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German Pages [266] Year 2010
Managementwissen
für Studium und Praxis Herausgegeben von Professor Dr. Dietmar Dorn und Professor Dr. Rainer Fischbach Bisher erschienene Werke: Kreis, Betriebswirtschaftslehre, Band III,
Behrens Kirspel, Grundlagen der Volkswi rtschaftslehre Behrens, Makroökonomie Wirtschafts-
politik
5. Auflage
Laser, Basiswissen Volkswirtschaftslehre
-
Bichler Dörr, Personalwirtschaft Einführung mit Beispielen aus
SAP® R/3® HR®
-
Blum, Grundzüge anwendungsorientierter Organisationslehre Bontrup, Volkswirtschaftslehre Bontrup, Lohn und Gewinn Brqdtke, Mathematische Grundlagen für Ökonomen Bradtke, Übungen und Klausuren in Mathematik für Ökonomen Brqdtke, Statistische Grundlagen für Ökonomen Busse, Betriebliche Finanzwirtschaft, 5. Auflage Clausius, Betriebswirtschaftslehre I Clausius, Betriebswirtschaftslehre II Dorn Fischbach, Volkswirtschaftslehre II, 3. Auflage Ellinghaus, Werbewirkung und Markterfolg Pank, Informationsmanagement Fank Schildhauer Klotz, Informations-
management: Umfeld Fallbeispiele Fiedler, Einführung in das Controlling Fischbach, Volkswirtschaftslehre I, 11. Auflage
Prodi, Dienstleistungslogistik Haas, Kosten, Investition, Finanzierung Planung und Kontrolle, 3. Auflage Haas, Marketing mit EXCEL, 2. Auflage Hardt, Kostenmanagement Heine Herr, Volkswirtschaftslehre Hofmann, Globale Informationswirtschaft Hoppen, Vertriebsrnanagement Koch, Marketing Koch, Marktforschung, 2. Auflage Koch, Gesundheitsökonomie: Kosten- und Leistungsrechnung Krech, Grundriß der strategischen Unternehmensplanung Kreis, Betriebswirtschaftslehre, Band I, -
Kreis, Betriebswirtschaftslehre, Band II, 5. Auflage
Martens, Statistische Datenanalyse mit SPSS für Windows
Mensch, Kosten-Controlling Olivier, Windows-C Betriebswirtschaftliche Programmierung für Windows Peto, Einführung in das volkswirtschaftliche Rechnungswesen, 5. Auflage Piontek, Controlling Piontek, Beschaffungscontrolling, 2. Auflage Piontek, Global Sourcing Posluschny, Kostenrechnung für die -
Gastronomie
Posluschny von Schorlemer, Erfolgreiche Existenzgründungen in der Praxis Reiter Matthäus, Marktforschung und Datenanalyse mit EXCEL, 2. Auflage Reiter Matthäus, Marketing-Management mit EXCEL
Rudolph, Tourismus-Betriebswirtschaftslehre
-
5. Auflage
Lebefromm, Controlling Einführung mit Beispielen aus SAP® R/3®, 2. Auflage Lebefromm, Produktionsmanagement Einführung mit Beispielen aus SAP® R/3®, 4. Auflage -
-
Rüth, Kostenrechnung, Band I Sauerbier, Statistik für Wirtschaftswissenschaftler
Schaal, Geldtheorie und Geldpolitik,
4. Auflage Scharnbacher Kiefer, Kundenzufriedenheit, 2. Auflage Schuchmann Sanns, Datenmanagement mit MS ACCESS Schuster, Kommunale Kosten- und
Leistungsrechnung Stahl, Internationaler Einsatz von
Führungskräften
Steger, Kosten- und Leistungsrechnung, 2. Auflage Stock, Informationswirtschaft Weindl Woyke, Europäische Union, 4. Auflage
Zwerenz, Statistik
Basiswissen Volkswirtschaftslehre Von Professor
Dr. Johannes Laser
R.01denbourg Verlag München Wien
Die Deutsche Bibliothek CIP-Einheitsaufnahme -
Laser, Johannes: Basiswissen Volkswirtschaftslehre / von Johannes Laser. Wien : Oldenbourg, 2000 (Managementwissen für Studium und Praxis) ISBN 3-486-24716-6
München ; -
© 2000 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089)45051-0
www.oldenbourg-verlag.de
Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier Druck: Huber KG, Dießen Bindung: R. Oldenbourg Graphische Betriebe Binderei GmbH ISBN 3-486-24716-6
Vorwort
V
Vorwort
Grund, der mich zum Schreiben dieses Lehrbuches veranlaßt hat, war die berechtigte Klage einiger Studenten, daß die institutionellen Grundlagen im Rahmen des Vwl-Curriculums zu wenig berücksichtigt werden. Studenten in den ersten Semestern des wirtschaftswissenschaftlichen Studiums, Nebenfachhörer als auch ihre ausländischen Kommilitonen sind neben der Anwendung des mikro- und makroökonomischen Analyseinstrumentariums an Informationen über grundlegende Definitionen sowie über wirtschaftspolitische Entscheidungsträger und -felder interessiert. Zwar ist mir bewußt, daß sich die Datenlage gerade bei der Darstellung der Institutionen im Bereich der Wirtschaftspolitik schnell ändert. Trotzdem habe ich im Rahmen dieser Monographie versucht, einen aktuellen Überblick über grundlegende ökonomische Zusammenhänge zu Ein wichtiger
liefern.
Da bewußt fast vollständig auf die analytische Darstellungsform verzichtet wurde, ist über den traditionellen Leser- und Hörerkreis eines Hochschullehrers hinaus jeder Interessent für volkswirtschaftliche Zusammenhänge in der Lage, sich auf diesem Weg öko-
nomische Grundkenntnisse anzueignen. Bei den redaktionellen Arbeiten zu diesem Buch halfen mir insbesondere Frau Claudia Fiebiger und Herr Dominik Klauke. Ihnen sei für die kritische Durchsicht des Manuskripts und die konstruktiven Anmerkungen gedankt. Während des Schreibens war aber auch mentale Unterstützung notwendig, die mir von Gertrud und Wolfgang van Kempen Nuria Okfen sowie von Uschi Laser in großem Maße entgegen gebracht wurde. Trotz der tatkräftigen Hilfe dieser Personen bin ich für etwaige Fehler allein verantwortlich. Zum Schluß möchte ich darauf hinweisen, daß selbstverständlich Hinweise und Anregungen zum Inhalt und formalen Aufbau des Buches willkommen und notwendig sind. ,
Johannes Laser
Inhaltsübersicht
VII
Inhaltsübersicht Vorwort.V 1. Teil: Grundfragen der Volkswirtschaftslehre.1 1. Gliederung der Volkswirtschaftslehre.1 2. Methodische Grundfragen.4 3. Die Werturteilsproblematik.6 4. Theorienbildung in der Volkswirtschaftslehre.7 2. Teil:
Wirtschaftspolitik.8
1.
Allgemeiner Überblick über wirtschaftspolitische Entscheidungsfelder.8
2.
Wirtschaftspolitische Entscheidungsträger.10 a) Allgemeiner Überblick.10 b) Binnenwirtschaftliche Entscheidungsträger.11 c) Die Europäische Union.17 (1) Das gegenwärtige Einnahmensystem der EU.18 (2) Kritik an der derzeitigen EU-Finanzierung.20 (3) Die Ausgaben- und Ausgabenstruktur der EU.21 (a) EU-Agrarpolitik.21 (b) EU-Sozialpolitik.22 (c) EU-Verkehrspolitik.23 (d) Industrie-, Forschungs- und Technologiepolitik.24 (e) Energiepolitik.25 (f) Umweltpolitik.25 (g) Handelspolitik.26 d) Welthandelsorganisation.30 e) Der Internationale Währungsfonds.33 f) Die Weltbankgruppe.34 g) Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).36 (1) Zielsetzung, Mitgliedsländer und Finanzierung der OECD.36 (2) Organisatorischer Aufbau der OECD.39
3
Wettbewerbspolitik.40 a) Antikartellpolitik.42 b) Fusionskontrolle.43 c) Mißbrauchsaufsicht marktbeherrschender Unternehmen.48
4.
Strukturpolitik.50 a) Regionalpolitik.51 (1) Die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur".51
(2) Europäische Strukturförderung.53 (3) Reformbedarf der EU-Strukturfonds.56 (4) Die regionalisierte Strukturpolitik.57 (5) Nachhaltige Entwicklungskonzepte im Rahmen der regionalisierten Strukturpolitik.60 (a) Begriff der Nachhaltigkeit.60
VIII
Inhaltsübersicht
(b) Warum eine nachhaltige Entwicklung?.63 (c) Schwächen einer nachhaltigen Regionalentwicklung.64 b) Sektorale Strukturpolitik.66 c) Unternehmensgrößenbezogene Strukturpolitik.68 5.
Geldpolitik.68 a) Gelddefinitionen.68 b) Geldpolitik in der Europäischen Währungsunion.70 (1) Die Europäische Währungsunion (EWU).71 (2) Die Stufen der EWU.72 (a) Die erste Stufe der Währungsunion.72 (b) Die zweite Stufe der Währungsunion.73 (c) Der Übergang zur letzten Stufe der EWU.73 (3) Die institutionelle Seite der Europäischen Zentralbank.75 (4) Die Bundesbank als integraler Bestandteil des ESZB.78 (5) Reformbedarf in der Organisationsstruktur der Deutschen Bundesbank.80 (6) Instrumentarium und geldpolitische Strategie der EZB.82 (a) Der Instrumentenkatalog der EZB.82 (al) Offenmarktgeschäfte.82 (a2) Einlagen- und Spitzenrefinanzierungsfazilität (= Kreditfazilität).88 (a3) Mindestreservepolitik.88 (b) Geldmengenstrategie der EZB.90 (bl) Die potentialorientierte Geldmengensteuerung der EZB.90 (b2) Kritik an der Geldmengenpolitik der Europäischen Zentralbank.93 zur Geldmengensteuerung der EZB.96 Alternativkonzepte (7) (a) Inflation-Targeting-Konzept.96 (b) Commitment Technologies.97 (c) Geldpolitik als Konjunkturpolitik.98 (cl) Transmission monetärer Impulse.98 (c2) Wirkungsverzögerungen einer antizyklischen Geldpolitik.100 Die (8) Rolle des ECOFIN-Rates in der EWU.102 (9) Gründungsmitglieder der EWU.106
6.
Finanzpolitik als Teilbereich der Finanzwissenschaft.108 a) Allokationsziel.109 b) Distributionsziel.112 c) Stabilisierungsziel.112 (1) Zur Konjunktur.112 (a) Schwankungen in der wirtschaftlichen Aktivität: Konjunkturzyklen.112 (b) Idealisierter Ablauf eines Konjunkturzyklusses.114 (2) Ziele und Zielkonflikte der Stabilisierungspolitik.120 (a) Stabilisierungspolitik in Deutschland.121 (b) Probleme beim Einsatz der antizyklischen Fiskalpolitik.128 (bl) Die Operationalisierung der Zielvorgaben.128 (b2) Zielkonflikte.130 (b3) Geringe Manövriermasse und Trägerproblematik.132 (b4) Probleme beim Timing der antizyklischen Fiskalpolitik.133
IX
Inhaltsübersicht
3. 1. 2. 3. 4.
Teil: Das Volkswirtschaftliche Rechnungswesen.135 Das Volkswirtschaftliche Rechnungswesen als Bestandteil der Makroökonomie... 135 Der Wirtschaftskreislauf..138
Kontenform.144 Vom Wirtschaftskreislauf zum Kontenschema des Statistischen Bundesamtes.145 a) Das Kontensystem des Statistischen Bundesamtes.145
b) Darstellung der gesamtwirtschaftlichen Produktionstätigkeit.148 c) Dreiseitenrechnung.153 (1) Entstehungsrechnung.153 (2) Verteilungsrechnung.157 (3) Exkurs: Der Zusammenhang zwischen Arbeitsproduktivität, Lohn- und Gewinnquote.161
5.
(4) Verwendungsrechnung.162 (5) Exkurs: Messung der Preisentwicklung durch Preisindizes.163 (6) Harmonisierter Verbraucherpreisindex (HPVI).167 d) Das Europäische System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen 1995. 169
Ergänzungsrechnungen.171 a) Die Zahlungsbilanzstatistik.171 (1) Leistungsbilanz.174
(a) Handelsbilanz.174 (b) Dienstleistungsbilanz.175 (c) Erwerbs- und Vermögenseinkommensbilanz.175 (d) Bilanz der laufenden Übertragungen.176
(2) Bilanz der Vermögensübertragungen.177 (3) Kapitalverkehrsbilanz.178 (a) Bilanz der Direktinvestitionen.179
(b) Bilanz der Wertpapieranlagen.182 (c) Kreditverkehrsbilanz.183 (d) Bilanz der sonstigen Kapitalanlagen.183 (4) Saldo der statistisch nicht aufgliederbaren Transaktionen (= Restposten) 183 (5) Bilanz der Veränderung der Nettoauslandsaktiva der Bundesbank (= Saldo der Devisenbilanz).184 b) Input-Output-Tabelle.192 c) Vermögensrechnung.196 d) Finanzierungsrechnung.198 e) Umweltökonomische Gesamtrechnung.200 f) Die deutsche Umweltökonomische Gesamtrechnung.203 ...
4. 1. 2. 3.
Teil: Kritik an der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung. 206 Wirtschaftswachstum und Wohlstandsentwicklung.206 Determinanten der individuellen Lebensqualität und gesellschaftliche Wohlfahrt.. 208 Methoden der Wohlstandsmessung.211 a) Das Bruttosozialprodukt als Wohlstandsindikator.211 (1) Zusammenhang zwischen Produktionsvolumen und Einkommen.211 (2) Probleme bei der Verwendung des Sozialprodukts als Wohlstandsmaß.211 (a) Probleme der Datenerhebung.211 (b) Nichterfassung der Eigenleistungen privater Haushalte.212 (c) Die Nichtberücksichtigung der Schattenwirtschaft eine Landes.213 (d) Die Bewertung der staatlichen Produktion zu Anschaftungsund Herstellkosten.215 (e) Die Nichtberücksichtigung sozialer Erträge und Kosten.216
X
Inhaltsübersicht
(f) Der Wertansatz von Umweltschäden und sonstigen Reparaturaufwendungen.216 (g) Inflation, Deflation und Wechselkurse.216 (h) Die fehlende Berücksichtigung der Zeitallokation.217 (i) Produktion und Einkommensverteilung.217 (j) fehlende Trennung zwischen wohlstandsunwirksamen staatlichen bzw. privaten Vorleistungskäufen und der entsprechenden Endnachfrage.218 der Wohlstandsmessung Eine Gesamtübersicht.219 Alternativmethoden b) (1) Das System der sozialen Indikatoren.221 (a) Darstellung des Systems sozialer Indikatoren.221 (b) Kritik am System sozialer Indikatoren.225 (2) Korrekturen am Sozialprodukt.226 (a) Das Measure of Economic Welfare Konzept.226 (b) Das Ökoinlandsprodukt.227 (c) Kritik an der Methode des korrigierten Sozialprodukts.228 (3) Die Indexmethode.230 (a) Darstellung der Konstruktion eines Indexes.230 (b) Kritik an der Indexmethode.236 -
4.
Resümee.238
Literaturverzeichnis.240 Internetverzeichnis.245
Abbildungsverzeichnis.246 Tabellenverzeichnis.248
Stichwortverzeichnis.249
/. Teil:
Nationalökonomie ist,
wenn
Grundfragen der Volkswirtschaftslehre
1
die Leute sich wundem, warum sie kein Geld haben. Das hat mehrere Gründe, die feinsten sind die wissenschaftlichen.... Kurt Tucholsky: Kurier Abriss der Nationalökonomie
Grundfragen der Volkswirtschaftslehre 1. Gliederung der Volkswirtschaftslehre 1. Teil:
Die Volkswirtschaftslehre (auch als Nationalökonomie bezeichnet; engl. Economics) ist neben der Betriebswirtschaftslehre ein Fachgebiet der Wirtschaftswissenschaften. Im Rahmen der Makroökonomie
(gesamtwirtschaftliche Aktivitätsanalyse) analysiert die
Volkswirtschaftslehre (Vwl) die Gesamtheit aller ökonomischen Transaktionen in einer Volkswirtschaft, die durch wechselseitige Beziehungen zwischen den Wirtschaftssub-
jekten (Unternehmen bzw. Betriebe, private Haushalte, Staat) in einer Volkswirtschaft zustande kommt. Im Rahmen dieser makroökonomischen Analyse wird von der Fiktion ausgegangen, die Preisbildung von Sachgütern und Dienstleistungen lasse sich für die gesamte Volkswirtschaft mit Hilfe eines gesamtwirtschaftlichen Gütermarktes abbilden, auf dem die Gesamtnachfrage als Nachfrage aller privaten Haushalte, privaten Unternehmen, Staat und Ausland und das Gesamtangebot als Angebot aller Unternehmen der Volkswirtschaft (Sozialprodukt) aufeinander treffen. Der auf diesem gesamtwirtschaftlichen Gütermarkt gebildete Preis ist daher auch kein Einzelpreis eines bestimmten Gutes, sondern ein gewogener Durchschnittspreis (Preisniveau) aller auf den Märkten einer Volkswirtschaft gehandelten Sachgüter und Dienstleistungen. Als makroökonomische Erkenntnisobjekte ergeben sich somit z.B. • die Bestimmung der Höhe der gesamtwirtschaftlichen Produktion (des Sozialprodukts), • die Feststellung der gesamtwirtschaftlichen Einkommenshöhe aller am Produktionsprozeß Beteiligten (Volkseinkommen), • die Bestimmung und Entwicklung des gesamtwirtschaftlichen Preisniveaus (gemessen mit Hilfe der Inflationsrate), • die Entwicklung des gesamtwirtschaftlichen Arbeitseinsatzes (gemessen mit Hilfe der Arbeitslosenquote), • die Auslastung des vorhandenen Bestandes an Maschinen und Produktionsanlagen (des Realkapitalbestandes) anhand des Auslastungsgrades des Produktionspotentials, •
die Versorgung der Volkswirtschaft mit Zahlungsmitteln (Geldangebot),
2 •
/. Teil:
die
Grundfragen der Volkswirtschaftslehre
Entwicklung
des Austauschverhältnisses zwischen inländischen und ausländi-
of trade) sowie zwischen inländischem und ausländischem Geld (Außenwert der Währung, Wechselkurs). Aktuelle Fragestellungen, die im Bereich der Makroökonomie erörtert werden, sind: • Wie entsteht Wirtschaftswachstum? Welchen Einfluß haben technologische Innovationen und die Öffnung von Märkten (Deregulierung)? • Was sind die Ursachen für die Arbeitslosigkeit? Welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang Mindestlöhne, Bildungsdefizite und soziale Sicherungssysteme? • Was waren die Gründe für den Aufschwung der Emerging Markets" in Asien? Wie wird sich die Finanzkrise in Südostasien auf die weltwirtschaftliche Entwicklung schen Gütern {terms
auswirken? •
•
•
Wird die
Einführung
der Ökosteuer in Deutschland
positiven Beschäftigungsimpulsen und zu einer kurz- bzw. langfristigen Verringerung des Energieverbrauchs führen? Mit welchen fiskalischen Effekten (Steuereinnahmen) ist zu rechnen? Welche Alternativen gibt es zur Finanzierung sozialer Sicherungssysteme? Ist es sinnvoll in diesem Zusammenhang, eine Kapitalbesteuerung, eine Erhöhung der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge bzw. eine Erhöhung der Mehrwertsteuer vorzunehmen? Welche Auswirkungen hat ein Leistungsabbau bei der Sozialversicherung? Wie entsteht Inflation und welche Folgen hat eine mangelnde Preisniveaustabilität? Welchen Beitrag kann die Zentralbank zur Eindämmung der Inflationsgefahren leisten? Was sind die Chancen und Risiken der Europäischen Währungsunion?
Im Rahmen der Makroökonomie wird die
zu
Gesamtanalyse
von
Volkswirtschaften mit
Hilfe sog. aggregierter Größen (Gesamtgrößen) vollzogen, so daß nicht einzelne Haushalte oder Unternehmen, sondern zwischen einzelnen Wirtschaftssektoren (Unternehmen,
Staat, private Haushalte, Organisationen ohne Erwerbscharakter) unterschieden
wird. Die Vwl
beschäftigt sich aber nicht nur mit den Bedingungen und der Entwicklung solcher Gesamtgrößen, sondern auch mit ihrer Struktur. Mit diesem Teilgebiet befaßt sich die MikroÖkonomie (einzelwirtschaftliche Aktivitätsanalyse), die generell am Verhalten und damit an der Koordination der Handlungen einzelner Individuen ansetzt. Als relevante mikroökomische Fragestellungen gelten: • Welche Reaktion ist von einem typischen warenproduzierenden Unternehmen auf Preisänderungen von Gütern auf den Faktor- und Absatzmärkten zu erwarten;
/. Teil:
•
Rahmenbedingungen
Was sind die technischen
3
Grundfragen der Volkswirtschaftslehre
der Produktion eines bestimmten
Unternehmens? (Produktionsfunktionen); •
Was sind die Bestimmungsgrößen der Produktionsmenge, der Kosten und Erlöse eines
•
Unternehmens ? (Kosten- und Angebotsfunktionen);
Welche
Verhaltensänderungen
eines
privaten
Haushalts werden durch Preisände-
rungen auf den Gütermärkten verursacht? Sofern die Volkswirtschaftslehre Branchen-, Struktur- oder
Regionalanalysen betreibt,
wird dieser Zweig auch als Mesoökonomie bezeichnet. Stellen sich Besonderheiten in der Marktstruktur bestimmter Bereiche der Wirtschaft heraus
-
wie z.B. im
Agrar-,
Energie- und Verkehrssektor -, so bedingt dies aus wohlfahrtsökonomischen Gründen einen entsprechenden wirtschaftspolitischen Handlungsbedarf: Der Staat muß für diese Branchen einen speziellen ordnungspolitischen Wettbewerbsrahmen schaffen. Neben der (öffentlichen) Finanzwissenschaft als „klassischen Zweig", in dem die wirtschaftliche Aktivität der öffentlichen Haushalte erforscht und sich über die Aufgaben, Ausgaben und Einnahmen des Staates in einer Marktwirtschaft nachgedacht wird, tritt zunehmend in jüngster Zeit die Institutionenökonomik in den Vordergrund. Zurückzuführen ist diese Disziplin auf die beiden Nobelpreisträger Ronald Coase und Douglass C. North. Diese Analyseform zielt insbesondere darauf ab, festzustellen, wie eine Organisation (z. B. die wirtschaftlichen und gesetzlichen Rahmenbedingungen, die der Staat fur eine Branche bzw. für die gesamte Wirtschaft setzt) beschaffen sein muß, um das Verhalten der Wirtschaftssubjekte wirtschaftlich optimal auf ein Ziel (Preisniveau, Produktions- und
Angebotsmenge)
von
führte Abbildung stellt die einzelnen dar. Abb.l:
staatlicher Seite hinzusteuern. Die
Teilgebiete
unten
der Volkswirtschaftslehre
ange-
graphisch
Unterteilung der Volkswirtschaftslehre Volkswirtschaftslehre
Makroökonomie gesamtwirtschaftliche
Mesoökonomie
-
-
AktiviUtsanalyse
MikroÖkonomie
Branchen-,
RegionalStrukturanalyse
Finanzwissenschaft
*
Aktrvitltaanalyse
Institutionenökonomie
Analyse der öffentlichen
einzelwirtschaftliche -
Haushalte
Analyse der Auswirkungen -
institutioneller Rahmenbe-
dingungen
In der Volkswirtschaftslehre muß außerdem zwischen der
(Wirtschaftstheorie)
und der
Volkswirtschaftstheorie Volkswirtschaftspolitik (Wirtschaftspolitik) unterschieden
4
/. Teil:
Grundfragen der Volkswirtschaftslehre
werden. Die Theorie unternimmt den
wirtschaftlichen Realität
Versuch, durch die Beobachtung und Analyse der
Gesetzmäßigkeiten zu erkennen und diese in vereinfachte Ur-
sachen-Wirkungszusammenhänge darzustellen. Ziel dieser Vorgehens weise ist es, bessere Möglichkeiten zur Gestaltung der ökonomischen Realität zu schaffen. Mit den Maßnahmen zur Beeinflussung des Wirtschaftsprozesses innerhalb der Volkswirtschaft beschäftigt sich die praktische Wirtschaftspolitik, während die theoretische Wirtschaftspolitik das System der Annahmen und Erkenntnisse über die Möglichkeiten solcher Interventionen darstellt. 2. Methodische Grundfragen Economics is the
onlyfield in which two people can share a Nobel Prize for saying opposing things. Specially, Myrdahl and Hayek shared one. Roberto Alazar
In den nächsten 15 Jahren werden wir die USA in der Produktion einholen, und das gilt auch für den Lebensstandard des sowjetischen Volkes. Nikita Chruschtschow (1957)
Abb. 2:
Wissenschaftsdisziplinen Wissenschaften
i-1-. RealWissenschaften
I-1 Naturwissenschaften
Geistes- und Kulturwissenschaften
Ideal-, Formalwisseschaften (Mathematik, Statistik, Logik, Methodologie)
I-1-1 Wirtschaftswissenschaften
Rechtswissenschaften
Sozial-, PolitikWissenschaften
I-'-1 Volkswirtschaftslehre
Betriebswirtschaftslehre
Quelle: Bartling. Hartwig / Luzius, Franz:
In erster Linie ist die Volkswirtschaftslehre
Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, S.
11.
(Vwl) eine Realwissenschaft, deren primäre Intention in der Erforschung von Erscheinungen, die in der wirtschaftlichen Realität tatsächlich existieren, liegt. Aus dem Tatbestand, daß die komplexe ökonomische Wirklichkeit als Erkenntnisobjekt der Vwl dient, resultiert das Problem der Wirtschaftswissenschaften zu allgemeingültigen Gesetzen und empirisch gehaltvollen Prognosen zu gelangen. Im Gegensatz zu den Naturwissenschaften versteht sich die Nationalökono-
/. Teil:
5
Grundfragender Volkswirtschaftslehre
mie auch als Geistes- und Kulturwissenschaft, weil sie die
Entscheidungen und Handihnen geschaffenen Institutionen in
lungen von Individuen oder Gruppen und die von ihre Erklärungsansätze einbringt. Im Rahmen ihrer Modellannahmen (Prämissen) wird keineswegs immer der sog. Homo oeconomicus, d.h. ein Wirtschaftssubjekt, das sich immer ökonomisch rational verhält, unterstellt. Auch habituelle bzw. imitierende Verhaltensweisen, Prestigedenken, Machtstreben sowie weitere psychologische und soziale Faktoren werden in die Modellbildung einbezogen.1 Zwar haben sich die Menschen schon immer mit
schäftigt. Die Geburtsstunde Hälfte des 18. Jahrhunderts
ökonomischen2 Fragestellungen
be-
der Wirtschaftswissenschaften wird aber in der zweiten
angesiedelt.
Zusammenhang
In diesem
sind insbesondere
zwei Namen zu nennen: •
Zum einen war es der Leibarzt
Ludwig XV, Francois Quesnay (1694 1774), dem es gelang, seine theoretischen Einsichten und wirtschaftspolitischen Anschauungen zu einer geschlossenen Lehre zusammenzufassen. Hervorzuheben ist aus seinem Werk die erste Darstellung eines Wirtschaftskreislaufes (Tableau Economique; 1758). Adam Smith (1723 1790), Moralphilosoph an den Universitäten in Edinburgh und Glasgow, setzte sich in seinem Hauptwerk „An Inquiry into the Nature and Causes -
•
-
of the Wealth of Nations" 1776 mit den Gründen für den Wohlstand
auseinander. Er betonte Koordination
u.a.
die
(invisible hand)
Bedeutung
von
Nationen
des Wettbewerbs und der dezentralen
sowie des Grades
an
Arbeitsteilung3
für die wirt-
1
So beschäftigte sich zum Beispiel Thorstein Bunde Vehlen in seiner 1899 publizierten „Theory of the Leisure Class" mit dem Phänomen der Verschwendung von Zeit und Geld. So führte er an, daß die „feinen Leute", ob als Sklavenhalter im alten Rom oder als Feudalherren im Mittelalter, demonstrativ dem Nichtstun fröhntcn, um ihren Reichtum nach außen darzustellen Wer es sich leisten konnte und dies galt seiner Auffassung auch für die (damalige) Gegenwart ließ auch andere für sich nichts tun: Ehefrauen, Sklaven, Bedienstete. Um zu verdeutlichen, daß Ehefrauen und Bedienstete nichts tun können, werden sie nach seiner Auffassung möglichst unzweckmäßig gekleidet (Livree, Korsett usw.). "Grund dafür, daß sich der Rock einer so hartnäckigen Zuneigung erfreut, besteht darin, daß er nicht nur teuer ist, sondern außerdem seiner Trägerin für alle nützlichen Betätigungen unfähig macht" Vgl. zum Beispiel in der deutschen Übersetzung Vehlen, Thorstein: Theorie der feinen Leute. Eine ökonomische Untersuchung der Institutionen, Frankfurt am Main 1989. 2 Der Begriff Ökonomie ist auf die griechische Bezeichnung „oikos" für Haushalt zurückzuführen. Unter den griechischen Schriftstellern, die sich mit wirtschaftlichen Zusammenhangen, meist unter praktischen Gesichtspunkten, beschäftigt haben, muß Xenophon (um 430 354 v.Chr.) genannt werden. Unter ökonomischen Gesichtspunkten sind seine „Ökonomik" und „Von den Staatseinkünften der Athener" wesentlich. Vgl. Schinzinger, Francesca: Vorläufer der Nationalökonomie, in: Issing, Otmar (Hrsg.): Geschichte der Nationalökonomie, München 1984, S. 16. Berühmt ist sein vielzitiertes Stecknadelbeispiel :"Die Herstellung von Stecknadeln zerfallt in eine Reihe getrennter Arbeitsgänge, die zumeist zur fachlichen Spezialisierung geführt haben. Um eine Stecknadel anzufertigen, sind somit etwa 18 verschiedene Arbeitsgänge notwendig, die verschiedene Arbeiter besorgen." Erfolgt eine Arbeitsteilung im Sinne der einzelnen Produktionsschntte. könnten nach seiner Auffassung 10 Arbeiter täglich 48.000 Nadeln produzieren. „Hätten sie einzeln und unabhängig voneinander ge-
-
-
6
/. Teil:
schaftliche
Grundfragen der Volkswirtschaftslehre
Entwicklung.
folgung eigener
Als Triebfeder menschlichen Handelns stellte
heraus, die jedoch
Interessen
er
die Ver-
Wettbewerbsbedingungen
unter
durchaus dem Gemeinwohl zugute kommen kann:" Nicht von dem Wohlwollen des Fleischers, Brauers oder Bäckers erwarten wir unsere Mahlzeit, sondern von ihrer Bedachtnahme auf ihr
eigenes Interesse.
Wir wenden
uns
nicht
an
ihre
Humanität,
sondern an ihre Eigenliebe."4 Ein wirtschaftswissenschaftliches Studium ist in Deutschland bzw. im
deutschsprachi-
gen Ausland aber erst seit der Gründung der Handelshochschulen in Leipzig, Köln, Wien, St. Gallen und Berlin um die Jahrhundertwende (1898 1906) möglich. -
3. Die Werturteilsproblematik Practical men who believe themselves slave of some defunct economist.
to
be
quite exempt from
any intellectual
influence are usually the John MaynardKeynes
Aufgrund der Vielzahl an Zielsetzungen ökonomisch handelnder Menschen und Institutionen ergibt sich ein das Problem, einen konsistenten Zielkatalog für die Wirtschaffspolitik einer Region, eines Landes oder eines supranationalen Integrationsraumes (z.B. EU, NAFTA) zu konstruieren. Zwischen mehreren ökonomischen Zielen bestehen Zielkonflikte (Zielantinomien), d.h. die Umsetzung des einen Ziels (z.B. gleichmäßige Einkommensverteilung) kann nur auf Kosten anderer Ziele (z.B. durch die Beeinträchtigung des Wachstumsziels) erfolgen. Bekämen alle Wirtschaftssubjekte ein identisches wäre niemand mehr
bereit, mehr als andere zu arbeiten. Dies wird insbesondere dann eintreten, wenn die Berufstätigkeit primär als Instrument zur Einkom-
Einkommen,
so
menserzielung und nicht der Selbstverwirklichung dient. Wirtschaftliche Maßnahmen (z.B. Steuerreformen, eine neue Arbeitsmarktpolitik oder die Überarbeitung des Förderkatalogs der EU-Strukturfonds) setzen deshalb in der Regel Werturteile voraus, die es ermöglichen, Prioritäten zwischen den Zielen, die es zu erreichen gilt, festzulegen. Als Werturteil kann somit eine Aussage angesehen werden, die offen (explizit) oder versteckt (implizit) eine positive oder negative Empfehlung zu einem Sachverhalt enthält. Sie stellen somit präskriptive Aussagen
dar, die Einstellungen
bestimmten
Dingen wiedergeben, nicht aber die Realität als solche beschreiben (deskriptive Aussagen). zu
so hätte der einzelne gewiß nicht einmal 20 am Tage zustande gebracht". Smith, Adam: Wohlstand von Nationen, übersetzt von Recktenwald, HC, München 1978. S. 9f. 4 Bauer, Antonie: Adam Smith schuf mit bekannten Ideen Neues, in: Süddeutsche Zeitung Nr. 127 vom 5. Juni 1998, S. 24.
arbeitet,
/. Teil:
Fließen in die Vwl Werturteile ein,
7
Grundfragen der Volkswirtschaftslehre
Wissenschaft. Als Beispiel führen Hanusch / Kuhn das Ziel des Wirtschaftswachstums an. Eine Steigerung des Sozialprodukts läßt sich zwar empirisch überprüfen. Keineswegs eindeutig kann jedoch die Frage beantwortet werden, ob eine Erhöhung des gesamtwirtschaftlichen Produktiso
ist sie eine normative
onsvolumens mit den
entsprechenden Nebenwirkungen (z.B. erhöhte Schadstoff- und Lärmemissionen sowie steigendem Energieverbrauch) überhaupt immer unter dem Gesichtspunkt der Wohlfahrt der beteiligten Bevölkerung sinnvoll ist.5 Sofern die Vwl Werturteile vermeidet und sich auf die Feststellung dessen, was ist, beschränkt, kann sie als positive Wissenschaft bezeichnet werden. In der Regel wird es der Vwl nicht gelingen, ohne implizite oder explizite Wertungen zu arbeiten. Deshalb kann es nur Aufgabe des Volkswirts sein, eine Vermengung von Werturteilen mit erfahrungswissenschaftlichen Aussagen zu vermeiden. 4.
Theorienbildung in der Volkswirtschaftslehre
Nobody but a beggar chooses to depend chiefly upon the benevolence ofhis fellow citizens. Adam Smith
Die Summe aller ableitbaren Aussagen (Sätze), die aus einem
sensystem, Modell) geschlossen werden,
bezeichnet
man
(1776)
Annahmesystem (Prämis-
als Theorie. Mit Hilfe einer
Theorie sollen wirtschaftliche
Ereignisse erklärt und prognostiziert werden. Die Erklärungen wiederum beinhalten die logischen Folgerungen aus dem gewählten Prämissensystem. Entscheidend ist für die Anwendbarkeit einer Theorie zur Erklärung und Prognose der Realität deren empirischer Gehalt. Die Herleitung einer volkswirtschaftlichen Theorie kann mit den Methoden der Induktion oder Deduktion erfolgen. Die Methode der Deduktion ist die Ableitung (Folgerung) eines Satzes aus den Annahmen, meistens durch die Anwendung mathematischer Rechenregeln. Wird z.B. die Konsumfunktion C
=
200 Mrd. DM +
0,6 Y
unterstellt, wobei C die gesamtwirtschaftlichen Konsumausgaben einer Volkswirtschaft und Y das Bruttosozialprodukt (BSP) sind, so wird bei einer Steigerung des BSPs von 2 Bio. DM auf 2,1 Bio. DM mit einer Zunahme des privaten Konsums von 1,4 Bio. DM auf 1,46 Bio. DM gerechnet.
5
Vgl. Hanusch, Horst / Kuhn, Thomas: Emfilhrung in die Volkswirtschaftslehre, Berlin u.a. 1991, S.
33.
8
2. Teil:
Wirtschaftspolitik
Im Rahmen der Induktion wird
besonderen Sätzen (z.B. Beobachtungen, ExperiSätze (Hypothesen) geschlossen. Bekannt ist z.B. in diesem Zuvon
mente) auf allgemeine sammenhang das (modifizierte) Phillips-Kurven-Theorem von Samuelson und Solow. Die beiden Autoren konstatierten ein langfristig stabiles Austauschverhältnis (trade-off) zwischen Inflationsrate und Arbeitslosigkeit. Ausgangspunkt für diese Hypothese waren Beobachtungen von A.W. Phillips, der für den Zeitraum 1861 1957 in England eine negative Korrelation zwischen Nominallohnsteigerungen und dem Ausmaß der Arbeitslosigkeit festgestellt hat. Für Deutschland konnte allerdings dieses Theorem, wie die folgende Abbildung verdeutlicht, nicht empirisch belegt werden. Abb. ?: Empirische Daten für die Bundesrepublik Deutschland zum -
Phillips-Kurven-Theorem für ausgewählte Jahre des Zeitraums (bis 1991: alte Bundesländer)
1980
1998 -
Arbeitslosenquote 2. Teil:
Wirtschaftspolitik Allgemeiner Überblick über wirtschaftspolitische Entscheidungsfelder Unter Wirtschaftspolitik wird die Gesamtheit der Maßnahmen verstanden, 1.
staatlichen und nichtstaatlichen Institutionen mit dem Ziel weder das
Wirtschaftssystem festzulegen
Richtung und bestimmtem nung
Ausmaß
zu
unternommen
die
von
werden,
ent-
oder ökonomische Größen in bestimmter
beeinflussen. Ohne daß eine
eindeutige Zuord-
jeder einzelnen Maßnahme immer möglich ist, wird der Gesamtbereich der Wirt-
2. Teil:
Wirtschaftspolitik
9
Schaftspolitik in Ordnungs-, Prozeß- und Strukturpolitik unterteilt. Die Ordnungspolitik besteht in der Aufstellung und Änderung von Regeln, nach denen sich die Bewohner eines Landes ökonomisch betätigen. Soweit diese durch Gesetze (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen), Verordnungen sowie durch die Rechtsprechung juristisch festgelegt sind, bilden sie die Wirtschaftsverfassung eines Landes ab. Prozeßpolitik zielt auf die Beeinflussung des Wirtschaftsablaufs. Sie läßt sich z.B. in Maßnahmen der Konjunktur- und solche der Wachstumspolitik untergliedern. Mit Hilfe der Konjunkturpolitik sollen globale Ziele wie die Stabilität des Preisniveaus und die Vollbeschäftigung (Stabilitäts- und Wachstumsgesetz) erreicht werden. Deshalb wird auch diese Form der Wirtschaftspolitik als Stabilisierungspolitik bezeichnet. Sofern das Güternachfragevolumen einer Volkswirtschaft z.B. über eine Veränderung der Staatsausgaben oder der Abschreibungsbedingungen beeinflußt wird, handelt es sich um eine nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik. Staatliche Maßnahmen, die primär die Voraussetzungen für das Güterangebot einer Volkswirtschaft z.B. über den Abbau der Steuerlast und Verringerung des Staatsanteils verbessern wollen, werden unter dem Begriff angebotsorientierte Wirtschaftspolitik gefaßt. Die Strukturpolitik beeinflußt die Wirtschaftsstruktur eines Landes. Staatliche Hilfen, wie Subventionen oder Steuererleichterungen für bestimmte Branchen (Landwirtschaft, Werftindustrie, Bergbau) üben ebenso Einfluß aus wie Maßnahmen zur Änderung der Vermögensverteilung oder zur Umverteilung der im Produktionsprozeß erzielten Einkommen. Unter anderen Gesichtspunkten ergeben sich weitere Einteilungen der Wirtschaftspolitik. Werden die eingesetzten Instrumente zugrunde gelegt, so unterscheidet man z.B. zwischen Geld-, Finanz- und Wechselkurspolitik. Eine weitere begriffliche Abgrenzung wird zwischen praktischer und theoretischer Wirtschaftspolitik vollzogen. Mit den Maßnahmen zur Beeinflussung des Wirtschaftsprozesses innerhalb der Volkswirtschaft beschäftigt sich die praktische Wirtschaftspolitik, während die theoretische Wirtschaftspolitik das System der Annahmen und Erkenntnisse über die Möglichkeiten solcher Interventionen darstellt.
10
2. Teil:
Wirtschaftspolitik Abb. 4:
Untergliederung der Wirtschaftspolitik
Wirtschaftspolitik H Strukturpolitik
Prozeßpolitik
Ordnungspolitik Eigentumsordnung
>
Geld- und Währungsordnung
>
Stabilisierungspolitik
y- Sektorale Strukturpolitik Agrarpolitik; •
Verkehrspolitik; Energiepolitik; •
Geld-und Kreditpolitik
tFinanzpolitik
Wettbewerbspolitik
1
\- Verteilungspolitik •
•
Einkommenspolitik; Vermögenspolitik;
Wechselkurspolitik
L Regionale Strukturpolitik einige ausgewählte Teilbereiche der Wirtschaftspolitik im Detail analysiert werden, erfolgt eine Darstellung der wichtigsten wirtschaftspolitischen EntscheidungsträBevor
ger.
Wirtschaftspolitische Entscheidungsträger a) Allgemeiner Überblick
2.
Was ist die
Weltwirtschaft angeht, so ist sie verflochten. Kurt Tucholsky: Kurzer Abriss der Nationalökonomie (1931), S. 287.
Begriff „Träger der Wirtschaftspolitik" nicht nur die Kompetenzträger (staatliche wirtschaftspolitische Instanzen) subsumiert, die aufgrund ihrer hoheitlichen Macht wirtschaftspolitische Entscheidungen durchsetzen können, sondern alle Wirtschaftssubjekte, die wirtschaftspolitische Aktivitäten auslösen, entfalten oder beeinflussen.6 In der Abb. 5 wird der Trägerpluralismus, d.h. die Vielzahl an wirtschaftspolitischen Akteuren mit unterschiedlichen Zielsetzungen und Handlun-
In einer weiten Definition werden unter den
gen, deutlich. Auf der supranationalen Ebene ist eine Vielzahl
wirtschaftspolitischen Entscheidungsträgern angesiedelt. In der Europäischen Union ist als legislative Instanz der Rat der
Europäischen Gemeinschaft
zu nennen.
von
Primäres
Exekutivorgan
ist die EU-Kom-
nachgeordnete ausführende Instanzen, die z.B. für die Verwaltung eines Strukturfonds zuständig sind. Bedeutsame Kompetenzen, auf die mission. Darüber hinaus existieren
6
Die Diskussion um die Träger der Wirtschaftspolitik wird wiedergegeben in Peters, Hans-Rudolf: schaftspolitik, 2. überarbeitete und erweiterte Auflage, München, Wien 1995, S. 67f.
Wirt-
2. Teil:
Wirtschaftspolitik
11
folgenden Ausführungen eingegangen wird, sind auf die EG übertragen worden: Aktuell ist die Einrichtung der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main, die am 1.1.99 für die Gründungsmitglieder der Europäischen Währungsunion die geldpolitische
in den
Kompetenz übernommen hat, oder die Institutionalisierung des ECOFIN-Rates. Außerdem wird in vielen Politikbereichen, z.B. im Agrar-, Energiesektor bzw. in der Regionalpolitik, eine gemeinsame Politik auf der EU-Ebene betrieben. Die Globalisierung der Ökonomie blieb nicht ohne Folgen für die institutionelle Struktur der Weltwirtschaft:
Organisationen mit erweitertem Kompetenzspielraum durch die Institutionalisierung von Verhandlungsrunden entstanden. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang insbesondere die Welthandelsorganisation, deren Aufgabengebiete gegenüber dem GATT ausgeweitet und deren Sanktionsmöglichkeiten erhöht wurden. In der aktuellen Diskussion stehen darüber hinaus auch die beiden Schwesterorganisationen IWF und Weltbankengruppe, so daß es notwendig ist, auch deren Aufgabengebiete und organisatorische Strukturen zu beschreiben. Zum einen sind
neue
b) Binnenwirtschaftliche Entscheidungsträger In der Bundesrepublik Deutschland ist als primäre Exekutivinstanz im Rahmen der Wirtschaftspolitik die Bundesregierung zu nennen. Es wird kein Ministerium geben, das nicht auch Maßnahmen von wirtschaftspolitischer Relevanz trifft.
12
2. Teil:
Wirtschaftspolitik Abb. 5:
Träger der Wirtschaftspolitik
Bund, Länder, Gemeinden
Regierung
Parlament
Arbeitsmarkt-
Europ. Zentralbank
parteien Dezentralisierte
Europäische Union
Wirtschaftspolitik
Träger öffentlicher
Selbstverwaltung
der Wirtschaft
sonstige internationale
sonstige Verbände
Institutionen, z.B.: •
Wclthandclsorganisation
•
Internationaler Wäh-
•
Weltbankengruppe
•
OECD
und Interessengruppen
rungsfonds Koordination durch
Korporatistische Strukturen: z.B.
„Runde Tische",
wie das Bündnis für Arbeit Konsultation
Gemeinsame
Handlungsregeln Zwang Hervorzuheben sind aber das Bundesministerium für Wirtschaft, das die Verantwortung
Wirtschaftspolitik hat und das Finanzressort, das als Entscheidungsträger für alle wirtschaftspolitischen Maßnahmen dient, die den Bundeshaushalt finanziell belasten. Als oberste Bundesbehörde war die Deutsche Bundesbank bis zum 31.12.1998 alleinige Trägerin der deutschen Geldpolitik. Seitdem ist sie integraler Bestandteil des Europäifür die
schen
Zentralbanksystems.7 Weitere Bundesbehörden, wie das Bundesamt für das Kre-
ditwesen oder das Bundeskartellamt, haben
Entscheidungsbefugnis
in ihren
speziellen
2. Teil:
Wirtschaftspolitik
13
Zuständigkeitsbereichen. Bei allen gesetzlichen Aktivitäten ist der Deutsche Bundestag als legislative Instanz das wichtigste Gremium, obwohl die Gesetzesentwürfe von den Bundesbehörden vorformuliert werden. Nach Art. 91a GG gibt es drei
schaftspolitik,
Gemeinschaftsaufgaben im Rahmen der deutschen Wirt-
die in enger Bund-Länder-Zusammenarbeit
bewältigt werden.
Dazu zäh-
len: •
der Aus- und Neubau
von
wissenschaftlichen Hochschulen einschließlich der Hoch-
schulkliniken, •
die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" sowie
•
die
Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung
der
Agrarstruktur
und des Küstenschut-
zes". Das Institut der
Gemeinschaftsaufgabe sieht insbesondere eine enge Zusammenarbeit im Bereich der Planungs- und Finanzierungskompetenz vor. Eine gemeinsame Rahmenplanung soll ein koordiniertes Verhalten von Bund und Ländern sicherstellen, wobei die Verabschiedung der Rahmenpläne an die Zustimmung des Bundes und der Mehrheit der Länder gebunden ist. Außerdem muß das Bundesland, in dessen Gebiet die Maßnahme durchgeführt werden soll, positiv votieren. Die gemeinsame Finanzierung der Bund trägt mindestens die Hälfte der Gesamtausgaben soll solidarisches Handeln und die gemeinsame Verantwortung ausdrücken. Die Durchführungs- und Kontrollkompetenzen verbleiben bei den Ländern. Hinzuweisen ist auf den Bedeutungsverlust der Gemeinschaftsaufgaben als Folge einer Kompetenzverlagerung auf die EU-Ebene.9 Hier spielt auch die Beihilfekontrollpolitik der EU-Kommission nach Art. 92ff. EWG-Vertrag eine Rolle, die den nationalen Kompetenzspielraum einengt.10 Auf der Länderebene sind als Legislativinstanzen die Landtage der Bundesländer zu nennen, während die Landesregierungen die primäre Exekutivfunktion ausüben. Analog sind im kommunalen Bereich Gemeinde- und Stadträte sowie Kreistage für die Gesetzgebung zuständig. Die Gemeinde-, Stadt- und Kreisverwaltungen stellen die vollzie-
-
hende Gewalt dar. Als sekundäre exekutive Instanzen sind hier nale Zweckverbände
zu
nennen,
exemplarisch kommuderen Entscheidungsbefugnis z.B. auf die Müllabfuhr,
7
Siehe Ausführungen zur Geldpoliük. Vgl. Peters, Hans-Rudolf: Wirtschaftspolitik.... a.a.O., S. 71f. Siehe Ausführungen zur EU-Agrarpolitik und Regionalpolitik. 10 Vgl. Klemmer, Paul: Gemeinschaftsaufgaben, in: Akademie für Raumforschung (Hrsg.): Handwörterbuch der Raumordnung, Hannover 1995. S. 389f.
8 9
und
Landesplanung
14
2. Teil:
Wirtschaftspolitik
Wasserversorgung oder die Bereitstellung Öffentlicher Nahverkehrsleistungen begrenzt ist." Als Träger öffentlicher Selbstverwaltung der Wirtschaft sind insbesondere die 83 Industrie- und Handelskammern (IHK) in Deutschland zu nennen. Die umfangreichen Aufgaben der Kammern erstrecken sich auf alle Bereiche des Wirtschaftslebens. Im einzeldie
nen
zählen dazu:
die Förderung der gewerblichen Wirtschaft innerhalb des Kammerbezirks; die Vertretung der gewerblichen Wirtschaft gegenüber der Kommune; die Beratung der Mitglieder; die Auskunftserteilung; die Trägerschaft der Lehrlingsausbildung; die Errichtung von Berufsschulen; die Bestellung von Sachverständigen; die Schlichtung von Wettbewerbsstreitereien und die Mitwirkung bei Eintragungen, Berichtigungen u.ä. im Handelsregister oder bei der Konzessionserteilung.
• •
• • • •
• • •
Die
Vereinigungsfreiheit gehört zu den Grundprinzipien einer freiheitlichen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. Sie ermöglicht Angehörigen von Berufsgruppen und
Branchen durch den Zusammenschluß in Verbänden ihre Interessen wahren. Der Mensch wird somit nicht
zu
artikulieren und
als einzelner
Stimmbürger im Staat politisch integriert, sondern häufig auch über seine Mitgliedschaft in vielfältigen nichtstaatzu
lichen Zusammenschlüssen
nur
(Nichtregierungsorganisationen12: Gewerkschaften,
Kir-
chen, Greenpeace, Arbeitgeberverbände usw.). Dieses Phänomen, das in modernen westlichen Industriegesellschaften auftritt, wird als Verbandspluralismus bezeichnet. Kritisch kann gegen den Verbandspluralismus eingewandt werden, daß organisierte Interessen versucht sein könnten, sich auf Kosten jener Interessen zu einigen, die nicht or-
ganisiert
sind. Besonders bedenklich sind
Vereinbarungen zwischen Verbänden dann, wenn sie zu Lasten des allgemeinen, aber nicht organisierten Interesses an wirtschaftlicher Entwicklung gehen. In diesem Fall konzentriert sich die Gesellschaftspolitik auf Verteilungsprobleme unter Vernachlässigung von Allokations-, Stabilisations- und Wachstumsfragen. Branchenvertreter werden z.B. in der Regel bestrebt sein, Einkommensvorteile in Form von Subventionen und Steuervergünstigungen bzw. durch Wettbewerbsbeschränkungen zu erlangen. Das Machtpotential einer Pressure Group (Interessengruppe) kann in Einzelfällen so hoch sein, daß die Interessen auf Staatsfunktionen "
Vgl. Peters, Hans-Rudolf: Wirtschaftspolitika.a.O., S. 71. Nichtregierungsorganisationen werden nach der angelsächsischen Bezeichnung auch NGOs (non vernmental organisations) genannt (Anmerkung des Verfassers). n
go-
2. Teil:
sowie auf die Lebens- und
Wirtschaftspolitik
15
Arbeitsbedingungen anderer Bürger einwirken (siehe Deut-
scher Bauernverband).
Arbeitsmarktparteien, also Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter (Gewerkschaften), beeinflussen die Wirtschaftspolitik. Zum einen legen sie im Rahmen ihrer Tarifautonomie nach Artikel 9 Absatz III des Grundgesetzes die Löhne und Gehälter der Auch
Arbeitnehmer fest. Gewerkschaften versuchen darüber hinaus z.B. die betriebliche Mit-
bestimmung der zu vertretenden Mitglieder auszubauen. Zur Wiedergewinnung der Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Standortwettbewerb und zur Bewältigung der strukturellen Anpassungslasten als Folgen der Globalisierung, zu denen insbesondere die steigende Arbeitslosigkeit gering qualifizierter Arbeitnehmer zählt, ertönt insbesondere in Deutschland der Ruf nach korporatistischen Arrangements. Unter korporatistischen Strukturen werden in diesem Zusammenhang Institutionen verstanden, die eine organisierte Verhaltensabstimmung kollektiver Akteure unter Beschränkung des Wettbewerbs ermöglichen. „Das korporatistische Argument lebt von der Grundüberzeugung, man könne makroökonomische Probleme lösen, lindern oder gänzlich verhindern, wenn es gelänge, jene Wirtschaftsagenten zu abgestimmten Verhalten und Entscheiden an einem Tisch zu bringen, die über die maßgeblichen Machtpositionen innerhalb einer Gesellschaft verfügen."13 In jüngster Vergangenheit sind die Runden Tische als institutionelle Ausprägungen des korporatistischen Gedankens in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gerückt. In den Niederlanden wurde erfolgreich ein Beschäftigungsmodell (Poldermodell) implementiert, das auf dem Konsens von Arbeitnehmern, Arbeitgebern und dem Staat basiert. Die Umstrukturierung und Sanierung der luxemburgischen Stahlindustrie ist vor Jahrzehnten durch das (konsensuale) Zusammenspiel zwischen Staat, Gewerkschaften und Arbeitgebern (tripartite) erfolgreich vollzogen worden. Auf der Ebene der Europäischen Union wurde zwischen den Vertretern der Europäischen Kommission, der nationalen Regierungen, der Europäischen Zentralbank und Arbeitnehmer- sowie Arbeitgebervertreter in Form eines Runden Tisches ein Beschäftigungspakt geschlossen, mit dem Ziel die
Arbeitslosigkeit
in der Gemeinschaft
zu
senken und das Wirtschaftswachstum
zu
steigern.14 13 Berthold, Norbert / Hank, Rainer: Bündnis für Arbeit: Korporatismus statt Wettbewerb, in: Walter Eucken Institut (Hrsg.): Beiträge zur Ordnungstheorie und Ordnungspolitik, Band 159, Tübingen 1999, S. 27. 14 Vgl. Kirsch, Guy: Runde Tische: Stabilisatoren oder Störelemente einer liberalen Ordnung?, in: WISU 8-9/99, S. 1150. ,
16
2. Teil:
Wirtschaftspolitik
Analog der Konzertierten Aktion (§ 3 Stabilitätsgesetz) in den 70er Jahren unter der Egide des damaligen Wirtschaftsministers Karl Schiller ist mit dem Bündnis für Arbeit Ende der 90er Jahre ein institutionalisiertes Gesprächsforum geschaffen worden. Hier sollen sich die Tarifpartner mit der Bundesregierung zusammensetzen, ihre jeweiligen Zielvorstellungen zurücknehmen und ein Gesamtpaket schnüren, daß insbesondere den Interessen der Arbeitslosen dient. In der folgenden Abbildung ist der organisatorische Aufbau des Bündnisses dargestellt. Abb. 6: Bündnis für Arbeit
organisatorischer Aufbau -
Spitzengespräch Leitung: Bundeskanzler Gerhard Schröder Benchmarkin g-G nippe
Steuerungsgruppe Koordination der Arbeits- und Expertengruppen, Vorbereitung der Spitzengespräche
Leitung: Kanzleramtsminister
Fachleute zur Unterstützung der Steuerungsgruppe; Ziel ist es unter anderem eine Bestandsaufnahme des Standorts Deutschland. Leitung: Kanzleramtsminister
Arbeits- und Expertengruppen Jeweils mit Vertretern von Bundesregierung, Wirtschaft und Gewerkschaften besetzt
AG Arbeitszeit- AG Aus- und
AG Lebensarbcits-
politik
Weiterbildung
zeit, vorzeitiges
AG Rentenreform und Arbeitslosen-
Ausscheiden
Versicherung
Expertengruppe Entlassungsabflndungen
Leitung:
Leitung: BildungsminiSterin Edelgard
Leitung:
Leitung:
Leitung:
Arbeitsminister Walter Riester
Arbeitsminister Walter Riester
Arbeitsminister
Arbeitsminister Walter Riester
Walter Riester
Bulmahn
AG Reform der gesetzlichen Krankenversicherung und der Pflegeversicherung
AG
Gesundheitsministerin Andrea Fischer
Finanz-Staatssekretär Staatsminister im Heribert Zitzelsberger Kanzleramt Rolf
Leitung:
AG Aufbau Ost
Fach- und
Steuerpolitik Leitung:
Leitung:
unter Federführung
Themendialoge des Wirtschaftsministeriums
Schwanitz
Quelle: Daniels, Arne / Hanke, Thomas: Lohn der Angst, in: Die Zeit Nr. 21
vom
20 Mai
1999, S. 22.
Allerdings ist bis Anfang 2000 der Charakter des angestrebten Bündnisses noch nicht deutlich geworden: Inwieweit sollen nur Informationen ausgetauscht (Bündnis für Arbeit als reiner Debattierklub) oder darüber hinaus bindende Vereinbarungen über bestimmte anzustrebende Marktergebnisse geschlossen werden? Zielt das Bündnis für Arbeit auf die Veränderung der Verhaltensregeln für Marktakteure und Interessengruppen
2. Teil:
17
Wirtschaftspolitik
lediglich die Schaffung eines Vertrauensklimas intendiert?15 Selbst wenn diese Fragen geklärt wären, so müßten die Erfolgschancen des Runden Tisches als gering
oder wird
eingeschätzt werden. Nach Kirsch stellt dieses Forum nur dann einen erfolgreichen Koordinationsmechanismus dar, wenn bereits im Vorfeld der Implementierung ein informeller Prozeß stattfindet, in dessen Verlauf sich einzelne mit Blick auf die ihnen gemeinsamen Interessen verbindlich verpflichten, nicht als Trittbrettfahrer von den Beiträgen der anderen zu profitieren"16. In der Regel kommt es aber nicht zu einer solchen Verpflichtungserklärung, so daß "„die Einrichtung von Runden Tischen zu einer AlibiÜbung der Politik und als eine Bühne mißbraucht wird, auf der folgenlose Absichtserklärungen ausgetauscht werden"17. Zwar bekunden z.B. Zusagen der Arbeitgeberver„
...
Schaffung von Lehrstellen ihren guten Willen. Da jedoch diese Funktionäre gegenüber den einzelnen Unternehmen keine Weisungsbefugnis haben, kann der Verband seine Mitglieder nicht verpflichten, Auszubildende einzustellen. Die Zusage stellt somit eine folgenlose, leere Bekundung dar. Der Erfolg der luxemburgischen tripartite" läßt sich nach Kirsch zum großen Teil dadurch erklären, daß die Lasten aus den am Runden Tisch gemachten Zusagen nicht von den Verhandlungspartnern sondern von den Steuerzahlern getragen wurden. Der Widerstand gegen diese Finanzierung war gering, weil gleichzeitig durch den neu entwickelten Bankensektor sich die staatliche Einnahmesituation verbesserte. In dieser (Ausnahme-)Situation waren also die Kosten für die Einhaltung der Zusagen am Runden Tisch für die Verhandlungspartner vergleichsweise gering, während die Erfolge aus den Verhandlungsergebnissen den Arbeitnehmern, -gebern und dem Staat schnell und direkt zurechenbar waren.18 Als weitere (indirekte) Beeinflussungskräfte sind die Medien zu nennen, die auf die Meinungsbildung Einfluß nehmen und wirtschaftspolitisches Handeln in eine bestimmte Richtung auslösen können.19 treter
über die
c) Die Europäische Union Derzeit stellt die Europäische Union mit ihren 15 Mitgliedsländern, 372 Mio. Verbrauchern und einem Bruttoinlandsprodukt von fast 6,5 Billionen ECU den größten Bin-
15 Vgl. im Detail (insbesondere die verfassungsrechtliche Problematik des Bündnisses) Fehl, Ulrich: Bündnis für Arbeit, in: WiSt.Wirtschaftswissenschaftliches Studium, 28. Jahrgang, Heft 7, Juli 1999, S. 329 und S. 366. 16 Kirsch, Guy: a.a.O., S. 1155f. 17 Dens.: ebenda, S. 1154. 18 Vgl. ders : ebenda, S. 1154f. 19 Vgl. Peters, Hans-Rudolf: Wirtschaftspolitik a.a.O., S. 80.
18
2. Teil:
Wirtschaftspolitik und die
gebotenen Kürze soll das Finanzierungssystem Ausgabenstruktur des EU-Haushaltes20 beschreiben werden.
nenmarkt der Welt dar. In der
Tab. 1: Struktur der EG/EU-Einnahmen
(1996)
Tab. 2:
Gesamthaushaltsplan der EG (1996) Position
Einnahmearten Zölle
14,5
Agrarabschöpfungen
2,2
MwSt-Eigenmittel BSP-Eigenmittel
Sonstiges_
44,9 25,9 12,5
Insgesamt
100
und Zuckerabgaben
Mrd. ECU
%
40,8 25,8 5,0
49,8 31,5 6,1
4,3 1,9
2,3
4,1 81,9
100
Agrarpolitik
%
Strukturpolitik Sonstige interne
Politiken Externe Politiken
Ausgleichszahlungen und Reser-
5.2
ven
Verwaltung Insgesamt
5.1
Quelle: Deutsche Bundesbank (Hrsg.): Euro-
Quelle: Caesar, Rolf: Die Finanzierung
der Europäischen Union, in: WISU. Das Wirtschaftsstudium, 26. Jahrgang, Heft 10, Oktober 1997, S. 954.
päische Organisationen und Gremien im Bereich Währung und Wirtschaft, Mai 1997, S. 49.
von
speziell fur die Bundesrepublik Deutschland die Leistungen an und aus dem Haushalt der Europäischen Union im Jahr 1998 aufgelistet. In den u.a. Tabellen sind
Tab. 3: Deutsche Leistungen
Einnahmearten
Zölle, Abgaben im
an
die EU
Position
in Mrd. DM
7,14
16,5
17,82
17,965
41,3 41,6
234
0,6
Rahmen der Agrar-
politik MwSt-Eigenmittel BSP-Eigenmittel Sonstige Leistun-
Agrarpolitik Strukturpolitik:
43,159
100
Überwiegend Erzeugermitverantwortungs-
und Garantiemengenabgabe für Milch, Milcherzeugnisse und Getreide
aus
dem EU-Haushalt
Mrd. ECU
%
11,320 7,292
58,6 37,7 8,4
davon: EAGFL* Abteilung Aus-
1,632
•
Sozialfonds
•
Regionalfonds
2,063 3,427 0,714 19,326
•
gen*_
Insgesamt
Tab. 4: Deutsche Leistungen
richtung
Sonst. Leistungen Insgesamt
10,7 17,7 3„7 100
EAGFL: Europäischer Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft
Quelle: Deutsche Bundsbank (Hrsg.): Zahlungsbilanzstatistik Mai 1999, Statistisches Beiheft zum Monatsbericht 3, Frarddurt am Main 1999, S. 36f.
(1) Das gegenwärtige Einnahmesystem der EU Der EG-Haushalt, der sich momentan auf circa 1,2 Prozent des EU-Bruttoinlandsprodukts beläuft, wurde bis Ende der 60er Jahre über Finanzbeiträge der Mitgliedsstaaten 20
Da der Europäische Union (EU) keine eigene Rechtspersönlichkeit verliehen wurde, üben die Organe der EG (Europäischen Gemeinschaft), neben der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) und der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom) eine der drei Teilorganisationen der Euro-
päischen Gemeinschaften, ihre Befugnisse für die EU aus, so daß sich fast alle haushaltsrelevanten Transaktionen der EU auf die Aktivitäten der EG, die unter dem Dach der EU unverändert weiter besteht, beziehen.
2. Teil:
Wirtschaftspolitik
19
finanziert.
Eigene Einnahmequellen stehen der Europäischen Gemeinschaft seit dem Eigenmittelbeschluß des Jahres 1970 zur Verfügung. AJs erstes wurde der Gemeinschaft die Ertragshohheit für Zölle und Abschöpfungen21 zugewiesen und dann zwischen 1971 bis 1980 sukzessive ein begrenzter Anteil an der MwSt (MwSt-Eigenmittel) eingeführt. Zur Ermittlung der MwSt-Eigenmittel wird im Rahmen des EU-Haushaltsverfahrens ein bestimmter Prozentsatz, der einen vorgegebenen Höchstwert nicht überschreiten darf, auf eine EU-einheitliche MwSt-Bemessungsgrundlage festgelegt. Im Zeitraum 1995 1999 wurde dieser schrittweise auf seinen Ursprungswert von 1,0 v.H. zurückgeführt, nachdem er 1985 auf 1,4 v.H. angestiegen war. Gleichzeitig ist seit 1995 die MwStBemessungsgrundlage auf 50 v.H. des jeweiligen nationalen BSP reduziert worden, damit relativ arme Mitgliedsländer nicht überproportional zu den MwSt-Eigenmitteln beitragen müssen. 1988 ist darüber hinaus eine weitere Einnahmequelle geschaffen worden, die direkt am Bruttosozialprodukt (BSP) der Mitgliedsländer gekoppelt ist: die sog. BSP-Eigenmittel22 Sie ist so konzipiert, daß mit dem Aufkommen an BSP-Eigenmitteln die Dekkungslücke zwischen Gesamteinnahmen und -ausgaben geschlossen wird, da eine Kreditaufnahme der EU bisher generell ausgeschlossen ist.23Die Einnahmenstruktur der EU ist für das Jahr 1996 in der Tab. 1 dargestellt. Die MwSt-Eigenmittel stellten mit fast 45 Prozent die mit Abstand wichtigste Finanzierungsquelle des EU-Haushaltes dar. Betrug 1971 der Anteil der Zölle und Agrarabschöpfungen (einschließlich der Zuckerabgaben) -
noch 55,6
Prozent24,
waren es
1996
nur
noch 16, 7 Prozent. Ab 1999 sind die BSP-
Eigenmittel zur Hauptfinanzierungskomponente geworden. Während 1996 25,6 Prozent der Einnahmen aus dieser Position resultierten, wurden ein Jahr später im Haushaltsplan bereits 40 Prozent veranschlagt.
Im Rahmen der EG-Agrarmarktordnungen wird der EG-Binnenmarkt vom Weltmarkt durch die Abschöpfungen abgeschirmt. Die EG legt für eine Vielzahl landwirtschaftlicher Produkte einen Einfuhrpreis
(Schwellenpreis) fest, zu dem das Produkt aus Drittländern in der Europäischen Union angeboten werden muß. Die Differenz zwischen dem von der EG festgelegten Eirifuhrpreis und dem in der Regel günstigeren Angebotspreis der Drittländer wird als Abschöpfungsssatz bezeichnet. Die Abschöpfungen stellen eine wichtige Einnahmequelle der EU dar und tragen zur Stabilisierung der inländischen Agrarpreise bei. 22 Neben den im Text angeführten Einnahmen stehen dem EU-Haushalt zusätzliche Finanzierungsquellen zur Verfügung, die im Zeitablauf stark schwanken und aufgrund ihres vergleichsweise geringen Volumens der Einzelpositionen hier nicht Erwähnung finden. Zum Beispiel betrugen die sonstigen EG/EUEinnahmen 1996 12,5 Prozent, während sie im Haushaltsplan 1997 mit 0,7 Prozent angesetzt wurden. Vgl. Caesar, Rolf: a.a.O., S. 954. 23 Vgl. ders.: ebenda, S. 952. Nach Auffassung von Folkers gibt es aber durchaus außerbudgetäre Möglichkeiten zur Umgehung des Defizitverbots. Vgl. Folkers, Cay: Finanz- und Haushaltspolitik, in: Klemmer, Paul (Hrsg.): Handbuch Europäische Wirtschaftspolitik, München 1998, S. 591. 24 Vgl. Caesar, Rolf: Die Finanzierung der Europäischen Union..., a.a.O., S. 954.
20
2. Teil:
Wirtschaftspolitik
(2) Kritik an der derzeitigen EU-Finanzierung Insbesondere zwei Gesichtspunkte sprechen fur eine Reform der EU-Finanzierung: (1) Dadurch, daß sich die Bemessungsgrundlage der MwSt- und BSP-Eigenmittel auf einzelstaatliche Größen bezieht, stellen diese Hauptfinanzierungskomponenten de facto nationale Finanzierungsbeiträge dar. Das Aufkommen wird durch einzelstaatliche Interessen und Ziele bestimmt, was zu einer deutlichen Einschränkung der EUFinanzautonomie fuhrt.
(2)
Abschöpfungen als auch die MwSt-Eigenmittel haben eine stark regressive Wirkung. Alle drei Finanzierungsquellen besteuern den Verbrauch, so daß Geringverdienern mit einem hohen Anteil der Konsumausgaben am verfugbaren Einkommen besondere Nachteile durch die Besteuerung erwachsen. Dies gilt selbstverständlich auch für weniger wohlhabende Staaten innerhalb der EU, die durch durch die angeführten Komponenten relativ stärker als andere Länder belastet werSowohl Zölle und
den. Von Seiten der EU-Kommission und dem
Europäischen Parlament wird deshalb ein er-
Besteuerungsrecht der Union gefordert, wobei eine EU-Umwelt- und -Körperschaftsteuer präferiert wird. Allerdings darf sich durch die Einführung dieser beiden Steuerarten die Gesamtsteuerlast der EU-Bürger nicht erhöhen, so daß auf nationaler Ebene eine Senkung der Abgabenlast vollzogen werden müßte.25 Mitte 1999 wurde vom EU-Parlament die sog. Agenda 2000 beschlossen. Sie umfaßt Stellungnahmen der EU-Kommission aus dem Jahr 1997 zu den Beitrittsgesuchen von 10 mittel- und osteuropäischen Ländern und ein Programm für die interne Vorbereitung der EU auf die Erweiterung. Der Europäische Rat hatte daraufhin 1998 Beitrittsverhandlungen mit Estland, Polen, Slowenien, Tschechien, Ungarn sowie Zypern eröffnet. weitertes
Auf seinem Sondertreffen in Berlin
am
25 /26. März 1999 hat der Rat das Vorberei-
tungsprogramm für die EU verhandelt. Beschlossen wurde im einzelnen:
(1) Obergrenzen für die Ausgaben der EU (mit 15 bzw. 21 Mitgliedsstaaten); diese Ausgabendeckelung wurde insgesamt und nach Politikbereichen getrennt vorgenommen. Für den quantitativ wichtigsten Ausgabeposten, der landwirtschaftlichen Strukturpolitik wurden die Ausgaben für den Zeitraum 2000 2006 festgelegt; (2) Grundsätze für die jährliche Haushaltsaufstellung; (3) Beibehaltung einer Höchstgrenze für den jährlichen Anstieg der Agrarausgaben; -
25
Vgl. Caesar, Rolf: Das Finanzsystem der EG Mängel der europäischen Finanzverfassung, in: Caesar, Rolf / Ohr, Renate (Hrsg.): Maastricht und Maastricht II: Visionen oder Abenteuer, Baden-Baden 1996, S. 251ff. -
2. Teil: Wirtschaftspolitik
21
(4) Die Aufteilung der Struktur- und Kohäsionsfondsmittel auf die in der Agenda vorgeschlagenen Ziele und nach Mitgliedstaaten; (5) Beibehaltung der Obergrenze der Einnahmen der Union in Höhe von maximal 1,27 % des BSP der EU und eine Begrenzung des jährlichen Ausgabenzuwachses auf den Anstieg der Haushalte der einzelnen Mitgliedssttaaten und (6) Eine Änderung des Eigenmittelbeschlusses über die Finanzierungsbeiträge der Mitgliedsstaaten zum EU-Haushalt mit Wirkung ab 2002; exzessive Haushaltsbelastungen von Mitgliedsstaaten sollen über Änderungen der Ausgabenstruktur korrigiert werden.
(3) Die Ausgaben- und Aufgabenstruktur der EU Über 80 Prozent des Gesamtausgaben bzw. 66,6 Mrd. ECU flössen 1996 in die beiden Bereiche Agrar- und Strukturpolitik26. Ursprünglich gehörten nach den Artikeln 38 ff. des EG-Vertrages die Agrar-, Sozial-, Verkehrs- und Handelspolitik zu den Gemeinschaftspolitiken der EG. Darüber hinaus findet auch in anderen Politikbereichen zunehmend eine Kompetenzverlagerung auf die EU-Ebene statt. Im folgenden werden einige wichtige Aktivitätsbereiche dargestellt. (a) EU-Agrarpolitik Mit Hilfe der gemeinsamen Agrarpolitik sollen folgende Ziele realisiert werden (Art. 39
EG-Vertrag): die Steigerung der Produktivität, •
Gewährleistung einer angemessenen Lebenshaltung der landwirtschaftlichen Bevölkerung (, ...), • Stabilisierung der Märkte, • Sicherstellung der Versorgung und Belieferung der Verbraucher zu angemessenen Preisen. Aus der Tabelle 2 wird ersichtlich, daß 1996 fast 50 Prozent der Gesamtausgaben der EG für die Agrarpolitik verwendet wurden. Kernmerkmale der EU-Agrarpolitik sind die sog. Agrarmarktordnungen für alle wichtigen landwirtschaftlichen Produkte. Bestandteile dieser umfassenden staatlichen Interventionen in das Marktgeschehen sind ein System gemeinsamer Preise, Beihilfen, Qualitätsnormen und Handelsregulierungen (ein•
•
Die EU-Strukturpoliük wird im Rahmen des Kapitels Wirtschaftspolitik beschrieben.
22
2. Teil:
Wirtschaftspolitik
Schutzmaßnahmen). Die EU-Marktordnungen werden um die Agrarstrukturpolitik ergänzt, damit den unterschiedlichen Standorten, Betriebsgrößen und Produktionsbedingungen Rechnung getragen werden kann. Mit Hilfe der Strukturpolitik sollen eine beschleunigte Anpassung der Agrarstrukturen, die Förderung der Entwicklung ländlicher Gebiete und flankierende Maßnahmen zu Umweltschutz, Aufforstung schließlich
und Vorruhestand realisiert werden.
Finanziert werden die
Agrarausgaben der Gemeinschaft durch den Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL), der seit 1971 voll in den Gemeinschaftshaushalt integriert ist. Dieser Agrarfonds ist in zwei Abteilungen gegliedert. Die Agrarstrukturfonds (Abteilung Ausrichtung) dienen der Finanzierung der gemeinsamen Agrarstrukturausgaben. Da die Strukturausgaben hauptsächlich in den Mitgliedsstaaten selbst getätigt werden (vgl. Art. 91a GG) und somit die EU nur eine Komplementärfiinktion übernimmt, ist das Ausgabevolumen wesentlich geringer als in der Abteilung Garantie. Hier werden die Kosten für die Marktordnungspolitik (Stützungskäufe, Ausführ- und Einführerstattungen, Prämien, Einkommensbeihilfen und Ausgleichszahlungen) übernommen, die in die Kompetenz der EG übergegangen ist. (b) EU-Sozialpolitik Intention der EU-Sozialpolitik ist es, mit Hilfe sozialpolitischer Maßnahmen der Gemeinschaft, ein Mindestmaß an sozialen Rechten zu garantieren (soziale Dimension des Binnenmarktes), damit der Binnenmarkt nicht zu einer Angleichung der Sozialstandards auf niedrigstem Niveau führt (Art. 118a und b der Einheitlichen Europäischen Akte). Darüber hinaus wird die Beschäftigungsproblematik im Rahmen dieses Politikfeldes thematisiert. Mit Hilfe des Europäischen Sozialfonds soll die Mobilität der Arbeitskräfte erhöht werden, damit sich eine schnelle Anpassung an den Strukturwandel vollzieht. Finanziert werden insbesondere Maßnahmen zur beruflichen Bildung und Umschulungen, zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit und der Eingliederung Jugendlicher in den Arbeitsmarkt. Meinungsverschiedenheiten über eine einheitliche Sozialpolitik in der EU traten insbesondere bei der Verabschiedung der „Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer" (sog. Sozialcharta) zutage, als der Europäische Rat 1989 ohne Zustimmung Großbritanniens das Vertragswerk verabschiedete. Die übrigen Mitgliedsstaaten28 einigten sich aber im Rahmen eines Vertragsprotokolls zum Maastricht-Vertrag, zusätzliche Kompetenzen im Sozialbereich auf die GeVgl. Deutsche Bundesbank (Hrsg.): Europäische Organisationena.a.O., S.
155.
2. Teil:
meinschaft
übertragen,
wie
Wirtschaftspolitik
23
in der Sozialcharta
vorgesehen war. Die EG unterstützt und ergänzt Maßnahmen der Mitgliedsstaaten, die eine Verbesserung der Arbeitsumwelt und der Arbeitsbedingungen, der Mitbestimmung der Arbeitnehmer, der Chancengleichheit von Männern und Frauen und der beruflichen Eingliederung zum Ziel haben. Die Kommission muß jedes Jahr einen Bericht über die Zielerreichung in der EU vorlegen. Als erste Maßnahme, die aus der Umsetzung des Abkommens zur Sozialpolitik im Rahmen des Maastricht-Vertrages erwuchs, ist die Richtlinie über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrates aus dem Jahr 1994 zu nennen. Danach sind größere, EU-weit operierende Unternehmen zu einer grenzüberschreitenden Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmervertreter verpflichtet.29 zu
so
es
(c) EU-Verkehrspolitik Die Einführung einer gemeinsamen Verkehrspolitik ist in den Art. 74ff. des EG-Vertrages verankert. Als Themenschwerpunkte werden dort insbesondere die Festlegung von gemeinsamen Regeln fur den internationalen Verkehr und die Zulassung von Verkehrsunternehmen sowie die Beseitigung aller Diskriminierungen im Verkehr der Gemeinschaft genannt.
EU
plant einheitliche
Transport-Gebühren
old. Brüssel (Eigener Bericht) Gewerblicher Personen- und Güterverkehr soll künftig in der EU einem einheitlichen Kosten- und Gebührensystem unterliegen. Ein Weißbuch mit konkreten Vorschlägen hat der britische EU-Verkehrskommissar Neil Kinnock in Brüssel vorgestellt. Faire Preise sollen zu einer effizienteren Nutzung von LKW, Bahn, Flugzeug oder Schiff führen. Nach dem Vorschlag der Kommission soll in drei Stufen bis spätestens 2005 ein harmonisiertes Gebührensystem verwirklicht werden. -
(...)
Quelle: SZ vom 23.07.98, S. 17.
Nach dem sog. Untätigkeitsurteil des Europäischen Gerichtshofes vom 22. Mai 198530 ist die gemeinsame Verkehrspolitik in vielen Bereichen realisiert worden. Vor allem im
Eisenbahnverkehr allerdings noch Defizite hinsichtlich der steuerlichen, technischen 28
Damals waren es 11, 1998 sind es 14 Mitgliedsstaaten, die für diese Sozialcharta votieren. Vgl. Deutsche Bundesbank. Europäischea.a.O., S. 176. Wer sich näher mit der EU-Sozialpolitik beschäftigen will, sollte den Aufsatz von Norbert Berthold: Sozialpolitik, in: Klemmer, Paul (Hrsg.): Handbuch Europäische Wirtschaftspolitik, München 1998, S. 945ff. lesen. 29
24
2. Teil:
Wirtschaftspolitik
und sozialen für die EG
Harmonisierung. Im Maastricht-Vertrag sind zusätzliche Kompetenzen im Segment der „Transeuropäischen Netze" geschaffen worden, die den
Auf- und Ausbau der Infrastruktur in den Bereichen
nikation beinhalten. Die
Aufgaben
Verkehr, Energie und Telekommu-
der Gemeinschaft beziehen sich
hauptsächlich auf die Erstellung von Leitlinien. Eine Finanzierung dieser Projekte erfolgt hauptsächlich über die Europäische Investitionsbank bzw. den Europäischen Investitionsfonds. Außerdem stehen Mittel aus dem Europäischen Kohäsionsfonds, der Bestandteil der Europäischen Regionalpolitik ist, fur diesen Zweck zur Verfugung.31 (d) Industrie-, Forschungs- und Technologiepolitik Der Vertrag über die Europäische Union (Maastricht-Vertrag) hat im Artikel 130 auch auf dem Gebiet der Industriepolitik für die EG neue Kompetenzen geschaffen. Unter Beteiligung der einzelnen Mitgliedsländer ist es Aufgabe der Gemeinschaft, ein günstiges Umfeld für die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie zu schaffen. Im einzelnen zählen hierzu Maßnahmen, die sich auf die Erleichterung der strukturellen Anpassung, die För-
derung
Klein- und mittelständischer Unternehmen
(KMU)
und auf eine effizientere
Nutzung des industriellen Potentials in den Bereichen Innovation, Forschung und technologische Entwicklung beziehen.32 Sowohl der Europäische Rat als auch die Kommission haben mehrere Aktionsprogramme für KMU initiiert, die auf die Verbesserung der steuerlichen und administrativen Rahmenbedingungen sowie der Kapitalbeschaffung (z. B. in Form von Risikokapital) abzielen. Insgesamt ist die aktuelle Industriepolitik der Gemeinschaft durch deutliche Liberalisierungs- und Harmonisierungsschritte gekennzeichnet. Seit der
Ratifizierung der Einheitlichen Europäischen Akte (EEA) am 1. Juli 1987 ist die herkömmliche Industriepolitik um die gemeinschaftliche Forschungs- und Technologiepolitik ergänzt. Die Ziele dieses Politikfeldes sind in den Artikeln 130f. des EGVertrages formuliert: Hier steht die Förderung der wissenschaftlichen und technischen Grundlagenforschung und die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie im Vordergrund. Zu diesem Zweck stellt die EG mehrjährige Rahmenprogramme auf. Im 4. Rahmenprogramm (1994 1998) beteiligt sich die Gemeinschaft an Forschungsvorhaben mit einem Betrag von 13,1 Mrd. ECU. Schwerpunkte der Förderung -
30
Vgl. im Detail Aberle, Gerd: Transportwirtschart, München, Wien 1996, S. 148. Vgl. hierzu Spiekermann, Bernd: Europäische Instrumente der Regionalpolitik, in: Akademie für Raumforschung und Landesplanung (Hrsg.): Handwörterbuch der Raumordnung, Hannover 1995, S. 31
246ff. 32
Vgl. Deutsche Bundesbank (Hrsg.): EuropäischeS.
180.
2. Teil:
sind die
Kommunikationstechnologie, und Biotechnologie.
die industrielle
Wirtschaftspolitik
Technologie
25
sowie die Umwelt-
(e) Energiepolitik
gemeinsame Energiepolitik ausschließlich auf der Grundlage des EGKS- und Euratom-Vertrages betrieben worden. Die beiden Vertragswerke sehen in diesem Zusammenhang vor: • die Schaffung eines Gemeinsamen Marktes für Kohle und Kernbrennstoffe; • eine Beeinflussung von Produktion und Absatz sowie der Preise, um eine Versorgung mit Kohle und Kernenergie zu günstigen Preisen zu realisieren; • die Schaffung einer eigenständigen Behörde, um die Versorgung sicherzustellen; • die Sicherheitsüberwachung und Förderung der Forschung und Entwicklung im Bereich der Kerenergie. Auf der Grundlage des Artikels 235 des früheren EWG-Vertrages ist dann ab Mitte der 70er Jahre der Versuch unternommen worden, eine umfassendere allgemeine Energiepolitik zu entwickeln. So hat der Europäische Rat 1988 als Beitrag zur Vollendung des Binnenmarktes seine Schlußfolgerungen zur Verwirklichung eines „Binnenmarktes für Energie" verabschiedet. Schwerpunkte der Gemeinsamen Energiepolitik sollen die Verbesserung der Infrastruktur und die Förderung neuer Technologien, • die Realisierung eines Gleichgewichts zwischen Energie und Umwelt und • die Gewährleistung der Versorgungssicherheit zu sinkenden Energiekosten sein. Auch die EU-Kommission beschäftigte sich mit dieser Thematik, indem sie ein Weißbuch der Energiepolitik im Dezember 1995 veröffentlichte. Dort unterbreitet sie Vorschläge zu den allgemeinen Voraussetzungen für einen funktionsfähigen Energiebinnenmarkt und ein entsprechendes Arbeitsprogramm. Zunächst ist die
•
(f) Umweltpolitik Im Rahmen der EG fand eine
vertragliche Verankerung der gemeinsamen Umweltpolitik erst durch die Einheitliche Europäische Akte (EEA) im Jahre 1987 statt. Die dort formulierten Vorgaben sind 1992 in Maastricht in den Vertrag über die Europäische Union (EU-Vertrag) bzw. in den novellierten EWG-Vertrag (seitdem EG-Vertrag) übernommen worden. In dem Art. 100a Abs. 1 und 2 EG-Vertrag wird die Einführung von gemeinschaftlichen Umweltstandards auf hohem Schutzniveau vorgesehen. In dem Artikel 130 r bis t sind folgende Ziele formuliert:
26
2. Teil:
Wirtschaftspolitik
•
der Erhalt und Schutz der Umwelt und menschlichen
•
die rationelle Verwendung der natürlichen Ressourcen und
•
die Förderung von ökologischen Maßnahmen auf internationaler Ebene.
Gesundheit,
Auch wurde im EG-Vertrag das Beschluß- und Entscheidungsverfahren in der Weise
formiert, daß die qualifizierte Mehrheit über weite Teile der gemeinschaftlichen
re-
Um-
weltpolitik Anwendung findet. Die Umsetzung der wichtigsten Umweltziele erfolgt durch allgemeine Aktionsprogramme. Im 5. Aktionsprogramm, das die Entwicklung bis zum Jahr 2000 festlegen soll, geht es u.a. um die Koordinierung und Aufteilung der Kompetenzen auf die einzelnen Gebietskörperschaftsebenen (Kommunen, Länder, Bund, EU). Zu erwähnen ist außerdem, daß der EU-Ministerrat eine Vielzahl von Richtlinien zur Gewässer- und Luft-
verschmutzung, erlassen hat.33
zu
Lärmemissionen sowie
zur
Bewirtschaftung von Umweltressourcen
(g) Handelspolitik Es ist selbstverständlich, daß in einer Wirtschaftsgemeinschaft mit einem einheitlichen Zolltarif nach außen und freiem Warenverkehr nach innen auch eine gemeinsame Handelspolitik betrieben wird. So sieht der Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25. März 1957 und in seiner geänderten Fassung als Vertrag zur
Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 7.
Februar 1992 im Artikel 3 eine
gemeinsame Handelspolitik vor. Bestandteil der EU-Handelspolitik ist nach Auffassung von Kösters34 allein der Güterverkehr mit Drittländern. Die Rahmenbedingungen für die
gemeinsame Handelspolitik der EU werden durch die Bestimmungen des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT) festgelegt und bezwecken deshalb prinzipiell einen
Abbau
von
EG-Vertrages
Hemmnissen im internationalen Handelsverkehr. Im Artikel 113 des
sind die einheitlichen Grundsätze der
beziehen sich auf die men, die
Zollsatzänderungen,
Vereinheitlichung
von
EU-Handelspolitik
den Abschluß
von
formuliert: Sie
Zoll- und Handelsabkom-
Liberalisierungsmaßnahmen,
die
Exportpolitik
sowie
auf handelsrechtliche Schutzmaßnahmen. Zu den Instrumenten der gemeinsamen Handelspolitik zählen:
33
Vgl. Deutsche Bundesbank (Hrsg.): Europäische Organisationen a.a.O., S. 184 sowie Karl, HelUmweltpolitik, in: Klemmer, Paul (Hrsg.): Handbuch Europäische Wirtschaftspolitik, München
mut:
1998, S. 1003ff. Vgl. Kösters, Wim: Handelspolitik, in: Klemmer, Paul (Hrsg.): Handbuch Europäische Wirtschaftspolitik, München 1998, S. 801. 34
2. Teil:
•
der gemeinsame
Außenzolltarif, der sich
für bestimmte Güter
(insbesondere
Wirtschaftspolitik
1994 auf durchschnittlich 4 Prozent
Textilien und
Agrarprodukte) jedoch
27
belief,
wesentlich
höher ist; •
die allgemeinen Regeln für den Import aus Drittländern (Art. 113 Abs. 1
Vertrag zur
Gründung der EG (EGV)) bzw. für die Ausfuhr in Drittländer (Art. 110 EGV) mit der Möglichkeit Schutzmaßnahmen zugunsten der EU-Produzenten zu erlassen; • eine einheitliche Ausführfbrderungspolitik und • Antidumping- und Antisubventionsmaßnahmen. Gegen bestimmte unerlaubte Handelspraktiken reicht das dargestellte Maßnahmenbündel nicht aus. Deshalb ist 1984 zum Schutz der heimischen Wirtschaft und zur „Gewährleistung der uneingeschränkten Ausübung der handelspolitischen Rechte der Gemeinschaft"35 das Neue Handelspolitische Instrument (NHL) geschaffen worden. In folgenden Fällen kann das NH3 als Schutzmaßnahme eingesetzt werden: • zur Reaktion auf „mehr oder weniger" freiwillige bilaterale Abkommen der Selbstbeschränkung, die getroffen werden, um geltendes GATT-Recht zu umgehen, • bei Verstößen gegen Verhaltenskodizes, • gegen restriktive Verwaltungspraktiken, • bei der Verwehrung von Marktzutritten und anderem Drittstaatenverhalten, das zwar rechtlich nicht unerlaubt, von Seiten der EU aber als unfair angesehen wird. Zum Schluß sei ergänzend auf eine politisch motivierte Möglichkeit des Handelseingriffs hingewiesen. Die EU kann gegenüber Drittländern ein Handelsembargo bzw. Handelssanktionen, also partielle oder vollständige Handelsverbote, verhängen. Dies ist z.B. gegen Jugoslawien bzw. seinen Nachfolgestaaten wegen des Bürgerkriegs oder gegen den Irak wegen der Annektion Kuwaits praktiziert worden.36 Eine Vielzahl bilateraler und multilateraler Abkommen zwischen der EU und Drittländern schränken den Geltungsbereich der
allgemeinen EU-Handelspolitik ein. Diese vertraglichen Vereinbarungen über Handelspräferenzen verstoßen dann nicht gegen die GATT-Prinzipien der Meistbegünstigung, Gegenseitigkeit und Liberalisierung, wenn sie in folgende Ausnahmebereiche des GATT-Regelwerks fallen: • Präferenzabkommen auf Gegenseitigkeit, bei denen es sich um Verträge über regionale Integrationsmaßnahmen (Zollunionen, Freihandelszonen) handelt (Art. XXIV GATT); 35 36
So die Verordnungen VO 2641/84 und VO 522/94. Vgl. Kösters, Wim: a.a.O., S. 836.
28
•
2. Teil:
Einseitige
Wirtschaftspolitik
Präferenzen dürfen
wurde der IV. Teil
Entwicklungsländern eingeräumt werden (1966 „Handel und Entwicklung" in die GATT-Bestimmungen einge-
fügt). folgenden Abbildung ramide dargestellt.
In der
Abb. 7:
nur
ist der Präferenzstatus einzelner Länder in Form einer
Py-
Präferenzpyramide: Zugang zum EU-Markt für gewerbliche Produkte
als Ziel der EuropaAbkommen 1992/93
reziproke Aufhebung Zöllen und QR
von
einseitige Aufhebung von Zöllen und QR Bulgarien, CSFR, Polen, Rumänien,
Aufhebung von Zöllen und QR (ausgen. best. Textilien) reziprok: Israel, Malta, Türkei, Zypern
Ungarn 1990/91
Baltische Länder, Albanien, Slowenien. GUS 1992/93
autonome
Aufhebung von
Zöllen für begrenzte Mengen im APS; QR für Textilien (MFA)
Zölle (Japan einige QR)
Zölle, QR
Legende: APS: Allgemeines Präferenzsystem; MFA:
Multifaserabkommen; QR: Quantitative Restriktionen.
Quelle: Kösters, Wim: a.aO., S. 837.
Seit dem 22. Juli 1972 ist ein Freihandelsabkommen zwischen der EG und der
EFTA37
geschlossen worden. Mit Ausnahme der Schweiz, die aufgrund eines negativen Votums in einer Volksabstimmung nicht der EG beitrat, wurde dieses Abkommen am 1.1.94 für alle EFTA-Länder durch das Abkommen zur Gründung des Europäischen Wirtschaftsraumes
(EWR)
ersetzt. Für
die Schweiz
gilt weiterhin
das Freihandelsabkommen. Der
2. Teil:
EWR wird nach herrschender
Wirtschaftspolitik
Meinung als Zwischenstation zur Vollmitgliedschaft
29 an-
da innerhalb dieser Freihandelszone ein freier Verkehr für Waren, Dienstleistungen, Kapital und Personen realisiert werden soll. Österreich, Schweden und Finnland traten am 1.1.95 der EU bei, so daß der EWR neben der EU nur noch Norwegen,
gesehen,
Island und Liechtenstein erfaßt. Auf einseitiger Basis sind den sog. AKP-Ländern38 im Rahmen der Lome-Abkommen hohe Handelspräferenzen eingeräumt worden, so daß der Zugang ihrer gewerblichen
europäischen Markt zollfrei und ohne mengenmäßige Beschränkungen gewährleistet ist. Dies gilt auch für die am wenigsten entwickelten Staaten, zu denen z.B. Afghanistan, Bangladesh, Bhutan usw. zählen. In dem Handel mit den Mittelmeerländern besteht ein weiteres Präferenzsystem: Auch hier existieren Zollfreiheit und keinerlei quantitative Restriktionen. Allerdings sind Textilien von diesem Abkommen ausgenommen. Bei der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen sollen die Handelsbeziehungen zwischen der EU und der Türkei zur Zollunion ausgebaut werden. Der Handel mit den übrigen Entwicklungsländern ist in Form des nicht gegenseitigen (reziproken) Allgemeinen Präferenzsystems (APS) geregelt, in dem sich die EU einseitig verpflichtet, auf die Produkte dieser Staatengruppe keine Steuern zu erheben. Allerdings sind eine Vielzahl von Erzeugnisgruppen von diesem Grundsatz ausgenommen. Unterschieden wird hier halbempfindlichen (bestimmte Chemikalien, Optik, Maschinen, elektronische Geräte), empfindlichen (zahlreiche chemische Waren, Keramik, Glas, Maschinen) und sehr empfindlichen Waren (z.B. im Textilbereich), die mit differenzierten Zollsätzen belastet werden.39 Vor den politischen Umwälzungen Ende der 80er Jahre gehörten die mittel- und osteuropäischen Staaten (mit Ausnahme Rumäniens), die im Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) zusammengeschlossen waren, zu den von der EU präferenziell am schlechtesten gestellten Gruppe. Anfang der 90er Jahre lösten eine Vielzahl bilateraler Abkommen die bisher tradierten Handelsbeziehungen ab: Polen und Ungarn wurden 1990, Bulgarien, Tschechien und die Slowakei 1991, die baltischen Staaten und Albanien 1992 sowie die GUS-Staaten und Slowenien 1993 in das APS eingebunden. AllerWaren
zum
Zum damaligen Zeitpunkt zahlten Großbritannien, Wand, Dänemark, Norwegen, Schweden, Finnland, Island, Österreich, Liechtenstein und die Schweiz dazu. Ehemalige europäische Kolonialstaaten in Afrika, in der Karibik und im pazifischen Raum. 39 Vgl. Friedrich, Klaus: Allgemeine EG-Zollpräferenzen für Entwicklungsländer, in: Recht der Internationalen Wirtschaft, Band 41, Heft 4, 1995, S. 317. 38
30
2. Teil:
Wirtschaftspolitik
dings sollen durch den Abschluß des Europaabkommens bzw. durch die Osterweiterung der EU Zölle und Importquoten vollständig abgebaut werden.40 Zum Schluß ist noch auf die
übrigen Industrieländer hinzuweisen:
In vollem
Umfang wird die Meistbegünstigungsklausel von der EU nur gegenüber den USA, Kanada, Japan, Australien, Neuseeland, Südafrika und Taiwan praktiziert, wobei im Falle Japans noch einige Mengenbeschränkungen wirksam sind.
d) Welthandelsorganisation Das GATT (General Agreement on Tariffs and Trade; Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen), der Vorläufer der Welthandelsorganisation (World Trade Organization; WTO) trat am 1.1.1948 mit dem Ziel in Kraft, über eine Liberalisierung und Ausweitung des Welthandels eine Erhöhung des Lebensstandards, Sicherung der Vollbeschäftigung und des Wirtschaftswachstums in den Mitgliedsstaaten zu erreichen. Die Bundesrepublik Deutschland trat diesem Abkommen am 1.10. 1950 als Vollmitglied bei. Das GATT basiert auf der Auffassung, daß eine Intensivierung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen primär nur durch einen Abbau von Zöllen und anderen Handelsschranken zu realisieren sei. Wichtiges Instrument ist hierzu die Anwendung der Meistbegünstigungsklausel, d.h. die Verpflichtung, dem Handelspartner all diejenigen Einfuhrerleichterungen zu gewähren, die auch Drittländern eingeräumt werden. Darüber hinaus soll der Grundsatz der Reziprozität umgesetzt werden, d.h. der Abbau von Handelsbarrieren erfolgt auf der Grundlage der Gegenseitigkeit: Räumt das Land B dem Staat A eine Handelserleichterung ein, ist A gegenüber B dazu ebenfalls verpflichtet. Zur Umsetzung dieses Gründungsgedankens fanden acht Verhandlungsrunden statt. In Marrakesch (Marokko) wurde die letzte Verhandlungsrunde, die sog. Uruguay-Runde, abgeschlossen und das „Übereinkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation" von den Mitgliedsländern unterzeichnet. Die World Trade Organization nahm am 1. Januar in Genf ihre Arbeit auf, wobei das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen in überarbeiteter und erweiterter Fassung als „GATT 1994" integriert wurde. Das Aufgabenspektrum der neuen Welthandelsorganisation ist gegenüber dem GATT erweitert worden. Neben dem Welthandelsabkommen GATT sind das "Allgemeine Abkommen über den Handel mit
Dienstleistungen" (GATS: General Agreement on Trade in Services) und das „Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums" (TRIPS: Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Vgl. Kösters, Wim: a.a.O., S. 839.
2. Teil:
Wirtschaftspolitik
31
Rights) Bestandteile der WTO. Hierbei handelt es sich um sog. multilaterale Handelsabkommen, die für jeden der derzeit 134 Mitgliedsstaaten verbindlich sind.41 Darüber hinaus existieren plurilateral Abkommen, deren Rechtsbindung erst durch die einzelstaatliche Ratifizierung erfolgt. Zu der zweiten Gruppe zählen die Übereinkommen über den Handel mit zivilen Luftfahrzeugen und über das öffentliche Beschaffungswesen sowie die internationalen Rindfleisch- und Milchabkommen. Während das GATT völkerrechtlich
vorläufigen Charakter und daher nicht nicht den Status einer internationalen Organisation hatte, ist die WTO eine völkerrechtlich selbständige Organisationen und den anderen Organisationen IWF und der Weltbankengruppe gleichgestellt. Die institutionelle Struktur der WTO trägt den neuen Kompetenzen Rechnung (siehe Abb. 8). Die Ministerkonferenz, die sich aus den delegierten Ministern der Mitgliedsländer zusammensetzt und mindestens alle zwei Jahre tagt, stellt das oberste Beschlußorgan dar. Umgesetzt werden diese Beschlüsse durch den Allgemeinen Rat als oberstes Entscheidungsgremium. Er überträgt die Aufgaben an nachgeordnete Organe, zu denen die fünf Ausschüsse (Budget, Finanzen Verwaltung; Handel und Entwicklung; Handel und Umwelt; Regionale Handelsabkommen; Zahlungsbilanzbeschränkungen) und die den multi- und plurilateralen Abkommen vorstehenden Räte oder Ausschüsse gehören. Außerdem kann er die Aufgaben des Streitschlichtungsorgans (Dispute Settlement Body) und des Organs zur Überprüfung der Handelspolitik der Mitgliedsländer (Trade Policy Review Body) übernehmen. Als Vorsitzender des Sekretariats führt der Generaldirektor (derzeit: der Ex-Premierminister von Neuseeland Mike Moore bis August 2002; dann von September 2002 bis August 2005: Supachai Panitchpaki (Vizeregierungschef von Thailand))42 die Beschlüsse der obersten Organe aus. Des weiteren ist er verpflichtet, regelmäßig über die Geschäftstätigkeit der WTO Bericht zu erstatten. Primäre Aufgaben des Sekretariats sind: • „die Vorbereitung und Durchführung der Verhandlungen zwischen den WTOMitgliedern, •
die Beratung der Handelspartner,
•
die
•
nur
Analyse, Darstellung und Veröffentlichung der Welthandelsentwicklung sowie die Organisation der Schiedsgerichtsverfahren."43
41 Vgl. Heide, Ulrich auf der: Die Welthandelsorganisation (WTO), in: WISU. Das Wirtschaftsstudium, Heft 10/97, 26. Jahrgang, Düsseldorf 1997, S.886. 42 Vgl. o.V: WTO einigt sich auf neuen Generaldirektor, in: Süddeutsche Zeitung Nr. 165 vom 21. Juli S. 21. 1999, 43 Heide, Ulrich auf der: a.a.O., S. 888.
32
2. Teil:
Wirtschaftspolitik
Abb. 8: Institutionelle Struktur der Welthandelsorganisation WTO-Abkommen Ii—.in
.
Ministerkonferenz Ausschüsse: •
•
Allgemeiner Rat
Budget, Finanzen, Verwaltung
Streitschlichtungsorgan
Generaldirektor
Handel und
Entwicklung Handel und Umwelt • Regionale Handelsabkommen
Organ zur Überprüfung der Handelspolitik
•
•
Sekretariat
Zahlungsbilanzbeschrankungen Multilaterale Abkommen
GATS
GATT
TRIPS
Rat für den Handel mit Waren
Rat für den Handel mit Dienstleistungen
Rat für handelsbezogene Aspekte der Rechte am geistigen Eigentum
Abkommen über
Abkommen über
Konventionen von • Bern: Kunst, Literatur • Paris: Schutz des gewerblichen Eigentums (Urheberrecht, Erfindungen, Hersteller- und Han-
•
Dumping
Einfuhrlizenzen Gesundheitsmaßmaßnahmen • Investitionen (TRBVIs) • Kontrollen vor dem Versand • Landwirtschaft • Schutzmaßnahmen • Technische Handelshemmnisse • Textilwaren und • •
Finanzdienstleistungen (bis Ende 1997 befristetes Interimsabkommen) • Luftverkehr (Teilbereiche) •
• Verkehr natürlicher Personen • Öffnung der Märkte für Telekommunikation
delsmarken, geographiBezeichnung, Geschäftsgeheimnis) Washington: Integierte Schaltungen •
• Bestimmungen über Fäschungen aller Art
Bekleidung Ursprungsregeln • •
Zollwert
Plurilateral Abkommen Handel mit zivilen Luftfahrzeugen
Internationale Milchabkommen
Internationales Rindfleischabkommen
Öffentliches Beschaffüngswesen
Quelle: Deutsche Bundesbank: Weltweite Organisationen und Gremien im Bereich von Wirtschaft, Frankfurt am Main 1997, S. 141.
Währung und
1
2. Teil:
Wirtschaftspolitik
33
e) Der Internationale Währungsfonds Angst vor dem Kollaps
Der IWF gewährt Rußland erneut MilliardenKredite. Nutznießer sind vor allem deutsche Banken
Sparkonto mit Kredit Woher der IWF sein Geld bekommt
Quelle: beide Artikel aus der Zeit Nr 31
vom
23. Juli 1998, S. 19.
Im Rahmen des Bretton-Woods-Abkommens ist im Juli 1944 neben der Weltbanken-
gruppe auch der Internationale Währungsfonds, eine internationale Organisation mit Sitz in Washington D.C., als Organisation zur Sicherung der internationalen Liquidität
gegründet worden. Derzeit sind fast alle Staaten dieser Erde Mitglied im IWF44, darunter auch ein Großteil der Nachfolgestaaten der früheren Sowjetunion. Die Bundesrepublik gehört dem IWF seit 1952 an. Zu den Aufgaben des IWF zählen: • die Wiederherstellung der Konvertibilität der Mitgliedswährungen und die Entwikkung eines multinationalen Zahlungssystems; • die Förderung eines stabilen Wechselkurssystems und die Errichtung eines finanziellen Beistandssystems für Länder mit Zahlungsbilanzde•
fiziten. Im Rahmen des
Beistandssystems wird jedem Mitgliedsland eine Quote zugeteilt, deren Höhe sich nach dem Bruttoinlandsprodukt, dem Anteil am Welthandel und der Höhe des jeweiligen Währungsreservenbestandes bemißt. Nach dieser Quote ergeben sich die EinZahlungsverpflichtung (Subskription), der Stimmrechtsanteil in den IWF-Gremien, die Zuteilung neuer Sonderziehungsrechte45 und die Verpflichtung einen bestimmten Teil der Quote in Sonderziehungsrechten, konvertiblen Devisen bzw. in Landeswährung in den Fonds einzuzahlen. Aus diesen Sonderziehungsrechten ergibt sich automatisch ein Kreditanspruch im Rahmen der sog. Reservetranche. Darüber hinaus werden für besondere Tatbestände zusätzliche Kredite eingeräumt, die allerdings nur gegen Auflagen gewährt werden. Insgesamt darf der Kreditrahmen maximal das Vier- bis Fünffache der 44
Ende 1996 zählte der IWF 181 Mitglieder. Vgl. Deutsche Bundesbank (Hrsg.): Weltweite Organisatioa.a.O., S. 14. 45 Die Funktion der Sonderziehungsrechte wird noch näher im Zusammenhang mit der Zahlungsbilanzstatistik erläutert. nen
34
2. Teil:
Wirtschaftspolitik
jeweiligen Quote betragen. In der folgenden IWF-Mitglieder zum 31.12.1996 aufgelistet. Tab. 5:
Tabelle werden die
Quoten ausgewählter
Quoten ausgewählter IWF-Mitglicdsländer zum 31.12.1996 in Millionen SZR 1
in Prozent des
IWF-Kapitals
Sonderziehungsrecht 2,20 DM
USA
Bundesrepublik Deutschland Japan Frankreich Großbritannien
Afrika (51 Länder) Asien (29 Länder) • davon: z.B. Bhutan
Malta, Türkei, Zypern
26.526,8 8.241,5 8.241,5 7.414,6 7.414,6
18,25 5,67 5,67 5,10 5,10
8.380,8 13.642,7 4,5 809,5
5,77 9,39 0,033 0,56
Quelle: Deutsche Bundesbank (Hrsg.): Weltweite Organisationen..., a.a.O., S. 19.
Werden alle Quoten des IWF zusammengezählt, so verfugt der Fonds über ungefähr 200 Milliarden Dollar. Durch den finanziellen Beistand im Rahmen der Asienkrise als
Kreditgewährung an Rußland46 ist der IWF selbst in einen Liquiditätsengpaß geraten, der durch eine Erhöhung der Quoten um 85 Milliarden Dollar beseitigt werden soll. Allerdings ist die Kapitalaufstockung bisher durch den US-Kongreß blokauch durch die
kiert.
0 Die Weltbankgruppe Zur Weltbankgruppe zählen •
folgende Institutionen:
die Internationale Bank für Wiederaufbau und
Entwicklung (IBRD: International
Bank of Reconstruction and Development), •
•
•
die Internationale
Finanz-Corporation (ITC: International Finance Corporation), die Internationale Entwicklungsorganisation (IDA: International Development Association) und die Multilaterale Investitions-Garantie-Agentur (MIGA: Multilateral Investment Guarantee Agency).
46
Rußland werden allein 1998 zusätzliche Kredite in Höhe von 11,2 Müliarden Dollar vom IWF gewährt. Die Zeit Nr. 31 vom 23. Juli 1998, S. 19.
Vgl. hierzu Pinzler, Petra / Schumacher, Oliver: Angst vor dem Kollaps, in:
2. Teil:
Wirtschaftspolitik
35
Zuge der Währungs- und Finanzkonferenz der UN im Juli 1944 in Bretton Woods, setzte die Weltbank47 ihre finanziellen Mittel primär für den Wiederaufbau Europas nach dem Krieg ein. Der Aufgabenschwerpunkt hat Kurz nach der
Gründung
der IBRD im
sich aber bereits Ende der 40er Jahre auf die wirtschaftliche
Förderung
von
Entwick-
lungsländern verlagert: Beratung sowie finanzielle und technische Unterstützung bei entwicklungsbezogenen Projekten sollen zur Überwindung der Armut in den Mitgliedsländern führen. Nach dem Fall des „Eisernen Vorhangs" werden auch die Reformvorhaben der Mittel- und Osteuropäischen Staaten durch diese Institution unterstützt. Während die IBRD nur Kredite nach ihren Statuten an Regierungen oder gegen Regierungsgarantie vergeben darf, fördert die 1956 gegründete IFC die privatwirtschaftliche Initiative in den Entwicklungsländern, indem sie die Errichtung, Modernisierung und Erweiterung produktiver Unternehmen in Form von Beteiligungskapital finanziert, sofern auf anderem Weg nicht ausreichend Mittel akquiriert werden können.48 Die Errichtung der IDA 1960 diente dem Zweck, den ärmsten Ländern der Erde Finanzmittel zu günstigeren Konditionen als zu marktüblichen Bedingungen zur Verfügung zu stellen. Im Vergleich zu den Darlehen der IBRD haben die Kredite dieser Institution wesentlich längere Laufzeiten, mehr tilgungsfreie Jahre und sind unverzinslich. Erst 1988 erreichte die MIGA die für die Gründung notwendige Mitgliederzahl. Diese Institution bietet bei ausländischen Direktinvestitionen in Entwicklungsländern eine Übernahme der Garantie für nichtkommerzielle Risiken (z.B. politische Risiken) an. Außerdem berät sie Regierungen dieser Ländergruppe bei Programmen, die der Beschaffung ausländischen Kapitals dienen.49 Eine Mitgliedschaft bei der IBRD, die wiederum Voraussetzung für den Beitritt zur IDA, ITC und MIGA ist, können nur jene Länder erfolgreich beantragen, die bereits Mitglied im IWF sind. Im Juni 1996 waren nach Auskunft der Bundesbank in der IBRD 180, in der IFC 170, in der IDA 159 und in der MIGA 134 Länder Mitglied. Zu den wichtigsten Finanzierungsquellen der IBRD gehören in den 90er Jahren • die Mittelaufnahmen in Form eigener Schuldverschreibungen, die hauptsächlich auf den deutschen, schweizerischen, japanischen und amerikanischen Finanzmärkten plaziert werden,
47
Im offiziellen Sprachgebrauch werden unter dem Begriff „Weltbank" die Institutionen IBRD und IDA zusammengefaßt. 48 Vgl. Deutsche Bundesbank (Hrsg.): Weltweite Organisationen a.a.O., S. 69. 49 Vgl. diess.: ebenda, S. 70.
36 •
2. Teil:
Wirtschaftspolitik
die Rückflüsse
aus
früher gewährten Darlehen als
quantitativ bedeutendste Position
und •
die Kapitaleinzahlungen der Mitgliedsländer zu Beginn ihrer Mitgliedschaft.
Die nicht unbeträchtlichen
Gewinne50 der IBRD stehen nicht vollständig für die Kredit-
vergabe zur Verfügung, da ein Teil als Zuschuß an die IDA überwiesen wird. g) Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD51) (1) Zielsetzungen, Mitgliedsländer und Finanzierung der OECD Die OECD mit Sitz in Paris ging 1961 als Rechtsnachfolgerin der 1948 gegründeten
Organisation
für
Europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit52
hervor. Die
originären
Ziele sind im Artikel 1 der OECD-Konvention formuliert. Danach soll die Politik dieser
Institution •
optimalen Wirtschaftsentwicklung gliedsstaaten beitragen, zu
einer
und
Beschäftigung
innerhalb der Mit-
Beschränkungen im Dienstleistungs- und Kapitalverkehr innerhalb des OECDRaumes abbauen, • das Wirtschaftswachstum der Entwicklungsländer steigern und • die Ausweitung des Welthandels forcieren.53 Aktuelle Themenschwerpunkte sind im Zeitalter der Globalisierung Untersuchungen •
über •
die Verbreitung der Informationstechnologien und deren
Auswirkungen;
•
die Funktionsfähigkeit und Strukturen der Finanzmärkte und
•
die Beziehungen zwischen Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländer.54
Gegensatz zur Europäischen Union stellt die OECD mit ihren derzeit 29 Mitgliedsländern (siehe Abb. 9) eine sog intergouvernementale Organisation dar, d.h. diese Institution dient als hochrangiges Analyse-, Informations- und Diskussionsforum, ohne daß die wirtschaftspolitische Souveränität der Mitgliedsstaaten angetastet wird. Somit ist sie primär eine Denkzentrale (think tank), in der auf supranationaler Ebene möglichst frühzeitig aktuelle Probleme aufgegriffen, Lösungsansätze diskutiert sowie ZuIm
50 Im Zeitraum 1991 bis 1995 betrug der Reinertrag der IBRD nach Informationen der Bundesbank 6,380 Mrd. US-$. 51 OECD: Organisation for Economic Co-operaüon and Development (Anmerkung des Verfassers). 52 OEEC: Organisation for European Economic Co-operation (Anmerkung des Verfassers). 53 Vgl. Deutsche Bundesbank (Hrsg.): Weltweite Organisationen und Gremien im Bereich von Währung und Wirtschaft, April 1997, Fraiikrurt am Main 1997, S. 169. 54 Vgl. Heide, Ulrich auf der: Die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), in: WISU 8-9/99, S. 1078.
2. Teil:
kunftsvisionen thematisiert werden.
Wirtschaftspolitik
37
Dieser Gedankenaustausch wird zwischen den für
Währungs- und Entwicklungspolitik verantwortlichen Behörden der Mitgliedsländer gepflegt. Die Diskussionsergebnisse fließen in die Empfehlungen des Rates ein, die von den Mitgliedsstaaten beachtet werden sollen. Beschlüsse werden in der Regel nur dann gefaßt, wenn es um die Steuerung der Tätigkeit der OECD geht: Hierzu zählt z.B. die Genehmigung des Arbeitsprogramms und des Etats. In diesem Gremium gilt sowohl für die Empfehlungen als auch für die Beschlüsse die Einstimmigkeitsregel. Zwar kann ein Mitgliedsland bei den Empfehlungen durch Stimmenthaltung sein Vetorecht in Anspruch nehmen. In der Praxis wird jedoch von dieser Möglichkeit kaum Gebrauch gemacht. Von größerer Relevanz ist die fehlende Beteiligung die Wirtschafts-,
einzelner Staaten
an
den OECD-Beschlüssen. Damit ist auch die finanzielle Bezuschus-
sung durch das
entsprechende Land ausgeschlossen. Bis zum Beginn der 90er Jahre war die OECD allein eine Organisation für westliche Industrieländer. Der Transformationsprozeß der früheren Staatshandelsländer und die INtensivierung der wirtschaftlichen Beziehungen zu den mittel- und osteuropäischen Staaten sowie zu den südostasiatischen Schwellenländern hat zur Erweiterung der Mitgliedsländer geführt (siehe Abb. 9).
Vgl. Heide, Ulrich auf der: a.a.O.,
S. 1078.
38
2. Teil:
Wirtschaftspolitik Abb. 9:
OECD-Mitgliedstaaten
Bruttoin-
landsprodukt in
Land (Beitrittsjahr) (1)
Mrd. US-$ (2),
(3)
USA
Japan (1964) Deutschland Frankreich Italien Großbritannien Mexiko (1994) Kanada
Spanien
Korea (19%) Türkei Australien (1971) Niederlande
Belgien
Schweiz Osterreich Schweden Griechenland
Portugal Polen (1996) Dänemark
Norwegen
Tschechische Republik Finnland (1969) Irland Neuseeland (1973)
(1995)
Ungarn (1996) Luxemburg
Bevölkerung (2) in Millionen
BIP pro Kopf
InUS-$ 6955 2737 1674 1159 1115 1042 700 623 558 456 351 349 306 211 176 167 165 127 124 118 113 99
263 125 82 58 57 59 91 30 39 45 62
98 91 62 60 44 13
10
Island
18 15 10
10 10 39
10
0.4
0,3
26438 21795 20497 19939 19465 17776 7383 21031 14226 10155 5691 19354 19782 20792 24809 20773 18673 12174 12457 3057 21529 22672 9490 17787 17228 16851 4273 31303 21938
Rangplatz
12 14 18 26 8 21 24 27 15 13 9
3 10 16 23 22 29 7 4 25 17
19 20 28 1 5
Leeende: (1) Soweit nicht anders angegeben, gehören die Länder der OECD seit Gründung im Jahr 1961 (2) Stand 1995 mit Ausnahme von Luxemburg (1992), Griechenland (1994) und Norwegen (1993); (3) Auf Basis aktueller Kaufkraftparitäten; Korea, Polen und Ungarn zu jeweiligen Wechselkursen.
an;
Quelle: Deutsche Bundesbank (Hrsg.): Weltweite
Prinzipiell werden,
kann aber
nur
a.a.O., S. 171.
ein demokratischer Rechtsstaat in die OECD
aufgenommen
der durch eine marktwirtschaftliche
Ordnung gekennzeichnet ist. In der OECD hat jedes Land nach dem Gleichheitsgrundsatz „one man one vote" eine Stimme. Nach -
Maßgabe des Leistungsprinzps sind
in
Abhängigkeit von der jeweiligen Wirtschaftskraft (gemessen in Form des nationalen BSP) die Finanzierungsbeiträge der Mitgliedsländer festgesetzt. Der Rahmen für den entsprechenden Beitrag wurde so fixiert, daß er bei einem OECD-Etat
von
300 Mio. US-$ zwischen
Höchstgrenze für jedes Land liegt.
0,1 % als Mindest- und 25 % als
2. Teil:
Wirtschaftspolitik
39
(2) Organisatorischer Aufbau der OECD Abb. 10:
Organisatorischer Aufbau der OECD Sinne?.
autonome und halbautonome Institutionen:
Exekutivausschuß in besonderer Sitzung
Rat als oberstes Entscheidungs- und
Exekutivausschuß
Lenkungsorgan
z.B.: • Zentrum für die Zusamarbeit mit Nichtmitgliedsländem (seit •
1998);
Kernenergie-Agentur
(NEA, seit 1958);
Internationale EnergieAgentur (TEA, seit 1974) •
setzt ein
ernennt
circa 200 Ausschüsse, Arbeits- und Un-
Generalsekretär
tergruppen Sekretariat
Der Rat stellt das oberste stens
Entscheidungs-
und
Lenkungsorgan
der OECD dar. Minde-
einmal im Jahr tagt dieses Gremium auf Ministerebene. Darüber hinaus finden
re-
gelmäßig meist wöchentlich Sitzungen der ständigen Vertreter (Botschafter der Mitgliedsländer der OECD) statt. Im Zusammenhang mit der Koordination der Arbeiten und zur administrativen Unterstützung der Sitzungen sind dem Rat zwei Ausschüsse vorgeschaltet worden: (1) Ein in der Regel wöchentlich tagender Exekutivausschuß, der sich aus 14 Vertretern der Mitgliedsstaaten zusammensetzt und -
-
(2) Der Exekutivausschuß in Besonderer Sitzung, der fur die Veranstaltung von Sondertagungen zuständig ist. Außerdem setzt der Rat zur Erörterung spezieller Fragen und Probleme Ausschüsse ein. Derzeit existieren etwa 200 solcher Foren. Die Ernennung der Generalsekretärs56 für ei-
56
Seit dem 1. Juni 1996 ist der Kanadier Donald J. Johnston Generalsekretär der OECD. rich auf der: a.a.O., S. 1080.
Vgl. Heide, Ul-
40
2. Teil:
Wirtschaftspolitik
Amtsperiode von fünf Jahren obliegt kommen folgende Aufgaben zu: ne
ebenfalls dem Rat. Diesem
Vertretung der OECD nach außen, die Unterstützung der Ratstätigkeit sowie die Leitung der Ratstagungen und des Sekretariats mit derzeit
Funktionsträger
die
•
•
•
etwa 1900
Beschäf-
tigten. untergliedert
Das Sekretariat
in zahlreichen Direktionen
-
kommt innerhalb der -
OECD die Exekutivfünktion zu: Hier werden die Beschlüsse des Rates und der weiteren
ausgeführt und die Ausschüsse betreut. Erwähnung sollte in diesem Zusammenhang auch die umfangreiche Publikationstätigkeit des Sekretariats finden. Zu nennen sind hier das zweimal im Jahr herausgegebene „OECD Economic Outlook" und die jährlich erscheinenden „OECD Economic Surveys" 57 Gremien
Neue Konvention wird umgesetzt
/
/
OECD nimmt Korruption ins Visier
Türkei und Italien als Lehrstücke: Das Umdenken hat
/
begonnen
In Russland verwenden Firmen rund 30 Prozent ihrer Einkünfte für die Korruption. Das Geld geht für Investitionen verloren.... In vielen Ländern (ist) es bisher üblich gewesen, dass Firmen bei Waffenlieferungen, InfraStrukturprojekten und anderen Großaufträgen bis zu 20 Prozent der Vertragssumme als Bestechungsgeld zahlen. (Deshalb) richtete die OECD eine Arbeitsgruppe zum Kampf gegen Korruption ein. Diese entwarf einen Vertragstext, der die Unterzeichnerstaaten dazu verpflichtete, Korruption strafrechtlich zu verfolgen. Seit Februar 1999 ist die Konvention in Kraft, 16 der 34 Signatar-Staaten haben sie in nationales Recht umgewandelt.'
60 % des BIP
(1
Schritt 2
Die Europäische Kommisston erstellt einen Bericht.
Li Schritt 3
Schritt 4
Mitgliedstaaten übermitteln -
Keine Gefahr eines übermäßigen Defizits: Das Defizit überschreitet den Referenzwert nur ausnahmsweise und vorübergehend und ist in der Nähe des Referenzwertes; die Schuldenquote ist hinreichend rückläufig und nähert sich rasch genug dem Referenz-
'
Das Verfahrern wird nicht eingeleitet
wert.
Gefahr eines
übermäßigen Defizits
Die Europäische Kommission übermittelt dem ECOFIN-Rat eine Stellungnahme und eine Empfehlung.
Entscheidung des
Es besteht ein übermäßiges Defizit
Defizit < 3 % des BIP und Schuldenstand < 60 % des BIP
Haushaltsdaten an die Europäische Kommission.
ECOFIN-Rates:
Der Wirtschafts- und Finanzausschuß übermittelt dem ECOFIN-Rat eine
Stellungnahme. Es besteht kein übermäßiges Defizit
Die Entscheidung wird mit qualifizierter Mehrheit Getroffen. Definitionsgemäß stellt die qualifizierte Mehrheit zwei Drittel von insgesamt 87 Stimmen dar: • je 10 Stimmen für Deutschland, Frankreich, Italien und das Vereinigte Königreich; • 8 Stimmen für Spanien; • je 5 Stimmen für Belgien, Griechenland, die Niederlande und Portugal; • je 4 Stimmen für Österreich und Schweden; • je 3 Stimmen für Dänemark, Irland und Finnland; • 2 Stimmen für Luxemburg;
Schritt 5
Empfehlung des
ECOFIN-Rats an den Mitgliedstaat
Das Verfahren wird
abgeschlossen
Quelle: EZB (Hrsg.): Monatsbericht Mai 1999, Frankfurt 1999, S. 56.
2. Teil:
Abb. 30:
1 05
Wirtschaftspolitik
Folge der Entscheidung des ECOFIN-Rats, daß ein übermäßiges Defizit besteht
Schritt 5
Der ECOFIN-Rat gibt eine Empfehlung an den Mitgliedstaat ab.
I
Schritt 6
Schritt 7
Der ECOFIN-Rat beurteilt die Wirksamkeit der bekanntgegebenen Beschlüsse.
Der Mitgliedstaat ergreift keine wirksamen Maßnahmen: Der ECOFIN- Rat kann seine Empfehlung veröffentlichen und den Teilnehmenden Mitgliedstaat mit der Maßgabe in Verzug setzen, Maßnahmen zu ergreifen .
p
Schritt 8
Der Mitgliedstaat ergreift keine wirksamen Maßnahmen: Das Verfahren ruht. Die Europäische
Kommission und der ECOFEN-Rat überwachen die Durehfilhrung der Maßnahmen.
1
Das übermäßige Defizit besteht weiterhin Der ECOFIN-Rat verhängt Sanktionen gegen den teilnehmenden
1
Das übermäßige Defizit wird korrigiert: Das Verfahren wird abgeschlossen.
Mitgliedstaat.
1
Die Maßnahmen werden nicht durchgeführt: Der ECOFIN-Rat setzt den teilnehmenden Mitgliedstaat mit Der Maßgabe in Verzug, Maßnahmen zu
Das übermäßiDefizit wird korrigiert: Das Verfahren wird abge-
schlossen.
ergreifen.
T
Die Maßnahmen werden durchgeführt. Das Verfahren ruht. Die Europäische Kommission und der ECOFIN-Rat überwachen weiterhin die Durchführung der Maßnahmen.
Schritt 9
J
Schritt 10
Die Maßnahmen erweisen sich als unangemessen, und das übermäßige Defizit besteht weiterhin: Der ECOFIN-Rat verhängt Sanktionen gegen den teilnehmenden
Mitgliedstaat.
;i:!l:!üH!Bi^K^;!t!ll5Hl::;i^
Quelle: EZB
(Hrsg.):
1
Das übermäßige Defizit wird korrigiert: Das Verfahren wird abgeschlossen.
:';:-;;:;"'::' :j'-::::-'-::
:
Monatsbericht Mai 1999, Frankfurt 1999, S. 56.
:r":;:.::-:::::3:i::i..;'.?:l:::;:'
1 06
2. Teil:
Wirtschaftspolitik
(9) Gründungsmitglieder der EWU Tricks und
Haarspaltereien
Die Bilanz der Kandidaten
Quelle: Piper, Nikolaus: Wenn der Euro kommt. SZ-Serie zur Währungsunion 5, in: Süddeutsche Zeitung Nr. 51
vom
3.3.1998, S. 22.
Am 2.Mai 1998 beschloß der Europäische Rat, der sich
aus
den Staats- und Regierungs-
Mitgliedsstaaten an der dritten Stufe der EWU teilnehmen können. Zu diesen Gründungsmitgliedern zählen: Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Portugal und Spanien. Zuvor wurde vom Ministerrat seine frühere Entscheidung aufgehoben, daß für Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Österreich, Portugal, Schweden und Spanien übermäßige Haushaltsdefizite vorliegen würden. Großbritannien und Dänemark chefs zusammensetzte, daß 11
hatten sich im Vorfeld der EWU die Möglichkeit der Nichtteilnahme
vorbehalten, wäh-
Europäischen Währungssystems beteiligte. Den Stand des Konvergenzfortschritts nach Maßgabe der EWU-Kriterien115 (ohne Wechselkurskriterium) listet die u.a. Tabelle auf. rend Schweden sich nicht
115
an
dem Wechselkursmechanismus des
Zu den Konvergenzkriterien zählten im einzelnen: (1) Die Inflationsrate darf diejenige der drei preisstabilsten Länder um nicht mehr als anderthalb Prozentpunkte übersteigen; (2) Die Rendite langfristiger öffentlicher Anleihen darf diejenige der drei preisstabilsten Länder um nicht mehr als zwei Prozentpunkte übersteigen; (3) Die Nettoneuverschuldung darf nicht höher sein als 3 Prozent des aktuellen BIPs; (4) Die Gesamtverschuldung darf nicht höher sein als 60 Prozent des aktuellen BIPs und (5) jedes EWU-Mitglied muß mindestens zwei Jahre vor der Konvergenzprüfung am EWS-Wechselkursverbund ohne stärkere Spannung teilgenommen haben.
2. Teil:
Tab. 14:
Zwölfmonatszeitraum bis Januar'98 EWU-Schwellenwert
Belgien
Dänemark Deutschland Finnland Frankreich Griechenland Großbritannien Irland Italien
Luxemburg
Niederlande
Österreich
Portugal
Schweden
Spanien
1 07
Einhaltung der Konvergenzkriterien (ohne Wechselkurskriterium) Veränderung der Verbraucherpreise gegenüber dem Vorjahr in %
Land
Wirtschaftspolitik
2,7
Finanzierungssaldo der öffentlichen Haushalte in % des BIP 1997
EWU-Schwellenwert -3
1,4 1,9 1,4 1,3 1,2 5,2 1,8
1,2 1,8 1,4
1,8 1,1 1,8 1,9 1,8
-2,1 0,7
+
-2,7
-0,9 -3,0 -4,0 -1,9 + 0,9 -2,7 + 1,7 1,4 -2,5 -2,5 -0,8 -2,6 -
Rendite langfristiger Bruttoschuldenstand öffentlicher Anleider öffentlichen hen in % Haushalte in % des
Zwölfmonatszeitraum bis Januar'98 EWU-Schwellen-
7,8 5,7
wert
BIP 1997
EWU-Schwellenwert 60
6,2 5,6 5,9 5,5
9,8 7.0
6,2 6,7 5,6 5,5 5,6 6,2 6,5 6,3
122,2 65,1 61,3 55,8 58,0 108,7 53,4 66,3 121,6 6,7 72,1 66,1 62,0 76,6 68,8
Quelle: Deutsche Bundesbank (Hrsg.): Geschäftsbericht 1997, S. 107.
Analyse der Daten verdeutlicht, daß die Referenzwerte für die Inflationsrate und die langfristigen Zinsen mit Ausnahme Griechenlands für keines der EU-Länder eine besondere Hürde darstellten. Zwar hat die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte 1997 in allen EU-Ländern weitere Fortschritte gemacht. Trotzdem sind weitere Anstrengungen wegen der fast überall sehr hohen Staatsschulden erforderlich. Nur in Finnland, Frankreich, Großbritannien und Luxemburg lag die Schuldenquote unter dem RefeDie
renzwert
von
In diesem
60 Prozent im Jahre 1997.
Zusammenhang ist aber darauf hinzuweisen, daß die nationalen Finanzminister alle buchhalterischen Register zogen, um die Euro-Qualifikation zu erreichen. Hierzu ein paar Beispiele: • Die teilprivatisierte France Telecom überwies dem französischen Staat 37,5 Milliarden Francs, so daß die Nettoneuverschuldung 1997 genau auf den EWU-Schwellenwert gedrückt werden konnte. Der italienische Steuerzahler mußte 1997 einen Zuschlag zur Einkommensteuer entrichten, der zur Reduzierung der Nettokreditaufnahme verwendet wurde. • Um die Nettoneuverschuldung des deutschen Staates unter die 3,0-Prozent-Grenze zu drücken, setzte der damalige Bundesfinanzminister Theo Waigel die Tilgungs•
1 08
•
2. Teil:
Wirtschaftspolitik
Erblastentilgungsfonds aus und forderte vorzeitig Airbus-Subventionen von 1,4 Milliarden DM zurück.116
Finanzpolitik als Teilbereich der Finanzwissenschaft Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß sich die (öffentliche) Finanzwissenschaft mit den ökonomischen Aktivitäten des Staates, die sich in Staatsein- und -ausgaben und damit im öffentlichen Haushalt niederschlagen, beschäftigt. In diesem Zusammenhang werden alle Einrichtungen und Maßnahmen zur Beschaffung öffentlicher Kredite, zur Finanz-, Vermögens- und Schuldenverwaltung sowie zur Verwendung der öffentlichen Mittel beschrieben. Intention der Finanztheorie ist es, Erklärungsansätze für die Struktur und den Umfang der öffentlichen Haushalte zu liefern. Hierbei können normative 6.
und
positive Theorien unterschieden werden. Im Rahmen der normativen Theorie werden ökonomische Gründe (z.B. Marktversagen) für eine staatliche Aktivität analysiert, während die positive Theorie einen bestimmten staatlichen Interventionismus als gegeben annimmt und dessen Bestimmungsfaktoren (politische Abstimmungsregeln, Organisation der
Interessengruppen usw.) ermittelt. Der „klassische" Zweig der Finanzwis-
senschaft klammert das Innere des Staates und die kollektive
Entscheidungsfindung
seiner Analyse aus, betrachtet beide Größen finanzpolitischen Ziele) als exogen vorgegeben und sucht selbst nach kollektiven Werten bzw. unterstellt solche, um daraus die aus seiner Sicht wünschenswerte Finanzpolitik abzuleiten. Sofern aber die Finanzwissenschaft als ökonomische Analyse des Staates verstanden wird, erfolgt die Betrachtung des Staates als eine Institution, in der die Individuen (z.B. Wähler, Politiker, Richter, Beamte usw.) ihre Präferenzen äußern und in kollektive Aktionen um-
(z.B.
über die
setzen. Aus
(1) wie
aus
dem ökonomischen Rationalitätskalkül soll erklärt werden,
im Staat entschieden wird
(finanzwissenschaftliche Entscheidungsanalyse)
und
(2) auf welche Weise staatliche Entscheidungen wirken (finanzwissenschaftliche Wirkungsanalyse). 117 Die Finanzpolitik beschäftigt sich u.a. damit, wie die öffentlichen Ein- und Ausgaben dimensioniert und strukturiert sein müssen, damit bestimmte wirtschaftspolitische Zielsetzungen, die in der folgenden Abbildung dargestellt sind, realisiert werden können.
116
Vgl. Piper, Nikolaus: a.a.O., S. 22.
Wirtschaftspolitik
2. Teil:
1 09
Abb. 31: Ziele der öffentlichen Finanzwissenschaft
Allokationsziel
Distributionsziel
• Art und Umfang der der öffentlichen Güter • Struktur öffentlicher Güter
•
Wachstumsziele
Konjunkturziele
Einkommensvertei-
lung Vermögensverteilung
•
Vollbeschäftigung
Globales Wachstum Sünkturelles / Regionales Wachstum •
Preisniveaustabilität • Außenwirtschaftliches Gleichgewicht •
•
•
Vermeidung von
Umweltschäden
J
V
Stabilisierungsziele
a) Allokationsziel Die klassische Finanzwissenschaft hat die Frage des Staatshandelns in einer Marktwirtschaft
aus
dem
Marktversagen
heraus
zu
erklären
versucht, d.h.
aus
wirtschaftlichen
Konstellationen, in denen der Markt unfähig ist, Angebot und Nachfrage zu koordinieren. Insbesondere bei öffentlichen Gütern wird ein staatliches Handeln postuliert. In der folgenden Abbildung sind die einzelnen Güterkategorien aufgelistet, um die öffentlichen Güter von sog. marktgängigen bzw. privaten Gütern abzugrenzen. Abb. 32:
private Güter
gemischte Güter i >
Güterkategorien
spezifisch öffentliche Güter
Allmendegüter
gekorene öffentliche Güter •
Mautgüter
•
Private Güter zeichnen sich durch zwei Kriterien
meritorische Güter demeritorische Güter
aus:
(1) Für diese Sachgüter und Dienstleistungen ist das Ausschlußprinzip anwendbar, d.h. zahlungsunwillige Individuen können von der Nutzung dieser Güter ausgeschlossen werden;
(2) Gleichzeitig gilt die Rivalität im Konsum. einen Fremden
Wird
zum
Beispiel eine Wohnung durch
mitbenutzt, entsteht für den Mieter eine erhebliche Nutzeneinbuße.
Besonders deutlich wird die Konsumrivalität bei Nahrungsmitteln. 117
Vgl. Blankart, Charles B.: Öffentliche Finanzen in der Demokratie, 3. Auflage, München 1998, S.
13f.
110
2. Teil:
Wirtschaftspolitik
sind, ist das Wirtschaftssubjekt gezwungen, seine Präes muß mitteilen, welchen Preis es bereit ist zu zahlen, da-
Sofern beide Bedingungen erfüllt ferenzen mit
es
zu
offenbaren, d.h.
in den Besitz und Genuß des Gutes kommen kann. Dadurch wird das Gut markt-
gängig,
so
daß sich Anbieter und
Nachfrager dezentral einigen
können. Eine Vermitt-
lung des Staates ist nicht erforderlich. Bei spezifisch öffentlichen Gütern gelten diese sog. Musgrave-Kriterien11' nicht: (1) So läßt sich das Ausschlußprinzip aus technischen Gründen bzw. weil der Ausschluß zu kostspielig oder unerwünscht wäre, nicht anwenden. Das Individuum kann somit vom Konsum des Gutes nicht ausgeschlossen werden, obwohl es keinen Beitrag zu dessen Produktion geleistet hat. (2) Außerdem liegt eine Nichtrivalität im Konsum vor, d.h. der Konsum eines Gutes durch A vermindert den Konsum desselben Gutes durch B nicht. Darüber hinaus führt eine
mehrmalige Inanspruchnahme dieses
Gutes nicht
zur
Qualitätseinbuße.
Die Nichtrivalität bedeutet ferner auch Unteilbarkeit oder Kollektivkonsum. Der
überzeugte
Pazifist konsumiert wie
selbst dann,
wenn er
jeder
andere
Bürger die Landesverteidigung
diese ablehnt.119
Prinzipien nicht anwendbar, so ist der Konsument auch nicht gezwungen, seine Präferenzen offenlegen und sich an der Finanzierung dieses Gutes zu beteiligen. Somit wird das Individuum dieses Gut unentgeltlich nutzen (Free-Rider-Mentalität, Trittbrettfahrermentalität). Kein privater Anbieter wird aber unter diesen Bedingungen bereit sein, dieses Gut zu produzieren, so daß der Staat in das Wirtschaftsgeschehen eingreifen bzw. diese Güter selbst bereitstellen muß. Während bei privaten Gütern, wie oben angeführt, die Entscheidung über die Faktorallokation, d.h. die Verwendung der Produktionsfaktoren, im Markt erfolgt, muß bei öffentlichen Gütern der Staat diese AlSind beide
lokationsfunktion übernehmen.
wenige Güter, die durch die Nichtrivalität im Konsum und durch die fehlende Anwendbarkeit des Ausschlußprinzips gekennzeichnet sind (Küstenschutz, Außenpolitik, öffentliche Kunstdenkmäler; siehe auch Abb. 33). Bei den gemischten Gütern (impure public goods, mixed goods) gilt nur jeweils eins der Musgrave-Kriterien nicht. Bei Mautgüter (toll goods; Kabelfernsehen, Autobahnen) ist zwar das Ausschlußprinzip anwendbar, aber über weite Teile herrscht Nichtrivalität In der Realität
118
es nur
Benannt nach Richard A. Musgrave; vgl. hierzu Musgrave, Richard A. et al.: Die öffentlichen Finanin Theorie und Praxis, 1. Band, 5. überarbeitete Auflage, Tübingen 1990, S. 54ff. Vgl. Blankart, Charles B.: a.a.O., S. 56.
zen 1,9
gibt
2. Teil:
Wirtschaftspolitik
1 11
im Konsum, d.h. alle zum Konsum zugelassenen Individuen können das Gut in An spruch nehmen, ohne einander zu stören. Abb. 33: Ausschluß und Rivalität bei öffentlichen und
Mischgütern
privaten Gütern sowie
Rivalität nein
ja
ja
Private Güter z.B. Brot, Wohnen
Mautgüter
z.B.
Kabelfernsehen, Autobahnen
Ausschluß
nein
Spezifisch öffentliche Güter z.B. Außenpolitik, Küstenschutz, öffentl. Kunstdenkmäler
Allmendegüter
z.B. Hochseefisch-
gründe, Innenstadtstraßen
Quelle: Blankart, Charles B.: Öffentliche Finanzen in der Demokratie, 3.
Auflage, München 1998, S. 64.
Allmendegüter (Gesundheitswesen, Fischgründe auf hoher See, Hochschulen, Fußgängerzonen usw.) sind dadurch charakterisiert, daß das Ausschlußprinzip nicht oder nur unvollständig erfüllt ist, während Rivalität im Konsum herrscht. Hier existiert eine Lükke im Rechtsstaat, die durch die Definition und Durchsetzung exklusiver Verfügungsrechte von staatlicher Seite geschlossen werden kann, wobei im internationaen Bereich zum Beispiel im Rahmen der Hochseefischerei keine einzelstaatlichen Lösungen -
-
möglich sind. Bei meritorischen Gütern (merit goods) handelt
es
sich
um
Sachen oder Dienstleistun-
Bereitstellung die Geselllschaft unabhängig von den Präferenzen der individuellen Konsumenten zu begünstigen (meritorisches Gut) oder zu benachteiligen (demeritorisches Güter wie Drogen- und Alkoholkonsum) sucht. Anders formuliert: Die Voraussetzungen für eine private Bereitstellung dieser Güter sind zwar gegeben. Entscheidend ist aber, daß die Ergebnisse dieser Marktprozesse als ökonomisch und / oder gesellschaftspolitisch unerwünscht angesehen werden. Mit Hilfe von umfangreichen Subventionen versucht zum Beispiel der deutsche Staat das Gut „Hochschulausbildung" oder das Ausmaß an bestimmten Kultureinrichtungen (Theater, Opern) auf den politisch gewünschten Soll-Bestand zu bringen. Auch wird somit in die Allokationsfunktion des Marktes durch den Staat eingegriffen. gen, deren
112
2. Teil:
Wirtschaftspolitik
b) Distributionsziel Neben der
allokationspolitischen Begründung werden auch distributionspolitische Ziel
;
Rechtfertigung finanzwissenschaftlicher Aktivitäten herangezogen. Die am Markt zustande kommende Einkommensverteilung ergibt sich aufgrund des Faktorangebots und der Faktorpreise (primäre Einkommensverteilung). Die öffentlichen Interventionen können z.B. darauf ausgerichtet sein, Mindesteinkommen und bestimmte Versorgungsstandards zu gewährleisten. Durch die staatlichen Transferzahlungen (Sozialhilfe, Wohngeld usw.) sowie durch das progressive Einkommensteuersystem entsteht eine neue Einkommenssituation, die häufig als sekundäre Einkommensverteilung bezeichzur
net
wird.
c) Stabilisierungsziel Next, let us turn to the problems of ourfiscalpolicy. Here the myths are legion and the truth hard to find. John F.
Kennedy
Während die monetaristische Denkschule finanzwissenschaftliche Aktivitäten
weitge-
hend auf die Allokations- und Distributionsfunktion beschränken
möchte, kommen nach jYeyneiianischer Auffassung den öffentlichen Haushalten zentrale (konjunktur-)stabüisierende Aufgaben zu. Im folgenden wird analysiert, •
auf welche Weise
es
in einer Volkswirtschaft
zu
einer
zyklischen Schwankung
de:
wirtschaftlichen Aktivität kommen kann und •
Möglichkeiten der Staat im Rahmen seiner Finanzpolitik hat, zu einer Verstetigung der wirtschaftlichen Entwicklung beizutragen (= Stabilisierung des Konjunkturverlaufs). welche
(1) Zur Konjunktur (a) Schwankungen in der wirtschaftlichen Aktivität: Konjunkturzyklen Betrachtet
die zeitliche
Entwicklung der wichtigsten gesamtwirtschaftlichen Größen, wie etwa des Nationaleinkommens (= Bruttosozialprodukt), der Industrieproduktiman
on, des Preisniveaus usw.,
so
fallen zwei Sachverhalte auf: Alle diese Größen nehmen
Regel über einen längeren Zeitverlauf hin zu, aber ihre Zunahme verläuft nicht gleichförmig, sondern in Wellenbewegungen. Abbildung 34 zeigt eine solche (idealisierte) zeitliche Entwicklung für die gesamtwirtschaftliche Größe "Bruttosozialprodukt" in der
00
2. Teil:
Wirtschaftspolitik
1 13
- Zeit Rezession
Depression
Belebung
Boom
Rezession
Aufschwung
Abschwung
gestrichelte eingezeichnete Trendlinie gibt dabei die langfristige, durchschnittliche Entwicklung des Sozialproduktes an. Dieser Entwicklungspfad stimmt nur im Durchschnitt mit der tatsächlichen Entwicklung der Wirtschaft überein. Der durchgezogene Kurvenzug stellt dagegen (vereinfachend) die tatsächlich zu beobachtende wirtschaftliche Aktivität dar. Sie zeigt an, daß das tatsächliche Sozialprodukt mit mehr oder weniger starken Schwankungen seiner Wachstumsrate um einen langfristigen Wachstumstrend ansteigt. Diese Schwankungen werden im allgemeinen als Konjunkturschwankungen bzw. Konjunkturzyklen bezeichnet. Sie sind zumeist begleitet von entsprechenden Schwankungen im Auslastungsgrad des Produktionspotentials, der Höhe der Arbeitslosigkeit, der Die
Inflationsrate sowie des Zinsniveaus Produktion nach
usw..
Entwickelt sich die
gesamtwirtschaftliche
spricht Aufschwung, unterteilen läßt. Entwickelt sich die volkswirtschaftliche bungsBoomphase Aktivität nach unter, so spricht man von einem Abschwung, der sich in eine Phase der Rezession und eine Phase der Depression einteilen läßt. Auch in der Bundesrepublik Deutschland ist in den letzten Jahren eine solche amplitudenhafte Schwankung der wirtund eine
oben,
so
man von
einem
der sich in eine Bele-
114
2. Teil:
Wirtschaftspolitik
schaftlichen Entwicklung feststellbar, wie die raum 1992 bis 1999 zeigt. Abb. 35:
unten
angeführte Abbildung für den Zeit-
Konjunkturzyklen in Deutschland
(Veränderung des Bruttoinlandsprodukts in Preisen von 1995 gegenüber dem Vorjahr in Prozent)
1993
1992
1995
1994
1996
1997
1998
1999
Quelle: o.V: Konjunkturzyklen in Deutschland, in: Süddeutsche Zeitung Nr. 9 vom 13. Januar 2000, S. 23.
Vereinfacht kann
man
die Ursache einer solchen
Entwicklung damit erklären, daß die Vergleich zum gesamtwirtschaftlichen Angebot
gesamtwirtschaftliche Nachfrage im einmal zu gering in der Depression und einmal zu hoch im Boom sein kann. folgende Beispiel soll einen solchen Konjunkturzusammenhang charakterisieren. -
-
-
Das
-
(b) Idealisierter Ablauf eines Konjunkturzyklusses Ausgangspunkt sei ein von außen gegebener Nachfrageanstieg, z.B. Exporte. Als Ursachen für die Zunahme der Ausführen können z.B.
durch
steigende Anfang des ein schwacher Euro und die starke neuen Jahrtausends US-Amerikanische Konjunktur werden. Die unerwartet gestiegene Gesamtnachfrage führt zunächst zu einem angeführt Nachfrageüberhang, der tendenziell steigende Preise auslöst. Solange die Kapazitäten noch nicht sehr stark ausgelastet sind, genügt ein geringer Preisanstieg, um zusätzliche Produktion wirtschaftlich lohnend zu machen (preiselastisches Güterangebot). Wird die Produktion nun ausgedehnt, so ist dieser Prozeß begleitet von steigender Arbeitsnachfrage, steigendem Arbeitseinsatz und steigendem Einkommen. Der Anstieg des Volkseinkommens beschleunigt die Nachfrageentwicklung: Zum einen steigt mit höherem Einkommen auch die Konsumnachfrage (Multiplikatorprozeß). Zum anderen ergeben sich für die Unternehmen positive Erwartungen, die zu zusätzlichen Investitionen führen. Auf diese Weise bewirkt der auslösende Exportanstieg im Zeitablauf einen sich -
-
wie
2. Teil:
Wirtschaftspolilik
115
selbst tragenden Aufschwung durch steigende binnenwirtschaftliche Konsum- und Inve-
stitionsnachfrage. Dieser Selbstverstärkungsprozeß leitet in der betrachteten Volkswirtschaft eine Boomphase ein. Eine hohe Auslastung der Produktionsmöglichkeiten führt die Betriebe in Engpässe hinein, in denen eine zusätzliche Produktion nur bei überproportinalem Kostenanstieg möglich ist. Hier wird der mittelfristig konstante Bestand an Kapital zum restrikiven Produktionsfaktor und läßt eine Ausdehnung der Produktion nur durch einen überproportinale hohen zusätzlichen Arbeitseinsatz möglich werden (z.B. Überstunden oder Sonderschichten). Damit steigen die Lohnkosten ebenfalls deutlich an. Bei hoher Auslastung des Arbeitsmarktes kommt es dabei auch zur Tendenz steigender Löhne. Folge dieses immer stärkeren Stückkostenanstiegs sind deutlich steigende Preise (preisunelastisches Angebot), die zunächst auch von den Nachfragern noch akzeptiert werden. Der Boom ist demnach gekennzeichnet durch hohe Nachfragesteigerung, kräftiges Wachstum der Produktion, hohe Auslastung der Kapazitäten, hohe Beschäftigung des Produktionsfaktors Arbeit, steigende Löhne, Zinsen und Preise. Der gesamte Aufschwung, d h. Belebung und Boom ist dadurch charakterisiert, daß die Gesamtnachfrage der Güterproduktion vorauseilt. Zunehmend machen sich jedoch Engpässe in den einzelnen Sektoren bemerkbar. Nachfragesteigerungen bringen schließlich keine Mengenausdehnungen der Produktion mehr mit sich, sondern führen nur noch zu Preissteigerungen. Je länger diese anhalten, um so mehr werden sie auch direkt bei den Lohnforderungen der Gewerkschaften berücksichtigt. Es besteht die Gefahr einer PreisLohn-Spirale. Zugleich kehren sich die Nachfrageimpulse langsam in das Gegenteil um: Die Inflation verschlechtert die internationale Wettbewerbsfähigkeit und bewirkt einen Rückgang der Exportnachffage. Die im Zuge der starken Kreditnachfrage für Investitionen gestiegenen Zinsen führen in Verbindung mit abnehmenden Absatzerwartungen zu sinkender Investitionsnachfrage. Auch die Konsumnachfrage steigt nicht weiter, wenn Einkommensanstiege weitgehend durch Preissteigerungen aufgezehrt werden. Ein hohes Kostenniveau bei jedoch schrumpfenden Preisüberwälzungsspielraum infolge stagnierender Nachfragezuwächse bewirkt schließlich einen Gewinnrückgang auf dem Höhepunkt der Boomphase. Erste Unternehmen beginnen mit einer Rücknahme ihrer Produktion. Der durch hohe Preise ausgelöste Nachfragerückgang wird beschleunigt durch abnehmende Einkommen infolge nun rückläufiger Produktion. Die Wirtschaft gerät in die Abschwungphase.
116
2. Teil:
Wirtschaftspolitik
Die sinkende Gesamtnachfrage bewirkt eine sinkende Produktion und damit abnehmende Einkommen. Hierdurch wird auch eine
rückläufige Konsumnachfrage induziert {negativer Multiplikatoreffekt). Verstärkte Einkommensrückgänge und erste Unternehmenszusammenbrüche sind die Folgen. Bei den Unternehmen bilden sich nun negative Zukunftserwartungen, die zusätzliche Investitionen sehr risikobehaftet machen. Diese Rezession geht über in einen sich selbst verstärkenden Prozeß aus rückläufiger Produktion, rückläufigen Einkommen, rückläufiger Konsum- und Investitionsgüternachfrage und führt die Wirtschaft in die Depression. Mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung entwickeln sich schließlich auch die Preise nach
unten
und bewirken damit erneut eine
Kompression der Unternehmenseinkünfte. Eine wachsende Zahl von Entlassungen bewirkt einen Anstieg der Arbeitslosigkeit. Infolge der geringen Nachfrage nach Arbeitskräften einerseits und nach Krediten für Investitionsgüter andererseits passen sich auch die Faktorkosten Löhne und Zinsen in ihrer Entwicklung nach unten an. In der Talsohle der Entwicklung zeigt sich die Wirtschaft bei hoher Unterbeschäftigung, geringer Gesamtnachfrage, geringer Produktion, niedriger Auslastung des Produktionspotentials und sinkenden Preisen.
Die Investitionsschwäche in den Phasen der Rezession und insbesondere in der Depression führt jedoch irgendwann dazu, daß ein nicht zu übergehender Reinvestitionsbedarf der Produktionsanlagen entsteht. Die Investitionsnachfrage beginnt sich zu stabilisieren, und
zugleich bewirkt das nun sehr niedrige Preisniveau einen erneuten Anstieg der Nachfrage (z.B. der Exportnachfrage). Steigende Nachfrage bewirkt wiederum wachsende Produktion und zunehmende Einkommen, die bei zunächst noch konstanten Prei-
(relativ konstante Kosten bei
Unterauslastung des Produktionspotentials) eine erneute Belebung der wirtschaftlichen Aktivität auslösen. Aus der Depression bewegt sich die Volkswirtschaft wieder in die Phase des Aufschwungs. Während die Entwicklung im Abschwung durch einen Angebotsüberhang gekennzeichnet war (verzögerte Anpassung des Produktionsniveaus an die sinkende Gesamtnachfrage), ist die Wende in den Aufschwung gekennzeichnet durch eine sich wieder langsam belebende Nachfrage und ein zunächst noch konstantes niedriges Produktionsniveau. Hierdurch entsteht eine Nachfrageüberhang (Nachfragesog), der schließlich auch einen Produktionsanstieg auslöst. In der Phase der Hochkonjunktur oder des Booms sprechen wir vielfach von Vollbeschäftigung. Der Begriff Vollbeschäftigung bezieht sich zumeist auf die Beschäftigung des Produktionsfaktors Arbeit und wird mit Hilfe der Arbeitslosenquote gemessen. Die sen
starker
2. Teil:
Wirtschaftspolitik
117
Arbeitslosenquote im Sinne der Definition der Bundesanstalt für Arbeit gibt den Anteil der Zahl der Arbeitslosen an der Zahl der abhängigen (zivilen) Erwerbspersonen an. Dabei werden alle Personen als arbeitslos
erfaßt, die bei den Arbeitsämtern
als solche
registriert sind. Zahl der registrierten Arbeitslosen Arbeitslosenquote =-2Zahl der registrierten Arbeitslosen + Zahl der abhängigen zivilen Erwerbstätigen ....
Es existieren unterschiedliche
Vorstellungen,
wann
das
Vollbeschäftigungsziel
als
er-
reicht gilt. Zu diesen Varianten zählen: •
•
Die Anzahl
registrierten Arbeitslosen entspricht der Zahl der offenen Stellen und die Arbeitslosenquote liegt unter einer bestimmten Grenze, die im Zeitablauf an
schwankt und deren Sätze sich zwischen 0,8 % bis 4 % bewegen.120
Die unter diesem Umständen noch vorhandene unvermeidbare
(natürliche) Arbeitslosigkeit ist friktionell (durch Arbeitsplatzsuche) und strukturell bedingt. Strukturelle Arbeitslosigkeit zeigt sich auch in der Höhe der vorhandenen offenen Stellen, die wegen fehlender Qualifikation der Arbeitskräfte nicht besetzt werden können.
118
2. Teil:
Tab. 15:
Wirtschaftspolitik
Bruttoinlandsprodukt, Produktionspotential und Auslastungsgrad -
in Preisen von 1991; alte Bundesländer
-
Bruttoinlandsprodukt
Produktionspotential
Auslastungsgrad des Produktionspotentials
Zeitraum
Mrd. DM
1960 1970 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994
1000,0 1543,2
Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Pro-
Mrd. DM
Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Pro-
zent
2020,0 2001,0 2036,2 2093,5 2136,0 2186,1 2218,4 2301,0
5,0
1557,5
4,6
1,0 0,1 -0,9 1,8 2,8 2,0 2,3 1,5 3,7
2044,: 2075,5 2099,4 2118,1 2169,6 2213,9 2274,3 2336,2 2400,6 2467,2 2557,0
2,2
2384,4
3,6
5,7 5,0 1,8 -2,0 2,1 1,5
1995 1996 1997
1998
2888,5
zent
1000,0
2520,4 2647,6 2694,3 2639,1 2694,0 2733,7 2747,6 2809,5
Quelle:
Der
2018,0
1,1 2,3 2%
v.H.
1,5
1,1 0,9 2,4 2,0
2,7 2,7 2,8 2,8 3,6
2655,3
2753,9 2813,6 2876,1 2921,6
3,7
2972.2
1,7
3016,2 3066,5
1%
2,2 2,2 1,6
1,5
100,0 99,1 98,7 97,3 95,3 96,1 96,5 96,5 96,1 95,0 95,9 96,6
98,6 99,7 97,8 93,8 93,7 93,6 S,,4 93,1 94,2
http://vvww.sachverstaenmgenrat-wimchaft.de/pnVtabj)p.hto Zugriffsdatum 04.09.99, S.
Begriff Unterbeschäftigung muß
sich jedoch nicht
nur
lf.
auf den Produktionsfaktor
Arbeit beziehen, sondern kann auch den Produktionsfaktor Kapital kennzeichnen. Auch
Produktionsanlagen {Realkapital) können unterbeschäftigt sein, wenn z.B. Fabriken ungenutzt leer stehen oder Betriebe ihre Fertigungskapazitäten aus konjunkurellen Gründen nur zum Teil ausschöpfen. Man spricht von einer Unterauslastung des Produktionspotentials. Bei dieser Methode zur Messung der Beschäftigung wird als Maßzahl der Auslastungsgrad der gesamtwirtschaftlichen Produktionskapazitäten bzw. die sog. Produktionslükke gewählt. Dafür wird eine fiktive Produktionskapazität (Produktionspotential) unterstellt.121 Die Differenz zwischen dem tatsächlich erreichten Produktionsvolumen und Vgl. Dichtl, Erwin / Issing, Otmar (Hrsg.): Vahlens Großes Wirtschaftslexikon, Band 4, 2., überarbeiAuflage, München 1994, S. 2281. 121 Zur Bestimmung des gesamtwirtschaftlichen Produktionspotentials durch den Sachverständigenrat vgl. : http://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/pm/tpp.htm; Zugriffsdatum 07.08.98, S. Iff.
tete und erweiterte
2. Teil:
diesem fiktiven Produktionsvolumen
Wirtschaftspolitik
119
gibt Aufschluß über den Auslastungsgrad der Pro-
duktionskapazitäten. Ein Auslastungsgrad112 von etwa 96 bis 97 % und damit eine Produktionslücke von 3 bis 4 % signalisieren die Normalauslastung der Sachkapazitäten in der Volkswirtschaft. Ein Auslastungsgrad von etwa 92 % kennzeichnet eine Situation erheblicher
Unterbeschäftigung der Produktionsanlagen. Japans Produktionslücke betrug im Jahr 1999 7 Prozent des BIP, während die EU eine Auslastung von 98 % verzeichneten und die USA ihr Produktionspotential vollständig ausnutzten.123 Die Tab. 15 zeigt die Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes, des gesamtwirtschaftlichen Produktionspotentials und des
Auslastungsgrades des Produktionspotentials in den
letzten vier Jahrzehnten. Es wird nichts darüber ausgesagt, inwieweit auch der Produktionsfaktor Arbeit vollbeschäftigt ist. Eine Vollauslastung des Produktionspotentials bedeutet darüber hinaus
nicht, daß sämtliche Betriebe vollkommen ausgelastet sind. Als
Produktionspotential wird jene fiktive Produktion genommen, die bei gleicher Auslastung der Sachkapazitäten wie im Jahre 1960 erreicht würde. Das Jahr 1960 wird als Jahr mit optimaler durchschnittlicher Auslastung in der Volkswirtschaft betrachtet. Das Produktionspotential erhöht sich mit zunehmendem Kapitalbestand, d.h. mit zunehmender Zahl der Produktionsanlagen. Der Auslastungsgrad des Produktionspotentials erhöht sich, wenn die tatsächliche Produktion (das Sozialprodukt) schneller wächst als die mögliche Produktion (Produktionspotential). Im Zeitraum 1980 bis 1999 zeigen sich eindeutige Konjunkturschwankungen in der Entwicklung des Auslastungsgrades des Produktionspotentials. Ein niedriger Auslastungsgrad liegt vor im Jahr 1982 und in den Jahren 1995/96 (Rezession), eine relativ hohe Auslastung erkennt man z.B. 1980 und 1991, kurz nach der Wiedervereinigung (Boom). Aus der Beschreibung des Konjunkturverlaufs ergab sich, daß auch die Inflationsrate je nach Konjunkturphase unterschiedliche Werte annimmt. Während zu Beginn des Aufschwungs noch relativ niedrige Preissteigerungsraten vorliegen, werden die Inflationsraten mit zunehmender Belebung immer größer. Ursache hierfür ist der Nachfragesog, d.h. die
Überschußnachfrage,
die
Preissteigerungen induziert. In der Hochkonjunktur sind die Inflationsraten in der Regel hoch. Zum Nachfragesog kommt noch der Kostendruck über Löhne und Zinsen hinzu. Der beginnende Abschwung ist noch durch relativ hohe Preise gekennzeichnet. Erst in der fortgeschrittenen Rezession und der Depression
'
a
Die Differenz zwischen dem aktuellen BIP und der (fiktiven) Produktion bei ziläten eines Landes wird auch als Produktionslücke bezeichnet. 123 Vgl. o.V.: Weltwirtschaft: Droht eine Deflation?, in: WISU 3/99, S. 261f.
Vollauslastung der Kapa-
1 20
2. Teil:
Wirtschaftspolitik
sinken die Preise
infolge des Angebotsüberhanges. Die Preisentwicklung wird hier relativ eindeutig über Nachfrage- bzw. Angebotsüberhänge erklärt. Auch hier gibt es allerdings Ausnahmen. So zeigte sich in den 70er Jahren eine anhaltend hohe Inflation trotz unterschiedlicher Konjunkturphasen, d.h. auch in Phasen sinGesamtnachfrage (Rezession). Diese konjunkturelle Situation wird auch als Stagflation (Stagnation + Inflation) bezeichnet. In den Vereinigten Staaten ist Mitte und Ende der 90er Jahre trotz eines lang anhaltenden wirtschaftlichen Aufschwungs kein Anstieg der Inflationsrate erkennbar. kender
(2) Ziele und Zielkonflikte der Stabilisierungspolitik Die vorstehend skizzierten konjunkturellen Schwankungen bewirken also Schwankungen nahezu aller ökonomischen Kennziffern. Den politischen Entscheidungsträgern einer Volkswirtschaft ist dabei insbesondere nicht an sinkender Beschäftigung und sinkendem Einkommen sowie an starken Preisschüben gelegen. Abbildung 36: Erwerbslose in Deutschland (1992 1999) (in Prozent der Erwerbspersonen im Jahresdurchschnitt)
-
1992
Quelle: o.V:
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
Süddeutsche Zeitung Nr. 9 vom 13. Januar 2000, S. 23.
Konjunkturzyklen in Deutschland, in:
Beschäftigung und sinkende Einkommen soweit dies konjunkturell bedingt ist in Phasen der starken Rezession und der Depression auftreten, inflationäre Tendenzen dagegen in der Hochkonjunktur (im Boom) festzustellen sind, sind die Träger der Wirtschaftspolitik angehalten, auf eine Verstetigung der Entwicklung dieser ökonomischen Variablen hinzuwirken. Dies beinhaltet damit die Forderung nach einer Abschwächung der Konjunkturausschläge nach oben und unten. Die folgenden ÜberleWährend sinkende
-
-
2. Teil:
Wirtschaftspolitik
121
gungen befassen sich daher mit den Problemen, die im Rahmen dieses hier dargestellten "traditionellen Konjunkturzyklus" auftreten. Wirtschaftliche Entwicklungen, die aus an-
Konjunkturverlauf überlagernden Ursachen entstehen, werden in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt. Zur Aufrechterhaltung einer stabilen Wirtschaftsentwicklung (hier also im Sinne einer Stabilisierung des Konjunkturverlaufs) verlangt der Gesetzgeber in der Bundesrepublik Deutschland, daß Bund und Länder bei ihren Haushaltsentscheidungen den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen haben. Dazu fordert das Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft vom 8.6.1967 (kurz: Stabilitäts- und Wachstumsgesetz) im § 1, daß im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung gleichzeitig deren
den
-
• • •
•
-
Stabilität des Preisniveaus, ein hoher Beschäftigungsstand, außenwirtschaftliches Gleichgewicht, bei stetigem und angemessenem Wirtschaftswachstum
erreicht werden sollen.
(a) Stabilisierungspolitik in Deutschland
folgenden beschäftigen wir uns mit den Möglichkeiten staatlicher Einflußnahme zur Stabilisierung des Konjunkturverlaufs bzw. Realisierung der Stabilitätsziele. Der deutsche Gesetzgeber hat dazu den wirtschaftspolitischen Entscheidungsträger im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes eine Vielzahl von Instrumenten zur Verfügung gestellt, wie die folgende Abbildung zeigt. Somit besteht prinzipiell sowohl in Zeiten einer Hochkonjunktur als auch in einer Abschwungphase die Möglichkeit, zu einer Verstetigung der wirtschaftlichen Aktivität beizutragen. In diesem Zusammenhang wählt der Staat die sog. Nachfragesteuerung, d.h. Bund und Länder versuchen im Rahmen der antizyklischen Fiskalpolitik über eine Erhöhung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage einen Produktionsanstieg zu bewirken, als dessen Folge der Auslastungsgrad des Im
Produktionspotentials steigt und die Arbeitslosigkeit sinkt. Mögliche Ansatzpunkte für nachfragesteigernde Maßnahmen sind daher die Komponenten der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage. Diese setzt sich zusammen aus: • • •
privater Konsumgüternachfrage, privater Investitionsgüternachfrage, Nachfrage des Staates (Staatskonsum und staatliche Investitionen) und
1 22
•
2. Teil:
der
Wirtschaftspolitik
Nachfrage
des Auslands
bezüglich
inländischer Güter
(Exportnachfrage) vermindert um die Nachfrage der Inländer bezüglich ausländischer Güter (Importnachfrage).
nachfragestimulierende Politik kann nun grundsätzlich an jeder gesamtwirtschaftlichen Nachfragekomponente ansetzen. Eine Konjunktursteuerung mit Hilfe einer Variation der Staatsnachfrage hat zumindest im Bereich der Sachausgaben gegenüber einer Beeinflussung der anderen Nachffageaggregate den Vorteil, daß das Ausmaß der Nachfrageveränderungen ausschließlich vom Staat abhängt. Die staatliche Aktivität hat eine direkte Produktions- und Einkommenswirkung. In der Abb. 38 ist der Übertragungsweg (Transmissionsweg) expansiver bzw. kontraktiver Staatsausgaben dargestellt. Eine
Abb. 37: Das Instrumentarium des
Stabilitätsgesetzes
Informations- und Koordinierungsinstrumente •
Jahreswirtschaftsbericht einschließlich
Sachverständigenrates (§ 2);
Zielprojektionen
den
Jahresgutachten des
Konzertierte Aktion (§
3); Mittelfristige (5jährige) Finanzplanung (§ 9) onsprogramme (§ 10); Subventionsbericht (§ 10); Gegenseitige Auskunftspflicht (§§ 17, 25); Konjunkturrat (§ 18); •
zu
•
einschließlich
mehrjähriger
Investiti-
• • •
Steuerungsinstrumente • Steuerpolitische Instrumente: (a) Festsetzung der Steuervorauszahlungen (§§ 26, 28); (b) Variation der Steuersätze (Maximum +/- 10%) für Einkommen- und Körperschaftsteuer (§ 26); (c) Ausschluß von Sonderabschreibungen und degressiver Abschreibung (§ 26); (d) Steuerabzug für Investitionen (§ 26); • Kreditpolitische Instrumente: (a) Kreditplafondierung (§§ 19-20); (b) Zeitliche Abstimmung der Kreditaufnahme der Gebietskörperschaften (§ 22);
Ausgabenpolitische Instrumente: (a) Verpflichtungsermächtigungen (§ 5); (b) Antizyklische Ausgaben-, insbesondere Investitionspolitik (§§ 5, 11); (c) Konjunkturausgleichsrücklage (§§ 5-8, 15); • Liquiditätspolitische Instrumente: Ausgabe von Liquiditätspapieren zur Offenmarktpolitik (§ 29). •
=
Quelle: Dichtl, Erwin / Issing, Otmar (Hrsg.): Vahlens Großes Wirtschaftslexikon, Band 4, 2., überarbeitete und erweiterte Auflage, München 1994, S. 1963.
2. Teil:
bzw. • •
1 23
prinzipiell 3 Ausgabenbereiche des Staates unterschieden: die Staatsnachfrage nach Gütern und Dienstleistungen, deren Variation direkt über eine Veränderung der Sachausgaben die gesamtwirtschaftliche Nachfrage reduziert
In der Abb. 38 werden •
Wirtschaftspolitik
erhöht; die Transferzahlungen (Sozialhilfe, Wohngeld usw.) und die Subventionen an Unternehmen.
1 24
2. Teil:
Wirtschaftspolitik
Abb. 38: Schematische
Darstellung zur Staatsausgabenpolitik Änderung des Ausgabenvolumens
Inst m men ten-
kategorien
Änderung der Ausgabenstruktur Änderung des Ausgabentimings Staatsnachfrage
Ausgaben-
nach Gütern und
bereiche:
Subventionen an Unternehmen
Transferzahlungen an private Haushalte
Dienstleistungen
Sachaus-
Personal-
gaben
ausgaben verfügbares Einkommen der privaten Haushalte
Wirkungs-
Gewinnerwartungen Unternehmen
zusammen-
©
hänge
Konsum-/Sparentscheidung der Wirtschafts-
Unternehmerische Investitionsent-
Konsumgüternachfrage der privaten Haushalte
Investitionsgüternachfrage der Un-
subjekte
entscheidung
ternehmen
GESAMTNACHFRAGE GESAMTANGEBOT
ProduktpreisO •
=
Direkter Wirkungszusammenhang
=
Indirekter Wirkungszusammenhang
gestaltung der Unternehmen
Gewinnkalkulation der Unternehmen
t Kostenstruktur der Unternehmen
Quelle: Friedrich, Horst: Grundkonzeption der Stabilisierungspolitik, Köln 1983, S. 117.
nachfrageorientierte Konjunktursteuerung auch durch Beeinflussung der privaten Investitionen und/oder des privaten Konsums zu betreiben. Indirekt läßt sich also eine
2. Teil:
Wirtschaftspolitik
1 25
Die
privaten Bruttoinvestitionen machen in der Bundesrepublik Deutschland derzeit et-
wa
16 % des
Bruttosozialproduktes aus.
Als Nachfrageaggregat sind sie somit
tiv bedeutsam. Sie lassen sich durch den Staat jedoch
nur
indirekt
quantita-
verändern, indem
er
Investitionsentscheidungen zu beeinflussen sucht. So besteht z.B. in den Zeiten einer Rezession die Möglichkeit nach § 26 Nr. 3 des Stabilitätsgesetzes für längstens ein Jahr die Einkommen- und Körperschaftsteuer um bis zu 10 Prozent zu reduzieren, Investitionsboni bis zu 7,5 % der Anschaffüngs- und Herstellkosten zu gewähren, Sonderabschreibungen zuzulassen bzw. Steuervorauszahlungen im Rahmen der Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer nachträglich nach unten anzupassen.124 Beim privaten Investitionskalkül spielen aber neben den Erwartungen über die künftige Gewinnentwicklung (Absatz- und Preisentwicklung) die Erwartungen über politische Veränderungen und vor allem die Finanzierungsmöglichkeiten (Kosten) der Investitionsobjekte eine besondere Rolle. Hier muß der Staat über eine Konstanz der Wirtschaftspolitik und einer regelgebundenen Geldpolitik (siehe Ausführungen zur EZB) zu einer Verstetigung der Erwartungshaltung beitragen. Eine diskretionäre, antizyklische Fiskalpolitik steht aber prinzipiell im Widerspruch zu diesen beiden langfristig wachstumsorientierten Strategien. Js weiteres Instrument konjunkturpolitischer Aktivität bietet sich schließlich noch die Beeinflussung der privaten Konsumnachfrage an. Mit über 55 % Anteil am Nationaleinkommen ist sie das mit Abstand bedeutendste Nachfrageaggregat. Als Ansatzpunkte bieten sich die wichtigsten Bestimmungsgründe der Konsumnachfrage an: • Das verfügbare Einkommen, das den Haushalten nach Abzug der direkten Steuern verbleibt (Beeinflussung z.B. durch Senkung der Lohnsteuer, Erhöhung der Renten). Die Einkommensverwendung, und zwar die Aufteilung des Einkommens in Konsumausgaben und Ersparnisbildung (Beeinflussung z.B. durch Abbau der Sparförderung). • Die Einkommensverteilung auf die verschiedenen Gruppen der Bevölkerung, da die Bezieher niedriger Einkommen einen größeren Prozentsatz ihrer Einkommen verdie unternehmerischen
;
•
konsumieren als die Bezieher höherer Einkommen
(Beeinflussung z.B.
durch Son-
derabgaben für Bezieher höherer Einkommen, verbesserte Sozialleistungen). Das Problem ist aber auch hier, daß der Staat keinen direkten Einfluß auf die letztendlichen Auswirkungen einer Steuerveränderung hat. So kann eine Erhöhung des verfügba124
Diese
Möglichkeiten hat der Staat selbstverständlich
in
umgekehrter Richtung
auch in Zeiten einer
1 26 ren
2. Teil:
Wirtschaftspolitik
Einkommens
zu
steigender Konsumnachfrage führen,
aber auch für zusätzliche Er-
sparnisse verwendet werden. Staatliche Einnahmen- und Ausgabenpolitik zur Konjunkturstabilisierung sollte darüber hinaus sowohl in der Phase der Rezession als auch in der Phase der Hochkonjunktur adäquat, gegensteuernd gestaltbar sein (antizyklische Fiskalpolitik). Dies bedeutet nicht nur zusätzliche Ausgaben und Steuersenkungen bei konjunktureller Arbeitslosigkeit, sondern auch Reduzierung der Staatsnachfrage und höhere Steuern bei Nachfrageinflation in der Hochkonjunktur. Eine solche Politik würde zugleich die Forderung nach einem Staatsbudgetdefizit in der Rezession (deficit spending) und einem Budgetüberschuß (Rückzahlung der Schulden) im Boom beinhalten. Hierbei treten jedoch auch Probleme auf. Zum einem ist nach der Einführung des Euro die Verschuldung des deutschen Staates durch den Stabilitätspakt) eng begrenzt. Voraussetzung für eine effiziente antizyklische Fiskalpolitik ist nämlich die Möglichkeit der flexiblen Handhabung von Ausgaben und Einnahmen. Ausgaben für die öffentliche Verwaltung sind jedoch zumeist nur nach oben beweglich (Asymmetrie der antizyklischen Fiskalpolitik). Sollen sie gesenkt werden, so regt sich in der Regel massiver politischer Widerstand der Lobby. Aus diesem Grunde erscheint eine Erhöhung dieser Staatsausgaben in der Depression auch wenig sinnvoll, da sie in Zeiten des Aufschwungs nur schwer rückgängig gemacht werden können. Geschieht letzteres nicht, so ergibt sich eine Tendenz zur ständig steigenden Staatsquote und zu anhaltender Verschuldung. Auch Investitionen (z.B. zur Verbesserung der Infrastruktur) sind als konjunkturpolitische Manövriermasse problematisch, da eine Einschränkung in der Hochkonjunktur auch politisch schwer durchsetzbar ist. Darüber hinaus dienen solche Investitionen vielfach der Verstetigung des wirtschaftlichen Wachstumsprozesses und können nicht konjunkturabhängig gestaltet werden. Schließlich ziehen Investitionsprojekte langfristig Folgekosten nach sich, die sich nicht nach den Erfordernissen der Konjunktursteuerung gestalten lassen. Subventionen an Unternehmen wie Zinsverbilligungen, Zuschüsse für den Wohnungsbau und die Landwirtschaft sind ebenfalls
nur
strukturpolitischen Gesichtspunkten gewährt nicht veränderbar sind.
Hochkonjunktur (Anmerkung des Verfassers).
bedingt variabel, da sie zumeist
werden und deshalb
kurzfristig
unter
ebenfalls
2. Teil:
Wirtschaftspolitik
127
Zusammenfassend sind in der
folgenden Abbildung noch einmal die Ansatzpunkte für nachfrageorientierte Konjunktursteuerung im Sinne des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes dargestellt. einer
Abb. 39: Mittel
Ankurbelung in der Wirtschaftsflaute
fiskalpolitischer Konjunktursteuerung Fiskalpolitische Mittel
Wirkung
Beschließung zusätzlicher Staatsausgaben
Steuersenkung, um priNachfrage zu er-
vate
Beschließung zusätzlicher Kreditaufnahmen bei der Bundesbank und durch Staatsanleihen (deficit
Variation öffentlicher
Abschwächung in Hoch-
konjunktur
Wirkung
Ausgaben
Verringerung bzw. Aufschiebung öffentlicher Ausgaben
Variation öffentlicher Einnahmen
Steuererhöhung um private Nachfrage zu verringern
öffentliche Kreditfinan-
Abbau der öffentlichen Kreditaufnahmen durch Schul-
zierung
dentilgung
spending)
Auflösung der in der Hochkonjunktur gebildeten Konjunkturausgleichsrücklagen zur Erweiterung der privaten Nachfrage (Ausweitung der Geldmenge)
Abschreibungsvergünstigun-
gen für Investitionsausgaben; eine Erhöhung der Abschreibungssätze bewirkt eine Steuerersparnis beim Unternehmer, die zu zusätzlichen Investitionen fuhren soll
Erweiterung der Subventionen (Finanzhilfen) zur Erhaltung von Betrieben
Konjunkturausgleichsrücklage
Bildung von Konjunkturausgleichsrücklagen aus Steuer-
mitteln, die bei der Bundesbank hinterlegt werden
(Geldstillegung)
Variation der Abschrei-
bungsmöglichkeiten
strukturelle Maßnahme
Aussetzung von Abschrei-
bungsvergünstigungen, um
den Investitionsanreiz abzuschwächen
Abbau und Kürzung von Subventionen
Quelle: Scheuring, Franz: Volkswirtschaftslehre, 4. Auflage, Wiesbaden 1991, S. 91.
1 28
2. Teil:
Wirtschaftspolitik
(b) Probleme beim Einsatz der antizyklischen Fiskalpolitik (bl) Die Operationalisierung der Zielvorgaben Das Problematische bei den Zielsetzungen des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes ist allerdings die numerische Quantifizierung der Zielvorgaben. So wird unter Stabilität des Preisniveaus oft keine Konstanz der Preise verstanden und eine Zunahme des
Prozentpunkt pro Jahr als für den marktwirtschaftlichen Koordinierungsmechanismus notwendig angesehen.125 Preisveränderungen auch nach oben müssen möglich sein, um die Anpassung der Produktion an Nachfrageveränderungen zu ermöglichen und zeitweilig Gewinnspielräume zu eröffnen. Ein Ausgleich der Preisbewegungen nach oben und nach unten zu einem gewogenen Durchschnitt von exakt 0 wäre rein zufällig und könnte als politische Vorgabe nicht gefordert werden. In der Zielgröße Preisniveau werden allerdings strukturelle Preisverschiebungen nicht erfaßt. So zeigt z.B. die im Jahresverlauf 1986 aufgetretene negative Inflationsrate (= Deflation) von minus 0,5 % nicht an, daß die Preise der meisten inländischen Güter sehr wohl gestiegen, jedoch die Preise vieler Importprodukte durch die Abwertung des Dollars sehr stark gesunken sind. Nur diese bewirken die Preisniveausenkung im Durchschnitt. Der Beschäftigungsstand wird zumeist anhand der Arbeitslosenquote gemessen. Eine Arbeitslosenquote von 1 bis 2 % gilt als vereinbar mit Vollbeschäftigung, da ein solches Ausmaß an Arbeitslosigkeit saisonal und fluktuationsbedingt ist und daher als unvermeidbar gilt (natürliche Arbeitslosigkeit). Allerdings erfaßt die Messung des Beschäftigungsstandes anhand der Arbeitslosenquote nicht, inwieweit Beschäftigte aus ökonomischen und demographischen Gründen aus dem Wirtschaftsprozeß teilweise oder ganz ausscheiden und damit die Zahl der Erwerbspersonen verringern. So nimmt die Unterbeschäftigung faktisch auch dann zu, wenn weniger ausländische Arbeitskräfte beschäftigt werden und diese in ihre Heimat zurückkehren, wenn zu Kurzarbeit übergegangen wird oder wenn ältere Erwerbstätige früher aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Solche Entwicklungen kennzeichnen Unterbeschäftigungssituationen, zeigen sich jedoch nicht in der Höhe der Arbeitslosenquote. Als weiteren Indikator des Beschäftigungsstandes wird deshalb auch die Zahl der offenen Stellen und die Zahl der KurzarPreisniveaus
von
bis
zu
einem
beiter verwendet. Die
Operationalisierung des Ziels „außenwirtschaftliches Gleichgewicht'
ist
schwierig Sachverständigenrates Begutachtung der geAuffassung samtwirtschaftlichen Entwicklung ist dieses Ziel erreicht, wenn das Devisenangebot aus
und umstritten. Nach
So
zum
des
zur
Beispiel Richter, Rudolf et aL: MakroÖkonomik. Eine Einführung, Berlin u.a. 1981, S. 330.
2. Teil:
Wirtschaftspolitik
1 29
(Exporten) und aus dem Erwerb inländischer Kapitalanlagen durch Ausländer (Kapitalimporten) der Devisennachfrage fur Importe und
dem Verkauf von Gütern ins Ausland
sofern nicht durch sog. induzierte Transaktionen bzw. Restriktionen der Devisenfluß verändert wird. Hierbei handelt es sich um Anpassungs-
Kapitalexporte entspricht,
maßnahmen zwischen dem In- und Ausland, die allein auf eine Veränderung des Zahlungsbilanzsaldos abzielen. In diesem Zusammenhang sind zum Beispiel Devisenanund -verkaufe durch die Notenbanken und die internationale öffentliche aus
zahlungsbilanzpolitischen Gründen (z.B.
zur
Kreditvergabe Stabilisierung des Wechselkurses) zu
nennen.
Dient diese Definition der
Operationalisierung, so bedeutet dies zugleich, daß ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht sehr wohl bei einem Leistungsüberschuß (Exportwert größer als Importwert) vorliegen kann, dem ein gleich großes Kapitalbilanzdefizit (Kapitalexport größer als Kapitalimport) entspricht.126 Die Zielsetzung "stetiges und angemessenes Wachstum" geht schließlich davon aus, daß starke Schwankungen im Wachstum einer Volkswirtschaft die WirtschaftssubjelC.e eher verunsichern und deshalb die wirtschaftliche Entwicklung destabilisieren. Der Begriff "angemessen" bezieht sich auf die Frage, inwieweit quantitatives Wirtschaftswachstum zu Lasten z.B. der Umweltqualität angestrebt werden soll. Die Ziele Preisniveaustabilität, Vollbeschäftigung, außenwirtschaftliches Gleichgewicht und stetiges und angemessenes Wachstum sind allerdings Optimalvorstellungen. In der Tagespolitik müssen sich die aktuellen Zielvorgaben der jeweiligen konkreten wirtschaftlichen Realität anpassen. Dies geschieht in den sogenannten Zielprojektionen der Jahreswirtschaftsberichte, die von der jeweiligen Bundesregierung nach § 2 des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes im Januar eines jeden Jahres dem Bundesrat vorgelegt werden müssen. In diesen wird von den politisch Verantwortlichen vorgegeben, welchen Zielerreichungsgrad sie für das folgende Jahr als "machbar" ansehen. Die Zielprojektionen geben somit die Erwartungen der Bundesregierung für die wirtschaftliche Entwicklung an.
126 Richter Schlieper und Friedmann definieren hingegen das außenwirtschaftliche Gleichgewicht „als einen bestimmten positiven Wert des Außenbeitrags (Ex Im) ausgedrückt als Prozentsatz des Bruttosozialprodukts der notwendig ist, wenn die Bundesrepublik ihren Verpflichtungen für Übertragungen ;n die übrige Welt und Kapitalexporte erfüllen will. Es wird also mehr ein Ausgleich des Leistungsbilanzsaldos angestrebt." Richter, Rudolf et al.: a.a.O., S. 330. ,
-
-
-
1 30
2. Teil:
Wirtschaftspolilik
(b2) Zielkonflikte Für das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht sollten nun möglichst alle vier Zielsetzungen (magisches Viereck) gleichzeitig angestrebt werden. Es zeigt sich jedoch, daß sich die Zielerreichungsgrade der einzelnen Ziele oftmals gegenseitig beeinträchtigen. Vor allem bei den Zielen Preisstabilität und Vollbeschäftigung zeigt sich, daß ihre gleichzeitige Verwirklichung ökonomische Probleme aufwirft. Es entstehen Zielkonflikte (= Zielantinomien). Befindet sich z. B. die Volkswirtschaft im Zustand der Unterbeschäftigung (Situation 1 in Abb. 40), so kann versucht werden, durch steigende Nachfrage (z.B. über eine Erhöhung der staatlichen Investitionstätigkeit um A N) die Produktion anzukurbeln (Rechtsverschiebung der Ni-Kurve nach N2). Steigende Nachfrage bedeutet zusätzliche Aufträge für die Unternehmen und wachsende Auslastung ihrer Produktionskapazitäten. Im Zuge dieser Entwicklung werden zusätzliche Arbeitskräfte eingestellt und bislang ungenutzte Produktionsanlagen wieder beschäftigt. Steigende Produktion führt die Unternehmen jedoch rasch in einen Auslastungsgrad ihrer Produktionskapazitäten hinein, in dem eine weitere Ausdehnung der Produktion engpaßbedingte Kostenanstiege bewirkt und somit eine Erhöhung der Preise induziert. Diese fällt um so stärker aus, je höher der bereits erreichte Auslastungsgrad der Produktionskapazitäten ist In der zweiten Situation der Nachfrageerhöhung ist die Auslastung des Produktionspotentials stärker als in der ersten Situation. Dadurch kann das Angebot auf eine Nachfragesteigerung nicht mehr so elastisch reagieren (Mengeneffekt 2 < Mengeneffekt 1), was zwangsläufig einen stärkeren Preisanstieg zur Folge hat als bei gering ausgelasteten Fertigungskapazitäten (Preiseffekt 2 > Preiseffekt 1). Somit führt eine Anhebung des Beschäftigungsniveaus durch Nachfrageexpansion früher oder später zu einem Anstieg des Preisniveaus. Die Bemühung, dem Ziel Vollbeschäftigung näher zu kommen, ist dann mit beschleunigter Inflation zu Lasten der Ziel.
setzung Preisniveaustabilität verbunden.
2. Teil:
Abb. 40: Zielkonflikt zwischen
Wirtschaftspolitik
1 31
Beschäftigungszuwachs und Preisniveaustabilität
Preisniveau
A:
Preiseffekt 2
Preiseffektl
gesamtwirtschaftliches Güterangebot
a
'
N: gesamtwirtschaftliche
Nachfrage Mejigeneffekt 1
-^.Y: Produktionsund Nachfragevolumen
Zusammenfassend läßt sich also festhalten: Wie groß der Zielkonflikt zwischen Preisni-
veaustabilisierung und Beschäftigungssicherung ist, hängt entscheidend von der Preiselastizität des Güterangebotes, d.h. wie stark verändert sich das Produktionsvolumen, wenn die Preise der gehandelten Güter variieren, ab. Befindet sich z.B. die Volkswirtschaft in einer Rezessionsphase bei gering ausgelasteten Produktionskapazitäten (die Situation 1 in der Abbildung 40), so sind viele Unternehmen zur Produktionsausweitung auch dann bereit, wenn die Absatzpreise nicht oder nur wenig steigen. Sie können dies auch tun, da eine Ausweitung der Produktion bei gering ausgelasteten Produktionskapazitäten über den Degressionseffekt der Fixkosten (= Stückkostendegressionen)127 zunächst sinkende Stückkosten verursacht und auch bei konstantem Preis eine Steigerung des Gewinnes
ermöglicht.
Dies kommt in einer hohen Preiselastizität des
Angebots
(die Angebotsfünktion der Volkswirtschaft verläuft sehr flach). Eine Erhöhung der Nachfrage zur Ausdehnung der Produktion und damit auch des Arbeitseinsatzes (Abbau der Arbeitslosigkeit) ist unter solchen Bedingungen nur mit geringen zum
127
Ausdruck
Je nach Ursache dieser Stückkostendegression wird dieser Effekt im angelsächsischen Sprachraum als ..increasing economies of density, size and scope (= increasing economies of scale)" bezeichnet (Anmerkung des Verfassers).
1 32
2. Teil:
Wirtschaftspolitik
Preisimpulsen verbunden.
Der oben skizzierte Zielkonflikt tritt nicht bzw.
gem Maße auf. Befinden sich die Betriebe
nur
in
gerin-
Auslastung ihrer Produktionsmöglichkeiten, so werden sie in der Regel eine Ausdehnung der Produktion nur dann vornehmen, wenn sie dafür mit einem Anstieg des Absatzpreises entschädigt werden. Die Verteuerung ist notwendig, da in dieser Situation eine Ausdehnung der Produktion mit steigenden Stückkosten verbunden ist. Ein Anstieg der Nachfrage führt unter solchen Bedingungen zwar auch zu einer Ausdehnung der Produktion und damit zu steigender Beschäftigung, bewirkt jedoch zugleich einen deutlichen Preisanstieg. Sind die Produktionskapazitäten der Unternehmer bereits sehr weitgehend ausgelastet, so lassen sich auch bei stark steigenden Preisen nur wenig zusätzliche Güter produzieren. Die Mehrproduktion verursacht im Engpaß sehr stark steigende Stückkosten. Die Preiselastizität des Angebotes ist somit gering. Eine Nachfrageerhöhung führt unter diesen Gegebenheiten zwangsläufig nur zu einem geringen Beschäftigungseffekt, der allerdings mit einem starken Anstieg der Preise verbunden ist. Unter solchen Bedingungen tritt der Zielkonflikt zwischen Beschäftigungssicherung und Preisstabilisierung besonders stark hervor (vergleiche Situation 2 in der Abb. 40). dagegen
im Bereich einer normalen
(b3) Geringe Manövriermasse und Trägerproblematik
Gegen die antizyklische Fiskalpolitik wird darüber hinaus die geringe Variabilität der Staatsausgaben angeführt. So sind etwa 50 % des Staatsverbrauchs durch Gehaltszahlungen gebunden und weitere 30 % durch gesetzliche Regelungen längerfristig fixiert. Damit stehen als Manövriermasse der Konjunkturpolitik lediglich 20 % des Staatskonsums zur Verfügung. Diese werden jedoch vorrangig zur Finanzierung von Infrastrukturaufgaben (Erhalt von Schulen, Krankenhäusern, Straßen usw.) verwendet und sind deswegen leichter zu erhöhen als zu kürzen. Des weiteren werden Infrastrukturinvestitionen im wesentlichen von den Gemeinden vorgenommen, die vorrangig dann investieHaupteinnahmequellen (traditionell die Gewerbesteuer) in der Hochkonjunktur ergiebig sind. Andererseits fehlt den Gemeinden im Abschwung die finanzielle Grundlage zu zusätzlichen Ausgaben. Die Ausgabenpolitik der Gemeinden wirkt daher im wesentlichen zyklusverstärkend {prozyklische Wirkung, Parallelpolitik). Bund und Länder können auf die Entscheidungen der Kommunen nur indirekt (meist über finanzielle Zuschüsse) Einfluß ausüben. Dabei kann die Befriedigung der kommunalen Bedürfnisse, z.B. der Bau eines Schwimmbades oder der Ausbesserung ren,
wenn
ihre
sehr
2. Teil:
Wirtschaftspolitik
1 33
einer
dringend reparaturbedürftigen Straße als unaufschiebbar angesehen werden, so daß Konflikte zwischen konjunkturpolitischen Erfordernissen und gemeindlichem Bedarf nicht ausgeschlossen sind (Trägerproblematik). (1)4) Probleme beim Timing der antiyklischen Fiskalpolitik Als ein letztes Problem der antizyklischen Fiskalpolitik soll schließlich die sogenannte Zeitverzögerungsproblematik erwähnt werden, die dazu fuhren können, daß eine anti-
zyklisch geplante Politik prozyklisch wirken kann. Solche time-lags (Zeitverzögerungen) können folgende Ursachen haben: • So bedarf es zunächst eines gewissen Zeitraumes, um überhaupt die Existenz eines ökonomischen Handlungsbedarfes festzustellen. Dazu ist eine Ursachenanalyse durch die wirtschaftspolitischen Entscheidungsträger notwendig, die den Handlungsbedarf feststellt (Erkennungsverzögerung) • Die Entscheidungsfindung für das "angemessene" wirtschaftspolitische Instrument verursacht eine weitere zeitliche Verzögerung. Im Rahmen des Planungs- und Entscheidungszeitraums sind vielfältige Arbeitsschritte erforderlich: Zuerst einmal
geeignete Maßnahmen zur Erreichung bestimmter wirtschaftspolitischer Ziele abgeleitet werden und der sachliche und zeitliche Wirkungsablauf der vorgesehenen Programme prognostiziert werden. Danach muß eine definitive Festlegung bestimmter Zielwerte und Maßnahmen erfolgen, damit die innerparteiliche und parlamentarische Durchsetzung des Programms erfolgen kann (Aktionsverzögerung). Sodann benötigen die wirtschaftspolitischen Instanzen aus technischen Gründen (z.B. Ausschreibungsverfahren, Beteiligung nachgeordneter Körperschaften, Ressorts usw.) Zeit zum Einsatz ihrer Mittel (Durchführungsverzögerung). Letztendlich vergeht erneut Zeit zwischen dem Wirksamwerden der wirtschaftspolitischen Maßnahme (z.B. Investitionsförderung) und dem angestrebten ökonomischen Erfolg (z.B. Belebung der Bautätigkeit) (Außen- bzw. Wirkungsverzögerung). müssen
•
•
Für eine rationale
Gestaltung der Wirtschaftspolitik ist es notwendig, diese Zeitverzögeausdrücklich rungen einzuplanen bzw. organisatorische Maßnahmen zu ergreifen, um sie zu verkürzen. Im Rahmen der Finanzpolitik ist in der Regel die Innenzeitverzögerung
länger als der outside lag. In der u.a. Abbildung sind schematisch die Zeitverzöge-
rungen noch einmal
dargestellt.
1 34
2. Teil:
Wirtschaftspolitik
Abb. 41:
Zeitverzögerungen in der Wirtschaftspolitik (total policy lag)
Außen Verzögerung Innenverzögening (inside lag) (outside lag) DurchfühHandlungsverzögerung Wirkungsverzögerung (policy preparation lag) (policy effect lag) ningsverzöReaktionsDurchsetgerung Aktionsverzögerung Erkennungsverzögerung (administra- verzögerung zungsverzö(recognition lag) (action lag) bei den tive, instrugerung bei Diagnose- Prognosever- Planungsver- Entscheiverzögerung zögerung zögerung dungsverzö- mental, in- Adressaten den Adres(planning gerung (deci- termediate (reaction lag) saten (opera(diagnostic (prognostic tional lag) sion lag) lag) lag) lag) lag)
Darstellung der o.a. Probleme verdeutlicht, warum der Einsatz der Fiskalpolitik zur Verfolgung stabilitätspolitischer Ziele so kontrovers diskutiert wird.
Die
3. Teil: Das
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
135
3. Teil: Das Volkswirtschaftliche Rechnungswesen L Das Volkswirtschaftliche Rechnungswesen als Bestandteil der Makroökonomie Zu klären
ist, welche Funktion dem Volkswirtschaftlichen Rechnungswesen im Rahmen
gesamtwirtschaftlichen Aktivitätsanalyse (Makroökonomie) zukommt. Sachgüter und Dienstleistungen werden in einer Vielzahl von arbeitsteiligen und komplexen Prozessen produziert bzw. bereitgestellt. Für den einzelnen Wirtschaftsteilnehmer ist es deshalb unmöglich, sich einen Überblick zu verschaffen. Gleichwohl werden Fragen zur Entwicklung der Wirtschaft, ihrer Leistungsfähigkeit und zum wirtschaftlichen Strukturwandel gestellt. Es ist deshalb notwendig, alle im Wirtschaftsprozeß vorkommenden Aspekte sinnvoll zusammenzufassen (makroökonomische Aggregate), um ein überschaubares Gesamtbild der Volkswirtschaft zu liefern. So wird bei der aggregierten Betrachtung gesamtwirtschaftlicher Zusammenhänge in einer Volkswirtschaft nur noch der
zwischen einzelnen Sektoren unterschieden und nicht mehr einzelne Haushalte und
Unternehmen
analysiert.
Im
folgenden wird deshalb eine Differenzierung zwischen vier
Sektoren vorgenommen: •
Unternehmenssektor: Er ist dadurch gekennzeichnet, daß
er
Produktionsfaktoren
kauft, mit ihrer Hilfe Güter und Dienstleistungen produziert und diese verkauft. Dabei werden zwei Kategorien von Gütern produziert: Konsumgüter (Verbrauchsgüter,
private Haushalte verkauft werden) und Investitionsgüter (Güter, die zur Produktion anderer Güter eingesetzt werden und längerfristig für die Produktion anderer Güter eingesetzt werden und über einen längeren Zeitraum für die Produktion genutzt werden können. Sie werden ausschließlich von Unternehmen nachgefragt). Haushaltssektor. Die Haushalte sind dadurch gekennzeichnet, daß sie ihre Produkdie
•
an
tionsfaktoren verkaufen und mit dem erzielten Einkommen Jener Teil des Einkommens der nicht
zum
Erwerb
von
Konsumgüter kaufen. Konsumgütern ausgegeben
wird, bildet ihre Ersparnis. Aus Ersparnissen schaffen sich die Haushalte im Zeitablauf eines gewisses Vermögen, die Ersparnis wird über das Bankensystem anderen Haushalten und Unternehmen zur Kreditaufnahme zur Verfugung gestellt. Das Statistische Bundesamt erfaßt darüber hinaus noch private Organisationen ohne
Erwerbscharakter in diesem Bereich. Hierzu zählen
kulturelle und wissenschaftliche
Vereinigungen,
Kirchen, karitative,
Erziehungswesen tätige Organi.12S
im
sationen, politische Parteien, Gewerkschaften usw. 128
u.a.
Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen. Fachserie 18. Reihe 1.3 Konten und Standardtabellen. 1997 Hauptbericht, Wiesbaden 1998, S. 27f.
136 •
3. Teil: Das
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
Staatssektor: Auch der Staat als Summe aller
Gebietskörperschaften
und
gesetzliSozialversicherungsträger kauft Produktionsfaktoren (öffentliche Dienst) und produziert Güter und Dienstleistungen (öffentliche Güter). Diese öffentlichen Güter verbraucht er jedoch in Gestalt der Gesamtheit der Staatsbürger selbst (Staatskonsum). Darüber hinaus zieht der Staat über direkte und indirekte Steuern einen Teil des Volkseinkommens an sich, womit er die Erstellung öffentlicher Güter finanziert sowie Umverteilungsmaßnahmen (Subventionen, Arbeitslosenhilfe, Sozialhilfe; diese werden auch als Transferzahlungen bezeichnet) finanziert. Übersteigen die cher
•
Staatsausgaben seine regulären Einnahmen, so kann der Staat auch über den Kreditweg die Ersparnisse der Haushalte in Anspruch nehmen. Es bildet sich dann eine Staatsverschuldung gegenüber den Haushalten. Sektor Ausland: Das Ausland wirkt über seine Nachfrage nach Exportgütern und sein Angebot an Importgütern auf das inländische Wirtschaftsgeschehen mengen-
mäßig und preismäßig ein. In der aggregierten Perspektive betrachten wir nicht mehr den Austausch und den Handel innerhalb der
Sektoren, sondern
nur
noch zwischen den Sektoren. Intrasektorale
Verflechtungen bleiben somit unberücksichtigt. Es können allerdings auch andere Kriterien zur Bildung volkswirtschaftlicher Sektoren verwendet werden. Dabei geht es um den Aufbau des oben betrachteten Unternehmenssektors. Der primäre (Produktions-)5e/tro/- erfaßt dabei alle Unternehmen der Urproduktion, in der Rohstoffe und Nahrungsmittel zum Zwecke der Weiterverarbeitung gewonnen werden. Zu ihm zählen somit Bergbau, Landwirtschaft, Fischerei. Der sekundäre Sektor bezeichnet dann das verarbeitende
Gewerbe, in dem die Rohstoffe veredelt und hin zu Endprodukten verarbeitet werden. Hierzu gehören vor allem die großen rohstoffverarbeitenden Industrien der Chemie, des Maschinenbaues, des Bauwesens. Schließlich umfaßt der tertitäre Sektor den Bereich des Handels und des Dienstlei-
stungsgewerbes. Hierzu zählen alle Handelsbetriebe ebenso wie Transport-, Freizeit-, Banken- und Versicherungsgewerbe. Ziel des Volkswirtschaftlichen Rechnungswesens ist es somit über die aggregierte Betrachtung, das Wirtschaftsgeschehen einer Volkswirtschaft und die ökonomischen Beziehungen zum Ausland für eine bestimmte Periode (z.B. für den zurückliegenden Monat bzw. für das letzte Jahr) wertmäßig im nachhinein (= ex-post) zu erfassen. Sie dient als Datenbasis für die Analyse der komplexen makroökonomischen UrsachenWirkungs-Zusammenhänge (Deskription) Zusätzlich wird das Datenmaterial sowohl
3. Teil: Das
für die
Ableitung wirtschaftstheoretischer
Überprüfung benutzt,
um
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
Erkenntnisse als auch für deren
137
empirische
das Verständnis für ökonomische Zusammenhänge zu intensi-
Verhaltensänderungen von Wirtschaftssubjekten feststellen zu können (Erklärung; Präskription). Die wirtschaftstheoretischen Erkenntnisse und die historischen Daten werden darüber hinaus als Ausgangspunkt für Wirtschaftsprognosen (ex-ante Analyse) benutzt, in denen die zukünftige Entwicklung projiziert und unterschiedliche vieren und
zukünftigen
Einsatz
wirtschaftspolitischer Instrumente konzipiert werden. Resultierenden aus der Auswertung des Datenmaterials Handlungsempfehlungen für die wirtschaftspolitischen Entscheidungsträger, so kommt der VGR auch eine politikberatende Funktion zu.129 Kernstück des Volkswirtschaftlichen Rechnungswesens ist die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung (VGR ie.S.). Hier wird der Produktionswert eines Landes erfaßt und die Entstehung, Verwendung sowie die Verteilung des Sozialprodukts (bzw. Inlandsprodukts) festgestellt (sog. Dreiseitenrechnung). In der Bundesrepublik Deutschland ist das Statistische Bundesamt in Wiesbaden für die Erstellung der VGR zuständig. Um das Wirtschaftsgeschehen eines Landes möglichst umfassend darzustellen, sind sog. Ergänzungsrechnungen notwendig. Hierzu zählen: die Vermögensrechnung, die die Zusammensetzung des Vermögens der am Wirtschaftsprozeß Beteiligten ausweist; die Finanzierungsrechnung, die u.a. die Veränderung in den Kreditbeziehungen zwischen den Wirtschaftssubjekten registriert, • die Zahlungsbilanz, in der die Güter-, Dienstleistungs- und Kapitaltransaktionen zwischen In- und Ausländern aufgelistet werden und die Input-Output-Tabelle, die Aufschluß über die Lieferverflechtungen inländischer Branchen gibt. Szenarien für den
•
•
•
129 Frenkel, Michael / John, Klaus Dieter: Volkswirtschaftliche ge, München 1999, S. 7f.
Gesamtrechnung, 4., überarbeitete Aufla-
138
3. Teil: Das
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
Abb. 42: Struktur des Volkswirtschaftlichen
Rechnungswesens
Makroökonomie
I-1 Ex-Ante-Analyse
Ex-post-Analyse
I Volkswirtschaftliches Rechnungswesen (VGR im weiteren
Sinn)
I-1 Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung im engeren Sinne (VGR i.e.S.)
i-1
Ergänzungsrechnungen
i-1-1-1
Entstehungs- Verwendungs-Verteilungs- Zahlungsbilanz rechnung rechnung rechnung
Input-OutputTabelle
Finanzierungs-
rechnung
Zu dem
zählen
umfangreichen
Benutzerkreis des Volkswirtschaftlichen
Vermögensrechnung
Rechnungswesens
Bundes- und
Landesministerien, Deutsche Bundesbank und EZB, Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Sozialpartner und Wirtschaftsverbände, öffentliche und private Forschungseinrichtungen, Unternehmen sowie internationale Organisationen (OECD, Weltbank, IWF u s w.). In diesem Zusammenhang sind die sechs großen wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute zu nennen: das Deutsche Institut fur Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, das Institut für Weltwirtschaft in Kiel, das Hamburgische Welt-Wirtschafts-Archiv, das IfoInstitut für Wirtschaftsforschung in München, das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen und das Institut für Wirtschaftsforschung (IWH) in Halle (Saale). u.a.
2. Der Wirtschaftskreislauf
gesamtwirtschaftliche Betrachtung des Wirtschaftsprozesses in einer Volkswirtschaft setzt bei der Gegenüberstellung von aggregiertem Gesamtangebot und aggregierter Gesamtnachffage einer bestimmten Zeitperiode an. Das Gesamtangebot ist dabei Die
die Summe aller in der Volkswirtschaft innerhalb des betrachteten Zeitraums erzeugten und verfügbaren Güter und Dienstleistungen. Diese werden dabei mit ihren Preisen bewertet. Es
werden also nicht die tatsächlichen
Gütermengen
in ihrer
plastischen
Ver-
3. Teil: Das
schiedenheit
zusammengezählt
-
was
kaum
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
möglich wäre
-,
139
sondern die Werte der je-
weiligen Güter betrachtet. Im Produktionsprozeß entstehen somit Werte, die an die Eigentümer der zur Produktion eingesetzten Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital also an alle privaten Haushalte -
einschließlich Unternehmerhaushalte
-
in Form
von
Löhnen, Zinsen und Gewinnen
mehr oder weniger nach dem Beitrag der Produktionsfaktoren zum Produktionsergebnis verteilt werden. Die Haushalte als
Empfänger dieser Einkommen können darüber entscheiden, ob sie ihr (nach Abzug der Steuern verfugbares) Einkommen für den Kauf von Konsumgütern oder für zusätzliche Ersparnisse verwenden. Die gesamtwirtschaftlich ersparten Einkommensteile stehen über die Vermittlung des Bankensektors den Unternehmen zur Finanzierung ihrer realen Investitionen zur Verfügung. Hier schließt sich der Kreis zwischen Angebots- und Nachffageseite der Volkswirtschaft (Wirtschaftskreislauf): Denn wenn zur Konsum- und Investitionsgüternachfrage noch die Nachfrage des Staates und des Auslandes (Exportnachfrage) hinzugezählt werden, so ergibt sich nach Abzug der inländischen Nachfrage nach ausländischen Gütern (Importnachffage) in inländische Gesamtnachfrage. Diese kreislauftheoretische Betrachtungsweise der ökonomischen Transaktionen in eiVolkswirtschaft anhand des sogenannten Wirtschaftskreislaufes wurde zuerst von dem französischen Physiokraten und Arzt Frangois Quesnay 1758 entwickelt. In seiner ner
(ohne Berücksichtigung der Aktivitäten des Staates und des Auslandes) gibt der Kreislaufzusammenhang die Beziehungen zwischen den oben abgegrenzten Sektoren Unternehmen und Haushalten an (Abbildung 43). einfachsten Form
1 40
3. Teil: Das
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
Abbildung 43: geschlossene Volkswirtschaft ohne Staat
Ersparnis
Kredite zur Investition«-
Finanzierung
Konsumgüter
Faktoreinkommen
Produktionsfaktoren Monetärer Strom Geldstrom Güterstrom realer Strom =
Von den Haushalten
und
zur
zu
den Unternehmen fließt ein Strom von Faktorleistungen
(Arbeit
Verfügung gestelltes Kapital). Mit diesen Produktionsfaktoren wird die
duktion der Volkswirtschaft erstellt. Diese besteht
einen
Pro-
Konsumgütern, die den Haushalten zufließen, zum anderen werden Investitionsgüter hergestellt, die im Unternehmenssektor verwendet werden, dort verbleiben und die Produktionskapazitäten zum
aus
(das Realkapital) längerfristig erhöhen. Die gestrichelte Linie im Schaubild symbolisiert die realen Ströme.
(Faktorleistungen und Güter) entgegen verlaufen Geldströme (durchgezogene Linien). Als Entgelte für die Faktorleistungen fließen den Haushalten
Den realen Strömen
die Faktoreinkommen zu, die sie zur Bezahlung der Güter (Konsumausgaben) verwenden oder zur Vermögensbildung benutzen (Ersparnis). Über den Bankensektor gelangen die ersparten Einkommensteile als Kredite in den Unternehmenssektor zurück, wodurch der Geldkreislauf geschlossen ist: Die gezahlten Faktoreinkommen (Löhne, Gehälter, Gewinne) sind über Einnahmen aus dem Verkauf von Konsumgütern und über Kre-
ditaufnahme wieder in den Unternehmenssektor zurückgeflossen.
3. Teil: Das
Wir können die •
aus
diesem einfachen Kreislauf schon die
In Höhe der Produktion kommen
von
Konsum-
wichtigsten Zusammenhänge für
=
(C) und Investitionsgütern (I) C
+
=
L
+
sparnisbildung (S) =
C
+
(Q) an die Haus-
Q
Die Haushalte verwenden diese Einkommen für Konsumzwecke Y
entstehen Ein-
I
Diese Einkommen werden in Form von Löhnen (L) und Gewinnen halte ausgezahlt Y
•
141
Sozialproduktbestimmung ableiten:
Y •
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
(C)
oder
zur
Er-
S
Da außerhalb einer Naturaltauschwirtschaft ein Güterstrom einen entgegengesetzten
Bestimmung des volkswirtschaftlichen Produktionswertes in Werteinheiten (z.B. in DM) erfolgt, wird im folgenden nur noch der Geldstrom zwischen den einzelnen Wirtschaftssektoren dargestellt.
Fluß
an
Zahlungsmitteln bedingt
und die
Der Wirtschaftskreislauf einer modernen Volkswirtschaft umfaßt natürlich als Akteure
privaten Haushalten und Unternehmen auch die öffentlichen Haushalte und das Ausland. Damit muß berücksichtigt werden, daß der Staat den Haushalten Einkomneben den
mensteile durch die Steuern entzieht. Die Einkommensverwendung besteht
nun aus
den
Ausgaben für Konsumgüter, Steuerzahlungen und Ersparnisbildung. Andererseits erhält der Haushaltssektor vom Staat auch Faktoreinkommen als Entlohnung für den Einsatz in der Erstellung öffentlicher Güter (Einkommen im öffentlichen Dienst). Zudem nimmt der Staat auch Transferzahlungen an solche Personen vor, die aufgrund sozialer Zielsetzungen Unterstützung erhalten sollen. Es fließt also ein Einkommensstrom
vom
Staat
an
den Haushaltssektor. Im Verhältnis zwischen Staat und Unternehmen fließen indirekte Steuern
steuer)
von
ventionen
den Staat, während der Staat den Unternehmen SubDer Staat fragt außerdem von den Unternehmen Produkte nach und
den Unternehmen
gewährt.
an
nimmt über die staatlich Kreditaufnahme auch einen Teil der halte in
(Mehrwert-
Ersparnis privater Haus-
Anspruch. Die Berücksichtigung des Auslandes bedeutet, daß
im Rahmen der
den Unternehmen in den Auslandssektor fließen und umge-
Experte Güterströme
von
kehrt im Rahmen der
Importe Güterströme vom Ausland (zumeist über den Unterneh-
menssektor)
in den Haushaltssektor fließen. Ein solches Kreislaufschema stellt keine
Theorie dar, denn
es
enthält keine
Hypothesen,
die eine Ursache der betrachteten Ent-
142
3. Teil: Das
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
lediglich festgestellt, in welchem Umfang das Volkseinkommen von den Haushalten für Konsumzwecke, Steuern und Ersparnis verwendet wird, die Ursachen hierfür werden nicht betrachtet. Eine solche Betrachtungsweise wird wie bereits erwähnt als ex-post-Darstellung bezeichnet. Sie gibt an, zu welchem Ergebnis die ökonomischen Wirkungszusammenhänge in der Vergangenheit geführt haben. Sie beschreibt somit lediglich einen bereits eingetretenen Zustand. Für die Prognose künftiger Wirtschaftsentwicklungen und für die Beurteilung der Effizienz möglicher wirtschaftspolitischer Maßnahmen ist es allerdings notwendig, auch die Bestimmungsgrößen des Konsumverhaltens, des Sparverhaltens und des Investitionsverhaltens zu kennen. Für die statistische Erfassung der vergangenen Entwicklung und damit für die Kontrolle der abgelaufenen Prozesse ist jedoch die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, d.h. die ex post-Analyse notwendig. Dabei wird das Ergebnis der wirt-
Wicklungen
erklären würden. Es wird
-
-
schaftlichen Aktivität das Volkseinkommen einer Periode unter drei Blickwinkeln -
er-
-
faßt: bei der Entstehung, der Verteilung und Umverteilung sowie bei der Verwendung. Abb. 44: Wirtschaftskreislauf in einer offenen Volkswirtschaft mit staatlicher Aktivität Gehälter im öffentlichen Dienst + Transferzahlungen
^
^
direkte Steuern
Private Haushalte
Ersparnis der priv.
Haushalte
t
Staat indirekte + direkte Steuern Einkommen' des Staates
Konsumausgaben
-
VKS
Unternehmen
Subventionen
Einkommen priv. HH von Unternehmen 1
U
Ex-
Vermögensveränderungskonto
port Ausland Unternehmens-
ersparnis
Import
Export minus Import größer Null Staatliche Ersparnis
Nettoinvestitionen des Staates
Legende: Fu: Nettoinvestionen der Unternehmen;
VKst : Vorleistungskäufe des Staates; lUst'. Bruttoinvestitionen des Staates;
3. Teil: Das
Wird das
Vermögensveränderungskonto,
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
das die volkswirtschaftliche
1 43
Ersparnis
und die Nettoinvestitionen (= Erweiterungsinvestitionen bzw. die
(=Vermögensbildung) Vermögensverwendung) betrachtet,
so
läßt sich
folgende Budgetgleichung für eine
Volkswirtschaft ableiten:
SH + Sv + Ss^lMXEx-Im). Die
Gleichung verdeutlich, daß in einer offenen Volkswirtschaft nur dann die inländische Ersparnis mit dem inländischen Investitionsvolumen übereinstimmt, wenn die Leistungsbilanz als Differenz zwischen Güterex- und -importen ausgeglichen ist. Ist die gesamtwirtschaftliche Ersparnis höher als die Investitionen, so impliziert dies einen Leistungsbilanzüberschuß. Wird der Finanzierungssaldo der einzelnen Sektoren als Differenz zwischen Ersparnisbildung und Investitionen der einzelnen Bereiche definiert und diese Salden dem Finanzierungssaldo des Auslandes gegenübergestellt, so erhält man:
(i)(S„+Su-I.)+(Ss,-Is,)=Ex-ImDa der Finanzierungssaldo des Staates definiert ist als
Fst Sst" Ist' ~
kann die Gleichung (1) umformuliert werden in:
(2)(S„+S„-Iu)+Fs,=Ex-imAus der
Gleichung (2) wird deutlich, daß bei einem Leistungsbilanzüberschuß (Ex -Im > 0) der Finanzierungssaldo der privaten Haushalte und Unternehmen größer sein muß als ein eventuell bestehendes Finanzierungsdefizit des Staates. Die Summe der Zu- und Abflüsse sind für jeden Sektor in der nachfolgenden Tabelle aufgelistet. Dabei handelt es sich um einen geschlossenen Wirtschaftskreislauf, d.h. die Summe der Zuflüsse entsprechen wertmäßig den Abflüssen innerhalb eines jeden Sektors.
3. Teil: Das
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
Tab. 16: Sektorale Zu- und Abflüsse in einer offenen Volkswirtschaft mit staatlicher Aktivität Pol Private Haushalte
Zuflüsse Gehälter im öffenüichen Dienst (Ywsd + Einkommen der Haushalte von Unterneh-
Abflüsse =
Konsumausgaben der Haushalte (CH) +
direkte Steuern der Haushalte (1%) + Ersparnis der Haushalte (SH) + Einkommen der Haushalte von UnterBruttoinvestitionen des Staates (I^st) + nehmen (Yh/u) + Einkommen des Staates Vorleistungskäufe des Staates (VKSI) + Ex- von Unternehmen (Yst/u) + Importe (Im) + porte (Ex) + Subventionen (Z) + Nettoinve- direkte Steuern der Unternehmen (Ty) + stitionen der Unternehmen (Tu) indirekte Steuern der Unternehmen (Tmdu) + Ersparnis der Unternehmen (Su) direkte Steuern der Haushalte (T^h) + diGehälter im öffentlichen Dienst OW) + + in- Transferzahlungen (Tr) + Subventionen (Z) rekte Steuern der Unternehmen direkte Steuern der Unternehmen (T™u) + + Ersparnis des Staates (Sst) + BruttoinveEinkommen des Staates aus dem Unterstitionen des Staates (I^st) + Vorleistungsnehmenssektor (Ya/u) + Nettoinvestitionen käufe des Staates (VKsJ des Staates (fa)
(Yh/u) + Transferzahlungen (Tr) Unternehmen Konsumausgaben der Haushalte (CH) men
Staat
(!"%)
Importe (Im) + positiver Leistungsbilanzsaldo (Ex Im > 0; Lb > 0)_ der Haushalte (SH) + Ersparnis Ersparnis Vermögensder Unternehmen (Su)+ Ersparnis des Staaveränderungskonto tes (SH) Ausland
-
=
Exporte (Ex)
Nettoinvestitionen der Unternehmen (I"u) Nettoinvestitionen des Staates (Fst) + positiver Leistungsbilanzsaldo (Ex Im > 0) =
+
-
3. Kontenform
Eine
weitere, vom Statistischen Bundesamt praktizierte, Möglichkeit wirtschaftliche Verflechtungen zwischen einzelnen Sektoren darzustellen, ist die Kontenform. In der einfachsten Version wird die gesamte ökonomische Aktivität eines Sektors in einem
Vorgänge, die zu (monetären) Abflüssen fuhren, werden auf der linken Seite (Sollseite) erfaßt, während die Zuflüsse auf der rechten Seite (Habenseite) des sektoralen Kontos gebucht werden. Dabei findet das Prinzip der doppelten Buchführung Anwendung, da jeder Zufluß in einem Pol einem Abfluß aus einem anderen Pol entspricht. Somit kann der Wirtschaftskreislauf in die folgende Kontendarstellung transformiert werden. Konto
dargestellt.
Alle wirtschaftlichen
3. Teil: Das
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen Unternehmen
Private Haushalte
Staat
Ausland
Yh/si Tr Z rt»
145
Im
Ex
(Ex Im) > 0 Yst/u
-
I st
VKs, Sst
Vermögensveränderungskonto I"u
SH
(Ex Im) > 0
Su
Sh
-
4. Vom Wirtschaftskreislauf zum Kontenschema des Statistischen Bundesamtes
a) Das Kontensystem des Statistischen Bundesamtes Im Vergleich zu dem bisher dargestellten System ist das
Kontenschema des Statisti-
schen Bundesamtes deutlich stärker strukturiert: Die einzelnen Sektoren werden in
weitere Teilbereiche
untergliedert
und deren wirtschaftliche Aktivität detaillierter auf-
geschlüsselt. Die Unternehmen (l)130 werden untergliedert in •
Produktionsunternehmen (11),
•
Kreditinstitute (12) und
Versicherungsunternehmen (13). Im Staatssektor (2) werden • Gebietskörperschaften (21) und Sozialversicherungen (22) unterschieden. Der Bereich Private Haushalte (3) ist in die „eigentlichen" privaten Haushalte (31) und • die privaten Organisationen ohne Erwerbszweck131 (32) strukturiert. •
•
•
130
Die Ziffern in Klammem entsprechen der Sektorennumerierung des Statistischen Bundesamtes. Hierzu zählt das Statistische Bundesamt u.a. Kirchen, religiöse und weltanschauliche Vereinigungen, karitative, kulturelle, wissenschaftliche (soweit sie hauptsächlich von privaten Haushalten finanziert werden) und im Erziehungswesen tätige Organisationen, politische Parteien, Gewerkschaften und Vereine. Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Statistisches Jahrbuch 1997, Wiesbaden 1997, S. 660. 131
1 46
3. Teil: Das
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
Damit eine übersichtliche
Darstellung der wirtschaftlichen Aktivitäten und der damit verbundenen Vorgänge ermöglicht wird, gibt es folgende Konten: Ein zusammengefaßtes Güterkonto (Konto 0), das einen umfassenden Überblick •
über die Herkunft und
Verwendung der Güter (einschließlich der inländischen Vorleistungen) in der Bundesrepublik bietet; • Sektorenkonten, die für jeden Teilbereich folgende Ausschnitte der wirtschaftlichen Aktivität aufzeigen: Kontengruppe 1: Produktionskonten (Produktion von Waren und Bereitstellung von
Dienstleistungen), Kontengruppe 2: Einkommensentstehungskonten (Entstehung von Erwerbs- und Vermögenseinkommen), Kontengruppe 3: Einkommensverteilungskonten (Verteilung der Erwerbs- und Vermö-
genseinkommen), Kontengruppe 4: Einkommensumverteilungskonten (Umverteilung der Einkommen), Kontengruppe 5: Einkommensverwendungskonto (Verwendung der Einkommen), Kontengruppe 6: Vermögensveränderungskonto (Entstehung und Verwendung des
Vermögens), Kontengruppe 7: Finanzierungskonto (Veränderung der Forderungen und Verbindlichkeiten), • Ein zusammengefaßtes Konto der übrigen Welt (Konto 8), das dem bisherigen Auslandskonto entspricht und alle wirtschaftlichen Vorgänge zwischen inländischen Wirtschaftseinheiten und der übrigen Welt registriert. Auf der folgenden Seite ist das Kontensystem des Statistischen Bundesamtes schematisch dargestellt. Die Bezifferung der Konten ergibt sich dadurch, daß vor dem Bindestrich die Sektorennummer und dahinter die Kennziffer der jeweiligen Kontengruppe steht. Die Hauptsektoren haben eine einstellige Ziffer, bei Untersektoren werden zweistellige Nummern verwendet. Hat zum Beispiel ein Konto die Bezeichnung 12-4, so kann diese aus,
Numerierung folgendermaßen aufgeschlüsselt werden: Die erste Ziffer sagt daß es sich um ein Konto des Hauptsektors Unternehmen handelt. Die zweite Ziffer
deutet auf den Teilbereich Kreditinstitute hin und destrich wird gruppe 4
aus
der letzten Zahl hinter dem Bin-
ersichtlich, daß ein Sektorenkonto Einkommensumverteilung der Konten-
gemeint ist.
3. Teil: Das
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
147
Abb. 45: Das Kontensystem des Statistischen Bundesamtes 0
Zusammengefaßtes Güterkonto
-1Konten der Sektoren
Unternehmen
11
Insgesamt
Produktionsunterneh-
Private Haushalte und private Organisationen ohne Erwerbszweck
Staat
12
13
Kreditin- Versichestitute rungs-
Insgesamt
21
22
Gebiets-
Sozialversicherungen
körper-
schaften
unter-
Insgesamt
31
32
Private Haushalte
Private
nehmen
men
Organi-
sationen o.E.
Kontengruppe 1: Produktionskonten
_jji_ _LjJ. _LjJ_
_LVL
_2jJ_ J^L
-2JLjL_ _22^L
Kontengruppe 2: Einkommensentstehungskonten 1-2
11-2
12-2
13-2
2-2
2|-2
22-2
3-j?
Kontengruppe 3: Einkommensverteilungskonten 1-3
l|-3 l|-3
13-3
2-3
2|-3
22-3
3-3
Kontengruppe 4: Einkommensuimcrteilungskontcn
1|4 lj-4 l|-4
13-4
2-4
2|-4
22-4
3-4
Kontengruppe 5: Einkommensverwendungskonten 1-5
lj-5 l|-5
13-5
2-5
2|-5
22-5
3-5
Kontengruppe 6: Vermögensveränderungskonten 12-6
13-6
|-6 2|-6
22-6
Kontengruppe 7: Finanzierungskonten
-f- -T lj-7 8
13-7
2-7
21-7
22-7
Zusammengefaßtes Konto der übrigen Welt
-1-
3-6
3f-2
3|-2
1 48
3. Teil: Das
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
b) Darstellung der gesamtwirtschaftlichen Produktionstätigkeit In einem nächsten Schritt soll die Zusammensetzung und das Volumen der volkswirtschaftlichen Produktion analysiert werden. Zur Herleitung des Produktionswertes wird deshalb ein nationales Produktionskonto durch die Konsolidierung (= Zusammenfassung) aller einzelwirtschaftlichen Produktionsaktiväten im Inland (siehe Kontengruppe 1) gebildet. Auf der linken Seite (Entstehungs- bzw. Aufwandseite) werden der erfor-
Faktorleistungen und auf der rechten Seite (Verwendungs- bzw. Ertragsseite) die Ergebnisse des Produktionsprozesses festgehalten. Bei der Zusammenfassung der Produktionstätigkeit gehen Informationen über inländischen Vorleistungsverflechtungen verloren: Kauft ein deutsches Unternehmen A von einen anderen inländischen Betrieb Vorleistungen, so wird diese Transaktion im konsolidierten nationalen Produktionskonto sowohl auf der Produktionsentstehungsseite (Vorleistungskauf von A) als auch auf der Produktionsverwendungsseite (Vorleistungsverkauf von B) in wertmäßig identischer Höhe erfaßt. Somit heben sich beide Buchungen auf und werden desderliche Einsatz
von
halb nicht mehr
ausgewiesen. In der Abb. 46 ist der Produktionswert einer Volkswirtschaft hier in Form des Sozialprodukts bzw. des seit 1999 benutzten Nationaleinkommensbegriffes sowohl von der Entstehungs- als auch von der Verwendungsseite -
-
definiert.
3. Teil: Das
1 49
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
Abb. 46: Nationales Produktionskonto und
Sozialproduktsbegriffe (= Nationaleinkommen) nationales Produktionskonto
Bruttonationaleinkommen zu
Markt-
preisen
Abschreibungen
Privater Konsum
indirekte Steuern minus Subventionen
Staatsverbrauch
Zinsaufwendungen
Bruttoinvestitionen des Staates und der privaten Unternehmen
Bruttosozial-
produkt zu Marktpreip reisen
=
Brutto-
wert-
schöpfung
Nettosozial-
produkt \ Nettozu
sozial-
Markt-
produkt
preisen
Faktorkosten Volkseinkomzu
Löhne und Gehälter
ausgeschüttete Gewinne
Export minus Import
=
men
einbehaltene Gewinne
Entstehungsseite
Verwendungsseite _y
=
Bruttonationaleinkommen
zu
Markt-
preisen (= Bruttosozialprodukt zu Marktpreisen) Das
Bruttosozialprodukt132 (= Bruttonationaleinkommen) (BSP, BNE) dient als Maß-
stab für die Wirtschaftskraft eines Landes. Es
gibt Auskunft über das in DM bewertete Periode (meist ein Kalenderjahr) von allen
Produktionsvolumen, das innerhalb einer Inländern der Bundesrepublik Deutschland erwirtschaftet wurde. Inländer im Sinne der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung sind alle natürlichen und juristischen Personen, die das Zentrum ihrer wirtschaftlichen Aktivität bzw. ihren festen Wohnsitz in Deutschland haben. Gastarbeiter zählen somit nach dieser Definition obwohl sie nicht die deutsche
zu
den
Inländern,
haben. Auch werden Unternehmen,
Staatsangehörigkeit Eigentum befinden, zur Inländerkonzeption gezählt, wenn der Bundesrepublik produzieren. Diplomatische Vertreter ausländischer Staaten,
die sich im ausländischen sie in
Reisende, ausländische Studenten und Angehörige ausländischer Streitkräfte gelten
so-
Inländer.133 Ermittelt wird das Bruttosozialprodukt durch die Konsolidie(Zusammenfassung) aller einzelwirtschaftlichen Produktionskonten zu einen ge-
mit nicht als rung
132 Das Bruttosozialprodukt wird im angelsächsischen Sprachraum als „Gross National Product (GNP)" bezeichnet (Anmerkung des Verfassers). Seit 1999 benutzt das Statistische Bundesamt in Wiesbaden anstelle der Sozialprodukts- die entsprechenden Nationaleinkommenbegriffe. 133 Vgl. Haslinger, Franz: Die Zahlungsbilanz, in: WiSt, Heft 7, Juli 1997, 26. Jahrgang, München 1997, S. 348f.
1 50
3. Teil: Das
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
samtwirtschaftlichen Konto. Die Struktur der Entstehungsseite des BSP
berücksichtigt,
Maschinen und
Produktionsprozeß eingesetzten Anlagen durch die Leistungserstellung abgenutzt werden und damit der Wert des Produktionsapparates (Realkapital) sinkt. Hierzu werden in der Kostenrechnung der Unternehmen die Abschreibungen einkalkuliert. Soll der Produktionsapparat der Volkswirtschaft nicht schrumpfen, so müssen zumindest im Umfang der Werte der jährlichen Abschreibungen zusätzliche Investitionen vorliegen, sogenannte Ersatzinvestitionen. Sie gleichen die Abnutzung des Kapitalbestandes aus, ohne dieses Volumen zu erhöhen. Eine Ausdehnung des Kapitalstocks ergibt sich daher nur durch die sogenannten Nettoinvestitionen (f) (Bruttoinvestitionen (I1*) Abschreibungen (D Ersatzinvestitionen)). Da in Höhe der Abschreibungen also ein "Verbrauch des Produktionsapparates" besteht, verringert sich hierdurch das letztendlich zur Verteilung zur Verfügung stehende Produktionsergebnis. Würden die Ersatzinvestitionen nicht vorgenommen und stattdessen der entsprechende Gegenwert an die Haushalte ausgezahlt, so würden diese im entsprechenden Umfange daß die im
=
-
Teile des Substanzwertes der Volkswirtschaft
verbrauchen, die nicht aus der laufenden Leistungserstellung stammen. Wird also die Notwendigkeit von Ersatzinvestitionen berücksichtigt, so muß man vom Bruttosozialprodukt die Abschreibungen abziehen. Auf diesem Wege gelangt man zum Nettosozialprodukt zu Marktpreisen. Der Wert der Produktion wurde bisher mit Hilfe der der
Marktpreise gehen
als ein
Marktpreise der Güter ermittelt.
Hauptelement
In die
die Faktorkosten ein. Diese
Kosten für den Faktor Arbeit oder für den Faktor
Bildung
Faktorkosten,
stellen das Einkommen
Kapital, (Löhne, Zinsen). Marktpreisen sind aber auch die indirekten Steuern enthalten: Indirekte Steuern sind solche Belastungen, die der Steuerzahler über den Markt auf andere Wirtschaftssubjekte weiterwälzen kann (Verbrauchssteuern wie Alkoholsteuer, Tabaksteuer, Mehrwertsteuer usw.). Die indirekten etwa
der Produktionsfaktoren dar
In den
Steuern erhöhen somit den Wert der Produktion über die Faktorkosten hinaus. Andererseits können Subventionen die Marktpreise unter den Wert, der für den Einsatz der Pro-
duktionsfaktoren gezahlt werden muß, verringern. Um den an die Haushalte ausschüttbaren Produktionswert zu erhalten, müssen deshalb die Subventionen zu den Marktpreiaddiert werden. Schließlich müssen noch die indirekten Steuern
abgezogen werden, da der Staat als Steuereinnehmer ja in ihrer Höhe eine Auszahlung an die Faktoreigentümer (Haushalte) unmöglich macht. Auf diesem Wege gelangt man zum sogenannten Nettosozialprodukt zu Faktorkosten (= Volkseinkommen). Da der Wert der Produktion nun über die zu seiner Erstellung aufgewendeten Faktorkosten bestimmt ist und die sen
3. Teil: Das
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
151
zugleich Einkommen der Produktionsfaktoren darstellen, umfaßt das Nettosozialprodukt zu Faktorkosten die Gesamtheit aller gezahlten Einkommen in der Volkswirtschaft. Es wird daher auch als Volkseinkommen oder Wertschöpfung beFaktorkosten
zeichnet. Zu unterscheiden ist außerdem zwischen den Begriffen reales und nominales BSP. Das
reale BSP rechnet die
Entwicklung der Inflationsrate heraus und spiegelt damit die preisbereinigte Steigerung des Produktionsvolumens wider, während das nominale BSP Erhöhungen des BSP-Wertes, die auf einen Preisanstieg basieren, mitberücksichtigt. Die Entwicklung des realen Bruttosozialprodukts (in den Preisen von 1991) für die alten Bundesländer bzw. ab 1992 für die gesamte Bundesrepublik wird in der folgenden Abbildung für den Zeitraum 1950 bis 1999 dargestellt. Abb. 47:
Entwicklung des BSP in der Bundesrepublik Deutschland von 1950 bis 1999 4500
Mrd. DM x
50 60 70 75 80 85 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99
Quelle: Webseite des Statistischen Bundesamtes (http://www.statistik-bund.de/basis/d/vgr/vgrtabl .htm, S. 1; Zugriffsdatum 04.09.99 sowie The Economist (January 8th 14* 2000, S. 112; die Werte von 1997 bis 1999 sind vorläufig)
-
Bestimmung der Produktionsleistung eines Landes wird in letzter Zeit oft der Begriff,, Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen"™* (kurz BIP) in den Medien verwandt. Er unterscheidet sich vom BSP in der Weise, daß im Gegensatz zum BSP nicht das ProZur
(Inländerkonzeption), sondern die Produktion innerhalb der geographischen Grenzen der Bundesrepublik Deutschland betrachtet wird (Inlandskonzeption). Dabei ist es für die Ermittlung des BIPs unerheblich, ob die Wirtschaftsleistung durch ausländische oder inländische natürliche oder juristische Personen erbracht wurde. Um vom BIP die entsprechende BSP-Größe feststellen zu können, werduktionsvolumen der Inländer
134 Im angelsächsischen Sprachraum wird das Bruttoinlandsprodukt als „Gross Domestic Product (GDP)" bezeichnet (Anmerkung des Verfassers).
152
3. Teil: Das
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
Inlandsprodukt die Erwerbs-
zum
von
Inländern im Ausland addiert und das Faktoreinkommen
subtrahiert. In der
und
Vermögenseinkünfte (= Faktoreinkommen)
den
folgenden Tabelle sind die duktes für einige ausgewählte Industrieländer (Prognosewerte) dargestellt. Tab. 17:
von
Ausländern im Inland
Wachstumsraten des fur 1999
Bruttoinlandspro(vorläufige Werte) und 2000
Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts ausgewählter Länder (Veränderungen in Prozent gegenüber dem Vorjahr)
Deutschland
1999 2000
11
Mitgliedsländer der Europäischen Währungsunion 1999 2000
1,3 +2,7 +
Großbritannien
1999 2000
USA
1,8 +3,1
1999 2000
1,0 1,1
1999 2000
+
Japan 1999 2000
2,0 +3,0 +
3,9 +3,4 +
Schweiz + +
+
1,3
+2,2
Quelle: The Economist (January 8* 14* 2000), S. 112. -
Der Wert der gesamten Produktion einer Volkswirtschaft innerhalb einer Periode
(Bruttoproduktionswert) wird durch die Summe aller in den Unternehmen produzierten Sachgüter und bereitgestellten Dienstleistungen ermittelt und mit Marktpreisen bewertet. Hinzugezählt werden die vom Staat erstellten Güter, bewertet zu ihren Faktorkosten. Da die Produktion der gesamten Volkswirtschaft nicht in Mengengrößen zusammengefaßt werden kann, muß der Produktionswert in Geldeinheiten gemessen werden. Bei der Produktion privater Güter ist dies -relativ unproblematisch, da sie Marktpreise haben. Vom Staat erstellte öffentliche Güter werden jedoch nicht am Markt verkauft, sondern zumeist unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Zur Ermittlung ihres Wertes nimmt man daher die zu ihrer Erstellung entstandenen Kosten, wie Löhne, Gehälter, Mieten und Vorleistungskäufe. Da dies Kosten für die Produktionsfaktoren sind, werden sie auch als Faktorkosten bezeichnet. In diesem Bruttoproduktionswert sind jedoch auch Produkte enthalten, die direkt wieder in den Produktionsprozeß eingehen und dort „untergehen". Dies bedeutet, sie werden von anderen Unternehmen in der Erzeugung von deren Endprodukten eingesetzt und sind letztendlich isoliert für den Endverbraucher nicht mehr verfügbar. Solche Vorleistungsprodukte müssen bei der Errechnung des tatsächlichen Wertes der Produktion abgezogen werden, um zu dem inländischen Produk-
3. Teil: Das
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
153
tionsergebnis zu gelangen, das letztendlich für Konsum, Investition oder Export zur Verfügung steht. Dieses Produktionsvolumen einer Volkswirtschaft135 wird auch als Bruttowertschöpfung bezeichnet. Sie ergibt sich durch Summierung aller Abschreibungen plus dem Saldo aus indirekten Steuern minus Subventionen und der sog. Nettowertschöpfung, die sich aus Löhnen und Gehältern sowie Zins- und Gewinneinkünften zusammensetzt.
c) Dreiseitenrechnung Nach der Ermittlung des BIP bzw. BSP wird im Rahmen der Dreiseitenrechnung die Entstehung, Verwendung und Verteilung des inländischen Produktionsvolumens näher analysiert. (1) Entstehungsrechung Aufgabe der Entstehungsrechnung des Nationaleinkommens ist es, • neben dem Anteil des Staates (indirekte Steuern minus Subventionen) und der Erfassung des Kapitalverzehrs (durch die Abschreibungen) die Anteile der einzelnen Faktoreinkommen (Löhne, Gehälter, Zinsen und Gewinne) an der Entstehung des BNE festzustellen bzw. •
Beiträge der einzelnen Wirtschaftsbereiche zur Entstehung der gesamten volkswirtschaftlichen Produktion, d.h. die sektorale Bruttowertschöpfiing, zu erfassen und damit die relative Bedeutung der einzelnen Sektoren für die Leistungsfähigkeit der die
Volkswirtschaft abzubilden.
Entstehungsrechnung kann somit Hinweise auf Wachstumsbranchen und Veränderungen der Wirtschaftsstruktur geben. Dazu wird die Produktionssphäre in Einzelsektoren untergliedert. Eine gebräuchliche Sektorenabgrenzung ist die Aufteilung in drei Die
große Wirtschaftsbereiche: (1) in den primären Sektor,
zu
dem die Land- und Forstwirtschaft einschließlich der
Tierhaltung und der Fischerei zählt; (2) in den sekundären Sektor (gleich warenproduzierendes Gewerbe), der sich aus den Teilsegmenten Energieversorgung, Bergbau, verarbeitendes Gewerbe und Baugewerbe zusammensetzt und
Analog wird selbstverständlich die Bruttowertschöpfung von einzelnen Sektoren berechnet. Hier werden Abschreibungen, indirekte Steuern minus Subventionen plus die Nettowertschöpfung für die jeweiligen Wirtschansbereiche erfaßt.
1 54
3. Teil: Das
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
(3) in den tertiären Sektor (Dienstleistungsbereich). Hierzu zählen u.a. der Handel, das Verkehrswesen, der Kommunikationsbereich, das Banken- und Versicherungswesen, die gewerbliche Vermietung von Wohnungen, die Dienstleistungen freier Berufe und öffentlicher Gebietskörperschaften (einschließlich der staatlichen Sozialversicherungsanstalten). nach Je Analysegegenstand und verfugbarem statistischen Material wird aber eine differenziertere Untergliederung zwischen 30 und 500 Sektoren vorgenommen.136 Tab. 18:
Bruttowertschöpfung nach Wirtschaftsbereichen in Mrd. DM
in % der gesamten Bruttowert-
(in Preisen von 1995) Wirtschaftsbereich Land- und Forstwirtschaft; Fischerei Produzierendes Gewerbe ohne Bau-
1997
1998
1996
1997
1998
45,46 825,97
45,10 853,31
46,23 897,76
1,4 24,6
1,3 24,8
1,3 25,5
213,32 582,08 954,98
207,66 596,62 997,30
197,69 615,84 1.031,77
6,4 17,4 28,5
6,1 17,4 29,1
5,6 17,5 29,3
730,13 3.351,94
728,83 3.428,82
732,77
21,7
21,3
20,8
3.522,06
100
100
100
gewerbe_ Baugewerbe Handel, Gastgewerbe und Verkehr
Finanzierung, Vermietung und Unternehmensdienstleistungen_
Öffentliche und private Diensüeister Alle Wirtschaftsbereiche
schöpfung_
1996
Abb.48:
Drei-Sektoren-Hypothese
Anteil der einzelnen Sektoren (in Prozent am BSP)
100 %
Tertiärer Sektor
Primärer Sektor
25.000$ BSP/Kopf (in $)
1.000$
5
Vgl. Peters, Hans-Rudolf:
Sektorale
StrukturpolitikaaO., S. 40.
3. Teil: Das
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
155
Autoren, wie Colin Clark, Jean Fourastie, A.G.B. Fisher und Martin Wolfe, haben im Rahmen ihrer Drei-Sektoren-Analyse versucht, den Strukturwandel einer Volkswirtschaft zu prognostizieren. Clark nahm zum Beispiel die o.a. Gliederung einer Volkswirtschaft in den
primären,
sekundären und tertiären Sektor
vor
und versuchte nachzu-
weisen, daß der ökonomische Entwicklungspfad, der anhand der Entwicklung des BSPs pro Kopf {siehe Abb. 48) oder durch eine Zeitreihenanalyse für eine Volkswirtschaft dargestellt werden kann, zwangsläufig von einer Agrar- über die Industrie- zur Dienst-
leistungsgesellschaft verläuft. In der Abb. 48 ist der prozentuale Anteil der drei Sektoren an der Entstehung der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfüng in Abhängigkeit von dem BSP pro Kopf beschrieben. Als Beleg für den dargestellte (vermeintliche) Gesetzmäßigkeit führt Clark die intersektoralen Arbeitskräfteverlagerungen vom ersten zum warenproduzierenden Bereich und zeitversetzt zum tertiären Sektor an. Auch prägt die unterschiedliche Absatzsituation der drei Sektoren die strukturelle Entwicklung: Landwirtschaftliche Produkte zeichnen sich in der Regel durch eine geringe Einkommenselastizität der Nachfrage (bzw. durch Sättigungstendenden) aus, d.h. daß ein Anstieg des geringfügig die Absatzsituation des Agrarsektors verbessert. Sowohl im warenproduzierenden Gewerbe als auch speziell im Dienstleistungsbereich sind deutlichere Nachfrageeffekte aufgrund einer BSP-Erhöhung zu erwarten. Für eine Volkseinkommens
Vielzahl
von
nur
Volkswirtschaften ist deshalb dieser Strukturwandel im Zeitablauf erkenn-
Bundesrepublik Deutschland ist der wirtschaftliche Strukturwandel durch die sog. Tertiarisierung geprägt, d.h. der Anteil der Dienstleistungen nimmt in der Produktion und Beschäftigung zu (siehe Abb. 49). Während in den 70er Jahren der Anteil des Dienstleistungssektors an der Gesamterwerbstätigenzahl 42,6 Prozent betrug,
bar. Auch in der
waren es
1997
64,2 Prozent.
156
3. Teil: Das
Abb. 49:
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
Erwerbstätige in der westdeutschen Wirtschaft nach Sektoren
1970
1997
Quelle: Klodt, Henning: Tertiarisierung, in: WiSt. Wirtschaftswissenschafuiches Studium, Heft 8/1998, 27. Jahrgang, München, Frankfurt 1998, S. 394.
Gegen die Allgemeingültigkeit dieser Hypothese spricht zum einen, daß Standortqualitäten (z.B. Rohstoffvorkommen) einen entscheidenden Einfluß auf die wirtschaftliche Struktur eines Landes haben. Gleichzeitig kann der Strukturwandel von Seiten der Wirtschaftspolitik durch Erhaltungs- und Anpassungssubventionen beeinflußt werden. Die Auslagerung von Geschäftsbereichen (Contracting Out, Outsourcing) verfälscht dar-
ausgewiesenen Strukturwandel: Gliedert ein Automobilunternehmen z.B. seine Leasing-Abteilung rechtlich aus, so wird die Wertschöpfüng dieses nun rechtlich selbständigen Unternehmenszweiges nicht mehr im zweiten sondern im dritten Sektor ausgewiesen, obwohl die Arbeit der Leasing-Gesellschaft allein als absatzförderndes Instrument im Rahmen der Automobilproduktion anzusehen ist und deshalb zur Wertschöpfüng des zweiten Bereichs beiträgt. Die Stärke und Richtung des Strukturwandels hängt somit auch von Faktoren ab, die im Rahmen der Drei-Sektoren-Hypothese nicht berücksichtigt wurden. Eine Allgemeingültigkeit dieses Erklärungsmodells läßt sich deshalb bezweifeln. über hinaus den statistisch
3. Teil: Das
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
157
(2) Verteilungsrechnung Abnehmende
Teuerung, zunehmende Armut
Neue Haushallsbefragung demonstriert das Paradox der brasilianischen Volkswirtschaft win Rio de Janeiro (Eigener Bericht) Die reichsten zehn Prozent der Brasilianer streichen 49 Prozent des Volkseinkommens ein, die ärmsten zehn Prozent nur 0,7 Prozent. Damit hat sich laut der jetzt vorgelegten Haushaltsbefragung des statistischen Zentralamts (IBGE) die Kluft zwischen „oben" und „unten" seit 1983, vor Ausbruch der Schuldenkrise Lateinamerikas, noch verbreitert: Damals lautete das entsprechende Verhältnis 46,7 zu einem Prozent. -
Quelle: Süddeutsche Zeitung Nr. 79 vom 03.04.1996, S. 25.
Die Entstehungsrechnung hat schaft erstellten Güter und
gezeigt, wie man vom Gesamtwert der in der VolkswirtLeistungen zu dem verteilbaren Volkseinkommen gelangt.
dargestellten Beispiel ist darüber hinaus auch schon etwas ausgesagt über die Verteilung dieses Volkseinkommens auf die Eigentümer des Faktors Arbeit und die Eigentümer des Faktors Kapital, und zwar in der Form von Löhnen und Gewinnen. Die Verteilung des Volkseinkommens kann nun unter drei Blickwinkeln betrachtet werden: als funktionale Einkommensverteilung, die erfaßt, welche Einkommensanteile den einzelnen Produktionsfaktoren (Arbeit in Form von Löhnen, Boden in Form von Mieten und Pachten, Kapital in Form von Zinsen) zufließen; Tab. 19: Auszug aus der Verteilungsrechnung des Statistischen Bundesamtes Im
•
Bruttonationaleinkommen, Volkseinkommen, Arbeitnehmerentgelte, Unternehmens- und Vcrmögcnseinkommen (Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %) Bruttonationaleinkommen (Bruttoso1995 1996 1997 1998 1999 zialprodukt) In jeweiligen Preisen 3,7 1,9 2,2 2,9 2,1 in Preisen von 1995 1,6 0,9 1,4 1,8 1,2 Volkseinkommen 4,3 1.7 1,8 2,6 1,4 3.6 Arbeitnehmerentgelt 1,3 0,3 1,6 2,1 Unternehmens- und Vermögenseinkom6.0 6,3 2,8 5.3 -0,4 men
Quelle:
•
http://www.staüstUc-bund.de/presse/deutsch/pm/p0013121.htm, S.4. Zugriffsadatum: 21.01.2000.
als personale
Einkommensverteilung,
bei der auf die Einkommensrelationen zwi-
schen einzelnen Personen oder Haushalten abgestellt wird; •
als sektorale
Einkommensverteilung,
welche die
Verteilung der
Einkommen auf
die verschiedenen Wirtschaftssektoren erfaßt.
Bei der
Analyse der personalen Einkommensverteilung werden die Einkommensbezieher in Gruppen mit hohem und Gruppen mit geringem Einkommen eingeteilt. Eine starke Ungleichverteilung der Einkommen in der Volkswirtschaft liegt vor, wenn ein großer Teil des gesamten Einkommens auf eine sehr kleine Gruppe mit sehr hohem Einkorn-
158 men
3. Teil: Das
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
verteilt ist und ein relativ
geringer
Teil des Volkseinkommens auf eine
Einkommen verteilt wird
große
20 % niedrigem (dies Gruppe der Erwerbstätigen 70 % Anteil am Volkseinkommen besitzen und sich die übrigen 80 % der Erwerbstätigen die restlichen 30 % des Volkseinkommens teilen müssen). Die personelle Einkommensverteilung mißt also den Umfang der Einkommensunterschiede in der Volkswirtschaft. Dabei geht es um die Einkommensunterschiede einzelner Personen oder Haushalte unabhängig davon, aus welcher Quelle die Einkommen jeweils bezogen werden. Die funktionale Einkommensverteilung dagegen untersucht, inwieweit das Produktionsergebnis den Produktionsfaktoren zugeordnet werden kann. Insbesondere unterscheidet man dabei die Einkommen aus unselbständiger Tätigkeit (Lohneinkommen) von den Einkommen aus selbständiger Tätigkeit und Vermögen (Gewinneinkommen). Des weiteren interessiert, welcher Teil des verteilten Einkommens tatsächlich den Haushalten letztendlich verfügbar bleibt. Die funktionale Einkommensverteilung wird oftmals mit Hilfe der Lohnquote gemessen. Die Lohnquote gibt die Relation zwischen Bruttoeinkommen aus unselbständiger Tätigkeit und Volkseinkommen an. Sie beschreibt also, welcher Anteil der Wertschöpfung an die unselbständig Beschäftigten ausgezahlt wird. Man unterscheidet dabei zwischen der "tatsächlichen bzw. unbereinigten Lohnquote" und der "bereinigten
mit sehr
ist z.B. der Fall,
wenn
Lohnquote". Ein steigender Anteil der unselbständigen Beschäftigten an den Erwerbstätigen bringt naturgemäß einen Anstieg der Lohnquote mit sich, ohne daß der durchschnittliche Arbeitnehmer einen größeren Anteil am Volkseinkommen erhält. Sein Einkommen könnte sogar sinken. Die bereinigte Lohnquote berücksichtigt dies, indem sie eine statistische Lohnquote unter der Annahme eines konstant gehaltenen Anteils der Arbeitnehmer an der Gesamtzahl der Erwerbstätigen errechnet. In der Bundesrepublik Deutschland wird derzeit die Erwerbstätigenstruktur für die Jahre 1991 bzw. 1996 bei der bereinigten Lohnquote unterstellt. Während in den 70er und 80er Jahren die
Lohnquote ständig anstieg, ist sie in den letzten Jahren wieder deutlich zurückgegangen und liegt mittlerweile unter dem Niveau der 60er Jahre.
3. Teil: Das
Tab. 20:
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
Entwicklung der Lohnquote in angewählten Ländern (in Prozent des Volkseinkommens) Deutschland
Jahr
unbereinigte Lohnquote_
1960 1965 1970 1975 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991* 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999
Quelle:
land;
159
60,1 65,3 68,0 74,1 75,8 76,8 76,9 74,6 73,4 73,0 72,1 72,6 71,5 70,3 69,6 72,4 73,5 74,2 72,8 71,6 71,1
EU (15 Mitglieds-
bereinigte Lohn-
Bereinigte Lohn-
quote
70,6 71,6 72,1 75,0 74,5
70,7 70,0 70,4 69,3 68,5 67,7
74,3 74,5 73,9 77,1 76,2 76,7 75,5 74,7 73,6 72,9 72,0 72,1 71,4 70,7 71,1
69,3
71.6
70,2 70,3 68,9 67,9 66,9
71,6 71,2 69,8 69,1 68,7
69,4
66,5
68,4
70,9 71,4
65,7
67,8
74,8
74,3 72,3 71.3
USA
staaten^
quote_
Bereinigte Lohnquote
72,4 69,6 73,8 72,1 72,5
71,7 73,0 71,9 71,0 71,0 71,2 71,5 71,6 70,9 71,6
72,3 72,3 72.2
72,0 72,3 72,5 72,4 72,4
http://www.bma.de/brnahome/statisti/stb9_7.htm; Zugriff: 18.06.98; *: ab 1991 Gesamtdeutschhttp://www.statistik-bund.de/presse/deutsch/pni/p0013121.htm, S.3, Zu-
eigene Berechnunsen,
griffsdatum: 21.01.2000.
Oft werden
unbereinigte und bereinigte Lohnquote auch als Maßgrößen für die personelle Einkommensverteilung benutzt. Dabei wird von dem Grundgedanken ausgegangen, daß ein Anstieg dieser Indikatoren gleichbedeutend ist mit einer Verbesserung der Wohlfahrts- und Verteilungssituation der Arbeitnehmer. Gegen diese Hypothese sprechen allerdings folgende Punkte: • Die Lohnquote berücksichtigt nicht die Querverteilung von Einkünften. Neben Löhnen und Gehältern beziehen die unselbständig Beschäftigten zunehmend auch Kapitaleinkünfte, so daß die Lohnquote nicht den Anteil der Arbeitnehmer am Volkseinkommen abbildet. o
Die Summe aller Lohn- und
Gehaltsempfänger stellt eine extrem inhomogene Grup„normalen" Angestellten zählen auch Top-Manager, Aktiengesellschaften, zu dieser Gruppe. Steigt die
pe dar: Neben Arbeitern und wie Vorstandsmitglieder von
1 60
•
3. Teil: Das
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
Lohnquote durch den Zuwachs der Vorstandsbezüge, so ist dies kein Indikator für die Verbesserung der Einkommensposition des „durchschnittlichen" Arbeitnehmers. Das Phänomen des Contracting Out, d.h. die Auslagerung von Geschäftsbereichen und die damit verbundene Zunahme der (Schein-)Selbständigkeit, verändert seit den 80er Jahren die Struktur der Erwerbstätigen. Dadurch sinken sowohl die Zahl der unselbständig Erwerbstätigen als auch die (unbereinigte) Lohnquote, ohne daß sich faktisch etwas
an
der Einkommenssituation der Arbeitnehmerhaushalte verändert
hat.137 Abb. 50: Lorenzkurve
L(P)
A
100 %
0
Deshalb wird
100 %
Darstellung der personellen Einkommensverteilung einer Volkswirtschaft in der Regel die sogenannte Lorenzkurve verwendet. Die Bildung dieser Kurve erfolgt folgendermaßen: Zuerst werden auf der Abszisse die Einkommensbezieher nach der Höhe ihres Einkommens in aufsteigender Reihenfolge dargestellt. Auf der Ordinate ist das jeweilige Einkommen (in Prozent) der Gesamteinkünfte einer Volkswirtschaft abgetragen, so daß ersichtlich ist, wieviel Prozent des gesamten Volkseinkommens die jeweils p-Prozent ärmsten Bevölkerungsschichten beziehen. Die Lorenzkurve L(p) stellt dann graphisch die Beziehung zwischen den nach ihrer Armut kumulierten Einkommensbeziehern p und ihrem kumulierten Einkommen L(p) in Prozent dar. Durch diese Darstellungsform läßt sich die Ungleichverteilung der Einkommen leicht visualisieren. Eine totale Gleichverteilung der Einkommen, d.h. jeder Einkommensbezieher erhält das zur
gleiche Einkommen,
wird durch die Winkelhalbierende des
der Realität weicht die Lorenzkurve mehr oder
Quadranten beschreiben.
weniger stark
von
der
In
hypothetischen
Vgl. Petersen, Thieß: Basiswissen Vwl. Die Aussagekraft der Lohnquote, in: WISU 11/98, S.
1288f.
3. Teil: Das
Kurve der
Gleichverteilung ab:
Lorenzkurve
von
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
161
Verteilung ist umso ungleicher, je weiter sich ihre Gleichverteilung entfernt. In dem oben angeführten
Eine
der Linie der
Quadranten ist somit das Einkommen in einer Volkswirtschaft, das durch Li(p) gekennzeichnet ist, gleichmäßiger verteilt als bei L2(p). Deshalb wird in der Statistik die Fläche zwischen der Lorenzkurve und der Linie der
Gleichverteilung
als Maß für die Un-
gleichheit einer Einkommensverteilung herangezogen. Dabei wird nicht die absolute Flächengröße, sondern deren Anteil an der Fläche des gesamten Dreiecks mit den Eckpunkten (0,0), (0,100) und (100,100) berechnet. Dieses Maß wird als Gini-Koeffizient bezeichnet. Definitionsgemäß liegt diese Maßgröße zwischen null (vollständige Gleichverteilung) und eins (vollständige Ungleichverteilung). Ein Gini-Koeffizient von eins bedeutet, daß eine Person das gesamte Volkseinkommen erhält. Empirisch läßt sich feststellen, daß die Einkommensdisparitäten in Lateinamerika und Afrika südlich der Sahara (Gini-Koeffizienten knapp unter 0,5) stärker ausgeprägt sind als in Ost- und Südostasien (Gini-Koeffizient knapp unter 0,4). Die OECD-Mitgliedsländer weisen generell eine relativ gleichmäßige Einkommensverteilung mit Gini-Koeffizienten um die 0,3 auf. Die mittel- und osteuropäischen Länder haben bisher traditionell bedingt sehr geringe Gini-Koeffizienten.138
Zusammenhang zwischen Arbeitsproduktivität, Realohnlohn sowie Lohn- und Gewinnquote Neben der konjunkturellen Entwicklung eines Landes wird die Lohnquote im entscheidenden Maß von der Relation zwischen Reallohn (1/P) und der Arbeitsproduktivität geprägt. Dieser Zusammenhang wird anhand der drei unten angeführten Gleichungen ver(3)
Exkurs: Der
deutlicht.
138
Vgl. Klaus Deininger, Lyn Squire: Wirtschaftswachstum und ungleiche Einkommensverteilung: Zusammenhänge, in: Finanzierung und Entwicklung, März 1997, S. 37.
Neue
162
3. Teil: Das
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
p A
Aufgrund der Definition beider Relationen ergänzen sich Lohn- und Gewinnquote zu eins (siehe (1)). Die unbereinigte Lohnquote läßt sich auch schreiben als Quotient aus Lohnsatz (1) Arbeitseinsatz (A) dividiert durch reales Produktionsvolumen (Yr) Preisniveau (P) (siehe (2)), so daß durch eine Äquivalenzumformung die Lohnquote als Quotient von Reallohn (XIV) zur Arbeitsproduktivität (Yr/A) geschreiben werden kann. Steigt der Reallohn stärker als die Arbeitsproduktivität wächst auch die Lohnquote, während die Gewinnquote rückläufig ist. •
•
(4) Verwendungsrechnung
gesamtwirtschaftliche Kreislauf zeigt, daß ex post sich gesamtwirtschaftliches Güterangebot und gesamtwirtschaftliche Güternachfrage immer entsprechen. Die produzierten Güter werden in irgend einer Form auch verwendet (nachgefragt), wobei diese Verwendung nicht immer geplant sein muß. Die gesamtwirtschaftliche Produktion kann dabei folgendermaßen verwendet werden: Ein Teil der Produktion wird von den Haushalten zu Konsumzwecken nachgefragt (Konsumnachfrage). Ein Teil der Produktion besteht aus Kapitalgütern, die den Kapitalstock (Maschinen, Anlagen) der Unternehmen erhöhen. Dieser Teil der Produktion wird von den Unternehmen nachgefragt, geht jedoch nicht sofort in der Produktion unter, sondern wird über mehrere Perioden hinweg genutzt (Investitionsgüternachfrage). Dies gilt auch für einen Teil der Konsumgüter,
Der
die nicht in dieser Periode
an
die Haushalte verkauft werden, sondern zunächst für das
Lager bestimmt sind. Diese Konsumgüter werden in der laufenden Periode nicht verbraucht, sondern können in den folgenden Perioden ökonomisch genutzt werden., Man bezeichnet sie daher als Lagerinvestition. Ein Teil der Produktion sind schließlich öffentliche Güter, die
von
der Gesamtheit der
Bevölkerung, d.h. vom Staat selbst genutzt und konsumiert werden (Staatskonsum).
3. Teil: Das
Tabelle 21: Jahr
BIP
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
163
Verwendung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) Privater
Staats-
Bruttoin-
Vorrats-
Außen-
Verbrauch
Verbrauch
vestitionen
verände-
beitrag*'
rung* in Mrd. DM 1993 1994 1995 1996 1997 1998
3163,70 3328,20 3459,60 3541,50 3641,80 3799,40
1829,26 1906,02 1973,87 2040,00 2083,99 2103,37
1993
100 100 100 100 100 100
57,8 57,3 57,1 57,6 57,2 55,4
1994 1995 1996 1997 1998
681,80 742,57 772,56 753,62 791,43 912,92 in % des Bruttoinlandsprodukts 20,0 21,6 19,8 22,3 19,8 22,3 19,9 21,3 19,4 21,7 18,9 24,0 634,86 658,58 686,55 704,80 705,20 718,54
9,21 16,40 30,58 23,32 60,34 59,08
17,78 21,03 26,62 43,08 61,18
0,3 0,5
0.6
0.9 0,7 1.7
1,6
64,57 0,6 0,7 1.2
1,7 1,7
Legende: Für 1995 bis 1997 handelt es sich um vorläufige Ergebnisse; Rundungsfehler bei den Prozentzahlen; *: Vorratsveränderungen stellen eine Teilgröße der Bruttoinvestitionen dar. Sie ergeben sich aus der Veränderung der Vorratsbestände am Ende der Periode verglichen mit denen am Anfang der Periode. **: Außenbeitrag Ausfuhr von Waren und Dienstleistungen minus Einfuhr von Waren und Dienstleistungen. =
Quelle: Webseite des Statistischen Bundesamtes (http://www.staüstikbund.de/basis/dAgrtab04.htm, S. 1; Zugriffsdatum 10.08.98, sowie 04.09.99) und eigene Berechnungen.
fragt allerdings auch Investitionsgüter nach, wie z.B. Schulen, Krankenhäuser usw. (staatliche Investitionsnachfrage). Nicht zu vergessen ist, daß ein Teil der Produktion ins Ausland exportiert wird, d.h. von Ausländern nachgefragt und verwendet wird (Exportnachfrage). Um die Verwendung des inländischen Sozialprodukts exakt zu erfassen, ist jedoch zu berücksichtigen, daß ein Teil der inländischen Konsumnachfrage sich auch auf importierte Güter richtet. Um also auf die Gesamtnachfrage nach inländischen Produkten zu schließen, muß von den bisher genannten Nachfragekomponenten die Importnachfrage abgezogen werden. Der Staat
(S) Exkurs: Messung der Preisentwicklung durch Preisindizes die
Preisentwicklung der gesamten Volkswirtschaft messen, so können nicht einfach die Einzelpreise aller gehandelten Sachgüter und Dienstleistungen addiert werden. Da es jedoch auch schwierig ist, alle Güter der Volkswirtschaft preismäßig zu erfassen, wird für die Messung des Preisniveaus ein Warenkorb gebildet, der die wichtigsten Güter und ihre Preise beinhaltet, wobei die Preise jeweils mit dem Anteil der beWill
man
1 64
3. Teil: Das
treffenden Güter
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
Gesamtausgaben eines repräsentativen Haushaltes gewichtet werden. Solche Warenkörbe können unterschiedlich ausgestaltet sein, je nachdem, um welche Gütergruppe es sich handelt. So wird z.B. speziell ein Preisindex für die Erzeugerpreise gewerblicher Produkte, ein Preisindex für Ausfuhrgüter oder der Preisindex für die Lebenshaltung eines 4-Personen-Haushaltes errechnet. In der folgenden Abbildung ist zum Beispiel die Veränderung des Preisindex für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte (in Prozent) gegenüber dem Vorjahr dargestellt. an
den
Abb. 51:
Preisanstieg in Deutschland für 1992 bis 1999
(Veränderungen des Preisindex für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte gegenüber dem Vorjahr in %)
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
Quelle: o.V: Konjunkturzyklen in Deutschland, in: Süddeutsche Zeitung Nr. 9 vom 13. Januar 2000, S. 23.
Soll z.B. die
Preisentwicklung
für die
Lebenshaltung
eines normalen 4-Personen-
Haushaltes statistisch gemessen werden, so werden im Warenkorb die typischen Produkte seiner normalen Lebenshaltung zusammengefaßt (Ernährung, Getränke, Woh-
Heizung, Hausrat, Bekleidung, Unterhaltung, Bildung, Verkehr usw.). Zugleich werden die entsprechenden Anteile ermittelt, aus denen sich die Struktur der Nachfrage nung,
des durchschnittlichen Haushaltes zusammensetzt. Für die
schnittlichen Preisniveauentwicklung wird
nun
Bestimmung der durch-
der Wert eines solchen Warenkorbes für
ein Basisjahr ermittelt und gleich 100 gesetzt.
gleiche Warenkorb im darauffolgenden Jahr mehr, so kann für dieses Jahr der Preisindex folgendermaßen ermittelt werden: Die Relation des Wertes des Warenkorbes heute gegenüber seinem Wert im Basisjahr entspricht der Relation des Preisindexes heute gegenüber dem Preisindex im Basisjahr (der auf 100 normiert war). Hat der Kostet der
3. Teil: Das
Preisindex heute den Wert 110,
so
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
bedeutet dies eine 10
165
%ige Preissteigerung (Inflati-
on) gegenüber dem Basisjahr. Ein Beispiel verdeutliche dies: Der Warenkorb bestehe aus 4 Gütergruppen: Ernährung (30 %), Wohnung (30 %), Energie (10 %), Unterhaltung (30 %). Er kostet im Basisjahr 1995 DM 3.000,--. Davon entfallen auf Ernährung DM 900,--, Wohnung DM 900,--, Energie DM 300,-- und auf Unterhaltung DM 900,--. Die gleichen Mengen an den einzelnen Gütergruppen kosten nun 1996 Ernährung DM 990,--, Wohnung DM 990,--, Energie DM 200,— und Unterhaltung DM 900,--. Der gesamte Warenkorb kostet damit im Jahre 1996 DM 3.080,--. Der Preisindex für das Jahr 1996 ermittelt sich somit fol-
gendermaßen: 3080 / 3000 x=
=
x/ 100
102,66.
Die Preissteigerung gegenüber dem Vorjahr {Inflationsrate) beträgt somit 2,66 %. Es zeigt sich, daß diese durchschnittliche Inflationsrate die einzelnen Preisentwicklungen bei den verschiedenen
Gütergruppen nicht widerspiegeln kann (zehnprozentige Bereich Energie und Preisstabilität im Bereich Unterhaltung). Auch
Preissenkung
im
eine einfache
Durchschnittsbildung
Preisentwicklung gibt alleine kein genaues Bild, da es darauf ankommt, welchen Anteil die jeweils von Preisänderungen betroffene Gütergruppe an den Gesamtausgaben eines Haushalts hat, um zu ermessen, inwieweit dieser
hiervon sein durchschnittliches Preisniveau betroffen ist. Für Haushalte mit einer ande-
Zusammensetzung des Warenkorbes können sich natürlich andere individuelle Inflationsraten ergeben. Nun ist klar, daß sich im Zeitablauf die Zusammensetzung der Warenkörbe durch neue Produkte (z.B. Ausgaben für das Internet, Videogeräte, PCs) und Verzicht auf unmoderne Produkte (z.B. Schwarz-Weiß-Fernseher) verändert (siehe auch Tab. 22). Deshalb müssen die in der Statistik verwendeten Warenkörbe nach einigen Jahren den neuen Bedingungen angepaßt werden. In den Statistiken werden dementsprechend auch neue Basisjahre gewählt. Welches Basisjahr der jeweiligen Statistik zugrunde liegt, wird durch die Notierung z.B. 1995 100 deutlich. Das Jahr 1995 ist dann das Basisjahr, für das der Preisindex auf 100 % normiert wurde. Das Statistische Bundesamt in Wiesbaden geht bei der Berechnung der deutschen Inflationsrate prinzipiell so vor, wie es oben beschrieben wurde. Dabei wird der sog. Laspeyres-Preisindex139 verwandt. Er gibt die prozentuale Veränderung der Ausgaben für einen festen, in ren
=
139 Dieser Index ist benannt nach dem Statistiker Etienne Laspeyres (1834-1913), der nach dieser Formel als erster die Berechnung von Preis- und Mengenindices vorgenommen hatte.
166
3. Teil: Das
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
Basisperiode fixierten, Warenkorb an, die sich aus der Preisänderung gleichsperiode gegenüber der Basisperiode ergibt. Die Formel lautet: der
in der Ver-
N
Laspeyres Preisindex
=
-
i—
-
Zp,
X,
i
=
•
i
•
100.
Pj° und pi* sind die Preise des Gutes i in der Basis- bzw. Vergleichsperiode. Xj0 steht für die Menge des Gutes i und N für die Gesamtzahl der
Güter, die im Warenkorb der Basisperiode erhalten sind. Das aktuelle Basisjahr ist 1995.140 Seitdem hat sich die Zusammensetzung des Warenkorbes, der derzeit 750 Waren und Dienstleistungen umfaßt, nicht
geändert.
Er ist für die
neuen
und alten Bundesländer identisch. In der
folgenden
Tabelle sind für die Warenkörbe der Jahre 1980, 198.5 und 1991 ausgewählte Produkte angeführt, die in dem jeweiligen Basisjahr das erste Mal in die Berechnung des Preisindex der Lebenshaltung einbezogen wurden. Tab. 22:
Ausgewählte neue Preisrepräsentanten im Preisindex der Lebenshaltung aller privater Haushalte in Westdeutschland Warenkorb 1980
Damen-Quarzannbanduhr Heimcomputer Sofortbildkamera Video-Band Video-Recorder
Warenkorb 1985 Bleifreies Normalbenzin Bleifreies Superbenzin Walk-Man Leihgebühr für einen Videofilm Videokamera Warenkorb 1991
Abgassonderuntersuchung CD-Player CD, Unterhaltungsmusik CD, Klassische Musik
Dampfbügeleisen
Disketten, 3,5", 1,44 MB Flaschenbier, alkoholfrei Kiwi Mikrowellenherd _
Quelle: Deutsche Bundesbank (Hrsg.): Monatsbericht Mai 1998, Frankfurt am Main 1998, S. 59. 140
Vgl. o.V: Konjunktur-Schlaglicht: Umstellung
1999, Heft 7, Baden-Baden, S. 441.
der
VGR,
in:
Wirtschaftsdienst, 79. Jahrgang, Juli
3. Teil: Das
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
167
(6) Harmonisierter Verbraucherpreisindex (HVPI) Die methodische Vorgehensweise ist bei der Ermittlung des Preisniveaus einer Volkswirtschaft innernaib der einzelnen europäischen Länder sehr unterschiedlich. Ein zwischenstaatlicher Inflationsvergleich ist somit auf Basis der unterschiedlichen Berechnungsmethoden nur eingeschränkt möglich. Deshalb werden seit Januar 1997 für zwischenstaatliche Inflationsvergleiche innerhalb der EU vom Statistischen Amt der Europäischen Gemeinschaften (Eurostat) harmonisierte Verbraucherpreisindizes (HVPI) veröffentlicht, deren Erfassungsbereiche sowie der Standard für die Verfahren zur Qualitätsanpassung der erfaßten Produkte weitestgehend harmonisiert wurden. Die HVPI sind deshalb erforderlich, um vergleichbare, zuverlässige und aktuelle Inflationsraten zu berechnen sowie das Maastricht-Kriterium „Preisniveaustabilität" für die einzelnen EU-Staaten überprüfen zu können. Die Werte des HVPI werden vom Eurostat in Luxembourg monatlich rund drei Wochen nach Ablauf des jeweiligen Monats veröffentlicht. Der HVPI ersetzt den nationalen Preisindex der Lebenshaltung nicht, sondern steht neben den offiziellen einzelstaatlichen Verbraucherpreisindizes. Er versucht die Methoden, die zur Ermittlung der Inflationsrate verwendet werden, zu vereinheitlichen und das Spektrum der in die Preismessung eingezogenen Konsumgüter zu erweitern, damit eine Vergleichbarkeit gewährleistet ist. Der HVPI deckt für Deutschland derzeit rund 86 Prozent der im Preisindex für die Lebenshaltung erfaßten Ausgaben der privaten Haushalte ab. Insgesamt fließen in den HVPI 77 verschiedene Einzelbestandteile
ein, zu denen Preise für bestimmte Gruppen von Sachgütern und Dienstleistungen (z.B. Fisch, Gebrauchtwagen und Bankdienstleistungen) zählen, die in stärker aggregierten Teilindizes (z.B. Nahrungsmittel, Industrieerzeugnisse und Dienstleistungen) zusammengefaßt sind. Die fünf Hauptkomponenten des HVPI sind mit den entsprechenden Gewichtungsanteilen in der nachfolgenden Tabelle aufgelistet. Tab. 23:
Hauptkomponenten des HVPI für das Euro-Währungsgebiet im Jahr 1999
Hauptkomponenten
Gewichte nach
Verbrauchsangaben
1999 in %
Verarbeitete Nahrungsmittel Unverarbeitete Nahrungsmittel
Industrieerzeugnisse (außer Energie) Energie Dienstleistungen Quelle: EZB (Hrsg.): Monatsbericht April 1999,
13,4
9,0
32,5 8,8 36,3 S. 34.
1 68
3. Teil: Das
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
In der Tab. 24 ist die
Berechnung der Inflationsrate durch den Preisindex der Lebens-
gegenübergestellt. Für 1996 ist feststellbar, daß das Eurostat die deutsche Inflationsrate generell niedriger einschätzt als sie von dem Statistischen Bun-
haltung
dem HVPI
desamt publiziert wurde. Tab. 24: Harmonisierter Verbraucherpreisindex und deutscher Preisindex der Lebenshaltung im Vergleich für das Jahr 1996 Veränderungsraten (in Prozent) gegenüber dem Vorjahresmonat -
-
Feb. März
Jan. HVPI*
1,2
Deutscher
1,5
1,2 1,6
1,4
April Mai Juni
Juli
1,1
1,2
1,2
1,1
1,4
1,6
1,4
1.4
1,2 1,5
1,3 1,7
Aug. Sept. Okt.
Index
1,2 1,5
Nov. Dez.
1,3 1,4
Leeende: *HVPI: Harmonisierter Verbraucherpreisindex des Eurostat; Quelle: Webseite des Statistischen Bundesamtes (http://www.statistik-
bund.de/presse/deutsch/pm/p7068051 htm. S. 2; Zugriffsdatum: 10.08.98) Die
Ermittlung der Preisniveauentwicklung ist auch im Rahmen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung von großer Bedeutung. Im Rahmen der Sozialproduktberechnung wurde gezeigt, wie das Sozialprodukt zu Marktpreisen ermittelt wird. Hieraus ließ sich dann auch die Höhe des Volkseinkommen (nominal, d.h. zu den Preisen des betrachteten Jahres) ableiten. Von hohem volkswirtschaftlichen Interesse ist jedoch auch, inwieweit eine Veränderung des Bruttosozialproduktes zu Marktpreisen bzw. des Volkseinkommens tatsächlich mit einer realen Erhöhung der produzierten Gütermenge verbunden ist. Aus diesem Grunde sagt eine Erhöhung des Volkseinkommens alleine nichts darüber aus, ob tatsächlich real mehr Güter erworben werden können oder ob Preissteigerungen die Erhöhung des nominalen Volkseinkommens kompensieren. Um diese beiden Fragen zu klären, muß versucht werden, das reale Sozialprodukt bzw. das reale
Volkseinkommen
ermitteln. Zur
Ermittlung dieses realen Sozialproduktes, d.h. zur Ermittlung der produzierten Gütermengen, muß aus der Entwicklung des Bruttosozialproduktes zu Marktpreisen die Preissteigerungsrate herausgerechnet werden. Dies geschieht, indem man die produzierten Gütermengen nicht mehr mit den laufenden (bzw. jeweiligen) Preisen bewertet, sondern zu konstanten Preisen. Festzuhalten ist, daß statistische Zahlenreihen mit der Kennzeichnung "zu konstanten Preisen" diese reale Entwicklung zeigen, während Zahlenreihen mit der Kennzeichnung "zu laufenden Preisen" oder "in jeweiligen Preisen" die nominale Entwicklung darstelzu
3. Teil: Das
len. Wobei die nominale
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
Entwicklung sich zusammensetzt Veränderung und eventuell einer Preisveränderung.
aus
einer
1 69
mengenmäßigen
d) Das Europäische System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen
1995
Nach der
Verordnung (EG) Nr. 2223/96 müssen ab 1999 die Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen gemäß dem neuen Europäischen System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen 1995 (ESVG 95) erstellt werden. Dabei wird durch das ESVG 95 die Kompatibilität zu der Methodik der VGR der Vereinten Nationen (System of National Accounts SNA 93) sowie der 5. Auflage des Balance of Payments Manual des rWF hergestellt. Die Umstellung brachte für die deutsche VGR zum Teil erhebliche konzeptionelle und begriffliche Änderungen mit sich: (1) Auf der Entstehungsseite der VGR erfolgt eine Neugliederung der Sektoren. Eine umfassende Aggregation aller Firmen in einen Unternehmenssektor wird nicht mehr vorgenommen. Es existieren nur die Sektoren Nichtfinanzielle Unternehmen (hauptsächlich Produktionsunternehmen) und Monetäre Finanzinstitute (sog. MFI-Sektor). Außerdem werden die Sektoren Private Haushalte, Private Organisationen ohne Erwerbscharakter und der Staat gebildet. (2) Die deutlichsten Veränderungen auf der Verwendungsseite vollziehen sich in den -
Bereichen Staatskonsum und Investitionen Zu den Investitionen zählen im ESVG 95 auch immaterielle
Anlagegüter (z.B. Aufwendungen für EDV-Software und Urheberrechte) Ausrüstungen und Bauten. Auf militärische Anlagen werden künftig Abschreibungen berechnet, die in den Staatsverbrauch mit einfließen.141 (3) Außerdem erfolgte ein Wechsel des Basisjahres von 1991 auf 1995. Welche Auswirkungen sich aus der Umstellung der deutschen VGR auf das ESVG 95 ergeben haben, verdeutlicht die folgende Tabelle. In ihr sind wichtige makroökonomische Output- und Nachfragevariablen vor und nach der Revision dargestellt. und zivil nutzbare militärische
""
Vgl. o.V: Konjunktur-Schlaglicht..., a.a.O., S. 441.
170
3. Teil: Das
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
Tab. 25: BIP und
Güternachfragekomponenten
1998 in Deutschland
(vor und nach der Umstellung auf das Europäischen System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen 1995) BIP
Brutto-
privater
Konsum
Staatskonsum
anlageinvesti-
Exporte Importe
tionen1
Volumen (in Mrd.
reale Wachs-
DM)
tumsrate
Vorratsverände-
rangen2
reale Wachstumsrate (in %)
(in%) der Revision (in den Preisen von
vor
3.758,1
+
2.8
+
1,9
+
0,6
+
1,6
3.784,2
+
2,2
+
2,3
+
0,5
+
1,4
5,4
+
6,6
+
0,3
-7,0
+
8,5
+
0,7
+
1991)_
nach der Revision (in den Preisen von
1995)_
1. Nach der Revision einschließlich der immateriellen Investitionen; 2. Vorratsveränderungen stellen eine Teilgröße der Bruttoinvestitionen dar. Sie ergeben sich rung der Vorratsbestände am Ende der Periode verghchen mit denen am Anfang der Periode.
Quelle: OECD (Hrsg.): OECD Economic Surveys 1998
1999. -
aus
Germany, Paris 1999, S. 26.
der Verände-
|
3. Teil: Das
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
171
Ergänzungsrechnungen a) Die Zahlungsbilanzstatistik 5.
Per Saldo Nach dem WTO-Debakel sorgt sich zwar alle Welt um die Zukunft der Globalisierung aber das ist mal wieder zu kurz gedacht. Die Wirtschaft ist längst weiter. Ohne dass die gefürchtete Allianz aus amerikanischen Gewerkschaftsbossen und weltweit vernetzten NGO-Aktivisten es mitbekommen hätte, hat die Galaktisierung begonnen. Wer die Statistiken des Internationalen Währungsfonds (IWF) liest, kann zu einem anderen Schluss nicht kommen. Addiert man die jährlichen Handelsbilanzen aller Länder der Erde, kommt ein gewaltiges Defizit heraus. 1997 zum Beispiel hat die Erde laut der offiziellen IWF-Statistik im Wert von 116 Milliarden Dollar mehr Waren eingeführt als ausNach unserer ökonomischen Schulbuchweisheit geführt. kann die Erklärung nur lauten, dass die Erde einen regen defizitären Außenhandel mit dem Weltall unterhält. Andere intergalaktische Bilanzen übrigens, etwa die Kapitalbilanz, sind genauso aus dem Lot.... -
...
Quelle: o.V.: Per Saldo, in: Die Zeit Nr. 52
vom
22. Dezember 1999, S. 34.
Im Rahmen des Volkswirtschaftlichen Rechnungswesens stellt die
eine
wichtige Ergänzungsrechnung
die wirtschaftlichen
zur
Zahlungsbilanzstatistik Zahlungsbilanz registriert Ausländern, wobei Gebietsansässige
V.G.R. i.e.S. dar. Die
Vorgänge zwischen In- und bzw. natürliche oder juristische Personen, die das Zentrum ihrer wirtschaftlichen Aktivität im Inland haben, als Inländer erfaßt werden. Die Zahlungsbilanz wird monatlich, und in D-Mark erstellt. Der Begriff Zahlungsbilanz ist in diesem jährlich quartalsmäßig sehr Zusammenhang unglücklich gewählt: Erstens handelt es sich nicht um eine Bilanz, die zu einem bestimmten Zeitpunkt einen Bestand ermittelt, sondern um eine Stromgrödie für einen Zeitraum einer ßenrechnung, Veränderungen gegenüber Vorperiode darstellt. Außerdem werden nicht nur Zahlungsvorgänge in der Zahlungsbilanzstatistik erfaßt. Zusätzlich werden alle Waren-, Kapital- und Dienstleistungsströme zwischen Inund Ausländern aufgezeichnet. In Deutschland ist die Bundesbank für die Erstellung der Zahlungsbilanz zuständig.142 Sie greift dabei auf die Außenhandelsstatistiken des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden zurück. Die Buchung der wirtschaftlichen Vorgänge erfolgt im Sinne der doppelten Buchführung.
142
Die deutsche Zahlungsbilanzstatistik wird monatlich in den Pressenotizen der Deutschen Bundesim Monatsbericht, im Statistischen Beiheft zum Monatsbericht 3, Zahlungsbilanzstatistik, sowie im Geschäftsbericht der Deutschen Bundesbank publiziert.
bank,
172
3. Teil: Das
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen für die Bundesrepublik Deutschland
Zahlungsbilanz
Abb. 52:
(Angaben für das Jahr 1998 in Mrd. DM)
Leistungsbilanz
1.
1.1 Handelsbilanz 949,7 Wareneinfuhr (cif)
Warenausfuhr (fob)
821,7 128,6*
Saldo (Ausfuhrüberschuß) •Ohne
Ergänzungen zum nicht meldepflichtigen Waren- und Transitverkehr, die im Saldo 1998 zu einer Abnahme der deutschen Fordevon 3,659 Mrd. DM geführt haben und bei der Ermittlung des Leistungsbiianzsaldos berücksichtigt
rungen gegenüber dem Ausland werden.
-
1.2
Dienstleistungsbilanz 149,7 -61,8
Dienstleistungsausfuhr
Saldo (Einfuhrüberschuß
an
Dl)
1.3 Erwerbs- und Faktoreinkommen aus dem Ausland
Leistungen vom Ausland
Faktoreinkommen an das Ausland
155,2
-16,1
1.4 Bilanz der laufenden Übertragungen 28,5 Leistungen an das Ausland
Saldo (Übertragungsdefizit)
81,8
53,3
Leistungsbilanzstatistik betrug somit imJahr „Ergänzungen" 6,3 Mrd. DM.
Der Saldo der ten
Vermögenseinko,..mensbilanz 139,2
Saldo (Ausfuhrüberschuß an Faktorleist)
211,5
Dienstleistungseinfuhr
1998 als Saldo der Teilbilanzen 1.1
1.4 einschließlich der oben
angeführ-
-
_2. Bilanz der Vermögensübertragungen_ -
Vermögensübertragungen vom Ausland
5.8
Vermögensübertragungen an das Ausland Saldo (Übertragungsüberschuß)
3. Kapitalverkehrsbilanz 3.1 Bilanz der Direktinvestitionen Ausländische Direktinvestitionen im Inland + 35,0 Deutsche Direktinvestitionen im Ausland Saldo (Nettokapitalexport an Direktinv.) -117,4 3.2 Bilanz der Wertpapieranlagen und Finanzderivate Ausländische Anlagen in inländischen Wertpapieren Dt. + 255,5 (netto) Saldo (Nettokapitalexport an Wertpapieren) 2 J5
Anlagen in ausl. Wertpapieren (netto)
-
3.3 Kreditverkehrsbilanz Ausländische Kreditgewährung an das Inland + 292,4
Deutsche Kreditgewährung an das Ausland Saldo (Nettokreditaufnahme des Inlands)
141,3 +
-
151,1
143 Eine Zunahme der Forderungen gegenüber Ausländern, die mit Kapitalausfuhren (Kapitalexporten) verbunden ist, wird in der Kapitalbilanzstatistik mit negativem Vorzeichen gebucht. So nahmen z.B. die deutschen Direktinvestitionen im Ausland 1998 gegenüber dem Vorjahr um 152,4 Mrd. DM zu.
3. Teil: Das
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
173
3 .4 Bilanz der sonstigen Kapitalanlagen 7.569 Sonstige ausländische Kapitalanlagen im Inland 63 Sonstige dt. Kapitalanlagen im Ausland Saldo (Nettokapitalexp. an sonst Kapitalanl.) -
-
-
3.4 betrug somit 1998
Der Saldo der Kapitalbilanz als Summe der Teilbilanzen aus 3.1
+
7.632
23,5 Mrd. DM.
-
4 Saldo der statistisch nicht
aufgliederbaren Transaktionen (= Restposten) Restposten
S.
Veränderung der Netto-Auslandsaktiva der Deutschen Bundesbank
5.1 Transaktionswerte Saldo (Nettozunahme an Auslandsaktiva Summe aller Teilbilanzsalden)
5 .2
= -
Veränderung zu Bilanzkursen Saldo (Nettozunahme an Auslandsaktiva einschließlich Wertveränderungen)
-
Quelle: Deutsche Bundesbank (Hrsg.): Zahlungsbilanzstatistik Mai 1999, Statistisches Beiheft zum Monatsbericht 3, Frankfurt am Main 1999, eigene Darstellung.
Seit 1995 basiert die
Systematik der deutschen Zahlungsbilanzstatistik auf den Prinzipien
des Internationalen Währungsfonds, die in der 5.
Auflage des „Balance of Payments Ma-
wurden.144 Intention war es, über die veränderte Struktur die Harmonisierung der Zahlungsbilanz mit der VGR i.e.S. voranzutreiben und den veränderten ökonomischen Bedingungen sowie den daraus resultierenden analytischen Anforderungen Rechnung zu tragen. Zur Erläuterung des veränderten Aufbaus ist eine Untergliederung der Zahlungsbilanz in fünf Teilbereiche sinnvoll (siehe Abb. 52): 1. Leistungsbilanz, 2. Bilanz der Vermögensübertragungen, nual" 1993 veröffentlicht
3.
Kapitalverkehrsbilanz,
4. Saldo der statistisch nicht aufgliederbaren Transaktionen (= Restposten) und
Veränderung der Nettoauslandsaktiva der Deutschen Bundesbank. Dabei entspricht der Saldo, der in der Position 5.1 (Veränderung der NettoAuslandsaktiva der Deutschen Bundesbank zu Transaktionswerten) ausgewiesen ist, der Summe aller Teilbilanzsalden 1 bis 4. Im folgenden werden der Aufbau der einzelnen Teilbilanzen und die Transaktionen, die dort gebucht werden, dargestellt. 5.
144
Siehe International 1993.
7,1
Monetary Fund: Balance of Payments Manual, 5^ Edition, Washington
D C.
8,1
174
3. Teil: Das
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
(1) Leistungsbilanz
Leistungsbilanz werden alle Leistungstransaktionen zwischen In- und Ausländern innerhalb einer Betrachtungsperiode erfaßt. Der Leistungsbilanzsaldo als Summe der Salden von Handelsbilanz (= Warenbilanz; 1.1), Dienstleistungs- (1.2) und Erwerbs- und Vermögensbilanz (1.3) sowie der Bilanz der laufenden Übertragungen (1.4) wird auch als Nettoposition einer Volkswirtschaft bezeichnet. 1995 verschlechterte sich z.B. diese Nettoposition gegenüber dem Vorjahr um 16 Mrd. DM, d.h. in diesem Umfang sind die In der
Verbindlichkeiten gegenüber den Ausländem aus den Leistungstransaktionen des Jahres gestiegen. Nach den vorläufigen Werten für das Jahr 1998 verringerte sich das Lei-
stungsbilanzdefizit in dieser Betrachtungsperiode auf 6,3 Mrd. DM.145 -
(a) Handelsbilanz In der Handelsbilanz werden alle
Warenexporte und -importe für eine Betrachtungsperiode in D-Mark erfaßt. Darunter fallen allerdings nur Ein- und Ausführen, die tatsächlich für das Inland bestimmt sind oder aus dem Inland exportiert werden und keine Lieferungen im Rahmen des Transitverkehrs darstellen. In der Bundesrepublik Deutschland erfolgt die Bewertung der Warenexporte nach der fob-Konzeption (free on board), d.h. es fließen neben dem Ab-Werk-Preis für das Produkt alle Kosten für die Transport- und Versicherungsleistungen ein, die notwendig sind, dieses Gut zur deutschen Zollgrenze zu bringen. Analog wird der wertmäßige Ansatz der Warenimporte in der jährlichen Zahlungsbilanzstatistik vorgenommen. Hier werden alle Aufwendungen erfaßt, die zusätzlich zu den Ab-Werk-Kosten anfallen, um dieses Gut zur bis zur Grenze des exportierenden Auslands zu bringen. Von dieser Vorgehensweise unterschiedet sich die monatliche Zahlungsbilanzstatistik, in der Warenimporte nach der cif-Methode (cost, insurance, freight) bewertet werden, d.h. der Warenwert beinhaltet alle Transport- und Versicherungsleistungen, um dieses Gut zur deutschen Zollgrenze zu bringen.146 In der Bundesrepublik Deutschland wird normalerweise ein Handelsbilanzüberschuß erwirtschaftet, d.h. der Wert der Warenexporte übersteigt den der Importe. Aus der Abbildung zur Zah145
7. 146
Vgl. Deutsche Bundesbank (Hrsg.): Zahlungsbilanzstaüsük,
Juni 1999, Frankfurt
am
Main 1999, S.
Die Bewertung der Warenimporte im Rahmen der monatlichen Zahlungsbilanzstatistik hat nach Auffassung des Verfassers einen rein pragmatischen Grund: Mit diesem Wert werden generell Warenimporte bei den Zollämtern deklariert, so daß diese Daten zuerst der Bundesbank zur Verfugung stehen. Um eine Vergleichbarkeit zwischen Warenexporten und -importen zu gewährleisten, erfolgt dann eine Neubewertung der Exporte im Sinne der fob-Konzeption. In der Abbildung zur Zahlungsbilanzstatisuk 1995 sind somit bei den Warenimporten nur vorläufige Werte angeführt.
3. Teil: Das
lungsbilanzstatistik (Abb. 52)
wird
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
deutlich, daß auch im Jahr
1998 ein
175
Überschuß in
Höhe von 128,6 Mrd. DM realisiert werden konnte.
(b) Dienstleistungsbilanz Der Handel mit Dienstleistungen spielt im Rahmen der internationalen Leistungstransaktionen
aufgrund
des
gestiegenen quantitativen Umfangs
eine
wichtige
Rolle. Dienstlei-
einem Devisenzufluß fuhren
können, werden auf der linken Seite dieser Bilanz und Dienstleistungsimporte auf der rechten Seite gebucht. Die wichtigsten Positionen der Dienstleistungsbilanz sind in der u.a. Abbildung angeführt: Abb. 53: Dienstleistungsbilanz stungsexporte, die
zu
Dienstleistungsexporte: Ausgaben ausländischer Touristen im Inland (einschl. der Warenkäufe und -verkaufe)
Dienstleistungsimporte: Ausgaben inland. Touristen im Ausland
•
Einnahmen fur Transport- und Versicherungsleistungen an das Ausland
•
• Einnahmen von ausländischen öffentlichen Dienststellen durch Warenlieferungen und Dienstleistungen an das Ausland (sog. Re-
• Ausgaben inland, öffentlicher Dienststellen für Warenlieferungen und Dienstleist, des Auslands
• Einnahmen für Finanzdienstleistungen an das Ausland (insb. Bankprovisionen)
Ausg. für die Inanspruchnahme ausl. Finanzdienstleistungen
•
•
Ausg. für Transport- und Versicherungsleileistungen des Auslands
gierungsleistungen)
•
•
Einnahmen aus dem Transithandel
•
•
Einnahmen aus Lizenzen und Patenten, die Ausland erworben wurden
• Ausgaben für die Inanspruchnahme ausl. Lizenzen und Patente
vom
Ausgaben für den Transithandel
In der
Bundesrepublik Deutschland ist die Dienstleistungsbilanz chronisch defizitär. Der negative Saldo ist hauptsächlich dadurch bedingt, daß die Ausgaben inländischer Touristen im Rahmen des Reiseverkehrs die Ausgaben ausländischer Touristen in Deutschland bei weitem übersteigen. (c) Erwerbs- und Vermögenseinkommensbilanz
Aufgrund der zunehmenden Bedeutung grenzüberschreitender Faktoreinkommen sind die Erwerbs- und Vermögenseinkommensströme zwischen Inländern und Ausländern im Rahmen der neuen Zahlungsbilanzstatistik in einer gesonderten Teilbilanz erfaßt. Einkommenskomponenten von Inländern im Ausland, hierzu zählen z.B. Grenzgänger oder Arbeitnehmer, die nur vorübergehend im Ausland sind, werden als Faktoreinkommen aus
176
3. Teil: Das
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
allerdings nicht das Einkommen von Gastarbeitern, diese Personengruppe als Inländer angesehen wird. Abb. 54: Erwerbs- und Vermögenseinkommensbilanz dem Ausland erfaßt. Hierzu zählt
Faktoreinkommen aus dem Ausland • Einkommen aus unselbständiger Arbeit aus dem Ausland
•
Erträge aus Direktinvestitionen
an
Faktoreinkommen an das Ausland • Einkommen aus unselbständiger Arbeit an das Ausland
Inländer aus
•
dem Ausland •
Zinserträge für Kredite an Inländer aus dem Aus-
Erträge aus Direktinvestitionen
von i
Ausländem im Inland
Zinserträge für Kredite an Ausländer im Inland
land • Erträge für festverzinsliche Wertpapiere und Investmentzertifikate an Inländer im Ausland
da
i
Erträge für festverz. Wertpapiere und Investmentzertifikate an Ausländer im Inland
(d) Bilanz der laufenden Übertragungen
Gegenbuchungen zu ständig wiederkehrenden einseitigen148 Leistungs- und Forderungstransaktionen werden in der Bilanz der laufenden Übertragungen vorgenommen. Kommt
Beispiel im Rahmen von Entwicklungshilfeleistungen zu regelmäßigen Weizenlieferungen, so werden die Warenexporte in der Handelsbilanz und die Gegenbuchung in der Bilanz der laufenden Übertragungen als Leistungen an das Ausland vorgenommen. Ob es sich um eine laufende Übertragung oder um eine Vermögensübertragung handelt, die nicht in der Leistungsbilanz gebucht wird, hängt von der Sichtweise des jeweiligen inländischen Wirtschaftssubjektes ab. Haslinger führt für diese Abgrenzung ein gutes Beispiel an: Für ein Assekuranzunternehmen, die Brandschäden reguliert, stellen die Versicherungsleistungen laufende Übertragungen dar, während der Leistungsempfänger diese als Vermögensübertragung klassifiziert. Somit werden Leistungen deutscher Versicherer an Ausländer als laufende Übertragungen an das Ausland erfaßt. Empfangene Versicherungsleistungen durch deutsche Versicherungsnehmer von ausländischen Firmen werden hingegen als Vermögensübertragungen vom Ausland gebucht.149 Die Herausnahme der Vermögensübertragungen aus der Leistungsbilanz im Rahmen der neuen Zahlungses zum
147
Der Begriff der Direktinvestitionen wird im Rahmen der Kapitalverkehrsbilanz erläutert. Um einseitige Transaktionen handelt es sich immer dann, wenn kein Anspruch auf Gegenleistung besteht. Bei Entwicklungshilfeleistungen oder bei Schenkungen im privaten Bereich ist zum Beispiel dieses Kriterium erfüllt. 149 Vgl. Haslinger, Franz: Die Zahlungsbilanz, in: WiSt. Wirtschaftswissenschaftliches Studium, 26. Jahrgang, Heft 7, Juli 1997, München, Frankfurt am Main 1997, S. 345. 148
3. Teil: Das
bilanzstatistik ist darauf zurückzuführen, daß
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen nur
noch
jene
Transfers
177
berücksichtigt
sollen, die dauerhaften Einfluß auf das inländische Einkommen bzw. dessen Verwendung haben.
werden
Die Bundesbank nimmt eine
Untergliederung der laufenden Übertragungen nach institu-
Gesichtspunkten vor. Es wird zwischen Übertragungen im öffentlichen und privaten Bereich unterschieden. Den mit Abstand größten quantitativen Umfang nehmen im öffentlichen Sektor die laufenden Übertragungen an und von der Europäischen Union ein. Dies ist auch der Hauptgrund weshalb die Bilanz der laufenden Übertragungen in der Bundesrepublik generell einen negativen Saldo aufweist. Für 1998 sind zum Beispiel im Umfang von 43,159 Mrd. DM Übertragungen an die EU getätigt worden, während von tionellen
der EU 19,326 Mrd. DM überwiesen wurden. Somit hatte Deutschland in diesem Jahr
23,833 Mrd. DM.150
einen negativen Nettobeitrag zum EU-Haushalt in Höhe von -
privaten Bereich stehen die Überweisungen von Gastarbeitern in ihre Heimatländer im Vordergrund, die als Leistungen von Inländern ans Ausland gebucht werden. Die wichtigsten Positionen sind in der u.a. Teilbilanz aufgelistet. Im
Abb. SS: Bilanz der laufenden
Übertragungen
Übertragungen aus dem Ausland
Übertragungen an das Ausland
Übertragungen im öffentlichen Bereich:
Übertragungen im öffentlichen Bereich: • Leistungen an den EU-Haushalt • Leistungen an sonstige internationale Organisationen (z.B. Mitgliedsbeiträge an • Steuererstattungen an das Ausland
Leistungen aus dem EU-Haushalt Leistungen von sonstigen internationalen Organisationen • •
•
Steuereinnahmen aus dem Ausland
•
Entwicklungshilfezahlungen und Militärhilfen
Übertragungen im privaten Bereich:
Renten und Unterstützungszahlungen vom Ausland • sonstige Leistungen vom Ausland •
Übertragungen im privaten Bereich: Renten und Unterstützungszahlungen an •
das Ausland
• •
Heimatüberweisungen von Gastarbeitern sonstige Leistungen an das Ausland
(2) Bilanz der Vermögensübertragungen Transfers ohne Anspruch auf Gegenleistung, die aus der Sicht des Inlandes einmaligen Charakter haben, werden nicht mehr in der Leistungsbilanz sondern in der Bilanz der Vermögensübertragungen gebucht. Dazu zählen der Erlaß privater und öffentlicher 150
Vgl. Deutsche Bundesbank (Hrsg.): Zahlungsbilanzstatistik Mai 1999, Statistisches Beiheft zum Monatsbericht 3, Frankfurt am Main, S. 36.
178
3. Teil: Das
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
Schulden, Schenkungen, Erbschaften sowie Schenkung- und Erbschaftsteuern. Auch
Vermögensmitnahmen
Aus- und Einwanderern und
einmalige Zuwendungen z.B. aus EU-Strukturfonds werden in dieser Teilbilanz registriert. Während die Vermögensübertragungsbilanz 1995 ein Defizit von knapp 1 Mrd. DM aufwies, schloß sie 1998 mit einem Überschuß
von
von
1,3 Mrd.
DM ab.
(3) Kapitalverkehrsbilanz In der Kapital(verkehrs)bilanz werden den Veränderungen der inländischen Forderungen (Zunahme: +; Abnahme: -) gegen Ausländer die Veränderungen der Verbindlichkeiten der Inländer gegen Ausländer gegenübergestellt. Dabei erfolgt die Buchung der Forderungsveränderungen auf der rechten (= Veränderung des Kapitalexports) und die Veränderung der Verbindlichkeiten (= Veränderung des Kapitalimports) auf der linken Seite der Kapitalbilanz. Da der Kapitalexport zu Devisenabflüssen und der Kapitalimport zu Devisenzuflüssen führt, wird der Kapitalbilanzsaldo dadurch ermittelt, indem die Kapitalexporte mit negativem Vorzeichen in den Gesamtsaldo einfließen. Ein positiver Kapitalverkehrsbilanzsaldo liegt immer dann vor, wenn die Kapitalimporte in eine Periode stärker zunehmen als die Kapitalexporte. Für 1998 ergab sich eine Zunahme der Verbindlichkeiten gegenüber dem Ausland (= Zunahme des Kapitalimports) in Höhe von + 23,5 Mrd. DM und damit ein positiver Kapitalbilanzsaldo.151 Zahlungsbilanzbilanzstatistik eine mehr oder weniger willkürliche Trennung der Kapitalströme nach der Fristigkeit152 vorgenommen wurde, erfolgt seit 1995 eine funktionale Gliederung in:
Während nach alter
•
•
Direktinvestitionen, Wertpapieranlagen,
•
Kreditverkehr und
•
sonstige Kapitalanlagen.
151 Gegenüber 1997 erhöhten sich die Kapitalexporte im Jahr 1998 um über 559 Mrd. DM (Zunahme des Kapitalexportes somit 559 Mrd. DM), während die inländischen Verbindlichkeiten um über 582 Mrd. DM stiegen (Zunahme des Kapitalimportes + 582 Mrd. DM). Somit ergibt sich als Kapitalverkehrssaldo im Jahr 1995 eine Gesamtzunahme des Nettokapitalimportes von über + 23 Mrd. DM (= Nettdzunahme der inländischen Verbindlichkeiten gegenüber dem Ausland)). 152 Forderungen und Verbindlichkeiten mit einer vertraglich vereinbarten Laufzeit von bis zu einem Jahr wurden in der kurzfristigen Kapitalverkehrsbilanz und Forderungen und Verbindlichkeiten mit einem längeren Zahlungsziel in der langfristigen Kapitalverkehrsbilanz gebucht. Vgl. Hübl, Lothar et al.: Einführung in das gesamtwirtschaftliche Rechnungswesen, Darmstadt 1986, S. 133ff. -
3. Teil: Das
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
179
Es sei darauf hingewiesen, daß die
Kapitalverkehrsbilanz keineswegs ein Spiegelbild der Leistungsbilanz ist. Zwar werden hier in der Regel auch die Gegenbuchungen zu den Leistungstransaktionen vorgenommen. Der reine Kapitalverkehr zwischen In- und Ausländern, der ausschließlich in der Kapitalverkehrsbilanz registriert wird, fuhrt u.a. dazu, daß beide Teilbilanzsalden sich betragsmäßig nicht entsprechen. Nach Angaben der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich153 übersteigt der tägliche grenzüberschreitende Kapitalverkehr derzeit ein Volumen von 1.200 Mrd. US-$.
(a) Bilanz der Direktinvestitionen In dieser Bilanz werden die Veränderungen der Direktinvestitionen von Inländern im Ausland bzw. von Ausländern im Inland gegenüber der Vorperiode dargestellt. Die Deutsche Bundesbank subsumiert unter den Direktinvestitionen alle wirtschaftlichen
Beziehungen, „die ihrer Natur nach durch ein besonders intensives, auf anhaltende Einflußnahme gerichtetes unternehmerisches Engagement geprägt sind."154 Neben Beteiligungen von mehr als 20 Prozent
an
einer Firma sowie
langfristigen Darlehen zählen auch
kurzfristige Finanzbeziehungen verbundener Unternehmen
dazu. Außerdem werden der
grenzüberschreitende Erwerb und die Veräußerung von Immobilien den Direktinvestitionen zugeordnet, so daß sich hinter dem Begriff sehr unterschiedliche Transaktionen verbergen. Bei der Debatte um die Standortqualitäten der Bundesrepublik Deutschland im internationalen Wettbewerb spielen die Daten über grenzüberschreitenden Direktinvestitionen eine wichtige Rolle. Bei der Analyse der Zahlungsbilanzstatistik des Jahres 1998 wird deutlich, daß zwar die ausländischen Direktinvestitionen in Deutschland gegenüber der Vorperiode um 35 Mrd. DM gestiegen sind. Gleichzeitig nahmen aber die Direktinvestitionsexporte um 152,4 Mrd. zu, so daß per Saldo ein Nettokapitalexport an Direktinvestitionen von 117,4 Mrd. Mrd. DM registriert werden mußte. In diesem Zusammenhang ist aber darauf hinzuweisen, daß es sich bei den Daten der Zahlungsbilanzstatistik um Stromgrößen handelt, die nur eingeschränkte Informationen über die transnationalen Wirtschaftsaktivitäten geben. Deshalb wird in der u.a. Tabelle der Bestand an grenzüberschreitenden Direktinvestitionen im Zeitraum 1984 bis 1995 dargestellt -
153 Im angelsächsischen Raum wird die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich mit Sitz in Basel als Bank for International Settlements (BIS) bezeichnet. Zu den Aufgaben dieser „Zentralbank der Zentralbanken" vgl. z.B. Deutsche Bundesbank (Hrsg.): Weltweite Organisationen a.a.O., Frankfurt am Main 1997, S. 184ff. 154 Ruckriegel, Karlheinz: Die Zahlungsbilanz, in: WISU. Das Wirtschaftsstudium, 27. Jahrgang, Heft 4, April 1998, Düsseldorf 1998, S. 362.
1 80
3. Teil: Das
Tab. 26:
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
Direktinvestitionsexporte und -importe ausgewählter Industrieländer (kumuliert über die Periode 1984 1995) -
Direktinvestitionsexporte Rang
Investitionsländer
Mrd. US-$
Zielländer
Mrd. TJS-S
USA
456,6 455,0 294,8 195,0 154,2 117,2 77,0 72,7 61,4 54,5 53,2 33,6
USA Großbritannien Frankreich
513,8 186,7 103,6 92,6 73,7 66,8
Japan Großbritannien Deutschland Frankreich Niederlande Schweiz Schweden Kanada Italien
10 11 12
Direktinvestitionsiniporte
Belgien/Luxemburg Australien
Spanien Belgien/Luxemburg Kanada Niederlande Australien Italien Schweden Deutschland
63,4
55,3
39,1 38,9 36,9 29,1
Japan
Quelle: Deutsche Bundesbank (Hrsg.): Monatsbericht August 1997, Gerade
vor
wie die
Benelux-Staaten, haben ein deutlich höheres Aufkommen
S. 72.
Hintergrund der deutschen Vereinigung und dem wirtschaftlichen Aufholprozeß in Ostdeutschland überrascht die Analyse der Daten. Während die Bundesrepublik in dem Betrachtungsperiode mit 195 Mrd. US-$ an Direktinvestitionsexporten Platz vier weltweit einnimmt, rangiert Deutschland als Zielland ausländischer Direktinvestionsimporte mit 36,9 Mrd. US-$ nur auf Platz 11. Selbst wesentlich kleinere Länder, dem
rektinvestitionen. Die Deutsche Bundesbank arbeitet in diesem
an
ausländischen Di-
Zusammenhang folgende
Hemmnisse für ausländische Investitionen heraus: •
relativ hohe Lonnkosten;
•
eine hohe Abgabenlast in Form von Steuern und
•
eine schwache binnenwirtschaftliche Konsum- und
Sozialbeiträgen; Investitionsneigung,
die ausländi-
sche Unternehmen davon
•
abhält, deutsche Absatzmärkte erschließen zu wollen; eine hohe Regulierungsdichte (bürokratische Genehmigungsverfahren, strenge Umweltschutzanforderungen, hoher Mitbestimmungsgrad in den Unternehmen, inflexible und kurze Arbeitszeiten);
•
die
Privatisierung staatliche Betriebe vollzieht sich in Deutschland langsamer vergleichbaren westlichen Industrieländern und
als in
3. Teil: Das
•
der Erwerb einer ausländischen
181
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
Beteiligung
an
ein deutsches Unternehmen wird
durch den hohen Anteil kleiner und mittelständischer
Firmen, die sich
in der
Regel
traditionell in Familienbesitz
befinden, erschwert. Während Ende 1995 in Großbritannien 1.971 Unternehmen an der Börse notierten, waren es in Deutschland lediglich 678 inländische Betriebe.155 Zwar deuten die
zugrunde gelegten
Daten auf eine
schaftsstandorts Deutschland hin. Festzustellen ist
bezüglich
der
eingeschränkte Qualität
jedoch,
daß die
des Wirt-
Zahlungsbilanzdaten
Direktinvestitionen allein Auskunft über die Bewe-
grenzüberschreitenden gungen an Eigenkapital und Gesellschafterdarlehen geben. Nach Auffassung der Bundesbank wird aber der weitaus größte Teil der Investitionen von Beteiligungsunternehmen durch Kreditaufnahmen am jeweils heimischen Kapitalmarkt der Tochtergesellschaften finanziert. Definitionsgemäß fließt die Fremdkapitalfinanzierung nicht in die Angaben zu den Direktinvestitionen ein.156 Werden die ausländischen Direktinvestitionen in Deutschland für das Jahr 1998 analysiert, so ist gegenüber dem Vorjahr eine Verdopplung von 17,5 Mrd. DM auf rund 35 Mrd. DM feststellbar, wobei 85 % des ausländischen Kapitals aus den EU-Mitgliedsländern stammt. Deutsche Direktinvestitionen im Ausland nahmen 1998 ein Volumen
von
152,4 Mrd.
DM an, während diese Position 1997
nur
63,7 Mrd.
betrug. Allein die Fusion von Daimler-Benz mit dem US-Konzern Chrysler schlug als grenzüberschreitende Nettotransferleistung mit 50 Mrd zu Buche.157 In der folgenden Abbildung ist die Struktur der deutschen Direktinvestitionsexporte nach Zielländern für das Jahr 1998 dargestellt. DM
155
Vgl. Deutsche Bundesbank (Hrsg.): Monatsbericht August 1997 a.a.O., S. 74ff. Vgl. diess.: ebenda, S. 65. Vgl. o.V.: Standort aufgewertet. Direktinvestitionen in Deutschland erreichten 1998 ein Rekordniveau, in: Süddeutsche Zeitung Nr. 171 vom 28. Juli 1999, S. 22. 156 157
182
3. Teil: Das
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
Abb. 56: Struktur deutscher Direktinvestitionsexporte im Jahr 1998
Sonstige 23%
Quelle: o.V.: Standort aufgewertet.... a.a.O., S. 22.
Aus der
o.a.
Abbildung wird ersichtlich, daß
beliebteste Zielland deutscher
die USA mit 52 Prozent das mit Abstand
Direktinvestitionsexporte
im Jahr 1998
war.
Insgesamt
flössen 87 % der Exporte in Industrieländer, davon blieben allein 39,3 % in Europa. Nur
6,6 Prozent der Investitionen wurden in Entwicklungländern, 5,7 % in Reformländern
getätigt.158 (b) Bilanz der Wertpapieranlagen Während bei den Direktinvestitionen die
Beteiligungsabsicht im Vordergrund stehen, ist es bei den Wertpieren die Vermögensanlage. In dieser Teilbilanz werden Dividendenwerte (einschließlich Genußscheine), Investmentzertifikate, langfristige festverzinsliche Wertpapiere (inklusive Fremdwährungsanleihen), Geldmarktpapiere und Finanzderivate (einschließlich Optionsscheine) erfaßt, die zwischen In- und Ausländern gehandelt werden.
Vgl. o.V.: Standort aufgewerteta.a.O., S.
22.
3. Teil: Das
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
183
(c) Kredirverkehrsbilanz Finanz- und Handelskredite sowie
dite), die aus dem
Bankguthaben (z.B. Schuldscheindarlehen, BuchkreAusland empfangen bzw. an ausländische Wirtschaftssubjekte verge-
wurden, sind Bestandteile der Kreditverkehrsbilanz. Unterteilt werden die einzelnen Kapitalströme zum einen danach, welcher inländische Sektor Gläubiger bzw. Schuldner ist (Kreditinstitute, Unternehmen, Privatpersonen oder öffentliche Stellen). Darüber hinben
erfolgt eine Aufgliederung zwischen kurz- und langfristigen Krediten bzw. Bankguthaben. Forderungen und Verbindlichkeiten mit einer vertraglich vereinbarten Laufzeit von bis zu einem Jahr werden als kurzfristig angesehen. Wichtiger Bestandteil der kurzfristigen Bankguthaben der Geschäftsbanken sind die Bestandsveränderungen an ausländischen Devisen (Buchforderungen in Fremdwährung). aus
(d) Bilanz der sonstigen Kapitalanlagen Zu den sonstigen Kapitalanlagen fallen diejenigen Transaktionen, die in den anderen Teilbilanzen des Kapitalverkehrs nicht erfaßt werden. Die hier angeführten Posten sind somit sehr heterogen: Sie reichen von den kurz- und langfristigen Finanzbeziehungen inländischer Unternehmen und Privatpersonen zum Ausland über die ausländischen Kredit-
beziehungen öffentlicher Stellen bis hin zu den Auslandstransaktionen der Banken. (4) Saldo der statistisch nicht aufgliederbaren Transaktionen (= Restposten) Es wurde bereits an früherer Stelle darauf verwiesen, daß die Buchungen im Rahmen der Zahlungsbilanzstatistik nach dem Prinzip der doppelten Buchführung vorgenommen werden und daß deshalb der Saldo der Leistungsbilanz plus dem Saldo der Vermögensund den der übertragungsKapitalverkehrsbilanz Netto-Auslandsaktiva Veränderungen zu Transaktionswerten, als Summe aller Teilbilanzsalden, entsprechen muß. Aufgrund statistischer Probleme ist dies aber regelmäßig nicht der Fall, da die parallele Verzeichnung von Buchung und Gegenbuchung einer Transaktion nicht immer gewährleistet ist. Oft wird nur eine Seite des Vorgangs erfaßt: Werden zum Beispiel Waren in das Inland geschmuggelt, so sind wenn überhaupt nur die dahinterstehenden Kapitalflüsse, nicht aber der zugrundeliegende Warenstrom statistisch erfaßbar. Auch bei den Ausgaben inländischer Touristen im Ausland ist eine statistische Registrierung der Güternachfrage in der Regel ausgeschlossen. Die Devisenabflüsse werden dagegen von der Bundesbank festgestellt. Auch der reguläre Außenhandel trägt an der Entstehung dieses Restpostens -
-
184
3. Teil: Das
durch die
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
eingeschränkte Meldepflicht
bei: So erfassen die Außenhandelsstatistiken des
Ausland, nicht aber die zugrunde gelegte Finanzierung. Ist aus den dargelegten statistischen Infonsiationsproblemen eine Haupt- und Gegenbuchung unmöglich, wird dieser Posten gebildet, damit die Bilanz 5.1 sich aus der Summe der vorherigen Teilbilanzen ergibt. Allerdings gibt die Höhe des Restpostens (in 1995: 21 Mrd. DM) nur geringfügig Auskunft über die GeStatistischen Bundesamtes
zwar
den Warenverkehr mit dem
-
nauigkeit der Zahlungsbilanzstatistik, da positive und negative Werte in dieser Teilbilanz gegeneinander verrechnet werden. (5)
Bilanz der
Veränderung der Devisenbilanz)
der Netto-Auslandsaktiva der Bundesbank
(=
Saldo
„Veränderung der Netto-Auslandsaktiva der Bundesbank" sind die Salden der Leistungsbilanz, der Bilanz der Vermögensübertragungen und der Kapitalbilanz sowie des Restpostens zusammengefaßt. „Diese Veränderung zieht gewissermaßen das ResüIm Saldo
mee
für die Volkswirtschaft aus den aufsummierten Salden der Teilbilanzen und stellt das
Auffangbecken für alle transaktionsbedingten Zu- und Abströme von Devisen dar... ,"159 Vereinfachend läßt sich durch diesen Saldo feststellen,
um
wieviel DM sich der Bestand
Währungsreserven der Notenbank gegenüber der Vorperiode verändert hat. Exakt kann dieser Begriff erschlossen werden, indem er Aufbau der Devisenbilanz analysiert an
wird.
Haslinger, Franz: a.a.O., S.
346f.
3. Teil: Das
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
185
Abi), 57: Devisenbilanz (= Bilanz der Veränderung der Netto-Auslandsaktiva der Bundesbank)
Veränderung der Bestände der Bundesbank an: • Verbindlichkeiten aus dem
Veränderung der Bestände der Bundesbank an: •
Auslandsgeschäft
Währungsreserven ••
Gold
••
Devisen und Sorten
Reserveposition im Internationalen Währungsfonds und Sonderziehungs-
rechte
Forderungen an die Europäische
••
Zentralbank
(ab 01.01.99) Krediten und sonstigen Forderungen an das Ausland • • Kredite an die Weltbank
Veränderung der Nettoauslandsposition der
•
Deutschen Bundesbank
• •
sonstige Forderungen
Betrachtung ist ersichtlich, daß der gebräuchliche Begriff „Devisenbilanz" für diesen Teilbereich der Zahlungsbilanzstatistik ungeeignet ist: Neben den Währungsreserven, die auch aus Devisen bestehen können, werden unter den Begriff Aus-
Bei der genaueren
landsaktiva der Deutschen Bundesbank alle Zentralbank ven
gegenüber
dem
Forderungen und Verbindlichkeiten der Ausland subsumiert. Als Bestandteile der Währungsreser-
sind zu nennen:
•
Gold,
•
Devisen und
Sorten,
Reserveposition im Internationalen Währungsfonds sowie Sonderziehungsrechte und • Forderungen an das Europäische Währungsinstitut (ab 01.01.1999 an die Europäische Zentralbank). Von den gesamten Währungsreserven im Umfang von 126,9 Mrd. DM wurden 1997 •
13,7 Mrd. DM bzw. on
10.8 Prozent in Gold
gehalten. Dieses Edelmetall nimmt die Funkti-
einer Universalwährung ein: Alle Notenbanken
visenverbindlichkeiten. Ist eine ausländische
akzeptieren Gold zur Tilgung von De-
Forderung in Fremdwährung fakturiert und der Beisand an dieser Währungsreserve knapp, müssen die Goldbestände verringert werden, sofern sich die erforderlichen Mittel nicht auf dem Kreditweg bzw. durch den Tausch mit anderen Notenbanken besorgen lassen. In der Europäischen Zentralbank werden etwa 15 Prozent der Währungsreserven in Gold gehalten. Der überwiegende Teil
186
3. Teil: Das
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
Fremdwährungen angelegt. Die Bundesbank hielt 1997 etwa 60,4 Prozent ihrer Währungsreserven in ausländischen Sorten und Devisen, die wiederum fast ausschließlich (zu 99,7 %) in US-$-Anlagen gehalten der mit 39,5 Mrd. Euro bewerteten Bestände wird in
wurden.
Bislang
werden etwa zwei Drittel der
Weltwährungsreserven in der US-Valuta
gehalten.160 Mit den Fremdwährungen ist die Bundesbank in der Lage, den Wechselkurs der DM
zu-
kurzfristig zu beeinflussen. Allerdings sind ihre Möglichkeiten aufgrund des immensen quantitativen Umfangs der Handels- und Kapitalströme beschränkt. Prinzipiell ist aber denkbar, daß starke Schwankungen des Wechselkurses durch die Intervention der Notenbanken geglättet werden. Liegt zum Beispiel ein Leistungsbilanzüberschuß (bzw. ein Kapitalbilanzüberschuß) vor, erhöht sich das Devisenangebot (zum Beispiel in Dollar) in der heimischen Wirtschaft. In der Abb. 58 wird der Anstieg des Devisenangebots durch eine Rechtsverschiebung der D-Ai-Kurve nach D-A2 verdeutlicht. Der Wechselkurs sinkt in diesem Beispiel von l,80DM/$ auf 1,70 DM/$, d.h. die DM wird aufgewertet. Dies kann zur Folge haben, daß sich die Wettbewerbsfähigkeit der exportorientierten Branchen in der Bundesrepublik verschlechtert, da deutsche Produkte, sofern sie in DM fakturiert sind, im Ausland (z.B. in den USA) teurer werden. Die Bundesbank kauft deshalb auf dem inländischen Devisenmarkt Dollar an (Rechtsverschiebung der DNi-Kurve nach D-N2), was zu einer Stabilisierung des Dollar-Kurses beiträgt. mindest
160
Exakt sind es 1998 64 Prozent. Vgl. Claasen, Dieter: Die 162 vom 17. Juli 1998, S. 24.
Zeitung Nr.
neue
Reservewährung,
in: Süddeutsche
3. Teil: Das
Abb. 58:
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
187
Interventionsmöglichkeiten der Notenbank bei Leistungsbilanzüberschüssen (bzw. Kapitalbilanzüberschüssen)
Wechselkurs (x
DM/S)
Bezahlt wird der Aufkauf von Devisen in der Regel mit Zentralbankgeld,
so
daß zusätzli-
che
Liquidität in den inländischen Wirtschaftskreislauf gepumpt wird. Als negative Begleiterscheinung dieser Transaktion könnte dieser Geldmengenüberhang Inflation induzieren Abb. 59:
Interventionsmöglichkeiten der Notenbank bei Leistungsbilanzdefiziten (bzw. Kapitalbilanzdefiziten)
Wechselkurs (x DM/S)
s
*
:
:
^ Deviseriangebo' (D-A), DeviscnnachfYage (D-N)
Leistungsbilanz- und Kapitalbilanzdefizite erhöhen per Saldo im Inland die Nachfrage nach Devisen (Rechtsverschiebung der D-Ni-Kurve nach D-N2; siehe Abb. 59). Dadurch
188
3. Teil: Das
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
steigt der Wechselkurs und die DM wird abgewertet.
Um den
Abwertungsdruck zu lindern, verkauft die Bundesbank einen Teil ihrer Bestände, was in unserem Beispiel zu einer Erhöhung des inländischen Devisenangebots von D-Ai auf D-A2 führt. Auf Dauer kann eine solche Intervention zur Stützung der heimischen Währung die Bestände an ausländischen Sorten und Devisen so deutlich reduzieren, daß die Liquidität der jeweiligen Zentralbank gefährdet ist. Aufgrund der dauerhaften Leistungsbilanzdefizite der USA, bestand von Seiten des IWF die Befürchtung, daß die Zahlungsfähigkeit der Vereinigten Staaten auf Dauer nicht mehr gewährleistet ist. Deshalb vereinbarten die Mitgliedsländer dieser Institution auf der Konferenz von Rio de Janeiro (1967) eine neue Form internationaler Liquidität zu schaffen, die Sonderziehungsrechte (SZR). Dabei handelt es sich um (Buch-)Kredite, die der IWF seinen Mitgliedern seit 1969 einräumt. Sie sind Bestandteil der Währungsreserven eines Landes und können insbesondere • bei Zahlungsbilanzschwierigkeiten zur Beschaffung ausländischer Währung • zur Tilgung von Krediten und • zur Begleichung von Kreditzinsen und Gebühren benutzt werden. Der Wert eines Sonderziehungsrechtes ermittelt sich auf der Basis der Wechselkursentwicklung der fünf bedeutendsten Weltwährungen (Währungskorb). Dabei sind die folgenden Währungen mit den jeweiligen Anteilen seit dem 29.12.95 enthalten: ,
•
US-Dollar 39 %;
•
DM21
•
Yen 18% und
•
Französischer Franc und Pfünd
%;
Bewertung eines zugrunde gelegt werden. Für die
Sterling jeweils 11 %. Sonderziehungsrechtes kann exemplarisch die folgende Tabelle
3. Teil: Das
Tab. 27:
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
189
Bewertung eines Sonderziehungsrechtes vor der Einführung des Euro Ermittlung des SZR-Wertes vom 2. Januar
Zusammensetzung des Währungskorbes
1996 Wechselkurs 2F
Wahrung
Betrag in jeweiliger Wäh-
_rung"_
Gegenwert in USDollar3'
US-Dollar D-Mark
0,582 0,446 27,2 0,813 0,105
1,000 1,4332
0,582000 0,311192 0,262017 0,166054 0,162540
Japanischer Yen Französischer Franc
Sterling Insgesamt
Pfund
103,8100 4,8960 1,5480
''Es werden die Korbbestandteile für die einzelnen Währungen nach der oben angeführten mit Ausnahme des Gewichtung zugrundegelegt;2) Wechselkurs der jeweiligen Währung für 1 US-Dollar britischen Pfundes, wo der Dollarbetrag für 1 Pfund Sterling angegeben wurde. 3) Währungsbetrag in Spalte 1 dividiert durch den Wechselkurs in Spalte 2; nur im Fall des Pfund Sterling werden die beiden Werte multipliziert. Legende:
Quelle: Deutsche Bundesbank: Weltweite Organisationen
a.a.O., S. 51.
Seit dem 1.1.99 ist die Zusammensetzung des Währungskorbes zur Ermittlung eines Sonderziehungsrechtes aufgrund der Einführung des Euro verändert worden. Ein Son-
derziehungsrecht setzt sich seitdem aus der Summe folgender Währungen zusammen: •
0,5821 US-Dollar;
•
0,2280 Euro (für die DM);
• •
•
0,1239 Euro (für den Franc); 0,1050 Pfund Sterling und 27,200 Yen.
An der
u.a.
Tabelle läßt sich
zum
Beispiel
fur den 14. Dezember 1999 der Wert eines
Sonderziehungsrechtes ermitteln. Tab. 28: Bewertung eines Sonderziehungsrechtes nach der Einführung des Euro Zusammensetzung des Währungskorbes
Ermittlung des SZR-Wertes vom
14. De-
zember 1999
Betrag in jeweiliger Wah-
Währung
_rung_
US-Dollar D-Mark Japanischer Yen Französischer Franc Pfund Sterling
0,2280 (Euro) 27,2 0,1239 (Euro)
0.582
0,105
Wechselkurs
1,000 0,99 104
0,99 1,6129
0,582000 0,22572 0,28288 0,122661 0,169354 1.382615
Insgesamt Der Bundesbank wurden 1997
Gegenwert in USDollar3'
Sonderziehungsrechte im Umfang von 3,2 Mrd DM ein-
geräumt. Auf den jeweiligen Bestand
an
SZR sind Zinsen
zu
zahlen, deren Höhe sich aus
190
3. Teil: Das
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
dem gewogenen Durchschnitt der kurzfristigen Zinsen in den USA, Deutschland, Frankreich, Japan und Großbritannien ergibt.
Reserveposition entspricht dem Guthaben der Deutschen Bundesbank beim IWF, das sich aus den Finanzierungsbeiträgen (Subskriptionszahlungen, Quoten) der Zentralbank an den rWF abzüglich der in eigener Währung eingezahlten Subskriptionen ergibt, sofern diese Landeswährungswährungsbeiträge nicht vom IWF für Kredite an andere Länder verwendet worden sind .161 1997 belief sich die Reserveposition der Bundesbank bei dem Internationalen Währungsfonds auf ein Volumen von circa 10, 6 Mrd. DM. Über diesen Betrag kann die Notenbank jederzeit verfügen. Da es sich um Forderungen gegenüber dem IWF handelt, ist die Inanspruchnahme der Reserveposition gebührenfrei. Die Forderungen gegenüber der Europäischen Zentralbank resultieren hauptsächlich daraus, daß ein Teil der nationalen Währungsreserven im Zuge der EWU auf die europäische Notenbank übergeht. Unter den Krediten und sonstigen Forderungen an das Die
Ausland nahmen 1997 mit 750 Mio. DM die ausstehenden Kredite der Deutschen Bundesbank
größten Umfang ein. In den letzten Jahren gehört Deutschland zu den größten Kreditgebern der Weltbank. Mitte 1996 beliefen sich, die noch offenstehenden mittel- und langfristigen DM-Anleiheverbindlichkeiten dieser Institution auf 14,5 Mrd. US-Dollar.162 Aus der
an
die Weltbank den
Abbildung
zur
Zahlungsbilanzstatistik wird ersichtlich,
daß die
Veränderungen
der Netto-Auslandsaktiva auf zweierlei Weise berechnet wurden: Entweder tionswerten
(5.1)
oder
zu
Bilanzkursen
(5.2).
Der Saldo unter 5.1 läßt sich
Summe aller Transaktionen der Teilbilanzen 1 bis 4 ermitteln.
Veränderungen ge,
der Netto-Auslandsaktiva nicht
zu
Allerdings
Transakaus
der
können sich
durch reale wirtschaftliche
Vorgänsondern auch durch Neubewertung der vorhandenen Bestände ergeben. In der Regel
weichen die
Anschaffüngskurse
nur
der Gold- und Devisenbestände
von
den aktuellen Ta-
geskursen ab. Auch schwankt der Wert der eingeräumten Sonderziehungsrechte, so daß eine Abschreibung bzw. Zuschreibung gegenüber dem Anschaffüngskurs unter Umständen sinnvoll erscheint. Die
Veränderung der Netto-Auslandsaktiva der Deutschen Bundesbank zu Bilanzkursen (5.2) errechnet sich also aus dem Saldo von 5.1 plus der Umbewertung der transaktionsbedingten Bestände. Zum Beispiel bewertete die Bundesbank zum Abschluß ihres Geschäftsjahres 1997 ihre US-Dollar-Bestände und die Sonderzie161
Vgl. Kamp, Martina: Der Internationale Währungsfonds (IWF), in: WISU. Jahrgang, Heft 2, Februar 1998, Düsseldorf 1998, S. 144. 162 Vgl. Deutsche Bundesbank: Weltweite Organisationen a.a.O., S. 102.
27.
Das
Wirtschaftsstudium,
3. Teil: Das
hungsrechte neu. 1,3620
Vorher waren sie
DM sowie 1 SZR
Abschluß 1997 wurden
=
zu
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
den historisch
191
niedrigsten Tageswerten (1 US-$
=
2,05392 DM) angesetzt worden. Die Wertansätze für den den durchschnittlichen
Anschaffungskursen nach Maßgabe des § 253 Abs. 3 Satz 3 HGB abgeleitet (1,5396 DM je US-$ und 2,23113 DM je SZR), so daß eine Zuschreibung aus der marktnäheren Bewertung von etwa 13 Mrd. DM erfolgte. In den Medien wird herausgestellt, daß eine ausgeglichene Zahlungsbilanz zu den wichtigsten wirtschaftspolitischen Zielen gehöre. Der Leser hat aber feststellen können, daß die Zahlungsbilanzstatistik ex-post immer ausgeglichen ist. Nur die einzelnen Teilbiaus
lanzen weisen Überschüsse bzw. Defizite
auf, so daß sich diese Äußerung nur auf diese Einzelbereiche beziehen kann. Eine isolierte Betrachtung der Teilbereiche einer nationalen Zahlungsbilanzstatistik, ohne daß zum Beispiel binnenwirtschaftliche
Aspekte berücksichtigt werden, kann leicht zu Fehlinterpretationen fuhren. Haslinger analysiert exemplarisch die Auswirkungen eines Leistungsbilanzüberschusses für eine Volkswirtschaft: In einer Rezession wird ein Überschuß an Waren- und Dienstleistungsexporten die binnenwirtschaftlichen Kapazitäten stärker auslasten und zu einer Konjunkturbelebung beitragen, ohne daß die Gefahr eines Anstiegs der Inflationsrate sonderlich hoch ist. Ein Leistungsbilanzüberschuß in einer Boomphase kann aber leicht zu einer Überhitzung der Konjunktur beitragen: Durch den Exportüberschuss werden die binnenwirtschaftlichen Produktionsfaktoren (Arbeit, Kapital) knapp und des kommt zu einer Verteuerung der Produktion, die sich wiederum negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Branchen auswirkt.163
163
Vgl. Haslinger, Franz: a.a.O., S.
349.
192
3. Teil: Das
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
b) Input-Output-Tabelle Abb. 60: Sektorale Lieferverflechtungen in der westdeutschen Wirtschaft (in Prozent)
1990
14,3
18,4 Primärer und
Tertiärer
5,1
Sektor 46,2
sekundärer Sektor
53,8
8,3
23,6
30,3
[
Endnachfrage Quelle: Klodt, Henning:
Tertiarisierunga.a.O., S.
395.
gesamtwirtschaftlichen Produktionswertes im Rahmen der VGR i.e.S. gehen eine Fülle an Informationen bezüglich der Produktionsverflechtungen und der Beiträge der einzelnen Wirtschaftsbereiche zur inländischen Wertschöpfung verloren. In der Abbildung 60 sind zum Beispiel die Bruttoproduktionswerte des primären und sekundären sowie des tertiären Sektors dargestellt. Das Bruttoproduktionsvolumen einzelner Wirtschaftsbereiche setzt sich naturgemäß aus den Lieferungen an die Endnachfragekomponenten und den inter- und intrasektoralen Vorleistungsverkäufen zusammen. Aus der o.a. Abbildung wird für das Jahr 1990 ersichtlich, daß der Tertiäre Sektor 1990 einen Anteil an der Gesamtwertschöpfüng der westdeutschen Wirtschaft von 46,2 Prozent hatte. Nur 23,6 Prozent der Gesamtwertschöpfüng flössen direkt in die Endnachfrage, während 8,3 Prozent als Vorleistungen an die ersten beiden Wirtschaftszweige verkauft wurden. Im Umfang von 14,3 Prozent ist das Produktionsvolumen des 3. Bereiches in dem Sektor selbst verwendet worden. In der Sozialproduktsrechnung wird aber Bei der Feststellung des
Bruttowertschöpfüng eines Wirtschaftszweiges erfaßt, der eine Lieferung zu einer Endnachfragekomponente darstellt. nur
der Teil der
Die Informationen über die intra- und intersektoralen einen
Vorleistungsverflechtungen,
die
wichtigen Beitrag zur Bruttowertschöpfüng einer Volkswirtschaft leisten, werden deshalb als Ergänzungsrechnung durch die Input-Output-Tabelle aufbereitet, wobei aufgrund des hohen Informationsbedarfs nicht jedes Jahr für die Bundesrepublik Deutsch-
3. Teil: Das
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
193
land eine solche Tabelle erstellt wird.
Prinzipiell läßt sich die Input-Output-Tabelle in drei Bereiche (Quadranten) untergliedern (siehe Tabelle 29): in die
orleistungsmatrix ( Zentralmatrix, I. Quadrant), c in die Endnachfragematrix (II. Quadrant) und • in die Primäraufwandmatrix (III. Quadrant). In der Vorleistungsmatrix werden Vorleistungskäufe und -Verkäufe zwischen »
^
=
torenund innerhalb der einzelnen Wirtschaftsbereiche
den Sek-
wertmäßig erfaßt. Die Zeilen der Matrix werden durch die Sektoren definiert, die Vorleistungen liefern, die Spalten durch jene, die Vorleistungen von anderen Branchen beziehen. In der aktuellen Input-OutputTabelle aus dem Jahr 1993 werden die Verflechtungen von 58 Produktionsbereichen in der Bundesrepublik Deutschland dargestellt, während in der u.a. Tabelle eine Aufteilung in drei verschiedene Sektoren vorgenommen wurde.
,M
Milte 1998 lag eine Input-Output-Tabelle fur das Jahr 1993
vor.
1 94
3. Teil: Das
Tab. 29:
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
Input-Output-Tabelle 1993 für die Bundesrepublik Deutschland Ab-Werk-Preise in Mill. DM
-
-
Verwendung
der Produktion
Vorleistungskäufe
Gesamte Ver-
Endnachfrage
wen-
L Primärer
Aufkommen
Sektor
Quadrant
Sekundärer Sektor
IL Quadrant
Tertiä-
Input Priva- Staats- Brutder Pro- ter Ver- ver- toinveSektor dukti- brauch brauch stitioonsbenen rer
dung Ausfuhr
reiche
Primärer Sektor Sekundärer Sektor Tertiärer Sektor
Vorleistungen
Summe BruttoEnd- produknachtions-
frage
wert
32237
111261 3144178
8095 23098
60862 992285
10067 3 45452
11629 42822
518910
979442
1509981
42911
87326
'769760
1334961
2949840
1007843 1664200
631680
1S72057
631680
633260
6566200
3585340
3279741 6535180
40360
40360
k.A.
k.A.
k.A.
k.A.
176750
217110
1375321
2990200
k.A.
k.A.
k.A.
k.A.
3762090
6752290
79024 1360835
27751 628606
-912 5398 59126 1 563 476
1783343
der Produktionsbereiche (ohne Umsatz-
steuer) Nichtabziehbare Umsatzsteuer
Vorleistungen
der Produktionsbereiche einschl. nichtabziehbarer Umsatzsteuer
42822
1572057
14843
III. Quadrant 134732 269785 419360 99870
13 904
7413 48
1019378
6349
156430
552491 615400
35096
1032510
1841654
Produktionswert 77918 Einfuhr gleich- 33343 artiger Güter
2604567
3216975
5899460
539611
62766
635720
3144178
3279741
653518(1
Abschreibungen
Produktionssteuern minus Subventionen Einkommen aus
17™30
unselbständiger
Arbeit Einkommen aus Unternehmertätigkeit und
Vermögen
Bruttowert-
schöpfung zu Marktpreisen
2909260
(Ab-Zoll-Preise) Gesamtes Aufkommen an Gütern (BPW)
Quelle:
1126 1
http://www.statistik-bund.de/basis/dA'grinol.htm, ZugriffO 03.07.1998, diverse Seiten, eigene Darstellung; k.A.: keine Angaben, BPW: Bruttoproduktionswert
3. Teil: Das
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
195
produzierten Sachgüter und Dienstleistungen stellt jedoch keine Vorleistungen dar, sondern wird von den privaten Haushalten, Unternehmen oder dem
Ein
großer
Staat direkt
Teil der
zu
Konsum- oder Investitionszwecken
nachgefragt. Dieser Absatz wird auch
als
Lieferung an die Endnachfrage bezeichnet. Deshalb schließt sich rechts oben neben der Vorleistungs- die Endnachfragematrix an, in der die Produktion der einzelnen Sektoren für die Endnachfragekomponenten privater und staatlicher Konsum, Investitionen und Exporte aufgelistet ist. Zusätzlich zu den bereits erwähnten Bestandteilen der Input-Output-Tabelle weist die Primäraufwandmatrix (in der Tabelle links unten als III.Quadrant) für jeden Wirtschaftsbereich den monetär bewerteten Einsatz von Kapital, Arbeit und Importen aus. Darüber hinaus wird der staatliche Einfluß auf die Marktpreise eines jeden Bereiches durch die Differenz aus Produktionssteuern minus Subventionen visualisiert. Werden sowohl die einzelnen Spalten- und Zeilensummen addiert, so ergibt sich für jede Branche getrennt der jeweilige Bruttoproduktionswert, so daß in der InputOutput-Tabelle die jeweilige Zeilen- mit der korrespondierenden Spaltensumme übereinstimmt. Die sektoralen Bruttoproduktionswerte sind sowohl von der Verwendungs- als auch von der Aukommensseite in dieser Ergänzungsrechnung aufgelistet. Mit dieser Darstellung gewinnt man einen Überblick über die Verflechtungsbeziehungen zwischen den betrachteten Bereichen und hat darüber hinaus ein Instrument, mit dessen Hilfe Veränderungen (politisch gewollt oder extern vorgegeben) in ihren Wirkungen für die Volkswirtschaft
prognostiziert werden können.
Grundlage von InputOutput-Tabellen entwickelte der amerikanische Ökonom Wassily Leontiew (1906 1999, Nobelpreisträger 1973) die Input-Output-Analyse, die heute noch zu den wichtigsten Methoden der empirischen Wirtschaftsforschung zählt. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung verwendete zum Beispiel Mitte der 90er Jahre eine Input-OutputTabelle, um die ökomischen Auswirkungen einer ökologischen Steuerreform (insbesondere die Beschäftigungswirkungen) für die Bundesrepublik festzustellen.165 Auch werden die direkten und indirekten gesamtwirtschaftlichen Folgen von Umweltschutzaktivitäten im Rahmen von Input-Output-Modellen analysiert. Die in den Input-Output-Tabellen ausgewiesenen Produktionswerte differieren aufgrund der unterschiedlichen Aufbereitung des Datenmaterials von der herkömmlichen Sozialproduktsrechnung: Auf der
-
Vgl. Deutsches Institut für Wirtscfiaftsforschung (Hrsg.): gischen Steuerreform, Sonderheft 153, Berlin 1995.
Wirtschaftliche
Auswirkungen einer ökolo-
196 •
•
•
3. Teil: Das
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
Firmeninterne Lieferungen und Leistungen werden im Gegensatz rücksichtigt, sofern sie statistisch erfaßbar sind;
zur
VGR i.e.S. be-
Input-Output-Tabellen angeführten Produktionswerte sind tendenziell niedriger als in der Sozialproduktsrechnung, da der Wert der Handelsleistungen nicht imt den Umsatzerlösen sondern mit der Handelsspanne angegeben wird; Zuordnungsprobleme ergeben sich in der Input-Output-Tabelle bei Kuppelproduktion
Die in den
und bei diversifizierten Unternehmen; •
Im
Gegensatz zu den anderen Komponenten der Vorleistungen und der Endnachfra-
private Konsum im Rahmen der Input-Output-Tabelle nach dem Inlandskonzept ermittelt.166 ge wird der
c) Vermögensrechnung DIW: Die Reichen sind noch reicher geworden
Ein Drittel des Geldvermögens entfällt auf nur sechs Prozent aller deutschen Haushalte
Quelle: Süddeutsche Zeitung Nr. 255 vom 6.11.97, S. 26.
Zwei Gründe führen zu der Notwendigkeit, die VGR i.e.S.
um
eine
Vermögensrechnung
als Bestandsrechnung zu ergänzen:
(1) Neben den Vermögens(ver)änderungen als Stromgröße interessiert auch das Niveau der Vermögensbestände in einer Volkswirtschaft.
(2) Zwar besteht keinesfalls Konsens darüber,
alles unter dem
Begriff „Vermögen" subsumiert werden kann. Letztendlich sollte nach Auffassung von Haslinger die weite oder enge Abgrenzung von der jeweiligen Problemstellung abhängen.167 Der von dem Statistischen Bundesamt zugrunde gelegte Vermögensbegriff erfaßt jedoch nur zwei was
Komponenten (siehe Tab. 30): das reproduzierbare Sachvermögen, d.h. dauerhafte
produziert werden können und Forderungen, die sofern sie auf eine Geldeinheit (z.B. DM, Euro) lauten oder in Geld bewertbar sind als privates und öffentliches Geldvermögen bezeichnet werden. Weitere Bestandteile werden aufgrund von Bewertungsproblemen außer Acht gelassen. Genauso wie eine stärkere. Untergliederung der betrachteten Vermögensgegenstände in der VGR i.e.S. unterSachgüter,
die wieder
-
-
bleibt.
166
Vgl. Haslinger, Franz:
Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, 5., überarbeitete und erweiterte Aufla-
München, Wien, 1990, S. 118. 167 Vgl. ders.: ebenda, S. 93.
ge,
3. Teil: Das
Tab. 30:
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
197
Übersicht über die wichtigsten Vermögensbegriffe Vermögen im weitesten Sinn
Immaterielles Vermögen Sozial-
politi-
sches Vermögen
Arbeits-
Forde-
Materielles Vermögen
(= Sachvermögen)
Sonstige Vermö-
vermögen (=
rungen1 a (= Geld-
werte
Human-
vermö-
Rechte
kapital)
gen)
gens-
Nichtre-
produ-
zierbares materielles Vermö-
6en
Reproduzierbares Vermögen
Gebrauchsvermögen Gebrauchsvermö-
gen der
Produktiwermögen
Militäri- Vorratsvermösche Güter des gen Staates
Anlagevermögen
privaten Haushalte
Ausrü-
stungs-
Bauver-
vermögen
mögen
Quelle: modifiziert entnommen aus Haslinger, Franz: a.a.O., S. 97.
Im Anschluß
lich die u.a. de
an
an
die Finanzierungsrechnung veröffentlicht die Deutsche Bundesbank jähr-
Geldvermögensrechnung.
Sie listet
zum
Ende eines jeden Jahres die Bestän-
finanziellen Aktiva und Passiva der einzelnen Sektoren auf. In diesem Zusammen-
hang wird die sog. Nettoposition, d.h. die Differenz zwischen dem Geldvermögen und den Verpflichtungen der privaten Haushalte, Unternehmen und der öffentlichen Hand festgestellt. Während in Deutschland private Unternehmen und der Staat 1998 Nettoschuldner waren, wies der Sektor der privaten Haushalte als Nettogläubiger eine positive Nettoposition aus.
Sofern Forderungen einen in Währungseinheiten (z.B. Euro oder DM) ausgedrückten Nominalwert haben, werden sie auch als Geldvermögen bezeichnet. Vgl. z.B. Brümmerhof, Dieter: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, 2. Auflage, München, Wien, 1990, S. 111.
1 98
3. Teil: Das
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
Tab. 31:
Geldvermögensrechnung der Deutschen Bundesbank Bestände an
Position
Geldvermögen und Verpflichtungen (einschl.
Aktienumlauf) der inländischen nichtfinanziellen Sekto_ren am Jahresende (in Mrd. DM)_ 1980 (1) 1990
Geldvermögen
Längerfristig •
• •
bei Banken (2) bei sonstigen Kapitalsammelstellen am
Wertpapiermarkt (3) Anlagen_
in sonstigen Zusammen
Kurzfristig •
bei Banken (2)
in sonstigen Anlagen Zusammen »
Insgesamt
439,1 325,7 454,5
707,3 695,1 1340,5
230,3 1449,7
3269,5
805,0 211,9 1017,0 2466,6
1651,1 496,7 2147,9 5417,3
1483,5 661,9 321,2
3198,6 1615,4 603,3
167,0
202,9
1197,9 236,1 371,4 219,7 2025,1
2252,4 358,7 1164,1 502,6 4277,8
335,2 110,8 446,0 2471,1
617,1
5117,5
615,2 1397,9 458,0
1096,0 2972,4 1049,1
167,3
191,7
526,7
davon: • •
private Haushalte Unternehmen (5)
• öffentliche Haushalte Nachrichtlich: Geldvermögen in % des BIP Verpflichtungen und Aktienumlauf
Längerfristig • •
•
bei Banken (2) bei sonstigen Kapitalsammelstellen am
Wertpapiermarkt (3)
bei sonstigen Kreditgebern_ Zusammen »
Kurzfristig
bei Banken (2) bei sonstigen Kreditgebern (4) Zusammen •
«
Insgesamt
222,5 839,6
davon: •
• •
private Haushalte Unternehmen (5) öffentliche Haushalte
Nachrichtlich:
Verpflichtungen in % des BD?
Legende: (1) Westdeutschland; (2) Im In- und Ausland; (3) Bestände an Rentenwerten, InvestmentzerAktien; (4) Einschl. Geldmarktpapiere; (5) Einschl. gewerblicher Wohnungswirtschaft; (6) Verpflichtungen aus Rentenwerten sowie Umlauf an Aktien; (7) Einschl. privater Wohnungsbaufinanzierungen.
tifikaten und
Quelle: Deutsche Bundesbank (Hrsg.): Monatsbericht Juni 1999, S. 21.
d) Finanzierungsrechnung In der VGR i.e.S. werden
Finanzierungsvorgänge eine Sektors nur oberflächlich abgebildet. Im jeweiligen Finanzierungskonto wird für die Betrachtungsperiode die Veränderung
3. Teil: Das
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
199
Forderungen der Veränderung der Verbindlichkeiten gegenübergestellt und der Finanzierungssaldo (Finanzierungsüberschuß bzw. -defizit) ermittelt. Informationen über
der die
Verschuldung und das Anlageverhalten der
Sektoren sind dort nicht
angeführt. Ziel
der Finanzierungsrechnung ist es, Datenmaterial •
über die
Verflechtung der finanziellen Institutionen (Notenbank, Geschäftsbanken, Bausparkassen, Versicherungen) mit den übrigen Teilbereichen einer Volkswirtschaft,
•
über die Anlagegewohnheiten der Wirtschaftssubjekte sowie
•
über den Einfluß
geldpolitischer Maßnahmen und der konjunkturellen Lage auf das Finanzierungsverhalten bereitzustellen.169
Im Rahmen der
Wirtschaftsforschung werden diese Daten insbesondere zur Analyse der
Zusammenhänge zwischen (Güter-)Nachffageströmen und Vermögensbeständen und deren Veränderungen benutzt. Jede Ausgabenentscheidung eines Wirtschaftssubjektes bedingt eine Liquiditäts- und Geldvermögensdisposition. Daher spielen das Volumen, die Struktur und die Veränderung des Geldvermögens eine wichtige Rolle.170 Zur Realisierung dieser Ziele wird die
Sektorengliederung der VGR i.e.S. dahingehend verändert, daß* Banken, Versicherungen und Bausparkassen eine eigene Untergruppe im Rahmen des Unternehmenssektors bilden.
169 170
Vgl. Haslinger, Franz: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung a.a.O., S. 107. Vgl. Brümmerhoff, Dieter: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen a.a.O., S.
128.
200
3. Teil: Das
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
Tab. 32:
Finanzierungsrechnung der Deutschen Bundesbank
Position (in Mrd. DM) Vermögensbildung Sachvermögensbildung (1) Private Haushalte (2) -
-
Unternehmen Produktionsunternehmen Finanzielle Institutionen Öffentliche Haushalte —
~
Nettokreditgewährung an die übrige Welt (3) Insgesamt
1991
1998
307,7 77,7 175,0 155,3
343,4 117,6 185,3 169,7
9,4 55,0
11,5 40,6
-34,2
-
273,5
11,0
332,5
-
Nachrichtlich:
Sachvermögensbildung in % (4)
12,5
10,8
213,7 67,6
273,5
260,9 109,9 74,3 51,1 -38,4 332,5
11,1
10,4
167,9 107,4 123,6 30,0 -94,7 -34,2
143,3 -75,3 -95,4 39,6 -78,9 •11,0
6,8
4,5 -2,4 -2,9
Ersparnis (5) -
-
Private Haushalte Unternehmen (6) Produktionsunternehmen Finanzielle Institutionen Öffentliche Haushalte
31,7 39,3
(7)
—
-
-39,7
Insgesamt -
Nachrichtlich:
Ersparnis in % (4) Finanzierungssalden -
-
Private Haushalte Unternehmen (6) Produktionsunternehmen (7) Finanzielle Institutionen Öffentliche Haushalte (6), (8) -
—
Insgesamt (9) -
-
-
Nachrichtlich:
Finanzierungssalden in % (4) -
-
Private Haushalte Unternehmen (6) Produktionsunternehmen (5) Finanzielle Institutionen Öffentliche Haushalte (6), (8)
—
—
Insgesamt (9) -
-4,4 -5,0 1.2
1,2
-3,8 1,4
-2,5 -0,3
Legende: (1) Nettoinvestitionen in Sachanlagen und Vorräte; (2) Aufwendungen für neue Wohngebäude einschl. Bestandspflege und Erwerb von Altbauten; ohne anteilige Grundstückstransaktionen (3) Entspricht der Differenz zwischen Ersparnis und Sachvermögensbildung im Inland; (4) In % des gesamten verfugbaren Einkommens; (5) Einschl. Vermögensübertragungen; (6) 1991 einschl. einer Teilentschuldung der Deutschen Bundesbahn durch den Bund in Höhe von 12,6 Mrd. DM; (7) 1991 einschl. einer Teilentschuldung der Deutschen Bundesbahn durch den Bund in Höhe von 12,6 Mrd. DM; (8) Im nationalen Konzept der VGR;
(9) Entspricht der Nettokreditgewährung an die übrige Welt.
Quelle: Deutsche Bundesbank (Hrsg.): Monatsbericht Juni 1999, Frankfurt am Main 1999, S. 17.
e)
Gesamtrechnung Um die wechselseitigen Beziehungen zwischen Umwelt und Wirtschaft zu erfassen und darzustellen, wurden sog. Umwelt-Satellitensysteme entwickelt. Diese Konzepte sind so Umweltökonomische
3. Teil: Das
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
201
gestaltet, daß die traditionelle Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung unverändert bleibt und die Interdependenzen zwischen Ökologie und Ökonomie in diesen gesonderten Datenwerken dargestellt werden. Dabei greifen die Satellitensysteme auf das herkömmliche Datenmaterial der VGR zurück und ergänzen und modifizieren dieses Material schritt-
integrierten Umweltökonomischen Gesamtrechnung (UGR). Zwar sind die Satellitensysteme eng mit der VGR verknüpft. Andererseits können alternative Konzeptionen Verwendung finden, die auf spezifisch umweltökonomische Fragestellungen zugeschnitten sind.171 Zurückzufuhren ist diese Vorgehensweise auf ein Handbuch, das im Dezember 1993 von der Statistischen Abteilung der Vereinten Nationen (UN) zur Konzeption eines Umwelt-Satellitensystems veröffentlicht wurde. Das vorgeschlagene Konzept wird als System for Integrated Environmental and Economic Accounting"112 (SEEA) bezeichnet. In der folgenden Abbildung ist das SEEA in seinen Grundzügen dargestellt. weise hin
zu
einer
171 Vgl. Radermacher, Walter / Stahmer, Carsten: Vom Umwelt-Satellitensystem zur Umweltökonomischen Gesamtrechnung: Umweltbezogene Gesamtrechnungen in Deutschland. Erster Teil -, in: Zeitschrift für angewandte Umweltforschung, 7. Jahrgang, Heft 4, Berlin 1994, S. 531. 172 Sinngemäß: Integrierte Ökologische und Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung. -
202
3. Teil: Das
Abb. 61: Das
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
System for Integrated Environmental and Economic Accounting der UN
Kernsystem
Umweltsatelliten-System SEEA
Umweltstatistiken SNA*
Unweitbezogene bezogene Disaggregation System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen der Vereinten Nationen (*System of National
Accounts, SNA)
der monetären Angaben des SNA* A
Physische
Informationen über die Wechselbeziehungen zwischen Umwelt
Zusätzliche
Bewertung der wirtschaftlichen
Umweltnutzung
Erweiterung des Produk-
Rahmenwerk der Ver. Nationen für die Entwickl. von Umweltstat. (Framework for the Developm. of Environment Sta-
tistics, FDES)
tionsbegriffs im SNA*
B
Traditionelle Konzepte des SNA
Konzeptionelle Erweiterungen
bzw. Änderungen des SNA im Umwelt-
Satellitensystem Quelle: Radermacher, Walter / Stahmer, Carsten: a.a.O., S. 533. A, B, C, D: Bausteine des SEEA; SNA: System of National Accounts; Empfehlungen der UN zum Volkswirtschaftlichen Rechnungswesen; Entw.: Entwicklung; Umweltstat.: Umweltstatistik; Developm.: Development.
Ausgangspunkt
des SEEA ist das
Kernsystem der Volkswirtschaftlichen Gesamtrech-
nung. In der Ausbaustufe A werden die schlüsselt
umweltbezogenen Daten der VGR weiter aufgeBeispiel erfolgt hier eine Angabe der Umweltausgaben
und
Rahmen des Gesundheitswesens auf ökologische Ursa-
(disaggregiert). Zum der Aufwendungen, die im
chen zurückzuführen sind. Außerdem wird das
produzierte und nichtproduzierte Naturvermögen in den gesamtwirtschaftlichen Sachvermögensbilanzen detailliert dargestellt. Im zweiten Baustein (B) werden die monetären Angaben zum Umweltsektor mit physischen Informationen über die wirtschaftliche Umweltnutzung und den Zustand der natürlichen Umwelt verknüpft. So stellt das Statistische Bundesamt in Form einer physischen
3. Teil: Das
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
203
Input-Output-Tabelle für 60 Produktionsbereiche der inländischen Wirtschaft eine Material- und Energieflußrechnung auf. Im Teilabschnitt C
erfolgt eine zusätzliche monetäre Bewertung der im Baustein A disaggregierten Angaben der herkömmlichen VGR sowie der physischen Werte in B. Im traditionellen Volkswirtschaftlichen Rechnungswesen ist das Produktionsvolumen durch die wirtschaftliche Aktivität der Unternehmen und des Staates begrenzt. Auch in den Bausteinen A bis C des SEEA wird keine Erweiterung des Produktionsbegriffs vorgenommen. Erst in der Ausbauphase D werden die Aktivitäten der privaten Haushalte in der Wertschöpfung erfaßt. Darüber hinaus fließt die wirtschaftliche Nutzung der Umwelt als Lieferung von Umweltdienstleistungen ein. Außerdem werden die Umweltschutzaktivitäten stärker als in der traditionellen VGR in die Produktionssphäre eingebunden.173 f) Die deutsche Umweltökonomische Gesamtrechnung Mit der Natur wird viel zu verschwenderisch umgegangen
Umweltökonomische Gesamtrechnung des Statistischen Bundesamtes zeigt dennoch Fortschritte
Quelle: Süddeutsche Zeitung Nr. 166 vom 22. Juli 1998, S. 23
Auch die Umweltökonomische Gesamtrechnung (UGR) der Bundesrepublik Deutschland
hat die Funktion, Zusammenhänge zwischen wirtschaftlichen (bzw. sozioökonomischen) Prozessen und dem Zustand von Natur und Umwelt darzustellen. Eine Analyse der UGR verdeutlicht die starken Analogien zum SEEA (siehe Abb.
173
Vgl. Radermacher, Walter / Stahmer, Carsten: a.a.O., S.
534.
62).
204
3. Teil: Das
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
Abb. 62: Aufbau der Umweltökonomischen
Belastung
Zustand
Material- und Energie-
Gesamtrechnung
Umweltschutz
flußrechnungen
Rohstoffverbrauch
Maßnahmen des Umweltschutzes Investitionen
Enuttentenstruktur
Ausgaben
Ausgaben für Umweltsanierungs,
Themenbereich 1
Nutzung von Fläche und Raum STABIS* CORINE Land
maßnahmen minus
Abschreibungen
Themenbereich 4
Netto-Veränderung
unterstellte
/ Indikatoren des l Umweltzustandes
Cover**\
Vermeidungskosten
des Naturvermögens
Erreichung eines nachhaltigen zur
Standards Themenbereich 2
Themenbereich 3
Themenbereich 5
X.t7T
UGR-Darstellungsbereich
Standards für zulässige/tolerierte Umweltbelastungen
Gesamtrechnungsmethoden;
| j Geograph. Informationssystem; ^) Indikatoren;
Legende: *: STABIS: Statistisches Informationssystem zur Bodennutzung; **: CORINE: sches Informationssystem der EU-Umweltagentur;
Geographi-
Quelle: Radermacher, Walter / Stahmer, Carsten: a.a.O., S. 535.
Der Themenbereich 4
entspricht dem Baustein A des SEEA. Auch hier werden Daten über Umweltschutzmaßnahmen aus der herkömmlichen VGR gewonnen und disaggregiert. Analog dem Baustein B werden im Themenbereich 1 der UGR Daten über den sektoralen Material- und Energiefluß, den Rohstoffverbrauch und die Emittentenstruktur erhoben.
spezieller Informationssysteme174 werden im zweiten und dritten Themenkomplex Daten zur Nutzung von Fläche und Raum erhoben und Indikatoren zur Be-
Mit Hilfe
Hierzu zählen das statistische Informationssystem STABIS und das in der ersten Realisierungsphase (GORINE Land Cover) verwendetegeographische Informationssystem Corine Program der EUUmweltagentur. Vgl. Radermacher, Walter / Stahmer, Carsten: Vom Umwelt-Satellitensystem zur Umweltökonomischen Gesamtrechnung: Umweltbezogene Gesamtrechnungen in Deutschland Zweiter Teil-, in: Zeitschrift für angewandte Umweltforschung, 8. Jahrgang, Heft 1, Berlin 1995, S. 99fT. -
3. Teil: Das
Volkswirtschaftliche Rechnungswesen
205
urteilung des Umweltzustandes verwendet. Soweit möglich erfolgt im 2. Schritt eine Verknüpfung der gewonnen Daten mit den Angaben der VGR i.e.S.. Zum einen ist die UGR die nationale
Umsetzung des SEEA-Konzeptes. Andererseits wird die empirische Bereitstellung der Daten, deren Zusammenfassung und Verknüpfung nicht nur mit Hilfe der in der VGR verwendeten Instrumente sondern mit dem notwendigen Methodenpluralismus
organisiert.175
Aus den Daten der UGR läßt sich
Beispiel die Entwicklung der Umweltproduktivität feststellen, die sich aus dem Verhältnis von wirtschaftlicher Leistung (Bruttoinlandsprodukt; BD?) zu eingesetzter Faktormenge (hier: mengenmäßiger Energieverbrauch) ergibt. Die Produktivitätsentwicklung beim Einsatz natürlicher Ressourcen hat einen wesentlichen Einfluß auf die Entstehung von Rest- und Schadstoffen. Das Statistische Bundesamt konstatiert für den Zeitraum 1960 bis 1995, daß im Vergleich zum Arbeitsproduktivitätswachstum176 (+ 200 %) die allgemeine Produktivität der Energienutzung vergleichsweise geringfügig um 31 % gestiegen ist. Bei Abwasser beträgt der Wert 20 % und bei Abfall ging die Produktivität sogar um 10 Prozent zurück. Insgesamt fallen derzeit jährlich 350 Mio. Tonnen Abfälle aus der wirtschaftlichen Produktion an, davon allein 50 % im Hoch- und Tiefbau (Anteil am BIP: 4 %), während der Kohlebergbau ein Fünftel zu dieser Menge beiträgt (Anteil am BIP: unter 1 %). Dagegen vervierfachte sich durch die Verwendung von Entschwefelungsanlagen die Umweltproduktivität bei Versauerungsgasen. Bei den Gasen, die zum Treibhauseffekt beitragen, ist im Betrachtungszeitraum eine Verdopplung der Produktivität zu verzeichnen.177 Die Zahlen
zum
der UGR
verdeutlichen, daß bei einem entsprechenden Anstieg der Umweltproduktivität eine Entkopplung des Energie- und Naturverbrauchs vom quantitativen aus
Wirtschaftswachstum erreicht werden kann.
So Radermacher, Walter / Stahmer, Carsten: : a.a.O., S. 535. Die Arbeitsproduktivität ist analog als Quotient aus BIP zu Arbeitseinsatz definiert. 177 Vgl. o.V.: Mit der Natur wird viel zu verschwenderisch umgegangen. Umweltökonomische Gesamtrechnung des Statistischen Bundesamtes zeigt dennoch Fortschritte, in: Süddeutsche Zeitung Nr. 166, S. 176
23.
206
4. Teil: Kritik an der
4. Teil: Kritik
Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
der Volkswirtschaftlichen
Gesamtrechnung 1.Wirtschaftswachstum und Wohlstandsentwicklung an
Wohlstand ist,
wenn
die Menschen mehr Uhren haben als Zeit.
Werner Müsch Der Wohlstand eines Landes beruht auf seiner aktiven und passiven Handelsbilanz, auf seinen innern und äußern Anleihen sowie auf den Unterschied zwischen dem Giro des Wechselagios und dem Zinsfuß der Lombardkredite; bei Regenwetter ist das umgekehrt. Kurl
Tucholsky: Kurzer Abriss der Sationalökoiwmie
Hemisphäre diente das Sozialproduktwachstum als wesentlicher Maßstab für die Wirtschaftskraft eines Landes. Über die Steigerung dieses makroökonomischen Indikators wurden Rückschlüsse bezüglich der Wohlstandsentwicklung in den betrachteten Volkswirtschaften gezogen. Dabei werden sowohl Zeitreihenanalysen innerhalb eines Landes als auch Vergleiche auf internationaler Ebene vollzogen. Spätestens seit den Arbeiten von Meadows im Auftrag des Club of Rome Anfang der 70er In der westlichen
Jahre sind wir
goal" für
die
uns
der Gefahr
bewußt, (extensives) Wirtschaftswachstum als „ultimate
Wirtschaftspolitik
zu
postulieren.
Die Grenzen des Wachstums schienen
durch die Endlichkeit der Rohstoffressourcen und durch sozioökonomische und demo-
graphische Faktoren erreicht. Des weiteren ergab sich in den 70er Jahren eine deutliche Veränderung in der Bedürfnisstruktur der Bürger westlicher Industriestaaten. Vor dem Hintergrund hoher Sozialproduktssteigerungen ergab sich ein hoher Sättigungsgrad materieller Bedürfnisse. Postmaterielle Werte im Sinne der Bedürfnispyramide von Abraham Maslow, wie Selbstverwirklichung, Freizeit und eine saubere Umwelt, gewannen an
Bedeutung.178
Gleichzeitig wurden die (negativen) Folgeerscheinungen extensiven Wachstums, insbesondere in den Agglomerationen, evident: Eine Steigerung des Produktionsvolumens führte unweigerlich zu einer Zunahme an Schadstoff- und Lärmemissionen. Jeder, der an einer vielbefahrenen Straße oder in der Nähe einer industriellen Fertigungsstätte wohnt, weiß, wie stark wirtschaftliche Aktivitäten mit ihren Nebeneffekten das eigene Wohlbefinden beeinträchtigen können. "8So auch Horbach, Jens: Neue Politische Ökonomie und Umweltpolitik, in: Blattner, Nikiaus (Hrsg.): Reihe Wirtschaftswissenschaft. Band 22, Frankfurt / New York 1992, S. 66f.
et
al.
4. Teil: Kritik an der
Ein weiteres Problem
daß
Wohlstand179
ergibt
ein sehr
Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
207
sich bei der
Wohlstandsmessung aufgrund der Tatsache, facettenreicher Begriff ist und es bereits für das einzelne
Wirtschaftssubjekt sehr schwierig ist, die einzelnen Determinanten der persönlichen Lebensqualität vollständig enumerativ aufzulisten. Um so größere Probleme ergeben sich somit zwangsläufig für den externen Beobachter (z.B. für das Statistischen Bundesamt), die gesellschaftliche Wohlfahrt festzustellen. Als Zwischenfazit kann deshalb bereits festgehalten werden: •
Eine Vielzahl
von
Faktoren bestimmt sowohl die individuelle als auch die
schaftliche Wohlfahrt. me •
bei der
Aufgrund Operationalisierung;
dieser Tatsache
ergeben
sich
zwangsläufig
gesellProble-
aufgrund der Endlichkeit der Produktionsfaktoren und der erwähnten Folgeerscheinungen in Zukunft immer schwieriger realisieren lasWirtschaftswachstum wird sich
sen; •
Eine
positive Korrelation zwischen einer Sozialproduktssteigerung nahme der Lebensqualität ist nicht zwangläufig gegeben.
und einer Zu-
Der Verfasser möchte deshalb die Probleme des
diskutieren, die sich aus der Verwendung Bruttonationaleinkommens (= Bruttosozialprodukts; BSPs) als gesellschaftliches
Wohlstandsmaß
ergeben. Gleichzeitig kann aber eine Konzeption nur hinreichend auf ihre Effizienz überprüft werden, wenn alternative Lösungsvorschläge vergleichend analysiert werden. Deshalb werden die derzeitigen Methoden der gesellschaftlichen Wohlstandsmessung kurz dargestellt und auf ihre Vorteilhaftigkeit gegenüber der Sozialproduktsrechung überprüft.
Der Verfasser verwendet die Begriffe Wohlstand, Wohlfahrt und Lebensqualität synonym. So auch Peter von der: Statistische Wohlfahrtsindikatoren Die Messung des Lebensstandards, in: Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Wohlfahrtsmessung Aufgabe der Statistik im gesellschaftlichen Wandel, Band 29 der Schriftenreihe Forum der Bundesstatistik, Wiesbaden 1996, S. 39.
Lippe,
-
-
208
4. Teil: Kritik an der
Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
2. Determinanten der individuellen
Lebensqualität
und
gesellschaftlichen
Wohl-
fahrt Beruf und Erfolg reichen als Quellen der Lebensführung nicht mehr
aus
Reich sein und doch nicht glücklich
Viele Menschen entdecken
postmaterialistische Werte: Ronald Inglehart untermauert seine Theorie
Quelle: Süddeutsche Zeitung Nr. 67 vom 21./22. März 1998, S. Vl/1.
Frage beantworten, welche Konzeption die Geeignete zur Feststellung der gesellschaftlichen Wohlfahrt ist, müssen wir auf die Komponenten der individuellen und gesellschaftlichen Lebensqualität eingehen. Dabei muß ebenfalls das Verhältnis Bevor wir die
zwischen individuellem und kollektivem Wohlstand untersucht werden:
gesellschaftliche
Wohlstand als Summe der individuellen
dabei etwas hinzu,
was von
Ergibt sich der Komponenten oder kommt
überindividuellem Charakter ist?
Einleitend wurde bereits darauf hingewiesen, daß
jedem einzelnen von uns Schwieseiner eigenen individuellen Lebensqualität volles
rigkeiten bereitet, die Einflußfaktoren ständig zu bestimmen. Generell haben wir eine Vielzahl von Bedürfnissen, die es zu decken gilt. Zwar wird jedes Individuum eine unterschiedliche Bedürfnisstruktur, die auch im Zeitablauf ständigen Änderungen unterliegt, besitzen. Der Grad der Bedürfnisdeckung (= Bedürfnisbefriedigung) kann jedoch als Indikator für das Ausmaß an subjektiver Lebensqualität (Zufriedenheit, Glück, Einsamkeit, Ängste) dienen. Dabei wird ein Großteil der subjektiven Lebensqualität determiniert durch objektive Lebensbedingungen (Wohnung, Einkommen, Erwerbsstatus, Gesundheit).180 Zwar können schlechte gesellschaftliche Rahmenbedingungen individuell im Wege der Anpassung positiv verarbeitet werden (Zufriedenheitsparadoxon) et vice versa gute objektive Rahmenbedingungen nicht zu einem entsprechenden subjektiven Wohlbefinden (Unzufriedenheitsparadoxon) führen. Generell bedingt eine gute objektive Lebensqualität jedoch ein hohes Maß an subjektiver Bedürfnisdeckung.'8' Allerdings ist insbesondere in den Ländern, die durch eine lange Phase der ökonomischen Sicherheit und des Wirtschaftswachstums gekennzeichnet sind, feststellbar, daß die Umsetzung postmaterialistischer ,80In den deutschen Medien wurde im Frühjahr 1997 von einem Mann in Bulgarien berichtet, der ohne erkennbare organische Krankheiten, aber hochgradig deprimiert durch die schlechte individuelle und nationale wirtschaftliche Lage, nicht mehr sein Bett verließ und vor sich hinvegetierte. l8lSo auch Hauser, Richard: Zur Messung individueller Wohlfahrt und ihrer Verteilung, in: Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Wohlfahrtsmessung Aufgabe der Statistik im gesellschaftlichen Wandel, Band 29 der Schriftenreihe Forum der Bundesstatistik, Wiesbaden 1996, S. 18. -
4. Teil: Kritik an der
Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
209
Werte
(individualistischer Lebensstil, Kulturangebot, Umweltaspekte, Beteiligung an demokratischen Strukturen) entscheidend das Wohlbefinden der Bürger determiniert. Materialistische Interessen, wie die Verbesserung der individuellen Einkommensposition, werden dabei in den Hintergrund gedrängt. Der amerikanische Sozialwissenschaftler Ronald Inglehard liefert für diese Hypothese empirischen Belege. In der Abbildung 63 sind die Ergebnisse seines World Values Surveys, eine Datenreihe, die 70 Prozent der Weltbevölkerung erfaßt, dargestellt. Aus der Graphik wird deutlich, daß Bürger zum Beispiel aus Polen, Chile, Südkorea oder der Türkei nicht wesentlich unzufriedener sind als Japaner, die ein etwa zehnfach so hohes BSP realisieren konnten. Abb. 63: Index des
subjektiven Wohlbefindens
100 90 80
Nl
Irland
70
Island) Schweden
60
B
&
f
-Sp-
50
40
Polen
Japan
30 20
-3
=
10
0 I»
5000
10000 BSP pro
15000
Kopf 1991
20000
25000
30000
in US-Dollar
Legende: In: Indien; N: Nigeria; T: Türkei; C: Chile; S: Südkorea; Sp: Spanien; GB: Großbritannien; I: Italien; Nl: Niederlande; K: Kanada; D: Deutschland (alte Bundesländer); A: Österreich; Quelle: Inglehart, Ronald: Modernisierung und Postmodernisierung, Frankfurt am Main / New York 1998, zitiert in: Süddeutsche Zeitung, Nr. 67 vom 21./22. März 1998, Seite VI/1.
In der Tabelle 33 sind die einzelnen
Bedürfniskomponenten
und ihre Meßverfahren
aufgelistet. Eine objektive Messung unter Annahmen bedeutet in diesem Zusammenhang, daß mit einiger Sicherheit mit Hilfe tradierter Verfahren von externen Beobachtern das Bedürfnisbefriedigungsniveau festgestellt werden kann, während bei den Bedürfnissen, die in den Blöcken zwei bis vier enumerativ dargestellt sind, nur eine Mes-
210
4. Teil: Kritik an der
Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
Ermittlung der subjektiven Einschätzung möglich ist. Dies ist in der ReBetätigungsfeld der Zufriedenheitsmessung, das von Soziologen ausgeübt
sung durch die
gel das wird
182
Tabelle 33: Bedürfnisse und Meßverfahren
Messung Bedürfnisse
objektiv unter Annahmen
1) Besitzbedürfnisse
(Konsum, Vermögensbild.) Eigenproduktion Nutzung staatlicher Leistungen Vermögen Beschäftigung (Arbeitszeit und umstände) monetäres Einkommen
-
-
-
Freizeit
-
Wohnung Bildung Gesundheit Soziale Sicherheit Umwelt
2) Zugehörigkeitsbedürfnisse zu zu zu zu zu
einer Familie einer Gemeinschaft Freunden einer bestimmten Gesellschaft einer bestimmten Religionsgemeinschaft
3) Bedürfnisse nach Selbstverwirkliehung -
-
Leistung und Zielerreichung persönliches Ansehen Unersetzbarkeit, Bedeutung für andere Kinder haben
Mitwirkung an demokratischer Willensbildung -
politische Macht
4) Gesellschaftliche Bedürfnisse keine scharfen Antagonismen (innerer Frieden)_ keine Diskriminierung und keine ungerechtfertigten -
Privilegien_ -
gerechte Einkommensverteilung gerechte Vermögensverteilung äußerer Friede
Selbsterhaltung der Gesellschaft Quelle: Hauser, Richard:a.a.O.,
So auch Hauser, Richard: a.a.O., S. 21.
S. 19.
4. Teil: Kritik an der
Bei der
211
Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
Betrachtung der Tabelle wird evident, wie vielschichtig die individuelle und ge-
sellschaftliche Wohlfahrt ist. Das BIP erfaßt als Maßstab der volkswirtschaftlichen Produktion im
günstigsten Fall die materiellen Komponenten.
3. Methoden der Wohlstandsmessung
a) Das Bruttosozialprodukt als Wohlstandsindikator
(1) Zusammenhang zwischen Produktionsvolumen
und Einkommen
Wie bereits erwähnt stellen sowohl das Bruttosozial-
(BSP) als auch das Bruttoinland-
sprodukt (BIP) gesamtwirtschaftliche Produktions- und Einkommensindikatoren dar. Dabei erfaßt das Bruttoinlandsprodukt die in Marktpreisen oder in Anschaffungs- und Herstellkosten bewertete Produktion von Waren und Dienstleistungen abzüglich der (inländischen) Vorleistungen in den geographischen Grenzen der Bundesrepublik Deutschland. Zum korrespondierenden Bruttosozialproduktswert gelangt man, indem der Saldo der Faktoreinkommenm von Inländern im Ausland und Ausländern im Inland
zum
BIP addiert wird. Aus der Produktion und dem Absatz der Güter fließen den
einzelnen Wirtschafteinheiten Einkommen oder
um
Umsatzerlöse der
nachfrage handeln.
zu.
Vorleistungslieferanten
Je höher das BIP
es
sich z.B.
um
Gehälter
bzw. der Produzenten für die End-
ist, desto höher ist somit in der betrachteten
Volkswirtschaft die Summe der Einkommen
Bereitstellung von Dienstleistungen. dürfnisdeckung verwendet, so daß sich der
Hierbei kann
aus
der Produktion
von
Waren bzw.
Dieses Einkommen wird wiederum
zur
aus
Be-
die
(materielle) Lebensqualität der Einkommensbezieher verbessern kann. Deshalb läßt sich die Hypothese formulieren, daß ein BSP-Wachstum zu einem Anstieg der Lebensqualität führt und somit als Wohlstandsindikator dient. Im folgenden werden jedoch die Argumente aufgelistet, die gegen die
Verwendung
des statistisch erfaßten volkswirtschaftlichen Produktionsvolumens als
Wohlfahrtsmaß
sprechen.
(2) Probleme bei der Verwendung des Sozialprodukts als Wohlstandsmaß (a) Problem der Datenerhebung Das Statistische Bundesamt in Wiesbaden erstellt nicht alle Statistiken selbst, die sie im Rahmen der VGR verwendet, sondern greift auf sogenannte Sekundärstatistiken ande-
212
4. Teil: Kritik
an
der
Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
Institutionen zurück. Dabei kann
rer
Bezirksregierungen,
es
sich z.B.
um
Statistiken der Landesämter, der
der Finanz- und Zollämter oder der Industrie- und Handelskameinem anderen Zweck erstellt wurden und
Umrechnungen erforderlich machen und unter Umständen sehr zeit- und arbeitsintensiv sind. Da jedoch die VGR zumindest jeden Monat erstellt wird, ergibt sich somit eine Zielantinomie zwischen der Genauigkeit und Schnelligkeit der erhobenen Daten.
mern
handeln, die
aus
(b) Nichterfassung der Eigenleistungen privater Haushalte Arthur Cecil Pigou hat dieses Problem sehr anschaulich in dem von ihm formulierten Hausfrauenparadoxon dargestellt. Heiratet ein Mann seine Haushälterin, die auch nach der Hochzeit die identischen Dienstleistungen für ihn erbringt, sinkt das Sozialprodukt, ohne daß sich die Lebensqualität dieses Menschens ändert. Allein durch die Substitution
entgeltlicher BSP
durch
unentgeltliche
Arbeit und vice versa, wird also das
variiert, obwohl sich dadurch die Produktion
von
Waren bzw. die
ausgewiesene Bereitstellung
Dienstleistungen nicht ändert. In einer Volkswirtschaft existiert eine Fülle von Eigenleistungen privater Flaushalte, die aufgrund der Unentgeltlichkeit nicht in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechung erfaßbar ist. Dazu zählen zum Beispiel
von
•
die Nachbarschaftshilfe;
•
die Fahrt eines Studenten, der seinen Dozenten
zum
Bahnhof bringt, obwohl dieser
durchaus ein Taxi benutzen könnte; •
die
Verrichtung
von
Tätigkeiten
im
eigenen
Haushalt
(Staubsaugen,
Wäschewa-
schen, Putzen usw.) oder •
die
Renovierung
der
eigenen Wohnung
bzw. die
Reparatur
des Autos ohne Werk-
stattbesuch. Je nach
sozioökonomischen, demographischen oder kulturellen Gegebenheiten wird das
Eigenleistungen privater Haushalte unterschiedlich hoch sein. Dies beeinträchtigt jedoch die Möglichkeiten der Zeitreihenanalyse bzw. des internationalen Vergleichs. Das gesamtwirtschaftliche Produktionsvolumen eines Landes wie Bulgarien mit einem ausgewiesenen Sozialprodukt pro Kopf von $ 1.450 im Jahr 1996 ist im Vergleich zur Bundesrepublik Deutschland mit $ 30.300 aufgrund der wesentlich höheren 184 Eigenleistungen tendenziell zu niedrig bewertet. Somit ist eine bilaterale Analyse Ausmaß dieser
183
Der Saldo der Faktoreinkommen entspricht der Differenz aus den Erwerbs- und Vermögenseinkünften Inländern im Ausland minus den Erwerbs- und Vermögenseinkünften von Ausländern im Inland. Vgl. Fishburn, Dudley (Hrsg.): The World in 1997. The Economist Publications, London 1996, S. 85.
von 184
4. Teil: Kritik an der
Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
213
Verwendung der Zahlen aus der VGR nur eingeschränkt möglich. Auch wird mir der Leser zustimmen, daß kulturelle und religiöse Unterschiede das Ausmaß an Eigenleistungen beeinflussen und einen Vergleich zwischen Ländern mit ungefähr identischem Sozialprodukt beeinträchtigen.185 Allerdings ist eine monetäre Bewertung der Eigenleistungen nur eingeschränkt möglich, da die Marktpreise im Gegensatz zur unterdurch die
nehmerischen Produktion fehlen. Zwar ist ein Wertansatz über den Preis denkbar, den
Inanspruchnahme einer entgeltlichen Dienstleistung zahlen müßte. Dies unterstellt aber eine identische Qualität der Eigenleistungen und der potentiell nachfragbaren entgeltlichen Güter.
man
(c)
bei
Die
Nichtberücksichtigung der Schattenwirtschaft eines Landes Die im Schatten zahlen nicht dreistelliger Milliardenbetrag verloren
Durch Schwarzarbeit geht dem Staat ein
Quelle: Süddeutsche Zeitung Nr. 54 vom 06.03.98, S. 2.
Schwarzarbeiter kassieren 1998 in Deutschland 560 Milliarden DM Schattenwirtschaft erreicht 15 Prozent des Sozialprodukts / Experte: Gefahr für Demokratie Quelle: Süddeutsche Zeitung Nr. 41
Unter Schattenwirtschaft
vom
19.02.1998, S. 23.
(= Schwarzarbeit) wird über die Eigenleistungen der privaten
Haushalte hinaus der Teil der Produktion verstanden, der im Rahmen der offiziellen So-
zialproduktrechnung von den statistischen Ämtern nicht erfaßbar ist. Dies können u.a. durchaus honorige Tätigkeiten (z.B. die freiberufliche Tätigkeit als Unternehmensberater oder Dozent) sein, die allerdings z.B. aufgrund des Tatbestandes einer Steuerhinterziehung nicht von den statistischen Ämtern erfaßbar sind. Außerdem fließen alle illegalen
Tätigkeiten (z.B. Drogenhandel, Prostitution)
ein, deren Ausmaß Faktoren
l85Mit $ S.90.
von
abhängig ist.
1.540 ist das
Land
In der
zu
in den Bereich der Schattenwirtschaft
Land unterschiedlich ist und
von
einer Vielzahl
von
Bundesrepublik Deutschland ist der Bereich der Schatten-
BSP/Kopf im Iran in etwa auf dem Niveau von Bulgarien. Vgl. hierzu ders.: ebenda,
214
4. Teil: Kritik an der
Wirtschaft
zur
Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
stärksten Wachstumsbranche
geworden: Wird
Bargeldansatz zugrunde gelegt, stieg der
als
ihr Berechnungsgrundlage für die Ermittlung der Schwarzarbeit Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 1975, als er 6 % (oder 103,1 Mrd. DM) betrug, 1997 auf 15 Prozent (= 560 Mrd. DM). Eine Strukturanalyse der Schattenwirtschaft nach Branchen- und Wirtschaftszugehörigkeit kam für 1997 zu folgenden Ergebnissen: •
Bau, Renovierung und Reparaturen 44,6 %,
•
Landwirtschaft 3,4 %,
•
Gartenarbeit 4,0 %,
•
Nachhilfe / Musik 4,7 %,
•
Handwerkliche Arbeiten 4,7%,
•
Kraftfahrdienste 5,4 %,
•
Schreiben und Übersetzen 8,7 % sowie
sonstige Arbeiten 24,5 %.187 Im Vergleich zu anderen westeuropäischen Staaten rangiert Deutschland, was den Anteil der Schwarzarbeit an der Gesamtwertschöpfung betrifft, allerdings nur im Mittelfeld: Spitzenreiter ist, dicht gefolgt von Frankreich und Spanien, Italien, wo schätzungsweise jede vierte Lira am Finanzamt vorbeigeleitet wird. Über den Anteil der
•
Schattenwirtschaft in den mittel- und
osteuropäischen Staaten in Prozent des BIPs
1995
gibt die folgende Tabelle Auskunft.
'
Beim Bargeldansatz wird unterstellt, daß die Schwarzarbeit bar entlohnt wird und daß es mit einer Bargeldnachfragefunktion gelingt, die bar entlohnten Leistungen zu schätzen. Dieter Cassel aus Duisburg wählt eine andere Erhebungsmethode zur Berechnung der Schwarzarbeit. Er vergleicht die Angaben einer ganzen Branche mit individuellen Firmenangaben. Dabei werden sowohl die Leistungen von Garagenbastlern als auch Tätigkeiten im Rahmen der Nachbarschaftshilfe erfaßt, aber auch Produktionsbetriebe und Dienstleistungsunternehmen, die einen Teil ihrer Wertschöpfung buchhalterisch unter den Tisch kehren, um damit weniger Steuern zahlen zu müssen. Nach diesem Ansatz beträgt der Anteil der Schwarzarbeit in Deutschland für 1997 25 % (= 1 Billionen DM). Die amtlichen Erhebungen in Bonn erfassen hingegen nur die Fälle der Schattenwirtschaft, die aktenkundig geworden sind, so daß die Dunkelziffer im Rahmen dieser Methode unberücksichtigt bleibt. Vgl. hierzu Sturm, Norbert: Die im Schatten zahlen nicht, in: Süddeutsche Zeitung vom 6. März 1998, S. 2.
l8,Vgl. Schneider, Friedrich: Der Umfang der Schattenwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland, WiSt, Heft 2, Februar 1998, S. 53.
4. Teil: Kritik an der
Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
215
Tab. 34: Schattenwirtschaft in Prozent des BIPs 1995 Länder
Ukraine Rußland
Bulgarien Lettland
Ungarn Litauen Rumänien Folcil Estland Tschechien Slowakei
Schattenwirtschaft in Prozent des BIPs für 1995 49% 42% 36% 35 % 29% 22% 19% 13 % 12% 11 % 6%
Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft (Hrsg.): Mittel- und Osteuropa. Die sieben mageren Jahre sind vorbei, in: iwd. Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft, Jahrgang 24, Heft 9, Köln 1998, S. 4.
(d)
Die
Bewertung der staatlichen Produktion
zu
Anschaffungs-
und Herstellko-
sten
Ein Großteil der staatlichen Deshalb fehlen im das
Produktion188 wird unentgeltlich an die Bürger abgegeben.
Gegensatz zum privaten Unternehmenssektor Marktpreise, mit denen
mengenmäßige
öffentliche Produktionsvolumen bewertet wird. Das Statistische
Feststellung des monetären Wertes einer Hilfskonstruktion. Es werden die Anschaffungs- und Herstellkosten angesetzt, die notwendig sind, diese Güter und Dienstleistungen bereitzustellen. Die Problematik, die sich aus diesem Bewertungsansatz ergibt, läßt sich durch ein simples Beispiel verdeutlichen. Werden im öffentlichen Dienst die Gehälter der Bediensteten erhöht, steigt zwangsläufig um diesen Betrag der Wert der staatlichen Produktion, ohne daß dadurch mehr pro-
Bundesamt bedient sich deshalb
zur
duziert wurde. Ein weiteres Problem entsteht, daß keine Rückschlüsse
von
der Höhe der
Anschaffungs- und Herstellkosten auf die Qualität der bereitgestellten staatlichen Dienstleistungen zulässig sind. Die Leistungen einer Hochschule, die mit einem geringeren Subventionsbedarf auskommt als eine vergleichbare Institution, sind nicht zwangsläufig dadurch schlechter, sondern z.B. auf eine effizientere Bewirtschaftung der Mittel, niedrigere Dozentengehälter oder eine gestraffte Verwaltungsorganisation zurückzuführen.
216
4. Teil: Kritik
an
der
Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
Nichtberücksichtigung sozialer Erträge und Kosten Bei der Produktion von Gütern und der Bereitstellung von Dienstleistungen fallen zwangsläufig Schadstoff- und Lärmemissionen an. Die Folgekosten, die der Gesell(e)
Die
schaft
aus
diesen Emission entstehen oder entstehen könnten, werden als soziale Kosten
bezeichnet. Hierzu zählen
kungen
unter
anderem
Aufwendungen
zur
Beseitigung
der Emissionen auf die menschliche Gesundheit oder der Einbau
schutzmaßnahmen
der Auswirvon
Schall-
Lärmreduzierung. Dabei prägen z.B. die industrielle Struktur eines Landes, die staatliche Infrastrukturpolitik oder die verwendeten Umwelttechnologien das Ausmaß an sozialen Kosten. Ceteris paribus wird das Wohlstandsniveau in der Volkswirtschaft am höchsten sein, die die geringsten Schadstoff- und Lärmbelastungen zur
aufweist.
sonstigen Reparaturaufwendungen Die Entwicklung der Umweltqualität eines Landes bleibt in der Sozialproduktsrechnung unberücksichtigt. Auf der anderen Seite werden aber Sanierungsmaßnahmen, die aufgrund einer verminderten Umweltqualität (z.B. Altlastensanierung) zur Wiederherstellung des vorherigen Niveaus durchgeführt werden, wohlstandssteigernd erfaßt. Analog geht die VGR bei der Bewertung von (Verkehrs-)Unfällen vor. Die Unfallhäufigkeit und die Schwere der Unfälle korreliert positiv mit den Reparaturaufwendungen und Krankheitskosten, die wohlstandssteigernd in die Sozialproduktsrechnung einfließen. Keineswegs führen diese Kosten jedoch zu einer verbesserten Lebensqualität, da durch diese Beträge im besten Fall nur der Zustand erreicht wird, den die Umwelt, die Gesundheit, das verunfallte Fahrzeug vor dem Schadenseintritt hatte. Der Wohlstandseffekt solcher Ausgaben kann nur exakt berechnet werden und mit richtigem Vorzeichen in die Sozialproduktsrechnung einfließen, wenn z.B. die Entwicklung der Umweltqualität den Aufwendungen zur Beseitigung der ökologischen Schäden gegenübergestellt (f)
Der Wertansatz von Umweltschäden und
wird und beide Positionen miteinander verrechnet werden. Ansonsten wird sich der Wohlstand
analog dem Ausmaß der Umweltschäden und Verkehrsunfälle entwickeln.
(g) Inflation, Deflation und Wechselkurse Ein Wachstum des nominalen Bruttosozialprodukts kann durchaus allein aus einem Anstieg der Preissteigerungsrate eines Landes resultieren. Deshalb müssen die ausgewiese188
Dieser Teil der staatlichen Produktion wird auch als
Eigenverbrauch des
Staates oder als Staatskonsum
4. Teil: Kritik an der
Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
217
preisbereinigt werden). Allerdings ist damit keineswegs das Problem gelöst, da es in einigen Ländern eine Vielzahl von Manipulationsmöglichkeiten bezüglich des statistischen Ausweises der Inflationsrate gibt. Zum Beispiel ist es Italien 1996 gelungen, die offiziell ausgewiesene Inflationsrate gegenüber 1995 von 4,2 % auf 2,4 % zu drücken und damit ein Konvergenzkriterium für die Europäischen Währungsunion zu erfüllen, indem es die Zusammensetzung des Warenkorbes, der als Grundlage für die Berechnung der Lebenshaltungskosten dient, verändert hat. So ist der Anteil der Ausgaben für die Gesundheitsvorsorge, deren Preise von staatlicher Seite festgelegt werden, von unter 2 auf 5 % der Gesamtausgaben erhöht worden. Wird dieser Effekt herausgerechnet, wäre die Inflationsrate auf fast dem identischen Niveau des Vorjahres. Für den internationalen Vergleich ist außerdem eine Umrechung der in heimischer Währung ausgewiesenen Sozialproduktswerte in eine einheitliche Währung erforderlich (z.B. Dollar, Euro, Schweizer Franken). Durch Devisenbewirtschaftung bzw. Kapitalverkehrskontrollen ergibt sich jedoch für eine Vielzahl von Währungen der entsprechende Wert nicht durch Angebot und Nachfrage nach den jeweiligen Sorten oder Devisen, sondern wird von politischer Seite mehr oder weniger stark manipuliert. Hier stellt sich dann die Frage, welcher Wechselkurs als Grundlage
nen
nominellen Werte deflationiert (d.h.
dienen kann.
(h) Die fehlende Berücksichtigung der Zeitallokation In der Volkswirtschaftlichen
Gesamtrechnung
wird
zwar
das Produktionsvolumen auf
nationaler Ebene monetär bewertet, die durchschnittliche wöchentliche,
jährliche bzw. Lebensarbeitszeit eines Arbeitnehmers, die notwendig ist, um die Bereitstellung von Gütern und Dienstleistungen zu realisieren, wird dabei nicht festgestellt. Das Ausmaß an Freizeit ist jedoch eine entscheidende Determinante für das individuelle Wohlstandsniveau.
(i) Produktion
und
Wer den Wert des
Einkommensverteilung Sozialprodukts analysiert, kann nicht feststellen,
Weise das Einkommen
aus
Dienstleistungen verteilt ist
bzvv. Staatsverbrauch bezeichnet.
der Produktion
von
Gütern und der
auf welche Art und
Bereitstellung
von
und wie sich die Einkommensdistribution im Zeitablauf än-
218
4. Teil: Kritik an der
Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
dert.189 So existieren Volkswirtschaften in denen ein Großteil der Einkommen von dem Bevölkerung realisiert wird. In Brasilien erwirtschaften die ,.oberen Fünf-Prozent der Bevölkerung" 95 Prozent des Gesamteinkommens innerhalb dieses Landes. Somit partizipiert nur der geringste Teil der Bevölkerung an einer Steigerung des gesamtwirtschaftlichen Produktionsvolumens. Eine Einkommensverteilung, die sich gleichmäßiger über die Gesamtheit der Bevölkerungsschichten vollzieht, hätte bei einer identischen Sozialproduktssteigerung eine Verbesserung der Einkommen einer deutlich größeren Bevölkerungsgruppe zur Folge. Auch die Entwicklung der Einkommensdistribution, wie sie sich derzeit in den Vereinigten Staaten abspielt190, kann mit Hilfe einer eindimensionalen Größe, wie dem Bruttosozialprodukt, nicht berücksichtigt weiden.
kleinsten Teil der
(j)
fehlende ten
Trennung
zwischen wohlstandsunwirksamen staatlichen bzw.
priva-
Vorleistungskäufen191 und der entsprechenden Endnachfrage
Erfassung der Produktionsaktivitäten privater Unternehmen werden inländische Vorleistungskäufe in der Sozialproduktsrechnung nicht erfaßt. Ansonsten würde dies zu Doppelzählungen führen, da die Aufwendungen für den Erwerb dieses Inputs bereits im Absatzpreis enthalten sind. Im Sektor der privaten Haushalte als auch im staatlichen Bereich wird hingegen nicht zwischen Vorleistungskäufen und der Endnachfrage unterschieden. Sämtliche Kosten für die Konsumtion und alle Aufwendungen für die staatliche Produktion fließen wohlfahrtssteigernd in die Endnachfrage und damit in das Sozialprodukt ein. Dabei werden in beiden Bereichen eine Vielzahl von Aktivitäten durchgeführt, die keineswegs wohlstandssteigernd sind. Sie haben Vorleistungscharakter und weiden deshalb im angelsächsischen Sprachraum als ..regrettable necessities" bezeichnet. Im privaten Bereich zählen z.B. dazu: Im Rahmen der
189 Dies war einer der Hauptkritikpunkte Samuelsons an der der Verwendung der Sozialproduktsrechnung als Wohlstandsmaß. Vgl. hierzu Samuelson, P.A.: Evaluation of Real National Income, in: Oxford Economic Papers, New Series, 2(1), 1950, S. 1-29 und ders.: The Evaluation of „Social Income'" Capital Formation and Wealth; in: F.A. Lutz / D.C. Haig (Hrsg.): The Theory of Capital, London 1961. -
""Die Reaganomics sowie die nachfolgende angebotsorientierte Wirtschaftspolitik Ende des alten Jahrtausends führten in den 80er Jahren zu einer deutlichen Verschlechterung der absoluten und relativen Einkommensposition der Bezieher niedriger Einkommen, während die gehobenen Einkommensschichten real deutliche Einkommenszuwächse in dem Betrachtungszeitraum realisieren konnten. l9lAls Vorleistungen bezeichnet man den Wert aller Waren und Dienstleistungen, die von inländischen Wirtschaftssubjekten fremdbezogen und im Betrachtungszeitraum im Rahmen der Produktionstätigkeit
verbraucht wurden. Hierzu zählt das Statistische Bundesamt z.B. neben den Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen auch Transport- und Anwaltskosten, Post- und Telefongebühren und gewerbliche Mieten. Vgl. hierzu
4. Teil: Kritik
an
der
Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
Arbeitsplatz und
•
die tägliche Fahrt
•
die Aufwendungen für Bildungseinrichtungen und Arbeitskleidung.
zum
219
Im Staatssektor sind dies z.B. •
•
•
Aufwendungen für die Infrastruktur, ein Teil der Aufwendung für die innere und äußere Sicherheit und für die Gesundheitsvorsorge. bestimmte
schwer, festzustellen, ob im staatlichen und privaten Bereich eine Ausgabe Vorleistungscharakter hat, oder wohlstandssteigernd in der Endnachfrage Dabei fällt
es
im Einzelfall
erfaßt werden muß. Die
Ausführungen
lassen erkennen, daß das
Bruttosozialprodukt
Wohlstandsindikator verwendet werden kann. Dies ist
zum
nur
eingeschränkt
einen auf die fehlenden
als
mo-
Bewertungsmöglichkeiten von Faktoren zurückzuführen, die die Lebensqualität mitbestimmen. Gleichzeitig werden Aufwendungen zur Beseitigung von Umwelt- und Reparaturschäden mit falschem Vorzeichen angesetzt. Die im folgenden angeführten Alternativkonzepte resultieren aus der Kritik an der Sozialproduktsrechnung als Wohlnetären
standsindikator.
b) Alternativmethoden der Wohlstandsmessung Eine Gesamtübersicht -
Einleitend ist
festgestellt worden,
Bruttosozialprodukt nur Teilbereiche des nur äußerst eingeschränkt die facettenreiche
daß das
materiellen Wohlstandes erfaßt und somit
Bürger eines Landes beschreiben kann. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Frage, welche Alternativkonzepte zur Wohlstandsmessung angewendet werden und wodurch sie sich vom traditionellen Konzept der VGR unterscheiden. Abbildung 64 auf der Seite 219 bietet hierzu einen Überblick. Gemeinsam ist allen aufgelisteten Konzepten, daß sie die Derminanten der Lebensqualität systematisieren. Während sowohl die Indexmethode als auch die Korrekturen an der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung eine Bewertung und Zusammenfassung der einzelnen WohlstandskomWohlfahrt der
ponenten vornehmen, verzichtet die Methode der Sozialen Indikatoren darauf. Hier
Bestimmungsfaktoren systematisch aufgelistet, ohne Bewertung und Zusammenfassung zu einem quantifizierbaren Maß erfolgt.
werden die einzelnen
Statistisches Bundesamt baden 1996, S. 637.
(Hrsg.):
Statistisches Jahrbuch 1996 für die
daß eine
Bundesrepublik Deutschland,
Wies-
220
4. Teil: Kritik an der
Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
Die beiden derzeit dominierenden Methoden der
Wohlstandsmessung, die Indexmethode und die Korrekturen am Sozialprodukt, verfolgen hingegen das Ziel, das Wohlstandsniveau in einer einzigen Zahl zu beschreiben, also eine eindimensionale Messung vorzunehmen.
gewichtet die einzelnen Faktoren mit Hilfe einer Punktskala und faßt durch die Berechnung des arithmetischen Mittels die Teilaspekte der Lebensqualität zu einer Punktwert zusammen. Unter diesen Voraussetzungen ist ein transitiver Vergleich der (Gesamt)Wohlfahrt in der Zeit bzw. zwischen einzelnen Regionen möglich. Durch die Bewertung der einzelnen Teilkomponenten durch Punkte wird die Indexmethode auch als Nicht-Geldrechnung bezeichnet. Wie sich aus der Bezeichnung „Korrekturen am Sozialprodukt" schließen läßt, dient als Grundlage dieser Konzeption die VGR i.e.S.. Ausgangspunkt ist somit das jeweilige Inlands- bzw. Sozialprodukt, das in Geldeinheiten (z.B. in der jeweiligen Landeswährung oder in US-$) bewertet das volkswirtschaftliche Produktionsvolumen ausdrückt. Auf dieser Basis werden bei den Korrekturen Positionen, die negativen (z.B. Schadstoff- und Lärmemissionen) bzw. positiven (z.B. nichtentgeltliche Tätigkeiten, der Wert der Freizeit) Einfluß auf die Gesamtwohlfahrt haben, vom Sozialprodukt abgezogen bzw. hinzuaddiert. Die Bewertung der Korrekturpositionen erfolgt aber auch hier in
Die Indexmethode
Geldeinheiten. Deshalb zählt die beschriebene Methode, wie die VGR i.e.S.,
Geldrechnungen.
zu
den
Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
4. Teil: Kritik an der
Zuerst möchte der Verfasser en detail auf das
221
System der sozialen Indikatoren eingehen.
Abb. 64: Methoden der Wohlstandsmessung
Inhaltliche, gemeinsame Ebene
Systematisierung von Komponenten (Aspekten) der Lebensqualität (des Wohlstandes)
Entscheidung
„Bewertung" der Komponenten und „Zusammenfassung"
über die Dimensionalität
Geldrechnung oder Nicht-
Geldrechung
Bewertung in Geld- und Berücksichtigung von Positiv- und Negativpositionen
Verzicht auf eine
Zusammenfassung
„Soziale Indikatoren"
Vergabe von „Punktzahlen" u. Addition (Mitte-
lung) der Punktzahlen
Korrekturen am
"
Indexmethode
Sozialprodukt
T
•
Wohlfahrtsmaße
•
„Folgekosten"
•
1
„Ökosozialprodukt" (ÖSP)
Quelle: Lippe, Peter von der: Statistische Wohlfahrtsindikatoren Die Messung des Lebensstandards, in: Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Wohlfahrtsmessung Aufgabe der Statistik im gesellschaftlichen Wandel, Band 29 der Schriftenreihe Forum der Bundesstatistik, Wiesbaden 1996, S. 42. -
-
(1) Das System der sozialen Indikatoren (a) Darstellung des Systems sozialer Indikatoren Das System der sozialen Indikatoren wurde Ende der 60er Jahre entwickelt, die lt. von der Lippe durch ein hohes Maß an Planungs- und Reformeuphorie und durch die Vor-
stellung geprägt waren, daß eine rationale Politik ohne statistisches Datenmaterial nicht möglich sei.192 Vor diesem Hintergrund wurde eine Methode konzipiert, deren primäre Funktion darin besteht, „ein Beobachtungsraster und geeignete Daten bereitzustellen, die es erlauben, Zustand und Entwicklung der objektiven Lebensbedingungen sowie der Vgl. Lippe, Peter von der: a.a.O., S. 43. '
222
4. Teil: Kritik an der
Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
subjektiven Lebensqualität der Bürger dieser Gesellschaft im Sinne eines regelmäßigen Monitoring zu messen, zu beschreiben und zu analysieren"193. Dabei gehen die Konstrukeure zwar nicht davon aus, daß die Liste der Maßgrößen (=Indikatoren) die Wohlfahrt vollständig erfaßt. Allerdings sollen durch diesen Katalog der Grad der Erreichung wohlfahrtsbezogener gesellschaftlicher Werte und Ziele festgestellt werden. In der Abbildung 65 (Seite 222) ist die in den 70er Jahren entwickelte Sozialindikatorenliste der OECD dargestellt. Sie besteht aus insgesamt acht politischen und gesellschaftlichen Zielbereichen, die nach Auffassung der Konstrukteure von zentralem gesellschaftspolitischen Interesse sind und die die individuelle Wohlfahrt entscheidend mitprägen. Die Indikatoren versuchen die Zielbereiche zu operationalisieren. Somit ist ein Soll-Ist Vergleich möglich, der die Entwicklungstrends in einer Gesellschaft feststellen läßt. Die Operationalisierung der Ziele erfolgt bei diesem System sukzessive in mehreren Stufen. Über die Komplexität dieses Verfahrens gibt die Abbildung 66 (Seite 223) Auskunft. Hier unternimmt die OECD den Versuch, das Ziel „Entwicklung der Persönlichkeit durch Bildung" in 3 Stufen faßbar werden zu lassen. Das System der sozialen Indikatoren wird ständig modifiziert und erweitert. Insbesondere wird in letzter Zeit der Versuch unternommen, subjektive Wohlfahrtskomponenten und Indikatoren der wahrgenommenen Lebensqualität systematisch einzubeziehen.194 Das für Deutschland derzeit durch das Zentrum für
Umfragen, Methoden
(ZUMA) in Mannheim angewandte System umfaßt 13 als ultimate goals. Zu ihnen zählen: Bevölkerung, • Sozioökonomische Gliederung und Schichteinstufung, Arbeitsmarkt und Beschäftigungsbedingungen, • Einkommen und seine Verteilung, Einkommensverwendung und Versorgung,
sen
und Analy-
Lebens- und Politikbereiche
•
•
•
•
Verkehr,
•
Wohnung,
l93Vgl.
Webseiten des Zentrums für Umfragen, Methoden und Analysen in Mannheim; hier lich zitiert aus http://www.zuma-mannheim.de/data/social-indicators/daten/indieinf.htm, S.l.
speziell
wört-
,94Die Messung der individuellen Lebensqualität läßt sich für eine Gesellschaft nur durch eine Repräsentativumfrage vollziehen. Der letzte Wohlfahrtssurvey wurde für die alten und neuen Bundesländer 1993 vom Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) und dem ZUMA in Mannheim durchgeführt. Diese Umfrage hat einen Stichprobenumfang von 3062 Befragten, davon 2046 aus den alten Bundesländern. Vgl. http://www.zuma-mannheim.de/data/social-indicators/daten/indieinf.htm, S. 2.
4. Teil: Kritik an der
•
•
•
Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
223
Gesundheit,
Bildung, Partizipation,
•
Umwelt,
•
Öffentliche Sicherheit und Kriminalität sowie
•
Freizeit und Mediennutzung.
Ergänzt wird dieser umfangreiche Zielkatalog durch 330 Indikatoren und über 1000 Zeitreihen.'95 Seit August 1995 sind diese Daten per EDV in Form des Digitalen Informationssystems Soziale Indikatoren (DISI) erfaßt und dem externen Beobachter zugänglich, so daß durch computergestützte Sortier- und Suchfunktionen die Transparenz dieses komplexen Systems erhöht werden konnte. Als letztes sei in diesem Zusammenhang das System der „Social Indicators of Deve-
lopment" der Weltbank erwähnt. Es umfaßt für wicklung von 94 Indikatoren'96 in 170 Ländern.
Vgl. S.
1 der Webseite
den Zeitraum 1965 bis 1993 die Ent-
http://www.zuma-mannheim.de/data/social-indicators/daten/indieinf.htrn.
l96Diese Indikatoren umfassen z.B. Daten über die Einwohnerzahl, das Bevölkerungswachstum und die Struktur der Bevölkerung, die Fertilitätsrate, die Kindersterblichkeit, die Arbeitnehmerschaft, die Ausbildung und die Analphabetenrate, die Rohstoffvorkommen; Ausgaben für Lebensmittel, Miete, Transportund mittel und Kommunikation, Gesundheitsvorsorge Vgl. Erziehung. http://www.ciesin.org/IC/wbank/sid-home.htm, S. 1. Auch diese Daten sind seit 1995 per Diskette und CD-ROM verfugbar.
224
4. Teil: Kritik an der
Abb. 65: Zielbereiche,
Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
gesellschaftliche Anliegen und Indikatoren nach der Sozialindikatorenliste der OECD
Gesellschaftliches
Anliegen
It. Indikatorenliste 1980
Anliegen
Die Wahrscheinlichkeit
Gesundheit
heillich guter
Indikatoren It. Indikatorenliste 1980 (1) Lebenserwartung im Aller
eines Lebens in gesundVerfassung während aller Lebens-
vun
0,1,20,40,60 Jahnen)
Sterblichkeit_
(2) Perinatale
sladien
Gesundes Leben
(1) Vorübergehende Gesundheilsstörung
(2) Dauernde Gesundheitsstörung
Entwicklung der Persönlichkeit durch Lernen
Die Aufnahme, Bewahrung und Vertiefung von Grund- und weiteren Kenntnissen, Fertigkeiten und siulichen Werten, wie sie für die Eniwicklung der Persönlichkeit und ein erfolgreiches Tätigwerden als Mitglied der gesellschafl erforderlich
_sind._ Die zur Verfügung stehenden organisatorischen Einrichtungen zur Aufnahme, Bewahrung und Vertiefung von Kennmissen und Fertigkeiten, wie sie für die Entwicklung der Persönlichkeit und ein erfolgreiches Täligwerden als Mitglied der Gesell-
I)
Ausbildung
Alphabetisierung
(1) Dauer der Ausbildung (2) Teilnahme an Erwachsenbil-
dungsprogrammen
schaft erforderlich sind, und die Bereitschaft des
einzelnen, diese Einrichtungen zu
Erwerbstätigkeit und Qualität des
Die
nutzen.
Verfügbarkeit von Erwerbslätigkeii für diejenigen, die sie wünschen.
Verfügbarkeit von Erwerbsläligkeil
Arbeitslebens Die
Qualität des Arbeiislebens
Qualität des Arbeitslebens
(1) Arbeitslosigkeit (2)
Unfreiwillige Teiizeilarbeii
(3) Verdeckte Arbeitslosigkeit (1) Arbeitszeit
Arbeitsplatz
(2) Wegezeil
zum
ertagsarbeil,
Nachlschichl
(3) Bezahlter Urlaub (4) Schichtarbeit, Sonn- und Fei-
(atypi-
sche Arbeitszeiten) (5) Verteilung des Arbeitseinkommens (6) Tödliche Arbeitsunfälle
Zeit und Freizeit Wirtschaftliche Situation des einzel-
Das Vorhandensein einer talsächlichen Wahl hinsichtlich der Zeiteinteilung Persönliches Einkommen und
Zeiteinteilung
am
Arbeitsplatz
(2) Beteiligung an Freizeilaklivitäten
(1) Verteilung des
Vermögen
verfügbaren
Einkommens
(2) Empfänger niedriger Einkommen
nen
Vermögen Die Zahl der Personen, die
Mangel
Physische Umwelt
Die
vom
unter
materiellem
Materieller
leiden
Menschen geschaffene Umwell.
Mangel
Wohnverhältnisse
von
Diensllei-
slungseinnchlungei
Umweltbelastung
Primäre und sekundäre gesellschaftliche Bindung_ Persönliche Sicherheit und Rechts-
Primäre und sekundäre
gesellschaftliche Bindung
Das unsachlich eingetretene
Opfer der einzelnen
Subjektive Einschätzung der Bedrohung durch Gewalttätigkeit
(I)
Vermögensverteilung
(2) Personen mit geringem
Ein-
kommen
(1) Wohnraumbelegung (2) Zugang zu Erholungsplälzen
_
Nähe
pflege
(7) Gefährdung (1) Freizeit
Gesellschaftliche Bin-
im Freien (3) Wohnausstauung_ (I) Erreichbarkeil von Diensllei-
slungseinrichlungen (1) Luftverschmutzung (2) Lärm bei äsiigung (I) Selbstmord
dung Gefährdung
Wahrgenommene
Bedrohung
(t) Tödliche Verletzungen (2) Schwere Verletzungen
(I) Befürchtungen
um
liche Sicherheil
Quelle: Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Wirtschaft und Statistik, 8/1981, S. 708.
die persön-
4. Teil: Kritik an der
Abb.66:
Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
225
Operationalisierung des Ziels „Entwicklung der Persönlichkeit durch Bildung" im Rahmen des Systems sozialer Indikatoren der OECD
B. Entwicklung der Persönlichkeit durch Bildung H-l Erwerb des Grundwissens, der Fertigkeiten und B-l-a Der Umfang in dem Kinder aus ökonoder Werte, die für die individuelle Entwicklung und misch und sozial benachteiligten Familien dir ein erfolgreiches Leben aller Kinder in der Gesellgrundsätzlichen Leistungsvoraussetzungen erschaft notwendig sind_ reichen B-l-b Der Umfang, in dem die physisch und psychisch Behinderten eine Erziehung fur ihren individuellen Lemprozess und für eine effekti-
Teilnahme am gesellschaftlichen Leben erfahren B-l-c Der Anteil der anderen Kinder, die die vere
grundsätzlichen Leistungsvoraussetzungen
er-
reichen. B-2
Chancen zur Fortführung der Selbstund die Neigung der Einzelnen davon Gebrauch zu machen B-3 Die Erhaltung und Entwicklung der Kenntnisse, Fertigkeiten und Flexibilität aller Individuen, die notwendig sind, um ihr ökonomisches Potential auszuschöpfen und sie zu befähigen, sich selbst, falls sie es wünschen, in den Wirtschaftsprozeß ein-
entwicklung
zugliedern._
B-4 Die Zufriedenheit des Einzelnen mit dem individuellen Bildungsprozeß für solche, die sich in der
Ausbildung befinden_ B-S Die Erhaltung und Entwicklung des kulturellen Erbes, damit dieses einen positiven Beitrag zum
Wohlbefinden der Mitglieder verschiedener gesellschaftlicher Gruppen liefert_
Quelle: OECD (Hrsg.): List of Social Concerns Common to Most OECD Countries, The OECD Social Indicator Development Programme, Volume No. 1, Paris 1973, S. 14ff.
(b) Kritik am System sozialer Indikatoren Wie bereits erwähnt, unterbleibt in diesem System
Summenbildung der angeführten Indikatoren zu einem Gesamtwohlstandsmaß. Dadurch ist ein transitiver Vergleich der gesellschaftlichen Wohlfahrt mehrerer Volkswirtschaften nicht möglich. Die Multidimensionalität dieser Konzeption, sowie deren ständige Erweiterungen und Modifikationen verringern die Übersichtlichkeit für den Betrachter. Wird das fndikatorsystem der Weltbank betrachtet, so hängt die Wahl der Maßgrößen im entscheidenden Maß von der Verfügbarkeit des Datenmaterials ab. Außerdem läßt sich über die jeweilige Operatioeine
nalisierung eines Zielbereiches streiten. Betrachten wir zum Beispiel das gesellschaftliche Anliegen „Entwicklung der Persönlichkeit durch Lernen", so ist es durchaus diskussionswürdig, ob die Zielerreichung anhand der Länge der Ausbildung festgestellt werden soll.
226
4. Teil: Kritik an der
Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
(2) Korrekturen am Sozialprodukt Aus der Kritik
Sozialprodukt als Wohlstandsmaß ergaben sich zu Beginn der 70er Jahre erste Reformkonzepte. Hierzu zählen insbesondere das Measure of Economic Welfare Konzept (MEW) von Nordhaus und Tobin197 als auch die Arbeiten des japanischen Net National Weifare (NNW) Measurement Komitees198, die hier aufgrund der analogen Vorgehensweise nicht explizit dargestellt werden. Seit dem Bericht der Brundtland-Kommission 1987, in dem ein Leitbild der nachhaltigen Entwicklung (sustainable development) unter Berücksichtigung umweltökonomischer und entwicklungspolitischer Aspekte konzipiert wurde, steht die Erfassung der umweltpolitischen Kosten von Produktion und Konsumtion im Vordergrund. Mit Hilfe des Ökosozialprodukts soll eine Maßgröße entwickelt werden, die diese Aufwendungen berücksichtigt. am
(a) Das Measure of Economic Welfare Konzept
MEW-Maßgröße wird deutlich, daß die Konzeption aus der Kritik an dem herkömmlichen Sozialprodukt erwuchs. Ausgangspunkt der Wohlstandsmessung ist auch hier die Ermittlung des nationalen Produktionsvolumens in Form von Werten wie dem BSP oder dem GDP im angelsächsischen Raum. Um jedoch Doppelzählungen zu vermeiden, wird eine Neuklassifizierung von Zwischen- und Endprodukten vorgenommen, indem 1) die nicht wohlstandswirksamen regrettable necessities herausgerechnet und damit im MEW unberücksichtigt bleiben, 2) öffentliche und private Aufwendungen für Ausbildung und Gesundheit als Bruttoinvestitionen in Humankapital erfaßt werden, und schließlich 3) dauerhafte Konsumgüter nicht mehr als Endprodukte, sondern als Kapitalgüter begriffen werden. Dadurch wird das paradoxe Resultat vermieden, daß eine VerkürAn der
Darstellung der Konstruktion
zung der Lebensdauer dieser Güter
der
zu
einer
Erhöhung des MEW führt.
Unterstellte Werte für
1) Freizeit, 2) Eigenproduktion der Haushalte und 3) Kapitaldienste dauerhafter Konsumgüter Vgl. Nordhaus, W. Tobin, J.: Is Growth obsolet?, in: National Anniversary Colloquium Series, Economic Growth, New York 1972. ,
"8
Bureau of Economic Research 50th
Vgl. NNW Measurement Committee: Measuring Net National Welfare of Japan, Tokio
1973.
4. Teil: Kritik an der
Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
positiven Niederschlag im MEW. Schließlich erfolgt eine Korrektur um die Kosten, welche die Nachteile des Städten, hervorgerufen durch Schadstoff- und Lärmemissionen, verursachen.
227
finden einen
Lebens in
(b) Das Ökoinlandsprodukt Neben dem Phänomen der
Arbeitslosigkeit spielt
der Umweltschutz eine bedeutende
Rolle in der wirtschaftswissenschaftlichen Problemdiskussion. Deshalb ist
wunderlich, daß als Korrektur
zum
herkömmlichen Sozialprodukt der
es
nicht
ver-
Ökologieaspekt
berücksichtigt wird. Berechnung des Ökoinlandsproduktes (ÖIP) ist es, das „Nachhaltigkeitskriterium" der ökonomischen Entwicklung auf die Volkswirtschaftliche
Ziel bei der Konstruktion und
Gesamtrechnung anzuwenden, um eine Maßgröße für die ökologisch nachhaltige Produktion unter Berücksichtigung bisher nicht erfaßte Umweltkosten zu entwickeln.199 In diesem Zusammenhang wird ein zweistufiges Bewertungsverfahren praktiziert: 1) Zur Sicherung eines umweltbezogenen Wohlfahrtniveaus werden ökologische Ziele definiert.
2) Danach sind die sogenannten potentiellen bzw. hypothetischen Vermeidungskosten
Aufwendungen, die notwendig wären, um Emissionen zu vermeiden, die die Umweltstandards verletzen.200 Somit kann ein ökologisch modifiziertes Inlandsprodukt als Zielvorgabe bestimmt werden, in der eine höchstmögliche volkswirtschaftliche Ausbringungsmenge unter der Einhaltung von ökologischen Vorschriften postuliert wird. Der Wert des ÖIP stellt keinen faktischen Produktionswert dar und korreliert negativ mit dem Ausmaß an Umweltstandards als Restriktionen. Als Basis zur Feststellung des ÖIP dient eine erweiterte zu
bestimmen. Hierbei handelt
es
sich
um
Gesamtrechnung, wie sie z.B. vom Statistischen Amt der UNO in Form des System of Integrated Environmental and Economic Accounting praktiziert wird.201 Umwelt- und Volkswirtschaftliche
199
Vgl. Leipert, Christian: Forschungsprojekt
zur
Modifizierung
der volkswirtschaftlichen Gesamtrech-
Ökoinlandsproduktes, in: Institut und Vereinigung für ökologische WirtWirtschaften, Ausgabe 2 /l997, Berlin 1997, S. 27. (Hrsg.): Ökologisches schaftsforschung nung. Der fiktive Charakter des
200Vgl. Leipert, Christian: a.a.O., S. 27. (SEEA). Handbook of Na20lVgl. United Nations: Integrated Environmental and Economic Accounting 1993. tional
Accounting. Studies in Methods, Series F, No. 61, New York
228
4. Teil: Kritik an der
Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
Berechnung des ÖIP aus dem, in schaftlichen Gesamtrechnung ausgewiesenen, Bruttoinlandsprodukt dar. Abbildung
67 stellt schematisch die
Abb. 67:
der Volkswirt-
Berechnung des Ökoinlandsprodukts Bruttoinlandsprodukt
Abschreibungen auf das reproduzierbare Produktiwermögen -
Nettoinlandsprodukt
=
+
Bruttoinvestitionen in das Naturvermögen
„Abschreibungen"
(Wiederherstellungsausgaben)
auf die Abnutzung des Naturvermögens (potentielle Vermeidungskosten)
-
=
Ökoinlandsprodukt
Quelle: Leipert, Christian: Forschungsprojekt zur Modifizierung der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung. Der fiktive Charakter des Ökoinlandsproduktes, in: Institut und Vereinigung für ökologische Wirtschaftsforschung (Hrsg.): Ökologisches Wirtschaften, Ausgabe 2 /1997, Berlin 1997, S. 30.
(c) Kritik an der Methode des korrigierten Sozialprodukts Während das MEW
Konzept eine Vielzahl von Korrekturposten
Sozialprodukt anLebensqualität durch die Verzum
fügt, wird beim Ökosozialprodukt nur der Verlust an schmutzung der Umwelt ermittelt. Nach Auffassung des Verfassers ist es beiden Verfahren nicht gelungen, alle wohlfahrtsrelevanten Komponenten und sei es nur in dem ökologischen Teilbereich zu berücksichtigen und monetär zu bewerten. Derzeit existiert keine Konzeption, die dies nur annähernd geschafft hat. Zwar unternehmen Nordhaus und Tobin den Versuch, öffentliche Ausgaben mit Vorleistungscharakter (öffentliche Sicherheit, Landesverteidigung) als nichtwohlstandsrelevant herauszurechnen. Die Festlegung der Quote auf 50 % der Gesamtausgaben dieser Etatposten, die als regrettable necessities definiert werden, basiert jedoch auf rein willkürlichen Überlegungen und ist keineswegs empirisch fundiert. -
-
Abschreibungen auf den privaten Konsum vorgenommen. Hierbei handelt es sich um Aufwendungen wie die Kosten für Arbeits-' kleidung, Wegekosten für die Fahrt zum Arbeitsplatz und Ausgaben für den Alkoholund Nikotin-Konsum.202 Sie stellen Werbungskosten dar, die der Wiederherstellung der Arbeitskraft dienen bzw. als Kosten für die Durchführung der Erwerbstätigkeit notwenGleichzeitig
'"
werden in
neuerer
Zeit auch
Vgl. Lippe, Peter von der: a.a.O., S. 66f.
4. Teil: Kritik an der
dig, keineswegs
229
Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
aber wohlstandsstiftend sind. Sehr deutlich formuliert
von
daß die Trennlinie zwischen
der
Lippe, Steige-
Wiederherstellungsaufwand und Kosten, die zur rung der Lebensqualität führen, auch in diesem Zusammenhang unscharf ist: „Sind neben der Fahrt
zur
Arbeitsstätte auch Fahrzeiten
zum
Einkaufen abzuziehen oder z.B. der
gesamte Urlaub, der ja auch der Wiederherstellung der Arbeitskraft dient? Ferner macht es z.B. die monotone Arbeitsweise erst erforderlich, Sport zu treiben, also ist auch Sport nicht Nutzen, sondern eines Kinos oder die
Erhaltungsaufwand, und es fehlt nicht viel, um auch den Besuch Zeit des Schlafens quasi als (...) Wiederherstellungsaufwand zu
betrachten"203. Auffallend ist ebenfalls, daß
hauptsächlich nur Negativpositionen zum Sozialprodukt angeführt werden. Zwar werden die negativen Folgen einer zunehmenden Verstädterung erfaßt, positive Effekte, die sich in einer Agglomeration durch ein reichhaltigeres Kulturangebot und bessere Kommunikationsmöglichkeiten ergeben, bleiben unberücksichtigt. Wie beim herkömmlichen Sozialprodukt wird bei den Korrekturen eine (unbeschränkte) Substitutionalität bezüglich der Wohlstandswirkungen der erfaßten Positionen unterstellt. Diese Prämisse ergibt sich zwangsläufig aus der Linearität des Messens. Bei einer wie immer gebildeten Summe sind alle diejenigen Kombinationen von Summanden als gleichwertig zu akzeptieren, die zur gleichen Summe führen. Werden das BSP als Summe des kardinalen Nutzens und die einzelnen Summanden als Gütermengen gedeutet, so ist die Linie, die alle Kombinationen mit identischem Nutzen verbindet, quasi die Indifferenzkurve, eine fallende Gerade mit der Steigung 1. Dies impliziert, daß z.B. 100 Mio. DM mehr an Schadstoffemissionen (die im ÖIP negativ gebucht werden) z.B. durch 100 Mio. DM neue Eierbecher aufgewogen werden.204 -
Außerdem wird bei dieser Methode, wie bei der tradionellen VGR, ein konstanter Grenznutzen
unterstellt, d.h.
also kein Niveau,
es
existiert keine
Deutschland.
Vgl. Lippe, Peter von der: a.a.O., S. 66f. 'Vgl. ders.: ebenda, S. 46.
Steigerung
eine
bzw. kein
Überdruß,
Verschlechterung darstellt. Zum Beispiel ergeben sich identische Wohlstandseffekte in der Sozialproduktsrechnung, wenn im Wert von 10 Mio. DM neue Autos produziert, verkauft und zugelassen werden bei einem Altbestand von einem oder 50 Mio. Pkw in der Bundesrepublik von
dem ab eine weitere
Bedürfnissättigung
230
Volkswirtschaftlichen Gesamtrechming
4. Teil: Kritik an der
Wie bei der VGR besteht, wie bei jeder Geldsumme, die Gefahr der Hier muß exakt zwischen schieden werden,
was
Vorleistungen
und wohlfahrtswirksamer
wie bereits erwähnt, nicht immer
Doppelzählungen. Endnachfrage unter-
gelingt.
Faktoren, die als Korrekturen
Sozialprodukt angeführt werden, in Geldeinheiten bewertbar sein. Mit welchem Wertansatz soll zum Beispiel die Freizeit eines Arbeitslosen in die Sozialproduktsrechnung einfließen? Gleichzeitig
müssen alle
zum
Zusammenfassend läßt sich also konstatieren, daß auch bei der Konstruktion des korri-
gierten Sozialprodukts eine Fülle von Inkonsistenzen vorliegt, die eine Verwendung dieser Verfahren als Alternativkonzeptionen zur VGR nicht sinnvoll erscheinen läßt. (3) Die Indexmethode (a) Darstellung der Konstruktion eines Indexes
Sozialprodukt spielt die Indexmethode in den verschiedenen Ausprägungsformen eine entscheidende Rolle bei der Berechnung der individuellen und gesellschaftlichen Wohlfahrt. Generell wird ein solcher Gesamtindex folgendermaßen
Neben den Korrekturen
am
konstruiert:
(1)
Zuerst werden für das
zu
ermittelnde Wohlstandsniveau als bedeutsam
Lebensumstände bestimmt. Hierzu zählen
zum
empfundene
Beispiel, wie bei der Methode der so-
Bildung, Gesundheit, innere und äußere Sicherheit. (2) Dabei wird die Erreichung des gesellschaftlichen Anliegens mit Hilfe einer Punktzahl festgestellt. In der Regel werden hier der Minimalwert mit Null und der Maxizialen Indikatoren, Bereiche wie
malwert mit 100 oder 1000 definiert.
(3) Die Ermittlung des Gesamtindizes erfolgt gewichtet oder ungewichtet durch Addition
der einzelnen Punktwerte
nen
Im
zu
einen Gesamtzahl bzw. durch
Mittelung
der einzel-
Punktzahlen.205
folgenden
werden
exemplarisch einige Indikatorensysteme
als
Übersichten darge-
stellt. Hierzu zählen: •
•
205
der Standard of
Living Index des United Nations velopment (UNRISD) (Abbildung 68; S. 230), das
Research Institute for Social De-
Indikatorensystem von Hauser und Lörcher206 (Abbildung 69;
S.
232f),
Vgl. Lippe, Peter von der: a.a.O., S. 50.
206Vgl. Hauser, Richard / Lörcher, Siegfried: „Lebensstandard" und „Sozialprodukt". Ein Vergleich BRD Japan, in: Konjunkturpolitik,
19.
Jahrgang, 1973, S. 81
116.
-
4. Teil: Kritik
an
der
Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
231
Suffering Index (HSI) des Population Crisis Committee (PCC) in Washington (Abbildung 70; S. 232); der Wettbewerbsindex des Europäischen Managementforums (EMF) in Genf (Abbildung 70; S. 232) und der Lebensqualitäts-Atlas von Korczak (Abbildungen 71a e; S. 232ff.).207 In den deutschen Medien208 ist in der letzten Zeit insbesondere über die Arbeit von Dieter Korczak209 berichtet worden, der für alle Landkreise und kreisfreie Städte in der
•
der International Human
•
•
-
Bundesrepublik (einschließlich der
neuen
Bundesländer) die Lebensqualität mit Hilfe
Dies nimmt der Verfasser ses
zum
der Indexmethode
analysiert hat.
Anlaß intensiver als bei den anderen Methoden auf die-
spezielle Verfahren einzugehen.
Bei der sogenannten Genfer-Methode des United Nations Research Institute for Social
Development (UNR1SD) aus dem Jahre 1966 wird zwischen 7 Hauptkomponenten der Lebensqualität unterschieden, die wiederum durch insgesamt 22 Indikatoren operationalisiert werden. Das UNRISD strukturiert dabei die Bedürfnisse in 3 Kategorien: A: Körperliche Grundbedürfnisse, B: Kulturelle Grundbedürfnisse und
C: Höhere Bedürfnisse. Hauser und Lörcher unternahmen in den 70er Jahren den Versuch, die
Lebensqualität in
Japan miteinander zu vergleichen. Dafür entwickelten sie ein Indikatorensystem, wie es in der Abbildung 69 beschreiben ist. Die beiden Autoren unterscheiDeutschland und
den zwei Lebensbereiche
dard). Insgesamt werden
(A: Individueller Lebensstandard, B: Sozialer Lebensstan31 Einzelindikatoren
angewendet. Auffällig ist bereits beim Vergleich der ersten beiden Indikatorensysteme, daß die Operationalisierung der Zielbereiche durchaus unterschiedlich verläuft. In der
Abbildung 70 werden der Human Suffering Index (HSI) und der Wettbewerbsindex des EMF gegenübergestellt. Das Population Crisis Committee (PSI) in Washington vergleicht mit Hilfe des HSI die Lebensqualität von 130 Ländern. Die Zielerreichung
207Vgl. Lippe, Peter von der: a.a.O., S. 49ff. 208Siehe Focus-Ausgaben Nr. 40 bis 42 aus dem Jahre
20,Vgl.
1995.
Korczak, Dieter: Lebensqualität-Atlas. Umwelt, Gesundheit in Deutschland, Opladen 1995.
Kultur, Wohlstand, Versorgung, Sicherheit und
232
4. Teil: Kritik an der
Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
der 10 Indikatoren wird durch eine Punkteskala gemessen
die einzelnen Werte
(zwischen Null und 10) und
ungewichtet addiert.
Die Konstruktion des Wettbewerbsindizes
erfolgt sowohl durch die Auswertung nationaler Statistischer Jahrbücher als auch durch Befragungen von insgesamt 2000 Managern, Wissenschaftlern, Journalisten und Gewerkschaftsfunktionären. Insgesamt werden 10 Gruppen-Indizes gebildet mit 300 Einzelindikatoren, wobei das Human-Kapital z.B. durch 39 Maßgrößen operationalisiert wird.21 Berechnung der Lebensqualität aller 540 Landkreise und der kreisfreien Städte in Deutschland erfolgte durch Dieter Korczak 1995 in den sechs Bereichen Umwelt, Wohlstand, Kultur, Sicherheit, Versorgung und Gesundheit (siehe Abbildung 71a). Operationalisiert wird hier die Zielerreichung durch die Punktsumme der 34 Einzelindikatoren. Der jeweilige Wert der Maßgröße, der zwischen 100 (Minimalwert) und 1000 (Maximum) liegen kann, fließt gleichgewichtet2" in die Berechnung des Gesamtindizes der einzelnen Bereiche ein. Die Gesamtsumme, die als Maßstab für die Lebensqualität einer Region benutzt wird, ergibt sich wiederum durch das arithmetische Mittel der Punktsummen in den einzelnen Bereichen. Der Verfasser hat für die Darstellung der Vorgehensweise von Korczak exemplarisch 4 (kreisfreie) Städte und einen Landkreis in Achsen (Löbau-Zittau) herausgegriffen (Abbildungen 71a bis 71e). Für diese Regionen sind jeweils die einzelnen Punktsummen bei den Einzelindices und der entsprechende Rang für Gesamtdeutschland als auch die Rangfolge und die Gesamtpunktzahl bei der (Schluß-)Aggregation, die als Maßstab für die Lebensqualität einer Region gilt, aufgelistet. Werden zum Beispiel die Werte der Einzelindices für den Lebensqualität-Index
Die
Wohlstand betrachtet,
so
ist feststellbar, daß der Landkreis Löbau-Zittau in dem Teilbe-
Vergleich aufweist. Dies ist darauf zurückzuführen, daß die Preise für den Erwerb von Grundstücken die geringste Höhe aufweisen. Somit korreliert die Höhe der Baulandpreise positiv mit der Lebensqualität; nach Auffassung des Verfassers eine durchaus fragwürdige Annahme. Auch reich
Baulandpreise den geringsten Wert (=
bei der nen.
100
Punkte)
im
Betrachtung anderer Indizes läßt sich der Blickwinkel
des Konstrukteurs erken-
Der externe Beobachter wird in dem ein oder anderen Fall andere Indikatoren
wählen, die nach seiner Auffassung den Wohlstand prägen. 2i0
Vgl. Lippe, Peter von der: a.a.O., S. 54.
2llZur Bestimmung katoren ermittelt.
des Indizes der Bereiche wird das
ungewichtete
arithmetische Mittel der Einzelindi-
4. Teil: Kritik an der
233
Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
Abb. 68: Indikatorenauswahl beim UNRISDMndex
(Genfer Methode)
Gliederung in Hauptkomponenten A bis C; A: Körperliche GrundbedUrfnisse, B:
Kulturelle
Grundbedürfnisse;
C: Höhere Bedürfnisse
Komponenten (AI AI
Ernährung
A2
Wohnung
A3
Gesundheit
B4
Erziehung / Bildung
B5
Erholung und Unter_haltung_
B6
Soziale Sicherheit
C7
Höhere BedürfNisse
bis
C7) und Indikatoren (1.1 bis 7.3)
1.1 Kalorienverbrauch je Tag 1.2 Eiweisverbrauch 1.3 Kalorienverbrauch, der nicht auf Mehlprodukten basiert 2.1 Anteil der Wohnungen mit Bad 2.2 Anzahl der Personen je Zimmer 2.3 Relation Wohnungen / Haushalte 3.1 Personen je Krankenhausbett 3.2 Säuglingssterblichkeit 3.3 Sterbefälle an Lungenerkrankungen bei Personen über 50 J. 4.1 Schulbesuchsquote bei Kindern bzw. Jugendlichen 4.2 Anteil der Schüler mit einem bestimmten Abschluß 4.3 Schüler-Lehrer-Relation 5.1 Zahl der im Jahr arbeitsfreien Stunden 5.2 Theater und Konzertbesuche je 1.000 Einwohner 6.1 Anzahl der gewaltsamen Todesfälle je 1 Mill. Einwohner im Jahr 6.2 Anteil der Personen mit Anspruch auf Arbeitslosen /Krankenhilfe 6.3 Anteil der Personen mit Alterssicherung 6.4 Häufigkeit der (Unfall-?) Todesfälle im Beruf_ 7.1 „Freies" Einkommen, über den „notwendigen" Verbrauch hinaus zur Verfügung 7.2 Anteil der Haushalte mit individueller Motorisierung 7.3 Mechanisierungsgrad im Haushalt (?)_
Quelle: Lippe, Peter von der: a.a.O., S. 51; * United Nations Research Institute for Social Development.
Abb. 69: Indikatorenauswahl beim Index Im Aufbau des
von
Hauser und Lörcher
Systems werden unterschieden: 2 Lebensbereiche (A,B), 13 Gruppen (AI und 31 Einzelindikatoren (1 bis 31)
bis
B6)
A Individueller Lebensstandard AI
Ernährung
A2
Gesundheit
A3
Ausbildung
A4
Freizeit
A5
Wohnung
AO
Sicherheit
A7
Sozialversicherung
1 2 3 4 5 6
Kalorien pro Kopf und Tag (cal) Einweiß pro Kopf und Tag (g) Fett pro Kopf und Tag (g) Anteil tierischen Eiweißes am Gesamteiweiß
(%)
Säuglingssterblichkeit*
Lebenserwartung der Männer (Jahre) 7 Ausbildungsrate, Anteil der Schulpflichtigen 8 Hochschulausbildungsrate (in Promille der Bevölkerung) 9 Tägliche Nachtarbeit (h) 10 Autoverbreitung (je 1000 Einwohner) 11 Fernsehverbreitung (je 100 Haushalte) 12 Auslandsreisende (Je 10000 Einwohner) 13 Zimmer je Wohnung 14 Zimmer pro Kopf 15 Unfalltote (je 100000 der Bevölkerung)* 16 Ermordete (je 100000 der Bevölkerung)* 17 Anteil (der Sozialversicherungsausgaben) am Volkseinkommen
234
4. Teil: Kritik an der
Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung B Sozialer Lebensstandard
151
Umwelthygiene
152
Ausbildung
153
Freizeit
154
Kommunikation
155
Verkehr
156
Gesundheit
18 Öffentliche
Wasserversorgung (je 100 Haushalte) Haushalte)
19 Öffentliche Abwasserversorgung (je 100 20 Grundschullehrer (je 1000 Schüler)
21 Hochschullehrer (je 1000 Studenten) 22 Buchzahl in öffentlichen Büchereien (je 10000 der Bevölkerung) 23 Park- und Grünanlagen (m2) je Einwohner 24 Postbeschäftigte (je 100000 der Bevölkerung) 25 Telefonverbreitung (je 100000 der Bevölkerung) 26 Eisenbahn-Personenwagen (je 100000 der Bevölkerung) 27 Geteerte Straßen (m) je Auto 28 Anteil der geteerten Straßen am Straßennetz (%)_ 29 Arzte (je 100000 der Bevölkerung) 30 Krankenpflegepersonen (je 100000 der Bevölkerung) 31 Krankenbetten (je 100000 der Bevölkerung)
Quelle: Lippe, Peter von der: a.a.O., S. 52;
*
Diese Indikatoren
gehen mit ihren inversen Werten in den Index ein.
Abb. 70: Internationale Wettbewerbs- und
Lebensqualitätsindizes
Lebensqualitätsindex (HSI)
Bruttosozialprodukt pro
EMF-Wettbewerbsindex*
_Kopf_
Durchschnittliche jährliche Inflationsrate Durchschnittlicher jährlicher Anstieg der Erwerbs-
Marktdynamik Innovationsorientierung Industrielle Leistungsfähigkeit Außenorientierung
_bevölkerung_
Finanzkraft Dynamik der Wirtschaft Stabilität und Konsens
Durchschnittlicher jährlicher Anstieg der Stadtbe-
_völkerung_
Human-Kapital
Kindersterblichkeit Kalorienverbrauch Zugang zu sauberem Was-
Staatseinfluß Ausstattung mit Rohstoffen
10
ser
Energieverbrauch pro
_Kopf_
Analphabetenquote Allgemeine persönliche
:
Die zehn
„Gruppen"-Indizes sind gebildet aus insgesamt 300 Einzelindikatoren.
Quelle:
Lippe. Peter von der: a.a.O.,
S.
52;
4. Teil: Kritik an der
Abb. 71a: Einzelindikatoren des
235
Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
Lebensqualität-Atlas nach Korczak
Einzelindikatoren (gleichgewichtet) Siedlungs- und Verkehrs-, Wald-, Wasserfläche, S02- und NOv _Immissionen, Ozon, Staub, Trinkwasserbelastung_ Lohn- und Gehaltssumme, Arbeitslosigkeit, Baulandpreise Erholungsfläche, Kinos, Theater, Bibliotheken, Museen Verkehrsunfälle, Verkehrstote, Straftaten gegen das Leben, Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, Rohheitsdelikte Arztdichte; Krankenhäuser; Kindergartenplätze; Altenheimplätze; Beratungsstellen für Ehe, Familie und Soziales; Schuldnerbe-
Bereich Umwelt Wohlstand Kultur Sicherheit
Versorgung
_ratungsstellen_ (m/w), Todesfalle durch bösartige Neubildungen (m/w), Kreislauferkrankungen (m/w), Atemwegserkrankungen
Gesundheit
Sterblichkeitsrate
Summe
34
_(m/w)_
Abb. 71b:
Lebensqualität-Index: Umwelt Einzelindizes
Index Umwelt Trink-
Rang / kreis-
Luftimmissionen
Fläche
wasser-
freie Städte bzw. Landkreis
bela-
stung
Siedlung / 484 Bielefeld 520 Bochum 484 Essen 362 Düsseldorf 520 Zittau
Wal
Verkehr 100 100
400 100
100 100 400
200 200 500
Wasser
S02
N02
Ozon
Staub
100 400 800 1000 200
500 400 400 500 200
300 300 200 200 900
800 800 1000 800 300
300 500 400 400 100
d
Abb. 71c:
Landkreis 170 Bielefeld 170 Bochum 97 Essen 50 Düsseldorf 534 Zittau
438 375 438 525 375
Lebensqualität-Index: Wohlstand Einzelindices
Rang / kreisfreie Stadt bzw.
1000 400 400 1000 400
Index Wohlstand
Arbeits-
Bauland-
Losigkeit
preise 700
1000 1000
600 400 500 600
900 900 1000
100
100
100
Lohn-/GehaltSumme 800 Son
700 700 800 867 100
236
4. Teil: Kritik an der
Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
Abb. 71d:
Lebensqualität-Index:
Sicherheit Index Sicherheit
Einzelindices
Rang / kreisfreie Stadt bzw. Landkreis
VerkehrsUnfälle
Straftaten gegen das Leben
VerkehrsTote
Straftaten
Gegen die sexuelle Selbst-
Roheitsdelikte
bestimmung 74 Bielefeld 74 Bochum 132 Essen 171 Düsseldorf 6 Zittau
900 1000 1000 600 1000
900 1000 1000 1000 700
Abb. 71 e:
700 600 600 900
800 500 600 600 900
400 600 200 100 1000
800
740 740 680 640
Lebensqualitäts-Index (Gesamt) Gesamtindex
Einzelindices
Rang : kreisfreie Stadt, Landkreis
Index Umwelt
Index Wohlstand
Index Kultur
59 Bielefeld 129 Bochum 102 Essen 33 Düsseldorf 394 Zittau
438 375 438 525 375
700 700 800 867 100
900 960 980 1000 680
Index Sicherheit 740 740 680 640 880
Index Versor-
Index Gesundheit
gung 833 683 783 867 317
500 357 243 414 329
68S 636 654
719
447"
Quelle: alle Tabellen bezüglich der Lebensqualität sind modifiziert entnommen aus: Korczak, Dieter: Lebensqualität-Atlas. Umwelt, Kultur, Wohlstand, Versorgung, Sicherheit und Gesundheit in Deutschland, Westdeutscher Verlag, Opladen 1995, S. 172ff.
(b) Kritik an der Indexmethode
Gegensatz zu den Korrekturen am Sozialprodukt keine Geld- sondern eine Punktsumme gebildet, die Annahme einer unbeschränkten Substitutionalität ist aber auch bei diesem Verfahren durch die Linearität des Messens gegeben. Z.B. lassen sich 200 Punkte weniger bei höheren Staubemissionen durch zweihundert Punkte mehr an höheren Baulandpreisen aufwiegen. Zwar wird im
Ebenso wie bei den Modifikationen der VGR stanten Grenznutzens
chen
Disziplinen
w
ird die unrealistische Prämisse des kon-
unterstellt. Eine Annahme, die in den meisten volkswirtschaftli-
seit den Arbeiten
von
Hermann Heinrich Gossen Mitte des 19ten
Jahrhunderts nicht mehr verwandt wird. Im Rahmen einer
geeigneten Punktetransfor-
Ermittlung einer Punktsumme unterschiedliche Sättigungstendenzen berücksichtigen und damit ein abnehmender marginaler Nutzen einfühmationen lassen sich aber bei der
ren.
4. Teil: Kritik an der
Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
237
Dadurch, daß die Indexmethode als Indikator der Lebensqualität eine Punktsumme bil-
det, die durch eine Vielzahl unterschiedlicher Bestimmungsgrößen mit verschiedenen Dimensionen zustande kommt, liefert diese Konstruktion kein Ergebnis, das hinsichtlich des Niveaus und der Maßeinheit
interpretierbar wäre
und das deshalb z.B.
zu
anderen
Größen addiert werden könnte.
ergibt sich bei dieser Methode durch die Aggregationen der Räume, die es zu beurteilen gilt. So liegt zum Beispiel der Gesamtindex der Lebensqualität Ein weiteres Problem
in Essen mit 654 Punkten höher als in Bochum mit 636 Punkten. Wie ermittelt sich dann der Gesamtindex für die
Gesamtregion Essen-Bochum und wie sieht es an den je-
weiligen Stadtgrenzen mit der Wohlfahrt aus? Die Vielzahl der aufgeführten Indexmethoden läßt die Schwierigkeit evident werden, objektive Indikatoren der Lebensqualität zu finden. Die Verwendung der Indikatoren erfolgt, insbesondere bei internationalen Vergleich mit Hilfe der UNRISD-Methode, aufgrund der Datenverfügbarkeit und der durchschnittlichen Korrelation eines Indikators mit allen anderen Indikatoren. Für die Festlegung der Minimal- und Maximalwerte wurden meist die beobachteten Werte der für die Berechnung verglichenen Länder herangezogen, und bei der Gewichtung der Einzelindikatoren berief man sich auf eine Befragung von Experten. Eine Vergleichbarkeit der Punktsummen einzelner Indexverfahren ist deshalb aus diesem Grund nicht möglich. Bei der Verwendung der Determinanten unterliegt die Indexmethode keinerlei Beschränkungen. So können Bestands- und Stromgrößen, die Anzahl der Hochschullehrer mit Rohheitsdelikten summiert werden. Ein weiteres Problem
ergibt sich
aus
der
Zeitgebundenheit
der Indikatorenwahl. Heut-
zutage spielt der Kalorienverbrauch und der Besitz eines Autos eine andere Rolle als vor
30 Jahren. Außerdem ist
es
bei der Auswahl eines Indikators
wichtig,
inwieweit
es
gelingt, zwischen der Lebensqualität der betrachteten Länder zu differenzieren. „So fällt z.B. bei einem Vergleich der entsprechenden (in mittlerer Lage positionierten) Länder die Analphabetenquote und die Zahl der Nobelpreisträger aus der Differenzierung aus, weil die entsprechenden Zahlen bei allen verglichenen Ländern gleichermaßen gering sind"212. Die internationale Vergleichbarkeit der Werte wird außerdem eingeschränkt durch die Nichtberücksichtigung des Entwicklungsstandes eines Landes. ihm
212
Lippe, Peter von der: a.a.O., S.
55.
238
4. Teil: Kritik
an
der
Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
4. Resümee
gesellschaftliche Wohlfahrt ist ein mehrdimensionaler Begriff. Neben objektiven und subjektiven Bestimmungsgrößen, die die Lebensqualität des einzelnen prägen, exi-
Die
stieren überindividuelle Werte, wie Liberalität, Menschenrechte und sozialer Ausgleich. Das BSP als traditioneller Wohlfahrtsindikator mens nur
die materiellen
spiegelt über die Messung
wider. Eine Vielzahl
Komponenten
Marktpreise
nicht feststellbar sind, bleiben in dieser Größe
bewertet
erfassen.
von
des Einkom-
Faktoren, deren
unberücksichtigt oder fließen mit falschem Vorzeichen ein (Umweltverschmutzung). In dieser Abhandlung werden drei Alternativkonzepte analysiert. Das Konzept der sozialen Indikatoren listet eine Vielzahl von Wohlfahrtskomponenten auf, ohne eine Summierung der partiellen Zielerreichungsgrade vorzunehmen. Dadurch ist die gesamte Lebensqualität eines Landes transitiv nicht vergleichbar. Als Korrekturen der Sozialproduktsrechnung wurden sowohl das MEW-Konzept als auch das Ökoinlandsprodukt dargestellt. Während das MEW eine Vielzahl von Negativ- und Positivpositionen zur herkömmlichen VGR auflistet, versuchen die Konstrukteure des ÖIP nur einen Aspekt, die Umwelt, zu berücksichtigen. Aufgrund der fehlenden Marktpreise, die zwangsläufig zur subjektiven Annahmenbildung führen, und der Vielzahl der Wohlfahrtskomponenten gelingt es auch diesen Systemen nicht, die gesellschaftliche Lebensqualität vollständig und monetär zu
Die Indexmethode ermittelt ein Wohlfahrtsmaß über die
Bildung einer Punktsumme. Dabei fließen die Werte der Einzelindizes also die Zielerreichungsgrade in den Teilbereichen gewichtet oder ungewichtet in den Gesamtwert ein. Auch hier führen u.a. Aggregationsprobleme, die Zeitgebundenheit der Indikatoren und fehlende Differenzierungsmöglichkeiten im mittleren Bereich zu eingeschränkten Verwendungsmöglichkei-
-
ten.
Die
Ausführungen haben
Wohlstandmaß
zu
deutlich werden
lassen, daß
es
bisher nicht
konstruieren, das alle Determinanten der
gelungen ist, ein Lebensqualität monetär er-
Hinzufügen von Positiv- und Negativpositionen bzw. vom Teilindizes der Lebensqualität ist zudem stark subjektiv geprägt. Vor diesem Problem steht die VGR i.e.S. faßt. Das
nicht, da sie
nur
die Teilbereiche der materiellen Wohlfahrt
erfaßt, die sich
zu
Markt-
preisen bzw. Anschaffungs- und Herstellkosten bewerten lassen. Es besteht inzwischen weitgehend Konsens, daß das Kernstück der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung und sein Hauptaggregat, das Sozialprodukt, nicht geändert werden sollten, da sich die-
4. Teil: Kritik
der
Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
239
für kurz- und
mittelfristige Wirtschaftsanalysen hervorragend bewährt und weltweit durchgesetzt hat. Als geeignete Datensysteme für Korrekturen des Sozialprodukts werden vielmehr die bereits beschriebenen Satellitensysteme angesehen, die größeren methodischen Spielraum bieten und die Einführung von Konzepten ermöglichen, die auf den speziellen Darstellungsgegenstand zugeschnitten sind. ses
Berichtssystem
an
vorliegenden Lehrbuch sind einige grundlegende Aspekte zur Volkswirtschaftslehre dargestellt worden. Der Autor hofft, daß der Leser nach diesem Literaturstudium ähnliche Gedanken hegt wie ein amerikanischer Student, der nach dem Besuch der Vorlesung seine Lernfortschritte treffend zum Ausdruck brachte: I'm still confused, but on a much higher level! In dem
240
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Internetverzeichnis Auf folgende Webseiten wurde im Text •
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zugegriffen:
der Bundesbank (http://www.bundesbank.de), des Bundeskartellamtes (http://www.bundeskartellamt.de/kurztb.htm), des Sachverständigenrates (http://sachverstaendigenrat-wirtschaft.de), der Schweizer Börse (http://www.bourse.ch), des Statistischen Bundesamtes (http://www.statistik-bund.de), der Weltbank (http://www.ciesin.org/IC/wbank/sid-home.htm) und des Zentrums für Umfragen, Methoden und Analysen (http://www.zuma-mannheim.de) in Mannheim.
Die
Zugriffsdaten entnehmen Sie bitte den Angaben im Text.
246
Abbildungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis Unterteilung der Volkswirtschaftslehre.3 Abb. 2: Wissenschaftsdisziplinen.4 Abb. 3: Empirische Daten für die Bundesrepublik Deutschland zum PhillipsKurven-Theorem für ausgewählte Jahre des Zeitraums 1980 -1998.8 Abb. 4: Untergliederung der Wirtschaftspolitik.10 Abb. 5: Träger der Wirtschaftspolitik.12 Abb. 6: Bündnis für Arbeit organisatorischer Aufbau.16 Abb. 7: Präferenzpyramide: Zugang zum EU-Markt für gewerbliche Produkte.28 Abb. 8: Institutionelle Struktur der Welthandelsorganisation.32 Abb. 9: OECD-Mitgliedstaaten.38 Abb. 10: Organisatorischer Aufbau der OECD.39 Abb. 11: Aktivitätsbereiche und Instrumente der Wettbewerbspolitik in der Bundesrepublik Deutschland nach dem GWB (6. Novelle).42 Abb. 12: Übersicht zur nationalen Fusionskontrolle.45 Abb. 13: Angezeigte Zusammenschlüsse 1973 1998 .47 Abb. 14: Teilbereiche der Strukturpolitik'..50 Abb. 15: Programmtypen bei der Vergabe von EU-Strukturfondsmitte.55 Abb. 16: Aktionsmöglichkeiten im Rahmen des Lokalen Agenda Prozesses.63 Abb. 17: Geldmengenaggregate (in Mrd. DM).70 Abb. 18: Zeitplan des Übergangs zur einheitlichen europäischen Währung.71 Abb. 19: Euro-Wechselkursentwicklung.75 Abb. 20: Institutioneller Aufbau der EZB.75 Abb. 21: Organigramm des EZB-Direktoriums.77f. Abb. 22: Organe der Deutschen Bundesbank.81 Abb. 23: Zielsetzungen der Offenmarktpolitik im Rahmen des ESZB.88 Abb. 24: Liquiditäts- und Zinspolitik des ESZB.89 Abb. 25: Geldpolitische Strategie der EZB.90 Abb. 26: Anteile der Komponenten von M3 im Euro-Währungsgebiet in %.96 Abb. 27: Mindestreservesatzsenkung: Beabsichtigte Wirkung und brüchige Abb. 1:
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Transmissionsglieder.99 Abb. 28: Wirkungsverzögerungen einer antizyklischen Geldpolitik.101 Abb. 29: Entscheidung des ECOFIN-Rates über das Bestehen eines übermäßigen Defizits.104 Abb. 30: Folge der Entscheidung des ECOFIN-Rats, daß ein übermäßiges
Defizit besteht.105 Abb. 31: Ziele der öffentlichen Finanzwissenschaft.109 Abb. 32: Güterkategorien.109 Abb. 33: Ausschluß und Rivalität bei öffentlichen und privaten Gütern Sowie Mischgütern.111 Abb. 34: Idealisierter Konjunkturzyklus.113 Abb. 35: Konjunkturzyklen in Deutschland.114 Abb. 36: Erwerbslose in Deutschland (1992 1999).120 Abb. 37: Das Instrumentarium des Stabilitätsgesetzes.122 Abb. 38: Schematische Darstellung zur Staatsausgabenpolitik.124 Abb. 39: Mittel fiskalischer Konjunktursteuerung.127 Abb. 40: Zielkonflikt zwischen Beschäftigungszuwachs und Preisniveaustabilität.131 Abb. 41: Zeitverzögerung in der Wirtschaftspolitik.134 -
Abbildungsverzeichnis
247
Abb. 42: Struktur des Volkswirtschaftlichen Rechnungswesens.138 Abb. 43: Wirtschaftskreislauf einer geschlossenen Volkswirtschaft ohne Staat. '40 Abb. 44: Wirtschaftskreislauf in einer offenen Volkswirtschaft mit staatlicher Aktivität.142 Abb. 45: Das Kontensystem des Statistischen Bundesamtes.147 Abb. 46: Nationales Produktionskonto und Sozialproduktsbegriffe
(= Nationaleinkommen).149 Abb. 47
: Entwicklung des BSP in der Bundesrepublik Deutschland 1950 bis 1999.151 Abb. 48: Drei-Sektoren-Hypothese.154 Abb. 49: Erwerbstätige in der westdeutschen Wirtschaft nach Sektoren.156 Abb. 50: Lorenzkurve.160 Abb. 51: Preisanstieg in Deutschland für 1992 bis 1999.164 Abb. 52: Zahlungsbilanz in der Bundesrepublik Deutschland.172f. Abb. 53: Dienstleistungsbilanz.175 Abb. 54: Erwerbs- und Vermögenseinkommensbilanz.176 Abb. 55: Bilanz der laufenden Übertragungen.177 Abb. 56:Struktur deutscher Direktinvestitionsexporte im Jahr 1998 .182 Abb. 57: Devisenbilanz.185 Abb. 58: Interventionsmöglichkeiten bei Leistungsbilanzüberschüssen
von
(bzw. Kapitalbilanzüberschüssen).187 Abb. 59:
Interventionsmöglichkeiten bei Leistungsbilanzdefizitenen
(bzw. Kapitalbilanzdefiziten).187
Abb. 60: Sektorale Lieferverflechtungen in der westdeutschen Wirtschaft 1999.192 Abb. 61: Das System for Integrated Environmental and Economic Accounting der UN.202 Abb. 62: Aufbau der Umweltökonomischen Gesamtrechnung.204 Abb 63: Index des subjektiven Wohlbefindens.209 Abb. 64: Methoden der Wohlstandsmessung.219 Abb. 65: Zielbereiche, gesellschaftliche Anliegen und Indikatoren nach der Sozialindikatorenliste der OECD.222 Abb. 66: Operationalisierung des Ziels „Entwicklung der Persönlichkeit durch Bildung" im Rahmen des Systems sozialer Indikatoren der OECD.223 Abb. 67: Berechnung des Ökoinlandsprodukts.226 Abb. 68: Indikatorenauswahl beim UNRISD*-Index (Genfer-Methode).230 Abb. 69: Indikatorenauswahl beim Index von Hauser und Lörcher.231 Abb. 70: Internationale Wettbewerbs- und Lebensqualitätsindizes.232 Abb. 71a: Einzelindikatoren des Lebensqualität-Atlas nach Korczak.232 Abb. 71b: Lebensqualität-Index: Umwelt.233 Abb. 71c: Lebensqualität-Index: Wohlstand.233 Abb. 71 d: Lebensqualität-Index: Sicherheit.233 Abb. 71e: Lebensqualität-Index: Gesamt.234
248
Tabellenverzeichnis
Tabellenverzeichnis Tab. Tab. Tab. Tab. Tab. Tab. Tab.
1: 2: 3: 4: 5: 6: 7:
Struktur der EG/EU-Einnahmen (1996).18
Gesamthaushaltsplan der EG (1996).18 Deutsche Leistungen an die EU.18 Deutsche Leistungen aus dem EU-Haushalt.18 Quoten ausgewählter IWF-Mitgliedsländer zum 31.12.1996.34 Die Mega-Mergers 1998.47 Regionalindikatoren im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur".52 Tab. 8: Gemeinschaftsaufgaben-Finanzierungsplan 1998 bis 2002 (in Mio. DM)
für Deutschland.53 Tab. 9: Gemeinschaftsinitiativen der EU.56 Tab. 10: Grundmuster des regionalen Entwicklungskonzeptes.58 Tab. 11: Zum Stand der Regionalisierungsprozesse in Nordrhein-Westfalen und Sachsen.59 Tab. 12: Unwiderrufliche Euro-Umrechnungskurse.74 Tab. 13: Geldmengensteuerung der Bundesbank und Zielerreichung.94 Tab. 14: Einhaltung der Konvergenzkriterien (ohne Wechselkurskriterium).107 Tab. 15: Bruttoinlandsprodukt, Produktionspotential und Auslastungsgrad.118 Tab. 16: Sektorale Zu- und Abflüsse in einer offenen Volkswirtschaft mit staatlicher Aktivität.144 Tab. 17: Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts ausgewählter Länder.152 Tab. 18: Bruttowertschöpfung nach Wirtschaftsbereichen.154 Tab. 19: Auszug aus der Verteilungsrechnung des Statistischen Bundesamtes.157 Tab. 20: Entwicklung der Lohnquote in ausgewählten Ländern.159 Tab. 21: Verwendung des Bruttoinlandsprodukts (BIP).163 Tab. 22: Ausgewählte Preisrepräsentanten im Preisindex der Lebenshaltung aller privater Haushalte in Westdeutschland.166 Tab. 23: Hauptkomponenten des HVPI für das Euro-Währungsgebiet im Jahr 1999.. 167 Tab. 24: Harmonisierter Verbraucherpreisindex und deutscher Preisindex der Lebenshaltung im Vergleich für das Jahr 1996.168 Tab. 25: BIP und Gütemachfragekomponenten 1998 in Deutschland (vor und nach der Umstellung auf das Europäische System Volkswirtschaftlicher
Gesamtrechnungen 1995).170 Tab. 26: Direktinvestitionsexporte und -importe ausgewählter Industrieländer.180 Tab. 27: Berwetung eines Sonderziehungsrechtes vor der Einführung des Euro.189 Tab. 28: Berwetung eines Sonderziehungsrechtes nach der Einführung des Euro.189 Tab. 29: Input-Output-Tabelle 1993 für die Bundesrepublik Deutschland.194 Tab. 30: Übersicht über die wichtigsten Vermögensbegriffe.197 Tab. 31: Geldvermögensrechnung der Deutschen Bundesbank.198 Tab. 32: Finanzierungsrechnung der Deutschen Bundesbank.200 Tab. 33: Bedürfnisse und Meßverfahren.210 Tab. 34: Schattenwirtschaft in Prozent des BIPs 1995.214
Stichwortverzeichnis
249
Stichwortverzeichnis
Abschreibungen 150 Agenda 21 60 Agenda 2000 20 Agrarmarktordnungen 21 Agrarstrukturpolitik 22 Allgemeines Präferenzsystem (APS) 29f. Anbieterschutzverordnungen 67 Anpassungssubventionen Antikartellpolitik 42ff. Antizyklische Fiskalpolitik 126 Asymmetrie der antizyklischen Fiskalpolitik 126 amerikanisches Zuteilungsverfahren Arbeitslosenquote 1, 116f., 128 Arbeitsmarktparteien 15 Ausgeglichene Zahlungsbilanz 191 Auslastungsgrad (des Produktionspotentials) 119 Außenwirtschaftliches Gleichgewicht 128f. -
Autonomiestatus der Deutschen Bundesbank Bank of England 97 Bargeldansatz 213
Beschäftigungspakt
15 der Direktinvestitionen 180ff. der laufenden Übertragungen 177ff. der sonstigen Kapitalanlagen 184 der Veränderung der Netto-Auslandsaktiva der Bundesbank senbilanz) 185 ff. Bilanz der Vermögensübertragungen 179 Bilanz der Wertpapieranlagen 183 Brüchiges Transmissionsglied 100 Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen (BIP) 151 Bruttonationaleinkommen 150 Bruttoproduktionswert 152 Bruttosozialprodukt 149 Bruttowertschöpfung 153 BSP-Eigenmittel 19 Bundesanstalt für Arbeit 117 Bundesbank 78ff. Organe der Deutschen Bundesbank 81 ff. Bündnis für Arbeit 16
Bilanz Bilanz Bilanz Bilanz
-
Cif-Methode (= Cif-Konzeption) 174 Club of Rome 206 Commitment Technologies 97f Contracting Out (= Outsourcing) 156, 160 Deduktion 7 Deficit Spending 126
(= Saldo der Devi-
250
Stichwortverzeichnis
Deflation 128 Demeritorische Güter 111 Deskription 137
Deskriptive Aussagen 6 Devisenswapgeschäfte 82, 86 f.
amerikanisches Zinstenderverfahren 87 Deport 86 holländisches Zinstenderverfahren 87 marginaler Swapsatz 86 Report 86 Swapsatz 86 Dienstleistungsbilanz 176 Direktinvestitionen 179ff. Dreiseitenrechnung 137, 154ff. Drei-Sektoren-Analyse 155 -
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ECOFIN-Rat (European Council of Finance Ministers) 11, Einkommensdisparitäten 161 Endnachfragematrix 195 Endogene Regionalentwicklung 64 Entstehungsrechnung 154ff. Energiepolitik 25 Erhaltungssubventionen 66 Ergänzungsrechnungen 137
Erlaubnis von Strukturkrisenkartellen 67 Ersatzinvestitionen 150 Erwerbs- und Vermögenseinkommensbilanz 176f.
102ff
EU-Agrarpolitik21ff. Europäischer Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL) 22 Europäischer Fonds für regionale Entwicklung 54 Europäischer Sozialfonds 22 Europäisches System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen 1995 (ESVG 95) 169f. Europäische Strukturförderung 5 3 ff. Europäische Union 10, 17ff. Europäische Zentralbank (EZB) 11, 75ff. -
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Direktorium 75ff. Erweiterter Rat 75f. EZB-Rat 75ff. Instrumente 82ff. Organe der EZB 75ff.
Geldmengenstrategie 90ff. EU-Sozialpolitik 22ff. EU-Verkehrspolitik 23f. Ex-ante Analyse 137 Ex-ante-Orientierung 58 Ex-post-Darstellung 142 Ex-post-Orientierung 57 -
-
Faktorallokation 110 Faktorkosten 152
Stichwortverzeichnis
251
Fazilitäten 88
Einlagenfazilität 88
Spitzenrefinanzierungsfazilität (= Kreditfazilität) 88
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Finanzierungsrechnung 137, Finanzpolitik 108
199ff.
Finanztheorie 108
finanzwissenschaftliche Entscheidungsanalyse 108 finanzwissenschaftliche Wirkungsanalyse 108 normative Theorie 108
-
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ökonomische Analyse des Staates 108 positive Theorie 108 Finanzwissenschaft 3, 108ff. Flaches Zinsband 95 fob-Konzeption 174
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Forderungen gegenüber der Europäischen Zentralbank 190
Forschungssubventionen 67 Forschungs- und Technologiepolitik 11 Funktionale Fusion 43
Einkommensverteilung 157f.
Fusionskontrolle 43ff. GATS (General Agreement on Trade in Services) 30 GATT (General Agreement on Tariffs and Trade; Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen) 30 Geistes- und Kulturwissenschaft 5 Gelddefinitionen 68ff. -Mi 69 -M3 69 -M3,en«it«t69) 95f. -M2 69 Zentralbankgeldmenge 69 Geldmengenstrategie der EZB 90ff. Potentialorientierte Gelmengensteuerung der EZB 90ff. Geldpolitik 68ff. expansive Geldpolitik 98 restriktive Geldpolitik 98 Geldvermögen 196 Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" 13, 5Iff Gemischte Güter 11 Of. Mautgüter 11 Of. -
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Allmendegüter
111
Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Geschlossener Wirtschaftskreislauf 143 Gini-Koeffizient 161 Gossen, Hermann Heinrich 234 -
(GWB) 4Iff.
252
Stichwortverzeichnis
Handelbilanz 175f. cif-Methode 175 fob-Konzeption 175 Handelspolitik 26ff. Handelspräferenzen 27f. Harmonisierte Verbraucherpreisindizes (HVPI) 167ff. Hausfrauenparadoxon 212 Haushaltssektor 135f. Holländisches Zuteilungsverfahren 84 Homo oeconomicus 5 -
-
Indexmethode 218ff. Indirekte Steuern 150 Induktion 7 Industrie- und Handelskammern (IHK) 14 Industrie-, Forschungs- und Technologiepolitik 24 Induzierte Transaktionen 129 Inflationsrate 1, 165 Inflation-Targeting-Konzept 96f. Inländer 149, 171
Inländerkonzeption 149 Inländische Vorleistungsverflechtungen Inlandskonzeption 151 Input-Output-Analyse 195 Input-Output-Tabelle 137, 193ff.
148
Institutionenökonomik 3
Inlergouvernementale Organisation 36
Internationaler Währungsfonds inverse Zinsstruktur 94f. Investitionen 169 Investitionsgüternachfrage 162
(IWF) 33
Jahreswirtschaftsberichte 129
Kapazitätsabbauprämien 67 Kapitalverkehrsbilanz 179ff. Kartellgesetz 41 ff. 112 Kommunale Zweckverbände 13 Konjunkturindikatoren 90 Konjunkturpolitik 9 Konjunkturzyklen 113ff. Konstanz der Wirtschaftspolitik 125 Konsumfunktion 7
Keynes
Konsumnachfrage
162
Kontenform 144 ff.
Konvergenzkriterien 72, 106f., 216
Korporatistische Strukturen Korrekturen
an
15 der Volkswirtschaftlichen
Gesamtrechnung 218ff.
Stichwortverzeichnis
Kreditverkehrsbilanz 184 Kritik an der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung 207ff.
Lagerinvestitionen
162
Laspeyres-Preisindex 165f. Lebensqualitäts-Atlas von Korczak 228ff. Leontiew, Wassily 195 Leistungsbilanz 17 5 ff. Leistungsbilanzüberschuß 191 Lohnquote 158 tatsächliche bzw. unbereinigte Lohnquote bereinigte Lohnquote 158 Lokale Agenda 21 60ff.
158
-
-
Lorenzkurve 160
Maastricht-Vertrag 24, 72 Magisches Viereck 130 Makroökonomie 1 Makroökonomische
Aggregate Marktbeherrschung 48 Marktversagen 109
135
Measure of Economic Welfare Konzept (MEW) 224 Meistbegünstigungsklausel 30 Mengentenderverfahren 82 ff. Meritorische Güter 111 Mesoökonomie 3 Methode der Deduktion 6 Methode der sozialen Indikatoren 218ff. MikroÖkonomie 2 Mindestreservepolitik 88f.
Mißbrauchsaufsicht marktbeherrschender Unternehmen 48ff. Mißbrauch der Marktmacht 48f.
Mittelstandspolitik 68 Monetäres Divisia-Konzept 95 Monetaristische Denkschule 112 Multiplikatorprozeß 114 MwSt-Eigenmittel 19 Nachfragesog 116, 119 Nachfragesteuerung 121 Nachhaltige Regionalentwicklung 64 Nachhaltige Regionalentwicklungskonzepte 64ff. Nachhaltigkeit 60ff. Nationales Produktionskonto 148 116
Negativer Multiplikatoreffekt Nettobeitrag 177 Nettoinvestitionen 150
Nettoposition 174, 197 Nettosozialprodukt zu Faktorkosten (= Volkseinkommen)
150f.
253
254
Stichwortverzeichnis
Nettosozialprodukt zu Marktpreisen 150 Nettowertschöpfung 153 Neues Handelspolitisches Instrument (NHI) 27
Nichtregierungsorganisationen 14 Nominales Bruttosozialprodukt (= Bruttonationaleinkommen)
151
normative Wissenschaft 7
Öffentliche Güter
109 Free-Rider-Mentalität 110 Trittbrettfahrermentalität 110 Kollektivkonsum 110 Musgrave-Kriterien 110 spezifisch öffentliche Güter 110 Unteilbarkeit 110 Ökoinlandsprodukt 226f. Offenmarktgeschäfte 82ff. Ordnungspolitik 8 Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Exekutivausschuß 39 Exekutivausschuß in Besonderer Sitzung 39 OECD Economic Outlook 40 OECD Economic Surveys 40 Rat 37 Sekretariat 40 -
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Parallelpolitik 132 Personale Einkommensverteilung 157f. Phillips-Kurven-Theorem 8 physische Input-Output-Tabelle 202f. Pigou, Arthur Cecil 212 Poldermodell 15 Politikberatende Funktion 137 positive Wissenschaff 7 Präskription 137 Präskriptive Aussagen 6 Preisindex der Lebenshaltung 168 Preis-Lohn-Spirale 115 Pressure Group 14 Primäraufwandmatrix 195 Primäre Einkommensverteilung 112 Primärer Sektor 136, 153 Private Güter 109 -Ausschlußprinzip 109 Rivalität im Konsum 109 Private Organisationen ohne Erwerbscharakter 135f. Produktionslücke 118f. Produktionspotential 118f. -
Prozeßpolitik 9 Prozyklische Wirkung
132
(OECD) 36ff.
Stichwortverzeichnis
Querverteilung 159 Quesnay, Francois 5, Quote 33 f.
139
Bruttosozialprodukt (= Bruttonationaleinkommen) Realkapital(bestand) 1, 118, 150 Reales
151
Realwissenschaft 4
Regionale Agenda 21 60 ff. Regionalisierte Strukturpolitik 57ff. Regressive Wirkung 20 Regrettable Necessities 217 Relevanter Markt 18 f.
Repogeschäfte 96 Reproduzierbares Sachvermögen Reserveposition 191 Reziprozität 30
196
Rio-Deklaration 60 Runde Tische 15, 65 Saldo der Faktoreinkommen 211 Saldo der statistisch nicht aufgliederbaren Transaktionen (= Restposten) 184f. Schattenwirtschaft (= Schwarzarbeit) 213f. Sektorale Einkommensverteilung 157 Sekundäre Einkommensverteilung 112 Sekundärer Sektor 136, 153 Sekundärstatistiken 211 Simple-Sum-Aggregat 95 Smith, Adam 5 Sonderziehungsrechte (SZR) 188ff. Sozialcharta 22
Sozialprodukt 1 Staatliche Investitionsnachfrage 163 Staatliche Preisfestsetzungen 66 Staatskonsum 136, 162, 169 Staatssektor 136
Stabilisierungspolitik 9
Stabilität des Preisniveaus 128 Stabilitäts- und Wachstumsgesetz 121 ff. Stabilitäts- und Wachstumspakt 102f.
Stagflation
120
Statistische Bundesamt 165, 205, 21 1, 214 Statistisches Amt der Europäischen Gemeinschaften (Eurostat) 167
Stetiges und angemessenes Wachstum
129
Strukturpolitik 9, 50ff. regionale Strukturpolitik (= Regionalpolitik) 50 sektorale Strukturpolitik 50, 66ff. unternehmensgrößenbezogene Strukturpolitik (Mittelstandspolitik) 68 -
-
Stückkostendegressionen 131
-
255
256
Stichwortverzeichnis
Subsidiaritätsprinzip 57
Subventionen 126 Sustainable Development 60, 224
Su^tainability 60 System for Integrated Enviromental and Economic Accounting (SEEA) 201 ff., 225
Trans-European Automated Real-Time Gross Settlement Express Transfer System) 79 f.
TARGET:
Terms of Trade 2 Tertiärer Sektor 136, 153 Tertiarisierung 155 Theorie 7 Think Tank 36 Time Lag(s) 98, lOOf., 133f. Trägerproblematik 133 Transferzahlungen 136 Transmissionsweg 98, 122ff. Tripartite 15 TRIPS (Agreement on Trade-Related
Umweltökonomische Umweltpolitik 2 5 f.
Aspects of Intellectual Property Rights) 30
Gesamtrechnung (UGR) 200ff.
Umweltproduktivität 205 Umwelt-Satellitensysteme 200f. Untätigkeitsurteil 23 Unterbeschäftigung 118 Unternehmenssektor 135 Verbände 14
Verbandspluralismus 14 Vergleichsmarktkonzept 49 Vermögensrechnung 137, 197ff. Vermögensveränderungskonto 143 Verwendungsrechnung 163ff. VGR i.e.S. 137 Volkseinkommen (=
Nettosozialprodukt zu Faktorkosten) 1, Volkswirtschaftspolitik 3 Volkswirtschaftstheorie 3
Vollbeschäftigung
116
Vorleistungsmatrix 193 Vorleistungsprodukte 152 Vorleistungsverflechtungen
192
185 ff. Warenkorb 163ff., 216 Wechselkurs 2
Währungsreserven
Weltbank(engruppe) 11, 34ff, 221 Welthandelsorganisation 11, 30ff. Wertpapierpensionsgeschäfte 82ff.
151 f.
Stichwortverzeichnis
Werturteil 6
Wettbewerbspolitik 40ff.
Wirtschaftskreislauf 138ff.
Wirtschaftspolitik 8 praktische 9
theoretische 9 Träger 10 Wirtschaftssektoren 2
-
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Zahlungsbilanz(statistik) 137, 172ff. Zeitverzögerungsproblematik 133 Zentralbankgeldmenge (ZBG) 69
Zentralbankrat 79 Zentrum für Umfragen, Methoden und Analysen Zielantinomie (= Zielkonflikt) 6, 130 Ziel-1-Gebiete 54 Ziel-5b-Gebiete 54 Zielkonflikt 6 Ziel-2-Gebiete 54 Zinstender 84f. amerikanisches Zuteilungsverfahren 84f. holländisches Zuteilungsverfahren 84f. marginaler Swapsatz 86f. marginaler Zinssatz 85 -
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(ZUMA) 220
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