfrage bei unterschiedlichem Preisverhältnis

Arbeit

Q'

Q

Kapital

1

Analog zur Güternachfragetheorie des privaten Haushalts kann man feststellen: Eine Änderung des Faktorpreisverhältnisses (Lohnsatz : Zinssatz) fUhrt zu einer Substitution des relativ teureren Faktors durch den relativ billigeren Faktor. Steigt z.B. der Lohnsatz, so geht die nachgefragte Menge an Arbeit zurück, bei sinkendem Lohnsatz ist es umgekehrt. In der graphischen Darstellung ergibt sich also eine von links oben nach rechts unten fallende Kurve. Abb. 2-32: Arbeitsnachfragekurve Lohnsatz w

w" w'

A"

A'

Arbeitsmenge A

2. Pläne der Wirtschaftssubjekte

56

Neben der eben beschriebenen Substitution der Produktionsfaktoren gibt es einen weiteren Grund für eine negativ geneigte Arbeitsnachfragekurve. Bei einem gestiegenen Lohnsatz ergibt sich für das Unternehmen eine ungünstigere Kostensituation und daraus meistens eine Verringerung der gewinnmaximalen Angebotsmenge. Eine geringere Produktion kann dann auch mit geringerem Faktoreinsatz durchgeführt werden. Ändert sich der Preis des Gutes, so hat dies ebenfalls Folgerungen für die Faktornachfrage. Da bei Preissteigerungen das Güterangebot erhöht wird, werden bei gegebenem Lohnsatz auch mehr Faktoren als vorher benötigt. Die Arbeitsnachfragekurve verschiebt sich nach rechts, wie im linken Teil der Abbildung 2-33 dargestellt ist. Dem gewinnmaximierenden Unternehmen ist es egal, ob der Gewinn sich durch Kosten- oder Erlösänderungen verbessert. Die Reaktion ist bei Lohnsenkungen gleich wie bei Preissteigerungen. Die Arbeitsnachfragekurve lässt sich daher auch in Abhängigkeit vom Reallohnsatz wlP darstellen, wie im rechten Teil der Abbildung 2-33. Die Steigerung des Preisniveaus bewirkt hier eine Senkung des Reallohns und eine Bewegung auf der Kurve nach rechts unten. Abb. 2-33: Arbeitsnachfragekurve bei Preissteigerungen Reallohnsatz

Lohnsatz w

pw

pU> p'

w'

P'

w'

A.(w,p")

A"

w'

P"

Arbeitsmenge A

AI

A"

Arbeitsmenge A

2.2.3. Kritische Würdigung • Das der Einfachheit halber unterstellte Prinzip der Gewinnmaximierung ist nur eine von vielen möglichen Verhaltensweisen der Unternehmen. 1. Bei großen Aktiengesellschaften ist häufig ein Streben nach einem bestimmten Gewinn oder einer bestimmten Verzinsung des eingesetzten Kapitals zu beobachten. Dies führt zu einer annähernd gleichbleibenden Dividende, stellt damit die Aktionäre zufrieden und sichert die Position des Managements.

2.2. Unternehmen

57

2. In manchen Branchen kann man feststellen, dass die Unternehmen besonders hart um Marktanteile kämpfen. Bei ihnen scheint zumindest kurzfristig die Umsatzmaximierung vor dem Ziel der Gewinnmaximierung zu rangieren. Beispiele darur sind die erst seit kurzem liberalisierten Märkte rur Luftverkehr, Strom oder Telekommunikation, auf denen die Anbieter in den ersten Jahren sogar im Verlustbereich operieren, um sich am Markt zu etablieren. 3. Die hier behandelten Unternehmen umfassen nicht Unternehmen des sogenannten Non-Profit-Bereichs, wie Krankenhäuser oder Kindergärten, deren Preise u.a. nach politischen und sozialen Überlegungen festgesetzt werden. Langfristig müssen sich das Ziel Gewinnmaximierung und die Alternativen 1. und 2. nicht ausschließen. • Es wird unterstellt, dass die Unternehmen vollständige Kenntnis über den Verlauf ihrer Produktionsfunktion und damit Kostenfunktion haben. In der Realität trifft das nicht perfekt zu, auch wenn die Informationslage bei Unternehmen besser ist als bei Haushalten. Die Unternehmen versuchen, die Produktions- und Kostenfunktion in dem Bereich, in dem sie produzieren, zu approximieren. • Aktionsparameter der Unternehmen sind nicht nur Gütermengen bzw. Güterpreise, sondern auch Qualität, Service, Finanzierungsmöglichkeiten, Werbung usw. • Bei der Faktornachfrage des Unternehmens wurde vorausgesetzt, dass alle Faktoren in ausreichender Menge verfiigbar sind und beliebig ein- und ausgesetzt werden können. Auf Engpässe in der Investitionsgüterindustrie oder auf dem Arbeitsmarkt und auf zu beachtende Kündigungsfristen o.ä. wurde dabei nicht eingegangen. Starrheiten auf dem Arbeitsmarkt sind grundsätzlich als störend fiir die Funktionsfähigkeit der Wirtschaft einzustufen. Doch selbst wenn es keine Tarifverträge oder gesetzliche Regelungen gäbe, so wäre eine sehr flexible Politik der Einstellungen und Entlassungen aus der Sicht des einzelnen Unternehmens fragwürdig: Unternehmensspezifische Qualifikationen von Arbeitskräften gingen leicht verloren, Anlernkosten und Organisationsprobleme bei häufigem Mitarbeiterwechsel kommen dazu und schließlich ist ,Arbeit' eine Faktorleistung, die nur abstrakt per Arbeitsvertrag eingekauft werden kann. Ihre pünktliche und zuverlässige Ablieferung Tag rur Tag muss mit einer Mischung aus Motivation und Identifizierung mit ,meinem Betrieb' einerseits und Kontrolle durch Vorgesetzte andererseits gesichert werden. Eine sehr flexible Einstellungs- und Entlassungspolitik würde die Kontroll- und Überwachungskosten erhöhen.

58

2. Pläne der Wirtschaftssubjekte

• Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist noch zu erwähnen, dass die privaten Kosten des Unternehmens nicht den volkswirtschaftlichen Kosten entsprechen müssen. Eine Papierfabrik, die einen Fluss verschmutzt und dadurch die Fangergebnisse der Fischer verschlechtert, braucht den Fischern unter Umständen keine Entschädigung zu zahlen. Das Papier wird dadurch billiger und die Fische werden teurer. Das ist aber nur möglich, weil die Fischer einen Teil der volkswirtschaftlichen Kosten der Papierherstellung mittragen müssen. Was für das einzelne Unternehmen aufgrund seiner Kalkulation der privaten Kosten nützliches und konsequentes Verhalten ist, muss nicht notwendigerweise gesamtwirtschaftlich gleichermaßen erwünscht sein.

2.3. Staat Der Staat ist definiert als die Gesamtheit der Gebietskörperschaften Bund, Länder und Gemeinden, einschließlich der Sozialversicherung. Man verwendet für ihn oft auch den Begriff öffentliche Haushalte. Unter dem Begriff Staat werden heterogene Elemente mit unterschiedlichen Interessenlagen zusammengefasst. Ein vom Bund aus konjunkturpolitischen Gründen verhängter Investitionsstopp z.B. kann eine Gemeinde mit dringendem Straßenbaubedarf hart treffen. Dennoch lässt sich als gemeinsames Ziel dieser öffentlichen Haushalte die Erhaltung des Staatsgebildes nennen. Wieso tritt aber der Staat als selbstständiges Wirtschaftssubjekt auf? Dazu ist zunächst eine Rechtfertigung nötig. 2.3.1. Begründung der Staatstätigkeit Traditionell beruht die Rechtfertigung staatlicher Aktivitäten in marktwirtschaftlichen Systemen auf drei Säulen: dem Stabilisierungs-, Distributions- und Allokationsmotiv. Das Erste besagt, dass Marktwirtschaften im Zeitverlauf Schwankungen unterworfen sind, die soziale Spannungen verursachen können, so dass der Staat durch geeignete Instrumente ausgleichend eingreifen soll. Dieses Thema wird in Abschnitt 7.4. vertieft. Das zweite Motiv geht auf die Einsicht zurück, dass das Marktsystem nicht immer zu sozial und politisch erwünschten Verteilungsresultaten führt (vgl. auch Abschnitt 3.3.2). So können im marktlichen Verteilungsprozess ökonomisch Schwache wie Alte, Kranke oder auch Familien benachteiligt werden. Um hier Abhilfe zu schaffen und eine gleichmäßigere Einkommensverteilung zu realisieren, greift der Staat zu Umverteilungsmaßnahmen wie z.B. Kindergeld, Sozialhilfe oder auch ein kostenloses Schulwesen.

2.3. Staat

59

Besonderes Augenmerk soll hier auf die dritte Säule gerichtet werden, das Allokationsmotiv. Ein Marktversagen (vgl. Abschnitt 3.3) liegt vor, wenn bestimmte wünschenswerte Güter auf einem Markt nicht angeboten werden, weil sich dies fiir niemanden lohnt. Dies ist Z.B. der Fall, wenn beim Konsum eines Gutes Nichtrivalität herrscht. Nichtrivalität liegt vor, wenn die Nutzung eines Gutes durch einen Konsumenten die gleichzeitige Nutzung durch einen anderen Konsumenten nicht verhindert oder beeinträchtigt. So stiftet ein Deich für alle Bewohner hinter ihm Hochwasserschutz, egal ob es einer ist oder hundert. Ein zweites entscheidendes Kriterium ist die Ausschließbarkeit: Wenn es nicht möglich ist, für die Nutzung eines Gutes einen Preis zu verlangen und Nichtzahlende vom Gebrauch auszuschließen, dann wird kein Unternehmen ein solches Produkt anbieten wollen. Dies trifft schon beim Deich zu; andere Beispiele sind natürliche Ressourcen wie saubere Luft oder Hochseefischgründe. Sogenannte öffentliche Güter erfüllen beide Kriterien und müssen somit vom Staat bereitgestellt werden, da sich am Markt kein privatwirtschaftlicher Anbieter findet. Zu den wichtigsten öffentlichen Gütern gehören die nationale Verteidigung, das Rechtssystem, die Verwaltung und Auslandsvertretung des Landes, die Grundlagenforschung sowie große Teile der Infrastruktur. Es gibt selbstverständlich auch Mischformen und Spezialfälle wie die sogenannten meritorischen Güter. Bei diesen würde zwar das Marktsystem funktionieren, das Ergebnis wäre aber politisch und gesellschaftlich unbefriedigend. Sie würden nämlich in geringerem Maße nachgefragt werden, als es gesamtgesellschaftlich sinnvoll wäre. Beispiele dafür sind Bildung, Gesundheit und Kultur. Diese Sektoren wären auch rein privatwirtschaftlich organisierbar, trotzdem greift der Staat ein und stellt eine Versorgung sicher, wobei das Ausmaß dieser Versorgung umstritten ist. Ein Blick auf Abb. 2-34 und Tab. 2-1 zeigt, dass der Umfang der Aktivitäten des Staates in Deutschland, wie in fast allen anderen westlichen Volkswirtschaften auch, weit größer ist, als es die drei Motive strenggenommen hergeben. Dieser Umstand hat sich im Zeitablauf, besonders in den sechziger bis achtziger Jahren, entwickelt. Die Bereitstellung von meritorischen Gütern, wie Z.B. die soziale Sicherung, wurde damals kräftig ausgeweitet, um politische Mehrheiten zu sichern. Inzwischen hat man erkannt, dass ein zu hoher Anteil des Staates die wirtschaftlichen Entfaltungsmöglichkeiten der Unternehmen und privaten Haushalten bremst. Die aktuelle Diskussion beschäftigt sich daher mit der Reduzierung des Umfangs der staatlichen Aktivitäten. Außerdem wird eine Effizienzsteigerung der staatlichen Administration angestrebt. Es ist zudem zwischen der Finanzierungs- und der Bereitstellungsaufgabe des Staates zu unterscheiden: Ein öffentliches Gut muss zwar vom Staat finanziert werden, die Bereitstellung kann aber auch privaten Unternehmen (wie Z.B.

60

2. Pläne der Wirtschaftssubjekte

beim Autobahnbau) überlassen werden, anstatt eigens staatliche Betriebe aufzubauen.

2.3.2. Finanzierung Die öffentlichen Haushalte finanzieren sich zum einen aus Steuern und Gebühren, die zwangsweise von den übrigen Wirtschaftssubjekten erhoben werden, ohne dass immer eine direkte ökonomische Gegenleistung erbracht wird, zum anderen durch Kreditaufnahme. Wie man aus Tabelle 2-1 sieht, stellen die Steuereinnahmen den größten Teil der staatlichen Einnahmen dar. Bei den Steuern unterscheidet man nach direkten und indirekten Steuern. Direkte Steuern sind Steuern, die von demjenigen, der sie entrichtet, auch getragen werden, Z.B. Einkommen-, Lohn- oder Körperschaftsteuer. Indirekte Steuern sind Steuern, die von demjenigen, der sie entrichtet, nicht getragen werden, sondern auf den Endnachfrager überwälzt werden. Dies sind z.B. Mehrwertsteuer, Getränkesteuer, Tabaksteuer, Mineralölsteuer. Am gesamten Steueraufkommen des Staates haben die Lohn- und Einkommensteuer sowie die Mehrwertsteuer und die Mineralölsteuer den größten Anteil. Die Struktur der staatlichen Einnahmen und Ausgaben zeigt Abb. 2-34. Abb. 2-34: Strnktur der Einnahmen und Ausgaben des Bundes

Bundeshaushalt 2002 Einnahmen

Ausgaben

Nettomditaufnahmen 31,1 Mrd (: Sonsti~ Elr\nah~n

11,3 Mrd (

der Beteihgungen 9,6 Mrd ( VeraUatrun~n

32,6 Mrd (

Mün:z:elnnahmenO,9Mrd (

AbführungDeutseht _ _ _ _ _~;: \ Bundesbank 3,' Mrd (:

Bundersst:euem83-'Mrd ( - - - -

\I

Bund..." ..>!. on G.m.i""hol""u.rn und Gewerbest:eue:rumla~141,4

Mrd t

Zuweisungen an Lander/EU

~

/f"'Y ~

Sozla1!: Sicherung. Wohnungo..... n 111,86 Mni (

~

V.""idigung28;l9M,d(

Bildung. 'WI..sse.nsc:haft. Kultur 10,96 Mrd

Veruhn:-und Nachrichtenwesen I,

! Mrd (

Wuuchaftsuntemehl'l'"eß 16,93 Mn! (

ZmSAusgaben 37.06 Mrd (: Sonstige Ausgaben 34))8 Mrd (

61

2.3. Staat

Die Höhe und Zusammensetzung der Abgaben an den Staat sowie die Höhe der Kreditaufnahme sind das Ergebnis politischer Entscheidungen. Gleiches gilt für Umfang und Zusammensetzung der staatlichen Leistungen. Angebots- und Nachfragefunktionen sind daher analog zu den privaten Haushalten und Unternehmen nicht ableitbar. Die für die kommende Periode geplanten Ausgaben und die zu ihrer Deckung vorgesehenen Einnahmen des Staates werden im Haushaltsplan zusammengestellt. In der Bundesrepublik Deutschland muss der Haushaltsplan durch Gesetz vom Parlament verabschiedet werden. Tab. 2-1: Einnahmen und Ausgaben des Staates (in Mrd. EUR) 1970

1980

1989

1991 1)

2001

empfangene Steuern Sozialbeiträge sonstige Einnahmen

82,8 42,6 14,0

187,4 124,6 32,9

272,6 192,4 50,2

337,1 258,5 67,6

476,3 383,6 83,1

insgesamt

139,4

344,9

515,1

663,1

943,0

14,6 30,3

34,6 76,7

49,8 102,0

65,5 135,1

81,5 164,9

44,9

124,9

179,4

235,4

390,5

44,1 0,9 13,3

122,3 2,6 47,3

174,6 4,8 70,5

231,7 3,6 99,3

385,8 4,7 157,7

3,4

16,3

31,8

42,6

67,8

5,2 6,1 17,0 2,9

13,8 15,7 28,7 9,4

22,9 14,4 29,5 14,0

32,7 30,0 41,1 25,8

33,8 35,8 35,8 32,7

137,6

367,4

514,3

707,4

1000,5

1,7

-22,5

0,8

-44,3

-57,5

Einnahmen

Ausgaben Vorleistungen Arbeitnehmerentgelte monetäre Sozialleistungen - an private Haushalte - an die übrige Welt Soziale Sachleistungen geleistete Vermögenseinkommen Subventionen Vermögens transfers Bruttoinvestitionen sonstige Ausgaben insgesamt Finanzierungssaldo

Ab 1991 Werte für Gesamtdeutschland. Quelle: SVR Jahresgutachten 2002/03 I)

Der Staat wurde hier nur als Wirtschaftssubjekt analysiert. Die wirtschaftspolitischen Aktivitäten werden in Kapitel 7 behandelt.

62

2. Pläne der Wirtschaftssubjekte

2.4. Private Organisationen ohne Erwerbscharakter Neben den privaten Haushalten, den öffentlichen Haushalten und den Unternehmen gibt es noch private Organisationen ohne Erwerbscharakter. Das sind u.a. Kirchen, Parteien, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, sonstige Interessenverbände, Stiftungen und Vereine. Diese Organisationen werden ökonomisch nicht primär dadurch aktiv, dass sie auf dem Markt Leistungen anbieten bzw. nachfragen, sondern dadurch, dass sie auf den wirtschaftspolitischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozess im Interesse ihrer Mitglieder Einfluss zu nehmen suchen. Die hier interessierenden, wirtschaftspolitisch relevanten Verbände versuchen, ihre Interessen entweder durch direkte Intervention bei Regierung und Verwaltung oder durch Einflussnahme auf Parteien und öffentliche Meinung durchzusetzen. Die Durchsetzungsmöglichkeit hängt dabei u.a. von der Mitgliederzahl, der Finanzkraft und der Konfliktfähigkeit des Verbandes ab. Eine angemessene Berücksichtigung aller Interessen bei wirtschaftspolitischen Entscheidungen erfolgt bei der bestehenden Verbändestruktur nicht. Insbesondere die Vorstellungen der Konsumierenden, vertreten durch die Verbraucherverbände, lassen sich weniger gut artikulieren als die der am Produktionsprozess Beteiligten, repräsentiert durch Gewerkschaften und Unternehmensverbände. Besondere gesamtwirtschaftliche Bedeutung kommt den Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden als Verhandlungspartner bei Tarifverhandlungen zu. In den Tarifverhandlungen werden nicht nur Lohnhöhe, sondern z.B. auch Arbeitszeit und Arbeitsbedingungen festgelegt. Die Gewerkschaften sind nach Industrie- oder Berufsgruppen gegliederte Vereinigungen von Arbeitnehmern. Die einflussreichste Gruppe stellt der Deutsche Gewerkschaftsbund, ein Zusammenschluss von ehemals 17, heute 8 einzelnen Branchengewerkschaften dar. Hier ist gegenwärtig sowohl ein Konzentrationsprozess, als auch ein erheblicher Mitgliederschwund zu beobachten. Die Verhandlungspartner der Gewerkschaften, die Arbeitgeberverbände, sind fachlich und regional organisiert. Sie sind in der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände zusammengeschlossen. Zu beachten ist, dass die Dachorganisation, sowohl hier wie auch bei den Gewerkschaften, nur Empfehlungen geben kann. Die Verantwortung für die Taritpolitik liegt bei den Einzelverbänden. Im Bereich der Unternehmensverbände ist noch eine andere einflussreiche Gruppe zu nennen: Wirtschaftsfachverbände, in denen sich Unternehmen der gleichen Branche zusammengeschlossen haben. Dachorganisationen solcher Wirtschaftsfachverbände sind z.B. der Bundesverband der Deutschen Industrie,

Kontrollfragen und Literatur zu Kapitel 2

63

der Zentralverband des Deutschen Handwerks, die Hauptgemeinschaft des Deutschen Einzelhandels und der Deutsche Bauernverband. Von den Verbänden zu unterscheiden sind die Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern und andere Kammern. Sie sind Körperschaften des öffentlichen Rechts, in denen die Angehörigen eines Berufs- oder Wirtschaftszweiges zusammengefasst sind. Sie betreuen in Selbstverwaltung neben den ökonomischen Interessen ihrer Mitglieder auch vom Staat delegierte Aufgaben, wie z.B. Teile der beruflichen Aus- und Weiterbildung.

Kontrollfragen 1. Skizzieren Sie eine Nachfragekurve eines Haushaltes (Normalverlauf). Erläutern Sie deren Steigung und beschreiben Sie welche Einflussfaktoren eine Verlagerung dieser Kurve bewirken. 2. Warum können sich Indifferenzkurven nicht schneiden? 3. Erläutern Sie mit Hilfe einer Zeichnung, wie sich ein Haushaltsoptimum bestimmen lässt. 4. Erläutern Sie anhand einer Zeichnung die Veränderungen eines Haushaltsgleichgewichts, bei steigendem Einkommen (Preise bleiben konstant), wenn X 2 ein inferiores und Xl ein superiores Gut ist. 5. Wie verläuft im Normalfall die Güterangebotskurve eines Unternehmens? Welche Faktoren können zu einer Rechts- bzw. Linksverschiebung dieser Kurve führen? 6. Welche unterschiedlichen Isoquantenverläufe sind denkbar? 7. Beschreiben und skizzieren Sie die Bestimmung der Minimalkostenkombination eines Unternehmens. Vergleichen Sie sie mit dem Haushaltsoptimum des Haushalts. 8. Ein Unternehmer bietet nur dann Güter an, wenn der erzielbare Preis über den Grenzkosten liegt. Nehmen Sie zu dieser Aussage Stellung. 9. Wie ändert sich die Angebotskurve des Mengenanpassers • bei technischem Fortschritt, • bei steigenden Zinskosten, wenn die übrigen Bedingungen konstant bleiben? lO.Wie lässt sich in einer Marktwirtschaft das Auftreten des Staates als Wirtschaftssubjekt rechtfertigen?

64

2. Pläne der Wirtschaftssubjekte

Weiterführende Literatur zu Kapitel 2 Die nach Kapitel 1 empfohlenen Gesamtdarstellungen enthalten weiterführende Grundrisse der Mikroökonomie. Für die Vertiefung eignen sich folgende Standardwerke:

Schumann, J./Meyer, U./Ströbele, W.: Grundzüge der mikroökonomischen Theorie, 7. Aufl., Berlin, 1999 Varian, H.: Grundzüge der Mikroökonomik, 5. Aufl., München, 2001 Die Begründung staatlicher Tätigkeit in Marktwirtschaften wird ausführlich behandelt in:

Berg, H./Cassel, D. IHartwig, K.-H.: Theorie der Wirtschaftspolitik, in: Vahlens Kompendium der Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik, Hrsg. Bender, D. u.a., Bd. 2., 8. Aufl., München, 2003 Zimmermann, H./Henke, K.-D.: Finanzwissenschaft, 8. Aufl., München, 2001

3. Märkte Bisher wurden die Ziele und Verhaltensweisen der einzelnen Wirtschaftssubjekte analysiert. Die privaten Haushalte erstellen Pläne über ihre Einkommenserzielung, d.h. ihr Faktorangebot (Arbeit, Kapital) und Pläne über ihre Einkommensverwendung, d.h. ihre Güternachfrage. Die Unternehmen machen Pläne über ihr Güterangebot und ihre Faktornachfrage. Ob die Wirtschaftssubjekte ihre Pläne realisieren können, hängt von den Plänen und Reaktionen der Gegenseite ab. Die einzelnen Pläne werden in unserem Wirtschaftssystem über den Markt koordiniert. Als Markt bezeichnet man die Gesamtheit der Beziehungen zwischen Anbietern und Nachfragern von Gütern und Faktoren. Abb. 3-1: Angebots- und NachJragebeziehungen zwischen Haushalten und Unternehmen

~

Faktonnarkt

Gütennarkt

Anbieter

Haushalte

Unternehmen

Nachfrager

Unternehmen

Haushalte

Marktparteien

Auf einem Markt können sich sehr wenige, im Extremfall jeweils nur eine Partei, bis sehr viele Anbieter und Nachfrager gegenüberstehen. Treffen auf einem Markt sehr viele Anbieter und Nachfrager aufeinander und hat der einzelne Marktteilnehmer keinen Einfluss auf den Marktpreis, dann spricht man von vollständiger Konkurrenz. Diese Marktform, die auch als perfekter Markt bezeichnet wird, ist durch folgende Voraussetzungen charakterisiert: • Es gibt sehr viele Anbieter und Nachfrager. • Es herrschen keine räumlichen, persönlichen oder sachlichen Präferenzen, d.h. es spielt aus Sicht der Marktteilnehmer keine Rolle, wo und von wem als gleichwertig betrachtete Güter angeboten oder nachgefragt werden.

66

3. Märkte

• Alle Marktteilnehmer haben vollständige Information über alle Preise und Mengen, die jeweils aktuell sind. Dieser Idealform kommt der Handel mit Wertpapieren an der Börse am nächsten. Das andere Extrem liegt vor, wenn auf einer Marktseite nur noch ein Teilnehmer vorhanden ist. Einen Alleinanbieter nennt man einen Monopolisten, einen Alleinnachfrager einen Monopsonisten. Beispiele darur sind das z.T. noch bestehende Briefrnonopol der Deutschen Post, die MonopolsteIlung der Deutschen Bahn auf den meisten Strecken oder der Staat als Alleinnachfrager nach Autobahnbauten. Wenn wenigen, etwa gleich starken Anbietern viele Nachfrager gegenüberstehen, spricht man von einem Oligopol. Diese Form findet man besonders häufig bei Markenartikeln.

3.1. Gütermärkte Im Folgenden soll der Markt fiir ein Konsumgut betrachtet werden. Dort stehen sich Haushalte als Nachfrager und Unternehmen als Anbieter gegenüber. Aus der Theorie des Haushaltes wurde die individuelle Nachfragekurve abgeleitet. Je höher der Preis war, desto geringer war die nachgefragte Menge. Addiert man die bei den jeweiligen Preisen individuell nachgefragten Mengen, so ergibt sich die Gesamtnachfragekurve. Bei sehr vielen Nachfragern glätten sich die durch die Addition entstehenden Knicke in der Gesamtnachfragekurve, und es kann eine glatte, von links oben nach rechts unten fallende Funktion angenommen werden. Abb. 3-2: Ermittlung der Gesamtnachfragekurve

~qLq~.q Nachfrager A

Nachfrager B

Gesamtnachfrage = Nachfrager A+B

Analog erhält man durch Addition der Güterangebotskurven der einzelnen Unternehmen die Gesamtangebotskurve rur ein Gut, eine glatte, von links unten nach rechts oben steigende Funktion.

67

3.1. Gütennärkte

Abb. 3-3: Ermittlung der Gesamtangebotskurve p

p

p

~qt~

q

AnbieterB

Anbieter A

Gesamtangebot = Anbieter A+B



q

Fasst man die Gesamtangebotskurve und die Gesamtnachfragekurve fiir ein Gut in einer Darstellung zusammen, so erhält man ein Marktbild (vgl. Abb. 3-4). Herrscht auf einem Markt vollkommene Konkurrenz, so wird die Menge umgesetzt, bei der sich die Preisvorstellungen von Nachfragern und Anbietern entsprechen. In Abbildung 3-4 wird die Menge qo beim Preis po umgesetzt. Die Menge qo nennt man die Gleichgewichtsmenge, den Preis Po den Gleichgewichtspreis. Jeder Anbieter, der bereit ist, zu diesem Preis zu verkaufen, findet auch einen Nachfrager; und jeder Nachfrager, der bereit ist, zu diesem Preis zu kaufen, findet auch einen Anbieter. Abb. 3-4: Zusammenfassung von Gesamtangebot und Gesamtnachfrage

P

Pol---....I-._-~

P2

'IN I qA2 qo 'lN2 ~I

q

Nur zum Preis po wird der Markt geräumt. Das zeigt folgende Überlegung: Zu höheren Preisen als Po, z.B. Plo übersteigt die angebotene Menge qAl die nachgefragte Menge qNl. Die Unternehmen stellen fest, dass sie einen Teil ihrer angebotenen Menge, genau (qAl - qNl), nicht absetzen können. In dieser Höhe besteht ein Angebotsüberschuss. Die Unternehmen, die auf ihrer Ware sitzen bleiben, werden mit Preissenkungen und Einschränkung der Produktion reagie-

3. Märkte

68

ren. Das hält so lange an, bis der Preis Po und die Menge qo erreicht sind. Die Reaktion von Anbietem und Nachfragern im zweiten Fall, in dem der Preis unter dem Gleichgewichtspreis liegt, Z.B. bei Pz, möge der Leser selbst überlegen. Ein Marktgleichgewicht, bei dem durch jede Abweichung vom Gleichgewichtspunkt, also hier Po, qo, Kräfte ausgelöst werden, die zum Gleichgewicht zurückfUhren, nennt man ein stabiles Gleichgewicht. Man kann noch einmal festhalten, dass die Nachfrager im Regelfall bei einem niedrigen Preis eine größere Menge erwerben möchten und bei einem hohen Preis eine geringere. Die Anbieter verhalten sich genau umgekehrt. Je höher der Preis, desto größer die angebotene Menge. Bei diesem Zusammenhang handelt es sich um die Bewegung auf einer gegebenen Nachfrage- bzw. Angebotskurve. Streng davon zu trennen ist eine Verschiebung der Nachfrage oder des Angebots, bei der zum gleichen Preis eine größere oder geringere Menge nachgefragt bzw. angeboten wird. Hier verschiebt sich die gesamte Kurve gegenüber der Ausgangslage. Bei einer Erhöhung der Nachfrage, d.h. einer Verschiebung der Nachfragekurve nach rechts und unveränderter Angebotsfunktion, wird eine höhere Menge bei einem höheren Preis auf dem Markt umgesetzt als vorher. Bei einer Verringerung des Angebots, d.h. einer Verschiebung der Angebotskurve nach links und unveränderter Nachfragefunktion wird eine geringere Menge bei einem höheren Preis auf dem Markt umgesetzt als vor der Angebotsverringerung. Abb. 3-5: Nachfrage- und Angebotsverschiebung p

p

q

q

Gründe fUr eine gestiegene oder gesunkene Nachfrage können u.a. Geschmacksänderung durch Mode oder Werbung, Einkommensänderung, Preisund Qualitätsänderung von Substitutions- oder Komplementärgütern sein. Gründe fUr ein gesunkenes oder gestiegenes Angebot können u.a. Kostensteige-

69

3.1. Gütennärkte

rungen durch gestiegene Lohn- und Kapitalkosten oder Kostensenkungen durch Rationalisierung sein. Herrscht zwischen den Anbietern des betrachteten Gutes keine Konkurrenz, dann stellt sich nicht die beschriebene Gleichgewichtslösung ein. Planen z.B. alle Unternehmen gemeinsam, d.h. verhalten sie sich wie ein Monopolist, sehen sie die Nachfragekurve als gegeben und wählen die dann gewinnmaximale Preis-Mengen-Kombination. Diese ist durch einen höheren Preis und eine geringere Menge gegenüber der Konkurrenzsituation gekennzeichnet. Die Nachfrager stehen also in der Monopolsituation verhältnismäßig schlechter da als unter Konkurrenzbedingungen. Teilweise greift auch der Staat in den Preisbildungsprozess ein. Der EUAgrarmarkt bietet ein Beispiel hierfür. Dort werden rur etliche landwirtschaftliche Produkte sogenannte Interventionspreise festgelegt, unter die die Marktpreise nicht fallen können; Abb. 3-6 verdeutlicht diese Situation. Abb. 3-6: MarktbildfUr Butter p A

q

Der Staat hat sich verpflichtet, zum Preis Pmin über eine Vorratsstelle Butler aufzukaufen; dieser Preis wird sich daher am Markt durchsetzen. Die Nachfrager kaufen zu diesem Preis die Menge qNJ. Da die Unternehmen die Menge qAJ anbieten, muss die Überschussmenge (qAJ - qNJ) von der Vorratsstelle aufgekauft werden. Für die Anbieter ist diese Situation günstig, denn sie können gegenüber der Konkurrenzsituation eine höhere Menge zu einem höheren Preis absetzen. Für die Nachfrager ergibt sich eine Verschlechterung. Sie kaufen eine geringere Menge zu einem höheren Preis als beim markträumenden Preis p. Hinzu kommt, dass die Vorratsstelle laufend Güter lagern muss. Versucht sie, die gelagerten Güter auf einem anderen, z.B. einem außereuropäischen Markt zu verkaufen, besteht die Gefahr, dass die Nachfrage auf dem hier betrachteten Markt zurückgeht, die Überschussmenge steigt und die Läger schnell wieder

70

3. Märkte

gefiillt werden. Günstiger wäre es fiir den Staat, wenn er die Produktion durch Kontingentierung mengenmäßig bei qNI begrenzen könnte, so wie es z.B. auf dem europäischen Milchmarkt geschieht. Noch besser wäre es, die Preisbildung frei zu geben, was zu (p , q) fUhrt, und die angestrebten struktur- und sozialpolitischen Ziele direkt mit entsprechenden staatlichen Zahlungen oder Auflagen zu erreichen, Z.B. Bezahlung der Landwirte fiir (umweltfreundliche) Landschaftspflege statt Überschusssubventionierung. Diese Überlegungen wurden fiir ein bestimmtes Gut, d.h. einen eng abgegrenzten Markt angestellt. Man kann natürlich Angebot und Nachfrage verwandter Güter zu einem Markt zusammenfassen. Je nach Untersuchungszweck kann es sinnvoll sein, z.B. den Markt fiir den Alfa Spider oder den Markt fiir Sportwagen oder den gesamten Automobilmarkt zu betrachten. Geht man in der Aggregation noch weiter, so kann man einen Markt fiir industrielle Güter, einen fiir landwirtschaftliche Güter, einen fiir Dienstleistungen u.ä. bilden. Wählt man andere Abgrenzungskriterien, z.B. den Ort der Verwendung der gesamten inländischen Produktion, dann kann man den Exportmarkt und den Inlandsmarkt unterscheiden. Trennt man nach der Art der Verwendung der Güter, so erhält man einen Markt fiir Konsumgüter und einen fiir Investitionsgüter. Als höchste Stufe der Aggregation ergibt sich das gesamtwirtschaftliche Angebot und die gesamtwirtschaftliche Nachfrage. Das gesamtwirtschaftliche Angebot stellt die Summe der in einer Periode im Inland erzeugten Güter plus den Importen dar. Dieses gesamtwirtschaftliche Angebot ist abhängig von den eingesetzten Produktionsfaktoren, also den eingesetzten Arbeitskräften und dem eingesetzten Kapital. Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage setzt sich aus der inländischen Nachfrage nach Konsum- sowie Investitionsgütern und der Auslandsnachfrage nach inländischen Gütern zusammen. In Kapitel 4 wird näher auf diese Zusammenhänge eingegangen.

3.2. Faktormärkte 3.2.1. Arbeitsmarkt Der Verlauf der individuellen Arbeitsnachfragekurve lässt sich einfach ermitteln. Das einzelne Unternehmen fragt bei niedrigen Löhnen mehr Arbeit nach als bei hohen. Gleiches gilt fiir die Gesamtheit der Unternehmen. Die individuelle Arbeitsangebotskurve des privaten Haushalts wurde bereits in der Theorie des Haushalts (Abschnitt 2.1.2.) diskutiert. Wir sahen dort, dass

3.2. Faktonnärkte

71

unterschiedliche Angebotsverläufe denkbar sind. Aggregiert man die individuellen Arbeitsangebotskurven zu einer Gesamtangebotskurve, so ist deren Verlauf apriori nicht eindeutig bestimmt. Wir gehen in unserem einfachen Modell davon aus, dass bei höheren Lohnsätzen mehr Arbeit angeboten wird, obwohl diese Annahme durchaus strittig ist. Trägt man Arbeitsangebot und -nachfrage in ein Marktbild ein, ergibt sich Abb.3-7. Abb. 3-7: Arbeitsmarkt

Lohnsatz w

w

A,.{w) L..-----------+Arbeitsmenge A

w p

Reallohnsatz -

L..-----------+Arbeitsmenge A A

Im oberen Teil ist berücksichtigt, dass auf dem Arbeitsmarkt der Lohnsatz in Geldeinheiten (Nominallohnsatz) festgesetzt wird. Angebot und Nachfrage sind dementsprechend in Abhängigkeit vom Nominallohn w dargestellt. Wie bereits in Kapitel 2 beschrieben, beziehen rational kalkulierende Haushalte und Unternehmen zusätzlich das Preisniveau P in die Planung ein, so dass Angebot und Nachfrage auch in Abhängigkeit vom Reallohn wlP betrachtet werden können.

72

3. Märkte

Herrscht auf dem Arbeitsmarkt vollkommene Konkurrenz, so wird sich ein Gleichgewicht beim Nominallohnsatz w bzw. beim Reallohnsatz w! P und der Arbeitsmenge A einstellen. Damit wird der Markt geräumt und es gibt keine Arbeitslosigkeit. Weichen die Lohnsätze von ihren Gleichgewichtswerten ab, herrscht entweder Überschussangebot (also Arbeitslosigkeit) oder Überschussnachfrage. Die obige Darstellung des Arbeitsmarktes wird allerdings den tatsächlichen Verhältnissen nur eingeschränkt gerecht. Die Arbeitnehmer werden bei Tarifverhandlungen durch ihre Gewerkschaften vertreten, die Arbeitgeber in der Regel durch die Arbeitgeberverbände. Der Tariflohnsatz ist das Ergebnis der Verhandlungen dieser beiden Parteien, wobei es auf das Verhandlungsgeschick und die Verhandlungsmacht ankommt. Die Arbeitnehmer haben als schärfstes Druckmittel zur Durchsetzung ihrer Forderungen die Möglichkeit des Streiks, die Arbeitgeber die Aussperrung. Die Beziehungen zwischen Arbeitsanbietern und -nachfragern werden treffender durch die Form des bilateralen Monopols beschrieben und lassen sich durch komplexere arbeitsökonomische Modelle darstellen und untersuchen. 3.2.2. Markt für Kapital Kapital besteht definitionsgemäß aus den in früheren Produktionsprozessen erzeugten Gütern, die nicht dem Konsum zugeruhrt wurden. Es fallen also z.B. Maschinen, Gebäude und Werkzeuge darunter. Daneben zählen auch noch die Lagerbestände zum Kapital. Lagerbestände dienen als Puffer rur Nachfrageschwankungen oder entstehen durch mangelnde Abstimmung der Absatzmöglichkeiten mit der Produktion. In einer ersten Analyse des Marktes rur Kapital könnte man Lagerbestände als Eigennachfrage der die Lagerung durchruhrenden Unternehmen ansehen. Wir vernachlässigen der Einfachheit halber die Lagerbestände. Das Angebot an Kapital besteht dann aus den vorhandenen Maschinen, Anlagen und der technischen Ausrüstung einer Volkswirtschaft. Die Veränderung des Kapitalbestandes bezeichnet man als Investition. Nachgefragt wird der Produktionsfaktor Kapital von den Unternehmen. Der Preisbildungsprozess auf dem Markt rur Kapital läuft analog zum Gütermarkt. Häufig wird im allgemeinen Sprachgebrauch Geld als Kapital bezeichnet. Geld ist jedoch kein Produktionsfaktor. Mit Geld kann man sowohl Konsumals auch Investitionsgüter kaufen. Auf die Rolle des Geldes rur die Wirtschaft wird im übernächsten Kapitel eingegangen.

3.3. Der Markt als Steuerungsinstrument

73

3.3. Der Markt als Steuerungsinstrument 3.3.1. Idealfall In einer idealen Marktwirtschaft erfolgt die Koordination der Pläne der Wirtschaftssubjekte über eine Vielzahl von Märkten. Signal rur relative Knappheit oder mangelnde Nachfrage nach Gütern sind deren Preise, die sich aus dem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage ergeben. Die Märkte haben in der idealen Marktwirtschaft die folgenden Funktionen: • Die Planabstimmungsjitnktion wurde bereits in dem Abschnitt ,Gütermarkt' (3.1.) exemplarisch diskutiert. Die Pläne der Haushalte und Unternehmen werden auf dem Markt rur Konsumgüter über den Preis koordiniert, so dass genau die nachgefragte Menge produziert wird. Analoges gilt fUr Investitionsgütermärkte, Geldmärkte etc. • Die Allokation, d.h. die Aufteilung der verfUgbaren Produktionsfaktoren auf die Herstellung verschiedener Güter, wird in einer idealen Marktwirtschaft durch Märkte gesteuert. • Die Verteilung der im Produktionsprozess geschaffenen Einkommen und damit die Verteilung der produzierten Güter wird ebenfalls durch Märkte determiniert. An einem Beispiel seien diese Funktionen dargestellt: In einem Land gebe es zwei Branchen mit vielen etwa gleich großen Unternehmen. In der Branche C werden Autos hergestellt, in der Branche L Lebensmittel. Eingesetzte Produktionsfaktoren sind: a) Arbeitskräfte, die rur die Herstellung von beiden Gütern gleichermaßen qualifiziert sind. Der Produktionsfaktor Arbeit ist völlig mobil und hat keine Präferenzen fUr bestimmte Unternehmen oder Regionen. b) Kapital in Form von Fabrikhallen und Maschinen, mit denen prinzipiell sowohl Autos als auch Lebensmittel hergestellt werden können. c) Boden, auf dem die benötigten Rohstoffe beliebig vorhanden sind (Eisenerze, Getreide). Können in einer Gleichgewichtssituation, d.h. in einer Situation ohne Notwendigkeit, Pläne zu ändern, z.B. die Löhne in den beiden Branchen voneinander abweichen? Können unterschiedliche Gewinne pro Einheit eingesetzten Kapitals entstehen? Wären die Löhne in Branche C höher als in Branche L, so würden die Arbeitskräfte solange in diese Branche abwandern, bis die Löhne sich angeglichen hätten. Analog würden die Unternehmen in Branche C ihre Produktion auf

74

3. Märkte

Lebensmittel umstellen, wenn in der Branche L höhere Gewinne als in C zu erzielen wären. Im Gleichgewicht stimmen also alle Lohnsätze und der Gewinn pro Kapitaleinheit in allen Branchen überein. Die Preise für Lebensmittel und Autos sind derart, dass die zu diesen Preisen angebotenen Mengen gleich den nachgefragten Mengen sind. Zur Verdeutlichung der Steuerungsmechanismen der Preise wird angenommen, dass durch eine Geschmacksänderung die Bewohner des Landes verstärkt Autos nachfragen und weniger Lebensmittel. Welche Konsequenzen hat diese Verschiebung der Nachfragekurven? 1. Die Preise für Autos steigen, die Preise für Lebensmittel fallen. In der Automobilindustrie steigen die Gewinne und die Unternehmen versuchen, ihre Produktion von Autos auszudehnen. Dazu brauchen sie zusätzliche Produktionsfaktoren (Arbeit, Kapital). Umgekehrt sinken die Gewinne in der Lebensmittelindustrie und die Unternehmen dort schränken ihre Produktion ein und setzen tendenziell Produktionsfaktoren frei, bzw. wollen die Löhne senken. 2. Die Automobilindustrie mit ihrer günstigen Gewinn- und Absatzsituation ist in der Lage, mit höheren Löhnen als in der Lebensmittelindustrie Arbeitskräfte und Kapital, die nach Voraussetzung beliebig verwendbar sind, aus der Branche L abzuwerben und dehnt ihre Produktion aus. Dies macht sie solange, wie der zusätzliche Erlös eines zusätzlich produzierten Autos die dadurch zusätzlich entstehenden Kosten deckt. Man beachte: In ,Erlös' ist der Preis des Autos enthalten, in ,Kosten' die Preise der Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital! 3. Die Lebensmittelindustrie lässt solange Arbeiter und Kapital in die Autoindustrie abwandern, wie die damit verbundene Kostenersparnis größer ist als der entgangene Erlös für die Lebensmittel, die diese Produktionsfaktoren hätten produzieren können. Man beachte: In ,Kostenersparnis' sind die Preise der Produktionsfaktoren enthalten, in ,Erlös' der Preis für Lebensmittel! 4. Nach der Anpassung ist die Autoproduktion größer als vorher, der Autopreis höher, die Lebensmittelproduktion und der Lebensmittelpreis geringer als vorher (Planabstimmung). Es sind Produktionsfaktoren von der Lebensmittelindustrie abgewandert (Allokation). Falls in der Automobilindustrie der Produktionsfaktor Kapital relativ dringender benötigt wird als in der Branche L, so wird aufgrund des gestiegenen Gewichts der Branche C die Einkommensverteilung zu Gunsten des Faktors Kapital verschoben.

3.3. Der Markt als Steuerungsinstrument

75

Benötigt man zur Autoproduktion relativ dringender Arbeitskräfte als zur Lebensmittelproduktion, so verschiebt sich die Einkommensverteilung zu Gunsten des Faktors Arbeit (Verteilung). Zusammenfassend kann man sagen: Bei funktionierenden Märkten, vollkommener Information aller Marktteilnehmer und bei vollständig mobilen Produktionsfaktoren ist der Ablauf wie folgt: Eine gestiegene Nachfrage nach Gut C lässt den Preis von C steigen. Die Branche C will ihre Produktion ausdehnen und zieht Produktionsfaktoren aus der Branche L ab, deren Güterpreis gefallen ist. Sind die Gütermärkte im Gleichgewicht (Planabstimmung), so hat eine Umverteilung der Produktionsfaktoren stattgefunden (Allokation) und je nach relativer Knappheit der Faktoren in den Branchen auch eine Einkommensumverteilung (Verteilung). Auf diese Weise lösen Marktmechanismen die wichtigsten ökonomischen Grundprobleme. 3.3.2. Kritische Würdigung Wenn das oben vorgestellte ideale Marktmodell die Wirklichkeit wiedergeben würde, so könnte man sich immer auf die Selbststeuerung des Wirtschaftsprozesses verlassen. Alle Wirtschaftssubjekte wären im Rahmen ihrer vorgegebenen Möglichkeiten befriedigt. Die entscheidenden Fragen sind nun: • Sind die Voraussetzungen für perfekt funktionierende Märkte gegeben? • Sind die Ergebnisse des Marktprozesses in jedem Fall wünschenswert? a) Diskussion der Voraussetzungen

1. Die Alternative Preis- oder Mengenreaktion im obigen Marktmodell wurde per Annahme auf eine schnelle Preisbewegung (der dann Produktionsfaktoren und Produktionsmengen folgen) festgelegt. Aus der Sicht des einzelnen Unternehmens kann es sich angesichts einer unzureichenden Güternachfrage auch anbieten, zuerst mit einer Produktionsdrosselung zu reagieren, statt den Preis zu senken. Insbesondere wenn es hohe Fixkosten für seinen nicht anders einsetzbaren Maschinenpark hat (Pkw-Werk, Kraftwerk, ... ) und/oder wenn es Vorleistungen anderer Unternehmen bezieht, die im Preis noch nicht gefallen sind, kann eine einseitige Preissenkung in der Hoffnung auf besseren Absatz dennoch das Unternehmen in die Verlustzone bringen. Beispielsweise erlebte der westeuropäische Automobilmarkt in den Jahren 2000 bis 2002 einen deutlichen Nachfragerückgang. Die Hersteller reagierten aber

76

3. Märkte

keineswegs mit einer scharfen Preiskorrektur, sondern z.T. mit Produktionsdrosselungen (z.B. Fiat). Die Automobilpreise stiegen in dem Zeitraum im Durchschnitt sogar an. Zwar hätte in solchen Fällen eine allgemeine Preissenkung für alle Vorleistungen, Produktionsfaktoren und Endprodukte evtl. positive Nachfragewirkungen, doch setzt dies eine schnelle Koordination von Vorleistungslieferanten, Banken, Tarifvertragsparteien etc. voraus, die Zeit benötigt. Wenn in dieser Anpassungszeit die Produktion gedrosselt wird, bei noch konstantem Güterpreis, dominiert die Mengenreaktion: Die Produktion geht zurück, Arbeitskräfte werden entlassen oder machen Kurzarbeit, worauf die Realeinkommen dieser Haushalte zurückgehen, was zu weiteren Nachfragerückgängen auf ganz anderen Märkten führen kann. Letztlich kann somit das dominierende Reaktionsmuster auf Ungleichgewicht über die Stabilität eines allgemeinen Gleichgewichts auf allen Märkten entscheiden. Diese Frage wird erneut bei der Kreislaufbetrachtung im Kapitel 6 aufgenommen. 2. Auf vielen wichtigen Märkten gibt es in Deutschland nur wenige Anbieter, so z.B. auf dem Automobilmarkt oder dem für Mobiltelefone. Die Marktform ist ein Oligopol. Auf diesen Märkten muss das Verhalten der Unternehmen mit der wesentlich komplexeren Oligopoltheorie bestimmt werden, die im Rahmen dieses Lehrbuches nicht behandelt werden kann. Dieses Verhalten kann sich z.B. nach der Einschätzung der Marktmacht durch das jeweiligen Unternehmen richten. Das Unternehmen braucht den Preis nicht mehr als vom Markt vorgegeben anzusehen, sondern kann eine aktive Preispolitik betreiben. 3. Die Möglichkeit der Unternehmen, aktive Preispolitik zu betreiben, wird durch die Präferenzen, die die Nachfrager gegenüber an sich gleichartigen Gütern haben, erleichtert. Beispiele sind Kühlschränke, Zigaretten, Waschmittel. Die Unternehmen verstärken diese tatsächlichen oder scheinbaren Unterschiede durch gezielte Werbung und Produktdifferenzierung. Wollten die Nachfrager die Produkte nach ihrer tatsächlichen Qualität unterscheiden, so müssten sie sich vor jedem Kauf genau über die zur Auswahl stehenden Produkte informieren. Die Kosten der Informationsbeschaffung und die daraus möglichen Vorteile sind für den einzelnen Nachfrager schwer überschaubar. Daher werden viele Käufe nach gewohntem Verhalten getätigt. 4. Außerdem sind räumliche Präferenzen häufig ein Hindernis für die Mobilität der Arbeitskräfte. Räumliche Präferenzen liegen z.B. bei Arbeitskräften vor, die in einer bestimmten Stadt ihre Wohnung oder ihren Freundeskreis nicht aufgeben wollen. Deshalb wechseln sie wegen geringer Einkommensunterschiede ihren Arbeitsplatz nicht. Bei älteren Arbeitskräften ist diese Immobilität auch bei großen Einkommensunterschieden noch vorhanden. Dadurch wird die Allokationsfunktion gestört.

3.3. Der Markt als Steuerungsinstrument

77

b) Resultate des Marktmechanismus

Unabhängig von den oben aufgefiihrten Kritikpunkten muss gefragt werden, ob das Ergebnis des Marktmechanismus in politischer und sozialer Hinsicht stets erwünscht ist. 1. Die aufgrund des Marktmechanismus entstehende Einkommens- und Vermögensverteilung basiert auf der vorgegebenen Ausstattung der privaten Haushalte mit Produktionsfaktoren. Haushalte, die über wenig oder qualitativ minderwertige Produktionsfaktoren verfiigen, insbesondere Kranke und Alte, erhielten nach dem Marktmechanismus ein so geringes Einkommen, dass dieses Marktresultat aus sozialen und politischen Gesichtspunkten abzulehnen wäre. 2. Der Marktmechanismus tendiert zu einer Konzentration von Produktionsfaktoren in Ballungsräumen aufgrund der privatwirtschaftlichen Kostenvorteile, die sich aus der schon vorhandenen Infrastruktur ergeben. Aus politischen und gesamtwirtschaftlichen Überlegungen kann dies eine Fehlallokation bedeuten, da die öffentlichen Haushalte mit Folgekosten belastet werden können, die die gesamtwirtschaftlichen Vorteile dieses Konzentrationsprozesses übersteigen. 3. Aufgrund des beschränkten Zeithorizontes der Wirtschaftssubjekte besteht die Gefahr, dass das aktuelle Preissystem, das sich aus ihren Handlungen ergibt, die langfristigen Knappheiten nicht rechtzeitig signalisiert. Ein Beispiel dafiir sind die Energiepreise, die die begrenzte Verfiigbarkeit fossiler Brennstoffe angemessen signalisieren müssten, häufig aber von anderen Determinanten (z.B. der politischen Lage im Nahen Osten) bestimmt werden. Dies kann langfristig zu Fehlallokationen fiihren. 4. Der Markt kann nur Knappheiten von solchen Gütern in Preisen ausdrücken, die zwischen zwei Wirtschaftssubjekten gehandelt werden. Das setzt klar definierte Eigentumsrechte an diesen Gütern voraus. Bei Fahrrädern und Brot ist dies unproblematisch, bei Teichfischen ebenfalls (sofern der Teichbauer einen Zaun zieht). Bei Meeresfischen gibt es ein Eigentumsrecht erst, wenn sie im Netz eines Fischers gelandet sind. Aufgrund ihrer natürlichen Regenerationsfahigkeit sind Meeresfische bei hinreichend kleinen Fangmengen über einen ewigen Zeithorizont nutzbar. Wenn aber jeder einzelne Fischer kalkulieren muss, dass der Fisch, den er schont, morgen von einem anderen gefangen wird, unterlässt er das gesamtwirtschaftlich Vernünftige, so dass der Fischbestand übernutzt wird, die Fangflotten zu Anfang ineffizient groß sind und dennoch keine normale Rendite erwirtschaften. Im ungünstigsten Fall wird die Population der natürlichen Ressource völlig ausgerottet. Derartiges Versagen des Regulierungsmechanismus ,Markt' liegt natürlich an den fehlenden Eigentumsrechten. Aktuelle Beispiele fiir die Gefahr der Übernut-

78

3. Märkte zung und sogar der drohenden Ausrottung sind die Heringe bzw. die Blauwale. Analog werden die Umweltmedien Luft, Wasser und Boden als ,Mülleimer' übernutzt, weil Luft- oder Wasserqualität praktisch nicht mit Eigentumsrechten versehen werden können. In Trinkwasserschutzgebieten versucht man beispielsweise, solche Eigentumsrechte am sauberen Grundwasser zu definieren. Jedoch sind die Kosten der Durchsetzung von Eigentumsrechten an den Umweltmedien häufig derart hoch, dass als zweitbeste Maßnahme die Umweltpolitik zu Auflagen und Verboten von Emissionen greifen muss. Da dieser Bereich nicht über den Marktmechanismus alleine gesteuert werden kann, muss man von ,Politikversagen' sprechen, wenn die Politik hier ihre Aufgaben nicht wahrnimmt.

Um diesen unerwünschten Resultaten entgegenzuwirken, wird der Staat wirtschaftspolitisch aktiv. Die Wettbewerbspolitik soll möglichst ideal funktionierende Märkte gewährleisten; mit der Sozialpolitik sollen soziale Ungerechtigkeiten vermieden werden, und eine ausgewogene Verteilung der Produktionsfaktoren ist das Ziel der Strukturpolitik. Während über die staatlichen Aufgaben in der Umweltpolitik heute eher Konsens herrscht, ist strittig, ob die staatlichen Instanzen über bessere Informationen verfügen, die langfristigen Knappheiten an natürlichen Ressourcen (beispielsweise Erdöl) besser vorherzusehen als der Markt. Nur wenn man Letzteres bejaht, kann man eine Rechtfertigung für staatliche Unterstützung rationeller Energieverwendung beispielsweise durch eine gezielte Energiesteuer befürworten.

Kontrollfragen l. Nennen Sie die Voraussetzungen für die Marktform der vollständigen Konkurrenz und diskutieren Sie, ob diese in der Realität tatsächlich erfüllt sind. 2. Auf einem Markt wurden folgende Veränderungen beobachtet: • Erhöhung des Gleichgewichtspreises und der -menge. • Erhöhung des Gleichgewichtspreises und Senkung der -menge. Erläutern Sie, welche Verschiebungen von 'normal' verlaufenden Angebotsbzw. Nachfragekurven zu diesen Entwicklungen geführt haben können. Diskutieren Sie jeweils auch, welche Ursachen die von Ihnen genannten Verschiebungen haben können. 3. Skizzieren Sie das Marktdiagramm für den Arbeitsmarkt. Auf einem vollkommenen Markt sollte es zum Ausgleich von Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage kommen. Woran könnte es liegen, dass dieses auf dem bundesdeutschen Arbeitsmarkt nicht der Fall ist?

Kontrollfragen und Literatur zu Kapitel 3

79

4. Warum können Marktergebnisse, die aus einzelwirtschaftlichen Handlungen resultieren, gesamtwirtschaftlich nicht erwünscht sein? Gibt es Einftussmöglichkeiten, unerwünschte Ergebnisse zu vermeiden? 5. Auf einigen Märkten greift der Staat massiv in die freie Marktpreisbildung ein. So wird auf bestimmten Märkten ein Preis festgelegt, der über dem Gleichgewichtspreis liegt. Nennen Sie ein Beispiel und begründen Sie das Verhalten.

Weiterführende Literatur zu Kapitel 3 Die Preisbildung auf Märkten wird in den bereits genannten Lehrbücher der Mikroökonomie ausfiihrlich behandelt. Zum Problem des Marktversagens siehe:

Fritsch, M./Wein, T./Ewers, H.-l.: Marktversagen und Wirtschaftspolitik, 5. Auft., München, 2003

4. Wirtschaftskreislauf und gesamtwirtschaftliches Rechnungswesen In den vorangegangenen Abschnitten wurden die Pläne der Wirtschaftssubjekte und das Zusammentreffen und Abstimmen der Pläne auf dem Markt diskutiert. Sollen die so bestimmten Aktivitäten quantitativ erfasst werden, so muss man sich einen Überblick über den Wirtschaftsprozess verschaffen. Auch wirtschaftspolitische Maßnahmen können nur bei Kenntnis der quantitativen gesamtwirtschaftlichen Zusammenhänge getroffen und in ihrer Wirkung überprüft werden. Es gibt grundsätzlich zwei Möglichkeiten, diese Kenntnis zu erhalten: Einmal durch ständige Befragung der Wirtschaftssubjekte und zum zweiten durch Beobachtung und zahlenmäßige Ermittlung der Beziehungen in der Vergangenheit, um daraus Schlüsse auf heutige und künftige Entwicklungen zu ziehen. Da die erste Methode nur schwer durchführbar ist, bleibt vor allem die zweite Möglichkeit. Makroökonomische Größen wie Bruttoinlandsprodukt, Nationaleinkommen, Konsum, Investitionen, Exportüberschüsse und andere beschreiben die quantitative Entwicklung einer Wirtschaft. Im Folgenden wird gezeigt, wie man den gesamtwirtschaftlichen Wirtschaftsprozess systematisieren und wie man bestimmte Größen für eine vergangene Periode ermitteln kann.

4.1. Grundschema des Wirtschaftskreislaufs Zuerst sollen die Beziehungen der einzelnen Wirtschaftssubjekte zueinander zusammengefasst dargestellt werden. Es wird dabei ein einfaches Modell des volkswirtschaftlichen Kreislaufs betrachtet. Gegeben sei eine stationäre geschlossene Wirtschaft ohne staatliche ökonomische Aktivität. Stationär heißt dabei, dass die Wirtschaft nicht wächst. Es werden also keine über die Erhaltung des Produktionsapparates hinausgehenden Investitionen getätigt. Unter einer geschlossenen Wirtschaft versteht man, dass keine ökonomischen Beziehungen zum Ausland vorhanden sind. Der Staat ist ökonomisch inaktiv, wenn er weder Steuern erhebt, noch Ausgaben tätigt. Bei diesen Annahmen brauchen also nur die zu Sektoren zusammengefassten Wirtschaftssubjekte Haushalte und Unternehmen berücksichtigt zu werden.

4.1. Grundschema des Wirtschaftskreislaufs

81

In einer Periode, z.B. einem Jahr, werden in dieser Wirtschaft nun folgende Aktivitäten entfaltet: • Die privaten Haushalte kaufen Konsumgüter von den Unternehmen. • Sie bezahlen diese Güter mit ihrem Einkommen, • das ihnen von den Unternehmen zufließt, • als Entgelt rur die zur Verfiigung gestellten Faktorleistungen (Arbeit, Kapital). Graphisch sind diese Beziehungen in Abb. 4-1 dargestellt: Abb. 4-1: Ein einfacher Kreislauftusammenhang Faktoreinkommen •

Faktorieistungen.

private Haushalte

• Konsumgüter • Konsumausgaben C

..............•

realer Strom

---+~

monetärer Strom

Die Sektoren können als Pole betrachtet werden, zwischen denen reale Ströme in Form von Gütern und Faktorleistungen sowie monetäre Ströme in Form von Konsumausgaben und Einkommen fließen. Jedem realen Strom entspricht ein entgegengerichteter monetärer Strom. Die Summe der in einen Sektor fließenden Ströme muss gleich der Summe der abfließenden Ströme sein, da im Kreislauf nichts verlorengehen kann. Alles, was einem Sektor zufließt, wird von dem Sektor in irgendeiner Weise verwendet und ist damit als Abfluss erfassbar. Der Kreislaufprozess ist keine einmalige Angelegenheit, sondern läuft kontinuierlich ab. Bedenkt man, dass jede reale Aktivität im Kreislauf auch durch einen monetären Strom gekennzeichnet werden kann, so braucht man z.B. nur die monetären Ströme zu betrachten, um ein Bild des Wirtschaftsprozesses zu erhalten. Dies wird im Folgenden getan.

82

4. Wirtschaftskreislaufund gesamtwirtschaftliches Rechnungswesen

Im nächsten Schritt wollen wir berücksichtigen, dass die privaten Haushalte nicht ihr gesamtes Einkommen YH fiir den Konsum eH ausgeben, sondern auch Ersparnisse SH bilden, und dass die Unternehmen Investitionen tätigen. Das einfache Kreislaufschema muss also um diese Ströme erweitert werden. Dies geschieht in einem funktional abgegrenzten Pol, der die Vermögensveränderung erfasst. Durch die Ersparnis steigt das Vermögen der sparenden Wirtschaftssubjekte. Das angesammelte Vermögen wird dazu verwendet, Investitionen zu tätigen, d.h. neues Kapital zu bilden. Alle in einer Periode produzierten, aber nicht konsumierten Güter bezeichnet man als Investitionen. Diese umfassen Anlage- und Lagerinvestitionen. Durch den Produktionsprozess verschleißt ein Teil des Kapitalbestandes. Der bewertete Verschleiß heißt Abschreibungen D. Die Investitionen, die erforderlich sind, um den Kapitalbestand auf gleichem Niveau zu halten, heißen Ersatzinvestitionen. Investitionen, die zusätzliches Kapital bilden, bezeichnet man als Nettoinvestitionen Weiter ist zu beachten, dass die Unternehmen nicht ihre gesamten Gewinne an die privaten Haushalte ausschütten, sondern unverteilte Gewinne einbehalten. Diese sind das Faktoreinkommen der Unternehmen Yv , das gleich der Unternehmenserspamis Sv ist. Die Unternehmensersparnis stellt eine Vermögensbildung dar.

r.

Die Vermögensbildung und -verwendung fasst man in einer Periode auf dem Vermögensänderungskonto zusammen. Ein zum Vermögensänderungskonto hinfließender Strom zeigt die Vermögensbildung, ein vom Vermögensänderungskonto abfließender Strom die Vermögensverwendung. Das so erweiterte Schema ist in Abb. 4-2 wiedergegeben. Abb. 4-2: Einfaches Kreislaufschema mit Vermägensänderungskonto

private

Haushalte

Unternehmen

Vermögensänderungskonto SH: Ersparnis der privaten Haushalte

1":

Nettoinvestition der Unternehmen

Su: Ersparnis der Unternehmen

(nicht ausgeschüttete Gewinne)

4.1. Grundschema des Wirtschaftskreislaufs

83

Schließt man die ökonomischen Beziehungen zum Ausland mit in die Betrachtungen ein und nimmt der Einfachheit halber an, dass nur der Unternehmenssektor Beziehungen mit dem Ausland hat, so ergeben sich noch Zahlungsströme, die durch Exporte (Ex) und Importe (Im) ausgelöst werden. Exportieren die Unternehmen mehr als sie importieren, so wird ein Teil des in der Gesamtwirtschaft gebildeten Vermögens in Form von Krediten an das Ausland verwendet, was durch einen entsprechenden Pfeil vom Vermögensänderungskonto zum Ausland dargestellt ist. Die Differenz zwischen Exporten und Importen wird als Außenbeitrag bezeichnet (vgl. Abb. 4-3). Abb. 4-3: Kreislaufschema unter Berücksichtigung des Auslandes

private Haushalte

Unternehmen

Ausland (Ex-Im)

Ex = Exporte Im = hnporte

Berücksichtigt man nun noch die staatlichen Aktivitäten, so wird das Schema komplizierter. Der Staat zieht Steuern einschließlich Sozialversicherungsbeiträgen von den Haushalten TH , sowie Steuern von den Unternehmen Tu ein. Daneben erzielt er Faktoreinkommen aus Beteiligung an Unternehmen und Vermögen Yst/U. Er verwendet seine Einnahmen zur Faktorentlohnung YH/st. Transferzahlungen an die Haushalte TR, Vorleistungskäufe von Unternehmen VKst. Investitionsgüterkäufe (brutto) von den Unternehmen Zahlung von Subventionen an die Unternehmen Z sowie für staatliche Ersparnisse Ss/.

I;;,

Staatliche Dienstleistungen werden i.d.R. unentgeltlich abgegeben (öffentliche Güter), können deshalb den Empfängern nicht zugerechnet werden und erscheinen daher so nicht im Kreislaufschema. Um aber diese Leistungen berücksichtigen zu können, werden sie über die für die Leistungserstellung not-

84

4. Wirtschaftskreislaufund gesamtwirtschaftliches Rechnungswesen

wendigen AufWendungen erfasst. Diese setzen sich zusammen aus den Vorleistungskäufen von Unternehmen, den Faktoreinkommen der beim Staat Beschäftigten und den Abschreibungen auf die staatlichen Investitionen D st . Die Aufwendungen fiir die Bereitstellung der öffentlichen Güter wird als staatlicher Konsum CSt bezeichnet. (4.1)

In Abbildung 4-4 ist ein vollständiges Kreislaufschema wiedergegeben. Was bisher in den Schemata graphisch erfasst wurde, soll nun formelmäßig dargestellt werden. Da bei jedem Pol die Zuflüsse gleich den Abflüssen sein müssen, kann man aus Abb. 4-2 das folgende Gleichungssystem aufstellen:

Pol

Zuflüsse

(4.2) private Haushalte

YH

(4.3) Unternehmen

eH + IG

(4.4) Vermögensänderungskonto

SH + Su

Abflüsse

ru

Dazu ist zu bemerken, dass die Ersparnisse der Unternehmen Sv die unverteilten Gewinne sind, die auch als Einkommen der Unternehmen Yv bezeichnet werden können. Setzt man Sv = Yv , so erhält man statt (4.3): (4.5)

Aus Abb. 4-3 ergibt sich: Pol

Zuflüsse

Abflüsse

(4.6) private Haushalte

YH

(4.7) Unternehmen

CH+I~+Ex

YH +Su +Im

Im + (Ex-Im)

Ex

(4.8) Ausland (4.9)

Vermögensänderungskonto

SH +Su

CH+SH

I~ +(Ex-Im)

4.1. Grundscherna des Wirtschaftskreislaufs

85

Abb. 4-4: Vollständiges Kreislaufschema

YII/St

=Faktoreinkommen der Haushalte vom Staat

YII/U

= Faktoreinkonunen der Haushalte von den Unternehmen

YSt/U

TH Tu

Z

=

Faktoreinkommen des Staates aus Untememensbeteiligung und Vermögen

=Steuern und Sozialversichterungsbeiträge der Haushalte

=Steuern der Unternehmen = Subventionen

VI"

w'

pr ~

P"

A\

A'

A"N

Arbeitsmenge A

Analog wurde in Abschnitt 2.2.2. gezeigt, dass die Arbeitsnachfragekurve der Unternehmen in Abhängigkeit vom Reallohn fallend verläuft. Hat das

6.1. Gesamtwirtschaftliches Angebot

119

Preisniveau den Wert P', dann ist der Arbeitsmarkt im Gleichgewicht, wenn sich der Lohnsatz w' einstellt und der Reallohn w'/P' beträgt. Es wird dann von den Haushalten genau die von den Unternehmen nachgefragte Menge A' angeboten. Diese Arbeitsmenge steht rur die gesamtwirtschaftliche Produktion zur Verfiigung. Steigt nun das Preisniveau auf P" an, sinkt der Reallohn auf w'/P" ab. Es ist fiir die Unternehmen attraktiv, die Produktion zu erhöhen und sie fragen mehr Arbeitskräfte A~ nach. Allerdings sind die Haushalte nur bereit, die Menge A: anzubieten, so dass die Unternehmen ihre Pläne nicht umsetzen können. Um mehr Arbeitskräfte anzuziehen, werden die Unternehmen die Löhne erhöhen. Bei w"/P" stellt sich schließlich wieder ein Gleichgewicht ein, das in Bezug auf den gleichgewichtigen Reallohn und die zugehörige Arbeitsmenge genau der Ausgangssituation entspricht. Sinkt das Preisniveau auf P"', ist der Reallohn zu hoch. Das Angebot übersteigt die Nachfrage und Arbeitslosigkeit entsteht. Durch Lohnsenkung wird wieder d3;s Gleichgewicht erreicht. Damit sind auch die oben gestellten Fragen beantwortet. Die gesamtwirtschaftliche Angebotskurve weicht unter den geschilderten Bedingungen von der mikroökonomischen ab. Sie verläuft senkrecht, weil bei steigendem Preisniveau auch die Löhne steigen und die rur die Produktion verfiigbare Arbeitsmenge sich nicht ändert. Da die verfiigbare Menge an Kapital durch die Investitionsentscheidungen früherer Jahre bestimmt ist, bleibt auch das eingesetzte Kapital konstant. Das Produktionspotential der Volkswirtschaft wird voll genutzt. Die Wirtschaft produziert immer an der Kapazitätsgrenze. Abb. 6.3: Gesamtwirtschaftliche Angebotskurve beiflexiblen Löhnen Preisniveau P

GA

P" ----------P' -----------

p"'-----------

Kapazitätsgrenze

L.---------JL-.---......;~Produktion

Y'

Y

Verbessert sich gegenüber der Ausgangssituation die Kapitalausstattung bzw. der technisch-organisatorische Entwicklungsstand oder steigt durch Einwanderung das Arbeitsangebot, kann auch die Produktion erhöht werden, d.h.

120

6. Gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge

die gesamtwirtschaftliche Angebotskurve verschiebt sich parallel nach rechts. Dies ist fiir Wirtschaftswachstum kennzeichnend. Nachlassendes Bevölkerungswachstum oder Zerstörungen des Kapitalstocks durch Erdbeben oder Kriege führen umgekehrt zu einer Verringerung des Angebots, d.h. zu einer Linksverschiebung der gesamtwirtschaftlichen Angebotskurve. Kennzeichnend tUr die eben dargestellte neoklassische Sichtweise der gesamtwirtschaftlichen Angebotskurve ist, dass durch Preis- und Lohnflexibilität der Arbeitsmarkt stets ausgeglichen ist und das Angebot immer den Produktionsmöglichkeiten entspricht. Keynesianische Ökonomen sind allerdings skeptisch, ob die Flexibilität tatsächlich ausreichend hoch ist. Sinkt z.B. das Preisniveau von P' auf P''' in Abb. 6-2, erhöht sich am Arbeitsmarkt der Reallohn und die Arbeitsnachfrage sowie die Produktion gehen zurück. Zur Anpassung an ein Gleichgewicht müssten jetzt die Löhne fallen. Ist dies kurzfristig nicht möglich, weil z.B. Tarifverträge ein Absenken der Nominallöhne unter das Tarifniveau untersagen, dann bleibt die Wirtschaft in der Unterauslastungssituation hängen. Versuchen die Unternehmen die Situation durch weitere Preissenkungen zu verbessern, steigt der Reallohn weiter an und die Produktion geht erneut zurück. Wir erhalten einen proportionalen Zusammenhang zwischen dem Preisniveau und der Angebotsmenge und das entspricht einer positiv geneigten gesamtwirtschaftlichen Angebotskurve wie in Abb. 6-4. Zu dem gleichen Ergebnis kommt man, wenn man davon ausgeht, dass die Arbeiter einer Geldillusion unterliegen, d.h. Veränderungen des Preisniveaus nicht oder nur verzögert wahrnehmen und Nominallohnänderungen fiir Reallohnänderungen halten.

Abb. 6.4: Gesamtwirtschaftliche Angebotskurve bei nach unten starren Löhnen Preisniveau P

P' ........ . P' . . . . . . . . . . GA

P"

: Kapazitätsgrenze L...-_ _ _--'-_ _ _~

Y'"

Y'

Produktion Y

6.1. Gesamtwirtschaftliches Angebot

121

Ist in der Ausgangssituation (p',n die Kapazitätsgrenze erreicht und wird jetzt das Preisniveau erhöht, dann hat die gesamtwirtschaftliche Angebotskurve wieder einen senkrechten Verlauf, da im Zuge der Anpassung die Löhne erhöht werden müssen, was - anders als bei einer Lohnsenkung - nicht auf Widerstand stoßen wird. Im eben geschilderten Szenario waren die Löhne nach unten starr, die Güterpreise dagegen nicht. Es wird aber häufig beobachtet, dass die Unternehmen bei einem Nachfragerückgang die Preise unverändert lassen und nur mit einer Drosselung der Produktion reagieren. Steigt später die Nachfrage wieder an, wird umgekehrt die Produktion erweitert, ohne dass es zu Preissteigerungen kommt. Erst wenn die Kapazitätsgrenze erreicht wird, setzt der oben geschilderte Anpassungsprozess ein. Die gesamtwirtschaftliche Angebotskurve hat dann zunächst einen waagerechten und ab der Kapazitätsgrenze einen senkrechten Verlauf (Abb. 6-5). Abb. 6-5: Gesamtwirtschaftliche Angebotskurve bei nach unten starren Güterpreisen

Preisniveau P

P" .......... . P' t----.......--.... GA : Kapazitätsgrenze 1..-_ _ _ _ _ _ _ _ _.....

Y'"

Produktion Y

Y'

Wie eingangs bereits gesagt, gelten die hier vorgestellten gesamtwirtschaftlichen Angebotskurven bei Konstanz der übrigen Bestimmungsfaktoren aus Abb. 6-1. Die Wirkungen einer Erhöhung der Produktionsfaktormengen oder einer Verbesserung der Produktionstechnik wurden bereits angesprochen: der senkrechte Teil der Kurve - die Kapazitätsgrenze - verschiebt sich nach rechts. Bei nach unten starren Löhnen würde sich der positive Ast ebenfalls nach rechts verschieben. Man kommt in Abb. 6-6 von der Kurve GA' zu GA".

122

6. Gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge

Abb. 6-6: Verschiebung der gesamtwirtschaftlichen Angebotskurve Preisniveau P

P" ......... . P'

G~'"

.. - . . ., ~ - ..

GA' ;GA"

- - -.~ . "

Produktion Y Y" Y'" Y' Was passiert nun, wenn die Kosten steigeri, z.B. weil importierte Rohstoffe teurer bezahlt werden müssen? Die Unternehmen werden versuchen, die höheren Kosten in die Preise zu überwälzen. Im senkrechten Teil der Kurve bleibt das ohne sichtbare Auswirkungen, im positiv geneigten Teil oder analog auch bei nach unten starren Preisen im horizontalen Teil wird es zu einer Verschiebung der Angebotskurve nach oben ruhren, z.B. zu GA"'. Auch Lohnerhöhungen, die nicht auf Überschussnachfrage am Arbeitsmarkt sondern auf Macht der Arbeitnehmer und ihrer Gewerkschaften beruhen, ruhren zu steigenden Kosten und einer entsprechenden Verschiebung der gesamtwirtschaftlichen Angebotskurve. Bei Kostensenkungen wird umgekehrt der positiv geneigte Ast nach unten verschoben. L-_ _--'-_ _ _ __+_

6.2. Gesamtwirtschaftliche Nachfrage Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage gibt an, wie viel Sachgüter und Dienstleistungen die Wirtschaftssubjekte einer Volkswirtschaft in einer bestimmten Situation kaufen wollen. Als Käufer kommen die privaten Haushalte, die Unternehmen und der Staat in Frage (Abb. 6-1); ausländische Nachfrage hatten wir ausgeschlossen, um die Betrachtung zu vereinfachen. Die Käufe hängen von den Preisen der Güter, den Einkommen der Haushalte, den Gewinn- und Absatzerwartungen der Unternehmen und den Staatseinnahmen ab. Geht man davon aus, dass mit Ausnahme des Preisniveaus alle übrigen Einflussfaktoren konstant sind, erhält man die gesamtwirtschaftliche Nachfragekurve, die wie in Abb. 6-7 eingezeichnet, eine negative Steigung aufweist. Eine Gütt:rnachfragekurve mit negativer Steigung ist schon aus Abschnitt 2.1.1. rur die Haushalte bekannt. Lässt sich deren Begründung hier übernehmen? Die Haushaltsnachfrage geht bei steigendem Preis rur ein Gut zurück,

6.2. Gesamtwirtschaftliche Nachfrage

123

weil der Substitutions- und der Einkommenseffekt wirken. Man substituiert das teurer gewordene Gut durch andere ähnliche Güter, deren Preis konstant geblieben ist. Weil zusätzlich die reale Kaufkraft durch die Preissteigerung verringert wird, kauft man von den.meisten Gütern ebenfalls weniger (superiore Güter). Beide Effekte sind aber in der Gesamtwirtschaft unwirksam. Ob das Gut A durch B substituiert wird, interessiert uns gar nicht, da wir nur den Umfang der gesamten Konsurnnachfrage wissen wollen und der wird durch die Substitution nicht berührt. Auch der Einkommenseffekt ist uninteressant, weil die Preiserhöhungbeim Käufer zu einer Senkung und beim Verkäufer zu einer entsprechenden Erhöhung des Realeinkommens führt. Zusammengenommen heben sich die beiden Teileffekte auf. Auch hier brauchen wir daher eine eigenständige makroökonomische Begründung des Verlaufs der Kurve. Abb. 6-7: Gesamtwirtschaftliche Nachfragekurve

ß

Preisniveau P PI

••

:

GN·

P' .... :..... . . P' ... ~ .... :.....

L..-_ _ _ _- - - ' - - .

YIII

Y'

Y"

Produktion Y

In der neoklassischen Sichtweise ist der Realkasseneffekt für die negative Steigung verantwortlich. In der Ausgangssituation beim Preisniveau P' (Abb. 6-7) planen die Wirtschaftssubjekte reale Güterkäufe im Umfang von Y'. Zur Durchführung dieser Käufe halten sie eine entsprechende Menge Geld bereit. Sinkt nun das Preisniveau auf P", benötigen die Wirtschaftssubjekte das vorgesehene Geld nicht mehr im vollen Umfang zum Kauf der geplanten Güter. Die reale Kaufkraft der Kassenhaltung hat sich erhöht. Daher revidieren die privaten Haushalte, die Unternehmen und der Staat ihre Kaufabsichten und entfalten eine höhere Nachfrage Y". Steigt umgekehrt aus der Ausgangssituation das Preisniveau an, sinkt der Realwert der Kassenhaltung und die Nachfrage wird verringert. In der keynesianischen Sichtweise spielt die Erhöhung des Realw~rtes der Kassenhaltung bei einer Preissenkung ebenfalls eine Rolle. Der für die zunächst geplanten Käufe nicht mehr benötigte Geldbetrag wird aber nicht unmittelbar

124

6. Gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge

für zusätzliche Güternachfrage verwendet; man sucht stattdessen nach einer verzinslichen Vermögensanlage und kauft z.B. festverzinsliche Wertpapiere. Dies führt zu einer Zins senkung. Die Höhe des Zinssatzes spielt nun eine wichtige Rolle bei der Investitionsentscheidung, da die meisten Unternehmen die Investitionsgüterkäufe fremd finanzieren, d.h. entweder Bankkredite aufnehmen oder Obligationen heraus geben. Sinkt der Zins, wird die Finanzierung günstiger und die Investitionstätigkeit verstärkt sich. Werden die zusätzlich nachgefragten Investitionen dann produziert, entsteht zusätzliches Einkommen, das zu einem Teil zusätzlich konsumiert wird. Auf diese Weise kommt es bei sinkendem Preisniveau ebenfalls zu steigender gesamtwirtschaftlicher Nachfrage. Der Wirkungsmechanismus wird Keynes-Effekt genannt. Ob die Kurve dabei flach oder steil verläuft, hängt von der Stärke des Keynes-Effektes ab. Je weniger wirksam er ist, umso steiler verläuft die gesamtwirtschaftliche Nachfragekurve. Im Extremfall, bei Unwirksamkeit des Effektes, ist sie senkrecht, d.h. eine Preisniveausenkung führt nicht zu einer Erhöhung des Umfangs der geplanten Güterkäufe. Bei einer Volkswirtschaft mit außenwirtschaftlichen Beziehungen gibt es noch einen weiteren Wirkungsmechanismus, der zu einer negativ geneigten gesamtwirtschaftlichen Nachfragekurve führt. Wird das Preisniveau in Deutschland von P' auf P" gesenkt, sind die Wirkungen in den Ländern der Euro-Zone offensichtlich. Die deutschen Güter verbilligen sich und die Nachfrage nach unseren Exporten steigt an. Gegenüber Ländern mit flexiblen Wechselkursen, d.h. Austauschrelationen der Währungen die sich nach Angebot und Nachfrage richten wie z.B. beim Austausch Euro-Dollar, ist der Mechanismus etwas komplizierter. Die beim Keynes-Effekt geschilderte Zinssenkung im Inland wird Geldanlagen im Ausland attraktiver machen .. Die Anleger fragen daher verstärkt Dollar nach und die Austauschrelation wird sich zugunsten des Dollars verschieben (statt 1 EUR = 1 USD jetzt 1 EUR = 0,9 USD). Damit werden die deutschen Güter in den USA billiger und die Nachfrage nach unseren Exporten steigt an. Infolge dessen erhöht sich die gesamtwirtschaftliche Nachfrage auf Y". Bei der Ableitung der gesamtwirtschaftlichen Nachfragekurve wird gedanklich nur das Preisniveau variiert und alle anderen Bestimmungsfaktoren werden als konstant angenommen. Ändern sich wie in Abb. 6-8 dargestellt diese Größen, so kommt es zur Verschiebung der Kurve entweder nach rechts zu GN"Erhöhung der Nachfrage - oder nach links - Senkung der Nachfrage - zu GN"'. Eine wichtige Einflussgröße in neoklassischer wie keynesianischer Sicht ist die Geldmenge. Erhöht die Zentralbank die Geldmenge, so verschiebt sich die gesamtwirtschaftliche Nachfragekurve nach rechts. Der Wirkungsmechanismus

6.3. Neoklassische Angebots-Nachfrage-Analyse

125

läuft dabei entweder über den Realkasseneffekt (Erhöhung der Geldmenge Erhöhung der Realkasse - Erhöhung der Güternachfrage ) oder über den Keynes-Effekt (Erhöhung der Geldmenge - Erhöhung der Nachfrage nach verzinslichen Anlagen - Zinssenkung - Erhöhung der Investitionen).

Abb. 6-8: Verschiebung der gesamtwirtschaftlichen Nachfragekurve Preisniveau P

, P'" P'

,

,

- - - :.~ ..

.,

".:

,

.,

........ ':~ '-.- .... .. -: ........ :. ~: .. ,

,,

,

P" ...... .. -: ..........

. ~:,

...: .... ... :

,

Y'

,

' .. , GN'

: GN"'> Y'"

,

Y"

, GN" Produktion Y

Nach der keynesianischen Sichtweise sind für Konsum wie Investitionen u.a. die Erwartungen der Wirtschaftssubjekte hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung von großer Bedeutung. Sind diese Erwartungen optimistisch, ist bei einem gegebenem Preisniveau die Nachfrage relativ hoch und bei pessimistischen Erwartungen ist es umgekehrt. Ferner hat der Staat die Möglichkeit, durch Variation der Staatsnachfrage, die Gestaltung des Steuersystems sowie durch Subventionen und Transfers die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zu erhöhen oder zu senken.

6.3. Gesamtwirtschaftliche Angebots-Nachfrage-Analyse aus neo klassischer Sicht Mit der gesamtwirtschaftlichen Angebots- und Nachfragekurve haben wir jetzt das Instrumentarium zur Darstellung der gesamtwirtschaftlichen Zusammenhänge kennengelernt. Zunächst wollen wir bei der Analyse von der neoklassischen Sichtweise ausgehen, die durch folgende Grundpositionen geprägt ist: • Märkte tendieren zum Gleichgewicht, sofern der Staat dies nicht durch marktinkonforme Eingriffe verhindert.

126

6. Gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge

• Marktgleichgewichte sind unter Wettbewerbsbedingungen gesellschaftlich erwünschte Situationen. • Die realen Strukturen und Entwicklungen der Volkswirtschaft werden durch Änderungen der Geldmenge nicht beeinflusst, d.h. Neutralität der Geldmenge bzw. Dichotomie des realen und monetären Sektors. Aus neoklassischer Sicht verläuft die Angebotskurve senkrecht, wie z.B. GA' in Abb. 6-9. Sie repräsentiert das Produktionspotential bei Vollbeschäftigung aller Produktionsfaktoren. Die gesamtwirtschaftliche Nachfragekurve, wie z.B. GN', hat aufgrund des Realkasseneffektes eine negative Steigung. Ihre Lage (Entfernung vom Ursprung) wird durch die vorhandene Geldmenge bestimmt. Beim Preisniveau P' wird das verfügbare Güterangebot vollständig nachgefragt. Die Wirtschaft befindet sich in einem gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht. Dieses Gleichgewicht bleibt erhalten, solange die Angebotssituation durch GA' und die Nachfrage- durch GN' charakterisiert ist.

Abb. 6-9: Wirtschaftswachstum und Preisniveaustabilität aus neoklassischer Sicht Preisniveau P

Angebots- bzw.

. ~aChfrageüberSChUSS

, .. ,GA'

P" " " "". """.'.. GA" 'I .. , : P' """":" - - - -- """-~..j..

,

,

GN' Y'"

Y'

Y"

Produktion Y

Verbessern sich die Angebotsb~dingungen z.B. durch Erhöhung des Kapitalstocks oder Verbesserung des technischen Entwicklungsstandes in Folge von Investitionen, verschiebt sich die gesamtwirtschaftliche Angebotskurve nach rechts zu GA". Beim Preisniveau pt herrscht jetzt ein Ungleichgewicht: Das Angebot ist größer als die Nachfrage. Dies wird die Unternehmen veranlassen, die Preise zu senken. Beim niedrigeren Preisniveau P" wird dann das erhöhte Angebot auch nachgefragt und es herrscht wieder Gleichgewicht. Die eben geschilderte Situation kennzeichnet ein Wachstum der Wirtschaft, denn Produktion und Einkommen sind angestiegen. Wachstumsanstöße gehen immer von der Angebotsseite aus und durch interne Anpassungsprozesse folgt

6.3. Neoklassische Angebots-Nachfrage-Analyse

127

die Nachfrage. Allerdings ist es für das Wirtschaftsklima nicht günstig; dass das Preisniveau auf P" sinkt. Will man diesen deflationären Prozess vermeiden, muss die Zentralbank die Geldmenge erhöhen. Trifft sie das richtige Maß (die Wachstumsrate der Geldmenge muss der Wachstumsrate der Produktion entsprechen), verschiebt sich daraufhin die gesamtwirtschaftliche Nachfragekurve über den Realkasseneffekt nach GN". Dann wird das erhöhte Angebot beim alten Preisniveau P' nachgefragt. Erhöht die Zentralbank in der Ausgangssituation bei (P',Y~ die Geldmenge ohne dass es parallel zu Wirtschaftswachstum kommt, so hat dies negative Auswirkungen. Die gesamtwirtschaftliche Nachfragekurve verschiebt sich wieder nach GN" und es entsteht ein Nachfrageüberschuss. Dieser treibt die Preise hoch. Ein neues Gleichgewicht ergibt sich bei unveränderter Produktion und dem höheren Preisniveau P'''. Dies ist der erste Schritt zu einem inflationären Prozess, der nach neoklassischer Sichtweise immer durch Fehler der Zentralbank bei der Dimensionierung der Geldmenge entsteht. Kann in dieser Wirtschaft durch einen Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage Arbeitslosigkeit entstehen? In Abb. 6-10 ist ein Nachfragerückgang durch Linksverschiebang der GN-Kurve eingezeichnet.

Abb. 6-10: Auswirkungen eines Rückgangs der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage aus neoklassischer Sicht Preisniveau P

GA' P'

Angebotsüberschuss

....

P" ....

Y"

Y'

....

GN' Produktion Y

Beim Ausgangspreisniveau P' entsteht jetzt ein Angebotsüberschuss, da nur noch im Umfang von Y" nachgefragt wird. Das veranlasst die Unternehmen, die Preise zu senken. Dadurch wird die Güternachfrage angeregt. Auf dem. Arbeitsmarkt (Abb. 6-2) fiihrt die Preissenkung zu einem Ansteigen des Reallohns und damit ebenfalls zu einem Angebotsüberschuss. Dies löst Lohnsenkungen aus, da annahmegemäß Lohnflexibilität in beide Richtungen besteht. Dieser

128

6. Gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge

Prozess der Lohn- und Preissenkungen hält solange an, bis ein neues gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht bei Vollbeschäftigung der Arbeitskräfte erreicht ist. Arbeitslosigkeit kann also nur als vorübergehendes Phänomen auftreten, wenn die Anpassung der Löhne und Preise zu langsam vor sich geht. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass nach neoklassischer Sichtweise ein marktwirtschaftliches System bei Wettbewerb zum gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht tendiert. Der Staat muss fiir günstige Angebotsbedingungen und fiir Wettbewerb unter den Akteuren sorgen. Flexible Güter- und Faktorpreise sorgen für den Ausgleich der Märkte. Wirtschaftswachstum und Vollbeschäftigung sind dann gesichert. Wenn die Zentralbank eine adäquate Geldpolitik betreibt und die Geldmenge im richtigen Verhältnis zur Gütermenge fest setzt, ist auch Preisniveaustabilität realisiert.

6.4. Gesamtwirtschaftliche Angebots-Nachfrage-Analyse aus keynesianischer Sicht Die keynesianischen Grundpositionen haben sich als Reaktion auf die Weltwirtschaftskrise der dreißiger Jahre des vergangenen Jahrhunderts entwickelt, in der Produktion und Einkommen stark zurückgegangen waren und Massenarbeitslosigkeit entstand. Sie lauten: • Marktwirtschaftliche Systeme sind inhärent instabil, d.h. sie tendieren nicht automatisch zu einem gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht. • Die Ursache für die Instabilität liegt darin begründet, dass Unsicherheit bezüglich der Zukunft besteht und Erwartungen das Handeln bestimmen. • Der Staat muss daher eine aktive Rolle im Wirtschaftsprozess einnehmen und laufend stabilisierend eingreifen. Nach der keynesianischen Sichtweise ist die gesamtwirtschaftliche Angebotskurve zumindest in Teilen positiv geneigt und die gesamtwirtschaftliche Nachfragekurve bei wirksamem Keynes-Effekt negativ, wie in Abb. 6-11 dargestellt. Schneidet die Nachfragekurve GN' die Angebotskurve GA' im Knickpunkt, stellt sich genau wie im vorigen Abschnitt beschrieben ein gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht bei Vollbeschäftigung ein. Sinkt jetzt die gesamtwirtschaftliche Nachfrage, weil z.B. die Erwartungen über die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung pessimistischer werden und Investitions- und Konsumausgaben reduziert werden, so ändert sich die Situation grundsätzlich. Der Nachfragerückgang führt beim Preisniveau P' zu einem Angebotsüberschuss, auf den die Unternehmen mit Preissenkungen reagieren. Dies regt über den Keynes-Effekt auch die Nachfrage wieder an.

6.4. Keynesianische Angebots-Nachfrage-Ana1yse

129

Abb. 6-11: Auswirkungen eines Rückgangs der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage aus keynesianischer Sicht: Unterauslastung /Arbeitslosigkeit Preisniveau P

GA'

Angebotsüberschuss

P' pli pli __ _

, Y" Y'

,

GN' Produktion Y

Der Anpassungsprozess bleibt aber auf dem Weg zum Vollbeschäftigungsgleichgewicht, welches bei (P''',Y,) erreicht würde, stecken, weil die Preissenkungen nicht durch Lohnsenkungen zur Kostenentlastung unterstützt werden. Das neue Gleichgewicht ergibt sich bei (P",Y''). Da Y" unterhalb der Kapazitätsgrenze Y' liegt, bedeutet das unterausgelastete Kapazitäten. Auf dem Arbeitsmarkt (Abb. 6-2) befinden wir uns in einer Situation oberhalb des Gleichgewichtsreallohnes, d.h. das Arbeitsangebot übersteigt die -nachfrage und es besteht Arbeitslosigkeit. Da die Löhne nach unten starr sind, werden die Anpassungsprozesse an das Vollbeschäftigungsgleichgewicht unterbrochen. Will man aus diesem Unterbeschäftigungsgleichgewicht heraus kommen, gibt es zwei Wege. Keynes empfiehlt dem Staat eine Erhöhung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage, in dem er z.B. selbst kreditfinanzierte zusätzliche Staatsnachfrage tätigt. Alternativ könnte durch Investitionssubventionen die Investitionsgüternachfrage angeregt werden. In beiden Fällen würde sich die Kurve der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage zurück nach rechts verschieben. Bei geeigneter Dimensionierung wäre wieder die Ausgangssituation zu erreichen. Der zweite Weg sieht vor, die Lohnstarrheiten zu beseitigen. In diesem Fall würde die Angebotskurve senkrecht und (P''',Y,) könnte erreicht werden. Keynesianische Ökonomen sind allerdings skeptisch, ob der zweite Weg wirklich gangbar ist. Auf diesem Weg müssen zusätzlich Preise und Zinsen gesenkt werden und die Investitionen ansteigen. Dabei können mehrere Hindernisse auftreten. Die Wirtschaft befindet sich ja in einer krisenhaften Situation mit Arbeitslosigkeit und unterausgelastetem Kapitalstock. Die Zinsen sind

6. Gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge

130

dann meist schon niedrig und Senkungen kaum noch durchzusetzen. Gelingt dies dennoch, bringt es oft wenig positive Anreize für erhöhte Investitionen. Da mit den vorhandenen Maschinen bereits mehr produziert werden kann, als nachgefragt wird, werden zusätzliche Investitionen trotz geringerer Zinskosten kaum getätigt. Es fehlen die positiven Absatz- und Gewinnerwartungen. Es ist sogar zu befürchten, dass letztere aufgrund der anhaltenden Preissenkungen immer pessimistischer werden und die Investitionsnachfrage und infolgedessen auch die Gesamtnachfrage weiter zurückgeht, sich die Arbeitslosigkeit also weiter verstärkt. In Abb. 6-12 ist eine Situation dargestellt, in der trotz Lohnflexibilität aufgrund von Nachfragemangel am Gütermarkt Arbeitslosigkeit bestehen kann. Da flexible Löhne unterstellt werden, ist die gesamtwirtschaftliche Angebotskurve senkrecht. Wenn die Zinsen nun nicht nachgeben bzw. die Investitionen nicht auf Zinssenkungen reagieren, bleibt der Keynes-Effekt aus und die gesamtwirtschaftliche Nachfragekurve verläuft ebenfalls senkrecht. In der Ausgangssituation liegen beide Kurven übereinander; Produktion und Einkommen betragen Y', das Preisniveau ist nicht determiniert. Es wird hier angenommen, dass es in der Ausgangssituation P' beträgt.

Abb. 6-12: Auswirkungen eines Rückgangs der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage bei Wirkungslosigkeit des Keynes-Effektes Preisniveau P

GN'/GA' GN"

Angebotsüberschuss

P' - - - - - - - - +----I

P"

.

._._._._.~ I

Y" Y'

Produktion Y

Geht die gesamtwirtschaftliche Nachfrage auf GN" zurück, so ist der Anpassungsprozess vollständig blockiert. Auch wenn die Preise sinken, wird keine zusätzliche Nachfrage geschaffen, da der übliche Wirkungsmechanismus (sin-

6.4. Keynesianische Angebots-Nachfrage-Analyse

BI

kende Zinsen, steigende Investitionen) nicht funktioniert. Wirksam ist hier nur der erste Weg, nämlich der einer Erhöhung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage durch den Staat. Wir haben gesehen, dass ein Nachfragerückgang unter bestimmten Umständen zu wirtschaftlichen Problemen, nämlich Arbeitslosigkeit, führen kann. Aber auch bei einer Nachfragesteigerung kann es zu Schwierigkeiten kommen, wie aus Abb. 6-13 zu ersehen ist. In der Ausgangssituation herrsche gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht und Vollbeschäftigung bei (p',n. Angenommen, der Staat möchte zusätzliche Aufgaben übernehmen und erhöht seine Staatsnachfrage. In Abhängigkeit von der Finanzierung der zusätzlichen Staatsnachfrage kann dies zu einem gewissen Rückgang an Investitionen bzw. Konsum führen, per Saldo wird aber nach der keynesianischen Sichtweise die Gesamtnachfrage erhöht, d.h. die GN-Kurve verschiebt sich nach rechts zu GN". Da die Kapazitäten bereits voll ausgelastet sind, kann die Produktion nicht mehr gesteigert werden. Die Unternehmen werden stattdessen die Überschussnachfrage ausnutzen und die Preise erhöhen. Beim höheren Preisniveau P" ist die Nachfrage soweit zurück gestutzt, dass sie wieder durch das verfügbare Angebot gedeckt ist. Dies ist der erste Schritt einer Nachfrageinflation. Zu einer Inflation, d.h. einer anhaltenden Steigerung des Preisniveaus, kommt es, wenn jetzt erneut Kräfte wirksam werden, die die gesamtwirtschaftliche Nachfrage erhöhen und der Prozess von neuem beginnt.

Abb. 6-13: Inflationsauslösung durch zusätzliche Güternachfrage Preisniveau P

GN' P"

GA'

,

, '.

Nachfrageüberschuss

' .. ' .. / P' ......... ....~: ..... ,

GN' : Kapazitätsgrenze

Produktion Y Y' Im geschilderten Beispiel ist die erhöhte reale Güternachfrage der Inflationsauslöser. Analog zum neoklassischen Modell kann aber auch eine Geldmengenerhöhung eine Preisniveauerhöhung bewirken. Über den Keynes-Effekt

6. Gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge

132

wird dann nämlich ebenfalls die GN-Kurve nach rechts verschoben und die Anpassung erfolgt wie eben geschildert. Will der Staat Inflation vermeiden, muss er durch geeignete Maßnahmen verhindern, dass in der Vollbeschäftigungssituation die Güternachfrage noch erhöht wird. Nach der keynesianischen Sichtweise kann Inflation auch von der Angebotsseite her angestoßen werden, wie Abb. 6-14 verdeutlicht. In der Ausgangssituation herrsche gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht bei Vollbeschäftigung in Punkt (P',Y'). Obwohl alle Märkte im Gleichgewicht sind, ist es denkbar, dass Anbieter mit Marktmacht Erhöhungen der Preise der von ihnen angebotenen Vorprodukte oder Faktoren durchsetzen. In den siebziger Jahren hat sich das z.B. an den Rohölmärkten ereignet, an denen es zwei Mal zu enormen, machtbedingten Preiserhöhungen durch das OPEC-Kartell gekommen ist. Auch die Gewerkschaften können durch ihre streikbedingte Machtposition möglicherweise Lohnerhöhungen durchsetzen, die auf Grund der Arbeitsmarktsituation nicht begründet sind. Diese Kostenerhöhungen wollen die Unternehmen in den Preisen weiter geben und das schiebt den positiv geneigten Ast der gesamtwirtschaftlichen Angebotskurve nach oben. Beim Ausgangspreisniveau P' ist die Nachfrage jetzt größer als das Angebot und daher steigen die Güterpreise bis zu einem neuen Gleichgewicht bei P". Allerdings senkt die Preisniveausteigerung über den Keynes-Effekt auch die gesamtwirtschaftliche Nachfrage, so dass Produktion und Einkommen auf Y" sinken. Mit der geringeren Produktion ist gleichzeitig ein Beschäftigungsrückgang verbunden, der sich bei nach unten starren Löhnen in Arbeitslosigkeit niederschlägt.

Abb. 6-14: Inflationsausläsung durch autonomen Kostendruck Preisniveau P

P'

GA" GA'

GN'

: Kapazitätsgrenze

Y"y'

Produktion Y

6.4. Keynesianische Angebots-Nachfrage-Analyse

133

Da sich ein Unterbeschäftigungsgleichgewicht einstellt, wird leicht der Ruf nach dem Staat laut. Er wird aufgefordert, die Staatsnachfrage zu erhöhen, um die Arbeitslosigkeit zu beseitigen. Dies wird die GN-Kurve verschieben und das Preisniveau auf p", anheben. Wenn nun noch die Gewerkschaften auf Grund der gestiegenen Preise machtbedingt höhere Löhne durchsetzen, verschiebt sich erneut die GA-Kurve nach oben und die Wirtschaft befindet sich in einer Preis-Lohn- bzw. Lohn-Preis-Spirale, d.h. in einem inflationären Prozess. Der Staat darf daher den Forderungen nach Erhöhung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage nicht nachgeben, sondern muss durch Ordnungs- und Wettbewerbspolitik versuchen, die Marktrnacht der Anbieter zu brechen. Die Ursache rur Wirtschaftswachstum wird in beiden Modellen prinzipiell ähnlich gesehen. Die Menge an Produktionsfaktoren oder der technische Entwicklungsstand müssen steigen, damit die Kapazitätsgrenze erhöht wird. Eine besondere Rolle spielen dabei Erweiterungsinvestitionen. Die neuen Maschinen ruhren meist nicht nur zu einer Erhöhung der Quantität an Realkapital, sondern verkörpern auch eine fortschrittlichere Technik. Welche Wirkungen das haben kann, ist in Abb. 6-15 dargestellt.

Abb. 6-15: Wirtschaftswachstum auf des Messers Schneide Preisniveau P GN""

GN' GN'" P'"

P"

P'

...

. . . . . ..

..,. ...... . ". I

/r

GA'

".

I

I

/.

GA" : Y' Y'" Y" Y""

Produktion Y

In der Ausgangssituation herrscht gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht mit Vollbeschäftigung bei (P',Yl Die GA-Kurve weist auf Starrheit der Löhne nach unten hin (positiv geneigter Ast), der senkrechte Verlauf der GN-Kurve besagt, dass der Keynes-Effekt nicht wirksam ist, d.h. Preisniveausenkungen keine Nachfragesteigerungen hervorrufen. Werden jetzt zusätzliche Erweiterungsinvestitionen getätigt, so beeinflusst das sowohl die Angebots-, als auch die Nachfrageseite. Der Kapazitätseffekt der Investitionen ruhrt zu einem er-

134

6. Gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge

höhten Angebot; die neue Kapazitätsgrenze liegt bei Y". Die Investitionen verstärken gleichzeitig die gesamtwirtschaftliche Nachfrage, d.h. es gibt auch einen Nachfrageeffekt. Ist dieser Nachfrageeffekt gleich groß wie der Kapazitätseffekt, verschiebt sich GN so weit nach rechts, dass ihr senkrechter Teil wieder deckungsgleich mit der GA-Kurve ist. Die zusätzlich produzierbaren Güter werden nachgefragt. Es gibt keinen Anlass fUr Preisniveausteigerungen; Vollbeschäftigung bleibt erhalten. Fällt der Nachfrageeffekt kleiner aus, so bleibt das Wachstum auf Grund von Nachfragemangel z.B. bei Y'" stecken. Die unausgelasteten Kapazitäten sind mit Arbeitslosigkeit verbunden, die auch durch Lohnflexibilität nicht beseitigt würde. Fällt der Nachfrageeffekt dagegen größer aus als der Kapazitätseffekt, steigt die gesamtwirtschaftliche Nachfrage über die neue Kapazitätsgrenze hinaus an. Dies fUhrt zu anhaltenden Preisniveausteigerungen, d.h. zu Inflation. Man sagt daher, im keynesianischen Modell hätte man im Wachstumsprozess ein Gleichgewicht auf des Messers Schneide. Stimmen Nachfrage- und Kapazitätseffekt der Investition überein, herrscht Gleichgewicht. Sind die beiden Effekte dagegen ungleich, stürzt man von der Schneide (dem Gleichgewicht) entweder in Arbeitslosigkeit oder in Inflation. In beiden Fällen ist wieder der Staat gefragt, um die gesamtwirtschaftliche Nachfrage so zu steuern, dass sie mit dem Angebot kompatibel ist. Im ersten Fall muss er sie erhöhen, im zweiten dämpfen. Die vorstehenden Darstellungen haben deutlich gemacht, dass nach der keynesianischen Sichtweise die wirtschaftlichen Anpassungsprozesse an das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht vielfältig unterbrochen sein können. Preise, Löhne und Zinsen sind möglicherweise nach unten starr, die Investitionen werden eher durch Absatz- und Gewinnerwartungen als durch die Höhe der Zinsen beeinflusst. Arbeitslosigkeit und Inflation können dann länger anhaltend auftreten. In fast allen wirtschaftlichen Problemlagen kann aber der Staat durch geeignete Steuerung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage zum Erreichen eines gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts beitragen.

6.5. Konjunkturschwankungen in Deutschland In den vorhergehenden Abschnitten haben wir die gesamtwirtschaftliche Entwicklung aus dem Zusammenwirken von gesamtwirtschaftlichem Angebot und gesamtwirtschaftlicher Nachfrage erklärt. Bei gegebenen Angebots- und Nachfragekurven und funktionierenden Anpassungsprozessen kommt ein gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht zustande. Ändern sich die Rahmenbedingungen nicht, verharrt die Wirtschaft in dieser Lage. Häufig kommt es aber zu Änderungen in der außenwirtschaftlichen Situation, im Konsum- und Investitionsklima oder in der Nachfrage des Staates. Dies fUhrt zu Schwankungen in der

6.5. Konjunkturschwankungen in Deutschland

135

gesamtwirtschaftlichen Nachfrage. In günstigen Zeiten ist sie hoch, in ungünstigen gering, wie in Abb. 6-16 dargestellt. Da die Anpassungsprozesse Zeit benötigen, kann es auch aus neoklassischer Sicht kurzfristig zu Schwankungen in der Produktion, in der Kapazitätsauslastung, in den Auftragseingängen, der Investitionstätigkeit, der Beschäftigung, dem Preisniveau und weiteren makroökonomischen Größen kommen.

Abb. 6-16: Schwankungen der wirtschaftlichen Aktivitäten Preisniveau P

,, P'" : ,- - - -

,

GA'

,

,,

P' pli

",GN'

" "Überhitzung"

.,

"Krise"

: Kapazitätsgrenze

Produktion Y Y" Y' Den Gesamtkomplex dieser ökonomischen Schwankungen bezeichnet man als Konjunktur. Davon sind regelmäßig jahreszeitlich wiederkehrende Schwankungen, die Saisonschwankungen genannt werden, zu trennen. Wegen der Komplexität der gesamtwirtschaftlichen Zusammenhänge gibt es viele Ursachen fiir konjunkturelle Schwankungen. Diese Ursachen müssen sich auf mindestens eine der Komponenten des gesamtwirtschaftlichen AngebotsNachfrage-Zusammenhangs auswirken. Über den Kreislaufzusammenhang werden die Auswirkungen dann in den anderen Bereichen spürbar. Beispiele dafür sind die Übertragung ausländischer Konjunkturen über die Exportindustrie auf das Inland, vorübergehende relative Abschwächung der Investitionstätigkeit durch Finanzierungsschwierigkeiten der Unternehmen, Hemmung der Produktionsexpansion durch kurzfristig nicht zu behebenden Arbeitskräftemangel oder durch Schwankungen in der staatlichen ökonomischen Aktivität. Den Konjunkturzyklus stellt man schematisch wie in Abb. 6-17 dar. Die konjunkturellen Schwankungen werden in entwickelten Volkswirtschaften durch den Wachstumstrend überlagert. Das Bild der zyklischen Schwankungen zeigt sich dann nicht mehr so deutlich in den Niveaugrößen wie in Abb. 6-17, sondern in den Wachstumsraten der ökonomischen Größen. Ein wichtiger Konjunkturindikator ist dann Z.B. die Wachstumsrate des realen Bruttoinlands-

136

6. Gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge

produkts. In schlechten wirtschaftlichen Zeiten kommt es aber auch heute noch zu absoluten Rückgängen der Produktion, d.h. zu Rezessionen (Zeiten mit negativen Wachstumsraten). Abb. 6-17: Schematisierter Konjunkturzyklus Wirtschaftliche Aktivität

' - - - - - - - - - - - - - - - - - - -.... Zeit t

Die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland wird in den Abbildungen 6-18 und 6-19 dargestellt. Abbildung 6-18:Das BlP als Konjunkturindikator Bruttoinlandsprodukt (Verändenmgen gegenüber dem entsprechenden VOIjahreszeitraum in v.ll)

v.1L

14 ,-----------------------------------------------------, \3

12

11

10

.r

\

1967

1969

1971

1973

l'i;s

1'1T7

,m

-;19!1i·••: 1963

~

1965

19\17

1989

1991

..

1~

1995

1997

1999

-2 -3 ' - - - - - - - - - - - - - - - - - -

Quelle: Statistisches Bundesamt. Ab 1991 Gebietsstand nach dem 03.10.1990.

2001

137

6.5. Konjunkturschwankungen in Deutschland

Abb. 6-19: Weitere Konjunkturindikatoren VerbraucherpreisindeI (Veränderungen gegenüber dem entsprechenden VOIjahreszeitraum in v.H.)

v.H.

1965

1967

1969

1971

1973

1975

1977

1979

1981

1983

1985

1987

1989

1991

1993

1995

1997

1999

2001

Quelle: Statistisches Bundesamt. Ab 1991 Gebietsstand nach dem 03.10.1990. Offene Stellen und Arbeitslose in 1000 '000 , - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - , 4S00 -4000

3500

'000 2500

Arbeitslose

2000 1500

1965

1967

1969

1971

1973

1975

1977

1979

1981

1983

1985

1987

1989

1991

1993

1995

1997

1999

2001

Quelle: Bundesanstalt fiir Arbeit. Ab 1991 Gebietsstand nach dem 03.10.1990.

In Abbildung 6-18 ist die Entwicklung der Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts aufgezeichnet. Von 1965 bis 1990 ist die Produktionsentwicklung in Westdeutschland dargestellt, danach die des vereinten Deutschlands. Als Phasen verstärkten wirtschaftlichen Wachstums können die Jahre 1969,

138

6. Gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge

1973, 1976, 1979 und 1990 bezeichnet werden. Die letztgenannte Phase kennzeichnet die Zeit des Vereinigungsbooms. Die ausgeprägtesten Rezessionen fielen in das Jahr 1967, in die Jahre 1974/75, 1981/82 sowie 1993. In diesen Perioden kam es zu einem absoluten Rückgang des realen Bruttoinlandsprodukts. Das reale Bruttoinlandsprodukt wird statistisch dadurch ermittelt, dass man die in unterschiedlichen Jahren erzeugten Güter jeweils mit den gleichen Preisen bewertet, Z.B. mit den Preisen von 1995. Man spricht dann auch vom Bruttoinlandsprodukt in konstanten Preisen. Bewertet man mit den jeweiligen Preisen, so erhält man das nominale Bruttoinlandsprodukt. In den sechziger und siebziger Jahren lässt sich in den Daten noch relativ klar ein ca. vieIjähriger Konjunkturzyklus erkennen. Z.B. mündet das Rezessionsjahr 1967 in einen Aufschwung 1968 und einen Boom 1969 und anschließend folgt 1970 der Abschwung bis zum neuen Tiefpunkt der Wachstumsrate im Jahr 1971. In den späteren Jahren sind die Wachstumsdifferenzen zwischen konjunkturell guten und schlechten Jahren häufig nicht mehr so ausgeprägt. Darüber hinaus ist das durchschnittliche Niveau der Wachstumsraten deutlich geringer als in den Anfangsjahren der Bundesrepublik. Das Bruttoinlandsprodukt ist die Größe, die am häufigsten betrachtet wird, wenn man die konjunkturelle Entwicklung analysieren will. Da die statistische Ermittlung der Werte rur das Bruttoinlandsprodukt durch das Statistische Bundesamt mindestens ein Vierteljahr dauert, erfährt man auf diese Weise allerdings erst relativ spät, ob sich die Wirtschaft z.B. in einer Rezession befindet oder nicht. Die Konjunkturanalytiker orientieren sich daher gern an Größen, die sich prinzipiell ähnlich wie das Bruttoinlandsprodukt entwickeln, ihm aber zeitlich vorweg laufen. Zu diesen Größen gehört u.a. der Auftragseingang rur das Verarbeitende Gewerbe oder rur die Investitionsgüterindustrie. Ein anderer wichtiger Frühindikator ist der Geschäftsklimaindex des ifo-Instituts rur Wirtschaftsforschung, der auf Befragungen der Unternehmen beruht. Im oberen Teil der Abb. 6-19 ist die Entwicklung der Veränderungsraten des Preisindex rur die Lebenshaltung wieder gegeben. Unter der Entwicklung des Preisindex rur Lebenshaltung versteht man die Preisentwicklung eines ausgewählten Warenkorbes, der sich nach den ermittelten Kaufgewohnheiten eines Durchschnittshaushaltes in einem Basisjahr richtet. Darin sind Z.B. Ausgaben rur Wohnung, Nahrung, Freizeit, Kleidung, Bildung usw. enthalten. Da im Laufe der Zeit die tatsächlich konsumierten Güter durch Qualitätsveränderungen, Preisstrukturänderungen und Geschmacksänderungen von den Gütern des Warenkorbs abweichen, ist ein Index über lange Zeiträume problematisch. Um die Preisentwicklung verfolgen zu können, ist man dennoch auf Indizes angewiesen, passt allerdings in etwa runtjährigen Abständen die Warenkörbe an. Wir sehen, dass in. dem betrachteten Zeitraum, mit Ausnahme der Jahre 1986/87, der Preisindex fiir die Lebenshaltung gestiegen ist. Die höchsten

6.5. Konjunkturschwankungen in Deutschland

139

Preissteigerungsraten fielen in die Jahre 1971-75, 1979/81 und 1992/93. Von unserem in Abb. 6-16 skizzierten theoretischen Modell her sollte man erwarten, dass Preisniveausteigerungen nur in Phasen des Wachstums des Bruttoinlandsproduktes auftreten und höhere Wachstumsraten mit höheren Preisniveausteigerungsraten korrespondieren. Es zeigt sich allerdings, dass die Empirie nicht eindeutig diesem Muster folgt; auch in konjunkturellen Abschwungsphasen lassen sich steigende Preisniveausteigerungsraten beobachten, wie z.B. nach dem Vereinigungsboom 1990. Die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt ist im unteren Teil der Abb. 6-19 wiedergegeben. Man sieht, dass bis 1974, mit Ausnahme des Jahres 1967, die Zahl der offenen Stellen die Zahl der Arbeitslosen stets übertroffen hat. Auch in diesen Zeiten waren immer 150.000 bis 200.000 Arbeitslose zu beobachten. Diese Arbeitslosigkeit ist nicht auf die konjunkturelle Lage zurückzuführen, sondern ergibt sich daraus, dass Arbeitnehmer gerade ihre Stelle wechseln oder in ihrem Beruf an dem von ihnen gewünschten Ort vorübergehend keine Anstellung finden. Ein kleiner Teil dürften Arbeitsunwillige sein, die Arbeitslosenunterstützung empfangen wollen. Seit 1974 übertrifft die Zahl der Arbeitslosen die der offenen Stellen um ein Vielfaches. Die Gründe für diese Entwicklung sind einmal in einem Abflachen des durchschnittlichen Wirtschaftswachstums seit 1974 zu suchen. Darüber hinaus scheinen aber auch strukturelle Ursachen wirksam zu sein. Ein Indiz dafür zeigt sich in folgender Entwicklung: In den Jahren 1974/75 und 1982/83 sowie nach der Vereinigung stiegen die Arbeitslosenzahlen bei nachlassender Wirtschaftstätigkeit jeweils rasch an. In den darauf folgenden Wirtschaftsaufschwüngen ging die Arbeitslosigkeit dann aber nur langsam wieder zurück und erreichte nicht mehr das Ausgangsniveau. Der sogenannte 'Arbeitslosigkeitssockel " der auch im Boom bestehen bleibt, stieg von ca. 800.000 in den Jahren 1979/80 über ca. 1,8 Mio. 1990/91 auf jetzt ca. 3,8 Mio. Arbeitslosen an. Um diesen Sockel wieder zu verringern, sind nachhaltige Strukturveränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft erforderlich. Wir haben gesehen, dass sich die wirtschaftliche Entwicklung nicht gleichmäßig vollzieht, sondern schwankt. Konjunkturelle Schwankungen sind unerwünscht, da sie zu Arbeitslosigkeit bzw. Überbeschäftigung, zu Unterauslastung bzw. Überbeanspruchung der Produktionskapazitäten und zu unterschiedlich stark steigenden Preisen führen. Dass Arbeitslosigkeit unerwünscht ist, leuchtet sofort ein. Neben den menschlichen Problemen, die die Arbeitslosigkeit mit sich bringt, ist zu bedenken, dass volkswirtschaftliche Ressourcen nicht genutzt werden. Eine Überbeschäftigung kann zu einer zu starken Beanspruchung der Arbeitnehmer durch Überstunden führen. Für die Produktionskapazität gelten analoge Überlegungen. Preissteigerungen sind abzulehnen, da sie Empfänger von auf längere Zeit festliegenden Einkommen, z.B. Rentenempfänger, Stipendiaten, Arbeitnehmer

140

6. Gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge

mit lange laufenden Tarifverträgen benachteiligen. Das Gleiche gilt für jeden, der Vermögenstitel in nominalen Werten, z.B. in Form von Sparguthaben oder festverzinslichen Wertpapieren, hält. Ein Teil der Verzinsung oder mehr wird durch die Preissteigerungen aufgezehrt. Sind die Preissteigerungen größer als die Verzinsung, verschlechtert sich die Vermögens lage sogar real, da der Vermögensbesitzer am Ende für seine Ersparnisse weniger Güter erwerben kann als zu Beginn der Periode. Preisseigerungen erschweren darüber hinaus die längerfristige Planung der Wirtschaftssubjekte, binden also unnötigerweise volkswirtschaftliche Ressourcen für Absicherungsstrategien (Umbuchungen vom unverzinslichen Sichtkonto auf eine verzinsliche Anlageform, Vertragsgestaltung mit Gleitklauseln oder kürzeren Vertragslaufzeiten, ... ). Bei sehr hohen Inflationsraten werden die Wirtschaftssubjekte das zunehmend wertlosere einheimische Geld durch ,andere Zahlungsmittel', wie Gold oder Devisen, ersetzen, so dass die bisherige Geldwirtschaft in ihrer Funktionsfähigkeit bedroht ist. Für die Bundesrepublik Deutschland wurden 1973/74 die maximalen Preisniveausteigerungsraten in einer Größenordnung von knapp 7 v.H. jährlich registriert, was immer noch deutlich von den Inflationsraten entfernt ist, wie sie teilweise im Ausland erreicht wurden. Diese erreichten in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre in lateinamerikanischen Ländern oder Israel Größenordnungen von über 50 v.H. jährlich, was dort schwierige Probleme für die Funktionsfähigkeit der Volkswirtschaften erzeugte. Konjunkturelle Schwankungen sollten aus den aufgeführten Gründen so weit wie möglich vermieden werden. Über die 'richtige' Wirtschaftspolitik, die dieses Ziel am ehesten erreichen kann, herrschen zwischen überwiegend 'neoklassischen' und eher 'keynesianischen' Ökonomen unterschiedliche Auffassungen. Aber selbst bei einer optimalen Wirtschaftspolitik muss man davon ausgehen, dass in unserer Wirtschaftsordnung ein gewisses Ausmaß an konjunkturellen Schwankungen übrig bleibt.

Kontrollfragen l. Von welchen Faktoren wird die Höhe des gesamtwirtschaftlichen Angebots beeinflusst? Unter welchen Umständen kommt es zu einer Erhöhung des gesamtwirtschaftlichen Angebots?

2. Unter welchen Bedingungen verläuft die gesamtwirtschaftliche Angebotskurve senkrecht bzw. positiv geneigt? 3. Von welchen Faktoren wird die Höhe der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage beeinflusst? Unter welchen Umständen kommt es zu einer Erhöhung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage?

Kontrollfragen und Literatur zu Kapitel 6

141

4. Aus welchen Gründen kann die gesamtwirtschaftliche Nachfragekurve einen fallenden Verlauf haben? Welche Sonderverläufe können auftreten? 5. Erläutern Sie, durch welche Anpassungsprozesse nach neoklassischer Sichtweise die Wirtschaft nach einem Nachfragerückgang am Gütermarkt wieder ins Gleichgewicht zurück kehrt. 6. Vergleichen Sie die Inflationsauslöser in neoklassischer und keynesianischer Sichtweise. 7. Unter welchen Umständen kann es nach der keynesianischen Sichtweise zu einer anhaltenden Arbeitslosigkeit kommen? 8. Welche zwei Wege können aus der keynesianischen Arbeitslosigkeit prinzipiell herausführen? Welchen Weg empfehlen die keynesianischen Ökonomen und warum? 9. Was versteht man unter einem Wachstum auf des Messers Schneide? 1O.Wie müssten sich die Wachstumsrate des realen Bruttoinlandsprodukts, die Änderungsrate des Preisindex für die Lebenshaltung und die Arbeitslosenquote im Konjunkturzyklus entwickeln. In welcher Weise weicht die reale Entwicklung davon ab?

Weiterführende Literatur zu Kapitel 6 Die nach Kapitell empfohlenen Gesamtdarstellungen enthalten weiterführende Grundrisse der Makroökonomie. Für die Vertiefung eignen sich folgende Standardwerke: Mankiw, N. G.: Makroökonomik, 5. Aufl., Stuttgart, 2003 Siebke, J./Thieme, H. 1.: Einkommen, Beschäftigung, Preisniveau, in: Vahlens Kompendium der Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik, Hrsg. Bender, D. u.a., Bd. 1,8. Aufl., München, 2003 Eine Analyse der jeweils aktuellen konjunkturellen Situation einschließlich einer Diskussion möglicher wirtschaftspolitischer Maßnahmen findet sich bei: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten (laufend).

7. Wirtschaftspolitik In Abschnitt 2.3. wurde bereits auf die Notwendigkeit staatlicher Eingriffe in einer Marktwirtschaft eingegangen. Diese Einflussnahme wird von verschiedenen Trägem ausgeübt. Es lassen sich grundsätzlich drei Ebenen unterscheiden, auf denen diese Einflussnahme vor sich geht. Zum einen können die Rahmenbedingungen, in denen sich der Wirtschaftsprozess abspielt, beeinflusst werden; man spricht dann von Ordnungspolitik. Zum anderen kann auf den Wirtschaftsprozess selbst eingewirkt werden, was als Prozesspolitik bezeichnet wird. Als dritte wichtige Kategorie ist die Strukturpolitik zu nennen, die auf die sektorale und/oder regionale Struktur einer Volkswirtschaft steuernd einzugreifen versucht. Wie bereits in Kapitel 6 besprochen, herrschen zwei unterschiedliche GrundeinsteIlungen bezüglich der wirtschaftspolitischen Strategie: eher neoklassisch orientierte Ökonomen betonen die Bedeutung des Ordnungsrahmens und lehnen eine weitgehende staatliche Einflussnahme auf den Wirtschaftsprozess als ineffektiv und mittelfristig kontraproduktiv ab. Die eher keynesianischen Ökonomen weisen dem Staat eine aktivere Rolle auch bei der Steuerung des Prozesses zu. Im Folgenden sollen die konkreten Träger, Ziele und Mittel der Wirtschaftspolitik in Deutschland und in der Europäischen Union kurz dargestellt und erläutert werden.

7.1. Träger der Wirtschaftspolitik Träger der Wirtschaftspolitik sind Organe, die wirtschaftspolitische Ziele setzen und/oder Entscheidungen über den Einsatz wirtschaftspolitischer Mittel treffen. Es handelt sich dabei um jene Institutionen und Personen, die die Gesellschaft legitimiert hat, wirtschaftspolitische Entscheidungen zu treffen und durchzusetzen. Dazu gehören nationalstaatliche Instanzen wie z.B. die Parlamente und Regierungen von Bund, Länder und Gemeinden, aber auch in zunehmendem Maße supranationale Institutionen wie die Europäische Union und die Europäische Zentralbank.

7.2. Ziele der Wirtschaftspolitik

143

Zu den Trägem der Wirtschaftspolitik zählen ferner vom Gesetzgeber beauftragte Institutionen, wie das Bundeskartellamt, und Selbstverwaltungsorgane der Wirtschaft wie Industrie- und Handelskammern. Eine Systematisierung der Träger gibt Abb. 7-1.

Abb. 7-1: Träger der Wirtschaftspolitik

nationale

Staatlicher

Sektor (föderal aufgebaut)

- Legislative - Exekutive - u.U. auch Judikative

Nebengeordnete Träger

Intermediärer

Sektor mit öffentlicher Entscheidungsfunktion

z.B.

- EU - IWF - WTO

- EZB

- Kammern

- BfA - Bundeskartellamt - Bundesamt für Umwelt

Weitere Instanzen, die ohne eigene Entscheidungsbefugnis Einfluss auf den wirtschaftspolitischen Prozess zu nehmen versuchen, bezeichnet man dagegen als Akteure. Eine besondere Rolle spielen dabei für den Bereich der Tarifpolitik die Tarifvertragsparteien (Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände).

7.2. Ziele der Wirtschaftspolitik Wirtschaftspolitische Ziele werden aus gesellschaftspolitischen Oberzielen wie Freiheit, Sicherheit oder Gerechtigkeit heraus begründet. Für die Erreichung dieser Oberziele ist die ökonomische Wohlfahrt eine wichtige Voraussetzung. Deren Sicherung hängt wiederum von der Verfolgung verschiedener wirtschaftspolitischer Teilziele wie Wachstum, hoher Beschäftigungsstand, Preisniveaustabilität oder gerechte Einkommens- und Vermögensverteilung ab. Eine Übersicht über das Zielsystem gibt Abb. 7-2.

144

7. Wirtschaftspolitik

Abb. 7-2: Zielpyramide der Wirtschaftspolitik Gemeinwohl (Maximierung der gesellschaftlichen Wohlfahrt)

t Freiheit

I

t

Gerechtigkeit

i

I

T Sicherheit

i

i

Wohlstand (Maximierung der ökonomischen Wohlfahrt)

I

Stabilitätsziel

t

Hoher Beschäftigungsstand

I I

f Preisniveau· stabilität

Wachstumsziel

T Steigerung des realen Pro-KopfEinkommens ("quatitatives Wachsturn")

I I

T

Verbesserte Versorgung mit Kollektivgütern ("quantitatives Wachstum")

Slrukturziel

1

Förderung der Anpassungsflexbilität des Angebots

I I

I

Verteilungsziel

T

Angleichung regionaler Lohn-, Wohnund Freizeitwerte

T

i

Leistungsgerechtigkeit der Verteilung von Einkommen und Vermögen

Soziale Gerechtigkeit der Verteilung von Einkommen und Vermögen

Quelle: Berg, H.lCassel, D.lHartwig, K.-H.: Theorie der Wirtschaftspolitik, in: Vahlens Kompendium der Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik, 8. Aufl. Bd. 2, München 2003, S. 239

Eine gesetzliche Festlegung wirtschaftspolitischer Ziele erfolgte in Deutschland im Stabilitätsgesetz von 1967. Die Wirtschaftspolitik von Bund und Ländern ist verpflichtet, sich an diesen Zielen auszurichten. § 1 des Stabilitätsgesetzes lautet: "Bund und Länder haben bei ihren wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen die Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zu beachten. Die Maßnahmen sind so zu treffen, dass sie im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung gleichzeitig zur Stabilität des Preisniveaus, zu einem hohen Beschäftigungsstand und außenwirtschaftlichem Gleichgewicht bei stetigem und angemessenen Wirtschaftswachstum beitragen". Hinzu kommt das Ziel "gerechtere Einkommens- und Vermögensverteilung", das hier nicht ausdrücklich erwähnt wird, jedoch im Gesetz über die Bildung eines Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung von 1963 angeschnitten wird.

7.2. Ziele der Wirtschaftspolitik

145

Keines der wirtschaftspolitischen Ziele hat Priorität vor einem anderen. Es wird angestrebt, sie alle möglichst gleichzeitig zu erreichen, wobei sie oft als ,magisches Viereck' bezeichnet werden.

a) hoher Beschäftigungsstand (auch Vollbeschäftigung genannt) Unter hohem Beschäftigungsstand versteht man, dass jeder zu den herrschenden Marktbedingungen Arbeitswillige beschäftigt ist. Das Ziel wird nicht erst bei einer Arbeitslosenquote von 0 v.H. erreicht, sondern schon vorher, da auf einem freien Arbeitsmarkt u.a. stets eine gewisse Friktionsarbeitslosigkeit herrschen wird, die auf Arbeitsplatzwechsel zurückzuführen ist. Ein konkreter Wert, ab dem Vollbeschäftigung nicht mehr gegeben ist, ist nicht definiert, gleichwohl herrscht Einigkeit darüber, dass das Ziel des hohen Beschäftigungsstandes in Deutschland seit den späten siebziger Jahren deutlich verfehlt wird. Die Arbeitslosigkeit hat sich auch nach der Wiedervereinigung weiter erhöht. Die Ursachen hierfür, wie auch die Therapien, werden unterschiedlich gesehen, wie in Kap. 6 erläutert.

b) Preisniveaustabilität Unter Preisniveaustabilität wird nicht die absolute Konstanz aller Preise verstanden, sondern die Stabilität eines Preisdurchschnitts aller Güter. In einer stark arbeitsteiligen Wirtschaft gibt es immer Bereiche, die bei nur geringen Produktivitätsfortschritten und steigenden Lohnkosten ihre Preise erhöhen. In anderen Bereichen können dagegen auch bei steigenden Lohn- und/oder Kapitalkosten die Preise sinken, wenn der Produktivitätsfortschritt größer ist als die Kostensteigerungen, oder wenn z.B. niedrigere Gewinne in Kauf genommen werden. Preissteigerungen in einem Sektor können also gesamtwirtschaftlich durch Preissenkungen in einem anderen Bereich kompensiert werden. Gemessen wird die Preisniveaustabilität mit Hilfe eines Verbraucherpreisindexes. Eine repräsentative Auswahl von Gütern des täglichen Bedarfs wird, mit unterschiedlicher Gewichtung, zu einem Warenkorb zusammengefasst. Die Preisentwicklung dieses Warenkorbes wird als Indikator für die durchschnittliche Teuerungsrate (Inflationsrate) in einer Volkswirtschaft herangezogen. Während die Inflation in den siebziger und frühen achtziger Jahren in vielen westlichen Ländern ein großes Problem war, scheint sie heute weitgehend unter Kontrolle zu sein. Für den Euro-Raum verfolgt die EZB, die für die Erreichung des Ziels Preisniveaustabilität hauptverantwortlich ist, ein Inflationsziel von 2 v.H., das 2002 in den meisten Teilnehmerländer erfüllt wurde. In Abschnitt 7.4.2. werden die Instrumente, die ihr dabei zur Verfügung stehen, näher beleuchtet.

146

7. Wirtschaftspolitik

c) angemessenes Wirtschaftswachstum

Der Begriff des angemessenen Wirtschaftswachstum ist nicht einheitlich festgelegt. Zum einen gibt es tUr das Wirtschaftswachstum mehrere Maßstäbe. Man kann z.B. die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts oder die des Bruttooder Nettonationaleinkommens betrachten. Man kann aber auch diese Größen auf die Bevölkerungszahl (BIPlKopf oder NNElKopf) oder auf die Arbeitsstunden beziehen (NNE/Arbeitsstunde). Im internationalen Vergleich wird meist vom Bruttoinlandsprodukt je Kopf der Bevölkerung ausgegangen. Zum anderen lässt sich kaum bestimmen, was unter ,angemessen' zu verstehen ist. Die jährliche Zunahme des Inlandsprodukts hängt stark von den verfügbaren Produktionsfaktoren und dem Entwicklungsstand einer Volkswirtschaft ab, wobei im Zuge der wirtschaftlichen Entwicklung die Wachstumsraten in der Regel erst zu- und dann abnehmen. Hochentwickelte Volkswirtschaften wie Deutschland haben seit Jahren mit einer Wachstumsschwäche zu kämpfen, mit jährlichen Zuwachsraten von teilweise unter 1 v.H .. d) außenwirtschaftliches Gleichgewicht

Das Ziel außenwirtschaftliches Gleichgewicht gilt als erreicht, wenn die Preisniveaustabilität, das Wirtschaftswachstum und die Beschäftigungssituation im Inland nicht durch die internationalen Wirtschaftsbeziehungen beeinträchtigt werden. Mögliche Indikatoren datUr sind eine ausgeglichene Devisenbilanz, eine ausgeglichene Leistungsbilanz oder ein Anteil des Außenbeitrags von 1-2 v.H. am Bruttoinlandsprodukt. e) gerechtere Einkommen- und Vermögensverteilung

Eine gerechtere Einkommens- und Vermögensverteilung ist das umstrittenste Ziel. Eine rein ökonomische, wertungsfreie Aussage über das, was als ,gerecht' zu bezeichnen ist, ist nicht möglich. Gerechtigkeit lässt sich unter verschiedenen Aspekten betrachten, Z.B. als Startgerechtigkeit, Leistungsgerechtigkeit und Bedarfsgerechtigkeit. Startgerechtigkeit herrscht dann, wenn jedem Bürger die gleichen Bedingungen tUr den Eintritt in den Wirtschaftsprozess eingeräumt werden. Leistungsgerechtigkeit heißt: höhere Leistung bringt höheres Entgelt. Die Bedarfsgerechtigkeit nimmt auf soziale Aspekte Rücksicht. Einem kinderreichen Familienvater werden z.B. weniger Steuern auf sein Einkommen als einem kinderlosen Junggesellen abverlangt. Trotz dieser Definitionsschwierigkeiten hat die Verfolgung des Zieles gerechtere Einkommens- und Vermögensverteilung in Deutschland eine lange Tradition, die bis auf Reichskanzler Otto von Bismarck (1815-1898) zurückreicht. Alle drei Gerechtigkeitsbegriffe finden dabei Anwendung: die Leis-

7.3.0rdnungspolitik

147

tungsgerechtigkeit ist bereits ein wesentliches Merkmal der Marktwirtschaft: sie schlägt sich z.B. in der Lohnspreizung innerhalb einer Volkswirtschaft und im freien Unternehmertum nieder. Zur Startgerechtigkeit trägt z.B. das kostenlose Schulwesen bei. Die Bedarfsgerechtigkeit wird mit gezielten fiskalischen Maßnahmen verfolgt, wie z.B. unterschiedliche Einkommensteuersätze für ledige und verheiratete, oder mit Umverteilungsmaßnahmen, wie das Kindergeld oder die Sozialhilfe. j) Beziehungen zwischen Zielen

Werden mehrere Ziele gleichzeitig verfolgt, so sind die Beziehungen zwischen ihnen zu beachten. Es können grundsätzlich folgende Zielbeziehungen bestehen: I. Zielkonflikt: Die Ziele stehen derart in Konkurrenz miteinander, dass die Verwirklichung des einen Ziels ein Zurückstecken bei einem anderen erfordert. Im Extremfall sind die Ziele unvereinbar.

11. Zielkomplementarität: Die Erreichung des einen Ziels fördert gleichzeitig die Erreichung des zweiten Ziels. Im Extremfall ergibt sich eine Zielidentität. Ein Beispiel für einen Zielkonflikt scheint der oft diskutierte Zusammenhang zwischen Vollbeschäftigung und Preisniveaustabilität zu sein. Maßnahmen, die der Preisniveaustabilität dienen, z.B. Nachfragedämpfung, können die Vollbeschäftigung gefährden. Zielkomplementarität liegt dagegen z.B. dann vor, wenn gleichzeitig Vollbeschäftigung und maximales Bruttoinlandsprodukt angestrebt werden. Im Folgenden sollen die Mittel der Wirtschaftspolitik, in den drei oben genannten Kategorien unterteilt, dargestellt werden.

7.3.0rdnungspolitik Unter Wirtschaftsordnung versteht man die Gesamtheit aller Normen, Regelwerke und Organisationen, die Aufbau und Ablauf der Wirtschaft ordnen. Sie gibt die Rahmenbedingungen für das tägliche Handeln der Akteure vor (siehe auch Abschnitt 1.2.). Die Festlegung und Überprüfung dieses institutionellen und organisatorischen Rahmens ist Aufgabe der Ordnungspolitik. Mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland ist bereits die grundsätzliche Entscheidung für eine soziale Marktwirtschaft getroffen worden. Damit

148

7. Wirtschaftspolitik

fällt dem Staat die Aufgabe zu, die Funktionsvoraussetzungen rur eine Marktwirtschaft zu sichern. Zu diesen gehören vor allem eine funktionsfähige Eigentums-, Geld- und Wettbewerbsordnung. Privates Eigentum verschafft den Eigentümern Verrugungsrechte über Güter und ist damit notwendige Voraussetzung rur dezentrale Kauf- und Verkaufsentscheidungen der Wirtschaftssubjekte. Wertstabiles Geld ist als ,Schmierstoff der Austauschprozesse unerlässlich und ein fairer Wettbewerb soll schließlich darur sorgen, dass die mit den Tauschprozessen verbundenen Vorteile nicht einseitig einer Marktseite zu Gute kommen. Da unser Leitbild die ,soziale' Marktwirtschaft ist, sollen Allokation und Distribution aber nicht in allen Fällen über Märkte geregelt werden. Wenn nämlich die reinen Marktergebnisse als unsozial oder aus anderen Gründen als unbefriedigend empfunden werden, soll der Staat korrigierend eingreifen. Deshalb stellt der Staat u.a. seinen Bürgern öffentliche Güter (vgl. Abschnitt 2.3.1.) bereit oder beschränkt ihre Handlungsspielräume durch Regulierung zum Schutze der Umwelt. In welchen Teilmärkten und in welchem Umfang die marktwirtschaftlichen Regeln eingeschränkt werden sollen, ist sowohl in der Fachwissenschaft wie in der Politik stark umstritten. Die Ordnungspolitik hat sehr viele Facetten, die hier nur an zwei Bespielen verdeutlicht werden können. Einen herausragenden Platz innerhalb der Ordnungspolitik nimmt die Regelung des Wettbewerbs ein, die sich seit 1957 im sogenannten ,Grundgesetz der Marktwirtschaft', dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) findet. Mit den Regelungen soll der freie Wettbewerb, die wichtigste Funktionsvoraussetzung der Marktwirtschaft, vor künstlichen Wettbewerbsbeschränkungen geschützt werden. Daher ist die Bildung von Kartellen, d.h. die Einschränkung des Wettbewerbs durch Absprachen zwischen Konkurrenten, prinzipiell verboten. Große Unternehmen, die Marktmacht besitzen, dürfen diese nicht missbräuchlich zu ihren Gunsten ausnutzen. Allerdings ist es rur das Bundeskartellamt, die fiir die Überwachung des Wettbewerbs zuständige Behörde, sehr schwer, den Firmen eine missbräuchliche Ausnutzung der Marktmacht nachzuweisen. Die Wettbewerbspolitik konzentriert sich daher in neuerer Zeit darauf, die Bildung von Marktmacht zu verhindern. Als wichtigstes Instrument dient hierzu die vorbeugende Fusionskontrolle. Bis Ende 2000 hat das Bundeskartellamt 131 Unternehmenszusammenschlüsse untersagt. Allerdings hat es nicht in allen Fällen die Fusion verhindern können, da der Bundeswirtschaftsminister als übergeordnete Instanz in einigen Fällen eine Ausnahmegenehmigung erteilt hat. Die Alterssicherung ist der zweite ordnungspolitische Teilbereich, auf den kurz eingegangen wird. Hält sich der Staat hier völlig zurück, müssen die Bürger Eigenvorsorge tragen, d.h. in ihrer Erwerbsphase Vermögen bilden, dass sie später im Ruhestand aufzehren. Man spricht dann von einer Alterssicherung

7.3.0rdnungspolitik

149

nach dem Kapitaldeckungsprinzip. Dabei können die Bürger in einer Marktwirtschaft natürlich die Dienstleistungen der Versicherungswirtschaft in Anspruch nehmen, die ihnen Z.B. durch den Verkauf von Lebensversicherungspolicen die Aufgabe erleichtert. Ein solches System kann allerdings nicht allen Personen Sicherung bieten. Manche haben in ihrer Erwerbsphase nicht genug Einkommen, um für das Alter vorzusorgen, andere sind zu kurzsichtig, um dies auch zu tun. Darüber hinaus kann es passieren, dass das für die Alterssicherung geplante Vermögen vernichtet wird. In Deutschland ist dies jeweils nach den Weltkriegen passiert. Für abhängig beschäftigte Arbeiter ist daher bereits 1889 als Alternative ein staatliches Alterssicherungssystem nach dem Umlageprinzip eingerichtet worden. Dabei zahlt die aktive Generation Rentenbeiträge, die abhängig von ihrem Einkommen sind, und die an die inaktive Generation als Renten ausgezahlt werden. Über viele Jahrzehnte hat dies System gut funktioniert. Die anhaltende Arbeitslosigkeit auf der einen Seite und die demographische Entwicklung auf der anderen Seite haben heute aber die Funktionsfahigkeit in Frage gestellt. Die Arbeitslosigkeit hat dazu geführt, dass die Zahl der Aktiven tendenziell verringert wurde und ihre Einkommen langsamer gestiegen sind, mit negativen Konsequenzen für die Beitragssumme in der Rentenversicherung. Der Trend zur Frühverrentung bei gleichzeitig steigender Lebenserwartung hat auf der anderen Seite die Ausgaben der Rentenversicherung in die Höhe getrieben. Sollten die Einnahmen den Ausgaben angepasst werden, müssten die Beitragssätze stark ansteigen, von den Anfang der 90er Jahre herrschenden Regelungen ausgehend auf etwa 40 v.H. Dies hätte zu einer Überlastung der ,Jungen' zu Gunsten der ,Alten' geführt. In verschiedenen Rentenreformen wurden daher Schritte eingeleitet, die zu einer Neujustierung der Belastung der aktiven und der inaktiven Generation führen sollen. Dazu gehören auf der einen Seite moderat steigende Beitragssätze und auf der anderen ein höheres Rentenzugangsalter und geringere Renten ergänzt durch stärkere freiwillige Eigenvorsorge nach dem Kapitaldeckungsprinzip. Viele ordnungspolitische Regelungskompetenzen sind in den letzten Jahren von den nationalen Trägern der Wirtschaftspolitik auf die übergeordneten Institutionen der Europäischen Union übergegangen. Wichtige Beispiele sind die Schaffung einer Europäischen Zentral bank, welche die geldpolitischen Aufgaben der Deutschen Bundesbank übernommen hat, die Bestimmungen zur Ordnung des europäischen Agrarmarktes oder die Regelungen zum gemeinsamen Binnenmarkt, der seit 1993 verwirklicht ist. Auch in der Wettbewerbspolitik gewinnen europäische Regelungen zunehmend an Bedeutung. Ihre Anwendung obliegt insbesondere der Generaldirekti-

7. Wirtschaftspolitik

150

on Wettbewerb, die ein Teilbereich der Europäischen Kommission ist. Zusätzlich zu den traditionellen Betätigungsfeldern wie Kartellverbot, Fusionskontrolle und Missbrauchsaufsicht kontrolliert sie auch das staatliche Handeln, Z.B. bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen oder Subventionen.

7.4. Prozesspolitik Von Prozesspolitik spricht man, wenn die zuständigen Träger in den laufenden wirtschaftlichen Prozess eingreifen und versuchen, ihn in die gewünschte Richtung zu lenken. Die beiden wichtigsten Träger der Prozesspolitik sind die staatlichen Institutionen sowie die Europäische Zentralbank. Beide sollen im Folgenden in ihrem Wirken näher untersucht werden.

7.4.1. Fiskalpolitik Fiskalpolitik bezeichnet den Einsatz der Einnahmen und Ausgaben der öffentlichen Haushalte zur Erreichung stabilitätspolitischer Ziele. Sie wird vor allem von keynesianisch orientierten Ökonomen als notwendig gesehen. Träger der Fiskalpolitik sind die Institutionen, die über Einnahmen und Ausgaben der öffentlichen Haushalte entscheiden, also die Parlamente und Regierungen von Bund, Ländern und Gemeinden. Diese versuchen, durch eine Variation des Umfangs bzw. der Struktur ihrer Einnahmen und Ausgaben auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage einzuwirken.

a) Wirkungsweise Einnahmen und Ausgaben der öffentlichen Haushalte werden im Haushaltsplan, auch Budget genannt, zusammengestellt. Sieht man von den in Abschnitt 2.3. beschriebenen Einzelheiten ab, dann haben Budgets die in Abb. 7-3 dargestellte Grundstruktur.

Abb. 7-3: Struktur eines staatlichen Haushaltsplans Ausgaben

Einnahmen Staatsnachfrage G

Steuereinnahmen T Kreditaufnahme D

Budgetvolumen

Budgetvolumen

7.4. Prozesspolitik

151

Zur Staatsnachfrage gehören die staatlichen Ausgaben tUr Endprodukte und die Bezahlung der im staatlichen Sektor Beschäftigten. Gemeinsam mit dem Konsum der privaten Haushalte und den Investitionen der Unternehmen bilden sie in einer geschlossenen Volkswirtschaft die gesamtwirtschaftliche Nachfrage. (7.1)

GN=C+/+G

Veränderungen der Staatsnachfrage beeinflussen daher unmittelbar die gesamtwirtschaftliche Nachfrage. Allerdings muss bedacht werden, dass Veränderungen der Staatsnachfrage auch Auswirkungen auf die anderen Komponenten der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage haben können. Darüber hinaus erfordern Ausgabenänderungen auch zwingend Veränderungen auf der Einnahmeseite, die wiederum mit Auswirkungen auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage verbunden sein können. Dies soll am Beispiel einer gewünschten Erhöhung der Nachfrage verdeutlicht werden. Eine solche fiskalpolitische Maßnahme ist aus keynesianischer Sicht in einer Unterbeschäftigungssituation erforderlich. Angenommen, die in Abb. 6-12 ausgewiesene Nachfragelücke (=Angebotsüberschuss) hat den Wert von 5 Mrd. Euro und der Staat strebt an, zusätzliche Nachfrage in dieser Höhe anzuregen, Z.B. durch den Bau einer zusätzlichen Autobahn. Seine eigene zusätzliche Staatsnachfrage darf nun nicht 5 Mrd. Euro betragen, weil sie eine Art Kettenreaktion bei den Konsumenten auslöst. Der Autobahnbau schafft Einkommen bei den am Bau beteiligten Firmen und ihren Beschäftigten. Ein Teil des zusätzlichen Einkommens wird gespart, ein anderer Teil tUr zusätzliche Konsumausgaben verwendet. Damit bekommt GN einen zusätzlichen Impuls. Erneut steigt das Einkommen und der Konsum, wenn auch jetzt in abgeschwächtem Maße. Diese Kettenreaktion nennt man Multiplikatorprozess. Er transformiert Z.B. bei einem Multiplikator von 5 eine Erhöhung der Staatsnachfrage um 1 Mrd. Euro in zusätzliche Gesamtnachfrage von 5 Mrd. Euro. In Tabelle 7-1 wird der Multiplikator-Effekt anhand einer solchen Staatsausgabenerhöhung um 1 Mrd. EUR beispielhaft demonstriert. Dabei wird von einer marginalen Konsurnneigung von 0,8 ausgegangen. D.h., die Wirtschaftssubjekte geben von jedem Euro, den sie zusätzlich verdienen, 80 Cent aus und sparen die restlichen 20. In diesem Falle hat die Staatsausgabenerhöhung eine tUnffache gesamtwirtschaftliche Einkommenserhöhung bewirkt, wobei die marginale Konsurnneigung eine entscheidende Rolle spielt: je höher sie ist, desto größer der Multiplikator. Allerdings muss jetzt noch bedacht werden, wie die zusätzliche Staatsnachfrage finanziert wird. Zur Auswahl steht zum einen eine Erhöhung der Steuern, zum anderen eine Kreditfinanzierung.

7. Wirtschaftspolitik

152

Tabelle 7-1: Multiplikator-Effekt Nachfragesteigerung

Einkommenssteigerung

Erhöhung der Staatsausgaben

+ I Mrd. EUR

+ I Mrd. EUR

Erhöhung der Konsumausgaben

+ 0,8 Mrd. EUR

+ 0,8 Mrd. EUR

Erhöhung der Konsumausgaben

+ 0,64 Mrd. EUR

+ 0,64 Mrd. EUR

Erhöhung der Konsumausgaben

+ 0,51 Mrd. EUR

+ 0,51 Mrd. EUR

Erhöhung der Konsumausgaben

+ '" Mrd. EUR

+... Mrd. EUR

1 1-0,8

Gesamteffekt: - - ' I Mrd. EUR = 5 Mrd. EUR

Werden z. B. die Einkommensteuern um 1 Mrd. Euro erhöht, sinkt das verfügbare Einkommen der Haushalte und diese werden den Konsum einschränken. Das löst nun negative Multiplikatoreffekte auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage aus, wodurch die eben beschriebenen positiven Multiplikatoreffekte abgeschwächt, aber nicht aufgehoben werden. Die Steuererhöhung wird nämlich nicht nur durch Kürzung der Konsumausgaben, sondern auch durch Verringerung der Ersparnis finanziert. Bleibt die Aufteilung 4:1, wie in Tabelle 7-1 unterstellt, geht in unserem Beispiel der Konsum (die Ersparnis) um 0,8 Mrd. (0,2 Mrd.) Euro zurück. Bei einem Multiplikator von 5 ergibt die Steuerfinanzierung eine Nachfragesenkung von insgesamt 4 Mrd. Euro. Wird die Staatsnachfrage alternativ durch Kreditaufnahme finanziert, so bleibt der Konsum konstant. Bei gegebenem Kreditangebot wird es aber zu Zinssteigerungen kommen, die ihrerseits einen Rückgang der Investitionstätigkeit bewirken und auf diese Weise die gesamtwirtschaftliche Nachfrage schwächen. Die Stärke dieses Effekts ist nicht leicht zu kalkulieren, kann im Extremfall aber die Erhöhung der Staatsnachfrage aufheben. Durch den gezielten Einsatz von expansiven (positiver Multiplikator) und kontraktiven (negativer Multiplikator) fiskalpolitischen Maßnahmen erhoffen sich keynesianisch orientierte Ökonomen eine genaue Steuerung des Wirtschaftsprozesses, die vor allem auf die Glättung der in 6.5. beschriebenen Konjunkturschwankungen gerichtet sein soll (antizyklische Fiskalpolitik). So soll der Staat in Abschwungphasen durch kreditfinanzierte Staatsausgabenerhöhungen (dejicit spending) die Wirtschaft wieder ,in Schwung bringen' und für Wachstum und Vollbeschäftigung sorgen. In Boomphasen soll er dagegen seine Ausgaben zurückfahren, die in der Rezession entstandenen Schulden begleichen oder vorausschauend eine Konjunkturausgleichsrücklage aufstocken. Auf

7.4. Prozesspolitik

153

diese Weise kann er gleichzeitig den inflationären Tendenzen einer Boomphase entgegenwirken. Das Vertrauen auf die Feinsteuerungsmöglichkeiten der Fiskalpolitik war vor allem in den sechziger Jahren weit verbreitet und fand in Deutschland im erwähnten Stabilitätsgesetz von 1967 seine rechtliche Fixierung. Grundannahme dieses Gesetztes ist, dass der Staat festgelegte Ziele, die dann Jahr für Jahr in den Zielprojektionen genau quantifiziert werden, mittels geeigneter Maßnahmen anstreben und erreichen kann. Im Verlauf der siebziger und achtziger Jahren schwand allerdings dieses Vertrauen zusehends. Mehrere Probleme wurden deutlich: • Die Möglichkeit der Anvisierung genauer Ziele erwies sich als Trugschluss. Das wirtschaftliche System eines Landes ist hochkomplex und es gibt vielfältige Determinanten der konjunkturellen Entwicklung, so dass eine punktgenaue Steuerung unmöglich ist. • Die Konjunkturpolitik kann nur kurzfristige Nachfrageschwächen ausgleichen. Sind die Probleme ordnungspolitischer oder struktureller Art, bleibt sie weitgehend wirkungslos. Es sind aber letztere, die seit den siebziger Jahren als hauptverantwortlich für die wirtschaftlichen Schwierigkeiten Deutschlands gelten. • Ein großes Problem der antizyklischen Fiskalpolitik stellen die sogenannten time-Iags dar: Ehe ein konjunkturpolitischer Handlungsbedarf erkannt wird, entsprechende Maßnahmen in den Kabinetten und/oder Parlamenten debattiert und verabschiedet werden, und diese Maßnahmen schließlich ihre Wirkung entfalten, können u.U. Jahre vergehen. Es ist dann möglich, dass sich die Konjunktur in einem völlig anderen Zustand befindet und einer genau entgegengesetzten Maßnahme bedarf. So ist es denkbar, dass eine kontraktive fiskalpolitische Maßnahme erst mitten in einer Rezession ihre Wirkung voll entfaltet und die Probleme sogar noch verschärft. • Obwohl die Staatsausgaben mittlerweile fast die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts betragen, ist die tatsächliche Manövriermasse für fiskalpolitische Maßnahmen klein. Ein Großteil der Ausgaben ist langfristig festgelegt und kurzfristig nicht beeinflussbar, wie Personalkosten in der öffentlichen Verwaltung, Zinszahlungen, Verteidigungsausgaben, Sozialleistungen. Es verbleiben vor allem die Investitionsausgaben, die relativ kurzfristig erhöht oder gesenkt werden können. Hier ist allerdings zu berücksichtigen, dass ein Großteil davon von den Gemeinden getätigt wird. Diese sind aber aufgrund gesetzlicher Vorschriften bezüglich der kommunalen Finanzen wesentlich beschränkter in Bezug auf ihre Einnahmen- und Ausgabenpolitik und tätigen ihre Ausgaben tendenziell proportional zu den Steuereinnahmen. Ihre Ausgabenpolitik ist also oftmals eher prozyklisch.

154

7. Wirtschaftspolitik

• Eine antizyklische Fiskalpolitik verlangt ein hohes Maß an haushaltspolitischer Disziplin. Insbesondere müssen in Boomphasen staatliche Ausgaben zurückgefahren werden, eventuelle Schulden beglichen oder Konjunkturausgleichsrücklagen gebildet werden. Es ist aber politisch leichter, neue Staatsausgaben einzuführen, als solche zurückzunehmen, da der Widerstand der betroffenen Interessengruppen i.d.R. sehr hoch ist. So wurde in der Praxis diese kontraktive Seite der Fiskalpolitik selten durchgesetzt und die expansiven fiskalpolitischen Programme trieben in den siebziger Jahren die Staatsverschuldung in die Höhe. Neben diesen praktischen Problemen ist die Wirkungsweise der antizyklischen Fiskalpolitik auch theoretisch umstritten. Klassisch orientierte Ökonomen bezweifeln die nachfragesteigernde Wirkung kreditfinanzierter Staatsausgabenerhöhungen: diese haben Zinssteigerungen auf den Kapitalmärkten zur Folge und verdrängen somit private Investitionen, die nun unrentabler werden (crowding-out). Außerdem durchschauen rationale Wirtschaftssubjekte die kreditfinanzierte Ausgabenpolitik des Staates: aus Angst vor künftigen Steuererhöhungen zur Finanzierung der gestiegenen Staatsverschuldung lassen sie ihre Konsumausgaben konstant, so dass die ,Initialzündung' des Staates verpufft. b) Instrumente

Die geplanten Einnahmen und Ausgaben des Bundes, der Länder und Gemeinden werden jeweils für das kommende Jahr per Haushaltsplan, der Gesetzescharakter hat, festgelegt. Die Einnahmen setzen sich dabei im wesentlichen aus Steuern und Kreditaufnahme zusammen (vgl. Abschnitt 2.3.). Eine Variation der Steuereinnahmen ist durch eine Änderung der Besteuerungsgrundlagen und der Steuers ätze möglich. Normalerweise bedarf es dazu eines Gesetzes. Gesetzgebungsverfahren sind jedoch langwierig und daher für eine schnelle Reaktion auf konjunkturelle Änderungen wenig geeignet. Aus diesem Grunde ist im Stabilitätsgesetz dem Bund die Möglichkeit eingeräumt, durch Rechtsverordnung die Sätze der Einkommen- und Körperschaftssteuer um ± 10 v.H. zu variieren und die steuerlichen Abschreibungssätze zu ändern. Die öffentliche Kreditaufnahme wird ebenfalls durch das jeweilige Haushalts gesetz festgelegt. Auch hier gestattet das Stabilitätsgesetz bei konjunktureller Notwendigkeit Ausnahmen. Der Bundesfinanzminister kann in Zeiten des Konjunkturrückgangs über die im Haushaltsgesetz erteilten Ermächtigungen hinaus Kredite aufnehmen. Gemäß den Maastricht-Kriterien darf aber die Nettoneuverschuldung in einem Jahr maximal 3 v.H. des Bruttoinlandsprodukts

7.4. Prozesspolitik

155

betragen. Eine Kreditgewährung der EZB an die öffentlichen Haushalte ist untersagt. Auf der Ausgabenseite kann der Staat Höhe und Struktur der Staatsausgaben verändern. Das Stabilitätsgesetz sieht z.B. Möglichkeiten zur Beschleunigung von öffentlichen Investitionsvorhaben vor oder auch dämpfende Maßnahmen, wie die Streckung öffentlicher Bauvorhaben oder die Stillegung von öffentlichen Haushaltsmitteln bei der Zentralbank im Rahmen der Konjunkturausgleichsrücklage. 7.4.2. Geldpolitik Mit der Geldpolitik werden die zur Abwicklung des Wirtschaftsprozesses erforderlichen monetären Transaktionen beeinflusst. In der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion obliegt die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank. Ihre Aufgaben und Kompetenzen sind im Vertrag von Maastricht festgelegt. Aufgabe der EZB ist es, den Geldumlauf und die Kreditversorgung der Wirtschaft zu steuern, um die Währung zu sichern, d.h. Preisniveaustabilität zu gewährleisten. Sofern dies das Hauptziel der Währungssicherung nicht gefährdet, unterstützt die EZB darüber hinaus die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Europäischen Gemeinschaft (Art. 105 (1) EGV). Bei der Durchfiihrung der Geldpolitik, d.h. beim Einsatz ihres geldpolitischen Instrumentariums, ist die EZB aber von Weisungen der nationalen Regierungen und der Europäischen Kommission unabhängig. a) Wirkungsweise Das Zusammenspiel von Geldangebot und -nachfrage, die beide bereits in Kapitel 5 vorgestellt wurden, ist keineswegs statisch. Durch seine Entscheidungen greift vielmehr der Träger der Geldpolitik, die Zentralbank, laufend inden wirtschaftlichen Prozess ein und versucht, das Verhalten der Kreditinstitute und Nichtbanken so zu beeinflussen, dass die Erfiillung ihrer Aufgaben gewährleistet ist. Die Zentralbank hat zwar in modemen Volkswirtschaften das Geldausgabemonopol, sie kann aber die Geldmenge aufgrund der Möglichkeit der Buchgeldschöpfung nur begrenzt steuern. Zur Steuerung kann sie sowohl die Geldmenge, als auch den Preis des Geldes, also den Geldmarktzins, beeinflussen. Erhöht die Zentralbank die Geldmenge, so erweitert sie den Liquiditätsspielraum in der Volkswirtschaft. Die wirtschaftlichen Aktivitäten sind nun leichter zu finanzieren. Man spricht, analog zu Fiskalpolitik, von einer expansiven

156

7. Wirtschaftspolitik

Maßnahme. Zur Beeinflussung der Geldmenge stehen der EZB Instrumente wie Offenmarktgeschäfte oder die Variation der Mindestreservesätze zur Verfügung, die weiter unten besprochen werden. Daneben hat die Zinspolitik eine große prozesspolitische Bedeutung: Senkt die Zentralbank im Rahmen einer expansiven Politik den Zins, zu dem sich die Kreditinstitute bei ihr refinanzieren können, können diese ihren Kunden wiederum günstigere Zinskonditionen rur Kredite gewähren. Auf diese Weise werden Konsumentenkredite und vor allem Kredite rur Investitionen billiger, so dass mehr davon getätigt werden, da sich nun eine größere Zahl von ihnen rentiert. Die geldpolitische Maßnahme hat somit realwirtschaftliche Auswirkungen: die gesamtwirtschaftliche Nachfrage steigt, zieht eine Produktionssteigerung nach sich und ruhrt so zu einer Erhöhung des Inlandsprodukts. Umgekehrt kann die Zentralbank auch zu kontraktiven geldpolitischen Maßnahmen greifen, vor allem dann, wenn Inflation droht. Durch eine Zinserhöhung bzw. eine Geldmengenreduktion wirkt sie dämpfend auf die Konsum- und Investitionsnachfrage der Wirtschaftssubjekte ein. Diese geringere gesamtwirtschaftliche Nachfrage bremst dann auf dem Gütermarkt den Preisniveauanstieg. b) Ziele und Strategie

Das im Vertrag von Maastricht festegelegte Hauptziel Preisniveaustabilität wird von der EZB mit einer jährlichen Inflationsrate von maximal 2 v.H. quantifiziert. Um es sicherzustellen, verfolgt sie eine auf zwei ,Säulen' basierende Strategie. Dabei wird das Hauptziel nicht direkt angestrebt, sondern es wird zunächst ein besser kontrollierbares Zwischenziel, das Wachstum der Geldmenge im Euro-Raum (erste Säule), zugrunde gelegt. Darüber hinaus wird die konjunkturelle Situation, insbesondere die Inflationsentwicklung, anhand verschiedener Indikatoren überwacht (zweite Säule). Die Steuerung der Geldmengenentwicklung steht an erster Stelle, da diese langfristig einen engen Zusammenhang mit der Inflationsrate hat. Die EZB veröffentlichte 1998 als Zielwert rur das jährliche Wachstum des Geldmengenaggregates M3 (vgl. Abschnitt 5.3.4.) 4,5 v.H. Das bedeutet, dass die Geldmenge M3 jährlich um 4,5 v.H. wachsen soll, um die Preisniveaustabilität nicht zu gefährden. Eine Überschreitung dieses Ziels, wie sie besonders 2002 zu verzeichnen war, ruhrt allerdings nicht automatisch zu korrigierenden geldpolitischen Maßnahmen seitens der EZB. Anband der zweiten Säule erfolgt eine Beurteilung, ob tatsächlich Inflationsrisiken vorliegen. Im Rahmen dieser zweiten Säule wird ein Bündel von Indikatoren beobachtet, wie Lohnentwicklung, Wechselkurse, Kapitalmarktzinsen, Preisindizes, Branchen- und Verbraucherumfragen, die Aufschluss über Preisniveautendenzen geben können. Bestätigen diese

7.4. Prozesspolitik

157

Indikatoren das Inflationsrisiko nicht, so kann die EZB die Überschreitung des Geldmengenziels nicht nur tolerieren, sondern sogar zu expansiven geldpolitischen Maßnahmen in Zeiten zu starken Geldmengenwachstums greifen. Dies geschah z.B. in den Jahren 2001/2002, als trotz deutlicher Überschreitung des Geldmengenziels die Leitzinsen wiederholt gesenkt wurden. c) Instrumente

Im Zentrum der geldpolitischen Operationen steht der Geldmarkt. Auf diesem tätigen Kreditinstitute untereinander und mit der Zentralbank geldpolitische Geschäfte, wie das Ver- und Ausleihen von Zentralbankgeld oder Käufe und Verkäufe von Wertpapieren gegen Zentralbankgeld. Die Zentralbank kann nicht alle Preise (Geldmarktsätze) und Transaktionen auf diesem Markt bestimmen. Ihr stehen aber eine Reihe von Instrumenten zur Verfügung, mit Hilfe derer sie das Marktgeschehen entscheidend beeinflussen und das Geldangebot steuern kann. ()Jrenmarktgeschäjte Die Offenmarktpolitik spielt unter den geldpolitischen Operationen der EZB die wichtigste Rolle. Damit werden ca. % der Liquidität des Bankensektors bereitgestellt. Unter Offenmarktgeschäften versteht man den An- und Verkauf oder die Beleihung von Wertpapieren seitens der Zentralbank. Um die Kreditinstitute mit Liquidität zu versorgen, kauft ihnen die Zentralbank Wertpapiere ab und bezahlt sie mit Zentralbankgeld, das so in den Umlauf gelangt. Für diese Liquiditätsbereitstellung verlangt sie einen Zins. Umgekehrt kann die Zentralbank durch den Verkauf von Wertpapieren oder der Emission von Schuldverschreibungen dem Bankensektor Liquidität entziehen. Die wichtigste Kategorie unter den Offenmarktgeschäften stellen die sogenannten Hauptrejinanzierungsgeschäjte dar. Diese finden wöchentlich statt und stellen den Kreditinstituten Zentralbankgeld mit einer Laufzeit von 14 Tagen zur Verfiigung. Sie finden entweder als Wertpapierpensionsgeschäft, bei dem die Zentralbank Wertpapiere kauft und gleichzeitig mit den Geschäftsbanken eine Rückkaufvereinbarung trifft, oder als pfandbesichertes Darlehen statt, bei dem die Wertpapiere nur beliehen werden. Die Durchführung erfolgt im ,Standardtender' , also im Wege einer Versteigerung, bei der zwischen Ankündigung und Zuteilung maximal 24 Stunden vergehen. Der Zinssatz, der als Basis fiir diese Geschäft dient, heißt Hauptrejinanzierungssatz und hat Leitzinscharakter.

158

7. Wirtschaftspolitik

Ständige Fazilitäten

Im Rahmen der Spitzenrefinanzierungsfazilität können Kreditinstitute über Nacht Zentralbankgeld in unbegrenzter Höhe von der Zentralbank gegen die Verpfändung von Wertpapieren erhalten. Der Zinssatz der Spitzenrefinanzierungsfazilität bildet in der Regel die Obergrenze der Tagesgeldsätze am Geldmarkt: da das Zurückgreifen auf dieses Instrument jederzeit möglich ist, wird normalerweise kein Kreditinstitut bereit sein, im Interbankenhandel höhere Zinssätze für Tagesgeld zu zahlen. Spiegelbildlich bildet die EinlageJazilität die Untergrenze des ,Zinskorridors' . Diese stellt die Möglichkeit dar, überschüssiges Zentralbankgeld über Nacht bei der Zentralbank für einen bestimmten Zinssatz anzulegen. Im Interbankenhandel wird kein Kreditinstitut bereit sein, Kredite zu einem niedrigerem Zinssatz zu vergeben, da es sonst lohnender ist, das Zentralbankgeld im Rahmen der Einlagefazilität bei der Zentralbank anzulegen. Beide Zinssätze bestimmen somit die Bandbreite der Geldmarktzinsen und haben ebenfalls Leitzinscharakter. Mindestreservepolitik

Das Instrument der Mindestreserve wurde bereits in Abschnitt 5.4. besprochen. Es verpflichtet die Kreditinstitute, auf bestimmte Verbindlichkeiten Mindestreserven in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes ihres Wertes bei der Zentralbank zu halten. Der Mindestreservesatz beträgt seit dem Beginn der Währungsunion 2 v.H., wobei ein Freibetrag von 100.000 EUR vorgesehen ist. Im Unterschied zur Praxis der Deutschen Bundesbank, verzinst die EZB die Mindestreserven, und zwar zum Hauptrefinanzierungssatz. Während die Mindestreservepolitik ein wichtiges geldpolitisches Mittel der Deutschen Bundesbank darstellte, spielt sie bei der EZB eine untergeordnete Rolle.

7.5. Strukturpolitik Die Strukturpolitik umfasst alle Aktivitäten des Staates, die die sektorale oder regionale Struktur einer Volkswirtschaft beeinflussen sollen. Dabei können sowohl ordnungs-, als auch prozesspolitische Instrumente angewandt werden, so dass eine eindeutige Kategorisierung nicht immer möglich ist.

a) sektorale Strukturpolitik Die sektorale Struktur einer Volkswirtschaft ist einem permanenten Wandel unterworfen. Dieser betrifft zum einen die bereits vorgestellte Aufteilung in

7.5. Strukturpolitik

159

primären, sekundären und tertiären Sektor. Der einst dominierende Landwirtschaftssektor hat in Deutschland einen Anteil von mittlerweile weniger als 2 v.R. der gesamten Bruttowertschöpfung. Der Industriesektor produziert ca. 30 v.H. des Güterwerts und ist damit nicht mal halb so groß wie der Dienstleistungssektor, der mit ca. 68 v.H. die mit Abstand größte Bedeutung hat. Zum anderen hat es auf Branchenebene, d.h. unterhalb der Sektorgrenzen, ebenfalls viele Veränderungen seit dem Zweiten Weltkrieg gegeben, Z.B. die Krise der Montanindustrie und des Schiffbaus oder der Aufstieg der Informations- und Biotechnologie. Der Staat kann einerseits versuchen, diesen Strukturwandel zu beschleunigen, um Z.B. die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Dieses erfolgt beispielsweise durch· gezielte Forschungsinvestitionen oder Erleichterungen rur Unternehmensneugründungen in Schlüsselbranchen. Er kann andererseits aber auch versuchen, den Strukturwandel zu verlangsamen oder im Extremfall ganz zu stoppen und ganze Branchen dem Wettbewerb zu entziehen. Mittel dieser erhaltenden Variante der Strukturpolitik können ordnungspolitischer Art sein, wie Handelshemrnnisse gegen ausländische Konkurrenten, oder prozesspolitischer Art, wie Subventionen und Steuererleichterungen oder direkte Nachfrage durch den Staat. Begründet werden derartige Maßnahmen durch Autarkiebestrebungen und sozialpolitische Überlegungen. Überlebenswichtige Versorgungsbranchen wie die Energiewirtschaft (in Deutschland also vor allem der Steinkohlebergbau) oder die Landwirtschaft sollen auch dann am Leben erhalten werden, wenn sie marktwirtschaftlich nicht mehr konkurrenzfähig sind, damit im Notfall (z.B. im Krieg) zumindest eine Grundversorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und Energie gewährleistet ist. Zudem bemüht sich die Strukturpolitik um eine Abfederung der sozialen Folgen des Strukturwandels: Regionen, die stark von einer einzelnen Branche abhängig sind (z.B. früher das Ruhrgebiet von der Montanindustrie), drohen zu verarmen, wenn diese in Folge des Strukturwandels einem Schrumpfungsprozess unterworfen wird und aufstrebende Branchen nicht in dem gleichen Maße neue Arbeitsplätze schaffen können. Der Staat greift hier unterstützend ein, um derartige Prozesse abzubremsen und den Strukturwandel sozialverträglich zu gestalten. Probleme resultieren aber daraus, dass derartige Hilfen nur vorübergehend gewährt werden dürften, was aber i.d.R. nicht der Fall ist. Wie bereits in Abschnitt 7.4.1. erläutert, ist es viel schwieriger, staatliche Leistungen zurückzunehmen, als neue einzuruhren. In Deutschland wurden 2001 fast 60 Milliarden EUR an Finanzhilfen und Steuererleichterungen gewährt. Dies ist nicht nur ordnungspolitisch problematisch, da de facto das Marktsystem teilweise außer

160

7. Wirtschaftspolitik

Kraft gesetzt wird, sondern auch in Bezug auf die Zukunftsfähigkeit des Landes: Es werden Mittel niedergehenden Branchen zugeführt, die indirekt anderen, zukunftsträchtigen Branchen entzogen werden. Die aktuelle Diskussion beschäftigt sich daher seit langem mit der Reduktion des Subventionsvolumen.

b) regionale Strukturpolitik Die "Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet" hat als wirtschaftspolitisches Ziel in Deutschland sogar Verfassungsrang (Art. 106 GG). Aufgabe der regionalen Strukturpolitik ist es, geeignete Maßnahmen zum Abbau regionaler Einkommensunterschiede einzuleiten. In Deutschland ist die regionale Einkommensverteilung in Vergleich zu anderen europäischen Ländern relativ homogen, dennoch besteht ein starkes Gefälle zwischen Ballungsräumen und ländlichen Gebieten sowie zwischen Ostund Westdeutschland. Das BIP je Einwohner im reichsten Bundesland Hamburg ist rund drei Mal so groß wie das des ärmsten Bundeslandes SachsenAnhalt. Auch innerhalb der Bundesländer gibt es eine Vielzahl von sogenannten strukturschwachen Gebieten, besonders im ländlichen Raum. Deren Förderung ist eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern. Sie kann sowohl indirekt erfolgen, z.B. durch eine Verbesserung der örtlichen Infrastruktur, als auch direkt, durch Investitionszuschüsse an Unternehmen, die in solchen Gebieten investieren, oder durch günstige Kredite, z.B. aus dem ERP-Sondervermögen. Die größte Aufgabe der regionalen Strukturpolitik ist seit der Wiedervereinigung die Förderung der neuen Bundesländer. Auch die Europäischen Union betreibt seit den siebziger Jahren regionale Strukturpolitik. Ziel war es seit Beginn, die wirtschaftliche Leistungskraft im europäischen Wirtschaftsraum so weit wie möglich anzugleichen, um dadurch eine unabdingbare Voraussetzung für den geplanten gemeinsamen Binnenmarkt und die Währungsunion zu erfüllen. Die EU hat dabei als Hauptinstrumente verschiedene Fonds geschaffen, wie den Europäischen Sozialfonds (ESF), den Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) oder den Agrarfonds, mit deren Hilfe sie strukturschwache Gebiete fördert. Vor allem ländliche Regionen in Frankreich, Irland und Spanien haben in den letzten Jahren davon profitiert. Obwohl insbesondere die kostspielige Agrarpolitik heftiger Kritik ausgesetzt ist, lassen sich der europäischen Strukturpolitik durchaus Erfolge bescheinigen: das Einkommensgefälle innerhalb der Europäischen Union ist erheblich gesunken, ehemals arme Staaten wie Irland sind sogar zu den wachstumsstärksten Europas aufgestiegen und der Binnenmarkt funktioniert relativ reibungslos.

Kontrollfragen und Literatur zu Kapitel 7

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Kontrollfragen 1. Wie unterscheiden sich Ordnungs- und Prozesspolitik? 2. Was charakterisiert einen Träger der Wirtschaftspolitik? Geben Sie ein Beispiel rur einen solchen Träger. 3. Wie werden wirtschaftspolitische Ziele begründet? Konkretisieren Sie dies am Beispiel eines der Ziele des Stabilitätsgesetzes. 4. Was versteht man unter Wirtschaftsordnung? Erläutern Sie dies am Beispiel der deutschen Wirtschaftsordnung. 5. Wer ist zuständig fiir die Wettbewerbspolitik? Warum ist diese Art von Politik in einer Marktwirtschaft besonders wichtig? 6. Was versteht man unter einer expansiven fiskalpolitischen Maßnahme? Worin liegt ihr besonderer Reiz? 7. Worin liegen die Probleme einer antizyklischen Fiskalpolitik? 8. Wie lautet das Hauptziel der Europäischen Zentralbank? Mit welcher Strategie versucht sie, dieses zu erreichen? 9. Welche geldpolitischen Instrumente stehen der EZB zur Verrugung? Welches davon wird hauptsächlich verwendet? 10.Worin unterscheiden sich regionale und sektorale Strukturpolitik?

Weiterführende Literatur zu Kapitel 7 Eine ausruhrliche Systematisierung der Ziele und Träger der Wirtschaftspolitik findet sich in:

Berg, H./Cassel, D./Hartwig, K.H.: Theorie der Wirtschaftspolitik, in Vahlens Kompendium der Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik, 8. Aufl. Bd. 2, München, 2003 Zur Wettbewerbspolitik siehe:

Kerber, W.: Wettbewerbspolitik, in Vahlens Kompendium der Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik, 8. Aufl. Bd. 2, München, 2003 Die Fiskalpolitik wird ausruhrlich besprochen in:

Teichmann,

u.: Grundriss der Konjunkturpolitik, 5. Aufl., München, 1997

WeiterfUhrende Literatur zur Geldpolitik wurde bereits in Kapitel 5 genannt. Zur Strukturpolitik siehe:

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7. Wirtschaftspolitik

Nienhaus, V.: Strukturpolitik, in Vahlens Kompendium der Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik, 8. Aufl. Bd. 2, München, 2003

Sachregister Abschreibungen 82 Allokation 58, 73ff. Angebot, siehe Güterangebot und Arbeitsangebot Arbeit 13 Arbeitgeberverbände 37, 62 Arbeitnehmerentgelt 92f. Arbeitsangebot individuelles 33 ff., 71 ff. gesamtwirtschaftliches 129 Arbeitslosigkeit 72, 117ff., 127ff. Arbeitsmarkt 36,57, 70ff., 118ff. Arbeitsnachfrage 55f., 118ff. Arbeitsqualität 36 Arbeitsteilung innerbetriebliche 15 internationale 15f. volkswirtschaftliche 15 Außenbeitrag 83, 146 Banken 89, 104ff. Banknoten 104, 107 Bedürfuisbefriedigung 11 f., 17, 38 Bedürfnisse I1f., 17,21,38 Beschäftigungsstand, hoher 156 Bilanzgerade 26f., 45ff. Boden 13f., 78 Bruttoinlandsprodukt 88ff. Bruttonationaleinkommen 88ff. Crowding-out 154 Deficit spending 165 Deutsche Bundesbank 96, 105, 149, 158 Devisenbilanz 96, 98, 146 Dienstleistungen 12,91,96 Dienstleistungsbilanz 97 Durchschnittskosten 49ff. Einkommen, verfügbares 92f., 152

Einkommenseffekt 24, 123 Einkommensverteilung 58, 74f., 92f., 160 Einkommensverwendung 21 ff. Entstehungsrechnung 87ff. Erlöskurve 42, 53 Euro 105ff. Europäische Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) 105ff. Europäische Zentral bank (EZB) 105ff., 145, 155ff., 157, 167ff. ex-ante Analyse 116 ex-post Analyse 87,116 Faktorangebot 33ff., 65 Faktornachfrage einzelwirtschaftliche 53ff., 65 gesamtwirtschaftliche 122ff. Fazilitäten ständige 158f. Fiskalpolitik 150ff. antizyklische 152 Geld 72, 77, 103ff. Geldfunktionen 107ff. Geldmarkt 114, 157ff. Geldmengenkonzepte 108ff. Geldnachfrage nach Spekulationskasse 114 nach Transaktionskasse 115 Geldpolitik 105ff, 128, 155ff. Geldschöpfung IlOff., 155 Gesamtrechnung volkswirtschaftliche 86ff. Gewerkschaften 62, 72,132,143 Gewinnmaximum 50ff. Gleichgewicht Arbeitsmarktgleichgewicht 70f.,118 Außenwirtschaftliches 146 Geldmarktgleichgewicht 114

164 Gütennarktgleichgewicht 67ff. Haushaltsgleichgewicht 30f. Grenzkosten 49 Güter 12 inferiore 25, 32 Investitionsgüter 12, 70 Konsumgüter 12, 23f., 73 öffentliche 12,59, 148 private 12 Sachgüter 12 superiore 25, 32, 123 Güterangebot aggregiertes 64 einzelwirtschaftliches 40ff. gesamtwirtschaftliches 118 Güterangebotskurve 40ff., 66f., 119ff. Güternachfrage 10 1, 106 aggregierte 66 einzelwirtschaftliche 23ff. gesamtwirtschaftliche 122ff. Gütemachfragekurve, siehe Nachfragekurve Handelsbilanz 96ff. Hauptrefinanzierungssatz 157 Haushalte öffentliche 58ff. private 2lff. Haushaltsoptimum 30ff. Indifferenzkurven 27ff. Inflation 104, 127, 130f. Interventionspreise 69 Investition 14,73,81,83, 124ff. Investitionsnachfrage 130, 156 Isokostenlinie, siehe Bilanzgerade Isoquanten 42ff. Kapital 13f., 42ff., 72f., 82, 119f. Kapitalbilanz 97f. Kassenhaltungskoeffizient 114 Keynes-Effekt 124f., 128, 130 Komplementarität 28 Konjunkturpolitik 153 Konjunkturzyklus 135ff. Konsurnnachfrage 123 Kostenfunktion 47ff. Kosten, volkswirtschaftliche 38, 57

Sachregister Kreditschöpfung 113 Leistungsbilanz 96f., 146 Leitzinsen 157f. Limitationalität 43 Markt 18f., 17f., 65ff., 69ff. Marktfonnen 65ff. Monopol 66, 69 Monopson 66 Oligopol 66, 76 perfekter Markt 69f. Marktfunktionen 73 Marktmechanismus 77ff. Marktversagen 59 Marktwirtschaft 17ff., 73, 117, 147f. Mengenanpasser 42 Mindestreservepolitik 158 Minimalkostenkombination 46 Multiplikator 15lf. Münzen 108, 110 Nachfragekurve aggregierte 66 einze1wirtschaftliche 23ff., 31 gesamtwirtschaftliche 122ff. Nettoinlandsprodukt 89 Nettonationaleinkommen 88ff., 95, 146 Offenmarktpolitik 157 Oligopol 66, 76 Ordnungspolitik 142, 147ff. Präferenzen 22f., 28 Preisbildung 69ff. Interventionspreise 69 Preisindex 138, 145 Preismechanismus 75f., 117f. Preisniveaustabilität 105, 117ff., 126, 143ff. Preissteigerungen 45, 56, 121, 145 Produktionsfaktoren 12ff., 21f., 40, 73ff.,92, 116ff. derivative 14 originäre 14 Produktionsfunktion einzelwirtschaftliche 42, 46

Sachregister Produktionswert 89 Prozesspolitik 142, 150ff. Realkasseneffekt 123ff. Schuldverschreibungen 97 Sichteinlagen 108, 110 Spareinlagen 112 sparen 116 Staat 58f. Stabilitätsgesetz 144, 153ff. Steuern 60, 83, 88f., 154, Strukturpolitik regionale 160 sektorale 158ff. Strukturwandel 159 Stückkosten 49 Substituierbarkeit 28, 43 Substitutionseffekt 24, 123 Subventionen 89, 159 Tarifverhandlungen 62, 72 Tauschrnittelfunktion 103ff. Technischer Fortschritt 14 Thesaurierungsfunktion 104 Transfereinkommen 21 Überschussreserve 112 Übertragungsbilanz 97 Unternehmen 13, 15, 38ff. Unternehmens- und Vermögenseinkommen 92f. Verbände 62f. Vermögensänderungskonto 82 Vermögensverteilung 81, 158

165 Verteilungsrechnung 91 ff. Vertrag von Maastricht (EGV) 106, 156 Verwendungsrechnung 93ff. Volkseinkommen 88f., 92 Vollbeschäftigung 128ff., 147 Wechselkurse 106, 124, 156 Wertaufbewahrungsfunktion 104 Wertmesserfunktion 105 Wettbewerbspolitik 78, 148f. wirtschaften 11 Wirtschaftlichkeitsprinzip 37 Wirtschaftskreislauf 80ff. Wirtschaftssubjekte 21 ff. Wirtschaftsordnungen 18ff. marktwirtschaftliche 18f., 58, 128, 144 sozialistische 18f. Wirtschaftspläne 18,21, 114 Wirtschaftspolitik 142ff. Wirtschaftswachstum 120, 126, 143f., 145, 148f., 157 Wohlfahrt 101f., 143 Zahlungsbilanz 96ff. Zentralbank 107ff., 124, 127, 155ff. Zentralbankgeld 11 Off., 157ff. Zentralverwaltungswirtschaft 17f. Ziele Beziehungen zwischen den Zielen 147f. Unternehrnensziele 39, 56 wirtschaftspolitische I 43ff. Zinspolitik 156