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German Pages 437 Year 2011
Strafrechtliche Abhandlungen Neue Folge · Band 227
Grund und Grenzen einer strafrechtlichen Regulierung der Marktmanipulation Analyse unter besonderer Würdigung der Börsen- oder Marktpreiseinwirkung
Von
Yannick Schönwälder
Duncker & Humblot · Berlin
YANNICK SCHÖNWÄLDER
Grund und Grenzen einer strafrechtlichen Regulierung der Marktmanipulation
Strafrechtliche Abhandlungen · Neue Folge Begründet von Dr. Eberhard Schmidhäuser (†) em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Hamburg
Herausgegeben von Dr. Dres. h. c. Friedrich-Christian Schroeder em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Regensburg
und Dr. Andreas Hoyer ord. Prof. der Rechte an der Universität Kiel
in Zusammenarbeit mit den Strafrechtslehrern der deutschen Universitäten
Band 227
Grund und Grenzen einer strafrechtlichen Regulierung der Marktmanipulation Analyse unter besonderer Würdigung der Börsen- oder Marktpreiseinwirkung
Von
Yannick Schönwälder
Duncker & Humblot · Berlin
Zur Aufnahme in die Reihe empfohlen von Professor Dr. Dr. h. c. mult. Bernd Schünemann, München Die Juristische Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München hat diese Arbeit im Jahre 2009 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
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© 2011 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7271 ISBN 978-3-428-13472-4 (Print) ISBN 978-3-428-53472-2 (E-Book) ISBN 978-3-428-83472-3 (Print & E-Book)
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Für Annette
Weder Sein noch Nichtsein, sondern Ruhe oder Unruhe, ist die große Frage der Börse. Heinrich Heine (1797–1856) Französische Zustände Erster Teil, S. 218 (Artikel VIII vom 27. Mai 1832)
Vorwort Bei der vorliegenden Untersuchung handelt es sich um eine ob der nationalen wie europäischen Weiterungen geringfügig aktualisierte Fassung meiner Dissertation zur Erlangung des Doktortitels der Juristischen Fakultät an der Ludwig-Maximilians-Universität München, welche dieser im Sommer 2009 vorgelegt wurde. Abschluss fand das Promotionsverfahren mit der mündlichen Prüfung im Mai 2010. Die Arbeit entstand hauptsächlich während der Zeit meiner Tätigkeit als akademischer Rat am Lehrstuhl meines Doktorvaters Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Bernd Schünemann von Anfang 2006 bis Ende 2008. Der Impuls das Thema der Marktmanipulation im Rahmen meiner Dissertation aufzugreifen, entsprang der Neugier für die Zusammenhänge und Funktionsweise der Kapitalmärkte. Kapitalmärkte, die, wie uns nicht zuletzt die jüngste Wirtschaftsgeschichte gelehrt hat, eng mit Wohl und Wehe ganzer Volkswirtschaften verknüpft sind und die, ob ihrer Undurchsichtigkeit und Flüchtigkeit, für Manipulationen anfällig sind. Deren Wirkzusammenhänge zu ergründen und an diesen die Gegenmittel des Strafrechts zu erproben, war denn auch das Bestreben hinter dieser Arbeit. Gleichzeitig faszinierte mich dabei das multidisziplinäre Forschungsfeld der Kausalität, nicht zuletzt aus der Selbsterkenntnis heraus, dass der Blick des Juristen doch nur einer von vielen möglichen ist, eine Situation zu erfassen oder ein Problem einer Lösung zuzuführen. An allererster Stelle will ich meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Bernd Schünemann herzlich danken, an dessen Lehrstuhl diese Arbeit reifen durfte und der mir als kritischer Denker stets ein wissenschaftliches Vorbild war und bleibt. Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Klaus Volk danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Für die Aufnahme dieser Arbeit in die Schriftenreihe der Strafrechtlichen Abhandlungen gilt Herrn Prof. Dr. Dres. h.c. Friedrich-Christian Schroeder und Herrn Prof. Dr. Andreas Hoyer mein aufrichtiger Dank. Während meiner Assistentenzeit am Lehrstuhl fand ich dankenswerte Unterstützung u. a. durch meine langjährigen Institutskollegen Frau Regierungsrätin Dr. Judith Hauer und Herrn Wiss. Ang. Dr. Peter Kasiske sowie meine Promotionsgefährten Frau Dr. Victoria Ibold, Frau Rechtsanwältin Dr. Simone Nadelhofer do Canto und Herrn Rechtsanwalt Dr. Bastian
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Vorwort
Mehle. Meinen Freunden Herrn Wiss. Ang. Dr. Luís Greco, LL.M. und Herrn Rechtsanwalt Benjamin Schulte gebührt mein tiefer Dank für die kritische Durchsicht des Manuskripts und die Diskussion der ein oder anderen Argumentationslinie. Zuletzt will ich meinen Eltern, Elke und Peter Schönwälder, für all das danken, was sie für mich von klein auf getan haben. Danke für all die Zuneigung, das Ermöglichen meines Studiums und die moralische Unterstützung während der Dissertationsphase. Es gibt einen Menschen, ohne den es diese Arbeit nicht gäbe; eine Person, die mir so viel Kraft gespendet hat; eine Frau, die mir half, auch die schweren Phasen meiner Promotion mit einem Lächeln zu überstehen und die immer an mich geglaubt hat. Diese Person lässt mein Leben jeden Tag wunderschön sein: Annette, Dir ist dieses Buch in Liebe gewidmet. München, im Sommer 2010
Yannick Schönwälder
Inhaltsverzeichnis 1. Kapitel Einleitung und Gang der Untersuchung
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§ 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 2 Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2. Kapitel Strafrecht und Kapitalmarktverhalten
36
§ 1 Der Kapitalmarkt, seine Funktionen und Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 2 Legitimation strafrechtlicher Sanktionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Strafwürdigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das Rechtsgutsprinzip und die Verfassungsmäßigkeit strafrechtlicher Sanktionierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das geschützte Rechtsgut des Delikts der Marktmanipulation . . . . 1. Individualrechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bedenken gegen individualschützenden Ansatz . . . . . . . . . . . . . . 3. Kollektivrechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis der systemimmanenten Rechtsgutsidentifikation: Schutz eines Kollektivrechtsguts . . . . . . . . . . . . . . III. Strafwürdigkeit marktmanipulativen Verhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Strafbedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
41 43 43 51 52 55 60 65 65 73
3. Kapitel Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation im deutschen Strafrecht § 1 Überblick über die Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Struktur, Aufbau und Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. §§ 20a, 38, 39 WpHG und der Kernbereich des Strafbaren . . . . . . . . . . . I. Ausgangspunkt: Marktmanipulation als Kommunikationsdelikt . . . II. Makroebenenirrtum als Kern der strafbaren Marktmanipulation. . . III. Parallelen zur Betrugsdogmatik in den Randbereichen des Strafbaren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
81 81 81 83 84 86 87
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Inhaltsverzeichnis 1. Konkludentes Verhalten beim Betrug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 a) Erklärungsansatz und Rückgriff auf die Verkehrsauffassung (h. M.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 b) Normative Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 2. Konkludentes Verhalten im Kontext der Marktmanipulation . . . 94 a) Markterwartung und Marktvertrauen als Manipulationsnährboden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 b) Der Einbezug des Subjektiven bei der Täuschung über die Handlungsmotivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
§ 2 Objektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Tathandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Marktmanipulation gemäß § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG . . . . . 1. Begehungsalternative § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unrichtige oder irreführende Angaben über Umstände . . . . . b) Bewertungserhebliche Umstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verfassungsmäßigkeit der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Erheblichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unterlassensalternative § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Eignung zur Einwirkung auf den Börsen- oder Marktpreis . . . . II. Marktmanipulation gemäß § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG . . . . . 1. Tatbestandsmerkmale des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG . 2. Diskutierte Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) „Fiktive“ Geschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Effektive Geschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) „pumping and dumping“, „painting the tape“ und „marking the close“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Leerverkäufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Leerverkäufe und Marktmanipulation . . . . . . . . . . . . (2) Einwände gegen den Einbezug von Leerverkäufen in § 20a WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Kurspflegemaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zulässige Handlungen nach § 20a II WpHG – Das Problem der Verwaltungsakzessorietät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Safe Harbour des § 20a III WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Marktmanipulation gemäß § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG . . . . .
105 105 105 106 106 115 115 119 124 129 132 132 142 143 145 146 147 150 154 155 157 158 159 159 167 174
Inhaltsverzeichnis
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1. Verfassungsmäßigkeit der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sonstige Täuschungshandlung i. S. d. § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Tatbestandsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Corners, squeezes und die Sicherung einer marktbeherrschenden Stellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Scalping . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Handlungsgestützte Manipulationen . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Weitere „Sonstige Täuschungshandlungen“ . . . . . . . . . . . c) Bewertung der (praktischen) Bedeutung des § 20a I 1 Nr. 3 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Börsen- oder Marktpreiseinwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Börsen- oder Marktpreiseinwirkung i. S. d. § 38 II WpHG . . . . . . . 1. Begriff des „Börsen- oder Marktpreis als Preis“ i. S. d. § 38 II WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Börsenpreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Marktpreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Legitimation der Strafbarkeitsschwelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verhältnis Ordnungswidrigkeit/Straftatbestand . . . . . . . . . . . . b) Legitimität eines „ergebnisbezogenen Einwirkungserfordernisses“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Legitimität eines „prozessbezogenen Einwirkungserfordernisses“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Dogmatische Einordnung des Einwirkungserfordernisses und der strafrechtlichen Marktmanipulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die strafrechtliche Marktmanipulation als Erfolgsdelikt? . . b) Die strafrechtliche Marktmanipulation als Unternehmensdelikt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die strafrechtliche Marktmanipulation als Eignungsdelikt? II. Materiell-rechtliche Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Börsen- oder Marktpreiseinwirkung als Erfolg i. S. d. § 38 II WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Theorien der Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Äquivalenzformel (condicio sine qua non/Theorie der notwendigen Bedingung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Adäquanzformel und Relevanztheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Formel von der gesetzmäßigen Bedingung . . . . . . . . . . . . . . . d) Inus-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zwischenfazit und Operationalisierung im kapitalmarktlichen Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis 3. Ökonomische Theorien der Börsen- und Marktpreisbildung . . . a) Neoklassische Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Behavioral Finance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vorläufiger Übertrag auf die Kausalität i. S. d. § 38 II WpHG und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Problem der psychischen Interaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Ansicht der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Universelle Geltung der Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Engisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Samson . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Dencker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verknüpfung mittels non-deterministischer Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Bernsmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Kahrs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Puppe und Hoyer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Koriath . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Einheitliche Zurechnung bei psychisch und physisch vermittelten Kausalverläufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Schulz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Pérez-Barbera . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Probabilistische Zurechnung und Risikoerhöhung . . (a) Substituierung der notwendigen Bedingung durch eine wahrscheinliche . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Kombinationslösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Eigene Ansicht und Übertragung auf die Kausalitätsfragen im Kapitalmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Handelsgestützte Manipulationen . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Informationsgestützte (und handlungsgestützte) Manipulationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Objektive Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einzelne Probleme der objektiven Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . a) Zurechnung beim Unterlassen – Quasikausalität . . . . . . . . . . b) Effektive Geschäfte als erlaubtes Risiko? . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis c) Eigenverantwortliche Selbstgefährdung oder geschädigter Anleger als Werkzeug gegen sich selbst? . . . . . . . . . . . . . . . . d) Dazwischentreten Dritter/Zurechnung und mittelbare Täterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Atypischer Kausalverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Rechtmäßiges Alternativverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Prozessualer Nachweis der Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundlagen des Beweisrechtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Praxisprobleme einer Zurechnung auf der Grundlage der klassischen Zurechnungsfiguren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zivilrechtliche Judikatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Fraud-on-the-market theory des US-amerikanischen Kapitalmarktrechtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Konkrete haftungsbegründende Kausalität zwischen informationsgestützter Manipulation und Anlageentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Strafrechtliche Judikatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Instanzgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Bundesgerichtshof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Ledersprayentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Holzschutzmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Analyst Sascha Opel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Antworten und Lösungswege von Verwaltung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Kausalnachweis überhaupt nicht möglich . . . . . . . . (2) Ereignisstudien und Indizienbeweis . . . . . . . . . . . . . . (3) Übernahme der fraud-on-the-market-theory . . . . . . . (4) Konkrete Untersuchung (exakte Orderdatenermittlung; Zeugenbefragung etc.) der Einwirkung erforderlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Eigene Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zwischenergebnis und eigene Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. De lege lata: Propagierung einer Konvergenz von materiellen wie prozessualen Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorschläge de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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329 334 336 336 337 337 339 344 353 353 354 361
362 364 369 369 372
§ 3 Subjektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379
16
Inhaltsverzeichnis 4. Kapitel Zusammenfassung und Reformvorschläge
383
§ 1 Das Tatbestands- und Bestimmtheitsproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 § 2 Das Problem der Marktpreiseinwirkung und die Deliktsstruktur . . . . . . 384 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431
Abkürzungsverzeichnis a. A. a. a. O. a. F. ABl. ABS ADHGB AE AEUV AG AktG Alt. AMG Anm. d. Verf. AnSVG AO ARSP Ass/Schn AT ATS Aufl. Az. BaFin BB Begr. BGB BGBl BGH BGHSt BGHZ BKR BörsG BörsZulV
andere Ansicht am angegebenen Ort alte Fassung Amtsblatt Asset Backed Securities Gesetz betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften vom 18. Juli 1884 Alternativentwurf Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Aktiengesellschaft/Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift)/Amtsgericht Aktiengesetz Alternative Arzneimittelgesetz Anmerkung des Verfassers Anlegerschutzverbesserungsgesetz Abgabenordnung Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie Assmann/Schneider (Hrsg.), Kommentar zum WpHG Allgemeiner Teil Alternative Handelssysteme Auflage Aktenzeichen Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Betriebsberater Begründung Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht Börsengesetz Börsenzulassungs-Verordnung
18 BRDrucks. BReg BritJCriminol BritJPhilSci bspw. BT BTDrucks. BVerfG BVerfGE bzgl. bzw. CAPM CDS CESR CFTC chap. d.h. DAX DB ders. dies. Diss. DStR E ECMH EG ESC ESMA EStG ETF EU EuGH EWiR f./ff. FB FESCO FFG FRUG FS
Abkürzungsverzeichnis Bundesratsdrucksache Bundesregierung British Journal of Criminology British Journal for the Philosophy of Science beispielsweise Besonderer Teil Bundestagsdrucksache Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts bezüglich beziehungsweise Capital-Asset-Pricing-Model Credit Default Swaps Committee of European Securities Regulators U.S. Commodity Futures Trading Commission chapitre das heißt Deutscher Aktienindex Der Betrieb derselbe dieselbe Dissertation Deutsches Steuerrecht Entwurf (in Verbindung mit Gesetzesname) Efficient Capital Market Hypothesis Europäische Gemeinschaft European Securities Committee European Securities and Markets Authority Einkommensteuergesetz Exchange Traded Funds Europäische Union Europäischer Gerichtshof Europäischer Wirtschaftsraum/Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) folgende/fortfolgende Formularbuch der Steuer- und Wirtschaftspraxis Forum of European Securities Commissions Finanzmarktförderungsgesetz Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz Festschrift
Abkürzungsverzeichnis GA gem. GG ggf. GmbH GmbHG GS GVG h. A. h. M. HGB HRRS Hrsg. HS i. e. S. i. R. d. i. S. d. i. S. v. i. Ü. i. V. m. i. w. S. IFG insb. INUS J. Exp. Psychol. Hum. Percept. Perform JA JLE JR Jura JuS JZ Kap. KartellVO KJ KK-StPO
19
Goltdammers Archiv für Strafrecht gemäß Grundgesetz gegebenenfalls Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung Gedächtnisschrift Gerichtsverfassungsgesetz herrschende Ansicht herrschende Meinung Handelsgesetzbuch Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht Herausgeber Halbsatz im engeren Sinne im Rahmen des/der im Sinne des/der im Sinne von im Übrigen in Verbindung mit im weiteren Sinne Informationsfreiheitsgesetz insbesondere insufficient but non-redundant part of an unnecessary but sufficient condition Journal of Experimental Psychology: Human Perception and Performance Juristische Arbeitsblätter Journal of Law and Economics Juristische Rundschau Juristische Ausbildung Juristische Schulung JuristenZeitung Kapitel EG-Kartell-Verordnung Kritische Justiz Hannich (Hrsg.), Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung mit GVG
20
Abkürzungsverzeichnis
KK-WpHG KritV KuMaKV LG Liefg. LK (Aufl.,
falls Voraufl.)
LR MaKonV M/G MiFiD Mio. MK-AktG MK-BGB MK-StGB MK-ZPO MMR MTS n. F. NESS Neubearb. NJ NJW NJW-RR NK No. Nr. NStZ NStZ-RR NVwZ NZG o. g. OLG OWiG RegE
Hirte/Möllers (Hrsg.), Kölner Kommentar zum WpHG Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft Verordnung zur Konkretisierung des Verbotes der Kurs- und Marktpreismanipulation Landgericht Lieferung Jescheck/Ruß/Wilms (Hrsg.) [10. Aufl.] bzw. Jähnke/Laufhütte/Odersky (Hrsg.) [11. Aufl.] bzw. Laufhütte/Rissing/Tiedemann (Hrsg.) [12. Aufl.], Leipziger Kommentar zum StGB Löwe/Rosenberg (Hrsg.), Kommentar StPO und GVG VO zur Konkretisierung des Verbots der Marktmanipulation Meyer-Goßner/Cierniak, Strafprozessordnung Kommentar Markets in Financial Instruments Directive, deutsch: Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (2004/39 EG) Millionen Kropff u. a. (Hrsg.), Münchener Kommentar zum AktG Rebmann u. a. (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB Joecks/Miebach (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB Rauscher u. a. (Hrsg.), Münchener Kommentar zur ZPO mit GVG MultiMedia und Recht Multilateral Trading System Neue Fassung Necessary Element of a Sufficient Set Neuberarbeitung Neue Justiz Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungsreport Kindhäuser/Neumann/Paeffgen (Hrsg.), Nomos Kommentar zum StGB number Nummer Neue Zeitschrift für Strafrecht NStZ-Rechtsprechungsreport Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht oben genannt, oben genannter/es/e Oberlandesgericht Gesetz über Ordnungswidrigkeiten Regierungsentwurf
Abkürzungsverzeichnis REMM RG RGBl RGSt RL Rn. Rs. Rz. S. s. o./s. u. Sch/Sch SchwStGB SEC SK sog. StGB StPO StraFo SSW-StGB StV TUG u.s.w. Urt. UWG v. a. Var. VGH vgl. VO Vol. VwVfG wistra WM WpAIV
WpHG WpPG
21
resourceful evaluative maximizing man Reichsgericht Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Richtlinie Randnummer Rechtssache Randziffer Seite/n siehe oben/unten Schönke/Schröder Schweizerisches Strafgesetzbuch Securities and Exchange Commission Rudolphi/Wolter (Hrsg.), Systematischer Kommentar zum StGB sogenannte/r/s Strafgesetzbuch Strafprozessordnung Strafverteidiger-Forum Satzger/Schmitt/Widmaier (Hrsg.), Strafgesetzbuch Kommentar Strafverteidiger Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz und so weiter Urteil Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vor allem Variante Verwaltungsgerichtshof Vergleiche Verordnung Volume Verwaltungsverfahrensgesetz Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht Wertpapiermitteilungen – Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht Verordnung zur Konkretisierung von Anzeige-, Mitteilungsund Veröffentlichungspflichten sowie der Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen nach dem Wertpapierhandelsgesetz Wertpapierhandelsgesetz Wertpapierprospektgesetz
22 WpÜG z. B. ZBB zfb zfbf ZGR ZHR ZIP ZIS ZJapanR ZNER ZPO ZRP ZStrR ZStW
Abkürzungsverzeichnis Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz zum Beispiel Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zeitschrift für Betriebwirtschaft Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrechts und Insolvenzpraxis Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik Zeitschrift für Japanisches Recht Zeitschrift für Neues Energierecht Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft
1. Kapitel
Einleitung und Gang der Untersuchung § 1 Einleitung Die Börsen als Seismographen von ambivalenten rationalen wie irrationalen Hoffnungen und Prognosen über die mikro- aber auch makroökonomischen Entwicklungen – jener von Heine nach den häufigen Besuchen der Pariser Börse beschriebenen „Ruhe oder Unruhe“ – üben eine faszinative Anziehungskraft nicht nur für im Angesicht des Börsentreibens erstaunte Poeten aus. Auch jenen, denen es um das geschickte Ausnutzen der „Ruhe oder Unruhe“ des Marktes zur Erzielung von sozial inadäquaten Sondervorteilen geht, bietet die Börse einen – wenn auch teils mit Risiken verbundenen – weiten Entfaltungsraum. Das Phänomen der Marktmanipulation, als das unzulässige Herbeiführen künstlicher, da nicht dem regulären Spiel der Marktkräfte entsprechender Preise und neben dem Insiderhandel wichtigste Erscheinungsform des Marktmißbrauchs, ist dementsprechend bereits seit langem bekannt.1 Zwar variierten im Laufe der Jahrhunderte die Substrate der Manipulation – vom Kaffee über Tulpen hin zu Rohstoffderivaten2 – und schritten auch die genutzten Manipulationsmittel den Weg der technischen Evolution vom Depeschenreiter3 hin zur E-Mail. Der Einsatz der Marktpreismanipulation zur Erzielung von Sondervorteilen im undurchsichtigen Börsenspiel der Marktkräfte war der gleiche. Bereits früh wurde daher versucht, mittels verbindlicher Regularien und ohne den nach heute herrschender Ansicht erfolglosen Umweg einer freiwilligen Selbstkontrolle wie zunächst beim Insiderhandel praktiziert4 dem Verhalten der Manipulanten Riegel vorzuschieben. 1
Vgl. Hopt (1975) S. 491. Vgl. statt vieler die geschichtlichen Überblicke bei Leinweber/Madhavan, Journal of Investing 2001, 7, 10; Hopt (1975) S. 491 (v. a. mit Aufgreifen klassischer Manipulationsfälle); Lenzen, WM 2000, 1131, 1131. 3 So bspw. im bekannten Fall Rex v. de Berenger, 105 Eng Rep. 536 (K. B. 1814) aus dem England des Jahres 1814, wo der in Militäruniform gekleidete Charles Random de Berenger in Winchester die falsche Nachricht vom Tod Napoleons verbreitete. Die Börsenkurse zogen angesichts der an die manipulierte Nachricht anknüpfenden Prognose eines schnellen Kriegsendes stark an, so dass De Berenger und seine Mittäter ihre Wertpapierbestände mit hohen Gewinnen veräußern konnten. Hierzu Loss/Seligman (1995) S. 939; siehe auch Hopt (1975) S. 491. 2
24
1. Kap.: Einleitung und Gang der Untersuchung
Die Vorreiterrolle bei der Bekämpfung der Marktmanipulation nahm nach weit verbreiteter Ansicht das englische Recht ein, das sich bereits in einer grundlegenden Gerichtsentscheidung des Jahres 1814 mit den Voraussetzungen des Verbots der Kursmanipulation auseinandersetzte.5 Auch das deutsche Recht kannte mit dem 1884 inthronisierten Art. 249d Nr. 2 ADHGB6 früh eine entsprechende strafrechtliche Kodifizierung zum Kursbetrug, die über § 75 Abs. 1 des Börsengesetzes (1896) und unter mehrfachen Modifizierungen über § 88 BörsG in die heutige Fassung der §§ 20a, 38 WpHG mündete. Umso mehr verwundert das zu beobachtende rechtstatsächliche Mauerblümchen-Dasein des Kapitalmarktstrafrechts7 im Kapitalmarktrecht8, obgleich die Bedeutung des geregelten Kapitalmarkts selbst stetig zugenommen hat, die zu erwartenden pekuniären Missbrauchsvorteile immens sind9 und daher von einem hohen Kriminalitätsdunkelfeld auszugehen ist10. 4
Vgl. u. a. Schönhöft (2006) S. 20 m. w. N. sowohl zu Insiderrecht als auch Wertpapierübernahmerecht („sog. Übernahmecodex“); ebenso Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, Rn. 8; Ziouvas (2005) S. 14 ff. (in Verknüpfung mit der Geschichte der Entstehung der europäischen Richtlinien); siehe auch kritisch zum soft law (bspw. auch der sog. Lex mercatoria [private Rechtssetzung im internationalen Handel]) in der globalen Perspektive Schünemann GA 2003, 299, 301 f.; gemäßigter: Röthel JZ 2007, 755 ff. Für Amerika vgl. kritisch u. a. Pirrong, Journal of Law and Economics, 38 (1995) 141 ff.; siehe zur Tendenz von unternehmerischen Opfern von Wirtschaftskriminalität, diese – bedacht auf Reputationsverluste – intern zu bewältigen bspw. die empirische Studie bei Bussmann/Werle BritJCriminol 46 (2006) S. 1128, 1142 und passim. 5 Vgl. Rex v. de Berenger, 105 Eng Rep. 536 (K. B. 1814); vgl. Loss/Seligman (2001) S. 3942 f. [zitiert bei Fleischer Gutachten (2002) F118 Fn. 619]: „If the Americans have been well ahead of the British in the unceasing struggle against insider trading, the British took the lead in the fight against manipulation.“; vgl. zu diesem Fall auch Hadden The American Journal of Legal History, 11 (1967) S. 25, 32 f.; Fleischer Gutachten (2002) F118 f. 6 Gesetz betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften vom 18. Juli 1884, RGBl. 1884, 123 (167 f.). 7 Schönhöft (2006) S. 194 befürchtet dies auch für die Zukunft des § 20a WpHG. 8 Guter Überblick zur Entwicklung des Kapitalmarktrechts bei Assmann/Schütze (2007), § 1 Rn. 5 ff. 9 Vgl. hierzu zuletzt den Beschluss des LG Berlin 14. Große Strafkammer vom 20.5.2008; 514 AR 1/07 (= LG Berlin WM 2008, 1470 ff.) in Sachen „Markus Frick“ und den darin in Bezug genommenen Beschluss des Amtsgericht Tiergarten vom 26. September 2007 (nicht veröffentlicht) mit seiner Anordnung eines dinglichen Arrests zur Sicherung des staatlichen Anspruchs auf Verfall von Wertersatz in Höhe von 45,6 Millionen Euro. 10 Für eine entsprechende empirische Dunkelfeldstudie vgl. Hienzsch (2006) S. 143 ff., 157. Avgouleas (2005) S. 504 m. w. N. und passim weist zu Recht auf die evidente „dynamic mutual feedback relationship“ zwischen dem Auftreten marktmanipulativer Verhaltensweisen und Börsenblasen hin, wie sie in den vergangenen Jahrzehnten anzutreffen waren. Auf die Grenzen der Dunkelfeldforschung in einem Bereich der „Handlungs- und Informationsdiversifizierung“ – wie er im in Kriminal-
§ 1 Einleitung
25
Wichtige Unternehmensentscheidungen werden mit Blick auf Kapitalmärkte getroffen. Die Bedeutung der Kapitalmärkte für die Altersvorsorge und generelle Kapitalanlage großer Teile der deutschen Bevölkerung nimmt – wenn auch aufgrund der Kurseinbrüche des neuen Marktes mit gebremster11 Euphorie – stetig zu, nachdem diese zunächst bei Direktanlagen noch sog. „Abschreibungsgesellschaften“ in Form von Publikumsgesellschaften favorisiert hatten, wodurch das Schwergewicht privater Anlage noch im „Grauen Kapitalmarkt“ zu finden war.12 Verstärkung fand dieser Trend hin zum Aktienmarkt entscheidend durch die Verbreitung neuer computerisierter Handelstechniken bei gleichzeitig steigender Abdeckung privater Haushalte mit Internetanbindung. Für jeden wurde so in Zeiten der nationalen wie europäischen Liberalisierung und Harmonisierung des Zahlungsverkehrs ein problemloser, grenzüberschreitender Wertpapierhandel über Online Brokerage Firmen möglich.13 Innerhalb kürzester Zeit können heute Transaktionsaufträge elektronisch gegeben werden, wodurch eine schnelle, bei automatisiertem Handel gar in Nanosekunden erfolgende14 Reaktion auf veränderte Marktvorzeichen möglich wird. Obschon die nationale Markttiefe statistiken kümmerlich vorkommenden Wirtschaftsstrafrecht generell anzutreffen ist – verweist Hefendehl ZStW 119 (2007) 817, 819. Die Leichtigkeit der Deliktsbegehung lässt auch Waßmer, in: Fuchs WpHG vor §§ 38–40b Rn. 13 ein sehr großes Dunkelfeld vermuten. 11 Die im Factbook unter http://www.dai.de/internet/dai/dai-2-0.nsf/dai_statisti ken.htm [zuletzt besucht am 1.8.2010] veröffentlichten Statistiken des Deutschen Aktieninstituts (DAI) zeichnen hier ein beredtes Bild: von 1988 (3,192 Millionen) stieg die Zahl der Aktionäre bis auf 6,211 Millionen im Jahr 2000 an. Inzwischen hat sie sich bei etwas über 4 Millionen eingependelt (4,047 Mio. 2007), was zur Referenz des Jahres 1988 immer noch einen Anstieg von knapp 27% bedeutet; vgl. mit Erläuterung des Hintergrundes der Entwicklung Zieschang, in: Park (2008) T1 § 263 StGB Betrug Rn. 3 f. und M. Weber NJW 2003, 18, 19. 12 Vgl. hierzu Assmann, in: Assmann/Schütze (2007) § 1 Rn. 11 f. Die Attraktivität des grauen Kapitalmarkts nahm für einige Zeit sogar trotz der Schäden infolge betrügerischer Anlageformen und Geschäftsgebaren nicht merklich ab. Umfassend hierzu und zum Strafrecht im Grauen Kapitalmarkt Hagemann (2005) S. 44 ff. und passim sowie der Sammelband Achenbach/Hagemann (2005). 13 Vgl. Arlt (2004) S. 23. 14 Der automatisierte Handel ist gerade unter institutionellen Händlern weit verbreitet. Bei einer seiner Sonderformen – dem von der SEC und EU-Kommission inzwischen kritisch beäugten sog. Hochfrequenzhandel („flash trading“) – ist es möglich, Millisekunden vor den übrigen Marktteilnehmern Einblick in die Handelsbücher zu erhalten, was es den „Algo-Tradern“ ermöglicht, Angebote vor anderen anzunehmen und die Finanzinstrumente sofort wieder – mit einem Preisaufschlag – in den Markt einzustellen. Algo-Trader nutzen ausgefeilte Rechenalgorithmen, mit deren Hilfe sich aus den verfügbaren Markt- und Unternehmensinformationen unterbewertete Aktien ermitteln lassen oder Arbitragegewinne zwischen Teilmärkten erzielen lassen. Siehe zum Hochfrequenzhandel Forst BKR 2009, 454 ff., zur (Un)Vereinbarkeit mit dem Verbot des § 20a I 1 Nr. 2 WpHG auch S. 141 Fn. 313
26
1. Kap.: Einleitung und Gang der Untersuchung
im Vergleich zu anderen führenden Industrienationen verhältnismäßig zurücksteht,15 gewinnt darüber hinaus auch auf Unternehmens- und damit Emittentenseite die Finanzierung über den besonders „avanciert globalisierten“16 Kapitalmarkt an erheblicher Bedeutung und verdrängt traditionelle Finanzierungskonzepte. Trotz seiner statistisch signifikant geringen Bedeutung ist das Problem der Marktmanipulation in letzter Zeit dank spektakulärer Einzelfälle (beispielhaft seien die Fälle „Comroad“, „Homm (EM.TV)“17 und der Verdachtsfall „Porsche bei VW-Übernahmeversuch“18 genannt), aber auch aufgrund eines gestiegenen Bewusstseins für die sensible Verknüpfung ganzer Volkswirtschaften mit dem Kapitalmarkt (Zusammenbruch neuer Markt; Immobilien- und Gesamtfinanzmarktkrise der Jahre 2007/2008), vermehrt ins Blickfeld der Öffentlichkeit, der Unternehmen und – nicht zuletzt unter dem Stichwort „Compliance“ mit Gesetz und „Corporate Governance Kodex“ – ihrer Führungen19, und (mit Verzögerung) auch des Gesetzgebers geund 315 sowie zum Hochfrequenzhandel als „Brandbeschleuniger“ unter 3. Kapitel § 2 B. II. 4. c) dd) (1). 15 Hierbei wird die Markttiefe verstanden als das Verhältnis der Marktkapitalisierung sämtlicher Börsengesellschaften zum Bruttosozialprodukt pro Kopf. Vgl. hierzu Wackerbarth ZGR 2005, 686, 688 ff., der konstatiert (S. 689) dass „in Deutschland [. . .] die Wertpapiermärkte unterentwickelt und nicht liquide genug [sind], um neue unternehmerische Ideen zu finanzieren.“ 16 Vogel FS Jakobs (2007) S. 745; vgl. auch BTDrucks. 14/8017, S. 64: „Schließlich wird der Börsen- oder Marktpreis häufig länderübergreifend manipuliert und hat damit einen europäischen bzw. internationalen Bezug“. Siehe hierzu auch Avgouleas (2005) S. 504: „Market abuse is not [. . .] a natural phenomenon, although it has the tendency to spread freely across global markets enjoying the same unrestrained movement as the hurricanes that wreak havoc in the tropics.“ 17 Vgl. hierzu Fleischer ZGR 2008, 185, 219 f. und BaFin, Jahresbericht 2004, S. 196. 18 Die nach den vorherigen Unternehmensveröffentlichungen überraschende Ankündigung Porsches, über Optionsgeschäfte bereits Zugriff auf 74,1% der VW-Aktien zu haben, löste im Herbst 2008 eine Kursrallye mit Spitzenwerten von mehr als 1000 Euro pro VW-Aktie aus, als insbesondere institutionelle Anleger gezwungen waren, ihre vorherigen massiven Leerverkäufe überteuert zu decken (Situation eines sog. short squeeze). Die Staatsanwaltschaft Stuttgart (Az. 154 Js 69207/09) hat Mitte 2009 ein inzwischen auf weitere Personen ausgeweitetes Ermittlungsverfahren gegen Ex-Vorstandsmitglieder der Porsche AG wegen Verdachts u. a. der Marktmanipulation eingeleitet (vgl. hierzu Weber NJW 2010, 274, 278). Darüber hinaus sehen sich die Ex-Vorstände wie auch Porsche selbst Schadenersatzforderungen auf Grundlage der Manipulationsvorwürfe in Milliardenhöhe ausgesetzt (vgl. hierzu und zum Fortgang der Ermittlungsverfahren Seiwert Wirtschaftswoche vom 20.5.2010 sowie Freitag/Katzensteiner manager magazin 6/2010, S. 24 ff.). 19 Vgl. W. Gerke, in: Hungenberg/Meffert (2003) S. 266 f.: „ [. . .] führt Marktmissbrauch in Teilbereichen immer noch zu Marktversagen. Es bleibt Aufgabe der Marktteilnehmer [. . .] mehr Fairness für alle Marktteilnehmer herbeizuführen.“
§ 1 Einleitung
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rückt.20 Der Gesetzgeber nahm das in seiner Intensität wachsende Rufen21 wahr und wurde tätig. Dem 4. Finanzmarktförderungsgesetz vom 21.6.2002 (BGBl. I 2000, S. 2010) folgte in einem schieren Gesetzgebungsprestissimo zur Konkretisierung und Ergänzung die am 28.11.2003 in Kraft getretene Verordnung zur Konkretisierung des Verbotes der Kurs- und Marktpreismanipulation (KuMaKV; BGBl. I 2003, S. 2300), als „Reform der Reform“22 das Anlegerschutzverbesserungsgesetz vom 28.10.2004 (BGBl. I S. 2630) und wiederum dessen Konkretisierungsverordnung MaKonV mit Wirkung zum 11.3.200523. Diesen teils dem Vorwurf der Konzeptlosigkeit24 ausgesetzten Änderungen des Wertpapierhandelrechts wie zahlreichen weiteren Reformen in anderen Gesetzen lag als Agenda das am 25. Februar 2003 von der damaligen Bundesregierung vorgestellte 10-Punkte-Programm zur Stärkung der Unternehmensintegrität und zur Verbesserung des Anlegerschutzes25 zugrunde. Auch die erheblich gewachsene wissenschaftliche Auseinandersetzung26 ist Spiegelbild des „praktischen Bedeutungszuwach-
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Einen spezifisch strafrechtlichen Überblick über die Geschichte gesetzlicher Regulierungen der Marktmanipulation findet sich u. a. bei Altenhain KK-WpHG § 38 Rn. 12 ff. 21 Dass gerade in Zeiten spektakulärer Börsencrashs die Nachfrage nach der ordnenden Hand des Staates und nicht das Vertrauen in die unsichtbare ordnende Hand des Marktes (Adam Smith; vgl. hierzu statt vieler strafrechtlicher Provenienz Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT [2. Aufl. 2007], Rn. 28 sowie aus ökonomischer Sicht Kirchgässner [2008] S. 221 f. m. w. N. der Idee bei Smith) selbst unter ordoliberalen Kommentatoren anzutreffen ist, verwundert, beweist aber noch nicht, dass der marktwirtschaftliche Ansatz gleich dem planwirtschaftlichen gänzlich zum Scheitern bestimmt ist, sondern nur, dass eine Marktwirtschaft ohne Zügel zumindest hinsichtlich der wohlfahrtsökonomischen Gesamtbeurteilung dunkle Täler zu durchschreiten hat. 22 Vogel, in: Ass/Schn WpHG vor § 20a Rn. 5. Vgl. zu den Änderungen des AnSVG nur Kuthe ZIP 2004, 883 ff. 23 VO zur Konkretisierung des Verbots der Marktmanipulation vom 1.3.2005, BGBl I S. 515. 24 Reifschneider (2007) S. 2 f. m. w. N.; für das 4. FFG vgl. Rudolph BB 2002, 1036, 1037. 25 Siehe hierzu Köhler/Meyer/Mauelshagen BB 2004, 2623 ff. 26 Gleiches Fazit auch Park NStZ 2007, 369; das gestiegene wissenschaftliche Interesse zeigt sich an der Vielzahl der in letzter Zeit veröffentlichten Monographien und Festschriftenbeiträge in diesem Bereich, aber auch den inzwischen existenten umfangreichen neuen Kommentierungen durch Sorgenfrei, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, 2. Aufl., 2008 und Vogel, in: Ass/Schn WpHG sowie Mock/Stoll/Eufinger bzw. Altenhain, in: KK-WpHG (2007) und Fleischer, in: Fuchs WpHG (2009). Vgl. als Literaturübersicht allein die Übersicht vor Mock/Stoll/Eufinger KK-WpHG § 20a und Altenhain KK-WpHG § 38 sowie die Literaturberichte zu den erschienenen Monographien von Wohlers/Kudlich ZStW 118 (2006) 717 ff. und dies. ZStW 120 (2008) 580, 588 ff.; zu einem positiven (Zwischen-)Fazit der Fortschritte der
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1. Kap.: Einleitung und Gang der Untersuchung
ses“,27 die dem Verbot der Marktmanipulation als „unverzichtbarem Baustein eines modernen Kapitalmarktrechts“28 zukommt. Auf europäischer Ebene29 hatte die Kommission der Europäischen Gemeinschaft – als eigentliche Triebfeder für die zeitversetzt erfolgenden nationalen Regulierungsreformen in diesem Bereich30 – bereits am 11.5.1999 in der Mitteilung „Umsetzung des Finanzmarktrahmens: Aktionsplan“ (KOM [1999] 232 endg.) die Bedeutung der Bekämpfung von Marktmissbrauch – der nach der europäischen Diktion sowohl die Marktmanipulation als auch den Insiderhandel erfasst – hervorgehoben und jenen Prozess in Gang gesetzt, der über zahlreiche Beratungen der speziell eingesetzten Ausschüsse (Committee of European Securities Regulators (CESR) und European Securities Committee (ESC)) zum Erlass der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 28.1.2003 über Insidergeschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) [ABl. EU Nr. L 96 v. 12.4.2003, S. 16, sog. Marktmissbrauchsrichtlinie31] und den hierzu von der Wissenschaft bei der dogmatischen Durchdringung des Kapitalmarktrechts vgl. Fleischer ZGR 2007, 500, 505. 27 Park FS Strafrechtsausschuss BRK (2006) S. 229, 238 f. 28 Kümpel/Veil, WpHG, 2. Aufl. 2006, S. 126. 29 Nachdem die vorliegende Arbeit der Untersuchung des strafrechtlichen Tatbestands der Marktmanipulation gewidmet ist und die Europäische Union auf diesem Gebiet bislang keine Kompetenz besaß (vgl. zur Diskussion und zu den jüngsten europäischen Weiterungen unten 2. Kapitel § 2 A. II.), werden die benannten europäischen Regelungen hier nicht umfassend, sondern nur – wo angebracht – im jeweiligen Kontext diskutiert. Die darüber hinaus gehende Frage, in wie weit eine internationale Regelung in Zeiten Länder- und Kontinentgrenzen übergreifender Manipulationen rechtspolitisch angebracht ist, soll vorliegend nicht explizit erörtert werden. Die materiellen Verbote im Bereich des Kapitalmarkts wurden zumindest innereuropäisch weitgehend harmonisiert, wenn auch die Wahl der Sanktionsform bislang in den Händen der Mitgliedsstaaten verblieb. Weltweit wäre eine Harmonisierung der Marktmanipulationsverbote zur Erleichterung entsprechender weltweiter Handelsaktivität für global agierende institutionelle Investoren zwar zu begrüßen (Senkung der rechtsordnungsindizierten Transaktionskosten (Rechtsinformationsund Anpassungskosten; sog. costs of compliance)). Unter Schutzgesichtspunkten (zum geschützten Rechtsgut siehe unten 2. Kapitel § 2 A. II.) ermöglichen allerdings bereits die bestehenden deutschen Regelungen eine Verfolgung ausländischer Manipulanten über den Ort des Erfolgs i. S. d. § 38 II WpHG (in Deutschland gelegene Börsen/Märkte; zum Erfolgskriterium vgl. 3. Kapitel § 2 B. I. 4.) und stellt sich somit allein das allgemeine – wenn auch zumeist entscheidende – Problem der internationalen Zusammenarbeit in der Strafverfolgung (Auslieferungsverbote für eigene Staatsangehörige etc.). 30 Vgl. hierzu nur den Überblick bei Diehm (2006) S. 146 ff. und Hopt WM 2009, 1873, 1874 ff. 31 Zuletzt geändert durch die Richtlinie 2008/26/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 11. März 2008 im Hinblick auf die der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse. Zur Umsetzung dieser Richtlinie im deutschen
§ 1 Einleitung
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Kommission im Komitologieverfahren erlassenen Durchführungsbestimmungen32 mündete. Die Beschäftigung mit jenem unter die Bezeichnung Kapitalmarktstrafrecht gefassten Ausschnitt der heutzutage schier unüberschaubaren Menge an nebenstrafrechtlichen Normen33 erweist sich trotz der auf den ersten Blick abseitigen Materie als von großem Erkenntnisgewinn. Das Kapitalmarktstrafrecht bietet zum einen mannigfache Problemfelder, deren Zuführung hin zu mit den bisherigen dogmatischen und verfassungsrechtlichen Vorgaben vereinbaren Lösungen dem Strafrechtswissenschaftler als Teil der vierten Gewalt34 anspruchsvolle Herausforderung wie Aufgabe zu gleich sein sollte – dies umso mehr als das Kapitalmarktstrafrecht von einigen Stimmen (als Anlass für Beunruhigung bietender) Vorbote oder Spiegelbild eines neuen Strafrechts und nicht als praktisch unbedeutend und daher vernachlässigenswertes Partialrecht der Kapitalmärkte gesehen wird.35 Das Kapitalmarktstrafrecht, als Oberbegriff für alle Normen, die in einem unmittelbaren oder mittelbaren Bezug zum Kapitalmarkt bzw. kapitalmarkttypischen Geschäften stehen,36 erweist sich zudem als der Schmelztiegel, in dem auch von Seiten der Methodik zwei Denkweisen aufeinander prallen: jene des Kapitalmarktrechts und der Kapitalmarktpraxis auf der einen Seite Recht Dreyling Der Konzern 2005, 1 ff. und kritisch Ekkenga BB 2007, Nr. 36 Die Erste Seite; vgl. ferner zum EU-Aktionsplan auf dem Gebiet des Kapitalmarktaufsichtsrechts Foelsch BKR 2007, 94 ff. 32 Vgl. die Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG der Kommission (ABl. EU Nr. L 339 v. 24.12.2003, S. 70, die Durchführungsrichtlinie 2003/125/EG der Kommission (ABl. EU Nr. L 339 v. 24.12.2003, S. 73); die Durchführungsverordnung EG Nr. 2273/2003 der Kommission (ABl. EU Nr. L 336 v. 23.12.2003, S. 33) und die Durchführungsrichtlinie 2004/72/EG der Kommission (ABl. EU Nr. L 162 v. 30.4.2004, S. 70). 33 Deren bald unübersehbare Fülle ernüchternd wie relativierend zugleich auch in der Rückschau schon immer anzutreffen war, was ersichtlich wird, wenn bereits Binding (2. Aufl. 1902, S. 20) vom „reich bestandenen Acker der Nebengesetze“ sprach. 34 Siehe hierzu Schünemann FS Roxin, 2001, 1, 8. Vgl. darüber hinaus dens. ZIS 2007, 535, 536 zur Aufgabe der Wissenschaft „die in den letzten 250 Jahren erkämpften rechtsstaatlich-demokratischen Fundamente des Strafrechts zu verteidigen“. 35 Daher auch gegen eine von ihm so bezeichnete „Sonderfallthese“ für das Kapitalmarktrecht als Spezialmaterie Vogel FS Jakobs (2007) S. 745 f., der vielmehr anhand der dort anzutreffenden Kodifizierungsinstrumente einen Trend hin zu einem parlamentsfern und technokratisch-instrumentell bestimmten Strafrecht entdecken will. 36 Vgl. zu dieser Definition Park/Sorgenfrei, in: Park (2008) Einleitung Rn. 1; Schröder (2007) Einl. S. 1. Die Vielfalt der geschützten Rechtsgüter ermöglicht keine weitergehende Umgrenzung nach den geschützten Rechtsgütern (vgl. Park NStZ 2007, 369, 370).
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1. Kap.: Einleitung und Gang der Untersuchung
und jene der Strafrechtsdogmatik auf der anderen.37 Kapitalmarktrechtlich wird betont funktionell und unter Betonung von erhöhter Flexibilität argumentiert, während die strafrechtliche Herangehensweise von Prinzipientreue und Dogmatik geprägt ist. Auch diese Arbeit kann – ohne ihre strafrechtsdogmatische Tendenz verhehlen zu wollen – nur versuchen, Grenzgänger zu bleiben, da sie das Strafrecht in seiner Sonderstellung anerkennt und daher auch jene in Jahrhunderten zu seiner Vermenschlichung errungenen Legitimitätshürden nicht leichtfertig und unter übertriebenem Funktionalismus als obsolet durchbrechen will. Zugleich wird das in den Kontext des zunehmend einem unübersichtlichen Gestrüpp ähnelnden Kapitalmarktrecht38 eingebettete Kapitalmarktstrafrecht wenn nicht als Vorbote eines neuen Strafrechts, so doch zumindest als exemplarisches Rechtsgebiet beschrieben, auf dem viele der das moderne Strafrecht betreffenden Frage- und Problemstellungen anzutreffen sind. Aus den Antworten die im Bereich des Kapitalmarktstrafrechts gefunden oder diskutiert werden, schimmern neue Tendenzen hervor, wie der Einsatz von Strafrecht allgemein aussehen kann und auch für die von Menschen verursachten Risiken am Finanzmarkt als Teilbereich der modernen Risikogesellschaft (wenn man diesen soziologischen Begriff überhaupt verwenden will)39 gesucht werden soll. Erklärungen, die von Monokausalitäten ausgehen, disqualifizieren sich in Zeiten, in denen neben dem Anstieg der Kausalverflechtungen Begriffe wie Grenzenlosigkeit und Anonymität den Spielraum staatlicher Strafverfolgung merklich einschränken.40 Angesichts eines immer komplexer werdenden Steuerungsgegenstandes werden die Präventionshebel zur „Bekämpfung“41 scheinbarer oder tatsächlicher Risiken dementsprechend immer früher angesetzt (Vorverlagerung des Straf37
Zu recht Vogel, in: Ass/Schn WpHG vor § 20a Rn. 25. Vgl. statt vieler Weber NJW 2004, 3674. Benner, in: Volk (2006) § 22 Rn. 14 spricht gar von einem „katastrophalen historischen Chaos“. 39 Vgl. hierzu das erstmalige monographische Aufgreifen bei Prittwitz (1993) S. 174 ff. und passim; Herzog, in: Neumann/Prittwitz (2005) S. 117 ff.; hierzu sowie m. w. N. zur Diskussion Roxin AT I § 2 Rn. 71; kritisch zum unvollkommenen Begriff der „Risikogesellschaft“ Hefendehl (2002) S. 165 ff.; Kuhlen GA 1994, 347, 360 (die Begriffsrezeption habe ihren „konjunkturellen Höhepunkt“ bereits überschritten) und Greco (2009) S. 220 Fn. 65. Im Ergebnis kritisch zum Topos und seinen vielfältigen Aspekten im Strafrecht L. Schulz, in: Lübbe (1994) S. 78 ff.; vgl. ferner Seelmann KritV 1992, 452, 456 ff., der die Diagnose der soziologischen Literatur übernimmt, typisches Kennzeichen der ‚Risikogesellschaft‘ sei die systematische Produktion von Zurechnungsproblemen. Vgl. ebenso Schünemann GA 1995, 201, 211 m. w. N. 40 Vgl. auch hierzu Hefendehl (2002) S. 166 sowie Schünemann GA 1995, 201, 211 f. 41 Hefendehl GA 2007, 1, 3 bezeichnet diesen in neuen Gesetzen zur Wirtschaftskriminalität gebrauchten Terminus als geradezu euphemistisch. 38
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rechts)42, wobei die Regulierungshebel in Deutschland und Europa bislang primär an den Börsen oder – in der Terminologie des EG-Rechts – geregelten Märkten angesetzt wurden.43 Der Terminus der oftmals in Eile gestrickten „Bekämpfungsgesetze“, bei denen mit allen und so auch strafrechtlichen Mitteln (vermeintlich) sozialschädlichem Verhalten beigekommen werden soll, ist zum Signum moderner Gesetzgebung geworden.44 Gleichzeitig wird sich der Staat bei seiner „Funktionalisierung des Strafrechts“45 aber auch gewahr, dass er in bestimmten Bereichen machtlos bleibt, wenn er auf traditionellem Wege versucht, sich den Problemen zu stellen. Neue Elemente werden daher als (teilweise aus anderen Rechtskreisen entlehnte) Antworten in den Kanon der Strafverfolgungsinstrumente aufgenommen, der nunmehr selbst vor der Inpflichtnahme Privater zu Zwecken der Strafverfolgungsvorsorge und Straftatverhütung46 nicht Halt macht. Gleichzeitig 42 Schünemann GA 1995, 201, 212 ff. Siehe auch Hefendehl (2002) S. 171; ders. GA 2007, 1, 3. 43 Was in erster Linie der Dominanz der Börsen gegenüber außerbörslichen Orderausführungssystemen (trotz einer beobachtbar wachsenden Bedeutung außerbörslicher Handelssysteme v. a. im Anleihensektor) geschuldet ist, vgl. Seitz AG 2004, 497, 498; zur hiervon (zumindest zwischenzeitlich) abweichenden Situation in den USA vgl. von Rosen, in: Assmann/Schütze (2007) § 2 Rn. 280. Im Anwendungsbereich des § 20a WpHG liegen dementsprechend nur die an in- und ausländischen organisierten Märkten zugelassenen Finanzinstrumente (vgl. statt vieler Schröder (2007) 3. Kap. B II 1 Rn. 380). 44 Vgl. für eine Zusammenstellung Hefendehl ZStW 119 (2007) 816, 817 Fn. 6; zur Kritik am Begriff der „Bekämpfungsgesetze“ ders. NJ 2002, 459, 459 f.; ders. JZ 2004, 18, 19; wider die kriminalpolitische, aber unangemessene Instrumentalisierung dieses Begriffes auch Hettinger NJW 1996, 2263, 2264: Strafrecht sei „insgesamt kein Feindstrafrecht, kein Kampfrecht gegen wen auch immer.“ Zum Begriff des Feindstrafrechts vgl. nur Greco GA 2006, 96 ff.; ders. (2010) S. 13 ff., 49 ff. sowie ebenfalls jüngst Heinrich ZStW 121 (2009) 94 ff. Kritisch zum Wirtschaftsstrafrecht als modernem Ordnungsfaktor Achenbach StV 2008, 324 ff. Zur Expansion des Strafrechts vgl. nur Silva-Sanchez (2003) S. 7 ff. Ansichten, nach denen der Rekurs auf das Strafrecht inzwischen zum ersten Mittel staatlicher Lenkungspolitik geworden sein soll, gehen allerdings in ihrer platitüdenhaften Generalisierung zu weit. Vgl. beispielhaft hierzu Hild (2004) S. 17, der den Einsatz des Strafrechts als prima ratio, statt seiner ursprünglichen Bestimmung als ultima ratio, beobachtet haben will. 45 Vgl. hierzu statt vieler Weigend FS Triffterer (1996) 695, 707 m. w. N. auch zur Kritik am ungebremsten Inkriminierungsdrang v. a. von Seiten der „Frankfurter Schule“. 46 Vgl. hierzu Vogel FS Jakobs (2007) S. 731 [742]: mittelbare Strafanzeigepflicht über § 10 WpHG (Mitwirkung an Strafverfolgung), dazu zahlreiche Informations- und Dokumentationspflichten (§§ 9, 15b, 16b WpHG) im Gewande verwaltungsrechtlicher Normen (Mitwirkung an Strafverfolgungsvorsorge), aber wegen Anzeigepflicht der BaFin weitreichende Inpflichtnahme; schließlich die Mitwirkung bei der Straftatverhütung (§ 33 I Nr. 3 WpHG: Einrichtung angemessener interner Kontrollmechanismen [„Compliance“]); zur Compliance aus aktienrechtlicher Sicht
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1. Kap.: Einleitung und Gang der Untersuchung
ist eine damit einhergehende immer stärker werdende Technokratisierung des Strafrechts zu beobachten, die in der letztverbindlichen Bestimmung des Strafbaren durch Exekutivbehörden gipfelt. Als der Gesetzgeber den Kursbetrug unter Erweiterung bereits seiner Begrifflichkeit (nunmehr Marktmanipulation) zunächst dem BörsG enthub um ihn schließlich wiederholt umzugestalten, war er gelenkt vom Bestreben, den auftretenden neuen als marktschädlich erkannten oder extern als solches (bspw. durch EU-Vorgaben) gelehrten Formen bestimmter menschlich determinierter Markteinflüsse den schweren Riegel des Strafrechts vorzuschieben. Inwieweit sich jenes Ergebnis in Praxi bewähren können wird, bleibt abzuwarten.47 Das (Zwischen)Fazit vieler Literaturstimmen, welche sich mit den Entwicklungen im Kapitalmarktstrafrecht im Allgemeinen und der Marktmanipulation im Besonderen beschäftigen, fällt indes im Hinblick auf rechtsstaatliche Anforderungen negativ aus48.
§ 2 Gang der Untersuchung Die vorliegende Arbeit hat sich zum Ziel gesetzt, ausgehend von einer grundlegenden Klärung der allen weiteren Fragen und Antworten gleichsam den Weg bereitenden Strafrechtsgutfrage49 für eines der Zentraldelikte des deutschen Kapitalmarktstrafrechts, der Marktmanipulation, Lösungsansätze für die aus strafrechtsdogmatischer Sicht am dringendsten zu schließenden Wunden zu suchen. Gleichzeitig soll sie aber auch der Vielzahl dogmatischer wie tatsächlicher Probleme damit zu begegnen helfen, dass sie eine Synchronisierung von materiellem und prozessualem Recht herbeiführen will, ohne einseitig die Waagschale zugunsten allseits vereinfachter Beweismöglichkeiten zu senken. Insgesamt ist sie als ein Versuch anzusehen, die scheinbar bestehende und (nicht immer) beklagte „Inkompatibilität von effektiver Kapitalmarktregulierung und rechtsstaatlichem Strafrecht“50 zu be(§ 91 II AktG) vgl. ferner umfassend Lohse (2005) S. 427 ff. sowie Bock ZIS 2009, 68 ff.; Kuthe/Rückert/Sickinger (2004); Lösler NZG 2005, 104 ff. 47 Pessimistische Prognosen bereits u. a. bei Tripmaker wistra 2002, 288, 292. 48 Vgl. statt vieler Park FS BRAK (2006) S. 239, der bedenkliche Entwicklungen sieht, da „essentielle Grundlagen des Strafrechts wie der ultima-ratio Gedanke und die Frage nach Strafwürdig- und -bedürftigkeit der jeweiligen Handlungen immer weiter in den Hintergrund geraten.“ Pragmatischer hier dagegen Vogel FS Jakobs S. 745 f. 49 Dabei kein dogmatisches Glasperlenspiel, aber wohl für das Strafrecht zentral: „Rechtsgut Ausgangspunkt der Kriminalisierung“ Hefendehl (2002) S. 174; ders., ebenda, S. 213: „Ließe sich ferner ein Rechtsgutsbezug der tatbestandsmäßigen Handlung nicht nachweisen, wäre der Straftatbestand ungeeignet zum Schutz des Rechtsguts.“
§ 2 Gang der Untersuchung
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seitigen. Den Schwer- und gleichzeitig angesichts der Fülle von Problemen des Marktmanipulationstatbestandes notwendigen Konzentrationspunkt dieser Arbeit soll dabei das Einwirkungskriterium einnehmen. Dieses wird – ganz überwiegend als tatbestandlicher Erfolg verstanden – zwar in der Literatur als wesentliches Problem des Manipulationstatbestandes identifiziert, in der Konsequenz aber zumeist nur der kursorischen und einseitig prozessualen Analyse unterworfen.51 Die Arbeit wird, beginnend mit einem Kurzüberblick über die ökonomischen Funktionen und Risiken im Kapitalmarkt, im zweiten Kapitel eingehend der Frage der Legitimation strafrechtlicher Sanktionierung marktmanipulativer Verhaltensweisen nachgehen. Hierbei widmet sie sich zunächst der Strafwürdigkeit, um in einem zweiten Schritt auch die Strafbedürftigkeit zu hinterfragen. Ausgehend von der gesetzgeberischen Schutzintention und dem Konzept des Rechtsgüterschutzes soll hierbei die Strafwürdigkeit der verbotenen Verhaltensweisen geklärt werden. Die Antwort auf die Problemstellung, ob und welche Folgerungen sich aus dem geschützten Rechtsgut für die notwendige Deliktsstruktur ergeben können, soll sich dagegen erst in den abschließenden Passagen dieser Untersuchung wiederfinden. Bei der Frage der Strafbedürftigkeit wird die Angemessenheit eines gerade strafrechtlichen Schutzes mit Blick auf mögliche Alternativregulierungen beleuchtet. Im anschließenden Kapitel widmet sich die Arbeit in einem ersten Abschnitt ungeachtet der Vielzahl sich stellender (zur Genüge behandelter, oftmals allerdings auch nicht letztverbindlich zu lösender) Probleme der Deliktsstruktur, dem Vorwurf der mangelnden Bestimmtheit52 und den damit zusammenhängenden Fragen der Tatbestandstechnik exemplarisch dem aus Sicht des Verfassers primären Problem der Tatbestandsfassung des Verbotstatbestandes in § 20a WpHG. Dabei kann und soll angesichts der Zielsetzung dieser Untersuchung nicht jedes der dabei auftretenden Probleme der 50 Park NStZ 2007, 369, 376. Ähnlich zuletzt auch Volk FS Hassemer (2010) S. 924 ff. 51 Vgl. die Nachweise bei 3. Kapitel § 2 B. II. 2. e). 52 Ungewissheit über Strafbarkeiten ist nicht nur unter strafrechtlichen/verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten höchst bedenklich, sondern wirkt sich auch negativ, da hemmend, auf den Markt aus, will doch der Marktteilnehmer innerhalb klar gesteckter Grenzen erkennen können, was erlaubt ist und was nicht, und diese Grenzen voll ausnutzen (vgl. Lenzen [2000] S. 58 ff. [die die Opportunitäts- und Durchsetzungskosten letztlich angesichts der schwerwiegenden Nachteile durch Kursmanipulationen nicht als Argument gegen eine Regulierung eben dieser gelten lassen will]; Schönhöft [2006] S. 192; Volk FS Hassemer (2010) S. 924 f.). Jenes in erster Linie wirtschaftspolitisch zu verstehende Moment sollte nicht nur bei einer ökonomischen Folgenanalyse des Strafrechtsgesetzgebers die Waagschale beschweren, sondern ist in erster Linie auch von Seiten der Strafzwecke (positive Generalprävention) mit Argumentationsgewicht ausgestattet.
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1. Kap.: Einleitung und Gang der Untersuchung
umfassenden Analyse unterlegt werden. Die Klärung der wesentlichen Determinanten des objektiven Tatbestandes dient in erster Linie der Schaffung einer Basis für die auf der tatbestandlichen Handlung aufsetzenden Fragen nach dem materiellen wie prozessualen Umgang mit dem von Gesetzes wegen seit dem AnSVG für das Überschreiten der Strafbarkeitsschwelle verlangten Erfordernis einer Einwirkung auf den Börsen- oder Marktpreis. Sie wird insbesondere deshalb zum zentralen Tatbestandsproblem, weil dieses Tatbestandsmerkmal des § 38 II WpHG allein über die Grenze des Strafbaren entscheidet53. Das dritte Kapitel wendet sich daher nach einem insbesondere den Kernbereich des Strafbaren hervorhebenden Überblick über die Regelung der Marktmanipulation (§ 1) den einzelnen Tatbestandsvarianten des Verbotstatbestandes in § 20a WpHG und damit der konkreten Auslegung der dort beschriebenen Handlungsalternativen des objektiven Tatbestandes zu (§ 2 A.). Im Vordergrund steht hier nicht die kommentarhafte Aufbereitung des gesamten Spektrums sich stellender Auslegungsfragen, sondern die punktuelle kritische Analyse sowohl der tatbestandlichen Ausgestaltung als auch ihrer Konkretisierung durch Verordnungsgeber, Literatur und Rechtsprechung/Verwaltungspraxis. Der größte Abschnitt des dritten Kapitels ist schließlich einer umfassenden Analyse des Einwirkungskriteriums i. S. d. § 38 II WpHG als Schwelle von Ordnungswidrigkeit und Straftat vorbehalten (§ 2 B.). Abseits der Fragen, inwieweit das – genau genommen bereits hinsichtlich seiner dogmatischen Natur ambivalent zu beurteilende – Merkmal der erfolgten Kurseinwirkung die Strafbarkeitsschwelle tatsächlich hebt oder senkt und daher als Abgrenzungskriterium geeignet ist und ob ein Abschieben in die Ordnungswidrigkeiten nicht eine unter liberaler Blickrichtung verklärende Scheinlösung darstellt,54 drängt sich ein weiteres Problem in den Vordergrund. Wie soll es möglich sein, einer (notwendig zunächst eindeutig zu umgrenzenden) Handlung in einem mannigfachen Einflüssen unterworfenen Umfeld einen bestimmten strafrechtlich relevanten Erfolg zuzurechnen? Für den Versuch einer Antwort 53 Ungeachtet der hier nicht zu beantwortenden Frage, ob die Bewehrung als Ordnungswidrigkeit gerechtfertigt ist und welche Kriterien es für eine solche über die standardmäßige Verhältnismäßigkeitsprüfung hinaus auch und gerade angesichts des bis jetzt umstrittenen Verhältnisses von Ordnungswidrigkeiteninkriminierung und strafrechtlicher Inkriminierung geben müsste. 54 So die Ordnungswidrigkeiten als aus dem Strafrecht verbannte, verharmloste und umetikettierte Deliktskategorie beschreibend Hefendehl (2002) S. 222 im Anschluss an Stratenwerth ZStW 105 (1993), 679, 688. Zum problematischen Verhältnis der Kriminalstrafe zur Ordnungswidrigkeit auch Achenbach GA 2008, 1 und Ziouvas (2005) S. 110 f., der das Abschieben als „Scheinlösung“ brandmarkt. Achenbach (ZStW 2007, 789, 792) nimmt das Ordnungswidrigkeitenrecht konsequenterweise in den Kreis des Strafrechts im weiteren Sinne auf, wenn er sich mit dessen Funktion zur Wirtschaftslenkung beschäftigt.
§ 2 Gang der Untersuchung
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auf die „Crux des neuen Marktmanipulationsstrafrechts“55 hat sich diese Arbeit als Schwerpunkt die Aufgabe gesetzt, ohne vorschnell Rechtsprechungsoder Gesetzgeberschelte zu betreiben, in anderen Zusammenhängen diskutierte Überlegungen über Kausalitätsanforderungen und deren Beweisprobleme auch in diesem Bereich fruchtbar zu machen. Dabei wird der in der Rechtsprechung diskutierte Maßstab der Nachweisbarkeit ebenso kritisch beleuchtet, wie die beim modernen Gesetzgeber vielseits beobachtete Tendenz, aus Praktikabilitätserwägungen, aus scheinbarem Mangel an Alternativen aber auch unter dem Einfluss äußerer Zwänge (EU-Vorgaben) (scheinbar) Verzicht zu leisten auf ein in sich stimmiges und legitimierbares Wirtschaftsstrafrecht. Letztlich soll die Untersuchung an diesem Punkt auch klären, ob vom Gesetzgeber mit der gewählten Deliktsstruktur in seiner konkreten Tatbestandsfassung ein adäquates Äquivalent zum geschützten Rechtsgut gewählt wurde. Die Untersuchung wird zeigen, dass Probleme des Allgemeinen Teils ganz konkret zu Problemen des Besonderen Teils werden können, wenn ein Delikt ganz wesentlich auf einem Erfolgskriterium fußen soll. Auf der Grundlage der vorherigen Ergebnisse sollen neben Vorschlägen zum Umgang mit dem de lege lata vorfindlichen Recht auch Anregungen für mögliche intrastrafrechtliche Reformen gegeben werden (3. Kap. § 2 B. V. und 4. Kap.). Insgesamt versteht sich die Arbeit, wie ausgesprochen, nicht als Kurzkommentierung des geltenden Manipulationstatbestands56, sondern will in erster Linie verfassungsrechtlich und strafrechtsdogmatisch problematische Schwachstellen der gesetzlichen Regelung, welche bislang noch nicht oder nicht zur Genüge behandelt wurden, aufspüren und sie einer Lösung zuführen. Der Fokus liegt dabei auf dem Versuch, letzten Endes einen homogenen, d.h. widerspruchslosen Umgang mit dem Delikt der Marktmanipulation zu ermöglichen. Die Art und Weise der Argumentationsführung der Arbeit soll eine durchgängige Linie von den einzelnen apostrophierten und argumentativ belegten Thesen hin zu einem letztlich konsistenten und in der Praxis handhabbaren und dadurch die Normakzeptanz erhöhenden Gesamtbild der Marktmanipulation ziehen. 55
Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 38 Rn. 52. Hellgardt ZIP 2005, 2000, 2007 identifiziert das Erfolgskriterium gar als „Haupthindernis“ einer wirksamen Anwendung des Straftatbestandes der Marktmanipulation. 56 Insoweit umfassende Arbeiten aus neuerer Zeit finden sich bei Arlt (2004), Papachristou (2006), Schönhöft (2006), Trüstedt (2004), Waschkeit (2007) sowie herausragend vor allem Eichelberger (2006) und nicht zuletzt in den detaillierten Kommentierungen Vogels, in: Assmann/Schneider WpHG, Sorgenfreis, in: Park (2008), Fleischer, in: Fuchs WpHG (2009) und Becks, in: Schwark WpHG. Letztere zeigen bereits aus dem bloßen Umfang ihrer Kommentierung, welche Fülle von Detailproblemen sich dem Rechtsanwender im Marktmanipulationsrecht stellt.
2. Kapitel
Strafrecht und Kapitalmarktverhalten § 1 Der Kapitalmarkt, seine Funktionen und Risiken Der Kapitalmarkt stellt einen institutionalisierten Markt für mittel- und langfristige Finanzierungstitel1 und Derivate dar.2 Der Kapitalmarkt lässt sich grob in den börsenmäßig organisierten und den außerbörslichen Kapitalmarkt (sog. Over-the-Counter-Market; alternative Handelssysteme) unterteilen.3 Unter der Börse als dem volkswirtschaftlich wichtigsten Markt4 ist dabei der organisierte, normativ geregelte Teil des Kapitalmarktes zu betrachten, auf dem sich im Primärmarkt (Emissionsmarkt) in einem institutionalisierten Rahmen Kapitalanbieter (Anleger oder Marktteilnehmer)5 und Kapitalnachfrager (Emittenten),6 im Sekundärmarkt (Zirkulationsmarkt) dagegen auch Anleger untereinander gegenüberstehen. Der Primärmarkt dient damit der erstmaligen Platzierung von Kapitalmarktpapieren, der Sekundärmarkt dagegen der Umverteilung und damit Fungibilität der dort gehandel1 Beteiligungskapital (Aktienmarkt), langfristige Kredite (Rentenmarkt) und Investmentanteile. 2 Vgl. hierzu nur Eichelberger (2006) S. 51 m. w. N. 3 Vgl. so bspw. Tiedemann LK11 § 264a Rn. 13; Bröcker, in: Claussen (4. Aufl. 2008) § 6 Rn. 42 ff. und 67 f. Siehe auch überblicksweise zu den Alternativen Handelssystemen (ATS) von Rosen, in: Assmann/Schütze (3. Aufl. 2007) § 2 Rn. 277 ff.; Zur Abgrenzung der (multilateralen) Börsen/börsenähnlichen Einrichtungen von den ATS (mit ihrer bilateralen Struktur der Geschäftsabschlüsse) Ekkenga/Maas (2006) S. 98 f. und Loff (2007) S. 49 ff. sowie daneben Cohn-Heeren (2006) zu den kapitalmarktrechtlichen Regulierungskonzepten für ATS. 4 Vgl. hierzu statt vieler Franke, in: Assmann/Schütze (2007) § 2 Rn. 1. Zur Geschichte der Börse siehe nur die Kurzdarstellung bei Bröcker, in: Claussen (4. Aufl. 2008) § 6 Rn. 8 ff. 5 Mit Blick auf §§ 16, 27 BörsG und die Abwicklung des Effektengeschäfts sind die Anleger als mittelbare Marktteilnehmer zu bezeichnen, weil sie regelmäßig ohne das Recht zum unmittelbaren Marktzugang rechtsformal nicht Vertragspartner der an der Börse zustande kommenden Wertpapiergeschäfte sind, sondern insoweit von ihren Banken und den Marktintermediären oftmals verdeckt (Kommissionsgeschäft) vertreten werden (vgl. hierzu Roth, in: Assmann/Schütze [2007] § 10 Rn. 41 ff.). Für die Markteinheit ist es nicht von Bedeutung, dass beide Marktseiten (Kapitalanbieter und Kapitalnachfrager) auf den Marktvorgang spezialisierte Vermittler, wie Banken und Makler, einschalten (vgl. bereits Lüthje [1970] S. 57). 6 Instruktiv hierzu Ziouvas (2005) S. 151 f.
§ 1 Der Kapitalmarkt, seine Funktionen und Risiken
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ten Finanzinstrumente. Die gleichsam empirisch wahrnehmbaren wie wohlfahrtsökonomisch befürworteten7 volkswirtschaftlichen („makroökonomischen“) Funktionen der Institution8 Börse lassen sich entsprechend in eine Marktbildungs-, Finanzierungs- und Zirkulationskomponente aufspalten9 und zeigen zugleich ihre eminente Bedeutung für eine gut funktionierende und international wettbewerbsfähige Volkswirtschaft, deren Wachstum und wirtschaftliche Innovationskraft.10 Neben der Bereitstellung von Eigenkapital (auch als Transformationsfunktion bezeichnet)11 sollen Kapitalmärkte das knappe Kapital – makroökonomisch effizient – dorthin lenken, wo es der Markt benötigt und es gleichzeitig die produktivste Verwendung garantiert und damit das gesamtwirtschaftliche Wachstum am effizientesten unterstützt (sog. Allokationsfunktion), was zumeist dort sein wird, wo das eingesetzte Kapital die höchste Rendite bei größtmöglicher Sicherheit erzielen kann.12 Hinzu treten die Bewertungs- und Informationsfunktion, die ihren Ausdruck in fortlaufend festgestellten Börsen- und Marktpreisen finden, welche für den weitgehend anonymen Sekundärmarkt, den Primärmarkt13 7
Vgl. zur insoweit anzutreffenden sachlichen Nähe von Wohlfahrtsökonomie und Utilitarismus Eidenmüller (3. Aufl. 2005) S. 178. 8 Zur Institution des Marktes vgl. zuletzt die grundlegende institutionenökonomische Arbeit von Mantzavinos (2007) S. 272 und passim, der die wesentliche Funktion von Institutionen wie dem Markt darin beschreibt, einen Filter zu bieten, „durch den unterschiedliche Situationen sozialer Koordination und sozialen Konflikts in eine funktionsfähige soziale Ordnung umgeformt werden.“ Vgl. zur auf der Tradition des amerikanischen Pragmatismus (vgl. hierzu zuletzt Kasiske [2009], S. 19 ff.) aufbauenden alten Institutionenökonomik (bzw. dem ökonomischen Institutionalismus), mit ihrer Forschung zur Wechselwirkung von Wirtschaft, Institutionen und Gesellschaft Reuter (2. Aufl. 1996), zur neuen Institutionenökonomik, die als Teil der Volkswirtschaftslehre die Auswirkungen der Institutionen auf einzelne Wirtschaftseinheiten untersucht, umfassend Erlei/Leschke/Sauerland (2. Aufl. 2007) sowie Richter/Furubotn (3. Aufl. 2003). 9 Vgl. hierzu u. a. Lüthje (1970) S. 57 ff.; Ziouvas (2005) S. 155. 10 Vgl. hierzu bereits die Begr. RegE 2. FFG, BTDrucks. 12/6679, S. 33; sowie Eichelberger (2006) S. 52. 11 Durch die Bereitstellung von Sparkapital wird dieses in Investitionskapital transformiert. Vgl. hierzu instruktiv und unter Hervorhebung der mikro- wie makroökonomischen Vorteile von Eigen- gegenüber Fremdkapital (in Form von verzinslichen und rückzuzahlenden Darlehen) Eichelberger (2006) S. 53 ff. m. w. N.; vgl. ferner u. a. Volk ZHR 1978, 1, 3; Ziouvas (2005) S. 155 f. 12 Vgl. hierzu u. a. Bruski, in: Schimansky/Bunte/Lwowski Bd. II vor § 104 Rn. 87; Bartsch (2005) S. 21; Lenzen (2000) S. 53 f. Vgl. zur möglichen Legitimation rechtlicher Regelung durch wohlfahrtsökonomische Effizienzkonzepte van Aaken (2003) S. 210 ff. 13 Aus den Sekundärmarktpreisen lassen sich auf Unternehmensseite Schlüsse für künftige Kapitalkosten bei geplanten kapitalmarktfinanzierten Investitionen ziehen (vgl. u. a. Schweizer [1996] S. 38). Makroökonomisch wird dem Börsenpreis auch eine Konjunkturindikatorfunktion beigemessen (vgl. hierzu Lüthje [1970] S. 60).
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2. Kap.: Strafrecht und Kapitalmarktverhalten
aber auch als Berechnungsgrundlage in vielen anderen Bereichen14 (so auch des Rechts15) eine erhebliche Rolle spielen. Die Entwicklung eines über Finanzinstrumente finanzierten Unternehmens findet langfristig auch im Finanzinstrumentenpreis ihren Widerhall, so dass sich zumindest gewisse Einschätzungen und Bewertungen eines Investments hinsichtlich des aktuellen und vom Markt erwarteten Ertrags anhand des Preises vornehmen lassen.16 Hervorheben lässt sich mit Recht, dass sich im Kapitalmarkt die wertbildenden Eigenschaften des immateriellen Handelsobjekts (bspw. der Wert der Beteiligung in Form einer Aktie) für jeden tatsächlichen oder potentiellen Anleger nur höchst bedingt erwägen lassen,17 weshalb der Aktienpreis als emergentes Phänomen zahlreicher Transaktionsentscheidungen unterschiedlichster Marktteilnehmer und damit der „Einpreisung“ von Informationen und Erwartungen (Informationsantizipationen) wiederum die wesentliche Entscheidungsdeterminante von Marktteilnehmern darstellt.18 Institutionenökonomisch lässt sich das Geschehen auf der Makroebene Markt (Börsenoder Marktpreisbildung) danach als komplexes Ergebnis des Verhaltens der auf der Mikroebene beteiligten Personen (Anleger oder Marktteilnehmer) begreifen.19 Die jeweilige individuelle Transaktionsentscheidung und damit individuelle Kapitalallokation erfolgt – insoweit modellhaft – aus einem Vergleich der zu erwartenden Renditen für die bestehenden Investitionsoptionen, der ganz entscheidend vom jeweiligen Börsen- oder Marktpreis auch in seiner Relation zu anderen ähnlichen Finanzinstrumenten oder dem Gesamtmarkt abhängt.20 Um seinen makroökonomischen Aufgaben gerecht werden zu können, muss der jeweilige Kapitalmarkt Funktionsbedingungen erfüllen, die sich mit der allokativen Funktionsfähigkeit (allocational efficiency), institutionellen Funktionsfähigkeit (institutional efficiency) und der operationalen Funktionsfähigkeit (operational efficiency) umschreiben lassen.21 Die allokative Funktionsfähigkeit oder Allokationseffizienz22 besteht, sofern eine 14 Beispielsweise hat der Börsenpreis Bedeutung für die Bewertung von Unternehmen bei Übernahmen, Fusionen, Abfindungen, für die bilanzielle Bewertung des Umlaufvermögens und die Berechnung von Steuern. Vgl. m. w. N. u. a. Lenzen (2000) S. 55. 15 Vgl. nur §§ 385 BGB; 376 Abs. 2, 3 HGB; § 104 InsO, 105 EGInsO; vgl. hierzu nur Benner, in: Wabnitz/Janovsky (3. Aufl. 2007) § 9 Rn. 139 ff. sowie unten 3. Kapitel § 2 B. I. 1. a). 16 Vgl. u. a. Eichelberger (2006) S. 56; Lenzen (2000) S. 55. 17 Vgl. Ziouvas (2005) S. 163 m. w. N. 18 Ebenso Ziouvas (2005) S. 162. 19 Siehe hierzu ausführlich unten 3. Kapitel § 2 B. II. 3. 20 Vgl. ebenso Eichelberger (2006) S. 60. 21 Vgl. statt vieler Bruski, in: Schimansky/Bunte/Lwowski Bd. II vor § 104 Rn. 86 ff.
§ 1 Der Kapitalmarkt, seine Funktionen und Risiken
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optimale Kapitalallokation vorzufinden ist, d.h. das Kapital am ertragsreichsten gelenkt wird. Der Optimierung der Allokationseffizienz dient eine hohe Informationseffizienz im Markt: enthalten die Börsen- und Marktpreise eines Finanzinstruments alle verfügbaren preisrelevanten Informationen korrekt und vollständig, so kann dieser „streng“ informationseffiziente Markt seiner Lenkungsfunktion optimal nachkommen.23 Eine optimale operationale Funktionsfähigkeit ist dann erreicht, wenn die Transaktionskosten für Bereitstellung, das Angebot sowie den Vertrieb von Anlagemöglichkeiten so tief wie möglich gehalten werden.24 Institutionelle Effizienz als die Grundvoraussetzung wirksamer Marktmechanismen bietet ein Kapitalmarkt über die Voraussetzungen der allokativen und operationalen Effizienz hinaus, wenn Kapitalanleger wie Kapitalnachfrager einen ungehinderten Marktzugang besitzen, dem Markt eine hinreichende Breite (Variationsbreite und Vielfalt der Finanzinstrumente) und Tiefe (Menge der potentiellen Investoren) zukommt und in ihm standardisierte und entsprechend verkehrsfähige Finanzinstrumente in zuverlässigen Handels- und Abwicklungssystemen bei vorhandener hoher Liquidität (Aufnahmefähigkeit des Marktes) gehandelt werden können.25 Ein funktionsfähiger, d.h. den Austausch von Finanzmitteln ermöglichender Sekundärmarkt stellt eine eminente Voraussetzung der ausreichenden Bereitstellung von Kapital über den Primärmarkt dar. Dabei korreliert eine höhere Liquidität der Sekundärmärkte mit einer erhöhten Bereitschaft potentieller Anleger am Primärmarkt zu investieren und entsprechend neues Kapital bereit zu stellen.26 Entsprechend den formulierten Postulaten wird zur wesentlichen Bedingung und damit zum größten Risikofeld der Funktionsfähigkeit des Marktes 22 Die Begrifflichkeit der jeweiligen Funktionsfähigkeit lässt sich richtigerweise synonym als entsprechend hohe Effizienz einer Börse bezeichnen (vgl. hierzu Ziouvas [2005] S. 155). 23 Grundlegend hierzu Fama Journal of Finance 25 (1970) 383, 388 und ders. Journal of Finance 31 (1976) 143 ff. Vgl. zu den verschiedenen Formen (streng, semi-streng und schwach) der Informationseffizienz ausführlich unten 3. Kapitel § 2 B. II. 3. Tendenziell zeigt die empirische Kapitalmarktforschung, dass in den meisten Kapitalmärkten lediglich eine schwache Form der Informationseffizienz tatsächlich vorhanden ist, d.h. sich rückführbar auf die hohen Informationsbeschaffungskosten nur die Informationen über bereits vergangenes Marktgeschehen, nicht aber alle exklusiv, wie frei zugänglichen Informationen im Preis widerspiegeln (vgl. hierzu m. w. N. Lenzen [2000] S. 53 f.). Ziel gesetzlicher Regulierungen ist es daher (vgl. bspw. die Ad-Hoc-Publizitätspflicht des § 15 WpHG hinsichtlich Insiderinformationen), die Informationseffizienz i. S. ihrer strengen Form zu manifestieren. 24 Vgl. statt vieler Bruski, in: Schimansky/Bunte/Lwowski Bd. II vor § 104 Rn. 89 sowie Ekkenga (1998) S. 31 f. 25 Vgl. Bruski, in: Schimansky/Bunte/Lwowski Bd. II vor. § 104 Rn. 90; Eichelberger (2006) S. 59. 26 Vgl. Eichelberger (2006) S. 58.
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2. Kap.: Strafrecht und Kapitalmarktverhalten
sein diese wesentlich gewährleistender und im Mittelpunkt dieser Untersuchung stehender27 Preisbildungsprozess. Werden die Preisbildungsmechanismen durch manipulative Eingriffe verfälscht, spiegelt der beeinflusste Börsen- oder Marktpreis verzerrte Renditeerwartungen des Marktes wider, wodurch es zu einer ineffizienten Allokation des Kapitals kommen kann. Zum individuellen, aber insoweit sozialadäquaten Risiko eines Substanzverlustes durch einen Unternehmenszusammenbruch (prudential risk) und der Gefahr, dass ein Anleger ein nicht verständliches oder für seine Belange ungeeignetes Finanzprodukt erwirbt (complexity or unsuitability risk), als den dem „Naturzustand des Kapitalmarktes“28 entspringenden Gefährdungslagen, gesellt sich somit das Risiko, Opfer einer Irreführung zu werden (bad faith risk). Unregelmäßigkeiten in der Preisbildung verringern die Vertrauensbasis in die informationelle Entscheidungsdeterminante Marktpreis und zwingen die Kapitalanleger Transaktionskosten erhöhend eigene Nachforschungen zu betreiben, um Kursverläufe und damit scheinbare Markterwartungen, aber auch eingepreiste Informationen annähernd verifizieren zu können.29 Auf der Makroebene können sich jene zu systemischen Risiken für das Finanzsystem selbst ausweiten und es in seiner Funktionsfähigkeit gefährden, sei es durch das Austrocknen der Liquidität an den Kapitalmärkten infolge eines Ausbleibens der enttäuschten oder abgeschreckten Anlegerschaft30 oder durch das verzehrende Missleiten von Kapital in falsche Anlagefelder. Ein Verbot marktmanipulativer Verhaltensweisen wird daher jedenfalls aus ökonomischer Sicht einhellig als sinnvoll erachtet.31 Strikt abzugrenzen sind diese manipulativen Verhaltensweisen dabei von dem ebenfalls auf das Ausnützen bestimmter Kursverläufe bedachten Kapitalmarktverhalten des Spekulanten, der im Gegensatz zum Manipulanten Preisänderungen lediglich ausnützt, sie aber nicht hervorruft.32
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Siehe hierzu unten 3. Kapitel § 2 B. Caspari NZG 2005, 98 [98]. 29 Zu einer entsprechenden ökonomischen Analyse der Schädlichkeit der Marktmanipulation vgl. nur Pirrong Journal of Law and Economics 38 (1995) S. 141, 151: „manipulation reduces the benefits of hedging and increases trading costs. These effects cause a backward shift in the derived demand for the services of exchanges and their members.“ 30 Vgl. hierzu unten 2. Kapitel § 2 A. III. 31 Vgl. hierzu u. a. Lenzen (2000) S. 51 ff. m. w. N.; Schönhöft (2006) S. 14. 32 Vgl. hierzu u. a. Eichelberger (2006) S. 14 f. Zur Spekulation, ihrer ökonomischen Bedeutung und dem rechtlichen Umgang mit ihr umfassend zuletzt Klöhn (2006) 23 ff. und passim. 28
§ 2 Legitimation strafrechtlicher Sanktionierung
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§ 2 Legitimation strafrechtlicher Sanktionierung Dem Staat, der den beschriebenen Gefährdungspotentialen des Kapitalmarktes angemessen beikommen will, bietet sich neben den zivilrechtlichen und verwaltungsrechtlichen Regelungsinstrumenten das in dieser Arbeit vorrangig untersuchte Mittel der Strafbewehrung gewisser aus den unerlaubten Risiken abgeleiteter Verbote an. Zwar stellt die Wahl der adäquaten Begegnungsform zunächst ein von vielfältigen Einflüssen bestimmtes rechtspolitisches Moment dar. Bedient sich der Staat indes neben obigen Instrumenten oder auch allein des schwerwiegenden Mittels der Kriminalstrafe zur Konfliktsteuerung und -vermeidung,33 so trifft ihn neben der politischen Verantwortung eine eben solche normative, Ausdruck findend in Form einer erhöhten verfassungsrechtlichen aber auch kriminalpolitischen34 Begründungslast. Wegen des Eingriffscharakters bereits der Strafandrohung ist dem Gesetzgeber von Verfassung wegen auferlegt, selbst bei einer Einschränkung des Grundrechts der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG) als Schranken-Schranke die Verhältnismäßigkeit zu wahren35. Inwieweit bereits an dieser Stelle das Konzept des Rechtsgüterschutzes als bestimmendes argumentatives Fundament der Strafbegründung wie seiner -begrenzung gesehen werden muss, ist indes umstritten.36 Dennoch soll 33 Ein Ausdruck der international differierenden unterschiedlichen Bewertungen findet sich wieder in den Regelungen zur Marktmanipulation im europäischen und transatlantischen Ausland: ausschließlich strafrechtliche Regelungsmodelle (Schweiz, Frankreich und Italien; zu letzteren Reform jüngst Nisco ZStW 120 [2008] 897, 901 ff.) stehen hauptsächlich Kombinationslösungen (d.h. sowohl Ordnungswidrigkeits- wie Straftatbestände) wie in Deutschland, Spanien, UK und den USA gegenüber. Österreich beispielsweise begnügt sich mit einem lediglich Ordnungsstrafen (Verwaltungsübertretung) bewehrten Verbot in § 48 I Nr. 2 BörseG 1989. Vgl. hierzu die sehr instruktiven Überblicke bei Altenhain KK-WpHG § 38 Rn. 24 ff.; Vogel, in: Ass/Schn WpHG vor § 20a Rn. 20 ff. m. w. N. 34 Hassemer/Neumann NK vor § 1 Rn. 49. 35 Vgl. nur BVerfGE 90, 145, 171 f.; hierzu u. a. Jarass/Pieroth-Jarass GG Art. 2 Rn. 122 m. w. N.; Kritisch dagegen u. a. Naucke (1985) S. 177: Verhältnismäßigkeit für das Strafrecht als „Krücke, die [einen] sicheren Gang nicht verspricht“, da das Prinzip „leer [sei] und zu Ergebnissen nur [führe], wenn man sie vor Herbeirufung des Prinzips“ bereits kenne. Die weiteren verfassungsrechtlichen Probleme (Bestimmtheitsproblematik; verfassungsrechtliche Grenzen einer Normsetzungs- und Ausgestaltungsdelegation) der aktuellen gesetzlichen Regelung sollen im Übrigen erst im jeweiligen Zusammenhang (insbesondere bei der Ausgestaltung der einzelnen Tatbestandsmerkmale) Erörterung finden. Insoweit darf an dieser Stelle auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden. 36 Vgl. statt vieler Hefendehl GA 2007, 1; Achenbach ZStW 2007, 789, 809 ff m. w. N. und Schünemann, in: Hefendehl (2003) S. 133 (dort auch Zusammenstellung der wichtigsten Literaturstimmen für und gegen Rechtsgutsbezug); die Idee des
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2. Kap.: Strafrecht und Kapitalmarktverhalten
auf dessen Fragen unabhängig vom vorerwähnten Streit bereits an dieser Stelle eine Antwort gesucht werden37, da sich das Konzept des Rechtsgüterschutzes jedenfalls zum bestimmenden Argumentationsinstrumentarium der Kriminalpolitik entwickelt hat und somit zusammen mit weiteren restriktiven Kriterien als „Angelpunkt“38 der Beantwortung von Fragen nach der Strafschutzwürdigkeit und -bedürftigkeit als Kernproblemen einer Strafnormlegitimation gleichermaßen am Platze ist. Selbstverständlich kann und soll es nicht Aufgabe dieser Darstellung sein, das Spektrum aller zur Rechtsgutstheorie vertretenen Auffassungen abzubilden.39 Vielmehr wird versucht, für das Delikt der Marktmanipulation anhand bestehender Pönalisierungsprinzipien Legitimation zu suchen oder es entsprechend einer Legitimation durch Umgestaltungsvorschläge näher zu bringen. Neben der gerade im Randbereich bei kollektiven Rechtsgütern schwierigen Abgrenzungsfrage des „Ob“ der Notwendigkeit einer Auch-Strafpönalisierung (und es kann bei Ernstnahme des ultima ratio Gedankens immer nur um eine dem Zivil- und Verwaltungsschutz anbei gestellte parallele Hinzuziehung des insoweit notwendig fragmentarischen Strafrechts gehen)40 soll im Zentrum41 dieser Arbeit auch das Zusammenspiel von Rechtsgut und pönalisierter Handlung, mithin die Deliktsstruktur des intendiert rechtsgutschützenden Delikts, stehen. Rechtsgutsbegriffs als maßgebende Strafbarkeitsgrenze auf dem Rückzug sehend Anastasopoulou (2005) S. 275 m. w. N. 37 In dieser Arbeit kann die Diskussion des Rechtsgutsbegriffs und seines Stellenwerts für die (auch verfassungsrechtliche) Normlegitimation bei weitem nicht in ihrer gesamten Dimension und steten Aktualität Darstellung finden. Vgl. erst zuletzt das Inzesturteil des BVerfG vom 26. Februar 2008 – 2 BvR 392/07 – mit kritischer Anm. Hörnle NJW 2008, 2085 ff. und Greco ZIS 2008, 234 ff., der in der Entscheidung die wegen ihres unzulässigen Einbezugs von mittelbaren Inzestfolgen fehlerhafte Anwendung der verfassungsrechtlichen Dogmatik vom unantast- und unabwägbaren Kernbereich der Intimsphäre rügt (S. 238: „Eine derartige Argumentation reduziert aber den unantastbaren Kernbereich zu einem praktischen Nichts, denn [. . .] jede auch noch so private Handlung [kann] indirekte Folgen für anderen haben.“). 38 Hefendehl GA 2007, 1, 2. 39 Für eine solche vgl. Hefendehl GA 2007, 1; ders. (2002) und den umfassenden Sammelband Hefendehl u. a. (2003). 40 Ebenso vgl. nur Achenbach ZStW 2007, 789, 812 f. Der Begriff des „fragmentarischen Charakters“ des Strafrechts wurde von – die Selbstbeschränkung des Strafgesetzgebers noch bedauernd – Binding (Lehrbuch, Lehrbuch des gemeinen deutschen Strafrechts, Besonderer Teil I, S. 20) geprägt und stellt mittlerweile Vorzug und Kennzeichen eines rechtstaatlichen Strafrechts zugleich dar (statt vieler Jescheck/Weigend § 7 II [= S. 53]). 41 Ziel und Anspruch dieser Arbeit kann es darüber hinaus angesichts des beschränkten Umfangs nicht sein, über die weitere Exemplifizierung hinaus einen eigenen Beitrag zur allgemeinen Rechtsgutsdiskussion erbringen zu können.
§ 2 Legitimation strafrechtlicher Sanktionierung
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A. Strafwürdigkeit Die kriminalpolitische Kategorie der Strafwürdigkeit eines Verhaltens stellt, in ihrer engen Begriffsform als normative Eigenschaft eben jenes Verhaltens, auf seine Unvereinbarkeit mit strafrechtlichen Verhaltensanweisungen oder vorstrafrechtlichen Verhaltensanweisungen ab. Ihre Bestimmung erfolgt im Rahmen normativer Erwägungen in einem Gerechtigkeitsdiskurs zur Frage, ob eben jenes Verhalten „Strafe“ und mithin das darin liegende sozialethische Unwerturteil verdient.42 Der notwendige Zweckmäßigkeitsdiskurs zur Frage der Strafbedürftigkeit (oder Strafwürdigkeit i. w. S.) gründet demgegenüber in dem Umstand, dass das Strafrecht nicht die einzige Institution sozialer Kontrolle bietet und daher möglicherweise andere Einflussinstanzen dem Normverstoß tauglicher oder zumindest milder begegnen können als das Strafrecht.43 Vorliegend soll daher zunächst in einem ersten Schritt die Strafwürdigkeit marktmanipulativen Verhaltens untersucht werden. Im Anschluss widmet sich die Untersuchung der Strafbedürftigkeit selbigen Verhaltens. I. Das Rechtsgutsprinzip und die Verfassungsmäßigkeit strafrechtlicher Sanktionierungen Das zentrale Kriterium der Strafwürdigkeitsbestimmung und damit der materiellen Legitimation von Strafrecht stellt die Verletzung bzw. Gefährdung eines Rechtsguts dar.44 Bewegt man sich weg von einem lediglich systemimmanenten (oder methodischen) Rechtsgutsbegriff, als dem jeweils tatbestandlich geschützten Rechtsgut oder der ratio legis der einzelnen Tatbestände,45 und sucht darü42 Vgl. hierzu und der strittigen Bestimmung der Funktion von Strafwürdigkeit in der Literatur Hassemer/Neumann NK-StGB vor § 1 Rn. 51 m. w. N. 43 Vgl. u. a. Hassemer/Neumann NK-StGB vor § 1 Rn. 52; Otto AT § 1 Rn. 50. 44 Vgl. AK-Hassemer, vor § 1 StGB Rn. 206; Schünemann, in: Hefendehl u. a. (2003) S. 133 [134]; Wohlers GA 2002, 15, 20; SK-Rudolphi, vor § 1 StGB Rn. 2 ff.: Wechselwirkung (Hin-und-Her-Wandern des Blickes zwischen den vorhandenen Gesetzen und dem mit ihnen bezweckten Schutz: können sie ihn nicht gewährleisten, erweisen sie sich als problematisch oder ist zu hinterfragen, ob sie nicht aus einem anderen Grund gehalten werden können). Entsprechend instruktiv argumentiert insoweit Ziouvas (2005) S. 173 f. und passim für das Delikt des Insiderhandels, das in seiner de lege lata vorhandenen Ausformung nicht imstande sei, die Funktionsfähigkeit zu schützen, allerdings als anlegerschützende Vorschrift haltbar sei (ebenda S. 260). 45 Vgl. zu diesem methodischen Rechtsgutsbegriff m. w. N. nur Roxin AT I § 2 Rn. 4 f. Die Frage des Rechtsguts besitzt somit Bedeutung sowohl auf der Ebene der Tatbestandsinterpretation (zur Bedeutung des Rechtsguts für die Tatbestandsaus-
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2. Kap.: Strafrecht und Kapitalmarktverhalten
ber hinaus ihm systemkritisches Potential zu teil werden zu lassen, gibt es trotz der mannigfachen Versuche, eine prägnante und funktionelle Definition für den materiellen Gehalt des Rechtsguts aus der Taufe zu heben, keine allumfassende Lösung in Form eines sowohl anerkannte Rechtsgüter einbeziehenden, liberale und evaluierbare Neuinkriminierungen zulassenden46 und gleichzeitig insbesondere der Aussonderung von Scheinrechtsgütern47 dienlichen Begriffs.48 Stimmen definieren das Rechtsgut allgemein-normativ als einen rechtlich geschützten „abstrakten Wert der Sozialordnung, an dessen Erhaltung die Gemeinschaft ein Interesse hat und der entweder dem Einzelnen oder der Gesamtheit als Träger zugeordnet werden kann.“49 Rechtsgüter seien demnach nicht der Sinneswahrnehmung zugängliche „geistige Werte der Sozialordnung“, denen „Sicherheit, Wohlfahrt und Würde des Daseins in der Gemeinschaft“50 ihr Beruhen verdanken. Das Rechtsgut wird andernorts als „Interesse“, „Potential“, „werthafte Funktionseinheit“, „Funktion“, „Partizipalie“, „Lebensgut“, „objektiver Wert“, „gedankliches Gebilde“ oder „erhaltungswürdiger Zustand“ – zumeist ohne nähere weitere Begründungen51 – umschrieben.52 Am ehesten enthält noch Roxins aus der Verfassung abgeleiteter liberaler Rechtsgutsbegriff mit dem Anknüpfen des Rechtsgutsbegriffs an alle „Gegebenheiten oder Zwecksetzungen, die für die freie Entfaltung legung statt vieler Gaede, in: Hefendehl u. a. (2003) S. 183, 185 ff.; Jescheck/Weigend AT § 26 I 3 a [= S. 258 ff.]; Schünemann, in: Hefendehl u. a. (2003) S. 133 f.) als auch auf der Ebene der Tatbestandslegitimation. Vgl. zur „Potenz des Denkens aus dem Rechtgut“ Hassemer/Neumann NK-StGB vor § 1 Rn. 148; Hefendehl GA 2007, 1 ff. 46 Es gibt schon mit Blick auf die Einschätzungsprärogative des demokratisch legitimierten Gesetzgebers und der Zukunftsoffenheit des Begriffs keinen geschlossenen Kanon legitimer Kriminierungen. Ebenso Ziouvas (2005) S. 112. 47 Richtigerweise (auch nach den Diktaten der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Rolle der Rechtsgutslehre) als Hauptaufgabe der Rechtsgutstheorie angesehen u. a. von Greco ZIS 2008, 234, 238; ebenso ferner Hefendehl (2002) S. 139 ff.; Roxin AT I § 2 Rn. 46 ff., 76 ff.; Schünemann, in: Hefendehl u. a. (2003) S. 133, 149 ff. und passim. 48 Zur unübersehbaren Menge an Definitionen für Rechtsgüter vgl. m. w. N. die partielle Zusammenstellung bei Koriath GA 1999, 561, 565. Vgl. auch Hassemer FS Androulakis (2003) S. 207, 210 f., der bereits die Potenz des Rechtgüterschutzes zu Recht relativiert, wenn er negiert, aus dem Grundprinzip des Rechtsgüterschutzes ließe sich deduktiv alles weitere ableiten. Vgl. ders., in: AK StGB vor § 1 Rn. 286 m. w. N. mit einer Koriaths Ansammlung gleichkommenenden Überschau der von ihm als „Begriffshülsen“ postulierten Definitionsversuche. 49 Vgl. hierzu Jescheck/Weigend AT § 26 I 2 (= S. 257 f.) m. w. N. 50 Vgl. Jescheck/Weigend AT § 26 I 4 (= S. 259). 51 Vgl. mit diesem Ergebnis u. a. Stratenwerth FS Lenckner (1998) S. 377, 378. 52 Vgl. hierzu Hassemer, in: AK-StGB vor § 1 Rn. 286.
§ 2 Legitimation strafrechtlicher Sanktionierung
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des Einzelnen, die Verwirklichung seiner Grundrechte und das Funktionieren eines auf dieser Zielvorstellung aufbauenden staatlichen Systems notwendig sind“,53 sowohl eine positive Rechtsgutsbestimmung, die – insoweit nicht statisch54 – gleichsam vom Recht vorgefundene als auch erst von ihm mittels Rechtsbefolgungspflichten geschaffene Zustände versteht abstrakt zu fassen, als auch eine gewisse systemkritische Ausschlussfunktion (Notwendigkeit für die Verwirklichung und das Funktionieren des Systems). Letztere ergänzt er55 selbst um einige kriminalpolitische, teils verfassungsrechtlich erhebliche Postulate zur Eliminierung bloßer Scheinrechtsgüter. Somit kann auch genannte Rechtsgutsdefinition keinen umfassenden material definitorischen Überbau für alle bestehenden und neu zu hinterfragenden Inkriminierungen bieten, der über eine verallgemeinernde und dadurch treffliche Beschreibung hinausgeht. Überzeugender erscheint es daher u. a. mit Schünemann56 davon auszugehen, dass bereits der Ansatz, eine klassifikatorische Definition des Rechtsgutsbegriffes zu verlangen, von methodisch falschen Voraussetzungen ausgeht und sich letztlich daher als zu eng erweisen muss. Weder Versuche alle anerkannten Rechtsgüter mittels empirisch messbarer Eigenschaften unter dem abstrakten Begriff eines Rechtsguts zu vereinen, noch wenig gewinnbringende Definitionsversuche (Unbestimmtes wird durch weitere unbestimmte Unbekannte definiert) oder der Rückgriff auf Blankette wie etwa das „Güterkapital der Rechtsordnung“ vermögen hier einen Ausweg zu weisen. Ersteres erweist sich aufgrund der Abstraktionshöhe der Begrifflichkeit des Rechtsguts und der Vielzahl dessen impliziter Zweifelsfragen als ebenso chancenlos, wie zweiter Weg eben nur Scheinlösungen aufzeigen kann. Nachdem auch der dritte Weg des Blanketts das Rechtsgut lediglich als Ergebnis der Tatbestandsauslegung beschreiben und damit gerade nicht Herr der Aufgabe sein kann, den Ausgangspunkt und das Korrelat der Deliktsstruktur zu bieten, plädiert Schünemann letztlich zu Recht für ein Rechtsgutsverständnis im Sinne einer normativen Richtlinie, und somit dem Rechtsgutsbegriff als Typus. Er stützt sich dabei auf das in der modernen Sprachphilosophie anerkannte Faktum, dass die klassische Definition ohnehin nur einen extremen Sonderfall darstellt und sich eben jener analogi53
Roxin AT I § 2 Rn. 7; von Roxin selbst als Fortentwicklung seiner bereits in JuS 1966, 377, 381 f. dargelegten Auffassung bezeichnet. Amelung, in: Hefendehl (2003) S. 155, 161 bezeichnet die Definition als der personalen Rechtsgutslehre (vgl. hierzu sogleich) nahe stehend. 54 Der jeweilige Rechtsgutsbegriff ist nach dieser Konzeption insoweit wandelbar, vom gesellschaftlichen Wandel abhängig und für die Fortschritte empirischer Erkenntnisse offen, vgl. Roxin AT I § 2 F Rn. 62. 55 Vgl. Roxin AT I § 2 Rn. 13 ff. 56 Vgl. Schünemann, in: Hefendehl u. a. (2003) S. 133, 134 f.
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2. Kap.: Strafrecht und Kapitalmarktverhalten
schen Extension als zentralem Verfahren bedient.57 Letztlich liege der Explikationspunkt eines nicht nur systemimmanenten, sondern zugleich systemkritischen Rechtsgutsbegriffs in der aus der Idee des Gesellschaftsvertrages abgeleiteten Strafrechtsbegrenzung.58 Der Rechtsgutsbegriff bietet ein Grobraster, wo der Einsatz des Strafrechts legitimierbar ist und wo jener zu unterbleiben hat: Strafrechtsschutz verdienen jene Güter, die „vom Einzelnen für seine freie Entfaltung benötigt [werden], nicht aber auf Kosten der Entfaltung der anderen“ usurpiert wurden, und sodann „die von allen geteilten, für das gedeihliche Zusammenleben notwendigen Güter im Unterschied zu den vom Staat nicht zu dirigierenden und deshalb auch nicht als solche zu garantierenden, sondern nur in der Möglichkeit ihrer individuellen Auswahl und Ausübung zu sichernden einzelnen religiösen oder sittlichen Lebensformen.“59 Als Ausgangspunkt der Betrachtung bleibt der Gedanke der Sozialschädlichkeit bestehen – Ausgangspunkt deshalb, weil zum einen richtigerweise bestimmte Tabubereiche für staatliche Inkriminierungen bereits verfassungsrechtlich bestehen (höchstpersönlicher Lebensbereich) müssen60 und zum anderen für die Bewertung der Sozialschädlichkeit zusätzliche Kriterien zu deren Umgrenzung, insbesondere hinsichtlich des ansonsten beliebigen Einbezugs von Fernwirkungen einer bestimmten Handlung, vonnöten sind. Die obig besprochenen definitorischen Probleme zeigen sich insbesondere auch für kollektive Rechtsgüter, wenn deren Eingrenzung abseits der Frage ihres im Unterschied zum Individualrechtsgut kollektiven Trägers (Rechtsgüter der Gesamtheit) versucht wird. Positive Definitionsmerkmale werden zum einen mit der Nicht-Ausschließbarkeit von der Nutzung und der NichtRivalität des Konsums aufgeboten, wonach sich Kollektivrechtsgüter dadurch auszeichnen, dass jedermann sie nutzen oder von ihnen profitieren darf und nicht von dieser Nutzung ausgeschlossen werden darf.61 Zum anderen sollen Kollektivrechtsgüter dem Prinzip der Non-Distributivität entsprechen: ist es unmöglich ein Gut faktisch oder normativ zu teilen und einzelnen Individuen Anteile zuzuordnen, stellt dieses ein kollektives Gut dar.62 57 Vgl. Schünemann, in: Hefendehl u. a. (2003) S. 133, 137; ebenso Roxin AT I (3. Aufl.) § 2 Rn. 16: „Ein solcher Begriff [Rechtsgutsdefinition] ist nicht möglich und müsste notwendig verfehlt sein, weil er die schwierige Suche nach der richtigen Weiterentwicklung zu einer blinden Begriffsdeduktion verkürzen würde.“. 58 Ebenda. 59 Schünemann, in: Hefendehl u. a. (2003) S. 133, 141. 60 Vgl. hierzu jüngst Greco ZIS 2008, 234, 237 f. und Greco (2009) S. 230 ff., 263 ff., 516 ff. (Zusammenfassung) grundlegend zu den deontologischen Schranken der Strafgesetzgebung. 61 Vgl. Hefendehl GA 2002, 21, 25; ders. (2002) S. 19. Vgl. darüber hinaus die Darstellung bei Anastasopoulou (2005) S. 27 ff.
§ 2 Legitimation strafrechtlicher Sanktionierung
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Die personale Rechtsgutslehre setzt hier materiell negativ eingrenzend dahingehend an, dass zum einen eine gewisse Subsidiarität von Kollektivschutz- zu möglichem Individualschutzdelikten bestehe, zum anderen Kollektivrechtsgüter nur dann legitim seien, wenn sie sich auf personale Interessen deduzieren ließen.63 Dies soll insbesondere einer unkontrollierbaren Gefahr ausufernder Strafinkriminierungen zum Schutze entmaterialisierter und entindividualisierter diffuser Rechtsgüter begegnen.64 Demgegenüber ist richtigerweise mit den dualistischen Rechtsgutskonzeptionen, welche von der Kontrarietät der Rechtsgüter der Individual- und Sozialsphäre ausgehen,65 die Illegitimität von Kollektivrechtsgütern nicht per se angebracht, sondern nur, wenn diese als Scheinrechtsgüter postuliert werden, das heißt die maßgeblichen Konstitutionsbedingungen eines Kollektivrechtsguts vermissen lassen.66 Lassen sich einem Straftatbestand unmittelbar individuelle Rechtsgüter rechtfertigbar zugrunde legen und geht es damit „in Wahrheit nur um die Klasse der Individualrechtsgüter“,67 bedarf es keiner Hypostasie62
Vgl. hierzu Hefendehl, in: ders. (2003) S. 119, 126; Koriath GA 1999, S. 561, 564; Wittig ZStW 107 (1995) S. 251, 262 f. 63 Vgl. hierzu als Vertreter einer gemäßigten Variante personaler Rechtsgutskonzeptionen Hassemer, in: Hefendehl u. a. (2003) S. 57; ders., in: Scholler/Philipps (1989) S. 85, 91 ff. (dort v. a. auch zu einer gestuften Zurückhaltung bei Kriminalisierungsentscheidungen je mehr vermittelnde Schritte hin zu menschlichen Interessen erforderlich sind). Nach einer strengen Variante soll überhaupt nur ein Kernstrafrecht zum Schutz klassischer Individualrechtsgüter legitimierbar sein, vgl. hierzu und zur gemäßigten Form instruktiv Anastasopoulou (2005) S. 29 ff. (S. 39 f. zur Kritik an personalen Rechtsgutskonzeptionen) mit zahlreichen weiteren Nachweisen. Nachdem jedoch auch die nach der Gegenansicht Schutz verdienenden Kollektivrechtsgüter letztlich immer dem Wohle des einzelnen mittelbar dienen sollen, liegt der Unterschied hier lediglich in der Stufung des Schutzes (unmittelbar/mittelbar/fern liegend) und in der zutreffenden Begründung, dass bei den Kollektivrechtsgütern zwar ein Interesse einer Vielzahl an Individuen an der Funktion des Kollektivrechtsguts bestehe, es aber gerade angesichts der diffusen Masse nicht möglich ist, Rechtsgüter auf ganz konkrete Individualrechtsgüter rückzuführen (vgl. hierzu Kuhlen ZStW 105 (1993) S. 697, 704). Eine etatistische Rechtsgutslehre, die sowohl Individualrechtsgüter als auch Kollektivrechtsgüter als rechtlich vom Staat zugeteilte oder aus Staatsfunktionen abgeleitete Güter der Gesamtheit begreift (vgl. bspw. die Konzepte Bindings und Honigs) wird heute wohl auch wegen der anthroprozentrischen Ausrichtung des Grundgesetzes (Art. 1 und 2 GG erheben die Würde und freie, sofern andere nicht beeinträchtigende Entfaltung des Menschen zu obersten Prinzipien) dagegen nur noch vereinzelt vertreten (Weigend ZStW 98 [1986] 44, 53 ff.). Vgl. im Übrigen Anastasopoulou (2005) S. 35 ff. mit ausführlicher Darstellung des Meinungsstandes. 64 Vgl. hierzu m. w. N. Eichelberger (2006) S. 92. Siehe ferner u. a. bei Krüger (2000) S. 20 ff., 124 ff. (zu den Entmaterialisierungstendenzen im Wirtschaftsstrafrecht). 65 Vgl. u. a. Tiedemann (1969) S. 6 und S. 120. 66 Vgl. hierzu Hefendehl (2002) S. 80 ff.
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2. Kap.: Strafrecht und Kapitalmarktverhalten
rung kollektiver Rechtsgüter.68 Insoweit besteht eine Subsidiarität der Postulierung individueller vor kollektiven Rechtsgütern. Einzig diese Konzeption vermag es der gewachsenen Bedeutung kollektiver Rechtsgüter in Zeiten anonymisierter, komplexer und zuweilen diffuser Gesellschaftsstrukturen und deren Risikokorrelaten zu entsprechen.69 Nehmen bestimmte (Wirtschafts-)Institutionen eine besondere gesellschaftliche Bedeutung ein und genügt zu ihrem Schutz nicht allein die reflexive Schutzwirkung von (bestehenden) Individualrechtsgütern oder ist dieser unmöglich, so müssen auch überindividuelle Interessen als Rechtsgüter anerkannt werden.70 Dem Grundgesetz kommt mit den ihm einbeschriebenen Grundrechten und damit zentralen Interessen neben der wichtigen rechtspolitischen Rolle bei der Identifikation von Rechtsgütern die maßgebliche Bedeutung als einzig maßgeblicher verbindlicher Kontrollfilter demokratisch legitimierter Gesetzgebertätigkeit zu. Grundsätzlich ist jede gesetzgeberische Entscheidung und demnach auch die Strafnorm des §§ 20a, 38 II WpHG als Eingriff jedenfalls in die allgemeine Handlungsfreiheit (hier u. U. auch in das Grundrecht aus Art. 14 I GG – bspw. Disposition über eigenes Eigentum eingeschränkt, wenn an vorherige Veröffentlichung von Informationen geknüpft) am Maßstab des Grundgesetzes zu messen (verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Eingriffs). Die mögliche Bedeutung der Umgrenzungsfunktion auch durch das Rechtsgüterprinzip im Rahmen der verfassungsrechtlichen Rechtfertigungsprüfung eines mit der Strafbewehrung einhergehenden grundrechtssensiblen Eingriffs wird indes durch das BVerfG limitiert71, wenn es konstatiert72, dass Strafnormen „von Verfassungs wegen keinen darüber hinausgehenden, strengeren Anforderungen hinsichtlich der mit ihnen verfolgten Zwecke“ (ebenda) unterliegen. Zum einen führt das Gericht hierfür die fehlende Einigkeit über den Begriff des Rechtsguts selbst auf, könne dieser doch sowohl als normativer Rechtsgutsbegriff wie naturalistischer (oder sonst wie überpositiver) Rechtsgutsbegriff verstanden werden. Ersterer könne bereits keine „Leitfunktion für den Gesetzgeber“ übernehmen, da er nur die jeweilige ratio legis der Strafnorm auszudrücken vermag73, 67 68
Schünemann, in: Hefendehl (2003) S. 133, 149. Vgl. Hefendehl (2002) S. 82; Schünemann, in: Kühne/Miyazawa (2000) S. 15,
27. 69 Vgl. hierzu Fürhoff (2000) S. 100; Hefendehl GA 2002, S. 24; Schünemann GA 1995, 201, 210 ff. 70 Vgl. ebenso u. a. Eichelberger (2006) S. 93 m. w. N. 71 Vgl. zuletzt den Beschluss des Zweiten Senats vom 26. Februar 2008 2 BvR 392/07 – Rn. 39 (Inzest-Urteil) NJW 2008, 1137 ff.; umfassend zur – den Rechtsgutsgedanken nicht aufnehmenden – Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht Schünemann, in: Hefendehl u. a. (2003) S. 142 ff. 72 Vgl. hierzu und im Folgenden BVerfG NJW 2008, 1137, 1138 Rn. 39. 73 Ebenso Weigend LK12 Einleitung Rn. 7.
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letzterer setze sich in Widerspruch dazu, dass es nach der grundgesetzlichen Ordnung allein Sache des demokratisch legitimierten Gesetzgebers sei, neben den Strafzwecken (BVerfGE 45, 187, 253) auch die mit den Mitteln des Strafrechts zu schützenden Güter festzulegen und die Strafnormen den jeweiligen gesellschaftlichen Entwicklungen anzupassen. Die Verfassung sei auf allen Gebieten die einzig relevante Schranke des demokratisch legitimierten Gesetzgebers. Das Konzept des Rechtsgüterschutzes stellt somit „keine inhaltlichen Maßstäbe bereit, die zwangsläufig in das Verfassungsrecht zu übernehmen wären, dessen Aufgabe es ist, dem Gesetzgeber äußerste Grenzen seiner Regelungsgewalt zu setzen.“74 Allein der Gesetzgeber habe zu entscheiden, ob und in welchem Umfang er ein bestimmtes Rechtsgut mit den Mitteln des Strafrechts schützen wolle.75 Schünemann ist insoweit in seiner Kritik76 beizupflichten, wenn er die starke Verwurzelung formaler Grenzen des Strafrechts im Grundgesetz (Art. 103 II GG, 104 GG) hervorhebt, die materiell ein eben solches Geschwister sucht und sind die Gefahren eines beliebigen politischen Missbrauchs der Mittel des Strafrechts nicht zu unterschätzen. Das Grundgesetz bietet einzig mittels des Grundrechtekanons der Art. 1–20 (insbesondere des Art. 1 GG und der aus ihm abgeleiteten Kernbereichssystematik77), dem Verhältnismäßigkeitsprinzip und nicht zuletzt auch gewahr der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III GG – wenn auch nicht zu unterschätzende – materiale Schranken einer ausufernden Gesetzgebung, die – ernst genommen78 – dem begrenzenden Einfluss der Rechtsgutstheorie zumindest gleichkommen zu vermögen. Nachdem das Bundesverfassungsgericht in seinem Judiz auf die Prüfung von Verfassungsrecht beschränkt und auch die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers nur bedingt, nämlich auf eindeutige Missbrauchsfälle,79 überprüfbar ist, kann zwar im Grundansatz dem Verfassungsgericht gefolgt werden, wenn es allein um die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit geht. Dass sich das Bundesverfassungsgericht in seinen Judizen mit dem Verdikt der Verfassungswidrigkeit bislang vornehm zurückgehalten hat, mag hierin seinen Ursprung haben. Keine Zustimmung80 ver74
BVerfG NJW 2008, 1137, 1138 Rn. 39. BVerfG NJW 2003, 501, 503. 76 Schünemann, in: Hefendehl u. a. (2003) S. 143. 77 Vgl. hierzu u. a. BVerfGE 6, 32, 41; 54, 143, 146; 80, 137, 153; 90, 145, 171. 78 Jene Ernstnahme ebenfalls explizit für das Strafrecht als dessen deontologische Schranke anmahnend Greco ZIS 2008, 234, 237 f. 79 Vgl. hierzu nur Roxin AT I, § 2 I Rn. 87 unter Verweis auf BVerfGE 39, 210, 230. 80 Vgl. ebenso bereits vor dem Urteil des BVerfG Achenbach ZStW 2007, 789, 810, der mit Verständnis für die starke Zurückhaltung des BVerfG aus Gewaltenteilungsgründen bei der Überprüfung von Strafgesetzen den Wert der geltenden, in ers75
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dienen jedoch einige der getroffenen Einzelfallentscheidungen,81 die auch nach dem Prüfungskanon des Gerichts mehr Sensibilität im Hinblick auf die Kernbereichssystematik der Grundrechte verlangt hätten. Jene verdienen insoweit Kritik, als sie dogmatisch zu wenig rigide den Kernbereich persönlicher Lebensgestaltung von staatlichem Zugriff durch das materielle Recht nur ungenügend freihielten.82 Im Ergebnis bedingt der weite Handlungsund Ermessensspielraum des Gesetzgebers somit nur, dass die mit jenem Rahmen konformen Strafgesetze mit ihren impliziten Entscheidungen der Frage des sozialethischen Unwerts unter demokratischen Gesichtspunkten zu akzeptieren sind.83 Dennoch kann gerade die Suche nach dem geschützten Rechtsgut die Probleme an der Grenze staatlicher Pönalisierungsbefugnis sichtbar werden lassen und dem Gesetzgeber so mittels konkreter Argumentationslinien Unterstützung bei der Zuführung zu einer rationalen Lösung bieten.84 ter Linie verfassungsrechtlichen Maßstäbe als sachliche Beurteilungsbasis für die Kriminalpolitik hervorhebt, obgleich er Skepsis gegenüber den Möglichkeiten eines gesetzgebungs- oder systemkritischen Rechtsgutsbegriffs (S. 812) nicht verhehlen will. Ebenso Schönhöft (2006), S. 20. 81 Vgl. hierzu die kritische Besprechung bei Schünemann, in: Hefendehl (2003) S. 133, 144 ff. (Abtreibungsentscheidung; Cannabis-Entscheidung). Die aufgeführten (und zu Recht kritisierten) Entscheidungen des BVerfG hätten bereits verfassungsrechtlich anders entschieden werden müssen. Letztlich wäre eine liberale Rechtsgutstheorie nichts anderes als eine (zu begrüßende) liberale Auslegung der SchrankenSchranken. Wäre sich nämlich das Verfassungsgericht der Eingriffsintensität und -Richtung des gesetzgeberischen Eingriffs durch das Strafrecht bewusst gewesen, so hätten spätestens im Rahmen der Prüfung des Übermaßverbotes die Urteile jedenfalls anders ausfallen müssen. Richtigerweise hätte bereits die Besinnung auf die Kernbereichsthese (Art. 1 GG; Tabubereich selbst bestimmte und von Zwang freie Sexualität/Familienplanung und daraus ebenso zu folgerndes Verbot jedweder Eugenik durch den Staat) einen Rekurs auf die nachgelagerten Legitimationsbemühungen des Bundesverfassungsgerichts für einen Eingriff verboten. Vgl. hierzu überzeugend Greco ZIS 2008, 234, 237 und passim. 82 Ähnlich Anastasopoulou (2005) S. 287 (im Anschluss an Vogel StV 1996, 110, 112): „Praktisch lässt also das Bundesverfassungsgericht jeden erheblichen Gemeinschaftswert oder -belang als Legitimationsgrund für Strafgesetze genügen“ 83 Ob man sie dagegen als per se „richtig“ anerkennen sollte, wie es Schönhöft (2006, S. 20) unter Berufung auf BVerfGE 27, 18, 29 f. dekretiert, mutet zweifelhaft an, kann doch allein in der demokratischen Legitimation – jedenfalls wenn man jene nicht zum alleinigen Bewertungskriterium erheben will – noch keine Richtigkeitsgarantie erblickt werden (inzidenter mit aus gesprochen bei Epping/HillgruberHuster/Rux, BeckOK GG Art. 20 Rn. 71.1; vgl. ferner Naucke, in: Lüderssen (1998) S. 156 ff.). Jedenfalls bietet das Parlamentsgesetz durch seine „Geburt“ in einem durch mehrere Lesungen und Sorgfalt geprägten Gesetzgebungsverfahren zumindest eine bestimmte Garantie seiner Güte, vgl. Rieckhoff (2007) S. 31 f.; Schünemann GA 2004, 193, 201. 84 Vgl. u. a. Roxin AT § 2 Rn. 50; Eichelberger (2006) S. 96.
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II. Das geschützte Rechtsgut des Delikts der Marktmanipulation Nicht zuletzt weil bislang keine gänzlich überzeugende umfassende definitorische Bestimmung von Rechtsgütern besteht, jene aber überwiegend an die Sozialordnung als rechtsgutsidentifizierende Entität anknüpfen und die Strafrechtsgesetze als Ausdrucksform der Willensbildung demokratisch legitimierter Organe anzusehen sind, soll vorliegend Ausgangspunkt der zunächst systemimmanenten Rechtsgutsidentifikation85 die bestehende strafgesetzliche Regelung und damit in erster Linie die gesetzgeberische Schutzintention sein.86 Im Anschluss soll der systemkritischen Analyse unterliegen, ob das vom Gesetzgeber intendierte Schutzziel ein bloßes Scheinrechtsgut ist oder als (kollektives) Rechtsgut anzuerkennen ist. Mithin kann darauf aufbauend die Strafwürdigkeit als rechtspolitisches Moment bejaht oder verneint werden. Hierbei wird von einem engen Strafwürdigkeitsverständnis ausgegangen, nachdem nur vom Staat als anzuerkennendes „Strafrechtsgut“ geschützt werden darf, wessen Gefährdung oder Verletzung sich nicht als Verwirklichung menschlichen Verhaltens in einem bestimmten staatlichen Tabubereich darstellt.87
85 Vgl. für diesen zunächst systemimmanenten Begriff eines Strafrechtsgutsbegriffs als Schutzobjekt eines Strafgesetzes u. a. Hassemer (1973) S. 19 ff.; Wittig (2005) S. 133 ff. Der systemtranszendente Ansatz (hierzu u. a. die Vorgenannten), welcher die Prüfung des Schutzgegenstands eines Strafrechtsguts nach inhaltlichen Kriterien zulässt und letztlich danach ein Urteil über dessen Anerkennung als Strafrechtsgut ermöglicht, soll inzidenter nach der Identifizierung des tatbestandlich geschützten Rechtsguts erfolgen. 86 Allerdings kann dieser Gesetzgeberwille mit der Andeutungstheorie (vgl. Engisch [9. Aufl. 1997] S. 100 f.) richtigerweise nur dann maßgeblich sein, wenn er eine zumindest andeutungsweise Verankerung im Gesetzeswortlaut gefunden hat. 87 Zu einem zwei geteilten Aufbau dieser Legitimation in deontologische Schranken, in denen sich jeder staatliche Eingriff verbietet (etwa i. S. der Sphärentheorie des Bundesverfassungsferichts, BVerfGE 27, 1 (6) m. w. N.; 35, 202 (220 f.), und dem auf zweiter Ebene durchaus konsequentialistisch begründbaren (und sich damit als Ergebnis klassischer Rechtsgutsfindung und -verteidigung darstellenden), staatlichen Eingriff mittels Strafrecht grundlegend Greco (2009) S. 351 ff. Für die Annahme des Kernbereichs kommt es dem BVerfG nach (BVerfGE 80, 367, 374) darauf an, ob „der Sachverhalt seinem Inhalt nach von höchstpersönlichem Charakter ist und in welcher Art und Intensität er aus sich heraus die Sphäre anderer oder die Belange der Gemeinschaft berührt.“ Vgl. hierzu u. a. Baldus JZ 2008, 218, 222 ff. unter Betonung der Schwierigkeiten in Literatur und Rechtsprechung einer sicheren Zuordnung von Verhalten zum Kernbereich; zur Entwicklung der Sphärentheorie vgl. u. a. Gusy FS Folz (2003) S. 103, 104 ff. Mit Recht hat Greco ZIS 2008, 234, 237 f. ausgehend von seiner Position eines autonomietheoretischen Strafrechtsliberalismus kritisiert, dass jedes auch noch so private Verhalten indirekte Folgen für Dritte haben könne und sich jene Folgen orientierte Argumentation für den deontologisch zu bestimmenden Kernbereich gerade verbiete.
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2. Kap.: Strafrecht und Kapitalmarktverhalten
1. Individualrechtsgut In der Literatur im Vordringen begriffen ist die Auffassung, das Delikt der Marktmanipulation in §§ 20a, 39, 38 II WpHG bezwecke den vorverlagerten Individualschutz, als Schutz individueller Anleger bzw. in concreto ihres Vermögens.88 Der Ansatz, auch hinter der Marktmanipulation den Anlegervermögensschutz als erstes geschütztes Rechtsgut zu sehen, steht im Einklang mit dem – in anderen Lebensbereichen vielfach durch EU-Vorgaben geprägten – Trend, verbraucherschützende89 Vorschriften den mitgliedsstaatlichen Rechtsordnungen stärker als bisher praktiziert zu implementieren.90 Dementsprechend sieht Ziouvas ähnlich wie beim Insiderhandel91 den entscheidenden Moment für einen vom bloßen Schutzreflex der Kapitalmarkteffizienz abzutrennenden eigenständigen Anlegerschutz in jenem als solchem sozialstaatlich legitimierten (Art. 20 I GG) verbraucherschützenden Moment,92 wobei er hier ein Primat des Anlegerschutzes gegenüber dem Funktionenschutz aus einem anthropozentrischen Verfassungsverständnis ableiten 88 Vgl. u. a. Altenhain BB 2002, 1874, 1875; ders. KK-WpHG § 38 Rn. 3; Lenzen ZBB 2002, 279, 284; Tripmaker wistra 2002, 288, 291. Neben Funktionenschutz auch Individualvermögensschutz als Rechtsgut postulierend Wilga, in: Möllers/Rotter, § 12 Rn. 34; Ziouvas ZGR 2003, 113, 143 f.; ähnlich (komplexes Rechtsgut mit individuellen und überindividuellen Elementen) Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 30. 89 Zu den Interferenzen von Kapitalmarkt- und Verbraucherschutzrecht vgl. Fleischer BKR 2006, 389 [391]. Ders. Gutachten (2002) F90 zur E-Commerce-Richtlinie, die im Anhang zu Art. 3 ausdrücklich den Anlegerschutz als gesonderten Fall des Verbraucherschutzes begreift. Ein „Heiliges Recht“, sich zum Dummkopf zu machen, sieht Caspari NZG 2005, 98, 99. Hopt WM 2009, 1873, 1879 malt das Risiko einer Verdrängung des Gedankens der Eigenverantwortlichkeit bei der Kapitalanlage durch Bestrebungen zu einem „überbordenden Vebraucherschutz“ an die Wand. In die verbraucherschützende Richtung gehen jedenfalls auch jene gesetzlichen Regulierungen, die die Informationspflichten der Wertpapierdienstleistungsunternehmen (Banken) ihren Kunden gegenüber beschreiben (Risikoklassen im Rahmen des § 31 II WpHG). 90 Vgl. bspw. zum Verbraucherschutz bei Finanzdienstleistungen als Priorität europäischer Verbraucherpolitik Bonino WM 1996, 1617 ff. 91 Nach Ziouvas ([2005], S. 206) sei beim Insiderhandel (§§ 14, 38 I WpHG) ebenfalls allein das Vermögen der Anleger das zu schützende Rechtsgut. Die Chancengleichheit der Marktteilnehmer in Bezug auf den Zugang zu Informationen sei dagegen gerade kein Rechtsgut von Verfassungsrang, weshalb die bloß abstrakte Gefährdung dieses Rechtsguts die kriminalstrafrechtliche Inkriminierung gerade nicht, sondern in Verbindung mit der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes bloß einen Ordnungswidrigkeitentatbestand legitimieren könne ([2005] S. 212 f.). 92 Ziouvas (2005) S. 141. Vgl. auch ders. ZGR 2003, 113, 145 („mitintendierter Individualschutz“ bei § 20a WpHG).
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will.93 Indes lassen sich diese Überlegungen grundsätzlich unter jene Ansichten fassen, die die Begründung eines primären Anlegerschutzes aus der besonderen Schutzbedürftigkeit der Anleger ob ihrer fehlenden Selbstschutzmöglichkeiten fassen.94 Zwar gibt es tatsächlich keinen einheitlich durch eingeschränkte „zweckrationale Fähigkeiten, Ausbildung, Kenntnisse und Erfahrungen“ limitierten Anleger.95 Das Kapitalmarktrecht selbst geht vom verständigen Anleger aus, der zwar hinreichend informiert und kritisch ist, dennoch aber in die Irre geführt werden kann96, wovon neben den auf dem Rationalitätsaxiom aufbauenden Finanztheorien auch die Erkenntnisse der Behavioral Finance als finanzwissenschaftlicher Disziplin zeugen.97 Für jenen Ansatz, der – da die fehlenden Selbstschutzmöglichkeiten thematisierend – auch viktimodogmatischer Prüfung standhalten würde,98 spricht dennoch die am Kapitalmarkt für alle Anleger gleichermaßen zu attestierende eingeschränkte Transparenz der Geschäfte. Ausgehend von der Anonymität des Geschäftspartners und der Zwischenhändler,99 der Intransparenz der 93 Ebenda, S. 142. Ein solches anthropozentrisches Verfassungsverständnis muss allerdings m. E. nicht zu einem unbedingten Vorrang des Individualschutzes vor dem Kollektivschutz führen. Letztlich dienen nach hLit auch alle anerkannten Kollektivrechtsgüter dem einzelnen Individuum, es sei denn man sieht – mit einer überholten und in dunklen deutschen Zeiten instrumentalisierten – Ansicht (vgl. hierzu Weigend ZStW 98 [1986] 44, 53 ff. und bereits oben Fn. 63) als originären Träger aller Rechtsgüter den Staat selbst an (sog. etatistisches Rechtsgutsverständnis). 94 Zum Gesichtspunkt der Überforderung der Anleger bei ihrer selbständigen Anlageentscheidung vgl. auch Hopt (1975) S. 88 ff. m. w. N. 95 Insoweit aber missverständlich Ziouvas (2005) S. 141. Vgl. i. Ü. nur Klöhn (2006) S. 258. 96 Vgl. hierzu nur Veil ZBB 2006, 162 ff. 97 Vgl. Veil AG 2006, 690, 695, der allerdings nur die Behavioral Finance hervorhebt und so nicht darauf eingeht, dass auch der rationale Anleger infolge der Zufuhr fehlerhafter Informationen in den Markt getäuscht werden kann. Siehe umfassend zur Behavioral Finance und den Rational Choice Theorien unten 3. Kapitel § 2 B. II. 3. b). 98 Vgl. zur Herausnahme von bewussten Risikoentscheidungen aus dem Anwendungsfeld des Strafrechts in Form der Viktimodogmatik Amelung GA 1977, 1, 6; Kratzsch (1985) S. 358 ff., 368 ff.; Mitsch (2004) S. 13 ff.; Murmann (2005) S. 307 ff.; Schünemann ZStW 90 (1978), 32, 41; ders., in: Schneider (1982) S. 407 ff.; ders. NStZ 1986, 193 ff.; ders., in: ders. (2002) S. 51, 61 ff. [in englischer Sprache ders. Buffalo Criminal Law Review Vol. 7 (2003) S. 551, 562 ff.]; ders., in: v. Hirsch/Seelmann/Wohlers (2006), 18, 30 ff.; Kritisch zur Berücksichtigung von Selbstschutzmöglichkeiten durch das Opfer auch aus verfassungsrechtlicher Perspektive Lagodny (1996) S. 354 ff. 99 Die Anonymität geht am Kapitalmarkt sogar so weit, dass selbst die hinter einem bestimmten Finanzinstrument stehenden Unternehmen dem Kapitalmarkt unbekannt bleiben können (so bspw. bei den Asset-Backed Securities (ABS), wo lediglich Strukturdaten der gebündelten Darlehen, wie z. B. Branchenverteilung und Ratinginformationen mitgeteilt werden). Den sich daraus ergebenden Problemen
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2. Kap.: Strafrecht und Kapitalmarktverhalten
Preisbildung (jedenfalls wenn man von verkürzten Orderbüchern und dem Umstand ausgeht, dass der Anleger nicht einschätzen kann, ob dem Angebot beispielsweise ein Leerverkauf zugrunde liegt) zeitigen auch besondere Marktgegebenheiten (Zeitstress etc.) in dieser Hinsicht verminderte Selbstschutzmöglichkeiten bzw. ein erhöhtes (Selbst-)Schutzbedürfnis bei allerdings ebenso anzutreffenden erheblichen Gewinnmöglichkeiten an der Börse. Sieht man indes allein den Kurswert eines Finanzinstruments als entscheidendes Kriterium im Rahmen einer Kauf- oder Verkaufentscheidung des Anlegers100, führt diese Selbstlimitierung der Anleger allein noch zu keinem viktimodogmatisch anders einzuschätzenden Moment, da der stillschweigende Konsens aller Kapitalmarktakteure gerade jenes Kriterium zum entscheidenden Kriterium für den Zeitpunkt (und damit inzidenter den Transaktionspartner) erhebt und keine Ausweichmöglichkeiten (außer der Abstandnahme von Kapitalmarktgeschäften) bestehen. Letztlich sind diese viktimodogmatischen Überlegungen allerdings richtigerweise erst als Teil (welche in eine Finanzkrise wie die durch die U.S. amerikanischen Immobilienfinanzierer ausgelöste mündeten) wird u. a. mittels erhöhten Transparenzanforderungen beizukommen versucht (vgl. u. a. Horn BKR 2008, 452, 459 [Erhöhung der Transparenz der Märkte, der Produkte und ihrer Ratingagenturen]; Spindler DStR 2008, 2268, 2271 [transparentere Vergütungssysteme]; für eine strafrechtliche Einschätzung vgl. u. a. Ransiek WM 2010, 869, 875 [Strafrecht kein Mittel zur Lösung struktureller Defizite] sowie Schünemann, in: Schünemann (2010) S. 71, 102 f. [neben Systemversagen, „zumindest objektiv straftatbestandsmäßiges Verhalten der verantwortlichen Personen im Bankensektor“]). Korrekterweise sollte bei der Anonymität der Geschäftspartner und -intermediäre – wenn auch für die hier zu beantwortenden Fragestellungen der Schutzwürdigkeit unbeachtlich – mitbedacht werden, dass es sich nur um eine Momentum-Anonymität in der konkreten Marktsituation vor der Transaktion handelt, da mit entsprechendem Zeitaufwand nicht zuletzt dank der umfassenden nationalen Aufzeichnungspflichten für Wertpapierdienstleistungsunternehmen (vgl. nur § 34 WpHG) und entsprechender Auskunftsansprüche im Innenverhältnis (im Außenverhältnis bspw. gemäß § 9 WpHG gegenüber der BaFin) nach einer Transaktion der Geschäftsopponent wie auch die Intermediäre für den Effektenkunden ermittelbar sind (vgl. hierzu nur Kümpel/Bruski, in: Schimansky/ Bunte/Lwowski (2007) § 104 Rn. 122); vgl. zur europarechtlich insoweit uneinheitlichen Umsetzung der Markets in Financial Instruments Directive (MiFID) – in Deutschland durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG) vom 16.7.2007 – Hirschberg AG 2006, 398, 405 f. Vgl. im Übrigen die Transparenzanforderungen in Verordnung (EG) Nr. 1287/2006 der Kommission vom 10.8.2006 zur Durchführung der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Aufzeichnungspflichten für Wertpapierfirmen, die Meldung von Geschäften, die Markttransparenz, die Zulassung von Finanzinstrumenten zum Handel und bestimmte Begriffe in dieser Richtlinie (ABl. EU L 241, S. 1). 100 Anders als an anderen Warenmärkten erfolgt die kaufentscheidende Beurteilung der Qualität eines Angebots eben nicht durch Augenschein, sondern allein mittels der Beschreibung und Anlehnung an den momentanen Marktpreis, vgl. hierzu Ziouvas (2005) S. 141 und 162.
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des ultima ratio Gedankens zu verstehen und damit auf der Ebene der Strafbedürftigkeit zu verorten.101 Eine Ansicht dreht das Reflexargument der Gegenansicht um und will die Funktionsfähigkeit dadurch reflexartig gesichert sehen, dass jeder Marktteilnehmer manipulationsfrei über sein Vermögen verfügen könne. Ein kollektives Rechtsgut der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes sei daher entbehrlich, da bereits jeder einzelne Anleger für eine hinreichende Allokation sorgen würde. Allein der Schutz des Vermögens der Marktteilnehmer stehe daher im Vordergrund.102 Eine ähnliche Ansicht sieht den Anlegerschutz wegen des funktionalen Zusammenhangs von Individualschutz und Funktionenschutz als unerlässliches Element der modernen Wirtschaft, als Systemnotwendigkeit an und mag in dessen Anerkennung die Integration der sozialen Schutzbedürftigkeit der Anleger mit dem Funktionsinteresse von Kapitalmarkt und Wirtschaft erkennen.103 2. Bedenken gegen individualschützenden Ansatz Zuzugestehen ist diesen Ansichten, dass Transaktionspreise ohne wirksame Manipulationen eine andere Gestalt besäßen und damit einzelne Anleger in manchen Manipulationskonstellationen zu einem anderen für sie günstigeren Preis gekauft oder verkauft hätten. Allerdings verkennen jene Ansichten bereits, dass zur Preisbeeinflussung eine Vielzahl von Geschäften unterschiedlicher Beteiligter vonnöten ist und somit zum einen für jeden Beteiligten eine individuelle Vermögensminderung zu untersuchen wäre und zum anderen wenn überhaupt nur entweder die Käufer- oder Verkäuferseite eine Vermögensminderung verbuchen könnte.104 Darüber hinaus sind zahlreiche Manipulationen als tatbestandsmäßig anerkannt, die wie beispielsweise die fiktiven Transaktionen (matched orders, prearranged trades und circular trades) überhaupt nicht zu einem unmittelbaren Schaden bei anderen Marktteilnehmern führen. Mithin verbietet es sich aber, einer Vorschrift ein Rechtsgut zuzuschreiben, das in vielen Fällen überhaupt nicht verletzt wird.105 101
Vgl. hierzu umfassend Schünemann, in: ders. (2002) S. 51, 61 ff. Vgl. Altenhain BB 2002, 1874, 1875; Petersen, in: Gropp (1998) S. 115, 117; für das Insiderrecht Otto, in: Schünemann/Suárez González (1994) S. 447, 453. 103 Hopt (1975) S. 337. 104 Vgl. hierzu Eichelberger (2006) S. 110 auch mit dem Beispiel des Scalping, bei dem nur eine Seite (wenn überhaupt) Aktien entweder zu teuer ein- oder zu billig verkauft. 105 Vgl. so treffend Eichelberger (2006) S. 111. Auch wenn dieses Argument allein insoweit auf tönernen Füßen steht, als jene Fälle bei einer konsequent individualistischen Rechtsgutskonzeption eben nicht strafbar sein dürften, untermauert es 102
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2. Kap.: Strafrecht und Kapitalmarktverhalten
Weitere Zweifel ergeben sich ferner aus der Tatsache, dass es bereits keinen einheitlichen Anlegertyp gibt, über dessen Schutzwürdigkeit sich uniforme Erwägungen anstellen ließen. Von den schlecht informierten Kleinanlegern reicht die Variationsbreite bis zu professionell agierenden Daytradern, wenn man sich nur auf Einzelpersonen konzentriert und nicht auch institutionelle Anleger wie Banken und Fonds mit einbezieht.106 Die vorhandenen Unterschiede greift inzident unter anderem auch § 4 I MaKonV auf, wenn er für den hinsichtlich der sonstigen Täuschungen i. R. d. § 20 I Nr. 3 WpHG relevanten Maßstab nicht den durchschnittlichen Anleger, sondern den verständigen, börsenkundigen und mit den Marktverhältnissen vertrauten Anleger aufgreift.107 Insoweit wird der Kreis der uninformierten und leicht irrezuführenden Personen (jedenfalls von den spezifizierenden Vorschriften der MaKonV)108 aus dem Schutzbereich ausgenommen, was zumindest indiziell gegen eine verbraucherschützende Intention des § 20a, 39, 38 II WpHG spricht. Unterzieht man den Wortlaut des Tatbestandes der Marktmanipulation als Kombinationstatbestand aus Verbotsnorm (§ 20a WpHG) und Strafandrohung (§ 38 Abs. 2 WpHG) der Auslegung, so fehlt – jedenfalls im normsystematischen Vergleich zu anderen, anerkannt individualschützenden Normen – eine zumindest andeutungsweise Verankerung109 des individuellen Anlegerschutzes. Dem Delikt der Marktmanipulation mangelt es zum einen an der tatbestandlichen Anknüpfung an eine individuelle Fehlvorstellung,110 an deren Umsetzung in einer konkreten Vermögensdisposition und in einem die Kausalkette abschließenden Vermögensschaden beim einzelnen wie es beispielsweise das Delikt des Betrugs kennt. Die Einwirkung auf den Börsen- oder Marktpreis doch angesichts des erklärten Gesetzgeberwillens zum inkriminierenden Einbezug jener effektiven Geschäfte (vgl. hierzu unten 3. Kapitel § 2 A. II. 2. b)) eine kollektivschützende Lesart. 106 Vgl. ebenso wohl Sorgenfrei wistra 2002, 321, 322. 107 Vgl. hierzu Schröder (2007), 3. Kap F II 1 Rn. 548 (= S. 197). 108 Vgl. zur Problematik einer solchen Einschränkung unten 3. Kapitel § 2 A. I. 1. b) bb). 109 Zumal mit der Andeutungstheorie (vgl. Engisch [9. Aufl. 1997] S. 100 f. m. w. N.) der Gesetzgeberwille und damit die realisierte Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers richtigerweise nur dann maßgeblich sein kann, wenn er eine zumindest andeutungsweise Verankerung im Gesetzeswortlaut gefunden hat. 110 A. A. Dühn (2003) S. 189, der diese aus dem Begriff der „Beurteilungserheblichkeit“ (gemeint wohl: „Bewertungserheblichkeit“) ableiten will, dass eine Information „stets nur für individuelle Kapitalanleger und nicht für einen abstrakt verstandenen Markt“ beurteilungserheblich sein könne. Dass aber für die Bewertungserheblichkeit gerade nach ganz herrschender Ansicht und dem Gesetzgeberwillen die kollektive Perspektive eingenommen und nicht auf individuelle Präpositionen einzelner Anleger abzustellen ist, wird unten (3. Kapitel § 2 A. I. 1. b) bb)) näher dargelegt.
§ 2 Legitimation strafrechtlicher Sanktionierung
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i. S. d. § 38 II WpHG als strafbegründendes Merkmal weist darüber hinaus keinen Individualbezug auf.111 Zwar ist Ziouvas insoweit grundsätzlich Recht zu geben, wenn er für das Kapitalmarktrecht als vom Europarecht umgriffener Materie die Bedeutung der Wortlautauslegung zugunsten einer europarechtskonformen Auslegung relativieren will.112 Dem ist indes im Speziellen für das Strafrecht entgegenzutreten. Dieser Vorrang gilt eben nur für jene Bereiche, in denen zum einen unmittelbar der Vorrang des Europarechts normenhierarchisch zu beachten ist und zum anderen selbstredend nur dort, wo entgegenstehende europarechtliche Normen existieren. Für den hier beachtlichen strafrechtlichen Bereich fehlte es der Europäischen Union bis Ende 2009 an der nach dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung113 erforderlichen Befugnisnorm.114 Der im Urteil des EuGH vom 13.9.2005 (Rs. C-176/03)115 zunächst für das Umweltstrafrecht (noch) kompetenzwidrig eingeschlagene und mit der Entscheidung mit Urteil vom 23.10.2007 (Rs. C-440/05) konkretisierte116 Pfad der Erweiterung jedweder europäischen Rechtsetzungsbefugnis um eine – den bestehenden Kompetenzen folgende – Annexkompetenz in Form einer Anweisungskompetenz auch für das Strafrecht hat jedoch zwischenzeitlich seine positivrechtliche Verankerung erhalten. Die mit dem Vertrag von Lissabon in Art. 83 Abs. 2 AEUV eingeführte strafrechtliche Annexkompetenz der EU erlaubt dieser 111
Vgl. hierzu umfassend unten 3. Kapitel § 2 B. Ziouvas (2005) S. 57. 113 Vgl. hierzu nur Callies, in: Callies/Ruffert EUV/EGV (3. Aufl. 2007) Art. 5 EGV Rn. 8 ff. 114 Insoweit kann es durchaus zu einer Normambivalenz oder Normspaltung (vgl. hierzu bereits Tiedemann NJW 1979, 1849, 1851; ders. FS F.-C.-Schroeder (2006) S. 641, 644) in der Auslegung bestimmter Generalklauseln im Strafrecht und sonstigen Recht kommen. Eine solche ist allerdings nach geltendem Recht und der weitgehenden Entsprechung der Verbotstatbestände nicht zu erwarten. 115 EuGH NVwZ 2005, 1289 [1291] (= EuZW 2005, 632 [634]); vgl. hierzu u. a. positiv Böse GA 2006, 211 ff.; Hecker (2007) § 8 Rn. 27; kritisch Hefendehl ZIS 2006, 161; vgl. ferner Schünemann ZIS 2007, 535 f. m. w. N. Diehm wistra 2006, 366 (370), entdeckt im Urteil und der daneben besprochenen, eine „neue Art der Strafrechtskompetenz“ (ebda.) enthaltenen kapitalmarktrechtlichen Safe-HarbourVerordnung (EG-VO 2273/2003) „wichtige Determinanten für die künftige Fortentwicklung [. . .] der europäischen Strafrechtskompetenz“. Siehe hierzu kritisch auch unten 3. Kapitel § 2 A. II. 4. Fn. 446. 116 Das Urteil enthält insoweit die klarstellende Bemerkung, dass die Bestimmung von Art und Maß der anzuwendenden strafrechtlichen Sanktionen nicht in die Zuständigkeit der Gemeinschaft fällt. Vgl. EuGH NStZ 2008, 703, 705 Rz. 70 (= EuGH JZ 2008, 248, 251 Rz. 70); siehe hierzu auch die Anmerkung von Eisele JZ 2008, 251, 253; kritisch zum Urteil u. a. Zimmermann NStZ 2008, 662, 667 m. w. N. 112
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2. Kap.: Strafrecht und Kapitalmarktverhalten
die per Richtlinie mögliche Festlegung von Mindestvorschriften für Straftaten und Strafen für alle Bereiche, in denen Harmonisierungsmaßnahmen erfolgt sind.117 Bislang wurde von dieser Annexkompetenz – obgleich bereits entsprechend der EuGH Begründung schon für Zeiten vor dem LissabonVertrag nicht ausgeschlossen – für das Kapitalmarktstrafrecht noch kein Gebrauch gemacht. Art. 14 Abs. 1 S. 1 der EG-Marktmissbrauchsrichtlinie zeugt von der (jedenfalls ehemals noch) vorhandenen Sensibilität zumindest des EG-Gesetzgebers in diesem Kontext, wenn er den Mitgliedstaaten ausdrücklich die Wahl kriminalstrafrechtlicher Mittel vorbehält und allein fordert, dass die Maßnahmen insgesamt wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein müssen.118 Auch das Arbeitspapier der EU-Kommission, welches weitere Annexkompetenzen im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts 117
Das BVerfG hat in seinem Grundsatzurteil vom 30.06.09 (= NJW 2009, 2267, 2288 f. Rz. 358 ff.) zu den entsprechenden deutschen Umsetzungsgesetzen erstmalig die Sonderstellung des Strafrechts betont und für ein europäisches Strafrecht eine zwingend erforderliche besondere demokratische Rücklegitimation und Grundrechtssensibilität angemahnt. Mit positivem Ausblick hinsichtlich einer Verbesserung der demokratischen Legitimation europäischen Strafrechts durch den Lissabon-Vertrag Sieber ZStW 121 (2009) 1, 57 ff. Zu den Konsequenzen des Lissabonvertrages für die zukünftige Rolle des Bundestages siehe Schünemann KritV 2008, 6 ff.; zum Lissabon-Urteil des BVerfG darüber hinaus u. a. Ambos/Rackow ZIS 2009, 397 ff.; Schünemann ZIS 2009, 393, 394 ff. Zum vor dem Vertrag von Lissabon bestehenden Problem der strafrechtlichen Rechtssetzungskompetenz (in Form einer Anweisungskompetenz) Satzger (2001) S. 90 ff.; 400 ff. und Satzger (2010) § 9 Rn. 38 ff. (= S. 120 ff.) sowie zum Meinungsstand hinsichtlich den Begründungsansätzen einer strafrechtlichen Anweisungskompetenz im damaligen EU-Recht (aus Art. 10 EGV a. F., aus den speziellen und allgemeinen Harmonisierungsbefugnissen des EGV [von Hecker als „h. L.“ postuliert], als Annexkompetenz [„implied powers“]) m. w. N. Hecker (2007) § 8 Rn. 27, Rn. 35 ff.; weitergehend Böse GA 2006, 211, 220 ff. und passim, der über die Anweisungskompetenz hinaus sogar eine Rechtssetzungskompetenz bejahen will. Die eine Anweisungskompetenz der EU bereits vor dem Lissabon-Vertrag befürwortende Literatur verkennt aber auch in ihrer relativierenden Argumentation – die Anweisungskompetenz reiche schließlich ohnehin nicht so weit Tatbestand und Rechtsfolge einer Strafnorm detailliert auszuformulieren und damit den nationalen Gesetzgebern jedwede Gestaltungsrechte zu entziehen – dass die Kriminalstrafgesetzgebung der nationalen demokratischen Souveränität unterfällt und dies gerade für die Entscheidung des „Ob“ der Strafsanktionierung gelten muss. Vgl. zur Kritik Albrecht/Braum KritV 1998, 460, 480 f.; Hefendehl ZIS 2006, 161, 166 f.; ders. ZIS 2006, 229 ff.; Schünemann StV 2003, 531 ff.; siehe auch den umfassenden Überblick bei Dannecker, in: Wabnitz/Janovsky (3. Aufl. 2007), § 2 Rn. 3 ff. und zur Anweisungskompetenz Rn. 70 ff. Vgl. ferner Satzger (2001) S. 72 ff. [97 f.]; Zimmermann NStZ 2008, 662, 667 zum Folgeproblem der Annahme einer strafrechtlichen Anweisungskompetenz in der Definition eines gemeinschaftsrechtlichen Begriffs der Kriminalstrafe. 118 Vgl. ABl. Nr. L 96 vom 12.4.2003, S. 16 ff.; hierzu bereits Schönwälder ZIS 2006, 558.
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benennt, umfasst nicht das Kapitalmarktstrafrecht.119 Gleichwohl bleibt abzuwarten, inwieweit in Zukunft auf Art. 83 Abs. 2 AEUV zurückgegriffen werden wird und ob es bei etwaig nicht zu beseitigenden, nationalen Vorbehalten wegen Berührung grundlegender Aspekte der jeweiligen Strafrechtsordnung über Art. 83 Abs. 3, 326 ff. AEUV mithin zu einem „Europa der zwei Geschwindigkeiten“ kommt. Aus dem aktuellen EU-Recht ergibt sich – ungeachtet der andernfalls auf weiterer Ebene bestehenden verfassungsrechtlichen Bedenken einer Strafrechtsetzung durch die EU – somit momentan keine Pönalisierungspflicht.120 Anders gewendet führt allerdings die vom nationalen Gesetzgeber vollzogene Verknüpfung einer Verhaltensnorm mit einer strafrechtlichen Sanktionierung nicht dazu, dass dadurch die Verhaltensnorm dem Einfluss der Harmonisierung europäischer Vorgaben entzogen würde.121 Die Strafkriminalisierungsentscheidung selbst kann jedoch nach der hier vertretenen Auffassung stets souverän widerrufen werden, sofern eine angemessene und wirksame Durchsetzung der europäischen Vorgaben weiterhin gewährleistet bleibt. Darüber hinaus soll ohnehin auch nach der EU-Marktmissbrauchsrichtlinie in erster Linie die Integrität der Finanzmärkte sichergestellt und das Vertrauen der Anleger durch eine erhöhte Transparenz des Marktes gestärkt werden. Eine Interpretation, die bereits aus der Marktmissbrauchsrichtlinie eine auf Anlegervermögensschutz zielende Zwecksetzung herauslesen will, bewertet das Aufgreifen des Anlegervertrauens fehl.122 Zurecht wird kritisch darauf hingewiesen, dass eine Vorverlagerung der Strafbarkeit, wie sie mittels einem individualschützenden strafrechtlichen Verbot der Marktmanipulation stattfände (keine Vermögensverfügung, -schaden erforderlich), systematisch auch aus dem strafrechtlichen Gesamtsystem des Vermögensschutzes hinausfallen würde, das ansonsten eine Strafbarkeit der Täuschung in § 263 StGB eben an jene weiteren Voraussetzungen knüpft und im Übrigen nicht zwischen einzelnen Vermögensträgern 119
Vgl. Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die Folgen des Urteils des Gerichtshofs vom 13. September 2005 (Rs. C-176/03, Kommission gegen Rat) KOM(2005) 583 endg./2 v. 24.11.2005. 120 Ebenso Schönhöft (2006) S. 18. 121 Vgl. so treffend u. a. Satzger (2001) S. 406. Siehe ferner zur Einbeziehung europarechtlicher Normen durch Verweisungen nationaler Strafvorschriften und zu den Problemen aus einer (weitergehenden) Blankettstrafgesetzgebung mit EU-Bezug (Inkriminierung eines Verstoßes gegen EU-VO) Satzger (2010) § 9 Rn. 58 ff. 122 Vgl. insoweit die Erwägungsgründe (2) und (12) der EU-Marktmissbrauchsrichtlinie; wie hier Rössner/Bolkert AG 2003, R 114 (116); Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 10; vgl. auch BVerfG NJW 2003, 501, 503 nachdem sich schon aus der EU-Insider- bzw Transparenz-Richtlinie, keine Pflicht ableiten lässt, § 88 Nr. 1 BörsG aF als Schutzgesetz zu konzipieren.
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2. Kap.: Strafrecht und Kapitalmarktverhalten
differenziert.123 Darüber hinaus hätte die Marktmanipulation dann mit den Bedenken gegen die Legitimierung von abstrakten Gefährdungsdelikten im Vermögensbereich zu kämpfen,124 zudem in vielen Fällen anerkannter Manipulationshandlungen eine individuelle Vermögensgefährdung oder ein Vermögensschaden gar nicht nachweisbar oder überhaupt möglich wäre.125 Teleologisch würde darüber hinaus das Ausklammern des grauen Kapitalmarktes aus dem Schutzbereich der Marktmanipulation Schwierigkeiten für die Erklärung der Differenzierung erwecken.126 Auch unter Einbeziehung viktimodogmatischer Gesichtspunkte – etwa im Sinne eines nur im Kapitalmarkt wegen der gegebenen Regulierung vorhandenen Vertrauens und daraus folgender individueller Nachsicht im Selbstschutz – wäre eine derartige Differenzierung zwischen den Vermögen der Anleger in regulierten Märkten und jenen im Grauen Kapitalmarkt schwerlich mit dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 I GG in Einklang zu bringen. 3. Kollektivrechtsgut Wesentliches Argument gegen eine individualschützende und damit zugleich für eine kollektivrechtsgutsschützende Auslegung ist allerdings der Gesetzgeberwille. Bereits bezüglich der Vorgängervorschrift des Straftatbestandes in §§ 20a, 38 II WpHG, § 88 BörsG a. F. vertrat die herrschende 123 Vgl. so treffend Papachristou (2006) S. 146. Siehe ferner umfassend Greco (2009) S. 126 m. w. N.: „So ist ein Betrug nicht deshalb strafbar, weil er als Täuschung gegen das Lügenverbot oder gegen ein Recht auf Wahrheit verstößt, sondern u. a. deswegen weil er zusätzlich einen Vermögensschaden hervorruft“. Vgl. ferner zu neuen Auffassungen zum Strafgrund des Betruges und dessen tatbestandlichen Anforderungen Kargl FS Lüderssen 2002, 615 ff sowie ders. ZStW 119 (2007) 250 ff. Rekurriert man bei einem individualrechtsgutsspezifischen Verständnis von §§ 20a, 38 II WpHG als Ausgleich für den Verzicht auf einen konkreten Schaden auf die Vielzahl möglicher Opfer, so nimmt man an sich eine Begründungsspur der kollektiven Rechtsgüter auf, die insoweit – in ihrer Anerkennung und in ihrem Klarstellungspotential für eine Stärkung der argumentativen Kraft bei der Legitimation abstrakter Gefährdungsdelikte stehen – auch auf die Großsteuerung und die Vielheit der möglichen, zum Tatzeitpunkt noch anonymen und nicht absehbaren Opfer abstellen (siehe hierzu ausführlich sogleich bei der Diskussion des Kollektivrechtsgutsschutzes sowie unter 2. Kapitel § 2 A. III.). 124 Vgl. Kindhäuser, in: Schünemann/Suárez González (1994) S. 125, 134; Tiedemann LK11 StGB, § 265 Rn. 6; Bottke wistra 1991, 1, 7 f. (eine Kriminalisierung des Vorfeldes eines Betruges mag nur ein kollektives Rechtsgut, nicht aber der Individualschutz legitimieren). 125 Vgl. hierzu u. a. mit Beispielen fehlender Vermögensschädigungen durch bestimmte Manipulationen (bspw. fiktiver Transaktionen wie matched orders, prearranged trades sowie circular trades) Eichelberger (2006) S. 110 ff. 126 Ebenso Eichelberger (2006) S. 111; Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 30.
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Meinung127 die Ansicht, dass vordergründig die Zuverlässigkeit und Wahrheit128 der Preisbildung an Börsen und Märkten geschützt werde, mithin mit der Verhinderung manipulativer Eingriffe in das Spiel der Marktkräfte [allein] die Sicherung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts das protegierte Rechtsgut des Kursbetrugstatbestandes sein solle.129 Lediglich einem Rechtsreflex gleichkommend sei dagegen der mit den Verboten einhergehende mittelbare Schutz auch des individuellen Kapitalanlegervermögens. Argumentativ untermauert wurde diese Meinung primär unter Hinweis auf den Willen des historischen Gesetzgebers und hierbei im besonderen auf die Begründung zum Gesetzentwurf des Zweiten Gesetzes zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, wo in Abgrenzung zur auch Anleger schützenden Norm des § 264a StGB (Kapitalanlagebetrug)130 vom „Schutz des Ka127 BVerfG NJW 2003, 501, 502 f. (vgl. hierzu insbesondere die zustimmende und auf die weitreichenden Konsequenzen einer Anerkennung der Anleger als Verletzte hinweisende Besprechung bei Walther ZJapanR 16 (2003), 189, 206 f.); ferner Barnert, WM 2002, 1473, 1479; Fleischer NJW 2002, 2977, 2979; Groß, Kapitalmarktrecht (2. Aufl. 2002) § 88 BörsG Rn. 1; Ilberg/Neises WM 2002, 635, 644; Kümpel, in: Ass/Schn WpHG (2. Aufl.) § 15 Rdnr. 186; Schäfer-Ledermann § 88 BörsG, Rn. 1; Möller WM 2002, 309, 310; Park BB 2001, 2069; Rieckers BB 2002, 1213, 1215; A. Schmitz wistra 2002, 208, 211; Schwark BörsG § 88 Rn. 1; Sorgenfrei wistra 2002, 321, 322; Weber NZG 2000, 113, 114; Ziouvas/Walter WM 2002, 1483, 1488. A. A. Bröker wistra 1995, 130, 133; Möllers/Leisch, BKR 2001, 78 [82]; LG Augsburg vom 24.9.2001 – 3 O 4995/00 – Infomatec I (= NJW-RR 2001, 1705 = NZG 2002, 429 = WM 2001, 1944 [1945]); anders allerdings später LG Augsburg vom 9.1.2002 – 6 O 1640/01 – Infomatec III (= WM 2002, 592, 593). Für einen Gleichrang der beiden miteinander interferierenden Rechtsgüter sprach sich bereits zum § 88 BörsG Rodewald/Siems BB 2001, 2437 [2439] aus. Hopt (1975) S. 336 f. betont den funktionalen Zusammenhang zwischen unerlässlichem Individualschutz und Funktionenschutz bei kapitalmarktrechtlichen Vorschriften. 128 Hild (2004) S. 127 mag bereits nicht zu erkennen, was unter dem Begriff der „Wahrheit der Preisbildung“ zu verstehen sein soll. Rössner/Worms (in Assmann/ Schütze [2. Aufl. 1997], § 9 Rn. 10 bezweifeln, dass die „Zuverlässigkeit und Wahrheit der Preisbildung“ ein derart „wichtiges Rechtsgut ist, dass es insoweit auch eines strafrechtlichen Tatbestandes bedarf“. 129 Richtigerweise sollte die Zuverlässigkeit und Wahrheit der Preisbildung (RegE 2. WiKG [zu § 88 BörsG a. F.] BTDrucks. 10/318, S. 46: „Es geht um die Zuverlässigkeit und Wahrheit der Preisbildung und damit erst mittelbar auch um den Schutz des Kapitalanlegers“) als das von der Marktmanipulation betroffene Angriffsobjekt, die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts dagegen als das übergeordnete geschützte Rechtsgut begriffen werden (ebenso u. a. Eichelberger (2006) S. 96 Fn. 73). Andernfalls läge ein in Rechtsgutsfragen gerade zu vermeidender Rückgriff auf Tautologien nahe (insofern richtig Altenhain BB 2002, 1874, 1875; ders. KKWpHG § 38 Rn. 2; vgl. allgemein Hefendehl [2002] S. 33). Nur dem Schutz seiner Funktionsfähigkeit vermag die überragend wichtige Gesellschaftsinstitution Kapitalmarkt die nötige Legitimationsbasis zu verschaffen. Das Angriffsobjekt der konkreten Preisbildung und dessen Eigenschaften sind lediglich Bestandteile jener Institution.
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2. Kap.: Strafrecht und Kapitalmarktverhalten
pitalmarktes vor Irreleitung“ die Rede ist und den Inhabern von Wertpapieren und Kaufinteressenten ausdrücklich ein „(mittelbarer) Schutz“ nur insoweit zugestanden wurde, als es um ihr Vertrauen in einen rechtmäßig zustande gekommenen Börsen- oder Marktpreis, als die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes, ging.131 Unter Rückgriff auf § 15 VI WpHG a. F. sollte auch die systematische Auslegung diese Lesart bekräftigen.132 Auch die Rechtsprechung bis hin zum Bundesverfassungsgericht133, die sich mit der Frage der Schutzrichtung überwiegend im Kontext des § 823 II BGB zu beschäftigen hatte, griff überwiegend auf diese Auslegung auch zur Begründung der Ablehnung von Individual-Haftungsansprüchen aus § 823 II BGB zurück.134 Im Kapitalmarktrecht, das primär als Wirtschaftsordnungsrecht 130 Vgl. hierzu u. a. Mitsch Strafrecht BT 2 Teilband 2, § 3 D Rn. 87 (= S. 195); Tiedemann LK11 § 264a Rn. 13; Bremer (2002). 131 BTDrucks. 10/318, S. 45 f.; nach Maile (2006) S. 67 und Rodewald/Siems BB 2001, 2437, 2439 soll die Gesetzesbegründung schon damals nicht eindeutig gewesen sein. M. E. unterscheidet die Gesetzesbegründung deutlich zwischen § 264a StGB, dessen individualschützende Wirkung („Schutz vor Vermögensverlust“) sie hervorhebt, und § 88 BörsG, bei dem sie den bloß mittelbaren (und reflexiven) Schutz der Anleger in ihrem Vertrauen erwähnt. Letzteres verkennt Maile, wenn er von einem „sowohl als auch Schutz“ spricht (vgl. S. 68) und Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, B 155, § 88 Rn. 2 sowie die Gesetzesbegründung (BTDrucks. 10/318, S. 46 in Fn. 198 auf S. 68) als Beleg zitiert, welche gerade den Anlegerschutz als einen nur mittelbaren bezeichnen. 132 LG Augsburg vom 9.1.2002 – 6 O 1640/01 – Infomatec III (= WM 2002, 592, 593). § 15 VI WpHG aF schloss eine Schadensersatzpflicht bei Verletzung der Ad-Hoc-Veröffentlichungspflichten aus. Eine nachträgliche Bestätigung dieser Auslegung findet sich versteckt auch in BTDrucks. 14/8017, S. 64, wenn die Einführung der partiellen Schadensersatzansprüche der §§ 37b und c WpHG (nur für unterlassene oder unwahre Ad-Hoc-Mitteilungen) mit dem bislang unzureichenden Schutz begründet wird. Die ursprüngliche Fassung des § 15 WpHG nach dem 2. Finanzmarktförderungsgesetz dient explizit „ausschließlich [. . .] der Sicherung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes“ (Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages, BTDrucks. 12/7918, S. 102). 133 BVerfG NJW 2003, 501 (= NZG 2003, 77 = NStZ 2003, 210 = ZIP 2002, 1986 [1988] – Met@box), mit i. ü. umfangreichen Nachweisen zum damaligen Meinungsstand. Krause FS Widmaier (2008) S. 639, 643 mag diesem Judiz dagegen noch keine eindeutige Stellungnahme, wohl aber eine den Individualrechtsgüterschutz ablehnende Tendenz entnehmen. 134 Vgl. nur BGH NJW 2004, 2664, 2665 (=BGHZ 160, 134, 149 – Infomatec); BGH NJW 2004, 2971, 2972 (ebenfalls Infomatec) zur höchstrichterlichen Klärung dieser Frage (siehe aber auch BGH ZIP 1986, 14, 19, wo noch von einem möglicherweise in Betracht kommenden Anspruch aus §§ 823 II BGB, 88 BörsG aF gesprochen wurde); zuletzt OLG Stuttgart WM 2006, 206, 207; OLG Frankfurt/M, Urt. v. 18.4.2007 – 21 U 72/06, AG 2007, 749, 753; A. A. noch das LG Augsburg vom 24.9.2001 – 3 O 4995/00 – Infomatec I (= NJW-RR 2001, 1705, 1706 = NZG 2002, 429 = WM 2001, 1944 [1945]); ebenso Ziouvas (2005) S. 92; Ekkenga ZIP 2004, 781; siehe auch Dühn (2003) S. 189 ff., der einen Schadensersatzanspruch
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fungieren soll, bestehen individuelle Schadensersatzansprüche zudem nur, wenn der Gesetzgeber sie explizit normiert hat oder jedenfalls unzweideutig erkennen lässt, dass sie nicht ausgeschlossen bleiben sollen.135 Obgleich damit kein Präjudiz der zivilrechtlichen Entscheidungen für die Beurteilung der strafrechtlichen Frage nach dem Schutzgut der Strafvorschrift des § 88 BörsG a. F. einhergeht,136 ist doch der in den Gerichtsurteilen anzutreffenden Anerkennung der erheblichen Bedeutung des demokratisch legitimierten Gesetzgeberwillens für die direkte Schutzrichtung einer Norm und ihr folgend die (systemimmanente) Rechtsgutsbestimmung gerade auch für das Strafrecht zuzustimmen.137 Der mit dem 4. Finanzmarktförderungsgesetz („4. FFG“) eingeführte und ob seiner Änderungen bereits im vorhinein schon als „Meilenstein“138 der Kapitalmarktregulierung gepriesene § 20a WpHG ist vom Gesetzgeber als Nachfolgevorschrift von § 88 Börsengesetz konzipiert worden,139 der sich nach einhelliger Meinung in Theorie und Praxis nicht bewährt hatte.140 gem. § 823 II, § 31 BGB analog i. V. m. § 20a I WpHG gegen die Gesellschaft bejaht sowie umfassend zur zivilrechtlichen Rechtsgutsproblematik Hellgardt (2008) S. 165 ff. und Schäfer WM 2007, 1872 ff. 135 Schwark, in: Schwark WpHG § 20a Rn. 5. 136 Ein Gleichlauf von Schutzgesetzcharakter i. S. d. § 823 II BGB und der Postulierung eines Individualstrafrechtsguts ist bereits wegen der unterschiedlichen Voraussetzungen nicht zwingend und verbietet sich im Übrigen wegen der Relativität der unterschiedlichen Regelungsaufgaben (Zivilrecht: Abgrenzung haftungsrechtlicher Risikosphären; Schadensersatzanspruch nur wenn gezielter Schutz und Schadensersatzanspruch vom Gesetz tatsächlich erstrebt; Strafrecht: Strafschutzwürdiges Gut); vgl. hierzu bspw. Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 31; siehe so auch für das Insiderhandelsverbot Ziouvas (2005) S. 177. A. A. Eichelberger (2006) S. 199, der zur Meidung einer Normspaltung § 20a WpHG immer strafrechtlich auslegen will. Zur sog. Relativität der Rechtsbegriffe siehe umfassend monographisch Demko (2002) sowie Larenz/Canaris (3. Aufl. 1995) S. 141 ff.; Röhl/Röhl (3. Aufl. 2008), § 56 IV (= S. 455 ff.). Lüderssen FS Lampe (2003) 727, 729 hat diese Relativität für die Pflichtverletzung beim Untreuetatbestand als „asymmetrische Akzessorietät“ beschrieben; hierzu auch Ibold (Diss., 2011) S. 90 f. (im Manuskript). 137 Vgl. statt vieler Gaede, in: Hefendehl u. a. (2003) S. 183, 191. Obgleich allein mit der demokratischen Legitimation natürlich kein Wahrheits- und Richtigkeitspostulat einhergeht, vgl. inzidenter mit ausgesprochen bei Epping/Hillgruber-Huster/ Rux, BeckOK GG Art. 20 Rn. 71.1; siehe auch bei Naucke, in: Lüderssen (1998) S. 156 ff. 138 Fleischer NJW 2002, 2977, 2978. 139 Vgl. nur BGHSt 48, 373 (= NJW 2004, 302 = NStZ 2004, 285 = NZG 2004, 91, unter Hinweis auf BTDrucks. 14/8017 S. 83, 89; Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 1. 140 Vgl. Vogel, in: Ass/Schn WpHG Vor § 20a Rn. 2; Lenzen (2000) S. 157 ff. m. w. N.; dies. WM 2000, 1131, 1136; von einem „Dornröschenschlaf“ des § 88 BörsG ob seiner geringen praktischen Bedeutung spricht Ziouvas ZGR 2003, 113,
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2. Kap.: Strafrecht und Kapitalmarktverhalten
Dies spricht bereits unter Kontinuitätsgesichtspunkten gegen einen nunmehr implizierten und intendierten Anlegerschutz.141 Darüber hinaus steht beim 4. FFG die Funktionsfähigkeit der regulierten Kapitalmärkte qua Gesetzesbegründung weiterhin im Vordergrund,142 obgleich auch die Stärkung des Anlegerschutzes als allgemeines, nicht aber speziell für § 20a WpHG postuliertes Gesetzesziel in den Fokus der Regulierung geraten ist.143 Auch der Umstand, dass der Gesetzgeber im 4. FFG mit §§ 37b, 37c WpHG für die Schadensersatzpflicht bei unterlassener Veröffentlichung kursbeeinflussender Tatsachen spezielle Haftungstatbestände geschaffen hat, welche bei einer möglichen Haftung über § 823 II BGB i. V. m. dem mutmaßlich individualschützenden § 20a WpHG redundant wären, spricht gegen eine nunmehr individualschützende Fokussierung des neuen § 20a WpHG.144 Als eine „Unterlassungssünde“ bezeichnet dennoch zu Recht Fleischer145 den Umstand, dass sich der Reformgesetzgeber einer eindeutigen Äußerung zur (auch) anlegerschützenden Zielrichtung des § 20a RegE WpHG enthielt. Die Festschreibung des „Anlegerschutzes“ als allgemeinem Gesetzesziel des 4. FFG146 sowie die Neuregelung der Marktmanipulation durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz (AnSVG)147 aus dem Jahr 2004 haben – ohne dass die Neuregelungen durch das AnSVG den Manipulationstatbestand um individualschutzbetonende Merkmale angereichert hätte – nichts desto trotz der einen alleinigen bzw. gleichberechtigten Individualschutz (Anlegerschutz bzw. konkret: Individualvermögensschutz) befürwortenden Ansicht zu einem steten Vordringen in der Literatur verholfen,148 obgleich sich auch der Regierungsentwurf des AnSVG einer eindeutigen Äußerung enthält.149 Anlegerschutz, wie er in der Gesetzesbegründung genannt wird, ist richtigerweise nicht als Anlegervermögensschutz zu verstehen, sondern 114; eingehend auf die Kriminalitätsstatistik Ziouvas/Walter WM 2002, 1483, 1487; Weber NJW 2003, 18, 20 bezeichnet § 88 BörsG aF gar als „totes Recht“. 141 So deshalb den Schutzgesetzcharakter verneinend: LG Berlin 8.3.05, Juris Rn. 13. Vgl. ebenso nur Kümpel/Veil, WpHG, 2. Aufl. 2006, S. 147. 142 Vgl. BTDrucks. 14/8017, S. 89. 143 Vgl. BTDrucks. 14/8017, S. 1 und S. 62. 144 Vgl. ebenso Schönhöft (2006) S. 13. 145 Fleischer Gutachten (2002) F121; kritisch ebenso auch Lenzen FB 2001, 603, 608; sowie Gottschalk, Der Konzern 2005, 274, 277. 146 Vgl. BTDrucks. 14/8017, S. 62 3. Spiegelpunkt. 147 Vgl. BTDrucks, 15/3174. Siehe hierzu Bürgers BKR 2004, 424 ff.; Diekmann/Sustmann NZG 2004, 929 ff. 148 Vgl. Altenhain BB 2002, 1874, 1875; ders. KK-WpHG § 38 Rn. 4 ff.; Lenzen BB 2002, 279, 284; Tripmaker wistra 2002, 288, 291 (letzterer plädiert für Anlegervermögensschutz neben Funktionenschutz); Ziouvas ZGR 2003, 113, 143 f.; wohl auch Sorgenfrei wistra 2002, 321, 322. 149 Begr. RegE, AnSVG, BTDrucks. 15/3174, S. 37.
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bedeutet vielmehr Schutz des Anlegerpublikums in seiner Gesamtheit als korporativem Träger des Angebots- und Nachfragepotentials und damit einen Aspekt des überindividuellen Funktionenschutzes.150 4. Zwischenergebnis der systemimmanenten Rechtsgutsidentifikation: Schutz eines Kollektivrechtsguts Als Ergebnis lässt sich daher konstatieren, dass § 20a WpHG weiterhin dem Schutz des Kollektivrechtsguts der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes dient und sich der Anlegerschutz nur als dessen Rechtsreflex ergibt.151 Inwieweit dieses in erster Linie in gesetzessystematischer und historischer Auslegung ermittelte Ergebnis zur Strafwürdigkeit auch im Übrigen – und damit auf einen stärker systemkritischen Rechtsgutsbegriff fokussierend – haltbar bleibt, bedarf weiterer und nunmehr zu leistender Untersuchung. III. Strafwürdigkeit marktmanipulativen Verhaltens Ausgehend von obiger kollektiver Rechtsgutsbestimmung der geltenden Regelung soll im Folgenden die Strafwürdigkeit des verbotenen Verhaltens abschließend hinterfragt werden. Die Identifikation des geschützten Rechtsguts hat aufgezeigt, dass der Fokus des strafrechtlichen Marktmanipulationsverbots in erster Linie dessen kollektiv sozialschädliche Wirkungen ins Visier nimmt, nicht aber primär das einzelne Anlegervermögen. Im Vordergrund steht somit die Erhaltung der Zirkulationsfähigkeit und Austauschbarkeit des Kapitals und der wesentlichen Funktionen des Kapitalmarktes selbst (Transformations-, Allokations- und Bewertungsfunktion). Die Bedeutung der Kapitalmärkte für die gesamte Volkswirtschaft ist derart eminent, dass sie zu einer Funktionsbedingung der volkswirtschaftlichen Ordnung insgesamt geworden sind.152 Das Aufrechterhalten seiner Funktionsfähigkeit stellt mithin einen von dem Individualvermögen einzelner abstrahierbaren Wert dar, der bei typologischer Betrachtung dem Wert des Vertrauens in die Integrität staatlicher Einrichtungen gleichkommt. Der strafrechtliche Schutz der Funktionsfähigkeit der Märkte wird also nicht 150 Vgl. ebenso m. w. N. Eichelberger (2006) S. 97 Fn. 80; ähnlich auch Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 30 sowie Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht BT, § 9 Rn. 347. 151 Vgl. zur insoweit weiterhin h. M. u. a. Eichelberger (2006) S. 113; Fleischer, in: Fuchs WpHG § 20a Rn. 1; Krause FS Widmaier (2008) S. 639, 645 ff.; Maile (2006) S. 74; Pananis, in: MK-StGB § 38 WpHG Rn. 7; Schönhöft (2006) S. 13 f.; ähnlich Papachristou (2006) S. 156, die den „auf freien Wettbewerb angelegten Börsenpreisbildungsmechanismus“ als geschützt ansehen will. 152 Ebenso statt vieler Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht BT, § 9 Rn. 347.
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2. Kap.: Strafrecht und Kapitalmarktverhalten
allein auf wohlfahrtsökonomische Effizienzkonzepte153 gestützt, sondern bezieht die gesamtwirtschaftliche Rolle und Bedeutung der Kapitalmärkte ein. Der Kapitalmarkt kann nur dann seine institutionellen Funktionen erfüllen, wenn eine genügende Anzahl von Marktteilnehmern bereit ist, ihr Kapital über diesen Markt bereit zu stellen. Die Funktionsfähigkeit des Marktes gewinnt dabei umso mehr an Effizienz, desto mehr Personen sich am Kapitalmarkt beteiligen, erhöht dies doch sowohl die Kapitalbeschaffungsmöglichkeiten für die Unternehmen, aber auch die Informationseffizienz des Marktes, da mit einem erhöhten Transaktionsvolumen mehr und damit stets aktuelle Preisfeststellungen einhergehen. Die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes stellt somit ein Netzwerkgut dar, da es für seine Existenz zum einen notwendig eine bestimmte Anzahl von Gemeinschaftsmitgliedern voraussetzt und darüber hinaus noch an Wert gewinnt, je mehr Personen sich am Markt beteiligen.154 Damit ist indes noch nicht geklärt, warum nicht auch andere Partialmärkte des besonderen und primären (d.h. auf der Makroebene angesiedelten, kollektivrechtskonstitutiven) Strafrechtsschutzes bedürfen. Der besondere Schutz des Kapitalmarktes im Unterschied zu anderen Märkten (etwa auch dem berühmten Beispiel des Autohandels) rechtfertigt sich zum einen aus seiner besonderen Verletzlichkeit (im gerade nicht anonymen Autohandel kommt es durch das vermehrte Auftreten einzelner schwarzer Schafe vermutlich nicht zu einer Abstandnahme aller Marktteilnehmer vom Markt), seiner Stellung im wirtschaftlichen Gesamtgefüge (Refinanzierung der Realwirtschaft über den Kapitalmarkt und effiziente Kapitalallokation) und nicht zuletzt den im Falle seines Zusammenbruchs zu erwartenden erheblichen Risiken auch für noch unbestimmte Individualrechtsgüter. Hefendehl hat die insoweit auch hier anzutreffende, „letztlich einzelmenschlichen Interessen“ dienende Funktion der Kollektivrechtsgüter treffend darin beschrieben, dass sie „einem Ensemble von im Einzelnen noch unbestimmten Individualrechtsgütern zur Wertigkeit verhelfen.“155 Diesbezüglich liegt der Rückgriff auf die Figur eines zwischengeschalteten „vergeistigten Zwischenrechtsgutes“156 in Form der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes zur Erreichung der endgültigen Schutzaufgabe, des Schutzes vor Schäden für die gesamte 153 Vgl. allgemein zur möglichen Legitimation von Recht anhand wohlfahrtsökonomischer Effizienzkonzepte van Aaken (2003) S. 210 ff. 154 Vgl. zum Netzwerkgut grundlegend Hefendehl (2002) S. 151. 155 Hefendehl GA 1997, 119, 122. 156 Vgl. hierzu grundlegend Schünemann JA 1975, 787, 798; hierzu u. a. Roxin AT I § 11 Rn. 161; Wolter (1981) S. 328 f.; für das Wirtschaftsstrafrecht vgl. bspw. Tiedemann JuS 1989, 689, 691; kritisch – da Scheinbegründungen zur Legitimation pragmatisch für opportun gehaltener Inkriminierungen stellend – Wohlers (2000) S. 300 ff. m. w. N. Siehe hierzu insgesamt ebenfalls (kritisch) Anastasopoulou (2005) S. 146 ff.
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Volkswirtschaft und damit mittelbar auch der Individualvermögen aller nahe.157 Insoweit lässt sich auch dem Einwand der Subsidiarität von Kollektivrechtsgütern ebenso begegnen, wie sich hiermit das Kollektivrechtsgut auf personale Interessen zurückführen lässt. Der Zusammenbruch des ENRON Konzerns mit seinen weitreichenden Folgen für die ausfallende, da ENRON-Aktien gestützte Altersversorgung zahlreicher Bürger, aber auch die Finanzmarktkrise mit ihrem erheblichen Einfluss auf die Realwirtschaft, heben das in manipulierten oder ausfallenden Kapitalmärkten schlummernde Verletzungspotenzial beispielhaft hervor.158 „Betrügereien am Aktien- und Rentenmarkt gewinnen damit eine qualitativ herausgehobene Dimension im Vergleich zu typischen Betrügereien im sonstigen Geschäftsleben.“159 Die systemische Verknüpfung der vielfältig möglichen Individual- und Kollektivschädigungen (Zusammenbruch des Marktes) rechtfertigt es und zwingt zugleich dazu, den strafrechtlichen Schutz bereits dem System an sich angedeihen zu lassen. Dies rechtfertigt die unterschiedliche Behandlung der Kapitalmarktteilnehmer gegenüber anderen Partialmärkten mit erheblich geringerer Bedeutung.160 157
Vgl. Lüderssen (1998) S. 194 ff. Vgl. zum ENRON-Fall statt vieler Hefendehl JZ 2004, 18 ff.; zur Finanzmarktkrise unter dem Gesichtspunkt des Anlegerschutzes Märker/Hillesheim ZRP 2009, 65, 66 ff. und unter dem Gesichtspunkt der bislang nicht hinreichenden Möglichkeiten der Bankenaufsicht Hopt WM 2009, 1873, 1879. Für einen Überblick der gesetzgeberischen Reaktionen auf die Finanzmarktkrise Weber NJW 2010, 274 ff. sowie Rudolph ZGR 2010, 1, 26 ff. Eine umfassende strafrechtliche Analyse der die globalisierte Wirtschaft seit 2007 erschütternden Finanzkrise findet sich bei Kasiske, in: Schünemann (2010) S. 13, 22 ff.; Schünemann, in: Schünemann (2010) S. 71 ff. sowie – zurückhaltender in der Annahme strafrechtlicher Verantwortung – Ransiek WM 2010, 869 ff. und Rönnau, in: Schünemann (2010) S. 43 ff. 159 Walther ZJapanR 16 (2003) 189, 202. 160 Vgl. hierzu Kindhäuser, in: Schünemann/Suárez González (1994) S. 125, 129, wonach die Funktionsfähigkeit des Kreditwesens ebenso wenig zu den rechtlich garantierten Bedingungen freier Entfaltung des Einzelnen zähle wie die Funktionsfähigkeit des Autohandels oder des Immobilienmarktes; vgl. hierzu Hefendehl (2002) S. 117 f.; gegen Kindhäuser argumentiert Ziouvas (2005) S. 173 mit dem Argument fehlender Vergleichbarkeit und unter Hervorhebung der besonderen Bedeutung effizienten Börsenwesens für die Eigenkapitalbesorgung der Automobilindustrie und der Auto- und Immobilienkäufe ermöglichenden ertragreichen Kapitalanlagen. Mit dieser Argumentationsweise allein ließe sich allerdings der strafrechtliche Schutzbedarf jedweder Kapitalgewinnung des Einzelnen untermauern, also bspw. auch der des Einzelhandelskaufmanns im Geschäftsverkehr. Jener ist allerdings nur in den insoweit engeren Grenzen des Betrugstatbestandes geschützt. Richtigerweise ist m. E. auf die Viktimodogmatik (wenn auch in kollektiver Perspektive!) zurück zu greifen, nach der Kapitalmärkte auch deshalb strafrechtlichen Schutz verdienen, weil ihnen einerseits Selbstschutzmöglichkeiten nur äußerst limitiert zur Verfügung stehen, andererseits die Verlustrisiken jene beim Auto- und Immobilienkauf bei weitem übersteigen und schließlich der Kapitalmarkt auf der 158
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2. Kap.: Strafrecht und Kapitalmarktverhalten
Zugleich wird deutlich, dass die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes entscheidend auf dem Vertrauen der Anlegerschaft in den Markt und dessen seriöse Preisbildung basiert. Wie oben aufgezeigt wurde, kommt dem Börsen- oder Marktpreis eine erhebliche Bedeutung für die Bewertung im Rahmen von Investitions- und Transaktionsentscheidungen, aber auch dem Geschäftsverkehr insgesamt zu. Zudem leistet die damit einhergehende Informationsfunktion der optimalen Kapitalallokation Vorschub. Der Manipulant bedarf eines Bodens des Vertrauens in ein mehr oder minder regelkonformes Marktgeschehen, um sein deliktisches Verhalten eines Eingriffs in den Preisbildungsmechanismus überhaupt umsetzen zu können und sich letztlich ein günstiges Informationsungleichgewicht zu schaffen (Kenntnis vom geschaffenen künstlichen Börsen- oder Marktpreis).161 Auch lässt sich gerade mit Blick auf den auf Schnelligkeit angewiesenen anonymen Kapitalmarkt wohl allein durch handlungsleitende Reduktion mittels Vertrauen den vielfältigen intransparenten und komplexen Vorgängen begegnen, denen der Mensch in der modernen Welt zunehmend ausgesetzt ist.162 Dies ist allerdings nicht dahingehend misszuverstehen, dass das Individualvertrauen selbst das geschützte Rechtsgut darstellt, da es gerade keine reinen Vertrauensrechtsgüter gibt.163 Das Individualvertrauen ermöglicht einem Katalysator gleich und damit als Kumulationsgesichtspunkt erst die Marktirreführung auf der Makroebene, welche für die Funktionsfähigkeit des Marktes insgesamt gefährlich ist und sich damit als kollektivrechtsgutsrelevant darstellt. Geht das Vertrauen in die Seriosität des Marktes verloren, wenden sich die Marktteilnehmer vom Markt ab, so dass im schlimmsten Falle Marktversagen droht. Dementsprechend wird nicht das Vertrauen in die Regelbefolgung selbst zum geschützten Rechtsgut,164 sondern die FunktionsMakroebene ganze Volkswirtschaften ins Wanken geraten lassen kann (wie sich am Beispiel der Sub-Prime-Krise und auf die Spitze getriebenen Verlaufsszenarien (ganze Bankenwelt kollabiert) zeigt. 161 Vgl. hierzu (für den Betrug) Pawlik (1999) S. 58: „Der Betrüger bedarf vielmehr des (Fort-)Bestandes rechtlich institutionalisierten Vertrauens, um sein deliktisches Verhalten durchführen zu können: ‚Eine Lüge kann nur auf dem Boden der Wahrheit gedeihen‘.“ 162 Siehe hierzu Hefendehl (2002) S. 127 ff. auch (S. 128) unter Verweis auf Luhmann (4. Aufl. 2000) S. 24. 163 Vgl. so allgemein u. a. Hefendehl GA 2007, 1, 10. 164 So aber der Vorwurf Amelungs an die Konzeption der Vertrauensrechtsgüter, vgl. Amelung, in: Hefendehl u. a. (2003) S. 155, 172: Mit dem Vertrauen in das Verhalten anderer Menschen sei die Unterstellung verbunden, diese würden sich nicht erwartungswidrig verhalten, so dass letztlich „Vertrauen die Kehrseite faktischer Normgeltung“ darstelle. Ähnlich Hassemer in seinem von den Berichterstattern Gaede/Mühlbauer wieder gegebenen Diskussionsbeitrag in Hefendehl u. a. (2003) S. 300, der dem Vertrauen als Verkörperung einer zu abstrakten Ebene inkriminierungsfähige Anknüpfungspunkte abspricht. Insoweit hat Hefendehl mit Recht darauf
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fähigkeit der Institution Kapitalmarkt an sich.165 Die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes stellt sich somit als ein kollektives Rechtsgut dar, das sich durch Vertrauen konstituiert und das es im Falle fehlenden Vertrauens wegen dann wohl fehlender Bereitschaft zur Teilnahme an einem anonymen, teilweise fremdbestimmten (Preise!) Marktgeschehen überhaupt nicht gäbe.166 Es steht daher typologisch den von Hefendehl als Vertrauensrechtsgütern beschriebenen anerkannten kollektiven Rechtsgütern gleich.167 Dabei wird das Vertrauen nicht durch die Wirtschaftsverfassung und die sie konkretisierende Wirtschaftsordnung aufoktroyiert. Das Vertrauen entspringt vielmehr als Konsequenz der erlebten Bedeutung und Regulierung der Institution des Kapitalmarktes für die Allgemeinheit.168 Dass das Vertrauen nur erschüttert werden kann, wenn die vertrauenserschütternden Umstände bekannt werden oder dahin gehend zumindest nicht vollkommen diffuse Verdachtsmomente bestehen, kann dem einzelnen Manipulanten indes nicht zum Vorteil gereichen: in Kombination mit dem (wenn auch nicht unumstrittenen) Kumulationsgedanken, der bei kollektiven Rechtsgütern eine Strafanknüpfung bereits vor der „Schwelle“ des Umschlagens von Vertrauen in Misstrauen rechtfertigt,169 kann der einzelne Tärepliziert, das Vertrauen als Rechtsgutskomponente werde mit dem Vertrauen in die Geltung der Rechtsordnung als Ausprägung der positiven Generalprävention unzulässig vermengt, vgl. Hefendehl GA 2007, 1, 10 m. w. N. 165 Weder das Vertrauen in die Regelbefolgung allein noch die Regelkonformität können als Selbstzweck eine Strafnorm tragen. Dementsprechend kann auch der bloße Pflichtverletzungsgedanke (von Hefendehl als Gegenbegriff des Schutzgedankens apostrophiert, Hefendehl GA 2002, 21, 23) nicht zur Straflegitimation ausreichen und ist daher in Extremfällen als verfasssungswidrig zu brandmarken, vgl. Hefendehl GA 2002, 21, 23; ders. (2002) S. 60, siehe dort auch zur Ablehnung sog. Formaldelikte S. 210. 166 Vgl. BReg 4. FFG BTDrucks. 14/8017, S. 98. Überlegungen zur Wichtigkeit des Vertrauens der Anleger für das reibungslose Funktionieren der Wertpapiermärkte liegen auch der Marktmissbrauchsrichtlinie (2003/6/EG) zugrunde, vgl. Dier/Fürhoff AG 2002, 604; Bruski, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (2007) vor § 104 Rn. 107. Vgl. darüber hinaus allgemein zur Typologie kollektiver Rechtsgüter, deren wesentliche Komponente das Vertrauen ist, dass auch wenn es trügerisch sein kann, handlungsleitend bleibe, Hefendehl (2002) S. 125; ders. GA 2007, 1, 9 ff. 167 Vgl. u. a. Hefendehl GA 2002, 21, 25 f. 168 Vgl. so für den Wettbewerb Hefendehl (2002) S. 118. Ders. (a. a. O., S. 126) erkennt später im Zusammenhang mit den Vertrauensrechtsgütern die Allokationseffizienz des Kapitalmarktes als kollektives Gut an. Vgl. zur Interdependenz von Vertrauen und den aus der Auswertung unterschiedlichster Faktoren gespeisten Erwartungen bezüglich dem Verhalten anderer (in ökonomischer Analyse) Schmidtchen, in: Haft u. a. (2001) S. 75, 77 ff. 169 Vgl. hierzu Kuhlen GA 1986, 389, 399 ff.; ders. ZStW 105 (1993) 697, 716 ff.; a. A. u. a. Hassemer/Neumann NK-StGB vor § 1 Rn. 137. Zur Diskussion des Kumulationsgedankens vgl. Hefendehl (2002) S. 183 ff.
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2. Kap.: Strafrecht und Kapitalmarktverhalten
ter nicht für den von ihm beherrschbaren Umstand reklamieren, seine Handlungen blieben schon unentdeckt.170 Häufen sich über einzelne Verdachtsmomente hinaus Anzeichen für ein vereinzeltes Missbrauchen der Marktmechanismen und damit einer system-funktionell unerwünschten Marktirreführung vermehrt, schlägt das Vertrauen in die Preisbildungsmechanismen des Marktes irgendwann in Misstrauen um, das zum Entzug von Anlagekapital171 aus dem Markt und schlechterdings zu einem Marktversagen führt. Anders als bei Individualrechtsgütern, wo beispielsweise fehlendes Vertrauen in die Sicherheit des Lebens nicht zu einer Gefährdung des Lebens führt, führt hier ein abnehmendes Vertrauen letztlich zu einer Beeinträchtigung des Schutzguts.172 Darüber hinaus muss, wenn erst das massenhafte Auftreten von Angriffen die Eignung besitzt, zu einer nachhaltigen Beeinträchtigung der Institution des Kapitalmarktes zu führen (hier durch das Marktversagen infolge des Vertrauensverlust bedingten Abwanderns der Kapitalanleger), jeder einzelne Angriff eine Gefährdung der Institution der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes darstellen. Ansonsten hinge es vom Zeitpunkt der Vornahme und dem Zusammenspiel mit anderen vorherigen Manipulationen ab, ob die Manipulation das Rechtsgut beeinträchtige oder nicht.173 Der damit durch die Anknüpfung an das Kollektivrechtsgut Funktionsfähigkeit reflexiv gewährleistete Schutz von Vertrauen stellt im Übrigen eine Notwendigkeit in Zeiten komplexer und intransparenter Zusammenhänge dar. Wendet man sich der Frage einer empirischen Absicherung des Vertrauenserhaltungsgedankens zu, ist diese nach den bisherigen – bislang soweit ersichtlich allein den Insiderhandel aufgreifenden – Studien jedenfalls nicht ausgeschlossen,174 wobei die Schwierigkeiten im Nachweis entsprechender Zusammenhänge zwischen dem Auftreten und Bekanntwerden von Manipulationen und dem vertrauensbedingten Abzug von Kapital nicht außer Acht gelassen werden dürfen. Rein tatsächliche Schwierigkeiten eines abschlie170 Hefendehl (2002) S. 194 f., S. 138.; ders. GA 2007, 1, 12. A. A. Roxin AT I § 2 Rn. 84. 171 Vgl. so statt vieler Möllers/Leisch BKR 2001, 78, 83. 172 Vgl. so bereits Wolter (1981) S. 329. Siehe hierzu auch Monheim (2007) S. 20 f. und Struck (2003) S. 96, die die Bedeutung des Anlegervertrauens als Basis der Meidung intransparenter Preisbildung betonen. 173 Vgl. Eichelberger (2006) S. 107. 174 Vgl. m. w. N. Fleischer ZGR 2001, 1, 30 f.; Fürhoff (2000) S. 94. Ausdrücklich diese negative Wirkzusammenhänge feststellend Hienzsch (2006) S. 184 und passim in seiner umfassenden empirischen Studie. Neben der Darstellung unterschiedlicher Untersuchungsmethoden (S. 52 f.) auch zur Diskussion der Bedeutung empirischer Studien, insbesondere der potentiellen Falsifizierbarkeit einer Theorie als Voraussetzung ihrer Wissenschaftlichkeit in der ökonomischen Theorienbildung Lahmann (1994) S. 48 ff.
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ßenden Nachweises dürfen aber nicht darüber hinweg täuschen, dass Vertrauen als ein kausal verletzbares Objekt anzusehen ist. Vertrauen ist gerade kein ideeller Umstand, sondern ein geistiger Zustand, der auf bestimmten vertrauensbegründenden und -erfordernden Umständen fußt, welche sich bis hin zu ihrem Abbau ändern können.175 Auch und gerade im Rahmen der rechtspolitischen Diskussion zur Inkriminierung des Insiderhandels wurde so vermehrt vorgebracht, das Vertrauensargument sei empirisch nicht belegbar, seien doch trotz jahrzehntelanger Praxis des Insiderhandels keine merklichen Rückgänge im Anlegerpublikum beobachtbar.176 Neben der zu problematisierenden Vergleichbarkeit von Insiderhandel und Manipulationen – erster konterkariert bspw. nicht (bzw. nach a. A. nicht in dem Maße) wie Marktmanipulationen die Informationseffizienz – zeugen indes indiziell bereits die teils vehementen Reaktionen des Börsenpublikums auf die Börsenskandale der Vergangenheit (wie bspw. im Rahmen des Neuen Marktes) von entsprechenden Reaktionsmustern.177 Die Aufdeckung der Skandale führte zu einem merklichen Entzug von Anlagekapital, was sich im Rückgang der Börsenumsätze zeigte.178 Insoweit bestehen zumindest gewisse Erfahrungssätze für die Sensibilität des Anlegervertrauens,179 die auf Folgen realistischer Kumulationseffekte zumindest hindeuten und eine Inkriminierung im Rahmen der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers rechtfertigen.180 Daher muss für volkswirtschaftlich bedeutsame Wirtschaftsinstitutionen wie den Kapitalmarkt ähnliches gelten wie bei überindividuellen Rechtsgütern des Kernstrafrechts (beispielsweise den Bestechungs- und Aussagedelikten), bei denen ebenfalls erst eine Kumulation einzelner Beeinträchtigungsbeiträge die Beeinträchtigung sichtbar werden lässt.181 Der Gesetzgeber sollte – insoweit nur als rechtspolitische Maxime – zwar grundsätzlich nur dann ein Verhalten pönalisieren, wenn dessen schädliche Wirkungen erwiesen sind.182 Wegen des verfassungsrechtlich erheblichen 175
Vgl. Hefendehl GA 2007, 1, 13. Vgl. bspw. Schweizer (1996) S. 48; siehe darüber hinaus die Darstellung dieser Kritik bei Eichelberger (2006) S. 66 m. w. N. 177 Vgl. hierzu umfassend Eichelberger (2006) S. 67 ff. m. w. N. 178 Vgl. Mennicke (1996) S. 103 f. [für den Insiderhandel]. 179 Dass hierbei die Sensibilität des Vertrauens in eine Institution die Anforderungen der Geeignetheitsprüfung einer Strafnorm senkt und gleichzeitig die Einschätzungsprärogative des Strafgesetzgebers erweitern kann, ist ein beachtlicher Nebeneffekt (vgl. hierzu Hefendehl [2002] S. 195). 180 Vgl. zur Bedeutung genereller Erfahrungssätze und der prognostischen Unsicherheit als Spezifikum sämtlicher abstrakter Gefährdungsdelikte Hefendehl (2002) S. 196 f. 181 Vgl. ebenso Eichelberger (2006) S. 107; Schönhöft (2006) S. 19. 182 Eine für den Gesetzgeber verbindliche abwehrrechtliche Freiheitsvermutung, wie sie u. a. Hassemer (1973) S. 199 ff. (vgl. ebenso Böllinger KJ 1991, 393, 399) 176
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2. Kap.: Strafrecht und Kapitalmarktverhalten
Konflikts zwischen der Freiheitssphäre des Täters und den berührten Freiheitssphären möglicher Opfer sind der verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung183 in den verbleibenden Zweifelsfällen im Anschluss an Hefendehl drei Abwägungskriterien zu Grunde zu legen. Neben dem Ausmaß des drohenden Schadens und der Intensität des durch das strafrechtliche Verhaltensverbot bewirkten Grundrechtseingriffs ist hierbei auf den Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts für die geschützten Rechtsgüter zu rekurrieren. „Je schwerer der drohende Rechtsgüterschaden wiegt und je unbedeutender die Grundrechtsbeschränkung des möglichen Schädigers ausfällt, desto geringere Anforderungen können an den Grad der erforderlichen Schädlichkeitswahrscheinlichkeit gestellt werden.“184 Für die Marktmanipulation lässt sich danach eine diesbezügliche Verhältnismäßigkeit der Mittel angesichts der mit Marktmanipulationen einhergehenden erheblichen Risiken für die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes und die hinter der Institution des Kapitalmarktes stehenden individuellen wie öffentlichen Interessen annehmen, nachdem die demgegenüber anzutreffende Freiheitseinschränkung185 (Art. 2 I GG) beim Manipulanten – solches Verhalten zu unterlassen, das den Markt irreführt – einen verfassungsrechtlich nur geringen, im Übrigen rechtfertigbaren Eingriff bedeutet. Wird vom Gesetzgeber die Wirtschaftsordnung als soziale Marktwirtschaft und gleichzeitig Bündelung erheblicher individueller wie kollektiver Interessen vorstrafrechtlich ausgestaltet, „so ist der Wirtschaftsstrafgesetzgeber befugt, intolerable systemunverträgliche Risikozufügungen auch und gerade dann zu kriminalisieren, wenn sie nicht [unbedingt] mit der Verletzung klassischer Freiheitssphären des Individuums und einer ‚sinnfälligen‘ Rechtsgutseinbuße [. . .] oder -gefahr einhergehen, sondern nur mit den generellen Funktionsbedingungen der sozialen Marktwirtschaft und den aus ihr fließenden Verhaltensnormen konfligieren.“186 unter dem Stichwort „in dubio pro libertate“ postuliert, wird von der überwiegenden Ansicht unter Hinweis auf das gerade nicht deutliche Überwiegen einer Freiheitssphäre im Dreiecksverhältnis Täter-Staat-Opfer („im Zweifel für wessen Freiheit?“) nicht bejaht, vgl. hierzu m. w. N. Lagodny (1996) S. 13; Hefendehl (2002) S. 206 f. (vgl. dort aber auch zu einer differenzierenden Lösung für den Konflikt der Freiheitssphäre des potentiellen Störers mit derselben des Gestörten; hierzu sogleich). 183 Vgl. zur notwendigen Verhältnismäßigkeitsprüfung ferner unten 2. Kapitel § 2 B. 184 Hefendehl (2002) S. 207 m. w. N. 185 Vgl. zur Beachtlichkeit der „berechtigten Freiheitsansprüche des Individuums“ an einer bestimmten Verhaltensweise, die beispielsweise bei einem vorsätzlich in den Verkehr gebrachten, unwahren Emissionsprospekt gerade fehlen Schünemann GA 1995, 201, 214. 186 Bottke, in: Schünemann/Suárez González (1994) S. 109, 120. Ähnlich Amelung, in: Hefendehl u. a. (2003) S. 155, 162 f., wenn er unter Kritik an einer „Überanstrengung des Personalismus“ auch das „optimale Funktionieren gesellschaftlicher
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Abschließend lassen sich auch die für Kollektivrechtsgüter postulierten Konstitutionsbedingungen antreffen. Die für die Marktbildung und -entwicklung wie aufgezeigt eminent bedeutsamen Börsen- oder Marktpreise sind anerkennenswerte öffentliche Güter, da sie ohne großen Aufwand von allen Marktteilnehmern und darüber hinaus genutzt werden können, ohne dass dadurch der Gebrauch durch die übrigen Marktteilnehmer eingeschränkt würde. Damit lässt sich die sogenannte Nicht-Rivalität als Merkmal öffentlicher Güter bejahen.187 Gleiches gilt für die Nichtausschließbarkeit, da die Börsen- oder Marktpreisverbreitung eine gar zwangsläufige Notwendigkeit für den an Liquidität gelegenen Markt darstellt. Die Verbreitung von Kursen, nicht aber ihre Produktion als Beiprodukt der Zusammenführung von Aufträgen, lässt somit den jeweiligen Börsen- oder Marktpreis zum öffentlichen Gut werden.188 Entsprechendes gilt für die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes an sich.189 Im Ergebnis lässt sich danach die Strafwürdigkeit der Marktmanipulation bejahen und als strafwürdiges Verhalten abstrakt die rechtswidrige Schaffung von Informationsungleichgewichten auf den Märkten postulieren, die aufgrund besonderer Garantien dafür werben, dass Angebot und Nachfrage, nicht aber manipulierte Sachverhalte den Preis bestimmen.190
B. Strafbedürftigkeit Die Frage der Strafbedürftigkeit und damit der Einbezug der Zweckmäßigkeit eröffnet nicht lediglich eine rechtspolitische, sondern über ihre Verankerung im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch eine verfassungsrechtliche Dimension und bietet somit gegenüber dem Gesetzgeber eine Schranke auf. Die Gewährung von Rechtsgüterschutz durch das Strafrecht stellt als schärfster Eingriff des Staates in die Freiheit des Bürgers nach dem Grundsatz der Subsidiarität (Strafrecht als ultima ratio)191 nur dann das angemessene Mittel dar, wenn es keine weniger einschneidenden und gleich wirksamen Mittel gibt.192 Besteht Ungewissheit hinsichtlich der Systeme, die ihre Leistung mehr oder minder ‚neutral‘, d.h. jedermann erbringen“ zum Ansatzpunkt strafrechtlicher Inkriminierungen nehmen will. 187 Vgl. hierzu Lenzen (2000) S. 56 f. 188 Ebenso Lenzen (2000) S. 57 m. w. N.; Papachristou (2006) S. 156. 189 Vgl. zur ökonomischen Effizienz gesellschaftlicher Institutionen als kollektivem Gut Eidenmüller (3. Aufl. 2005) S. 412 m. w. N. zur von Alexy entlehnten und auf eine in der Volkswirtschaftslehre gebräuchliche Differenzierung zurückgehende Unterscheidung in individuelle Rechte und kollektive Güter. 190 Vgl. so treffend Otto, in: Tiedemann (2002) S. 353, 354. 191 Vgl. BVerfGE 6, 389, 433 f.; BVerfGE 39, 1, 46 f. 192 Vgl. statt vieler Roxin AT I, § 2 Rn. 97 ff.
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2. Kap.: Strafrecht und Kapitalmarktverhalten
hinreichenden Wirksamkeit milderer Mittel, steht dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber eine Einschätzungsprärogative zu.193 Wie bereits aufgezeigt, bestand für den deutschen Gesetzgeber jedenfalls keine europarechtliche Pflicht zur Strafinkriminierung marktmanipulativen Verhaltens.194 Denkbar ist es allerdings, das aus der objektiven Dimension der Grundrechte (Art. 14 I, 12 I, 2 I GG) abgeleitete verfassungsrechtliche Bekenntnis zu einem freien Markt195 und die durch das Grundgesetz aufgestellte Wertordnung als Grundlage einer verfassungsrechtlichen Verpflichtung des Gesetzgebers zu begreifen, „die notwendigen Institutionen zur Verwirklichung dieser Marktordnung bereitzustellen und bei deren Versagen gegebenenfalls regulierend einzugreifen.“196 Allein diese mögliche197 Verpflichtung einen funktionsfähigen Kapitalmarkt abzusichern, begründet aber über die Grundlagen hinaus keine Implikationen, inwieweit das Schutzniveau zu gewährleisten ist.198 Nach Schröder soll das Delikt der Marktmanipulation neben dem Funktionenschutz einen überindividuellen Vermögensschutz gewährleisten, der etwa im Erhalt der Funktions- und Mehrungsbedingungen des gesamten individuellen Absicherungs- und Altersvorsorgekapitals zu sehen ist, das notwendig sei, um das Vakuum zu füllen, das durch den Rückzug des Staates aus der sozialen Daseinsvorsorge entstehe.199 193 Vgl. BVerfGE 37, 104, 118; 43, 291, 347; BVerfG NStZ 1989, 478; siehe auch Kuhlen (1989) S. 184 ff. zu den Problemen eines empririschen Präventionsvergleichs zwischen Delikts- und Strafrecht, der als Folge der „Überwindung der absoluten durch eine relative Strafbegründung eigentlich von maßgeblicher Bedeutung sein sollte“ (ebenda, S. 185). Roxin AT I, § 2 Rn. 94 sieht dementsprechend im Subsidiaritätsprinzip mehr eine Richtlinie für die Kriminalpolitik, als eine zwingende Legislativgrenze. 194 Vgl. hierzu bereits oben 2. Kapitel § 2 A. II. 195 BVerfGE 32, 311, 317: „Die bestehende Wirtschaftsverfassung enthält den grundsätzlich freien Wettbewerb [. . .] als eines ihrer Grundprinzipien.“; zur hier nicht darstellbaren Diskussion einer philosophischen Legitimation des Marktes, aber auch des Kapitalismus vgl. nur Wolff Virginia Law Review, Vol. 92, No. 7 (2006) S. 1605 ff. der dort sowohl die deontologische als auch die konsequentialistische Argumentation abzubilden versucht. 196 Eichelberger (2006) S. 103 m. w. N. 197 Zur Problematik verfassungsrechtlicher Pönalisierungsgebote vgl. im Anschluss an das Fristenlösungsurteil des BVerfG (BVerfGE 39, 1) Müller-Dietz FS Dreher (1977) S. 97, 99 ff.; siehe darüber hinaus zum über die inhärenten strafrechtlichen, auch durch staatsrechtliche Fragestellungen gezeichneten Problem instruktiv Roxin AT I § 2 Rn. 95 f. m. w. N. 198 Dies erkennt auch Eichelberger ([2006], S. 105) selbst. 199 Vgl. hierzu Schröder (2007) 3. Kap. A II Rn. 373; stärker individualschützend argumentierend dagegen Walther ZJapanR 16 (2003) 189, 202. Vgl. auch die Abgeordnete Hauer (SPD) im BT Plenarprotokoll 14/228, 22651, welche mithin auch den Verbraucherschutz berührt sieht und einen Anlegeranspruch auf „Transparenz und Sicherheit“ fordert.
§ 2 Legitimation strafrechtlicher Sanktionierung
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Stärker individualbezogen – aber im Ergebnis für die Schutzbedürftigkeit der geschaffenen Institution argumentierend – stützt Walther einen ähnlichen Begründungsweg für die Strafbedürftigkeit der Marktmanipulation auf ein „Grundrecht auf Zugang zu einem verlässlichen, funktionstüchtigen Alterssicherungssystem sowie von der entsprechenden Schutzpflicht und Infrastrukturverantwortung des Staates.“200 Zuzustimmen ist beiden Ansichten, wenn sie dem Staat das Recht zusprechen, die allgemeine Handlungsfreiheit einzelner (bspw. der Marktmanipulanten) einzuschränken, um die Funktionsfähigkeit gewisser Institutionen zur Ermöglichung der Eigenvorsorge seiner Bürger als Fernziel zu gewährleisten. Den Staat trifft indes weder die Pflicht,201 eine bestimmte Sozialverfassung zu gewährleisten,202 noch die Altersvorsorge oder eine sonstige finanzielle Absicherung seiner Bürger über das Existenzminimum hinaus203 zu besorgen oder über das weiterhin gewährleistete Mindestmaß an sozialer Sicherheit hinaus die „Wechselfälle des Lebens“ (Alter, Krankheit, Arbeitslosigkeit, Unfall, Pflegebedürftigkeit) abzusichern204, wofür momentan die Sozialversicherungssysteme noch bereitstehen. Dem Staat obliegt daher zum jetzigen Zeitpunkt auch keine Folgepflicht zum Schutz der Institution Kapitalmarkt als Vorsorgesicherungsvehikel bei unangetastetem Vorhalten des Instituts der Sozialhilfe, wenn er die Altersvorsorge zu großen Teilen in die Eigenvorsorge überführt. Dass dem Kapitalmarkt hohe Summen an Liquidität zugeführt werden, die für die persönliche Altersvorsorge und persönliche Absicherung bestimmt sind,205 lässt indessen die gesellschaftliche Bedeutung und Funktion des Kapitalmarkts nicht nur für die Refinanzierung der Wirtschaft aufscheinen. Das öffentliche Interesse an der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes erhält hierdurch eine zusätzliche Komponente.206 200
Walther ZJapanR 16 (2003) 189, 202. Vgl. darüber hinaus zur Problematik verfassungsrechtlicher Pönalisierungspflichten im Anschluss an die Fristenlösung des BVerfG beim Schwangerschaftsabbruch (BVerfGE 39, 1, 45) erneut m. w. N. Roxin AT I § 2 J Rn. 95 f., der diese mit Recht auf Fälle einer Reduzierung des gesetzgeberischen Ermessens auf Null („im äußersten Falle [. . .] wenn Schutz auf keine andere Weise zu erreichen ist.“) für den Fall der Zerstörung fundamentaler Rechtsgüter limitieren will. 202 Vgl. hierzu Lenze/Zuleeg NZS 2006, 456. 203 Vgl. insoweit die grundlegende Entscheidung des BVerfG, in: BVerfGE 40, 121 [133] (= NJW 1975, 1691), nach der den Staat die aus Art. 1 I GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip hergeleitete (BVerfGE 45, 187 [228] = NJW 1977, 1525, 1526) Pflicht treffe, die Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins zu gewährleisten (zuletzt BVerfGE 110, 412, 445 f. [= NJW-RR 2004, 1657] im Anschluß an BVerfGE 82, 60, 80). Vgl. hierzu Herdegen, in: Maunz/Dürig GG Art. 1 Abs. 1 Rn. 114 m. w. N. sowie Kunig, in: Münch/Kunig Art. 1 Rn. 30; Neumann NVwZ 1995, 426 ff. 204 BVerfGE 28, 324, 348 ff. (= NJW 1970, 1675). 205 Vgl. Schröder (2007) 3. Kap. A III Rn. 373. 201
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2. Kap.: Strafrecht und Kapitalmarktverhalten
Den deutschen Gesetzgeber traf sonach weder eine europäische noch aus den Schutzpflichten der Verfassung abgeleitete Pönalisierungspflicht.207 Der deutsche Gesetzgeber hat sich im Rahmen seiner Einschätzungsprärogative zur Wirksamkeit der unterschiedlichen bereitstehenden Mittel für die Strafinkriminierung entschieden. Die dieser Einschätzung immanente Frage der Steuerungswirkung von Strafrecht lässt sich – wie in vielen Bereichen des Strafrechts – auch für den vorliegenden Bereich der Marktmanipulation nicht abschließend ergründen.208 Einzelne Stimmen wollen zwar dank vermeintlich gesicherter Erkenntnisse der Wirtschaftskriminologie erkannt haben, dass im Wirtschaftsstrafrecht präventiv-außerstrafrechtliche Legislativakte wohl steuerungswirksamer seien, als eine nachträgliche strafrechtliche Ahndung.209 Allein Zweifel an der eingeschränkten Wirksamkeit der Lenkungswirkung des härteren Mittels210 begründen indes noch keine verfassungsrechtliche Pflicht zur Abstandsnahme. Darüber hinaus argumentieren einige Stimmen, sei gerade im Wirtschaftsstrafrecht die Generalprävention und damit eine beachtliche Lenkungswirkung aufgrund der zumeist pekuniär orientierten Delinquenten eher anzunehmen als in anderen Delinquenzbereichen, würde dem im Wirtschaftsverkehr handelnden Subjekt doch mithin eine Kosten-Nutzen-Effizienz-Rechnung auch im strafrechtssensiblen Bereich näher stehen, als in anderen Bereichen. Wirtschaftsstraftäter und insbesondere Kapitalmarktakteure sollen danach besonders weitgehend dem Modell des zweckrationalen Subjekts („REMM“) entsprechen (REMM = resourceful evaluative maximizing man).211 Die Frage der empirischen Nachweisbarkeit des jenen Steuerungsmodellen zugrunde liegenden Rational 206
Vgl. ebenso Bruski, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (2007) Bd. II Vor § 104 Rn. 86. 207 Siehe zur ohnehin nur ausnahmsweisen Annahme verfassungsrechtlicher Pönalisierungspflichten bereits oben Fn. 201. 208 Vgl. hierzu m. w. N. Hefendehl ZStW 119 (2007) 816, 826 f. 209 Bspw. Dannecker, in: Wabnitz/Janovsky (3. Aufl. 2007) § 1 Rn. 132 führt hierfür als positives Beispiel die Ad-Hoc-Publizitätspflicht nach § 15 WpHG zur Vermeidung von Insiderkriminalität an. Ketzerisch lässt sich hier allerdings zum einen fragen, worauf sich sein positiver Befund empirisch stützt, zum anderen darauf hinweisen, dass Verstöße gegen die Ad-Hoc-Publizität über §§ 20a I Nr. 1, 38 II WpHG gerade strafrechtliches (Unterlassungs-)Unrecht darstellen sollen und es mithin dadurch sogar zu einer Vorverlagerung des strafbaren Bereichs gekommen ist. 210 Vgl. hierzu für Deutschland nur die empirischen Studien zur Generalprävention bei Curti, in: Ott/Schäfer (1999) S. 71 ff.; auf deren geringe Aussagekraft wegen schwacher Korrelationen von erhöhter gesetzlicher Strafandrohung und der Veränderung registrierter Fallzahlen, aber auch wegen der Vielzahl unberücksichtigter Variablen hinweisend Hefendehl ZStW 119 (2007) 816, 826 f. m. w. N. insbesondere auch zu entsprechenden amerikanischen Studien. 211 Vgl. u. a. Vogel FS Jakobs (2007) S. 731, 745; kritisch und m. w. N. Hefendehl ZStW 119 (2007) 816, 827 f. (nicht mehr als eine „vage Vermutung“).
§ 2 Legitimation strafrechtlicher Sanktionierung
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Choice Ansatzes wird zwar in neuerer Zeit durch die Erkenntnisse der behavioristischen Verhaltensforschung (für die Ökonomie in Form der Behavioral Economics)212 durchaus in seiner Generalität in Zweifel gezogen.213 Allerdings ist nach dem jetzigen Forschungsstand jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass Strafrecht eine generalpräventive Wirkung und damit Steuerungsleistung zeitigt, so dass insoweit der Einsatz von Strafrecht durch den Gesetzgeber auch im Marktmanipulationsbereich kein per se ungeeignetes und damit unverhältnismäßiges Mittel der Verhaltenssteuerung darstellt.214 Eine Selbstregulierung der Märkte scheidet bereits normativ angesichts der europäischen Vorgaben der wirksamen staatlichen Sanktionierung von Verstößen gegen Manipulationen aus.215 Darüber hinaus belegen die entsprechenden erfolglosen Versuche im Insiderrecht, aber auch der Charakter des Börsen- oder Marktpreises als öffentliches Gut216 die Ungeeignetheit eines solchen Ansatzes bei der Verhinderung von Marktmanipulation.217 Auch das bestehende Zivilrecht bietet ungeachtet seiner zum Strafrecht grundsätzlich verschiedenen Wirkweise und Zielrichtung, der SchadensKompensation (wenn auch in anderen Bereichen vereinzelt richterrechtlich angereichert um eine gewisse Abschreckungs- und damit Präventionsfunktion218), bereits angesichts der kollektiven Schutzrichtung des Marktmanipulationsverbots keine gleich wirksamen Steuerungsinstrumente. Eine Übernahme des im US-amerikanischen Raum verbreiteten Konzepts der „Punitive Damages“, das über die bloße Gewinnabschöpfung219 hinaus eine 212
Vgl. hierzu umfassend unten 3. Kapitel § 2 B. II. 3. b). Vgl. entsprechend u. a. (unter Einbezug der Figur eines „erweiterten homo oeconomicus“) Lüderssen, in: Ott/Schäfer (1999) S. 25, 32 ff. 214 Vgl. im Ergebnis ebenso – in der Begründung allerdings unter Rekurs auf die Anlegervertrauen erhöhende Wirkung von strafrechtlicher Regulierung – Schönhöft (2006) S. 20. 215 Vgl. ebenso u. a. – m. w. N. zur Diskussion einer Richtlinienumsetzung durch private Normgebung an den Börsen (Selbstregulierung) – Damrau (2003) S. 243 ff., der die Selbstregulierung jedenfalls wegen der insoweit gerade nicht möglichen gesetzgeberischen Gewähr von Rechtssicherheit nicht als europarechtlich erforderliche effektive Umsetzung von Richtlinien begreift. 216 Vgl. hierzu mit dem Argument insoweit fehlender Verantwortungsübernahme einzelner Lenzen (2000) S. 57. 217 Vgl. ebenso Schönhöft (2006) S. 20 mit dem weiteren Argument, eine „freiwillige Selbstkontrolle“ unterfalle ob ihres fehlenden Geltungscharakters bereits nicht dem Subsidiaritätsrahmen. 218 Vgl. hierzu grundlegend die Caroline von Monaco Rechtsprechung des BGH, in: BGHZ 128, 1; siehe hierzu Rixecker MK-BGB (5. Aufl. 2006) Anhang § 12 Rn. 225 m. w. N. 219 Vgl. zum strafrechtlichen Verfall bei der Marktmanipulation Schönhöft (2006) S. 179 ff., nach dem die Bestimmung des unmittelbaren Vermögensvorteils wegen der vielfältigen kursbeeinflussenden Faktoren von erheblichen Schwierigkeiten ge213
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2. Kap.: Strafrecht und Kapitalmarktverhalten
Herausgabe eines Mehrfachen des Gewinns verlangt,220 erschiene in diesem Zusammenhang nachgradig paradox, würden doch auf diese Weise gerade jene Maßnahmen dem Recht inkorporiert, deren Versagen im Strafrecht als Rechtfertigung für ein zivilrechtliches Tätigwerden fungieren soll.221 Ungeachtet der – auch durch das vielfach beschworene Instrument der Sammelklagen nur abschwächbaren – Schwierigkeiten in der Rechtspraxis wirksamen Anlegerschutz durch Vermögenskompensation zu bieten (u. a. erhebliche Probleme im Schadensnachweis, aber auch bereits der haftungsbegründenden Kausalität von Schädigerhandlung und Verletzungserfolg),222 bedeuten zivilrechtliche Haftungstatbestände – selbst bei einer zukünftig weitreichenden Ausweitung in den Gefährdungsbereich hinein – angesichts der kollektiven Schutzrichtung und dem in bestimmten Manipulationskonstellationen bereits fehlenden unmittelbaren Individualschaden keine gleich wirksame Alternative wie das Strafrecht.223 Gleiches gilt für das Öffentliche Recht, das nicht notwendig das mildere Mittel zum Strafrecht darstellen muss. Zwar kommt einer effektiven verwaltungsrechtlichen Kontrolle und Sanktionspraxis eine nicht zu unterschätzende Aufgabe für das ordentliche Funktionieren grundlegender Institutionen der Wirtschaft zu.224 Allerdings können umfassende präventive Kontrollen intensive Freiheitsbeschränkungen auch für rechtstreue Bürger mit sich bringen, was die Pönalisierung einzelner Verhaltensweisen als die insgesamt weniger einschneidende Maßnahme erscheinen lässt.225 Eine solche weitgehende Präventivkontrolle würde gerade im Bereich des Kapitalmarktes zu erheblichen Handelseinschränkungen und damit einer Funktionseinschränkung des auch prägt ist, denen auch die Schätzungsmöglichkeit des § 73b StGB nur bedingt beizukommen vermag. Zur Problematik des abzuschöpfenden Vorteils beim Insiderhandel vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 27.1.2010 – 5 StR 224/09 („freenet-Beschluss“) – NJW 2010, 882) Rz. 29 ff. und statt vieler Klöhn DB 2010, 769, 772 ff. m. w. N. 220 Vgl. zum Konzept der „Punitive Damages“ aus der deutschen Diskussion hierzu u. a. Müller (2000) S. 7 ff. (zum Konzept der Punitive Damages) und S. 93 ff. (zu punitiven Elementen im gegenwärtigen Schadensersatzrecht). 221 So treffend Hefendehl ZStW 119 (2007) 816, 826. 222 Vgl. hierzu, ausschnittsweise, zu den Problemen im zivilrechtlichen Kausalitätsnachweis 3. Kapitel § 2 B. IV. 3. a) aa) (2). 223 Vgl. ebenso Eichelberger (2006) S. 117 ff. (128 f.) mit instruktiver und rechtsvergleichender (U.S.-Recht) Darstellung der fehlenden Effizienz zivilrechtlicher Sanktionen zur Manipulationsverhinderung. 224 Vgl. hierzu die Empfehlung Nr. 7 des Madrid-Symposiums für Klaus Tiedemann, Schünemann/Suárez González (1994) S. 464. 225 Vgl. Hefendehl (2002) S. 234 m. w. N.; zuvor bereits Tiedemann (1969) S. 145 Fn. 22 m. w. N.; Schünemann GS Armin Kaufmann (1989) S. 629, 632. Siehe im Übrigen zum Verhältnis von Strafrecht und Ordnungswidrigkeitenrecht gesondert unten 3. Kapitel § 2 B. I. 3. im Rahmen des Einwirkungserfordernisses.
§ 2 Legitimation strafrechtlicher Sanktionierung
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auf Schnelligkeit der Transaktionsabschlüsse basierenden Kapitalmarktes an sich führen.226 Eine Subsidiarität besteht fürderhin auch nicht intrastrafrechtlich, da die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes auch nicht durch andere Straftatbestände in hinreichendem Maße geschützt ist. Die auch im Bereich des Kapitalmarktes antreffbaren Betrugskonstellationen,227 in welchen Anleger aufgrund eines täuschungsbedingten Irrtums sich zu einer letztlich vermögensschadenserheblichen Vermögensverfügung hinreißen lassen, lassen allerdings, wie bereits aufgezeigt wurde, keine umfassende Subsumtion aller Manipulationstechniken zu. Darüber hinaus bestehen im anonymen Wertpapierhandel erhebliche Nachweisprobleme hinsichtlich des Nachweises sowohl einer Täuschungskausalität für den Irrtum als auch hinsichtlich des Schadens. Gleiches gilt für die Stoffgleichheit von täterseits erstrebtem Vermögensvorteil und Schaden als Teil der Bereicherungsabsicht, die in vielen Fällen zu verneinen sein wird, da der Auftrag des Täters angesichts der vielfältigen Manipulationstechniken, aber auch der „Mechanik“ der Börsengeschäftsabschlüsse – wie auch die Rechtspraxis bereits offenbart hat228 – in den allermeisten Fällen gerade nicht die Gegenposition zur Transaktion des Geschädigten sein wird.229 Überdies greift auch die Inkriminierung des Kapitalanlagebetruges in § 264a StGB mit seinem Anknüpfen an das Zugänglichmachen von irreleitenden Prospekten und Darstellungen über den Vermögensstand des Emittenten gegenüber einem größeren Personenkreis nur in speziellen Konstellationen ein.230 Die Insiderstrafbarkeit des §§ 14, 38 I WpHG kann zwar in gewissen Situationen neben der Marktmanipulation anzutreffen sein,231 in226
Ähnlich wohl Schönhöft (2006) S. 21. Vgl. hierzu umfassend Zieschang, in: Park (2008) StGB T1 § 263 StGB Betrug Rn. 93 ff. 228 Vgl. u. a. LG München I v. 28.6.2001 – 12 O 10157/01 – Infomatec, WM 2001, 1948 (1951); Rützel AG 2003, 69, 73 m. w. N.; Möllers/Leisch ZIP 2002, 1995, 1997 (§ 263 sei „praktisch nie anwendbar“). 229 Vgl. ebenso Schönhöft (2006) S. 22 f.; Zieschang, in: Park (2008) StGB T1 § 263 StGB Betrug Rn. 73; umfassende Diskussion unter Einbezug alternativer dogmatischer Auffassungen zur Stoffgleichheit bei Papachristou (2006) S. 342 ff., die im Ergebnis jedenfalls die Bear-Manipulationen bspw. durch falsche negative Tatsachenbehauptungen mangels Stoffgleichheit nicht unter § 263 StGB subsumiert. 230 Vgl. im Übrigen zur ähnlichen Schutzrichtung des § 264a StGB (Funktionieren des Kapitalmarktes) BTDrucks. 10/318 S. 22 sowie Sch/Sch-Perron § 264a Rn. 1. 231 So in den Konstellationen vorgenommener Insidergeschäfte §§ 14 I Nr. 1, 38 I Nr. 1 WpHG durch den Vorstand einer AG, ohne die veröffentlichungspflichtige Insiderinformation (§ 15 I 1 WpHG) vorher als Ad-Hoc zu veröffentlichen. Die unterlassene Ad-Hoc-Veröffentlichung führt (bei gegebener Preiseinwirkung, § 38 II 227
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2. Kap.: Strafrecht und Kapitalmarktverhalten
kriminiert allerdings durch ihr Erfordernis tatsächlich vorliegender Insiderinformationen andere Verhaltensweisen als die auf eine Markttäuschung abstellende Marktmanipulation. Auch § 16 I UWG (Strafbarkeit irreführender Werbung) betrifft neben seinem anders gearteten Schutzzweck (Verbraucherschutz)232 nur einen partiellen Bereich möglicher Irreführung von Marktteilnehmern (v. a. im Emissionsbereich). Entsprechendes gilt für die Bestrafung falscher Angaben (§ 399 AktG) und unrichtiger Darstellungen (§ 400 AktG), die (– wie letzterer – neben dem Schutz der Gesellschaft selbst darüber hinaus) dem Vermögensschutz all derjenigen dienen, die mit der Gesellschaft in rechtliche oder wirtschaftliche Beziehungen treten.233 Im Ergebnis ist daher die strafrechtliche Regulierung der Marktmanipulation zum Schutz des Kollektivrechtsguts der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes zu befürworten.
WpHG) zu einer tateinheitlich, § 52 StGB, vorliegenden Unterlassungsstrafbarkeit aus §§ 20a I 1 Nr. 1 2. Alt., 39 II Nr. 11, 38 II WpHG. 232 Vgl. hierzu nur Piper, in: Piper/Ohly, UWG (4. Auflage 2006) § 16 Rn. 4. 233 Vgl. nur zu § 399 AktG Kropff MK-AktG § 399 Rn. 4 und zu § 400 AktG Kiethe NStZ 2004, 73.
3. Kapitel
Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation im deutschen Strafrecht Das Hauptaugenmerk dieses Teils soll nicht auf einer quasi kommentartechnischen Aufarbeitung des aktuellen Tatbestands des Marktmanipulationsverbots liegen. Der Akzent wird stattdessen auf die Herausarbeitung allein der strafrechtsdogmatisch kritischen oder verfassungsrechtlich bedenklichen Problemfelder der Regelung der Marktmanipulation gelegt werden. Neben dem Versuch, die Eingrenzung tatbestandsmäßigen Verhaltens in der Sachnähe zum Betrug und damit dem Irreführungselement zu suchen, steht in diesem Teil der dogmatische wie praktische Umgang mit den Anforderungen im Vordergrund, die für eine „Qualifizierung“ des Verstoßes zur Straftat gemäß § 38 II WpHG erforderlich sind.
§ 1 Überblick über die Regelung A. Struktur, Aufbau und Anwendungsbereich Der kaskadenhafte und daher dem Rechtsanwender mitunter undurchsichtig anmutende1 Aufbau des Marktmanipulationsrechts zeichnet sich wesentlich durch den Verbotstatbestand des § 20a WpHG aus, der sowohl durch die ordnungswidrigkeitenrechtlichen Sanktionsnormen des § 39 I 1 Nr. 1, Nr. 2, II Nr. 11 WpHG als auch die strafrechtliche Sanktionsnorm des § 38 II WpHG bewehrt wird. Die strafrechtliche Sanktionierung des § 38 II WpHG verlangt – insoweit über seine Gestalt als unechte Blankettvorschrift2 hinausgehend – neben einem vorsätzlichen Verstoß gegen ein Verbot des § 20a WpHG (in Bezug genommen über § 39 WpHG) ein tatsäch1
Vgl. so u. a. auch Schröder (2007) 3. Kap. A III Rn. 374. Vgl. hierzu BGHSt 6, 30, 41, nach der eine zusammenfassende Strafandrohung am Ende eines Gesetzes mit Verweisen auf vorangegangene Tatbestände desselben Gesetzes nur eine „gesetzestechnische Vereinfachung“ darstelle, die sich so von einem echten Blankett mit dessen Überlassung bzw. Zuweisung der Ergänzung an eine andere rechtssetzende Stelle und deren Ausfüllungsnorm unterschiedet. Vgl. hierzu statt vieler Eichelberger (2006) S. 164 ff. 2
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
liches Einwirken auf den Börsen- oder Marktpreis. Die Regelung der Marktmanipulation verteilt sich nicht lediglich auf die Normen des WpHG (im Kern dort die benannten §§ 20a, 39 I Nr. 1, Nr. 2, II Nr. 11, 38 II WpHG). Sowohl § 20a III WpHG weist – insoweit deklaratorisch – für Ausnahmen von den Manipulationsverboten des § 20a I 1 WpHG den Weg in die EG-DVO über Ausnahmeregelungen für Rückkaufprogramme und Kursstabilisierungsmaßnahmen.3 Die mittlerweile in Anspruch genommene Verordnungsermächtigung in § 20a V WpHG für das Bundesministerium der Finanzen lässt auch die erlassene MaKonV für die Auslegung des expliziten Inhalts des Manipulationsverbots relevant werden. § 20a WpHG gilt für Finanzinstrumente i. S. d. § 2 IIb WpHG, die an einer inländischen Börse zum Handel zugelassen oder in den regulierten Markt oder in den Freiverkehr einbezogen sind, sowie ferner für in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zum Handel an einem organisierten Markt zugelassene Finanzinstrumente.4 Dabei steht es in zeitlicher Erweiterung5 des Anwendungsbereiches gemäß § 20a I 3 WpHG der Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt oder der Einbeziehung in den regulierten Markt oder in den Freiverkehr gleich, wenn der Antrag auf Zulassung oder Einbeziehung gestellt oder öffentlich angekündigt ist. Der Aufbau des Tatbestands der Marktmanipulation nimmt – wenn auch nicht mit den expliziten Begrifflichkeiten – die auch in der Kapitalmarktforschung übliche Einteilung verschiedener Manipulationsarten nach der Art der Angriffsweise in Form der eingesetzten Tatmittel auf. Danach lassen sich Manipulationen nach ihren Grundformen vereinfachend in informationsgestützte („information-based“) Manipulationen, handelsgestützte („trade-based“) Manipulationen und handlungsgestützte („action-based“) Manipulationen unterteilen.6 Erstere (§ 20a I 1 Nr. 1 WpHG) basieren auf der preisbeeinflussenden Wirkung von Informationen. Handelsgestützte Manipulationen (§ 20a I 1 Nr. 2 WpHG) können dagegen sowohl durch die 3
Vgl. hierzu unten 3. Kapitel § 2 A. II. 4. Vgl. zu den Begrifflichkeiten statt vieler Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 33 ff. 5 Vgl. hierzu kritisch für den Unterlassungsbereich u. a. Schröder (2007) 3. Kap. D V Rn. 477 (= S. 174) unter Hinweis auf die zu diesem Zeitpunkt noch fehlende Börsen- oder Marktpreisbildung (im Rahmen eines bereits vorher stattfindenden Bookbuildings kommt indes kein frei gebildeter Preis zustande). 6 Vgl. auch zu weiteren Einteilungsmöglichkeiten (bspw. nach der handelnden Person oder der Richtung der Preisbeeinflussung [„bull or bear manipulation“]) Eichelberger (2006) S. 16 ff. Zur hier dargelegten gebräuchlichen Einteilung vgl. nur Vogel, in: Ass/Schn WpHG vor § 20a Rn. 33 ff.; Worms, in: Assmann/Schütze (2007) § 9 Rn. 104 f. 4
§ 1 Überblick über die Regelung
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direkte Veränderung der Determinanten von Angebot und Nachfrage in Form eines entsprechend großen Transaktionsvolumens, als auch mittelbar durch die ihnen zukommende Informationswirkung auf andere Marktteilnehmer eine preisbeeinflussende Wirkung haben. Handlungsgestützte Manipulationen – deren Umfasstsein vom geltenden Manipulationstatbestand (diskutiert vor allem § 20a I 1 Nr. 3 WpHG) umstritten ist – setzen dagegen auf eine Veränderung des inneren Wertes von Finanzinstrumenten, um so die Börsen- oder Marktpreise zu beeinflussen.
B. §§ 20a, 38, 39 WpHG und der Kernbereich des Strafbaren Der Hauptvorwurf, der gegen den Marktmanipulationstatbestand erhoben wird, ist seine scheinbare Unbestimmtheit, die auch durch die administrativen Konkretisierungsmöglichkeiten in § 20a II WpHG (Ausklammern bestimmten Verhaltens als zulässige Marktpraxis durch die BaFin) und § 20a V WpHG (Verordnungsermächtigung) nicht aufgefangen werden könne, da der Kernbereich des Strafbaren gerade vom Gesetzgeber bestimmt sein müsse, was aber bei §§ 20a, 38, 39 WpHG verabsäumt worden sei.7 Im folgenden Abschnitt soll daher – gewissermaßen vor die Klammer gezogen, da bestimmend für zahlreiche Einzelfragen des Manipulationstatbestandes – das dem Manipulationstatbestand der §§ 20a, 38 II WpHG innewohnende, für die Tatbestandsfassung grundlegende und gemeinsame Kriterium herausgearbeitet werden, um sich so von einer allzu kasuistischen Rechtsfindung8 weg zu bewegen. Dem Verfasser ist bewusst, dass abseits der gerade im Kapitalmarktstrafrecht geringen Judizdichte9 in Zeiten zuneh7 Vgl. hierzu nur die umfangreichen Nachweise zur Kritik bei Worms, in: Assmann/Schütze (2007) § 9 Rn. 97; siehe ferner Altenhain KK-WpHG § 38 Rn. 21 zum Problem bei § 20a I 1 Nr. 3 WpHG („sonstige Täuschungshandlungen“) und den Weiterungen aus der diesbezüglich bestehenden Verordnungsermächtigung. 8 Eine solche propagierend Schönhöft (2006) S. 193, wenn er einer „generalklauselartigen Verbotsnorm“ eine Absage erteilt und die Einfügung des Katalogs der §§ 3, 4 MaKonV in das WpHG verlangt. Für einen ähnlichen Ansatz bereits Scheu (1974) S. 100 ff. in seinem Vorschlag für § 190 des AE 1977; ähnlich die Vorteile detaillierter Kriterienkataloge hervorhebend Ekkenga WM 2002, 317, 324 sowie Altenhain Jahrbuch Heinrich Heine Universität (2003) S. 389, 397 f. Das Hauptproblem im Umgang mit einer abstrakt formulierten Strafnorm und der Hauptunterschied zu anderen Delikten liegt meines Erachtens in der fehlenden Kasuistik, die ansonsten die genauen Grenzen des Strafbaren absteckt (vgl. beim Betrug die schwankende Kasuistik bei der konkludenten Täuschung, siehe hierzu nur die Beispiele bei Vogel GS Keller (2003) S. 313, 313 f). 9 Vgl. hierzu zuletzt Bafin Jahresbericht (2006) S. 170 ff., der bei 60 im Jahr 2006 neu eröffneten Untersuchungsverfahren 30 Einstellungen durch die BaFin,
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
mender gubernativer Rechtssetzung10 Schnelligkeit, Effektivität und Einzelfallregelungen ob ihrer schnelleren Umsetzung höher im Kurs stehen mögen als ein systematischer, von der Rechtsprechung nur noch auszuziselierender Tatbestand. Indes eignet sich gerade das wirtschaftsstrafrechtliche Delikt der Marktmanipulation für den Versuch einer Rückführung in den Schoß dogmatischen Strafrechts und somit zugleich als Widerlegung der insoweit m. E. vorschnellen These, ein rechtssicheres Strafrecht sei in diesem Bereich nicht zu schaffen.11 Gleichzeitig kann auf diese Weise dargelegt werden, worin der Kernbereich des Strafbaren beim Delikt der Marktmanipulation liegt. Hierdurch soll für an diesen anknüpfende Fragen, wie nach dem Ob und Wie möglicher Verordnungsermächtigungen, aber auch deren konkrete Ausgestaltung und die Lösung der bereichsspezifischen Probleme der Boden bereitet werden. I. Ausgangspunkt: Marktmanipulation als Kommunikationsdelikt Ausweislich des Normtextes kann das zu verbietende Verhalten der §§ 20a, 38 II WpHG nur ein solches sein, das sich entweder durch seine Unrichtigkeit oder Irreführungseignung auszeichnet (Nr. 1 und Nr. 2) oder schlicht Täuschungscharakter besitzt (Nr. 3). Nachdem aber sowohl Nr. 1 als auch Nr. 2 zumindest auch eine Kommunikationseignung12 der unrichti30 Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaften gegen 38 Verdächtige ausweist. Letztlich noch offen am Ende des Berichtszeitraums waren danach 104 Untersuchungsverfahren. Im Berichtszeitraum 2006 wurden durch die Staatsanwaltschaften 6 Verfahren eingestellt, 4 davon gegen Zahlung einer Geldauflage. Gleichzeitig kam es zu 3 Verurteilungen im Strafbefehlsverfahren und einer Verurteilung nach Hauptverhandlung (AG Leipzig in der Sache Artnet AG (noch aus § 88 BörsG)). 10 Direkt (vgl. MaKonV) oder indirekt (über den Umweg europäischer Richtlinien). Vgl. zum Begriff der gubernativen Rechtssetzung als Entscheidung der Regierung mit Gesetzeskraft bzw. Gesetzeswert u. a. Rieckhoff (2007) S. 32 f. 11 So zumindest bezüglich der Schutzrichtung Anlegerschutz Park NStZ 2007, 369, 377. 12 Für die Kommunikationseignung genügt hier in einem vereinfachenden Kommunikationsmodell – wie es auch der klassischen Informationstheorie entspricht (vgl. zum sog. „Mannheimer Modell der Sprachproduktion“ Herrmann/Grabowski [1994] S. 17 ff.) – das Vorhandensein eines Senders, eines lenkungsfähige Information codierenden Kommunikationsmittels und eines potentiellen Empfängers (vgl. zur Produzenten-Rezipienten-Forschung der Sprachpsychologie instruktiv u. a. Gasser [2002] S. 54 ff.). Darüber hinaus setzt Kommunikation nicht zwingend eine Wechselseitigkeit voraus. U. a. Schönhöft (2006) S. 96 (zusammenfassend ders. a. a. O. S. 187 f.) sieht den Tatbestand der §§ 20a, 38 II WpHG insoweit von § 263 StGB abgekoppelt, als er auch bloße Tatsachenveränderung ausreichen lassen soll, ohne kommunikative Einwirkung auf das Vorstellungsbild eines anderen; eine Tatsachenveränderung kann aber selbst bei einer erweiternden Auslegung des Täu-
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gen oder irreführenden Angaben – in Nr. 1 das „Machen von Angaben“ – bzw. der Geschäfte oder Kauf- und Verkaufsaufträge – Nr. 2 spricht von Signalen – verlangen, liegt der Schluss nahe, sich für die Auslegung an das Kommunikationsdelikt per se, den Betrug und dessen Täuschung/Irreführung, anzulehnen. Auch spricht Nr. 3 explizit von „sonstigen Täuschungshandlungen“, was als grammatikalische oder Wortlaut-Auslegung zunächst das alle Tatbestandsalternativen einende und damit charakterisierende Täuschungselement hervortreten lässt, weist doch die unbefangene Lesart des Wortes „sonstige“ wenig missverständlich auf den dann auch in den vorherigen Nummern einbeschriebenen Täuschungscharakter hin. In einem weiteren Schritt liegt der Rekurs auf die für § 263 StGB13 entwickelten Kriterien zur Täuschung als einem Verhalten, durch das auf das intellektuelle Vorstellungsbild eines – zum Irrtum fähigen – anderen Menschen einzuwirken gesucht wird,14 zumindest nahe. Unterstützung findet diese Auslegungsweise beim Blick auf die Rechtskontinuität mit § 88 BörsG a. F., der zwar nicht ausweislich einer vorhandenen amtlichen Überschrift, jedoch sowohl nach dem Gesetzgeberwillen15 als auch der h. M.16 den sog. Kursbetrug regelte. Von einem Teil der Lehre und Praxis im Kapitalmarktstrafrecht wird konsequenterweise die Übernahme der Betrugsdogmatik für die Marktmanipulation propagiert, wonach alle Täuschungshandlungen jedenfalls an einen Tatsachenkern anzuknüpfen haben.17 Eine gänzliche Übernahme der Betrugsdogmatik ist indes abzulehnen, soll die Marktmanipulation nicht zu einer bloß bereichsspezifischen Betrugsergänzungsvorschrift denaturieren.18 Nach Altenhain erweist sich dagegen schungsbegriffes i. S. von Objektmanipulationen nur dann relevant sein, wenn sie Erklärungswert besitzt (vgl. hierzu Hefendehl MK-StGB § 263 Rn. 77). 13 Im Übrigen sei für die Nähe zum klassischen Betrug nur auf die Ausführungen von Zieschang, in: Park (2008) 3. Teil Kap. 1 T 1 § 263 D verwiesen, wo sich eine Aufstellung kursmanipulativer Verhaltensweisen und ihrer möglichen Tatbestandsmäßigkeit im Rahmen des § 263 StGB findet. Vgl. andererseits die Stimmen, welche sogar beim Betrug die primäre Betonung auf die Verletzung des Vertrauens und ein Recht zur Irrtumsfreiheit legen Tiedemann LK11 StGB, Vor § 263 Rdn. 21; Kindhäuser FS Bemmann (1997) S. 339, 354 f. 14 Vgl. statt vieler Sch/Sch-Cramer § 263 Rn. 11. 15 Dokumentiert beispielsweise in BTDrucks. 10/318, S. 45. 16 Vgl. statt vieler Vogel, in: Ass/Schn WpHG vor § 20a Rn. 1. 17 Vgl. hierzu bereits die Begründung zu § 3 I KuMaV zur Konkretisierung sonstiger Täuschungshandlungen in BRDrucks. 639/03, S. 11; BGH WM 2004, 304 f. („Analyst Sascha Opel“) mit Anm. Lenebach EwiR 2004, 307; siehe ferner bereits Scheu (1974) S. 27 f. 18 Ebenso Papachristou (2006) S. 203; Trüstedt (2004) S. 162; Schmitz JZ 2004, 526, 527.
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
bereits die gesetzgeberische Einführung des Begriffs der Täuschungshandlung im Ergebnis als „verfehlt und dem Ziel des Anlegerschutzes nicht dienlich.“19 Dem wäre überhaupt nur dann zuzustimmen, wenn jene abgelehnte Ansicht inzidenter von einem engen Täuschungsbegriff (wie nach der ganz h. M. beim Betrug durch die Einbeziehung nur von Tatsachen)20 ausgehen sollte. Ungeachtet dessen, dass diese Ansicht eine zur hier vertretenen konträre, individualistische Rechtsgutskonzeption vertritt, sagt allein der Schutzzweck noch nichts darüber aus, wie weit er zu gewährleisten wäre. Marktmanipulationsschutz i. S. eines Funktionenschutzes kann sowohl an Verbote der Schaffung von die freien Marktkräfte einengenden Handelsbedingungen anknüpfen, als auch – wie mittels § 20a WpHG geschehen – das Verbot der manipulativen Einwirkung auf die Informationsbasis statuieren. II. Makroebenenirrtum als Kern der strafbaren Marktmanipulation Wendet man sich in teleologischer Auslegung dagegen dem Funktionenschutz als dem richtigen Ansatz in der Rechtsgutsfrage (als dem den Rechtssetzer und Rechtsanwender leitenden Prinzip) und dessen Katalysator, dem Anlegervertrauen, zu, kann das Delikt der Marktmanipulation somit mitnichten gänzlich parallel wie das dem Individualvermögensschutz dienende Delikt des Betruges interpretiert werden. Bei § 20a WpHG rückt die makrospezifische Auslegung in den Vordergrund. Mit Rücksicht auf das geschützte kollektive Rechtsgut muss ausgehend von obiger Risikenbeschreibung die systemische Konstitution der Institution Markt auch in der Tatbestandsinterpretation Widerhall finden. Synthetisiert man die in allen Alternativen geforderte Täuschungsäquivalenz, das Kurseinwirkungserfordernis des § 38 II WpHG21 und das geschützte kollektive Rechtsgut der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes, so verlangt der Straftatbestand der Marktmanipulation letztlich einen Irrtum auf der Makroebene Markt, der Ausdruck findet in einem unzulässig zustande gekommenen und daher nicht marktgerechten Börsen- oder Marktpreis. Alle im Tatbestand des § 20a WpHG beschriebenen Verhaltensweisen besitzen die Eignung, einen künstlichen und selbst wieder irreführenden Marktpreis zu bedingen. Die informationsbezogenen Handlungen des § 20a I 1 Nr. 1 WpHG vermögen die Marktteilnehmer irrezuführen, so dass sie täuschungsbedingte und letztlich marktpreiswirksame Transaktionen vornehmen. Auch die handelsbezogenen 19
Altenhain BB 2002, 1874, 1877 f. Vgl. statt vieler Sch/Sch-Cramer § 263 Rn. 8 m. w. N. 21 Hier noch ungeachtet, ob im Einwirkungserfordernis ein tatbestandlicher Erfolg oder lediglich ein weiteres Handlungsmerkmal zu sehen ist; vgl. hierzu ausführlich unten 3. Kapitel § 2 B. I. 4. 20
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Manipulationen des § 20a I 1 Nr. 2 WpHG vermögen entweder in Form unmittelbarer Ausführung die Stellung eines künstlichen und als solchen signalwirksamen Marktpreises zu stützen oder allein in Gestalt von Marktaufträgen fehlerhafte Signale zu vermitteln. Auch die sonstigen Täuschungshandlungen i. S. d. § 20a I 1 Nr. 3 WpHG inkludieren die Irreführung in den Kern des Strafbaren. Mittels „Angaben“ i. S. d. § 20a I 1 Nr. 1 WpHG oder deren Unterlassen, Signalen i. S. d. § 20a I 1 Nr. 2 WpHG oder Täuschungshandlungen i. S. d. § 20a I 1 Nr. 3 WpHG wird eine Informationsbasis mit geschaffen, die sich über die Informationsverarbeitung auf der Mikroebene im Endergebnis auf den Marktpreis als Produkt der Makroebene auswirken soll. Entscheidend ist primär nicht der Irrtum des einzelnen Akteurs auf der Mikroebene, sondern die Täuschung des Marktes,22 hier verstanden als der „Makroebenenirrtum“ (Makroirrtum), als Resultat in Form eines künstlichen Preises23 und wegen seiner Rückkopplungen und weitreichenden negativen Konsequenzen zu vermeidender Erfolg. Die Schaffung eines künstlichen Preises, der nicht jenem Preis entspricht, der bei einem unbeeinflussten Spiel der Marktkräfte (Angebot und Nachfrage) zustande gekommen wäre, ist auch nach der ganz überwiegenden Auffassung der Literatur das Signum der Marktmanipulation.24 Die hier propagierte Verknüpfung mit dem Kunstwort eines Makroebenenirrtums soll indes die kommunikative und gesamtkapitalmarktliche Bedeutung des Börsen- oder Marktpreises unterstreichen und zugleich herausstellen, dass es entscheidend auf die Makroebenenperspektive im Rahmen eines Kollektivrechtsgut schützenden Delikts ankommt.25 III. Parallelen zur Betrugsdogmatik in den Randbereichen des Strafbaren Daneben scheinen jedoch weitere strukturelle Ähnlichkeiten zwischen Betrugs- und Marktmanipulationstatbestand trotz des differierenden Rechtsgutshintergrunds auf. „Der Betrugstatbestand bestätigt den einzelnen Rechtsgenossen, dass sie darauf vertrauen dürfen, von den Rechtspersonen, mit denen sie vermögensbezogen interagieren, jene Mitteilungen zu erhalten, von deren Verschaffung sie nach der konkreten Ausgestaltung der be22
Vgl. ähnlich Schönhöft (2006) S. 125; Walther ZJapanR 16 (2003) 189, 215. Vgl. hierzu neben der Begrifflichkeit des „künstlichen Preisniveaus“ in § 20a I 1 Nr. 2 WpHG auch die Hervorhebung des künstlichen Preises als durch die Regulierung zu verhinderndem Ereignis in Art. 1 Nr. 2 2. SpStr. RL 2003/6/EG („Marktmissbrauchsrichtlinie“). 24 Vgl. statt vieler Eichelberger (2006) S. 13 m. w. N.; Lenzen (2000) S. 3; Ziouvas ZGR 2003, 113, 130. 25 Siehe hierzu sogleich. 23
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treffenden Interaktion ausgehen dürfen.“26 Hier wie dort stellt sich bei äußerlich sozialadäquaten Handlungen/Erklärungen gleichermaßen das Problem der Grenzziehung zwischen erlaubtem und unerlaubtem Kommunikations- und Geschäftsverhalten. Eine Marktmanipulation wird letztlich nur dann wirkungsvoll im Hinblick auf das Erzeugen eines Makroebenenirrtums sein können, wenn Sie kommunikatives Lenkungspotential besitzt. Als problematisch stellen sich in diesem Zusammenhang gleichsam exemplarisch die handelsgestützten Manipulationen des § 20a I 1 Nr. 2 WpHG dar. Bei diesen werden vorgenommene Geschäfte oder die Erteilung von Kauf- oder Verkaufsaufträgen inkriminiert, wenn sie geeignet sind, falsche oder irreführende Signale für Angebot, Nachfrage oder Marktpreis zu geben oder ein künstliches Preisniveau herbeizuführen. Zwar zeigt sich der Kern-Erklärungswert einer handelsgestützten Manipulationshandlung am anonymen Kapitalmarkt oft als Teil eines bloßen schuld- wie sachenrechtlichen Minimalkonsenses („Dies hier von mir zu Dir“). Allerdings lassen das situative Umfeld – d.h. am Kapitalmarkt das parallele Marktgeschehen und die entsprechende öffentliche Informationslage als offene Parameter, die Vorfeldhandlungen mit den entsprechenden tatsächlichen Geschäftsabsichten sowie die tatsächlich vorfindbare Ausgangs- und produzierte Endkonstellation der wirtschaftlich Berechtigten als verdeckte Parameter – in Verbindung mit den vorhandenen Absichten und der Risikoverteilung ähnlich wie bei der Betrugstäuschung Rückschlüsse auf die Manipulations- wie Täuschungsqualität einer Handlung zu. Im Rahmen der Täuschung beim Betrug tritt zur Erklärung die besondere Kommunikationsbeziehung zwischen den beiden Parteien hinzu. Der Betrüger enttäuscht dort die Erwartung seines Gegenübers, er habe diesem den ihm zustehenden Fundus an wahren Informationen vollständig und ungetrübt durch falsche Zusätze zugänglich gemacht.27 Im Kapitalmarkt findet die individuelle Transaktion weitgehend28 anonym statt. Allerdings gebiert die Gesamtkonstellation und das Regelungskorsett, dem sich alle Marktteilnehmer durch die Marktteilnahme unterordnen,29 dass der Markt bestimmte Meta-Informationen und Transaktionen aufnimmt und (jedenfalls der professionelle information based trader) zur Grundlage seiner Transaktionsentscheidungen werden lässt. Die Erwartung bzw. das Vertrauen in die Regel26 Pawlik (1999) S. 74. Das Ganze natürlich ungeachtet der Frage, wie man sich zum auch und gerade von Pawlik vertretenen Konzept der Täuschung als Wahrheitspflichtverletzung stellen will. Vgl. zum Meinungsstand Kargl FS Lüderssen (2002), 613 ff. 27 Pawlik (1999) S. 78. 28 Nachträglich lassen sich über die Orderdaten die jeweils hinter den zusammengeführten Transaktionen stehenden Personen ermitteln. 29 Schon, weil es sich um staatliche Normen handelt.
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konformität (als sachgedankliches Mitbewusstsein) ist die Basis, die dem Manipulanten die erfolgreiche Umsetzung seiner Pläne überhaupt nur ermöglicht. Dabei ist nicht schlechterdings jede Erwartung geschützt, sondern nur die berechtigte.30 Die Berechtigung wiederum ergibt sich aus der Marktpraxis und dem normativen Korsett, dem der Kapitalmarkt in Deutschland gerade unterliegt. Zwischen der bestehenden Regulierung und den berechtigten Erwartungen besteht also eine Wechselwirkung. Die Lösung des Problems der Abgrenzung zwischen erlaubtem und unerlaubtem Marktverhalten ist daher in der Parallelität zur Betrugsdogmatik (konkludente Täuschung) zu suchen. Hier wie dort ist das Ziehen der Linie zwischen dem strafbaren Bereich und dem positiv als „Geschäftstüchtigkeit“31 bezeichneten bzw. zu bezeichnenden Verhalten abseits der vermeintlich klaren Fälle ausdrücklichen Täuschens von teils erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten geprägt.32 Wie beim Betrug, kann ein Verhalten oder ein vom Täter zurechenbar herbeigeführter Umstand, dem ein ausdrücklicher Erklärungswert fehlt aufgrund des Gesamtverhaltens/der Gesamtumstände als kommunikatives Leitsignal in eine bestimmte Richtung verstanden werden. Entscheidender Unterschied zum Individualschutzdelikt Betrug ist bei der Marktmanipulation aber die kollektive Perspektive, d.h. bspw. die Signalwirkung einer bestimmten Handlung ist aus der Sicht des Anlegerpublikums zu bewerten. 1. Konkludentes Verhalten beim Betrug a) Erklärungsansatz und Rückgriff auf die Verkehrsauffassung (h. M.) Die herrschende Meinung hält für die Identifikation von Konkludenz am Erklärungsansatz33 fest und zieht beim Betrug zur Beurteilung der Frage, wann ein Verhalten nach dem Gesamtverhalten des Täters als „beredt“ aufzufassen ist, den faktischen Maßstab der Verkehrsauffassung zu Rate.34 Dabei wird der aktive und passive Verhaltensteil eines bestimmten Verhaltens 30 Vgl. so zum ähnlichen Problem beim Betrug u. a. Kindhäuser NK-StGB § 263 Rn. 92. 31 Vgl. u. a. Kühne (1978) S. 1 ff.; Maaß GA 1984, 264, 264. 32 Vgl. insoweit u. a. auch Krack ZIS 2007, 103 [103], der außerhalb einiger unumstrittener Fallgruppen die konkludente Täuschung als „eine schwer handhabbare Rechtsfigur“ ansieht, „die dem Bestimmtheitserfordernis des Art. 103 Abs. 2 GG kaum gerecht wird.“ 33 Kargl FS Lüderssen (2002), 613, 616. Siehe auch Altenhain, BB 2002, 1874, 1877 f. 34 Vgl. BGHSt 47, 1, 3; BGH NStZ 2004, 266, 267; BGHSt 51, 165, 170; Hefendehl MK-StGB § 263 Rn. 88; Sch/Sch-Cramer/Perron § 263 Rn. 12, 14 f. m. w. N.
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zu einer Bewertungseinheit vereint, um letzteren auf diese Weise als beredt oder unberedt beurteilen zu können.35 Der unausgesprochene Kommunikationsinhalt wird wesentlich durch den dem Erklärenden bekannten Empfängerhorizont und damit durch die ersichtlichen Erwartungen der Beteiligten bestimmt.36 Ergänzend lassen sich dem Auslegungskriterium der Verkehrsanschauung und damit den Anschauungen der jeweiligen Verkehrskreise37 noch explizit die rechtlichen Vorschriften38 beiseite stellen, welche die Verkehrsanschauung prägen oder konkretisieren, um so sowohl rechtsunwirksame Verkehrssitten auszuklammern als auch Vorsorge für die Fälle zu treffen, in denen es an einer empirisch feststellbaren Verkehrsanschauung überhaupt mangelt.39 b) Normative Theorien Eine normative Ansicht betont dagegen den Gesichtspunkt der Risikoverteilung und will Konkludenz in Abweichung vom reinen Erklärungsmodell nur dann annehmen, wenn der Getäuschte sich in der konkreten Situation auf die scheinbar vorliegenden Tatsachen ohne nachfragen zu müssen verlassen durfte.40 Bei der Konkludenz genießt demnach das Vertrauen in das norm- und erfahrungsgemäße Verhalten des Täters Schutz41 und geht es nicht darum, „nach Regeln der Kommunikation auf die Abgabe bestimmter Erklärungen zu schließen, sondern darum, sie nach den Regeln von Treu und Glauben von Rechts wegen zu unterstellen.“42 Die im Rechts- und GeSiehe auch Kindhäuser NK-StGB § 263 Rn. 115 ff., wo zur Präzisierung auf sinnhaft vorausgesetzte Implikationen abgestellt wird. 35 BGHSt 3, 70 ff.; vgl. hierzu Tiedemann LK § 263 Rn. 28 – 50 und Lackner/ Kühl § 263 Rn. 9 ff. Vgl. zur hLit statt vieler Wessels/Hillenkamp BT 2 (30. Aufl. 2007) § 13 Rn. 498. 36 Vgl. so ausdrücklich BGHSt 51, 165, 170 (= NJW 2007, 782, 784); Fischer § 263 Rn. 22 zu konkludent miterklärten Negativtatsachen. 37 Deren Bedeutung hervorhebend BGH NJW 1995, 539; BGH NStZ 2002, 144; Lackner/Kühl, § 263 Rdn. 7; Sch/Sch-Cramer/Perron, § 263 Rn. 14/15; Mitsch Strafrecht BT 2, Teilband 1 (2003), § 7 Rdn. 26. 38 Vgl. so jüngst BGH NJW 2007, 782, 784; vgl. auch Hefendehl MK-StGB § 263 Rn. 88 m. w. N.; Tiedemann, in: LK11-StGB, § 263 Rdnr. 30. 39 Vgl. Tiedemann LK11 § 263 Rn. 30; ebenso Gössel BT 2 § 21, 24; Hefendehl MK-StGB § 263 Rn. 88 m. w. N. 40 Lackner, in: LK (10. Aufl.) § 263 Rdn. 28 ff.; vgl. auch Küper Strafrecht BT (6. Aufl. 2005) S. 281; Kutzner JZ 2006, 712, 715 f.; Nack, in: Müller-Gugenberger/Bieneck (4. Aufl. 2006), § 47 Rdn. 17 ff.; Seelmann, NJW 1980, 2545, 2547; Hoffmann, GA 2003, 610, 613 ff.; siehe auch Frisch FS Jakobs (2007) S. 97, 103 ff. 41 Vgl. Puppe NStZ 1991, 571, 573; vgl. hierzu Wittig (2005) S. 259 f. 42 Puppe NStZ 1991, 571, 573.
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schäftsverkehr maßgeblichen Normen erlangen hier somit unmittelbar ausschlaggebende Bedeutung für die Ermittlung der Risikoverteilung.43 Spezielle auf Gefahrreduzierung wie Freiheitserhaltung gerichtete Primärordnungen sind für die Bestimmung der missbilligenswerten Risikoschaffung und damit der Qualität eines Verhaltens als tatbestandsmäßig wesentlich.44 Weitergehend wird von einigen Autoren zur Bejahung einer konkludenten Täuschung die Verletzung einer Aufklärungspflicht (bspw. zivilrechtlichen Ursprungs) verlangt.45 Darüber hinaus gehend versucht Pawlik46 eine aus dem Verständnis des Kommunikationsprozesses als Übersetzungsprozess abgeleitete Wahrheitspflicht des Erklärenden anhand der Abgrenzung von Zuständigkeitsbereichen (an Jakobs47 angelehnter Schlüsselbegriff der Zuständigkeit des Täters für eine dem Opfer objektiv nahe gelegte Schlussfolgerung im Rahmen dessen Bedeutungszuschreibung) vorzunehmen.48 Dabei stellt er heraus, dass der Täter einen Satz im Rahmen seiner Kommunikation nicht in ein „informatorisches Nichts hinein [schickt], sondern [. . .] gegebene Vorinformation [ergänzt].“49 Diese Vorinformation im Rahmen des „Weltverständnisses“50 43
Vgl. so zusammenfassend Wittig (2005) S. 260. Vgl. Frisch (1988) S. 113 sowie hierauf aufbauend für das eigene interaktionistische Modell für die Tatbestandsmäßigkeit beim Betrug Wittig (2005) S. 393 ff. (strafrechtlich missbilligte Risikoschaffung bei Vorhandensein expliziter vorstrafrechtlicher Verhaltensanordnungen). 45 Vgl. Seelmann NJW 1980, 2545, 2547; Tiedemann, in: LK StGB § 263 Rn. 30. Siehe auch Volk JuS 1981, 880, 882, der sich jedoch gewisse Einschränkungen vorbehalten möchte (vgl. ebenda, Fn. 12): „Diese Klammer [gemeint: die Aufklärungspflicht als gemeinsamer Nenner; Anm. d. Verf.] soll allerdings nicht den gesamten Bereich der konkludenten Täuschungen umgreifen.“, wobei er diese Frage als noch nicht abschließend geklärt begreift. 46 Ebenso wie Kindhäuser (ZStW 103 (1991) 398, 403 ff. und passim; ders. FS Bemmann (1997) S. 339, 354 f.) verlangt Pawlik – am weitesten die bisherige Betrugsdogmatik „normativierend wendend“ [angelehnt an die Pawlik’sche Selbstbeschreibung seines Ansatzes, Pawlik [1999] S. 93] – auch bei der ausdrücklichen Täuschung die Verletzung einer Wahrheitspflicht. Letztlich gibt Pawlik mit seinem Modell – ausdrücklich – die Notwendigkeit einer Unterscheidung zwischen ausdrücklich, konkludent oder durch Unterlassen verübten Täuschungen auf (vgl. Pawlik [1999] S. 97). Vgl. auch Tiedemann LK11-StGB vor § 263 Rdn. 21, welcher beim Betrug die Verletzung des (Individual-)Vertrauens und des Rechts auf (Dispositions-)freiheit – korrespondierend mit dem (überindividuellen) Prinzip von Treu und Glauben – als primären Angriff durch die Täuschung betont. 47 Vgl. Jakobs (1996) S. 42 zum für Unterlassen und Tun gemeinsamen Schlüsselbegriff der „Zuständigkeit“ in seinem normativen Ansatz. 48 Vgl. hierzu Pawlik (1999) S. 74 ff., 97 („Zuständigkeit für ein Informationsdefizit“) und passim. 49 Weinrich (2000) S. 57. 50 Simon bei Pawlik (1999) S. 75 Fn. 64. 44
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des Kommunikationsgegenübers prägt das Opferschlussfolgern gerade in jenen vom Täter ausnützbaren Situationen, in welchen das Opfer aus dem vom Täter gegebenen informationstauglichen Kommunikationsmaterial nur den vom Täter intendierten Fehlschluss ziehen kann. Ist aber der Täter in dieser Situation Garant dafür, dass das Opfer nicht von Fehlannahmen ausgeht (spiegelbildlich resultiert hieraus das „Recht auf Wahrheit“51 des Opfers), hat er die sog. „kommunikative Subjektion“52 seines Gegenübers zu beseitigen.53 Die erforderliche Garantenstellung wiederum könne als sog. institutionelle Garantenstellung allein aus dem Umstand des Einbezogenseins in eine Institution im soziologischen Sinne folgen. Für die Anerkennung einer solchen Institution genügt es indes noch nicht, dass sie sozial bedeutsam ist; erforderlich ist hier vielmehr, dass sie zum einen Leistungen erbringt, deren Inhalt es gerade ist, abstrakte in konkrete rechtliche Freiheit umzusetzen, und sie zum anderen aufgrund der Verfasstheit der konkreten Gesellschaft zur Erbringung letztgenannter Leistungen erforderlich ist.54 Aus der Mitgliedschaft in dieser Institution folgt nicht nur die Pflicht der Respektierung ihrer Regeln und die der positiven Förderung der Institution. Darüber hinaus ergibt sich im Verhältnis der teilnehmenden Rechtspersonen zueinander eine institutionell fundierte Wahrheitspflicht55, welche wiederum Grundlage obiger Ausgangsposition ist. Dabei ist entscheidend, welcher Wahrheitsgarantien die Institution bedarf, um die für alle Beteiligten notwendige Leistung „erfolgreich, also sozial plausibel und anschlussrational, erbringen zu können.“56 51 Zu diesem normativierend restriktiven „Kontrastmodell“ (Arzt/Weber Strafrecht BT [2000] § 20 Rn. 26) und seinem Hintergrund vgl. Tiedemann LK vor § 263 Rn. 21; zu dessen Diskussion in der Strafrechtslehre des 19. Jahrhunderts umfassend Pawlik (1999) S. 115 ff. Anders als Pawlik (1999, S. 105), der weiterhin das Vermögen als geschütztes Rechtsgut sieht, will Kindhäuser (ZStW 103 [1991] 398, 403 ff. und passim) im Anschluss an Frank den Betrug als ein vermögensschädigendes Freiheitsdelikt begreifen. 52 Ungeheuer (1987) S. 239, 249, 317. Ungeheuer beschreibt hiermit die kommunikative Abhängigkeit des Hörers vom Sprecher als notwendige Bedingung und Strukturmerkmal jeden Kommunikationsgeschehens (S. 249) – diese Subjektion sei ein „Moment funktionaler Koerzitivität“ im Kommunikationsgeschehen (ebenda, S. 317); Gedanke u. a. aufgenommen von Pawlik (1999) S. 77; richtigerweise ist das eigenständige Irrtumserfordernis beim Betrug als obsolet zu betrachten, da die Lüge erst mit dem Irrtum zur Täuschung wird (alle Verhaltensalternativen des § 263 StGB weisen ein diesbezügliches Kausalerfordernis auf): vgl. Kargl ZStW 119 (2007) 250, 258: „Somit ist es zumindest semantisch ungenau, wenn immer wieder gesagt wird, durch die Täuschung müsse ein Irrtum erregt oder unterhalten werden. Das Merkmal der Irrtumserregung ist mit dem Begriff der Täuschung identisch.“ 53 Vgl. Pawlik (1999) S. 77. 54 Pawlik (1999) S. 194 f. 55 Pawlik (1999) S. 196 f. 56 Pawlik (1999) S. 197.
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Auch der Betrugstatbestand schützt danach das Vertrauen darauf, sich auf bestimmte Institutionen und Handlungsmuster verlassen zu können.57 c) Stellungnahme Nachdem sowohl die faktischen als auch die normativen Theorien in den meisten Konstellationen abseits differierender Zwischenschritte58 überwiegend zu den gleichen Ergebnissen gelangen und gleichzeitig problematische Fallgruppen für den Kapitalmarkt nicht ersichtlich sind, erübrigt sich für die vorliegende Untersuchung ein Streitentscheid.59 Beide Betrachtungsweisen können indes für die Interaktionen im Kapitalmarktbereich wichtige dogmatische Pfeiler für das Verständnis konkludenter Täuschungen und damit die Abgrenzung von strafrechtlich relevantem und erlaubtem Verhalten bieten. Was hinter den Abstraktionsbegriffen „Verkehrskreis“, „Geschäftsverkehr“ oder „Verkehrsanschauung“ zu verstehen ist, wird in einem vereinfachten Kommunikationsmodell deutlich: der Austausch von Informationen wird nicht einzig durch ausdrückliche Äußerungen, sondern auch und gerade durch Erwartungen gesteuert, die vom Vorwissen gespeist der Entschlüsselung neuer Ereignisse dienen.60 Aus konstruktivistischer Sicht wird radikalisierend vom traditionellen Modell, das Information durch einen Kanal vom Sender zum Empfänger transportiert sieht, abgewichen und Kommunikation als „systemspezifische Sinnkonstruktion aus Anlass der Wahrnehmung von Medienangeboten“61 definiert. 57 Vgl. Frisch FS Jakobs (2007) S. 97, 103 Fn. 27 m. w. N. zu den allgemeinen Interessen bei der Entstehungsgeschichte des Betruges; Siehe ferner Pawlik (1999) S. 125 (Betrugstatbestand auch als Schutz der „Funktionserfordernisse sozialer Systeme“). 58 Insbesondere das „Recht auf Wahrheit“ als weitestgehendste Normativierung nicht nur der Konkludenz (ein Recht auf Wahrheit wird nach der gleichlautenden Theorie auch bei der ausdrücklichen Täuschung verletzt) findet indes dann seine Relativierung, wenn es sich (wie zu konstatieren) ähnlich der Verkehrsanschauung herleiten lässt und sich damit lediglich als dogmatisches Metakonstrukt darstellt. 59 Ähnlich bereits für den Betrug Hefendehl MK-StGB § 263 Rn. 86; Tiedemann LK § 263 Rn. 30; Satzger SSW-StGB § 263 Rn. 40. 60 Vgl. Kargl ZStW 119 (2007) 250, 260. Zur Kommunikationstheorie und den im Kommunikationsprozess eingelagerten Selektionsprozessen instruktiv Gasser (2002) S. 57 ff. Vgl. ferner aus der Kommunikationsforschung zur Bedeutung des Erfahrungskontextes bereits Merten (1977) S. 60. 61 Schmidt, in: ders. (1992) S. 425, 438. Der radikale Konstruktivismus der Erkenntnistheorie fasst jede Form von Erkenntnis (wie auch das Erkannte selbst) als kognitive Konstruktion individuell erfahrener Wirklichkeit auf – der Mensch ohne direkten Zugang zu seiner Umwelt, sondern allein als ihr Beobachter; hierzu Gasser (2002) S. 66 ff.
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
Direkte Informationen treffen beim Getäuschten auf einen Hintergrund von Erfahrungen, der das isolierte Ereignis in ein interferierendes Geflecht von Hypothesen einordnet.62 Hierdurch entsteht eine Vorstellung der Gesamtsituation, die von der Einzelinformation abstrahiert, „mit dieser aber durch logische Implikationen, soziale Konventionen, geschäftliche Übereinkünfte oder Rechtspflichten verknüpft ist.“63 Dass jene Gesamtsituation durchaus auch erwartete Negativtatsachen enthalten kann, hat der Bundesgerichtshof jüngst in seinem Wettbetrugsurteil festgestellt. Eine konkludente Erklärung derartiger Negativtatsachen komme insbesondere dann in Betracht, wenn es um vorsätzliche Manipulationen des Vertragsgegenstands geht, auf den sich das kommunikative Verhalten bezieht.64 Die fehlende vorsätzliche Manipulation des Vertragsgegenstandes sei unverzichtbare Grundlage jeden Geschäftsverkehrs und deshalb zugleich miterklärter Inhalt entsprechender rechtsgeschäftlicher Erklärungen.65 Der Handlungsschwerpunkt liege hier in einem positiven Tun in Form der inzidenten Zusicherung der Manipulationsfreiheit.66
2. Konkludentes Verhalten im Kontext der Marktmanipulation a) Markterwartung und Marktvertrauen als Manipulationsnährboden Gerade diese Erwartungsmuster bestehen auch am Kapitalmarkt, wo an bestimmte Marktgegebenheiten über die konkrete Information der Informationsquelle hinaus (ein bestimmtes Auftragsvolumen; eine Information koinzident zu einem bestimmten Kurswert etc.) weitere Erwartungshypothesen geknüpft sind (bspw. bestimmte Marktprognose für ein Unternehmen; Markttrends; geschehene Einpreisung von Insiderinformationen etc.). Gleichzeitig ergibt sich aus der normativen Ordnung (§§ 20a I, II, VI, 38 II WpHG) als dem auch für die Erwartungshaltung und damit den Kommuni62
Kargl ZStW 119 (2007) 250, 260. Kargl ZStW 119 (2007) 250, 261. 64 Vgl. BGHSt 51, 165, 171 (= NJW 2007, 782, 784) – Fall Hoyzer – m. w. N.; vgl. hierzu zusammenfassend Achenbach NStZ 2007, 566 [567]; Kargl ZStW 119 (2007) 250; Kubiciel HRRS 2007, 68 ff.; Krack ZIS 2007, 103 ff.; Saliger/Rönnau/ Kirch-Heim NStZ 2007, 361 ff.; Trüg/Habetha JZ 2007, 878. Jahn/Maier JuS 2007, 215, 217 wollen im Urteil entgegen der Formulierung des BGH (faktische und normative Gesichtspunkte) eine nurmehr rein normative Interpretation der Konkludenz erkennen. Eine normativierende Betrachtungsweise mahnt bereits Kutzner JZ 2006, 712, 715 f. in der gleichen Sache noch zur Entscheidung der Vorinstanz des LG Berlin an. 65 Vgl. BGHSt 51, 165, 171 (= BGH NJW 2007, 782, 784). 66 Vgl. BGHSt 51, 165, 173. 63
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kationsinhalt relevanten Rahmen,67 dass manipulative Handlungen mit Eignung zur Einwirkung auf den Marktpreis verboten sind und somit ein Handeln, das gerade nur bzw. als wesentliches Zwischenziel der Einwirkung auf den Marktpreis und damit keinen legitimen Gründen dient, untersagt sein soll.68 Neben § 20a II WpHG, der irreführende Signale schaffende handelsgestützte Verhaltensweisen dann aus dem Verbot herausnimmt, wenn diese der zulässigen Marktpraxis entsprechen und aus legitimen Gründen vorgenommen werden, gibt § 20a VI WpHG mit dem Journalistenprivileg systematisch weitere entsprechende Hinweise: unzulässig soll es sein, wenn die Journalisten aus ihren irreführenden Angaben und d.h. in der Konsequenz aus einem so erzeugten künstlichen Marktpreis direkt oder indirekt einen Nutzen ziehen oder Gewinn schöpfen.69 Illegitim ist ein Verhalten also immer dann, wenn es wesentlich auf einer zunächst zu erzeugenden Börsen- oder Marktpreisbeeinflussung beruht. Das sich auch aus diesem normativen Korsett von gesetzlichen (§§ 20a, 38, 39 WpHG) als auch verordnungsrechtlichen Regelungen (MaKonV)70 aber auch der Wechselwirkung von gesetzlicher Regulierung und Marktvertrauen71 speisende berechtigte, strafrechtlich erhebliche, da auch unter Rechtsgutsschutzerwägungen anerkennenswerte Erwartungsmuster der Marktteilnehmer impliziert, dass Handlungen im Markt jedenfalls aus anderen Gründen vorgenommen werden, als der illegitimen Börsen- oder Marktpreiseinwirkung. Entsprechend werden deren Signale – im Manipulationsfall zu Unrecht – nicht als irreführend eingeschätzt, sondern nur in ihren anderen möglichen Bedeutungen (s. o.) rezipiert. Den Handlungen und Erklärungen des Marktteilnehmers wird somit die Zusicherung der Marktessentialie einer fehlenden Hinwirkung auf eine Preismanipulation entnommen. Ähnlich dem Kellner, der bei einer Bestellung gerade nicht von der illegitimen Absicht der Zechprellerei ausgeht, besteht eine entsprechende bewusste oder unbewusste Erwartungshaltung auch bei den Marktteilnehmern. Für diese ist der Börsen- oder Marktpreis ein entscheidender Faktor, weshalb dessen Entstehungsgrundlagen Bewusstseins67 Vgl. abermals zur Relevanz des rechtlichen Rahmens neben der Verkehrsanschauung für den Inhalt konkludenter Kommunikation ausdrücklich BGHSt 51, 165, 170. 68 Vgl. zu dieser Konturierung zulässiger von unzulässiger Einwirkung auf die Determinanten der Marktpreisbildung ausführlich unten 3. Kapitel § 2 A. II. 1. 69 Vgl. Sturm ZBB 2010, 20, 34 (zum Journalistenprivileg) und S. 32 ff. zu den sich aus dem Verbot der Marktmanipulation für Journalisten ergebenden Pflichten sowie ferner Schröder NJW 2009, 465, 468 f. 70 Zur Bedeutung von Verordnungen bei „Wandelbarkeit und Ambivalenz der realen Verhältnisse“ Tiedemann FS F.-C. Schröder (2006) S. 641, 642. 71 Vgl. hierzu bereits oben 3. Kapitel § 1 B.
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
erheblichkeit i. S. eines sachgedanklichen Mitbewusstseins besitzen. Im Unterschied zum Betrug und dem face-to-face-Geschäft besteht diese Erwartungshaltung zwar nicht in der direkten Konfrontationssituation. In kollektiver Perspektive besteht diese Erwartungshaltung jedoch im Markt an jedes dortige rechtserhebliche und signalwirksame Verhalten. Eine Handlung zur konkludenten Täuschung des Marktes kann somit sowohl durch irreführende Signale als auch durch einen direkt manipulierten Marktpreis als der erheblichen Leitgröße des Marktes stattfinden. Die Kenntnis um benannte Verkehrsanschauung – insbesondere als Basis darauf aufbauenden Manipulationsverhaltens – ist gerade bei einem spezialisierten Rechtsverkehr mit einem kleinen maßgeblichen Verkehrskreis sehr wahrscheinlich. Kennt der mutmaßliche Täter dennoch den normativierten Sinn seines Verhaltens i. S. seines Erklärungswertes nicht, so ermöglichen die Irrtumsregeln sachgerechte Entscheidungen.72 Versteht man den Kapitalmarkt als elementare Form des für eine marktwirtschaftlich orientierte Wirtschaftsordnung lebensnotwendigen Zusammenbringens von Kapital und Realwirtschaft und erkennt man den besonderen Charakter der gebildeten Sonderinstitution mit ihren speziellen Regeln (bspw. jenen der den Marktteilnehmern entzogenen Dispositionsbefugnis über den einzelnen Kaufpreis; die Momentum-Anonymität zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses) an, so lassen sich auch jene normativierenden Konstruktionen – wie aufgezeigt angepasst – auf den Manipulationstatbestand transferieren, die auf ungeschriebene Wahrheits- oder Aufklärungspflichten abstellen. Mit dem Eintritt eines Akteurs in diesen Markt, treffen ihn jene institutionellen Pflichten.73 Der Markt verlangt als Basis der eminenten Bedeutung des Börsen- oder Marktpreises eine Wahrheitsgarantie i. S. einer Manipulationsfreiheit bezüglich seiner Grundlagen. 72 Vgl. entsprechend zum Betrug Hefendehl MK-StGB § 263 Rn. 89 m. w. N., der in diesen Fällen auf § 16 StGB rekurrieren will. Siehe zur Abgrenzung zum (nur im Rahmen des § 17 StGB etwaig relvanten) Subsumtionsirrtum u. a. Sch/Sch-Sternberg/Lieben § 15 Rn. 44; vgl. überdies Schlüchter (1983) S. 113 u. 116, die in Abkehr vom „Gedanken der Parallelwertung in der Laiensphäre“ bei normativen Tatbestandsmerkmalen Vorsatz „so lange annehmen will, wie der Täter den rechtsgutsbezogenen Bedeutungsgehalt erfasst hat“ (S. 116). 73 Einen diesen kollektiv-institutionellen Ansatz integrierenden und zu einer Kollektivhaftung fortentwickelnden Ansatz bieten neue Haftungsmodelle für das Umwelthaftungsrecht und sonstige komplexe Institutionen. Über die hier allein statuierte bloße Pflichtenstellung hinausgehende, m. E. kritische Weiterungen setzt hierbei beispielsweise die für das Umwelthaftungsrecht entwickelte Theorie einer „market share liability“. Diese verzichtet auf eine individuelle Suche nach dem verantwortlichen Kollektivakteur anhand klassischer, aber für den Bereich nicht brauchbarer Kausalmodelle und knüpft eine Kollektivhaftung für im Markt entstehende Umweltrisiken allein an den Eintritt eines Akteurs in den Markt. Vgl. hierzu m. w. N. Teubner, in: Lübbe (1994) S. 91, 107.
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Zwar wollen einige Stimmen im Rahmen des Betrugs die üblichen Fälle konkludenter Täuschungen dadurch gekennzeichnet sehen, dass die ausdrückliche Erklärung des Täters gerade unvollständig und daher zunächst noch vom Adressaten anhand der Verkehrsanschauung um gewisse geschäftstypische Zusatzannahmen zu ergänzen sei,74 so dass für den Kapitalmarkt bei Manipulationen durch effektive Geschäfte75 denkbar wäre, diesen mit Blick allein auf die – insoweit vollständigen – rechtsgeschäftlichen Erklärungen und damit angesichts ihrer scheinbaren Vollständigkeit den Täuschungscharakter abzusprechen. Dem ist indes mit Blick auf die stark reglementierte Funktionsweise des Kapitalmarkts zu widersprechen: jedem Markthandeln fehlt eine ausdrückliche Konformitätserklärung mit den Regularien des Kapitalmarktes, die in ihrer Gesamtschau gerade verbieten, allein zur Erzielung eines bestimmten Kurses willen zu handeln, wenn diese Motivation nicht – wie beispielsweise bei den Kurspflegemaßnahmen76 – offengelegt wird. Für die Beteiligung am Markt wird diese Marktkonformität vom Markt jedoch als Basis der Funktionsfähigkeit seiner Informationseffizienz erwartet. Die Teilnehmer des Marktes ebenso wie die Marktintermediäre, die die handelsgestützten Manipulationen zunächst durch ihre Orderausführungen in den Marktpreis vermitteln, vertrauen gerade auf das Bestehen dieser Marktkonformität als Grundlage des anonymisierten Handels und Basis aller ihrer stark vom Markt- oder Börsenpreis als Leitgröße beeinflussten Geschäfte. Werden kurswirksame Transaktionen unzulässig und ohne legitime Gründe eingesetzt, so wird das Risiko der Fehlleitung von Kapital (Allokationsfunktion) ebenso gesteigert, wie der Markt seiner Informationsfunktion partiell nicht mehr nachkommen kann. b) Der Einbezug des Subjektiven bei der Täuschung über die Handlungsmotivation Letztlich kann die Abgrenzung beim konkludenten Täuschen und somit auch bei der dieser ähnlichen Konstellation der handelsgestützten Manipulation durch effektive Geschäfte mangels objektiv sichtbarer Differenzierungsmerkmale nicht auf den Einbezug des Subjektiven verzichten.77 74 Vgl. Pawlik StV 2003, 297, 299 unter Verweis auf solche typischen Zusatzannahmen, wie der Zahlungsfähig- und -willigkeit des Kunden. 75 „Fiktive“ Geschäfte (auch „Scheingeschäfte“ oder „arrangierte Geschäfte“ genannt) sind als Komplementärbegriff zu den „effektiven“ Geschäften solche Geschäfte, denen – obgleich ihnen echte Kauf- und Verkaufsaufträge zugrunde liegen – die wirtschaftliche Relevanz fehlt. Vgl. zur Abgrenzung statt vieler Eichelberger (2006) S. 25; Lenzen (2000) S. 9 m. w. N. sowie ausführlich unten 3. Kapitel § 2 A. II. 2. 76 Vgl. hierzu unten 3. Kapitel § 2 A. II. 4.
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
Auf eine ausdrückliche Kurseinwirkungsabsicht als subjektivem Merkmal überschießender Innentendenz wurde jedoch mit dem AnSVG letztlich auch für § 20a I 1 Nr. 3 WpHG verzichtet, der dieses Merkmal im Rahmen des 4. FFG (§ 20a I 1 Nr. 2 WpHG a. F. „zur Einwirkung“) – jedenfalls nach h. M.78 – noch aus § 88 Nr. 2 BörsG a. F.79 überführt bekommen hatte.80 Nachdem der Tatbestand der Marktmanipulation in Deutschland anders als beispielsweise in der Schweiz81 seit 198682 keine Bereicherungsabsicht mehr verlangt, ist zwar eine auf persönliche oder Dritt-Bereicherung abzielende Intention des Manipulanten nicht erforderlich, dürfte aber gemeinhin in den klassischen Manipulationskonstellationen vorhanden sein. Die Bereicherungsabsicht gehört jedoch nicht zum tatbestandlich umschriebenen Kernbereich des Strafbaren. Das Abstellen auf das Subjektive ist mangels Wortlautverankerung ohne gesetzliche Änderungen allerdings nach der hier vertretenen Ansicht richtigerweise nicht in einem Täuschungs- oder Manipulationsabsichtserfordernis zu suchen, sondern kann angesichts einer richtigerweise zu verlangenden Täuschung über innere Tatsachen allein im subjektiven Vorstellungsbild (Täuschung über das Vorhandensein des motivalen Primärziels einer Kurseinwirkung ohne weitere legitime Gründe für die vorgenommene Manipula77 Ähnlich Lenzen (2000) S. 24 f.; Möller, WM 2002, 309, 313; weitergehend eine Abgrenzung nur „nach subjektiven Kriterien“ als möglich ansehend Eichelberger (2006) S. 28, 290 ff. Selbst die Begründung zum Regierungsentwurf zum AnSVG BTDrucks. 15/3174, S. 37 stellt bei § 20a II WpHG für die Abgrenzung auf eine „betrügerische oder manipulative Absicht“ ab. 78 Vgl. hierzu statt vieler Möller WM 2002, 309, 316; Sorgenfrei wistra 2002, 321, 327; Schmitz wistra 2002, 208, 212; Vogel, in: Ass/Schn (3. Aufl.) § 20a Rn. 97 f. m. w. N.; a. A. (auch sicheres Wissen ausreichend) LG München I NJW 2003, 2328, 2329; Tripmaker wistra 2002, 288, 291; Ziouvas ZGR 2003, 113, 142. 79 § 88 BörsG a. F. lautete „Wer zur Einwirkung auf den Börsen- oder Marktpreis [. . .] [es folgten die in Nr. 1 und Nr. 2 beschriebenen Handlungsvarianten] wird [. . .] bestraft.“ 80 Vgl. hierzu Ziouvas ZGR 2003, 113, 127. Der Straftatbestand der Marktmanipulation in der Schweiz enthält dagegen in Art. 161bis das darüber noch hinaus gehende Erfordernis der „Absicht den Kurs erheblich zu beeinflussen“ (vgl. hierzu u. a. Trippel, in: Watter/Vogt (2007) SchwStGB Art. 161bis Rn. 21). 81 Vgl. zum dortigen Art 161bis und dessen Erfordernis einer Bereicherungsabsicht Amstutz/Reinert, in: Niggli/Wiprächtiger (2007) Art. 161bis Rn. 26 ff.; Trechsel/Jean-Richard, in: Trechsel (2008) SchwStGB Art. 161bis Rn. 21; Trippel, in: Watter/Vogt (2007) SchwStGB Art. 161bis Rn. 24 f.; Weber/Schaller SZW/ RSDA 2003, 177, 183. 82 Die frühere Fassung des § 88 BörsG setzte ausdrücklich eine (Bereicherungs-)Absicht voraus: „Wer in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern, (1) auf Täuschung berechnete Mittel anwendet, um auf den Börsen- oder Marktpreis von Wertpapieren einzuwirken . . .“ (BGBl I 1974, S. 570). 1986 wurde jene bereits in der Vorgängervorschrift des § 20a WpHG gestrichen (BGBl I 1986, S. 725).
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tionshandlung) und einem diesbezüglichen Vorsatz (dolus eventualis genügt!) gefunden werden. Die Motivation kann wie Absichten und Gefühle nach h. M. als Teil der Realität gerade tauglicher Gegenstand von Täuschungen (innere Tatsachen) sein, wenn sie – wie bei der Marktmanipulation – in erkennbarer Beziehung zu äußeren Vorgängen oder Zuständen gesetzt ist.83 Die Kritik an jener Konstruktion, welche darauf abstellt, dass allein die allgemeine Erwartung, dass sich Normadressaten normkonform verhalten, nicht zu der Tatsachenbehauptung berechtigte, jeder Normadressat erkläre auch konkludent, er beachte die Norm,84 verkennt die besondere Situation im Kapitalmarkt. Diese zeichnet sich wie gezeigt gerade dadurch aus, dass die Teilnehmer am anonymen und hinsichtlich bestimmter Geschäftsdetails fremdbestimmten85 Kapitalmarkt mit den anderen Marktteilnehmern geschäftliche Kontakte aufnehmen, die entscheidend auf dem Vertrauen und der Erwartung normtreuen Verhaltens im oben beschriebenen Sinne basieren.86 Ansonsten gäbe es diese Kontakte nicht. Hinter dieser Konzeption schimmert wiederum das dahinter stehende Kollektivrechtsgut auf: die Bereitstellung des im Interesse aller bestehenden Rechtsguts Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes setzt voraus, dass sich die Marktteilnehmer darauf verlassen können müssen, dass sich jeder an die Normen hält.87 Vgl. hierzu m. w. N. Tiedemann LK11 § 263 Rn. 12. Vgl. hierzu Altenhain BB 2002, 1874, 1878. 85 So richtet sich der Verkaufspreis nach dem Marktpreis und wird gerade nicht frei verhandelt; vgl. hierzu auch unten 3. Kapitel § 2 B. I. 1. 86 Das von Altenhain gewählte Beispiel des Straßenverkehrs (Ein über eine rote Ampel fahrender Verkehrsteilnehmer enttäusche lediglich das Vertrauen der Verkehrsteilnehmer, dass sich auch die anderen Verkehrsteilnehmer an die Regeln des Straßenverkehrs halten, täusche diese aber nicht; vgl. Altenhain BB 2002, 1874, 1878 Fn. 38) ist insoweit schlecht gewählt, als der Straßenverkehr zum einen mehr oder minder transparent ist und zum anderen die soziale Begegnung eine rein zufällige und keine bewusst gewählte, geschäftliche Beziehung darstellt. Darüberhinaus geht es bei der Teilnahme am Straßenverkehr in Form des Überfahrens von Kreuzungen nicht um das Ausnutzen von Vertrauen, um mit dessen Hilfe Folgeziele zu verwirklichen. Würde man Altenhains Beispiel auf weitere Bereiche abstrahieren, gäbe es vermutlich überhaupt keine konkludente Täuschung (auch nicht im Individualbereich), da beispielsweise auch im bekannten Beispiel eines Zechprellers jener genau genommen dann auch nur das Vertrauen des Gegenübers in die Norm- und Vertragstreue ausnützt. 87 Von Wittig (ZStW 107 (1995) 251, 263) für die allgemeine Rechtsgutslehre anhand des Kollektivguts „soziale Ordnung“ als sog. Gewissheitsproblem bezeichnet, sorgt die diesem fehlende Abhilfe Zeit ihres Ausbleibens für eine Instabilität der gesellschaftlichen Zusammenarbeit. Ihre sich anschließende Argumentation hebt die notwendige Anreizwirkung positiver und negativer Sanktionen für die Normbebzw. Nichtbefolgung als externe, auf dem Rational-Choice-Ansatz beruhende Steuerungsmechanismen hervor. Auf das Delikt der Marktmanipulation bezogen, kann dieses erst dann wirksam dem Kollektivrechtsgut dienen, wenn in Form eines bereitgestellten wirksamen Sanktionensystems auch in Fällen sog. Free-Rider, also jenen 83 84
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
Der Börsen- oder Marktpreis bedeutet die entscheidende Geschäftsgrundlage für alle Marktteilnehmer und bedingt die kollektive Erwartung, repräsentiert durch jeden einzelnen Marktteilnehmer, dass dieser Börsen- oder Marktpreis – von den Ausnahmen abgesehen88 – nicht Transaktionen enthält, die ohne weitere legitime Gründe allein im Bewusstsein ihrer Börsenoder Marktpreiseinwirkungserheblichkeit und damit marktinkonform getroffen wurden. Die insoweit am hier dargebotenen Ansatz voraussehbar übbare Kritik, dieser bestrafe letztlich allein wegen der vorhandenen inneren Motivation und laufe daher auf ein Gesinnungsstrafrecht hinaus, das mit dem Grundprinzip des deutschen Strafrechts „Cogitationis poenam nemo patitur“89 kollidiere, wäre jedenfalls – soweit man sie nicht ohnehin als fehlgehend beurteilen wollte (hierzu sogleich) – auch gegenüber weiten Teilen der geltenden Betrugsdogmatik angebracht. Zum einen wird vorliegend nicht allein der „böse Wille“ bestraft, sondern knüpft die Strafbarkeit gerade an dessen objektiver Verwirklichung in Form einer im Markt wahrnehmbaren Handlung an. Diese verlässt insoweit die „interne bürgerliche Sphäre“ als Hort illegitimer Verhaltensinkriminierung.90 Der Handelnde maßt sich an, „fremde Organisationskreise“ durch Ausnützen bestimmter Erwartungsmuster im Markt zu gestalten.91 Die vorliegende Lösung will dabei ausdrücklich nicht auf den subjektiven Täuschungsbegriff des 4. Strafsenats in seiner Insertionsofferten-Entscheidung rekurrieren, auch wenn es dieser – noch weitergehend – für das Bestehen einer Täuschung genügen lässt, wenn das Verhalten des Täters „objektiv geeignet und subjektiv bestimmt ist, beim Adressaten eine Fehlvorstellung über tatsächliche Umstände hervorzurufen.“92 Mit Recht wurde dieser Entscheidung entgegengesetzt, dass dasjeAkteuren, die vom Kollektivgut und seinen Wirkzusammenhängen profitieren, ohne einen Beitrag zu leisten (eben den Manipulanten) zur Anwendung kommt. Vgl. zum sog. Free-Rider-Problem (vereinzelte Zuwiderhandlungen wären für sich genommen mit dem Argument, bis zu einer bestimmten Schwelle seien diese in ihrer Summe unschädlich, hinnehmbar) Feinberg (1990) S. 183, 13 f., 202 f.; Hefendehl (2002) S. 193. 88 Vgl. zur Kurspflege unten 3. Kapitel § 2 A. II. 4. 89 Der Satz Ulpians (vgl. hierzu u. a. Hirsch FS Roxin [2001] S. 711, 722; Welzel Strafrecht [11. Aufl. 1969] § 24 I 1 [= S. 187]) lässt sich etwa mit „Niemand erleidet Strafe für seine Gedanken“ übersetzen. 90 Vgl. für eine derartige Grenzziehung bei der Legitimierung von Vorfeldnormen Jakobs ZStW 97 (1985) 751, 761. 91 Vgl. zu diesem Gedanken als Grundlage legitimer Vorfeldinkriminierungen Jakobs ZStW 97 (1985) 751, 762. 92 BGHSt 47, 1, 5. Vgl. zur Kritik u. a. Krack JZ 2002, 613 ff.; Pawlik StV 2003, 297, 299; Rath (2002) S. 7 ff.; Scheinfeld wistra 2008, 167, 169 ff.; Schneider StV 2004, 537, 539 kritisiert die Marginalisierung der objektiven Täuschungskomponente durch den BGH als „gefährliche Tendenz zu einem Gesinnungsstrafrecht“.
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nige, was vom Verkehr nach seinen Anschauungen als konkludent miterklärt werde, unabhängig von den konkreten Absichten des Erklärenden sei.93 Im Kapitalmarktbereich geht der Markt bei bestimmten Anlageentscheidungen generell aber gerade davon aus (vgl. oben), dass diese nicht dazu dienen, lediglich den Markt irrig in eine bestimmte Richtung zu lenken. Der Bezugspunkt des Irrtums und damit auch eines entsprechend vorgelagerten objektiven Manipulationshandelns ist insoweit eine scheinbar vorhandene, legitime Handelsmotivation. Kritisiert man an diesem Einbezug der Motivation ferner die damit einhergehende eigentlich nach dem herrschenden, engen Tatsachenbegriff unmögliche Bestrafung zukünftig zu erwartender Ereignisse (zukünftige Kursbeeinflussung), so liegt darin ein aus der Perspektive eines engen, aber insoweit nicht sakrosankten Täuschungsbegriffs berechtigter, aber auf die gesamte Betrugsdogmatik übertragbarer Vorwurf.94 Die weitergehende Frage, warum nicht über innere Tatsachen getäuscht werden könne, wenn diese für den Verkehrskreis Relevanz besitzen, wäre darüber hinaus von Gegnern eines Einbezugs bloßer – beim Täuschenden gerade nicht vorhandener – Absichten (z. B. Zahlungswille beim Zechbetrug o. ä. Vorleistungskonstellationen) zu beantworten. Nachdem es bei der Täuschung nicht um Tatherrschaft über zukünftiges Verhalten, sondern allein die Informationsherrschaft zur Tatzeit geht,95 verfängt allein die Kritik am Zukunftsbezug der inneren Tatsache einer Absicht nicht. Das Festhalten am Tatsachenbezug stellt keinen Selbstzweck dar, sondern bietet den Anknüpfungspunkt, an dem sich die für den Betrug maßgebliche Irreführung überhaupt nur messen lässt. Im Übrigen zeigt auch die vom BGH96 weitgehend von Roxin97 übernommene Dogmatik bei der Beihilfe durch neutrales Verhalten98 mit ihrem differenzierten Abstellen auf den „deliktischen Sinnbezug“ durchaus, dass einer als solchen legalen Handlung allein durch die dahinter liegenden subjektiven Merkmale eine – so zumindest konsentierte – strafrechtserhebliche Sozialschädlichkeit als Beihilfehandlung zukommen 93
Vgl. m. w. N. Scheinfeld wistra 2008, 1167, 171. Vgl. hierzu u. a. Tiedemann LK11 § 263 Rn. 12, der diesen Umweg des Einbezugs zukünftiger Tatsachen über Motive/Absichten anerkennen will. 95 Vgl. hierzu grundlegend Kasiske GA 2009, 360, 365 ff., der im Missbrauch jener Informationsherrschaft das für die konkludente Täuschung beim Betrug maßgebliche Momentum sieht. 96 Vgl. hierzu u. a. BGHSt 46, 107, 112 f. Siehe ferner zur Rechtsprechung Schünemann LK12 § 27 Rn. 21 f. m. w. N. 97 Vgl. u. a. Roxin AT II § 26 Rn. 218 ff. 98 Vgl. zur kontroversen Diskussion statt vieler Schünemann LK12 § 27 Rn. 17 ff. mit umfangreichen Nachweisen auch zu abweichenden Literaturstimmen, die teilweise die Beihilfestrafbarkeit wesentlich einschränken (Rn. 24 ff.) oder im Vergleich zur Differenzierungslösung erweitern wollen (Rn. 28). 94
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
kann. Ein deliktischer Sinnbezug soll nach h. M. aber neben den Fällen einer absichtlichen Deliktsunterstützung gerade auch dann bestehen, wenn der einzige Zweck der geförderten Handlung darin besteht, dass diese – wie dem Gehilfen bekannt ist – der Ermöglichung oder Erleichterung einer Straftat dient. Ein deliktischer Sinnbezug fehlt indes, wenn die legale Handlung bereits für sich genommen (d.h. ohne ein davon unabhängiges Deliktsverhalten) für den Täter sinnvoll und nützlich ist und der Gehilfe dies weiß.99 Hält der Täter die deliktische Verwendung seines Beitrages nur für möglich (dolus eventualis), so wird die Grenze zur strafbaren Beihilfe erst dann überschritten, wenn das vom Gehilfen „erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm unterstützten [. . .] derart hoch [war], dass er sich mit seiner Hilfeleistung die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein ließ.“100 Die Abgrenzung von erlaubtem Verhalten und strafbarer Beihilfe erfolgt somit nicht etwa objektiv nach ihrer Üblichkeit, sondern einzig subjektiv nach dem Kenntnishorizont des außenstehenden potentiellen Gehilfen.101 Die dortigen Argumentationslinien lassen sich zumindest für die hiesige Konstruktion fruchtbar machen: der deliktische Sinnbezug ergibt sich bei den Manipulationshandlungen durch effektive Geschäfte daraus, dass die Handlung des Manipulanten gerade keinen anderen legitimen Zweck erfüllt. Auch wenn sich durch diese Beispiele keine allumgreifliche Legitimierbarkeit einstellt, zeigt sich hieran doch, dass ein derartiges Anknüpfen an insoweit strafbegründende objektiv in ihrem Vorliegen erforderliche subjektive Elemente dem geltenden Strafrecht zumindest auch in anderen Bereichen nicht fremd ist. Knüpft die vorliegende Konzeption somit an eine Täuschung über innere Tatsachen (das Nicht-Fehlen legitimer Gründe) an, so können ihr insoweit zumindest methodologische Verwandte beiseite gestellt werden. IV. Zusammenfassung Der Kern des Strafbaren im Rahmen der de lege lata vorfindlichen102 Marktmanipulation wird somit zusammenfassend darin gesehen, dass mittels der tatbestandlich umschriebenen Handlungen auf einen Makroebenen99
Vgl. Roxin AT II § 26 Rn. 223. BGHSt 46, 107, 112 m. w. N. 101 Vgl. so konkludierend Schünemann LK12 § 27 Rn. 19. 102 Vorliegende Überlegungen elaborieren also keine nur dem Gesetzgeber zustehende Rekonzeptualisierung des Delikts der Marktmanipulation, sondern sollen allein anhand des Gesetzestextes und dem geschützten Rechtsgut zeigen, dass die gewählte Auslegung den Tatbestand der Marktmanipulation (über einzelne Zweifelsfragen hinweg) in einem verfassungsrechtlich ausreichend bestimmten Licht erscheinen lassen kann. 100
§ 1 Überblick über die Regelung
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irrtum in Form einer Preiseinwirkung hingewirkt werden soll. In Deutschland wird bei der Marktmanipulation somit nicht die Lüge per se zum strafbaren Moment,103 da ihr neben der Preiseinwirkungseignung mit dem Preiseinwirkungskriterium des § 38 II WpHG ein objektives Außenweltereignis beiseite gestellt worden ist (vgl. hierzu unten 3. Kapitel § 2 B.). Die Figur des Makroebenenirrtums wird damit zum Synonym für das in jedem künstlichen Preis liegende Potential, den Markt fehl zu lenken. Diese Begrifflichkeit greift das Verständnis und die Funktion des Marktpreises als informativem Leitmedium auf und interpretiert den Manipulationstatbestand entsprechend. Das Zielobjekt der Manipulation ist in anonymen Kapitalmärkten allein der Marktpreis, der neben seiner Implementierung von Erwartungen und Prognosen mehr oder minder auf dem Grundsatz der Informationseffizienz basiert. Der Marktpreis stellt daher (auch in reduktionierender Operationalisierung der den Aktienwerten zugrunde liegenden Hintergrundkomplexität) ein Leitkriterium für alle Anlageentscheidungen der Mikroebenenakteure dar. Ein künstlicher Marktpreis verschafft dem Manipulanten den Vorteil einer mithin existierenden mehr oder minder stark und zumeist nur kurzweilig vorhandenen Informationsasymmetrie,104 auf deren Grundlage seine zumeist, aber wegen des Kollektivrechtsguts nicht notwendig pekuniär bestimmte Manipulationsstrategie fußt. Dass dem Marktpreis eine Manipulation und nicht das reguläre Spiel der Marktkräfte und Markterwartungen zugrunde liegt, dass er also künstlich ist, weiß nur der Manipulant. Dieser künstliche Zustand des Preises kann sowohl durch direkte Einwirkung des Manipulanten, als auch mittelbar durch Irreführung anderer Marktteilnehmer erfolgen. Der künstliche Marktpreis stellt einen unerwünschten Makroebenenzustand dar, bildet er doch zum einen das Ergebnis eines funktionswidrig manipulierten Marktmechanismus (Mikro-Makro-Transition) als auch – unter dem Gedanken möglicher Kumulationseffekte – eine Gefahr im Hinblick auf den Bestand des gesamten Systems, das auf dem Vertrauen der Mikroebenenakteure in den Bestand des Systems basiert. Der individuelle, allein oder erst in Verbindung mit anderen entsprechenden Irrtümern (samt entsprechenden Transaktionsentscheidungen) preiswirksame Mikroebenenirrtum bildet für den Makroebenenirrtum lediglich das – notwendige – Durchgangsstadium 103
Vgl. für den Betrug – aber in einem liberalistischen Konzept verallgemeinerungsfähig – bereits Bockelmann FS Kohlrausch (1944) S. 224, 240: „Die Lüge ist zwar immer sittlich verboten. Aber rechtlich erheblich ist sie nur dann, wenn sie praktische Wirkungen erzeugt hat“. 104 Jene unangemessenen Preise will der Gesetzgeber – nicht zuletzt auch durch umfassende Publizitätspflichten zur Beseitigung von Informationsasymetrien – gerade zur Schaffung der Grundlage verlässlicher Kauf- oder Verkaufsentscheidungen verhindern, vgl. Möllers/Leisch WM 2001, 1648, 1652; Veil ZHR 2003, 365, 366.
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
auf dem Weg zur Störung der Informationseffizienz. Die Informationseffizienz des Marktes beruht sowohl auf Faktoren aus der Ebene der Informationseinspeisung in den Markt als auch auf der mittelbaren Informationsweitergabe durch das makrospezifische Emergenzprodukt aller Markttransaktionen, dem Börsen- oder Marktpreis. Die Irreführung durch informationsgestützte Manipulationen betrifft unmittelbar die Informationseinspeisung, die handelsgestützten Manipulationen dagegen verfälschen – falls erfolgreich – die bereits im Markt vorhandene Informationslage durch das Setzen unmittelbarer, von der tatsächlichen Informationslage abweichender Signale für den Preis. Handlungsbasierte Manipulationen105 dagegen kreieren durch das Verfälschen des inneren Wertes von Unternehmen (bzw. durch Sabotage an der Qualität der Produkte) neue Informationen, die bei ihrer Einspeisung in den Markt wiederum das vorhandene Informationsbild anreichern, es aber im Gegensatz zu den anderen beiden Manipulationsarten nicht verfälschen. Nachdem diese Manipulationsart nur einer Mindermeinung nach überhaupt vom Auffangtatbestand des § 20a I 1 Nr. 3 WpHG umfasst, dann aber als sonstige Täuschung auszulegen sein soll, löst sich diese strukturelle Inkonsistenz mit den beiden anderen Manipulationsarten insoweit auf. Letztlich können daher alle Manipulationshandlungen als informationsbasierte Marktirreführung verstanden werden106 und lediglich in ihrer konkreten Ausgestaltung nach informations-, (handlungs-) oder handelsbasierten Manipulationshandlungen ausdifferenziert werden. Gleichsam wird rechtsgutssystematisch deutlich, dass die „kollektive Schaltstation“107 an welcher das Strafrecht aus kriminalpolitischen Gründen zum Schutz des Kollektivrechtsgutes der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes ansetzen muss, gerade hier einzuklinken hat. Der unerwünschte Makroebenenirrtum hat seine gesetzliche Fixierung durch das Einwirkungserfordernis in § 38 II WpHG erhalten, wobei noch darzulegen sein wird, ob in Form eines tatbestandlichen Erfolges (wie nach der h. M.) oder eines sonstig qualifizierenden Merkmals.108 Das Abstellen auf jenen Makroebenenirrtum abstrahiert somit vom individuellen Irrtum einzelner Anleger und damit einer allzu individualistisch geprägten Sichtweise auf das Delikt, welche angesichts dessen kollektiver 105
Ob diese Manipulationsart vom geltenden Tatbestand des § 20a WpHG erfasst wird, ist umstritten und richtigerweise abzulehnen. Vgl. hierzu unten 3. Kapitel § 2 A. III. 2. b) cc). 106 Ähnlich Donald German Law Journal 6 (2005) 649, 664 f. 107 Schünemann, in: Hefendehl (2003) S. 133, 151 sieht jene Schaltstation für den vorverlagerten Schutz des Kollektivrechtguts der „Transparenz des Kapitalmarktes“ bei § 264 a StGB zu Recht bereits im Emissionsprospekt. Vgl. darüber hinaus ders. GA 1995, 201, 213. 108 Vgl. hierzu unten 3. Kapitel § 2 B. I. 4.
§ 2 Objektiver Tatbestand
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Schutzrichtung als Delikt des „Großsteuerungsstrafrechts“109 gerade nicht angezeigt ist. Das per se gerade nicht individualisierbare Anlegerfeld wird somit lediglich in seiner Vermittlerrolle im Rahmen eines Makro-MikroMakro-Modells gesehen. Anders als in anderen Konstellationen gibt es mit dem Börsen- oder Marktpreis ein sichtbares Produkt multipler Mikroebenenentscheidungen auf der Makroebene und damit einen objektivierbaren Ansatzpunkt für den Kollektivschutz.
§ 2 Objektiver Tatbestand A. Tathandlung Die nachfolgenden Ausführungen zu den Tathandlungen verstehen sich nicht als umfassende Kommentierung und Bearbeitung aller in deren Kontexten auftauchenden Streitfragen.110 Vielmehr soll in diesem Abschnitt neben dem Versuch, einen Weg zur Synchronisierung von verfassungsrechtlich geforderter Tatbestandsbestimmtheit und Effektivität in der Begrenzung rechtsgutsschädlichen Marktverhaltens zu suchen, die Basis für die sich im folgenden Teil anschließende umfangreiche Analyse des als Hauptproblem des Manipulationstatbestandes bezeichneten111 Einwirkungserfordernisses bereitet werden. I. Marktmanipulation gemäß § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG § 20a I 1 Nr. 1 WpHG verbietet es, unrichtige oder irreführende Angaben über Umstände zu machen oder als solche zu verschweigen, die für die Bewertung eines Finanzinstrumentes112 erheblich sind, wenn die Angaben oder das Verschweigen geeignet sind, auf den inländischen Börsen- oder Marktpreis eines Finanzinstrumentes oder auf den entsprechenden Preis an einem organisierten Markt in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäi109 Vgl. zu dieser Begrifflichkeit Hefendehl (2002) S. 141 unter Verweis auf Kuhlen GA 1994, 347, 367. 110 Hierzu sei auf die hierauf das Hauptaugenmerk legende, penibel vorgehende Arbeit insbesondere von Eichelberger (2006) verwiesen. Siehe hierzu im Übrigen die Nachweise oben 1. Kapitel § 1 Fn. 26. 111 Vgl. so statt vieler Hellgardt ZIP 2005, 2000, 2007; Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 38 Rn. 52. 112 Entsprechendes gilt für Waren i. S. d. § 2 Abs. 2c WpHG (dort benannte fungible Wirtschaftsgüter), Emissionsberechtigungen (§ 3 IV 1 Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz) oder ausländische Zahlungsmittel (§ 51 BörsG), sofern sie an einer inländischen Börse oder einem vergleichbaren Markt gehandelt werden (§ 20a IV WpHG). Zu Strombörsen vgl. Jahn ZNER 2008, 297 ff. [307].
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
schen Union oder Vertragsstaat des Europäischen Wirtschaftsraums einzuwirken. Er regelt damit in seinen beiden Alternativen die informationsgestützte Manipulation. 1. Begehungsalternative § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG a) Unrichtige oder irreführende Angaben über Umstände Unter Angaben i. S. d. § 20a I 1 Nr. 1 WpHG unterfallen unstreitig Äußerungen über Tatsachen, als inneren oder äußeren Zuständen, Geschehnissen oder Ereignissen der Vergangenheit oder Gegenwart, die dem Beweis zugänglich sind.113 Ob darüber hinaus auch Werturteile und Prognosen,114 Empfehlungen und Gerüchte unter den Angabenbegriff subsumiert werden können, ist strittig. Die (noch) herrschende Ansicht verlangt – auch bereits zur alten Fassung und damit unter Rekurrieren auf das Merkmal der Unrichtigkeit – dass Angaben jedenfalls einen Tatsachenkern besitzen müssen.115 Insoweit wird die Auslegung der Angabe weitgehend parallel zu § 264a StGB vorgenommen und geht über den der nachprüfbaren Tatsache hinaus, indem auch Prognosen und Bewertungen erfasst werden sollen, sofern sie einen Tatsachenkern enthalten.116 Der Gesetzgeber hat sich für bloße Gerüchte (sog. unverbürgte Nachrichten), die per se lediglich Vermutungen über Tatsachen darstellen, explizit dahingehend geäußert, dass diese nicht unter den Angabenbegriff gefasst werden können, aber als sonstige Täuschungshandlungen i. S. d. § 20a I 1 Nr. 3 WpHG nicht aus dem strafrechtlichen Raster fallen.117 Gleiches gilt nach dem Emittentenleitfaden der BaFin auch für sonstige frei erfundene Informationen (neben Gerüchten oder Empfehlungen auch Warnungen ohne jeglichen sachlichen Grund).118 113
Vgl. Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 69; Schröder (2007) 3. Kap C I Rn. 387 (= S. 145). 114 Siehe weiterführend zur Haftungsrelevanz von Prognosen im Prospekthaftungsrecht Fleischer Gutachten F 58 ff. und zuletzt Veil AG 2006, 690 ff. (auch zum im Markt bestehenden Druck solche Prognosen abzugeben). 115 Vgl. Schönhöft (2006) S. 56 ff.; Schwark, in: Schwark WpHG § 20a Rn. 12; Sorgenfrei wistra 2002, 321, 323; Waschkeit (2007) S. 266 f.; Ziouvas ZGR 2003, 113, 127. Für generellen Einbezug dagegen bereits u. a. Schröder (1994) S. 7; Schäfer-Ledermann BörsG § 88 Rn. 8. 116 Vgl. u. a. Schwark, in: Schwark WpHG § 20a Rn. 11 m. w. N. Für den Einbezug von Prognosen findet sich zwischenzeitlich mit § 2 I S. 2 MaKonV, der auch erst in Zukunft eintretende Umstände unter den Umstandsbegriff fasst, auch eine ausdrückliche normative Anknüpfungsmöglichkeit. 117 Vgl. RegE 4. FFG BTDrucks. 14/8017 S. 90. 118 BaFin, Emittentenleitfaden (2005) S. 89 bzw. dies., Emittentenleitfaden (2009) S. 108.
§ 2 Objektiver Tatbestand
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Dies entspricht im Ergebnis – einer jedenfalls über § 20a I 1 Nr. 3 WpHG möglichen Strafbarkeit – obigem Ansatz der Maßgeblichkeit des herbei zu führenden Makroebenenirrtums und damit Sinn und Zweck des Marktmanipulationsverbotes, da gerade auch durch falsche Gerüchte und bloße Empfehlungen die Mikroebenenakteure sich, wie die Erfahrungen der Verhaltensökonomik (Behavioral Finance) aber auch der Verhaltenstheorie der Rationalen Wahl (Rational Choice und Homo Oeconomicus Annahme) zeigen, als anfällig für irreführende Beeinflussungen erweisen, was zu einem künstlichen Preis führen kann.119 Allerdings ist die herrschende Meinung bereits dann nicht widerspruchsfrei, wenn sie Gerüchte aus den Angaben i. S. d. § 20a I 1 Nr. 1 WpHG ausklammert, wären doch von ihrem Ausgangspunkt Gerüchte jedenfalls dann einzubeziehen, wenn sie sich auf einen Tatsachenkern beziehen.120 Richtigerweise sollte daher das Streuen von Gerüchten – als Verdacht einer Tatsache121 – grundsätzlich als tatbestandsrelevant eingestuft werden, da die Richtigkeit bzw. Unrichtigkeit des Gerüchts (z. B. des angeblichen Gewinnsprungs oder Verlusteintritts bei dem betreffenden Unternehmen) regelmäßig einer Überprüfung unterzogen werden kann.122 Im Übrigen lässt weder allein der Begriff der Angabe, noch die nunmehrige Fassung des § 20a I 1 Nr. 1 WpHG („unrichtige oder irreführende Angaben“) eine Beschränkung des § 20a I 1 Nr. 1 WpHG auf Tatsachenkernerklärungen dem Wortlaut nach erkennen. Der Begriff der Angabe verlangt lediglich, dass es sich um eine Erklärung, Äußerung oder Mitteilung und damit einen kommunikativen, mithin auch konkludenten, Akt handelt.123 Nachdem jedoch § 20a I 1 Nr. 1 WpHG auf Angaben über Umstände Bezug nimmt, die Regierungsbegründung des AnSVG zu § 13 WpHG124 und dessen synonym gebrauchten Tatbestandsmerkmal die „Existenz“ oder das „Eintreten“ von Umständen beschreibt und schließlich die Begründung der MaKonV ausdrücklich einen Gleichlauf beider Begrifflichkeiten befürwortet,125 ist dieses Anknüpfen an einen erweiterten, da zukünftige Ereignisse mit einbeziehenden Tatsachenkern in § 20a I 1 Nr. 1 WpHG auch ohne ausdrückliche Verwendung des Wortes „Tatsachen“ zu konstatieren. Die auf 119
Vgl. hierzu ausführlich unten 3. Kapitel § 2 B. II. 3. Vgl. ebenso m. w. N. Fleischer/Schmolke AG 2007, 841, 852 f.; Mock/Stoll/ Eufinger KK-WpHG § 20a Rn. 156; Worms, in: Assmann/Schütze (2007), § 9 Rz. 106. 121 Vgl. Papachristou (2006) S. 239 m. w. N. 122 Vgl. ebenso Worms, in: Assmann/Schütze (2007), § 9 Rz. 106. 123 Zutreffend daher Eichelberger (2006) S. 239; Mock/Stoll/Eufinger KK-WpHG § 20a Rn. 156. 124 RegE BTDrucks. 15/3174, S. 33. 125 Vgl. BRDrucks. 18/05 S. 12. 120
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
einen Tatsachenbezug gänzlich verzichtende, im Vordringen befindliche Gegenmeinung126 argumentiert zwar völlig zu Recht mit der sich in der Kapitalmarktforschung empirisch nachweislichen Tauglichkeit auch von reinen Empfehlungen und Werturteilen zur Kursbeeinflussung,127 so dass ein Anknüpfen an den Gedanken, dass sich Anleger bei ihren Entscheidungen immer nur rational an Tatsachen orientieren würden, unter Schutzzweckerwägungen verkürzt wäre.128 Allerdings bezieht diese Auslegung in Überbetonung der Teleologie allzu wenig den insoweit eindeutigen Wortlaut des § 20a I 1 Nr. 1 WpHG („Angaben über Umstände“; „unrichtig oder irreführend“) mit ein. Unrichtig oder irreführend kann eine Angabe nur sein, wenn sie von etwas anderem abweicht bzw. eine Abweichung veranlasst.129 Im Endeffekt lassen sich jedoch beide Ansichten in ihren Argumenten in den Zustand praktischer Konkordanz bringen. Das Stützungsargument der Mindermeinung, § 2 I 1 MaKonV beschreibe als bewertungserhebliche Umstände sowohl Tatsachen wie Werturteile,130 lässt sich bereits nach der Begründung zur insoweit gleichlautenden Vorgängernorm der KuMaKV,131 welche Werturteile als Umstände nur in solchen Konstellationen ansehen will, in denen die Angaben die Existenz und/oder den Inhalt der eigenen Werturteile oder derjenigen Dritter unrichtig wiedergeben,132 auch in Über126 Vgl. u. a. Eichelberger (2006) S. 242; ders. WM 2003, 2121, 2125; Fleischer ZBB 2008, 137, 140; ders., in: Fuchs WpHG § 20a Rn. 17; Mock/Stoll/Eufinger KK-WpHG § 20a Rn. 157; Spindler NZG 2004, 1138, 1143; Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 70; Worms, in: Assmann/Schütze (2007) § 9 Rn. 112 und bereits Schäfer-Ledermann § 88 BörsG Rn. 8. Siehe darüber hinaus m. w. N. zur für § 88 BörsG insoweit noch überwiegenden Meinung im Schrifttum Arlt (2004) S. 147, der selbst für eine Tatsachenbindung plädiert. 127 Vgl. hierzu instruktiv und m. w. N. Fleischer/Schmolke AG 2007, 841, 852 f. und passim. 128 Vgl. Eichelberger (2006) S. 240 ff.; Fleischer ZBB 2008, 137, 140; Fleischer/Schmolke AG 2007, 841, 852 f. 129 A. A. wohl Mock/Stoll/Eufinger KK-WpHG § 20a Rn. 162, nach denen ein reines Werturteil unrichtig sein soll, wenn es bei verständiger Würdigung evident unvertretbar ist. M. E. kann die Prüfung einer Vertretbarkeit eines Werturteils aber nur dann sinnvoll geschehen, wenn es einen objektiven Anknüpfungspunkt gibt, auf welchen sich das Werturteil bezieht. Andernfalls stellt ein Werturteil immer ein nicht nachprüfbares subjektives Moment dar. 130 Vgl. so Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 72. 131 BRDrucks. 639/03 S. 9 f. 132 Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 33 will mit dieser Formulierung dagegen allein offenbar in der Vergangenheit artikulierte eigene Werturteile und Empfehlungen oder solche Dritter einbeziehen. Dann würde die Unterscheidung zwischen der unbeachtlichen Differenz von Erklärung und tatsächlicher Überzeugung und jener von Erklärung und früherer Erklärung jedoch allein und insoweit wegen des Gleichrangs von inneren und äußeren Tatsachen ungerechtfertigt darauf abstellen, dass im zweiten Fall eine äußere Tatsache (frühere Erklärung), im
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einstimmung mit den Postulaten der herrschenden Meinung bringen. Dass eine bestimmte Person eine Meinung vertritt oder eine Bewertung abgegeben hat bzw. auch deren Entäußerungsbedingungen,133 stellen jeweils einen Umstand dar. Auch aus dem Gegenschluss zu § 13 II WpHG134 zeigt sich, dass die Existenz einer Bewertung durchaus einen Umstand i. S. d. des § 13 WpHG aber auch des § 20a WpHG darstellen kann.135 In den Fällen, in welchen ein – auch einer Empfehlung inzident zugrunde liegendes – Werturteil nicht der tatsächlichen Auffassung des Erklärenden entspricht, gibt dieser ein konkludent136 unrichtiges Werturteil wieder.137 Entspricht das Werturteil (und damit auch eine darauf aufbauende Empfehlung)138 der tatsächlichen Meinung des Erklärenden, liegt – außer in den Fällen des Scalping139 – keine unrichtige oder irreführende Angabe vor. In den Fällen von Werturteilen ist daher der „Umweg über die innere Tatsache des von einem Werturteil Überzeugtseins“140 wegen des insoweit eindeutigen Wortlauts des § 20a I 1 Nr. 1 WpHG gerade vonnöten. Einschränkend wirkt in diesen Fällen das zusätzliche Merkmal der Bewertungserheblichkeit, da Werturteile ohne ausdrückliche Tatsachenbasis, aber in Abweichung von der tatsächlichen Meinung des Erklärenden, überhaupt nur dann als für ersten Fall eine innere Tatsache (Nicht-Überzeugtsein vom erklärten Werturteil) von der tatsächlich gemachten Angabe abweicht. 133 Entsprechend unterfallen auch Kaufempfehlungen in vertraulichen, bewusst „irregeleiteten“ E-Mails dem Manipulationsverbot; vgl. Fleischer ZBB 2008, 137, 141 m. w. N. 134 § 13 II WpHG lautet: „Eine Bewertung, die ausschließlich auf Grund öffentlich bekannter Umstände erstellt wird, ist keine Insiderinformation, selbst wenn sie den Kurs von Insiderpapieren erheblich beeinflussen kann.“ 135 Ebenso Assmann, in: Ass/Schn WpHG § 13 Rn. 16. 136 Einem ohne Einschränkung gegebenem Werturteil wird konkludent die zusätzliche Erklärung entnommen, dieses stimme auch mit der persönlichen Meinung überein. Ob dieser unrichtige Umstand für die Bewertung eines Finanzinstrumentes erheblich ist, ist eine andere Frage. 137 Vgl. ebenso für den Betrug Pawlik (1999) S. 95 m. w. N., der mit Recht darauf verweist, dass auf dieses Konstrukt (als Ausfluss der sprachanalytischen Aufrichtigkeitsregel) auch von der h. M. – wenn auch nur in bestimmten Konstellationen (besondere Fachkompetenz, Erklärungsgegner nicht in der Lage, Bewertungsgrundlagen nachzuprüfen) – Rückgriff genommen wird; a. A. Tiedemann LK11 § 263 Rn. 9 (vgl. andererseits aber auch Rn. 16: „Prognosen können schließlich über die Figur der inneren Tatsache, insbesondere der Überzeugung des Täters, Tatsachencharakter annehmen.“ [Hervorherbung durch d. Verf.]). 138 Die gebräuchlichen Analystenempfehlungen „Kaufen“, „Halten“ und „Verkaufen“ werden in der Praxis ohnehin zumeist mit Kurzbegründungen versehen, die an Unternehmensdaten und damit weitere externe Tatsachen (neben der „inneren“ Überzeugung) anknüpfen. 139 Vgl. hierzu ausführlich unten 3. Kapitel § 2 A. III. 2. b) bb). 140 Eichelberger (2006) S. 241.
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
individuelle Bewertungen des Finanzinstrumentes als erheblich angesehen werden, wenn dem Erklärenden vom Börsenpublikum eine besondere Fachkunde und Popularität zugeschrieben wird.141 Allerdings zwingt der Wortlaut – gerade auch unter Berücksichtigung des zusätzlichen Merkmals „irreführend“ neben „unrichtig“ – nicht zu einer Verlagerung all jener Manipulationsversuche in § 20a I 1 Nr. 3 WpHG zumal dieser im Gegensatz zu seiner Vorgängervorschrift § 20a I 1 Nr. 2 WpHG a. F. nicht nur dann gilt, wenn eine tatbestandlich erforderliche Einwirkungsabsicht142 vorliegt, und sich somit bei der Subsumtion unter das alleinige Merkmal der „sonstigen Täuschungshandlungen“ insoweit die gleichen Sachfragen wie im Rahmen des § 20a I 1 Nr. 1 WpHG zur Reichweite von Tatsachenbezügen stellen.143 Im Ergebnis können daher sowohl Tatsachenerklärungen und Erklärungen mit Tatsachenkern, Prognosen und Gerüchte, sowie bestimmte Werturteile (inkl. konkludent Werturteile enthaltene Empfehlungen) unter die Angaben über Umstände i. S. d. § 20a I 1 Nr. 1 WpHG subsumiert werden. Die Angaben können sowohl ausdrücklich erfolgen als auch konkludent, durch schlüssiges Miterklären unwahrer Tatsachen.144 Angaben sind dann als unrichtig zu beurteilen, wenn sie nicht den objektiven Gegebenheiten entsprechen, also vorhandene Umstände als nicht vorhanden oder nicht vorhandene als vorhanden beschreiben.145 Als irreführend sind in Abgrenzung zur Unrichtigkeit solche Angaben anzusehen, welche zwar inhaltlich richtig sind, jedoch „aufgrund ihrer Darstellung beim Empfänger der Information eine falsche Vorstellung über den geschilderten Sachverhalt nahe legen.“146 Umfasst werden danach insbesondere die unter der alten Fassung des § 20a WpHG in ihrem Einbezug strittigen unvollstän141
Vgl. hierzu die Darstellung bei Schönhöft (2006) S. 54. § 20a I 1 Nr. 2 WpHG a. F. (in der Fassung des 4. FFG) verlangte, dass die sonstigen Täuschungshandlungen vorgenommen würden, „um auf den inländischen Börsen- oder Marktpreis eines Vermögenswertes [. . .] einzuwirken.“ 143 Vgl. hierzu unten 3. Kapitel § 2 A. III. 2. Die Aufrechterhaltung einer Differenzierung lässt sich auch nicht an einer engen Auslegung des Begriffs der „Angaben“ als lediglich „ausdrücklichen Erklärungen“ festmachen, so dass alle konkludenten Erklärungen unter die sonstigen Täuschungshandlungen fallen würden. Gerade die nur einzelne positive Gesichtspunkte ausdrücklich, damit zusammenhängende negative Gesichtspunkte aber nicht, beinhaltende Angabe soll aber gerade als irreführende, da konkludent Vollständigkeit vermittelnde, Angabe von § 20a I 1 Nr. 1 WpHG erfasst werden (s. u.). 144 Vgl. u. a. Kümpel/Veil 6. Teil Rn. 15. 145 Vgl. Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 60; Schwark, in: Schwark WpHG § 20a Rn. 13; Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 34. Kürzer dagegen Fleischer, in: Fuchs WpHG § 20a Rn. 20 unter Bezug auf BaFin, Emittentenleitfaden (2005), S. 89: „. . . Unrichtig [. . .], wenn sie nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen.“. 146 RegE AnSVG BTDrucks. 15/3174, S. 37. 142
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digen Angaben, bei denen neben richtigen Teilangaben durch das Aussparen anderer mit diesen in engem Zusammenhang stehender Teilangaben ein insgesamt kontextual falsches Gesamtbild entsteht.147 Dabei ist für die Beurteilung der Irreführungseignung richtigerweise auf einen flexiblen Maßstab abzustellen, der die Auffassung und das Verständnis der Adressaten der Angabe einbezieht: irreführend ist die Angabe dann, wenn sie die objektive Eignung besitzt, einen nicht ganz unerheblichen Teil des angesprochenen Anlegerkreises zu täuschen.148 Bei den von § 20a I 1 Nr. 1 WpHG umfassten Werturteilen kann nach der herrschenden Meinung entweder der diesen zugrunde liegende Tatsachenkern unrichtig sein, oder kann die dem Urteil implizite Bewertung auf Verstößen gegen bestehende Denkgrundsätze oder allgemeine Erfahrungssätze beruhen.149 Gleiches gilt im Rahmen von Werturteilen und Prognosen für Angaben ins Blaue hinein, ohne dass eine Tatsachenprüfung tatsächlich vorgenommen wurde.150 Die Unrichtigkeit der Angaben hat in Anlehnung an die Auslegung bei § 264a StGB (Kapitalanlagebetrug) nach fachmännischem Urteil eindeutig zu sein, so dass die Angabe schlechterdings als nicht mehr vertretbar erscheinen muss.151 Unrichtig sollen Angaben auch dann sein, wenn sie Umstände verschweigen, welche die Angaben nachteilig beeinflussen würden.152 Richtigerweise sollten diese Angaben allerdings, als insoweit unvollständige, aber ihrem konkludenten Aussagegehalt nach vollständig erscheinende Angaben unter die irreführenden Angaben gefasst 147 Vgl. u. a. BaFin, Emittentenleitfaden (2005) S. 89 bzw. dies., Emittentenleitfaden (2009) S. 108. 148 Vgl. u. a. Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 62. Dass insoweit auf einen nicht ganz unerheblichen Teil – die Erheblichkeit ist wohl mit Blick auf die Marktkapitalisierung des Finanzinstrumentes zu bestimmen – abzustellen ist, ist der Tatsache geschuldet, dass ansonsten im komplexen und von psychologischen Anomalien mitgeprägten (vgl. hierzu unten 3. Kapitel § 2 B. II. 3. b)) Kapitalmarkt nahezu jede Angabe irreführend sein könnte, wenn man nur das Empfängerverständnis hinreichend niedrig ansetzt. Vgl. so mit Recht Eichelberger (2006) S. 253, der allerdings dem „Irreführungsmerkmal“ neben der „Unrichtigkeit“ deshalb zu Unrecht keinen eigenständigen praktischen Anwendungsbereich einräumen will. Das „Irreführungsmerkmal“ besitzt jedoch eigenständige Bedeutung im Hinblick auf den Einbezug auch konkludenter Erklärungen in den Anwendungsbereich des § 20a I 1 Nr. 1 WpHG, welche insbesondere bei einer partiellen Unvollständigkeit bestimmter ausdrücklicher Angaben anzutreffen sind. Fleischer, in: Fuchs WpHG § 20a Rn. 22 stellt für das Irreführungsmerkmal auf die „konkrete Gefahr“ einer Irreführung ab. 149 Vgl. u. a. Schröder (2007) 3. Kap. C II Rn. 390 (= S. 145); Sorgenfrei, in: Park (2008); Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 60. 150 Vgl. zur insoweit h. M. u. a. BaFin, Emittentenleitfaden (2005) S. 89 bzw. dies., Emittentenleitfaden (2009) S. 108; Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 60. 151 Vgl. statt vieler Lenzen (2000) S. 234 m. w. N.; Schönhöft (2006) S. 55; Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 34. 152 Vgl. Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 34.
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
werden (vgl. hierzu sogleich).153 Reine Meinungen und Empfehlungen können somit nur nach einer Mindermeinung immer und nach der hier vertretenen Auffassung nur, falls sie nicht in Übereinstimmung mit dem tatsächlichen Urteil des Erklärenden stehen, von § 20a I 1 Nr. 1 WpHG umfasst sein. Bei der herrschenden Ansicht können sie immer nur lediglich unter Hinzunahme der weiteren Gegebenheiten des Scalping (fehlende Offenlegung von Interessenkonflikten in Form bspw. der eigenen vormaligen Eindeckung mit den empfohlenen Finanzinstrumenten)154 als sonstige Täuschungshandlungen im Rahmen der Auffangnorm des § 20a I 1 Nr. 3 WpHG („sonstige Täuschungshandlungen“) tatbestandsmäßig sein. Das Machen der in jeder Form155 erdenklichen Angaben (mündlich, telefonisch, schriftlich, mittels Medien wie Fernsehen, Internet,156 E-Mail) setzt nach herrschender Ansicht die Kundgabe voraus, welche neben der Entäußerung der Erklärung in den Verkehr weder dem Wortlaut noch der systematischen Auslegung nach ihren Zugang bei mindestens einer Person erfordert.157 Dabei muss die Kundgabe nicht gegenüber einem von vornherein feststehenden Adressatenkreis erfolgen.158 Eine in den letzten Jahren auffällig oft praktizierte Methode ist jene der Stock Spams. Unter Stock Spams sind unrichtige Angaben oder bloße Empfehlungen von Versendern über Aktien zu verstehen, mit welchen diese sich zuvor günstig eingedeckt haben, um sodann die Empfänger zum Kauf einer solchen Aktie zu bewegen.159 153 Ebenso wohl auch Schröder (2007) 3. Kap C II Rn. 390 (= S. 146); Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 62. 154 Richtigerweise ist das Scalping aber normsystematisch bereits unter § 20a I 1 Nr. 1 WpHG subsumierbar, vgl. hierzu unten 3. Kapitel § 2 A. III. 2. b). 155 Vgl. statt vieler Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 35. 156 Vgl. zum anonymen und unübersichtlichen Internet als „uferloser Spielwiese“ für Manipulanten Ziouvas ZGR 2003, 113, 132; ferner u. a. auch zum Nachweis des Vorsatzes in diesen Fällen anhand objektiver Indizien wie bspw. realistischen Fälschungen von Nachrichten im Internet auch durch Links auf scheinbar einschlägige, in Wirklichkeit aber nur gut kopierte Nachrichtenseiten (wie www.bloomberg.com; www.cnn.com etc.) Hilgendorf/Frank/Valerius (2005) Rn. 574. 157 Vgl. so richtig Eichelberger (2006) S. 254, der auf eine insoweit von § 264a StGB differierende Auslegung abstellt, als anders als bei § 264a StGB § 20a WpHG tatbestandlich nicht verlangt, dass die Angabe gegenüber einem größeren Kreis von Personen gemacht wird; a. A. u. a. BaFin, Emittentenleitfaden (2005) S. 88 bzw. dies., Emittentenleitfaden (2009) S. 107; (zustimmend) Claussen/Florian AG 2005, 745, 761; Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 65. 158 Vgl. Schröder (2007) 3. Kap. C III Rn. 394 (= S. 147). 159 Vgl. hierzu umfassend Fleischer ZBB 2008, 137 ff. (instruktiv v. a. auch zu deren möglichen Wirksamkeit selbst in auf dem Rational-Choice-Modell basierenden Kapitalmarkttheorien am Beispiel [ZBB 2008, 137, 140 Fn. 48] der Vernichtung einer Marktkapitalisierung von 2,2 Mrd. $ im Eumulex Fall: SEC vs. Jakob, 2000 WL 1232989 [S.E.C.] [August 3, 2000]).
§ 2 Objektiver Tatbestand
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Umstritten ist hierbei die Subsumtionsfähigkeit der Empfehlungen unter § 20a I 1 Nr. 1 1. Alt. WpHG.160 Nach der noch überwiegenden Meinung sind bloße Empfehlungen ohne Tatsachenkern lediglich dann als Scalping über § 20a I 1 Nr. 3 WpHG (i. V. m. einem Einwirken i. S. d. § 38 II WpHG) strafbar, wenn dies ohne angemessene und wirksame Offenlegung eines vorhandenen Interessenkonflikts geschieht.161 Richtigerweise können jene Empfehlungen – außer in den m. E. ohnehin § 20a I 1 Nr. 1 WpHG subsumierbaren Fällen einer diametral gegensätzlichen tatsächlichen Auffassung – auch in den Fällen des Scalping unter § 20a I 1 Nr. 1 WpHG fallen, da die Erklärung insoweit eine irreführende Angabe über Umstände (das eigene Werturteil) enthält, als sie wegen des fehlenden Hinweises auf die bestehenden Interessenkonflikte unvollständig ist.162 Vogel163 will im Anklang an § 264a StGB und § 82 GmbHG neben dem positiven „Machen von Angaben“ auch eine Fallgruppe eines garantenpflichtwidrigen Unterlassens in Fällen von zunächst gutgläubig gemachten, aber später als unrichtig erkannten Angaben und in Fällen später unrichtig werdender Angaben als Begehungsvariante im Rahmen des § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG anerkennen und damit in diesen Fällen auf verletzte ungeschriebene Berichtigungs- und Aktualisierungspflichten rekurrieren. Ähnlich verlangt die BaFin – allerdings ohne eine entsprechende dogmatische Begründung – in Fällen nachträglich erkannter Unrichtigkeit oder Irreführungseignung eine Berichtigung.164 Eichelberger165 bejaht ähnlich eine Aktualisierungs-, Berichtigungs- oder Klarstellungspflicht für ursprünglich unrichtige oder irreführende Angaben dagegen nur solange aus Ingerenz, wie dadurch keine erneute Marktverwirrung eintritt, weil aufgrund des Zeitablaufs der Zusammenhang zur ursprünglichen Angabe nicht mehr ohne weiteres herzustellen ist. In beiden Konstellationen kann jedoch richtigerweise auf eine ungeschriebene „kommunikative Verkehrssicherungspflicht“ nicht rekurriert werden. Für die häufigsten Fälle informationsgestützter Manipulationen bietet bereits die Unterlassungsalternative des § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG i. V. m. mit den weitreichenden Publizitätspflichten des 160
Siehe hierzu bereits oben in diesem Abschnitt. Vgl. so die Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage von Bündnis 90/DIE GRUENEN BTDrucks. 16/6315 S. 1; wiedergegeben auch in BaFin MMR 2007, XIV. 162 Vgl. hierzu ausführlich unten 3. Kapitel § 2 A. III. 2. b) bb). Fleischer ZBB 2008, 137, 140 will alle Formen der Stock-Spams unter § 20a I 1 Nr. 1 WpHG fassen. 163 Vgl. Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 67. 164 Vgl. BaFin, Emittentenleitfaden (2005) S. 90 bzw. dies., Emittentenleitfaden (2009) S. 109. 165 Vgl. Eichelberger (2006) S. 257 f. 161
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
WpHG ein hinreichendes und normativ bestimmtes Instrumentarium für die unterlassene Mitteilung von Berichtigungen und Aktualisierungen. Wurden beispielsweise in einer Ad-Hoc-Meldung zunächst unerkannt unwahre Informationen mitgeteilt, muss gemäß § 15 II 2 WpHG unverzüglich eine Berichtigung erfolgen. Ändern sich die Verhältnisse nach Abgabe der Angabenkundgabe, treffen den Erklärenden nur dann Aktualisierungspflichten, wenn ihn entsprechende Publizitätspflichten treffen (für die Ad-Hoc-Publizitätspflicht bspw. wieder aus § 15 I 1 WpHG). Eine darüber hinaus gehende, wohl (bedenklich)166 auf dem Gedanken der Ingerenz167 aufbauende und allein an ein Unterlassen anknüpfende Konstruktion ist bereits mit Blick auf den insoweit eindeutigen Wortlaut des § 20a WpHG, der um Rechtssicherheit bemüht zwischen Unterlassen und positivem Tun trennt, aus Gründen der Bestimmtheit und Vorhersehbarkeit abzulehnen.168 Für die 166 Darüber hinaus sieht sich auch die dogmatische Konstruktion einer – in den üblichen Fällen mangels anderweitiger Garantenpflichten einzig konstruierbaren – Ingerenzhaftung bereits der berechtigten Kritik ausgesetzt: V. a. Schünemann kritisiert hier mit Recht, dass im Falle gefährdenden Vorverhaltens eine Begehungsgleichheit der Unterlassung, die der Grundsatz nullum crimen sine lege (Art. 103 II GG) voraussetze, mangels aktueller Herrschaft über den Grund des Erfolges (Schünemann [1971] S. 236 und passim sowie ders. FS Amelung [2009] S. 303, 313 ff.) zu verneinen ist, liegt die Herrschaft des Unterlassenden doch hier vollständig in der Vergangenheit, Schünemann (1971) S. 316; ders. GA 1974, 231, 235. Erhöhte Strafwürdigkeit sieht Schünemann im Vergleich zu § 323c StGB nur in den Fällen der Verursachung einer Gefahr bzw. bei Bestehen einer vorherigen Rechtspflicht ([1971] S. 315, 380 f.). Besteht eine solche (bspw. aus § 15 WpHG) verpflichtet sie den ihr unterfallenden Garanten aber ohnehin zu einer Korrektur (vgl. § 15 II 2 WpHG). In den anderen genannten Fallkonstellationen – wie der des Anlageberaters – liegt angesichts der in diesen Konstellationen anzutreffenden Face-to-Face-Konstellation oftmals ein Betrugsversuch vor, da den Anlageberater i. S. eines Best-Advice gerade weitreichende vertragliche sowie gesetzliche Aufklärungs- und somit Garantenpflichten treffen. 167 Auch wenn der BGH in seiner wenig einheitlichen Rechtsprechung teilweise allein auf das vergangene Schaffen einer Gefahr als Anknüpfungspunkt für eine Ingerenzhaftung abstellt (vgl. u. a. BGHSt 37, 106, 118 f.; siehe andererseits BGH NJW 1999, 69, 71, wo auf die schuldhafte Gefahrverursachung abgestellt wird), ist wegen der ansonsten uferlosen Ausweitung strafrechtlicher Haftung zumindest eine (objektive) Pflichtwidrigkeit des Vorverhaltens erforderlich (hLit; vgl. hierzu Fischer § 13 Rn. 28 m. w. N.; Sch/Sch-Stree § 13 Rn. 32). Eine Verletzung des Manipulationsverbotes des § 20a I 1 Nr. 1 WpHG in Fällen fehlender Publizitätspflichten ist jedoch im Zusammenhang mit der Ausgestaltung als Straftat (§38 II WpHG; § 15 StGB) oder Ordnungswidrigkeit (§ 39 II Nr. 11 WpHG; 10 OWiG) und aus Sinn und Zweck des Marktmanipulationsverbots heraus nur denkbar, wenn die Handlung vorsätzlich (oder im Rahmen des § 39 II Nr. 11 hinreichend: leichtfertig) geschieht (vgl. ebenso zur Erforderlichkeit eines subjektiven Unrechtselementes für § 20a WpHG in Form von Vorsatz Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 3). Handelt der Erklärende daher nicht vorsätzlich (oder nicht leichtfertig), so handelt er genau genommen nicht pflichtwidrig, weshalb ihn keine Ingerenzpflicht trifft.
§ 2 Objektiver Tatbestand
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Fälle nachträglich erkannter Unrichtigkeit enthält das Gesetz darüber hinaus bereits für bestimmte Konstellationen Pflichten zur Korrektur unrichtiger Angaben (vgl. § 16 I WpPG und § 15 II 2 WpHG).169 Deren Existenz bekräftigt daher im Gegenschluss die ablehnende Argumentation. De lege ferenda wäre unter Transparenzgesichtspunkten allerdings angezeigt, die Konstellation nachträglich erkannter Unrichtigkeit in Form einer entsprechenden allgemeinen Publizitätspflicht zu kodifizieren. b) Bewertungserhebliche Umstände aa) Verfassungsmäßigkeit der Norm Das Merkmal der Erheblichkeit erweist sich als problematisch im Hinblick auf Art. 103 II, 104 I GG, § 1 StGB unter dem Gesichtspunkt der rechtssicheren Bestimmtheit und Voraussehbarkeit des Strafbaren (freiheitsgewährleistende Funktion) und der Konkordanz mit dem Gebot der Bestimmung des Strafbaren durch den formellen Gesetzgeber (kompetenzgewährleistende Funktion).170 Das für die Tatbestandsmäßigkeit der Angaben entscheidende Merkmal der Bewertungserheblichkeit gibt keinen prima facie subsumtionsfähigen Maßstab vor, sondern schickt den Rechtsanwender erst auf die Suche nach einem entsprechenden Maßstab.171 Angesichts der Vielgestaltigkeit der zu regelnden Materien, der Wandelbarkeit der zugrunde liegenden Verhältnisse und den Besonderheiten eines jeden Einzelfalles, aber auch bereits der Mehrdeutigkeit der Umgangs- und Rechtssprache172 sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch im Strafrecht keine überspannten Anforderungen an die Bestimmtheit i. S. einer kasuistischen Rechtssetzung zu stellen.173 Unbe168
Ebenso Schönhöft (2006) S. 88. Ebenso Schröder (2007) 3. Kap. C III Rn. 395 (= S. 147). 170 Vgl. zu dieser doppelten Funktion des Gesetzlichkeitsprinzips BVerfGE 75, 329, 341. 171 Vgl. Altenhain BB 2002, 1874, 1878; Kutzner WM 2005, 1401, 1402; Schröder (2007) 3. Kap. C IV 1 Rn. 397 (= S. 148) m. w. N. Kritisch Schmitz ZStW 115 (2003) 501, 528 (Verfassungswidrigkeit des § 20a WpHG insgesamt bis zur Verabschiedung der Marktmissbrauchsrichtlinie); ferner Moosmayer wistra 2002, 161, 169 ff.; Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 19 ff.; Streinz/ Ohler WM 2004, 1309 ff.; Vogel, in: Ass/Schn WpHG vor § 20a Rn. 26. 172 Vgl. Dannecker LK12 § 1 Rn. 199. 173 Vgl. BVerfGE 75, 329 [342]. Siehe auch BVerfGE 73, 206, 235. Raabe (2007) S. 24 f. sieht allein die sprachlichen Limitierungen als unverschuldete Gründe für eine Abkehr von einer strikten Gesetzesbestimmtheit Montesquieu’scher Prägung an, nicht aber die erforderliche Vagheit aufgrund der wandelnden Verhältnisse, welche er als bewusste „Abkehr vom rechtsstaatlich-liberal geprägten Strafrecht hin 169
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
stimmte Rechtsbegriffe sind – selbst in ihrem gleichzeitigen Auftreten in einem Tatbestand174 – als Mittel der legislativen Normgestaltung dann verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Norm mit Hilfe des Kanons der üblichen Auslegungsmethoden eine zuverlässige Grundlage für ihre Auslegung und Anwendung bietet oder sie eine gefestigte Rechtsprechung übernimmt und damit aus dieser Rechtsprechung hinreichende Bestimmtheit zu gewinnen vermag.175 Die kompetenzwahrende Komponente des Art. 103 II GG verpflichtet den Parlamentsgesetzgeber i. S. eines Gesetzesvorbehaltes über die wesentlichen Voraussetzungen der Strafbarkeit und somit die Grenzen der gesetzlichen Straftatbestände („Tragweite und Anwendungsbereich“) selbst zu entscheiden.176 Verfassungsrechtlich zulässig ist es dagegen, zur weiteren Spezifizierung der Voraussetzungen eines in seinen wesentlichen Voraussetzungen durch Parlamentsgesetz bestimmten Straftatbestandes den Verordnungsgeber zu ermächtigen.177 Dass der Verordnungsgeber aus ordnungspolitischen Gründen bestimmte Verhaltensweisen dem Strafverdikt wieder entziehen kann, ist auch unter kompetenziellen Gründen (Art. 80 GG) somit nicht zu beanstanden. Andernfalls wäre eine – vom Bundesverfassungsgericht für das Strafrecht aber wie gezeigt als möglich erachtete178 – Verordnungsermächtigung nie möglich, da schlechterdings jede konkretisierende Spezifizierung spiegelbildlich bestimmte entsprechende Verhaltensweisen der Strafbarkeit entzieht. Problematisch würde eine solche Gestaltung nur dann, wenn per Verordnung vormals nicht vom Gesetzgeber grundsätzlich als strafrechtlich inkriminierungswürdig gesehene Verhaltensweisen in den strafrechtlichen Bereich überführt werden würden. Für das Erheblichkeitsmerkmal besteht mit § 20 V 1 Nr. 1 WpHG eine entsprechende Ermächtigung des Bundesministeriums der Finanzen, von der zum Zweckstrafrecht“ (S. 25) entlarven will. Auch Park FS StrA BRAK (2006) S. 229, 231 f. erkennt das Bemühen des Gesetzgebers um „möglichst flexible und anpassungsfähige Gesetzesformulierungen“ als Ausfluss des besonders starken Wandels der kapitalmarktbezogenen Geschäfts- und Handelsformen für den Bereich der Marktmanipulation. Vgl. zum Dilemma des Gesetzgebers und der Unmöglichkeit einer idealisierten Form von Gesetzesbestimmtheit in Zeiten zunehmender Komplexität bereits Schünemann (1978) S. 30. 174 Vgl. zur insoweit h. M. BVerfGE 87, 209, 225; BVerfG NJW 1999, 3399, 3400; kritisch u. a. Schmitz, in: MK-StGB § 1 Rn. 45. 175 Vgl. BVerfGE 96, 68, 97 f. m. w. N.; BVerfG NJW 1999, 3399, 3400. 176 Vgl. BVerfGE 41, 314 (319); 47, 109 (120); 75, 329, 342; 95, 96, 131. Vgl. zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 20a V WpHG am Rahmen des Wesentlichkeitstheorie auch Eichelberger ZBB 2004, 296, 300. 177 BVerfGE 14, 174, 185 f.; 75, 329, 342; Jescheck/Weigend AT § 12 III. 178 Vgl. BVerfG, NJW 1998, 669, 670 zu § 1 BtMG; s. auch BVerfGE 75, 329, 343 ff. zu § 327 Abs. 2 Nr. 1 StGB; Moosmayer wistra 2002, 161, 168 ff.
§ 2 Objektiver Tatbestand
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durch Erlass der MaKonV zwischenzeitlich Gebrauch gemacht worden ist.179 Die Erheblichkeit stellt infolge Fehlens einer direkten Bezugnahme und der vollständigen Verhaltensbeschreibung ein normatives Tatbestandsmerkmal und kein Blankett dar.180 Mit der Bewertungserheblichkeit hat der Gesetzgeber einen wertungsbedürftigen Begriff dem Tatbestand einbeschrieben, der tatbestandsspezifisch dem Ausschluss von für die auf Bewertungen fußenden Entscheidungsprozesse des Marktes irrelevanten „Angaben über Umstände“ dient.181 Nachdem das Bundesverfassungsgericht geringere Anforderungen an die Tatbestandsbestimmtheit für solche tatbestandlichen Korrektive stellt, die zugunsten des Täters wirken,182 kann vorliegend auch mit Blick auf ähnliche Tatbestände mit vergleichbar unbestimmten Rechtsbegriffen (§§ 264, 264a, 265b StGB und §§ 13, 15 WpHG) und damit der Möglichkeit deren Maßstäbe etwaig zu übertragen,183 die Bestimmtheit auch in der Gesamtschau mit den Regelungen der MaKonV als gegeben angesehen werden,184 wenn auch ob der verfassungsrechtlichen Bedenken eine restriktive Auslegung der Norm geboten ist.185 Neben der 179
BGBl I 2005, S. 515. Die Strafnorm des § 38 II WpHG stellt wegen ihres Verweises auf §§ 39, 20a WpHG dagegen ein Blankett dar. Vgl. zur Abgrenzung der beiden Ausgestaltungen „semantischer Unschärfe“ (Enderle [2000] S. 126) in Tatbeständen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht, mit kritischer Würdigung Enderle (2000) S. 123 ff. 181 Ebenso Schönhöft (2006) S. 66. 182 Vgl. BVerfGE 55, 144, 152 m. w. N. Diese Rechtsprechung erweist sich bei näherer Betrachtung jedoch als kritisierbar, als sich im Umkehrschluss aus jeder unbestimmten Restriktion ein unbestimmtes Strafbarkeitsfeld ergibt. Dem lässt sich wohl allein mit dem pragmatischen Hinweis auf die ohne das restriktive Merkmal jedenfalls (dann etwaig übermäßig) umfassend vorhandene Strafbarkeit und damit gegebene Vorhersehbarkeit des Strafbaren begegnen. Ob darüber hinaus auch eine Lockerung der Bestimmtheitsanforderungen unter dem vom Bundesverfassungsgericht oft beigezogenen Gesichtspunkt des „täterspezifischen Verständnishorizonts“ (vgl. u. a. BVerfGE 26, 186, 204 [noch zum Standesrecht der Rechtsanwälte]; 48, 48, 57; zur entsprechenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und zu besonders informierten oder zur besonderen Information verpflichteten Adressatenkreisen wie z. B. Kaufleuten umfassend Enderle (2000) S. 118; diese Rechtsprechung ist indes mit u. a. Dannecker [LK12 § 1 Rn. 211] nur dann zu rechtfertigen, wenn es sich um einen „feststehenden Kreis spezieller Normadressaten handelt, der seinerseits hinreichend bestimmt ist“) erscheint bereits angesichts des breiten Bildes an Anlegertypen und Marktteilnehmern fraglich. 183 Vgl. Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 73. 184 Wie hier Schönhöft (2006) S. 66 m. w. N.; Schröder (2007) 3. Kap. C IV Rn. 400 f. (= S. 149 f.); Walther ZJapanR 16 (2003) 189, 214 (zur Vorgängervorschrift des § 20a II WpHG a. F.); im Ergebnis der Gesamtschau § 20a WpHG als bestimmt ansehend Vogel, in: Ass/Schn WpHG vor § 20a Rn. 29 ff. A. A. Hild (2004) S. 132, der bereits zum entsprechenden Merkmal des § 88 BörsG a. F. in der postulierten Unbestimmtheit kein gesetzgeberisches Versehen, sondern „Systematik“ 180
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
formell gesetzlichen Bestimmung, welche Tatobjekte von § 20a WpHG erfasst und welche Märkte geschützt werden sollen, sind in § 20a I 1 Nr. 1 WpHG dem Tatbestand mit den vorhandenen übrigen Merkmalen („unrichtige“ oder „irreführende“ „Angaben“ „über Umstände“ etc.) hinreichende Kriterien einbeschrieben, aus denen deutlich wird, welche Einflussnahme auf die von Bewertungen der Finanzinstrumente abhängige Börsen- oder Marktpreisbildung vom Manipulationsverbot umfasst sein soll.186 Das „Ob“ der Strafbarkeit bestimmter Verhaltensweisen wurde vom Gesetzgeber durch formelles Gesetz somit entschieden.187 Allein die nähere Spezifizierung des Merkmals, nicht aber die Ausweitung der Strafbarkeit über die gesetzlich festgelegte Verbotsmaterie hinaus, wurde der MaKonV überlassen.188 Insoweit bietet die MaKonV eine auch angesichts der bislang anzutreffenden geringen Judizdichte und damit fehlenden Konkretisierung189 bereits von Anerkennen will; Kutzner WM 2005, 1401, 1406; Raabe (2007) S. 161; Streinz/Ohler WM 2004, 1309, 1314 ff. 185 Ebenso Schönhöft (2006) S. 67 m. w. N.; Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 74. Vgl. zur Auslegung des Erheblichkeitskriteriums die Ausführungen sogleich. 186 Vgl. Schröder (2007) 3. Kap. C IV Rn. 401. 187 Siehe hierzu auch oben zum Kernbereich des Strafbaren 3. Kapitel § 1 B. 188 Vgl. Schönhöft (2006) S. 67; Schröder (2007) 3. Kap. C IV Rn. 401; Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 68. Positiv zu dieser Regelungstechnik bereits zuvor zu § 20a II WpHG-E 4. FFG Möller WM 2002, 309, 314; ferner bereits zur Vorgängerregelung der KuMaKV und der als verfassungsgemäß bejahten Ermächtigung in § 20a II a. F. WpHG BGH Urteil vom 16.12.2004 – 1 StR 420/03 – Haffa – NJW 2005, 445, 450 („Die Verordnung ist nicht abschließend und wirkt nicht strafbarkeitsbegründend.“). 189 Die Frage der Bestimmtheit berührt insoweit auch das Verhältnis der verschiedenen Gewalten zueinander. Auch in sonstigen Bereichen des Strafrechts wird von Gesetzgeberseite mit einer abstrahierenden Sprachwahl und Tatbestandsfassung gearbeitet. Die Spezifizierungen, die teilweise ganz grundlegend über die Strafbarkeit (vgl. zuletzt das Urteil des BGH zur Untreue (§ 266 StGB) durch Einrichtung sog. schwarzer Kassen vom 29.8.2008, 2 StR 587/07) entscheiden, nimmt dagegen die Justiz vor. Für das Kapitalmarktstrafrecht judizierte beispielsweise die Grundsatzentscheidung des BGH vom 6.11.2003 (BGHSt 48, 373 – Analyst Sascha Opel), dass Scalping entgegen der damals wohl herrschenden Ansicht (siehe hierzu nur Weber NJW 2000, 562 ff.) nicht als Insiderhandel sondern als Marktmanipulation strafrechtlich einzuordnen sei. Vgl. zur vormaligen Diskussion und unter Einordnung in die Verordnungsproblematik nur Moosmayer wistra 2002, 161, 169, welcher die Einordnung des Scalping nicht als im Rahmen einer Verodnung zulässige Spezifizierung ansieht. Das grundsätzliche Problem der verfassungsrechtlich verlangten Bestimmtheit im Konflikt zwischen notwendiger Gesetzesabstraktion und Rechtssicherheit im Einzelfall und damit das Maß und die Kriterien an zu fordernder Bestimmtheit kann an dieser Stelle unmöglich einer Klärung zugeführt werden (zu einem diesbezüglichen Versuch vgl. monographisch explizit Raabe [2007]). Allerdings kann der Einbezug der Lösungen ähnlicher Fragen im Kernstrafrecht (vgl. bspw. den oben erwähnten § 266 StGB, aber auch die Rechtsprechung zur konklu-
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fang an im Gegensatz zu anderen Vorschriften wie § 264a StGB eine zu befürwortende Spezifizierungsmöglichkeit durch die Vorgabe von Leitlinien für die Marktteilnehmer.190 bb) Erheblichkeit Die gemachten unrichtigen oder irreführenden Angaben müssen sich auf solche Umstände beziehen, die für die Bewertung eines Finanzinstrumentes erheblich sind. Für eine Ansicht bedeutet Bewertung allein die Ermittlung des wirtschaftlichen Wertes des in Rede stehenden Finanzinstrumentes.191 Die Bewertungserheblichkeit stellt jedoch ausweislich ihres Gesetzeswortlauts nicht ausdrücklich auf eine wirtschaftliche Bewertung ab. Bezieht man zur Auslegung bereits des gesetzlichen Merkmals der Bewertungserheblichkeit die hinter der Marktmanipulation stehende Rechtsgutskonzeption ein, wonach der Schutz der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts durch die Sicherung des Anlegervertrauens in sein ordnungsgemäßes Funktionieren bezweckt wird, so sollen die Anlageentscheidungen der Mikroebenenakteure als Teil des Preisbildungsprozesses frei gehalten werden von beeinflussenden unrichtigen oder irreführenden Informationen. Nachdem es damit entscheidend um die Erheblichkeit des Umstands im Rahmen der wertenden Anlageentscheidungen der Anleger geht, können diese nicht schlechterdings auf wirtschaftliche Aspekte beschränkt werden.192 Auch die Gegenauffassung erkennt im Übrigen größtenteils ethische, politische oder ideologische Aspekte dann an, wenn diese Umstände mittelbar für die wirtschaftlichen Chancen und Risiken eines Vermögenswertes erheblich sind.193 Im Ergebnis wirkt sich damit der Streit nicht signifikant aus. Neben der betriebswirtschaftlichen,194 marktbezogenen195 und wertpapierdenten Täuschung im Rahmen des § 263 StGB) zumindest den im Wirtschaftsstrafrecht oft voreilig verengenden Blick auf den – in seiner Legitimation zwar der kritischen Analyse bedürfenden – pragmatischen Umgang mit dem vorhandenen Normmaterial andernorts weiten. 190 Vgl. (noch zur KuMaKV) BGH NJW 2005, 445, 450; Begründung zur KuMaKV BRDrucks. 639/03, S. 8; vgl. wie hier u. a. Mossmayer wistra 2002, 161, 169; Schröder (2007) 3. Kap. C IV Rn. 401 (= S. 150). 191 Vgl. Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 78 f. unter ausdrücklichem Festhalten an der Vorauflage (ders., in: Ass/Schn WpHG (4. Aufl.) § 20a Rn. 58). 192 Ebenso Eichelberger (2006) S. 259; Raabe (2007) S. 148 f. 193 Vgl. Schröder (2007) 3. Kap. C IV Rn. 430 (= S. 159); Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 79. 194 Hierunter fallen beispielsweise die zahlreichen unternehmensbezogenen Angaben i. S. d. § 2 III und IV MaKonV. 195 Beispielsweise kann der Umstand, dass ein Wert im DAX geführt wird, zu einer erhöhten Nachfrage nach diesem Wert allein deshalb führen, weil große In-
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bezogenen196 Erheblichkeit können somit durchaus ideologisch bedingte Bewertungen eine Bewertungserheblichkeit i. S. d. § 20a I 1 Nr. 1 WpHG begründen. In der Literatur umstritten war bis zum Inkrafttreten der MakonV auch der Maßstab.197 § 2 I MaKonV enthält nunmehr eine Legaldefinition für die Bewertungserheblichkeit, die parallel zu Regelung des § 13 I 2 und 3 WpHG als bewertungserhebliche Umstände „Tatsachen und Werturteile“ definiert, die ein verständiger Anleger bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde. Dabei ist der verständige Anleger nicht mit dem Durchschnittsanleger zu verwechseln.198 Insoweit ist mit Recht ein gänzlich irrationales Verhalten nicht zu berücksichtigen,199 was jedoch trotz der abstrahierenden Perspektive nicht bedeutet, dass bestimmte und regelmäßig antreffbare Verhaltensanomalien200 sowohl bei der Frage der Bewertungserheblichkeit als auch bei der Preiseinwirkungsgeeignetheit aus rechtsgutssystematischer Sicht zu berücksichtigen sein müssten. Es gibt gerade keine objektive und allgemein gültige „Anlegervernunft“ oder einen „Anlegerverstand“, was sich empirisch bereits nicht zuletzt anhand der von Irrationalitäten geprägten Kursblase des Neuen Marktes zeigte.201 Eine normative Entsprechung dieser Erkenntnis zeigt sich auch in der an die europäischen Vorgaben202 orientierten Unterscheidung von § 31a II und III WpHG zwischen professionellen Kunden, die über ausreichende Erfahrungen, Kenntnisse und Sachverstand verfügen, um ihre Anlageentscheidungen zu treffen und die damit verbundenen Risiken angemessen beurteilen zu können, und privaten Kunden, welche diesem Bild nicht entsprechen. Nachdem es noch dazu zu keinem Vermögenswert eine homogene Risikoneigung, verstanden als Durchschnittsvorsicht von Anlegern gibt und einzelne Finanzinstrumente (z. B. Knock-out-Scheine) per se ein erhöhtes Risiko in sich tragen,203 muss vestmentgesellschaften den DAX versuchen abzubilden. (Vgl. zu diesem Beispiel Schröder [2007] 3. Kap. C IV Rn. 424). 196 Generell für die Bewertung eines Optionsscheines erheblich ist die Laufzeit und die Art und der Bezugspreis der veroptionierten Wertpapiere, daneben auch besondere Optionsbedingungen (wie eine Knock-Out-Schwelle); zu diesen Beispielen m. w. N. Schröder (2007) 3. Kap. C IV Rn. 426. 197 Vgl. hierzu m. w. N. Trüstedt (2004) S. 146 f. 198 Vgl. Schröder (2007) 3. Kap. C IV Rn. 405 (= S. 152). 199 Ebenso Schröder (2007) Kap. 3 C IV Rn. 404 (= S. 152). 200 Vgl. hierzu und zur sich mit diesen „Biases“ beschäftigenden Behavioral Finance umfassend unten 3. Kapitel § 2 B. II. 3. b). 201 Vgl. ebenso Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 42. 202 Vgl. hierzu die Verpflichtung zur Anlegertyp orientiert Kunden günstigsten Ausführung (Art. 21 VI lit. a) MiFID [Markets in Financial Instruments Directive – RL 2004/39/EG vom 21.4.2004]) sowie entsprechende Darstellungs- und Informationsvorgaben (Art. 19 III, IV MiFID).
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der Maßstab richtigerweise jene Anleger im Sinn haben, welche sich in den Kapitalmärkten konkret in jenem Bereich engagieren, in welchem das durch die Manipulationshandlung in Mitleidenschaft gezogene Finanzinstrument gehandelt wird.204 Ein dagegen nach wortlautgetreuer Auslegung des § 2 I MaKonV einhergehendes Einschränken der Bewertungserheblichkeit auf allein solche Umstände, die ein verständiger Anleger berücksichtigen würde, bedeutet im Lichte der rechtsgutssystematischen Auslegung einen durch die MaKonV verkürzten Schutz. Gerade die in Zeiten von Börsenblasen und Herdenverhalten205 antreffbare Empfänglichkeit des Anlegerpublikums für bloße Werturteile von Börsengurus belegt dies, würde ein „verständiger Anleger“ streng genommen doch solche Einflüsse nicht zur Grundlage der Bewertung seiner geplanten Transaktionsentscheidung erheben. Richtigerweise ist daher für die Bewertungserheblichkeit zwar ähnlich dem Eignungskriterium und angesichts der alleinigen Struktur des § 20a WpHG als Gefährdungen verbietender Norm ein objektiver, nicht aber starrer Maßstab und damit eine abstrakt-generelle Betrachtungsweise zugrunde zu legen. Der Maßstab für die Beurteilung der Bewertungserheblichkeit muss jedoch davon abhängen, wer vorhersehbar den Adressatenkreis der gemachten Angaben bildet (und am Börsenpreis interessiert ist) bzw. welchem Personenkreis gegenüber im Falle des pflichtwidrigen Verschweigens die Offenbarungspflicht bestanden hat.206 Diese teleologische Auslegung bezieht dem Rechtsgut entsprechend die bestehenden Gefährdungspotentiale für den Preisbildungsmechanismus ein und definiert gerade nicht – wie der Maßstab eines verständigen Anlegers spiegelbildlich nahelegt207 – aus der Perspektive des wünschenswerten Informationsangebots. Entscheidend ist, inwieweit durch Manipulationen Einfluss auf die bestehende Informationslage aber auch auf die Mechanismen der Verarbeitung bereits bestehender korrekter Informationen im Markt genommen wird. Letzteres kann gerade dadurch geschehen, dass bestimmte irrationale, aber bei Anlegern häufig anzutreffende Entscheidungsmuster gezielt angesprochen werden, um so ei203 Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 43. Ebenfalls für den Miteinbezug auch des betroffenen Finanzinstrumentes Arlt (2004) S. 164; Eichelberger (2006) S. 263; Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 77. 204 Schröder (2007) 3. Kap. C IV Rn. 405 (= S. 152). 205 Vgl. hierzu Fleischer FS Immenga (2004) 575, 583 f. und unten 3. Kapitel § 2 B. II. 3. b). 206 Vgl. ebenso bereits Eichelberger (2006) S. 262 f.; Lenzen (2000) S. 224. Siehe auch Trüstedt (2004) S. 149 f., die unter rechtsgutssystematischen Erwägungen je nach inkriminiertem Finanzinstrument auf den Blickwinkel des institutionellen Anlegers abstellen will, da diese maßgeblich für die Preisbildung zuständig sind. 207 Nur das soll für die Preisbildung relevant sein, was als bewertungserheblich anerkennenswert ist.
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
nen der bestehenden Informationslage widersprechenden Kursverlauf zu erzeugen. Auch § 2 II MaKonV vertieft den Gleichlauf mit § 13 WpHG durch die Übernahme der veröffentlichungswürdigen Tatsache im Sinne des § 15 I 1 WpHG bzw. der §§ 10, 33 WpÜG als Regelbeispiel bewertungserheblicher Umstände.208 § 2 III MaKonV lässt dem zwingende, nicht aber abschließende Beispiele folgen. Bewertungserheblich sind daher insbesondere209 bedeutende Kooperationen, der Erwerb oder die Veräußerung von wesentlichen Beteiligungen sowie der Abschluss, die Änderung oder die Kündigung von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen und sonstigen bedeutenden Vertragsverhältnissen. Daneben listet § 2 III MaKonV Liquiditätsprobleme, Überschuldung oder Verlustanzeige nach § 92 AktG, bedeutende Erfindungen, die Erteilung oder den Verlust bedeutender Patente und die Gewährung wichtiger Lizenzen auf. Ebenfalls bewertungserheblich nach § 2 III MaKonV sind Rechtsstreitigkeiten und Kartellverfahren von besonderer Bedeutung, Veränderungen in personellen Schlüsselpositionen des Unternehmens und strategische Unternehmensentscheidungen, insbesondere der Rückzug aus oder die Aufnahme von neuen Kerngeschäftsfeldern oder die Neuausrichtung des Geschäfts. § 2 IV MaKonV enthält schließlich Anhaltspunkte bzw. Hinweise auf weitere Anwendungsfälle. Sowohl Änderungen in den Jahresabschlüssen und Zwischenberichten sowie den hieraus üblicherweise abgeleiteten Unternehmenskennzahlen, Änderungen der Ausschüttungen, insbesondere Sonderausschüttungen, eine Dividendenänderung oder die Aussetzung der Dividende als auch Übernahme-, Erwerbs- und Abfindungsangebote (soweit nicht bereits von § 2 II MaKonV erfasst) sollen wie Kapital- und Finanzierungsmaßnahmen Anhaltspunkte für bewertungserhebliche Umstände darstellen. Nachdem diese Aufzählung bewertungserheblicher Umstände explizit nicht abschließend ist, können daneben weitere nicht benannte Fälle von Bewertungserheblichkeit in Anknüpfung an obige Formel insbesondere in Fällen einer marktbezogenen, wertpapierbezogenen oder ideologisch motivierten Bewertung (s. o.) anzutreffen sein. An den in §§ 2 III und IV MaKonV enthaltenen Regelungen benannter Fälle lässt sich indes kritisieren, dass diese oftmals keine hinreichend klare Subsumtionsgrundlage bieten, teilweise stattdessen weitere wertausfüllungsbedürftige Begrifflichkeiten 208
Vgl. Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 81; Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 40. 209 Ein instruktiver Katalog bewertungserheblicher Umstände findet sich auch bei Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 80. Ebenda (Rn. 81 ff.) findet sich auch eine umfassende einzelfallbezogene Kommentierung bewertungserheblicher Umstände nach der MaKonV.
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enthalten (bspw. die Frage, ob eine Kooperation i. S. d. § 2 III Nr. 1 MaKonV bedeutend ist oder nicht)210. Insgesamt ermöglicht die MaKonV jedoch trotz des bisweilen nicht befriedigenden Präzisierungsgrades zusammen mit dem gesetzlichen Merkmal der Bewertungserheblichkeit und unter Einbezug der teleologischen Auslegung eine noch hinreichende Bestimmtheit des Erheblichkeitskriteriums.211 Die Einzelfallentscheidung konnte sowohl vom Gesetz- als auch Verordnungsgeber wegen der Vielgestaltigkeit der Lebenssachverhalte nicht gänzlich durch die abschließende Typisierung bewertungserheblicher Umstände i. S. v. unternehmensbezogenen Kennwerten, Schwellenwerten oder Prozentsätzen ersetzt werden.212 Mit Blick auf die gleichzeitig in § 20a I 1 Nr. 1 WpHG erforderliche Preiseinwirkungseignung relativiert sich indes insgesamt die Bedeutung der Bewertungserheblichkeit des Umstandes erheblich, was das ganze Kriterium als überflüssig erscheinen lässt.213 Eine Angabe über einen Umstand die zur Kurseinwirkung geeignet ist, stellt gleichzeitig einen bewertungserheblichen Umstand für die Anlageentscheidungen als Grundlage der Preisbildung dar.214 Die Definition der bewertungserheblichen Umstände in § 2 I 1 MaKonV weist eine weitgehende Übereinstimmung zur gesetzlichen Definition der Eignung zur Preisbeeinflussung innerhalb des Insiderhandelsverbotes auf. In § 13 I 2 WpHG wird eine Eignung zur Beeinflussung des Börsenoder Marktpreises dann als gegeben angesehen, „wenn ein verständiger Anleger die Information bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde“. Entscheidend kommt es darüber hinaus unter teleologischen Gesichtspunkten für den Schutz der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes darauf an, ob eine Angabe über einen Umstand die Eignung zur Beeinflussung des Preises besitzt.215 Eines redundanten, noch dazu lediglich eine partielle „Scheinobjektivierung mittels einer Kunstfigur“216 bewirkenden zusätzlichen Merkmals bedarf es daher mitnichten, weshalb vorliegend de 210 Durch das Merkmal „bedeutend“ wird wiederum der Anwendungsbereich eingeschränkt. 211 Vgl. so u. a. Schröder (2007) 3. Kap. C IV Rn. 420 (= S. 155). 212 Ebenso Schönhöft (2006) S. 79. 213 Umgekehrt argumentieren dagegen Altenhain BB 2002, 1874, 1877 u. 1879; Kümpel/Veil 6. Teil Rn. 18 (= S. 132 f.); Schwark, in: Schwark WpHG § 20a Rn. 17, die die Einwirkungseignung neben der Bewertungserheblichkeit als faktisch bedeutungslos ansehen. Dem ist entgegenzuhalten, dass der Begriff der Einwirkungseignung präziser und entsprechend dem geschützten Kollektivrechtsgut die manipulative Handlung zu beschreiben vermag. Rechtsgutssystematisch problematisch sind gerade manipulative Einwirkungen auf die Preisbildungsprozesse des Marktes. 214 Vgl. hierzu ausführlich unten 3. Kapitel § 2 B. II. 3. 215 Vgl. insoweit zur Kritik an der Maßstabsfigur des verständigen Anlegers bereits oben 3. Kapitel § 2 A. I. 1. b) bb).
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
lege ferenda für eine Abschaffung des Merkmals der Bewertungserheblichkeit plädiert wird.217 2. Unterlassensalternative § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG Die Pflicht zur Offenbarung muss eine bestehende Rechtspflicht sein, sich also über die dynamische Verweisung in § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG aus einem Gesetz oder einer Verordnung ergeben, welche sowohl nationaler wie europäischer Herkunft entstammen können.218 Nicht rechtsverbindliche Kodizes (sog. soft law in Form von Corporate Governance Regelungen) und freiwillige Verhaltensvereinbarungen begründen daher keine Offenbarungspflichten.219 Die Offenbarungspflicht kann sich beispielsweise aus Publizitätspflichten des WpHG (§§ 15, 15a220 und 27a II WpHG n. F.221), aus den Regelungen zur handels- und bilanzrechtlichen Publizität oder auch anderen kapitalmarktrechtlichen Bestimmungen ergeben. Eine Pflicht zur Offenbarung kann aus anlassbezogenen Vorschriften222 wie bei einer Unternehmensübernahme (§§ 10, 27, 35 WpÜG) oder Insolvenz (§ 92 II AktG) ebenso wie 216 Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 42. Kritisch ebenso Hild (2004) S. 132; Kutzner WM 2005, 1401 f. Weber NZG 2004, 23, 27 f. (S. 28: „inhaltsleere Redeweise“). 217 Ebenso u. a. Eichelberger (2006) S. 265. 218 Vgl. BaFin, Emittentenleitfaden (2005) S. 92 bzw. dies., Emittentenleitfaden (2009) S. 110; Mock/Stoll/Eufinger KK-WpHG § 20a Rn. 166. 219 Vgl. Schröder (2007) 3. Kap. D II Rn. 451 (= S. 166). So begründet bspw. die Quartalberichterstattungspflicht in bestimmten Marktsegmenten (bspw. Prime Standard) der Frankfurter Wertpapierbörse nur dann eine Verpflichtung i. S. d. § 20a I 1 Nr. 1 2. Alt. WpHG, wenn diese Verpflichtung auf Rechtsvorschriften basiert (siehe hierzu Wodsak [2006] S. 84 ff.). 220 Nach VGH Hessen Urt. v. 3.5.2006 – 6 UE 2623/04 – AG 2006, 553, 554 – stellt dabei die Veröffentlichung von Eigengeschäften von Führungspersonen und deren nahen Angehörigen (sog. Director’s Dealing) keinen unzulässigen Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht dar. Zu den Director’s Dealings nach neuem WpHG vgl. Erkens Der Konzern 2005, 29 ff.; Pluskat BKR 2004, 467 ff. sowie Schuster ZHR 2003, 193 ff. 221 Vgl. zur mit dem Risikobegrenzungsgesetz (BGBl I 2008, S. 1666) ab dem 31.5.2009 geltenden Vorschrift des § 27a WpHG (Veröffentlichungspflicht bei wesentlichen Beteiligungen) und deren strafrechtlicher Relevanz Querfurth WM 2008, 1957, 1958 f.; a. A. Pluskat NZG 2009, 206, 210, nach der § 27a WpHG keine strafrechtlich relevanten Pflichten enthält; zu den Änderungen der §§ 21 ff. WpHG mit dem Risikobegrenzungsgesetz auch Renz/Rippel BKR 2008, 309 ff. 222 Vgl. hierzu monographisch Pavlova (2008) S. 87 ff. und passim. Zum Problem des rechtzeitigen Zeitpunktes bei gestreckten Sachverhalten und mehrstufigen Entscheidungsprozessen siehe u. a. Burgard ZHR 162 (1998) 51, 54 ff.; ferner Monheim (2007) S. 147 ff. m. w. N.
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aus Bestimmungen zur Regelpublizität, z. B. den Zwischenberichtspflichten (§ 40 BörsG i. V. m. §§ 53 ff. BörsenZulV) oder der Pflicht zur Aufstellung und Offenlegung eines Jahresabschlusses der Gesellschaft (§§ 325 ff. i. V. m. 264 ff. HGB) resultieren.223 Als wohl bedeutendste Pflicht ist insoweit die Ad-Hoc-Veröffentlichungspflicht des § 15 WpHG zu nennen, nach der ein Inlandsemittent dazu verpflichtet wird, Insiderinformationen i. S. d. § 13 WpHG,224 die ihn unmittelbar betreffen, unverzüglich225 und im entsprechenden Publikationsverfahren (§§ 4 WpAIV) zu veröffentlichen. Nachdem der Kapitalmarkt gerade die wesentlichen Aufgaben der Informationseffizienz und Allokationseffizienz wahrzunehmen hat, dienen alle obig genannten Transparenzvorschriften auch der Transparenzgewährleistung im Kapitalmarkt.226 Das Anknüpfen strafrechtlicher Verantwortlichkeit an obige Pflichten ist daher aus der rechtsgutssystematischen Perspektive zulässig,227 sollen jene Pflichten doch somit auch die Funktionsfähigkeit 223 Vgl. BaFin, Emittentenleitfaden (2005) S. 92 bzw. dies., Emittentenleitfaden (2009) S. 110; umfassend zu den erheblichen Rechtspflichten i. S. d. § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG Wodsak (2006) S. 21 ff.; zu den Neuerungen für die Regelpublizität durch das Transparenz-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (TUG) vom 10.1.2007 (BGBl I S. 10) Mülbert NZG 2007, 761 ff.; zur Ad-Hoc-Publizität im Vorfeld öffentlicher Übernahmen Widder/Bedowski BKR 2007, 405, 406 ff. 224 Nachdem für die Ad-Hoc-Pflicht des § 15 WpHG zusätzlich ein unmittelbarer Emittentenbezug der Insiderinformation erforderlich ist, für den verbotenen Insiderhandel (§ 14 WpHG) dagegen jede Insiderinformation i. S. d. § 13 WpHG ausreicht, müssen Insider- und Marktmanipulationsrecht dabei nicht immer deckungsgleich laufen. Siehe hierzu und zur Ad-Hoc-Pflicht statt vieler Schröder (2007) 3. Kap. D III Rn. 452 ff. (auch zum Einbezug der CESR-Empfehlungen zur Interpretation des unmittelbaren Emittentenbezugs einer Information) sowie zur Stärkung der Finanzmarktintegrität durch die Ad-hoc-Publizität monographisch Büche (2005) und Cahn/ Götz (2007). 225 Zum höchst praxisrelevanten Problem des notwendigen Zeitpunktes einer unverzüglichen Veröffentlichung vgl. jüngst am Beispiel des als Information publizitätspflichtigen Ausscheidens des Vorstandsvorsitzenden Schrempp aus der Daimler AG BGH BB 2008, 855 ff. (insbesondere Rn. 20; krit. hierzu u. a. Möllers NZG 2008, 330, 332 f.), der hierfür in Übereinstimmung mit dem Obergericht (OLG Stuttgart BB 2007, 565) auf den Zeitpunkt der notwendigen Aufsichtstratsentscheidung abstellt, da erst zu diesem Zeitpunkt mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden darf, dass die zuvor bloße Absicht des Ausscheidens in Zukunft Verwirklichung finden werde. Absichten können zwar bereits eine Insiderinformation darstellen. Dies gilt aber nur dann, wenn derartige Umstände hinreichend präzise und deren Verwirklichung hinreichend wahrscheinlich ist. Zum Zeitpunkt notwendiger Ad-Hoc-Publizität bei mehrstufigen Entscheidungsprozessen vgl. Staake BB 2007, 1573 ff. 226 Zur Abgrenzung aktienrechtlicher Informationspflichten und kapitalmarktrechtlicher Information vgl. im Übrigen Kersting ZGR 2007, 319, 337 ff. 227 Insoweit erübrigt sich für diesen Bereich auch der im Rahmen der Sonderdelikte herrschende Streit zwischen den Anhängern einer reinen Rechtspflichttheorie
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des Kapitalmarktes gewährleisten, wenn sie zeitnah für den Nachschub der entsprechenden Informationen sorgen. Verschwiegen ist ein Umstand dann, wenn entsprechende Angaben überhaupt nicht oder zu spät gemacht werden oder gerade gegenüber bestimmten Personen Informationen verschwiegen werden, denen gegenüber eine Offenbarungspflicht besteht.228 Dies ist beispielsweise im Rahmen der Adhoc-Pflichten des § 15 WpHG zu konstatieren, wenn die in der Offenbarungspflicht vorgesehene Form der Offenlegung (§§ 15 I 1, VII 1 Nr. 1 WpHG i. V. m. § 5 WpAIV) nicht beachtet wird und die tatsächlich vorgenommene Veröffentlichung nicht eine gleichwertige Öffentlichkeit herstellt.229 Als in ihren Weiterungen zumindest für das Strafrecht höchst ungewöhnlich230 erweist sich in diesem Zusammenhang im Rahmen der Ad-hoc-Pflicht des § 15 WpHG die auf die Umsetzung europäischer Vorgaben231 zurückgehende Norm des § 15 III 1 WpHG mit der ihr inkludierund solchen, welche nur strafrechtsgutsannexe gesetzliche Pflichten anerkennen wollen. Vgl. zu letzterem Roxin AT II § 15 Rn. 273 f. sowie Schünemann LK § 14 Rn. 17. 228 Vgl. Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 101. Die meisten hier relevanten Offenbarungspflichten bestehen gegenüber der Allgemeinheit, weshalb die Offenbarung nur gegenüber Einzelpersonen ohnehin in den meisten Fällen einem „Verschweigen“ gleichkommt (so auch Eichelberger [2006] S. 267). 229 BaFin, Emittentenleitfaden (2005) S. 91 bzw. dies., Emittentenleitfaden (2009) S. 110. 230 Bernsmann FS Christian Richter II (2006) S. 51, 57 sieht diese Selbstbefreiungsmöglichkeit als „höchst kurios und insbesondere in Bezug auf ihre Irrtumsrelevanz noch völlig ‚unerforscht‘“ an. Umfassend zur Selbstbefreiungsmöglichkeit (allerdings aus kapitalmarktrechtlicher, nicht strafrechtlicher Perspektive) Möllers WM 2005, 1393 ff.; Schneider BB 2005, 897 ff. sowie Schneider/Gilfrich BB 2007, 53 ff.; Veith NZG 2005, 254 ff. Ohne Aufgreifen des Problems die spezifische Monographie von Wodsak (2006) S. 73 ff. 231 Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2003/6/EG und Art. 3 I der entsprechenden Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG. Die Richtlinie 2003/6/EG geht hierbei auf die durch die deutsche Delegation erfolgreich übermittelte Sorge der BaFin zurück, wegen fehlerhafter Ablehnung eines Befreiungsantrages von einem Emittenten wegen Amtspflichtverletzung auf Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden (vgl. Schneider BB 2005, 897). Insoweit dürfte auch die Bereitschaft für „tatsächliche Verständigungen“ zwischen Emittenten und BaFin seitens der BaFin – als möglicher Ausweg aus dem sich für die Emittenten im Einzelfall bei nicht eindeutigem tatsächlichem Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen – wenig stark ausgeprägt sein. Vgl. zum parallelen Problem aus dem Kartellordnungswidrigkeitenrecht (sog. Negativattest) Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht AT Rn. 93g (unter Bezugnahme auf Art. 2 KartellVO EG-VO 17/1962, wo noch ausdrücklich vorgesehen im Gegensatz zu heute (EG 1/2003). Richtigerweise wohl mit rechtssicherem Verlass nur wenn Zusicherung i. S. § 38 VwVfG gewährt wird; siehe zu den informellen Beratungsschreiben der Kommission (früher die sog. Comfort letters [Art. 2 VO 17/62], heute unter Geltung der VO 1/2003 die sog. Beratungsschreiben [Bekannt-
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ten Selbstbefreiungsmöglichkeit von der Ad-hoc-Pflicht für jene Fälle, in denen der Schutz der berechtigten Interessen des Emittenten eine zeitweilige Befreiung erfordert und weder eine Irreführung der Öffentlichkeit zu befürchten ist, noch der Emittent die Vertraulichkeit der Insiderinformation nicht gewährleisten kann.232 Die Selbstbefreiungsmöglichkeit gibt ihm dabei nur ein Recht zum Schweigen, aber kein Recht zur Lüge.233 Dabei obliegt die Prüfung der Befreiungsmöglichkeiten keiner Behörde, sondern dem Emittenten selbst, dem dabei angesichts der damit einhergehenden erheblichen Risikoverlagerung234 eine Einschätzungsprärogative zugestanden wird.235 Auch wenn das Gesetz genau genommen nur für bestimmte Konstellationen und unter den genannten Voraussetzungen die Garantenpflicht zeitweilig suspendiert, wird durch das Anknüpfen an die diesbezügliche Emittentenentscheidung das insoweit auf der Garantenpflicht aufbauende Strafrecht der Disposition seiner Adressaten überantwortet.236 Darüber hinaus birgt die Regelung gerade wegen ihrer zahlreichen unbestimmten Rechtbegriffe Raum für mögliche Irrtumskonstellationen.237 Hinsichtlich möglicher Irrtümer über die gesetzliche Reichweite der Befreiungsmöglichkeit als auch das Vorliegen ihrer tatsächlichen Voraussetzungen kann die Selbstbefreiungsmöglichkeit als negatives Tatbestandsmerkmal der Garanmachung der Kommission über informelle Beratung bei neuartigen Fragen zu den Art. 81 und 82 des Vertrags, die in Einzelfällen auftreten, ABl. 2004, Nr. C 101 vom 27.4.2004, S. 78 ff.]), hierzu Dannecker, in: Wabnitz/Janovsky (3. Aufl. 2007) § 16 Rn. 148. 232 § 6 Satz 2 WpAIV enthält insoweit zwei Regelbeispiele in denen eine Selbstbefreiungsmöglichkeit gegeben sein soll. Zum einen für den Fall, dass die Gefahr besteht, dass die Veröffentlichung das Ergebnis oder den Gang laufender Verhandlungen über kursrelevante Geschäftsinhalte erheblich beeinträchtigt und zum anderen, wenn ein Geschäftsführungsorgan des Emittenten bereits geschlossene Verträge ankündigen müsste, obwohl die für die Wirksamkeit der Maßnahme erforderliche Zustimmung eines anderen Organs noch aussteht (vgl. hierzu und zur Selbstbefreiungsmöglichkeit des § 15 III WpHG umfassend Pavlova [2008] S. 220 ff. sowie Schneider/Gilfrich BB 2007, 53, 54 und passim; kritisch hinsichtlich der „Notlösung“ § 15 III WpHG bei öffentlichen Übernahmen Widder/ Bedowski BKR 2007, 405, 407 ff.). 233 Vgl. ebenso u. a. Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 47. 234 Vgl. u. a. Möllers WM 2005, 1393, 1395. 235 Vgl. Schröder (2007) 3. Kap. D III 4 Rn. 464 (= S. 170 f.). 236 So ausdrücklich Bernsmann FS Christian Richter II (2006) S. 51, 58. 237 In Praxi dürften diese allerdings dadurch abgemindert werden können, wenn frühzeitig die BaFin eingeschaltet werden wird, wie es § 15 III 4 WpHG als Teil der Voraussetzungen zur Selbstbefreiung ohnehin (bußgeldbewehrt!, § 39 II Nr. 2c WpHG) verlangt. Dann dürfte zum einen in entsprechenden Konstellationen die Unvermeidbarkeit eines Verbotsirrtums, § 17 StGB, ebenso zu bejahen sein, wie eine – wenn überhaupt – nur noch in Frage kommende ordnungswidrige Fahrlässigkeitstat (§ 39 II Nr. 11 WpHG) in Konstellationen eines Tatbestandsirrtums.
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tenpflicht begriffen werden.238 Der Irrtum über das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen der Befreiungsmöglichkeit stellt danach einen Tatbestandsirrtum i. S. d. § 16 StGB dar. Der Irrtum über die Reichweite der Befreiungsmöglichkeit (davon Ausgehen, dass Selbstbefreiung auch für anderes als den Schutz berechtigter Interessen notwendig ist) entspricht einem Gebotsirrtum (§ 17 StGB), da der Manipulant in Kenntnis der tatsächlichen Lage, die Publizitätspflicht wegen der vermeintlich einschlägigen Befreiungsmöglichkeit als nicht für sich geltend ansieht. Die automatische Einordnung als echtes Unterlassungsdelikt durch die überwiegende Literatur239 entspringt im Übrigen allein der unreflektierten Übertragung der systematischen Einordnung des § 88 Nr. 1 2. Alt. BörsG a. F. auf § 38 I Nr. 4 WpHG a. F. (nunmehr § 38 II WpHG) jeweils i. V. m. § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG. Nachdem – aus dogmatischer Sicht umstritten – die herrschende Ansicht für die Abgrenzung von echten und unechten Unterlassungsdelikten aber darauf abstellt, ob sich das strafbare Verhalten im Verstoß gegen eine Gebotsnorm erschöpft (dann echtes Unterlassungsdelikt) oder zusätzlich einen bestimmten Erfolg erfordert (dann unechtes Unterlassungsdelikt),240 wäre die Strafnorm des §§ 20a I 1 Alt. 2, 39 II Nr. 11, 38 II WpHG dann als unechtes Unterlassungsdelikt auszulegen,241 wenn das Einwirkungserfordernis als Erfolgskriterium interpretiert wird, wie es die ganz herrschende Ansicht vornimmt.242 Auch wenn man richtigerweise anders als die überwiegende Ansicht auf die Begehungsgleichheit als Abschichtungskriterium abstellt,243 so ist bereits § 20a I 1 Nr. 1 2. Alt. WpHG als unechtes Unterlassungsdelikt auszulegen, da bereits dort vom Gesetzgeber das Unterlassen dem Tun (Machen irreführender Angaben in § 20a I 1 Nr. 1 1. Alt. WpHG) soweit wie möglich244 gleichgestellt worden ist. 238 Möllers WM 2005, 1393, 1395 spricht von § 15 III WpHG insoweit als einer „Legalausnahme“. Denkbar wäre auch, die Selbstbefreiungsmöglichkeit als Rechtfertigungsgrund zu begreifen (angedeutet bei Schröder [2007] 3. Kap. D III 4 Rn. 464 [= S. 171], wenn er für parallele Fälle der Auferlegung von Prüfungspflichten der Rechtsunterworfenen selbst bezüglich des Erlaubtseins ihres Handelns, auf die Rechtfertigungsgründe verweist). 239 Vgl. hierzu exemplarisch Wodsak (2006) S. 21 unter Hinweis auf w. N. zur „systematisch gleichen Regelung“ ebenda, S. 21 Fn. 21) in § 88 Nr. 1 Alt. 2 BörsG; vgl. ferner Altenhain KK-WpHG § 20a Rn. 165 m. w. N. 240 Vgl. BGHSt 14, 280, 271; Jescheck/Weigend AT § 58 III; zum Streitstand Roxin AT II, § 31 Rn. 16 ff. 241 Vgl. ebenso u. a. Ziouvas ZGR 2003, 113, 126. 242 Siehe hierzu 3. Kapitel § 2 B. I. 4. 243 Siehe so beispielsweise Roxin AT II § 31 Rn. 17 ff. im Anschluss an Schünemann (1971) S. 43 ff. 244 Die Einschränkung ergibt sich aus der unterschiedlichen ontischen Struktur von Tun und Unterlassen, vgl. Roxin AT II § 31 Rn. 17 m. w. N.
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3. Eignung zur Einwirkung auf den Börsen- oder Marktpreis Beide Alternativen des § 20a I 1 Nr. 1 WpHG verlangen als zusätzliches Kriterium die Eignung der Angaben oder des Verschweigens, auf den inländischen Börsen- oder Marktpreis eines Finanzinstruments oder auf den Preis eines Finanzinstruments an einem organisierten Markt in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum einzuwirken. Die Eignung zur Börsen- oder Marktpreiseinwirkung verlangt die generelle Möglichkeit zur Einwirkung. Erforderlich ist damit eine generelle oder potentielle245 Kausalität der Manipulationshandlung in Form der gemachten Angaben oder des Verschweigens von Umständen für eine Einwirkung auf den Börsen- oder Marktpreis.246 Eine Eignung zur erheblichen Kurswirkung wird anders als im Insiderrecht (§ 13 I 1 WpHG) nicht verlangt.247 Die somit unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles (insbesondere der konkreten Angaben und Marktverhältnisse) geforderte nicht entfernte, sondern vielmehr ernstzunehmende Möglichkeit, nicht aber konkrete Gefahr248 der Preiseinwirkung, grenzt die Weite des Tatbestands somit als nicht zu unterschätzender Filter weiter ein.249 Die gesetzlich nicht umschriebene Qualität des notwendigen Gefährdungspotentials liegt somit zwischen einer konkreten Gefahr i. S. eines „um-Haaresbreite-Gutgehens“ und der abstrakten, zur rein theoretischen Erwägung degenerierten Möglichkeit.250 Insoweit 245
Vgl. Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 70. Vgl. auch Denicke (1997) S. 17 zum Erfordernis eines „generellen Ursachenzusammenhangs“ bei den Eignungsdelikten. 247 Siehe hierzu Schröder (2007) 3. Kap. C IV Rn. 433 (= S. 160); a. A. zum § 20a i. V. m. § 38 WpHG in der Reform durch das 4. FFG Nowak ZBB 2001, 449, 450 unter Hinweis auf die nur so mögliche Ausklammerung von zufälligen Kursbewegungen. Zum Problem der mitumfassten Bagatellen bei Kumulationsdelikten und einer damit einhergehenden Notwendigkeit deren Eliminierung unter dem Stichwort der Sozialadäquanz Hefendehl (2002) S. 188; siehe ferner Kuhlen GA 1986, 389, 407 zur „unabdingbaren“ Notwendigkeit der Präzisierung von Bagatellklauseln. Eine solche kann bei der Marktmanipulation allerdings nicht durch ein pauschales Erfordernis einer erheblichen Einwirkung erfolgen (siehe hierzu 3. Kapitel § 2 B. I. 2.). 248 Vgl. Schröder (2007) 3. Kap. C IV Rn. 436 (= S. 161); Worms, in: Assmann/ Schütze (2007) § 9 Rn. 118. 249 BaFin, Emittentenleitfaden (2005) S. 93 bzw. dies., Emittentenleitfaden (2009) S. 111; Fleischer ZBB 2008, 137, 143; Schröder (2007) 3. Kap. C IV Rn. 438 (= S. 162); Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 70; Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 118. Dagegen will Eichelberger (2006) S. 280 im „Hinblick auf eine effektive Verhinderung von Marktmanipulation“ die Eignung bereits dann bejahen, wenn die „Möglichkeit der Preiseinwirkung nicht fern liegt.“ 250 Schröder (2007) 3. Kap. C IV Rn. 436 (= S. 161). Ein Anknüpfen an konkrete Wahrscheinlichkeitsgrade (vgl. so zur Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung i. R. d. § 13 WpHG Schwark, in: Schwark WpHG § 13 Rn. 47 m. w. N.: Wahrschein246
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
nimmt § 20a I 1 Nr. 1 WpHG bereits den Begriff der Einwirkung aus § 38 II WpHG vorweg, verlangt aber im Gegensatz zu diesem nicht eine tatsächliche Einwirkung, sondern nur die Möglichkeit einer solchen. Insoweit kann für das Kriterium der Einwirkung auf den Schwerpunkt dieser Untersuchung verwiesen werden.251 Einwirkung kann danach sowohl prozessbezogen (Tätigkeit des Einwirkens auf den Preisbildungsprozess) als auch – wie es die ganz herrschende Ansicht annimmt – erfolgsbezogen (Einwirkung sei ausschließlich der sich in einem konkret beeinflussten Marktpreis manifestierende Erfolg) ausgelegt werden. Das Merkmal der Eignung erfüllt insoweit neben dem Erfordernis der tatsächlichen Einwirkung (§ 38 II WpHG) im Rahmen des Straftatbestandes der Marktmanipulation keine eigenständige Bedeutung.252 Diese kommt ihm nur im Rahmen des Ordnungswidrigkeitentatbestandes zu, welcher gerade keine tatsächliche Einwirkung i. S. d. § 38 II WpHG, sondern lediglich die vorsätzliche oder leichtfertige Verwirklichung der Tatbestandsmerkmale des § 20a I 1 Nr. 1 WpHG erfordert (§ 39 II Nr. 11 WpHG). Allein der Tatbestand des § 20a WpHG weist (ohne Betrachtung der zusätzlichen Erfordernisse des § 38 II WpHG)253 die dogmatische Struktur eines Eignungsdelikts auf, welches entweder als Unterfall unter die abstrakten Gefährdungsdelikte eingeordnet254 oder wegen des dem Richter aufgrund ausfüllungsbedürftiger Tatbestandsmerkmale belassenen Beurteilungsspielraums, die Gefahrengeeignetheit nach generellen Grundsätzen zu beurteilen, als eigenständige Deliktsart255 neben den abstrakten (und konkreten) Gefährdungsdelikten betrachtet wird, welche sich durch die abschließende Aufführung aller gefährlichkeitsrelevanten Umstände im Gesetz auszeichnen. lichkeit der Beeinflussung muss höher als 50% liegen) hilft insoweit wenig weiter, als sich bereits die Wahrscheinlichkeitsberechnung mangels berechenbarer Größen und Anknüpfungswerte unmöglich gestaltet (vgl. hierzu ausführlich unten im Rahmen probabilistischer Kausalitätsnachweise 3. Kapitel § 2 B. IV. 3. a) cc) (2)). 251 Vgl. umfassend unten 3. Kapitel § 2 B. 252 Nachdem vorliegend für den Begriff der Eignung bereits eine konkrete Möglichkeit der Preisbeeinflussung zu fordern ist (siehe unten), sind Fälle einer fehlenden Deckung einer tatsächlichen vorhandenen Kausalität mit einer ex ante zu beurteilenden Geeignetheit kaum denkbar. Bei einem weiteren Begriff der Eignung (generelle Geeignetheit unter normalem Verlauf der Dinge) und einem konkreten Kausalitätsmaßstab ohne inkludiertes Abstellen auf generelle Gesetzmäßigkeiten o. ä. wäre indes in Fälle atypischer Kausalverläufe eine fehlende Deckung beider Ebenen denkbar. 253 Vgl. hierzu umfassend und als Schwerpunkt dieser Untersuchung unten 3. Kapitel § 2 B. 254 Vgl. statt vieler Horn SK vor § 306 Rn. 18.; Jescheck/Weigend AT § 26 II S. 264; Roxin AT I § 11 Rn. 161; Sch/Sch-Stree/Heine vor §§ 306 Rn. 3; wohl auch Wohlers (2000) S. 301 f. 255 Vgl. Baumann/Weber/Mitsch § 8 Rn. 44; Hoyer (1987) S. 56 f., 201.
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Als Grundlage einer Bejahung des Eignungskriteriums erforderlich ist eine nachträglich erfolgende, aber aus ex ante-Sicht anzustellende objektive Prognose, ob aus der Sicht eines verständigen Anlegers eine derartige Eignung zur Börsen- oder Marktpreiseinwirkung zu bejahen ist.256 Hierbei ist richtigerweise mangels hinreichender Erkenntnisse, was deterministisch zur Preisbildung an Kapitalmärkten führt, auf die objektiven Erfahrungssätze einer Maßstabsfigur des fiktiven verständigen Anlegers257 des jeweiligen Marktes unter zusätzlicher Berücksichtigung bekannter Verhaltensanomalien zurückzugreifen.258 Der bloße Rückschluss von einer späteren Kursänderung auf eine vorherige Einwirkungseignung ist unzulässig,259 der Rückschluss von einer festgestellten Kausalität eines tatsächlich bewirkten Preiseinwirkungserfolges dagegen nach herrschender Meinung schon.260 Für die Zielobjekte einer möglichen Einwirkung, dem entsprechenden Börsen- oder Marktpreis, mag eine Prognose bei einfachen Finanzinstrumenten wie beispielsweise Aktien hinsichtlich der unrichtigen Angaben zu Umsatz, Gewinn, Dividendenhöhe noch problemlos zu bejahen sein. Problematischer wird eine Voraussage jedoch, desto synthetischer ein Finanzinstrument ist (gestufte Derivate, Basket-Produkte, Index-orientierte Produkte etc.).261 Problematisch zeigt sich das Merkmal auch beim Unterlassen.262 Nach einigen Stimmen könne eigentlich nicht durch ein Unterlassen auf einen Kurs eingewirkt werden, sondern müsse deshalb hypothetisch gefragt werden, ob die inkriminierte Information, wäre sie veröffentlicht worden, geeignet gewesen wäre, auf den Börsenkurs einzuwirken.263 Dies verkennt 256
Vgl. u. a. Schröder (2007) 3. Kap. C IV Rn. 434 (= S. 160). Siehe so zur Eignung u. a. Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 70. 258 Vgl. hierzu bereits oben zur Bewertungserheblichkeit (3. Kapitel § 2 A. I. 1. b) bb)). 259 Hierzu Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 70; Schwark, in: Schwark WpHG § 20a Rn 17 (allein Indizwirkung). 260 Vgl. Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 112: denknotwendiges Feststehen. Denknotwendig ist ein solches „Feststehen“ jedoch nur dann, wenn das Kausalitätsurteil auch eine generelle Eignung verlangt und nicht allein eine atypische Einzelfalleignung ausreichen lassen will. Eine tatsächlich vorliegende Kausalität der Manipulationshandlung für einen bestimmten Börsenkurs wird auch von Mendes/Miranda Kolloquium Philipps (2005) S. 329, 365 und passim als „heuristisches Kriterium“ für das Vorliegen der Kurseinwirkungseignung verstanden. Der praktische Gewinn einer solchen Heuristik muss allerdings angesichts der erheblichen materiellen wie prozessualen Probleme des Kausalitätsnachweises bezweifelt werden (hierzu ausführlich unten 3. Kapitel § 2 B. II. und passim). 261 Vgl. so zu Recht Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 70. 262 Vgl. hierzu umfassend im Rahmen der tatsächlichen Einwirkung unten 3. Kapitel § 2 B. III. 2. a). 257
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
aber den insoweit eindeutigen Wortlaut des § 20a I 1 Nr. 1 WpHG, der eine Einwirkungseignung des Verschweigens verlangt. Auch ein Verschweigen bestimmter vom Markt erwarteter negativer Angaben über bestimmte Umstände (eine bestimmte sich abzeichnende Ad-Hoc) kann vom Kapitalmarkt beispielsweise in der besonderen Kommunikationsbeziehung Aktienemittent zum Börsenpublikum – ohne den Umweg der Quasikausalität – als kommunikatives Signal dahingehend missverstanden werden, die negativen Umstände seien nicht eingetreten. Auf der Grundlage dieses Missverständnisses kann das Börsenpublikum dementsprechende letztlich Börsen- oder Marktpreis wirksame Transaktionsentscheidungen treffen. II. Marktmanipulation gemäß § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG § 20a I 1 Nr. 2 WpHG soll die Fälle handelsgestützter Manipulationen erfassen, welche vor seiner Einführung im Auffangtatbestand als sonstige Täuschungshandlungen von § 20a I 1 Nr. 2 WpHG a. F. bzw. § 88 Nr. 2 BörsG a. F. umfasst waren.264 Nach § 20a I 1 Nr. 2 WpHG ist es verboten, Geschäfte vorzunehmen oder Kauf- oder Verkaufsaufträge zu erteilen, die geeignet sind, falsche oder irreführende Signale für das Angebot, die Nachfrage oder den Börsen- oder Marktpreis von Finanzinstrumenten zu gegeben oder ein künstliches Preisniveau herbeizuführen. 1. Tatbestandsmerkmale des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG Die vorgenommenen Geschäfte sind in Abgrenzung zu den daneben aufgeführten Kauf- oder Verkaufsaufträgen alle abgeschlossenen schuldrechtlichen265 Kauf- oder Verkaufsgeschäfte (Transaktionen) mit Finanzinstrumenten.266 Unter den daneben aufgeführten Kauf- oder Verkaufsaufträgen sind kapitalmarktrechtliche Order zu erblicken,267 welche neben einer Limi263 Vgl. bereits Schröder, in: Achenbach/Ransiek Kap. X Abschn. 2; diesem zustimmend Wodsak (2006) S. 61 Fn. 253. 264 Vgl. Eichelberger (2006) S. 288 m. w. N. 265 Maßgeblich für die Börsenpreisbildung sind die schuldrechtlichen Geschäfte (vgl. hierzu unten 3. Kapitel § 2 B. I. 1.). 266 Vgl. Vogel Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 145; Schröder (2007) 3. Kap. E I Rn. 481 (= S. 175). Genau genommen ergibt sich dies – nachdem vom Wortlaut anders als bspw. bei § 15a WpHG („Geschäfte mit Aktien“) nicht ausdrücklich verlangt – erst aus der Verknüpfung mit der Eignung zur Signalgabe auf die Marktlage eines Finanzinstrumentes (so zu Recht Schönhöft [2006] S. 91). 267 Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 88 auch unter Verweis auf die identische englischsprachige Diktion in Art. 1 S. 1 Nr. 2 lit. a) RL 2003/6/EG („Marktmissbrauchsrichtlinie“).
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tierung der Höhe oder Ausführungsart (stop loss order etc.) auch zeitlich befristet sein können.268 Den Handlungsunwert der per se somit zunächst neutralen Handlungen knüpft der Gesetzgeber wiederum an ein besonderes Eignungsmerkmal, so dass die Ordnungswidrigkeit des § 20a I 1 Nr. 2 WpHG i. V. m. § 39 I Nr. 1 WpHG als abstraktes Gefährdungsdelikt bzw. besser Eignungsdelikt ausgestaltet ist. Nach dem Eignungskriterium müssen die Tathandlungen geeignet sein, entweder falsche oder irreführende Signale für das Angebot, die Nachfrage oder den Preis von Finanzinstrumenten zu geben (Irreführungseignung) oder ein künstliches Preisniveau herbeizuführen (Preismanipulationseignung).269 Ein solches Signal soll dann anzunehmen sein, wenn die Tathandlung das Potential besitzt, das Angebotsoder Nachfrageverhalten im entsprechenden Markt oder den Marktpreis positiv oder negativ270 zu beeinflussen.271 Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass die Tathandlung in Form bestimmten Marktverhaltens lediglich die Eignung haben muss, zumindest bestimmte Marktteilnehmer zu täuschen (bspw. auf Marktschwankungen kurzfristig reagierende Spekulanten), dies aber nicht zwangsläufig tatsächlich tun272 oder eine solche Signaleignung für alle möglichen Marktteilnehmer besitzen muss.273 Ferner muss bei Einnahme einer kollektiven Perspektive auch genügen, dass eine manipulative Handlung durchaus ambivalente Signale setzen kann, da jedenfalls die Gefahr besteht, dass das Signal von hinreichend vielen Marktteilnehmern als tatsächliches Signal einer bestimmten Marktbewegung oder dahinter liegender Unternehmensinformationen und nicht als irreführendes Signal gedeutet wird. Als falsch ist ein Signal dann anzusehen, wenn es den wahren wirtschaftlichen Verhältnissen auf dem jeweiligen Markt für das jeweilige Finanzinstrument widerspricht, als irreführend, wenn es die Eignung besitzt, einen verständigen Anleger über die Marktverhältnisse zu 268 Vgl. Schröder (2007) 3. Kap. E I Rn. 480 (= S. 175); Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 148. 269 Vgl. zu dieser Unterscheidung in Irreführungs- und Preismanipulationseignung Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 149. 270 Vgl. statt vieler Eichelberger (2006) S. 290. 271 Vgl. Schröder (2007) 3. Kap. E I Rn. 480 (= S. 175); Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 150. 272 Die Frage der tatsächlichen Einwirkung stellt sich erst im Rahmen des § 38 II WpHG, siehe hierzu unten 3. Kapitel § 2 B. 273 Wie später dargelegt werden wird, können – wenn man hier signifikante Regelmäßigkeiten überhaupt erkennen kann – einzelne Anlegergruppen je nach ihrem individuellen Anlageverhalten anders auf bestimmte Marktgegebenheiten reagieren oder eine solche Reaktion auch gänzlich unterlassen (vgl. hierzu unten 3. Kapitel § 2 B. II. 3.). Insofern genügt es angesichts der im Rahmen des Eignungskriteriums von § 20a I 1 Nr. 2 WpHG zulässigen Generalisierung die Signaleignung für einzelne, typische Anlegergruppen zu belegen, ohne dass eine Signalwirkung immer für das gesamte Anlegerpublikum zu fordern wäre.
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
täuschen.274 Das in Anlehnung an die Formulierung in Art. 1 S. 1 Nr. 2 lit. a) zweiter Spiegelstrich RL 2003/6/EG („Marktmissbrauchsrichtlinie“ – „anormales oder künstliches Kursniveau“) aufgenommene künstliche Preisniveau ist dann (erkennbar tautologisch!) zu bejahen, wenn es sich nicht als Ergebnis eines freien, unmanipulierten Marktes275 als Zusammenspiel von echtem Angebot und echter Nachfrage ergibt,276 wenn der gebildete Börsen- oder Marktpreis also nur scheinbar den marktgerechten Preis ausdrückt.277 § 20a I 1 Nr. 2 WpHG weist insoweit sowohl wegen der Schwierigkeit der Eingrenzung und genauen Bestimmung der Signalwirkung bestimmter Geschäfte, den Kriterien für Falschheit und Irreführungseignung der Signale wie auch für das damit korrespondierende künstliche Preisniveau erhebliche Schwierigkeiten auf. Nachdem bereits die Eignung, falsche Signale für den Marktpreis zu geben, jenen in Bezug nimmt, ist sie auch geeignet ein künstliches Preisniveau, als gebildeten Preis herbeizuführen. Insoweit wird vertreten, der Einbezug des künstlichen Preisniveaus neben den Signalen sei als überflüssiges Merkmal anzusehen.278 Die Differenzierung lässt sich jedoch mit Blick auf die unterschiedlichen Arten der handelsgestützten Manipulation halbwegs legitimieren: mit entsprechend hoch voluminösen Geschäften oder Aufträgen kann direkt auf den Marktpreis Einfluss genommen werden, ohne dass es einer kommunikativen Wirkung279 der Transaktionen bedürfte. Künstlich soll das Preisniveau280 dann sein, wenn der gebildete Börsen- oder Marktpreis nur scheinbar den marktgerechten Preis ausdrückt.281 Nachdem jedwedes spezifische Markthandeln (vgl. hierzu für die effektiven Geschäfte sogleich) aus seiner bloßen Existenz (auch als Teil bestimmter Abläufe) heraus bestimmte, teils aber auch gerade ambivalente kommunikative Signale setzen kann,282 bedarf es eines Abgrenzungskriteriums 274
Vgl. Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 150; ebenso Schröder (2007) 3. Kap. E I Rn. 481 (= S. 175). 275 Vgl. Schönhöft (2006) S. 111; Fleischer, in: Fuchs WpHG § 20a Rn. 48. 276 Vgl. zu diesem Ansatz Eichelberger (2006) S. 294. 277 So Schröder (2007) 3. Kap. E I Rn. 482 (= S. 175). 278 Vgl. Schönhöft (2006) S. 111. 279 Insoweit abgesehen von einer kommunikativen Wirkung auf den Kursmakler. 280 Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 151 moniert zu Recht, die ohne sachlichen Grund von der üblichen Terminologie des „Börsen- oder Marktpreises“ abweichende Begrifflichkeit. 281 Vgl. Schröder (2007) 3. Kap. E I Rn. 482 (= S. 175); Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 151. 282 Eine grosse Nachfrage nach einem Finanzinstrument kann bspw. auf dahinter stehende Prognosen oder gar vorhandenes Insiderwissen hinsichtlich einer positiven Geschäftsentwicklung hindeuten, kann allerdings auch einfach daraus resultieren, dass ein Papier unterbewertet ist (vgl. instruktiv zur ambivalenten Signalwirkung be-
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für die Falschheit/Irreführungseignung des Signals.283 Alle Versuche die Falschheit oder Irreführung des Signals (schein)objektivierend am (bereits selbst an unzählige Faktoren knüpfenden) wahren Wert des Finanzinstruments auszurichten, scheitern bereits daran, dass der Preis eines Finanzinstruments nicht zwangsläufig mit dem wahren Wert des letztlich hinter ihm stehenden Unternehmens korrespondiert. Gleiches gilt für den objektiven Vergleichsmaßstab des Wahrheitsgehalts der vom Auftrag oder Geschäft ausgehenden objektiv ersichtlichen Information, welche real (auch bei fiktiven Geschäften) über die Handelsplätze abgewickelt werden und daher die Orderlage beeinflussen.284 Letztlich bietet angesichts der mannigfachen Einflüsse auf die Mikroebenenmotivation und damit die Preisbildung nur der Rückgriff auf den oben entwickelten Gedanken der Herbeiführung eines Makroebenenirrtums teleologisch gepaart mit der Regelung des § 20a II WpHG die Möglichkeit einer halbwegs285 klaren Abgrenzung. § 20a II WpHG entzieht gerade solche Handlungen dem Manipulationsverbot, welche mit der zulässigen Marktpraxis vereinbar sind und für die der Handelnde legitime Gründe besitzt. Falsche oder irreführende Signale werden durch eine bestimmte handelsgestützte, nach außen (in der konkreten Handelssituation)286 den Marktteilnehmern gerade nicht erkennbare und daher täuschende Manipulation immer dann gesetzt, wenn die Geschäfte allein der Herbeiführung eines bestimmten Marktpreises wegen (bzw. eines entsprechend reflexiven Signals stimmter Handelsverläufe Eichelberger [2006] S. 290 f. sowie Donald German Law Journal 6 [2005] 649, 661 [am Beispiel der Citigroup-Operation Dr. Evil vom 2. August 2004 – Preismanipulation durch Transaktionen von 12,9 Mrd. Euro Volumen in Staatstitel der Eurozone im MTS- und Eurexsystem; hierzu jüngst auch Mendes ZIS 2009, 55, 56 und passim zum Gesichtspunkt der erforderlichen transnationalen Koordination von Aufsichtsbehörden]; gegen eine Strafbarkeit in letzterer Konstellation Tiedemann FS F.-C. Schröder (2006) S. 641, 643 „Die Annahme der Staatsanwaltschaft, dass dieses Verhalten nur unethisch und nach dem Recht der Tatzeit nicht strafbar war, erscheint als zutreffend.“). Jedenfalls zeugt eine erhöhte Nachfrage per se jedenfalls von einer echten Nachfrage nach einem Finanzinstrument, da der Markt jedenfalls den Transaktionen zugrunde liegende legitime Gründe erwartet (vgl. zu dieser Abgrenzung sogleich). Spekulanten nehmen oder belassen das Finanzinstrument in ihrem Fokus. 283 Vgl. zu den Schwierigkeiten einer Regulierung handelsbezogener im Gegensatz zu informations- und handlungsgestützten Manipulationen allgemein Donald German Law Journal 6 (2005) 649, 650 m. w. N. 284 Vgl. zu diesen objektiven Abgrenzungsversuchen konzis Eichelberger (2006) S. 290 f. 285 Zur auf die zugrunde liegende EU-Richtlinie zurück gehenden, missglückten und insoweit angreifbaren gestuften Konstruktion vgl. unten 3. Kapitel § 2 A. II. 3. 286 Zwar lassen sich sog „fiktive“ Geschäfte für einen objektiven Dritten ex post als bloße Scheingeschäfte entlarven. In der konkreten Handelssituation sind sie als solche jedoch wegen der situationellen Anonymität nicht erkennbar.
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
wegen) ohne gegebene legitime Gründe vorgenommen werden. Nachdem der Markt jedoch von seinen auch durch das gesetzliche Regelungskorsett (mithin wiederum § 20a II WpHG aber auch § 20a VI WpHG)287 geprägten Erwartungen her ein äußerlich der Marktpraxis entsprechendes Marktverhalten jedweder Richtung nur dann erwartet, wenn dahinter entsprechende legitime Gründe stehen, täuscht der Manipulant konkludent über seine Motivation.288 Insoweit sind die von seinen Geschäften oder Aufträgen ausgehenden Signale, ein Angebot oder eine bestimmte Nachfrage sei tatsächlich und aufgrund legitimer Gründe vorhanden, irreführend. Einen legitimen Grund stellt es jedenfalls nicht dar, wenn allein gehandelt wird, um auf diese Weise einen bestimmten Marktpreis zu erreichen. Die Abgrenzung von verbotenen Handlungen und erlaubtem Verhalten zieht sich somit nach den subjektiven Motiven des Manipulanten, über welche dieser konkludent täuscht.289 Fiktiven Geschäften (vgl. hierzu sogleich) fehlt ein wirtschaftliches Interesse bzw. eine solche Relevanz gänzlich. Auch effektive Geschäfte können, falls sie ohne legitimen Grund vorgenommen werden, nicht als der Marktpraxis entsprechendes Verhalten angesehen werden.290 Der Einwand, damit würde strafbegründend an das Fehlen eines wirtschaftlichen 287 Eine Zirkularität im Rahmen der Frage der Irreführung des Signals bei § 20a I 1 Nr. 2 WpHG (§ 20a II WpHG knüpft mit der Marktpraxis mithin auch an die Verkehrsauffassung, s. u.) kann insoweit nur dann vermieden werden, wenn insoweit allein die (insoweit statische!) gesetzliche Kernaussage in § 20a II WpHG und § 20a VI WpHG dahingehend destilliert wird, dass ein legitimer Grund für ein Handeln jedenfalls aus einer systematischen Auslegung heraus grundsätzlich gerade nicht an eine Kursbeeinflussung anknüpfen darf. 288 Siehe hierzu zudem zur Abgrenzung von erlaubtem und unerlaubtem Kapitalmarktverhalten ausführlich oben 3. Kapitel § 1 B. 289 Die kriminalpolitische Kritik bei Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 92, welcher die Pönalisierung der konkludenten Täuschung über das innere Motiv hinterfragt, weil somit „grundsätzlich neutrale Transaktionen [. . .] mit einer Offenlegungspflicht“ überzogen würden, verfängt – mit Blick auf die gesamte dogmatische Figur der konkludenten Täuschung, vergleichbare Fälle beim Individualbetrug und das gesetzgeberische Ziel des Kollektivrechtsgutsschutzes (Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes) – nicht. 290 Rechtsvergleichend zeigt übrigens der Blick in andere Jurisdiktionen, in welchen die explizit bislang nur ineffektive Geschäfte inkriminierenden Regelungen (bspw. in der Schweiz Art. 161bis 2. Alt. StGB-Schweiz: „Käufe und Verkäufe von solchen Effekten tätigt, die beidseitig direkt oder indirekt auf Rechnung derselben Person oder zu diesem Zweck verbundener Personen erfolgen“) zur strafbaren Marktmanipulation nunmehr tatbestandlich auch um den Einbezug der effektiven Geschäfte erweitert werden sollen (vgl. die entsprechende ständerätliche Motion „Franz Wicki“; siehe hierzu http://www.parlament.ch/D/Suche/Seiten/geschaefte. aspx?gesch_id=20063426 [zuletzt besucht am 1.8.2010]; siehe zu den strafausweitenden Revisionsbestrebungen auch Amstutz/Reinert, in: Niggli/Wiprächtiger [2007] Art. 161bis SchwStGB Rn. 30), dass diesbezüglich ein Erkenntniswandel hinsichtlich der Schädlichkeit solcher Handlungen vielseits anzutreffen ist.
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Interesses geknüpft, welches sich selbst wiederum nicht rechtssicher als legitim oder illegitim abgrenzen ließe,291 geht insoweit fehl, als gerade mittelbare, noch dazu an eine erzielte Marktpreisänderung anknüpfende Folgen insoweit nicht als legitime Gründe anerkannt werden können. In diesen Fällen besitzt der Manipulant mit seiner Handlung einzig das unzulässige Primär-Motiv, den Kurs zu beeinflussen. Anders liegt es dagegen gerade in den von der Gegenansicht als scheinbar evidente Fälle zur Widerlegung eines Anknüpfens an die konkrete Motivation aufgeführten Konstellationen: Sowohl der Marktteilnehmer, der aus finanziellen Schwierigkeiten heraus seine Wertpapiere verkauft, als auch derjenige, welcher Einfluss auf ein bestimmtes Papier gewinnen will oder sich aus anderen Finanzmarktprodukten in jenes rettet, besitzt eine legitime Motivation, da er das Finanzinstrument aus wirtschaftlichen Zusatzüberlegungen heraus veräußert oder erwirbt.292 Auch die Argumentation, welche darauf abstellt, dass die am Markt beobachtbaren Motive für Transaktionsentscheidungen vielschichtig seien und daher nicht auf die Über- oder Unterbewertung verkürzt werden könnten,293 ficht ein unnötiges Scheingefecht, da der schwache Gegner (als redlich nur anzuerkennen sind Transaktionen aufgrund Über- oder Unterbewertung; Investmentidee)294 bereits nicht konzis gewählt ist. Auch die Schlussfolgerung295, der bewusste Einsatz eines Informationssignals (hier die Variationen des Handelsvolumens) könnten kaum schon als Täuschungssignal gewertet werden, verkennt, dass auch bei jeder sonstigen Täuschung das gesprochene Wort real und im Erklärungswert eindeutig, das diesem zugrunde liegende Motiv und die mit diesem bezweckte Wirkung aber eine andere sein kann. Ist ein erhöhtes Handelsvolumen oder der durch bestimmte Transaktionen künstlich erzeugte Preis aber lediglich das Resultat zielgerichteter Handlungen des Manipulanten, werden die anderen Marktteilnehmer in die Irre geführt, und der Markt versagt partiell in seiner Funktionsweise (Kapital wird falsch loziert etc.). Das Argument, allein die Markthandlungen des Manipulanten wären nunmehr korrekt eingepreist 291 Vgl. u. a. Altenhain BB 2002, 1874, 1877 f.; Eichelberger (2006) S. 291; Lenzen (2000) S. 193 f. (auch m. w. N. zur entsprechenden jahrhundertlangen Diskussion [auch in den USA] zum Einbezug tatsächlich vorgenommener Transaktionen); Trüstedt (2004) S. 200. 292 Vgl. zu diesen Fällen Papachristou (2006) S. 215. 293 Vgl. nur Altenhain BB 2002, 1874, 1877. 294 Vgl. Lenzen (2000) S. 193 f.; dies. WM 2000, 1131, 1137; Altenhain BB 2002, 1874, 1877; Trüstedt (2004) S. 199 f., die insoweit allerdings durch eine missleitende Formulierung in der Gesetzesbegründung zum KuMaKV angestoßen wurden (BRDrucks. 639/03, S. 12), nach welcher eine sonstige Täuschung vorläge, wenn keine Investmentidee umgesetzt würde. 295 Vgl. Papachristou (2006) S. 214 m. w. N.
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
worden, verkennt, dass der Schutzzweck des Delikts der Marktmanipulation insoweit gerade weiter geht.296 Hinreichend ist im Rahmen des § 20a I 1 Nr. 2 WpHG insoweit, dass der Manipulant seine fehlende legitime Motivation und damit die Irreführungseignung seiner Transaktionen für möglich hält und dennoch handelt, billigend inkaufnehmend, dass sich seine Handlungen damit als falsche Signale oder zur Herbeiführung eines künstlichen Preisniveaus eignen. Die insoweit missverständliche Formulierung des Gesetzgebers, nach welcher das Fehlen der legitimen Gründe nur dann anzunehmen ist, wenn festgestellt wird, „dass der Handelnde in betrügerischer oder manipulativer Absicht gehandelt hat“,297 deutet angesichts der am gleichen Ort vorfindlichen Formulierung, das vormalige und deshalb abgeschaffte Absichtsmerkmal habe erhebliche Beweisschwierigkeiten verursacht,298 lediglich auf eine notwendig beschuldigtenfreundliche Auslegung der legitimen Gründe – untechnisch als „Absichten“ bezeichnet – hin und belegt, dass diesbezüglich mitnichten von einer Beweislastumkehr auszugehen ist. Auf eine in den rein objektiv formulierten Tatbestand „hinein zu interpretierende“,299 zur Rettung desselbigen nötige Manipulationsabsicht, wie sie Stimmen in der Literatur300 verlangen, kommt es insoweit bereits ungeachtet dessen nicht an,301 dass eine solche in die Norm hineingelesene überschießende Innentendenz302 offen der aufgezeigten gesetzgeberischen Intention bei der Abschaffung der Einwirkungsabsicht mit dem AnSVG zuwiderlaufen würde. Zwar kann die Abgrenzung von erlaubtem und unerlaubtem, objektiv gerade ambivalent interpretierbaren Verhalten bei effektiven Geschäften mit Recht nur auf der Mo296
s. o. bei der Diskussion der Strafschutzwürdigkeit unter 2. Kapitel § 2 A. III. Vgl. Begr. RegE AnSVG BTDrucks. 15/3174 S. 37. 298 Vgl. Begr. RegE AnSVG BTDrucks. 15/3174 S. 37. 299 Eichelberger (2006) S. 292. 300 Eichelberger (2006) S. 28, 292; ders. WM 2007, 2046, 2051 ff. (und passim). Noch zum alten (ohnehin eine Beeinflussungsabsicht inkludierenden) Recht Lenzen (2004) S. 24 f. Missverständlich zumindest Schönhöft (2006), der auf S. 97 zur Abgrenzung allein auf einen „gezielten Täuschungsvorsatz“ abstellen will, auf S. 118 aber in anderem Zusammenhang betont, mit der zu den legitimen Gründen vertretenen Auffassung des Verordnungsgebers (legitime Gründe nicht bei betrügerischer oder manipulativer Absicht) sei kein zusätzliches Absichtsmerkmal konstituiert worden. 301 Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 152; A. A. Eichelberger (2006) S. 292; Schönhöft (2006) S. 97. 302 Eine überschießende Innentendenz läge insoweit jedenfalls für die Ordnungswidrigkeit vor. Hinsichtlich der Straftat und ihres zusätzlichen Kriteriums der tatsächlichen Einwirkung (§ 38 II WpHG), welches die h. M. als Erfolg auslegt (vgl. hierzu unten 3. Kapitel § 2 B. I. 4.), wäre eine solche wegen des damit gegebenen objektiven Bezugspunktes nicht anzunehmen; vgl. Papachristou (2006) S. 227; Schwark, in: Schwark WpHG § 20a Rn. 48; Tripmaker wistra 2002, 288, 291. 297
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tivebene gesucht werden. Jedoch kann nicht primär darauf rekurriert werden, ob der Täter eine Täuschung (zumindest auch) bezweckt, ob er es also „auf die Irreführung im Sinne eines dolus directus I [anlegt].“303 Neben der Problematik eines ungeschriebenen Absichtserfordernisses verkennt diese Ansicht den Unterschied zwischen der tatbestandsimmanent noch beiziehbaren objektiven Ebene der Täuschung/Irreführung über innere Tatsachen und dem sich hierauf reflexiv beziehenden subjektiven Moment des Vorsatzes.304 Der Unterschied des hier zur Differenzierung von erlaubtem und unerlaubtem Marktverhalten dargelegten Kriteriums liegt im Ergebnis in einem davon abweichenden subjektiven Tatbestand: dieser verlangt lediglich dolus eventualis bezüglich des Nichtvorhandenseins legitimer Gründe für eine bestimmte Transaktion (§ 20a II WpHG). Dass insoweit nunmehr wieder Motivforschung betrieben werden muss und damit mittelbar oftmals die Absicht der Preisbeeinflussung verdeckt als Teil des objektiven Tatbestands interpretiert wird,305 mag zwar rechtspolitisch als widersprüchlich interpretiert werden und in seinem prozessualen Nachweis306 als schwierig angesehen werden.307 Dogmatisch fügt sich diese Deutung jedenfalls ohne Bruch in ein stimmiges Gesamtbild der Marktmanipulation ein. Der Manipulant täuscht in den Fällen des § 20a I 1 Nr. 2 WpHG objektiv konkludent über 303
Eichelberger WM 2007, 2046, 2051. Auch der Rekurs auf Art. 1 der Marktmissbrauchs-Richtlinie, nach dem die beschriebenen effektiven Verhaltensweisen unabhängig von einem zusätzlichen subjektiven Element verboten sind, so dass allein die Vornahme einer enumerativ aufgeführten Verhaltensweise einen Verstoß gegen das Manipulationsverbot begründet, spricht für diese Auslegung. Nach der Stellungnahme der Kommission wurde auf dieses subjektive Element ganz bewusst verzichtet, vgl. die Erläuterungen der Kommission zu Art. 1, abgedruckt unter ZBB, 2002 144, 150; hierzu Grüger BKR 2007, 437, 442 m. w. N. Nachdem effektive Geschäfte aber allein aufgrund ihres sonstigen objektiven Erklärungswertes niemals irreführen können (vgl. dagegen die unabhängig von der dahinterstehenden Motivation des Werbenden objektiv irreführende Werbung), kann dieser bewusste Verzicht auf ein spezielles Absichtsmerkmal in wohl verstandener Fortentwickung der Kommissionsansicht aber nicht dahingehend missverstanden werden, dass nicht darüber hinaus gerade über vom Markt als gegeben erwartete innere Tatsachen getäuscht und damit irregeführt werden kann. 305 So treffend Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 134. 306 Vgl. zum früheren Absichtserfordernis nur den RegE AnSVG BRDrucks. 15/3174, S. 37: „In der Praxis führte das bisherige Absichtserfordernis regelmäßig zu erheblichen Beweisproblemen.“ 307 Vgl. insoweit Bisson/Kurz BKR 2005, 186, 188; Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 134; Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 179 („durch die Hintertür“ werde sowohl eine Preisbeeinflussungsabsicht als auch eine Betrugs(bereicherungs)absicht eingeführt). Die Beweisschwierigkeiten allein zum Anlass eines gänzlichen Verzichts auf die Inkriminierung der Manipulation durch „effektive“ Geschäfte zu nehmen, käme jedoch einer Kapitulation vor dieser wirkungsvollen und der konkludenten Betrugstäuschung ähnlichen Manipulationsart gleich. 304
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seine tatsächlich nicht vorhandene legitime Motivation. Nach Vogel sind solche Gründe als legitim i. S. v. § 20a II 1 WpHG anzusehen, welche kapitalmarktrechtlich anzuerkennen sind „und insbesondere nicht den anerkannten Prinzipien, Strukturen, Mechanismen, Funktionsbedingungen und der Integrität der jeweiligen Märkte zuwiderlaufen.“308 Konkretisierend lässt sich dem in negativer Formulierung hinzufügen, dass all jene Gründe und Ziele legitim sind, welche nicht als Voraussetzung auf einer Preisbeeinflussung als notwendigem Zwischenziel basieren.309 § 20a II WpHG ist dabei als negatives Tatbestandsmerkmal und gerade nicht – für das Strafrecht unzulässig als Beweislastumkehr – zu lesen. Der Unterschied zu einem ungeschriebenen Absichtserfordernis liegt darin, dass bereits dolus eventualis hinsichtlich der fehlenden legitimen Gründe ausreicht und insoweit das Nachweisobjekt prozessual im Gegensatz zu einem Absichtserfordernis etwas einfacher zu beurteilen ist. Der Verordnungsgeber hat auch bei § 20a I 1 Nr. 2 WpHG von der ihm zur Normkonkretisierung erteilten Verordnungsermächtigung in § 20a V 1 Nr. 2 WpHG Gebrauch gemacht und – nicht abschließend – überwiegend an erhebliche Preisänderungen anknüpfende Anzeichen für falsche oder irreführende Signale oder die Herbeiführung eines künstlichen Preisniveaus – in Übereinstimmung mit den europäischen Richtlinienvorgaben310 – in § 3 I MaKonV sowie weitere regelbeispielhafte irreführende Signale in § 3 II MaKonV als erste „Indizien“311 einer Manipulation aufgenommen. Zusätz308
Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 179. Als Operationalisierung dieser Formel lässt sich obiges Beispiel eines Notverkaufes beiziehen: Dass mit einem solchen Notverkauf frische Finanzmittel bezogen werden, beruht nicht auf einem mittels der Transaktion geänderten Marktpreis, sondern allein auf dem Austausch im Rahmen der Transaktion selbst. Die nicht näher relevante Strategie des Manipulanten fusst dagegen entscheidend auf der Herbeiführung eines künstlichen Marktpreises. Auf eine spezifische Bereicherungsabsicht (so aber der Vorwurf von Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 179) kommt es insofern also anders als auf das generelle Fehlen legitimer Gründe nicht an. 310 Vgl. insoweit die Beispiele in Art. 4 RL 2003/124/EG. 311 Ebenso Schröder (2007) 3. Kap. E IV Rn. 508 (= S. 184). Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 89 spricht insoweit von „Aufgriffskriterien für die BaFin“ und der Manifestierung einer „Verdachtsstrafbarkeit“. Mithin werde ein strafrechtlich nicht akzeptabler Rechtfertigungszwang für den Marktteilnehmer begründet (vgl. Sorgenfrei a. a. O. Rn 89 und 6 erforderlicher „Entlastungsnachweis“). Nachdem jedoch § 20a II WpHG richtigerweise (s. u.) als – von den Strafverfolgern nachzuweisendes negatives – Tatbestandsmerkmal anzusehen ist, verfängt diese Kritik rein formal nicht. Inwieweit sich praktisch ein Rechtfertigungsdruck beispielsweise aus der Öffentlichkeitswirkung einer BaFin-Untersuchung und den mit dieser einhergehenden negativen Folgen auf das Börsenpublikum beispielsweise für einen hinsichtlich seiner Anlagestrategien ins Visier geratenen Hedge-Fonds (vgl. zu diesem Beispiel Sorgenfrei a. a. O. Rn. 97) ergeben kann, wirft andere ernsthafte Fragen (ähnlich jenen zu einem „Abschlussdruck“ bei straf309
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lich ist jedenfalls der Nachweis fehlender legitimer Gründe i. S. d. § 20a II WpHG erforderlich, nachgradig deshalb, weil die spezifizierenden Beispielsfälle größtenteils den manipulativen Charakter des Geschäftsablaufs selbst nur unzureichend, stattdessen aber größtenteils „selbstverständliche Automatismen in punkto Kurseinwirkungspotential“312 als objektive Anknüpfungsindizien beschreiben. § 3 I MaKonV versieht dabei neben Transaktionen mit großen Volumina (Nr. 1a),313 Preiseinwirkungen bei Kaufoder Verkaufsoptionen (Nr. 1b), gegenläufiges Handeln in einem Finanzinstrument (Nr. 1c), die Generierung eines Trends und einem diesen nachfolgendes, gegenläufiges Handeln (Nr. 1d) und die Einwirkung auf für den Abrechnungskurs von Derivaten so wichtige Schluss- und Referenzkurse (Nr. 1e)314 ebenso mit Indizwirkung, wie die Stornierung von Aufträgen (Nr. 2)315 und die wirtschaftliche Identität von Käufer und Verkäufer (Nr. 3).316 § 3 II MaKonV konkretisiert als irreführende Signale die täuschende Einwirkung auf Referenzpreise bei Börsenschluss (II Nr. 1), abgeprozessualen Deals) auf, denen hier nicht näher nachgegangen und daher nur mit dem formalen Hinweis auf die Geheimhaltungspflichten der BaFin (vgl. § 8 WpHG; Bekanntmachung nur möglich bei unanfechtbaren Maßnahmen, vgl. § 40b WpHG [sog. shaming, vgl. Spindler NJW 2004, 3449, 3554]) begegnet werden kann. Zum Verhältnis von § 8 WpHG zum umfassenden, Interesse unabhängigen, Auskunftsanspruch für Private aus § 1 IFG (Informationsfreiheitsgesetz), dessen Versagungsgründe (§ 3 f. IFG) und weiteren möglichen Informationsansprüchen Dritter (auch §§ 406e, 475 StPO) umfassend Möllers/Wenninger ZHR 2006, 455 ff. 312 Vgl. Worms, in: Assmann/Schütze (2007) § 9 Rn. 122, der deswegen das regulatorische Scheitern bei der Formulierung der MaKonV beklagt, da sie den Sinn einer Konkretisierung durch die Herausarbeitung des spezifisch manipulativen Charakters gerade verfehle. Kritisch hinsichtlich der fehlenden Konkretisierungsleistung weitgehender Teile des § 3 MaKonV auch Knauth/Käsler WM 2006, 1041, 1051 und Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 89 ff. 313 Forst BKR 2009, 454, 456 sieht unter diesem Gesichtspunkt auch den sog. Hochfrequenzhandel („flash trading“), bei dem der durch die Vorhandelstransparenz erzielte Zeitvorsprung ausgenutzt und mit hohen Volumina gehandelt wird, als problematisch im Hinblick auf das Verbot des § 20a I 1 Nr. 2 WpHG an. 314 In diesem Zusammenhang ist auch das Problem der sog. Hexen Sabbaths (oder Hexentage) zu nennen, als den Verfallstagen von Terminkontrakten. Nach dem an diesen Tagen oftmals auffällige und irrational anmutende Kursschwankungen anzutreffen sind, besteht der begründete Verdacht von Kurs manipulierendem Verhalten durch Halter oder Stillhalter von Optionskontrakten; vgl. hierzu Weber NZG 2000, 113, 114. 315 Nachdem bereits allein die Orderlage den Marktteilnehmern über das elektronische Orderbuch des Skontroführers einsehbar ist, kann allein mit zunächst gestellten (später stornierten) Aufträgen ein Signal gegeben werden; vgl. hierzu Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 161. Zu insoweit marktmanipulativen Erscheinungsformen des sog. Hochfrequenzhandels – computergestützt werden Angebote in den Markt gegeben, diese aber sogleich wieder annuliert und innerhalb von Nanosekunden aufgrund der Marktreaktion Folgeaufträge erteilt – Forst BKR 2009, 454, 455 f.
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sprochene Geschäfte (II Nr. 2) und das Vortäuschen wirtschaftlich begründeter Umsätze (II Nr. 3)317. 2. Diskutierte Fallgruppen Nachfolgend sollen einzelne wesentliche Fallgruppen, welche als handelsgestützte Manipulationen diskutiert werden, zur Vorbereitung der weitergehenden Analyse, insbesondere als Grundlage der auf den inkriminierten Handlungen aufbauenden Untersuchung des Einwirkungserfordernisses, dargestellt werden.318 Dabei lassen sich die skizzierten Verhaltensweisen untechnisch gesprochen weitestgehend in „fiktive“ und „effektive“ Geschäfte differenzieren. „Fiktive“ Geschäfte (auch „Scheingeschäfte“ oder „arrangierte Geschäfte“ genannt)319 sind als Komplementärbegriff zu den 316
Vgl. zu allen Konstellationen und zur jeweiligen (hier nicht näher ausführbaren) Kritik, die inbesondere an der den jeweils beschriebenen Konstellationen fehlenden tatbestandlichen Konkretisierung in der MaKonV anknüpft, Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 93 ff. sowie Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 154 ff. Siehe ferner den prägnanten Überblick bei Schröder (2007) 3. Kap. E IV Rn. 507 ff. (= S. 184 ff.), dessen Fazit (Rn. 486) beizupflichten ist, wenn er die Konkretisierungsleistung durch die MaKonV nicht als gänzlich gescheitert ansieht, sondern lediglich den Mangel an wünschenswerter Stringenz der Regelungen kritisiert. 317 § 3 II Nr. 3 MaKonV soll gewissermaßen als Auffangtatbestand all jene Fälle erfassen, in denen der Umsatz nicht wirtschaftlich begründet ist, was nach der Auffassung des Verordnungsgebers dann der Fall sein soll, wenn mit den Transaktionen keine „Investmentidee“ umgesetzt werden soll (BRDrucks. 639/03, S. 12 bereits zur Vorgängervorschrift des § 3 II Nr. 3 KuMaKV), sondern nur das Marktverhalten anderer Marktteilnehmer beeinflusst werden soll. Dies sei in den Fällen des „painting the tape“ als „Vornahme einer Reihe von Geschäften, die auf einer öffentlichen Anzeigetafel erscheinen, um den Eindruck lebhafter Umsätze oder Kursbewegungen bei einem Finanzinstrument zu erwecken“ (vgl. Sorgenfrei, in: Park (2008) T1§§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 99) und dem „advancing the bid“ gegeben. Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 109 will hierunter auch das sog. „pumping and dumping“ fassen. 318 Dass hierbei weder der Anspruch auf Vollständigkeit hinsichtlich der Darstellung aller möglichen Manipulationstechniken, noch hinsichtlich einer erschöpfenden Darstellung aller mit den einzelnen Manipulationstechniken verbundenen Erscheinungsformen und Abgrenzungsschwierigkeiten bedient werden kann, ist der Schwerpunktsetzung dieser Untersuchung auf dem Einwirkungserfordernis geschuldet. Vgl. zu den einzelnen Manipulationstechniken umfassend Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 93 ff.; Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 153 ff.; Worms, in: Assmann/Schütze (2007) § 9 Rn. 121 ff. 319 Vgl. hierzu m. w. N. Schönhöft (2006) S. 498; Vogel, in: Ass/Schn WpHG Vor § 20 a Rn 35; vgl. auch Arlt (2004) S. 297 ff: „scheinbarer und arrangierter Wertpapierhandel“. Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 23 will den Begriff „fiktiv“ als irreführend vernachlässigen und stattdessen zum Kennzeichen dieser Gruppe die „fehlende Motivtransparenz“ erheben. Vgl. zu den Abgren-
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„effektiven“ Geschäften solche Geschäfte, denen – obgleich ihnen echte Kauf- und Verkaufsaufträge zugrunde liegen – die wirtschaftliche Relevanz fehlt.320 a) „Fiktive“ Geschäfte Zweck der meisten fiktiven Geschäfte ist es, erhöhten Umsatz und erhöhte Liquidität zu signalisieren und somit andere so getäuschte Marktteilnehmer (insbesondere Spekulanten) dazu zu bewegen, auf den „fahrenden Zug“ auf zu springen und für verstärkte Nachfrage zu sorgen, die selbst wieder eine Preissteigerung bewirken kann.321 Kennzeichen dieser Handelsaktivitäten ist die ihnen fehlende wirtschaftliche Relevanz.322 Von den positiven Manipulationsanalysen im Berichtszeitraum des Jahresberichts 2006 nahmen ca. 66 % handelsgestützte Manipulationen ein, in welchen Handelsaktivität nur vorgetäuscht wurde. Neben den Wash-Sales und den sog. Prearranged Trades gehören hierzu nach dem Emittentenleitfaden der BaFin alle Geschäfte, bei denen Börsenpreise hoch oder runter getrieben (Bull Raid, Bear Raid) werden, um eine bereits zuvor bestehende Position gewinnbringend aufzulösen.323 Bei den sog. „Wash sales“ als Geschäften mit zumindest wirtschaftlich identischen Vertragspartnern (vgl. § 3 I Nr. 3 MaKonV) und zugleich einer der ältesten manipulativen Handelsstrategie324 wird kein Eigentümerwechsel ernsthaft intendiert.325 Alle Transaktionen lassen sich dabei zumindest einem einzigen wirtschaftlich Berechtigten, einschließlich seiner verbundenen Unternehmen (§ 15 AktG), zuordnen.326 Bei dieser auch als „Kursabweichung durch Eigenhandel“327 bezeichneten unzulässigen Handelsstrategie wird beispielsweise um einen Kurs nach unten zu drücken, eine marktfern tiefe, limitierte Kauforder abgegeben, welcher von der selben (bzw. wirtschaftlich identischen Person) gleichzeitig eine unlimitierte Verkaufsgegenorder gegenüber gesetzt wird. Gerade vollelektronische Handelssysteme eignen sich angesichts ihrer für jedermann einsehbaren Orderlage für diese, zungsschwierigkeiten (Wer ist wirtschaftlich Berechtigter? Steuerliche Grundsätze aus § 39 AO?) bereits kritisch ders. wistra 2002, 321, 328. 320 Vgl. zur Abgrenzung statt vieler Eichelberger (2006) S. 25; Lenzen (2000) S. 9 m. w. N. 321 Vgl. Lenzen (2000) S. 10 m. w. N. 322 Vgl. RegE 4. FFG BTDrucks. 14/8017 S. 89. 323 Vgl. BaFin Jahresbericht (2006) S. 164 und 171 ff. 324 Vgl. bereits Hopt (1975) S. 491 f. 325 Vgl. Arlt (2004) S. 75 mit umfangreichen weiteren Nachweisen. 326 Vgl. RegE 4. FFG BTDrucks. 14/8017 S. 89. 327 Benner, in: Wabnitz/Janovsky (3. Aufl. 2007), § 9 Rn. 168.
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auf dem Vortäuschen erhöhter Handelsaktivität fußende Manipulationsstrategie.328 Die „(improper) matched orders“ oder „pre-arranged trades“329 (§ 3 II Nr. 2 MaKonV) zeichnen sich im Unterschied zu den „Wash sales“ allein dadurch aus, dass bei diesen von vornherein hinsichtlich der Korrespondenz von Erst- und Gegenauftrag abgesprochenen Transaktionen ein tatsächlicher Eigentümerwechsel erfolgt.330 Diese abgesprochenen Geschäfte stellen nur dann keine Marktmanipulation dar, wenn sie „im Einklang mit den jeweiligen Marktbestimmungen rechtzeitig angekündigt“,331 also transparent gelegt werden. Oftmals führen die „pre-arranged trades“ zu einem – häufig zur Verschleierung in Teilorder gesplitteten332 – Hin- und Herschieben von Wertpapieren zwischen zwei- oder mehr Parteien.333 Der „fiktive“ Charakter dieser ebenfalls einen „aktiven“ Markt vortäuschenden Transaktionen entspringt daraus, dass die korrespondierend gegenläufigen Transaktionsorder hier nach Volumen, Preis und Zeitpunkt abgesprochen sind334 und daher dem freien Spiel der Marktkräfte gerade fern stehen, welches aber Grundlage der Marktpreisbildungsfaktoren ist. Ist es dagegen allein Zweck solcher Geschäfte, einen gezielten Eigentümerwechsel (z. B. in Anbetracht eines Dividenden- oder Zinstermins) zu erreichen, um dem kurzfristig zwischenzeitlichen Eigentümer eine vorteilhaftere steuerliche Situation zu verschaffen (sog. Dividenden- bzw. Zinsstripping), liegt kein irreführendes, da über fehlende legitime Gründe (s. o.) täuschendes Signal und damit keine Marktmanipulation vor.335 328
Vgl. Pananis, in: MK-StGB WpHG § 38 Rn. 185 m. w. N. Als Beispielsfall für die Wirksamkeit unzulässig aufeinander abgestimmter Handelsaktivitäten kann das Beispiel der Ponaxis AG genannt werden (vgl. hierzu den BaFin Jahresbericht [2006] S. 172 f.). Zwischen Juli und September 2003 hatten die beiden Beschuldigten über zwei Firmendepots über 100 börsliche Scheingeschäfte u. a. in Ponaxis-Aktien veranlasst, wobei sie Aktienbestände von einem Firmendepot auf ein zweites umschichteten. Hierbei lag ihr Marktanteil an den börslichen Umsätzen zwischen 60 und 100%. Mittels zahlreicher gezielt aufeinander abgestimmter Aufträge brachten sie den Preis der Aktien an der Frankfurter Wertpapierbörse, der zwischen 0,60 und 0,80 e lag, auf schließlich 1,04 e. Nachdem dieser Preis dem Ausgabepreis neuer Aktien aus einer Kapitalerhöhung (1 e als Platzierungspreis) in etwa entsprach, erschien das Platzierungsangebot entsprechend attraktiv. Zugleich veräußerten die Beschuldigten auf dem erhöhten Preisniveau größere Aktienbestände für die Unternehmen, die von ihnen kontrolliert wurden. Das Ermittlungsverfahren wurde aus rechtlichen Gründen gemäß § 170 II StPO (Problem intertemporären Strafrechts) eingestellt. 330 Vgl. RegE 4. FFG BTDrucks. 14/8017 S. 89. 331 Vgl. § 3 II Nr. 2 MaKonV. 332 Vgl. Hopt (1975) S. 492. 333 Vgl. Lenzen (2000) S. 11. 334 Vgl. m. w. N. Lenzen (2000) S. 11. 329
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Auch beim sog. „circular trading“ („Karussellgeschäft“) wird ähnlich den vorgenannten Manipulationstechniken durch vorarrangierte, regen Umsatz vortäuschenden Transaktionen das von der Manipulation umfasste Wertpapier wie in einer Kette von einem teilnehmenden Marktteilnehmer zum nächsten durchgereicht, um schließlich in der Regel wieder bei der Ausgangsperson zu landen.336 b) Effektive Geschäfte Anders als bei den fiktiven Geschäften finden bei den effektiven Geschäften wirtschaftlich relevante Geschäfte, insbesondere unter Eigentümerwechsel ohne vorarrangierte Absprachen mit der Marktgegenseite statt.337 Eine Einwirkungsabsicht wird dem Gesetzeswortlaut nach nicht mehr verlangt.338 Für die Abgrenzung erlaubter und unerlaubter effektiver Geschäfte ist bei der Frage der Irreführungseignung des Signals wie dargelegt auf das Vorhandensein bzw. Fehlen legitimer Gründe und nicht direkt auf eine Manipulationsabsicht abzustellen. Der Einbezug effektiver Geschäfte in den Tatbestand wird von einigen Stimmen der Literatur stark angegriffen. Kritisiert wird – neben jeweils konstellationsabhängig verlautbarten Bedenken339 – insbesondere auch eine Abgrenzung allein über subjektive Merkmale, vor allem auch wegen deren schwierigem Nachweis.340 Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass – durchaus zu erwartende – Probleme des prozessualen Nachweises allein, sofern sie nicht zur Unmöglichkeit des Nachweises führen und damit eine Inkriminierung unter dem Gesichtspunkt „geeignetes Mittel“ der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch materiellrechtlich unzulässig erscheinen ließen, keinen Verzicht auf sinnvolle strafbewehrte Verbote rechtfertigen sollten und jene Probleme des mitunter diffizilen Nachweises subjektiver Merkmale auch bei anderen Straftatbeständen, welche auf Informationsasymmetrien aufbauen (vgl. bspw. den Betrug, § 263 StGB), anzutreffen sind.341
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Vgl. hierzu Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 108. Vgl. hierzu Eichelberger (2006) S. 28; Lenzen (2000) S. 11. 337 Vgl. Lenzen (2000) S. 12. 338 Insoweit kritisch u. a. Bisson/Kunz BKR 2005, 186, 187, welche mit dem Verzicht auf die Einwirkungsabsicht das Einbeschreiben einer Garantenpflicht zur Verhinderung einer missverstandenen Deutung der eigenen Geschäfte durch das Börsenpublikum erkennen wollen. 339 Vgl. hierzu sogleich bei den vorgestellten möglicherweise manipulativen Geschäften. 340 Siehe hierzu bereits oben 3. Kapitel § 1 B. 341 Vgl. hierzu und im Übrigen bereits oben 3. Kapitel § 1 B. 336
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aa) „pumping and dumping“, „painting the tape“ und „marking the close“ Beim sog. „pumping and dumping“ (vgl. hierzu auch § 3 I Nr. 1c MaKonV)342 wird allein oder in Absprache mit anderen versucht, den Preis eines Finanzinstrumentes durch den Einsatz effektiver Käufe und Verkäufe durch deren ambivalente Signalwirkung (vermeintlicher Trend; dahinter stehende Insiderinformationen) in die Höhe zu treiben, um anschließend die eigenen Finanzinstrumente wieder abzustoßen.343 Das „painting the tape“ (§ 3 I Nr. 1d MaKonV)344 setzt dagegen auf die Vornahme einer Reihe von Geschäften, um mit deren Abbild auf öffentlich einsehbaren Anzeigetafeln hinsichtlich des Eindrucks lebhafter Umsätze und Preisbewegungen irrezuführen.345 Die Manipulationsstrategie des „marking the close“ (§ 3 I Nr. 1e MaKonV)346 bedient sich Käufen oder Verkäufen zur Schlussnotierung, um auf diese Weise entweder Marktteilnehmer in die Irre zu führen, die aufgrund des Schlusskurses ihrerseits Geschäfte vornehmen, oder Referenzkurse zu beeinflussen, die oftmals beispielsweise zur Abrechnung von Derivaten beigezogen werden.347 Im Vergleich zu anderen Finanzinstrumenten schaffen Optionen dabei einen erhöhten Anreiz zur Kursmanipulation, lässt sich doch gerade durch die gezielte Beeinflussung von den Optionen zugrunde liegenden Basiswerten sowohl ein durch den Leverage-Effekt ver342
Hierzu Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 98. Vgl. hierzu Schröder (2007) 3. Kap E 5 Rn. 496 f. 344 Hierzu Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 99. 345 Vgl. hierzu nur Arlt (2004) S. 87; Schröder (2007) 3. Kap E 4 Rn. 493 f.; vgl. auch Ziouvas ZGR 2003, 113, 133, der hier eine Zuordnung bei den fiktiven Geschäften vornimmt sowie Eichelberger (2006) S. 39 f., der diese Form dagegen ob ihrer Komplexität nicht vereinfachend einer der Gruppen (effektiv/fiktives Geschäft) zuordnen will. In der speziellen Konstellation der sog. „defensive bids“, bei denen mit marktfernen und daher nicht zum Zuge kommenden preislichen Geboten das Volumen der Gesamtnachfrage bei der Auktion von Staatsanleihen erhöht und über den Einfluss auf bestimmte Kennziffern (sog. „Bid-to-Cover-Ratio“ als Verhältnis von Geboten und Deckung durch Zuteilung) ein nachgelagerter liquidider Sekundärmarkt vorgetäuscht werden soll, soll das marktferne Gebot allein nach Schmidtbleicher/Cordalis ZBB 2007, 124 ff. jedenfalls noch keine handelsgestützte Manipulation darstellen, da es auf Fernziele (hier die Steigerung der Bid-to-CoverRatio) und damit eine Gesamtbetrachtung nicht ankommen könne. Nach der hier vertretenen Auffassung gibt es im Rahmen der Signaleignung dagegen gerade kein Unmittelbarkeitskriterium und kann es daher genügen, wenn über den irreführenden Einfluss auf Kennziffern das Anlageverhalten anderer Anleger und damit der Marktpreis beeinflusst werden soll. 346 Hierzu Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 100 m. w. N. 347 Vgl. Schröder (2007) 3. Kap E 10 Rn. 506 m. w. N.; Schwark, in: Schwark WpHG § 20a Rn. 31 bezeichnet diese Manipulationsart auch als „zeitabhängige Manipulationen“. 343
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stärkter Gewinn erzeugen als auch ein Gewinn der Gegenseite gezielt ausschließen.348 bb) Leerverkäufe Umstritten ist insbesondere der Einbezug von Leerverkäufen unter das Verbot der Marktmanipulation, zeigen sich in deren Konstellation doch besonders deutlich die Schwierigkeiten einer Abgrenzung erlaubter von unerlaubten effektiven Geschäften. Terminologisch zu unterscheiden ist hierbei für das gängige Handelsverhalten349 des Leerverkaufs nach traditioneller Diktion zunächst zwischen gedeckten Leerverkäufen (short selling), bei denen sich der Verkäufer bereits zuvor über eine Wertpapierleihe in den Besitz der Papiere gebracht hat, und ungedeckten Leerverkäufen (naked short selling), bei welchen sich der Verkäufer die Aktien erst nach dem Verkauf durch Leihe bzw. Kauf verschafft. Die BaFin will dabei einen Leerverkauf auch dann als „gedeckt“ ansehen, wenn der Verkäufer zum Zeitpunkt des Verkaufes einen unbedingten Anspruch auf Lieferung dieser Aktien hat.350 Der Gesetzgeber hat diese Definition im Mitte 2010 neu eingefügten § 30h I 3 WpHG n. F. weitgehend adaptiert.351 Ein ungedeckter Leerverkauf liegt danach vor, wenn der Verkäufer der Wertpapiere am Ende des Tages, an welchem das jeweilige Geschäft abgeschlossen wurde, nicht Eigentümer sämtlicher verkaufter Wertpapiere ist und auch keinen schuldrechtlich oder sachenrechtlich unbedingt durchsetzbaren Anspruch auf Übereignung einer entsprechenden Anzahl von Wertpapieren gleicher Gattung hat. Dem Marktverhalten des Leerverkaufs wird der positive Effekt zugeschrieben, für weitere Liquidität in den Märkten und weniger Kursblasen durch allzu optimistisch gesonnene Marktakteure sorgen zu können.352 Nicht nur in Zeiten einer Kursbaisse (auch „Bärenmarkt“ genannt) können 348
Vgl. Lenzen (2000) S. 23 f.; Schwark, in: Schwark WpHG § 20a Rn. 31. Vgl. Schwark, in: Schwark WpHG § 20a Rn. 30: „gängige trading-Form“; ebenso ders. FS Kümpel (2003) S. 485, 492; Altenhain BB 2002, 1874, 1877; Arlt (2004) S. 337 f. 350 Vgl. hierzu die Allgemeinverfügungen der BaFin vom 19.9.2008 und 18.5.2010. Zu den nicht immer einheitlich gebrauchten Begrifflichkeiten beim Leerverkauf ferner Tyrolt/Bingel BB 2010, 1419, 1420 m. w. N. 351 Siehe hierzu ausführlicher im Folgenden. 352 Vgl. hierzu Schmies, in: Engel u. a. (2007) S. 185 f. („Korrektiv gegen irrationalen Überschwang“); zum wissenschaftlichen Streit vgl. (für Leerverkäufe) Shiller Journal of Economic Perspectives 2003, S. 83, 97 f. sowie zuvor (gegen Leerverkäufe) Miller The Journal of Finance, 32 (1977) S. 1151 ff.; für einen empirischen Nachweis der Marktwirkungen von Leerverkäufen aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive ferner Bris/Goetzmann/Zhu The Journal of Finance, 62 (2007) S. 1029 ff. [1034 ff. zum Diskussionsstand]. 349
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
diese Verkäufe – insbesondere in Form des naked short selling – jedoch zu einem beschleunigten Abstürzen von Kursen („Verkaufspanik“) und damit einer Vertiefung von Finanzmarktkrisen führen.353 Auch ansonsten können Leerverkäufe über den bloßen Signalgehalt eines Verkaufes andere Anleger zu Geschäftsabschlüssen bewegen.354 Leerverkäufe waren zunächst bis Mitte 2010 grundsätzlich nicht verboten.355 Eine ursprünglich auch im Zusammenhang mit der zunächst vorgesehenen Spezialermächtigung zu einem generellen Verbot von Leerverkäufen in inländischen Aktien in § 4a WpHG (Diskussionsentwurf 4. FFG) diskutierte Kennzeichnungspflicht im Rahmen des § 9 Abs. 2 WpHG356 fand keine Berücksichtigung in der endgültigen Fassung des WpHG nach dem 4. FFG. Die BaFin konnte nach altem Recht allerdings im Rahmen ihrer Anordnungskompetenz aus § 4 Abs. 1 Satz 3 WpHG Leerverkäufe – sofern dem Gebot der Verhältnismäßigkeit entsprechend – gänzlich oder in bestimmten Finanzinstrumenten verbieten. Derartige Verbote in Form von Allgemeinverfügungen erfolgten sowohl im Rahmen der Finanzmarktkrise des Jahres 2008357 als auch anlässlich der Griechenland-Krise 2010,358 353 Vgl. hierzu statt vieler Hong/Stein The Review of Financial Studies, 16 (2003) 487, 516. So wird der Zusammenbruch der Lehman Bank verstärkter Spekulation auf fallende Kurse durch Leerverkäufe zugeschrieben. Die ordnungsrechtlichen Eingriffe durch die SEC und ihr folgend der BaFin, Leerverkäufe in bestimmten Bankfinanzinstrumenten zu verbieten, kamen daher wohl zu spät (siehe hierzu auch unten Fn. 357). Wegen der Krisen verschärfenden Wirkung von Leerverkäufen jüngst mit der – zwischenzeitlich in § 30h WpHG n. F. umgesetzten – Forderung ihrer weiteren Eindämmung u. a. Horn BKR 2008, 452, 459. 354 Vgl. hierzu m. w. N. Lenzen (2000) S. 18 f. 355 Nichts desto trotz waren und sind bestimmten institutionellen Anlegern in Spezialgesetzen Leerverkäufe generell verboten. So verbietet beispielsweise § 59 InvG Kapitalanlagegesellschaften (wie bspw. Investmentfonds i. S. d. § 2 II InvG) im Interesse ihrer Anleger Leerverkäufe. Nicht öffentlich vertreibbaren Hedgefonds (§ 112 InvG) steht dieses Instrument zwar grundsätzlich offen. Nach § 112 IV InvG können Leerverkäufe allerdings durch Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Finanzen auch Hedgefonds untersagt werden, soweit dies „zur Abwendung von Missbrauch und zur Wahrung der Integrität des Marktes erforderlich ist.“ 356 Vgl. hierzu Escher/Walz BKR 2002, 337. 357 Im Rahmen der Finanzmarktkrise des Jahres 2008 verbot die BaFin im Anschluss an ähnliche Verbote in anderen Jurisdiktionen (vor allem den Vereinigten Staaten und dem Vereinigten Königreich) mit den Allgemeinverfügungen vom 19. und 21.9.2008 das naked short selling für Papiere von Finanzinstituten bis zum 31.12.2008 (anschließend mehrfach verlängert bis Anfang 2010). Nach § 4a II WpHG-Entwurfsfassung hätte die generelle Untersagung aller Leerverkäufe inländischer Aktien dagegen lediglich für einen Zeitraum von 10 Tagen ausgesprochen werden können (wenn auch mit Wiederholungsoption), vgl. BTDrucks. 14/8017, S. 25. 358 Mit Allgemeinverfügung vom 18.5.2010 hat die BaFin Leerverkäufe von Schuldtiteln von Staaten der Eurozone, die an einer inländischen Börse zum Handel im regulierten Markt zugelassen sind, vorübergehend bis zum 31.3.2011 untersagt.
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nachdem man Leerverkäufe als schädliche Faktoren der jeweiligen Krise identifiziert hatte.359 Nach dem durch das Gesetz zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivategeschäfte vom 21.7.2010 (BGBl I S. 945) anlässlich der Griechenland-Krise des Jahres 2010 eingefügten § 30h WpHG n. F. sind jedoch nunmehr ungedeckte Leerverkäufe u. a. in an deutschen Börsen gehandelten Aktien nahezu gänzlich verboten.360 Dieses Verbot soll dabei neben der präventiven Sicherstellung von Stabilität und Integrität der Finanzmärkte ausdrücklich auch der Verhinderung von Marktmanipulationen dienen.361 Der Regierungsentwurf sieht neben dem Verbot von in der Gesetzesbegründung als „potentiell krisenverstärkende Transaktionen“ bezeichneten ungedeckten Leerverkäufen in § 30i WpHG n. F. (ab dessen Inkrafttreten am 26.3.2012)362 neue Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten bei gedeckten Leerverkäufen für Inhaber sog. Netto-Leerverkaufspositionen vor, welche in Art und Umfang vom prozentualen Anteil der Netto-Leerverkaufsposition zu den insgesamt ausgegebenen Aktien eines Unternehmens abhängen.363 Die Einführung der benannten Verbote sowie des Verbots von ungedeckten Kredit-Ausfallversicherungen (CDS) erfolgte als deutscher Sonderweg allein auf nationaler Ebene.364 Eine einheitliche europäische Li359 Vgl. zu letzterem statt vieler Vogel, in: Ass/Schn § 20a Rn. 221 unter Verweis auf das strikte Vorgehen der SEC gegen Leerverkäufe und die „‚Naked‘ Short Selling Antifraud Rule“ der SEC vom 14.10.2008. 360 Vom Verbot temporär ausgenommen sind nach der Übergangsregelung des § 42a WpHG n. F. alle Geschäfte, die bereits vor dem 27.7.2010 abgeschlossen wurden. Eine sachliche Ausnahme gilt nach § 30h I 2 WpHG n. F. für Aktien ausländischer Unternehmen, sofern diese nicht ausschließlich an einer inländischen Börse zum Handel im regulierten Markt zugelassen sind. § 30h II WpHG n. F. sieht darüber hinaus weitere Ausnahmen insbesondere für den Eigenhandel ausländischer Wertpapierdienstleistungsunternehmen und Festpreisgeschäfte vor. Ferner enthält § 30h III Nr. 2 WpHG n. F. eine – auf die BaFin weiterdeligierbare – Ermächtigung, im Verodnungswege für bestimmte Geschäfte Ausnahmen vom Verbot des Abs. 1 vorzusehen. 361 Vgl. RegE BTDrucks. 17/1952, S. 9. 362 Vgl. § 42b I WpHG n. F. bzw. Art. 1 Nr. 5 i. V. m. Art. 2 des benannten Gesetzes vom 21.7.2010. 363 Eine Netto-Leerverkaufsposition liegt gemäß § 30i II WpHG n. F. (ab 2012) vor, „wenn eine Saldierung aller durch ihren Inhaber gehaltenen Finanzinstrumente ergibt, dass sein ökonomisches Gesamtinteresse an den ausgegebenen Aktien des Unternehmens einer Leerverkaufsposition in Aktien entspricht.“ Bei der Berechnung, ob ein Überang von Short-Positionen zu verzeichnen ist, sind nach der Begründung zum Gesetzentwurf (BTDrucks. 17/1952, S. 10) neben gedeckten Leerverkaufspositionen und Finanzinstrumenten, die sich auf Indizes und Baskets beziehen und zumindest zum Teil die benannten Aktien beinhalten, auch entsprechende Anteile an ETFs zu berücksichtigen. Vgl. näher zur Ermittlung der Netto-Leerverkaufspositionen Tyrolt/Bingel BB 2010, 1419, 1421 ff.
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
nie im regulatorischen Umgang mit Leerverkäufen lässt sich bislang nicht verzeichnen.365 (1) Leerverkäufe und Marktmanipulation Ungeachtet dieser Reformen366 war bereits vor Einführung des Verbots ungedeckter Leerverkäufe durch § 30h WpHG n. F. umstritten, inwieweit Leerverkäufe als effektive Geschäfte bzw. entsprechende Verkaufsaufträge bereits als handelsbezogene Manipulation dem Verbot der Marktmanipulation nach § 20a I 1 Nr. 2 WpHG unterfallen können.367 Bei der dagegen unter § 20a I 1 Nr. 1 WpHG subsumierbaren Manipulationsart des sog. short and distort streuen Leerverkäufer nach Vornahme ihrer Leerverkäufe kurserhebliche, negative unrichtige oder irreführende Angaben, um so im anschließenden Deckungsgeschäft von den gesunkenen Marktpreisen zu profitieren. Die Informationsasymmetrie und der Makroebenenirrtum sollen hier also nicht durch eine handelsbezogene Manipulation, den Leerverkauf selbst, sondern durch die unrichtigen, irreführenden Angaben als informationsbezogener Manipulation herbeigeführt werden. Nach dem Willen des historischen Gesetzgebers sollten Leerverkäufe wegen ihrer durchaus positiven Effekte in bestimmten Marktsituationen nicht generell dem Verbot der Marktmanipulation unterfallen.368 Allerdings kön364
Veranneman GWR 2010, 337 warnt ob des mutmaßlich zu erwartenden Ausweichens von Marktteilnehmern auf andere europäische Finanzplätze bereits vor einem Leerlaufen der deutschen Verbote. 365 Die europäische Kommission will Leerverkäufe nicht generell untersagen, sondern nur zeitweilige administrative Verbote durch die neu zu gründende europäische Finanzmarktaufsicht ESMA sowie die nationalen Aufsichtsbehörden ermöglichen. Siehe hierzu zuletzt den Verordnungsentwurf von EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier, vorgestellt am 16.09.2010 (http://ec.europa.eu/news/economy/ 100916_de.htm). 366 Vgl. zu den diskutierten und im WpHG Mitte 2010 teilweise umgesetzten Reformvorschlägen Mittermeier ZBB 2010, 139 ff., welcher dort auch die Schwierigkeiten einer regulatorischen Reaktion auf makro-ökonomische Krisen hervorhebt. 367 Die folgenden Ausführungen greifen vornehmlich diese Diskussion auf, nachdem das generelle Verbot ungedeckter Leerverkäufe bestimmter Finanzinstrumente zeitlich erst nach Einreichung dieser Dissertation reglementiert wurde. 368 Vgl. den Bericht aus dem Finanzausschuss in BTDrucks. 14/8601, S. 9, CDUCSU-Fraktion: „Es müsse gesehen werden, dass Leerverkäufe auch ein Instrument des Marktausgleichs darstellten und nicht in erster Linie unter spekulativen Gesichtspunkten getätigt würden“, weshalb Leerverkäufe als wichtige Börseninstrumente gerade nicht per se untersagt werden sollten. Einer gegensätzlichen rechtspolitischen Argumentation könnte dagegen zugrundegelegt werden, dass gerade in solchen Feldern, wo die Wahrscheinlichkeit für ein marktmanipulatives Missbrauchen ambivalenter Handelspraktiken sehr hoch ist, – mit der gebotenen Zurückhal-
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nen nach der Gesetzesbegründung des 4. FFG Leerverkäufe dann eine marktmanipulative Handlung darstellen, wenn sie über die Geschäftslage täuschen.369 Gegen einen generellen Einbezug von Leerverkäufen wird argumentiert, der Leerverkäufer täusche niemals, da seine Transaktionen effektive Geschäfte darstellten und ihnen kein weiterer Erklärungsinhalt zukäme.370 Insbesondere sei es unzulässig, in den Transaktionsauftrag des Leerverkäufers die konkludente Erklärung hineinzulesen, er handle nicht in unredlicher Absicht, d. h. um auf den Marktpreis einzuwirken.371 Andere Stimmen wollen den Leerverkauf lediglich in Form des sog. abusive naked short selling von § 20a I 1 Nr. 2 WpHG erfasst sehen, so dass nur die Täuschung über die tatsächliche Erfüllungswilligkeit bei Fälligkeit Relevanz besäße.372 Entsprechend oben entwickelter Struktur wären zumindest Leerverkäufe (bzw. entsprechende Verkaufsaufträge), welche – ohne einer zulässigen Marktpraxis zu unterfallen – allein dem (Zwischen-)Ziel373 dienen, den Marktpreis durch die Signalwirkung der eigenen Transaktion in eine bestimmte Richtung zu lenken, als unzulässige Marktmanipulation anzusehen und daher – ungeachtet § 30h WpHG n. F. – gemäß § 20a WpHG verboten.374 Gewinnbringend ist ein solches Verhalten dann, wenn es andere tung in Anbetracht dieses freiheitsverkürzenden Eingriffs für den gesamten Markt – diese konkreten Handelsaktivitäten an sich zu verbieten wären (vgl. zu diesem Gedanken bereits Lenzen [2000] S. 12 f. in Anknüpfung an entsprechende US-amerikanische Regulierungsversuche). 369 Vgl. RegE zum 4. FFG vom 18.1.02, BTDrucks. 14/8017, S. 89: „Denkbar ist [. . .] auch [. . .] eine Manipulation durch Leerverkäufe.“ Berichtend Park BB 2003, 1513, 1514. Altenhain BB 2002, 1874, 1877 und Trüstedt (2004) S. 199 f. wollen dagegen erkannt haben, dass der Gesetzgeber Leerverkäufe generell unter § 20a WpHG fassen will. Der Regierungsentwurf zeigt indes, dass das effektive Geschäft des Leerverkaufs nur dann eine Manipulation darstellen soll, wenn es „über die tatsächliche Geschäftslage täusch[t]“ (BTDrucks. 14/8017, S. 89), was dann der Fall ist, wenn der Leerverkauf allein der Preiseinwirkung dienen soll. 370 Vgl. Altenhain BB 2002, 1874, 1878. 371 Vgl. Altenhain BB 2002, 1874, 1878. 372 Trüg NJW 2009, 3202, 3205; Vogel, in: Ass/Schn § 20a Rn. 221 unter Hinweis auf § 240.10b-21 der „‚Naked‘ Short Selling Antifraud Rule“ der SEC vom 14.10.2008 und die gewandelte Einschätzung hinsichtlich der volkswirtschaftlichen Gefahr durch Leerverkäufe. 373 Vgl. insoweit noch übereinstimmend Ziouvas ZGR 2003, 113, 137. 374 Ebenso Möller WM 2002, 309 (313); Weber NZG 2000, 113, 115 (noch zu § 88 BörsG) für Leerverkäufe in erheblichem Umfang und zu gezielt Kurs manipulierenden Zwecken; Zimmer/Beisken WM 2010, 485, 488; bejahend auch Worms, in: Assmann/Schütze (2007) § 9 Rn. 132, sobald nicht mehr das spekulative Element dominiert, sondern vom Täter die Preisänderung, aus der er Gewinne ziehen möchte, selbst herbeigeführt wird. Für die U.S.A. beispielsweise Fischel/Ross Harvard Law Review 105 (1991) 503, 521. Leerverkäufe stellen daher ein ambivalent
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
Anleger durch den Informationsgehalt des kurzzeitigen Überangebots dazu bewegt, ebenfalls Verkäufe zu tätigen.375 Ohne diese Signalwirkung würden sich die Kurseffekte durch den Verkauf und anschließenden Deckungskauf – wenn auch zeitversetzt – neutralisieren.376 Der Leerverkäufer kann den (zur Erfüllung der Rückgabepflicht an den Verleiher oder der Lieferung an den Käufer)377 notwendigen Deckungskauf zu einem günstigeren Preis tätigen und so die Differenz zwischen Verkaufs- und Kaufpreis als eigenen Gewinn generieren. Der Manipulant täuscht in diesen Fällen objektiv konkludent eine neben dem Preiseinwirkungsvorsatz nicht vorhandene zulässige Transaktionsmotivation vor, die vom Geschäftsverkehr aber als einzig legitim anerkannte Motivationsgrundlage von Börsenaufträgen erwartet und daher als konkludent miterklärt jedem Marktauftrag entnommen wird.378 Diesbezüglich genügt wie dargelegt subjektiv dolus eventualis.379 Der mitunter erhobene380 und auch hier denkbare Einwand, § 20a WpHG diene allein der Sicherstellung der Herstellung von formaler Kurswahrheit als wirklicher Marktlage, weshalb es auf Motivlagen der Auftraggeber nicht ankommen könne, da diese bereits im anonymen Markt nicht mitgeteilt werden könnten, verkennt, dass wie bereits § 20a I 1 Nr. 1 2. Alt WpHG (bewehrte Pflicht zur Offenbarung bewertungserheblicher Umstände) zeigt, dem Gesetzgeber im Rahmen der Preisbildung auch um eine materiale Kurswahrheit gelegen ist. Deren Entfaltung kann jedoch auch durch effekzu beurteilendes Phänomen dar. Diese Ambivalenz ist ein dem Wirtschaftsstrafrecht nicht fremdes Produkt, sondern in weiteren Konstellationen ebenfalls ambivalent zu beurteilender wirtschaftlicher Situationen vielfach anzutreffen (bspw. ‚gute‘ und ‚schlechte‘ Kartelle im französischen Recht), siehe Tiedemann FS F.-C. Schröder (2006) S. 641. 375 Vgl. nur Lenzen (2000) S. 18; Maile (2006) S. 172. 376 Vgl. Zimmer/Beisken WM 2010, 485, 488. 377 Je nachdem, ob es sich um einen Leerverkauf mit Wertpapierleihe oder einen Leerverkauf ohne eine solche (naked short selling) handelt. 378 Da insoweit objektiv eine Täuschung über die innere Tatsache des Vorliegens redlicher Transaktionsgründe gegeben ist, wird weder die abgeschaffte Einwirkungsabsicht wieder eingeführt, noch ein Delikt mit überschießender Innentendenz konstruiert. Vgl. hierzu auch Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 23, der die „fehlende Motivtransparenz“ als Kennzeichen handelsbezogener Manipulationen erkennt. Ähnlich der vorliegend vertretenen Lösung Möller WM 2002, 309, 313 (noch zu § 20a WpHG-E 4. FFG) sowie – wenn auch allein auf die Wertschätzung des Manipulators bezüglich des Finanzinstruments fokussierend – Papachristou (2006) S. 213. 379 Nicht zu fordern ist dagegen gerade die Absicht (vgl. oben). A. A. speziell zu Leerverkäufen (und wohl in unbenannter Anknüpfung an die Gesetzesbegründung s. o.) Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht BT (2. Aufl. 2008) Rn. 350 „deliktische Absicht“. 380 Vgl. Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 144 zum parallelen Problem im Rahmen der sonstigen Täuschungshandlungen.
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tive, aber nach dem hier vertretenen Verständnis manipulative Geschäfte verfälscht werden. Das Manipulationsverbot des § 20a WpHG greift daher dementsprechend erst recht, wenn in bestimmten Marktsituationen wegen deren besonderer Sensibilität ein partielles (d.h. auf bestimmte Finanzinstrumente bzw. Gruppen von Finanzinstrumenten bezogenes) oder generelles Verbot von Leerverkäufen durch die Aufsichtsanstalt BaFin ausgesprochen wird oder von Gesetzes wegen für bestimmte ungedeckte Leerverkäufe (§ 30h WpHG n. F.) greift. In diesen Fällen genügt theoretisch bereits die Vornahme des dann objektiv bereits der zulässigen Marktpraxis widersprechenden Leerverkaufs, da diesem das täuschende Signal innewohnt, angesichts des bestehenden Verbots mit dem insoweit nach außen hin nicht als Leerverkauf erkennbaren Geschäft/Auftrag gerade keinen Leerverkauf zu tätigen.381 In diesen Situationen dient das Strafrecht akzessorisch über die Konkludenz auch der Bekräftigung der vom gesetzlichen Verbot in § 30h WpHG n. F. bzw. einer Allgemeinverfügung intendierten Marktstabilisierung, wenn es auch mit seinem Eingreifen primär und gerade die Rechtsgüter des Manipulationsstraftatbestandes schützt. Das Verbot jener allein auf eine Preiseinwirkung gerichteten Leerverkäufe über den Manipulationstatbestand dient der Informationseffizienz in den Börsen, da an deren relative Verlässlichkeit über Referenzpreise gerade auch bestimmte Derivate und Stop-Loss-Orders anknüpfen. Letzteres kann gerade in Situationen einer durch Leerverkäufe hervorgerufenen oder gesteigerten Verkaufspanik zu einem lawinenartigen Sog nach unten führen.382 Dass es insoweit der BaFin mittels § 4 I, II 2 WpHG sowie neuerdings – im Benehmen mit der Bundesbank – zur Sicherung des Finanzsystems mittels § 4a WpHG n. F.383 möglich war und ist, 381 In der Praxis wird in diesen Fällen ohne ein kollusives Zusammenwirken mit dem Broker ein Leerverkauf allerdings schon technisch nicht möglich sein, da diese – bei bestehendem Verbot – die Möglichkeit des Leerverkaufs partiell für die betroffenen Finanzinstrumente bzw. generell sperren. 382 Vgl. so u. a. Schröder Kapitalmarktstrafrecht, 2007, S. 182 f., der hieraus allerdings nicht die Konsequenz ziehen will, dass Leerverkäufe ohne legitime Gründe verboten sein müssten, da dies mit der Eigenart von Leerverkäufen nichts zu tun habe. 383 Bereits im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum 4. FFG war eine Spezialuntersagungskompetenz für Leerverkäufe in § 4a WpHG-E des damaligen Entwurfs zunächst vorgesehen, später aber wieder entfernt worden. Danach hätten Leerverkäufe bei einer drohenden erheblichen Marktstörung verboten werden können. Von einer drohenden Marktstörung wäre nach BTDrucks. 14/8017, S. 85 auszugehen gewesen, „wenn in außergewöhnlichen Marktsituationen weitere Leerverkäufe dazu führen würden, dass ein Übergewicht an Verkaufsorders den Markt belastet oder ein fallender Markt durch Leerverkäufe noch beschleunigt wird, und dadurch diejenigen Marktteilnehmer, die betroffene Werte besitzen, veranlasst werden, diese zu ständig sinkenden Preisen zu verkaufen. Die Marktstörung muss schwerwiegende Gefahren entweder für die Gesamtwirtschaft oder das Finanzsystem erwarten las-
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
Leerverkäufe oder ihnen in „Struktur und Wirkung entsprechende“ Geschäfte (§ 4a WpHG n. F.) in bestimmten Marktsituationen generell zu verbieten, ermöglicht gerade nicht den Gegenschluss, dass ansonsten Leerverkäufe oder ähnliche Geschäfte – auch wenn sie gezielt zum Mittel einer Preiseinwirkung missbraucht werden – niemals tatbestandsmäßige Handlungen i. S. d. § 20a I 1 Nr. 2 WpHG darstellen konnten und können. Der Marktpraxis entsprechen aber jedenfalls Leerverkäufe, die im Rahmen von Eigen- und Aufgabengeschäften der Kursmakler zulässig sind.384 (2) Einwände gegen den Einbezug von Leerverkäufen in § 20a WpHG In der Literatur gibt es dagegen Einwände, Leerverkäufe als unter Umständen verboten im Sinne des § 20a WpHG zu behandeln.385 Als Hauptargument wird hierbei angeführt, der deutschen Rechts- und Wirtschaftsordnung sei es gerade nicht fremd, dass über Dinge schuldrechtlich verbindliche Verträge abgeschlossen würden, die einem noch nicht sachenrechtlich gehörten.386 Der Verkäufer erkläre nur, den verkauften Gegenstand zu liefern, aber gerade nicht, auch über ihn zu verfügen.387 Fassten manche Marktteilnehmer dies aber anders auf, sei dieser Irrtum dem angeblichen Manipulanten jedenfalls nicht zurechenbar.388 sen.“ Zimmer/Beisken WM 2010, 485, 491 befürworteten insoweit wegen Zweifeln an der Tauglichkeit allein des § 4 WpHG (Maßnahmen der BaFin nur „im Rahmen der ihr zugewiesenen Aufgaben“; Leerverkäufe aber außerhalb des § 20a WpHG hiervon gerade nicht erfasst) bereits vor Einführung von § 4a WpHG n. F. die Einführung einer § 4a WpHG-E alt ähnlichen Vorschrift. 384 Unzulässig wäre ein Leerverkauf für einen Kursmakler beispielsweise, wenn bei anhand der Orderlage im Skontro (Markt- oder Orderbuch) absehbarer Tendenz zur erheblichen Kursveränderung dennoch dem in § 32 II 4 BörsG einbeschriebenen Verbot einer Tendenzverstärkung zuwider Leerverkäufe getätigt würden. Vgl. umfassend zu den Ausnahmen für Kursmakler aufgrund der Marktpraxis Weber NZG 2000, 113, 115 (noch zu § 88 BörsG); für § 20a WpHG ebenso Ziouvas ZGR 2003, 113, 135 f. Vgl. hierzu auch die expliziten Ausnahmen in der Allgemeinverfügung der BaFin vom 19.9.2008 unter Ziff. 2. sowie in § 30h II WpHG n. F. für die Ausnahme vom gesetzlichen Verbot der ungedeckten Leerverkäufe. 385 Vgl. Altenhain BB 2002, 1874, 1877; Lenzen (2004) S. 18 f., 252 f.; Schröder (2007) 3. Kap. E III 7 Rn. 501 f.; Trüstedt (2004) S. 197 ff.; a. A. dagegen u. a. Sorgenfrei, in: Park (2008), T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 140 (fallweise Untersuchung erforderlich) und ders. wistra 2002, 321, 328, der dort konkludiert, bislang würden keine theoretischen oder empirischen Beweise vorliegen, dass durch bloße Leerverkäufe überhaupt profitable Manipulationen durchführbar sind. 386 Vgl. Schröder (2007) 3. Kap. E III 7 Rn. 499; Papachristou (2006) S. 215. 387 Schröder (2007) 3. Kap. E III 7 Rn. 501; Lenzen (2000) S. 209; Wolf FS Weber (2004) S. 641, 651. 388 Papachristou (2006) S. 215.
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(3) Stellungnahme Der Kritik am Einbezug ist daher insgesamt zuzustimmen, wenn sie konstatiert,389 dem Leerverkauf komme per se keine Täuschungsqualität oder ein entsprechendes Indiz zu. Die Marktpreise hängen von Kauf- und Verkaufsangeboten, nicht aber vom sachenrechtlichen Vollzug entsprechender Kaufverträge ab. Soweit kritische Literaturstimmen hieraus indes eine gänzliche Zulässigkeit von Leerverkäufen im Rahmen des § 20a WpHG mit dem Argument folgern wollen, den Leerverkäufen könne somit niemals Täuschungscharakter innewohnen, kann diesen nicht gefolgt werden. Zunächst ist auch beim Eingehungsbetrug anerkannt, dass schon zum Zeitpunkt des Verpflichtungsgeschäfts Betrug vorliegen soll (konkludente Täuschung über Erfüllungsbereitschaft), wenn der Verkäufer nie liefern will (Verfügungsgeschäft), woraus erkennbar wird, dass durchaus bestimmte, vom eigentlichen Geschäft abstrahierte Umstände und Erwartungen mit in die Gesamtbewertung einzubeziehen sind.390 Stimmen in der Literatur wollen dementsprechend das Merkmal der fehlenden Erfüllungswilligkeit auch bei der Marktmanipulation zum einzig strafbegründenden Moment in den Konstellationen der Leerverkäufe gerieren, weshalb sie konsequenterweise lediglich beim sog. abusive naked short selling § 20a I 1 Nr. 2 WpHG für einschlägig erachten können.391 Diese Ansicht greift indes zu kurz. Angesichts des kollektiven Schutzzwecks der Marktmanipulation sollte bei der Auslegung nicht allein die Mikroebene des einzelnen Verkaufs einbezogen werden, sondern ist darüber hinaus auch die besondere Situation des Kapitalmarkts mit seiner Anonymität und seinen besonderen Wirkweisen (Kurse/Kursliquidität als entscheidende Lenkungssignale) mit in die Gesamtbewertung einzustellen. Insoweit ist vom rein schuld- und sachenrechtlichen Vertrag zu abstrahieren und sind die besonderen Umstände der Kapitalmärkte zu beachten, in denen Angebot und Nachfrage über das konkrete Geschäft hinaus eine Lenkungsaussage zukommt. Da der Leerverkauf zum Zeitpunkt des Einstellens entsprechender Order durch den Manipulanten nicht als solcher erkennbar ist, bildet allein das Ordervolumen das für andere Marktteilnehmer der Mikroebene sichtbare Verhalten. Betrachtet man indes das Gesamtverhalten392 des Tä389 Vgl. Sorgenfrei, in: Park 2. Aufl. 2008, T1 § 20a, 38, 39 Rn. 140; Hellmann/ Beckemper § 1 Rn 85; Lenzen (2000) S. 209; Arlt (2004) S. 337 f.; Trüstedt (2004) S. 197 ff.; Schröder (2007) 3. Kap. E III 7 Rn. 499 ff.; ders. (1994) S. 75 f. 390 Vgl. hierzu Kindhäuser, in: NK-StGB § 263 Rn. 104 f. 391 Trüg NJW 2009, 3202, 3205. 392 Auf eben jenes Gesamtverhalten und die dieses begleitenden Umstände kommt es auch bei der Konkludenz im Rahmen des Betruges an, vgl. insoweit nur Sch/Sch27-Cramer § 263 Rn. 14 f.
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
ters, dem es in den verbotenen Konstellationen des Leerverkaufs nur auf die Preisbeeinflussung ankommt, und stellt man dies in die Normstruktur der §§ 20a, 38 II WpHG ein, so kann dieses Verhalten dem Manipulationsverbot unterfallen. Gerade weil Leerverkäufe ansonsten regelmäßig zulässige wirtschaftliche Markthintergründe besitzen,393 eignen sie sich als Täuschungsmittel. Die unmittelbare Marktpreiseinwirkung ausgeführter Leerverkaufsaufträge, welche allein dem Ziel einer Marktpreiseinwirkung dienen sollen, signalisiert dem Markt – zuzugeben als Teil eines ambivalenten Signals394 – ähnlich dem sogenannten „Pumping and Dumping“ fälschlicherweise auch eine entsprechende Bewertung bestimmter Aktien durch den Markt als Ergebnis scheinbar zulässiger Marktorder, da die Marktteilnehmer bei gestellten Börsenpreisen und bei Ordern von diesen gerade nicht zugrundeliegenden alleinigen Preiseinwirkungsmotiven und insoweit einer gängigen Marktpraxis i. S. d. § 20a II WpHG ausgehen. Die Täuschung geschieht daher auch hier konkludent395. Dass der Manipulant insoweit aufgrund der Momentum-Anonymität der Geschäftsabläufe seine Motive nur ausnahmsweise (bei der Kurspflege) mitteilen kann,396 ist irrelevant mit Blick auf die Schutzrichtung des § 20a WpHG: der einzig bestehende Ausweg, die Abstandnahme von einem Leerverkauf genügt, wenn jener auf der Basis einer Monomotivlage allein der Kursbeeinflussung dienen soll. Der auf eine Preiseinwirkung abzielende, erfolgreiche und daher Börsenoder Marktpreis wirksam gewordene Leerverkauf hat einen artificial price (ein künstliches Preisniveau397) auf der Makroebene erzeugt. Ein Makroirrtum ist in diesem Fall gegeben. 393 Vgl. so jedenfalls Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 § 20a, 38, 39 Rn. 140; ders. wistra 2002, 321, 328; Hild (2004) S. 139. 394 Bestimmte Größen von Transaktionsvolumina deuten wie bereits geschildert abseits rein zufälliger oder sonstigen Motiven getragenen Transaktionen zumeist sowohl auf vorhandene Insiderkenntnisse, auf eine entsprechende Unternehmenswertprognose oder auf manipulatives Verhalten. Eine Signalwirkung wird hier nur Leerverkäufen einer gewissen Größenordnung zukommen dürfen. 395 Möller WM 2002, 309 (313); Weber NZG 2000, 113, 115 (noch zu § 88 BörsG); in Richtung eines konkludenten Miterklärens von Motiven auch Wolf FS Weber (2004) S. 641, 651 (Nicht-Offenlegung der Motivation, den Markt mit seinem Verhalten steuern zu wollen). 396 Die Aufklärung des Marktes über die eigene Motivlage ist bei der Kurspflege möglich und nötig, wenn das Verhalten überhaupt als zulässig angesehen werden soll. Ein Gegenschluss auf eine generelle Zulässigkeit anderer effektiver Geschäfte verbietet sich allerdings bereits aus dem Befund heraus, dass es sich bei der Kurspflege um eine explizite Ausnahme vom generellen Preismanipulationsverbot handelt. 397 Vgl. zu jenem – gerade mit Hilfe der Marktmissbrauchsrichtlinien zu vermeidenden – Ereignis Art. 1 Nr. 2 2. SpStr. der EG-Marktmissbrauchsrichtlinie 2003/6/EG.
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(4) Zwischenergebnis Leerverkäufe stellen im Ergebnis also nicht generell eine verbotene Marktmanipulation dar. Hat ein Marktteilnehmer beispielsweise – außerhalb des Verbotskreises von § 30h WpHG n. F. – nur auf fallende Kurse spekuliert, liegt ein erlaubtes Spekulationsgeschäft und keine Manipulation vor, da ja nur akzessorisch zu bestimmten Kursen gehandelt, diese aber nicht als Selbstzweck eigenständig erzeugt werden sollten. Leerverkäufe können aber – wie andere effektive Geschäfte auch – in jenen Fällen, in denen sie zum (Zwischen)zwecke einer Preiseinwirkung vorgenommen werden, in denen sie also nicht der Marktpraxis entsprechen und von legitimen Gründen unterlegt sind, grundsätzlich unter § 20a I 1 Nr. 2 WpHG subsumierbar und bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 38 II WpHG auch strafbar sein. Auf die Differenzierung zwischen gedeckten und ungedeckten Leerverkäufen kommt es somit zunächst – wenn man den Fokus allein auf § 20a WpHG legt und das Verbot ungedeckter Leerverkäufe in § 30h WpHG n. F. somit außen vorlässt – grundsätzlich nicht an, wenngleich sich ungedeckte Leerverkäufe angesichts der schnellen und nahezu unbegrenzten Einflussmöglichkeiten auf die Preisfindung als die weitaus wirksameren Manipulationsmittel darstellen.398 Rechtspraktisch dürfte es allerdings bei vormals fehlender Verbotsallgemeinverfügung oder – in Fällen nach Implementation von § 30h WpHG n. F. – mangels Verstoßes gegen § 30h WpHG n. F. überwiegend am Nachweis der Marktpraxisinadäquanz und der mangelnden legitimen Gründe für die Leerverkäufe fehlen, weshalb sich das Delikt der Marktmanipulation dort prozessual als stumpfes Schwert erweisen würde. Eine Indizwirkung kann in diesen Fällen zumindest der großvolumigen Vornahme von Leerverkäufen zukommen.399 Das mit § 30h WpHG n. F. aktuell installierte generelle Verbot ungedeckter Leerverkäufe u. a. in deutschen Aktien geht für den Bereich der ungedeckten Leerverkäufe indes weiter als das in § 20a WpHG angelegte Verbot lediglich solcher Leerverkäufe mit manipulativer Zielrichtung. Die Verhältnismäßigkeit eines generellen Verbots wird denn auch von der Literatur mit Verweis auf die insoweit als hinreichend angesehene Regelung in § 20a WpHG und die Ineffektivität eines allein deutschen Verbots bezweifelt.400 Die Nachweisschwierigkeiten im Rahmen des § 20a WpHG wiegen 398
So zuletzt auch Mittermeier ZBB 2010, 139, 143. Ebenso Zimmer/Beisken WM 2010, 485, 488, der insoweit von einem „erheblichen, massenhaften Umfang“ von Leerverkäufen spricht, aus dem gefolgert werden könne, nicht ein spekulatives Element, sondern die Kursbeeinflussungsabsicht stehe im Vordergrund. Mittels dieser Leerverkäufe solle gerade der Eindruck von Insiderhandel erweckt werden, welcher wiederum Marktteilnehmer zum „Mitziehen“ anregen könne. 399
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
allerdings zugunsten einer rigoroseren Regelung. Angesichts der möglichen Alternativen – administrative Verbote je nach Marktlage (beispielsweise auch gemäß § 4a WpHG n. F.), erhöhte Transparenzvorschriften und das Verbot manipulativer Leerverkäufe ohnehin über § 20a WpHG – erscheint ein generelles Verbot im Hinblick auf das Übermaßverbot zwar bedenklich, aber mit Blick auf die Rasanz zurückliegender Börsenereignisse und damit einhergehender administrativer Machtlosigkeit auch unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Einschätzungsprärogative als verfassungsrechtlich noch haltbar. cc) Kurspflegemaßnahmen Kurspflegemaßnahmen stellen einen Unterfall der im Hinblick auf § 20a WpHG problematischen401 effektiven Geschäfte dar. Bei der Kurspflege wird durch (auch außerbörsliche) Käufe oder Verkäufe entsprechenden Volumens versucht, den Markt für eine spezielle Aktie zu vergrößern oder zu verkleinern und hierdurch die Börsenpreisbildung direkt oder indirekt über eine dadurch angestoßene Markttendenz zu beeinflussen, um auf diese Weise Zufallsschwankungen, die nicht durch die aktuelle Geschäftslage des Emittenten oder die allgemeine Marktentwicklung begründet sind, auszugleichen.402 Diese Maßnahmen können sowohl vor403 und während einer Primär- oder Sekundärplatzierung, als auch nach Einführung der Aktien an der Börse erfolgen. Für die früher hinsichtlich ihres Einbezugs unter die sonstigen Täuschungshandlungen heftig umstrittenen404 Kurspflege- und Stabilisierungsmaßnahmen findet sich nunmehr eine spezifische Anknüpfung in § 20a III WpHG, welcher sich in Übereinstimmung mit den EGVO-Vorgaben befindliche Kurspflegemaßnahmen aus dem Anwendungsbereich des § 20a I 1 WpHG herausnimmt, weshalb sie an gesonderter Stelle untersucht werden sollen.405 400 Zimmer/Beisken WM 2010, 485, 491; ebenso kritisch Mittermeier ZBB 2010, 139, 144. 401 Kritisch bereits Hopt (1975) S. 495 ff., der dort die Kurspflege als eine der zwei behandelten Formen von Kursmanipulation behandelt. 402 Vgl. statt vieler Grüger (2006) S. 27 u. 29 m. w. N.; Ziouvas ZGR 2003, 113, 136. 403 Bereits vor einer Primärplatzierung lassen sich bspw. von den Konsortialbanken bereits mit geringen Ordern im Telefonhandel unmittelbar und mittelbar die ersten Börsenkurse der Erstnotierung beeinflussen, da die im „Grauen Kapitalmarkt“ maßgeblichen Preise auch zur Orientierung der von den Anlegern innerhalb der Zeichnungsfrist gebotenen Preise dienen (vgl. Grüger [2006] S. 31 f. m. w. N.). 404 Vgl. hierzu repräsentativ zum Streitstand Papachristou (2006) S. 216 ff. 405 Vgl. hierzu unten 3. Kapitel § 2 A. II. 4.
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dd) Zwischenergebnis Insgesamt zeigt sich zwar, dass ein Einbezug auch effektiver Geschäfte in § 20a I 1 Nr. 2 WpHG materiellrechtlich möglich, wenn auch durch die Inkaufnahme von Nachweisschwierigkeiten hinsichtlich der subjektiven Beweggründe (legitime Gründe) prozesspraktisch problematisch sein kann, aber nicht von vornherein unmöglich sein muss. 3. Zulässige Handlungen nach § 20a II WpHG – Das Problem der Verwaltungsakzessorietät § 20a II 1 WpHG suspendiert – zurückgehend auf europäische Vorgaben406 – die Verbotswirkung des § 20a I 1 Nr. 2 WpHG in solchen Konstellationen, in welchen die Handlung mit der zulässigen Marktpraxis auf dem betreffenden organisierten Markt oder in dem betreffenden Freiverkehr vereinbar ist und der Handelnde hierfür legitime Gründe hat. Der Legaldefinition in § 20a II 2 WpHG nach gelten dabei nur solche Gepflogenheiten als zulässige Marktpraxis, die auf dem jeweiligen Markt nach vernünftigem Ermessen erwartet werden können und von der BaFin als zulässige Marktpraxis im Sinne des § 20a WpHG – insoweit konstitutiv – anerkannt werden.407 Das Problem der § 20a II WpHG zugrunde liegenden Gesetzestechnik ist zunächst, dass es mit diesem scheinbar zu einer Beweislastumkehr408 406 Vgl. Art. 1 Nr. 2a und Nr. 5 RL 2003/6/EG („Marktmissbrauchsrichtlinie“). Der Marktmissbrauchsrichtlinie sind in diesem Kontext durch die Durchführungs-RL 2004/72/EG der Kommission (bspw. mit zu berücksichtigenden Faktoren bei der Frage der Anerkennung einer Marktpraxis [Art. 2 RL 2004/72/EG]) beigestellte Ergänzungen und mittlerweile durch die RL 2008/26/EG technische und daher ausdrücklich (vgl. 8. Erwägungsgrund vorgenannter Richtlinie) nicht unbedingt von den Mitgliedstaaten umzusetzende Modifikationen der Marktmissbrauchsrichtlinie selbst widerfahren. 407 Ob die BaFin spiegelbildlich bei Vorliegen der Anerkennungsvoraussetzungen auch eine Pflicht zur Anerkennung trifft ist fraglich (bejahend Eichelberger [2006] S. 298). Verwaltungsrechtlich trifft eine Behörde eine solche Pflicht nur bei einer „Ermessensreduktion auf Null“. Andererseits dürfte im Liche des Leitgedankens der grundsätzlichen Marktfreiheit in Fällen erkennbar nicht entgegenstehender Marktschutzerwägungen (vgl. hierzu den Katalog des § 8 MaKonV) deren Annahme geboten sein. 408 Eine solche sehen aber u. a. Kutzner WM 2005, 1401, 1404; Papachristou (2006) S. 271; Schmitz ZStW 115 (2003), 501, 525 f. und Spindler NJW 2004, 3449, 3453 m. w. N. mit § 20a II WpHG dem Straftatbestand des §§ 38 II, 20a WpHG implementiert. Walter ZStW 117 (2005) 912, 933 konkludiert, eine solche sei mit „dem Erbe der Aufklärung und den Fundamenten unseres Rechtsstaates nicht vereinbar“. Art. 1 Nr. 2a der Marktmissbrauchsrichtlinie (RL 2003/6/EG) enthält
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
kommt: Ist ein Verhalten zunächst erst einmal tatbestandsmäßig i. S. d. § 20a I WpHG und wird erst danach über § 20a II WpHG für den Fall positiv vorhandener und damit nachzuweisender legitimer Gründe ausgeschlossen, könnte der strafrechtskonforme Ausweg nur noch über eine Pauschalannahme legitimer Gründe bei bestimmtem Verhalten gesucht werden. Die Gesetzeskonstruktion erweist sich so zwar als nachvollziehbar, insgesamt aber ob ihrer gestuften Ebenenkonstruktion als zunächst missglückt. Indes enthält beispielsweise mit § 186 StGB auch eine Norm des Kernstrafrechts eine ähnliche Konstruktion und gilt dort die Nichterweislichkeit der Tatsache bzw. umgekehrt die Unwahrheit der Tatsache als objektive Bedingung der Strafbarkeit. Auf § 20a WpHG und dessen Absätze 1 und 2 bezogen, wäre zwar denkbar § 20a II WpHG als objektive Strafbarkeitsbedingung auszulegen. Richtig ist es aber insbesondere mit Blick auf die Abgrenzung strafbaren Verhaltens bei effektiven Geschäften von einem negativen Tatbestandsmerkmal auszugehen409 und eine Strafbarkeit bei Preisbeeinflussungsvorsatz nur als gegeben ansehen, wenn das Marktverhalten nicht der Marktpraxis entspricht und der Täter hierfür keine legitimen Gründe besitzt. Gegen eine zumindest ob der Formulierung im 20. Erwägungsgrund der EU-Marktmissbrauchsrichtlinie nahe liegende Interpretation als Rechtfertigungsgrund410 spricht, dass fairen und effizienten Marktpraktiken schon nicht der abstrakte Unrechtsgehalt des Verbots der Marktmanipulation zukommen soll.411
explizit eine solche Beweislastumkehr: „es sei denn, die Person, welche die Geschäfte abgeschlossen oder die Aufträge erteilt hat, weist nach, dass sie legitime Gründe hierfür hatte und dass diese Geschäfte oder Aufträge nicht gegen die zulässige Marktpraxis auf dem betreffenden geregelten Markt verstoßen.“ 409 Ebenso Fleischer, in: Fuchs WpHG § 20a Rn. 76; Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 171; Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 112; Waschkeit (2007) S. 302 (zur ähnlichen Diskussion bei § 20a III und V 1 Nr. 4 WpHG ebenda, S. 291 ff.). Ebenso auch Schönhöft (2006) S. 112, der hierfür zudem auf den systematischen Vergleich mit der ähnlich strukturierten („. . . gilt nicht . . .“) und herrschend als Tatbestandsausschluss angesehenen Sozialadäquanzklausel des § 86 III StGB abhebt. 410 Vgl. den 20. Erwägungsgrund der Marktmissbrauchsrichtlinie RL 2003/6/EG: „Eine Person, die Geschäfte abschließt oder Kauf- bzw. Verkaufsaufträge ausführt, die den Tatbestand einer Marktmanipulation erfüllen, könnte geltend machen, dass sie legitime Gründe hatte, [. . .].“ Einen Rechtfertigungsgrund erwägen nur Ilberg/ Neises WM 2002, 635, 647. 411 Vgl. ebenso u. a. Schönhöft (2006) S. 112. Zur Abgrenzung von Tatbestandsausschluss und Rechtfertigungsgrund vgl. statt vieler Momsen BeckOKStGB § 32 Rn. 10, wonach das abstrakt unerwünschte Sozialverhalten durch die Tatbestandsebene beschrieben werde, woraus sich ein abstraktes Verletzungsverbot ergebe; die konkrete Verhaltenspflicht entspringe dann aus der Abwägung der Rechtfertigungsebene.
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Hiermit besteht im Endeffekt auch das Erfordernis eines entsprechenden subjektiven Tatbestands, was nicht nur aus strafrechtsliberaler Perspektive zu begrüßen, sondern auch in Übereinstimmung mit dem obig herausgearbeiteten dogmatischen Grundkonzept der Marktmanipulation steht. Die bei effektiven Geschäften ins Blickfeld geratene konkludente Täuschung basiert wesentlich darauf, dass der Manipulant über das Vorliegen legitimer Gründe objektiv täuscht, worauf sich sein Vorsatz zu beziehen hat. Diese Auslegung bleibt auch in den Grenzen der Europarechtskonformität, da die Marktmissbrauchsrichtlinie bereits kompetenziell keine Beeinflussung der straf- und bußgeldrechtlichen Nachweisanforderungen bezwecken kann.412 Insoweit bindet die europarechtlich vorgegebene Beweislastumkehr413 nicht den deutschen Strafgesetzgeber. 412 Vgl. ebenso sowie für eine propagierte Normspaltung (europarechtskonforme Darlegungs- und Nachweispflicht für überwachungsverfahrensrechtliche Zwecke) Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 112; Vogel, in: Ass/Schn § 20a Rn. 172. Allgemein zur kompetenziellen Ausstattung der EG für das Kapitalmarktstrafrecht siehe bereits oben 2. Kapitel § 2 A. II. Ein mögliches Problem einer derartigen (wegen der Vorgaben der vollharmonisierenden Richtlinie indes unumgänglichen) Normspaltung entspringt indes der engen Verzahnung zwischen Verwaltungsrecht und Strafrecht, wie sie auch in den Kontexten der Auskunfts- oder Aussageverweigerungsrechte des § 4 III 3 WpHG und der Anzeigepflicht des § 10 WpHG anzutreffen sind (zu dieser Schwintek WM 2005, 861 ff.). Bei letzterer mildert § 10 III WpHG mit seinem umfassenden Sanktionsverbot für den Anzeigenden den Konflikt aus Selbstbelastungsfreiheit und verwaltungsrechtlichen Mitwirkungspflichten (hier sogar in Form von Anzeigepflichten). Über § 4 III 3 WpHG kann sich ein im Verwaltungsverfahren lediglich als Zeuge zur Auskunft Verpflichteter (§ 4 III 1, 2 WpHG) beispielsweise auf das Aussageverweigerungsrecht des § 55 StPO berufen. Entsprechend kann für die Konstellationen des § 20a II WpHG eine Auskunft über die legitimen Gründe im Verwaltungsverfahren mit Blick auf eine mögliche Strafbarkeit/Ordnungswidrigkeit (bei Vorhandensein illegitimer Gründe) verweigert werden. Vgl. im Übrigen zur Verschränkung von Wirtschaftsüberwachung und Strafverfolgung Bärlein/Pananis/Rehmsmeier NJW 2002, 1825 ff.; Böse (2005) S. 436 ff. zum nemo tenetur Grundsatz und S. 281 ff. unter dem Gesichtspunkt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG. Insgesamt bleibt für das Problem (selbst wenn den von Böse [2005], S. 552 apostrophierten Anforderungen im WpHG genüge getan wird) die rechtstatsächlich ungute Situation zurück, dass selbst bei einem Verwertungsverbot die fruit of the poisonous tree (bei Vorliegen eines Verstoßes gegen ein Verwertungsverbot) gerade verzehrt werden darf und sich somit das Verwertungsverbot der eigenen Aussage für den Betroffenen als oftmals allzu stumpfes Schwert darstellt. Zurecht daher Roxin, Strafverfahrensrecht (25. Aufl. 1998) § 24 Rn. 47 m. w. N., der eine Übertragung der fruit of the poisonous tree – Doktrin zur Strafverfolgerdisziplinierung befürwortet; ebenso mit der Ausnahme einer positiven Hypothese rechtmäßiger Erlangung Volk StPO (5. Aufl. 2006) § 28 Rn. 43. Die Rechtsprechung hat eine solche Fernwirkung indes bislang überwiegend abgelehnt (vgl. zuletzt BGH NJW 2006, 1361, 1363 mit umfangreichen Nachweisen). 413 Art. 1 Nr. 2a RL EG 2003/6/EG („Marktmissbrauchsrichtlinie“) nimmt die Verbotswirkung mit der Formulierung „es sei denn, die Person, welche die Ge-
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
Darüber hinaus wird die Verfassungsmäßigkeit des § 20a II WpHG unter dem Gesichtspunkt des Bestimmtheitsgebots, Art. 103 II, 104 I GG, § 1 StGB, mit dem Argument in Zweifel gezogen, dass der BaFin Kompetenzen übertragen werden, ohne gleichzeitig konkrete gesetzliche Vorgaben für das Anerkennungsverfahren oder auch genauere Voraussetzungen für die Anerkennung der Marktpraxis zu normieren.414 Zwar sei ein Anknüpfen einer Strafbarkeit an den Verstoß gegen Verwaltungsakte (sog. Verwaltungsakzessorietät) mit Blick auf die dies zulassende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts415 nicht grundsätzlich zu bemängeln. Nachdem § 20a II WpHG jedoch „jedwede Konkretisierung“ fehle, würden die Strafbarkeitsausnahmen allein in das Ermessen der Behörde gelegt.416 Dieser Ansicht ist zuzugestehen, dass durch die Bestimmung der „negativen“ Ausnahmen spiegelbildlich der Bereich des „positiv“ Strafbaren mit geprägt wird. Allerdings verkennt sie, dass die Behörde bei ihren Entscheidungen mitnichten gänzlich frei gestellt ist. § 20a II WpHG gibt mit den „Gepflogenheiten, die auf dem jeweiligen Markt nach vernünftigem Ermessen erwartet werden können“ Kriterien vor, die durch die europäische Vorgaben der Marktmissbrauchsrichtlinie und ihrer Durchführungsrichtlinie417 überschäfte abgeschlossen oder die Aufträge erteilt hat, weist nach, dass sie legitime Gründe hierfür hatte und dass diese Geschäfte oder Aufträge nicht gegen die zulässige Marktpraxis auf dem bestreffenden geregelten Markt verstoßen“ zurück. 414 Vgl. Schönhöft (2006) S. 115 ff., S. 119 (Fazit der Verfassungswidrigkeit); Kutzner WM 2005, 1401, 1406. Siehe auch Papachristou (2006) S. 273 ff., die vor allem die Gefahr einer Selbstentmachtung des Strafgesetzgebers sieht und auf die herausgehobene Rolle der europäischen Vorgaben verweist, welche die Mitgliedstaaten bei einer wörtlichen Umsetzung in die bloße „Rolle eines Notars“ (S. 275) dränge. 415 Vgl. BVerfGE 78, 374, 382 f. 416 Vgl. Kutzner WM 2005, 1401, 1406. Insgesamt den Einbezug einer Exekutivbehörde in § 20a II WpHG bemängelnd Park NStZ 2007, 369, 376, der zudem auf die „rigide[n] Beanspruchung der kapitalmarktrechtlichen Deutungshoheit und [. . .] [die] restriktive[n] und teilweise nahezu marktteilnehmerfeindliche[n] Rechtsanwendung durch die BaFin“ hinweist. 417 Vgl. Vgl. Art. 1 Nr. 2a und Nr. 5 RL 2003/6/EG („Marktmissbrauchsrichtlinie“) i. V. m. Art. 2 RL 2004/72/EG. § 8 MaKonV entspricht hierbei den Vorgaben in Art. 2 RL 2004/72/EG nahezu wortgleich. Insoweit könnte die dem Verdikt der Verfassungswidrigkeit von § 20a II WpHG beigestellte Kritik von Schönhöft ([2006], S. 119), eine positive Regulierung der Kriterien sei, wie das Beispiel der europäischen Durchführungsrichtlinie zeige, möglich, überhaupt nur den fehlenden parlamentsgesetzmäßigen Ursprung des § 8 MaKonV bemängeln. Die insoweit an den Tag gelegte Regelungstechnik des deutschen WpHG-Gesetzgebers, per Verordnungsermächtigung in § 20a V 1 Nr. 5 WpHG das Finanzministerium zur konkreten Ausgestaltung zu ermächtigen, ist zum einen dem europäischen Normierungs- und Anpassungsdruck (durch eine spiegelbildliche Übernahme [so auch Trüstedt 2004, S. 46] der im europäischen Bereich durch das Lamfalussy-Verfahren geübten Gesetzgebungstechnik; vgl. zu letzterem Buchmann [2008] S. 55 ff.; 98 f.) geschuldet,
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nehmenden materiellen Kriterien des auf der Ermächtigung des § 20a V 1 Nr. 5 WpHG fußenden § 8 MaKonV ergänzt werden. Auch der oben ausgearbeitete Kernbereich des Strafbaren gibt den Verwaltungsentscheidungen zur Marktpraxis wesentliche Leitlinien und Grenzen vor. Im Übrigen geht es bei § 20a II WpHG nicht darum, per Behördenentscheidung generell alles als zulässig oder unzulässig erklären zu können. § 20a II WpHG nimmt nur solche Handlungen, die ohnehin erst § 20a I 1 Nr. 2 WpHG unterfallen müssen (!), d.h. Geschäfte mit explizit irreführender Signaleignung, von dessen Verbot aus, die mit einer positiv konstitutiv als zulässig erklärten Marktpraxis zu vereinbaren sind. Daneben ist die Rechtssicherheit schaffende Wirkung dieses Regelungsmodells gerade in einem Flexibilität im Umgang mit wechselnden Marktsituationen erfordernden, daneben sich durch eine geringe Judizdichte im Hinblick auf § 20a WpHG auszeichnenden Umfeld hervorzuheben.418 Die Ausdifferenzierung einzelner anerkannter Fallgruppen419 der konkludenten Täuschung beim Betrug hat ihre Ausprägung erst durch mehr als ein Jahrhundert strafrechtlicher Rechtsprechung erfahren. Gleiches gilt für die – wenn auch nicht unumstrittene – Verwerflichkeitsklausel des § 240 II StGB.420 Inwieweit aus gewaltenteilungsspezifischen Gründen und einem aus Zeiten ohne ein Art. 19 IV GG gleiches Äquivalent entstammenden Grundmisstrauen gegenüber der Exekutive Differenzen zwischen Exekutive und Judikative angebracht sind, ist fraglich.421 Nicht verkannt werden darf hierbei, dass das Marktmanipulationsrecht als Teil des stark europäisch geprägten Kapitalmarktrechts in großem Maße Ordnungsrecht ist und die Regelungsmaterie eine (bis zu einem gewissen Grad eben auch durch die Regelungstechnik der Verwaltungsakzessorietät gewährbare) Flexibilität422 andererseits dem Willen, den ursprünglichen Normtext nicht kasuistisch zu überfrachten. 418 Vgl. die einhergehende Rechtssicherheit ebenfalls positiv heraushebend auch Eichelberger (2006) S. 300. Diese Regelungstechnik ebenfalls befürwortend Ransiek/Hüls ZGR 2009, 157, 181 f. 419 Siehe hierzu instruktiv nur Hefendehl MK-StGB § 263 Rn. 93 ff., der die Entwicklung einer über die Ebene der Phänomenologie hinausschreitenden Systematisierung der Kasuistik zur konkludenten Täuschung für alle Vertragstypen und deren jeweilige Verkehrsanschauungen als unmöglich erscheinend bezeichnet (Rn. 92). 420 Vgl. ebenso Vogel, in: Ass/Schn WpHG vor § 20a Rn. 29. 421 Vgl. weitergehend für eine umfassende Neuorientierung im dogmatischen Verständnis von Rechtssetzung als einem umfassenden kooperativen Prozess von Bogdandy (2000) S. 489 ff. und passim, der politische Gestaltung der Rechtsordnung als einen nicht vom Organ Parlament, sondern dem Organ Regierung ausgehenden Prozess begreifen will. 422 Vgl. zur Flexibilität als Intention eines akzessorischen Strafrechts in bereits von außerstrafrechtlichen Regulierungen (gar internationaler Provenienz) geprägten, regelungsdichten Bereichen Hohmann ZIS 2007, 38, 42 f.
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
verlangt.423 Dem Kapitalmarktstrafrecht kommt nicht die originäre Aufgabe zu, die soziale Institution Kapitalmarkt auszugestalten, sondern lediglich dessen Rahmen gegen strafwürdige Angriffe zu sichern. Die Ausgestaltung ist dagegen Aufgabe des Verwaltungsrechts als Ordnungsrecht im ansonsten ungehemmten Spiel der Marktkräfte. Daher kann es auch nicht Erfordernis eines Straftatbestandes in diesem Bereich sein, unter Überspannung der Bestimmtheitsanforderungen jeden Einzelfall konkludenten Täuschens (Irreführung durch Signale) konkret-kasuistisch tatbestandlich zu fassen424 – ungeachtet dessen, dass die Gesetzgebung nicht die Schnelligkeit besäße, auf bestimmte Marktsituationen in der gebotenen Eile zu reagieren. Die Marktteilnehmer erwarten hinter und ordnen daher bestimmten Signalen des Handels Verhaltensweisen zu, die der anerkannten Marktpraxis entsprechen. Insoweit besteht eine Korrelanz zwischen dem Irreführungspotential einer Markthandlung und seiner Anerkennung als Marktpraxis. Auf die möglicherweise nachteiligen Weiterungen, die eine solche Regelungstechnik der Verwaltungsakzessorietät rechtssoziologisch für die generalpräventive Wirkung strafrechtlicher Instrumente dennoch haben kann, sei zwar hingewiesen.425 Indes ist dabei immer zu vergegenwärtigen, dass es bei § 20a II WpHG nur um einen ausnahmsweisen Dispens bestimmter für legitim erachteter, ansonsten aber gerade als irreführend i. S. d. § 20a I 1 Nr. 2 WpHG betrachteten Marktpraktiken geht und der strafrechtliche Unrechtskern damit weiterhin auch für generalpräventive Gesichtspunkte426 hinreichend bestimmt ist. 423 Bspw. können Leerverkäufe wie gezeigt in bestimmten Marktsituationen sehr gefährlich sein (wie die Finanzmarktkrise des Jahres 2008 aufzeigte) und deshalb kurzfristig verboten und damit zu unzulässiger Marktpraxis werden. 424 Ähnlich Vogel, in: Ass/Schn WpHG vor § 20a Rn. 29. 425 Seelmann KritV 1992, 452, 457 will in der Abhängigkeit von flexiblen Ausfüllungsnormen einen Grund für das Defizit an instrumenteller Wirkung des modernen Risikostrafrechts erkannt haben. Nachdem strafrechtliche Zurechnung das Anknüpfen an Definitionsakte der Verwaltung zur Zuschreibung gerate, fehle das „Evidenzerlebnis vom Bösewicht“ (ebenda, S. 457), was wiederum die Überzeugung vom Strafrecht als dem richtigen Mittel stark erschüttere. Dem lässt sich indes entgegnen, dass allein die Verwaltungsakzessorietät in Grenzbereichen des sozialadäquanten und damit erlaubten Risikos das nötige Maß an Rechtssicherheit und Kompetenz im Umgang mit Risiken gewähren kann. Auf eine intuitive Vorstellung vom „Bösen“ kann so zugegeben zwar nicht zurückgegriffen werden. Sie vermag in Zeiten undurchsichtiger Gefährdungslagen – teilweise von systemischen Dimensionen (wie bei der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes oder ganzer Ökosysteme) – in anderen Bereichen als dem Kernstrafrecht allerdings auch keine angemessene Richtschnur bieten. Vgl. zum Begriff eines sich durch Flexibilisierung anerkannter dogmatischer Strukturen auszeichnenden Risikostrafrechts Hilgendorf NStZ 1993, 10 ff. 426 Vgl. zur empirischen Forschung zur Generalpräventiven bereits oben 2. Kapitel § 2 B. m. w. N.
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Die als wesentlicher Teil der insoweit legaldefinierten Marktpraxis (§ 20a II 2 WpHG) konstituierte Gepflogenheit – verstanden als (objektive) Übung, die (subjektiv) für üblich und angemessen gehalten wird – kann nach vernünftigem Ermessen materiell nur dann erwartet werden, wenn sie an bestehende Gepflogenheiten anknüpft oder selbige in einer Weise fortentwickelt, die mit den anerkannten Prinzipien (insbesondere Transparenz), Strukturen, Mechanismen, Funktionsbedingungen und der Integrität der jeweiligen Märkte in Einklang steht.427 Ein diese Determinanten spezifizierender, nicht abschließender Kriterienkatalog findet sich insoweit in § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 6 MaKonV.428 Für die Beurteilung einer zulässigen Marktpraxis spielen insoweit das Selbstverständnis der Marktteilnehmer (Gepflogenheiten) und anerkennungsfähige Selbstregulierungsmechanismen der Märkte eine Rolle.429 Dies zeigt auch die verfahrensrechtliche Pflicht, im Beteiligungsverfahren nach §§ 8 II, 9 MaKonV neben in- und ausländischen Stellen (bspw. dem CESR)430 und Behörden, die Spitzenverbände der betroffenen Wirtschaftskreise zu hören. Als legitime Gründe sind als zweitem materiellem Bestandteil des Tatbestandsauschlusses von § 20a II WpHG nur solche anzuerkennen, welche kapitalmarktrechtlich anerkannt werden können.431 Illegitim sind jedenfalls solche Gründe für das Handeln, die allein oder im Wesentlichen auf einer intransparenten Preiseinwirkung (zur Kurspflege siehe sogleich) beruhen. Verfahrenstechnisch regeln die §§ 7, 9 und 10 MaKonV im Einzelnen das Verfahren bis zum Erlass einer wohl als Rechtsverordnung dogmatisch einzuordnenden positiven Anerkennungsentscheidung.432 Insgesamt besteht 427
Vgl. Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 176. Vgl. hierzu umfassend Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 120 ff. Kritisch zu den Kriterien, da „zu unbestimmt“ Park NStZ 2007, 369, 376. 429 Die „wichtige Rolle“ die Vogel (in Ass/Schn § 20a Rn. 177) jenen Faktoren zugesteht, ist mit Blick auf das Grundprinzip des freien Spiels der Marktkräfte als Fundament einer Marktwirtschaft zwar verständlich, aus dem Gedanken systemisch notwendiger Marktregulierung angesichts der Erkenntnisse aus der Finanzmarktkrise des Jahres 2008 aber weder normativ noch faktisch geboten. Eine kritisch-relativierte Bedeutung ist daher angemessen. Vgl. hierzu im Übrigen bereits oben zu den Risiken des Kapitalmarktes 2. Kapitel § 1. 430 § 9 I 2 MaKonV; vgl. hierzu Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 130. 431 Vgl. Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 179 und bereits oben 3. Kapitel § 2 A. II. 1. 432 Die Rechtsnatur der Anerkennungsentscheidung ist strittig. Für eine Allgemeinverfügung (§ 35 S. 2 1. Alt. VwVfG) lässt sich die fehlende Ermächtigung anführen. § 20a V 2 WpHG sieht lediglich eine Übertragung der Befugnisse zum Erlass der in § 20a V 1 WpHG vorgegebenen näheren Bestimmungen vor – ein ausdrückliche Übertragung findet sich aber in der MaKonV ebenso wenig wie die nach 428
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
keine strikte Verwaltungsakzessorietät, da die materielle Anerkennungsfähigkeit mit Blick auf § 20a II 3 WpHG ausreicht, nachdem eine Marktpraxis richtigerweise nicht bereits deshalb unzulässig sein soll, weil sie zuvor nicht ausdrücklich anerkannt wurde.433 Handeln sonach Marktteilnehmer auf Grund einer neu entwickelten Marktpraxis,434 ohne dass bereits zuvor eine Anerkennung durch die BaFin erfolgt oder deren Anerkennung umstritten ist, kommt bei einer späterer erfolgenden bzw. „endgültig festgestellten Nicht-Anerkennung“ dieser Marktpraxis regelmäßig ein Tatbestandsirrtum (§ 16 StGB) in Betracht.435 § 7 II MaKonV regelt für die § 20a V 3 WpHG erforderliche Zustimmung der Börsenaufsichtsbehörden der Länder anzutreffen ist (mit dieser Begründung Schröder (2007) 3. Kap. E 1 Rn. 529 für eine Allgemeinverfügung; ihm sich anschließend Pananis, in: MK-StGB WpHG § 38 Rn. 192). Zwar deuten darüber hinaus die Begrifflichkeiten in § 7 MaKonV („Entscheidung“; „Änderung“; „Widerruf“) auf eine Allgemeinverfügung und nicht eine Rechtsverordnungsermächtigung hin. Jedoch sind gerade schlichte Normkonkretisierungen nicht durch personale Allgemeinverfügung regelbar. Sachverhalte, bei denen gerade ungewiss ist, ob sich dieser Fall überhaupt und wie oft er sich ereignen wird, wenn also die Regelung der Allgemeinverfügung weder zeitlich (eng) befristet ist noch ein hinreichend konkretes Ereignis Anlass für die Regelung ist, an dessen Fortbestand die Rechtmäßigkeit ihres Aufrechterhaltens geknüpft wird, scheiden danach als per Allgemeinverfügung regelbar aus (vgl. Stelkens, in: Stelkens/ Bonk/Sachs (7. Aufl. 2008) § 35 Rn. 306; für § 20a II WpHG: Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 182). Für die Ansicht, die Anerkennungsentscheidung stelle eine Rechtsverordnung dar (Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 182 f.; Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 132), kann zudem auf ein Verordnungsgeberzitat (BRDrucks. 18/05, S. 20 spricht von der „abstrakt-generellen“ Wirkung der Anerkennung) verwiesen werden. Für eine „verfassungskonforme“ Auslegung des § 20a V 3 WpHG als Anordnung eines bloßen Benehmens, da alles andere eine ausserhalb des verfassungsrechtlichen Rahmens Bund-Länder-Rechtssetzung darstellen würde, Eichelberger ZBB 2004, 296, 301 f. 433 Vgl. so überzeugend noch Vogel, in: Ass/Schn WpHG (4. Aufl.) § 20a Rn. 140 (abweichend ders. in der aktuellen Auflage) auch unter Hinweis auf Art. 1 Nr. 2a RL 2003/6/EG („Marktmissbrauchsrichtlinie“), der dort den Einwand der zulässigen Marktpraxis unabhängig von einer Anerkennung zulässt. Die fehlende Streichung des Wortes „nur“ in § 20a II 2 WpHG wird daher mit Recht als Redaktionsversehen verstanden. Ebenso Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 116; Pananis, in: MK-StGB WpHG § 38 Rn. 193. Die gegenteilige Ansicht argumentiert dagegen, andernfalls würde der BaFin die ihr zustehende „Federführung“ und das „letzte Wort“ entzogen (vgl. so nunmehr Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 174 unter Verweis auf Schröder (2007) 3. Kap. E 1 Rn. 535). 434 Vgl. zu solchen neuen Praktiken aber auch die RL 2004/72/EG zur Konkretisierung der Marktmissbrauchsrichtlinie in den Erwägungsgründen (1): „Marktpraktiken, die Marktmissbrauchsbestimmungen oder geltende Verhaltensregeln verletzen, haben nur eine geringe Aussicht auf Anerkennung durch die zuständigen Behörden.“ 435 Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 Rn. 116. Die von Sorgenfrei insoweit in Bezug genommene „endgültige Nicht-Anerkennung“ ist vom Gesetz in § 20a II WpHG nicht vorgesehen. § 7 I 3 MaKonV zeigt allein, dass eine nachträg-
§ 2 Objektiver Tatbestand
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Fälle eines bereits laufenden staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens eine beschleunigte Möglichkeit einer nichtsdestotrotz weiterhin möglichen Anerkennung (durch vorläufigen Verzicht auf später nachzuholende Konsultationen); Anerkennungsverfahren und Ermittlungsverfahren sind insoweit formell zwei getrennte Verfahren, weshalb keines das andere hemmt oder sperrt.436 In den Fällen einer nachträglich erfolgenden Anerkennung stellt der nunmehr vorzunehmende Tatbestandsausschluss für eine vor der Anerkennung verübte Tat die rückwirkende Anwendung milderen Rechts nach § 2 III StGB (für Ordnungswidrigkeiten § 4 III OwiG) dar.437 4. Safe Harbour des § 20a III WpHG § 20a III WpHG nimmt bestimmte Aktienrückkaufprogramme und Preisstabilisierungsmaßnahmen („Kurspflege“)438 von den Verboten des § 20a I 1 WpHG aus (sog. Safe Harbour).439 Die Voraussetzungen für die Verbotsausnahme ergeben sich dabei direkt aus der EG-DVO 2273/2003 der Kommission zur Durchführung der RL 2003/6/EG (Marktmissbrauchsrichtlinie). Die in § 20a III WpHG für den Handel mit eigenen Aktien im Rahmen von Rückkaufprogrammen sowie für Maßnahmen zur Preisstabilisierung von Finanzinstrumenten enthaltene Bezugnahme auf die EG-DVO 2273/2003 der Kommission zur Durchführung der RL 2003/6/EG (Marktmissbrauchsrichtlinie) stellt lediglich eine deklaratorische Verweisung dar, nachdem die EGDVO440 gemäß Art. 249 II EG direkte Wirkung in den Mitgliedsstaaten liche Revidierung einer vorherigen positiven Anerkennungsentscheidung durch ihren actus contrarius möglich ist. 436 Vgl. Schröder (2007) 3. Kap. E 4 c Rn. 540; Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 119. Park FS BRAK-Strafrechtsausschuss (2006) S. 229, 239 ff. spricht dagegen kritisch von einem praktischen Verfolgungsverbund. 437 Vgl. Eichelberger (2006) S. 299; ebenso m. w. N. zum Wegfall der Strafbarkeit im Falle geänderter nichtstrafrechtlicher Regelungen Schröder (2007) 3. Kap. E 4 c Rn. 541. 438 In den U.S.A. als stabilisation bezeichnet, vgl. Schäfer WM 1999, 1345; Zu den verschiedenen Formen der Kurspflege siehe Meyer AG 2004, 289 ff.; Vogel WM 2003, 2437 ff. sowie umfassend monographisch Grüger (2006) S. 31 ff. und passim. 439 Safe-Harbours generell als strafrechtlich schwer verdauliche Kost ansehend Walther ZJapanR 16 (2003) 189, 212 ff. deren Argumentation (Verfassungswidrigkeit der Verordnungsermächtigung bezüglich Kurspflegemaßnahmen, da bereits der strafrechtliche Kernbereich nicht vom Gesetzgeber bestimmt sei) sich jedoch auf §§ 20a, 38 II WpHG a. F. bezieht, der noch keinen spezifizierenden Tatbestand für handelsgestützte Manipulationen (heute § 20a I 1 Nr. 2 WpHG) enthielt, sondern jene unter den Auffangstatbestand des § 20a I 1 Nr. 2 WpHG („Sonstige Täuschungen“) fasste. Tragweite und Anwendungsbereich sind nunmehr aber in noch verfassungskonformer Weise (vgl. oben) in § 20a I 1 Nr. 2 WpHG geregelt.
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
entfaltet.441 Gleiches gilt für die auf der Grundlage des § 20a V 1 Nr. 4 WpHG erlassenen entsprechenden Vorschriften der MaKonV (§ 5 MaKonV), der somit lediglich eine Informationsfunktion zukommt.442 § 20a III WpHG stellt insoweit i. V. m. §§ 20a I 1, 38 II WpHG eine Blankettnorm dar.443 Dass insoweit eine europäische Verordnung mittelbar die Reichweite eines nationalen Straftatbestandes regelt, ist die Konsequenz der vom deutschen Gesetzgeber autark getroffenen und nicht durch europäische Vorgaben bestimmten444 Entscheidung, marktmanipulative Verhaltensweisen strafrechtlich zu inkriminieren. Der Umstand, dass nunmehr der deutsche Gesetzgeber nicht mehr befugt ist, entgegen der EU-Verordnung dort als zulässig angesehene Verhaltensweisen strafrechtlich zu inkriminieren, entspringt bereits der Pflicht des Mitgliedsstaates Deutschland, ein die praktische Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts gefährdendes Verhalten zu unterlassen (Art. 10 II EG).445 In diesem nicht allein im Kapitalmarktbereich sondern in allen Politiken der EU gleichsam als Signum fortschreitender Integration anzutreffenden, mittelbaren Einfluss liegt indes keine „neue Art von Strafrechtskompetenz seitens der EG“446 begründet. Als signifikant erweist sich insoweit allein die Reichweite der vielfach beschworenen, an diesem Ort 440
VO (EG) Nr. 2273/2003 der Kommission vom 22.12.2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates ABL EU Nr. 336 S. 33. 441 Vgl. hierzu statt vieler Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 161; Diehm (2006) S. 162. 442 Vgl. BRDrucks. 18/05, S. 18. 443 Zur bejahten Zulässigkeit von auf EU-VO verweisenden nationalen Strafrechtsblanketten vgl. BVerfGE 29, 198, 210 sowie hierzu Dannecker, in: Wabnitz/ Janovsky (3. Aufl. 2007) § 2 Rn. 123 [Blankette in denen lediglich die wesentlichen Strafbarkeitsvoraussetzungen sowie Art und Maß der Strafe bestimmt sind, die konkrete Beschreibung des Straftatbestandes aber durch die Verweisung auf ausfüllende Vorschriften in unmittelbar geltenden Rechtsakten der EG ersetzt wird] 444 Art. 14 RL 2003/6/EG (Marktmissbrauchsrichtlinie) schreibt unter ausdrücklicher Ausklammerung strafrechtlicher Sanktionierung lediglich das Ergreifen wirksamer, verhältnismäßiger und abschreckender Sanktionen in Verwaltungsverfahren vor. 445 Vgl. statt vieler Zuleeg, in: von der Groeben/Schwarze EU-/EG-Vertrag (6. Aufl. 2003), Art. 10 EG Rn. 10. 446 So aber Diehm wistra 2006, 366, 370, der diese Kompetenz noch in ihrer Wirkung über die einer Strafrechtsanweisungskompetenz hinausgehend beschreibt. Eine Kompetenz wäre richtigerweise aber erst dann zu bejahen, wenn europäische Akte eine strafrechtliche Sanktionierung vorschreiben dürften. Dem war allerdings trotz der insoweit – kompetenzwidrig ergangenen Entscheidung im Fall Pupino – bis Ende 2009 nicht so (Vgl. hierzu Schünemann ZIS 2007, 535 f. m. w. N. sowie die Nachweise oben in 2. Kap. § 2 Fn. 115) Der praktische Nutzen der Annahme einer erweiterten Begrifflichkeit „Strafrechtskompetenz“ auch in Fällen mittelbarer Beeinflussungsmöglichkeiten erscheint im Übrigen abseits der einhergehenden Gefahr der Durchmengung unterschiedlicher Sachmaterien als marginal.
§ 2 Objektiver Tatbestand
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nicht vertiefbaren für die demokratische Legitimation relevanten Problematik „gubernativer Rechtssetzung“ insbesondere auch auf Gemeinschaftsebene.447 Die Regelungen für Rückkäufe (Art. 3 bis 6 EG-VO Nr. 2273/2003 i. V. m. § 20a III WpHG [Ausnahme vom Straftatbestand]) nehmen dabei bestimmte Rückkäufe, sofern hierbei die detaillierten Publizitäts- und Handelsbedingungen der Verordnung eingehalten werden, aus dem Anwendungsbereich der Insiderhandelsverbote aus.448 Art. 7 bis 11 der EG-VO bestimmen darüber hinaus einen safe harbour für Stabilisierungsmaßnahmen zur Stützung des Börsen- oder Marktpreises – typischerweise vorgenommen zumeist durch die Konsortialbankenführerin („stabilisation manager“)449 – im Rahmen einer Wertpapieremission, sofern die Bedingungen der EGVO450 – neben u. a. formellen Publizitäts-, Dokumentations- und Organisationspflichten materiell solche hinsichtlich des Anwendungsbereichs, des Zeitraums und des Handels – eingehalten werden. Auch mit einer zulässigen Kursstabilisierungsmaßnahme wird ein Kurs entgegen der tatsächlichen Marktlage erzeugt.451 Der Grund für die gesetzgeberische Besserstellung durch die Herausnahme aus den an sich straftatbestandlichen Handlungen und damit der Unterschied zum klassischen Manipulanten liegt hier indes zum einen im Fernziel, das nicht in der Abschöpfung von Vermögensvorteilen, sondern in der Erhaltung der Marktfähigkeit und Attraktivität der Unternehmensanteile liegt und somit der Kapitalbeschaffungsmöglichkeit auf den Märkten (eine der benannten Funktionen des Kapitalmarktes452, s. o.) dient.453 Wesentlicher Erwägungsgrund 447
Vgl. hierzu u. a. Lüderssen GA 2003, 71 ff.; Rieckhoff (2007) S. 111 (im Wesentlichen sog. duale Legitimation); siehe ferner für ein umfassendes dogmatisches Konzept gubernativer Rechtsetzung von Bogdandy (2000) S. 489 ff. und passim. Zum Lamfalussy-Verfahren vgl. Buchmann (2008) S. 55 ff.; 98 f.; Kalss ZGR 2007, 520, 523 ff. und Röh BKR 2006, 223 ff. 448 Vgl. hierzu umfassend Leuering AG 2007, 435 ff.; Singhof/Weber AG 2005, 549 ff.; Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 253 ff. 449 Vgl. zum Betreiber der Kurspflege Ekkenga WM 2002, 317, 318; Grüger BKR 2007, 437; Meyer AG 2004, 289, 292. 450 Vgl. hierzu die umfangreiche Kommentierung bei Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 265 ff.; ferner Leppert/Stürwald ZBB 2004, 302 ff. 451 Vgl. Grundmann, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (3. Aufl. 2007), 2. Band, § 112 Rn. 30; dort auch m. w. N. zur gesellschafts- und aktienrechtlichen Problematik von Kurspflegemaßnahmen (§§ 71 ff. AktG nicht entsprechende Rückkäufe sind gemäß § 57 I 1 AktG verboten). Vgl. ferner zur Problematik der Kurspflege während eines feindlichen Übernahmeverfahrens umfassend Grüger (2006) S. 200 ff. 452 Allerdings ließe sich hier auch konträr argumentieren, dass jene Kurspflegemaßnahmen auch ökonomisch als äußerst umstritten angesehen werden, vgl. hierzu nur Ekkenga WM 2002, 317; Vogel WM 2003, 2437; Grüger BKR 2007, 437; umfassend ders. (2006) S. 51 f., der die Alternativen der Kurspflege zur Erzielung an-
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
für einen Ausschluss aus dem verbotenen Bereich ist zum anderen, dass die Kurspflege als zulässige Kurspflege nur dann anerkannt werden soll, wenn diese Einflussnahme öffentlich geschieht (Transparenzgebot). Ansonsten läge gerade der der Infomatec-Rechtsprechung454 zugrunde liegende Sachverhalt vor, wo auch hätte argumentiert werden können, die falschen oder unvollständigen Informationen hätten letztlich dem Fernziel der Erhaltung und Fortentwicklung des Unternehmens gedient. Damit zeigt sich die Regelung der Kurspflege ganz entsprechend dem als neuen Regelungsmodell für das Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrecht propagierten und im angloamerikanischen Rechtsraum bereits als das dem reinen Regelungsmodell gegenüber überlegen anerkannte Informationsmodell.455 Dogmatisch lässt sich die Regelung des safe harbours in § 20a III WpHG als spezialgesetzlich geregelter Fall zulässiger Marktpraxis i. S. d. § 20a II WpHG ebenso wie letzterer als Tatbestandsausschluss einordnen.456 gemessener Emissionspreise in Form des Bookbuildingverfahrens, des GreenshoeVerfahrens und des verstärkten Betreibens von Investor Relations favorisiert. Ekkenga/Maas (2006) S. 89 weisen mit Recht darauf hin, dass sich stabile Preise am ehesten dann finden lassen werden, wenn diese einem Ausgleich zwischen den insoweit wiederstreitenden Interessen des Emittenten und der Konsortialbanken einerseits und den Anlegern andererseits darstellen. 453 Vgl. statt vieler bereits die Stellungnahme zum FESCO-Konsultationsdokument vom 15.9.2000 durch Hopt/Waschkeit FS Lorenz (2001) S. 147, 154 m. w. N.: „Die ökonomische Rechtfertigung von Stabilisierungsmaßnahmen liegt in der Erleichterung der Platzierung neuer Emissionen und damit der Aufbringung von Kapital.“ Siehe ferner bei Fleischer ZIP 2003, 2045, 2046 f. auch zu den früheren Rechtfertigungssträngen. Vgl. dagegen u. a. Grüger BKR 2007, 437, 447, der eine absolute Notwendigkeit für Kurspflegemaßnahmen verneint. 454 Vgl. hierzu unten 3. Kapitel § 2 B. IV. 3. a) aa) (2). 455 Hierbei tritt an die Stelle hergebrachter hoheitlicher Regulierung durch Verund Gebotsnormen als Methode der Verhaltenssteuerung eine bloß mittelbare Regulierung über Marktinformation und korrespondierende kodifizierte Informationspflichten. Vgl. mit umfassender Darstellung Merkt zfbf Sonderheft 55 (2006) S. 24 ff. Zur Kritik am Informationsmodell Samtleben ZBB 2003, 69, 72. 456 Die dogmatische Einordnung (Tatbestandsausschluss, Rechtfertigungsgrund, objektive Strafbarkeitsbedingung) ist bislang noch nicht abschließend geklärt; vgl. hierzu m. w. N. Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 166. Wie hier siehe bereits die Begründung zu § 4 KuMaKV (als ehemaliger Regelung zu Kurspflegemaßnahmen) S. 13: „marktkonformes und befugtes Verhalten“; vgl. ferner Holzborn/Israel WM 2004, 1948, 1954; Schönhöft (2006) S. 102; Schröder (2007) 3. Kap. C 4 Rn. 448; Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20 a Rn 243; ders. WM 2003, 2437, 2441 dort Fn. 53 (bezüglich der KuMaKV noch mit Zweifeln bezüglich einer Einordnung als Tatbestandsausschluss wegen des beachtlichen Nachtatverhaltens); Waschkeit (2007) S. 297 f. Zum Verhältnis der verschiedenen Tatbestandsausschlüsse gestützt auf § 20a II WpHG, § 20a V 1 Nr. 4 WpHG und § 20a V 1 Nr. 5 WpHG Schönhöft (2006) S. 104 ff., der mangels ersichtlicher sachgerechter Differenzierungsgründe de lege ferenda die Einführung eines einheitlichen Verfahrens zur Anerkennung von Tatbestandsausschlüssen fordert.
§ 2 Objektiver Tatbestand
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Ob dagegen solche Kurspflegemaßnahmen bzw. diesen ähnliche handelsgestützte Maßnahmen, die über die in § 20a III WpHG i. V. m. der EGDVO umschriebenen Fälle hinausgehen, eine Marktmanipulation darstellen, lässt sich richtigerweise nicht pauschal unter Hinweis auf einen Umkehrschluss aus § 20a III WpHG begründen.457 Die Frage des Einbezugs außerhalb des safe harbours liegender Verhaltensweisen richtet sich allein nach § 20a I 1 Nr. 2 WpHG (auch i. V. m. § 20a II WpHG). Insoweit können nur solche Fallgruppen ausgeschieden werden, deren an sich in Ermangelung eines realen Angebots bzw. einer realen Nachfrage gegebenes Irreführungspotential insoweit ausscheidet, als sie sich auf ein anderweitig rechtlich oder zumindest tatsächlich als zulässige Marktpraxis anerkanntes Verhalten beschränken.458 So scheidet beispielsweise das Verhalten eines „market makers“ und „designated sponsors“ aus dem inkriminierten Bereich des § 20a I 1 Nr. 2 WpHG deswegen aus, da deren Einstellen von verbindlichen oder indikativen Quotes, obgleich diesen kein reales, wirtschaftlich begründetes Angebot oder eine Nachfrage zugrunde liegt, nach den Börsenordnungen (vgl. §§ 23 ff. Börsenordnung der Frankfurter Wertpapierbörse) zulässig ist und daher angesichts des Erwartungshorizonts des Börsenpublikums nicht irreführend sein kann.459 Gleiches gilt sowohl für die „market maker“, deren Verhalten, sofern es in gewissem Maße transparent gemacht wird, auch von der europäischen MiFiD-Richtlinie460 als marktkonform anerkannt wird, als auch für die sog. Skontroführer, die auf einen geordneten Marktverlauf – auch mittels nicht tendenzverstärkenden Eigengeschäften (vgl. § 28 I 2 BörsG) – hinwirken dürfen (§ 28 I i. V. m. § 27 I 2 BörsG).461 Problematisch stellt sich indes der sog. Pakethandel dar, bei dem zur Meidung überproportional starker Preisbewegung größere Aktienpakete nur in Teilen veräußert werden. Diese Verhaltensweise unterfällt richtigerweise bereits, ohne dass es auf eine zulässige Marktpraxis i. S. d. § 20 a II WpHG462 ankäme, nicht dem Manipulationsverbot des § 20a I 1 Nr. 2 WpHG, da der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit hier nicht auf der Veräußerung einzelner Aktienpakete liegt, sondern im Unterlassen der Gesamtveräußerung und 457 Vgl. ebenso Benner, in: Wabnitz/Janovsky (3. Aufl. 2007) § 9 Rn. 186 f.; Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 245; ebenso bereits zur fehlenden negativen Ausschlusswirkung von § 4 KuMaKV BRDrucks. 639/03, S. 13. 458 Vgl. so treffend Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 295. 459 Im Ergebnis ebenso Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 305. 460 Art. 29 III a, Art. 44 IIIa, Art. 4 I Nr. 8 RL 2004/39/EG (MiFiD – Markets in Financial Instruments Directive vom 21.4.2004). 461 Vgl. Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 212. Ebenso bereits zuvor (zu Zeiten der Geltung der KuMaKV) Pfüller/Anders WM 2003, 2445, 2448. 462 Ohne spezifische Begründung für die Annahme einer solchen Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 187.
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
mithin mangels bestehender Pflicht, einen Aktienbestand auf einmal zu veräußern, schon kein garantenpflichtwidriges Unterlassen vorliegt – ungeachtet dessen, ob angesichts des eindeutigen Wortlauts des § 20a I 1 Nr. 2 WpHG („Geschäfte vornehmen“, „Aufträge erteilen“) ein begehungsgleiches Unterlassen i. S. d. § 13 I a. E. StGB überhaupt denkbar ist. Der Pakethandel unterfällt damit bereits nicht dem Manipulationsverbot des § 20a I 1 Nr. 2 WpHG.463 Über diese Fälle hinaus wird allerdings ein intransparentes464 kurspflegerisches Verhalten ohne spezielle gesetzliche Legitimation nicht als zulässige Marktpraxis anzuerkennen sein, will man nicht die Vorgaben an eine zulässige Kurspflege i. S. d. § 20a III WpHG verwässern, welche sich gerade dadurch auszeichnet, dass sie transparent erfolgen soll.465 In diesen Fällen kann der Markt die Signale des realen Markthandelns gerade nicht eindeutig identifizieren. Kurspflegemaßnahmen sind mit Recht sehr differenziert zu sehen, da sie zum einen nur kurzfristige Lenkungswirkung haben und zum anderen die Anleger in „trügerischer Sicherheit“466 wiegen. Das Marktsignal ist eben ein falsches, da die wahre Geschäftslage an den Börsen gerade eine andere ist; dass tatsächlich ein anderer wahrer Preis für ein Finanzinstrument anzunehmen wäre und deshalb die Signalwirkung in die korrekte Richtung weist, ist kein Argument, da eben ein schwankender Preis in der Emissionsphase gerade dem Wirken der Marktkräfte467 und damit der Realität entspricht und der Marktpreis immer nur eine Momentaufnahme darstellen kann.468 Wird ein Preis um seiner 463
Im Ergebnis ebenso Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 302, der hierfür allerdings auf den fehlenden Täuschungsgehalt abstellt, lasse sich doch einer Einzeltransaktion nicht entnehmen, dass weitere gleich gerichtete Einzeltransaktionen nicht beabsichtigt waren. Ein Irreführungssignal ließe sich jedoch nach der hier vertretenen Konzeption (Täuschung über zugrunde liegende legitime Gründe; hier letztere nicht vorhanden, da Preisstabilisierung im Vordergrund) durchaus bejahen. 464 Ein Verstoß gegen einzelne Bedingungen der EG-DVO lässt zwar die Tatbestandsausnahme des § 20a III WpHG nicht eingreifen. Kommt es jedoch vor den handelsbezogenen Kurspflegemaßnahmen zu einer hinreichenden Publizierung derselben, liegt mit diesen kein irreführendes Signal vor. Vgl. ebenso u. a. Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht BT § 9 Rn. 349 (keine Täuschung). 465 Mit Recht wird in sich im Vordringen befindlichen Teilen der Literatur auf der Grundlage umfangreicher auch empiririscher Analysen inzwischen die ambivalente Wirkung von Kurspflegemaßnahmen hervorgehoben, deren Erkenntnis auch den Kurspflege nur in einem festen Korsett zulassenden Regelungen der Marktmissbrauchsrichtlinie (Art. 8 RL 2003/6/EG und ihrer Durchführungsverordnung) zugrunde liegt. Vgl. hierzu Grüger BKR 2007, 437, 438 ff. m. w. N. Zur Gegenansicht, welche die Kurspflege grundsätzlich befürwortet und nicht von § 20a WpHG umfasst sieht, u. a. Trüstedt (2004) S. 204 f.; Schröder (1994) S. 77. 466 Grüger BKR 2007, 437, 447; ders. (2006) S. 51 f. 467 Worauf zudem einige Anleger bewusst spekulieren, weshalb deren Interessen Kurspflegemaßnahmen zuwiderlaufen, vgl. Koller, in: Ass/Schn WpHG (4. Aufl.) § 31 Rdn. 71. Siehe hierzu auch Arlt (2004) S. 92. Ob insoweit Schröder mit seiner
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selbst willen in eine bestimmte Richtung gedrückt, stellt dies einen außerhalb der gesetzlich geregelten Fälle unzulässigen externen Eingriff in das Spiel der Marktkräfte und damit Marktmanipulation dar.469 Im Umkehrschluss unterfällt damit jedoch ein die Bedingungen des § 20a III WpHG i. V. m. der EG-DVO missachtendes kurspflegerisches Marktverhalten dann mangels inzident irreführenden Signalcharakters nicht dem Manipulationstatbestand des § 20a I 1 Nr. 2 WpHG, wenn es zuvor hinreichend publik gemacht worden ist, da dann der Markt mit einem solchen Verhalten rechnet und es in seinen Erwartungshorizont aufnimmt. Auf die Einhaltung der ausdrücklichen Fristen und Bedingungen des Art. 2 Nr. 5 Durchführungsverordnung (EG-DVO Nr. 2273/2003) zur nachträglichen Publizität der Rahmendetails der durchgeführten Stabilisierungsmaßnahmen (eine Woche nach Ablauf des Stabilisierungszeitraums) kann es dagegen auch im Rahmen des § 20a I 1 Nr. 1 2. Alt. WpHG ankommen – nicht zuletzt unter dem Gesichtspunkt, dass beispielsweise das Bekanntwerden einer starken Stützung zu erheblichen Gegenbewegungen führen kann. Für die rechtspolitische Diskussion wird diese Publizitätspflicht konsequenterweise dementsprechend als zumindest bedenkenswert angesehen, als sie dazu beitragen kann, dass der erzielte Stützungserfolg nachträglich wieder entschwindet.470 Indes zeigt jener Umstand die mitunter gerade nur geringe Halbwertszeit von Kursstabilisierungsmaßnahmen, die bereits deren offensichtlich allein auf zumindest partieller Intransparenz471 beruhende Zweckmäßigkeit insgesamt als fraglich erscheinen lässt. Von vornherein anders verhält es sich dagegen mit nicht von § 20a III WpHG gedeckten Aktienrückkäufen, da diesen per se kein Irreführungspotential zukommt, sie vielmehr neben ihrer insiderrechtlichen Komponente (vgl. oben) allein unter – im Rahmen des geltenden § 20a WpHG (vgl. oben) gerade unbeachtlichen – Marktliquiditätsgesichtspunkten kapitalmarktrechtlich problematisch sein können. Gleiches gilt für Marktschutzvereinbarungen (sog. Lock-Up-Vereinbarungen),472 deren Abschluss und BefolBemerkung, Kurspflege sei ein „an sich wünschenswertes Marktverhalten der Banken“ ([2007], 3. Kap. C 4 Rn. 446), gefolgt werden kann, ist zu bezweifeln. 468 Deswegen auch der nur geringe Anwendungsbereich des Gedankens eines rechtmäßigen Alternativverhaltens, siehe hierzu unter 3. Kapitel § 2 B. III. 2. f). 469 Ebenso Arlt (2004) S. 92. 470 Vgl. Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 285. 471 Durch die vorzeitige, d.h. bereits vor Beginn der Zeichnungsfrist zu erfolgende Publizität (Art. 2 Nr. 5 DVO-EG Nr. 2273/2003) wird ja lediglich das grobe Raster der geplanten Stabilisierungsmaßnahmen bekannt gegeben (siehe hierzu Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 282). 472 Vgl. hierzu und zu den bestehenden Publizitätspflichten unten 3. Kapitel § 2 A. III. 2. b) aa).
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
gung – sofern den geltenden Publizitätspflichten entsprochen wird473 – weder eine informationsgestützte Manipulation (§ 20a I 1 Nr. 1 WpHG), angesichts fehlenden Täuschungscharakters eine sonstige Täuschungshandlung (§ 20a I 1 Nr. 3 WpHG) noch mangels § 20a I 1 Nr. 2 WpHG entsprechenden Markthandelns eine handelsgestützte Manipulation darstellen.474 Wird allerdings seitens der Altaktionäre durch den Verkauf ihrer Aktien gegen eine zuvor veröffentlichte Lock-Up Vereinbarung verstoßen, kann darin ein falsches oder irreführendes Signal für die übrigen Kapitalmarktteilnehmer liegen, welche von einer Bildung des Börsenkurses ohne Aktienverkäufe der Altaktionäre ausgehen.475 III. Marktmanipulation gemäß § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG § 20a I 1 Nr. 3 WpHG verbietet die Vornahme von sonstigen Täuschungshandlungen, welche geeignet sind, auf den inländischen Börsenoder Marktpreis eines Finanzinstrumentes oder auf den Preis eines Finanzinstrumentes in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder Vertragsstaat des EWR einzuwirken. Dem neben § 20a I 1 Nr. 1 und Nr. 2 WpHG als Auffangtatbestand („sonstige“) gestalteten Verbotstatbestand fehlt zur Meidung der damit einhergehenden Beweisschwierigkeiten476 die zuvor noch erforderliche Preiseinwirkungsabsicht. 1. Verfassungsmäßigkeit der Norm Bereits die Vorgängervorschriften des § 20a I 1 Nr. 3 WpHG, §§ 88 Nr. 2 BörsG a. F.477 wie auch § 20a I 1 Nr. 2 WpHG a. F.478 wurden hinsichtlich 473 Vgl. so bereits zum alten Recht Pfüller/Anders WM 2003, 2445, 2449 unter Hinweis auf die Prospektpflichten des §16 Nr. 14 BörsZulV hinsichtlich Lock-UpVereinbarungen. Nunmehr verlangt § 7 WpPG i. V. m. Anhang III. Ziffer 7.3 Verordnung (EG) 809/2004 ausdrücklich eine entsprechende Prospektpublizität. 474 Vgl. ebenso Grüger BKR 2008, 101, 103; Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 215 ff.; Waschkeit (2007) S. 340 f. Siehe auch (allerdings zum alten Recht) Lenzen (2000) S. 221 die bei Stillhalteabkommen wie auch dem „Parking“ eine Täuschung über die am Markt verfügbaren Aktienmengen annehmen will. 475 Vgl. näher Grüger BKR 2008, 101, 105 und nochmals ders. WM 2010, 247, 250, der wegen der in den Publizitätspflichten Ausdruck findenden kapitalmarktund nicht lediglich privatrechtlichen Relevanz der Lock-Up-Vereinbarungen einen Verstoß gegen das Verbot des § 20a II 1 Nr. 2 1. Alt. WpHG annehmen will. 476 Vgl. so ausdrücklich RegE AnSVG BTDrucks. 15/3174 S. 37. 477 Vgl. zur Kritik u. a. Park BB 2001, 2069, 2071. 478 Vgl. zur entsprechenden Kritik u. a. Altenhain BB 2002, 1874, 1876; Schmitz ZStW 115 (2003) 501, 528 (jedenfalls bis zur Verabschiedung der Marktmiss-
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ihrer Vereinbarkeit mit dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot des Art. 103 II, 104 I GG in Zweifel gezogen. Der Begriff der sonstigen Täuschungshandlung sei selbst bereits nicht sinntragend479 und anders als beim Betrug (§ 263 StGB) – wo es noch dazu um Individualtäuschungen gehe – auch nicht durch weitere objektive Merkmale (Vermögensverfügung- und schaden) unrechtskonkretisierend gefasst.480 Allein der Umstand der Vielschichtigkeit der zu regelnden Sachverhalte trage hier keine Herabsetzung der Bestimmtheitsanforderungen.481 In solchen Konstellationen ist es gesetzgeberische Aufgabe, die verschiedenen Lebensvorgänge aufgeteilt in mehreren bestimmten Normen zu regulieren.482 Die vorliegende Fassung des § 20a I 1 Nr. 3 WpHG hält jedoch auch in ihrer abstrakt generellen Gestalt den klassischen Bestimmtheitsanforderungen dann stand, wenn sie verfassungskonform restriktiv483 und am Unrechtsgehalt der übrigen vertypten Tatbestandshandlungen des § 20a I 1 WpHG (Nr. 1 und Nr. 2) und unter Einbezug der zum Täuschungsbegriff in anderen Delikten entwickelten Dogmatik ausgelegt wird.484 Die tatbestandsmäßige Umgrenztheit der inkriminierten Tathandlungen (Täuschungsqualität; Eignung zur Herbeiführung eines Makroebenenirrtums) wird mit Blick auf die weiteren Handlungsalternativen des § 20a I WpHG und das Einwirkungserfordernis des § 38 II WpHG hinreichend konkret. Wie bereits dargelegt, vertypt das geltende deutsche Manipulationsrecht in §§ 20a, 38 II WpHG nicht jedwede denkbare Form des manipulativen Eingriffs in die Marktkräfte, sondern will mittels der inkriminierten Handlungen unlautere Einwirkungen auf die Börsenoder Marktpreisbildung in Form informationsgestützter (§ 20a I 1 Nr. 1 WpHG), handelsgestützter (§ 20a I 1 Nr. 2 WpHG) oder sonst täuschender (§ 20a I 1 Nr. 3 WpHG) Manipulationshandlungen Makroirrtümer verhinbrauchsrichtlinie); Sorgenfrei wistra 2002, 321, 331; Walther ZJapanR 16 (2003) 189, 214. A. A. Eichelberger ZBB 2004, 296, 297 f.; Papachristou (2006) S. 229 ff., 252; Trüstedt (2004) S. 160; Vogel WM 2003, 2437, 2440; Ziouvas/Walter WM 2002, 1483, 1486 f. 479 Vgl. Walther ZJapanR 16 (2003) 189, 214. 480 Vgl. hierzu Schönhöft (2006) S. 125 f. 481 So aber Eichelberger ZBB 2004, 296, 298: „Zunächst muss bezweifelt werden, ob eine abschließende Festlegung manipulativer Handlung[en] überhaupt je möglich ist. [. . .] Notwendig [. . .] ist deshalb ein flexibler, anpassungsfähiger Tatbestand, der eine schnelle Reaktion auf neuartige Manipulationsformen ermöglicht.“ 482 Vgl. so zu Recht m. w. N. Schönhöft (2006) S. 127. 483 Vgl. bereits BVerfGE 92, 1, 16 f. gegen eine „entgrenzende“ Auslegung; siehe ferner statt vieler Vogel, in: Ass/Schn WpHG vor § 20a Rn. 31 mit dem Plädoyer für eine Beschränkung der Normanwendung auf ihr eindeutig unterfallende Verhaltensweisen. 484 Vgl. ebenso Eichelberger (2006) S. 181; Schröder (2007) 3. Kap. F I Rn. 546; für die Herstellung ausreichender Bestimmtheit durch richtlinienkonforme Auslegung Pananis, in: MK-StGB WpHG § 38 Rn. 204.
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
dern.485 Auch der Bundesgerichtshof486 hat noch zu § 20a I 1 Nr. 2 WpHG klargestellt, dass dieser von keinem anderen systematischen Verständnis des Täuschungsbegriffs ausgehe, als er von Gesetzgeberseite auch an anderer Stelle (vgl. §§ 109a, 152a, 267, 270, 276, 283 StGB) verwendet werde. Die hinreichend ausgeprägte Dogmatik des Täuschungsbegriffs zum individualschützenden § 263 StGB lässt sich insoweit – unter teleologischer Rücksicht auf das bei § 20a WpHG geschützte Kollektivrechtsgut und entsprechende Einzelfallmodifikationen – transferieren, als sich deren Grunddefinition auch mit den kapitalmarktlichen Bedingungen des Preisbildungsvorgangs als eines von menschlichen Entscheidungen beeinflussten Systems487 verträgt. Täuschung ist danach jedes Verhalten, das objektiv irreführt oder einen Irrtum unterhält und damit auf die Vorstellung eines anderen einwirkt.488 Auch die Verordnungsermächtigung in § 20a V 1 Nr. 3 WpHG ist sonach angesichts der hinreichend vorhandenen gesetzgeberischen Entscheidung über den Kernbereich des Strafbaren verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.489 Indes ist die gesetzgeberische Begründung für die Aufnahme der Verordnungsermächtigung mit dem erhöhten Bedürfnis für eine schnelle und flexible Antwort als Reaktion auf neue Manipulationstechniken,490 ungeachtet ihrer in Zweifel zu ziehenden, aber insoweit noch der gesetzgeberischen Einschätzungsprärogative gemäßen Grundannahmen491 nur solange 485 Kritisch insoweit Schönhöft (2006) S. 125, der einer „Täuschung des Marktes“ nur eine begrenzte Einwirkungsfunktion zuschreiben will. 486 BGHSt 48, 373, 384 („Analyst Sascha Opel“). 487 Vgl. hierzu ausführlich unten 3. Kapitel § 2 B. II. 3. 488 Siehe hierzu BGHSt 48, 373, 384 unter Verweis auf BGHSt 47, 1, 3; BGH wistra 2001, 386. 489 Ebenso u. a. Schröder (2007) 3. Kap. F I Rn. 547. Siehe bereits zur Vorgängervorschrift die Verfassungsmäßigkeit bejahend u. a. Papachristou (2006) S. 232 ff. sowie Ziouvas ZGR 2003, 113, 128 f., nach dem „mittels [der] Rechtsverordnung par excellence dem Bestimmtheitsgrundsatz genüge getan [. . .]“ und „ [. . .] das Spannungsverhältnis zwischen dem Bestimmtheitsgebot und der Notwendigkeit sachnaher, zeitnaher und flexibler Gestaltung des Manipulationsverbots optimal [aufgelöst werde; Ergänzung durch d. Verf.].“ Vgl. für einzelne bedenkliche Ausgestaltungen in der MaKonV aber sogleich unten. Für eine Verfassungswidrigkeit (v. a. zur Vorgängervorschrift des § 20a II WpHG) Trüstedt (2004) S. 161. 490 Vgl. BTDrucks. 14/8017, S. 90 (noch zum ähnlichen § 20a Abs. 2 aF im Entwurf des 4. FFG) sowie BTDrucks. 15/3174, S. 37 (AnSVG). Allgemein zu dieser Hauptbegründungsschiene für Blankettgesetzgebung Tiedemann FS F.-C. Schröder (2006) S. 641, 643 f. Allein der Effizienzgesichtspunkt kann wie dargelegt niemals als Argument für abgeschwächte verfassungsrechtliche Anforderungen dienen. 491 Vgl. hierzu Trüstedt (2004) S. 163, die den Verordnungsgeber als ähnlich träge sieht wie den Gesetzgeber. Darüber hinaus ist das Erfordernis einer schnellen Reaktionsmöglichkeit auf neue Manipulationstechniken auch inhaltlich nicht einsichtig, sind doch bereits die als schädlich erkannten vorhandenen Manipulations-
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anzuerkennen, als die im Rahmen der Verordnung anzutreffenden Typisierungen dem Unrechtsgehalt des § 20a I 1 Nr. 3 WpHG entsprechen. 2. Sonstige Täuschungshandlung i. S. d. § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG a) Tatbestandsmerkmale Die spezifizierende Vorschrift des § 4 I MaKonV definiert das neben der Einwirkungseignung einzige Tatbestandsmerkmal des § 20a I 1 Nr. 3 WpHG der „sonstigen Täuschungshandlungen“ als Handlungen oder Unterlassungen, die geeignet sind, einen verständigen Anleger über die wahren wirtschaftlichen Verhältnisse, insbesondere Angebot und Nachfrage in Bezug auf ein Finanzinstrument, an einer Börse oder einem Markt in die Irre zu führen und den inländischen Börsen- oder Marktpreis eines Finanzinstruments oder den Preis eines Finanzinstruments an einem organisierten Markt in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum hoch- oder herunterzutreiben oder beizubehalten. Danach setzt die erforderliche Markttäuschung durch den Einbezug der Maßstabsfigur des verständigen Anlegers auf der individuellen Mikroebene an, was insoweit konsequent ist, als im Rahmen des § 20a I 1 Nr. 3 WpHG und seiner wie bei § 20a I 1 Nr. 1 WpHG zu handhabenden492 Einwirkungseignung, aber auch der strikten Trennung zwischen Täuschungshandlung und Täuschungserfolg (weder individuelle Mikroebenenirrtümer493 noch der Makroebenenirrtum i. S. einer Marktpreisänderung werden vorausgesetzt) eine generalisierende Perspektive eingenommen werden muss. Allein unter rechtsgutssystematischer Perspektive stellt indes die Maßstabsfigur des verständigen Anlegers eine Verkürzung des Schutzbereiches dar, da sich auch mittels der Transaktionsentscheidungen einer hinreichend großen Anzahl leicht irrezuführender Anleger eine Marktpreiseinwirkung hertechniken in Kapitalmarktkreisen „bestens bekannt“ und äußerst überschaubar (vgl. so treffend für die von § 20a I 1 Nr. 2 WpHG umfassten Handlungen Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 143), geschweige denn dass in den letzten Jahren das Auftreten neuartiger Formen zu beobachten war. Nachdem es durch die Verordnung aber ohnehin nur zu einer Rechtssicherheit schaffenden Typisierung kommen kann, ist deren Möglichkeit auch im Hinblick auf neu auftretende und in ihrer Manipulationstechnik grundsätzlich unter § 20a I 1 Nr. 3 WpHG subsumierbare Manipulationshandlungen nicht zu beanstanden. 492 Insoweit wird auf die Ausführungen dort verwiesen (3. Kapitel § 2 A. I. 3.). Vgl. wie hier statt vieler Eichelberger (2006) S. 314. 493 Vgl. Begr. zur MaKonV BRDrucks. 18/05, S. 16, wonach die Täuschungshandlungen keinen Irrtum bei den Marktteilnehmern hervorrufen müssen.
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
beiführen lässt. Mithin ist es angezeigt, auf den erwartbaren Empfängerkreis unter Einschluss einer – falls vorhanden – nicht ganz unerheblichen Zahl auch leicht irrezuführender Anleger abzustellen.494 Eine Täuschung verlangt nach gängiger Auslegung495 gerade eine kommunikative Einwirkung auf das Vorstellungsbild eines anderen mittels einer Handlung mit Erklärungswert. Soll nunmehr § 20a I 1 Nr. 3 WpHG seine Bestimmtheitsbedenken zerstreuende Verwurzelung auch in einer systematisch parallelen Auslegung zu den Delikten des Kernstrafrechts finden, verbietet sich der in der Regierungsbegründung zur MaKonV vorfindliche496 und in der Literatur bereits adaptierte497 Verzicht auf einen „kommunikativen Erklärungswert“ der Täuschungshandlung. Selbst wenn man in – insoweit von § 263 StGB abweichender – Erweiterung des Täuschungsbegriffs sog. Objektmanipulationen ausreichen lassen will, müssen diese richtigerweise, um auf das Vorstellungsbild anderer irreführend wirken zu können, einen Erklärungswert besitzen.498 Andernfalls wird gänzlich auf ein Potential zur Einwirkung auf das Vorstellungsbild der Marktteilnehmer verzichtet, das – wie das Merkmal der Eignung der Täuschungshandlung zur Einwirkung auf den Börsen- oder Marktpreis – aber gerade von § 20a I 1 Nr. 3 WpHG vorausgesetzt wird. Auch der Verzicht499 auf den herrschenden Täuschungsbegriff prägenden Tatsachenbezug bzw. Tatsachenkern weitet den Tatbestand des § 20a I 1 Nr. 3 WpHG zu einer unter dem Aspekt der Bestimmtheit, Art. 103 II, 104 I GG, verfassungsrechtlich höchst bedenklichen und überdies inoperablen 494 Vgl. zur Kritik m. w. N. bereits oben 3. Kapitel § 2 A. I. 1. b) bb). Den Maßstab eines „verständigen Anlegers“ begrüßend, da einer „uferlosen und verfassungsrechtlich bedenklich weiten Anwendung des § 20a I 1 Nr. 3 WpHG“ vorbeugend, dagegen Schröder (2007) 3. Kap. F II 1 Rn. 548. 495 Vgl. nur Sch/Sch-Cramer/Perron, 27. Aufl. 2006, § 263 Rn. 37; Hefendehl MK-StGB § 263 Rn. 75; Tiedemann LK 11. Aufl., § 263 Rn. 4, 22; a. A. Hoyer SKStGB, § 263 Rn. 24, der eine reine Sachverhaltsänderung nur dann nicht genügen lassen will, wenn hiermit allein das Bezugsobjekt einer bereits vorhandenen Vorstellung geändert und auf diese Weise die Vorstellung unrichtig werde. Siehe auch Arzt/ Weber § 20 Rn. 46, welcher auch Objektmanipulationen mit Hinweis darauf unter § 263 StGB subsumieren will, dass der Betrug kein Äußerungsdelikt sei. Hefendehl MK-StGB § 263 Rn. 77 erwidert hierauf zu Recht, dass auch ein Gegenstand einen Erklärungswert haben könne, aber nicht müsse. 496 BRDrucks. 18/05, S. 16. 497 Vgl. Schröder (2007) 3. Kap. F II 1 Rn. 549; Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 211; Für den Einbezug von Tatsachenveränderungen unter die Vorgängervorschrift des § 20a I 1 Nr. 2 WpHG a. F., dabei insbesondere auf handelsbezogene Manipulationen (i. S. d. § 20a I 1 Nr. 2 WpHG n. F.) rekurrierend Altenhain BB 2002, 1874, 1877. 498 Vgl. ebenso treffend bereits zu § 263 StGB Hefendehl MK-StGB § 263 Rn. 77. 499 Vgl. Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 211; ebenso wohl Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 139.
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Vorschrift. Wenn Täuschung ein auf Irreführung gerichtetes Verhalten darstellt, entzieht letztgenannte Auslegung dem Irrtum – überdies ohne Not500 – seinen Anknüpfungspunkt. Die von Eichelberger vertretene Ansicht, zur Abgrenzung der mitunter problematischen Täuschungskonstellationen bereits de lege lata subjektiv zu verlangen, dass es der Täter auf die „Irreführung im Sinne eines dolus directus I“501 anlegt, engt ohne gesetzliche Anknüpfung den Tatbestand unzulässig ein. b) Fallgruppen Nachdem früher keine speziell ausgestaltete Alternative für die handelsgestützten Manipulationen bestand, wurden diese vormals unter den Auffangtatbestand der sonstigen Täuschungshandlungen (§ 88 Nr. 2 BörsG a. F. und § 20a I 1 Nr. 2 WpHG a. F.) subsumiert.502 Insoweit ist ein wesentliches Anwendungsfeld des § 20a I 1 Nr. 3 WpHG durch die konkretisierende Kodifizierung in § 20a I 1 Nr. 2 WpHG entfallen. § 4 MaKonV enthält – wiederum entsprechend europäischen Vorgaben503 – in Absatz 2 mit der Weitergabe falscher oder irreführender Informationen (Nr. 1) und unlauteren Finanzanalysen und Anlageempfehlungen (Nr. 2) nicht abschließende Beispiele von Anzeichen für sonstige Täuschungshandlungen,504 deren mutmaßlich dahinterstehendes Manipulationsverhalten sich nach der hier vertre500 Sowohl das Gerücht als auch bestimmte Werturteile lassen sich unter § 20a I 1 Nr. 1 WpHG fügen. 501 Eichelberger (2006) S. 312. Die insoweit von Eichelberger bemühte Parallele zur Rechtsprechung beim Betrug in BGHSt 47, 1, 5 (Maßgebliche Bedeutung für die Konkludenz besitzt die Irreführungsabsicht: Täuschung, wenn objektiv geeignet und subjektiv bestimmt) liegt zwar nahe. Allerdings ist dieses Urteil in seinen – ohne Not geborenen – subjektivierenden Anforderungen an den Täuschungsbegriff zu kritisieren. Die Täuschung ist ebenso wie die Konkludenz objektiv zu bestimmen und lediglich vom ohnehin erforderlichen Vorsatz subjektiv flankiert. Vgl. zur Kritik u. a. Pawlik StV 2003, 297, 299; Scheinfeld wistra 2008, 167, 169 ff. Das bedeutet indes nicht, dass sich ein Irrtum und dementsprechend eine vorherige Täuschung nicht auch auf die Motivation für ein bestimmtes Marktverhalten beziehen kann. Siehe hierzu bereits ausführlich oben 3. Kapitel § 1 B. III. 2. 502 Vgl. hierzu RegE 4. FFG BTDrucks. 14/8017, S. 89 f.; Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 138; Ziouvas/Walter WM 2002, 1483, 1486 f. 503 Vgl. hierzu die mit „Manipulatives Verhalten in Bezug auf die Vorspiegelung falscher Tatsachen sowie in Bezug auf sonstige Kunstgriffe oder Formen der Täuschung“ überschriebenen Art. 5 lit a) und lit b) RL 2003/124/EG (Durchführungsrichtlinie zur RL 2003/6/EG, „Marktmissbrauchsrichtlinie“). 504 Vgl. zu den Kriterien des § 4 II MaKonV Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 152; Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 227 ff. Siehe weiterführend zu § 34b WpHG als Versuch einer Regulierung der Finanzanalyse Kämmerer/Veil BKR 2005, 379 ff. und Seibt ZGR 2006, 501 ff. sowie bei Fischer (2006) zur insiderrechtlichen Problematik in diesem Kontext.
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
tenen Auffassung richtigerweise bereits unter § 20a I 1 Nr. 1 WpHG fassen lässt.505 § 4 III MaKonV konkretisiert – wiederum nicht abschließend („insbesondere“) – zwei Fallgruppen sonstiger Täuschungshandlungen mit der Sicherung einer marktbeherrschenden Stellung (Nr. 1) und dem sog. Scalping (Nr. 2).506 aa) Corners, squeezes und die Sicherung einer marktbeherrschenden Stellung Beim Cornering werden von einzelnen Marktteilnehmern durch Ankäufe Monopolstellungen gegenüber gleichzeitig im Markt vorfindlichen Leerverkäufern aufgebaut, die dazu führen sollen, dass die Käufer – nachdem sie als „cornernde“ Agenten mehr als 100 % des lieferbaren Vorrates erworben haben – den Kurs schließlich autonom festsetzen können.507 Bei den abusive squeezes wird dagegen eine natürliche Knappheit auf dem Kassamarkt mit einer beherrschenden Stellung im Terminmarkt508 verbunden: ein bestimmtes Finanzinstrument wird in großem Maße auf Termin gekauft, wobei die dann zum Terminszeitpunkt entstehende Nachfrage das lieferbare Angebot übersteigt.509 Eine Täuschung könnte beim cornering oder squeezing wenn überhaupt allein an die, den vorgelagerten Transaktionen als einziger Handlung (!) zugrunde liegenden Motive geknüpft werden.510 Auch § 4 III Nr. 1 MaKonV ordnet bereits die Sicherung einer marktbeherrschenden Stellung über das Angebot von oder die Nachfrage nach Finanzinstrumenten durch eine Person oder mehrere in Absprache handelnde Personen als sonstige Täuschung i. S. d. § 20a I 1 Nr. 3 WpHG ein, wenn hierdurch unmittelbar oder mittelbar Ankaufs- oder Verkaufspreise dieser Finanz505 506 507
Siehe hierzu oben 3. Kapitel § 2 A. I. 1. Vgl. hierzu Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 230 ff. Vgl. zu dieser Handelsstrategie instruktiv und m. w. N. Papachristou (2006)
S. 73. 508 Unter Kassamarkt wird ein Markt für Geschäfte verstanden, die sofort oder kurzfristig nach dem schuldrechtlichen Abschluß dinglich erfüllt werden müssen. Bei Termingeschäften liegen grob vereinfacht Abschluss und Erfüllung zeitlich weiter voneinander entfernt. 509 Vgl. hierzu Eichelberger (2006) S. 33 m. w. N. 510 Vgl. ebenso Eichelberger (2006) S. 314. § 3 III Nr. 1 KuMaKV stellte dagegen auf den Zeitpunkt des Ausnutzens der marktbeherrschenden Stellung ab. Auch für diesen Zeitpunkt ist eine Täuschung nicht ersichtlich, da der tatsächlichen Handlung keine konkludente Erklärung entnommen werden kann; vgl. Trüstedt (2004) S. 202. Folgerichtig – aber außerhalb der Normkonkretisierungsermächtigung – war es daher, wenn das Ausnutzen einer marktbeherrschenden Stellung mittels einer Fiktion („gilt“ als sonstige Täuschungshandlung) zur inkriminierten Handlung typisiert wurde (vgl. Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 231).
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instrumente bestimmt oder nicht marktgerechte Handelsbedingungen geschaffen werden. Ein Ausnutzen – wie beim Cornering – ist also nicht erforderlich.511 Bereits die Regierungsbegründung zum 4. FFG512 fasste die Verknappung eines Wertes – ohne indes die darin mutmaßlich enthaltene Täuschung zu konkretisieren – unter die Vorgängervorschrift des § 20a I 1 Nr. 2 WpHG a. F. Allerdings zeigt sich bereits aus den bestehenden Publizitätsvorschriften der §§ 21, 25, 26 WpHG, dass allein das Anstreben und der Aufbau einer marktbeherrschenden Stellung solange kein irreführendes oder täuschendes Potential besitzt, als hinreichende Transparenz gewährleistet wird. Dem manipulativen Potential einer bewussten Marktverknappung soll demnach – entsprechend dem regulatorischen Ansatz eines Informationsmodells513 – mittels entsprechender Offenbarungspflichten begegnet werden. Eine insoweit einzig systemgerechte Verortung bei § 20a I 1 Nr. 1 WpHG und damit die Annahme einer informationsgestützten Manipulation durch Unterlassen kann hier aber allein dann vorliegen, wenn der Erwerb bestimmter Mehrheitsbeteiligungen nicht kommuniziert wird. In diesen Fällen eignet sich dieses Verschweigen oftmals dazu, auf den Marktpreis einzuwirken, da wie das Beispiel der explodierenden Kurse der VW-Aktie im Oktober 2008 lehrt, Leerverkäufer ohne publizierte neue Mehrheitsverhältnisse weiter (über)aktiv bleiben, was sie bei einer ihnen bewussten erheblichen Verknappung des Angebots tunlichst vermeiden würden. Darüber hinaus eine Pflicht zu konstruieren, weitergehende Motive aufzudecken, verbietet sich angesichts der klaren Regelung in § 20a I 1 Nr. 1 2. Alt WpHG und ihrem Anknüpfen an bestehende Rechtsvorschriften. Dass mittels dem Aufkaufen der auf dem Markt verfügbaren Finanzmittel eine Verknappung stattfindet und diese Verknappung sich später zugunsten des Aufkäufers auswirken kann, entspricht dem Wirken der Marktkräfte, stellt aber gerade keine täuschungsbasierte Marktpreismanipulation dar.514 In ein rein tatsächliches Aufkaufen von Finanzinstrumenten die konkludente Erklärung hineinzulesen, dies geschehe aus allein hehren Motiven und nicht, um zu einem späteren Zeitpunkt die marktbeherrschende Stellung auszunutzen, überspannt den maßgeblichen Erwartungshorizont des Anlegerpublikums bzw. der Verkehrsanschauung. Darüber hinaus kann kein Marktteilnehmer vernünftigerweise davon ausgehen, dass Finanzinstrumente immer breit gestreut sind.515 Insoweit scheitert auch eine Täuschungshandlung in Form einer Objektmanipulation durch den Aufbau einer marktbeherrschenden 511
Vgl. Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 157. BTDrucks. 14/8017, S. 89. 513 Vgl. hierzu Merkt zfbf sonderheft 55 (2006) S. 24 ff. 514 Vgl. ebenso u. a. Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 231. 515 Vgl. Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 97; Trüstedt (2004) S. 201. 512
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Stellung, da es bereits an einem entsprechenden ursprünglichen Vorstellungsbild, das fehlerhaft werden kann, fehlt.516 Der Aufbau der Mehrheitsbeteiligung bzw. marktbeherrschenden Stellung und damit das Einwirken auf die Marktliquidität517 – beispielsweise auch durch sog. Stillhalteabkommen (Lock-Up-Vereinbarungen)518 – selbst kann ferner keine handelsgestützte Manipulation darstellen, da selbst bei von vornherein gegebener Ausnützungsabsicht i. S. eines späteren Cornering/Squeezing jedenfalls der Erwerb kein irreführendes Signal gibt, da ihm nach obiger Definition keine illegitimen Gründe zugrunde liegen. Die Strategie knüpft hier nämlich gerade nicht an eine durch die Zukäufe verursachte Preiseinwirkung an, sondern will lediglich eine zu einem späteren Zeitpunkt bestehende Marktlage, nicht aber die zuvor durch Täuschung geschaffene Marktpreislage ausnützen.519 Auch nach der hier gegebenen Definition liegt in diesen Fällen gerade kein illegitimer Grund vor, da die Handelstaktik nicht auf den mit diesen Beschaffungstransaktionen geschaffenen Marktpreis aufbaut, sondern lediglich die später tatsächlich gegebene Verknappung nutzt, um bei Öffentlichwerden des „corners“ die Preise selbst diktieren zu können. Die Begründung zu § 4 III Nr. 1 MakonV, welcher wie die Vorgängervorschrift des § 3 III Nr. 1 KuMaKV Konstellationen von marktbeherrschenden Stellungen den europäischen Vorgaben entsprechend520 unter die sonstigen Täu516 Im Ergebnis (indes ohne Rekurs auf Objektmanipulationen) ebenso einen „Täuschungswert“ verneinend Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 231. 517 Treffend hinsichtlich dieser Kategorisierung Eichelberger (2006) S. 34. 518 Vgl. zu deren ökonomischen Hintergrund Fleischer WM 2002, 2305, 2306 f. sowie zum abgelehnten Einbezug dieser Vereinbarungen, welche an den Besitz von Aktien anknüpfen und die den Aktionär verpflichten oder veranlassen (Kurspflege durch Aktionäre), von der Veräußerung seiner Anteile für eine gewisse Zeit im Interesse des Emittenten abzusehen, noch unter § 88 BörsG a. F. Ekkenga WM 2002, 317, 321 f.; a. A. Lenzen (2000) S. 221 m. w. N. (Täuschung über die am Markt verfügbaren Aktienmengen). Allerdings ist vorgenannter Ansatz wegen der inzwischen erfolgten weitreichenden Regulierung von Publizitätspflichten im Hinblick auf Beteiligungsverhältnisse und damit deren Einbezug in § 20a I 1 Nr. 1 2. Alt. WpHG zu relativieren. Für Marktschutzvereinbarungen im Vorfeld von Aktienemissionen regelt beispielsweise nunmehr die ProspektVO, Anhang III, Ziff. 7.3 umfassende Pflichtangaben bezüglich getroffenen Lock-Up-Vereinbarungen. Vgl. im Übrigen die europäische Verordnung EG Nr. 809/2004 der Kommission v. 29.4.2004, S. 3 ff. zu den im Börsenprospekt ansonsten erforderlichen Angaben und zum ganzen Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 215. 519 Hierin liegt im Übrigen der wesentliche Unterschied zum Einsatz von Leerverkäufen als irreführenden Signalen i. S. d. § 20a I 1 Nr. 2 WpHG: bei diesen soll gerade direkt durch die Leerverkäufe ein Marktverhalten angestoßen werden, das zu einem dem Manipulanten kommoden Marktpreis führt. Zu diesem Marktpreis kann sich der Leerverkäufer dann – falls sein manipulatives Handeln hinsichtlich seiner Signalwirkung erfolgreich war – gewinnbringend mit den zuvor leerverkauften Stücken eindecken.
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schungshandlungen i. S. d. § 20a I 1 Nr. 3 WpHG fassen will, hebt hervor, dass „nicht marktgerechte Bedingungen [. . .] nicht nur bei einer unfairen Preisbildung, sondern auch bei einer Beeinträchtigung sonstiger Bedingungen, die für die Funktionsfähigkeit der Märkte und deren Nutzen für die Marktteilnehmer von Bedeutung sind,“ herrschen sollen.521 Der Schutz vor wettbewerbs- oder kartellrechtlich bedenklichem Verhalten und damit die Sicherstellung einer Marktfairness ist dem geltenden Tatbestand des §§ 20a, 38 II WpHG aber gerade nicht eingeschrieben.522 Der Einbezug von Cornering und Squeezing sprengt damit die verfassungsrechtlich vorgegebenen Grenzen der Verordnungsermächtigung in § 20a V 1 Nr. 3 WpHG. Will der Gesetzgeber seiner europäischen Verpflichtung aus der Richtlinie entsprechend jene Verhaltensweisen über die bestehende Inkriminierungsmöglichkeiten mittels § 20a I 1 Nr. 1 2. Alt. WpHG i. V. m. den entsprechenden Publizitätspflichten einem ausdrücklichen Verbot unterlegen, wäre nach der hier vertretenen Auffassung de lege ferenda die ausdrückliche tatbestandliche Erweiterung beispielsweise des § 20a I 1 Nr. 2 WpHG um solche Verhaltensweisen objektiver Marktverengung erforderlich. Eine über das bloße Verbot i. S. d. § 20a WpHG und etwaige ordnungswidrigkeitenrechtliche Absicherung in § 39 WpHG hinausgehende strafrechtliche Inkriminierung dieser Verhaltensweise würde sich jedoch in einen systemwidrigen Widerspruch zum sonstigen Kartellrecht setzen, das in Deutschland bislang nahezu gänzlich auf eine Strafinkriminierung verzichtet und stattdessen auf verwaltungsrechtliche Kontrollregime setzt.523 Ob insoweit eine Differenzierung für den Kapitalmarkt mit Blick auf das geschützte kollektive 520 Vgl. insoweit Art. 1 Nr. 2 c) 1. Spiegelstrich RL 2003/6/EG („Marktmissbrauchsrichtlinie“) als der zugrunde liegenden vollharmonisierenden Richtlinie. Umfassend zur Identifizierung und Umsetzung vollharmonisierender Richtlinien wie der Marktmissbrauchsrichtlinie ins nationale Recht Buchmann (2008) S. 100 ff. 521 Vgl. BRDrucks. 18/05 S. 17. 522 Vgl. ebenso Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 231; a. A. (ohne Problematisierung des vorausgesetzten, aber hier schwer konstruierbaren Täuschungselements) Douklias (2007) S. 271 f. Zum Gesichtspunkt der Fairness im Kapitalmarkt siehe bspw. Caspari NZG 2005, 98 f.; Zu den verschiedenen Ausprägungen materieller Gerechtigkeit im Wirtschaftsleben Bottke, in: Schünemann/Suárez González (1994) S. 118 f. Zum Thema der Fairness im Kapitalmarkt ließe sich zumindest folgende These aufstellen: Die von einem Gesetzgeber potentiell (aber nicht mit § 20a WpHG primär) erzwungene Fairness dient als Ausgleich für das fehlende Entscheidungssubstrat infolge anonymer Geschäftskontakte im Kapitalmarkt. Fairness besitzt insoweit eine soziale Dimension, weshalb sie nicht mit einem diffus vorhandenen Gefühl verwechselt werden sollte. Zum zu (versagenden) Schutz von individuellen Gefühlen siehe weiterführend Hefendehl (2002) S. 34. 523 Einzig § 298 StGB „wettbewerbswidrige Absprachen bei Ausschreibungen“ stellt eine kriminalstrafrechtliche Inkriminierung dar. Vgl. zu diesem Normenbefund nur die Darstellung bei Dannecker, in: Wabnitz/Janovsky (3. Aufl. 2007) § 16 Rn. 6.
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Rechtsgut angezeigt wäre, ist sowohl mit Blick auf die der Eigentumsgarantie unterfallende aktienrechtliche Komponente der gesellschaftlichen Beteiligung als auch die bereits existierenden, Transparenz schaffenden und damit Informations- aber auch Allokationseffizienz erhöhenden Publizitätspflichten zu den Beteiligungsverhältnissen zu verneinen. bb) Scalping Beim sog. Scalping, das vor und nach einer grundlegenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs Gegenstand intensiver wissenschaftlicher Beschäftigung geworden ist,524 legt der Scalper nicht offen, dass seine Empfehlung in erster Linie dem Ziel dient, den Börsen- oder Marktpreis durch ein entsprechendes Verhalten der Empfehlungsempfänger zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Auf das mithin zu bejahende Vorliegen einer konkludenten Täuschung über die eigene Motivation ist es ohne Einfluss, ob die Empfehlung an sich sachlich zutreffend oder zumindest vertretbar ist.525 Die in diesem Fall zu bejahende Konkludenz entspringt vorliegend der besonderen Stellung und Reputation des Scalpers, der eine ebenso große Informationsherrschaft als Informationstransmitter besitzt, wie die Unternehmensverantwortlichen, ihn aber andererseits nicht die gleichen kodifizierten Veröffentlichungspflichten (bspw. keine Director’s Dealing, § 15a WpHG, Vorschriften für ihn) treffen.526 Die Erwartungshaltung des Publikums hinsichtlich der Motivation einer Empfehlung inkludiert dabei jedenfalls527 seit der prägenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs in Sachen Analyst Sascha Opel und angesichts der zwischenzeitlich erfolgten regelbeispielhaften Kodifizierung in § 4 III Nr. 2 MaKonV, dass der Analyst im Zusammenhang mit seiner Empfehlung existierende Interessenkonflikte durch eigene Transaktionen falls bestehend mitteilt. Wird der Empfehlung eine solche Mitteilung nicht beigefügt, liegt ihr die konkludente Erklärung bei, Interes524 Vgl. hierzu statt vieler für eine instruktive Darstellung des Streitstandes (m. w. N.) Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 235 ff. Siehe ferner allein zur gegebenen praktischen Bedeutung des Scalping monographisch Degoutrie (2007) S. 62 ff. 525 Vgl. BGHSt 48, 373, 380 f. („Analyst Sascha Opel“). Auf den schwierigen Nachweis der Unrichtigkeit einer Empfehlung (vgl. hierzu oben 3. Kapitel § 2 A. I. 1. a)) kommt es somit nicht an. Siehe hierzu bereits Eichelberger WM 2003, 2121, 2125. 526 Kritisch gegenüber der Annahme einer konkludenten Täuschung dagegen Gaede/Mühlbauer wistra 2005, 9, 13; Pananis NStZ 2004, 287, 288. 527 Vgl. auch Schmitz JZ 2004, 526, 527 f. der eine konkludente Täuschung mangels einer vor diesem Urteil – auch im Angesicht der mit §§ 32, 34b WpHG woanders ausdrücklich positiv bestehenden Offenbarungspflichten – noch fehlenden entsprechenden Erwartungshaltung ablehnt.
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senkonflikte bestünden nicht. Legt der Scalper indes sein Eigeninteresse und den daraus resultierenden Interessenkonflikt hinreichend deutlich offen, entfällt eine konkludente Täuschung und mithin die Verbotswidrigkeit i. S. d. § 20a I 1 Nr. 3 WpHG.528 Der Interessenkonflikt ist indes erst dann hinreichend offenbart, wenn neben dem Hinweis auf zuvor eingegangene Positionen, der allein geradezu die Empfehlung bekräftigt,529 auch die Absicht für deren zeitnahe Auflösung nach Veränderung des Börsen- oder Marktpreises mitgeteilt wird. Zwar fasst die MaKonV das Scalping nach wie vor als sonstige Täuschungshandlung auf. Indes wäre richtigerweise eine Einordnung unter die informationsgestützte Manipulation des § 20a I 1 Nr. 1 1. Alt. WpHG angezeigt, da diese wie dargelegt auch konkludente Erklärungen mitumfasst. cc) Handlungsgestützte Manipulationen Unter handlungsgestützten Manipulationen werden solche Verhaltensweisen verstanden, die auf eine Veränderung des inneren Wertes einer Aktie (etwa die willentliche Verunreinigung von Pharmaerzeugnissen eines börsennotierten Unternehmens) und deren öffentliche Bekanntmachung abzielen.530 Für diese Manipulationsart ist bereits umstritten, ob sie überhaupt von § 20a WpHG erfasst werden.531 Als Argument gegen ihren Einbezug werden – sofern diese Fallgruppe überhaupt diskutiert wird – eine ansonsten zu befürchtende Zurückhaltung gut informierter Marktteilnehmer bei der Verbreitung ihrer Informationen aus Angst vor strafrechtlicher Verfolgung sowie der für diese Fälle bereits bestehende Schutz durch allgemeine Straftatbestände, insbesondere Eigentums- und Vermögensdelikte, genannt.532 528
Vgl. ebenso u. a. Eichelberger (2006) S. 317; Schwark, in: Schwark § 20a Rn. 33; Vogel NStZ 2004, 252, 255. A. A. ohne nähere Begründung Kümpel/Veil (2006) 6. Teil Rn. 41 (= S. 143). 529 Vgl. ebenso Schäfer BKR 2004, 78, 79; Schönhöft (2006) S. 141 f., der weitergehend eine Haltefrist von einem Monat fordert, da auch eine dementsprechende Transparenz nichts an der Manipulationshandlung ändere. Dem ist jedoch zu widersprechen, da für den Fall, dass eine umfassende Transparenz der Motivlage durch einen „erweiterten“ Hinweis auf den Interessenkonflikt gewährleistet würde, gerade keine Täuschungshandlung mehr vorliegt. Darüberhinaus eine Manipulationshandlung zu hypostasieren, würde den Wortlaut des § 20a I 1 Nr. 3 WpHG („sonstige Täuschungshandlung“) sprengen. 530 Vgl. hierzu Altenhain BB 2002, 1874, 1877; m. w. N. aus der amerikanischen Rechtspraxis Fleischer Gutachten F119 f.; Lenzen WM 2000, 1131, 1137; dies. (2000) S. 31 f., 242 f. 531 Nachdem diese Manipulationsart ausschließlich hinsichtlich ihrer Subsumtion unter § 20a I 1 Nr. 3 WpHG (bzw. früher § 20a I 1 Nr. 2 WpHG a. F.) diskutiert wird, findet sie auch im Rahmen dieser Untersuchung an diesem Ort statt.
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Dagegen wird als Argument für eine Subsumtion unter § 20a I 1 Nr. 3 WpHG vorgebracht, die Vergleichbarkeit mit der Verhaltensweise des Scalping rechtfertige diese.533 Wie dort, liege der strafrechtliche Unrechtsgehalt auf der subjektiven Seite, wenn den Einwirkungshandlungen auf die Preisbildung die Täuschung zugrunde liege, dass die Handlung in Wirklichkeit einem Auf- oder Abbau eigener Wertpapierbestände diene.534 Der eine Manipulationsstrafbarkeit für diese Konstellationen nach geltendem Recht ablehnenden Ansicht535 ist insoweit zuzustimmen, als sie sich auf eine solche aus dem Auffangtatbestand des § 20a I 1 Nr. 3 WpHG sowie § 20a I 1 Nr. 1 1. Alt. WpHG (und § 20a I 1 Nr. 2 WpHG) bezieht, nicht aber sofern sie in diesen Konstellationen auch § 20a I 1 Nr. 1 2. Alt. WpHG generell exkludiert. Der Tatbestand der Marktmanipulation zielt auf das Verhindern eines Makroebenenirrtums ab. Ein künstlicher Preis liegt aber in den Konstellationen erfolgreicher handlungsgestützter Manipulationen prima facie gerade nicht vor, wenn man allein auf die Unternehmenswertminderung durch die tatsächliche Sabotagehandlung und deren Veröffentlichung abstellt. Die Sabotage im Bereich des Firmenwertes selbst stellt, wenn sie tatsächlich durchgeführt wird, keine Irreführung der Marktteilnehmer dar, da sie den Unternehmenswert in realiter beeinträchtigt. Im tatsächlichen Sabotageakt liegt insbesondere keine Täuschung über die diesem zugrunde liegenden Motive (Börsen- oder Marktpreisveränderung als Fernziel), da der Sabotageakt überhaupt keinen Kommunikationsgehalt besitzt, wird er doch vom – um die Sabotage gerade nicht wissenden – Kapitalmarkt jedenfalls nicht als Handlung im Rahmen des Kapitalmarktes gesehen.536 Selbst wenn man bei einem erweiterten Verständnis von Täuschungen reine Objektmanipulationen deswegen ausreichen lassen will, weil diese den Gegenstand einer vorhandenen Vorstellung verändern und auf diese Weise letztere zu einer falschen machen,537 könnte zwar die Sabotage als 532
Vgl. so Fleischer Gutachten F120; Lenzen (2000) 242 f.; siehe auch Ziouvas ZGR 2003, 113, 131, nach dem handlungsgestützte Manipulationen deshalb vom Tatbestand exkludiert seien, da sie den inneren Wert nicht verfälschten. 533 Vgl. Schönhöft (2006) S. 144. 534 Vgl. Schönhöft (2006) S. 144. 535 Vgl. hierzu u. a. Eichelberger (2006) S. 318; Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht BT, Rn. 348; Ziouvas ZGR 2003, 113, 131. bereits zur Vorgängerregelung in § 20a I 1 Nr. 2 WpHG Schwark, in: Schwark WpHG § 20a Rn. 34. A. A. (ohne näheres Eingehen auf die Fallgruppe) Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 139; Schönhöft (2006) S. 144. 536 Eine Strafbarkeit nach anderen Deliktstatbeständen (bspw. Untreue, Sachbeschädigung) bleibt hiervon selbstredend unberührt. 537 Vgl. instruktiv zu dieser Art des Erzeugens eines Irrtums als Abweichung der Vorstellung von der Wirklichkeit Hefendehl MK-StGB § 263 Rn. 75. Ablehnend
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Täuschungshandlung (eine eventuelle Vorstellung des Marktes vom Firmenwert wird in diesem Moment unbewusst falsch) angesehen werden. In dem Moment, in dem diese die Eignung besitzt, auf den Börsen- oder Marktpreis einzuwirken, also erst mit Bekanntwerden der „Firmenwertveränderung“ besteht jedoch keine diesbezügliche Täuschungslage mehr: Vorstellung der Marktteilnehmer (inzwischen inklusive Unternehmenswertveränderung) und Wirklichkeit (Unternehmenswertveränderung) stimmen überein. Auch das spätere Inkenntnissetzen der Öffentlichkeit von den Ereignissen unter Verschweigen der Sabotage stellt insofern jedenfalls keine ausdrückliche Täuschung dar, als Wirklichkeit und Erklärung weiterhin übereinstimmen. Eine konkludente Erklärung anzunehmen, der Firmenwert sei nicht aus unlauteren Beweggründen selbst manipuliert worden, überspannt die Grenzen dieser dogmatischen Figur. Auch wenn bereits zuvor Aktien des sabotierten Unternehmens leer verkauft wurden, kann in der späteren Veröffentlichung nicht parallel zum Scalping eine Täuschung konstruiert werden. Der Unterschied zum Scalper liegt darin, dass der Scalper aus seiner kapitalmarktbezogenen Stellung heraus beim Marktpublikum bestimmte Erwartungen hinsichtlich des Inhalts seiner Erklärungen und Empfehlungen hervorruft, die gerade das Eigeninteresse an der marktöffentlichen Erklärung – bei fehlender Offenlegung von vorherigen spezifischen Transaktionen – nicht mit einschließt. Im Fall der handlungsgestützten Manipulationen besteht diese Erwartung beim Publikum gerade nicht, da den unternehmensbezogenen Mitteilungen auch eine entsprechende konkludente Miterklärung, zuvor keine spezifisch eigennützigen Geschäfte getätigt zu haben, wegen der inkongruenten Sachferne538 und Exzeptionalität der gerade nicht öffentlichen Ursachen der Mitteilung (eben jene Sabotagehandlungen) nicht entnommen wird. Im Übrigen schützten die weitreichenden Veröffentlichungspflichten von Director’s Dealings (§ 15a WpHG) – also eben auch jenen Leerverkäufen von Unternehmensverantwortlichen – in Verbindung mit den Insiderhandelsverboten annehmbar präventiv durch die gewährleistete Transparenz bereits vor diesen Handlungsweisen. Einzig denkbar bleibt in Konstellationen handlungsgestützter Manipulationen sonach eine Subsumtion unter § 20a I 1 Nr. 1 2. Alt. WpHG als Verschweigen von Umständen entgegen bestehender Rechtsvorschriften (Adhoc-Pflicht des § 15 I WpHG), wenn die Sabotage als Insiderinformation i. S. d. § 13 I WpHG anzusehen wäre. Dies ließe sich dann bejahen, wenn wie die überwiegende Ansicht bereits Bockelmann FS Eb. Schmidt (1961) S. 437, 439, welcher m. w. N. die Täuschung treffend als „Einflussnahme auf die Vorstellungsbildung“ beschreibt. 538 Dass hinter einer Produktverunreinigung eine gezielte Sabotage allein zur Erzielung von Kursvorteilen steht, wird vom Kapitalmarkt nicht erwartet.
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
allein die Information über den Charakter der Geschehnisse als Eigensabotage539 erhebliche Kursbeeinflussungseignung besäße, d.h. ein verständiger Anleger die Information bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde (§ 13 I 2 WpHG), was je nach den an der Sabotage beteiligten Personen (Verwicklung der Leitungsorgane, weiter Teile des Unternehmens oder nur Verfehlungen einzelner Mitarbeiter) unterschiedlich zu beurteilen, aber nicht ausgeschlossen sein dürfte.540 Eine entsprechende Unterlassungsstrafbarkeit (§§ 20a I 1 Nr. 1 2. Alt., 39 II Nr. 11, 38 II WpHG (i. V. m. § 14 I StGB) ist jedoch nur in Fällen denkbar, in welchen die entsprechenden Leitungs- und/oder Aufsichtsorgane (Vorstand und Aufsichtsrat) von den Sabotageaktionen Kenntnis erlangen und vorsätzlich die etwaige Veröffentlichungspflicht missachtet haben. Sind Mitglieder der Leitungsorgane und damit (über § 14 I StGB strafrechtlich)541 Adressaten der Veröffentlichungspflichten an den Sabotageakten selbst beteiligt, bedingt diese Pflicht einen Konflikt mit dem vom Bundesverfassungsgericht aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht abgeleiteten grundsätzlichen Verbot des Zwangs zur Selbstbezichtigung (im Falle handlungsgestützter Manipulationen beispielsweise hinsichtlich von ihm begangener, strafbarer Handlungen der Sachbeschädigung; strafrechtlich relevanten Verstößen gegen das Arzneimittelgesetz, Untreue[versuch] etc.).542 In derartigen Fällen kann die strafbegründende Garantenpflicht durch die Unzumutbarkeit normgemäßen Verhaltens eingeschränkt sein.543 Allerdings sollen sowohl nach der Rechtspre539
Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob die mit der Sabotage selbst bewirkten Umstände als Insiderinformation anzusehen sind, was gemeinhin der Fall sein dürfte, da sie nur dann überhaupt wirkungsvolle Instrumente einer entsprechenden Manipulationstechnik darstellen. 540 Dass die Unternehmensleitung sich an derartigen Sabotageaktionen beteiligt (bzw. sie wissentlich geschehen lässt) lässt markterhebliche Rückschlüsse auf die Integrität der Unternehmensführung zu. Vgl. zum Vergleich auch die im Katalog in BaFin Emittentenleitfaden (2005) S. 44 bzw. dies., Emittentenleitfaden (2009) S. 56 f. genannten veröffentlichungspflichtigen Umstände des Verdachts einer Bilanzmanipulation, der erheblichen außerordentlichen Aufwendungen nach Aufdeckung krimineller Machenschaften und der überraschenden Veränderungen in Schlüsselpositionen des Unternehmens. 541 Vgl. hierzu u. a. Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 109. 542 Vgl. BVerfGE 38, 105, 114 f. sowie BVerfGE 56, 37, 41 f. (sog. Gemeinschuldnerbeschluss). 543 Vgl. so BGHSt 47, 8, 12 ff. – gestützt auf das in § 393 I 2 und 3 AO normierte Zwangsmittelverbot (nemo tenetur se ipsum accusare) – zur Problematik im Rahmen einer Strafbarkeit wegen unterlassener Abgabe der Steuererklärung (§ 370 I Nr. 2 AO). Die Strafbewehrung der Verletzung der Pflicht zur Abgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung wird danach so lange suspendiert, wie gegen den Steuerpflichtigen ein Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung durch Abgabe unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen für dieselben Besteuerungszeiträume geführt wird. Indes rechtfertigt nach dem BGH der in § 393 I 2 und 3 AO normierte nemo-tenetur-
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chung des Bundesverfassungsgerichts als auch des Bundesgerichtshofs Ausnahmen in Konstellationen zulässig sein, in denen das Interesse eines gesetzlich Auskunftspflichtigen mit dem berechtigten Informationsbedürfnis anderer kollidiert.544 Dieses Informationsbedürfnis – das in den genannten Judizen sogar für behördliche Träger und damit im primären Verhältnis Staat-Bürger (steuerrechtliche Mitwirkungspflichten) anerkannt wurde545 – besteht im Kapitalmarkt seitens des Anlegerpublikums in besonderem Maße. Ferner betrifft das Auskunftsverweigerungsrecht des § 4 IX 1 WpHG in Fällen ansonsten selbstbelastender Aussagen nur die ordnungsrechtlichen Auskunftsersuchen der BaFin i. S. d. § 4 III WpHG. Der Konflikt des Informationsbedürfnisses des Kapitalmarktes mit der verfassungsrechtlichen grundsätzlichen Selbstbezichtigungsfreiheit der an der Manipulation beteiligten Unternehmensverantwortlichen wird dahingehend verschärft, dass diese – für den Fall einer erfolgreichen handlungsgestützten Manipulation und damit zuvor gerade nicht umfassenden Veröffentlichung auch der Sabotage selbst – mit einer späteren Offenbarung sowohl ihre kapitalmarktstrafrechtliche Delinquenz (nicht rechtzeitige Veröffentlichung der Insiderinformation „Sabotage durch Unternehmensverantwortliche“) als auch die entsprechenden Hintergrundstraftaten (Sachbeschädigung, strafrechtliche Arzneimittelgesetzverstöße, Umweltdelikte, Untreue o. ä.) dem Kapitalmarkt offen legen müssten. Vorzugswürdig erscheint es, in diesen Konstellationen ein strafrechtliches Verwertungsverbot der erstmaligen Veröffentlichung der Sabotage hinsichtlich der Hintergrundstraftaten anzunehmen, den jeweiligen Unternehmensverantwortlichen aber ansonsten wie alle Unternehmensverantwortlichen in die über §§ 38 II, 39 II Nr. 11 WpHG, § 14 I StGB strafbewehrte Pflicht des § 20a I 1 Nr. 1 2. Alt. WpHG i. V. m. § 15 I WpHG zu nehmen. Andernfalls würde neben dem bestehenden Unrecht (Hintergrundstraftaten) neues Strafunrecht – nunmehr hinsichtlich des Rechtsguts der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes – geschaffen werden. Zusammenfassend kann daher in Konstellationen handlungsgestützter Manipulationen eine Manipulationsstrafbarkeit der Unternehmensverantwortlichen (§ 14 StGB) über § 20a I 1 Nr. 1 2. Alt. WpHG in Betracht kommen, wenn diese entweder selbst an den Manipulationen beteiligt waren oder vom Charakter Grundsatz weder die Nichtabgabe zutreffender noch die Abgabe unrichtiger Steuererklärungen für nachfolgende Besteuerungszeiträume, weil andernfalls neues Unrecht geschaffen würde, zu dem das Recht auf Selbstschutz gerade nicht berechtigt (BGHSt 47, 8, 15 m. w. N.). Vgl. hierzu u. a. m. w. N. Kummer, in: Wabnitz/Janovsky (3. Aufl. 2007) § 18 Rn. 28. 544 Vgl. BVerfGE 56, 37, 45; BGHSt 47, 8, 13. Vgl. umfassend zur nach dem BVerfG im Gemeinschuldnerbeschluss erforderlichen Interessenabwägung Sahan (2006) S. 50 ff. und passim zum Konflikt von Selbstbelastungsfreiheit und abgabenrechtlichen Steuererklärungspflichten. 545 Vgl. BVerfGE 56, 37, 45; BGHSt 47, 8, 13.
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
unternehmensinterner Geschehnisse als Sabotage hinreichend konkrete Kenntnis erhalten, wenn dieser Sabotagecharakter allein geeignet ist, den Börsen- oder Marktpreis erheblich zu beeinflussen. Im Ergebnis kann in diesen Fallkonstellationen eine Strafbarkeit nur aufgrund einer informationsgestützten Manipulation (Nichtveröffentlichung des unternehmensintern bekannten Sabotagecharakters der Geschehnisse), nicht aber auf der Grundlage allein der Sabotagehandlungen selbst angenommen werden. dd) Weitere „Sonstige Täuschungshandlungen“ Das Ausstreuen von Gerüchten kann nach der hier vertretenen Auffassung bereits unter § 20a I 1 Nr. 1 WpHG gefasst werden.546 Der RegE des 4. FFG547 fasst es dagegen noch unter § 20a I 1 Nr. 3 WpHG, obgleich sich hier folgerichtig an sich die gleichen Problemen stellen müssten, wann ein solches Gerücht dann Irreführungseignung i. S. einer Täuschung haben können soll.548 Darüber hinaus sind Gerüchte ohne jeden Tatsachenbezug schlechthin nicht denkbar. Auch das Herauf- und Herunterreden von Kursen ohne Angabe eines sachlichen Grundes (Tatsachenbezug) kann – ungeachtet dessen, dass bei jenen Konstellationen außer in den Fällen des Scalping oftmals die Eignung zur Preiseinwirkung fehlen dürfte549 – überhaupt nur dann als Täuschung angesehen werden, wenn der Erklärende an die Stichhaltigkeit seiner Empfehlungen/Werturteile selbst nicht glaubt, also über seine innere Einstellung zu diesen konkludent täuscht.550 In diesen Fällen kann den Erklärungen außer der bereits dargelegten Überzeugung von der Richtigkeit des eigenen Werturteils kein weitergehender konkludenter Erklärungswert entnommen werden, da anders als beim Scalper der Erklärende gerade keine besondere Stellung besitzt, die die Erwartung weckt, seine Empfehlungen seien um ihrer selbst willen gegeben. Die – wenn auch höchst ungewöhnliche Konstellation – des bestochenen Skontroführers oder sonstigen Händlers, welcher zu Handlungen gebracht werden soll, die den Kurs in eine bestimmte Richtung lenken, als sonstige Täuschung i. S. d. 546 Vgl. hierzu bereits oben 3. Kapitel § 2 A. I. 1. a); ebenso Eichelberger (2006) S. 315. 547 BTDrucks. 14/8017, S. 90. 548 Wie hier Eichelberger (2006) S. 315. 549 Bei den sog. Stock-Spams und deren zumeist sehr weiten und inhomogenen Empfängerkreises kann allerdings der Einbezug der Erkenntnisse der Behavioral Finance (vgl. hierzu unten 3. Kapitel § 2 B. II. 3. b)) lehren, eine Einwirkungseignung auch bei bloßen Werturteilen anzunehmen (bspw. in Fällen gezielter Ausnutzung des sog. Herdenverhaltens), da sich wie empirische Studien zeigen, eine nicht unbeachtliche Anzahl von Marktteilnehmern auch durch solche beeinflussen lässt. Vgl. hierzu Fleischer ZBB 2008, 137, 142 f. 550 Vgl. Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 223.
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§ 20a I 1 Nr. 3 WpHG anzuerkennen, wie für § 88 Nr. 2 BörsG a. F. von Gesetzgeber und der Literatur vertreten, wäre zwar denkbar, wenn man die Täuschung als „Kollektivtäuschung“ begreift, bei der es allein darum geht, einen Makroebenenirrtum zu erzielen.551 Allerdings wäre insoweit problematisch, ob der Makler als Werkzeug im Rahmen einer mittelbaren Täterschaft552 verstanden werden könnte553 oder nicht vielmehr – und überzeugender – als nur angestifteter Täter einer selbständigen Marktmanipulation betrachtet werden müsste. Darüber hinaus fallen die meisten Fälle solcher Bestechungen, wenn sie darauf abzielen, den Skontroführer oder sonstigen Händler zu entsprechend kursbeeinflussenden Geschäften zu veranlassen, für diesen jedenfalls unter § 20a I 1 Nr. 2 WpHG. Auch die Sabotage des unmittelbaren Preisbildungsvorgangs durch technische Mittel (Computerviren), welche einen künstlichen Preis erzeugen, lässt sich bereits begrifflich nicht unter § 20a I 1 Nr. 3 WpHG subsumieren, da nur der mittels Sabotage erzeugte Preis (und damit bereits eine erfolgte Einwirkung!), nicht aber die Sabotage selbst, Täuschungscharakter besitzt.554 Im systematischen Normenvergleich stellt der Umstand, dass Täuschung als Tatbestandsmerkmal enthaltenden Normen (§ 263, § 267 StGB) dann entsprechende Gleichstellungsnormen ausdrücklich beiseite gestellt werden, wenn auch die entsprechende Beeinflussung von EDV-Anlagen (§ 263a, § 270 StGB) tatbestandsmäßig sein soll, ein Indiz für diese Auffassung dar. c) Bewertung der (praktischen) Bedeutung des § 20a I 1 Nr. 3 WpHG Wie obige Ausführungen zeigen konnten, besitzt § 20a I 1 Nr. 3 WpHG – wenn überhaupt – nur ein sehr geringes von seinem Wortlaut gedecktes Anwendungsfeld.555 De lege ferenda wird daher für die Streichung dieser Vorschrift plädiert. Die handelsgestützten Manipulationen werden bereits von § 20a I 1 Nr. 2 WpHG umfasst, die handlungsgestützten Manipulationen lassen sich richtigerweise nicht unter § 20a I 1 Nr. 3 WpHG subsumieren. Ebenso verhält es sich mit dem – europäisch abstrakt als verbotswürdig vorgegebenen – rechtssystematisch aber inakzeptabel im Rahmen der sons551 Unter dem Gesichtspunkt einer Individualtäuschung gegenüber dem Makler/ Händler dagegen den Einbezug in § 20a I 1 Nr. 3 WpHG ablehnend Vogel, in: Ass/ Schn WpHG § 20a Rn. 223. 552 Denkbar wäre dies allein in Fällen einer mittelbaren Täterschaft kraft Nötigungsherrschaft. 553 Dann wäre eine Bestrafung des Bestechenden als Täter einer – eine vertypte mittelbare Täterschaft darstellenden – Marktmanipulation möglich. 554 A. A. Benner, in: Volk (2006) § 22 Rn 421 (Hacking). 555 Wie hier Eichelberger (2006) S. 318.
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
tigen Täuschungshandlungen durch die MaKonV verorteten Sicherung einer marktbeherrschenden Stellung als eines originär wettbewerbs- und kartellrechtlich problematischen Verhaltens. Dessen kapitalmarktlich korrekte Entsprechung findet sich bereits in den Pflichten zur Offenlegung des Überschreitens bestimmter Beteiligungsgrenzen in §§ 21 ff. WpHG. § 20a I 1 Nr. 3 WpHG als willfährige Möglichkeit anzusehen, neu aufgetretene bzw. europäisch vorgegebene und nicht in die Alternativen des § 20a I 1 Nr. 1 und Nr. 2 WpHG verortbare Manipulationstechniken zu inkriminieren, gelingt nur solange, als sich jene unter eine Täuschungshandlung i. S. d. § 20a I 1 Nr. 3 WpHG subsumieren lassen. Insgesamt ist wegen der neben den richtigerweise bereits durch § 20a I 1 Nr. 1 WpHG und § 20a I 1 Nr. 2 WpHG abgedeckten informationsgestützten und handelsgestützten auf einer Irreführung aufbauenden Manipulationshandlungen kein effektiver Anwendungsbereich für den Tatbestand der „sonstigen Täuschungshandlungen“ ersichtlich,556 weshalb de lege ferenda dessen Streichung und etwaige Ersetzung durch eine spezifische Tatbestandsalternative zum Einbezug neuer, nicht täuschungsbasierter Manipulationstechniken angezeigt ist.
B. Börsen- oder Marktpreiseinwirkung Die Grenze zwischen der bloßen Ordnungswidrigkeit und dem strafbaren Bereich hat der Gesetzgeber durch das – mit dem 4. Finanzmarktförderungsgesetz (4. FFG)557 noch als § 38 I Nr. 4 WpHG eingeführte, später durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz (AnSVG)558 in § 38 II WpHG inkorporierte – Erfordernis einer Einwirkung auf den inländischen Börsenoder Marktpreis eines Finanzinstrumentes oder den Preis eines Finanzinstrumentes an einem organisierten Markt in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des EWR-Abkommens gezogen.559 Über die in § 39 I Nr. 1, I Nr. 2 WpHG oder § 39 II Nr. 11 durch Weiterverweisungen auf die Modalitäten des § 20a WpHG umschriebenen Tathandlungen hinaus, verlangt das Gesetz demnach für die Erfüllung des strafrechtlichen Tatbestandes das Vorliegen eines weiteren Kriteriums. Im Folgenden soll zunächst der Frage nachgegangen werden, 556
Ähnlich bereits zu § 20a I 1 Nr. 2 WpHG a. F. mit Vorschlag einer eigenständigen Fassung der handelsgestützten Manipulationen Arlt (2004) S. 411 ff. 557 Vgl. BReg BTDrucks. 14/8017, S. 98. 558 Vgl. BReg BTDrucks. 15/3174, S. 20. 559 Entsprechendes gilt für die Einwirkung auf den Börsen- oder Marktpreis von Waren i. S. d. § 2 Abs. 2c WpHG (dort benannte fungible Wirtschaftsgüter), Emissionsberechtigungen i. S. d. § 3 IV 1 Treibhausgas-EmissionshandelsG oder ausländischer Zahlungsmittel i. S. d. § 51 BörsG. Die Untergliederung in § 38 II Nr. 1–3 wurde mit Gesetz vom 25.6.2009 (BGBl. I 2009, 1528) aufgenommen.
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was unter einer Börsen- oder Marktpreiseinwirkung zu verstehen ist und wie das Einwirkungserfordernis dogmatisch einzuordnen ist. Ausgehend von der dogmatischen Einordnung von §§ 20a, 39, 38 II WpHG als Erfolgsdelikt, wie sie die ganz herrschende Meinung vornimmt, soll geklärt werden, was als konkreter Erfolg i. S. d. § 38 II WpHG tatbestandlich verlangt ist. Sodann wird in einem nächsten Schritt der kritischen Analyse unterliegen, wie die notwendige Verknüpfung zwischen Handlung und Erfolg materiell gestaltet sein muss, damit der missbilligte Erfolg dem Täter als das Werk560 seiner Handlung strafrechtlich zugerechnet werden kann. Die sich dabei im Bereich des Kapitalmarktes als Hort der modernen „Risikogesellschaft“ stellenden besonderen Probleme finden hier entsprechende Beachtung.561 Den Fragen eines prozessualen Nachweises dieses Zusammenhangs als Verknüpfung in das Strafprozessrecht ist das anschließende Unterkapitel dieses Abschnitts gewidmet. Abschließend sollen die in den Vorkapiteln gewonnenen Ergebnisse die kritische Bewertung der getroffenen Neuregelung und ihrer dogmatischen Aufnahme durch die Rechtswissenschaft ermöglichen. I. Börsen- oder Marktpreiseinwirkung i. S. d. § 38 II WpHG Die an den die verbotenen Handlungen tatbestandlich ausgestaltenden § 20a WpHG (Manipulationsverbot) als Blankett anknüpfende Strafnorm des § 38 II WpHG grenzt mit ihrem zusätzlich enthaltenen Preiseinwirkungskriterium den Bereich des Kriminalstrafrechts vom Sanktionsbereich der bloßen Ordnungswidrigkeiten i. S. d. §§ 20a, 39 WpHG ab. Dass sich insoweit der deutsche Gesetzgeber von den Richtlinienvorgaben emanzipiert, indem er als zusätzliche Voraussetzung einer strafrechtlichen Verfolgung eine Preiseinwirkung verlangt562, ist unschädlich, da die Mittel der Bewehrung den Mitgliedsstaaten überlassen wurden und insoweit die Bestimmung der Voraussetzungen der von der Richtlinie nicht explizit geforderten Pönalisierung allein der nationalen Legislative obliegen. § 38 II WpHG verlangt entweder die Einwirkung auf den inländischen Börsenoder Marktpreis eines Finanzinstruments oder eine solche auf den Preis 560
Sch/Sch-Lenckner/Eisele vor §§ 13 Rn. 71/72. Vgl. zum typischen Kennzeichen der Risikogesellschaft, Zurechnungsprobleme zu produzieren, Schulz, in: Lübbe (1994) S. 41; Seelmann KritV 1992, 452, 456 ff. Ein spezifisches Risikostrafrecht in Form einer Flexibilisierung traditioneller dogmatischer Figuren will dagegen Hilgendorf NStZ 1993, 10, 16 und passim – am Beispiel der strafrechtlichen Produkthaftung exemplifiziert – gerade nicht entdeckt haben. 562 Hierzu – allerdings unter der noch zu überprüfenden Prämisse, § 38 II WpHG konstituiere §§ 20a, 39, 38 II WpHG als Erfolgsdelikt – Ziouvas/Walter WM 2002, 1483, 1488 (RL-Entwurf forderte gerade keinen Einwirkungserfolg!). 561
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
eines Finanzinstrumentes in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des EWR. Die Norm des § 38 V WpHG stellt den in § 38 II WpHG in einer Verweisungskaskade einbezogenen inländischen Manipulationsverboten entsprechende ausländische Verbote gleich.563 Diese dynamische Verweisung ist insoweit verfassungsgemäß, als durch das Entsprechenserfordernis die Verweisungswirkung beschränkt wird und gleichzeitig Parallelität mit der deutschen Rechtslage gewährleistet wird.564 Ein Entsprechen ist im Rahmen einer wegen des Bestimmtheitsgebots gebotenen restriktiven Auslegung nur dann gegeben, wenn das ausländische Recht die Marktmanipulation als solche und unter einem dem deutschen Recht entsprechenden rechtlichen Gesichtspunkt und entsprechenden Unrechtsgehalt untersagt,565 ohne dass dabei eine wörtliche Übereinstimmung zu fordern ist.566 Wesentliche Funktion des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots (Art. 103 II, 104 I GG) ist neben der gebotenen parlamentarischen Entscheidung (Gesetzlichkeitsprinzip) die Sicherstellung der Vorhersehbarkeit des Strafbaren, welche nur gewährleistet ist, wenn Unrechtsidentität besteht.567 Die Frage des Anwendungsbereichs des 563
§ 38 V WpHG ist dabei nötig, da eine strafrechtliche Norm nicht den Geltungs- und Anwendungsbereich einer verwaltungsrechtlichen Verhaltensnorm erweitern kann (vgl. m. w. N. Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 38 Rn. 63). Erfasst allerdings die Verbotsnorm bereits den Auslandssachverhalt, kommt es auf § 38 V WpHG nicht an. Völkerrechtlich ist eine Anknüpfung an ausländische Sachverhalte jedenfalls möglich, solange ein sinnvoller inländischer Anknüpfungspunkt besteht (vgl. Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 48 m. w. N.), der für bloße Manipulationshandlungen im Ausland mit dem Einwirkungserfordernis des § 38 II WpHG exisitiert. Siehe auch U. H. Schneider AG 2001, 269, 274 zu einem praktischen Fall. 564 Vgl. Altenhain KK-WpHG § 38 Rn. 23; Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 38 Rn. 61; Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 223. Insoweit enger Schuster (1996) S. 474 ff. [Fazit: S. 479], der auch im Vergleich mit § 328 StGB nur den Verweis auf harmonisierte Verbote anderer EU- und EWR-Staaten als zulässig erachtet. A. A. noch zur Vorgängerregelung in § 38 II WpHG a. F. Walther ZJapanR 16 (2003) 189, 215, die zum einen als verfassungswidrig ansieht, dass die ausländischen Verbote gar durch Exekutivbehörden (bspw. die US-amerikanische SEC) erlassen werden können, zum anderen die fehlende Konkretisierung der Entsprechensklausel rügt. Dem Bestimmtheitsgebot kann jedoch durch die Voraussetzung einer Unrechtsidentität genügt werden. 565 Vgl. hierzu ebenso Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 38 Rn. 66, der ein ausländisches Verbot bspw. nicht anerkennen will, wenn dieses Manipulationen als Betrug untersagt. 566 Vgl. Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 223; Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 38 Rn. 66 ähnlich Schäfer-Ledermann § 38 WpHG Rn 4; a. A. Altenhain KK-WpHG § 38 Rn. 117, der es als ausreichend ansieht, wenn das ausländische Verbot sich grundsätzlich gegen Insiderhandel oder Marktmanipulationen richtet. 567 § 38 V WpHG besitzt insoweit im Gegensatz zum Erfordernis beiderseitiger Strafbarkeit in § 7 StGB, der keine Unrechtsidentität verlangt (vgl. Sch/Sch-Eser
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Delikts der Marktmanipulation richtet sich im Übrigen nach dem internationalen Strafrecht, so dass in Fällen, in denen weder der Ort der Manipulationshandlung i. S. d. § 20a WpHG noch der Ort der Einwirkung568 (von der ganz h. M. verstanden als Erfolgsort;569 siehe hierzu unten 3. Kapitel § 2 B. I. 2.) im Inland liegen oder weder der Täter Deutscher ist oder seine Tat jedenfalls im Ausland nicht strafbar ist (§ 7 II Nr. 1 StGB), eine Anwendung des §§ 38 II, 20a WpHG ausscheidet.570 1. Begriff des „Börsen- oder Marktpreis als Preis“ i. S. d. § 38 II WpHG Vom Anwendungsbereich des § 38 II WpHG umfasst sind inländische Börsen- oder Marktpreise sowie die Preise auf einem organisierten Markt (§ 2 V WpHG) oder – für Handelsgegenstände des § 38 II Nr. 3 WpHG – einer Börse vergleichbaren Markt im EU- bzw. EWR-Raum.571 § 7 Rn. 8) verschärfte Anforderungen für eine Berücksichtigung auch ausländischer Manipulationsverbote. 568 Beim sog. Preisimport i. S. d. § 24 II 4 BörsG liegt der maßgebliche Ort der Einwirkung (nach h. M. der Erfolgsort) trotz der Regelung des § 20 a I 2 Nr. 2 WpHG (mit der eine ausländische Preisbildung auch für ausländische Finanzinstrumente primär ausschlaggebend wird) im Inland, da über § 24 II 4 BörsG ausdrücklich ausländische Preisbildungen in den inländischen Preisbildungsprozess aufgenommen werden können. Vgl. hierzu Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 223. Dies ist insoweit gerechtfertigt, als der Preisimport einen typischen Faktor in international vernetzten Finanzmärkten und damit gleichzeitig ein Einfallstor möglicher Preismanipulationen darstellt. 569 Versteht man dagegen das Einwirken i. S. d. § 38 II WpHG tätigkeitsbezogen als tatsächliche Einwirkung auf den Preisbildungsprozess (vgl. hierzu unten 3. Kapitel § 2 B. I. 2.), so ist jedenfalls eine Kenntnisnahme durch den Markt als Voraussetzung und Quasierfolg (Erfolg i. w. S.) zu fordern; ein reines Tätigkeitsdelikt liegt hier gerade nicht vor. Vgl. zur insoweit ohnehin ungenauen Gegenüberstellung von Erfolgs- und abstrakten Gefährdungsdelikten im Rahmen des § 9 StGB Fischer StGB § 9 Rn. 4b, 5a ff. 570 Mangels Tat „gegen“ einen Deutschen (§ 7 I StGB) – §§ 38 II, 20a WpHG schützten das Kollektivrechtsgut der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes und nicht Individualrechtsgüter (vgl. oben 2. Kapitel § 2 A. II.) – genügt es insoweit nicht, wenn Deutsche an einer ausländischen Börse „Opfer“ einer Marktmanipulation dort werden; vgl. hierzu Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 223. Vgl. darüber hinaus zur Kollisionsnorm des § 1 II WpHG für Auslandssachverhalte (Handlungen und Unterlassungen im Ausland, die eine auch im Inland geltende Norm betreffen) mit Hinweis auf mögliche Konflikte Einschränkungen (u. a. Spürbarkeit und Unmittelbarkeit der Wirkung auf den inländischen Markt ebenso wie eine Interessenabwägung) entsprechend § 130 II GWB propagierend Holzborn/Israel WM 2004, 1948, 1949. 571 Vgl. hierzu einführend Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 68; Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20 a Rn 114.
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
a) Börsenpreis Nach § 24 BörsG sind dabei Börsenpreise jene Preise für Wertpapiere oder Derivate, die während der Börsenzeit an einer Wertpapierbörse im amtlichen Markt oder im geregelten Markt ermittelt oder an einer Warenbörse festgestellt werden. Aus § 24 I 2 BörsG folgt die Einbeziehung auch der im Freiverkehr (§§ 49 ff. BörsG)572 während der Börsenzeit an einer Wertpapierbörse ermittelten Wertpapierpreise. Über § 24 II 4 BörsG können dabei auch (Referenz-)Preise einer anderen Börse oder börsenähnlichen Einrichtung (außerbörsliche Handelssysteme) im Inland oder eines organisierten Marktes im Ausland berücksichtigt werden (sog. Preisimport), was die Interferenzen der internationalen Märkte unterstreicht.573 Die Ermittlung der Börsenpreise erfolgt entweder im elektronischen Handel automatisch je nach verwendetem Handelsverfahren574 oder im Präsenzhandel durch zur Feststellung des Börsenpreises zugelassene Unternehmen (sog. Skontroführer; § 27 BörsG).575 Dabei werden die Kurse an der Präsenzbörse vom amtlichen oder freien Makler dadurch ermittelt, dass alle offenen Kauf- und Verkaufsorders gegenübergestellt werden und der Kurs mit dem höchsten Umsatz festgestellt wird. Je nach Finanzinstrument (regelmäßig abhängig von deren Liquidität) wird der Kurs entweder börsentäglich einmal (sog. Einheitskurs oder gerechneter Preis zumeist in eher illiquiden Werten) oder mehrmals täglich fortlaufend notiert (sog. variable Notierung in liquiden 572 Seit Oktober 2005 an der Frankfurter Wertpapierbörse als „Open Market“ bezeichnet (vgl. hierzu und zur Preisfindung im Freiverkehr Ekkenga/Maas [2006] S. 97). 573 Vgl. hierzu nur Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 147. 574 Die im elektronischen Handel (in Deutschland insbesondere an der Terminbörse Eurex Deutschland und im Xetra-System der Frankfurter Wertpapier Börse zu finden) vorfindlichen Verfahren lassen sich im wesentlichen in sog. Auktionsmärkte (sog. Order-Driven-Markets) und Market-Maker-Systeme (Quotes-Driven-Markets) unterscheiden, wobei sich zunehmend zeigt, dass die Verfahren nicht mehr in Reinform betrieben, sondern ergänzend zueinander angewandt werden (vgl. hierzu und im Folgenden Beck, in: Schwark BörsG § 25 Rn. 31). Bei den Auktionsmärkten gibt es für jedes Wertpapier ein zentrales Auftragsbuch, in dem eingehende Kaufund Verkaufsaufträge gesammelt und ständig oder in regelmäßigen Zeitabständen sobald gegenläufige Aufträge miteinander ausführbar wären, zu Geschäftsabschlüssen zusammengeführt werden (sog. Matching). Bei den Market-Maker-Systemen stellen bestimmte Handelsteilnehmer, sogenannte Market Maker, ständig handelbare Kauf- und Verkaufsangebote (sog. Quotes), auf die die übrigen Handelsteilnehmer reagieren können. 575 Vgl. hierzu statt vieler Groß, Kapitalmarktrecht (3. Aufl. 2006) §§ 24, 25 Rn. 14 ff. (Präsenzbörse) und Rn. 17 ff. (elektronischer Handel). Kutzner (WM 2005, 1401, 1407) und Merkt (Gutachten G zum 64. DJT, G 48 f.) weisen in diesem Zusammenhang auf die erhöhte Anfälligkeit Internet-gestützter Handelssysteme wegen der diesen inhärenten direkteren und offeneren Zugriffsmöglichkeit hin.
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Werten).576 Mit Differenzen für spezielle Finanzinstrumente erfolgt auch die Notierung im elektronischen Handel entweder zu festgelegten Zeitpunkten (Auktionsverfahren; ähnlich dem Verfahren zur Ermittlung der Einheitspreise; zumeist geprägt durch den Grundsatz der Meistausführung) oder fortlaufend.577 Im Umkehrschluss daraus ergibt sich, dass der Börsenpreis gerade nicht der Dispositionsbefugnis der Parteien mittels ihrer Vertragsverhandlungen unterliegt.578 Dem Börsenpreis, welcher eine nur unter engen Bedingungen nachträglich korrigierbare Tatsachenentscheidung darstellt579, kommt eine erhebliche Bedeutung im Hinblick auf den Handel zu. Die Preisfeststellung zeitigt unmittelbare, einer nachträglichen Korrektur nicht zugängliche Folgen wie beispielsweise den direkten Einfluss auf die Berechnung von Indices, das Auslösen von bedingten Wertpapieraufträgen wie Stop-Loss-Order, direkte Einflüsse auf Börsenpreise von Derivaten bis hin zu totalen Rechtsverlusten bei Erreichen von Knock-out-Schwellen von Optionsscheinen.580 Die durch die Preisveröffentlichungen angestoßenen Kaufund Verkaufsentscheidungen anderer Marktteilnehmer bleiben unabhängig von einer nachträglichen und zulässigen Stornierung des Geschäfts, welches zum auslösenden Börsenpreis geführt hatte, wirksam und damit verbindlich, da die Stornierung lediglich die schuldrechtliche Seite, nicht aber den einmal festgesetzten Preis selbst betrifft.581 Darüber hinaus wird der Börsenpreis in zahlreichen normativen Zusammenhängen als Bezugsgröße vom Gesetzgeber im Vertrauen auf dessen Leitfunktion in Referenz genommen,582 was die enorme Bedeutung ordnungsgemäß gebildeter Börsenpreise unterstreicht.583 Die Institution Markt wird mit seinem Preisbildungsmechanismus als Basis der Bewertung anerkannt.584
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Praktisch erfolgt bei den nicht fortlaufend gehandelten Wertpapieren eine Preisfeststellung pro Börsentag zu einem von der Geschäftsführung allgemein festgelegten Zeitpunkt. Gleiches gilt bei den fortlaufend gehandelten Wertpapieren für die Feststellung des Eröffnungs- und Schlusspreises (Beck, in: Schwark BörsG § 25 Rn. 42). 577 Vgl. hierzu Beck, in: Schwark (3. Aufl.) BörsG § 25 Rn. 32 ff. 578 Benner, in: Wabnitz/Janovsky (3. Aufl. 2007) § 9 Rn. 138. 579 Vgl. hierzu die Verwaltungsvorschrift der Frankfurter Wertpapierbörse, Nr. 3.4. 580 Benner, in: Wabnitz/Janovsky (3. Aufl. 2007) § 9 Rn. 142. 581 Ebenda. 582 Vgl. nur § 385 BGB; § 376 II, III HGB; § 104 InsO, 105 EGInsO; §§ 54a II VAG, 8 I KAGG; im Rahmen der Unternehmensbewertung §§ 25 III HGB; 155 II AktG; 19 a III Nr. 1, VI EStG; 11 BewG; vgl. hierzu Benner, in: Wabnitz/Janovsky (3. Aufl. 2007) § 9 Rn. 139 ff. 583 Ebenso statt vieler Trüstedt (2004) S. 55. 584 Vgl. hierzu u. a. Ziouvas (2005) S. 162.
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b) Marktpreis Unter einem Marktpreis wird der auf einem Markt, der nicht nach dem deutschen Börsengesetz reguliert ist, auf Grundlage während eines bestimmten Zeitraumes tatsächlich am Markt abgeschlossener Geschäfte von der zuständigen Stelle festgestellte Durchschnitts- oder Gleichgewichtspreis verstanden.585 Große Bedeutung besitzt das Merkmal „Marktpreis“ daher vor allem für den Handel im telefonischen Interbankenhandel und an außerbörslichen Handelplattformen (ATS-Systeme), obgleich vom Anwendungsbereich des § 20a WpHG nur jene Finanzinstrumente erfasst sind, die darüber hinaus zugleich auch an überwachten Handelsplätzen gehandelt werden.586 Das Gesetz verlangt aber gerade nicht, dass die Werte nur an staatlich regulierten Märkten gehandelt werden.587 Nicht vom Schutzbereich des § 20a WpHG umfasst sind demnach Finanzinstrumente, die ausschließlich auf dem sog. grauen Kapitalmarkt als dem nicht-börsenüberwachten Segment des Kapitalmarkts i. w. S. gehandelt werden.588 2. Einwirkung § 38 II WpHG verlangt als „qualifizierendes Merkmal“,589 dass durch die Tathandlung auf den Börsen- oder Marktpreis eingewirkt wird. Nach ganz herrschender Ansicht soll dies erst dann der Fall sein, wenn sich der Marktpreis entsprechend der durch das Täterverhalten bestimmten Richtung gegen den Markttrend erhöht, erniedrigt oder stabilisiert, in der Unterlassensvariante manipulationsbedingt eine entsprechende Bewegung unterbleibt bzw. seine Änderung nur ausbleibt, weil koinzident gegenläufige Marktbewegungen feststellbar waren.590 Dabei soll wegen des Schutzzwecks des 585
Vgl. Sorgenfrei, in: Park (2008) §§ 20a, 38 II Rn. 65; ders. wistra 2002, 321, 326; Schröder (2007) 3. Kap. B II 2 Rn. 382 (= S. 143); Benner, in: Volk (2006) § 22 Rn. 373; hierzu mit Diskussion der Konkordanz des Merkmals Marktpreis mit Art. 103 II GG Arlt 2004, S. 188 ff. 586 Vogel, in: Ass/Schn § 20a Rn. 35 (zuvor: 4. Aufl. § 20a Rn. 26) spricht insoweit – seit der 5. Aufl. 2009 eingeschränkt auf organisierte Märkte von Mitgliedstaaten der EU und des EwiR – von sog. „börsenüberwachten“ Finanzinstrumenten als Gegenstand des Manipulationsverbots. 587 Vgl. statt vieler Schröder (2007) 3. Kap. B II 2 Rn. 382 (= S. 143). 588 Vgl. Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 38. 589 Vgl. hierzu BReg BTDrucks. 14/8017, S. 98 (zur entsprechenden Vorgängervorschrift § 38 I Nr. 4 WpHG). 590 Vogel, in: Ass/Schn § 20a Rn. 115, § 38 Rn. 51; Sorgenfrei, in: Park, 2. Aufl. 2008, WpHG T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 220; Douklias (2007) S. 301; Möller WM 2002, 309, 316; Papachristou (2006) S. 199 f.; Park BB 2003, 1513, 1514; Rössner AG 2003, R16, R17; Sorgenfrei, wistra 2002, 321, 329; Tripmaker wistra
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Gesetzes, den Vorgang der Kursbildung zu schützen, bereits die Änderung jeder einzelnen Kursfestsetzung als Einwirkung ausreichen.591 Auf eine „erhebliche“, „nachhaltige“ oder „spürbare“ Einwirkung kommt es dabei richtigerweise unter Einhaltung des strikten Gesetzeswortlauts entgegen einigen Literaturstimmen nicht an.592 Der Wortlaut kennt insoweit keinerlei Einschränkung, weshalb nur geringe Einwirkungen lediglich auf der Ebene der Strafzumessung (bzw. bereits zuvor strafprozessual auf der Ebene des § 153a StPO) Relevanz besitzen, nicht aber den Tatbestand gänzlich ausschließen können. Eine teleologische Reduktion593 ist auch mit Blick auf das geschützte kollektive Rechtsgut der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes nicht angezeigt, da zum einen bereits geringe Kursveränderungen bei der Beeinflussung von Referenzpreisen erhebliche Folgen nach sich ziehen können, sich zum anderen die (praeter legem erfolgende) Bestimmung des Bagatellbereichs als äußerst rechtsunsicher zeigt.594 Erfolgssubstrat der erfolgsbezogen interpretierten Einwirkung soll mit dem Börsen- und Marktpreis demnach das Endergebnis der Marktpreisbildung sein. Allein unter Hinweis auf die frühere Gesetzeslage, welche im Gefährdungsdelikt des § 88 Nr. 2 BörsG a. F. allein auf die Einwirkungsabsicht abstellte, hat sich auch der BGH in einem obiter dictum für eine erfolgsbezogene Auslegung des Einwirkungserfordernisses in § 38 I Nr. 4 WpHG a. F. (jetzt § 38 II WpHG)595 entschieden.596 Allerdings schließt der Wortlaut vorliegend eine Auslegung dahingehend nicht aus, dass unter dem „Einwirken“ bereits jener Moment der Einwirkung im Preisbildungsprozess verstanden werden kann, in welchem die Angabe (§ 20a I 1 Nr. 1 WpHG), 2002, 288, 292; nach entsprechender Diskussion im Ergebnis ebenso Trüstedt (2004) S. 128. 591 So konsequent LG München I („EM.TV“), NJW 2003, 2328, 2330. 592 Wie hier Altenhain KK-WpHG § 38 Rn. 94; a. A. noch Vogel Ass/Schn WpHG (4. Aufl.) § 38 Rn 21 (nunmehr relativierend aus kapitalmarktrechtlicher Sicht 5. Aufl. § 20a Rn. 116 sowie § 38 Rn. 51 aus strafrechtlicher Sicht); Schröder (2007) 3. Kap. H V Rn. 588 (spürbare Einwirkung auf das Kursbild des betroffenen Finanzinstruments); Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 221. 593 So aber ausdrücklich Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 221. 594 Beispielsweise würden sich in der Praxis auch Friktionen mit dem Umstand ergeben, dass nach ganz herrschender Meinung ein stehen bleibender Kurs ebenfalls eine Einwirkung darstellen kann, weshalb bei minimalen Kursänderungen immer zu klären wäre, ob diese nicht an sich nur die Spitze eines durch weitere Ereignisse überlagerten „Eisberges“ darstellen. Siehe zu den hierbei anklingenden Kausalitätsproblemen umfassend unten 3. Kapitel § 2 B. II. 595 Zum Entsprechen von § 38 II WpHG n. F. und § 38 I Nr. 4 WpHG a. F. ausdrücklich auch BReg 15/3174 S. 40 als einzige Begründung zu § 38 II WpHG n. F. 596 Vgl. BGH v. 6.11.2003 – 1 StR 24/03 („Analyst Sascha Opel“) – BGHSt 48, 373, 382.
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die mit Signalpotenz ausgestatteten Geschäfte oder Transaktionsaufträge (§ 20a I 1 Nr. 2) oder die sonstige Täuschungshandlung (§ 20a I 1 Nr. 3 WpHG) von den Marktteilnehmern wahrgenommen und damit vom Markt als Hort der Preisbildung aufgenommen werden.597 Dem Präsens-Singularverb „einwirkt“ kann neben seiner erfolgsbezogenen auch eine handlungsbezogene Lesart widerfahren, die das „Einwirken“ auf den Marktpreis nicht als erfolgreiches Kausieren des Makroergebnisses598 „Marktpreis“ begreift, sondern die partielle und damit ebenfalls erfolgreiche Veränderung der Determinanten des Preisbildungsprozesses genügen lässt (hier: die Anfänge des Preisbildungsprozesses auf der Mikroebene einzelner Marktteilnehmer, nicht zwingend in Form eines bei diesen bereits manifesten Irrtums). Mit dem Wort „dadurch“ wird lediglich die Verknüpfung der in § 20a WpHG umschriebenen Eignungshandlungen mit dem zusätzlichen „Einwirkungserfordernis“ in § 38 II WpHG bewerkstelligt. Eine Entscheidung zugunsten einer erfolgsbezogenen Lesart dieser Einwirkung kann dem indes nicht entnommen werden. Unter einem „Einwirken“ kann aber sowohl das Erzeugen einer Wirkung, wie auch andererseits das Entfalten einer bestimmten, beeinflussenden Tätigkeit verstanden werden.599 Die Einwirkung würde entsprechend letzterer Lesart dementsprechend wie bei § 180b I StGB a. F. und § 180b II 1. Alt. StGB a. F. als bloßer Vorgang der Einflussnahme verstanden.600 Zwar geht es allein im Wortlaut des 597
A. A. (dies ohne weitere Begründung behauptend) Trüstedt (2004) S. 128. Ausführlich zur Unterscheidung in Mikro-Makro-Ereignisse und den wirtschaftswissenschaftlichen Grundlagen der Börsen- und Marktpreisbildung vgl. unten 3. Kapitel § 2 B. II. 3. 599 Vgl. so für § 38 I Nr. 4 WpHG a. F. einzig Walther ZJapanR 16 (2003) 189, 218. Zumindest missverständlich insoweit Waschkeit (2007) S. 283, die ihre Ausführungen zum „Taterfolg“ der Preiseinwirkung mit der Überschrift „Zusätzliche Tathandlungen nach § 38 Abs. 2 WpHG“ überschreibt. Siehe ferner den Diskussionsbericht der Strafrechtslehrertagung 2003 zum entsprechenden Diskussionsbeitrag von Walther bei Julius ZStW 115 (2003) 671, 677 f. Ziouvas ZGR 2003, 113, 140 f. diskutiert – ohne Eingehen auf eine alternative Lesart bereits der bestehenden „Einwirkung“ – kurz de lege ferenda die Vorteilhaftigkeit eines die Einwirkung substituierenden „Beeinflussens“, ohne dass deutlich wird, ob dieses Beeinflussen nur den komplexen Kausationsbedingungen des Kapitalmarktes entgegen kommen soll oder auf eine Kausalität der Handlung für einen konkreten Börsenpreis gänzlich verzichtet werden soll. 600 Vgl. BGHSt 45, 158, 161 ff.; vgl. hierzu u. a. Renzikowski, in: MK-StGB § 180b Rn. 25. Ob dementsprechend auch die zu § 180b StGB entwickelte Rechtsprechung zu übertragen wäre, die für eine Einwirken „eine intensive Einflussnahme“ verlangt, „die über eine bloße entsprechende unmittelbare psychische Beeinflussung hinausgeht, also mit einer gewissen Hartnäckigkeit geschieht“ (vgl. BGH NStZ 2005, 234), wäre unter dem Gesichtspunkt der Relativität der Rechtsbegriffe bereits deshalb zu hinterfragen, da diese definitorische Begrenzung möglicherweise tatbestandsmäßiger Einflussnahmen der Ausstrahlungswirkung des ProstG 598
§ 2 Objektiver Tatbestand
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§ 38 II WpHG im Unterschied zu § 180b Abs. 1 StGB a. F. und § 180b II 1. Alt. StGB tatbestandlich nicht unmittelbar um das Einwirken auf einen Menschen oder eine körperliche Sache,601 sondern steht das Einwirken auf einen Preisbildungsprozess im Raum. Bereits der Einbezug der Handlungen i. S. d. § 20a WpHG durch § 38 II WpHG i. V. m. den in Bezug genommenen Verweisungen in § 39 WpHG, welche sämtlich Informationseignung und damit einen kommunikativen Charakter besitzen (s. o.), relativiert indes diesen möglichen Einwand gegen eine mit § 180b StGB parallele Auslegung.602 Anders als beispielsweise im Rahmen des § 263a StGB oder des § 268 StGB, wo der Handlungsbeschreibung der „Einwirkung auf den Ablauf“ (§ 263a) oder der „Einwirkung auf den Aufzeichnungsvorgang“ mit dem Irrtumsäquivalent der Beeinflussung eines Datenverarbeitungsprozesses (§ 263a StGB) oder des Ergebnisses der Aufzeichnung (§ 268 StGB) ein Erfolg beiseite gestellt wird, hat der Gesetzgeber bei § 38 II WpHG – um die Preisbildungsmechanismen der Börse mutmaßlich wissend – obgleich möglich und in anderen Tatbeständen geübt, nicht ausdrücklich eine „Beeinflussung“ inkludiert.603 Sämtliche weiteren strafrechtlichen Normen des StGB, welche tatbestandlich allein an eine „Einwirkung“ oder das „Einwirken“ anknüpfen, setzen nach herrschender Ansicht nicht voraus, dass diese Einwirkung Erfolg hat.604 Auch die rechtsguts-systematische Auslegung geschuldet ist, kann doch nicht wenn die Prostitution vom Gesetzgeber rechtlich hingenommen wird, gleichzeitig eine Anwerbung zur Aufnahme dieser Tätigkeit per se ein strafwürdiges Unrecht sein (vgl. Renzikowski MK-StGB § 180b Rn. 25). § 180b StGB a. F. wurde indes mit m. W. z. 19.2.2005 durch Gesetz vom 11.2.2005 (BGBl I 2005, S. 239) aufgehoben und durch § 232 StGB n. F. ersetzt (Charakter als Nachfolgeregelung bestätigt durch BGH NStZ 2005, 445; BGH NStZ-RR 2005, 234, 235), welcher nicht mehr auf ein Einwirken, sondern stattdessen darauf abstellt, dass jemand mit den in § 232 StGB beschriebenen Mitteln dazu gebracht wird, der Prostitution nachzugehen. Insoweit hat der Gesetzgeber hier Abschied genommen vom früheren Unternehmensdelikt und den Tatbestand nunmehr als Erfolgsdelikt ausgestaltet (vgl. Valerius Beck OK-StGB § 232 Rn. 3). 601 Entsprechend auch Walther ZJapanR 16 (2003) 189, 218. 602 Vgl. darüber hinaus zu den Mechanismen und Wirkfaktoren der Preisbildung detailliert unten 3. Kapitel § 2 B. II. 3. 603 Allein aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber mWv 19.2.2005 durch G v. 11.2.2005 (BGBl I 2005, S. 239) § 180b StGB a. F. aufgehoben und durch § 232 StGB n. F. ersetzt hat, gleichzeitig aber in Kenntnis der Rechtsprechung des BGH zum Einwirkungserfordernis in § 38 I Nr. 4 WpHG a. F. (§ 38 I Nr. 4 WpHG a. F. als tatbestandlicher Erfolg; vgl. BGH v. 6.11.2003 = BGHSt 48, 374, 382 („Analyst Sascha Opel“); hierzu ausführlich unten 3. Kapitel § 2 B. I. 4. und 3. Kapitel § 2 B. IV. 3. a) bb) (2) (c)) sich zu keinen klarstellenden Änderungen bei § 38 II WpHG veranlasst sah, können über Mutmaßungen hinaus keine Schlüsse gezogen werden. Die Mühlen der Ministerialbürokratie mahlen bekanntlich langsam. 604 Vgl. hierzu [jeweils mit einem repräsentativen Literaturnachweis zum fehlenden Erfordernis der erfolgsbezogenen Auslegung] § 89 StGB (Verfassungsfeindliche
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
vermag eine derartige Lesart zu stützen, ist es doch eben jene auf das Täterverhalten rückführbare Gefährdung der Zuverlässigkeit und Wahrheit der Börsenpreisbildung im Kapitalmarkt, die in diesem Moment des Eingehens in die Informationsverarbeitungsprozesse auf der Mikroebene konkret und damit zum möglichen Umstand einer straftatbestandlichen Anknüpfung wird.605 Die Auslegung der herrschenden Meinung wird zudem zumindest im Hinblick auf eine mögliche Selbstwidersprüchlichkeit bedenklich, wenn sie es genügen lassen will,606 dass eine an sich nach der Manipulationshandlung zu erwartende Börsenpreisänderung wegen anderer Einflüsse auf den Preisbildungsprozess ausgeblieben und der Preis somit gleich geblieben ist. Würde man nämlich eine Einwirkung, d.h. Einflussnahme auf das Endergebnis der Preisbildung fordern, könnten diese, von der herrschenden Ansicht zu Recht607 als strafbedürftig und tatbestandsmäßig eingeordneten Konstellationen allerdings – ohne das Analogieverbot des Art. 103 II GG zu brechen – gerade nicht erfasst werden. Die historische Auslegung anhand der Gesetzesmaterialien zum 4. FFG schließt darüber hinaus nicht explizit aus,608 dass mit dem Einwirkungskriterium in § 38 II WpHG nicht der letztliche Marktpreis auf der Makroebene als Manipulationsendobjekt in Bezug genommen, sondern bereits die EinEinwirkung auf Bundeswehr und öffentliche Sicherheitsorgane; Fischer § 89 Rn. 3), § 125 I Nr. 2 StGB (Landfriedensbruch; hierzu v. Bubnoff LK § 125 Rn. 33 f.), § 176 IV Nr. 3 u. Nr. 4 StGB (Sexueller Missbrauch von Kindern; hierzu Fischer § 176 Rn. 13 ff.). Auch in § 47 I StGB wird die Einwirkung auf den Täter durch kurze Freiheitsstrafen prozess- und nicht erfolgsbezogen verstanden. Demgegenüber knüpfen die Erfolgsmomente tatbestandlich inkludierenden Umweltdelikte in § 326 VI StGB, § 329 I StGB (siehe auch § 330d Nr. 4 StGB) ausdrücklich an „schädliche“ Umwelteinwirkungen und damit ebenso wie § 263a und § 268 StGB an ein zusätzliches Merkmal an. 605 A. A. Trüstedt (2004) S. 128, die wegen der „enormen wirtschaftlichen Bedeutung“ des Börsenpreises allein das Endprodukt als entscheidenden Anknüpfungspunkt sehen will. Die Argumentation bekräftigt allerdings, m. E. mehr als sie verbietet, ein Anknüpfen der strafrechtlichen Inkriminierungen bereits an die Einflussnahme in den Preisbildungsprozess: unter dem Gesichtspunkt allein der Effektivität eines strafrechtlichen Schutzes bietet dessen Vorverlagerung Vorteile. Darüber hinaus ist die Situation allein bis zu diesem Punkt für den Manipulanten noch beherrschbar. Alles was sich der Infiltration der Täuschung in die Marktpreisbildung anschließt, kann sich mehr oder minder nur zufällig entwickeln (vgl. hierzu ausführlich unten 3. Kapitel § 2 B. II.). 606 Vgl. statt vieler Vogel, in: Ass/Sch, § 38 WpHG Rn 21; Hellmann/Beckemper § 1 Rn 66. 607 Die anderen, vom Täter unabhängigen Einflüsse dürfen ihm – soweit nicht von ihm veranlasst – nicht zugute kommen. Allerdings kann die herrschende Ansicht streng genommen nicht zu dieser Auslegung kommen (vgl. sogleich). 608 Ebenso zwar Trüstedt (2004) S. 125. Im Ergebnis verlangt aber auch sie ohne Diskussion der Alternative des Unternehmensdelikts einen tatbestandlichen Erfolg.
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flussnahme auf den Preisbildungsprozess als Objekt der Einwirkung ausreichen soll. Der Regierungsentwurf zum 4. FFG wiederholt in seiner Gesetzesbegründung allein den Wortlaut der Vorschrift und stellt heraus, dass im Unterschied zur Ordnungswidrigkeit bei der Straftat eine „tatsächliche Einwirkung“ vorausgesetzt werde.609 Auch der Bericht des Finanzausschusses610 spricht in den entsprechenden Passagen zum „unrechtssteigernden Merkmal“ der tatsächlichen Preiseinwirkung nicht einer ein Erfolgskriterium erkennenden Auslegung ausdrücklich Wort. Unrechts, nämlich zumindest – ungeachtet der problematischen Zwitterstellung eines daher als Deliktskategorie thematisierungswürdigen Einwirkungsdelikts zwischen Erfolgs- und Gefährdungsdelikt611 – Handlungsunrecht erhöhend wirkt sich über die in § 20a WpHG geforderte bloße Eignung (als Eigenschaft oder Potenz einer Handlung) auch ein nicht preiserfolgs-bezogenes Einwirkungserfordernis aus, da nunmehr die tatsächliche Einwirkung auf den Preisbildungsprozess und nicht allein die Eignung zur Kursbeeinflussung verlangt wird. Interpretiert man das tätigkeits- bzw. prozessbezogene Einwirken i. S. d. § 38 II WpHG ähnlich den anderen gleichlautenden Tatbestandsmerkmalen im StGB, so wäre zumindest eine – wenn auch unbewusste – Kenntnisnahme oder ein entsprechendes Äquivalent im Preisbildungsprozess zu verlangen.612 Einwirken setzt nach unbefangenem Wortverständnis ein „grenzüberschreitendes“ Wirken der Manipulationshandlung in den Preisbildungsprozess hinein voraus. Für § 180b StGB a. F. hat der BGH sogar – und insoweit von der Literatur kritisiert613 – eine mittelbare, vom Opfer nicht einmal bemerkbare suggestive Steuerung genügen lassen.614 In einer 609
BTDrucks. 14/8017, S. 98. Bericht des Finanzausschusses zum Gesetzentwurf eines 4. FFG, BTDrucks. 14/8601, S. 20. Auch im Bericht des Finanzausschusses zum Gesetzentwurf des AnSVG finden sich insoweit ebensowenig andere klarstellende Hinweise (vgl. BTDrucks. 15/3493) wie in den Gesetzentwürfen zum AnSVG (BTDrucks. 15/3174; 15/3355). 611 Walther ZJapanR 16 (2003) 189, 217 sieht in den Einwirkungs- oder „Wirkungsdelikten“ eine „neue, dogmatisch noch völlig unerforschte Deliktskategorie“ durchschimmern. Vgl. für die dogmatische Einordnung unten 3. Kapitel § 2 B. I. 4. 612 Vgl. so beispielsweise ausdrücklich für § 176 IV Nr. 3 StGB Fischer § 176 Rn. 14. Für § 180b StGB a. F. hat der BGH dagegen – und insoweit von der Literatur (Renzikowski MK-StGB § 180b Rn. 25 Fn. 44) kritisiert – eine mittelbare, vom Opfer nicht einmal bemerkbare suggestive Steuerung genügen lassen (BGHSt 45, 161). Zur Preisbildung vgl. ausführlich unten 3. Kapitel § 2 B. II. 3. Eine darüber hinaus gehende Parallele zur § 180b StGB a. F. durch Postulieren des zusätzlichen Erfordernisses einer „hartnäckigen“ Einwirkung (so wohl Walther ZJapanR 16 (2003) 189, 218 f.) ist indes nicht zu verlangen; vgl. hierzu bereits Fn. 600. 613 Renzikowski MK-StGB § 180b Rn. 25 Fn. 44 sieht hierin einen Verstoß gegen die Wortlautgrenze. 614 Vgl. BGHSt 45, 158, 161. 610
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
Kenntnisnahme bzw. suggestiven Steuerung liegt genau genommen ein von der eigentlichen Manipulationshandlung (bspw. durch die Abgabe von unternehmensbezogenen, irreführenden Erklärungen als Ad-Hoc Meldungen) zu trennender (Zwischen-)Erfolg.615 Nachdem es nicht um die generelle Einwirkung auf den Markt, sondern die konkrete Preisbildung eines bestimmten Börsen- oder Marktpreises geht, ist darüber hinaus zu verlangen, dass die Kenntnisnahme jedenfalls auch bei denjenigen als „Objekte“ der Einwirkung erfolgt, die für die jeweilige Preisbildung durch ihre eigenen Transaktionen oder entsprechende Transaktionsabsichten eine Zuständigkeit besitzen. Folglich kann es sich bei diesen sowohl um im betreffenden Finanzinstrument zumindest transaktionsbereite Marktteilnehmer handeln, welche sich beispielsweise auch durch eine bestimmte informationsgestützte Manipulation von einer Transaktion abhalten lassen können, als auch um Marktteilnehmer, die erst durch das Manipulationsverhalten auf das betreffende Finanzinstrument aufmerksam werden. Damit kann im Ergebnis konstatiert werden, dass sowohl vom Wortlaut her als auch im Rahmen einer teleologischen, systematischen und historischen Auslegung das Preiseinwirkungserfordernis i. S. d. § 38 II WpHG sowohl als Einwirkung auf den Preisbildungsprozess wie auf das Endergebnis jenes Prozesses verstanden werden kann. Nachdem sich – trotz eines sich aus dem Vergleich mit den kernstrafrechtlichen Normen ergebenden leichten argumentativen Übergewichts zugunsten der prozessbezogenen Auslegung616 – weder die eine noch die andere Lesart bereits ohne den Einbezug einer Analyse ihrer dogmatischen und praktischen Folgerungen im Umgang mit dem Einwirkungserfordernis abschließend bewerten lässt, soll im Folgenden beides der Untersuchung unterzogen werden.617 Dabei wird das Verständnis der ganz herrschenden Meinung, §§ 20a, 38 II WpHG sei mittels des Einwirkungserfordernisses als Erfolgs- und nicht als Unternehmensdelikt ausgestaltet worden (vgl. hierzu unten), als Schwerpunkt den weiteren Erwägungen zugrunde gelegt, nicht ohne – soweit geboten – auf differierende Konsequenzen zur anderen Lesart hinzuweisen.
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So für den Meineid Hefendehl (2002) S. 155 m. w. N. Allerdings muss diese Auslegung mit Blick auf das Prinzip der Relativität der Rechtsbegriffe einiges an intuitiver Argumentationskraft einbüßen und lässt daher als „schwächste“ Auslegungsmethode ein abschließendes Urteil nicht zu. 617 Darüberhinaus will sich der Verfasser in Respekt vor den Stimmen der insoweit ganz herrschenden Meinung und sämtlicher veröffentlichter Rechtsprechungsjudikate nicht anmaßen, sich ohne eine dezidierte Analyse, welche auch eine kritische Folgenanalyse mit einschließt, über die herrschende Auslegung hinweg zu setzen. 616
§ 2 Objektiver Tatbestand
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3. Legitimation der Strafbarkeitsschwelle a) Verhältnis Ordnungswidrigkeit/Straftatbestand Ungeachtet des auch bei Ordnungswidrigkeiten618 manifesten teils erheblichen Eingriffscharakters und der gleichzeitig im Verfahren bloß abgeschwächt vorhandenen Rechtsschutzmöglichkeiten,619 wodurch eine Abdrängung ins Ordnungswidrigkeitenrecht oftmals nur eine Scheinlösung darstellt, ist es bei Anwendung des ultima ratio Gedankens denkbar, unter Betrachtung der geschützten oder zu schützenden Rechtsgüter bestimmte Inkriminierungen aus dem Strafrecht auszuscheiden und sie ins Ordnungswidrigkeitenrecht zu überführen.620 Eine Abschichtung ließe sich danach vornehmen, dass Strafrecht vornehmlich vorgegebene Rechtsgüter zu schützen habe, während Verstöße gegen staatliche Anordnungen, welche ihrerseits nicht ohnehin existente Güter schützten, sondern allein der öffentlichen Ordnungs- und Wohlfahrtsaufgabe dienten, als „ethisch farblose“621 bloße Ordnungswidrigkeiten sanktioniert werden sollten. Würde man den Kapitalmarkt als vom Staat künstlich geschaffenes Gebilde begreifen, wodurch sein institutioneller Bestand insoweit nicht ein vorgegebenes Rechtsgut sein könne, läge eine Kritik an strafrechtlicher Pönalisierung nahe. Indes bilden – abgesehen von der Angreifbarkeit dieser Unterscheidung622 – der Kapitalmarkt als auch das Anlegervermögen vorfindliche Gegenstände, die zwar durch staatliche Regulierung veränderte Konturen erhalten haben, 618 Als aus dem Strafrecht verbannte, verharmloste und umetikettierte Deliktskategorie beschrieben von Hefendehl (2002) S. 222 m. w. N. Zum problematischen Verhältnis auch Achenbach GA 2008, 1. Ders. (ZStW 2007, 789, 792) nimmt das Ordnungswidrigkeitenrecht konsequenterweise in den Kreis des Strafrechts im weiteren Sinne auf, wenn er sich mit dessen Funktion zur Wirtschaftslenkung beschäftigt. Insgesamt kurz zur Frage der Präventionseffizienz Achenbach ZStW 2007, 789, 812 f. 619 Vgl. Tiedemann FS Stree/Wessels (1993) S. 527 ff., 530 f.; Die weiterhin überwiegende Eingriffsintensität strafrechtlicher Verurteilungen betonend dagegen Roxin AT I (4. Aufl. 2006) § 2 K Rn. 102. 620 Vgl. hierzu Roxin AT I (3. Aufl.), § 2 II 2 Rdn. 4 (= S. 12 f.) m. w. N. 621 Vgl. Roxin AT I (3. Aufl.), § 2 II 2, S. 13. 622 Zunächst weist dieser Ansatz Parallelen zur Diskussion um ein einzig legitimierbares Kernstrafrecht auf (Frankfurter Schule; vgl. insoweit oben 2. Kapitel § 2 A.), weshalb sich ihm ähnliche Schwierigkeiten einer Identifizierung vorfindlicher, bloß früher nicht erkannter und „staatlicherseits geschaffener“ Rechtsgüter stellen. Zum anderen verkennt diese Unterscheidung, dass auch staatlicherseits geschaffene Einrichtungen einen strafrechtlichen Schutz verdienen können, wenn sie zu elementaren Determinanten gesellschaftlichen Zusammenlebens werden können (vgl. nur BVerfGE 90, 145, 204). Beispielhaft sei hier die funktionierende und keineswegs bereits aus unvordenklicher Zeit herstammende Rechtspflege oder eine funktionierende Verwaltung zu benennen (vgl. ebenso Roxin AT I (3. Aufl) § 2 III Rn. 6).
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
nicht aber konstituiert wurden. Auch der Einwand, Wirtschaftsstrafrecht sei, soweit es lediglich die Funktionsfähigkeit ökonomischer Subsysteme schützen wolle, im Ordnungswidrigkeitenrecht statt im Kriminalunrecht einzuordnen,623 verkennt, dass jene Subsysteme – was mit Recht als Grundlage jeder Kriminalisierungsentscheidung verlangt624 – gerade mittelbar (Reflex) der freiheitlichen Entfaltung des einzelnen dienen und ihnen eine überindividuelle, Inkriminierungen legitimierende erhebliche Bedeutung zukommen kann. Ein Verstoß gegen ordnungskonstituierende Regeln wie die Verbote der Marktmanipulation kann danach eine Strafnorm legitimieren.625 Die Abgrenzung des Kriminalstrafrechts vom Ordnungswidrigkeitenrecht folgt nach herrschender Ansicht einer gemischt qualitativ-quantitativen Betrachtungsweise.626 Straftaten zeichnen sich durch ihren besonderen sozialethischen Unwertgehalt von den Ordnungswidrigkeiten ab. Als problematisch erweist sich indes die Grenze, jenseits derer die Qualität in Quantität umschlägt. Für jene Grenzbereiche, denen das Börsenstrafrecht angehört, liegt die Entscheidung der Zuordnung als reines Kriminal- oder Ordnungsstrafunrecht oder auch die Kombination der Sanktionsmöglichkeiten im gesetzgeberischen Ermessen.627 Die Frage, ob das marktmanipulative Unrecht, das nach der hier vertretenen Auffassung in Kumulationsbeiträgen gesehen werden kann, als Ordnungswidrigkeit oder Straftat auszugestalten ist, wirft ähnliche Fragen wie im Rahmen des Umweltstrafrechts auf.628 Für die Ordnungswidrigkeitsbewehrung lässt sich anführen, dass reine Kumulationsbeiträge schwerlich den Handlungs- und Gesinnungsunwert aufweisen, der „die schwere moralische Disqualifizierung durch die öffentliche Strafe“629 erfordert. Andererseits spricht der Rang des Rechtsguts – die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes als Basis der geltenden Wirtschaftsordnung630 – zugunsten einer Strafinkriminierung.631 Die vorfindliche Inkriminierung bewegt sich inso623
Vgl. Kindhäuser, in: Schünemann/Suárez González (1994) S. 125, 128 ff. Vgl. Kindhäuser, in: Schünemann/Suárez González (1994) S. 125, 129. 625 Siehe hierzu auch Ziouvas (2005) S. 144. 626 Nach Roxin AT I § 2 Rn. 132 m. w. N., der ferner den fehlenden trennscharfen qualitativen Unterschied zwischen beiden Regelungsmodellen hervorhebt, schützen beide Rechtsgüter und könne daher nur das Subsidiaritätsprinzip den Maßstab ihrer Abgrenzung für den Gesetzgeber bilden (vgl. ebenda, Rn. 130 f.). 627 Vgl. ebenso u. a. Ziouvas ZGR 2003, 113, 138. Zu beachten gilt es hier nach einigen Stimmen auch das Untermaßverbot vgl. Achenbach GA 2008, 1 ff.; kritisch hierzu Staechelin, in: Institut für Kriminalwissenschaften (1995) S. 267, 268 ff. 628 Vgl. zum Umweltstrafrecht Kuhlen GA 1986, 389, 405. 629 Jescheck zitiert bei Kuhlen GA 1986, 389, 405. 630 Vgl. hierzu bereits oben 2. Kapitel § 2 A. II. 631 Vgl. ebenso Eichelberger (2006) S. 113. 624
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weit im Rahmen des gesetzgeberischen Ermessens, auch weil dem im Kumulationsbereich vorfindlichen Problem der Ausgrenzung von Bagatellunrecht mittels des zusätzlichen Einwirkungskriteriums zumindest Rechnung getragen worden ist. b) Legitimität eines „ergebnisbezogenen Einwirkungserfordernisses“ Nicht als Kausalitätsproblem, sondern als Frage der adäquaten Normgebung auch im Hinblick auf die Abgrenzung von Ordnungswidrigkeitenund Strafunrecht stellt sich die erforderliche Konnexität von inkriminiertem Erfolgsunwert – wie er nach ganz herrschender Meinung § 38 II WpHG einbeschrieben ist – und einer für das Rechtsgutsobjekt nachteiligen Veränderung dessen Ist-Zustandes dar (Konnexität von Erfolg und intendiertem Rechtsgüterschutz).632 Grundlegend wird an einem tatbestandlichen Einbezug eines Kurseinwirkungserfolges kritisiert, dass der Börsenpreis sich aufgrund seiner Volatilität nicht als Anknüpfungspunkt eigne.633 Allerdings lässt sich dem entgegenhalten, dass ungeachtet der staatlicherseits unkontrollierbaren Börsenpreiseinflüsse der Gesetzgeber den Börsenpreis solange zum Bezugspunkt einer Inkriminierung nehmen kann, als diesem eine kapitalmarktinterne erhebliche Bedeutung – nicht zuletzt im Rahmen der Informationseffizienz – zugeschrieben wird, wie es nachgerade der Fall ist.634 Nach der überwiegenden Ansicht in der Literatur sind Einwirkungen, die sich auf Kurse oder Marktpreise tatsächlich auswirken, in besonderer Weise geeignet, das Vertrauen in den Kapitalmarkt zu erschüttern und damit das Funktionieren eines wesentlichen Bereichs der geltenden Wirtschaftsordnung zu gefährden.635 Durch den den eigentlichen Handlungsunwert ergänzenden Erfolgsunwert erhalte die Tat eine insgesamt eigenständige qualitative Bedeutung.636 Aus der Perspektive einer erfolgsbezogenen Auslegung ist gerade ein höherer Unwertvorwurf zu konstatieren, da eine erfolgslose Manipulation nicht die negativen Auswirkungen auf die konkrete Allokationseffizienz des Marktes hat, 632 Vgl. Sch/Sch-Lenckner/Eisele vor § 13 Rn. 79; Puppe NK vor § 13 Rn. 72; darüber hinaus auch Roxin ZStW 116 (2004) 929, 930; Hefendehl JZ 2004, 18, 21 (über die Bedeutung des „Denkens in Rechtsgütern“). 633 Vgl. Bernsmann FS Christian Richter II (2006) S. 51, 54 f. Fn. 12. Kritisch ferner bereits zum Einwirkungserfordernis des § 38 I Nr. 4 WpHG a. F. Altenhain BB 2002, 1874, 1876; Park BB 2003, 1513, 1514 f.; LG München NJW 2003, 2328, 2330; Zimmer, in: Schwark (3. Aufl. 2004) § 38 Rn. 5; Streinz/Ohler WM 2004, 1309, 1316; Spindler/Christoph BB 2004, 2197, 2202. 634 Vgl. zur Bedeutung des Börsenpreises im Rahmen der Funktionen des Kapitalmarktes bereits oben 2. Kapitel § 1. 635 Vgl. so Möller WM 2002, 309, 316; Park BB 2003, 1513, 1514. 636 Vgl. u. a. Park BB 2003, 1513, 1514.
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
wie sie mit einer erfolgreichen Manipulation verbunden sind.637 An dieser normtheoretischen Stelle noch nicht von ausschlaggebender Relevanz ist dagegen der Umstand, dass die tatsächliche Einwirkung auf Grund der unterschiedlichen Faktoren, die auf tatsächliche Preise von Wertpapieren einwirken, oft von Zufällen abhängt.638 Auch in anderen Delikten kann der Erfolgseintritt mehr oder minder vom Zufall abhängen. Der Erfolg ist dem Täter ohnehin nur dann zuzurechnen, wenn er ihn – ohne Dazwischentreten anderer erheblicher Ursachen – objektiv zurechenbar verursacht hat (vgl. hierzu ausführlich unten 3. Kapitel § 2 B.II.). In diesem Fall bedingt jedoch auch dieser Erfolg einen höheren Unwert. Dem Einwand – der Erfolg sei rein zufällig639 – würde indes nur dann normkritische Potenz zukommen, wenn eine Erfolgszurechnung abstrakt überhaupt nie möglich wäre, da der Erfolgsunwert dann nicht der Täterhandlung zuzuordnen wäre.640 Als problematisch erweist sich jedoch, dass die Beeinträchtigung kollektiver Rechtsgüter in der Regel nicht „an der Beeinträchtigung eines konkreten, gegenständlich fassbaren Angriffsobjekts festgemacht werden [kann; Hinzufügung durch d. Verf.], sondern [. . .] sich allein in der von vornherein schwer fassbaren Desorganisation problemspezifisch strukturierter gesellschaftlicher Subsysteme nieder[schlägt].“641 Bei vielen kollektiven Rechtsgütern kann es keine sog. reale Verletzungskausalität geben.642 Eine Postulierung eines Erfolgskriteriums – wie es nach der herrschenden Ansicht in § 38 II WpHG vorfindlich sein soll – könnte daher mit dem geschützten Rechtsgut systematisch aufgrund fehlender Konnexität konfligieren. Das kollektive Rechtsgut der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes kann wie ausgeführt allein durch kumuliert antreffbare Störungen seiner Funktionsfähigkeit im Einzelfall dadurch in Mitleidenschaft gezogen werden, dass sich irgendwann so viele Marktteilnehmer aufgrund fehlenden Vertrauens in den Markt von diesem abwenden und es so zu einem (partiellen) Marktver637
Vgl. so treffend Eichelberger (2006) S. 146. A. A. wohl Schönhöft (2006) S. 164. 639 Vgl. hierzu Schönhöft (2006) S. 164. 640 Vgl. daher hierfür zur Kausalität unten 3. Kapitel § 2 B. II. 641 Wohlers (2000) S. 224; vgl. auch ders. GA 2002, 15, 16. Tiedemann ([1969], S. 123) weist in diesem Zusammenhang zu Recht auf die Schwierigkeit einer empirischen Ermittlung der Wirkungen eines Verstoßes hin „Gerade dort, wo [. . .] überindividuelle und abstrakte Zielsetzungen beeinträchtigt werden, können die Wirkungen eines Verstoßes, abgesehen von ganz eklatanten Ausnahmen überhaupt nicht positiv ermittelt“ werden. 642 Vgl. ebenso, allerdings für alle kollektiven Rechtsgüter ohne Einschränkung Hefendehl (2002) S. 183, nach dem stattdessen deshalb nach materiellen Äquivalenten zu suchen ist. Allerdings ist eine Einschränkung der fehlenden Verletzungskausalität genau genommen bei den sog. „verzehrbaren“ kollektiven Rechtsgütern angebracht. 638
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sagen kommt. Die Verankerung eines Kriteriums, das an lediglich eine einzelne Kurseinwirkung als Erfolg anknüpft, entspricht daher wegen der zusätzlich erforderlichen und von ihm unabhängigen weiteren Ereignisse zunächst nur höchst bedingt dem geschützten Rechtsgut. Setzt das Erfolgskriterium indes, wie nach der hier vertretenen Auffassung, einen Makroebenenirrtum voraus, welcher im Einzelfall die konkreten Funktionen des Kapitalmarktes nicht zur Entfaltung kommen lässt und für den Fall gehäuften Auftretens zu einem gänzlichen Marktversagen führen kann, wenn sich die Marktteilnehmer aufgrund fehlenden Vertrauens in die überwiegende Funktionsfähigkeit aus dem Markt zurück ziehen, weist bereits der einzelne Makroirrtum als „Zwischengefährdungserfolg“ ähnlich der Deliktsstruktur der Kumulationsdelikte643 auf das konnex geschützte kollektive Rechtsgut hin. Der Kumulationseffekt besteht hier darin, dass bestimmte Wirkungen, wie der mit dem Verlust von Anlegervertrauen einhergehende Kapitalentzug das Resultat eines gehäuften Auftretens von Belastungsfaktoren in Form von häufigen Makroirrtümern sind, ohne dass hier im Unterschied zu Summations- und synergetischen Effekten eine Aussage über die Art und Weise des Zusammenwirkens getroffen wird.644 Die im Rahmen des Umweltstrafrechts (v. a. zu § 324 StGB) entwickelte und sich als Durchbrechung der Deliktstrias verstehende645 Konzeption der Kumulationsdelikte sucht die erheblichen Zurechnungsprobleme, ein großes Gesamtrisiko auf Handlungen mit einem für sich genommen geringen Einzelbeitrag für das Risiko zurückzuführen, auf der rechtsphilosophischen Ebene und auf Basis einer hypothetischen Handlungsgesamtheit zu lösen.646 Auch wenn die sich anschlie643 Zur noch weit von einer Klärung entfernten und hier nur in Grundzügen darstellbaren Dogmatik des Kumulationsdelikts vgl. Kuhlen GA 1986, 389, 395 ff., der es als Verharmlosung des dahinterliegenden Problems bezeichnet, § 324 StGB als Verletzungstatbestand und damit als deliktstypologisch besonders unproblematisch einzustufen (S. 397) sowie ders. ZStW 105 (1993) 697, 713 ff. [716] und bereits zuvor (wenn auch ohne die Begrifflichkeit der Kumulationsdelikte, aber bereits unter Aufgreifen des Summationsgedankens für die abstrakten Gefährdungsdelikte) Loos FS Welzel (1974) S. 879, 891 ff. vgl. darüber hinaus umfassend Hefendehl (2002) S. 183 ff.; zuletzt Anastasopoulou (2005) S. 152 ff. m. w. N.; Kritisch v. a. Walter GA 2001, 131, 137 ff.; ders. LK12 vor § 13 Rn. 68, der einen Raum für eine neue Deliktskategorie u. a. deshalb nicht anerkennen will, da (bei den in Bezug genommenen Umweltdelikten) die einzige Besonderheit darin bestehe, dass das Angriffsobjekt sehr groß sei. 644 Vgl. Anastasopoulou (2005) S. 156 m. w. N.; Daxenberger (1997) S. 18 (zur genauen Terminologie in der Ökotoxikologie und Ökosystemforschung als Ausgangspunkt für das Umweltstrafrecht); Kuhlen ZStW 105 (1993) 697, 716 Fn. 91. 645 Gemeint die Trias von Verletzungs-, konkreten und abstrakten Gefährdungsdelikten. Vgl. Hefendehl (2002) S. 147. 646 Vgl. treffend Anastasopoulou (2005) S. 158 ff. Siehe ferner Daxenberger (1997) S. 168 f. und passim, der dem Täter nur die Beeinträchtigungsdifferenz zwischen dem Belastungszustand vor und nach der Täterhandlung zurechnen will. Je
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
ßende Frage der Angemessenheit eines Straftatbestandes als entsprechender Sanktionsnorm noch nicht abschließend geklärt ist, tendieren die meisten Autoren jedenfalls für das Umweltstrafrecht und dem in dessen Rahmen zu gewährleistenden Schutz von Rechtsgütern mit hohem Rang dazu, die Wahl dem Gesetzgeber angesichts einer bislang fehlenden überzeugenden Abgrenzung von Ordnungswidrigkeitenrecht und Strafrecht innerhalb seiner Einschätzungsprärogative zur höheren Präventionswirksamkeit des Strafrechts zu überlassen.647 Noch vertretbar muss es daher auch für das Kapitalmarktstrafrecht in der Konsequenz sein, dass die mit einer Marktpreiseinwirkung einhergehende partielle Fehlfunktion des Kapitalmarkts durch daran möglicherweise anknüpfendes und später zu enttäuschtem Vertrauen führendes Anlegerverhalten ein auch für das Kollektivrechtsgut bezogen graduell erhöhtes, da in möglicher Kumulation gefahrerhöhendes Unrecht darstellt.648 Das kollektive Rechtsgut stellt zwar auch hier einerseits regelmäßig nicht das Angriffsziel dar. Aus dem Rahmen eines somit nicht intentionalen, sondern nur „okkasionellen Angriffs“, der sich des Kapitalmarktes und seiner auf redlichen Verkehr angewiesenen Mechanismen bedient, entspringt die Möglichkeit von Kumulationseffekten im Wirtschaftsverkehr als ihrem maßgeblichen Feld.649 Letztlich entspricht das Delikt damit zwar weder einem klassischen Verletzungsdelikt noch einem konkreten Gefährdungsdelikt. Nachdem der nach herrschender Ansicht tatbestandlich beschriebene Erfolg jedenfalls dem Anlegerschutz gegenüber indifferent ist, da jeder Erfolg ausreichend sein soll, nicht aber nur derjenige, der als Zwischenerfolg zu einem Schaden bei den Anlegern führt, findet obiger Befund in der Rechtsgutsdiskussion zu §§ 20a, 38 II, 39 WpHG hierdurch Bekräftigung.650 nach Kumulationseffekt soll ihm aber auch das nur in der Summe mit bereits vorhandenen Vorbelastungen anzutreffende Überschreiten bestimmter Erheblichkeitsschwellen zuzurechnen sein. Im Ergebnis läuft dies jedoch auf eine mehr oder minder zufällige Haftung je nach Zeitpunkt der Vornahme heraus. 647 Vgl. u. a. Kuhlen GA 1986, 389, 405 ff. 648 Den damit lediglich graduellen Unterschied zwischen Ordnungswidrigkeit und Straftat ebenfalls hervorhebend Schröder (2007) 3. Kap. G I Rn. 563; A. A. Schönhöft (2006) S. 164 mit dem Argument alle Manipulationen würden das Rechtsgut in gleicher Weise beeinträchtigen, im Vergleich zu Vermögensdelikten gäbe es gerade keine minderschweren Eingriffe. 649 Vgl. so treffend für den kommunikativen Wirtschaftsverkehr Hefendehl (2002) S. 187. 650 Anders ließe sich nur argumentieren, wenn jede Kurseinwirkung spiegelbildlich einen Vermögensschaden bei anderen Marktteilnehmern abbilden würde (so wohl Schönhöft [2006] S. 164, wenn er die Abgrenzung anhand des Einwirkungskriteriums dementsprechend wegen des mit der Marktmanipulation gerade nicht intendierten Anlegerschutzes als dogmatisch schwer nachvollziehbar ansieht). Allerdings würde dies bereits vor Eingehen eines Transaktionsgeschäfts bestehende gesicherte
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c) Legitimität eines „prozessbezogenen Einwirkungserfordernisses“ Fraglich ist, ob die Strafbarkeitsschwelle auch dann noch zu rechtfertigen ist, wenn das Einwirkungserfordernis nicht erfolgsbezogen, sondern prozess- (oder handlungs-)bezogen ausgelegt wird. In dieser Konstellation stellt das tatsächliche Einwirken auf den Preisbildungsprozess (zu dessen konkreter Gestalt vgl. unten II. 3.) ein zusätzliches objektives Erfordernis auf, das sich von der nach § 20a I WpHG tatbestandlich ausreichenden Handlung dadurch unterscheidet, dass nicht allein die Eignung zur Einwirkung, sondern deren tatsächliches Vorliegen und damit ein in Bezug auf das geschützte kollektive Rechtsgut zumindest (minimal) gefahrerhöhendes Verhalten vorausgesetzt wird. Auch das tatsächliche Einwirken in seiner stärker prozessbezogenen Lesart besitzt die Potenz, in Fällen seines gehäuften Auftretens das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte zu erschüttern, da die irreführenden Einflüsse den Markt informativ verstören können. Unter Hinzuziehung des Kumulationsgedankens ist daher auch in diesen Fällen eine Rechtsgutskonnexität des strafbegründenden Merkmals zu bejahen. 4. Dogmatische Einordnung des Einwirkungserfordernisses und der strafrechtlichen Marktmanipulation Nach der Gesetzesbegründung stellt „die tatsächliche Einwirkung [. . .] das qualifizierende Merkmal“651 dar. Der Gesetzgeber enthält sich im Übrigen einer ausdrücklichen Äußerung zur Frage, welche dogmatische Struktur dem Straftatbestand durch das Einfügen des Einwirkungserfordernisses zu Teil geworden ist.652 a) Die strafrechtliche Marktmanipulation als Erfolgsdelikt? Nach ganz herrschender Meinung qualifiziert das erfolgsbezogen ausgelegte Einwirkungserfordernis des § 38 II WpHG den Straftatbestand der Vermögensexpektanzen auch beim für den Anleger unvorteilhaften Aktienkauf voraussetzen, die jedenfalls nach h. M. am Kapitalmarkt nicht angenommen werden können. Dort liegen zumeist nur Gewinnchancen, nicht aber gesicherte Exspektanzen vor (vgl. hierzu bereits Hefendehl [1994] S. 201 f. m. w. N.). 651 BReg BTDrucks. 14/8017 S. 98. 652 Die bei Zimmer, in: Schwark § 38 Rn. 5 Fn. 9 als Beleg der eigenen Ansicht – § 38 I Nr. 4 a. F. (§ 38 II WpHG n. F.) qualifiziere die Marktmanipulation zum Erfolgsdelikt – (wohl mit Buchstabendreher?) aufgeführte „BTDrucks. 14/8107“ betrifft ein anderes Rechtsgebiet. BTDrucks. 14/8017 enthält keine ausdrückliche Festlegung auf die Lesart als Erfolgsdelikt.
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
Marktmanipulation zum Erfolgsdelikt.653 Erfolg ist hierbei eine im Ergebnis erfolgte, nicht marktgerechte, also künstliche tatsächliche Veränderung des Börsen- oder Marktpreises, nach den hier entwickelten Begrifflichkeiten also das Vorliegen eines Makroebenenirrtums. Eine Abgrenzung von Tätigkeits- und Erfolgsdelikten lässt sich danach ziehen, ob der Tatbestand die Strafe im Ausgangspunkt an die Gefährlichkeit eines bestimmten Verhaltens (dann Tätigkeitsdelikt) oder eines Verhaltens mit einer bestimmten Folge (dann Erfolgsdelikt) für das Rechtsgut knüpft.654 Zwar setzt nach der Lesart der herrschenden Meinung die Marktmanipulation einen konkreten Erfolg in Form des Makroebenenirrtums, nicht aber eine – insoweit auch unmögliche – Verletzung des Kollektivrechtsguts voraus. Allerdings zeigt die Parallele zu den Umweltdelikten, dass nicht alle Delikte, welche keine Verletzungsdelikte im klassischen Sinne sind, als abstrakte Gefährdungsdelikte herkömmlicher Prägung zu betrachten sein müssen. Stattdessen ermöglicht die in der Literatur im Vordringen befindliche Figur des Kumulationsdelikts eine treffendere Beschreibung, wie thematisch bei der Frage der Rechtsgutskonnexität des Erfolgskriteriums der herrschenden Meinung ausgeführt wurde (s. o., 3. Kapitel § 2 B. I. 3. b)). b) Die strafrechtliche Marktmanipulation als Unternehmensdelikt? Begreift man dagegen das „Einwirken“ i. S. d. § 38 II WpHG als eine auf die Markt- oder Börsenpreisbeeinflussung gerichtete Tätigkeit, so wäre denkbar, die Ausgestaltung des §§ 20a, 39, 38 II WpHG als unechtes655 Unternehmensdelikt anzusehen.656 Im Rahmen des § 180b II Alt 1 StGB a. F. (nunmehr § 232 StGB ohne Tatbestandsmerkmal „Einwirken“) hat der Bundesgerichtshof657 im Einklang mit der Literatur658 judiziert, das „Ein653
Wohl allgemeine Ansicht vgl. u. a. BGHSt 48, 373, 382 („Analyst Sascha Opel“); Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 26, 220; Schröder (2007) 3. Kap G I Rn. 563; Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 38 Rn. 49; Zimmer, in: Schwark (3. Aufl. 2004) § 38 WpHG Rn. 5; Altenhain BB 2002, 1874, 1875 f.; Kutzner WM 2005, 1401, 1406 (allein de facto wird nach ihm das Delikt durch die Rechtsprechung des BGH zum Einwirkungserfordernis zum abstrakten Gefährdungsdelikt: S. 1408); Park BB 2003, 1513, 1514; Tripmaker wistra 2002, 288, 291; Trüstedt (2004) S. 39; Vogel NStZ 2004, 252, 254 f.; Waschkeit (2007) S. 283. 654 Vgl. Hefendehl (2002) S. 155 m. w. N. 655 Als echtes Unternehmensdelikt sind dagegen jene Delikte zu bezeichnen, die die Formulierung „wer es unternimmt“ bereits in ihren Tatbestand aufnehmen. 656 Vgl. einzig Walther ZJapanR 16 (2003) S. 189, 218 f., nach der einzig diese Auslegung „nach Sinn und Zweck“ nahe liege. 657 BGHSt 45, 158, 161 ff. (=NJW 1999, 3275); vgl. auch BGH NStZ 2000, 368. 658 Vgl. bspw. LK11-Laufhütte § 180b Rn. 3 sowie Renzikowski MK-StGB (1. Aufl.) § 180b Rn. 5 u. 28 m. w. N., der allerdings (Rn. 5) die Gleichsetzung von
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wirken“ setze nicht voraus, dass das Ziel der Einwirkung tatsächlich erreicht würde. Dementsprechend wurde das Einwirken i. S. d. § 180b II Alt 1 StGB a. F. wie auch bei § 180b I StGB a. F.659 als Unternehmensdelikt interpretiert. Dabei darf nicht verkannt werden, dass die Grenzziehung zwischen Tätigkeits- und Erfolgsdelikt mitunter auch für diesen Fall nicht ganz eindeutig ist. Wie bereits dargelegt, setzt beispielsweise auf der Ebene der informationsbezogenen Manipulationen das Einwirken einen von der eigentlichen Erklärungsabgabe zu trennenden Erfolg in Gestalt einer zumindest unbewussten Kenntnisnahme durch den Markt voraus.660 Allerdings genügt dieser Zwischenerfolg der Kenntnisnahme im Rahmen des Preisbildungsprozesses zwar dem Einwirkungskriterium, das wie die Legaldefinition des Unternehmens einer Tat i. S. d. § 11 I Nr. 6 StGB gerade den Versuch oder die Vollendung einer Börsenendpreisbeeinflussung genügen lässt, stellt aber eben nicht eine vollendete Börsenendpreisbeeinflussung als Erfolg dar. Nachdem der Tatbestand des § 38 II WpHG aber ausdrücklich den Börsenoder Marktpreis zum Bezugspunkt der Einwirkung nimmt, ist die Marktmanipulation insoweit – nachdem eine bloße Tätigkeit ohne tatbestandlich ausdrücklich vorausgesetzte Erfolgskomponente verlangt wird – als Unternehmensdelikt ausgestaltet anzusehen.661 Zwischenerfolge wie die bloße Einwirkung auf einen einzelnen Marktteilnehmer zum einzig maßgeblichen Tatbestandserfolg zu erheben, hieße die Bedeutung des Makroirrtums als kollektiver Schaltstation und damit die rechtsgutssystematische Struktur der Marktmanipulation zu verkennen. Versteht man das Einwirken prozessbezogen, so dass sowohl der Versuch als auch die erfolgreiche effektive Börsenoder Marktpreisbeeinflussung tatbestandsmäßig sind, ist die Marktmanipulation in die dogmatische Gestalt eines unechten Unternehmensdelikts gefasst. Nachdem mit dem prozessbezogen verstandenen Einwirken ebenso wie mit einer einzelnen tatsächlich börsenendpreiswirksamen Manipulation allein noch keine unmittelbaren Folgen für das kollektive Rechtsgut einhergehen Verletzungs- und Gefährdungsunrecht in § 180b II StGB durch das tatbestandliche Nebeneinander von Unternehmensdelikt (§ 180b II Alt. 1) und Erfolgsdelikt (§ 180b II Alt. 2 StGB) bemängelt. 659 Vgl. Horn/Wolters SK (Voraufl.) § 180b Rn. 3; Renzikowski MK-StGB (1. Aufl.) § 180b Rn. 4. 660 Nach dem dieser Untersuchung zugrunde liegenden Basiskonzept (vgl. hierzu ausführlich unten 3. Kapitel § 2 B. II. 3.) kann die Börsenpreisbildung nur auf der Grundlage des sog. methodologischen Individualismus verstanden werden, wodurch die Mikroebenenakteure, d.h. die einzelnen Marktteilnehmer, die entscheidenden und maßgeblichen Faktoren der Informationsaufnahme und Weiterverarbeitung im Kapitalmarkt sind. Insofern setzt ein Einwirken eine (wenn auch unbewusste) Kenntnisnahme durch die Marktteilnehmer voraus. 661 Das Unternehmensdelikt stellt genau genommen letztlich nur eine gesetzestechnische Einheit von vollendeter und versuchter Tat dar (vgl. so statt vieler zu Recht Hefendehl [2002] S. 156).
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
müssen,662 ist die Marktmanipulation auch in der prozessbezogenen Lesart des Einwirkungserfordernisses als Kumulationsdelikt einzuordnen. c) Die strafrechtliche Marktmanipulation als Eignungsdelikt? Ganz vereinzelt wird das Einwirkungskriterium, verstanden als „effektives Einwirken auf den Preis eines Vermögenswertes“, auch als Implementierung einer objektiven Bedingung der Strafbarkeit verstanden.663 Mit dem Schuldprinzip vereinbar ist die Einführung einer objektiven Strafbarkeitsbedingung richtigerweise nicht allein, um – kriminalpolitisch zur Nachweiserleichterung erwünscht – auf das Vorliegen eines subjektiven Tatbestandsmerkmals zu verzichten, sondern nur, wenn das tatbestandsmäßig vertypte Verhalten auch schon ohne den Eintritt der Bedingung für sich genommen als das strafwürdige Unrecht gesehen wird, so dass die objektive Bedingung den strafbaren Bereich gegenüber dem kriminalpolitisch zulässigen Umfang nicht ausdehnt, sondern durch die zusätzlichen Erfordernisse der objektiven Bedingung tatbestandlich reduziert.664 Insoweit könnte die gesetzgeberische Entscheidung, mit dem 4. FFG das vormals in § 88 BörsG inkriminierte abstrakte Gefährdungsdelikt (ausreichend war die Kurseinwirkungsabsicht)665 durch ein ebensolches bzw. (spezifisches) Eignungsdelikt (statt der überschießenden Innentendenz genügt nunmehr die Eignung zur Kurseinwirkung) zu substituieren, als Strafwürdigkeitsentscheidung im Rahmen seiner Einschätzungsprärogative auch unter Einbezug obiger Erwägungen zum Schutz des kollektiven Rechtsgutes Anerkennung finden.666 Die zusätzlich erforderliche effektive Kurseinwirkung würde sich demnach strafeinschränkend auswirken. Ohne ihr Vorliegen läge allein eine Ordnungswidrigkeit nach §§ 20a, 39 WpHG vor. Im Unterschied zu beiden anderen Auslegungen müsste sich der subjektive Tatbestand der strafrechtlichen Marktmanipulation allein auf die Eignung zur Kurseinwirkung, nicht aber auf die tat662 Vgl. hierzu auch bereits oben zur Rechtsgutserheblichkeit einzelner Manipulationshandlungen. 663 Vgl. so Mendes/Miranda Kolloquium Philipps (2005) S. 329, 367, die die „Erfolgs-Auslegung“ des Bundesgerichtshofs (BGHSt 48, 373, 382 [„Analyst Sascha Opel“]) als Fehlinterpretation bezeichnen, sich im Anschluss allerdings weiterer Ausführung der dogmatischen und praktischen Konsequenzen ihrer Ansicht enthalten. 664 Vgl. hierzu u. a. Weigend FS Triffterer (1996) S. 695, 707; Roxin AT I (4. Aufl.) § 23 Rn. 21 ff. Umfassend zu dieser sog. „Abzugsthese“ der h. M. Geisler GA 2000, 166, 167 m. w. N. (mit dem einschränkenden Fazit ihrer Haltbarkeit, sofern sie insoweit erweitert wird, als ohne Strafbarkeitsbedingung auch strafbedürftiges Unrecht vorliegen müsse; vgl. S. 179). 665 Vgl. hierzu und zur dennoch gegebenen Unrechtskontinuität zwischen § 88 BörsG und §§ 20a, 38 II WpHG Schönhöft (2006) S. 37 ff. m. w. N. 666 Vgl. hierzu ausführlich bereits oben 2. Kapitel § 2 A. II.
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sächliche Einwirkung beziehen, da objektive Strafbarkeitsbedingungen Umstände sind, die außerhalb des Unrechts- und Schuldtatbestandes liegen.667 Dass insoweit der qualifizierende Strafvorwurf allein an ein objektives Merkmal knüpft, ist dann nicht zu kritisieren, wenn bereits (wie oben dargelegt), die Strafwürdigkeit auch des Grundverhaltens gegeben ist.668 Bedenklich erscheint bereits im systematischen Seitenblick auf andere objektive Bedingungen, die auf Außenwelterfolge abstellen, dass bei diesen das Kausationsfeld begrenzt ist. Bei der Schlägerei (§ 231 StGB) ist es zumindest von hoher Wahrscheinlichkeit, dass die Handlungen des Täters wegen des endlichen Teilnehmerkreises zumindest gefahrerhöhend und damit irgendwie dazu beigetragen haben, dass es zum Erfolg gekommen ist. Anders stellt es sich dagegen auf dem Kapitalmarkt dar, wo dies auf liquiden Märkten und bei international gehandelten Finanzinstrumenten gerade nicht der Fall sein muss.669 Darüber hinaus stellt § 38 II WpHG anders als beispielsweise § 231 StGB, wo mit der Bezugnahme „durch die Schlägerei“ ein großes, aber intransparentes Kausationsfeld, nicht aber eine spezifische Einzelhandlung des Täters für die schwere Folge kausal sein muss,670 auf eine individuelle Verursachung der Einwirkung ab, wenn er verlangt, dass durch („und dadurch“) die tatbestandsmäßige Handlung auf den Preis eines Finanzinstruments eingewirkt wird. Insoweit wäre – falls man tatsächlich § 38 II WpHG als objektive Bedingung begreift – ein gewisser Kausalnexus von der individuellen Täterhandlung zur – bei Mendes/Miranda ebenfalls ergebnisbezogen verstandenen671 – Einwirkung objektiv zu verlangen, dem keine subjektive Entsprechung zu teil würde. Dabei würden objektiv die gleichen materiellen wie prozessualen Kausalitätsfragen auftreten, wie sie sich als Konsequenz der herrschenden Ansicht ergeben.672 Entscheidend gegen eine objektive Bedingung spricht indes die Gesetzesbegründung und damit der Gesetzgeberwille, nach der „die tatsächliche Einwirkung [. . .] das qualifizierende Merkmal“ darstellt und sich der Vorsatz auch auf die „Einwirkung auf den Börsen- oder Marktpreis“ beziehen muss.673 Insoweit inkludiert der Gesetzgeber die Einwirkung ausdrücklich in den objektiven wie den reziproken subjektiven Unrechtstatbestand. 667 Vgl. statt vieler Jescheck/Weigend § 53 III; Niemeyer, in: Müller-Gugenberger/Bieneck (4. Aufl. 2006) § 17 Rn. 45. 668 In diesem Fall würde der Verzicht des Gesetzgebers auf die Strafinkriminierung im Übrigen zugunsten einer bloßen Ordnungswidrigkeitenbewährung eine in erster Linie rechtspolitische Entscheidung darstellen. 669 Siehe hierzu umfassend unten 3. Kapitel § 2 B. II. 670 Vgl. statt vieler Sch/Sch-Stree § 231 Rn. 14. 671 Vgl. Mendes/Miranda Kolloquium Philipps (2005) S. 329, 367. 672 Vgl. hierzu ausführlich unten 3. Kapitel § 2 B. II. 673 BReg BTDrucks. 14/8017 S. 98.
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
II. Materiell-rechtliche Zurechnung Die folgenden Ausführungen setzen auf der erfolgsbezogenen Auslegung des Einwirkungskriteriums, wie sie die ganz herrschende Ansicht vornimmt, auf und sollen die mit dieser Lesart verbundenen Konsequenzen einer eingehenden Analyse unterziehen. Die nach der strafrechtlichen Dogmatik674 notwendige Verknüpfung zwischen der tatbestandlich jeweils in §§ 20a I 1 Nr. 1 bis Nr. 3 i. V. m. § 39 WpHG umschriebenen Handlung und dem nach herrschender Meinung durch das Einwirkungserfordernis in § 38 II WpHG tatbestandlich verlangten Erfolg ist zunächst materiell in den nach moderner Dogmatik üblichen zwei Diskursebenen von Kausalität und objektiver Zurechnung675 zu suchen.676 Den Ausgangspunkt der Überlegungen zur materiell rechtlichen Zurechnung nimmt indes die genaue Umgrenzung des tatbestandlich erforderlichen Erfolges ein. 1. Börsen- oder Marktpreiseinwirkung als Erfolg i. S. d. § 38 II WpHG Eine strafrechtliche Zurechnung setzt auf der peniblen Identifizierung des tatbestandsmäßigen Erfolges auf. Dabei müssen die abstrakten tatbestandlichen Anforderungen hinreichend bestimmt werden. Die Frage nach dem „tatbestandsmäßigen Erfolg in seiner ganz konkreten Gestalt“, wie sie die herrschende Zurechnungsdogmatik stellt, betrifft jene konkrete Subsumtion im Rahmen der einzelnen Zurechnungsprüfung, bei der aus den ontologisch sichtbaren Umständen jene Aspekte ausgeschnitten werden, welche in ihrer Gesamtbeschreibung die tatbestandlich vom Gesetzgeber umschriebene Erfolgsgestalt abbilden. Den Ausgangspunkt muss daher eine eindeutig identifizierbare konkrete Änderung des Börsen- oder Marktpreises abweichend vom Status quo ante677 (bzw. nach h. M. auch ein irregulär gleich bleiben674 Vgl. generell zur Geltung des Allgemeinen Teils des StGB gemäß § 1 EGStGB auch für das Wirtschaftsstrafrecht statt vieler Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, 2. Aufl. 2007, Rn. 95 ff.; Rn. 167 ff. (speziell zur Kausalität); Dannecker, in: Wabnitz/Janovsky (3. Aufl. 2007) § 1 Rn. 27 ff. 675 Letztere Lehre gilt nicht nur im Schwerpunkt ihrer praktischen Anwendung (den Fahrlässigkeitsdelikten), sondern als allgemeine Tatbestandslehre für alle Vorsatzdelikte. Vgl. nur Roxin, Strafrecht AT I (3. Aufl. 1997), § 11 Rn. 39 ff., 44; Schünemann GA 1999, 207, 219 f., 228 und Rengier FS Roxin (2001) S. 811 [813]. 676 Vgl. statt vieler (explizit für das Delikt der Marktmanipulation) Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 38 Rn. 52. 677 Vgl. allgemein zur Umschreibung des Erfolgs als einer auch minimalen und nicht dauerhaften nachteiligen Veränderung des Status quo, wie auch immer er beschaffen sein mag, Kindhäuser ZStW 120 (2008) 481, 483. Ausgehend vom geschützten Kollektivrechtsgut der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes, lässt sich
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der Börsenpreis)678 auf dem zu untersuchenden Markt einnehmen.679 Einen bestimmten Zeitpunkt (etwa i. S. eines „unmittelbar“ nach der Tathandlung) kennt § 38 II WpHG dabei nicht, was im Übrigen angesichts der unterschiedlichen Manipulationsarten und der zeitliche Vorhersagen nur bedingt zulassenden Informationsrezeptionsstrukturen des Marktes auch wenig sinnvoll wäre.680 Nachdem sich die Manipulation des Marktpreises eines Finanzinstrumentes nicht nur auf dessen Kurs, sondern auch auf alle derivaten Finanzinstrumente auswirken kann, kann eine Handlung mehrere Erfolge i. S. d. § 52 I StGB zeitigen,681 welche jedoch nichts desto trotz im Einzelfall jeweils auf die Ihnen zugrunde liegenden Ursachen hinterfragt werden müssen.682 Als problematisch683 erweist sich in diesem Zusammenhang speziell für handelsgestützte Manipulationen die Frage, auf welchen Einwirkungserfolg abzustellen ist, da handelsgestützte Manipulationen theoretisch sowohl über ihren direkten market impact als Folge der direkten Veränderung von Angebot und Nachfrage,684 aber auch durch den Informationswert ihres Ordervolumens auf andere sie wahrnehmende und entsprechend handelnde Marktteilnehmer börsenpreiswirksam werden können.685 Diese zweifache Wirkung spiegelt auch § 20a I 1 Nr. 2 WpHG wieder, wenn er einerseits auf die Eignung zur Signalwirkung (§ 20a I 1 Nr. 2 1. Alt. WpHG), andererseits auf die Eignung zur Herbeiführung eines künstlichen Preisniveaus (§ 20a I 1 Nr. 2 2. Alt. WpHG) abstellt. Denkbar wäre, als Erfolg in diesem Fall nicht die evtl. mit der handelsgestützten Manipulation selbst erfolgte Einwirkung anzuerkennen, da diese gerade der tatsächlichen Kurslage und damit dem Ergebnis eines funktionierenden Kapitalmarktes entspricht und darüber hinaus nicht entscheidend durch eine Informationsvermittlung geprägt ist, sondern erst die auf der Grundlage des informativ missleitenden Signals (des erzeugten neuen Börsen- oder Marktpreises) entstehende weidie Beschreibung der Nachteiligkeit indes für das Delikt der Marktmanipulation nur mit Blick auf die zugrunde liegende Preisbildung und ihre Informationsdeterminanten durch einen wertenden Vergleich des tatsächlichen, womöglich artifiziellen mit dem an sich ohne Täterhandlung erwarteten, nicht artifiziellen Preis vornehmen. 678 Vgl. statt vieler abermals Vogel, in: Ass/Sch WpHG § 38 Rn 21; Hellmann/ Beckemper Wirtschaftsstrafrecht § 1 Rn 66. 679 Vgl. zu den Schwierigkeiten der Identifizierung der zu untersuchenden Preisänderung unten 3. Kapitel § 2 B. IV. 2. 680 Im Ergebnis ebenso Altenhain KK-WpHG § 38 Rn. 94. 681 Vgl. hierzu Schröder (2007) 3. Kap. L Rn. 620 (= S. 218). 682 Siehe hierzu unten 3. Kapitel § 2 B. II. 683 Das Problem wird soweit erkennbar in der Rechtsprechung und Literatur nicht aufgegriffen. 684 Vgl. hierzu Schönhöft (2006) S. 328 f. 685 Weber NZG 2000, 113, 114.
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
tere Preiseinwirkung. Argumentativ ließe sich diese Ansicht damit stützen, dass bei äußerlich korrekten Geschäften zunächst der Kurs richtig gestellt wird und allein der diesem abgeschlossenen Vorgang innewohnende irreführende Charakter maßgeblicher Anknüpfungspunkt für daran ansetzende erhebliche Preiskausationen sein könne. Danach wäre also entscheidend auf die jeweils zugrundeliegende Manipulationshandlung abzustellen: stellt diese entscheidend auf die informationelle und irreführende Wirkung unmittelbar erzeugter Marktpreise ab, so stellen letztere lediglich Zwischenschritte hinsichtlich des aus der Anknüpfung des Marktes an diese letztlich resultierenden erheblichen Makroebenenirrtums dar. Allerdings liegt bereits im direkten market impact immer eine gewisse Beeinträchtigung der konkreten Funktionsweise des Marktes im Einzelfall vor, da durch diese Kurse wegen der Intransparenz der marktkonqueren Motivlage686 eine irreführende Signalwirkung auf den Markt ausgeübt wird, diese Kurse selbst daher auf Basis der ihnen zugrunde liegenden verbotenen Handlungen einem artificial price (künstliches Preisniveau) entsprechen. Die vorhandene Informationslage wird durch die direkt manipulationsbedingten Kurse verfälscht.687 Im Ergebnis sind danach bereits direkte Kurseinwirkungen durch die Transaktionen des Manipulanten ausreichend, da sie als Ergebnis einer unzulässig motivierten Transaktionshandlung688 bereits eine partielle Funktionsstörung des Marktes im Sinne eines Makroebenenirrtums bewirken.689 2. Theorien der Kausalität Ausgangspunkt jeder Erfolgszurechnung – als der für Strafbarkeitsbejahung eminent bedeutsamen Zuschreibung eines konkreten Erfolgs zu einem Täterhandeln – und somit auch jener im Bereich des Kapitalmarktstrafrechts soll das bei § 38 II WpHG im Wortlaut angelegte690 („dadurch“) Kausal686 Siehe hierzu oben 3. Kapitel § 2 A. II. 2. (Abgrenzung erlaubte/unerlaubte effektive Geschäfte). 687 Vgl. bereits oben zum Kern des Strafbaren 3. Kapitel § 1 B. 688 Vgl. hierzu bereits oben 3. Kapitel § 1 B. 689 Eine Anlegerschutz fokussierende Auslegung müsste entweder einen darüber hinaus gehenden Einwirkungserfolg verlangen oder sich gefallen lassen, dass sie die Strafbarkeit ins Vorfeld verschiebt (allein der durch die Transaktionen des Manipulanten bewirkte Kurs schädigt noch nicht den einzelnen Anleger, sondern verfügt nur über eine Irreführungseignung, die den Anleger zu schädigenden (und d.h. andere Chancen aufgebenden) Dispositionen verleiten kann. 690 Wie bereits dargelegt, lässt das Wort „dadurch“ eine ambivalente Auslegung zu und verknüpft lediglich die in § 20a WpHG umschriebenen Handlungen mit dem Einwirkungserfordernis des § 38 II WpHG (vgl. bereits oben 3. Kapitel § 2 B. I. 2.). Im Rahmen der erfolgsbezogenen Lesart der herrschenden Meinung kommt diesem Wort gleichsam eine Kausalitätsabbildende Funktion zu.
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prinzip sein.691 Das Gesetz beschreibt allerdings selbst nicht, wie der Zusammenhang zwischen der menschlich beherrschten692 Handlung und dem Erfolg der Einwirkung ausgestaltet sein muss.693 a) Äquivalenzformel (condicio sine qua non/ Theorie der notwendigen Bedingung) Nach herrschender Ansicht ist operabler694 Ausgangspunkt einer strafrechtlichen, aber auch einer zivilrechtlichen Kausalitätsprüfung die Äquiva691
Siehe statt vieler Altenhain KK-WpHG § 38 Rn. 96. Vgl. zum Kausalprinzip allgemein nur Jescheck/Weigend AT, 5. Aufl., § 28 I 1 ff.; Lenckner/Eisele, in: Sch/ Sch27 vor § 13 Rn. 71/72; Walter, in: LK-StGB12 Vor § 13 Rn. 72 ff. Vorliegend geht es dabei um eine „Kausalität im Rechtssinne“ (Puppe [2000] S. 8; siehe auch Baumann/Weber/Mitsch § 14 Rn. 6); auf die soziologische Diskussion der Kausalität wird insoweit ebenso rudimentär eingegangen wie auf die ökonomische; Volk NStZ 1996, 105, 108 weist darauf hin, dass der geforderte Zusammenhang in Form des Kausalprinzips allerdings Vereinbarungssache sei und insoweit nur solange Bestand haben könne, bis bessere normative Gründe eine Umschreibung dieses Postulats verlangten. Silva Sánchez postuliert beispielsweise für die Zurechnung bei den Straftaten gegen die Umwelt bereits die „relative Unwichtigkeit der Kausalität als Zurechnungskriterium“ im Verhältnis zur aus einer defizitären Organisationsstruktur folgenden Organisationszuständigkeit (vgl. dens. FS Volk [2009] S. 755, 765). 692 Insoweit wird für die folgende Erörterung vom steten Vorliegen eines sozialerheblichen menschlichen Manipulatorverhaltens (vgl. zu diesem sozialen Handlungsbegriff nur Jescheck/Weigend AT, 5. Aufl., § 23 VI; Wessels/Beulke AT38 § II 2 Rn. 93; zur Kritik [insbesondere fehlende Abgrenzbarkeit zur Wertungsstufe des Tatbestandes] Roxin AT I § 8 Rn. 29 ff.) ausgegangen, das eine der unter 3. Kapitel § 2 A. beschriebenen Manipulationsweisen darstellt. Zum Problem der Bestimmung eines vortatbestandlichen, allgemeingültigen Handlungsbegriffes vgl. umfassend Roxin AT I § 8 Rn. 7 ff. 693 Die unübersehbare Diskussion der Kausalität in der Jurisprudenz ist nicht singulär. Die Kausalität unterliegt neben den Naturwissenschaften auch in der Psychologie, der Soziologie und der Philosophie umfassender wissenschaftlicher Beschäftigung (das Kausalitätsprinzip wurde bereits in der antiken Philosophie formuliert als „nihil fit sine causa“). Vorliegend ist es unmöglich und im Übrigen für den Forschungsansatz dieser Arbeit nicht erforderlich, die verschiedenen Theorien auch nur im Ansatz allumgreiflich darzustellen. An manchen Stellen wird die Interdisziplinarität des Forschungsfeldes Kausalität allerdings auch von Autoren juristischer Provenienz zu Recht fruchtbar gemacht, um eingefahrene Diskussionen mit neuen Gedanken zu beleben. Diesem Weg will sich diese Arbeit anschließen. Für einen interdisziplinären, wenn auch philosophisch geprägten kompakten Überblick über die Historie des Kausalitätsbegriffs in den Wissenschaften siehe u. a. Saint-Sernin, in: Andler/Fagot-Largeault/Saint-Sernin (2002) S. 825 ff.; zur Bedeutung der Kausalität für die Wissenschaften seit geraumer Vorzeit vgl. Bunge (1979) S. 224 ff. 694 Obgleich (wenn man sich allein der condicio sine qua non Formel zur Operationalisierung der Kausalität bediene) – wie Hamm StV 1997, 159, 161 treffend bemerkt – die abstrakte Definition der c.s.q.n.-Formel bereits Elemente der Beweis-
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lenzformel (bzw. Theorie der notwendigen Bedingung bzw. Bedingungstheorie),695 nach der in einem hypothetischen Eliminationsverfahren und aus einem naturalistischen Blickwinkel danach gefragt wird, ob der zuzurechnende Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele, wenn die Handlung des Täters hinweggedacht würde. Jene stellt bejahendenfalls die condicio sine qua non oder notwendige Bedingung dar. Dabei genügt in Ergänzung der ursprünglichen Formel für Fälle alternativer Kausalität, dass bei zwei anzutreffenden Bedingungen, die zwar alternativ, nicht aber kumulativ hinweggedacht werden könnten, beide als notwendige Bedingungen anzusehen sein sollen.696 Wegen der Gleichbehandlung aller Bedingungen eines Erfolges auch als Äquivalenztheorie bezeichnet (und kritisiert)697, eignet sich die Bedingungstheorie indes als Einstieg in erster Linie für jene Fälle, in denen die Wirkungsweise der inkriminierten Handlung bekannt ist698 und die wesentlichen Hintergrundbedingungen konstant bleiben (ceteris paribus). Deutwürdigung des konkreten Einzelfalles einbezieht und damit die strikte Grenzziehung zwischen materiellrechtlicher und prozessualer Behandlung der Kausalität verwischt, soll für die vorliegende Untersuchung an dieser festgehalten werden. Zum einen, da andere Kausalitätstheorien etwaig allein in Abstrakto definieren zu vermögen, zum anderen um die unterschiedliche Argumentation kontextreziprok (materiell/prozessual) hinreichend kritisch würdigen zu können. 695 Zur auf eine Schrift von Julius Glaser (Abhandlungen aus dem Österreichischen Strafrecht, Bd. 1 [1858]) rückführbaren, später von Maximilian v. Buri (Ueber Causalität und deren Verantwortung [1873]) weiterentwickelten Bedingungstheorie vgl. statt vieler BGHSt 1, 332, 333; 31, 96; 37, 106 f.; 39, 195; Roxin, Strafrecht AT I, § 11 Rn. 8; Koriath (1994) S. 463 ff. Für eine rein logische Analyse dieses in der Philosophie als kontrafaktischem Ansatz bekannten Kausalitätsnachweises („Wäre X nicht der Fall gewesen, so auch Y nicht“ ist dann in der Wirklichkeit wahr, wenn eine Situation, in der X nicht der Fall ist und Y auch nicht, der Wirklichkeit ähnlicher ist als jede alternative Situation, in der X nicht der Fall ist und Y dennoch.“) vgl. insbesondere D. Lewis The Journal of Philosophy, Vol. 70, No. 17 (1973) S. 556 ff.; ders., The Journal of Philosophy, Vol. 97, No. 4, Special Issue: Causation (2000) S. 182 ff. Hierzu Byrne/Hajek, Mind, New Series, Vol. 106, No. 423 (1997) S. 411 ff. 696 Vgl. bereits RGSt 1, 373, 374; 66, 181, 184; 69, 44, 47; BGHSt 2, 20, 24; BGH GA 1960, 111, 112; BGHSt 39, 195, 197 f.; BGH NStZ 2001, 29, 30. Siehe zu dieser „‚verbesserten‘ Eliminierungsformel“ auch Roxin AT I § 11 Rn. 26 m. w. N. 697 Vgl. statt vieler Koriath (2007) S. 117 ff., wonach sich das Äquivalenzprinzip als Zurechnungsprinzip wegen der Asymmetrie von Handlung und Bedingung aber auch ihrer „ungebührlichen“ Trivialisierungen verbiete. Zum bereits juristischer Folklore gleichkommenden Vorwurf des möglichen regressum ad infinitum, der eines Ausgleichs bedarf, vgl. nur Wessels/Beulke AT38 § 6 II 1 Rn. 156. Vgl. auch Koriath (2007) S. 115 mit dem Argument, normativ sei es absurd, Handlungen wie bspw. die Zeugung des Täters mit einzubeziehen, da diese gerade nicht verboten seien. 698 Vgl. hierzu Fischer Vor § 13 Rn. 22 m. w. N. und Koriath (2007) S. 125 m. w. N.; H. Weber (1997) S. 88 f. (für das Zivilrecht). Kritisch zur Formel daher nicht nur Jakobs AT (2. Aufl. 1991), 7. Abschn. Rn. 9 (m. w. N. zur Kritik): „Die
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lich wird dies, wenn die Bedingungstheorie in komplexen Wirkzusammenhängen Kausalitätsaussagen treffen soll, dies aber bereits angesichts der sichtbaren699 möglichen alternativen Ursachen des Erfolgs bereits nicht gelingen kann,700 weil deren Wirksamwerden allein anhand des Rückgriffs auf die Formel der condicio sine qua non nicht ausgeschlossen werden kann. Entsprechend hat sich der BGH in den sich durch die Komplexität der Wirkstrukturen auszeichnenden strafrechtlichen Produkthaftungsfällen materiell durch der Theorie der gesetzmäßigen Bedingung (s. u.) nahe stehende Wendungen statt dem Gebrauch der c.s.q.n.-Formel jener Theorie zumindest angenähert.701 Grundlegend wird an der Anwendung der c.s.q.n.Formel kritisiert, dass sie die Aufmerksamkeit vom wirklichen auf einen fiktiven Fall lenke, der gar nicht zu prüfen ist.702 Dennoch wendet die überwiegende Zahl von Stimmen der kapitalmarktrechtlichen Literatur, aber auch die Rechtsprechung im Rahmen der Kausalitätsfrage die Bedingungstheorie für die Kausalität zwischen Manipulationshandlung und Kurseinwirkung an. Dabei wird gefragt, ob sich der Preis nach Hinwegdenken des Manipulationsverhaltens anders entwickelt hätte als tatsächlich geschehen.703
Formel ist ein Zirkel, da der zu definierende Begriff verkappt in dem Material erscheint, mit dem definiert wird.“ 699 Das Problem des unsichtbaren Kausalfeldes bzw. der Wissenschaft nach dem heutigen Stand nicht bekannter Wirkzusammenhänge stellt sich allen auf gesetzmäßigen Regularitäten aufbauenden Kausaltheorien. 700 Arlt (2004) S. 196 konstatiert (ohne hier bezüglich der angesprochenen Gründe ins Detail zu gehen) nach der Anwendung der Äquivalenzformel auf die kapitalmarktliche Zurechnung: „Die Fülle von Gründen, warum sich die Kurse in die eine oder andere Richtung bewegen, führt in letzter Konsequenz dazu, dass der Rechtsanwender sämtliche anderen potentiellen Gründe für Kursbewegungen ausschließen muss, um mit Sicherheit feststellen zu können, dass die Kurseinwirkung auf der vorgenommenen Täuschungshandlung beruht.“; ebenso Ziouvas/Walter WM 2002, 1483, 1487; Ziouvas ZGR 2003, 113, 140. Röckrath (2004) S. 68 beschreibt die Funktion des gängigen Ausschlussverfahrens treffend damit, es solle „das Evidenzerlebnis in einfachen Fällen [. . .] rationalisieren.“ 701 Vgl. Vogel FS Lorenz (2001) S. 65, 67 anhand der Rechtsprechung des BGH im Lederspray- (BGHSt 37, 106) und Holzschutzmittelfall (BGHSt 41, 206). Siehe hierzu ausführlich unten 3. Kapitel § 2 B. IV. 3. a) bb) (2) (a) und (bb). 702 Vgl. hierzu u. a. Puppe Jura 1997, 408, 408 ff.; dies. (2000) S. 31. 703 Vgl. statt vieler Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 38 Rn. 52; Worms, in: Assmann/Schütze (2007) § 9 Rn. 119; Kutzner WM 2005, 1401, 1407; Eichelberger (2006) S. 328 ff. Siehe darüber hinaus die Nachweise bei 3. Kapitel § 2 B. II. 2. e).
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b) Adäquanzformel und Relevanztheorie Nach der auf Johannes v. Kries zurück gehenden704 Adäquanzformel in ihrer heutigen Fassung ist eine Bedingung dann adäquat („dem Erfolge angemessen“) und daher als Ursache einer Kausierung relevant, wenn „sie die Möglichkeit des Erfolgseintritts in nicht unerheblicher Weise erhöht hat, wenn es nicht schlechthin unwahrscheinlich ist, dass das Verhalten einen derartigen Erfolg nach sich zieht.“705 Dabei hat sich der Richter im Sinne einer sog. objektiv-nachträglichen Prognose im Prozess (insofern „nachträglich“) auf den Standpunkt eines vor der Tat urteilenden objektiven Beobachters hinein zu versetzen, dessen Kenntnisse die eines einsichtigen Menschen aus dem betreffenden Verkehrskreis, angereichert um etwaiges tätereigenes Sonderwissen, sind. Die strafrechtliche Judikatur hat die Adäquanzformel anders als die zivilrechtliche Rechtsprechung nie adaptiert.706 In der Literatur findet die Adäquanzformel indes bis in die Gegenwart Anhänger.707 Der auf Mezger708 rückführbare Gedanke, der alleinigen Beachtlichkeit von relevanten Kausalzusammenhängen, die anhand einer sinngemäßen Auslegung der gesetzlichen Straftatbestände zu ermitteln sind, läuft in eine ähnliche Richtung, erweitert allerdings die Relevanz über das Adäquanzkriterium hinaus. Mit Recht werden beide Formeln heute von der herrschenden Literatur als wichtige Wertungsfragen im Rahmen umfassenderer Zurechnungskonzeptionen verstanden; als eigenständige Lösung des Kausalitäts- und Zurechnungsproblems genügen sie jedenfalls nicht, da sie Kausalität voraussetzen, um diese dann wieder einschränken zu können.709 704
Vgl. v. Kries ZStW 9 (1889) 528 ff. Vgl. hierzu wie im Folgenden Roxin AT I § 11 V Rn. 40. 706 Vgl. zur Ablehnung der Anwendung nur BGHSt 1, 332, 333. 707 Vgl. Bockelmann/Volk AT § 13 A V 4 a; positiv auch Maurach/Zipf AT § 18 Rdn. 30 ff.; Stratenwerth AT § 8 Rn. 21 ff.; für w. N. vgl. nur Jakobs AT (2. Aufl. 1991) Abschn. 7 Rn. 31 Fn. 48. Auch Puppe (FS Bemmann [1997] 227, 230 ff., 243) greift bei von Kries den Gesichtspunkt der notwendigen „generellen Eignung“ einer Handlung zur Erfolgsverursachung auf und integriert ihn in ein Modell eines notwendigen Schutzzweckzusammenhangs (S. 243): „Die Normbefolgung ist dann geeignet, diese Art von Kausalverläufen zu verhindern, wenn sich [. . .] ein signifikanter Unterschied in der Wahrscheinlichkeit der Schadensereignisse gibt“ (Fallklasse eins unterscheidet sich von Fallklasse zwei, dass in ihr die Norm befolgt wird). 708 Mezger, Strafrecht (3. Aufl. 1949) S. 122; vgl. noch Jescheck LK11 vor § 13 Rn. 63; Die Relevanztheorie wird nach Walter LK12 vor § 13 Rn. 73 Fn. 83 heute aber nicht mehr vertreten; siehe hierzu auch das Fazit dieses Abschnittes. 709 Vgl. nur Roxin AT I § 11 Rn. 43; Jakobs AT (2. Aufl. 1991) Abschn. 7 Rn. 31; Nach Koriath (2007) S. 113 biete die Adäquanztheorie nur einen „Topoi für 705
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c) Formel von der gesetzmäßigen Bedingung Die Formel von der gesetzmäßigen710 Bedingung, welche teils als Ergänzung jener conditio-Formel um eine deduktiv-nomologische Fundierung im Sinne des Hempel-Oppenheim-Schemas711 teils als deren Ersetzung verstanden werden will,712 verlangt für die Bejahung von strafrechtlicher Kausalität die Rückführung des Erfolges auf eine bestimmte Handlung anhand von Naturgesetzen.713 Ein Ereignis (Bedingung) ist für die Theorie von der gesetzmäßigen Bedingung für ein anderes zeitlich unterscheidbares und nicht logisch impliziertes Ereignis (Wirkung) dann kausal, wenn die beiden Ereignisse in ihrer Aufeinanderfolge (natur-)gesetzmäßig verknüpft sind.714 Individuelle und generelle Kausalität (Naturgesetzlichkeit) laufen somit notwendig synchron. Dabei wird von der herrschenden Literatur auf den Erfolg in seiner „ganz konkreten Gestalt unter Einbeziehung aller zu ihm hinführenden Zwischenglieder“715 abgestellt (sog. konkretisierende Bedingungstheorie),716 da ansonsten – beim von Teilen der Lehre praktizierten Einbezug der heuristischen conditio Formel – andere hypothetische Kausalverintuitives Spekulieren“. Vgl. zur früheren Auffassung der Adäquanztheorie als Kausalitätslehre die Nachweise bei Köck, in: Lübbe (1994) S. 14. 710 Stegmüller will eine „Gesetzesartigkeit“ einer Aussage dann annehmen, wenn diese wesentlich generell ist, d.h. aus rein logischen Gründen keinen endlichen Anwendungsbereich besitzt (vgl. Stegmüller (1983) S. 361; hierzu unter Ablehnung der Diskussionsergiebigkeit für den juristischen Kausalitätsbegriff m. w. N. Röckrath (2004) S. 72). Die in der Wissenschaftstheorie und Philosophie existierende höchst strittige Diskussion der Frage, wie eine bloß akzidentielle Erklärung (akzidentielle Allgemeinheit) von einer gesetzartigen (nomischen Allgemeinheit) Aussage abzugrenzen ist, kann und muss vorliegend allerdings für die Zwecke dieser Untersuchung keine Vertiefung finden. Vorliegend sollen als Gesetze diejenigen nomischen Allsätze angesehen werden, die jeweils für eine unendliche Zahl von Fällen eine Erklärung referieren können (vgl. hierzu Koriath (1994) S. 433). 711 Vgl. hierzu grundlegend Hempel/Oppenheim Philosophy of Science, 15 (1948) S. 135 ff. 712 Vgl. Engisch (1931) S. 17 f., der – als Begründer dieser Theorie geltend – die Frage, was geschehen wäre, wenn ein gegebenes Verhalten nicht erfolgt wäre, gerade nicht zulassen will und damit zumindest den Anschein erweckt, die conditio Formel sei nicht konstitutiv für die Kausalität. So zu Recht L. Schulz, in: Lübbe (1994) S. 54 Fn. 45. 713 Vgl. hierzu nur m. zahlr. Nachweisen Roxin AT I § 11 Rn. 15 sowie Walter LK12 vor § 13 Rn. 73. 714 J. Schulz FS Lackner (1987) S. 39 m. w. N. 715 Roxin AT I § 11 Rn. 21. Vgl. auch Walter LK12 vor § 13 Rn. 79 für die nähere Bestimmung des Begriffs der „konkreten Erfolgsgestalt“. 716 Roxin (AT I § 11 Rn. 21) will hierbei im Anschluss an Jakobs AT § 7 Rn. 14 unter Zuhilfenahme eines Relevanzkriteriums bestimmte Geschehensmodifizierungen als nicht kausal charakterisieren, die für die Art und Weise sowie Zeit und Ort der Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals irrelevant sind.
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
läufe immer denkbar bleiben würden und die Notwendigkeit einer Bedingung daher zur Fiktion würde.717 Gerade wenn eine Ersatzerklärung, die die betreffende Tatsache (das Täterverhalten) nicht enthält, in Betracht kommt, erfordert der exakte Nachweis der Erfolgsnotwendigkeit des zu prüfenden Erklärungsbestandteils die genaue Kenntnis des Kausalverlaufs und seiner Gesetze. Andernfalls ist diese aufwändige Nachweisführung praktisch nicht notwendig.718 Allein vorstehende Zusatzüberlegung kann dem Einwand begegnen, dass ansonsten auch die Theorie der gesetzmäßigen Bedingung angesichts der Intransparenz und Komplexität der Welt bei gleichzeitig beschränkter Erkenntnis des menschlichen Geistes für ihre Operationalisierung bereits abstrakt erhebliche Schwierigkeiten erwarten lässt.719 Genau genommen ist nämlich auch das, was wir unter einer „deterministischen“ Beziehung verstehen, wegen der Uneinsichtigkeit aller Antecedensbedingungen und der Unzahl möglicher Störvariablen nur eine Regularitätsaussage von relativer Gestalt und kann – selbst wenn höchst nahe liegend – nur probabilistischer Couleur sein oder aber – für den Fall, dass man nahezu alle Sachverhaltsumstände in die Formulierung des Ereignisses einfügt – Gefahr laufen, zirkulär zu werden.720 Dennoch ist die Theorie der gesetzmäßigen Bedingung der reinen Äquivalenzformel vorzuziehen, denn sie vermag ausgehend von einem konsistenten Grundansatz und ohne zusätzliche Ad-Hoc Annahmen als naturalistische Vorselektierung möglicher Erfolgsursachen den Boden für eine strafrechtliche Zurechnung mit deren normativen Zusatzüberlegungen bereiten.
717
Vgl. u. a. L. Schulz, in: Lübbe (1994) S. 55. Vgl. hierzu Puppe ZStW 95 (1983) 287, 300. 719 Ein Ansatzpunkt der Kritik an der Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung ist deren danach nur eingeschränkt sinnvoller Anwendungsbereich ihrer Kausalerklärungen in determinierten Bereichen, da nur dort die logische, also „kausale“ Verbindung eine strikte sei (vgl. so bspw. Puppe ZStW 95 (1983) 287, 293 f.). Hierauf wird im Verlauf der Untersuchung noch zurückgekommen (vgl. unten 3. Kapitel § 2 B. II. 4. c)). 720 Nur die probabilistische Zurechnung sei daher ehrlich u. a. Menzies, Philosophy of Science, Vol. 56, No. 4 (Dec., 1989) S. 642, 662; Rolinski FS Miyazawa (1995) S. 483, 495; H. E. Müller FS Rolinski (2002) S. 219 ähnlich aus prozessualer Perspektive H. Weber (1997) S. 181 – offensichtlich von einem nomologischen materiellen Kausalitätsverständnis ausgehend –, wenn er den Kausalitätsbeweis aus prinzipiellen Gründen immer nur als auf Wahrscheinlichkeitsurteilen fußenden Anscheinsbeweis ansieht: „alle Fälle streitiger Kausalität [sind] auf Grund der Multiplizität der sie konstituierenden Einzeltatsachen in diesem Sinne notwendig Anwendungsfälle des Anscheinsbeweises.“ 718
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d) Inus-Theorie Die Inus-Theorie721 geht auf den bedingungsanalytischen Ansatz von John Mackie zurück und versucht auch dem Problem imperfekter Regularitäten mittels einer entsprechend gefassten Kausalitätsformel Herr zu werden. Danach ist ein Faktor A genau dann kausal relevant für eine Wirkung B, wenn A ceteris paribus mindestens ein, wenn auch nicht hinreichender, so nicht redundanter Teil einer nicht notwendigen, aber hinreichenden Bedingung von B ist. Der Faktor A stellt in diesem Fall eine so genannte INUS-Bedingung von B dar, d.h. an „insufficient but non-redundant part of an unnecessary but sufficient condition.“722 Die Menge gegebener Umstände wird durch einen notwendigen Bestandteil vervollständigt zur hinreichenden Mindestbedingung,723 wobei die Operationalisierung einer rückwärts gelesenen c.s.q.n.-Formel gleicht: Wenn nicht die Wirkung B erfolgt wäre, so hätte es auch nicht die Bedingung A gegeben.724 Samson kritisiert daran, dass bereits die Übertragung der Mackie’schen Erkenntnisse auf einen rechtlichen Kausalbegriff wegen dessen differierenden Forschungsansatzes einer sprachanalytischen Untersuchung des Alltagsverständnisses von Kausalität zu hinterfragen sei, und die INUS-Formel im Übrigen mindestens in ihrem ersten Teil überflüssige Trivialaussagen enthalte.725 Lediglich der letzte Teil der INUS-Formel (non redundant part) stelle keine triviale Eigenschaft der INUS-Formel dar, führe aber letztlich auf die condicio sine qua non Formel hinaus. Samsons Kritik fällt daher im Ergebnis vernichtend aus, bedinge die INUS-Formel als Definition überflüs721 Die INUS-Formel entspricht somit dem NESS-Test („Necessary Element of a Sufficient Set“), wie er sich in seiner philosophischen Ausprägung bei Hart/Honoré (1985) S. 111 ff. sowie – übertragen auf das Law of Tort – bei Wright, California Law Review 73 (1985) 1735, 1790 ff. und passim findet. 722 Mackie (1974) S. 62. Die Begrifflichkeit selber geht – wie Mackie (1974, S. 62, Fn. 5) zugesteht – auf einen Vorschlag von D. C. Stove zurück. In der strafrechtlichen Literatur wurde die Formel bislang insbesondere von Kindhäuser ([1989] 86 ff.), Puppe (ZStrR 107 (1990) 141, 151; NK vor § 13 Rdn. 91, 103 ff., 107; dies. (2000) S. 186 f.: „notwendiger Bestandteil einer hinreichenden Mindestbedingung“) und Vogel ([1993] S. 148 ff. „Minimalbedingung“) knapp und in ihren Vorzügen gegenüber der anderen kontrafaktischen Kausalformel, der c.s.q.n., dargestellt. Siehe darüber hinaus kritischer Koriath (1994) S. 419 ff. Vgl. umfassend zur strafrechtlichen Rezeption der INUS-Theorie Binns (2001) S. 73 ff. sowie L. Schulz, in: Lübbe (1994) S. 56 ff. 723 In diesem Zusammenhang wird auch vom sog. NESS-Element (necessary element of a sufficient set) gesprochen, vgl. m. w. N. L. Schulz, in: Lübbe (1994) S. 57 und bereits oben Fn. 721. 724 Mackie (1974) S. 39 unten; siehe hierzu instruktiv L. Schulz, in: Lübbe (1994) S. 57. 725 Vgl. Samson FS Rudolphi (2004) S. 259, 262.
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sige, da für die Feststellung der Kausalität nicht erforderliche und redundante Arbeiten, die noch dazu Missverständnisse ermöglichen. Insgesamt sei sie für die theoretische und praktische strafrechtliche Arbeit gleichermaßen unbrauchbar.726 Auch in der sonstigen Literatur ist die INUS-Theorie infolge ihrer strukturellen Ähnlichkeit zur c.s.q.n. als wenig Gewinn versprechend im Verhältnis zur Bedingungstheorie verbeschieden worden.727 Die Kritik geht jedoch insoweit fehl, als die INUS-Bedingung strukturell die hypothetische Betrachtung der Erfolgswirksamkeit einer Bedingung anders als die c.s.q.n.-Formel durch das Hinwegdenken auf der Ebene der generellen Kausalität, nicht der individuellen Betrachtung vornimmt. Richtigerweise verspricht die INUS-Formel darüber hinaus gerade in Konstellationen sog. überbedingter Erfolge durch ihr Abstellen auf eine hinreichende Mindestbedingung einen theoretischen Vorteil, konkretisiert sie doch das Feld der positiven Begutachtung auf den Bereich dieser hinreichenden Mindestbedingung und ihrer Bestandteile. Dieser konzentriertere Blickwinkel gerät allerdings dann zum Nachteil, wenn er es nicht ermöglicht, eine potentiell gegebene überholende Kausalität durch andere koinzident vorliegende, erfolgswirksame „hinreichende Mindestbedingungen“ auszuschließen. Die INUS-Formel vermag es im Ergebnis nicht, eine neue Definition strafrechtlicher Kausalität zu bieten, sondern erschöpft sich im Wesentlichen in einer Konkretisierung der Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung, welche die Kausalerklärung eines Ereignisses durch Gesetze und deren Antecedensbedingungen erklärt, sprich als Explanans für das Explanandum eben jene „hinreichende Mindestbedingung“ verlangt. Insbesondere in Fällen intransparenter komplexer Strukturen und naturgesetzlich umstrittener Kausationen bietet der Rückgriff auf die Inus-Theorie somit wenig Gewinn im Verhältnis zu den anderen Theorien. e) Zwischenfazit und Operationalisierung im kapitalmarktlichen Kontext Die allgemeinen strafrechtlichen Theorien zum erforderlichen Zusammenhang zwischen Handlung und Erfolg in Form der Kausalität definieren die Handlung als eine notwendige Bedingung. Die INUS-Theorie stützt die Bejahung von Kausalität auf deren Erscheinungsbild als hinreichender Min726
Samson FS Rudolphi (2004) S. 259, 266. Ebenso statt vieler Schünemann LK § 25 Rn. 195. Vgl. differenzierend dagegen L. Schulz, in: Lübbe (1994) S. 61, der nur bei Meidung der der INUS-Formel inhärenten relativistischen Tendenz (Welche Tatsachen zum kausalen Feld, welche zur Inus-Bedingung gehören, bestimme sich im Strafrecht nach dem Bruch der Norm und der daraus resultierenden Verantwortlichkeit als entscheidendem Erklärungsinteresse) einen Fortschritt der Inus-Bedingung gegenüber der herrschenden Kausalformel sähe. 727
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destbedingung zwar begrifflich generell auf das bloße Hinreichen. Allerdings wird die einzelne Handlung erst dann zur INUS-Bedingung, wenn sie als Teil dieser Mindestbedingung notwendig ist. Weitgehend konsentierter Ausgangspunkt – wenn auch nur unter heuristischen Gesichtspunkten für die Anhänger der Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung und bezogen auf generelle Kausalität für die Anhänger der INUS-Theorie – ist die condicio sine qua non. Die Adäquanztheorie wurde vorliegend als an dieser Stelle (Kausalität) fehlplaziert eingeordnet. Die Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung der herrschenden Literatur bzw. ihre Konkretisierung durch die INUS-Theorie soll daher ebenso wie die Äquivalenzformel von Teilen der Rechtsprechung den Ausgangspunkt der hier vorgelegten Untersuchung des Zurechnungszusammenhangs zwischen Manipulationshandlung und Kurseinwirkung bilden.728 Beide Theorien eint ihr Verständnis von Kausalität als einem strikt steten Regularitätsablauf729 eines Ereignisses bestimmter Art auf einen Komplex von Ereignissen oder Zuständen einer bestimmten Art.730 Das Vorgehen verlangt zunächst das Formulieren einer generellen Kausalität i. S. eines Naturgesetzes (Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung) oder einer hinreichenden Mindestbedingung (INUS-Theorie) bzw. ein Hinwegdenken der zu begutachtenden Ursache unter Hinwendung zu den möglichen Alternativursachen (reine Äquivalenzformel), deren Wirkzusammenhänge ebenfalls nur mit Blick auf beobachtbare Regularitäten abstrakt (da ohnehin hypothetisch!) untersucht werden können. In einem zweiten Schritt sind sodann die mit der konkreten (individuellen) Kausalität zusammenhängenden Fragen zu beantworten.731 Die kapitalmarktstrafrechtliche Literatur wendet für die Frage der Kausalität entweder die Äquivalenzformel der Rechtsprechung an732 oder will vereinzelt die Kausalitätsprüfung 728 Dass insoweit an dieser Stelle keine Stellung zu der für die Kausalität grundlegenden, im Rahmen der Äquivalenztheorie aber obsolet werdenden Frage genommen werden kann, nach welchen Kriterien aus einer Bedingungsmenge eine Bedingung zur entscheidenden Ursache eines Erfolges werden soll, ist der Begrenztheit dieser Arbeit geschuldet. 729 Ziethen (2004) S. 81 sieht darin die Fortwirkung der deduktiv-nomologischen Kausaltheorie Mill’scher Prägung. 730 Vgl. prägnant Puppe ZStW 95 (1983) 287, 293. 731 Vgl. zu diesem Vorgehen beispielsweise die Lederspray-Entscheidung des BGH, in: BGHSt 37, 106, 111 ff. (generelle Kausalität) und 126 ff. (konkrete Kausalität); hierzu Hilgendorf Jura 1996, 9, 11. Kritisch bspw. Krüger, in: Lübbe (1994) S. 147, 151, nach dem die epistemische Funktion genereller Aussagen vom Bedeutungsgehalt der zu begründenden Kausalaussage strikt zu unterscheiden ist. Richtigerweise kann nach der Theorie von der gesetzmäßigen Bedingung bereits begrifflich nicht zwischen einer individuellen Kausalität und einem generellen Kausalgesetz unterschieden werden (vgl. so u. a. Günther KritV 1997, 211, 216). 732 Vgl. beispielsweise Arlt (2004) S. 195 (allerdings ohne konkret kapitalmarktrechtliche Reformulierung der Formel); Eichelberger (2006) S. 327 f.; Kutzner WM
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auf die Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung stützen.733 Dabei werden zumeist die Schwierigkeiten im prozessualen Umgang mit der Norm problematisiert, da der Marktpreis vielfältigen Einflüssen unterliege.734 Eine (kritische) Analyse der materiellen Kausalitätserfordernisse selbst auch und gerade für den Kontext des Kapitalmarktes735 findet dabei nicht statt. Die dementsprechend angebotenen Lösungen, wie dem Problem zu begegnen sei, bewegen sich nach der hier vertretenen Auffassung alle in erster Linie auf prozessualer Ebene, da sie versuchen, die materielle Anwendung der condicio sine qua non prozessual für das Kapitalmarktumfeld zu operationalisieren. Allerdings wenden sich die Literaturstimmen vorschnell jenen prozessualen Lösungen zu, ohne vorher die zuvor allgemein herausgehobenen „Multikausationen“ zu analysieren und damit für eine materiell wie prozessuale Suche nach Antworten im Umgang mit dem Erfolgskriterium fruchtbar werden zu lassen. Auch die jedenfalls für obige Kausalitätstheorien signifikant geforderten oder stillschweigend vorausgesetzten Gesetzmäßigkeiten werden dabei zum größten Teil nicht beschrieben oder benannt. Wenn, dann werden sie stillschweigend zwischen einem bestimmten Manipulationsverhalten und einer entsprechenden Markteinwirkung vorausgesetzt, wobei überhaupt nur die informationsgestützten Manipulationen in die Kausalitätsdiskussion einbezogen werden und größtenteils die Makroebene Beachtung findet. Schuldig bleiben die monographischen Bearbeitungen des Problems ebenso wie die Kommentare konkrete Ausführungen zu den vermittelnden Wirkfaktoren736 von der Manipulationshandlung hin zum 2005, 1401, 1407; Schönhöft (2006) S. 159; undeutlich, da ohne Bekenntnis zu einem bestimmten materiellen Kausalitätsbegriff, Maile (2006) S. 184 ff.; Siehe ohne materielle Diskussion der Kausalität Wodsak (2006) S. 76 f., der lediglich die prozessualen Anforderungen des BGH (BGHSt 48, 373 = NJW 2004, 302, 305 „keine überspannten Anforderungen“, vgl. hierzu detailliert unten 3. Kapitel § 2 B. IV. 3. a) bb) (2) (c)) wiedergibt. 733 Vgl. so implizit Hellgardt ZIP 2005, 2000 ff. und ihm folgend Douklias (2007) S. 303 f. (Naturgesetzlichkeiten im Kapitalmarkt). 734 Vgl. so beispielsweise Arlt (2004) S. 196; Degoutrie (2007) S. 207 f. [äußerst oberflächlich]; Park BB 2003, 1513, 1514; Sorgenfrei wistra 2002, 321, 329 f.; Streinz/Ohler WM 2004, 1309, 1316; Tripmaker wistra 2002, 288, 292; Trüstedt (2004) S. 218; Schmitz JZ 2004, 526, 528; Weber NJW 2004, 28, 30. 735 Die Notwendigkeit einer solchen Analyse folgt aber bereits aus dem Umstand, dass ungeachtet des konkreten Einzelfalls eine Norm, welche in einem bestimmten Kontext in ihrem Nachweis unmögliche Voraussetzungen konstituiert und damit unanwendbar ist, bereits abstrakt als nicht geeignete Norm unter dem Gesichtspunkt ihrer Verfassungsmäßigkeit bedenklich sein kann. 736 Eine Kausalkette als Überlagerung mehrerer ausnahmslos geltender Naturgesetze („sum total of conditions“; „[. . .] laws [. . .] bringing about a common effect by their conjunct operation“] beschreibt bereits John Stuart Mill (zitiert nach Ziethen (2004) S. 77).
§ 2 Objektiver Tatbestand
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Einwirkungserfolg als auch eine umfassende Beschäftigung mit den kapitalmarktimmanenten Einflüssen auf eben jene Marktpreise, wie sie sowohl auf der Makroebene als auch auf der Mikroebene zu suchen wären. Bevor sich Kausalitätsaussagen treffen lassen können, ist aber zu untersuchen, ob die Beschaffenheit der in Frage stehenden Erkenntnisgegenstände es erlaubt oder gar nahe legt, bestimmte Arten von Allgemeinaussagen über sie zu treffen.737 Genau genommen können über Kausalität – da nicht beobachtbar – auch im Anschluss immer nur Hypothesen getroffen werden. Diese gelten als wahr, sofern sie „vorhersagemächtig (nicht leer oder tautologisch) und nicht falsifiziert“ sind.738 Daher beschreitet die vorliegende Untersuchung zunächst den Weg, die konstituierenden Einflüsse auf den Marktpreis zu analysieren, um sie anschließend ihrer materiell wie prozessual stimmigen Würdigung im Rahmen einer strafrechtsdogmatischen Kausalprüfung zuführen zu können. 3. Ökonomische Theorien der Börsen- und Marktpreisbildung Obige einführende Betrachtungen zum strafrechtlichen Kausalitätsbegriff der herrschenden Ansicht in der Literatur haben gezeigt, dass jedenfalls, sofern beobachtbare Umstände der Außenwelt Zurechnungserwägungen unterliegen, extrajuristische Annahmen und Gesetzmäßigkeiten der Naturwissenschaften der strafrechtlichen Zurechnung „eine gleichsam ontologische (empirisch-analytische) Grundlage verschaffen sollen.“739 Daran anknüpfend soll daher im Folgenden die Suche nach jenen erfahrungswissenschaftlichen Prämissen im Bereich des Kapitalmarkts durch Analyse der Faktoren der Börsen- und Marktpreisbildung im Mittelpunkt der Ausführungen stehen. Hierbei soll im Seitenblick auf die prima facie einschlägigen ökonomischen,740 aber auch soziologischen741 Wissenschaften nach Regularitätsprinzipien gesucht werden, die etwaig eine klassisch nomologisch-deterministi737
Vgl. Mayntz, in: dies. (2002) S. 7, 19. Vgl. so treffend Wesche, in: Haft u. a. (2001) S. 58, 61. 739 Bernsmann ARSP 1982, 536 m. w. N. 740 Vgl. Röhricht ZGR 1999, 445, 478; Fleischer ZGR 2001, 1, 32 m. w. N. fordert ein „Hin- und Herwandern des Blickes zwischen den beiden Nachbardisziplinen“, wobei „jedes ökonomische Einzelargument auf der juristischen Ebene erneut [zu] überprüfen und dem dogmatischen Zugriff zugänglich [zu] machen“ sei, sofern es vom Juristen als überzeugungskräftig gesehen wird. Die Bedeutung der Ökonomik nicht allein für das Auffüllen juristischer „Leerformeln“ (S. 338) in umfassenden Interessenabwägungen betonend Adams, Ist die Ökonomie eine imperialistische Wissenschaft?, Jura 1984, 337, [343, 348]. 741 Zum interdependenten Verhältnis von Soziologie und Rechtswissenschaft vgl. u. a. Scheppele Annual Review of Sociology, Vol. 20 (1994) S. 383 ff. sowie Naucke (1972) S. 34 ff. 738
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
sche Kausalerklärung stützen könnten.742 Dabei soll mithin keineswegs die gänzliche Vorzugswürdigkeit einer ökonomischen Analyse des Rechts den Ausgangspunkt oder gar Mittelpunkt der Diskussion einnehmen, sondern allein die Notwendigkeit, für einen partiellen Bereich der Wirklichkeit, die Entstehung von Kursen, durch eine Analyse mittels der für diesen Bereich existierenden wissenschaftlichen Untersuchungsmethoden den Boden für Antworten auf Fragen rechtlicher Regulierung zu bereiten.743 742 Hierbei wird – ungeachtet dessen, dass sich der Verfasser in diesem Bereich keine Kompetenz zuschreibt – der eingeschränkte Kausalbegriff, wie er in der Ökonometrie verwendet wird, nicht explizit dargestellt, da er auf Wahrscheinlichkeitsaussagen fußt und daher zunächst an Korrelanzen mit der normativen Zurechnung entbehrt (vgl. aber unten 3. Kapitel § 2 B. II. 4. c) cc) (3)). Beispielhaft sei an dieser Stelle nur die (auf den Nobel-Preisträger Clive W. J. Granger zurückgehende) sog. Granger-Kausalität genannt, nach der eine Variable X für Y kausal sein soll, falls für den Fall einer gleich bleibend gegebenen Informationsmenge bis zum Zeitpunkt t-1 im Zeitpunkt t die Variable Y besser prognostiziert werden kann, als ohne den Einbezug der Variablen X. Vgl. Granger, Econometrica, Vol. 37, No. 3 (Aug., 1969) S. 424 ff. Hierzu Assenmacher (6. Aufl. 2002) S. 292 ff. Möglich ist, dass diese unterschiedlichen Vorstellungen des Begriffs „Kausalität“ in der Ökonomie (probabilistischer Kausalitätsbegriff) und der Jurisprudenz (mehrheitliches Festhalten an einem nomologisch gearteten Kausalitätsbegriff) Missverständnissen Vorschub geleistet haben, die zur starken Position der Markteffizienztheorie als mehrheitlich hinzugezogener Kausalerklärung auch in der Rechtswissenschft geführt haben. 743 Vgl. zur sog. Law and Economics Bewegung und ihrer Kritik umfassend Eidenmüller (2005) S. 323 ff. sowie zuletzt Lüdemann, in: Engel u. a. (2007) S. 8 ff. Siehe ebenda (S. 11 f.) sowie Jolls/Sunstein/Thaler Stanford Law Review 50 (1998) 1471, 1474 zur für die vorliegende Untersuchung gewählten Methodik einer positiv angewandten ökonomischen Theorie, die für die Folgen des geltenden Rechts bzw. seine Anwendung die Ökonomie in die Analyse mit einbezieht, und sich damit vom weiteren Thema der Law and Economics Bewegung, der Postulierung ökonomisch effizienter Rechtsregeln (rechtliche Normen und ihr Einfluss auf Verhalten), unterscheiden lässt. Letztere Strömung stellt jedenfalls, wenn man ihre Aufgabe darin sieht, die Wirkungen neuer Gesetze und Regelungen zu prognostizieren und im Sinne einer Netto-Nutzen-Konzeption in die Rechtsfindung mit einzubeziehen, eine konsequentialistische Rechtsbegründung dar (so van Aaken (2003) S. 309 m. w. N.). Einen derartigen Versuch für die Legitimation der gesamten Kapitalmarktregulierung findet sich (soweit ersichtlich) bei Goshen/Parchomovsky Duke L.J. 55 (2006) S. 711 ff.; grundlegend hierzu Coase „The Problem of Social Cost“, JLE 3 (1960) 1 ff.; Bentham, The theory of Legislation, Principles of the Penal Code, 1864. Bedachtnahme der Einsichten des Kapitalmarktes auf die Einsichten der Ökonomie bei der Rechtsgutsfindung fordernd Bottke, in: Schünemann/Suárez González (1994) S. 114 f. Für ein Beispiel ähnlicher Argumentation im Bereich der zivilrechtlichen Produkthaftung vgl. bei Kuhlen (1989) S. 91. Wirtschaftsstraftäter und insbesondere Kapitalmarktakteure sollen nach Vogel (FS Jakobs [2007] S. 745) besonders weitgehend dem Modell des zweckrationalen Subjekts („REMM“ = resourceful evaluative maximizing man“) nachgehen und daher durch die Regularien stärker beeinflussbar sein. Zur ökonomischen Theorie der Kriminalität vgl. instruktiv statt vieler Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht AT (2. Aufl. 2007) Rn. 31 m. w. N. Das vom Schuldprinzip her normativ bestimmte und auch intuitiv geprägte Strafrecht selbst
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Ungeachtet der jeweils installierten Preisfindungssysteme (Kursmaklersystem; Computerhandel) und damit einhergehenden Verzögerungen und Differenzen, ist der jeweils aktuelle Börsen- oder Marktpreis das kausal beeinflusste744 Ergebnis einer bestimmten Auftragslage als Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage, deren Ursachen hinterfragt werden müssen, will man sie zum Zwischenschritt einer Zurechnung erheben. Die Rechtswissenschaft ist keine reine Wert- und Normwissenschaft, sondern muss in ihrer damit zu konstatierenden Ausformung als Realwissenschaft die soziale Wirklichkeit in die Antworten ihrer Modelle mit integrieren.745 In der Ökonomie ringen vereinfacht gesagt746 zwei Grundansätze um die Vorherrschaft in der Erklärung bestimmter Kursverläufe: zum einen die Theorie der rationalen Wahl (Rational Choice) „mit ihrem wohletablierten, aber gelegentlich realitätsfernen Standardmodell und die Verhaltensökonomik (Behavioral Economics) mit ihren wirklichkeitsnäheren, aber wissenschaftlich weniger gefestigten Verhaltensannahmen.“747 a) Neoklassische Ansätze Zum einen sind hier die als neoklassisch748 zu bezeichnenden, ab Mitte der 50er Jahre geborenen und in den 70er Jahren zur wissenschaftlichen Blüte gelangten Modelle zur Erklärung von Börsen- und Marktpreisen zu ist einer strengen Kosten-Nutzen-Analyse nur äußerst bedingt zugänglich, weshalb sich die ökonomische Analyse im (deutschen) Strafrecht diesbezüglich auch bislang nicht durchsetzen konnte (so mit Recht Safferling ZStW 118 (2008) 682, 698; ähnlich Volk FS Widmaier [2008] S. 987, 990 f. m. w. N.; kritisch auch Albrecht/Braum KritV 1998, 460, 475 f. mit Blick auf allein an ökonomische Effizienzkriterien knüpfende Urteilskritik im Holzschutzmittelfall; vgl. hierzu auch unten 3. Kapitel § 2 B. IV. 3. a) bb) (2) (b)). 744 Zwischen den Anlageentscheidungen selbst, deren Umsetzung sowie Ausführung und dem daraus resultierenden Kurs besteht beispielsweise bei Computersystemen eine naturgesetzlich-determinierte Kausalität (als „Ursachenzusammenhang in der äußeren Natur“ BGHSt 13, 13 [15]); bei zwischengeschalteten Marktintermediären und Kursmaklern stellt sich (allerdings in unterschiedlicher Komplexität wie unten) das Problem der psychischen Kausalität. 745 Vgl. nur van Aaken (2003) S. 335. 746 Dass insoweit für Zwecke der Übersichtlichkeit und Stringenz Vergröberungen vom Verfasser vorgenommen werden mussten, sei zu verzeihen, genügt aber, dem hier interessierenden Anspruch, einer Beleuchtung des ökonomischen Hintergrunds normativer Postulate. Für eine deutschsprachige Darstellung zu den Theorien der Kursbildung sei nur auf Dette (1998) und Klöhn (2006) S. 80 ff. verwiesen. 747 Fleischer ZGR 2007, 500, 503. 748 Vgl. zu diesen Begrifflichkeiten und für eine Gegenüberstellung der beiden Ansätze Shiller, The Financial Review 41 (2006) S. 1 ff. mit dem Titel „Tools for Financial Innovation: Neoclassical versus Behavioral Finance“.
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
nennen, unter Übertragung der wesentlichen Folgerungen der allgemeinen Gleichgewichtstheorie die Verhaltensweisen der Marktteilnehmer in einem nahezu vollkommenen Markt749 ebenfalls als idealiter zu begreifen (Ausgangspunkt des Homo oeconomicus in der Rational-Choice Theory750), was bestimmte soziale Prozesse wie auch ein Marktverhalten kausal erklärbar werden lassen kann. Frühere Versuche, die Kursbildung vom insoweit nur als von marginalem Einfluss betrachteten individuellen Verhalten der einzelnen Marktteilnehmer zu abstrahieren751 und den langfristigen Verlauf des Marktpreises von Aktien – wie die Fundamentalanalyse752 – als oszillierende Bewegung um ihren inneren Wert (intrinsic value) zu begreifen, oder sich wie die technische Analyse753 unter Ausklammerung unternehmensbezogener Faktoren auf eine Analyse des Börsenkurses als objektivem und im Zeitablauf typische Muster aufweisenden Ergebnis zu beschränken, wichen aufgrund der Empirieferne Ansätzen, die das Verhalten der einzelnen Marktteilnehmer stärker in den Fokus nahmen. Die Abkehr von der reinen Analyse statistisch aggregierter systemischer Größen hin zu einer Analyse unter Einbezug aller Ebenen eines Systems lässt gerade deutlich fundamentalere Einsichten in eine Erklärung von Systemverhalten erwarten.754 Die zentrale Rolle im daraus erwachsenen Rational-Choice Ansatz nimmt der Erklärungsbegriff ein, nachdem neben der Beschreibung gesellschaftlicher Zustände auch deren Ursachen in Form von Kausalzusammenhängen entschlüsselt werden sollen.755 749 Der Kapitalmarkt hat – nicht zuletzt durch die künstliche Verankerung bestimmter Marktdeterminanten (wie bspw. der Markttransparenz) – das Potential, jenen Markt zu bieten: Neben der Markttransparenz lässt die Fungibilität der Wertpapiere, aber auch die Anonymität der Marktteilnehmer individuelle Charakteristika der Anleger in den Hintergrund treten, vgl. Dette (1998) S. 1 f. 750 Nachdem der Rational Choice Ansatz zunächst v. a. in den Wirtschaftswissenschaften diskutiert wurde, fand er zunehmend auch Übertragung in andere Bereiche der Verhaltenserklärung. Mit nötigen Ergänzungen (u. a. empirischer Bewährung) wird er von einigen soziologischen Autoren als das bedeutendste Konzept zur Erklärung sozialen Verhaltens bezeichnet, Kunz (2004) S. 31; Esser (Spezielle Grundlagen, 1999), Bd. 1, S. 241 ff.; Schmid (2004) S. 15. 751 Für die parallelen Versuche der explanativ orientierten Soziologie allgemein nomologische Erklärungen in Gesetzen der Makroebene verankert zu sehen vgl. nur die Darstellung bei Esser (1991) S. 40 ff. 752 Jene Börsenpreisbildungstheorie stützt sich zur Bestimmung des intrinsischen Wertes eines Finanzinstrumentes im Wesentlichen auf unternehmensbezogene (betriebliche) und branchenbezogene Daten. Vgl. zur Fundamentalanalyse nur Dette (1998) S. 7 f., 24 ff., 62 f., 174. 753 Vgl. nur Dette (1998) S. 41 ff.; Papachristou (2006) S. 35 f. 754 Siehe hierzu van Aaken (2003) S. 67. 755 Vgl. Kunz (2004) S. 21. Das Standardschema für Erklärungen („H/OSchema“) von Hempel/Oppenheim (Studies in the Logic of Explanation, Philosophy of Science, 15 (1948) S. 135 ff.) geht dabei auf das (parallel bereits der juristischen
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Das Geschehen auf der Makroebene Markt (Kursbildung) wird danach als komplexes Ergebnis des Verhaltens der auf der Mikroebene beteiligten Personen verstanden, welche allerdings idealiter handeln. Im Wesentlichen wird hier davon ausgegangen, dass das Individuum unter rationaler Aufarbeitung der ihm zur Verfügung stehenden optimalen Informationslage und individueller Erwartungen756 zielgerichtet, d.h. Nutzen maximierend eine Bewertung der möglichen Handlungskonsequenzen nach deren Kosten und Nutzen vornimmt.757 Lehre der gesetzmäßigen Bedingung zugrunde liegende) Prinzip deduktiv-nomologischer Erklärungen (daher auch als „DN-Modell“ bezeichnet) zurück und beschreibt die Erklärung eines Explanandums, wenn sich dieses logisch aus dem Vorliegen des Explanans (gebildet aus den zwei Komponenten Antecedensbedingungen und den allgemeinen Gesetzmäßigkeiten) ergibt. 756 Über die Einpreisung dieser Erwartungen sorgt der Kapitalmarkt also für eine Kapitalisierung von Erwartungen und Hoffnungen. Vgl. hierzu 2. Kapitel § 1. 757 Jene in vielen Studien zur Kursbildung vereinfachend bzw. ausdrücklich als Grundmodell besprochene reine Homo-Oeconomicus-Annahme ist allerdings in der sozialwissenschaftlichen Rational-Choice Theory (insbesondere der sog. Institutionenökonomik; vgl. hierzu überblicksweise Erlei/Leschke/Sauerland [2. Aufl. 2007] sowie Richter/Furubotn [3. Aufl. 2003]) inzwischen bereits als überkommen zu betrachten und wird wenn überhaupt nur in wenigen Kontexten noch in ihrer Reinform als Erklärung herangezogen. Konzepte der begrenzten Rationalität (Bounded Rationality; vgl. hierzu u. a. Simon Models of Man, NY 1957 in Katona (1984) S. 520 ff.; hierzu kritisch (wegen der fehlenden Thematisierung konkreter Einzelabweichungen Eidenmüller JZ 2005, 216, 218; siehe hierzu auch Dette (1998) S. 156 ff.; sowie den fiktiven Dialog eines Ökonomen und eines Biologen bei Hammerstein, in: Gigerenzer/Selten [2001] S. 71 ff.) wie beispielsweise jenes des RREEMM – Resourceful, Restricted, Expecting, Evaluating and Maximizing Man – (hierzu Lindenberg Sociological Theory, Vol. 3, No. 1 (Spring, 1985) S. 99 [100 ff.] sowie Esser Allgemeine Grundlagen [1999] S. 245 ff.) befinden sich als Weiterentwicklung des Rational-Choice Ansatzes dagegen im Vordringen und bewegen sich mit ihrem weitestgehenden Einbezug „soziologischer Erklärungen und den Ergebnissen der biologischen Anthropologie“ (Esser Allgemeine Grundlagen [1999], S. 245), insbesondere der begrenzten kognitiven menschlichen Fähigkeiten (Selten, in: Gigerenzer/Selten [2001] S. 14: „Fully rational man is a mythical hero [. . .] Human beings are in reality very different. Their cognitive capabilities are quite limited.“) in Richtung auf die Annahmen der Behavioral Finance. Unterscheiden lassen sie sich von dieser noch deshalb, da sie in ihrem Grundansatz zwar berücksichtigen wollen, dass Akteure in Entscheidungssituationen hinsichtlich ihres Wissens sowie ihrer Kapazitäten kognitiv beschränkt sind, letztlich aber dennoch die Maximierung des subjektiv erwarteten Nutzens anstreben. Der Grundgedanke des Homo Oeconomicus ist damit einer der wesentlichen Angriffspunkte der Rational-Choice Theorien geblieben. „Wissenschaftslogisch“ soll nach Kirchgässner (2000, S. 18) das dem ökonomischen Verhaltensmodell zugrunde liegende Rationalitätsaxiom aber weiterhin „für die Sozialwissenschaften einen ähnlichen Stellenwert haben wie das ‚Kausalitätsprinzip‘ in den Naturwissenschaften“; vgl. ders. a. a. O., S. 27 ff. m. w. N. zu Modellen der Bounded Rationality und der Kritik am reinen Modell eines Homo Oeconomicus („Paleo Homo Oeconomicus“) sowie ders. (2008) S. 87 ff. mit einem Überblick der
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
Eng auf die Kernannahme des Rational-Choice Ansatzes bezogen und damit zugleich eine fruchtbare mögliche Parallele zur Erklärung von Marktverhalten758 bietet m. E. das handlungstheoretische Modell des sog. Methodologischen Individualismus. Nach diesem eine Grundlage ökonomischer Analysen des Rechts bildenden Modell wird die Erklärbarkeit allen Wissens um soziale Phänomene, Institutionen und Mechanismen der Makroebene im individuellen Handeln, den subjektiven Einstellungen, Dispositionen und den Interessen des Einzelnen gesucht.759 Dabei werden die sozialen Tatsachen nicht allein als reine Aggregationen individuellen Verhaltens angesehen, sondern auch als Resultate von spezifischen Interdependenzstrukturen.760 Eine berühmte Visualisierung dieses Ansatzes findet sich in der sog. „Colemanschen Badewanne“.761
Makroebene (soziale Phänomene)
Soziale Situation
Kollektives Explanandum Indirekter Effekt
Logik der Situation
Mikroebene (Individuen, kollektive Akteure)
Definition der Situation (Situationswahrnehmung)
Logik der Aggregation
Logik der Selektion
Akteurshandlung Entscheidung
Modell des Makro-Mikro-Makro-Übergangs nach Coleman (dt. Übersetzung 1991), S. 10 u. 13
Modellanwendung in den Sozialwissenschaften. Für eine Gegenüberstellung der „engen“ „klassischen“ Variante des Rational Choice Ansatzes gegenüber den „weiten“ „modernen“ Modellen siehe instruktiv und m. w. N. Mayerl (2008) S. 153 ff. sowie van Aaken (2003) S. 82 ff. 758 Die Preisbildung in Märkten als eben jenes Phänomen der Makroebene, beeinflusst durch die einzelnen Marktakteure auf der Mikroebene beschreibt Coleman (dt. Übersetzung 1991) S. 15 f. Vgl. auch die Unterscheidung Habermas’ (1981) in jene makro-soziologische Ebene der Systeme, der er auch den Markt zuordnet, sowie der mikro-soziologischen Ebene der „Lebenswelten“ (Begriff geht zurück auf Alfred Schütz; vgl. hierzu nur Esser (1991) S. 12 ff.) des einzelnen Individuums – hierzu Esser (Spezielle Grundlagen, 1999) S. 607 ff. 759 Vgl. statt vieler Assmann, in: ders./Kirchner/Schanze (1993) S. 17, 51 f.; siehe auch bei Eidenmüller (2005) S. 178 Fn. 16, der in diesem Zusammenhang die „Präferenzautonomie“ des Einzelnen betont. 760 Vgl. Haller (2003) S. 311 ff. Für die Interferenzen zwischen Mikro- und Makroebene aus psychologischer Sicht vgl. Bar-Tal, in: Van Lange (2006) S. 341, 343 ff. 761 Für eine ähnliche Visualisierung vgl. neben den Abbildungen in Coleman (dt. Übersetzung 1991) S. 10 u. 13 statt vieler Lüdemann, in: Müller/Schmid (1998) S. 157, 158 sowie van Aaken (2003) S. 81.
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Die Akteure auf der Mikroebene nehmen bestimmte Situationen der Makroebene je nach ihren persönlichen Ressourcen (vorhandenes Kapital; eigene Informationslage etc.) und Restriktionen (sog. „constraints“; wiederum Kapital; bestimmte zeitliche Zwänge etc.) als Handlungsbedingungen wahr, wodurch diese zu Bestimmungsfaktoren auf der Mikroebene werden (Logik der Situation762). Wie diese Wahrnehmungen, Bewertungen und anderen individuellen Variablen zur Selektion einer bestimmten Individualhandlung führen, sucht die jeweilige Handlungstheorie zu klären (Logik der Selektion).763 Nach dem u. a. von Coleman für sein Modell des Makro-MikroMakro-Übergangs herangezogenen Rational-Choice Ansatz wählen die Akteure die letztlich ausgeübte Handlungsalternative zielgerichtet,764 nutzenmaximierend765 und rational766 aus. Ihr Akteurshandeln („choices“) wirkt sich nunmehr je nach bestehenden Transformations- oder Aggregationsregeln (Logik der Aggregation) auf die Makroebene aus. Transformationsoder Aggregationsregeln können bezogen auf den Kapitalmarkt beispielsweise bestimmte Schwellenwerte an Transaktionsvolumina sein, die für eine messbare Kurseinwirkung nötig sind. Wird nunmehr die soziale Situation auf der Makroebene verändert (hier das unmittelbare Einwirken auf Kurse durch handelsgestützte Manipulationshandlungen), so führt dies über die Wahrnehmung auf der Mikroebene des einzelnen Marktakteurs zu einer dementsprechenden mehr oder minder rational geprägten, wegen des Scheinmarkttrends aber fehlerhaften Handlungsweise, die sich wiederum auch im Zusammenspiel mit dem kontingenten Verhalten anderer Marktteil762 Jene auch Brückenprinzipien genannte Randbedingungen der Vermittlung zwischen den Strukturen der Makroebene und dem Handeln auf der Mikroebene bilden genau genommen eine Ergänzung des Rational Choice Ansatzes um eine Systemoder Strukturkomponente aus (ebenso Münch, in: Müller/Schmid [1998] S. 79). 763 Vgl. Kunz (2004) S. 27 f. 764 Vgl. Coleman (dt. Übersetzung 1991) S. 16 ff. 765 Von einem „subjektiv erwarteten Nutzen“ wird gesprochen, wenn die Ergebnisse des Handelns unsicher sind. Vgl. hierzu Kunz (2004) S. 32; S. 36 ff. (für eine Darstellung des Rational Choice Ansatzes). 766 Zur Geltung des eng mit dem Modell des methodologischen Individualismus verwobenen Rationalitätsaxioms des homo oeconomicus als zweiter Grundlage der Ökonomischen Analyse des Rechts vgl. nur Assmann, in: ders./Kirchner/Schanze (1993) S. 17, 52. Der Rational Choice Ansatz mit dem ihm zugrunde liegenden Wahlmuster der Nutzenmaximierung stellt indes nur eine Erklärung sozialen Handelns dar. Für weitere Modelle und Verfeinerungen (SEU (subjective expected utility)-Modell, Marginalanalyse etc.) vgl. nur Kunz (2004) S. 35 ff. Die kognitiv-rationale Sozialtheorie Coleman’s verzichtet im Übrigen anders als andere soziologische Theorien auf eine psychologische Fundierung (vgl. Haller [2003] S. 310). Sie eignet sich daher besonders im Rahmen der hier verfolgten typisierend vergröbernden Darstellung möglicher Erklärungsmodelle des Kapitalmarktverhaltens anhand des Rational Choice Ansatzes, aber auch – unter Einbezug psychologischer und soziologischer Erklärungen – jenen behavioristischer Couleur.
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nehmer auf die Makroebene in Form nunmehr resultierender Marktpreise niederschlägt.767 Informationsgestützte Manipulationshandlungen wirken dagegen sogleich auf der Mikroebene ein, da sie unmittelbar und individuell (nur jene sind betroffen, die Zugang zu jenen Informationen hatten und sie aufgenommen haben) die Informationslage als Ressource und Grundlage der rationalen Handlung des Marktakteurs beeinflussen. Im Übrigen läuft der Kausationsprozess hinsichtlich der Makroebene entsprechend dem oben geschilderten Weg ab. Eine Adaption des Rational-Choice Gedankens und gleichzeitig wichtigste Ausformung neoklassischer Erklärungsmuster der Ökonomischen Wissenschaften für die Kursbildung ist die Kapitalmarkteffizienztheorie [Efficient Capital Market Hypothesis768 (ECMH) oder Effizienzmarkthypothese], nach deren empirisch in der Tendenz belegbaren Kernaussage sich alle öffentlich zugänglichen Informationen in kürzester Zeit nach ihrem Bekanntwerden auf der Makroebene, im Börsen- oder Marktpreis, abgebildet finden, wobei die umgehende Informationsverarbeitung durch den professionell informierten Handel (als Teilnehmer der Mikroebene) vorgenommen wird. Die Effizienzhypothese geht dabei davon aus, dass von den Marktteilnehmern anhand aller verfügbaren Informationen769 unverzerrte Prognosen über den künftigen Wert des jeweiligen Instrumentes getroffen werden und – sich ohnehin gegenseitig ausgleichende – Fehlpreisungen allein als Folge der objektiven Unsicherheit über die wirtschaftliche Entwicklung zu sehen sind.770 Nach Fama771 sind hierbei drei unterschiedliche Grade an Informa767 Mit dem Phänomen, dass jene aufgrund Rational Choice getroffenen Handlungen nunmehr direkte Rückwirkungen auf die Entscheidungen anderer beteiligter Akteure haben, beschäftigt sich die Spieltheorie (hierzu Riechmann [2008] S. 18 ff., 63 ff. und passim; Sieg [2005] S. 103 ff.). Nachdem der hiesigen Untersuchung lediglich an der Interdependenzbeziehung von Manipulation und erster Kurseinwirkung liegt, soll hierauf nicht weiter eingegangen werden. Für die Kurseinwirkung kommt es zwar u. U. auf ein gleichgerichtetes Verhalten als Aggregationsbedingung für eine Kurseinwirkung an. Nicht erforderlich und im Regelfall auch nicht annehmbar ist dagegen, dass diese verschiedenen Mikroebenenentscheidungen bereits interdependent sind. Interdependenz tritt im hier interessierenden Kausationsbereich dagegen beim koinzidenten Auftreten von sich gegenseitig aufhebenden, positiven und negativen Informationen auf (vgl. hierzu kurz Papachristou [2006] S. 196 sowie unten 3. Kapitel § 2 B. IV. 2.). 768 Vgl. nur Fama Journal of Finance 25 (1970) 383, 384. Vgl. hierzu die Darstellung bei Klöhn (2006) S. 84 ff. in welcher auch die stützenden Untertheorien der klassischen Finanzierungstheorie (Subjective Expected Utility Theory, Rational Expectations Theory und Bayes’ Gesetz über die Aktualisierung von Erwartungen im Lichte neuer Informationen) Beschreibung finden. 769 Effizienzsystematisch geht sie also von einer semi-strengen Informationseffizienz auf den Märkten aus (siehe hierzu bereits oben 2. Kapitel § 1. 770 Vgl. nur Klöhn (2006) S. 89.
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tionseffizienz möglich: Bei der strengen Form der Informationseffizienz reflektieren die Marktpreise sämtliche Informationen (d.h. auch nicht öffentlich verfügbare Informationen wie Insiderwissen). Die semi-strenge Form geht dagegen davon aus, dass nur die öffentlich verfügbaren Informationen in den Preisen enthalten sind, wohingegen in schwach effizienten Märkten die Preise allein sämtliche Informationen historischer Preise widerspiegeln. Die Theorie der Markteffizienz geht damit sowohl von einer Aufnahme der Informationen, als auch ihrer entsprechend unmittelbaren Einpreisung durch die Transaktionsentscheidungen im Markt aus. Bezogen auf die wichtigsten Interaktionen772 im Zusammenhang mit Marktmanipulationen, die nach Ansicht des Verfassers in all ihren Tatbestandsvarianten (informationsgestützte Manipulation, handels- (und handlungs)gestützte Manipulation) als Tathandlung unmittelbar oder mittelbar Täuschungscharakter besitzen müssen,773 kann diese Theorie wichtige Erklärungsmuster bieten. Handelsgestützte Manipulationen, d.h. die Einwirkung auf das Angebot oder die Nachfrage eines bestimmten Finanzinstrumentes, wirkt sich – sofern die Aggregationsvoraussetzung eines entsprechend hohen Auftrags/Geschäfts erfüllt ist – unmittelbar auf der Makroebene aus. Die Höhe des zur Erzeugung eines entsprechenden Preisdrucks erforderlichen einzelnen Transaktionsvolumens hängt entscheidend davon ab, wie elastisch sich Angebot und Nachfrage darstellen, d.h. ob genügend ähnliche „Ersatzfinanzinstrumente“ für das betreffende Finanzinstrument vorhanden sind. Eine einfache Automatik – „Nachfrage erhöht sich durch Käufe, Verkäufe weiten das Angebot“ – simplifiziert die Komplexität des Verhältnisses von Handelsaktivitäten und Börsenkurs.774 Auf der Basis der Substitutions-Hypothese, nach der es für jedes Wertpapier einen Ersatz insofern gebe, als Papiere mit ähnlichen Rendite- und Risikocharakteristika entweder direkt am Kapitalmarkt zu finden seien oder sich durch eine Kombination existierender Papiere konstruieren ließen, lösen Handelsaktivitäten in vielen Fällen daher allein durch ihre Beeinflussung von Angebot und Nachfrage noch keine Preiswirkung aus.775 Stützung wi771 Vgl. Fama Journal of Finance 25 (1970) 383, 388 ff. Hierzu instruktiv Schmies, in: Engel u. a. (2007) S. 167. 772 Der Gebrauch des Wortes Interaktion – eines Grundbegriffs der Soziologie und impliziter im Klassifikationsbegriff der Kommunikation auch und vermehrt wieder der Philosophie (genannt sei Habermas’ Theorie des kommunikativen Handelns) – erfolgt in dieser Arbeit allein in ihrer allgemein konsentierten Bedeutung als Beeinflussung. Vgl. die gleiche Begriffswahl bei Koriath (1988) S. 205. 773 Vgl. hierzu ausführlich oben 3. Kapitel § 1 B. 774 Ebenso Fischel/Ross Harvard Law Review 105 (1991) 503, 513; Lenzen (2000) 34; a. A. u. a. Eichelberger (2006) S. 328 f., der folgerichtig die direkte Preisbeeinflussung durch handelsbezogene Manipulationen (market impact) auch in ihrem Nachweis als einfach bezeichnet.
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derfährt diese These auch mit dem Argument, dass wenngleich prinzipiell gerade in umsatzstarken Finanzinstrumenten genügend transaktionsbereite Käufer oder Verkäufer vorhanden sind, diese nicht immer präsent sein müssen. Entsprechendes gilt für umsatzschwache Finanzinstrumente. Gleichzeitig können derartige handelsgestützte Verhaltensweisen allerdings auch durch den Informationswert ihres Ordervolumens auf andere sie wahrnehmende Marktteilnehmer wirken, wodurch sie doppelten Marktpreiseinfluss erlangen können.776 Aus bestimmten Transaktionen wird je nach (marktbezogen) relativer Größe der Transaktion der Eindruck gewonnen, hinter den Transaktionen müsse, auch wenn die Investoren nicht bekannt sind, eine Information stecken (größere Verkäufe deuten auf eine negative Information hin, Käufe auf sich abzeichnende oder vorhandene positive Informationen).777 Eine Reihe von empirischen Untersuchungen kommt sogar zu dem Ergebnis, dass sich Preisbewegungen bei handelsgestützten Manipulationen eher auf die Informationseffekte als auf den Preisdruck zurückführen lassen dürften.778 Bei den informationsgestützten (und handlungsgestützten)779 Manipulationen – die wegen ihrer Zwischenschaltung weiterer Anleger als mittelbare Beeinflussung anzusehen sind – wirkt sich entsprechend obigem Modell jedenfalls eine falsche Ad-Hoc-Meldung (Tathandlung nach § 20a I 1 Nr. 1 WpHG) danach (unter einer ceteris paribus Annahme) automatisch in einen unwahren Marktpreis aus, ohne dass es auf einen konkreten Nachweis der Informationsflüsse und ihrer Motivationswirkung ankäme. Auch die Kurswirkung einer unterlassenen Ad-Hoc (unterlas775 Vgl. Lenzen (2000) S. 34 f. mit umfangreichen Nachweisen aus der ökonomischen Theorie. 776 Vgl. Weber NZG 2000, 113, 114. 777 Denkbar wäre den Einbezug dieser Informationseffekte als Grundlage von Anlageverhalten bereits als bloße Heuristik zu charakterisieren, die mehr dem psychologische Effekte mit einbeziehenden Erklärungsmodell der Behavioral Finance (hierzu sogleich) entsprechen. Allerdings kann der Einbezug von konkludenten Informationsinhalten auch im Rahmen rationalistischer Modelle damit erklärt werden, dass hinter den Transaktionen Insiderhandel vermutet wird oder einfach nur i. S. eines early momentum trading (oder „rationalem Herdenverhalten“; vgl. hierzu umfassend Fn. 811) gehandelt wird. 778 Vgl. Lenzen (2000) S. 39 m. w. N. 779 Bei diesen findet der kapitalmarktlich erhebliche Einfluss der zuvor manipulierten Unternehmensdaten durch deren Informationsgehalt und entsprechende Anlegertransaktionen statt. Dementsprechend stellen sich Kausalitätsprobleme in diesen gestreckten Kausalverläufen (zunächst Manipulation der Unternehmensdaten durch tatsächliche Handlungen; Vermittlung der Daten bis hin zu den kurserheblichen Transaktionsentscheidungen anderer Anleger) in erster Linie parallel zu denen der sonstigen informationsbezogenen Manipulationen. Richtigerweise könne diese nicht unter die aktuelle Fassung des § 20a I 1 WpHG subsumiert werden (vgl. oben 3. Kapitel § 2 A. III. 2. b) cc)).
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sene Ad-Hoc nach § 15 I WpHG ebenfalls im Rahmen der Unterlassungsvariante des § 20a I 1 Nr. 1 WpHG) Tathandlung ließe sich auf diese Weise unter Rückgriff auf die modifizierte Bedingungstheorie (Quasikausalität), aber auch die Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung als (ausgebliebener) Regularitätsablauf erklären. Erste Probleme ergeben sich hier bereits für Gerüchte als Angaben i. S. d. § 20a I 1 Nr. 1 WpHG, da fraglich ist, wie ein rationaler Anleger auf diese Angaben, die Tatsachen nur als implizite Vermutungen enthalten, reagiert. Abseits der Frage nach dem empirischen Beweis jener Modellannahmen der Markteffizienztheorie780 insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt erheblicher Schwierigkeiten für eine ceteris paribus Annahme in den „avanciert globalisierten“781 Kapitalmärkten, sieht sich allerdings jeder, der auf dem Rationalitätsaxiom aufbauende ökonomische Modelle zum Ausgangspunkt deterministischer Zurechnung erküren und gleichzeitig Erkenntnisse der Verhaltenspsychologie ausklammern will, dem Vorwurf einer verkürzten Interdisziplinarität782 ausgesetzt. Zu unterscheiden ist bereits eine in empirischen Studien antreffbare erheblich unterschiedliche Kurswirkung je nach Informationsereignis.783 Schwierigkeiten ergeben sich zudem ganz konkret bereits aus den verschiedenen Kontexten, in denen unterschiedlichste Finanzinstrumente gehandelt werden: Dax- und Blue-Chip-Werte mögen jenen Modellen in ihren Kursverläufen noch am ehesten entsprechen; wendet man sich indes wenig liquiden Werten, die noch dazu vielleicht nur an bestimm780 Dieses Minus an Realismus durch die Annahme empirisch nicht haltbarer Annahmen – obgleich wissenschaftstheoretisch problematisch – getreu dem Motto „Modelliere so einfach wie möglich und so realistisch wie nötig!“ (Esser [Allgemeine Grundlagen, 1999] S. 140) lässt sich gerade in der Ökonomie als Spielwiese der Exemplifizierung soziologischer Handlungstheorien beobachten (siehe mit gleichem Befund und w. N. Mayerl [2008] S. 14). Siehe zu den empirischen Problemen des Rational Choice Ansatzes ferner auch 3. Kapitel § 2 B. II. 3. b). 781 Vogel FS Jakobs (2007) S. 731, 745. 782 Ohne auf diese Problematik weiter einzugehen, soll hier dem aus den Unsicherheiten der Zuhilfenahme anderer Sozialwissenschaften (Soziologie, Psychologie) folgenden Ruf nach einer Autonomie des Rechts (vgl. bspw. Fezer JZ 1988, 223, 228 in seiner Ablehnung einer Beiziehung des Homo Oecomomicus Gedankens in das Recht) jedenfalls partiell insofern eine Absage erteilt werden, als es unmöglich ist, Recht wider oder ohne Anerkennung unsteuerbarer soziologischer Fakten und psychologischer Mechanismen zu setzen (entsprechend für eine Verhaltenstheorie des Rechts Wesche, in: Haft u. a. [2001] S. 58 ff., der sich gegen das von ihm als unter Juristen verbreitetes „Irrelevanz-Verdikt“ gegenüber Tatsachenwissenschaften wendet). Andernfalls droht das Recht mangels Verankerung in der Wirklichkeit der Unbedeutsamkeit anheim zu fallen. Vgl. zum Problem der Effektivität und der Unwirksamkeit von Gesetzen u. a. bereits Blankenburg ARSP 53 (1977) 31 ff. 783 Vgl. bspw. Oerke (1999) S. 196 zur empirisch geringen Marktwirkung (sog. Informationsklasse mit geringer Marktwirkung) der Ad-Hoc Meldungen zu Personalveränderungen und Kooperationsvereinbarungen.
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ten Regionalbörsen gehandelt werden, zu, müssen die Kursverläufe gerade nicht das an sich vorhandene Informationsbild widerspiegeln.784 Darüber hinaus können für die Frage des regelmäßig anzutreffenden Zeitraums zwischen informationeller Kundgabe und ihrer Adaption durch den Markt in Form entsprechender Kursausschläge wenn überhaupt nur statistische Häufigkeiten, indes keine profunden Gesetzmäßigkeiten identifiziert werden.785 Letztlich sollte die wissenschaftliche Annahme des Homo oeconomicus und des Rational-Choice Axioms indes in ihrem grundsätzlichen Wert nicht unterschätzt werden, der ihr als wissenschaftlicher Abstraktion für die Erklärung Makroebenen-spezifischer Ereignisse durch Mikroebenenfaktoren zukommt. Dass sie in Einzelfällen unrealistisch sein und daher dort prima facie als gänzlich widerlegbar erscheinen mag, darf schon mit Blick auf ihren Modellcharakter zur Beschreibung der spezifischen Mikro-Makroebenenrelationen nicht zu einem gänzlichen Verwerfen des Modells an sich leiten.786 Indes sollte es die Annahme kräftigen, dass dem Modell für die weitere Untersuchung jedenfalls kein Dogmencharakter zukommen darf. b) Behavioral Finance Gerade dem Vorwurf verkürzter Interdisziplinarität will die – spätestens mit der Verleihung des Wirtschaftsnobelpreises an einen ihrer Hauptvertreter, Daniel Kahnemann787 – zum etablierten Methoden-Kanon der Wirtschaftswissenschaften gehörenden Forschungsrichtung der behavioral economics (oder behavioral finance) entgehen.788 Sie untersucht die neoklassi784 Vgl. hierzu die empirische Studie bei Röder zfb 2000, 567, [590] und die methodischen Anmerkungen hierzu bei Kaserer/Nowak zfb 2001, 1353 ff. mit Replik Röder zfb 2001, 1357 ff. 785 Vgl. hierzu bspw. Röder (1999) S. 87; Schander/Lucas DB 1997, 2109, 2111; Gebhart/Entrup/Heiden ZBB 1994, 308 ff. (S. 327 [Fazit]: „nicht [als] statistisch gesichert“). 786 Vgl. ebenso hierzu nur Kirchgässner (2000) S. 28; Wesche, in: Haft u. a. (2001) S. 58, 60. 787 Vgl. hierzu und zur sehr positiven Bewertung der interdisziplinären Richtung der Behavioral Finance aus dem Blickwinkel der psychologischen Motivationsforschung Frey, in: Van Lange (2006) S. 421. 788 Vgl. grundlegend mit ihrer „Prospect Theory“ Kahneman/Tversky Econometrica 47 (1979) S. 263 ff. (abgedruckt u. a. in Kahneman/Tversky [2000] S. 17 ff.); Shefrin (2002); Shleifer (2000) S. 16 ff.; eine umfassende Zusammenstellung von Beiträgen findet sich in Kahneman/Tversky (Hrsg.) (2000). Einen Überblick über die Entstehungsgeschichte bieten Barberis/Thaler, in: Thaler (2005) S. 1 ff.; Fleischer FS Immenga (2004) S. 575, 576 ff.; Klöhn (2006) S. 81 ff.; Schmies, in: Engel u. a. (2007) S. 168 ff. Zur Kritik: gegen die Verwerfung des Gedankens der Markteffizienz wegen empirisch festgestellter Anomalien Fama Journal of Financial Economics Bd. 49 (1998) S. 283 ff. u. passim (S. 284: „My answer is a solid no,
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schen Annahmen auf ihre empirische Validität, wobei ihr Ziel das Formulieren theoretischer Erklärungen ist, die den auf der Mikroebene anzutreffenden Entscheidungen und den auf der Makroebene beobachtbaren Erscheinungen besser entsprechen als jene neoklassischen Konzepte. Anders als letztere greift sie verstärkt die Prozesse menschlicher Präferenzbildung und Informationsverarbeitung auf.789 Anhand empirischer Studien790 und der aus diesen herausgelesenen Marktanomalien,791 aber auch bekannter (insbesondere kognitions-)psychologischer und soziologischer Erkenntnisse werden die modelltheoretischen Annahmen der Markteffizienztheorie, insbesondere der Ansatz des rationalen Anlegerverhaltens als hinzuzuziehender Entscheidungs- und Handlungstheorie angezweifelt.792 Das Anlageverhalten jedes for two reasons“, insbesondere dem Vorwurf einer unklaren Alternativhypothese und dem Abtun der Behavioral Finance als bloßer „anomalies literature“ (S. 284)); ebenso Lüdemann, in: Engel u. a. (2007) S. 22 f.; Ross (2005) S. 66: „at present, behavioral finance seems to be more defined by what it does not like about neoclassical finance than what it has to offer as an alternative.“ Shiller Financial Review 41 (2006) 1, 7 will dagegen in der Kombination beider Modelle die Möglichkeit zur Rettung der Markteffizienztheorie erblicken: „By putting the neoclassical model into its correct perspective, it becomes possible to apply that model much more constructively.“ Ders. bietet überdies in The Journal of Economic Perspectives 17 (2003) S. 83 ff. [S. 83 ff. zum ECMH und seinem Höhepunkt in den 70er Jahren, S. 90 ff. zur Behavioral Finance seit den 90er Jahren] einen ausgezeichneten Überblick über die geschichtliche Entwicklung der beiden Theorien. Ein Spiegelbild der inzwischen enormen praktischen Bedeutung der Behavioral Finance bietet allein der Blick in die unübersehbare populärwissenschaftliche Literatur von Aktienratgebern und Anlagestrategien. 789 Vgl. zu diesem Gegensatz zu – insoweit stark vereinfachenden – Rationalitätsmodellen Fleischer FS Immenga (2004) 575, 576. 790 Vgl. beispielhaft Flemisch (2006) S. 257 ff.; zu Nachweisen zahlreicher empirischer Studien vgl. nur Klöhn (2006) S. 90 ff., 259. Für Deutschland sei daneben nur auf die umfangreichen Forschungsarbeiten des interdisziplinären „Sonderforschungsbereichs 504 – Rationalitätskonzepte, Entscheidungsverhalten und ökonomische Modellierung“ und der Behavioral Finance Group des Lehrstuhl für ABWL, Finanzwirtschaft, insb. Bankbetriebslehre der Mannheimer Universität (von Shefrin – einem Mitbegründer der Behavioral Finance – im Übrigen in seinem Werk Beyond Greed and Fear [2002] S. ix ausdrücklich hervorgehoben). 791 Vgl. zu entsprechenden empirischen Studien beispielhaft zur Mean-ReversionEigenschaft, dem Size-Effekt sowie Kalendereffekten Flemisch (2006) S. 184 ff. (zusammenfassend S. 380). 792 Ein wichtiger Vertreter der Behavioral Economics, Richard Thaler, legte seine Kritik an dem Rationalitätsaxiom der ECMH in einem Gleichnis nieder: „A drunk walking through a field can create a random walk, despite the fact that no one would call his choice of direction rational.“ (Thaler Financial Analysts Journal 56(6) (1999) S. 12 [14]) Alles andere als eine „Behavioral Finance“ sei angesichts der Vorgänge der menschlichen Realitäten irrational (ebenda, S. 16). Angezweifelt wird darüber hinaus mit Blick auf die Orientierung menschlichen Verhaltens an Fairnessmotiven und Reziprozitätsvorstellungen auch die Eigennutzannahme der
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
Marktakteurs als Grundlage makroökonomischer Effekte könne nur individuell anhand seiner persönlichen Eigenschaften und der Ursachen seiner möglicherweise ökonomisch unverständlichen (und damit nach traditioneller Diktion „irrationalen“), aber psychologisch nachvollziehbaren Entscheidungen als Ergebnisse eines komplexen Prozesses der kognitiven Informationsaufnahme und -verarbeitung793 erklärbar werden (sog. Investor Psychology)794. Einfache Erklärungsmodelle einer klassischen Stimulus-ResponsePsychologie, die neben der Transitivität (Transmission von Information als Zeichenaustausch) und Proportionalität (Konnex zwischen Stärke der Stimulation und Stärke der Wirkung) entscheidend auf der Annahme von Kausalität beruht, greifen insoweit wenn überhaupt nur in den allerwenigsten Fällen795 und erweisen sich mithin auch im Lichte der neueren Kommunikationsforschung als zu pauschal.796 Kommunikations- und Wirkungsprozesse sind nach den Erkenntnissen der modernen Kommunikationsforschung systematisch durchsetzt von selektiven Prozessen und Strukturen.797 Dem Bild des homo oeconomicus wird somit jenes des psychologisch fundierten Entscheidungsverhaltens entgegengesetzt. Zunächst kann eine aufgenommene Information, muss aber nicht, motival wirken, wenn sie im Entscheidungsprozess überhaupt nicht mehr als Inhalt der Abwägung auftaucht.798 Gleichhomo oeconomicus Modelle, vgl. hierzu Lüdemann, in: Engel u. a. (2007) S. 21 f.; van Aaken, in: Engel u. a. (2007) S. 199 ff. 793 Dette (1998) S. 145, 242. 794 Vgl. die Zusammenstellung bei Schmies, in: Engel u. a. (2007) S. 169 ff. 795 Vgl. hierzu Dette (1998) S. 9, 11, 156 f.; Papachristou (2006) S. 42 f. 796 Vgl. Gasser (2002) S. 59 ff. m. w. N. zu den modernen Studien im Bereich u. a. des Agenda-Setting-Approach, der Vielseherforschung, des Two-Step-Flow-Modells, der Knowledge-Gap-Forschung, die die Komplexität der Wirkzusammenhänge analysieren und belegen. 797 Vgl. bereits Merten (1977) S. 49 ff. sowie Gasser (2002) S. 59 f. 798 Ohne an dieser Stelle einen vertiefenden Einstieg in das Gebiet der Motivationspsychologie wagen zu wollen, sei in diesen Zusammenhang beispielhaft auf das von H. Heckhausen/Gollwitzer 1987 entwickelte sog. Rubikon-Modell mit seiner Ausdifferenzierung der vier eigenständigen Phänomene zielorientierten Verhaltens, Abwägen, Planen, Handeln und Bewerten, hingewiesen (hierzu umfassend J. und H. Heckhausen [3. Aufl. 2006] S. 278 ff). Entsprechende Testreihen haben hier (beispielsweise in Form der Beobachtung des sog. „illusionären Optimismus“ in der planenden Bewusstseinslage) ergeben, dass Personen unterschiedliche Entscheidungen danach treffen, in welcher der obigen Phasen sie ein bestimmter Außenwelteinfluss (auf den Kapitalmarkt übertragen: beispielsweise eine bestimmte Information) trifft (vgl. a. a. O., S. 286 zu den unterschiedlichen Effekten zwischen abwägender und planender Bewusstseinslage). Insoweit kann für den in dieser Arbeit untersuchten Kontext als weiteres Argument gegen die Annahme von Gesetzmäßigkeiten im Kapitalmarktverhalten konstatiert werden, dass es für die Wirksamkeit eines Manipulationsversuchs auch darauf ankommen kann, wann die kommunikative Einwirkung auf den einzelnen Mikroebenenakteur jeweils erfolgt.
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sam lassen anzutreffende psychologische Phänomene wie der Rückgriff auf Stereotype als einfache Entscheidungsmuster bei der von hoher Aufgabenkomplexität und zeitlichen Restriktionen gekennzeichneten Erklärung und Vorhersage von Aktienkursen,799 der Myopia-Effekt800 und der Dispositionseffekt801 – um nur einige wenige Abweichungen (sog. biases) vom rationalen Wahlverhalten zu nennen802 – die Annahme einer Markteffizienztheorie in weite Ferne rücken. Ein weiteres Beispiel ist die sogenannte Ambiguitätsaversion.803 Nachdem jede Transaktionsentscheidung zumeist neben weiteren Motivationsfaktoren auf einer Einschätzung der möglichen Konsequenzen und ihrer zugehörigen Eintrittswahrscheinlichkeiten beruht, bestimmte Risiken aber entweder gar nicht oder für zunehmende Prognosezeiträume immer schlechter beziffert werden können, tritt je nach Grad des Nichtwissens hinsichtlich der Wahrscheinlichkeitsverteilung der Effekt der Ambiguitätsaversion hervor, der noch dazu damit negativ korreliert, wie kompetent sich subjektiv804 der einzelne Anleger hält.805 Je nach Anleger-Typ differiert 799 Hierzu Dette (1998) S. 181 ff. Zur Verwendung bloßer Urteilsheuristiken in der Informationsverarbeitung ders. (1998) S. 217 ff. Vgl. grundlegend zur Suche nach Heuristiken für das intuitive Entscheiden Kahneman/Tversky, in: Kahneman/ Slovic/Tversky (1982) S. 3 ff. 800 In empirischen Studien konnte die Beobachtung beschrieben werden, dass Anleger aus ihrer Verlustaversion heraus in der Kurzzeitperspektive gemachte Erfahrungen in ihren Prognosen auch für die Zukunft unterstellen, dagegen weiter zurückliegende, dem widersprechende Erfahrungen verdrängen und vergessen. Vgl. hierzu Thaler/Kahneman/Tversky/Schwartz The Quarterly Journal of Economics 112 (1997) S. 647, 648 ff. sowie Kahneman/Tversky, in: Kahneman/Tversky (2000) S. 143 ff. [170]. Zum Myopia-Effekt und damit der Dominanz kurzfristiger Entscheidungs- und Erfahrungshorizonte in komplexen Institutionen vgl. Lindenberg, in: Diekmann/Voss/Rapoport (2004) S. 218 ff. 801 Dieser Effekt beschreibt, dass die Neigung besteht, Wertpapiere eher zu verkaufen, wenn ein Gewinn eingetreten ist, als Verluste zu realisieren, bei denen statt dessen über die Maßen lange auf eine Umkehr gewartet wird. Die Bezeichnung als „disposition effect“ wird Shefrin/Statman The Journal of Finance 40 (1985) S. 777 [778] und passim zugeschrieben. Vgl. hierzu umfassend und m. w. N. Klöhn (2006) S. 100 ff. Siehe darüber hinaus Odean The Journal of Finance 53 (1998) S. 1775 ff. Verhaltenswissenschaftlich lässt sich auch dieser Effekt durch die von Khaneman und Tversky entwickelte prospect theory (vgl. zu dieser die Nachweise in Fn. 788) erklären, nach der die Orientierung der Anleger vom Referenzpunkt (Kaufpreis) aus im Gewinnbereich konkav (Risikoaversion) und im Verlustbereich konvex (Risikofreude) verläuft (vgl. hierzu instruktiv Fleischer FS Immenga [2004] 575, 583). 802 Umfassend hierzu statt vieler und m. w. N. Dette (1998) passim. 803 Vgl. hierzu zum diesem zugrunde liegende Phänomen der Entscheidungstheorie, dem Ellsberg Paradoxon, Ellsberg Risk, ambiguity and the Savage axioms, Quarterly Journal of Economics 75 (1961) S. 643 ff. Danach entscheiden sich Menschen mehrheitlich ambiguitätsavers (gegen die Unsicherheit) für ein bekanntes Risiko, wenn sie vor die Wahl gestellt werden, sich zwischen zwei Optionen entscheiden zu müssen, bei denen nur die eine durch eine bekannte Risikoverteilung, die andere durch Risikounsicherheit gekennzeichnet ist.
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damit bereits die Bereitschaft, überhaupt in einer bestimmten Situation entsprechende Anlagegeschäfte zu tätigen und auf diese Weise bekannte Informationen einzupreisen. Auch werden gerade bei oftmals mit beschränktem Informationsverarbeitungsvermögen ausgestatteten Privatanlegern durch das komplexe Informationsangebot bedingte Informationsüberlastungsphänomene die Knappheit der Entscheidungszeiten drastisch verschärft.806 Darüber hinaus tendieren Anleger dazu, beim Auftreten neuer Informationen diese zu stark zu gewichten und gleichzeitig nicht deren Quellen zu hinterfragen.807 Dieses in der Psychologie als source neglect beschriebene Phänomen führt die Anleger dazu, Gerüchte als Wahrheit anzusehen, obgleich sie gleichzeitig erklären, gerüchteresistent zu sein.808 Jener Effekt verdeutlicht, dass Gerüchten ein erhebliches Kursbeeinflussungsrisiko immanent ist, selbst wenn sie bei rationalem Wahlverhalten auf Grundlage der bekannten Informationen ignoriert werden müssten.809 Ein Verdienst der Hinzuziehung der Soziologie für die Erklärung und das Verständnis eines bestimmten Marktverhaltens findet sich wiederum in deren – in ihrer Annahme bewusst vorsichtig zu handhabenden810 – Erklärungsmustern von emergenten Effekten wie einer Börsenpanik, eines Börsencrashs oder auch eines anzutreffenden „Herdenverhaltens“ (herding, mutual imitation).811 Unter Emergenz 804 Zu den negativen Effekten übermäßigen Selbstbewusstseins (sog. Overconfidence) im Portfoliomanagement auf die Börsen- und Marktpreise vgl. Odean Journal of Finance 53 (1998) S. 1887, 1888 ff. sowie Kent/Hirshleifer/Subrahmanyam The Journal of Finance 56 (2001) S. 921, 923 ff. 805 Vgl. nur Eisenberger (1996); Keppe/Weber, in: Bühler/Hax/Schmidt (1993) S. 195 ff.; M. Weber zfbf 1989, 447 ff.; Steul (2004) S. 37 ff. 806 Vgl. hierzu m. w. N. Ziouvas (2005) S. 163. 807 Vgl. Klöhn (2006) S. 120 m. w. N. 808 Siehe hierzu kurz Fleischer ZBB 2008, 137, 139 und Klöhn (2006) S. 121; zum Effekt des sog. Self-attribution bias, wonach Anleger mit zunehmender Zeit am Markt selbstbewusster werden und damit das Handelsvolumen und die Volatilität steigt, siehe Gervais/Odean The Review of Financial Studies 14 (2001) S. 1, 19 f.; vgl. auch Daniel/Hirshleifer/Subrahmanyam Journal of Finance 53 (1998) 1839, 1842 ff. Die self-attribution bias und die Illusion von Wissen und Kontrolle haben nach Barber/Odean (The Review of Financial Studies 15/2, Special Issue [2002] S. 455, 459 ff.) im Bereich des Online-Börsenhandels zu einem Anstieg des Tradingvolumens bei gleichzeitigem Rückgang der Gewinnperformance in diesem Bereich geführt. 809 In der Finanzmarktkrise des Jahres 2008 wird hinter dem Zusammenbruch der Lehman Brothers Bank als beschleunigender Katalysator das gezielte Streuen falscher Gerüchte vermutet. Vgl. hierzu Financial Times Deutschland vom 19.9.2008. 810 Vgl. so u. a. Wesche, in: Haft u. a. (2001) S. 58, 61: zunächst sei die Untersuchung von Ursachenketten auszuschöpfen, bevor zum „eher okkulten Mittel einer Emergenzbehauptung“ gegriffen werde. 811 Hierunter wird grundsätzlich der Masseneffekt verstanden, dass Anleger mehr oder minder blind auf – sich dadurch noch verstärkende – Trends aufspringen, ohne
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wird dabei das Phänomen des Auftretens von Merkmalen oder Ereignissen in einem System verstanden, die sich nicht unmittelbar aus den Eigenschaften der Elemente des jeweiligen Systems deduzieren lassen: „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.“812 Bei einem Phänomen der Emergenz kommt es zu einem wechselseitigen Einfluss der Makroebene auf die Mikroebene (sog. Makrodetermination): „Das Ganze ist kausal dafür verantwortlich, dass die Teile im Ganzen andere Eigenschaften zeigen als isoliert oder in andere Ganzheiten integriert.“813 sich selbst von der Substanz gekaufter Werte zu überzeugen. Vgl. hierzu Merkt (Gutachten 2002) G107; Kutzner WM 2005, 1401 [1402]. Richtigerweise ist hier zu differenzieren zwischen rationalem Herdenverhalten (z. B. dem sog. „Momentum game“ = noch vor der Masse Einsteigen von professionellen Anlegern bei ihnen bekannt gewordenen Stock-Spams und dem „price decoding“ = uninformierte Anleger folgen dem Handels- und Erklärungsverhalten anderer Anleger, die sie für besser informiert halten) und irrationalen Herdenverhalten (fehlerhafte Erwartungshaltung bei einzelnen Wirtschaftssubjekten): hierzu Fleischer ZBB 2008, 137, 139 m. w. N.; Devenow/Welch European Economic Review 40 (1996) S. 603; zur Unterscheidung von rationalem und irrationalem Herdenverhalten vgl. Rudolph (2006) S. 156 und Hong/Stein Journal of Finance 54 (1999) 2143, 2146 [letztere rationales Herdenverhalten subdifferenzierend zwischen early momentum buyers und late momentum buyers]. Denkbar wäre darüber hinaus, Marktpreise als Ergebnis eines gruppendynamischen Prozesses auch und gerade beteiligter professioneller Anleger (zugestanden wird hierbei der Markt als eine große Gruppe mit anonymisierten Verständigungsmustern [Gruppenkonsens sichtbar über das Makroereignis Marktpreis] verstanden) zu deuten. Diese haben die Eigenschaft in Zeiten von Unbestimmtheit (bspw. über die fundamentalen Daten von Unternehmen des Neuen Marktes; siehe zu deren tatsächlichem Publizitätsverhalten Bode [2006] S. 245 ff.) zustandegekommene Ergebnisse als sakro-sankt zu erklären und daher ungern anzutasten (vgl. allgemein zu diesem Phänomen des sog. „group-think“ Dörner, in: Lübbe (1994) S. 216 f. m. w. N.), was im Kapitalmarkt mit dazu führen kann, dass Blasen sich unangetastet verstärken und zu spät erst in einem großen Knall platzen. Dieses beobachtbare Phänomen advers rationaler Wahl lässt sich m. E. für die Erklärung des Entstehens von Spekulationsblasen mit ins Feld führen. Friedrich Schillers Zitat „Jeder, sieht man ihn einzeln, ist leidlich klug und verständig, Sind sie in corpore, gleich wird euch ein Dummkopf daraus.“ (vgl. hierzu Friedrich von Schiller, G. G., aus: Boxberger (Hrsg.), Schiller’s Werke. Mit Lebensbeschreibung, Einleitungen und Anmerkungen, Berlin 1901, Band 1, S. 269) beschreibt dieses Emergenz-Phänomen allzu treffend. In der Psychologie wird eine Erklärung des gleichgerichteten Kaufentscheidungsverhaltens einzelner im Prinzip sozialer Bewährtheit („Was alle tun, ist gut“) gesucht; hierzu Werth (2004) S. 84 f.; ähnliche psychologische Erklärungsmodelle finden sich in der Kommunikationsforschung in Form der kontextuellen Selektion von Informationen in Form der Orientierung an anderen Personen, vgl. hierzu m. w. N. Gasser (2002) S. 61. Für ein die Rolle rationaler, aber die voraussichtliche Dauer der Kursblase anders einschätzender Arbitrageure stärker betonendes ökonomisches, neo-klassisches Modell zur Erklärung von Spekulationsblasen vgl. Abreu/Brunnermeier Econometrica 71 (2003) 173, 197. 812 Mayntz, in: Wie entstehen neue Qualitäten in komplexen Systemen (2000) S. 95.
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c) Vorläufiger Übertrag auf die Kausalität i. S. d. § 38 II WpHG und Stellungnahme Der Grundansatz der Behavioral Finance, von einer systematischen Irrationalität („systematically ‚misbehaving‘“)814 auszugehen, führt indes für den hier zu untersuchenden Topos der klassischen Kausalitätslehre nicht weiter als jene ältere Random-Walk-Hypothesis815, nach der Aktienkursverläufe nicht prognostizierbar sind, da zwar nach der Ex-Post-Identifizierung bestimmter individueller Anlegerpräpositionen und Irrationalitäten Kurse erklärbar werden, Gesetzmäßigkeiten aber gerade nicht lokalisiert werden können.816 Auch wenn in der Tendenz und auf längere Sicht bestimmte Regelmäßigkeiten anhand der Marktdaten ablesbar sind,817 können daneben die auf dem Rationalitätsaxiom aufbauenden ökonomischen Modelle für die normative (zumeist für kurzfristige Zeiträume einer Beurteilung erfordernden) Frage der Zurechnung und ihrem nach herrschender Ansicht erforderlichen Gesetzmäßigkeitspostulat keine gesicherten Erkenntnisse, sondern nur erste Anhaltspunkte hinsichtlich der Wirkmechanismen des Kapitalmarktes liefern. Der einseitige interdisziplinäre Ansatz einer rein ökonomischen 813 Hoyningen-Huene, in: Lübbe (1994) S. 180. Siehe ebenda (S. 189 ff.) zum hier nicht weiter vertiefbaren Problem des Verhältnisses der „Gesetze“ der Mikroebene zu jener Makrodetermination und der Kritik an Emergenzmodellen allgemein. 814 So ausdrücklich Ross (2005) S. 92. 815 Nach dieser schwanken die Kurse ob der unterschiedlichen Ansichten der Marktakteure zufällig um ihren inneren Wert und stellen Preisveränderungen daher unabhängige, gleichverteilte Zufallsvariablen dar. Vgl. Papachristou (2006) S. 36; Dette (1998) S. 54 m. w. N. Zu beachten ist indes, dass die random walk studies ab Mitte der 50er Jahre den Geburtsort der ECMH bildeten, vgl. hierzu die umfangreichen Nachweise bei Klöhn (2006) S. 81 Fn. 286. Siehe hierzu auch Schmies, in: Engel u. a. (2007) S. 167 f. 816 Mit u. a. diesem Argument, dass die Behavioral Finance mitunter ausgehend von ihrem interdisziplinären und individuelles Verhalten analysierenden Forschungsansatz keine allgemeinen Gesetze aufstellen kann, mit deren Hilfe sich alle psychologisch fundierten Marktanomalien voraussagen ließen, repliziert Shiller The Journal of Economic Perspectives 17 (2003) S. 83, 101 f. mit Recht auf die Kritik von Fama Journal of Financial Economics 49 (1998) S. 283 ff. u. passim (siehe hierzu bereits oben Fn. 788). 817 Und damit in der Ökonometrie eventuell bereits Granger-Kausal anzunehmen wäre! Vgl. hierzu bereits oben Fn. 742 sowie Granger/Lin Econometric Theory 11 (1995) S. 530 ff. Ob die bereits von Fama erkannten, aber für empirisch unerheblich eingeschätzten Marktanomalien (ders. Journal of Finance 25 (1970) S. 383, 414: „[. . .] does not appear to be sufficient to declare the market inefficient“) bereits zu dem Verdikt führen müssten, dass Märkte generell ineffizient und damit nicht ihren Funktionen genügen können, ist für die Frage der Feststellung von nomologische Erklärungen zulassenden Zusammenhängen nicht von primärer Bedeutung, ist nach Ansicht des Verfassers mit der herrschenden Ansicht in der Finanzwissenschaft aber abzulehnen (vgl. hierzu bereits oben 2. Kapitel § 1).
§ 2 Objektiver Tatbestand
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Analyse des Rechts, bezogen sowohl auf seine Wirkbedingungen als auch seine Anknüpfungspunkte in der Ontologie greift somit im Rahmen einer juristischen Kausalitätsbetrachtung zu kurz,818 da er sich gegenüber Problemen (wie Entscheidungsanomalien) unaufmerksam zeigt, die für das Recht sehr relevant sein können.819 Insofern verbietet sich auch ein Verständnis des dank der Globalisierung schier unumgrenzten Kapitalmarktes als „Black-Box“,820 in welcher lediglich die Wirkzusammenhänge nicht bekannt, Regularitäten indes signifikant anzutreffen und daher die genaue Erkenntnis der Wirkzusammenhänge eines umgrenzten, dennoch intransparenten Systems obsolet sind. Die Markteffizienztheorie, die in den 70er Jahren von den ökonomischen Fakultäten ausgehend, über die juristischen Fakultäten Einzug in die U.S. amerikanischen Regulierungsbehörden hielt, kann trotz ihrer fragwürdigen zwischenzeitlichen Transformation von der Theorie zur Doktrin821 allein keine nomologischen Erklärungen bieten. Derartige generalisierende Langfristhypothesen eignen sich daher nicht für einen einzelfallbezogenen Einsatz im Rahmen der juristischen Kausalitätsprüfung,822 zumal nach der Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung. Eine andere in der kapitalmarktstrafrechtlichen Literatur geäußerte Ansicht823 will dennoch für den Kapitalmarkt anhand der in den Wirtschaftswissenschaften „unbestrittenen“ Grundsätze das „wirkende Naturgesetz [. . .] der Preisbildung“824 jedenfalls im Bereich der Informationseinpreisung identifiziert haben, das sich aus dem – anscheinend als sicher zu unterstellenden – Wechselspiel von gut informierten, professionellen Marktteilnehmern auf der Suche nach 818
So schon allgemein Kirchner, in: Assmann/Kirchner/Schanze (1993) S. 64,
75 f. 819 Vgl. allgemein zum daher erforderlichen problemorientierten Einbezug der Erkenntnisse der Verhaltensökonomik van Aaken (2003) S. 104 ff. 820 Vgl. zum Black-Box-Modell Bunge Philosophy of Science, Vol. 30, No. 4 (Oct., 1963) S. 346 ff. [353 ff., 357]; Sober Brit. J. Phil. Sci. 49 (1998) S. 469 ff. 821 Vgl. Klöhn (2006) S. 82 m. w. N. Jenen Status scheint sie auch in den meisten Werken des Kapitalmarkt(straf)rechts (noch) zu besitzen (vgl. exemplarisch nur Papachristou (2006) S. 198 f. und Sauer ZBB 2005, 24, 27 ff. (S. 27: „[. . .] führt daher nach wie vor kein Weg an der Markteffizienzhypothese vorbei.“)). Die dahinter liegende Grundannahme eines rationalen Handlungswahlverhaltens rekrutiert ihre Anhängerschaft demnach nicht nur in der Ökonomik. Für letztere aber treffend (unter Hinweis auf die Bayesian Rationality; vgl. zu dieser Fn. 768) Selten, in: Gigerenzer/Selten (2001) S. 14: „Confidence in this conjecture of approximate validity explains the tenacity with which many economists stick to the assumption of Bayesian maximization of subjectively expected utility.“ 822 Vgl. allgemein Denicke (1997) S. 100 m. w. N.: „Durch Statistik allein kann [. . .] ein Kausalgesetz nicht bewiesen werden.“ Ebenso Hoyer GA 1996, 160, 164. 823 Vgl. hierzu Hellgardt ZIP 2005, 2000, 2004 f.; explizit ihm folgend Douklias (2007) S. 303 f. Wohl auch Eichelberger (2006) S. 327 ff. 824 Hellgardt ZIP 2005, 2000, 2004; Douklias (2007) S. 303 f.
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
Arbitragemöglichkeiten und den Transaktionsentscheidungen hinsichtlich der informationsgestützten Manipulation uninformierten Anlegern ergibt. Der Markt nehme stets die Informationen auf und verarbeite sie – auf kurz oder lang – in entsprechende Börsenpreise weiter; gäbe es – wie die Behavioral Finance lehrt – systematische Fehlinterpretationen, ändere dies aber nichts daran, dass es sich um Fehlinterpretationen der vorhandenen Informationen handele.825 Bei Douklias gebe es von der „Regel“ des „Kausalgesetzes“ nur „Ausnahmen“ (!), wenn aus „tatsächlichen Gründen nicht alle notwendigen Tatsachen ermittelt werden können, um dieses Kausalgesetz exakt anzuwenden“, was allerdings keine Besonderheit der Marktmanipulation darstelle, sondern regelmäßig bei jedem Kausalitätsbeweis auftrete.826 Diese Ansicht, welche im Ergebnis die Markteffizienz als Naturgesetzlichkeit des Kapitalmarktes postuliert und inzident wohl den Kausalitätsbegriff der gesetzmäßigen Bedingung zugrundelegt, verkennt indes die Reichweite der Erkenntnisse und aus jenen resultierenden Forderungen der Behavioral Finance, aber auch die Potenz der wirtschaftswissenschaftlichen Theorie der Markteffizienz.827 Ein Ausblenden der individuellen kognitiven wie präferentiellen Anomalien der Mikroebene und das alleinige Abstellen auf Rational Choice basierte Mikro-Makro-Kausationen im Rahmen strafrechtlicher Kausalbetrachtungen bedeutet eine dort unzulässige Abstraktion. Zum einen ist bereits daran zu zweifeln, ob die im Rahmen der Markteffizienztheorie den professionellen Market-Makern zugesprochene bestimmende Marktlenkungswirkung auch in den heutigen Kapitalmärkten mit ihren unzähligen unterschiedlichen Mikroebenenakteuren und damit multipliziert ambivalenten Einwirkungsfeldern überhaupt noch angenommen werden kann. Betrachtet man darüber hinaus das Markthandeln unter dem angebrachten interdisziplinären Licht der Psychologie, können wie gezeigt neben der ge825
Hellgardt ZIP 2005, 2000, 2004 f. Vgl. Douklias (2007) S. 304. Douklias vermischt hier ohne systematische Klarheit (ein Naturgesetz erlaubt rein begrifflich keine Ausnahmen; andernfalls ist es durch seine Falsifikation als deterministisches Gesetz widerlegt und stellt wenn überhaupt nur noch eine statistische Regularität dar) die Ebenen der generellen Kausalität, der individuellen Kausalität und deren prozessualen Nachweis, wenn er – damit für den Kapitalmarkt inzident von nomologischen Determinismen ausgehend – für die zuvor als Gesetz bezeichnete, nurmehr ausdrücklich deshalb nur noch als Regel geltende Markteffizienz Ausnahmen zulässt, wenn „aus tatsächlichen Gründen nicht alle notwendigen Tatsachen ermittelt werden können, um dieses Kausalgesetz exakt anzuwenden“, Douklias (2007) S. 304. Konsequenterweise würde die Konstellation dieser „Ausnahme“ das generelle Gesetz aber gar nicht berühren. 827 Dies beweist nicht zuletzt die apodiktische Formulierung bei Douklias (2007) S. 304 „am Kapitalmarkt [herrsche] grundsätzlich Klarheit über das wirkende Kausalgesetz“, neben der sich keinerlei Eingehen auf die Erkenntnisse der Behavioral Finance, aber auch bereits die genauen Postulate der Effizienzmarkthypothese findet. 826
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rade nicht vernachlässigbaren Informationsignoranz (kognitive Anomalie)828 und Informationsüberlastungsphänomene829 vor allem kurzfristige psychologische Effekte (bspw. präferentielle Anomalien) dazu führen, dass Informationen auch von jenen professionellen Marktteilnehmern nicht immer rational in entsprechende Entscheidungen umgesetzt werden. Somit lässt sich konstatieren, dass, selbst wenn das marktbezogene Verhalten der Mikroebenenakteure oftmals830 bloß reaktiven Charakter haben mag oder häufig dem Rationalitätsaxiom entspricht, dies weder Grundlage einer deduktiv-nomologischen Erklärung831 des Börsen- und Marktpreises auf Grundlage eines rationalen Wahlverhaltens noch einer entsprechenden (unwiderleglichen) Vermutung für jeden strafrechtlich inkriminierten Einzelfall sein sollte.832 Letztlich stellt aber gerade das Postulieren einer reinen Markteffizienz eine bloße Vermutung über eine jedenfalls für das Strafrecht und dessen Schuldprinzip erforderliche ontologische Momentaufnahme. Gleiches gilt für die einer Fiktion gleichende Inzidentbedingung stets vorhandener professioneller Marktteilnehmer in allen Börsen- und Marktfeldern. Der RationalChoice Ansatz kann durch seine Einsichten in Verhaltensregelmäßigkeiten menschliches Verhalten bis zu einem gewissen Grade prognostizieren – als ökonomisches Verhaltensmodell kann (und will!) er aber weder die Wirk828
Siehe hierzu instruktiv auch van Aaken (2003) S. 105 für Wahrnehmungsverzerrungen bzw. restriktionen und deren Entsprechung in der ökonomischen Analyse der Realfolgen des Rechts. 829 Treffend mit dieser Begrifflichkeit Ziouvas (2005) S. 163. 830 Vgl. hierzu nur Kirchgässner (2000) S. 21, wonach ein im Durchschnitt anzutreffendes regelmäßiges Verhalten der Mikroebenenakteure bereits das Rationalitätsaxiom bestätige. 831 Jedes andere Verständnis von Gesetzmäßigkeiten (etwa in einem normativen Sinne eines statistischen Erfahrungssatzes) verunklart m. E. den Blick auf die verschiedenen Anforderungen, welche für den Zusammenhang zwischen Handlung und Erfolg verlangt werden. Die Frage, welche konkreten Gesetze anerkannt sind und welche der Richter daher seinem Kausalurteil zugrunde legen kann/muss, ist als Frage des konkreten prozessualen Nachweises im Prozessrecht loziert (vgl. hierzu unten 3. Kapitel § 2 B. IV.). 832 Jedenfalls eine reine Markteffizienztheorie müsste wegen der anzutreffenden Marktanomalien aufgrund Poppers Fallibilismus (Popper [2. Aufl. 1966] S. 47 ff.) zumindest zu hinterfragen sein, wenn ihr nicht die Gesetzmäßigkeit gänzlich abzusprechen ist. Für den Fall ihrer Ergänzung um Erkenntnisse der Behavioral Finance wäre indes die für das Postulieren von Gesetzmäßigkeiten vorausgesetzte Reformulierung der Antecedens- und Aggregationsbedingungen vonnöten, was zum jetzigen Zeitpunkt des Erkenntnisstandes jedenfalls noch unmöglich und unter der Annahme einer Unvorhersehbarkeit individuellen menschlichen Verhaltens auch allzeiten unmöglich bliebe. Der ökonomischen Idee der rationalen Entscheidung die Geeignetheit für die strafrechtliche Methode insgesamt absprechend, vgl. zuletzt (wenn auch wegen seiner verkürzten Sichtweise und des fehlenden Einbezugs der Eignung für Langfristprognosen kritisierbar) Kaczmarek FS Friedrich-Christian Schröder (2006) S. 67, 73 f.
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
lichkeit abbilden noch das Wesen des Menschen nomologisch beschreiben,833 weshalb ihm allein die Eignung abzusprechen ist, eine Regularitätstheorie im Rahmen juristischer Kausalbetrachtungen darzustellen. Gleiches muss dementsprechend für all jene Modelle und Theorien gelten, die auf diesem Ansatz basieren, wie u. a. die Markteffizienztheorie. Dem Gedanken des Rational Choice dagegen generell und nicht nur im Rahmen deduktivnomologischer Kausalitätsbegriffe mit dem Vorwurf der Unterkomplexität zu begegnen, hieße zu verkennen, dass jede Reduktion unabdingbare Eigenheit sozialwissenschaftlicher Theoriebildung ist834 und sich daher die Ökonomik durchaus mit heuristisch praktikablen Annahmen über das Verhalten des Menschen begnügen kann.835 Zahlreiche, zu einem großen Teil unbekannte und äußerst variable Anfangs- und Randbedingungen verleihen sozialwissenschaftlichen Strukturen eine kontingente Gestalt,836 auf die reduktionistische Theorienbildung so lange und für solche Bereiche eine Antwort sein kann, in denen die Auslassung gerade keine für das Untersuchungsgebiet wesentlichen Folgen zeitigt. Einem uneingeschränkten Transfer der Theorie der rationalen Wahl oder der Markteffizienz in eine juristische Kausalbetrachtung klassischer Natur – d.h. auf Grundlage des HO-Schemas – steht daher die zwingende Berücksichtigung des Faktums der mangelnden gänzlichen Vorhersehbarkeit menschlichen Verhaltens entgegen, wie sie die Erkenntnisse der Behavioral Finance, richtigerweise aber auch alle auf dem Modell der rationalen Wahl basierenden Annahmen lehren. Für das Strafrecht verbietet indes das Tatschuldprinzip, unter Rückgriff auf die Vermutung bestehender und effizienter Informationseinpreisungsmechanismen die notwendigen Kausalbetrachtungen von der Mikroebene zu abstrahieren und Kausalerklärungen direkt zwischen der manipulativen Handlung und der Makroebene des Marktes als solcher nachzuspüren. Dem der Regelung zugrunde liegenden Ziel des Kapitalmarktrechts allgemein wie auch seiner Ausformung durch das Kapitalmarktstrafrecht, informationseffiziente Märkte durch die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Märkte zu gewährleisten, steht diese Erkenntnis indes nicht entgegen, da der Kapitalmarkt zum einen jene Funktion – nach überwiegender Auffassung837 – zumindest in ihrer semi-strengen Variante überwiegend wahrnimmt, der Gesetzgeber zum anderen im Rahmen seiner Einschätzungsprä833
Vgl. ebenso Lüdemann, in: Engel u. a. (2007) S. 16 f. vgl. u. a. van Aaken (2003) S. 31 f. m. w. N., die auf das deutlich komplexere Untersuchungsfeld der Sozialwissenschaften im Vergleich zu den Naturwissenschaften verweist. 835 Vgl. u. a. Lüdemann, in: Engel u. a. (2007) S. 17; Wesche, in: Haft u. a. (2001) S. 58, 60. 836 Vgl. van Aaken (2003) S. 32 unter Bezugnahme auf Max Weber. 837 Siehe hierzu bereits oben 2. Kapitel § 1. 834
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rogative gesetzgeberische Mittel zumindest zu deren Erhaltung (auch auf niedrigem Niveau) ergreifen kann. Den Vorzug verdient daher im Ergebnis – jedenfalls838 – für die strafrechtliche Kausalitätsfrage bezüglich dem Marktpreisverlauf der Einbezug auch der Erkenntnisse der Behavioral Finance.839 Neben ihrem Verdienst – auch für die Lösung konkreter Rechtsfragen – „schlagkräftige“840 Erklärungen für nach der ECMH nicht verständliche Kursverläufe bieten zu können und damit ein wirklichkeitsnäheres Menschenbild zu zeichnen, zeigt die Behavioral Finance überdies dem im Vordringen befindlichen, im angloamerikanischen Rechtsraum vielfach als überlegen propagierten841 Informationsmodell – welches beispielsweise im deutschen Kapitalmarktrecht durch die Ad-Hoc-Publizität von Insiderinformationen842 und die stete Erhöhung von Transparenzvorschriften Ausdruck gefunden hat – seine Grenzen auf: Die Aufnahme und das richtige Verständnis der Informationen durch die Informationsadressaten sind jene Determinanten, welche den Erfolg jenes Informationsmodells prägen. Gänzlich fehlende Bereitschaft, Informationen überhaupt zu rezipieren,843 oder aber fehlende Vorkenntnisse und Irrationa838
Der Verfasser will sich dementsprechend kein abschließendes Urteil darüber erlauben, welche der beiden großen Erklärungsansätze als ökonomisches Modell oder in der sozialwissenschaftlichen Theorie allgemein zu bevorzugen sein sollte, besitzen beide Ansätze doch argumentativ Vor- als auch Nachteile. Der Nachteil des homo oeconomicus Ansatzes liegt in seinem Mangel, auch Anomalien erklären zu können, der Einbezug psychologischer Alltagserfahrungen bläht Modelle dagegen auf und erschwert so bereits das Klären der Ausgangsbedingungen für Prognoseerklärungen. Allein die sinnvolle Synthese beider Ansätze bietet daher m. E. momentan die wirklichkeitsnächste Möglichkeit der (wenn auch mühsamen) Analyse und Prognose von Marktverhalten. 839 Ebenso wohl Fleischer ZBB 2008, 137, [139, 142]; ders. DB 2004, 51, 55. Generell gegen die vorschnelle Adaption einer ökonomischen Sichtweise im Rahmen der Anwendung und Gestaltung der Kapitalmarktregulierung Schmies, in: Engel u. a. (2007) S. 187. Die Ansicht bei Wodsak (2006) S. 62 (m. w. N.), es gäbe keine volkswirtschaftliche Theorie, welche maßgebliche Kursbewegungen erklären könne, wirkt wegen der dort fehlenden eingehenden Beschäftigung mit den ökonomischen Kursentstehungstheorien verfrüht und im Ergebnis nur zutreffend, wenn man von einem nomologischen Erklärungsbegriff ausgeht. 840 Fleischer FS Immenga (2004) 575, 586. 841 Vgl. m. w. N. Schmies, in: Engel u. a. (2007) S. 175. 842 Vgl. hierzu nur die Beschlussempfehlung und den Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages, BTDrucks 12/7918, S. 102 zum 2. FFG, wo die Informationspflichten des § 15 WpHG neben ihrer Transparenz erhöhenden auch eine Insiderhandel bekämpfende Funktion zukommen soll. Zur Ad-Hoc-Publizität und dem Informationsmodell vgl. weiter Merkt zfbf sonderheft 55 (2006) S. 24 ff.; zum Informationsmodell allgemein auch Lenenbach, Kapitalmarktrecht, § 8 Rn. 8.4. Zur Inanspruchnahme der Ermittlungsbehörden für die Haftungsprozesse vorbereitende Informationsgewinnung bei fehlerhafter Ad-Hoc-Publizität monographisch Querfurth (2005) S. 73 ff.
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litäten im Rahmen der Informationsverarbeitung können Informationspflichten hinsichtlich ihres Regelungszwecks zu wirkungslosen Schwertern verkommen lassen.844 4. Problem der psychischen Interaktionen Der Rekurs auf die ökonomischen Theorien zur Erklärung bestimmten Marktverhaltens konnte keine abstrakten Gesetzmäßigkeiten für den Kontext einer deterministischen Zurechnung bereitstellen.845 Allerdings halten sowohl die durch die Markteffizienztheorie aufgestellten Modelle als auch der Einbezug verhaltenstheoretischer, insbesondere psychologischer Erklärungen im Rahmen der Behavioral Finance wichtige Erkenntnisse für das Verständnis der Einflüsse auf die Kursbildung bereit, die jedenfalls für das Verständnis der Marktzusammenhänge und Risikokonnexe, aber auch im Kontext der Tatbestandsmerkmale „Einwirkungseignung“ einer Angabe (§ 20a I 1 Nr. 1 WpHG)/Signaleignung (§ 20a I 1 Nr. 2 WpHG) von entscheidender Bedeutung sind. Das Grundproblem aller Versuche, abstrakte und allein auf die Makroebene fixierte Regularitätsaussagen im Bereich der Interaktionsbeziehungen am Kapitalmarkt zu treffen, sind die im Rahmen aller Manipulationsformen (informations-, handels- [oder handlungs]gestützt) anzutreffenden, in ihren wesentlichen Teilen lediglich psychisch ver843
Vertreter des Markteffizienzansatzes wollen gar das verbreitete Desinteresse am Informationserwerb angesichts der scheinbar perfekten Informationseinpreisungsmechanismen des Marktes als rational einstufen: vgl. Sauer ZBB 2005, 24, 27: „Der beobachtete mangelnde Informationserwerb beruht auf rationalem Desinteresse.“ Richtigerweise wird man – ungeachtet dessen, ob dieses Desinteresse tatsächlich empirisch erweisbar ist – Erklärungen hierfür eher im Vertrauen in scheinbare Kapazitäten (bzgl. den Unternehmenswerten Telekom; ENRON; bzgl. menschlichen Kapazitäten (Börsengurus)), aber auch gerade irrationalen Effekten menschlichen Entscheidungsverhaltens suchen müssen (Ausblenden von Risiken durch Uninformiertheit; Börsenblasen). 844 Vgl. hierzu Merkt zfbf sonderheft 55 (2006) S. 24, 40; Schmies, in: Engel u. a. (2007) S. 175 ff. (S. 176: „gewagtes Unterfangen“ des Gesetzgebers). Auf dieser Erkenntnis aufbauend fordern Fleischer AG 2006, 2, 13 (Forderung nach weitreichenden Kennzeichnungs- und Warnpflichten) sowie Klöhn (2006) S. 207 f. de lege ferenda die Abstandsnahme vom alleinigen Konzept der Bereichsöffentlichkeit und einen verstärkten Aufbau der Kapitalmarktinformation auf der Dichtomie „Erkläre“ und „Warne“. Allerdings ist angesichts der empirisch im Trend stützbaren Hypothesen der Rational Choice Vertreter die damit im Rahmen seiner Einschätzungsprärogative bleibende Entscheidung des Gesetzgebers für eine stärkere Hinwendung zum Informationsmodell anzuerkennen, wenn auch in Zukunft hinsichtlich eintretender Folgen kritisch zu begleiten. 845 Für den scheinbaren Einbezug dieser Theorie in die Kausalitätserwägungen vgl. aber BGHSt 48, 373, 384. Hierzu ausführlich unten 3. Kapitel § 2 B. IV. 3. a) bb) (2) (c).
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mittelten Entscheidungskausationen, was bereits im obigen Modell der Makro-Mikro-Makro-Transitionen im Kontext der Logik der Selektion aufschien. Grundlage jeder Kursänderung sind die auf einer vorherigen (bei computergenerierten Transaktionen antizipierenden) Transaktionsentscheidung basierenden kurswirksam gewordenen Transaktion(en) eines oder mehrerer Marktteilnehmer.846 Dem Straftatbestand der Marktmanipulation ist mithin das Herbeiführen einer bestimmten menschlichen Handlung – der später marktpreiswirksamen Transaktion – als Zwischenerfolg847 im Rahmen der Zurechnung makrospezifischer Effekte einbeschrieben. Im Bereich der handelsgestützten Manipulationen kann die Kursbeeinflussung sowohl über das Angebot oder die Nachfrage als solche, also die ausgeführte Order bestimmten Volumens des Manipulanten selbst, zum anderen über den Informationswert eines bestimmten Ordervolumens, den dieses für die anderen Markteilnehmer besitzt und auf welchen sie durch eigene Käufe, Verkäufe oder Nicht(ver)käufe reagieren, erfolgen.848 Im zweiten Fall entspricht die weitere Preisbeeinflussung wegen ihrer psychischen Interaktion jener der informationsgestützten Manipulation. Neben den weniger komplexen, da einer Mechanik gleichkommenden psychischen Kausationen zwischen der Manipulantentransaktionsanweisung und ihrer Ausführung durch Kursmakler im Bereich der erst genannten handelsgestützten Manipulationen849 erfolgt die Preiseinwirkung bei den informationsgestützten Manipulationen i. w. S. vermittelt über bis zu drei psychisch vermittelte Interaktionsstufen (von den Angaben/Signalen irregeführter Anleger, ihrem Intermediär und dem letztlichen Skontroführer). Von entscheidender Bedeutung ist hier, neben den äußeren Elementen von Informationstransaktionen850, wie bestimmte kommunikative Angaben oder Informationen übermittelt und in Aktionen transformiert werden können (inneres Element der 846 Interessanterweise wird diese individualistische Perspektive in der kapitalmarktstrafrechtlichen Literatur für den Bereich der Bewertungserheblichkeit als Tatbestandsmerkmal des § 20a I 1 Nr. 1 WpHG konsequent eingenommen. Für den Bereich der Kausalität wird dagegen vorrangig im prozessualen Rahmen nach makrospezifischen Lösungen gesucht (vgl. hierzu unten 3. Kapitel § 2 B. IV. 3. a) cc) (2)). 847 Vgl. zu diesem Begriff nur J. Schulz FS Lackner (1987) S. 39, 45. 848 Vgl. Weber NZG 2000, 113, 114. 849 Falls kein Computerhandel, Einspeisung der Aufträge des Manipulanten über Marktintermediäre und dementsprechende Aufnahme in das Entscheidungskalkül des Skontroführers. Vgl. zum Problem der mittelbaren Täterschaft unten 3. Kapitel § 2 B. III. 2. d). 850 Externe Faktoren sind beispielsweise der Informationstypus, strukturelle Rahmenbedingungen, kommunikative Bedingungen wie das kommunikative Setting (formelle/informelle Situationen) und das affektive Klima. Siehe hierzu Gasser (2002) S. 33, 160 f.
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
„psychischen Kausalität“). Es stellt sich daher die Frage, ob und wie juristische Kausalerklärungen von der Manipulationshandlung aus vermittelt über das von individuellen Entscheidungen beeinflusste Akteurshandeln hin zum nach der herrschenden Ansicht erforderlichen Preiseinwirkungserfolg auf der Makroebene gespannt werden können. a) Grundsätzliches Das Problem der sog. „psychischen Kausalität“ tritt im hier zu untersuchenden Zusammenhang in zwei Feldern zu Tage. Einerseits stellt sich insbesondere bei informationsgestützten Manipulationen i. w. S. die Frage, wie die vom Manipulanten ausgesandte falsche oder irreführende Angabe (§ 20a I 1 Nr. 1 WpHG) bzw. das irreführende Signal (§ 20a I 1 Nr. 2 WpHG) zurechenbar eine Kurseinwirkung verursachen kann (Kausalität von Information i. w. S.). Dies hängt entscheidend davon ab, ob und wie diese Information vom Markt851 rezipiert und von den Marktteilnehmern in individuelle, letztlich kurseinwirkende Transaktionsentscheidungen umgesetzt wird. Es geht hierbei also um das Problem der interpersonellen Interaktion und ob dieses mit den klassischen Zurechnungssätzen der Kausalität – worauf die in diesem Zusammenhang verwendete Begrifflichkeit der „psychischen Kausalität“ prima facie hinzudeuten scheint – erklärbar ist.852 Die darin enthaltene Frage, ob eine psychische Erscheinungsform wie ein Motiv oder ein Wille die Ursache einer Körperbewegung/Handlung sein kann, d.h. für die Marktmanipulation den inzidenten Schritt, den aufgrund der Manipulationshandlung gefassten Entschluss für eine Markttransaktion in eben jene tatsächlich umzusetzen, soll an dieser Stelle dagegen bejaht werden.853 Bei allen Folgeerwägungen muss die Unterscheidung verschiedener Formen möglicher kommunikativer Beeinflussung (Herausforderung durch Bereitstellen einer Information; bloßer Rat; Provokation; Anstiftung als Bestimmen, Anweisung etc.), an die etwaig auch normative Differenzierungen anknüpfen, mit Berücksichtigung finden.
851 Insoweit Markt verstanden als die Gesamtheit der Marktteilnehmer bzw. (bei juristischen Personen) ihrer Willensträger. 852 Zum Problem der psychischen Kausalität vgl. u. a. Engisch FS v. Weber (1963) S. 247 ff.; Puppe ZStW 92 (1980) S. 863 [902]; dies. ZStW 95 (1983) S. 287 [297 ff., 311 ff.]; dies. Jura 1997, 408; Koriath (1988) S. 141 ff., 201 ff., 223 ff. und passim; ders. (1994) S. 507 ff. 853 Vgl. zum aus der philosophischen Streitfrage um den Dualismus von Materie und Geist resultierenden Problem nur m. w. N. umfassend Koriath (1994) S. 508 ff. und passim sowie ders. (2007) S. 120 ff. und 134 f.
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b) Die Ansicht der Rechtsprechung Vorliegend soll es bei der Darstellung der zur psychischen Kausalität ergangenen Rechtsprechung vor allem um jene Entscheidungen gehen, in denen explizit oder implizit Stellung genommen wurde zu den materiellen Anforderungen einer Kausalitätszurechnung für den Bereich psychischer Interaktionen.854 Entscheidungen, die sich mehr mit dem prozessualen Beweis bzw. dem Grad an erforderlicher richterlicher Überzeugung für den Nachweis von Kausalität beschäftigen, sollen dagegen der Klarheit halber gesondert untersucht werden.855 Gleiches gilt für ausländische Judize, die sich speziell mit Zurechnungsfragen im Bereich des Kapitalmarkts auseinandersetzen. aa) Zivilrecht Die speziellen Entscheidungen im Kontext kapitalmarktlicher Haftungsansprüche greifen das materielle Problem der psychischen Kausalität als solches nicht explizit auf, sondern gehen implizit von der Anwendung der üblichen „Kausalitätstrias“ aus Äquivalenz- und Adäquanzformel sowie Schutzzweck der Norm auch für die Zurechnungsbeziehung zwischen manipulativem Handeln und Haftungsrechtsgutsverletzung wie Schaden aus.856 In inzwischen ständiger Rechtsprechung verlangt wird für die Informations854
Gasser (2002) S. 24 f. kommt in seiner Untersuchung zur Kausalität von Information, welche nach eigenem Bekunden wegen des Einbezugs von außerhalb der Psyche des Individuums liegenden Aspekten über das Problem der psychischen Kausalität hinausgeht (vgl. ebenda S. 32 f.), für die Rechtsprechung des Schweizer Bundesgerichts zum Globalbefund, dass in den analysierten kontextualen Entscheidungen die Ausführungen zur natürlichen und adäquaten Kausalität von Informationen generell kursorisch ausfallen und an den Beweis des natürlichen Kausalzusammenhangs keine hohen Anforderungen gestellt werden. 855 Vgl. hierzu unten 3. Kapitel § 2 B. IV. 3. a). Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass die Lösung dogmatischer Begriffskonstruktionen, wie sie das Kausalitätsproblem verlangt, nicht vorschnell zugunsten einer praktischen Verblendung des Problems mittels beweisrechtlicher Lösungen im Rahmen des Strafprozesses aufgegeben werden sollte. Ebenso Bernsmann ARSP 1982, 536, 543 m. w. N. 856 Bspw. sei auf das explizite Aufgreifen dieser Trias zuletzt in BGH NZG 2008, 386, 387 („Comroad VIII“) verwiesen. Vgl. zur dieser Rechtsprechung und ihren – nach Auffassung des Verfassers in erster Linie prozessualen – Lösungen daher im Interesse einer geschlossenen Darstellung erst unten unter 3. Kapitel § 2 B. IV. 3. a) aa) im Zusammenhang mit möglichen Auswegen aus den Zurechnungsproblemen. Dort werden die der Rechtsprechung implizit zugrunde liegenden Kausalitätsmodelle herausgearbeitet. Auf eine explizite Darstellung der zivilrechtlichen Literatur, welche sich explizit mit dem Problem der psychischen Kausalität beschäftigt, wird insoweit weitestgehend verzichtet, als diese größtenteils auf die strafrechtliche Diskussion aufsetzt (vgl. hierzu insbesondere m. w. N. die „zivilrechtliche“ Monographie von Röckrath (2004) S. 59 ff.).
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deliktshaftung im Kapitalmarkt (§ 826 BGB wegen fehlerhafter Ad-HocMeldungen) der Nachweis konkreter Kausalität für den Willensentschluss des Anlegers, ohne weitergehend auf diesbezüglich materiell anzulegende Kriterien einzugehen.857 Die allgemeine höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen erkennt zwar grundsätzlich für den Kontext der psychischen Kausalität die Möglichkeit an, eine haftungsbegründende Kausalität auch für solche Schäden und damit zuzurechnende Erfolge anzuerkennen, die erst durch eine Handlung oder Unterlassung entstanden sind, welche auf einem Willensentschluß des Verletzten oder eines Dritten beruhen.858 Die Zurechnung solcher Schäden setzt außer in Anstiftungskonstellation indes insgesamt voraus, dass die Handlung oder Unterlassung des Verletzten oder des Dritten durch das haftungsbegründende Ereignis herausgefordert worden ist, wobei jenes Herausfordern859 dann zu bejahen sein soll, wenn der Schädiger durch ein in diesem Zusammenhang vorwerfbares Tun beim Geschädigten oder Dritten eine „mindestens im Ansatz billigenswerte Motivation zu selbst [bzw. dritt- Anm. d. Verf.] gefährdendem Verhalten gesetzt hat, die etwa auf Pflichterfüllung, Abwehr oder Nothilfe beruhen kann“.860 Ob eine Transaktionsentscheidung insoweit im Einzelfall einer im Ansatz billigenswerten Motivation entspricht, wäre – in „wertender Betrachtung“861 – dementsprechend davon abhängig zu machen, ob sie für einen verständigen Anleger noch hinreichend nachvollziehbar 857 St. Rspr. vgl. hierzu zuletzt BGH NZG 2008, 386, 387 („Comroad VIII“) m. w. N. Siehe hierzu ausführlich unten 3. Kapitel § 2 B. IV. 3. a) aa) (2). 858 Zu den (hier nicht in die Diskussion einbezogenen) Schockschäden als der neben den Herausforderungsfällen zweiten Konstellation psychischer Kausalität im Zivilrecht vgl. BGHZ 56, 163; BGH JZ 1985, 538, 538 f. Dort wird unter Annahme einer adäquaten Kausalität, die keine „gesetzlich-deterministische“ Verbindung sein muss, in der juristischen Lösung maßgeblich darauf abgestellt, ob der Schockschaden noch im (personellen) Schutzbereich der Haftungsnorm liegt (hierzu m. w. N. Köck, in: Lübbe [1994] S. 7 ff. [20 f.]). Zur Diskussion, ob auch hier eine eigenständige Kausalitätslehre für menschliche Reaktionen anzutreffen ist, vgl. nur Koriath (1988) S. 141 ff. 859 Der Begriff des Herausforderns in diesem Zusammenhang lässt sich wohl auf Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Erster Band, Allgemeiner Teil, 13. Aufl. 1982, § 27 III b 5 (= S. 421) zurückführen und wurde sogleich von der Rechtsprechung adaptiert (ebenso Koriath 1988, S. 193 Fn. 299). 860 BGH, NJW 1978, 1005 [1006]; vgl. auch BGHZ 57, 25 [28 ff.]; BGHZ 132, 164 [166 ff.]; BGH NJW 2007, 2764 [2765 f.]; vgl. auch Schiemann, in: Staudinger BGB (2005) § 249 Rn. 47 ff.; A. Staudinger, in: Schulze/Dörner/Ebert, BGB (5. Auflage 2007), § 823 Rn. 55; siehe auch Koriath (1988) S. 191 ff. m. w. N., nach dessen Analyse auch in der zivilrechtlichen Literatur Kausalität als naturgesetzliche Verbindung betrachtet werde. 861 So ausdrücklich für die Herausforderungsfälle BGHZ 58, 162 [168]. Ein Aufgreifen dieser „Herausforderungsrechtsprechung“ findet sich indes nicht explizit in den kapitalmarkthaftungsrechtlichen Entscheidungen wieder.
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wäre. Im Haftungsrecht, wo die zivilrechtliche Herausforderungsjudikatur herrührt, geht es allerdings um eine sachgerechte Verteilung der Folgen effektiver Schädigungen zwischen Individualpersonen nach Verantwortlichkeits- und Risikobereichen. Das Problem, die Herausforderung einer bestimmten an das Erstverhalten anknüpfenden, aber eigenständigen862 Handlung an eine normative Wertung i. S. einer Bewertung, was eine vernünftige Person getan oder gelassen hätte, zu knüpfen, lässt sich indes nicht gleichermaßen im Strafrecht bewerkstelligen.863 Zum einen impliziert jene Herausforderungsrechtsprechung bereits, dass eine wirksame Beeinflussung faktisch stattgefunden hat, worum es übertragen auf den strafrechtlichen Begriff der Kausalität bei dieser allein geht.864 Besagte – notwendig konkret865 und damit wohl als Motivationsbeeinflussung festzustellende – Beeinflussung soll allerdings nur dann als zivilhaftungsrechtlich relevant angesehen werden können, wenn sie auch normativ eine Zuschreibung der durch fremdes Zutun bewirkten Realschädigungen rechtfertigen können soll.866 Der Weg zur Erkenntnis der tatsächlichen Beeinflussung und damit der Kausalität wird nach herrschender zivilrechtlicher Doktrin allerdings allgemein mittels der Äquivalenz-Formel und ihrer überwiegenden – haftungslimitierenden – Ergänzung durch die Adäquanzformel gesucht.867 Dementsprechend wäre dieser Weg implizit auch in den Herausforderungsfällen zu gehen. Bei der ein kollektives Rechtsgut schützenden Vorschrift der Marktmanipulation können vorfindliche subjektive Verhaltensanomalien der Anle862 Ausgeklammert seien an dieser Stelle Fälle der Anstiftung, da sich bei diesen ein bewusst rechtsgutsfeindliches Verhalten dem Ersthandeln anschließt. 863 Ähnlich BGH JR 2004, 251 [252] für den Fall einer hypothetischen Einwilligung in einen ärztlichen Heilangriff: „Bei der Kausalitätsprüfung ist auf das konkrete Entscheidungsergebnis des jeweiligen Patienten abzuheben. Es kommt nicht darauf an, [. . .] dass ein vernünftiger Patient eingewilligt hätte.“ 864 Die Zivilrechtsdogmatik geht in ihren Begrifflichkeiten insoweit von einem weiten Kausalitätsbegriff aus, von welchem auch Adäquanz- und Schutzzweckerwägungen (etwa vergleichbar mit den im Strafrecht unter der objektiven Zurechnung eigenständig diskutierten Erwägungen) umfasst sind. Vgl. repräsentativ BGH NZG 2008, 386, 387 („Comroad VIII“). 865 Der BGH verlangt in ständiger Rechtsprechung (zuletzt BGH NZG 2008, 386, 387 – „Comroad VIII“) die Feststellung konkreter Kausalität für den Willensentschluss des Anlegers. 866 Insoweit korrekter wäre es daher, statt von einer „Unterbrechung des Kausalzusammenhangs“ von einer „Unterbrechung des Haftungszusammenhangs“ zu sprechen; vgl. so Knerr, in: Geigel (25. Aufl. 2008) 1. Kap. Rn. 29. 867 Vgl. zur Adäquanztheorie im Zivilrecht st. Rspr. seit RGZ 133, 126, 127; 135, 149, 154; BGHZ 3, 261, 266 ff.; BGHZ 7, 198, 204 (= NJW 1953, 700 ff.); BGH NJW 2000, 947 [948]; Oetker Mü-Ko BGB (5. Aufl. 2006) § 249 Rn. 104 ff. Die Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung hat dagegen in der zivilrechtlichen Literatur bei weitem nicht die Prominenz erlangt, wie im Strafrecht (vgl. hierzu m. w. N. Röckrath (2004) S. 10).
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ger – wie sie nach der Herausforderungsdogmatik im Zivilrecht für den insoweit um Elemente der Schutzzweckbetrachtung erweiterten umfassenden Kausalitätsbegriff relevant sein können – dagegen nach strafrechtlicher Doktrin eine Zurechnungsbeziehung nur aufstören, wenn sie sich als relevantes eigenverantwortliches Dazwischentreten eines Dritten darstellen. Dies soll dann der Fall sein, wenn es vom Erstverursacher objektiv nicht vorhersehbar war (so die strafrechtliche Judikatur) oder sich im Erfolg allein das Risiko des Zweitverursachers realisiert und sich der vom Erstverursacher gesetzte Gefahrentyp gar nicht mehr auswirkt868 (hL). All jenes wird im Strafrecht im Rahmen der normativen Einschränkung der – zunächst eigenständig fest zu stellenden – Kausalität unter dem Topos der objektiven Zurechnung diskutiert.869 Die wesentlich vom Gedanken der Haftungs- und Risikosphärenabgrenzung geprägte zivilrechtliche Herausforderungsdogmatik lässt sich daher nicht auf das Problem der psychischen Kausalität – wie es sich im Strafrecht stellt – Erkenntnisgewinn bringend transferieren. bb) Strafrecht Auch in den wenigen kapitalmarktstrafrechtlichen Entscheidungen finden sich keine expliziten Ausführungen zum materiellen Problem bzw. der Dogmatik der psychischen Kausalität. Den Kontext der individuellen Entscheidungsbeeinflussung anderer Marktteilnehmer greift – soweit ersichtlich – allein eine Entscheidung des LG München I auf, die sich mit den notwendigen bzw. sinnvollen Beweismitteln für den prozessualen Nachweis des als solchen für beweisbedürftig gehaltenen Zusammenhangs zwischen Manipulationshandlung und den Transaktionsentscheidungen einzelner Anleger beschäftigt.870 Im Übrigen legt die kapitalmarktstrafrechtliche Judikatur ihren Kausa868 Vgl. zur Unterbrechung des Kausalverlaufs durch Eröffnung einer neuen Ursachenreihe RGSt 61, 318, 320; 64, 316, 318; 64, 370, 372 f.; 69, 44, 47; BGHSt 4, 360, 362; BGH NJW 1989, 2479, 2480. 869 Insoweit fällt die Abgrenzung zwischen den Wertungsstufen der Kausalität und der objektiven Zurechnung im engeren Sinne unterschiedlich danach aus, ob die Zweithandlung an die Ersthandlung anknüpft (dann zunächst Kausalität zu bejahen und Entscheidung auf Ebene der objektiven Zurechnung), oder ob jene von ersterer gänzlich unabhängig ist (bereits zu negierende Kausalität). Letzteres hat bereits RGSt 69, 44 [47] konstatiert: „Voraussetzung für die Annahme eines Ursachenzusammenhangs ist natürlich, dass die ursprüngliche, auf einen bestimmten Erfolg gerichtete Handlung auch wirklich bis zum Eintritt des Erfolges fortgewirkt hat, also wirklich ursächlich geworden ist, dass nicht etwa das auf denselben Erfolg gerichtete spätere Ereignis diese Fortwirkung beseitigt und unabhängig von der zu beurteilenden Handlung unter Eröffnung einer neuen Ursachenreihe den Erfolg herbeigeführt hat.“ 870 Vgl. LG München I NJW 2003, 2328 in der Strafsache der Gebrüder Haffa („EM.TV“); hierzu – nach Darstellung der dieser Rechtsprechung zugrunde liegen-
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litätserwägungen im Rahmen des § 38 II WpHG inzident die Conditio-Formel als materielle Anforderung für den Zusammenhang zwischen manipulativer Handlung und Börsen- oder Marktpreiseinwirkung auf der Makroebene unter und greift das Thema individueller Entscheidungsbeeinflussung nicht auf.871 Die nicht kapitalmarktspezifische strafrechtliche Judikatur hat sich neben der Beteiligungslehre872 mit dem Problem der psychischen Kausalität in erster Linie im Kontext des Betrugstatbestandes mit dem notwendigen Kausalzusammenhang zwischen Täuschung, Irrtum und Vermögensverfügung auseinandergesetzt. Während sich das Reichsgericht unter Rückgriff auf die allgemeinen Regeln noch der condicio sine qua non zur Ermittlung des (mit)ursächlichen Zusammenhangs bediente873 und die kausale Beziehung nach einer Gesamtschau des Geschehens letztlich behauptete,874 erkannte der Bundesgerichtshof früh, dass es bei den Fragestellungen der psychischen oder inneren Kausalität um die Feststellung persönlicher Motive geht, jedenfalls nicht mit naturwissenschaftlichen Kausalvorstellungen operiert wird und daher auch nicht die gewöhnlichen Zuschreibungsregeln operationalisiert werden können.875 Dementsprechend werden in der Gerichtspraxis auch in Fragen normal-psychologischer Kausalität keine psychologischen Sachverständigen zur Ermittlung erfahrungswissenschaftlich nachweisbarer Gesetzmäßigkeiten vernommen,876 sondern wird stattdessen der Weg einer „weitgehend laienhaften, richterlichen Psychologie“877 gewählt. den allgemeinen Dogmatik in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – unten 3. Kapitel § 2 B. IV. 3. a) bb) (1). 871 Vgl. insoweit nur BGHSt 48, 373 („Analyst Sascha Opel“) sowie detailliert zur (kapitalmarkt)strafrechtlichen Rechtsprechung und ihren prozessualen Anforderungen an den Nachweis der Kausalität unten 3. Kapitel § 2 B. IV. 3. a) bb). 872 Eine Darstellung der entsprechenden Rechtsprechung auch zur Beteiligungslehre soll vorliegend nicht explizit geboten werden, zeichnet sich diese doch durch weitergehende Fragen (Genügt bei der Anstiftung jede Verursachung/Beeinflussung des Tatentschlusses zur tätergleichen Bestrafung?) aus. 873 Vgl. RGSt 76 (1943), 82 [86 f.]. 874 Vgl. zu dieser Kritik nur Koriath (1988) S. 186. 875 BGHSt 13, 13 ff. [15]; vgl. hierzu auch Sch/Sch27-Cramer § 263 Rn. 77. Die Entscheidung betraf den Fall eines Großkaufmanns, der einem Referendar ein Darlehen von DM 2000,– gewährt hatte, nachdem dieser seine Rückzahlungsfähigkeit und -willigkeit vorgespiegelt hatte. Der Großkaufmann hatte dem Tatrichter indes gegenüber angegeben, das Darlehen wegen der Stellung des Referendars als „Gerichtsperson“ auch ohne die Falschangaben gewährt zu haben. Die Richter des BGH argumentieren in dieser Entscheidung mit der notwendigen Differenzierung zwischen Zusammenhängen der äußeren Natur und jenen im Inneren des Menschen (sog. Zwei-Welten-Konzept) sowie den zu hinterfragenden Forschungsmethoden. Vgl. hierzu Koriath (1988) S. 187. 876 Vgl. Bernsmann ARSP 1982, 536, 544 m. w. N. Nach der in der Literatur vorherrschenden Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung wäre demgegenüber die Zu-
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Beim Betrug haben die Strafgerichte dabei zu ermitteln, welches konkrete Täuschungsverhalten zu einer bestimmten Vermögensverfügung geführt hat.878 Noch „unproblematisch“879 könnte in jenen zu den bereits vom BGH entschiedenen Konstellationen mittels der Bedingungstheorie880 Kausalität bejaht werden, in welchen der Getäuschte die Vermögensverfügung nie getroffen hätte, wenn er sich nicht geirrt hätte,881 oder die Irrtumstatsache jedenfalls mitursächlich die Motivation bestimmt hat.882 Ebenso unbeachtlich bezüglich der daher bestehen bleibenden Kausalität soll allerdings (in Abweichung von der Bedingungstheorie)883 der Umstand sein, dass der Verfügende die gleiche Verfügung auch bei Kenntnis der wahren Sachlage, aber dann aus anderen Motiven getroffen hätte.884 Aufsehen erregend waren in diesem Zusammenhang die grundlegenden Entscheidungen des BGH vom 8.10.1957 (5 StR 366/57) und vom 12.2.1959 (4 StR 511/58).885 In beiden Konstellationen hatte der BGH den Standpunkt vertreten, dass eine bestimmte vom Angeklagten behauptete Tatsache, obgleich sie nach Aussage der Geschädigten nicht für die Vermögensverfügung entscheidend gehilfenahme der Psychologie als prima facie einschlägiger Disziplin zur Klärung möglicher Gesetzmäßigkeiten an sich angebracht. 877 Bernsmann ARSP 1982, 536, 551. 878 Vgl. hierzu nur BGH wistra 1995, 102, wo der BGH in einer Konstellation betrügerischer Veräußerung von Warenterminoptionen den Einzelnachweis verlangte, welches täuschende Vorbringen gegenüber welchem Kunden angewandt worden war und zu welchen schadensbringenden Vermögensverfügungen geführt hat. 879 So das Urteil Engischs FS Hellmuth von Weber (1963) S. 247, 250. 880 Vgl. hierzu nur Sch/Sch27-Cramer § 263 Rn. 77. Hier zeigt sich ein von Autoren beschriebener (scheinbarer) Vorteil der Bedingungstheorie, der darin liegen soll, dass man mit ihrer Hilfe auch ohne strikte Gesetze auskomme (Toepel [1992] S. 93; Schaal [2001] S. 62, 89). Kritisch hierzu Puppe GA 2004, 129 [141 f.]. 881 Ähnliche Fragen der Motivationskausalität spielen auch im Rahmen falscher oder unvollständiger Aufklärung eines Patienten eine Rolle, wenn die Frage im Raum steht, ob ein Einverständnis in eine gefährliche Operation auch im Falle richtiger Aufklärung gegeben worden wäre. Der BGH hat in dieser Konstellation den Beweis verlangt, dass sich der getäuschte Patient bei richtiger Information anders entschieden hätte. Vgl. hierzu BGH JR 2004, 251 [252]; Puppe NK vor § 13 Rn. 129. 882 BGHSt 13, 13 [14]; Engisch FS Hellmuth von Weber (1963) S. 247, 251. 883 So das überzeugende Fazit der kommentierenden Literaturstimmen. Vgl. hierzu zuletzt Koriath (2007) S. 141 und Roxin AT I § 11 Rn. 32 („Lösung [. . .] mit der [. . .] üblichen Formel vom Hinwegdenken schwer zu erzielen“). Der BGH in Zivilsachen will die Bedingungstheorie indes auch in Betrugsfällen weiterhin wohl durchgängig praktische Anwendung im Strafrecht finden (ge)sehen (haben): vgl. BGH, Urteil vom 5.3.2002 – VI ZR 398/00 Rz. 18. 884 BGHSt 13, 13, [14 f.]; Sch/Sch27-Cramer § 263 Rn. 77 m. w. N.; Tiedemann LK § 263 Rn. 123. 885 Besprechung bei Engisch FS Hellmuth von Weber (1963) S. 247 ff.
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wesen war (jene wäre nach Aussage der Zeugen auch bei Nichtirrtum über die behauptete Tatsache vorgenommen worden), dennoch kausalitätsstiftend gewesen sein soll. Ausreichend solle allein sein, dass dem Handelnden vom Täter im Rahmen des „tatsächlichen Verlaufs der Willensbildung“886 ein Grund für sein Handeln gegeben werde. Es genüge, wenn die Täuschung für die Vermögensverfügung des Getäuschten wenigstens mitbestimmend gewesen ist, wobei ein solcher Beweggrund seine rechtliche Bedeutung nicht deswegen einbüße, weil daneben ein anderer bestand, der von dem Irrtum nicht berührt wurde und für sich allein zu demselben Entschluss geführt hätte.887 Hypothetische Kausalverläufe seien für die konkrete Feststellung gerade nicht erheblich: „Der tatsächliche Verlauf der Willensbildung verliert sein Dasein [. . .] nicht dadurch, dass an seine Stelle ein anderer getreten wäre, aber nicht getreten ist.“888 Das Grundproblem der Verknüpfung mentaler Vorgänge wird indes von den Richtern hier ebenso wenig behandelt, wenn sie eine starre Beziehung von Motivation und Erfolg errichten,889 wie die Frage, ob überhaupt und welche alternative Regel an die Stelle der traditionellen Bedingungstheorie treten soll.890 Wendet man diese Rechtsprechung (wie von der spezifisch kapitalmarktstrafrechtlichen Rechtsprechung aber ganz überwiegend gerade nicht geübt!) auf die Zurechnung informationeller Einflüsse auf einen späteren Kursbildungsprozess an, so wäre nach dem Beweis der Aufnahme bestimmter Angaben/Informationen durch die Mikroebenenakteure auch der Einfluss der Angaben im Rahmen des Entscheidungsprozesses zu hinterfragen. Dabei wären existierende weitere Einflüsse auf die Willensbildung der Marktteilnehmer mit zu berücksichtigen. Für den Beweis der nach dieser Rechtsprechung notwendigen Motivationsbeeinflussung wären jedoch konsequenterweise die Rezipienten als Zeugen zu befragen.891 Einen dem weitgehend auf prozessualer Ebene entsprechenden – und damit Rückschlüsse auf die diesem Urteil zugrunde liegenden abstrakten Kau886
BGH, Urteil vom 12.2.1959 – 4 StR 511/58 = BGHSt 13, 13 [15]. BGH, Urteil vom 14.7.1999 – 3 StR 188/99 = BGH NStZ 1999, 558, 559 in Anknüpfung an BGHSt 13, 13. Wohl meinend kann dem BGH im Referendarsfall unterstellt werden, er nahm die Erklärung des Zeugen, die Täuschung über die Gelderwartung des Zeugen bei der Kreditvergabe habe keine Rolle gespielt, als bloß unbeachtliche, nachträgliche Spekulation (vgl. so Puppe ZStW 95 [1983] 287, 298). 888 BGH, Urteil vom 12.2.1959 – 4 StR 511/58 = BGHSt 13, 13 [15]. 889 Vgl. ebenso Kahrs (1968) S. 266. 890 Vgl. ebenso Koriath (1988) S. 188. 891 So beispielsweise der BGH in st. Rspr. für die Konstellation erneuter Lieferung trotz bereits offener Rechnungen: BGH 1 StR 5/98 vom 17.2.1998 (= StV 1999, 24): „[. . .] in der Regel näherer Feststellungen zu der Frage, ob der Lieferant Kenntnis von der Zahlungssäumigkeit erlangte und weshalb er sich gleichwohl zu weiteren Lieferungen bereit fand“; ebenso BGH NStZ 1993, 440. 887
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salitätserwägungen zulassenden – Weg beschritt soweit ersichtlich bislang einzig das LG München I im Strafverfahren gegen die Brüder Haffa („EM.TV“), als es in einem obiter dictum verlangte, prozessual den Nachweis der Kausalität in der individuellen Anlegermotivation zu suchen. Der konkrete Nachweis der Kausalität verlange danach, „die einzelnen Anleger zu ermitteln und nach ihrer Motivation bei dem Erwerb der jeweiligen Aktien zu forschen.“892 Dabei seien „die verschiedensten Marktmechanismen und insbesondere die Funktion der Designated Sponsors am Neuen Markt zu berücksichtigen, so dass der Wegfall einer bestimmten Einzelfestsetzung nicht zwangsläufig eine Auswirkung auf den Kurs insgesamt haben“ müsse.893 Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass die strafrechtliche Judikatur in Fällen psychischer Interaktionen überwiegend eine konkrete Motivationsbeeinflussung für die Bejahung der psychischen Kausalität voraussetzt. Diese Anforderungen stellt indes – soweit ersichtlich – bislang als einziges deutsches Gericht das LG München I auch im Bereich der Kausalitätsfragen der Marktmanipulation. c) Literatur Das Thema der psychischen Kausalität wird in der spezifisch kapitalmarktstrafrechtlichen Literatur ganz überwiegend nicht als Problem identifiziert894 und entsprechend nicht spezifisch untersucht.895 Die Kausalität wird 892
LG München I Urteil vom 8.4.2003 – 4 KLs 305 Js 52373/00 (= NJW 2003, 2328, 2330 – EM.TV = NZG 2003, 825 = NStZ 2004, 289). Bespr. von Fleischer NJW 2003, 2584 ff. Das Strafurteil (bestätigt durch BGH Urteil vom 16.12.2004 – 1 StR 420/03 = NJW 2005, 445; AG 2005, 835) gegen die Brüder Haffa ist nach dem Nichtannahmebeschluss des BVerfG vom 27.4.2006 – 2 BvR 131/05 (= ZIP 2006, 1096; AG 2006, 539; BKR 2007, 38) zwischenzeitlich rechtskräftig geworden. Nachdem das LG München I die Angeklagten lediglich einer unrichtigen Darstellung nach § 400 I AktG strafrechtlich für schuldig befunden und die Marktmanipulation in Anwendung intertemporalen Strafrechts allein als Ordnungswidrigkeit i. S. d. § 39 I Nr. 1 i. V. m. § 20a I 1 Nr. 1 WpHG n. F. erkannt hatte, befasste sich der BGH in Sachen EM.TV nicht mit den (obiter dictum gleichen) hier wiedergegebenen Erwägungen der Erstinstanz zum Nachweis der Kausalität im Rahmen des § 38 I Nr. 4 WpHG a. F. (jetzt § 38 II WpHG). 893 LG München I NJW 2003, 2328, 2330. 894 Vgl. ohne Benennen und Aufgreifen des expliziten Problems der psychischen Kausalität nur die neueren Monographien zur Marktmanipulation Arlt ([2004] S. 194 ff.), Douklias ([2007], S. 301 ff.), Eichelberger ([2006] S. 323 ff.), Maile ([2006] S. 184 ff.); Papachristou ([2006] S. 194 ff.), Schönhöft ([2006] S. 158 ff.); Trüstedt ([2004] S. 125 ff.), Waschkeit ([2007] S. 283 ff.), Wodsak ([2006] S. 76 f.). Das gleiche Bild bietet sich in den Kommentaren: Pananis, in: MK-StGB WpHG § 38 Rn. 220 ff.; Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 221 f.; Vogel, in: Ass/Schn § 38 WpHG Rn. 52 ff.; Waßmer, in: Fuchs WpHG § 38
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dort knapp unter Hinweis auf die herkömmlichen Formeln der Kausalität (Äquivalenzformel und Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung) und prozessualen Beweisschwierigkeiten wegen der „Polykausalität“896 der Kurse angesprochen,897 selten um Ausführungen zur Finanztheorie (hier allerdings nur unter Rekurs auf die Markteffizienztheorie)898 ergänzt und zuweilen um eine prozessuale Anleitung für den Nachweis angereichert.899 Im Problem der psychischen Kausation zeigt sich indes auch und gerade unter Einbezug finanztheoretischer Ansichten900 die materiell entscheidende Kategorie zum Verständnis des Einwirkungserfordernisses, weshalb es der kritischen Analyse der hierzu vertretenen Ansichten für ihre eventuelle Fruchtbarwerdung im Bereich der Marktmanipulation bedarf.901 Nur auf Grundlage dieser materiellen Erwägungen können in einem nächsten Schritt die prozessualen Erfordernisse an den Nachweis von Kausalität untersucht werden. Darüber hinaus können sie die Basis einer Beurteilung der de lege lata vorfindlichen Regelung und zugleich den Ausgangspunkt für Reformvorschläge bilden. Rn. 40 ff.; Zimmer, in: Schwark WpHG § 38 Rn. 5. Siehe dagegen – wenn auch ohne explizites Benennen des Problems der psychischen Kausalität, so doch mit Aufgreifen dessen wesentlicher Problemfelder im Bereich der Marktmanipulation – Altenhain KK-WpHG § 38 Rn. 97 f. Altenhains Ansicht wird im entsprechenden Kontext separat gewürdigt werden. 895 Insoweit entsprechen diese Untersuchungen dem nicht selten anzutreffenden Meinungsbild in der Rechtswissenschaft. Mit Recht konkludiert Hilgendorf (Jura 1996, 9, 11), das Problem der psychischen Kausalität werde meistens durch eine „unreflektierte Anwendung der Condicio-sine-qua-non-Formel verdeckt, nach der Kausalität lediglich irgendeinen gesetzmäßigen Zusammenhang voraussetzt, während die genaue Art des Zusammenhangs offen bleiben kann.“ 896 Ziouvas ZGR 2003, 113, 140, ohne allerdings die vielfältigen Einflüsse zu konkretisieren. Anders dagegen Altenhain KK-WpHG § 38 Rn. 97 f., der den „mehrstufigen Kausalverlauf“ am Beispiel der informationsgestützten Manipulationen und dabei auch mögliche Alternativkausationen beschreibt. 897 Arlt (2004) S. 194 ff. 898 Siehe hierzu Papachristou (2006) S. 198 ff. 899 Vgl. Papachristou (2006) S. 198 ff. (für eine auf dem Markteffizienzmodell basierende Indikatorenlösung wie die des BGH); Maile (2006) S. 189 ff. (Verweis auf Entscheidungen des BGH in Produkthaftungsfällen); vgl. für die prozessuale Behandlung der Zurechnungsproblematik im Übrigen unten 3. Kapitel § 2 B. IV. 3. 900 Das einzelne Anlegerverhalten nehmen nämlich sowohl die klassischen als auch die behavioristischen Erklärungsmodelle – wenn auch mit differierenden Handlungstheorien – in Bezug. Vgl. hierzu oben unter 3. Kapitel § 2 B. II. 3. 901 Selbstredend können an dieser Stelle nicht sämtliche Theorien zur psychischen Kausalität wiedergegeben und kann nicht jede Theorie (bzw. jede literarische Stimme) umfassend und abschließend behandelt werden. Dies ist für den Zweck dieses Abschnittes – der Fundierung einer erst hierdurch möglichen kritischen Analyse des Einwirkungserfordernisses – aber auch nicht vonnöten. Ausreichend ist insoweit der Nachweis ob und wie materielle Zurechnung für ein Einwirkungserfordernis im Bereich des Kapitalmarktes aussehen könnte.
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In der allgemeinen Literatur902 differieren die Ansichten zur psychischen Kausalität zwischen zwei großen Polen. Den Befürwortern einer Geltung der Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung auch im Rahmen psychischer Interaktionen stehen im Vordringen befindliche Ansichten gegenüber, die entweder nur für die psychischen Interaktionen neue Zurechnungsregeln formulieren wollen oder sich unter Kreation eines einheitlichen gemeinsamen Zurechnungskriteriums gänzlich von der Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung verabschieden wollen. aa) Universelle Geltung der Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung (1) Engisch Bereits Engisch hat in seinem grundlegenden Aufsatz zur psychischen Kausalität aus dem Jahre 1963 den Begriff eines „‚Determinismus‘ im seelischen Bereich“903 geprägt, welchen er anhand der Ursachenzusammenhänge zwischen Täterverhalten und Opfervermögensverfügung beim Betrug entwickelt. Auch im Bereich der inneren Kausalität gebe es Gesetzmäßigkeiten, deren „metaphysische Grundlagen uns [zwar, Anm. d. Verf.] verborgen sind“, „die für das richterliche Kausalurteil bedeutsam und schließlich ausschlaggebend“ sind.904 Richtig sei es zwar insoweit – wie es der BGH in der besprochenen Entscheidung BGHSt 13, 13 vorexerziert habe – auf die Bedingungstheorie in ihrer Ausformung durch die condicio sine qua non zu verzichten, da insoweit unzulässigerweise der tatsächliche Verlauf der Willensbildung gegen einen hypothetischen ausgewechselt würde, nicht aber dies auf eine „Diskrepanz zwischen äußerer und innerer Kausalität“905 aufgrund fehlender Gesetzmäßigkeiten zu stützen. Zwar mag die „psychische Kausalität zum Gegenstand eigenen Erlebens und fremden Einfühlens werden,“ aber stets geschieht dies „in Übereinstimmung mit einer Gesetzmäßigkeit, die wir bei den Kausalurteilen mitberücksichtigen müssen und auch tatsächlich [. . .] mitberücksichtigen.“906 Die Ausführungen Engischs enthalten indes keine Diskussion des Problems der Willensfreiheit als dem Folgeproblem jeder nomologischen Erklärung menschlichen Verhaltens. Darüber hinaus bleibt die Schwierigkeit, die Gesetzmäßigkeiten der 902 Dem m. E. zu kritischen Urteil Koriath’s (2007) S. 136 zufolge gibt es neben der herrschenden Ansicht aus neuer Zeit nur zwei bedeutende Arbeiten zur psychischen Kausalität: Engisch FS Weber (1963) S. 247 ff. und Puppe (2000) S. 57 ff. 903 Engisch FS Weber (1963) S. 247, 269. 904 Engisch FS Weber (1963) S. 247, 269. 905 Engisch, a. a. O. 906 Engisch FS Weber (1963) S. 247, 269.
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Willensbildung abstrakt zu formulieren und damit der Theorie ihre prozessuale Operationalisierung zu ermöglichen. Der Großteil der Lehrbuch- und Kommentarliteratur, welche sich Engisch angeschlossen hat, arbeitet hier – unter Verzicht auf eine Beschreibung der zugrunde liegenden Gesetzmäßigkeiten907 oder einem Verweis auf die Erforderlichkeit spezifischer Fachgutachten – mit dem bloßen Postulat, der jeweilige Entschluss sei in concreto durch diesen oder jenen Faktor motiviert worden.908 (2) Samson Samson909 nimmt Engischs Erwägungen auf, komplettiert sie allerdings, indem er sie durch das partielle Für-Obsolet-Erklären des Streits zwischen Deterministen und Indeterministen gegen den Vorwurf des Determinismus als zugrunde liegendem philosophischen Modell (mit seinen Folgeproblemen für Willensfreiheit und Schuldtheorie) zu immunisieren versucht. Dabei zerlegt er die Wirkzusammenhänge im Rahmen der Handlungsentscheidung am Beispiel eines zum Bankraub Angestifteten in solche „Akte der Freiheit“ und jene Verläufe, die „naturgesetzlich zwangsläufig“ erfolgen.910 Ergreife der Täter in voller Freiheit einen an ihn herangetragenen Plan und führe ihn anschließend aus, dann sei dieser Plan für den Erfolg ursächlich geworden, obwohl der Entschluss ihn zu ergreifen, nicht zwangsläufig entstand.911 Eben jenes gelte auch für ein von außen herangetragenes Motiv: lasse der Täter die Wirkung des Motives zu, verursache das Motiv den Entschluss im Sinne der Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung.912 An diesem Ansatz Samsons zu kritisieren bleibt indes, wie man von einer gesetzmäßigen Verbindung zwischen dem Rat des Anstifters/Motivators und der Wahl des Angestifteten/Motivierten ausgehen könne, wenn letztere gerade wegen der Willensfreiheit nur auf reinem Zufall basiert.913 Das bloße zeitliche Aufeinanderfolgen kann gerade nicht genügen.
907
Kritisch daher ebenso T. Walter LK vor § 13 Rn. 74; Sch/Sch-Lenckner/ Eisele vor § 13 Rn. 75. 908 Vgl. exemplarisch Roxin AT I § 11 Rn. 31; siehe darüber hinaus Jakobs AT 7. Abschn. Rn. 27. 909 Samson (1972) S. 184 ff. 910 Samson a. a. O. S. 184. 911 Samson a. a. O. S. 186. 912 Ebenda. 913 Vgl. ebenso Koriath (1988) S. 155.
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(3) Dencker Der Geltung der Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung auch im psychischen Bereich schließt sich auch Dencker914 an, da es „[. . .] regelmäßige Zusammenhänge [. . .] [gleichermaßen, Anm. d. Verf.] im Bereich der physischen wie der psychischen Vorgänge“ gebe und überdies das Recht gerade von der zulässigen Annahme geprägt sei, „auf der Basis angenommener Regelhaftigkeit psychischer Abläufe Verhalten [. . .] steuern“915 zu können. Allerdings verwischen bei ihm die Grenzen zwischen Gesetzmäßigkeiten, bloßer empirischer Regularität und schlichter Koinzidenz, wenn er postuliert, die Regeln könnten „wie meist im psychischen Bereich, so häufig auch im physischen Bereich ‚weiche‘ Regeln sein, Regeln, die nicht einmal ansatzweise dem Modell einer ‚kausalen Erklärung‘ i. S. d. der wissenschaftstheoretischen Terminologie gerecht werden.“916 Nachdem indes auch im Bereich physischer Abläufe Kausalaussagen getroffen würden, die mit dem Idealmodell kausaler Erklärung nicht in Einklang zu bringen sind,917 bestehe in Anbetracht der Strukturgleichheit von physischen und psychischen Kausalaussagen kein Anlass zu einer qualitativ verschiedenartigen Definition von Kausalität: „Einen Umstand als notwendige Bedingung eines Folgeumstandes zu erkennen, ist auch dann möglich, wenn die Folge keine notwendige ist.“918 Praktisch könne weiterhin die condicio sine qua non Formel helfen, um Umstände zu notwendigen und damit psychisch kausalen Bedingungen werden zu lassen. Nicht auf die Aussage des mutmaßlich Beeinflussten hinsichtlich seiner Motivation (Introspektion) solle es ankommen, sondern auf den Rückgriff auf diese weichen Regeln durch den Richter.919 Dencker betont, dass die Willensfreiheit trotz der Annahme der Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung auch im Bereich des Psychischen nicht in Abrede gestellt werde, da diese schließlich keineswegs eine gänz914
Dencker (1996) S. 30 ff., insbesondere S. 41: „Die Möglichkeiten von Aussagen über psychische Kausalität nach dem Maßstab der notwendigen Bedingung also ist vernünftigerweise nicht in Zweifel zu ziehen.“ 915 Dencker a. a. O. S. 33 f. Allerdings lässt sich diesem Argument entgegen halten, dass sich allein aus der Intention des Rechts, Verhalten steuern zu wollen, noch nicht ergeben muss, dass dieses in Form strikter Determination geschehen müsste. Es ließe sich genauso vertreten (was nach Ansicht des Verf. auch vorzugswürdig ist), Gesetzen eine bloß motivale Kraft zuzusprechen, die den Rechtsadressaten zum vom Gesetzgeber gewünscht guten Verhalten motivieren soll. Die Entscheidung für die Rechtstreue ist aber gerade keiner Gesetzmäßigkeit unterworfen. 916 Dencker a. a. O. S. 39. 917 Insoweit argumentiert Dencker (a. a. O., S. 36 f.) mit den auch im Bereich der Objektskausationen oftmals allein auf Wahrscheinlichkeitsrelationen gestützten Kausalaussagen. 918 Dencker a. a. O., S. 39. 919 Dencker a. a. O., S. 40.
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liche Voraussetzungslosigkeit der Willensbildung fordere.920 Darüber hinaus zeige die Parallele zur mittelbaren Täterschaft in der Fallgruppe der mittelbaren Täterschaft kraft überlegenen Wissens, dass eine motivierende Verursachungshandlung ohne weiteres Grundlage für die Zurechnung eines Erfolges zum Motivierenden sein könne.921 (4) Würdigung Abseits dem Problem, dem – die Strafrechtslegitimation mitkonstituierenden – Postulat von Willensfreiheit spiegelbildlich und systemgerecht auch auf Seiten der Kausalitätsannahme im Rahmen eines strafbegründenden Tatbestandes zu entsprechen, besteht eine nahezu unüberwindliche Schwierigkeit darin, die Antecedensbedingungen für die Gesetzmäßigkeitspostulate zu formulieren. Auch ein Einbezug der psychologischen Motivationstheorien vermag an dieser Stelle nicht weiter zu führen, sind diese abseits bestehender konzeptioneller und wissenschaftstheoretischer Schwierigkeiten momentan nicht in der Lage höhere geistige Leistungen mit Sicherheit zu erklären.922 Die wesentliche Schwachstelle des Festhaltens am Gesetzmäßigkeitspostulat auch im Bereich psychischer Interaktionen liegt daher nicht zuletzt in der fehlenden Operationalität eines ernst genommenen nomologischen Kausalitätsverständnisses, welche auch durch den verschleiernden Rekurs auf eine Bedingungstheorie nur mangelhaft aufgewogen werden kann. Letztlich zeigt sich in jenem Beharren auf der nomologischen Erklä920
Dencker a. a. O., S. 40. Ähnlich für die strafrechtliche Schulddiskussion Müller-Dietz GA 2006, 338, 341, der den Unterschied zwischen Handlungs- und Willensfreiheit, Wahl- und Entscheidungsfreiheit sowie Freiheit als Abwesenheit von Zwang in der philosophischen Diskussion hervorhebt. Willensfreiheit werde danach nicht als absolute Freiheit von oder zu etwas, die im Ergebnis das freie Handeln nicht unterscheidbar vom Zufall begriffe, sondern als Urteilsfreiheit verstanden. 921 Dencker a. a. O., S. 42. 922 Abseits halbwegs bestehender Einigkeit über Motivdeterminationen unter den Prämissen des Homöostaseprinzips (Zweck eines Verhaltens sei die Konstanterklärung des inneren Milieus der Organismen) in Fällen menschlicher Urtriebe, Hunger, Durst, Schmerz, sexuelle Deprivation, bieten die diskutierten Motivationstheorien keine belastbaren Erkenntnisse für Motivdeterminationen im Übrigen; vgl. Koriath (1988) S. 202 ff. A. A. offenbar (ohne weitere Argumentation und durch das gewählte Beispiel der Furcht vor Schmerz unter Rückgriff auf ein gerade mit dem Homöostaseprinzip erklärbares Verhalten) Frister AT3 9. Kap. Rn. 37, der unter Abheben auf das Beispiel des auf der Flucht vor Schlägern durch eine Fensterscheibe springenden Asylbewerbers postuliert, es gäbe zwar keine strikten Kausalgesetze zur Erklärung menschlichen Verhaltens, „wohl aber [. . .] allgemeine Erfahrungssätze aus denen sich ergibt, dass eine bestimmte Handlung geeignet ist, einen bestimmten Willensentschluss hervorzurufen.“ Das gewählte Beispiel erweist sich insoweit als ungeeignet, den (scheinbar) entdeckten Schwerthieb durch den gordischen Knoten des Problems psychischer Kausalität zu exemplifizieren.
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rung auch für diese Zusammenhänge der Rückzug weg von einer tatsächlichen Erklärungsmöglichkeit, hin zu einer bloßen Erklärungsbehauptung.923 Dies wird deutlich, wenn die Vertreter der Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung auch im psychischen Bereich die Bestimmung des konkreten „Wie“ der Gesetzmäßigkeit, zugunsten einer Reduktion auf das juristisch ausschließlich erforderliche „Ob“ vernachlässigen wollen und sich zu diesem Zweck scheinbar auf die Omnipotenz richterlicher Erkenntnisfindung gestützt auf deren Erfahrungswissen verlassen wollen. Die in der Ökonomie vorfindlichen Modelle zur Erklärung von Kursverläufen und diesen impliziten Handlungsentscheidungen eignen sich jedenfalls nicht, jene Gesetzmäßigkeit zu bieten. Auch der interdisziplinäre Blick in die Kommunikations- und Verhaltensforschung hat gezeigt, dass nach jetzigem Erkenntnisstand ein jedenfalls strikt naturwissenschaftlicher Nachweis informationsbezogener Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen mittels deterministischer Kausalgesetze nicht möglich ist.924 Konsequenterweise bliebe daher für eine ernsthafte Beweisführung jedenfalls hinsichtlich des „Ob“ der Beeinflussung nur der Rückgriff auf das Beweismittel der sich durch ihre marktpreiswirksamen Transaktionen auszeichnenden Marktteilnehmer als Zeugen für den Nachweis tatsächlicher Motivationsdetermination. bb) Verknüpfung mittels non-deterministischer Zurechnung (1) Bernsmann Bernsmann hebt in diesem Zusammenhang zu Recht die (bislang) fehlende erfahrungswissenschaftliche Absicherung von Regularitätsabläufen bei Motivationsdeterminationen hervor. Abgesehen von der kaum übersehbaren Vielfalt und Zerrissenheit der Forschungsdisziplin der Motivationspsychologie könne diese bestenfalls nur statistisch wahrscheinliche Abläufe beschreiben, was in der Konkretisierung jedenfalls für die Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung niemals ausreichen könne925 und psychische Ereignisse daher für diese eine „wissenschaftlich (derzeit) unlösbare Fragestellung“926 böten. Selbst ein Verschieben des Problems in den Strafprozess un923 Vgl. so allgemein zur Kritik an nomologischen Kausalitätskonzeptionen Stegmüller (1983) S. 507; Ziethen (2004) S. 85. 924 Ebenso generell für das Problem der Kausalität von Information Gasser (2002) S. 75. 925 Vgl. Bernsmann ARSP 1982, 536, 544 f. 926 Bernsmann ARSP 1982, 536, 545 und weiter ebenda, S. 547: „Damit zeigt sich, dass eine ernstgenommene Formel von der gesetzmäßigen Bedingung strafrechtspraktisch nicht verwertbar ist.“ Zusammenfassend nochmals ebenda, S. 551.
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ter „Gewinn“ des dort ausreichenden Wahrscheinlichkeitsurteils würde nicht weiterhelfen, da zum einen der Zeuge problematischerweise zum naturwissenschaftlichen Forschungsobjekt geriert würde, andererseits bei fehlender, aber erforderlicher Einwilligung927 des Zeugen in seine spezifische Untersuchung allein die Rekonstruktion des psychischen Sachverhalts mittels sprachlicher Mitteilungen des Zeugen verbliebe, welche aber ein weder „geeignetes, geschweige denn ein methodisch zulässiges Verfahren zur Verifizierung einer Naturgesetzlichkeit“928 darstelle. Stattdessen propagiert Bernsmann für den Bereich der psychischen Kausalität die Aufgabe der kausalistischen Betrachtungsweise und das Ersetzen der „gesetzmäßigen“ Bedingung durch eine i. S. des praktischen Syllogismus „logische“.929 Der für die Zurechnung notwendige und ausreichende Zusammenhang dürfte danach dann und ohne Rückgriff auf allgemeine Sätze gegeben sein, „wenn der Täter prämissennotwendige Bewusstseinsinhalte seines Gegenübers ganz oder zum Teil beeinflusst hat.“930 Ist der Sinn einer Entschlussfassung oder Handlungswahl nur unter Rückgriff auf eine Täterhandlung verstehbar,931 hat also der Täter dem Handelnden Handlungs-Sinn bzw. Handlungs-Wissen geliefert, ist er am Zustandekommen der Handlung beteiligt. Den prozessualen Anknüpfungspunkt der inhaltlichen Deutung könne für den Richter nur das vom Lebenszusammenhang geprägte Selbstverständnis, d.h. die Selbstinterpretation des Handelnden sein, wobei zum Richtigkeitskriterium für die (laienhaft psychologische) richterliche Fremdinterpretation die Zustimmung des Handelnden zur angebotenen Deutung gerate.932 Zustimmung verdient der Vorschlag Bernsmanns jedenfalls, wenn er die Ermittlung der motivatorischen Beeinflussung für jeden Einzelfall fordert und einen deduktiv-nomologischen Kausalitätsbegriff im psychischen Bereich ablehnt.933 Als problematisch dürfte sich – wenn überhaupt – das pro927
Vgl. bereits BGHSt 14, 21. Bernsmann ARSP 1982, 536, 547. 929 Dieses Verfahren knüpft an die in der intentionalistischen Literatur zur Erklärung der äußeren Seite des Handlungsverstehens an (vgl. Bernsmann ARSP 1982, 536, 548). 930 Bernsmann ARSP 1982, 536, 550. 931 Ausdrücklich schreibt Bernsmann (ARSP 1982, 536, 554), der Richter könne (als Gegensatzbegriff zum Erklären) auf absehbare Zeit lediglich „verstehen“, was den anderen bewegt habe. 932 Vgl. m. w. N. Bernsmann ARSP 1982, 536, 553. 933 Bernsmann ARSP 1982, 536, 554 beschreibt die von ihm erläuterte Zurechnung als „non-kausales Verursachungsschema“ und insoweit – wohl zur Meidung unnötiger Verwirrung – von einer klassisch-nomologischen Auslegung des Wortes „kausal“ ausgehend. Obgleich Kausalität oft im Sinne einer deterministischen Beziehung verstanden wird (und daher das metaphysische Prinzip des Determinismus auch als Kausalprinzip bezeichnet wird; vgl. hierzu m. w. N. Röckrath [2004] S. 55), wurde bereits oben dargelegt und sei nochmals unter Verweis auf den – mit der 928
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pagierte Richtigkeitskriterium erweisen, knüpft es doch die praktische Strafrechtspflege an die subjektive (und damit zumindest unterbewusst möglicherweise parteiische) Einschätzung und Bewertung des Zeugen, welche auch und gerade im Kapitalmarkt von dessen Empfinden als (scheinbar) geschädigtem Marktteilnehmer abhängt. (2) Kahrs Nach Kahrs kann wegen der für die Schuld essentiellen Annahme der Willensfreiheit dagegen bei „Betrug [. . .] und in anderen Tatbeständen, die notwendig über die Willensbildung eines Menschen hinweg verlaufen“934 [sic! auch nicht bei der Marktmanipulation] ein juristisches Zurechnungsprinzip nicht an eine nach „Naturgesetzen bestimmte naturwissenschaftliche Kausalität“935 geknüpft werden. Auch anhand obigen Referendarfalls des BGH (BGHSt 13, 13) entwickelt Kahrs seine von der Kausalität unabhängige Zurechnungstheorie des „Vermeidbarkeitsprinzips“,936 welches auf vier Leitprinzipien fußt. Zwar könne es durchaus sein, dass ein menschliches Verhalten sicher voraussehbar sei und daher nach seinem Leitsatz I ein „quasi-gesetzmäßiger“ Zusammenhang gelte.937 Entsprechende Konstellationen seien beispielsweise gegeben, wenn es nur eine wirkliche Möglichkeit der Entscheidung gebe bzw. eine Entscheidung erzwungen werde oder ganz deutliche wirkliche oder vermeintliche Vorteile biete. Scheiterten die Beweise für Leitsatz I, könne jedoch immer noch bei vorsätzlichem Täterverhalten auf seinen Leitsatz III zurückgegriffen und der Erfolg dann zugerechnet werden, wenn der Täter „durch sein unerlaubtes Verhalten auch nur geringe objektive Möglichkeiten vernichtet hat, die bei glücklichem menschlichen Verhalten dazu geführt hätten, dass der Erfolg vermieden worden wäre.“938 Im Ergebnis soll in diesen Konstellationen (hier wiederum im Kontext des Betruges) nur derjenige Täter sein, der den „Getäuschten nachweisbar durch seine falsche Darstellung geneigter gemacht hat, die schädigende Vermögensverfügung vorzunehmen.“ Die Zurechnungstheorie spiegelt im Gegensatz zur oben dargestellten Rechtsprechung in den Betrugsfällen die elastische Beziehung zwischen klassisch-juristischen Vokabel „kausal“ konqueren – ökonomischen Begriff der „Granger-Kausalität“ ins Bewusstsein gerufen, dass es unterschiedliche wissenschaftstheoretische Ansichten darüber gibt, was unter dem Begriff „kausal“ zu verstehen ist. 934 Vgl. Kahrs (1968) S. 24. 935 Kahrs (1968) S. 24. 936 Kahrs a. a. O. insbesondere S. 33 ff., S. 263 ff. und passim. 937 Vgl. Kahrs a. a. O. S. 264. 938 Vgl. Kahrs a. a. O. S. 133.
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Motivation und Erfolg wider. Ausreichend, aber notwendig wäre es nach dieser Theorie für einen Manipulanten, dass seine informationsgestützte Manipulation den oder die Mikroebenenakteure in Richtung auf eine Transaktionsentscheidung geneigter werden lässt, die das gewünschte Makroergebnis Kursbeeinflussung (auch eventuell erst im Zusammenspiel mit weiteren gleichsam motivierten Mikroebenenentscheidungen) herbeiführt. Dass jene Entscheidung letztlich einen autonomen Ausdruck der Willensfreiheit darstellt, muss damit nicht geleugnet werden. Auch eine bloß marginale Rolle der Motivbeeinflussung kann in diesen Fällen daher eine Zurechnung nicht unterbrechen. (3) Puppe und Hoyer Puppe939 beklagt, dass die alleinige Anwendung der Formel der condicio sine qua non mit ihrem hypothetischen Wegdenken der Täterhandlung bei psychischen Interaktionen in ihrer Ergebnisbehauptung einer bestehenden Zurechnung von intuitiven Vorurteilen beherrscht sei und sich zum anderen dann verbietet, wenn man sie mit der Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung lediglich als heuristische Methode zur Auffindung von Gesetzmäßigkeiten auffasst, da den Menschen der Zugang zu jenen deterministischen Gesetzen – wenn es sie denn gäbe940 – jedenfalls verschlossen sei.941 Sie will daher für die Zurechnung im psychischen Bereich die „Illusion eines einheitlichen Kausalbegriffs“ aufgeben und jene „auf eine grundsätzlich andere Basis“ stellen.942 Die „Gründe“943 für eine Handlung sind danach von einer „Naturkausalität“944 strikt abzugrenzen. Geht es um die „Kausalität durch Beeinflussung von Motivationen“ durch ein bestimmtes Täterverhalten, sei auf das psychische Erleben des Beeinflussten abzustellen945 und danach zu fragen, ob er sich den Anreiz, den 939 Puppe NK vor § 13 Rn. 129 ff.; dies. ZStW 95 (1983) 287; dies. GA 1984, 101, 105; dies. GA 2003, 764, 769. 940 Puppe GA 1984, 101, 105: „Auch der Determinist kann also die psychischen Kausalgesetze nicht anwenden, sondern nur ihre Existenz postulieren.“ 941 Puppe GA 1984, 101, 104 f. 942 Puppe, in: NK-StGB Vor § 13 Rn. 131 m. w. N.; dies. (2000) S. 58 f. Ebenso T. Walter FS Fr.-Chr. Schroeder (2006) S. 131, 134 f. Kritisch Koriath (2007) S. 105 f., der bei Puppe gerade keine Antwort zu finden vermag, welcher Art denn die Verknüpfung von Ursache und Erfolg in diesen Fällen sein soll. Insgesamt sei der Kausalbegriff bei Puppe zu einem „mixtum compositum“ geworden (S. 111). 943 Puppe (2000) S. 58. 944 Puppe (2000) S. 59. 945 An anderer Stelle beschreibt sie (im Anschluss an Engisch) den entscheidenden Faktor als das „Kausalerlebnis des sich entschließenden [. . .] Betrogenen“ (Puppe ZStW 95 [1983] 287, 298). Kritisch zu dieser Methode der Introspektion im
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Vorschlag oder die Gründe „– sei es in freier Wahl, sei es determiniert durch geheimnisvolle Gesetze – zum Grunde seines Entschlusses genommen“ habe.946 „Jeder, der einem anderen einen Grund dafür liefert, einen bestimmten Entschluss zu fassen, wird kausal für den Entschluss, wenn der andere ihn aus diesem Grunde fasst.“947 Ergänzung findet diese Regel dadurch, dass die Zurechnung auch dann zu bejahen sei, wenn der andere noch weitere Gründe für den Erfolg gehabt habe.948 Ob die anderen Gründe ebenfalls ausgereicht hätten, sei aus prinzipiellen Gründen nicht zu beantworten und könne daher nicht sinnvoll gefragt werden und deshalb auch nicht für die Zurechnung entscheidend sein.949 Ansonsten sei wie allgemein für den Bereich nicht vollständig determinierter Prozesse auf Wahrscheinlichkeitssätze an Stelle der fehlenden (oder nicht erkennbaren) Kausalgesetze zurück zu greifen.950 Eine Tatsache sei dann ein legitimer Bestandteil einer Wahrscheinlichkeitserklärung, wenn ohne sie die Erklärung einen geRahmen der Kausalitätsprüfung Hilgendorf Jura 1996, 9, 12, allerdings vor allem wegen deren angeblicher Ungenauigkeit in der Abgrenzung von „Verursachung des Tatentschlusses“ und „Erregung des Tatmotives“ bei der von ihm untersuchten Anstiftung. 946 Puppe, in: NK StGB vor § 13 Rn. 13 Rn. 131; dies. GA 1984, 101, 108 ff. Ebenso Hoyer FS Rudolphi (2004) S. 95, 102. 947 Puppe (2000) S. 59. Ebenso Otto AT, § 6 Rn. 38. Kritisch zur Verwendung der Vokabel „kausal“ trotz zuvor postulierter Abkehr von „Kausalgesetzen“ Koriath (2007) S. 138 f. 948 Vgl. Puppe (2000) S. 59. 949 Vgl. Puppe (2000) S. 59 f. Dem schliesst sich Röckrath (2004) S. 64 unter Heraushebung der ansonsten anzutreffenden Verfälschung der konkreten Entscheidungssituation an. Diese sei häufig gerade dadurch gekennzeichnet, dass sich mehrere Gründe gegenseitig bestärken und ergänzen und damit zu einer untrennbaren Einheit verschmölzen. 950 Puppe, in: NK-StGB vor § 13 Rn. 135. Die in dieser Kommentierung vorfindliche gestufte Argumentation für psychische Kausationen erschließt sich auch aus folgenden Zitaten (Puppe ZStW 95 [1983] 287, 305; Hervorhebungen durch den Verf.): „[. . .] in weiten Bereichen der Rechtsanwendung [ist] eine Erfolgserklärung durch strikte Gesetze aus mehr oder weniger prinzipiellen Gründen nicht möglich [. . .] Wollen wir hier nicht auf eine rationale Erfolgserklärung verzichten und statt dessen entweder einen anderen Kausalbegriff entwickeln, wie dies bei der psychischen Kausalität ansatzweise geschehen ist, [. . .] so müssen wir versuchen, Erfolgserklärungen durch Wahrscheinlichkeiten zu geben.“ Im Bereich der psychischen Kausalität ist jener Rückgriff also subsidiär dann möglich, wenn die Motivationsbeeinflussung mangels Möglichkeit der Introspektion nicht nachprüfbar ist oder es beispielsweise wie beim Unterlassen [im Kapitalmarktbereich also in den wichtigen Fällen unterbliebener bzw. lückenhafter Ad-Hoc-Meldungen; Ergänzung durch den Verf.] gerade um eine versäumte Pflicht des Täters zur Beeinflussung von Motivationsprozessen geht. „Der allgemein gangbare Ausweg ist auch hier [für die psychische Kausalität bei der Täuschung; Ergänzung durch den Verf.] die Anwendung von Wahrscheinlichkeitssätzen an Stelle der fehlenden Kausalgesetze.“ (Puppe ZStW 95 (1983) 287, 299).
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ringeren Wahrscheinlichkeitsgrad ergebe.951 Zudem ließen sich Wahrscheinlichkeitsgesetze auch dort aufstellen, wo gerade keine vollständigen Informationen vorlägen.952 Die Erfolgszurechnung könne hier darauf gestützt werden, dass der Täter den Erfolg im Sinne einer Risikosteigerung wahrscheinlicher gemacht habe,953 so dass bei psychischen Kausalverläufen allein der Einwand, der Getäuschte (beim Betrug) hätte sich auch ohne die motivierende Handlung zur eigenen Aktion entschlossen, nicht zur Anwendung des Zweifelsgrundsatzes in dubio pro reo führt. Dem schließt sich Hoyer954 für die Konstellation der mittelbaren Täterschaft mit dem Argument an, die auf Grundlage des Bekenntnisses des Grundgesetzes zur Würde des Menschen berechtigte Zuschreibung von Willensfreiheit zwinge dazu, auch auf der Tatbestandsebene nicht von „willenlos funktionierenden menschlichen Automaten“955 als unmittelbaren Tätern auszugehen. Kausalität müsse daher bei mittelbar Tatbeteiligten mindestens herunterdefiniert werden, um eine den §§ 25 I 2. Alt. ff. StGB entsprechende strafrechtliche Verantwortlichkeit zu gewährleisten. Bereits zuvor hatte er einen gänzlich probabilistischen Kausalbegriff formuliert, nachdem eine Ereignis dann Ursache eines zeitlich nachfolgenden zweiten Ereignisses sei, „wenn das erste Ereignis mit einer Risikosteigerung in Bezug auf das zweite Ereignis verbunden ist und Risikosteigerungen, die etwa mit einem dritten Ereignis verbunden sind, dadurch obsolet gemacht werden.“956 Der Ansatz Puppes und Hoyers kann sowohl im Lichte des Gedankens der Willensfreiheit bestehen, da er keine Gesetzmäßigkeiten annimmt bzw. deren Kenntnis voraussetzt, als auch überzeugen, wenn er auf die motivale Wirkung von gelieferten Gründen abstellt.957 Die bloße Koinzidenz eines gelieferten Grundes im Vorstellungsbild, ohne entscheidungserheblich gewesen zu sein, genügt gerade nicht für eine Kausalitätsbejahung. Zunächst intuitiv unbefriedigend wirkt Puppes Ansatz indes nur in den Fällen vorhan951
Puppe ZStW 95 (1983) S. 305 ff. Puppe ZStW 95 (1983) 305 f. 953 Puppe ZStW 95 (1983) S. 288, 299; ähnlich und mit der Verknüpfung zum Gedanken der Risikoerhöhungslehre auch Lampe ZStW 101 (1989) 3, 8 f.: „[. . .] Risikoerhöhungsprinzip [. . .] muß die Zurechnung dort tragen, wo sie unter der Bedingung kausaler Wahrscheinlichkeit begründet werden soll, vor allem also in den Fällen, wo, zusätzlich zum Verhalten des Täters [. . .] Aktionen oder Reaktionen [. . .] eines Dritten das Geschehen beeinflussen.“ 954 FS Rudolphi (2004) S. 95 (97 f.). 955 Ebenda, S. 98. 956 Hoyer GA 1996, 160 (169). 957 Hilgendorfs (Jura 1996, 9, 12) Vorwurf, das durchaus praktikable Modell Puppes stelle einen „Rückschritt in eine vorwissenschaftliche, hochgradig unbestimmte Betrachtungsweise dar“, hängt – ohne weitere argumentative Untermauerung – nachgradig selbst in der Luft. 952
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dener weiterer Gründe. Jedoch lässt sich der Prozess der Entscheidungsfindung, welcher gerade mittels Gewichtung und Abwägung von Gründen von statten geht, nicht mit der Konkurrenz mehrerer hinreichender Bedingungen bei äußeren Vorgängen vergleichen.958 Das Abstellen darauf, dass der Beeinflusste die gelieferten Gründe zur Grundlage seines konkreten Entschlusses genommen hat, ist daher zu befürworten.959 Dem Verfahren ist allein Skepsis entgegenzubringen, als es sich – ursprünglich – allein auf Aussagen des Betroffenen stützt, deren Introspektion aber gerade nicht objektiv intersubjektiv nachprüfbar ist.960 Das subsidiäre Abstellen auf abgeschwächte Anforderungen im Rahmen bloßer Wahrscheinlichkeitserfordernisse bietet zunächst unter dem Gesichtspunkt verminderter materieller Anforderungen und – in deren Anschluss – auch prozessual im Umfang gesenkter Nachweiserfordernisse erhebliche Vorteile, kann allerdings auch zu Problemen führen.961 Von anderer Seite wird indes die Nützlichkeit statistischer Aussagen bereits grundlegend angezweifelt: letztlich könnten diese keine sichere Aussage darüber machen, wie jemand sich konkret verhalten wird.962 (4) Koriath Denkbar wäre es mit u. a. Koriath davon auszugehen, dass sich bei den interpersonellen Interaktionsvorgängen (interpersonal transactions), die für den hier untersuchten Bereich der Marktmanipulation in erster Linie bei informationsgestützten Manipulationen zum Markstein der Erfolgszurechnung werden, generell eine Analogie zur Kausalität verbietet. Anders als bei der Kausalzuschreibung Hume’scher Tradition, die einen Kausalzusammenhang 958
Vgl. Röckrath (2004) S. 65. Vgl. ähnlich (wenn auch ohne vertieftes Aufgreifen des Problems der psychischen Kausalität) Altenhain KK-WpHG § 38 Rn. 97, der verlangt, dass die unrichtige Angabe zu einem „(mit)bestimmenden Motiv“ der Anlageentscheidungen geworden ist. 960 Vgl. zu dieser Kritik u. a. Hilgendorf Jura 1996, 9, 12. 961 Vgl. hierzu detailliert unten 3. Kapitel § 2 B. II. 4. c) cc) (3). 962 Vgl. bspw. Koriath (1988) S. 194 f.: „Nun sind wir geneigt, eine hohe statistische Wahrscheinlichkeit mit einer konstanten Verknüpfung zu verwechseln und deshalb glauben wir, dass man mit statistischen Größen im Prinzip genauso wie mit Gesetzen umgehen kann. Das ist aber ein Trugschluß.“ Siehe auch Hilgendorf Jura 1996, 9, 11, der die Belastung einer Quantifizierung statistischer Gesetze im Bereich menschlichen Verhaltens mit einem sehr großen Unsicherheitsfaktor beklagt. Röckrath (2004) S. 65, bemerkt zu Recht, dass das Modell probabilistischer Zurechnung dennoch als Grundmodell auch im Bereich der psychischen Kausalität gelten kann, in Sonderfällen, die sich aus der Eigenart der psychischen Kausalität ergeben, aber Ergänzung um Puppes Kriterien finden muss. 959
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für den Fall einschlägiger Standard-Regularitätsaussagen annehmen will, und derjenigen Engischs, die hierfür nach bestehenden empirischen Gesetzmäßigkeiten suchen müsste, habe der Adressat einer psychischen Beeinflussung eine Wahlmöglichkeit, die er je nachdem ausübt, was seinem zweckrationalen oder teleologischen Motiven am ehesten zu entsprechen vermag.963 Das hierdurch zum Ausdruck gebrachte Anknüpfen an die Entscheidung des Adressaten erkennt die Willensfreiheit des einzelnen an. Der Ablaufmechanismus einer solchen Interaktion entspricht keinem – jedenfalls klassischen – Kausalmuster.964 Die insbesondere gegenüber professionellen Marktteilnehmern berechtigte Erwartung des Manipulanten, dass die Fremdpsyche anderer Marktteilnehmer der eigenen entspricht, deren antizipiertes Verhalten daher voraussehbar in eine Richtung gehen dürfte, kann hierbei lediglich heuristisch von Belang sein,965 eine verifizierende Regularitätsaussage lässt sich darüber gerade nicht treffen.966 Der Motivationsmechanismus als Internalisierung externer Determinanten ist als solcher nicht kausal, sondern teleologisch zu begreifen.967 Daran schließt sich als Folgeproblem an, ob diese mehr oder minder offene Einflussnahme überhaupt geeignet sein kann, einen Taterfolg (hier die Kurseinwirkung) dem Täter als sein Werk zuzuschreiben.968 Nach Koriath ist der Ausdruck psychische Kausalität „auf eine verfehlte Vorstellung“ zurückzuführen und müssen neue nichtkausale Zuschreibungsprinzipien (bei gebotener Differenzierung zwischen der Form der kommunikativen Einwirkung (psychischer Zwang, Rat, Aufzeigen von Alternativen, etc. als verschiedene Stufen)) entwickelt werden, die sich an einen Vorschlag von Hart und Honoré anlehnen.969 Menschliche Interaktion sei gerade ohne Zuhilfenahme kausaler Regularitäten verständlich.970 Um eine Zuschreibung nach Koriath bejahen zu können, müsse zwischen den Interaktionspartnern erstens eine Kommunikation dergestalt stattgefun963
Koriath (1994) S. 515 f.; ders. (2007) S. 142 f. Vgl. hierzu v. Wright (1974) S. 134 ff.; anders noch bspw. Hempel/Oppenheim, Studies in the Logic of Explanation, Philosophy of Science, 15 (1948) S. 135, 143: „there is no formal difference on this account between motivational and causal explanation“. 965 Vgl. hierzu allgemein Kindhäuser (1980) S. 141 ff. 966 Vgl. hierzu allgemein Koriath (1994) S. 207. Eine andere Ansicht vertritt dagegen u. a. Stegmüller (1983) S. 389 ff. [für eine strukturelle Gleichheit von historischer (ökonomischer) und naturwissenschaftlicher Erklärung anhand des H/O-Schemas]; siehe ferner bei Koriath (1988) S. 223 Fn. 436 m. w. N. zur Gegenansicht. 967 G. H. v. Wright (1974) S. 71 (Fazit). 968 Mit dieser Frage einleitend Koriath (1988) S. 205. 969 Vgl. Koriath (1988) S. 249, 224 sowie Hart/Honoré (1985) S. 51 ff. [insbesondere S. 53]. 970 Vgl. Koriath (1994) S. 427. 964
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den haben, dass sich sagen lasse, dass Sprecher und Hörer Sinn und Bedeutung ihrer Äußerungen verstanden, also intellektuell reflektiert und nicht nur akustisch wahrgenommen haben. Zweitens müssten die Informationen und Angaben des einen Interaktionspartners zu Bestandteilen der Gründe des anderen Interaktionspartners geworden sein. Zudem müsste der zweite Beteiligte den Entschluss zur Handlung erst nach der Intervention des ersten gefasst haben und wäre schließlich zu fordern, dass jene Intervention von der Intention des ersten geprägt war, dass der zweite die Handlung später tatsächlich ausführt.971 Mit Recht hebt Koriath hervor, dass die Projektion der Eigenpsyche auf die erwartbare Fremdpsyche nur heuristisch von Belang sein könne. Ein Umstand, der gerade auch im Bereich des prima facie ökonomisch-rationalen Kapitalmarktes für den dort antreffbaren unbewussten Rekurs auf die verhaltenswissenschaftlichen Erkenntnisse der Theorie der rationalen Wahl zu berücksichtigen ist. Im Ansatz laufen die von Koriath aufgestellten Zurechnungskriterien zur Bejahung psychischer Kausalität auf die Statuierung der Voraussetzung einer Motivationsbeeinflussung hinaus, wie sie auch von der allgemeinen strafrechtlichen Judikatur zur psychischen Kausalität grundsätzlich gefordert wird. Im Unterschied zu dieser ermöglicht die Betonung der Bedeutung der (Mit-)Gerierung von Gründen ebenso wie das Anknüpfen an die Finalität des Herausforderns angebrachte Einschränkungen strafrechtlicher Zuständigkeit nach dem Verantwortungsprinzip.972 cc) Einheitliche Zurechnung bei psychisch und physisch vermittelten Kausalverläufen (1) Schulz Nach J. Schulz973 stellt die Theorie der gesetzmäßigen Bedingung zu hohe Anforderungen. Selbst eine – von ihm favorisierte – indeterministische Hypothese fordere nicht, dass menschliche Handlungen von Außenphänomenen gänzlich unbeeinflusst vorgenommen würden und darüber hinaus auch nicht, dass das „Ob“ solcher Einflussnahmen prinzipiell nicht feststellbar sei. Für den notwendigen Erklärungszusammenhang zwischen einer fremden Handlung und der eigenen Handlung setzt er an die Stelle einer 971
Vgl. Koriath (1988) S. 224. Siehe ferner hierzu ders. (2007) S. 144. Obgleich die von Koriath zum Ausgangspunkt seiner Analyse genommenen Hart/Honoré rein analytisch vorgingen und daher etwaig fraglich war, ob ihre Befunde auch für normative Gesichtspunkte von Belang sein könnten, zeigt sich hier, dass jener Ansatz diese Eignung durchaus besitzt. 973 FS Lackner (1987) S. 39, 41, 45 ff. 972
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seines Erachtens undurchführbaren kausalen eine „handlungstheoretisch und hermeneutisch orientierte Erklärung“.974 Im Recht interessiere nicht vorrangig, „wie“ ein Erfolg zu erklären sei, sondern nur, „ob“ er zugerechnet werden könne. Für den Bereich der Motivation sei dies wie allgemein und ohne Rückgriff auf eine kausale Erklärung dann der Fall, wenn eine Beeinflussung stattgefunden habe, wobei diese mittels der Verwendung retrospektiver Erfahrungssätze zu ermitteln sei.975 Eine Erklärung des Beeinflussungsergebnisses in Form der anschließenden Handlung des Beeinflussten bedürfe es hierfür gerade nicht, komme dieser Handlungserklärung doch wenn überhaupt nur Bedeutung als möglicher Teil einer Lehre von der Kausalität nachgelagerten objektiven Zurechnung zu.976 Die bloß theoretische Möglichkeit, der andere hätte sich spontan zu der Handlung entschlossen, sei ohne konkrete Anhaltspunkte hierfür ebenso wenig beachtlich wie der Einwand, der andere hätte die Handlung – da ohnehin schon zu dieser entschlossen – auch ohne die Beeinflussung des anderen oder aufgrund anderer Außeneinflüsse vorgenommen.977 Das Kausalitätsmodell ließe sich ohne Weiteres auch auf die Beeinflussung von Transaktionsentscheidungen der Mikroebenenakteure im Kapitalmarkt transferieren, die sich prima facie mangels anderer ersichtlicher Einflüsse als Werk des Manipulanten erklären ließen, welcher die Transaktionsstimulierende Information in den Markt gegeben hat. Allerdings erweist sich das Modell J. Schulz’ bei näherer Betrachtung als äußerst fragmentarisch und ungenau.978 Hinterfragt man nicht das „Wie“ der Aufnahme und Verarbeitung von Informationen und gibt es daher kein Wissen vom Beeinflussungsablauf, können keine – auch trivialen – Behauptungen über eine Beeinflussung behauptet werden. Eine Information kann beispielsweise vom Anleger zunächst aufgenommen, aber zurückgestellt werden und daher 974 J. Schulz FS Lackner (1987) S. 47. Roxin, der selbst (AT I § 11 Rn. 31) einen gesetzmäßigen Zusammenhang auch im psychischen Bereich annehmen will, befürwortet von einem indeterministischen Standpunkt aus die Wahl des „empirischen Zusammenhangs“ durch Schulz (ebenda, Fn. 70). Ähnlich dem Modell J. Schulz lässt sich der für psychische und physische Kausationen im Zivilrecht entwickelte, einheitliche Begriff der realen Kausalität von H. Weber ([1997] S. 126 f., 86 ff. und passim) verstehen, welcher gänzlich – und nicht nur wie er erkannt haben will, konsentiert für die psychischen Kausationen geübt – auf die Notwendigkeit als zumeist unbeweisbare Komponente der Kausalität verzichten will. 975 J. Schulz FS Lackner (1987) S. 46. Als Beispiel führt er hier auf „Die Verwertung einer Information setzt ihr Haben voraus.“ und „Das Haben einer Information setzt ihr Erlangen voraus.“ 976 J. Schulz FS Lackner (1987) S. 48. 977 J. Schulz FS Lackner (1987) S. 46. 978 Der Rückgriff auf Trivialmodelle birgt indes Probleme, wenn es um allein motivatorische Beeinflussungen geht.
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nicht sogleich zu einer Handlung des Anlegers führen. Bringt ihn erst später das Auftreten weiterer Informationen oder das Zureden eines Dritten dazu, die Transaktion vorzunehmen, stellt sich entscheidend die Frage des ausreichend motivatorischen Anteils der ursprünglichen informationsgestützten Manipulation. Bei vernachlässigtem Hinterfragen des konkreten Ablaufs einer Motivationsbeeinflussung können mögliche Alternativkausationen nicht ausgesondert werden, da weder deren Findung kontextuell möglich noch ihr Beeinflussungsgrad beurteilbar erscheinen. Darüber hinaus erscheint es äußerst fraglich, ob sich das vorgeschlagene induktive Vorgehen auch in Bereichen vornehmen lässt, die sich durch ein großes Kausaldunkelfeld auszeichnen und in denen daher Alternativkausationen durchaus wahrscheinlich sind. Insgesamt erweist sich daher dieser Ansatz im Rahmen des Motivationskausationsproblems als weniger zielführend und praktikabel im wertenden Vergleich mit den anderen hierzu vertretenen Kausalitätsmodellen. (2) Pérez-Barbera Auf der Grundlage von Bunges979 Kausalbegriff will Pérez-Barbera den Kausalitätsproblemen mit der Kategorie der Determiniertheit unter Hervorhebung des ontologischen Zusammenhangs begegnen, die wesentlich auf dem genetischen Prinzip980 fußt und sich dadurch von der Kausalität Hume’scher Tradition, welche statt einer genetischen eine bloß äußerliche Verbindung i. S. d. einer konstant anzutreffenden zeitlichen Aufeinanderfolge verlangt,981 unterscheidet.982 Der Begriff der Determiniertheit soll auf ontologischer Ebene jenen der Kausalität ersetzen und auf normativer Ebene Ergänzung durch die Kriterien der objektiven Zurechnung erhalten.983 Allerdings setzt sich diese Theorie schlechtestenfalls dem Vorwurf der Beliebigkeit und Übergeneralisierung der Begrifflichkeiten aus, wenn sie sowohl kausale, statistische wie teleologische Determinationskategorien anerkennt und sie „je nach relativem Überwiegen im Einzelfall“984 zur Anwendung kommen lassen will. Indem offensichtlich kontextbezogen jedwe979
Vgl. Bunge (1979). Im Unterschied zum Kausalitätsprinzip („Wenn U, dann (und nur dann) immer W“) stützt sie sich für die Determiniertheitsunterkategorie Kausalität auf eine andere Formulierung des Verursachungsprinzips: „Wenn U geschieht, dann (und nur dann) wird dadurch immer W herbeigeführt.“ (vgl. Pérez-Barbera ZStW 114 (2002) 600, 603 ff.). 981 Vgl. hierzu nur Winter (1999) S. 129 ff. 982 Kausalität dagegen sei nach Pérez-Barbera ZStW 114 (2002) 600, 620 nur eine spezifische Voraussetzung in jenen Fällen, in denen sie die anzuwendende Determinationskategorie darstelle. 983 Pérez-Barbera ZStW 114 (2002) 600, 632 f. und passim. 984 Pérez-Barbera ZStW 114 (2002) 600, 620. 980
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der Zusammenhang zwischen einer Handlung und einem Erfolg Anerkennung findet, wird m. E. die ontologische Komponente im Gegensatz zur Bedingungstheorie zu weitgehend abgeschwächt – ungeachtet dessen, dass für den Einzelfall nicht klar wird, wann eine teleologische (welche Beeinflussung genügt?) oder probabilistische Determiniertheit (welcher Wahrscheinlichkeitsgrad ist für die von Pérez-Barbera verlangte „statistische Relevanz“ zu fordern?) zu bejahen wäre. Für das Problem der psychischen Kausalität greift Pérez-Barbera auf die teleologische bzw. statistische Determinationskategorie zurück,985 weshalb auf die bisherigen bzw. folgenden Ausführungen verwiesen werden kann. (3) Probabilistische Zurechnung und Risikoerhöhung (a) Substituierung der notwendigen Bedingung durch eine wahrscheinliche Deterministische Kausalitätsaussagen lassen sich nach den bekannten Wirkzusammenhängen (für die kapitalmarktliche Informationsadaption sei auf obige Ausführungen zur Capital Market Efficiency Theory und die Erkenntnisse der Behavioral Finance verwiesen) für psychisch vermittelte Interaktionen nicht aufstellen.986 Lediglich ein einheitlich probabilistisches Kausalitätsverständnis987 erlaubt hier nach einer im Vordringen befindlichen Literaturansicht zumindest im Grundsatz die klassischen Annahmen der Bedingungstheorie auch bei psychisch vermittelten Kausalverläufen, indem auf eine gesetzmäßige Bedingung zugunsten einer bloßen statistischen Wahrscheinlichkeit verzichtet wird.988 Vorliegend wird dabei für alle Kau985
Pérez-Barbera ZStW 114 (2002) 600, 633 f. Vgl. hierzu bereits oben 3. Kapitel § 2 B. II. 3. c). Dies gilt ungeachtet dessen, ob die Unbestimmtheit der Kausalvorstellung bereits auf der nicht vollständigen Determination des Prozesses oder der nicht vollständigen Kenntnis seiner Determinanten beruht – vgl. hierzu Puppe (2000) S. 48 f. Wenn Puppe hier auch explizit nicht alle psychischen Interaktionen als „nicht determiniert“ kategorisiert, vgl. S. 49, so ließe sich doch zumindest die von ihr genannte Fallgruppe der „menschlichen Leistungen unter gesteigerten Anforderungen, z. B. Reaktionsschnelligkeit“ auf die von Zeitdruck und bekannten und vermuteten Risiken und Chancen geprägte Entscheidungssituation im Kapitalmarkt übertragen. 987 Probabilistische Modelle als Antwort auf die Intransparenz kausaler Wirkzusammenhänge in komplexen Strukturen und Wirkfeldern mit dem Begriff „Risikohaftung“ umschreibend Teubner, in: Lübbe (1994) S. 92. vgl. aus der Philosophie u. a. D. Lewis The Journal of Philosophy, Vol. 70, No. 17 (1973) S. 556 ff.; hierzu Byrne/Hajek, Mind, New Series, Vol. 106, No. 423 (1997) S. 411 ff. sowie Menzies, Philosophy of Science, Vol. 56, No. 4 (1989) S. 642 ff. 988 Vgl. hierzu Röckrath (2004) S. 59 ff., 239. Weiterführend zu den drei heute vertretenen Wahrscheinlichkeitsbegriffen (dem personalen bzw. subjektiven, dem 986
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salitätsbegriffe, die nicht von einem deduktiv-nomologischen Verständnis von Kausalität ausgehen, sondern jene als Wahrscheinlichkeitsbeziehung auffassen, der Begriff probabilistisch verwendet.989 Die statistische Regelmäßigkeit des Eintritts eines bestimmten postinzidenten Ereignisses aufgrund eines bestimmten anderen Ereignisses allein lässt indes noch keine belastbare Aussage für die Frage der Einzelfallkausalität zu. Als kausale Bedingung soll die einzelne Handlung des Manipulanten erst dann anzunehmen sein, wenn sich in einem zweiten Begründungsschritt alternative Kausalerklärungen des Erfolgs überzeugend ausschließen lassen, was in einfachen Fällen allein durch die Beobachtung der Zwischenstadien des realisierten Kausalverlaufs möglich sein soll.990 Ein dem ähnlicher Weg ließe sich unter Hinzuziehung der Gedanken der Risikoerhöhungslehre beschreiten.991 Fehlende strikte Kausalgesetze werden ersetzt durch Wahrscheinlichkeitsgesetze.992 Zwar war diese ursprünglich für das Problemfeld der zweifelhaften Erfolgsabträglichkeit rechtmäßigen Alternativverhaltens im Rahmen des Pflichtwidrigkeitszusammenhangs beim fahrlässigen Erfolgsdelikt als Ergänzung des Kausalitätserfordernisses entwickelt worden.993 Jedoch lassen sich nach Ansicht einiger Autoren ohne weiteres Parallelen bilden und die Risikoerhöhungslehre zum allobjektiven und dem logischen Wahrscheinlichkeitsbegriff) vgl. m. w. N. Koriath (1994) S. 471 ff. 989 Soweit ersichtlich einzig Ziethen (2004) unterdifferenziert hier weiter zwischen statistischen (S. 31 ff.) und probabilistischen Modellen (S. 54 ff.). Erstere sollen für die generelle Kausalität gelten, letztere für die – von ihm als allein maßgeblich bevorzugte – konkrete Kausalität. 990 Vgl. u. a. Hart/Honoré (1985) S. 48 ff.; Röckrath (2004) S. 68 und S. 239. Ähnlich (Falsifikation möglicher probabilistischer Kausalreihen im ersten Schritt durch Kontrolle gewisser Zwischenzustände (Wahrscheinlichkeitserhöhung noch präsent?)) Ziethen (2004) S. 162. 991 Nach Puppe ([2000] S. 48) läuft die Anwendung von Wahrscheinlichkeitsgesetzen auf die so bezeichnete kausalitätsersetzende Risikoerhöhungstheorie hinaus. Siehe auch dies., in: NK-StGB vor § 13 Rn. 135 sowie dies. ZStW 1983, 287 ff. und dies. FS Roxin (2001) S. 289 ff. Ähnlich bereits zuvor unter Betonung der Vorteile des Zurechnungskonzepts der Risikoerhöhung Hilgendorf Jura 1996, 9, 10 ff.; Rolinski FS Miyazawa (1995) 483, 500 (wenn auch offen lassend, ob neue Deliktskategorie begrüßenswerter); Schaffstein FS Honig (1970) 169, 170 ff. 992 Vgl. u. a. explizit Puppe ZStW 95 (1983) 287, 296. 993 Vgl. grundlegend Roxin ZStW 74 (1962) 411 ff.; siehe im Übrigen Otto AT § 6 Rn. 1 ff.; Rudolphi SK-StGB Vor § 1 Rn. 66; Stratenwerth, AT (4. Aufl.) § 8 Rn. 36; Schünemann wistra 1982, 41, 45; für einen prägnanten Überblick der Wirkgeschichte vgl. Hübner (2004) S. 163 ff.; kritisch zur Risikoerhöhungslehre vgl. bspw. Arthur Kaufmann FS Jescheck (1985) S. 273, 274 ff. [allerdings ist vorliegend nicht der Raum die gesamte (kritische) Rezeption der Risikoerhöhungslehre in der Wissenschaft zu diskutieren]; zuletzt Kindhäuser ZStW 120 (2008) S. 481, 489 („Das Erfordernis einer Risikoerhöhung erscheint so überflüssig wie die Forderung,
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gemeinen Zurechnungsmittel erheben.994 Bei der Risikoerhöhung trifft der Täter anders als in den Konstellationen primärer Gefahrschaffung995 auf ein bereits vorhandenes, wegen des Autonomieprinzips zunächst nicht dem Täter zurechenbares Grundrisiko,996 welches erst mit dem Täterhandeln im Falle einer determinierten Risikoerhöhung in die Täterzuständigkeit wechselt.997 Zurechnung nach der Risikoerhöhungslehre könne einheitlich für psychische und physische Verursachungslagen immer dann angenommen werden, wenn das Tatverhalten den Erfolgseintritt (ex ante) leichter erreichbar, wahrscheinlicher gemacht habe und sich gerade diese Wahrscheinlichkeitszunahme auch (ex post) im Erfolgseintritt niedergeschlagen habe.998 Für psychische Verursachung bedeute dies, die psychische Einwirkung müsse weder generell noch individuell ein zwingendes oder unersetzbares Argument geliefert haben. Ausreichend sei, dass das Gewicht der psychischen Motivierung sich in den vom Beeinflussten angestellten Überlegungen auswirke und während der Handlung zu dem subjektiven Übergewicht gegenüber etwaigen Gegenmotivationen beiträgt.999 Übertragen auf den Kapitalmarkt ließe sich festhalten, dass durch eine Manipulationshandlung, der eine Irreführungseignung implizit ist, ein neues Teilrisiko geschaffen wird, das mit den bereits vorhandenen Grundrisiken (oder Hintergrundrisiken) zu einer Zurechnungseinheit verschmilzt und somit ontologisch „unabgrenzbar in der Gesamtgefahr aufgeht,“1000 aus der dass das zu einer Überschwemmung führende Wasser auch nass gewesen sein müsse.“). Vgl. zur Kontroverse ausführlich Prittwitz (1993) S. 327 ff. 994 So ausdrücklich Hoyer FS Rudolphi (2004) S. 95, 102 ff. und passim; Hilgendorf Jura 1996, 9, 10 ff.; Ähnlich bereits Schaffstein FS Honig (1970) S. 169 ff [179] allerdings beschränkt auf die Beihilfe. 995 Wenngleich sich m. E. auch in diesen Konstellationen die Frage stellt, ob hier tatsächlich eine originäre Risikoschaffung anzutreffen ist oder nur das bestehende Hintergrundrisiko für Zwecke der Zuschreibung ausgeblendet bzw. gar nicht gesehen wird. 996 Dieses Grundrisiko bedeutet nach Samson FS Lüderssen (2002) S. 587, 588, dass vor der Tathandlung kausale Umstände vorlagen, die entweder sicher (Risiko von 100%) oder nur wahrscheinlich (Risiko von unter 100%) den Erfolg herbeigeführt hätten. 997 Vgl. hierzu und zum Grundprinzip der exklusiven Zuschreibung von Risikobeiträgen zur Täter- oder Opfersphäre Ziethen (2004) S. 156 ff. 998 Vgl. Hoyer FS Rudolphi (2004) S. 95, 102, der in dieser Ausweitung das konsequente Weiterdenken der Risikoerhöhungslehre erblickt (ebenda S. 105). Der Risikozusammenhang trete dabei nicht „neben das Kausalitätserfordernis, sondern macht die für Kausalität erforderliche Beziehung zwischen Tatverhalten und Taterfolg allein aus.“ (ebenda S. 103). 999 Vgl. so explizit – allerdings für die Anstiftung – Hoyer FS Rudolphi (2004) S. 95, 102.
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
sich letztlich der Erfolg rekurrieren soll.1001 Besagtes Teilrisiko verstanden als erhöhte Wahrscheinlichkeit für eine bestimmte Reaktion der anderen Marktteilnehmer wird vor dem Hintergrund eines ohnehin bestehenden Grundrisikos der Anfälligkeit der Marktteilnehmer für Manipulationen, dementsprechende Transaktionsentscheidungen und schließlich eines Irrtums auf der Makroebene (artificial price) durch jede informationsgestützte Manipulationshandlung zumindest erhöht, wenn man von – jedenfalls statistisch gesehen – überwiegend rational handelnden Marktindividuen ausgeht.1002 Dies geschieht zwar auf gewisse Weise bereits mit dem Machen der Angabe, wenn diese überhaupt wahrnehmbar wird (nur dann ist sie überhaupt geeignet, etwas im Markt zu bewirken). Indes kann wohl erst die Rezeption der Information durch die Marktteilnehmer bzw. die unmittelbare Aufnahmemöglichkeit als jenes i. S. d. der probabilistischen Zurechnung gefahrerhöhende Moment gesehen werden, an das jene eine Zurechnungskette bis zum letztlichen Einwirkungserfolg knüpfen könnte, da die ohne kommunikative Aufnahme im Markt verhallende Information dann keine durchgängige Risikoerhöhung setzen würde, wie sie von den Vertretern einer kausalitätsersetzenden Risikoerhöhungstheorie1003 gerade verlangt wird. Verzichtet man auch auf diesen tatsächlichen Rezeptionsnachweis, muss in die probabilistischen Erwägungen die Wahrscheinlichkeit zusätzlich integriert werden, dass die informationsgestützte Manipulation trotz ihrer Irreführungs-, Signalwirkungs- oder Täuschungseignung unrezipiert verhallt. Allerdings würde dieses Zurechnungsmodell1004 impliziter ein BlackBox-Verständnis des Kapitalmarktes voraussetzen, wenn es die anhaltende Risikoerhöhung bis zum Makroereignis Preiseinwirkung nicht für das Umfeld eines jeden Mikroebenenakteurs individuell beschreiben müsste.1005 1000 So allgemein für die Konstellationen einer Risikoerhöhung Stratenwerth FS Gallas (1973) S. 227, 238. 1001 Ziethen (2004) S. 65 spricht für den Kontext des Betruges treffend von einer bei diesem idealtypisch hervortretenden „Instrumentalisierung des Grundrisikos zum Zwecke der Erlangung des deliktischen Zieles“. 1002 Dies schließt auch die Theorie der Behavioral Finance nicht aus, welche allerdings versucht, alle Verhaltensweisen von Marktteilnehmern verstehen zu können und nicht allein viele unter ein bestimmtes Handlungsleitprinzip zu subsumieren. 1003 Vgl. zu diesem Begriff Puppe (2000) S. 48. 1004 Roxin (AT I, § 11 Rn. 38) will in jener probabilistischen Zurechnung eine „Verschiebung von Zurechnungselementen in den Kausalbegriff“ erkennen, welche „noch weiterer dogmatischer Klärung“ bedürfe. Dem ist dann zuzustimmen, wenn Kausalität nach juristischer Diktion allein i. S. d. H/O-Schemas verstehbar wäre. Dies ist allerdings gerade nicht zwingend. 1005 Ob ein solches der Rechtsprechung des BGH zum Einwirkungskriterium (vgl. BGHSt 48, 373, 384 – „Analyst Sascha Opel“) und ob diese impliziter auch von einem probabilistischen Kausalitätsverständnis ausgeht, kann nur vermutet werden.
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Das bedeutet, dass die informations-/handlungsgestützte Manipulation richtigerweise von allen Mikroebenenakteuren wahrnehmbar gewesen sein muss, deren umgesetzte Transaktionsentscheidungen letztlich die betreffende Preiseinwirkung bewirkt haben. Insofern wäre prozessual der Rückschritt von der Preiseinwirkung über die Ermittlung der daran beteiligten Mikroebenenakteure hin zu der Frage zu gehen, ob im Umfeld der Mikroebenenakteure die informations-/handlungsgestützte Manipulation wahrnehmbar und damit risikoerhöhend gewesen ist. Gleichzeitig wird deutlich, dass von einer Risikoerhöhung nur dann ausgegangen werden könnte, wenn die betroffenen Anleger zumindest grundsätzlich zur Aufnahme und Reflexion der Informationen bereit und fähig sind. Dies kann jedoch, soweit es nur um Risikoerhöhung geht, aus der Zusammenschau der obigen ökonomischen Erkenntnisse bejaht werden, sollte als weiteres Unsicherheitsmoment dieser Zurechnung aber im Fokus bleiben. Ergeben beispielsweise Studien,1006 dass Märkte bzw. bestimmte Marktsegmente nurmehr schwach bzw. gar nicht als informationseffizient bezeichnet werden können, würde eine Zurechnung, die auf dem probabilistischen Modell fußt, zumindest angreifbar, geht sie doch impliziter davon aus, dass einem bestimmten Verhalten in der Mehrzahl der Fälle eine bestimmte Reaktion und damit im Ergebnis ein bestimmter Erfolg nachfolgt. Statistische Aussagen über menschliches Verhalten unterliegen wegen dessen Beeinflussung durch den jeweiligen Charakter, die individuelle Lebenserfahrung und seiner sonstigen psychischen Situation letztlich einem sehr großen Unsicherheitsfaktor.1007 Probabilistische Abhängigkeiten nicht nur für mechanische Abläufe der äußeren Natur, sondern auch für intentionale Handlungen von Menschen zu formulieren, kann wenn überhaupt nur unter der Prämisse gelingen, dass das Kapitalmarktverhalten aller Anleger abseits von Anomalien zumindest statistisch nachweisbare Regelmäßigkeiten aufweist.1008 Diesbezüglich müsste eine probabilistische Zurechnung die Nachdem sich diese Revisionsentscheidung diesbezüglich allerdings ausdrücklich nur dem prozessualen Nachweis widmet, wird diese Entscheidung entsprechend erst eingehend unten unter 3. Kapitel § 2 B. IV. 3. a) bb) (2) (c) besprochen. Gleiches gilt für die sich insoweit nicht dezidiert äußernden Literaturstimmen, welche dem BGH mit dem Verweis auf die prozessuale Beweisnützlichkeit von Ereignisstudien beispringen (vgl. hierzu unten 3. Kapitel § 2 B. IV. 3. a) cc) (2)). 1006 Auf die grundsätzlichen Schwierigkeiten empirischer Nachweise für Markteffizienz wurde bereits hingewiesen, vgl. oben 3. Kapitel § 2 B. II. 3. 1007 Vgl. u. a. Hilgendorf Jura 1996, 9, 11. 1008 Im Grunde genommen geht auch der Manipulant von jenen Regelmäßigkeiten in der Reaktion auf seine Manipulationshandlung aus, da diese ihm – vermittelt durch die Herbeiführung eines Makroirrtums als tatbestandlichem (Zwischen-)Erfolg – nur dann den zwar nicht tatbestandlichen, aber zumeist erwünschten Bereicherungserfolg bringen kann. Jene subjektiv vorhandene Vorstellung des Zwischen-
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jeweiligen Rezipienten von informationsgestützten Manipulationen in die Analyse einbeziehen, um eine – wenn überhaupt nur – epistemische Wahrscheinlichkeit1009 formulieren zu können. Hierbei dürfte sie sich aber nicht vorschnell auf allzu generalisierende Modelle eines typischen Marktteilnehmers zurückziehen, sondern müsste die Erkenntnisse sowohl der klassischen Finanzmarkttheorie als auch des Behavioral Finance Ansatzes mit einbeziehen. Richtigerweise müssten nämlich auch innerhalb jenes Zurechnungsmodells zunächst die Antecedensbedingungen geklärt werden, um entsprechende Wahrscheinlichkeitsaussagen treffen zu können. Jene Antecedensbedingungen werden aber gerade durch die jeweilige inhomogene Anlegerstruktur und die individuelle wirtschaftliche, soziale und psychische Disposition ihrer Anleger geprägt, die im Umfeld1010 einer informationsgestützten Manipulationshandlung als deren Rezipienten anzutreffen sind. Je nach geforderter Gesamtwahrscheinlichkeit müsste sich eine probabilistische Zurechnung im Kapitalmarkt ihrer einzelnen Antecedensbedingungen – informationsgestützte Manipulationen werden rezipiert und der Markt handelt entsprechend der Markteffizienzhypothese, da deren Voraussetzungen in Person transaktionsbereiter information trader in hinreichender Zahl gegeben sind – versichern oder für deren Vorliegen jeweils zumindest Wahrscheinlichkeiten aufstellen. Im Ergebnis wäre eine probabilistische Zurechnung sonach möglich, wenn sich entweder unter Einbezug aller möglichen Anleger als Rezipienten oder unter spezifischer Aussonderung der nachweisbar zur Tatzeit angetroffenen Marktteilnehmer für die inkriminierte informationsgestützte Manipulationshandlung eine Erhöhung des Risikos einer dem Manipulatorverhalten entsprechenden Reaktion feststellen ließe. Dabei müsste für alle Anleger bzw. eine spezifisch antreffbare Teilmenge das vorhandene Grunderfolgs bildet das reziproke Spiegelbild der objektiven Zurechnung im subjektiven Tatbestand. Vgl. hierzu unten 3. Kapitel § 3. 1009 Zu unterscheiden ist zwischen der aleatorischen Wahrscheinlichkeit (auch statistische Wahrscheinlichkeit), die für künftige Ereignisse die relative Häufigkeit beschreibt, und der epistemischen Wahrscheinlichkeit (auch subjektive oder personelle Wahrscheinlichkeit), bei der die vermuteten Kausalzusammenhänge gerade nicht oder nicht ausreichend bekannt sind und die Aussagen daher von erhöhter Unsicherheit gekennzeichnet sind. Vgl. zu den verschiedenen Wahrscheinlichkeitsbegriffen darüber hinaus Koriath (1994) S. 471 ff. 1010 Streng genommen, gebiert auch die Ermittlung des konkreten Wirkumfeldes informationsbezogener Handlungen (einzubeziehen ist in diesem Zusammenhang auch die Informationswirkung bestimmter handelsbezogener Verhaltensweisen) unter Umständen Probleme. Geht man allerdings davon aus, dass informationsbezogene Manipulationen zumindest bereichsöffentlich, bestenfalls über das Internet weltweit verbreitet werden, so liegt ein weites Feld möglicher Rezipienten bereit. Ein solches Vorgehen gründet allerdings allein auf einer mehr oder weniger sicheren Annahme/ Vermutung.
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risiko irrationaler oder informationsautarker Transaktionsentscheidungen ebenso der Analyse unterliegen wie die konkrete Anlegerstruktur nach Grad der Professionalität. Beispielsweise kann das Anlageverhalten institutioneller Marktteilnehmer1011 schon ob des diesen zur Verfügung stehenden erhöhten weiteren Informationsangebots und der damit (zumindest) möglichen Überprüfung bestimmter informationsgestützter Manipulationen gegenüber dem von nicht-institutionellen Anlegern differieren. Auch die Aufnahme von Kaufempfehlungen (bspw. im Falle des Scalping) kann in beiden Gruppen eine andere sein. Letztlich würde eine solche probabilistische Zurechnung allerdings darauf angewiesen sein, dass zum Zeitpunkt der Manipulationshandlung eine dieser gegenüber empfängliche Anlegerstruktur vorhanden ist. Soll eine Zurechnung auf Grundlage der Risikoerhöhung allerdings nicht jedwede Begrenzungsfunktion verlieren, kann eine Risikoerhöhung nicht allein aus dem Vorhandensein einer wahrnehmbaren informationsbezogenen Handlung und der abstrakt-potentiellen Wahrnehmungsmöglichkeit durch den gesamten weltweiten Markt gefolgert werden. Ansonsten würde jede wahrnehmbare informationsgestützte Manipulation per se die Zurechnung in zeitlichem Umfeld antreffbarer Preisänderungen begründen. Erforderlich ist daher das feststellbare Vorhandensein eines zumindest aktiven Marktes in jenem Finanzinstrument, das das Vorhandensein eines Querschnitts obiger Anlegertypen zumindest nahe legt. Je kleiner der Markt für ein bestimmtes Finanzinstrument allerdings ist, desto weniger sicher kann das Vorhandensein eines stets vorhandenen, diversifizierten und aktiven Anlegerquerschnitts vermutet werden, wodurch die Wahrscheinlichkeit einer entsprechenden Reaktion auf spezifische informationsbezogene Handlungen sinken kann. Kritisch an einer derartigen Vorgehensweise wäre darüber hinaus die Bestimmung des für die Bejahung einer probabilistischen Zurechnungsverknüpfung erforderlichen Wahrscheinlichkeitsgrades für eine bestimmte reaktive Verhaltenswahl nach dem Auftreten der informationsgestützten Manipulation.1012 Würde eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit eines bestimmten Anlegerverhaltens in Abstrakto verlangt, könnte diese nach den Erkenntnissen der Behavioral Finance nie bejaht werden. Insoweit bietet sich prima facie und unter Parallelisierung von materiellen und strafprozessualen Kausalitätsanforderungen eine Hinzuziehung der bereits für das 1011 Die hier getroffene Unterscheidung in zwei Anlegergruppen ist sicherlich stark vergröbernd, soll allerdings vorliegend nur verdeutlichen, wie eine Differenzierung hinsichtlich des Risikos typisierend ausgestaltet sein könnte. 1012 Ein abschließendes Urteil über die probabilistischen Zurechnungsmodelle sei nach Roxin AT I § 11 Rn. 38 erst möglich, „wenn sie detaillierter ausgearbeitet und an umfangreichem praktischen Fallmaterial erprobt worden sind.“ Zumindest letzterem kann die vorliegende Untersuchung dienen.
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
Strafprozessrecht entwickelten Beweismaße1013 an, wonach für eine probabilistische Zurechnung zumindest eine hohe Wahrscheinlichkeit ausreichend wäre. Hoyer hat versucht, das nicht zu verkennende Dilemma zwischen den Freiheitsinteressen des möglicherweise Unschuldigen und dem Schutzinteresse der Allgemeinheit durch die Herleitung von Wahrscheinlichkeitsquoten und Anerkennungsgraden dahingehend mittels einer Heuristik1014 aufzulösen, dass eine prozessual hinreichende hohe Wahrscheinlichkeit ab einer mindestens 96-prozentigen Schuldwahrscheinlichkeit besteht.1015 Jener Verdachtsgrad ließe sich als Parallelisierung von materiellem und prozessualem Recht zwar abseits seiner wohl fehlenden Operationalisierungsfähigkeit für Einzelfälle (Anhand welcher Maßstäbe und bezogen auf welche Basis soll ein Richter das Überschreiten der 96 % nachvollziehen können?) auf eine Zurechnung nach statistischen Wahrscheinlichkeiten übertragen. Für eine auf dem Gedanken der Risikoerhöhung fußende Kausalitätszurechnung im psychischen Bereich würde dagegen materiell an sich bereits eine geringfügige Steigerung der Wahrscheinlichkeit genügen. Ähnlich argumentiert Rolinski im Rahmen der statistischen Kausalität mit den in den Sozialwissenschaften üblichen Signifikanz-Niveaus, die nach Abzug einer Zufallsvariabilität ein 5 % Niveau für hinreichende Befunde ausreichen lassen wollen, so dass sich Aussagen nur mit einer 95 % Sicherheit machen ließen.1016 Für den Kapitalmarkt ließe sich bei einer solchen Auslegung für viele (auch)1017 informationsgestützte Manipulationshandlungen eine relevante Erhöhung des Risikos bestimmter Anleger1013
Vgl. hierzu ausführlich unten 3. Kapitel § 2 B. IV. 1. Über eine hier nicht näher darlegbare [(die – somit auf den gesetzgeberischen Entscheidungen basierende und bereits deshalb angreifbare – Ableitung der Verhältniszahl von 22,5 folgt hier aus dem Inbezugsetzen der Strafen (nach der Aussetzungsregel der 2/3 Haft) für eine vorsätzliche Tötung (§§ 211, 220a StGB a. F.) und einem begehungsgleichen Unterlassen ohne Garantenpflicht (§ 323 c StGB)], auf Condorcet und das Jahr 1785 zurückgehende Formel für die erforderliche Schuldwahrscheinlichkeit, in welche Hoyer das Freiheitsinteresse potentieller Täter und das Schutzinteresse potentieller Opfer einstellt und formelintern einen hohen Verdachtsgrad fordert, um das abstrakte Überwiegen der Freiheitsinteressen zu kompensieren, gelangt Hoyer bspw. zur These, dass ein Richter an solche Kausalgesetze gebunden sein müsste, die in Fachkreisen zu mindestens 96% anerkannt seien (Hoyer ZStW 105 (1993) 523, 541 ff.). 1015 Hoyer ZStW 105 (1993) 523, 555. 1016 Vgl. Rolinski FS Miyazawa (1995) S. 483, 493. Allerdings relativiert er ebenda die Niveauangaben, als diese der Übereinkunft unterstehen und somit nur willkürlicher Festlegung entsprechen. Im Übrigen lässt er abschließend (S. 500) offen, ob sich probabilistische Zurechnung überhaupt in das bestehende System einfüge oder ob nicht ein neuer Deliktstyp zwischen Verletzungs- und konkreten Gefährdungsdelikten zu schaffen wäre. 1017 Hierunter fallen nach dem hier vertretenen Verständnis auch bestimmte handelsbezogene Manipulationen. Siehe oben 3. Kapitel § 2 B. II. 3. c). 1014
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reaktionen für die gesamte Anlegerstruktur und damit eine auf diese gestützte Zurechnung dann bejahen, wenn die informationsgestützten Manipulationen von den Marktteilnehmern wahrgenommen werden können. Der Grad der Risikoerhöhung hinge davon ab, inwieweit von einem informationseffizienten Markt auszugehen ist, d.h. inwieweit dieser auch von professionellen information tradern durchsetzt ist. Zahlreiche Autoren wollen statistische Gesetze und damit eine strafrechtlich beachtliche Risikoerhöhung allerdings ohnehin erst dann annehmen, wenn sich das konkrete Risiko wesentlich erhöht hat.1018 Einen anderen Weg will Röckrath1019 gehen, der den zu verlangenden Wahrscheinlichkeitsgrad aus dem Wechselspiel von ex-ante-Wahrscheinlichkeit für den Ereigniseintritt und dem Grad an Sicherheit im Ausschluss von Alternativursachen beziehen will. Danach soll es unschädlich sein, wenn die Handlung aus der Ex-ante-Perspektive nur ein geringes Risiko begründet hat, wenn sicher nachgewiesen werden kann, dass andere Ursachen nicht in Betracht kommen. Andererseits soll man sich in den Fällen, in welchen die Ex-ante-Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, auf den Ausschluss auf der Hand liegender Alternativen beschränken dürfen. Ungeachtet dessen, ob sich jenes Modell für die Bestimmung des für eine probabilistische Zurechnung nötigen Wahrscheinlichkeitsgrades im Bereich des Strafrechts heranziehen ließe,1020 erweist es sich im Bereich des Kapitalmarkts deshalb nicht als umfassende Problemlösung, da dort zum einen das Entscheidungsverhalten von unterschiedlichsten Menschen zu hinterfragen ist und dort zum anderen gerade vielfältige Alternativeinflüsse auf die Entscheidungsfindung anzutreffen sind. Sowohl die Feststellung der zu fordernden als auch der individuell antreffbaren Wahrscheinlichkeit und der Ausschluss von Alternativbeweggründen lassen die ernst genommene, nicht lediglich eine bloße Zuschreibung verbrämende probabilistische Zurechnung hier komplex und 1018 Vgl. so bspw. Hilgendorf, Jura 1996, 9, 11 (sowie S. 12 f.: keine Zurechnung bei bloß minimaler Risikoerhöhung). Ders. (ebenda, S. 12) erkennt in der Unschärfe von Wahrscheinlichkeitsaussagen selbst das Hauptproblem einer auf Wahrscheinlichkeitssätzen aufbauenden Zurechnung, will diesem aber offenbar mittels richterlich vorzunehmender „Wahrscheinlichkeitsannahmen des Alltags“ durch Zuordnung der Rezipienten in Risikoklassen Rechnung tragen (ein armer wenig gefestigter Mensch lässt sich wahrscheinlicher durch die Inaussichtstellung des Mordlohnes leichter motivieren als eine wohlhabende gefestigte Person). Fraglich ist allerdings, ob sich eine derartige Zuordnung mit den in der Realität anzutreffenden Konstellationen auch nur annäherend deckt oder nicht doch letztlich auf eine – von richterlichem Vorverständnis unterlegte – affirmative Zuschreibung hinausläuft. 1019 Röckrath (2004) S. 65 f. 1020 Nach Röckrath (2004) S. 65 habe der Grad der jeweiligen Wahrscheinlichkeit lediglich Bedeutung für die Verteilung der Argumentationslast. Diese trifft im Strafrecht allerdings als Konsequenz der Unschuldsvermutung, dem Bestimmtheitsgrundsatz und dem Rechtsstaatsprinzip immer den Staat.
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
ohne eine Untersuchung individuellen Mikroebenenverhaltens praktisch unmöglich werden. (b) Kombinationslösungen Eine Kombination einer relativ deterministischen und einer subsidiären probabilistischen Zurechnung findet sich beispielsweise bei Mummenhoff,1021 der unter Herstellung von Konkordanz zwischen materiellen Anforderungen und deren prozessualer Widerspiegelung ein zweistufiges Vorgehen empfiehlt. Zunächst sei die Anwendbarkeit eines deterministischen Erfahrungssatzes zu prüfen, der nur angenommen werden könne, wenn hinreichende Bewährung der strikten Gesetzmäßigkeit anzunehmen ist. Dabei müsse beim Einsetzen in die deduktiv-nomologische Erklärung die Entscheidung über die Bewährung ebenso vor dem deduktiven Schluss erfolgen, wie die Antecedensbedingungen zur Überzeugung des Rechtsanwenders feststehen müssten. Scheitere es an einer dieser Hürden, sei eine deduktiv-nomologische Erklärung ausgeschlossen und sodann in einem zweiten Schritt die Anwendbarkeit eines statistischen Erfahrungssatzes zu prüfen, wobei die relativ am Besten gestützte Hypothese auszuwählen sei.1022 Anschließend würden die Antecedensbedingungen sowie relevante Zusatzinformationen ermittelt. In der anschließenden Stufe würden alle Prüfungsbefunde bewertet. Hier sei auch die erhöhte Fehlergefahr wissenschaftstheoretisch nicht abgesicherter Beweiswürdigung im Rahmen der induktiven Argumentation zu beurteilen. Dabei seien Meinungsstreite zur generellen Schadenseignung einer Einwirkung mit allen in dem betreffenden Fachgebiet vertretenen Auffassungen miteinzubeziehen.1023 Abschließend sei die insgesamt ermittelte und je nach den Umständen quantitativ, komparativ oder qualitativ formulierte induktive Wahrscheinlichkeit am jeweiligen Beweismaß zu messen. Sucht man danach für die psychische Kausalität nach dem Mummenhoff’schen Modell für den Bereich des Kapitalmarktes statistische Erfahrungssätze, muss man dabei gerade auch unter Einbezug sowohl der Theorie der Markteffizienz als auch der Erkenntnisse der Behavioral Finance zum gleichen Urteil wie hinsichtlich der anderen probabilistisch geprägten Kausalitätstheorien kommen.
1021 Mummenhoff (1997) S. 113. Ähnlich Rolinski FS Miyazawa (1995) 483, 500, welcher vorsichtig eine Ergänzung der deterministischen Kausalität durch Modelle probabilistischer Gesetzmäßigkeiten propagiert. 1022 Siehe zu dieser Mummenhoff, S. 105 ff. 1023 Mummenhoff (1997) S. 107.
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(c) Kritische Würdigung Wenn überhaupt,1024 dann bietet alleine eine auf statistische Wahrscheinlichkeiten gestützte Zurechnung1025 scheinbar die materiell-dogmatisch einzige Grundlage, auf der eine prozessuale Beweisführung ohne eine konkrete Motivationsanalyse jedes Marktteilnehmers, der für die Marktpreisänderung erfolgserheblich geworden ist, aufsetzen könnte. Sowohl existierende Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Grades an zu verlangender Wahrscheinlichkeit (abseits des Bezifferungsproblems: bloß gewisse, überwiegende oder an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit?)1026 als auch bei der Konkretisierung der Antecedensbedingungen und ihrem Umfeld generieren die probabilistische Zurechnung allerdings zu einem höchst unsicheren Unterfangen.1027 Anders als im Bereich physischer Kausationen, wo probabilistische Kausalaussagen im Grunde genommen den einzig ehrlich gangbaren, ab einer zu fordernden hohen Wahrscheinlichkeit auch angemessenen Weg darstellen,1028 stehen vor probabilistischen Kausalitätsaussagen im psychischen Bereich eine deutlich höhere Anzahl von Störvariablen, deren begriffliches Konzentrat der „freie Wille“ ist – sei es dass dieser tatsächlich im Sinne der Indeterministen existiert oder auch nur für das Strafrecht wegen der weitgehenden Unbekanntheit der psychischen Determinis1024
Vgl. zu den Problemen der Bestimmung der Antecedensbedingungen und des erforderlichen Wahrscheinlichkeitsgrades oben S. 229 ff. 1025 Nach Pérez-Barbera ZStW 114 (2002) 600, 629 könne eben auch Risikoerhöhung „nichts anderes bedeuten als statistische Relevanz des Antecedens für den tatbestandsmäßigen Erfolg“. 1026 Das Problem liegt dabei nicht in einer – jedenfalls im juristischen Bereich nicht zu verlangenden – exakten Quantifizierung des erforderlichen Risikogrades (ebenso Hilgendorf Jura 1996, 9, 11). Soll der Prüfstein einer relevanten Risikoerhöhung im Rahmen der Kausalitätsprüfung im Rahmen der objektiven Zurechnung seinen Charakter nicht gänzlich zugunsten der Beliebigkeit verlieren, muss dogmatisch Klarheit über die Anforderungen an eine relevante Risikoerhöhung bestehen. 1027 Vgl. ähnlich, wenn auch allgemein zur probabilistischen Zurechnung Roxin AT I, § 11 Rn. 37: „Ein abschließendes Urteil über die Tragweite solcher Ansätze wird aber erst möglich sein, wenn sie detaillierter ausgearbeitet und an umfangreichem praktischen Fallmaterial erprobt worden sind.“ Vgl. für eine entsprechende zivilhaftungsrechtliche Untersuchung Gasser (2002) S. 283 f. und passim, der ebenfalls – wenn überhaupt – im besten Fall eine Zurechnung nach Graden der Wahrscheinlichkeit annehmen will, dennoch deren Probleme sieht. 1028 Vgl. u. a. Menzies Philosophy of Science Vol. 56, No. 4 (Dec., 1989) S. 642, 662; Rolinski FS Miyazawa (1995) S. 483, 495; ähnlich aus prozessualer Perspektive H. E. Müller FS Rolinski (2002) S. 219 ff. (für den Einbezug naturwissenschaftlich ermittelter Wahrscheinlichkeitsaussagen in die richterliche Beweiswürdigung) sowie H. Weber (1997) S. 181. Die grundsätzliche Berechtigung der Hinzuziehung von Wahrscheinlichkeitsaussagen wird daher zunehmend anerkannt (vgl. so auch Roxin AT I § 11 Rn. 37 m. w. N.).
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
men postuliert wird. Wie gezeigt werden konnte, besteht auch für den Bereich des Kapitalmarktes gerade keine ausschnittsweise Erkenntnis in die Determinismen menschlichen Entscheidungsverhaltens in Form eines Rationalitätsaxioms. Nur wenn man dieses für den Bereich menschlicher Entscheidungsfindung im Kapitalmarkt – nach hiesiger Auffassung unzulässig – unterstellt, bleibt überhaupt gewinnbringend Raum für vergleichende Betrachtungen, wie sie aussagekräftigen probabilistischen Kausalitätsaussagen gemein sind. Allerdings ergeben sich bereits materiell gerade für komplexe Kausalitätsfelder wie den Bereich der Produkthaftung, aber auch den multimotival beeinflussten Börsen- oder Marktpreis erhebliche Bedenken bezüglich probabilistischer Zurechnung in diesem Bereich. Der Erfolgszurechnung anknüpfend an das Kausalprinzip liegt m. E. der Gedanke einer strikt individualisierten Zurechnung zugrunde.1029 Dies muss erst recht in solchen Bereichen gelten, in denen der freie Wille oder zumindest die Nichtkenntnis der Naturgesetze der Willensbildung sichere Prognosen des Entscheidungsverhaltens ausschließt. Auf das Prinzip individualisierter Zurechnung deutet auch die Koinzidenz der Gefährdungsdelikte als weiterer dogmatischer Deliktsfigur hin, welche gerade keine strikt individualisierte Erfolgszurechnung verlangen, sondern den typischerweise einer Gefährdung folgenden Verletzungserfolg bereits preemptiv durch die Inkriminierung der vorherigen Gefährdung zu verhindern suchen. Dementsprechend wäre konsequenterweise vor einer Abkehr zugunsten einer probabilistischen Zurechnung in komplexen Kausalumfeldern die rechtspolitische Entscheidung darüber zu suchen, ob die Strafe allein an das Schaffen eines Risikos – dann konsequenterweise in dogmatischer Gestalt eines Gefährdungsdelikts – oder auch an die hinreichend sicher belegbare Realisierung eben jenes Risikos – dann unter Aufrechterhaltung der dogmatischen Struktur eines Verletzungsdelikts – geknüpft werden soll. Wie im Rahmen der Erläuterungen zur Behavioral Finance dargestellt, lassen auch die Erkenntnisse der Kommunikationsforschung nur den Schluss zu, dass für die Frage der Informationskausalität stets den Bedingungen des konkreten Falles sowie den involvierten Kommunikationsteilnehmern Rechnung getragen werden muss.1030 Die sonach prinzipielle Individualität von Informationskausalität im weitesten Sinne verträgt sich nicht mit einer auf statistische Erfahrungswerte gestützten Zurechnungsentscheidung.1031 Im Rahmen probabilistischer Zurech1029 Vgl. ebenso auf der Grundlage der Kommunikationsforschung Gasser (2002) S. 283 und passim („prinzipielle Individualität der Informationskausalität“); siehe für das Prinzip der individualisierten Zurechnung für den Bereich der strafrechtlichen Produkthaftung Günther KritV 1997, 211, 223. 1030 Vgl. bereits oben 3. Kapitel § 2 B. II. 3. b). 1031 Ebenso Gasser (2002) S. 283 f. und passim.
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nungsmodelle genügt dagegen gerade die Risikoerhöhung für den Schluss, dass sich mit hinreichender und als solcher genügender Wahrscheinlichkeit das Risiko auch realisiert hat. Damit bleiben Fälle denkbar, in denen sich das geschaffene Risiko trotz hoher Wahrscheinlichkeit seiner Realisierung tatsächlich unerkannt nicht im Erfolg realisiert hat, wodurch ein Erfolg dem Handelnden nach obigem Prinzip unzulässig zugeschrieben würde. Nachdem der Gesetzgeber jedoch die Kriterien für den notwendigen Zusammenhang zwischen Handlung und Erfolg nicht explizit umschrieben hat, stellen diese abstrakten Erwägungen letztlich allein rechtspolitisch die Berechtigung probabilitischer Zurechnung in Bereichen komplexer Kausalstrukturen in Frage. Dieses Problem nimmt an Brisanz durch den Umstand zu, dass es um in ihren Antecedensbedingungen und Wirkzusammenhängen noch weniger erklärbare psychische Kausationen geht. Abseits dieser fundamentalen Bedenken ergeben sich indes weitere generelle Schwierigkeiten für eine probabilistische Zurechnung im Kapitalmarkt. Das Abstellen auf eine bei informationsgestützten Manipulationshandlungen anzutreffende generelle Risikoerhöhung würde zwar dann legitimierbar sein, wenn sich die Marktpreise stets nach der Markteffizienztheorie (sowohl hinsichtlich der Informationsrezeption als auch -verarbeitung) erklären ließen. Der nach der hier vertretenen Auffassung zwingend notwendige Rekurs auf die Erkenntnisse der Behavioral Finance verbietet jedoch auch im Rahmen probabilistischer Zurechnungsmodelle eine allzu abstrahierende Betrachtungsweise und Generalisierung hinsichtlich der auf eine informationsgestützte Manipulation hin zu erwartenden Verhaltensweisen auf der Mikroebene. Dies bedeutet, dass sowohl die Aufnahme der informationsgestützten Manipulationen durch transaktionsbereite Marktteilnehmer nicht zwingend ist, als auch dass deren Weiterverarbeitung durch das Rationalitätsaxiom vorgegeben ist. Zwar wird allein dogmatisch (zu den rechtspolitischen Bedenken vgl. oben) eine Einebnung von Gefährdungsdelikten und Verletzungsdelikten durch die Annahme probabilistischer Zurechnung nicht gesehen. Gefährdungsdelikte stellen genau genommen auf den Zeitpunkt der Vornahme der Tathandlung ab und fordern für diesen eine abstrakte oder konkrete Gefahr. Bei einem Verletzungsdelikt muss diese Risikoerhöhung allerdings bis zum Erfolg fortbestehen und dürfen keine anderweitigen Einflussfaktoren bekannt sein, die den Erfolg kausieren könnten. Darüber hinaus setzt eine probabilistische Zurechnung – wie sie nach Übertragung der Risikoerhöhung zum allgemeinen Kausalitätsprinzip ebenfalls anzutreffen wäre – eine zweifelsfreie statistische Relevanz des Antezedens für die sich daraus ergebende Folge voraus.1032 Allerdings hilft m. E. die grundsätzlich im Vergleich zu 1032
Vgl. so auch Pérez-Barbera ZStW 114 (2002) 600, 631.
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
Modellen deterministischer Zurechnungskonstruktionen ehrlichere1033 probabilistische Zurechnung am Kapitalmarkt wenn überhaupt nur bedingt – nämlich nur in marktengen und daher hinsichtlich Alternativkausationen ausleuchtbaren Finanzwerten sowie bei bekannter Anlegerstruktur1034 – weiter, da nur dann die in die statistische Gesetzmäßigkeitsprüfung einzustellenden Antezedensbedingungen halbwegs bekannt sind bzw. ermittelt werden können. Andernfalls kann auch ein probabilistischer Kausalitätsbegriff als materieller Ausgangspunkt nurmehr wenig belastbare Kausalaussagen ermöglichen. Zwar kann darauf abgestellt werden, dass gerade in jenen häufig Marktmanipulationen anzutreffen sind. Die BaFin stellt in ihrem Jahresbericht des Jahres 2007 fest, dass Marktmanipulationen (jedenfalls in dem von der BaFin untersuchten relativen Hellfeld) vor allem im Freiverkehr und dort in relativ illiquiden Märkten stattfinden.1035 Jedoch kann dies einerseits bloßer Ausdruck der unabsehbaren Nachweisschwierigkeiten in den anderen Kapitalmarktbereichen sein, andererseits kriminalpolitisch zu dem Schluss zwingen, das dogmatische Konstrukt eines Erfolgsdelikts in diesem Bereich insgesamt wegen der nur höchst partiellen Schutzwirkung als ungeeignetes Mittel gänzlich aufzugeben. Erhebliche Probleme bietet schließlich der Ausschluss von Alternativkausationen. Die Gefahr der Verwischung von bloßer richterlicher Zuschreibung und strafrechtlicher Zurechnung ist bei einem bekannten Kausalitätsdunkelfeld nicht von der Hand zu weisen. Prozessual spielt hierbei das problematische Verhältnis von freier richterlicher Beweiswürdigung (§ 261 StPO) und damit etwaig kollidierendem Zweifelssatz (in dubio pro reo) im Raum.1036 Im Endeffekt steht die probabilistische Zurechnungsmethode neben ihrer generell erst geringen dogmatischen Fundiertheit und ihrer rechtspolitischen 1033 Dies insofern, als sie das Dunkelfeld nicht bekannter Ursachen auch in scheinbar (und das heißt nach heutigem Wissenschaftsstand) naturwissenschaftlich determinierten Bereichen problematisiert. Vgl. ebenso nur Menzies Philosophy of Science Vol. 56, No. 4 (Dec. 1989) S. 642, 662; Röckrath (2004) S. 76. Die grundsätzliche Berechtigung der Hinzuziehung von Wahrscheinlichkeitsaussagen wird daher zunehmend anerkannt (vgl. so auch Roxin AT I § 11 Rn. 37 m. w. N.). 1034 Selbst bei ausschließlich anzutreffenden professionellen information tradern können nach der hier vertretenen Ansicht, die die Erkenntnisse der Behavioral Finance im Rahmen der juristischen Kausalitätsdiskussion berücksichtigt, psychisch, soziologisch oder aufgrund fehlender Informationsrezeption erklärbare, vom Rationalitätsaxiom abweichende und bei verschiedenen Anlegertypen differierende Entscheidungen anzutreffen sein. Siehe oben 3. Kapitel § 2 B. II. 3. b). 1035 Vgl. BaFin Jahresbericht 2007, S. 174. 1036 Vgl. hierzu Hoyer ZStW 105 (1993) 523, 554 f. und passim, der die Vorrangrelation mittels der von ihm ermittelten Kompromisslinie der 96-prozentigen Schuldwahrscheinlichkeit sucht (vgl. hierzu unten S. 231 f.).
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Angreifbarkeit1037 gerade im Kapitalmarktkontext dann vor erheblichen Schwierigkeiten, wenn nicht nur, aber gerade auch für liquide und weltweit gehandelte Finanzinstrumente belastbare Wahrscheinlichkeitsaussagen hinsichtlich der Kurseinwirkungswahrscheinlichkeit bzw. Risiko erhöhenden Wirkung bestimmter informationsgestützter Manipulationshandlungen getroffen und dabei weitere ex post beobachtbare Kurseinflüsse statistisch gewürdigt werden müssen. Soll das Erfolgskriterium aber nicht gänzlich verwässert werden, müssten hier jene Umstände ebenso hinterfragt werden, wie das Anlegerumfeld zu bestimmen wäre, das die informationsgestützte Manipulation tatsächlich wahrgenommen hat.1038 Darüber hinaus müssten zum Ausschluss einer bloß zufälligen Koinzidenz von Manipulationshandlung und Marktpreiseinwirkung alle möglichen anderen Ursachen und d.h. in diesem Fall Entscheidungseinflüsse bekannt und für den konkreten Fall ausschließbar sein.1039 Hieraus wird deutlich, dass auch eine auf Wahrscheinlichkeiten gestützte Kausalität – selbst unter der Annahme, dass menschliche Verhaltensweisen bis zu einem gewissen Grade zumindest Ähnlichkeiten aufweisen – in gewissem Umfang das Motivationsumfeld der Mikroebenenakteure zu untersuchen hätte oder ansonsten einem – zumindest kriminalpolitisch fragwürdigen, nach hier vertretener Auffassung gar rechtsstaatsinkompatiblen – weiteren erheblichen Unsicherheitsfaktor unterliegen würde. 1037
Zumindest rechtspolitisch (wohl auch mit rechtsstaatlicher Argumentation) angreifbar ist eine Zurechnung auf Basis probabilistischer Modelle dann, wenn sie bereits durch ihre materiell gesenkten Anforderungen die prozessualen Nachweiserfordernisse des Belastungsbeweises deutlich zurücknimmt. So obliegt es bei einer auf Wahrscheinlichkeiten basierenden Zurechnung dem Beschuldigten exisitierende Wahrscheinlichkeiten durch beweisbare Alternativrisiken zu senken. Darüberhinaus kann eine allein auf dem Risikoerhöhungsgedanken basierende Zurechnung streng genommen auch und gerade in Fällen bestehender Alternativmotivationen dennoch zu einer Zurechnung gelangen, was nicht nur intuitiv befremdlich wirkt, sondern auch dem sich aus dem Schuldprinzip ergebenden Prinzip notwendig individueller Zurechnung bei Erfolgsdelikten widerspricht. Will man sich von einer individuellen Zurechnung trennen, ist mit der Schaffung eines entsprechenden Gefährdungsdelikts eine gesetzgeberische Entscheidung vonnöten (vgl. so für die Produkthaftung Günther KritV 1997, 211, 223). Schließlich verzichtet der Gedanke der Risikoerhöhung im Rahmen der Kausalität gerade auf das ansonsten im Rahmen der objektiven Zurechnung erforderliche Gegenstück zur Risikoschaffung in Form der Risikorealisierung. 1038 Siehe hierzu bereits oben S. 284 f. für eine dabei eventuell notwendige, nach Manipulationshandlung spezifizierende Differenzierung nach Anlegertypen. 1039 Vgl. so für alle auf Wahrscheinlichkeiten basierenden Kausalitätsmodelle treffend Röckrath (2004) S. 76: „Wer da, wo nur statistische Gesetzmäßigkeiten herrschen oder bekannt sind, die bloße Risikoerhöhung ausreichen lassen will, schüttet das Kind mit dem Bade aus.“ Siehe ferner grundlegend Hart/Honoré (1985) S. 48 ff.
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
dd) Eigene Ansicht und Übertragung auf die Kausalitätsfragen im Kapitalmarkt Das Problem der psychischen Kausalität – wie es sich für die herrschende Auffassung vom Einwirkungskriterium zwingend ergibt – zeigt sich im Bereich des Kapitalmarkts rein ontologisch betrachtet bereits als diffiziler, als es in den beiden anderen häufig diskutierten Kontexten erscheint. Anders als bei der Anstiftung und dem Betrug treten sich der Manipulant und sein Manipulationssubjekt Mikroebenenakteur in der Regel gerade nicht offen gegenüber (kein sog. Face-to-face-Geschäft), so dass sich der für die Kausalprobe erforderliche Ausschluss alternativer Ursachen der Handlungsmotivierung wegen der zumeist anzutreffenden Distanz und des fehlenden direkten kommunikativen Kontakts bereits intuitiv angesichts eines damit größeren Kausaldunkelfeldes als komplexer darstellt. Darüber hinaus wird gerade im Bereich des Kapitalmarktes eine multimotivale Entscheidungsfindung der Mikroebenenakteure anzutreffen sein.1040 Insgesamt lässt dies die Herausforderungen erkennen, die an ein konsistentes dogmatisches Modell für die Lösung von Zurechnungsfragen im Rahmen der psychischen Kausalität gerade durch seinen Einbezug in ein Strafrecht im modernen Risikofeld Kapitalmarkt gestellt werden. Ausgangspunkt jeder Kausalitätsbetrachtung sollte der normative Gedanke sein, dass aus dem im Schuldprinzip liegenden Grundsatz der individuellen Verantwortlichkeit für das Strafrecht das Prinzip einer strikt individuellen Zurechnung folgt. Eben jene schimmert hinter der naturgesetzlich generellen Kausalität hervor,1041 wie sie die Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung verlangt, lässt sich aber gleichermaßen auch in den Lehren einer strikten Motivkausation im psychischen Bereich antreffen. Nimmt die Komplexität der Systeme zu, in welchen belastbare Kausalverknüpfungen sichtbar gemacht werden sollen, desto weniger lassen sich unstrittige Auskünfte über Gesetzmäßigkeiten geben, und desto stärker rückt die normative Frage ins Zentrum, wie in diesen komplexen Systemen die Verantwortlichkeit für Handlungsfolgen verteilt werden soll.1042 1040 Dem Befund Hilgendorfs (Jura 1996, 9, 12 Fn. 38), dass das „Problem des Zusammenwirkens mehrerer Motive [. . .] bislang kaum unter dem Gesichtspunkt der Kausalität analysiert worden“ sei, schließt sich der Verfasser an. 1041 Vgl. ebenso Günther KritV 1997, 211, 221. 1042 Vgl. Günther a. a. O. Dies führt letztlich zur rechtspolitischen Frage, ob in bestimmten, sich durch hohe Komplexität und Intransparenz der Wirkzusammenhänge auszeichnenden Feldern an einer strikten Individualisierung der Zurechnung festgehalten werden soll (so dass bei deren Ernstnahme das an zuzurechnende Erfolge anknüpfende Strafrecht nicht zur Anwendung kommen kann) oder ob stattdessen auf andere Deliktsformen zurückgegriffen werden muss (vgl. Günther KritV 1997, 211, 223).
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Methodisch zu unterscheiden ist zwischen der Frage, was als Kausalität zu verlangen ist, und der Einzelfrage, ob diese am Kapitalmarkt abstrakt [zum konkreten Nachweis: s. u. IV] überhaupt je bewiesen werden kann.1043 Erstere bestimmt die normativen Anforderungen der Strafbarkeit, zweitere ermöglicht die Entscheidung der verfassungsrechtlich wie kriminalpolitisch bedeutsamen Frage, ob die gewählte Gesetzesstruktur überhaupt (abstrakt) geeignet ist, kriminelles Verhalten zu erfassen und wirksam mit Strafe zu belegen. Bezogen auf den Kapitalmarkt ist zunächst danach zu unterscheiden, welche Tathandlung vorgenommen worden ist (informationsgestützte, handelsgestützte oder handlungsgestützte). Jene ist der Ausgangspunkt möglicher Kausalbetrachtungen, bei denen die beobachtbaren Zwischenstadien des Kausalverlaufs1044 der Analyse unterliegen. (1) Handelsgestützte Manipulationen Bei den handelsgestützten Manipulationen kann die Kursbeeinflussung, wie bereits geschildert, sowohl über das Angebot oder die Nachfrage als solche, also die ausgeführte Order bestimmten Volumens des Manipulanten selbst, zum anderen über den Informationswert eines bestimmten Ordervolumens, das dieses für die anderen Markteilnehmer besitzt und auf welches sie durch eigene Käufe, Verkäufe oder Nicht(ver)käufe reagieren, erfolgen.1045 Für die erste Form der Kursbeeinflussung kommt es nicht darauf an, ob diese von weiteren Mikroebenenakteuren wahrgenommen wird. Allein die mit Manipulationsvorsatz (s. o.) bewirkte, auf die Herbeiführung eines Makroirrtums abzielende handelsgestützte Manipulation wirkt sich dort über Computer bzw. die in ihren Entscheidungen sehr limitierten Kursmakler dann auf einen Preis aus, der – da ihm gerade als Determinante eine unlautere Markthandlung zugrunde liegt – unerkannt künstlicher Natur ist, wenn sie zum Bestandteil der Angebots- und Nachfragelage wird und ein entsprechend großes Volumen besitzt (Aggregationsbedingung, vgl. oben 3. Kapitel § 2 B. II. 3. a)). Was als situationsbedingte Aggregationsbedingung für eine unmittelbare Wirkung auf Angebot und Nachfrage an Volumen nötig ist, hängt richtigerweise davon ab, wie elastisch sich der jeweilige Markt nach 1043 Jene abstrakte Beweisbarkeit gehört richtigerweise zum Begriff der Kausalität (ebenso Hamm StV 1997, 159, 161). Zu Vorgaben und Lösungen für die prozessuale Seite der Lösung konkreter Manipulationsfälle vgl. unten unter 3. Kapitel § 2 B. IV. 3. 1044 Prämisse bereits bei Hume war, dass nur jene, nicht aber die Kausalität als solche beobachtbar sind. Vgl. hierzu m. w. N. Röckrath (2004) S. 69. 1045 Weber NZG 2000, 113, 114.
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Angebot und Nachfrage darstellt, d.h. insbesondere ob ausreichend ähnliche „Ersatzpapiere“ für das betreffende Papier vorhanden sind.1046 Das Vorhandensein entsprechender Algo-Trading-Vorgaben kann dabei über den dann mitunter eintretenden automatisierten Hochfrequenzhandel wie ein Brandbeschleuniger wirken.1047 Die abstrakte Gefährdung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes durch den Zwischenerfolg eines künstlichen Preises tritt bei der handelsgestützten Manipulation somit bereits früher ein. Das darauf folgende, wiederum an den künstlichen Preis anknüpfende Mikroakteursverhalten stellt bereits ein dem tatsächlichen Markttrend und damit den Kapitalmarktfunktionen zuwider laufendes Markthandeln dar. Die zweite Form der handelsgestützten Manipulationen – zumeist in Form allein der Signalwirkung von Verkauf- oder Kaufaufträgen (z. B. als painting-the-tape) – wirkt sich dagegen erst vermittelt über psychische Kausationen auf den Marktpreis aus. Diese für die Tatbestandsmäßigkeit notwendige Verbindung zwischen menschlichen Aktionen lässt sich treffend mit der Begrifflichkeit von Hart/ Honoré als interpersonal transactions1048 beschreiben. Jene Kausationen lassen sich insbesondere auch dann antreffen, wenn man die Preisbildung als im Wesentlichen von Market-Makern abhängig sieht, die ihre Quotes 1046 Vgl. hierzu Fischel/Ross Harvard Law Review 105 (1991) 503, 513; Lenzen (2000) S. 34 ff. Vgl. hierzu bereits oben 3. Kapitel § 2 B. II. 3. a). 1047 Der automatisierte Handel ist gerade unter institutionellen Händlern weit verbreitet. Bei einer seiner Sonderformen – dem von der SEC und EU-Kommission inzwischen kritisch beäugten sog. Hochfrequenzhandel („flash trading“) – ist es möglich, Millisekunden vor den übrigen Marktteilnehmern Einblick in die Handelsbücher zu erhalten, was es den „Algo-Tradern“ ermöglicht, Angebote vor anderen anzunehmen und die Finanzinstrumente sofort wieder – mit einem Preisaufschlag – in den Markt einzustellen. Algo-Trader nutzen ausgefeilte Rechenalgorithmen, mit deren Hilfe sich aus den verfügbaren Markt- und Unternehmensinformationen unterbewertete Aktien ermitteln lassen oder Arbitragegewinne zwischen Teilmärkten erzielen lassen. Für die drastischen Kurseinbrüche an der Wall-Street am 6.5.2010 (Absturz des Dow-Jones um rund 1000 Punkte) werden derartige, automatisiert ablaufende und – bei ihrem Zusammentreffen – mitunter unkontrollierbare Ketten-Reaktionen und Sog-Wirkungen auslösende Algo-Trades verantwortlich gemacht (vgl. den gemeinsamen SEC- und CFTC-Bericht vom 30.09.2010, S. 1 ff., abrufbar unter http://www.sec.gov/news/studies/2010/marketevents-report.pdf [zuletzt besucht am 14.10.2010]). Siehe zum Hochfrequenzhandel bereits Fn. 14 m. w. N. sowie zu dessen mit dem Verbot des § 20a I 1 Nr. 2 WpHG (un)vereinbaren Nutzung auch Fn. 313 und Fn. 315. 1048 Vgl. hierzu Hart/Honoré (1985) S. 51 ff. (interpersonal transactions). Unter die bloße provision of opportunities, welche sich prima facie insbesondere in den (nach der hier vertretenen Auffassung nicht von § 20a WpHG umfassten) handlungsbezogenen Manipulationen zeigen könnte, sollen solche Situationen fallen, in welchen ohne Intention zur Kommunikation Situationen geschaffen wurden (vgl. Hart/Honoré [1985] S. 59 ff. [explizit S. 60]). Handlungsbezogene Manipulationen fallen daher wegen ihres kommunikativen Täuschungscharakters nicht hierunter.
§ 2 Objektiver Tatbestand
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auf Basis der Marktlage und damit eventuell beeinflusst von den „Signalen“ des Manipulanten durchführen.1049 Insoweit stellen sich die entsprechenden Probleme wie bei den informationsgestützten Handlungen, wenn auch angesichts der mit dem Einsatz von Market-Makern einhergehenden nahezu automatischen „Signalumsetzung“ nicht mit der gleichen Problematik in der Schwere des Nachweises. (2) Informationsgestützte (und handlungsgestützte) Manipulationen Die handlungsgestützten Manipulationen wollen den äußerlich wahrnehmbaren „inneren Wert“ eines Unternehmens verfälschen, um auf diese Weise den Markt zu auf dem Irrtum über den wahren Wert des Unternehmens basierenden Transaktionen zu bringen. Letztlich liegen die Kausalitätsprobleme in dieser – de lege lata selbst nicht von § 20a WpHG inkriminierten1050 – Manipulationsform auch in der Beeinflussung der Marktteilnehmer und damit in der psychischen Kausalität informationeller Einwirkung begründet. Insoweit sind Antworten auf die Kausalprobleme der Rezeption und Entscheidungserheblichkeit der verfälschten Unternehmensinformationen parallel zu denjenigen der informationsgestützten Manipulation zu suchen. Bei den informationsbezogenen Handlungen können zwar zwei Gruppen von Manipulationstransmittern danach unterschieden werden, ob es sich bei den Angaben (§ 20a I 1 Nr. 1 WpHG), der sonstigen Täuschung (§ 20a I 1 Nr. 3) oder dem Informationskern der Signale (§ 20a I 1 Nr. 2) um Informationen im engeren Sinne (typischer Fall: fehlerhafte AdHoc Meldung oder Informationsgehalt einer/s bestimmten Transaktion(sauftrags)) und damit einen Einfluss auf die informationellen Grundlagen der Entscheidungsfindung handelt, oder ob bei der Manipulationshandlung die Entscheidungsfindung unmittelbar motival beeinflusst werden soll (typischer Fall: Kaufempfehlungen des Scalpers). In beiden Fällen kann die Manipulationshandlung bei noch fehlender Transaktionsbereitschaft die Transaktionsentscheidungsfindung als Prozess überhaupt erst anstoßen. Beide Fälle eint darüber hinaus, dass sie jeweils auf die Entscheidungsfindung einwirken, wobei sich eine generelle Differenzierung zwischen beiden Formen nach dem Grad der motivalen Kraft zum einen wegen der Reichweite möglicher informationeller Beeinflussung und ihrer unterschiedlichen An1049
Vgl. zu den Market-Makern und ihrem Einfluss auf die Kursbildung Eichelberger (2006) S. 329; Kutzner WM 2005, 1401, 1407. 1050 Siehe hierzu und zur möglichen Strafbarkeit aus § 20a I 1 Nr. 1 2. Alt. WpHG in diesen Konstellationen oben 3. Kapitel § 2 A. III. 2. b) cc). Für eine Unterlassensstrafbarkeit aus §§ 20a I 1 Nr. 1 2. Alt., 39 II Nr. 11, 38 II WpHG stellen sich die entsprechenden Kausalitätsprobleme (siehe dazu 3. Kapitel § 2 B. III. 2. a)).
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
reizwirkung, aber auch der unterschiedlichen psychischen Konstitution der Marktteilnehmer verbietet, auf die die informationelle oder direkt motivale Einflussnahme trifft. Hinsichtlich des Nachvollzugs möglicher Wirkzusammenhänge im Rahmen der juristischen Kausalität können beide Gruppen indes parallel behandelt werden, da anders als beispielsweise im Rahmen der Anstiftung (im Gegensatz zur Beihilfe), wo von einigen Literaturstimmen zur Legitimation der tätergleichen Bestrafung ein gewisses Motivationsgewicht verlangt wird, für die psychische Kausalität im Bereich der Marktmanipulation keine Differenzierungen angebracht sind, da jede manipulativlenkende Wirkung im Hinblick auf das zu schützende Rechtsgut ausreichen muss. Nachdem der Nachweis allumgreiflicher Gesetzmäßigkeiten bei der Kursbildung insbesondere jener der Einpreisung von informationsgestützten Manipulationen nicht gelingen konnte1051 und damit eine ernsthafte Anwendung der Theorie von der gesetzmäßigen Bedingung bezogen allein auf die Makroebene nicht möglich ist, können Antworten auf die Kausalitätsfrage bereits in abstracto nur unter Einbezug der konkreten Entscheidungsfindung der einzelnen Marktteilnehmer gelingen. Allerdings bestehen hierbei für die wohl herrschende Ansicht erhebliche Schwierigkeiten, Kausalität auch im Mikrokontext auf der Basis der Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung zu hinterfragen, fehlt doch eben jenes – genau genommen – zumindest in Form von „weichen Regeln“1052 erforderliche Erfahrungswissen über gesicherte Zusammenhänge im Psychischen. Die Frage des „Wie“ der konkreten Wirkzusammenhänge zugunsten eines einzig beachtlichen „Ob“ der Beeinflussung aufzugeben, verbietet sich nach der hier vertretenen Ansicht nicht zuletzt wegen der daraus resultierenden erheblichen Schwierigkeiten der Aussonderung von Ersatz- und Reserveursachen. Auch die Anwendung der INUS-Formel bietet insoweit – jedenfalls auf der Basis eines Indeterminismus – keinen Gewinn im Verhältnis zur Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung und der schlichten condicio sine qua non Formel.1053 Dem Problem der psychischen Kausalität lässt sich adäquat nur begegnen, wenn zu1051 Für den vorliegend der Untersuchung unterliegenden Bereich mag neben dem Verweis auf die obigen Ausführungen (3. Kapitel § 2 B. II. 3.) der Hinweis darauf genügen, dass die Hirnforschung wie die ökonomische Wissenschaft jedenfalls noch keine verlässlichen deterministischen Aussagen über die Rezeption bestimmter Marktanreize treffen kann. Unberücksichtigt bleiben dabei die ohnehin anzutreffenden Schwierigkeiten bei der Bestimmung und Einordnung aller individuellen Antecedensbedingungen jedes Transaktionsentschlusses. Siehe ebenso nur (mit Verweis auf die Komplexität der zugrunde liegenden „Gesetzmäßigkeiten des rationalen und irrationalen Wirtschaftsverhaltens“) Stegmüller (1983) S. 393 f. 1052 Vgl. hierzu Dencker (1996) S. 39. 1053 Siehe ebenso generell für den Einsatz der INUS-Formel im Bereich der psychischen Kausalität Binns (2001) S. 111 („kein taugliches Instrument“).
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vor die Ungewissheitsbedingungen der fraglichen Kausalverknüpfungen1054 identifiziert werden, um ihnen anschließend angemessen begegnen zu können. Neben der aufgezeigten Ungewissheit über bestehende Gesetzmäßigkeiten (Ungewissheit über die Kausalgesetze), der in komplexen Informationsumfeldern wie dem Kapitalmarkt bestehenden Ungewissheit hinsichtlich der für die einzelne Transaktionsentscheidung relevanten Informationsquellen (Ungewissheit über die Quellen) und – damit eng zusammenhängend – der Ungewissheit über alternative, summierende oder synergetische Sender (bspw. kann es erst durch das Zusammenwirken mehrerer Informationen zu einer entscheidenden Beeinflussung eines Marktteilnehmers kommen) haben die Erkenntnisse der Behavioral Finance aufgezeigt, dass auch eine Ungewissheit der Wirkung aufgrund des mitunter insoweit i. S. des Homo-Oeconomicus-Gedankens irrationalen Anlegerverhaltens trotz Informationsrezeption angetroffen werden kann, die eine sichere Prognose von Kausalverläufen vereitelt. Im Ergebnis bietet daher neben dem Rückgriff auf die – zumindest rechtspolitisch im Bereich der psychischen Kausationen fragwürdigen1055 und in ihrer Ernstnahme in der Praxis problematischen – Modelle der probabilistischen Zurechnung allein der Verzicht auf das Formulieren von Bedingungsaussagen basierend auf allgemeinen Sätzen und der Rekurs auf die konkrete Motivations(mit)beeinflussung1056 jene gespannte (und angesichts der möglichen multimotivalen Transaktionsentscheidungen höchst wackelige), aber erforderliche Zurechnungsbrücke zwischen den beiden Schluchtflanken von Handlung und Erfolg. Diese Überlegungen basieren auf dem Ausgangspunkt, dass eine menschliche Entscheidung zugleich frei sein und dennoch Ursachen haben kann.1057 Für die Ursächlichkeit i. S. der psychischen Kausalität kann jedoch gerade nicht der Theorie von der gesetzmäßigen Bedingung gefolgt werden, wobei dies nicht die Aufgabe der Kausalität (also postulierte Akausalität) an sich bedeutet, sondern nur das Substituieren der notwendigen Kausalgesetze. Gleichzeitig begegnet diese Vorgehensweise allein allen Ungewissheitsbedingungen der Kausalkette und erkennt zudem in ihrem entscheidenden Abstellen nicht allein auf den Kommunikationssender, sondern unter wesentlichem Einbezug des Kommunikationsempfängers dessen Rolle als letzte und damit maßgebliche Selektionsinstanz1058 des Kommunikationsprozesses an. 1054 Vgl. ähnlich Gasser (2002) S. 73 ff. für das Problem der Kausalität von Information im zivilrechtlichen Informationshaftungsrecht. 1055 Vgl. zum Erfordernis einer strikt individualisierten Zurechnung jedenfalls bei psychischen Kausationen bereits oben 3. Kapitel § 2 B. II. 4. c) cc) (3) (c). 1056 Ebenso explizit Altenhain KK-WpHG § 38 Rn. 97. 1057 Vgl. insoweit prägnant T. Walter FS Fr.-Chr. Schroeder (2006) S. 131, 135. 1058 Vgl. zu den im Kommunikationsprozess enthaltenen wesentlichen Selektionsprozessen Merten (1977) S. 49 f.
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
Für das strikte Abstellen auf eine Motivationsbeeinflussung spricht nicht zuletzt der (weitergedachte) Gesetzgeberwille: wäre der Gesetzgeber bei der Neufassung des Marktmanipulationstatbestandes von der Geltung der Gesetzmäßigkeiten bzw. Erfahrungssätzen1059 der Markteffizienztheorie und damit einem Quasi-Automatismus ausgegangen, wäre die Inkludierung der Marktpreiseinwirkung als tatbestandlich erforderlichem Erfolgsunwert und einzigem Abgrenzungskriterium gegenüber der Ordnungswidrigkeit nicht nachzuvollziehen.1060 Erkennt man die Markteffizienztheorie aber – was nach der hier vertretenen Auffassung sowohl ihrer modelltheoretischen Originität als auch den neuen Erkenntnissen der Behavioral Finance entspricht – nicht als Grundlage einer allumfassenden Erklärung des Kapitalmarktgeschehens an, so muss es sich auch logisch verbieten, die Markteffizienztheorie zur alleinigen Grundlage für die Erklärung psychischer Kausalitäten heranzuziehen. Auf eine der Theorie von der gesetzmäßigen Bedingung zumindest strukturell vergleichbare Verknüpfung kann abseits der sprachlichen Bezeichnung und der philosophisch-dogmatischen Grundprobleme zumindest strafrechtspragmatisch nicht verzichtet werden,1061 weshalb die metaphysische Frage nach der vollständigen Determiniertheit der Welt1062 und – daran anknüp1059 Die von der Existenz solcher Erfahrungssätze im psychischen Bereich ausgehende Definition psychischer Kausalität bei Frister AT3 9. Kap. Rn. 37 (mit Verweis auf dessen Erfahrungssätze) entspricht – abgesehen von dem zusätzlich verlangten Erfolg und der Abwesenheit von Alternativkausationen (!) – praktisch der tatbestandsmäßig umschriebenen Handlung des § 20a WpHG: „allgemeine Erfahrungssätze, aus denen sich ergibt, dass eine bestimmte Handlung geeignet ist, einen bestimmten Willensentschluss hervorzurufen.“ 1060 Ähnlich daher in der Ablehnung der Markteffizienztheorie Schönhöft (2006) S. 159 f., der allerdings allein diese als Erkenntnis der ökonomischen Marktforschung über die Informationsverarbeitung erwähnt und sich damit in ein gewisses Begründungsvakuum hinsichtlich der alternativ der Kausalitätsbetrachtung einzuverleibenden Entstehungsfaktoren von Kursen begibt. 1061 Vgl. so auch Roxin AT I, § 11 Rn. 30. 1062 Das fächerübergreifende (für die Physik vgl. beispielhaft nur die deterministische Newton’sche Mechanik und ihr gegenüber die indeterministische Heisenberg’sche Unschärferelation und die Berücksichtigung des Zufalls bzw. der bloßen Wahrscheinlichkeit in der Quantenphysik) „Jahrtausendproblem“ von Determinismus, Indeterminismus und der jeweiligen Stellung zur Willensfreiheit kann an dieser Stelle auch nur ansatzweise gestreift und angesichts der Vielzahl an literarischen Stimmen hierzu auch nicht im Entferntesten vollumfänglich dargestellt werden. Vgl. hierzu zuletzt Jakobs ZStW 117 (2005) 247, 265 „Menschliche Individuen (Sinneswesen) sind weder in ihrer Physis frei noch in ihrem psychischen Antrieb durch Lust oder Unlust; insoweit setzt die Strafrechtstheorie nicht anders an als die moderne Hirnforschung“; Lampe ZStW 118 (2006) 1 ff. sowie Schünemann, in: ders. (1984) S. 153, 163 ff. Aktuelle Überblicke über den Meinungsstand geben u. a. Schiemann NJW 2004, 2056, Mosbacher JR 2005, 61; Müller-Dietz GA 2006, 338 ff.
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fend – der Notwendigkeit ihres erforderlichen Widerhalls im Rahmen strafrechtlicher Kausalitätsbegriffe1063 von den konkreten Anforderungen strafrechtlicher Zurechnung abzukoppeln ist. Allein auf die Makroebene sich konzentrierende Bemühungen, eine einfache oder gar automatische (vgl. die Markteffizienztheorie) Kausalkonstruktion zu finden, müssen damit hinter den schwierigen Nachweis der individuellen Motivkausierung auf der Mikroebene zurücktreten. Die falsche Angabe (Information) muss zumindest mittransaktionsursächlich geworden sein. Das bedeutet zugleich, dass es für die herrschende Meinung, die eine Kausationskette von dem Machen der Angabe bis zur Markt- oder Börsenpreisänderung ziehen will, nicht ausreichen kann, dass die Angabe von Mikroebenenakteuren wahrgenommen und irgendwie in der Abwägung vorhanden war.1064 Denn die Angabe muss in diesem Fall als Grund die Transaktion gelenkt haben.1065 Für die Kausalität ist daher zu verlangen, dass die Angabe vom/von einer für eine Preisänderung hinreichend großen Zahl Mikroebenenakteur/e1066 erstens wahrgenommen worden ist (durchaus auch vermittelt über Dritte), Eingang in seine/ihre Entscheidungsfindung genommen hat und diese tatsächlich entscheidend beeinflusst hat. Nur in diesem Falle kann/können die spätere/n, möglicherweise kursbeeinflussende/n (vgl. zu den Aggregations1063 Ungeachtet dessen, dass sich der Verfasser hier keine Beurteilungskompetenz anmaßen will, und abseits der Möglichkeit sich für den Bereich des Strafrechts auf eine Position der „Wissenschaftsdisziplinenautarkie“ zurückzuziehen (so oftmals geübt für die Frage nach der strafrechtlichen Schuld), gibt der Blick auf oben erwähnte nicht deterministisch erklärbare Phänomene der Quantenphysik zumindest Anlass für Zweifel, ob die Willensfreiheit nicht doch auf falscher Ebene verortet worden ist. Angesichts der „völlig kontroversen und ungesicherten Definition“ (Bernsmann ARSP 1984, 536, 543 Fn. 39) der beiden Begriffe „Kausalität im Psychischen“ und „Willensfreiheit“ kann und soll an dieser Stelle kein Entscheid zur Frage der Kompatibilität beider Begriffe gesucht werden. Indes wäre es zumindest begründungsbedürftig, warum „zur Legitimation von Strafe auf der Täterseite überwiegend Freiheit vorausgesetzt wird, während man auf der Opferseite [beim Betrug; Anm. d. Verf.] von einer vom Täter über die Psyche seines Gegenübers in Gang gesetzten Kausalkette ausgeht“ (Bernsmann ebenda, S. 544). Angesichts dessen, dass der „Komplikationsgrad des Gesamtsystems Mensch“ (Weber [1997] S. 122) mit seinen ca. 500 Billionen neuronalen Synapsen – selbst wenn der Determinismus als auch hier wirkend antreffbar wäre – die Wirkweise unübersehbar werden lässt, kann der Richter in praxi keinen Unterschied zu einem frei zustandegekommenen Willen machen (vgl. abermals ebenso Weber [1997] S. 122). 1064 Dies dürfte – bei entsprechender Eignung der Information – indes für Verfechter probabilistischer Modelle als ausreichend erachtet werden. 1065 Zu atypischen Kausalverläufen s. u. 3. Kapitel § 2 B. III. 2. e). 1066 Je nach entsprechender Markttiefe und Ordergröße. Eine Kurseinwirkung kann nämlich nicht bereits durch jede Transaktion, sondern nur durch eine entsprechend voluminöse bzw. mehrere in der Summation diesem entsprechende Aufträge mehrerer Anleger stattfinden.
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
regeln oben) Transaktionsentscheidung/en dem Manipulanten strafrechtlich zugerechnet werden. Anschließend müssen die manipulationsbedingten Geschäfte auch tatsächlich kurswirksam geworden sein. Für die sonach entscheidend kausalitätserhebliche Motivationsbeeinflussung ist zu fordern, dass der vom Manipulanten gelieferte Grund gerade von mitentscheidender Bedeutung sein muss, um die Grundlage einer teleologischen Zurechnung sein zu können. Die Plausibilitätskontrolle hinsichtlich des dem Richter vom Zeugen danach zwingend zu kommunizierenden Kausalitätserlebnisses kann darauf basieren, dass menschliche Verhaltensweisen bis zu einem gewissen Grade Ähnlichkeiten aufweisen1067 und damit zumindest nachvollziehbar sowie vergleichbar werden. Bezogen auf den Kapitalmarkt bedeutet dies, dass die vom Manipulanten ausgesandten Angaben/Informationen (bzw. manipulierten Umstände im Rahmen der handlungsgestützten Manipulation1068) die für die Transaktion entscheidenden Gründe geliefert haben müssen. Welchen Grad diese Beeinflussung hat und damit welche Überzeugungskraft die informationsgestützte Manipulation besitzt, ist damit noch nicht vorgegeben. Der gelieferte Handlungsgrund bzw. Handlungssinn muss jedenfalls – und das betrifft die Seite des/der Rezipienten – mitentscheidend gewesen sein. Nachdem jedoch sowohl die Angaben des § 20a I 1 Nr. 1 WpHG als auch die Signale des § 20a I 1 Nr. 2 WpHG bereits tatbestandsmäßig die Eignung zur Preiseinwirkung besitzen müssen, wurde das Problem bereits normativ vom Gesetzgeber reflektiert und – insoweit für diesen abschließend – auch als entscheidendes Kriterium in das Verbot des Ordnungswidrigkeitentatbestandes integriert. Nachdem § 38 II WpHG die Strafbarkeit jedoch an eine konkrete Preiseinwirkung knüpft, muss eine den Kriterien des § 20a WpHG entsprechende Eignung aber nicht in jedem Einzelfall genügen, um die Marktteilnehmer tatsächlich zu beeinflussen.1069 Für die Plausibilitätskontrolle des Richters im Nachvollzug eines ihm mitgeteilten Kausalerlebens des Zeugen, aber auch für die normativen Anforderungen an das Tatbestandsmerkmal der Eignung weiterführend kann in 1067
Vgl. m. w. N. Röckrath (2004) S. 63 f. Falls man diese von § 20a I 1 Nr. 3 WpHG als umfasst ansieht. Richtigerweise kommt in diesen Konstellationen allerdings überhaupt nur eine Strafbarkeit nach §§ 20a I 1 Nr. 1 2. Alt., 39 II Nr. 11, 38 II WpHG in Betracht (Verschweigen der Sabotage durch Unternehmensverantwortliche) mit den entsprechenden Kausalitätsproblemen (siehe hierzu 3. Kapitel § 2 B. III. 2. a)). 1069 Ganz überwiegend dürfte dies aber der Fall sein. Letztlich geht es an dieser Stelle um die Frage der motivalen Kraft bestimmter informationsbezogener Manipulationen, für die ein Erfahrungswissen zwar denkbar, aber wie die Erkenntnisse der Kapitalmarktforschung (s. o.) lehren, keine nomologischen Prämissen bieten kann. 1068
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diesem Zusammenhang auch der Rekurs auf die Figur der mittelbaren Täterschaft sein. Hier wie dort geht es um eine motivierende Verursachungshandlung, die zur Grundlage für die Zurechnung des Erfolgs zum Motivierenden werden kann. Das Fehlen der persönlichen Bindung zwischen Manipulant und dem letztlich den Makroirrtum (etwaig im Zusammenspiel mit anderen Mikroebenenakteuren) herbeiführenden Manipulationsmittler schließt dabei eine Parallele zur mittelbaren Täterschaft jedenfalls nach der umstrittenen neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs1070 nicht aus. Auch bei der mittelbaren Täterschaft sind danach in der Fallkonstruktion der Einbindung in – sei es staatliche, sei es wirtschaftlich organisierte – organisatorische Machtapparate direkte und unmittelbare Kommunikationsbeziehungen nicht notwendig. Die Einbindung in regulative Abläufe, wie sie im Regelfall auch am Kapitalmarkt jedenfalls für insoweit fungible Kursmakler und wohl auch Market Maker anzutreffen sein dürfte,1071 ist ein Pfeiler, auf dem diese Parallele zur Zurechnung in Konstellationen der mittelbaren Täterschaft fußen könnte. Für die Konstellation der mittelbaren Täterschaft kraft Irrtums reicht eine Wahrscheinlichkeitsbeziehung zwischen dem Handeln des mittelbaren Täters und dem Tatmittler aus, um ersterem die Handlung des Tatmittlers im Ergebnis über § 25 I 2. Alt. StGB strafrechtlich zuzurechnen.1072 Betrug wird nach einer vordringenden und m. E. logisch nicht angreifbaren Literaturansicht als vertypte mittelbare Täterschaft verstanden.1073 Für den Kontext der Marktmanipulation kann bspw. der Anleger, welcher seine täuschungsbedingte Anlageentscheidung einstellt, als vorsatzloses Werkzeug 1. Grades die Kursstellung des Maklers als Werkzeug 2. Grades kausieren, wodurch der letztliche Erfolg – der Makroebenenirrtum in Form der Kurseinwirkung – dem Manipulator zugerechnet werden kann.1074 Allerdings 1070 Vgl. BGHSt 40, 218, 236 f.; 43, 219, 231 f.; hierzu umfassend Rotsch ZIS 2007, 260, 261 ff. Vgl. zur – hier nicht ausführbaren, berechtigten Kritik – nur Schünemann FS F.-C. Schroeder (2006) S. 401, 406 ff. m. w. N., der in der Judikatur die vollständige Preisgabe des Verantwortungsprinzips unter dessen Ersetzung durch eine Theorie der Tatherrschaftsstufen beobachtet. 1071 Vgl. obige Ausführungen zu Rational Choice als zumindest häufigem Wahlverhalten unter 3. Kapitel § 2 B. II. 3. a). 1072 Vgl. hierzu Puppe GA 1984, 101, 108 f. Jene Parallele zieht (wenn auch zur Verteidigung der Geltung der Lehre von den gesetzmäßigen Bedingungen als Zurechnungsprinzip auch bei der psychischen Kausalität) auch Dencker (1996) S. 42. 1073 Das täuschende Verhalten beim Betrug als der mittelbaren Täterschaft gleichend beschreibend u. a. Kargl ZStW 119 (2007) 250, 255 f.; Kindhäuser, in: NKStGB § 263 Rn. 45 ff. („Vertypung mittelbarer Täterschaft“); ders. FS Bemmann (1997) S. 339 ff.; ferner Suárez González, in: Schünemann (2002) S. 115, 123. 1074 Ähnlich für den Einbezug gutgläubiger Dritter (wie der Presse oder sonstigen Medien) bei den informationsbezogenen Manipulationen des § 20a I 1 Nr. 1 WpHG
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setzt auch jene Zurechnung eine wenn auch nicht ausdrückliche, so doch eine irgendwie geartete kommunikative Beziehung voraus.1075 An einer Zeugenbefragung im Anschluss an die Ermittlung von Orderdaten führen daher in diesen Konstellationen keine Wege vorbei, da allein der Beeinflusste selbst sein psychisches Erlebnis hinreichend umschreiben können wird.1076 Für illiquide kleine Werte wird dies ein leichteres Unterfangen sein dürfen als bei großen international gehandelten Werten, bei denen gerade nicht jede Transaktion unbedingt den Marktpreis kausieren können wird (die Börsenmarktsysteme rechnen hier nur bis zu bestimmten Stellen) und noch dazu multimotivale Entscheidungsfindungen anzutreffen sind. Ceteris paribus Annahmen verbieten sich in diesem gerade nicht Modellbedingungen entsprechenden Feld. III. Objektive Zurechnung 1. Grundsätzliches Mit Hilfe der Wertungsebene der objektiven Zurechnung i. e. S. soll die Weite des nach herrschender Auffassung in erster Linie natürlichen Kausalitätskriteriums mittels normativer Kriterien für den erforderlichen Zusammenhang zwischen Handlung und Erfolg begrenzt werden. Nachdem jedes Geschehen den Herrschaftsbereich des Täters jedenfalls für Augenblicke notwendigerweise einmal verlässt und sich damit verselbständigt, scheidet die Steuerbarkeit des Kausalablaufs bis zum Erfolgseintritt als Zurechnungsvoraussetzung aus und genügt nach der herrschenden Literatur und ihrer Lehre von der objektiven Zurechnung1077 als Gegenstand rechtlicher Verhaltensnormen als einzig wirklich beherrschbares Moment, das unerlaubte Schaffen einer entsprechenden Erfolgsgefahr,1078 welches im zuzurechnenden Erfolg Verwirklichung finden muss.1079 Die Lehre von der obSchröder (2007) 3. Kap. J IV Rn. 609 (= S. 216); Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 238. Eine nicht mehr von der Meinungs- und Pressefreiheit gedeckte, strafbare Beteiligung von Journalisten selbst ist – auch unter Berücksichtigung der berufsständischen Regeln über § 20 VI WpHG – jedenfalls bei falschen und i. S. d. § 20a I Nr. 1 WpHG vorsätzlich unrichtigen Angaben zu konstatieren (vgl. hierzu m. w. N. Schröder NJW 2009, 465, 469). 1075 Jene muss dabei keine wechselseitige sein. Es genügt die kognitive Rezeption der Informationen/Angaben/Empfehlungen etc. durch den Anleger. 1076 Siehe auch Puppe, in: NK-StGB vor § 13 Rn. 131. 1077 Zum Anwendungbereich der Lehre von der objektiven Zurechnung gerade auch im Besonderen Teil Rengier FS Roxin (2001) S. 811 ff. 1078 Vgl. statt vieler m. w. N. Sch/Sch27-Lenckner/Eisele vor § 13 Rn. 92. 1079 Für einen instruktiven Überblick über die mit Honig (FG Frank [1930], Bd. I, S. 174 ff.) begonnene Integration der Lehre von der objektiven Zurechnung in der
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jektiven Zurechnung setzt dabei das Rechtsgüterschutzprinzip in die Unrechtslehre um: die Schaffung unerlaubter Risiken für das Rechtsgut wird verboten und die verbotswidrige Realisierung jener Risiken als Rechtsgutsbeeinträchtigung entsprechend als strafrechtliches Unrecht beurteilt.1080 Über die Lehre von der objektiven Zurechnung, welche von der herrschenden Meinung als normatives Korrektiv neben die naturalistische Kausalität gesetzt wird,1081 und den von ihr gebildeten Fallgruppen sollen jene Konstellationen aufgrund normativer Bewertung ausgeschlossen werden, in welchen es zu keiner rechtserheblichen Risikoschaffung bzw. Realisierung gekommen ist bzw. in denen der Tatbestand nicht die Verhinderung bestimmter Risiken und damit ihrer Auswirkungen erfasst. Der Gedanke der „relevanten Kausalität“,1082 als normative Filterung aller möglichen Ursachen, findet bei §§ 20a, 38 II WpHG konkrete Ausgestaltung, da die Umschreibung der relevanten Gefahrschaffung bereits konkret in den Manipulationstatbeständen der § 20a I 1 Nr. 1 – Nr. 3 WpHG erfolgt. Insoweit ist die relevante Kausalität von vornherein anders als bspw. bei den Fahrlässigkeitsdelikten des Kernstrafrechtes (§§ 222, 229 StGB) in einer engeren Spur untergebracht. 2. Einzelne Probleme der objektiven Zurechnung a) Zurechnung beim Unterlassen – Quasikausalität Auch für die Unterlassensalternative des § 20a I 1 Nr. 1 2. Alt. WpHG ist gemäß §§ 38 II i. V. m. § 39 II Nr. 11 Voraussetzung der Strafbarkeit, dass das „Verschweigen eines Umstandes“ (§ 39 II Nr. 11 WpHG) auf einen Preis einwirkt. Legt man dem Einwirkungserfordernis die Lesart der ganz herrschenden Meinung unter, müsste ein Kurseinwirkungserfolg einem Strafrechtswissenschaft und deren Grundlagen vgl. Hübner (2004) S. 23 ff. und passim. 1080 Vgl. statt vieler Roxin ZStW 116 (2004) 929 f.; ders. AT I § 11 Rn. 47 ff. 1081 Vgl. demgegenüber entgegen dem von der herrschenden Meinung (Rudolphi SK-StGB vor § 1 Rn. 38; Jescheck/Weigend AT § 28 I 2; Maurach/Zipf AT I § 18 Rn. 36; Otto AT § 6 Rn. 43; Roxin AT I § 11 Rn. 2; Wessels/Beulke AT38 § 6 I Rn. 154) angenommenen Gegensatz zwischen der rein empirischen oder gar rein naturwissenschaftlichen Frage nach der Kausalität und der rein normativen Frage nach der objektiven Zurechnung u. a. Puppe (2000) S. 30 mit dem Argument, Normen und Wertungen ohne tatsächlichen Gehalt hätten keinen Sinn, weshalb auch die objektive Zurechnung an Tatsachen anknüpfe. Sie postuliert damit eine einheitliche Zurechnung ohne künstliche Aufspaltung in Kausalität und objektive Zurechnung, wenn sie konkludiert: „Die Erfordernisse der objektiven Zurechnung [. . .] können also nichts anderes sein als Besonderheiten eben des Kausalzusammenhangs.“ 1082 Vgl. hierzu m. w. N. Hübner (2004) S. 226 ff.
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Unterlassen zugerechnet werden können. In der Literatur wird dieses Problem weitestgehend nicht gesondert thematisiert.1083 Nachdem der Täter beim Unterlassen, „auf eine im Gang befindliche Kausalkette eben keinen Einfluß genommen“ habe, müsse nach Arlt auf einen hypothetischen Ursachenzusammenhang (sog. Quasikausalität) zwischen Unterlassen und Einwirkungserfolg abgestellt werden.1084 Schröder will ebenfalls ausgehend von der Prämisse, ein Unterlassen wirke als solches nicht unmittelbar auf die Preisbildung ein, reflexiv dann von einer Einwirkung ausgehen, wenn – unter Berücksichtigung besonderer Umstände der Börsensituation zum Zeitpunkt des tatsächlichen Bekanntwerdens – der verspätet oder nicht publizierte Umstand bei Bekanntwerden einen starken Kursausschlag bewirkt hat.1085 Letztere Ansicht bezieht indes vorschnell eine prozessuale Perspektive. Zunächst zu klären ist – entsprechend der üblichen Vorgehensweise1086 – indes die materiell-rechtliche Voraussetzung für die Annahme von Kausalität. Diese wäre nach der gebräuchlichen Formel der Quasikausalität dann zu bejahen, wenn bei Hinzudenken der rechtlich gebotenen, aber nicht vorgenommenen Handlung der strafrechtlich relevante Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeblieben wäre.1087 Hier geht es nach h. M. nur noch um eine rein normative Zuschreibung eines bestimmten Erfolges.1088 Allerdings findet bei der Unterlassung zum relevanten Zeit1083
Aufgegriffen werden die besonderen Probleme einer Kausalität von Unterlassen in diesem Zusammenhang nur von Bernsmann FS Christian Richter (2006) S. 51 ff. und Schröder (2007) Kap. G VI, Rn. 589 (= S. 211). In seiner Monographie „Täuschung des Kapitalmarktes durch Unterlassen“ greift beispielsweise Wodsak (2006) S. 76 f. das spezifische Kausalitätsproblem für § 38 II WpHG im Rahmen der Unterlassensalternative des § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG überhaupt nicht auf, sondern begnügt sich bei der Besprechung des Einwirkungserfordernisses im Wesentlichen mit einer Wiedergabe der gesetzlichen Regelung vor und nach dem 4. FFG sowie den knappen Postulaten des BGH-Urteils zum Einwirkungserfordernis (BGHSt 48, 373, 384 – Analyst Sascha Opel; vgl. hierzu ausführlich unten 3. Kapitel § 2 B. IV. 3. a) bb) (2) (c)). 1084 Vgl. Arlt (2004) S. 195. 1085 Schröder (2007) 3. Kap. G VI Rn. 589 (= S. 211). 1086 Vgl. u. a. T. Walter LK12 vor § 13 Rn. 86. Roxin AT II § 31 V Rn. 41 (= S. 640) unter dem Postulat, Zurechnung sei nicht notwendig – so wie bei einer strafrechtlichen Haftung für positives Tun – an die Bejahung von Kausalität geknüpft. Für Puppe (2000) S. 30 verbietet sich dagegen generell die Gegensätzlichkeit von naturwissenschaftlicher Kausalität und normativer „objektiver Zurechnung“ (vgl. bereits oben Fn. 1081). 1087 Vgl. BGHSt 11, 1, 4; BGH NStZ 1985, 26 [27]. Für § 38 I Nr. 4 WpHG a. F. (jetzt § 38 II WpHG n. F.) in der Unterlassensalternative des § 20a I 1 Nr. 1 2. Alt. WpHG explizit aufgegriffen, aber nicht weiter auf die Gegebenheiten der Marktmanipulation spezifizierend Arlt (2004) S. 196.
§ 2 Objektiver Tatbestand
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punkt1089 ein prima facie beobachtungswürdiges Geschehen im Markt gar nicht statt bzw. wird das Marktverhalten sichtbar gar nicht beeinflusst.1090 Bernsmann folgert hieraus, es sei weder begrifflich noch ontologisch-tatsächlich möglich, ein Unterlassen i. S. d. § 20a I 1 Nr. 1 2. Alt. WpHG mit einem Einwirkungserfolg i. S. d. § 38 II WpHG zu verknüpfen.1091 Dies sei bereits der unreflektierten Übertragung der systematischen Einordnung des § 88 Nr. 1 2. Alt. BörsG a. F. auf § 38 I Nr. 4 WpHG a. F., wonach auch § 38 I Nr. 4 WpHG a. F. (nunmehr § 38 II WpHG) jeweils i. V. m. § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG ein echtes Unterlassungsdelikt sein solle, geschuldet. Nachdem – aus dogmatischer Sicht umstritten – die herrschende Ansicht für die Abgrenzung von echten und unechten Unterlassungsdelikten darauf abstellt, ob sich das strafbare Verhalten im Verstoß gegen eine Gebotsnorm erschöpft (dann echtes Unterlassungsdelikt) oder zusätzlich einen bestimmten Erfolg erfordert (dann unechtes Unterlassungsdelikt),1092 ist das Delikt der §§ 20a I 1 Alt 2, 39 II Nr. 11, 38 II WpHG richtigerweise als unechtes Unterlassungsdelikt auszulegen. Jedenfalls bereite das Kausalitätserfordernis der Unterlassung unüberwindliche prozessual-praktische Probleme, da es in Ermangelung valider erfahrungswissenschaftlicher Erkenntnisse der insoweit „völlig unterentwickelten“ Finanzwissenschaften schon objektiv nicht justitiabel sei, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festzustellen, „dass es bei Kenntnis des fraglichen Umstandes [. . .] zu einer (erheblich) anderen Preisentwicklung gekommen wäre.“1093 Letzterer Ansicht ist – abseits ihrer teils überzogenen Polemik1094 – insoweit zuzustimmen, als angesichts der intransparenten Polydeterminismen 1088 Vgl. hierzu (mit umfassender Darstellung des Meinungsstandes) Koriath (2007) S. 130 ff., der auch die einschränkende Formel der Erfolgsverhinderung „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ mit Blick auf den bei Begehungsdelikten geforderten „naturgesetzlichen Zusammenhang“ in Frage stellt. 1089 Für die Ad-Hoc Pflicht nach § 15 WpHG gilt, Insiderinformationen unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern zu veröffentlichen. Richtigerweise ist den Verpflichteten hierbei ein gewisser Zeitraum einzuräumen, in welchem sie die Tatsache auf ihre Richtigkeit untersuchen und das Vorliegen der Voraussetzungen der Ad-hoc-Publizität prüfen können (vgl. Zimmer, in: Schwark WpHG § 15 Rn. 137; zur diesbezüglich befugten Weitergabe von Insiderinformationen Falkenhausen/Widder BB 2005, 225 ff.). 1090 Ebenso Bernsmann FS Christian Richter (2006) S. 51, 57. 1091 Vgl. Bernsmann FS Christian Richter (2006) S. 51, 53 ff. 1092 Vgl. BGHSt 14, 280, 281; Jescheck/Weigend AT § 58 III; zum Streitstand Roxin AT II, § 31 Rn. 16 ff. Siehe hierzu bereits oben 3. Kapitel § 2 A. I. 2. 1093 Bernsmann FS Christian Richter (2006) S. 51, 55; vgl. im Übrigen dort S. 55 ff. 1094 Die wissenschaftliche Durchdringung von Aktienkursprognosen als „völlig unterentwickelt“ zu bezeichnen (vgl. Bernsmann a. a. O., S. 55), mag ihrer Praktikabilität für strafprozessuale Nachweisbedürfnisse entsprechen (vgl. hierzu aber unten
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
und Unwägbarkeiten im Kapitalmarkt richtigerweise (vgl. hierzu aber 3. Kapitel § 2 B. IV. 3. a) bb) (2) (c)) weder eindeutige Determinismen angetroffen, noch ohne weiteres probabilistische Aussagen getroffen werden können.1095 Allerdings konnte hier bereits aufgezeigt werden, dass die Börsenpreisbildung richtigerweise ausgehend von obigem Makro-Mikro-MakroAnsatz und unter Einbezug sowohl des Rational Choice – als auch des Behavioral Finance-Ansatzes – zur Verhaltenserklärung entscheidend durch psychische Interaktionen bestimmt ist. Daraus ergibt sich jedoch für die Unterlassenskausalität – abseits den erst später zu thematisierenden prozessualpraktischen Problemen –, dass bei dieser denkmöglich auch eine tatsächliche, natürliche Wirkung des Unterlassens konstatiert werden kann. Die nach obigen Modellen von psychischer Kausalität erforderliche Beeinflussung,1096 die ein Unterlassen auf den Markt (und das bedeutet nach obigem Makro-Mikro-Makro-Modell auf dessen ihn konstituierende Mikroebenenakteure) haben kann, ist, dass das Ausbleiben bestimmter erwarteter Informationen die Marktteilnehmer in hinreichender Zahl (vgl. oben zur Aggregationsbedingung) – auch im Sinne eines sachgedanklichen Mitbewusstseins – dazu motiviert, bestimmte preiswirksame Transaktionen vorzunehmen bzw. zu unterlassen, wodurch der Börsenpreis sich letztlich beeinflusst durch ein Unterlassen ändert bzw. stabil bleibt. Dieser Preis ist als künstlicher Preis und damit Erfolg i. S. d. § 38 II WpHG anzusehen, da er eine Information, die der Markt nach seinen institutionellen Vorgaben (für die Ad-Hoc beispielsweise konkretisiert durch die Pflicht aus § 15 WpHG) erwartet, gerade nicht enthält und insoweit mit der tatsächlichen Informationslage asynchron ist. Diese „Wirkkraft des Unterlassens“ beschrieb – wenn auch schon damals in der Diametrale zur herrschenden Meinung – bereits Herzberg1097 unter Verweis auf Dohna1098: „Nun geht allerdings die absolut h. L. dahin, dies 3. Kapitel § 2 B. IV. 3.), disqualifiziert aber eine jahrzehntelange intensive und endodisziplinär vermutlich alternativlose finanzwissenschaftliche Diskussion (vgl. oben 3. Kapitel § 2 B. II. 3.) zu pauschal. 1095 Vgl. für den Nachweis probabilistischer Aussagen, wie sie auch in der Quasikausalität stecken, unten 3. Kapitel § 2 B. IV. 3. a) cc) (2). 1096 Vgl. oben 3. Kapitel § 2 B. II. 4. c) dd). 1097 Herzberg (1972) S. 276. Roxin AT II § 31 Rn. 38 beschreibt die seit dem 19. Jahrhundert vorgenommenen wissenschaftlichen Bemühungen dem Unterlassen eine Wirkkraft zuzuweisen, als gescheitert. Das vorliegende partielle Aufgreifen will sich insoweit nicht als ein Plädoyer für eine generelle Wiederbelebung, sondern vielmehr als Aufzeigen einer zumindest sinnvollen Anwendbarkeit des Gedankens im Bereich der psychischen Kausalität verstanden wissen. Im Tatbestand des § 20a I 1 Nr. 1 WpHG würde ein derartiges, bei der individuellen Motivbeeinflussung ansetzendes Kausalverständnis im Übrigen zu einem weitgehenden Entsprechen der Begehungsweise durch positives Tun und jener durch Unterlassen führen.
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[natürliche Kausalität] sei bei Unterlassungen schlechthin undenkbar; wer nur untätig bleibe, möge wohl fähig sein, einen bestimmten Erfolg abzuwenden; bewirken jedoch tue er ihn niemals. Allein so sicher ist das nicht. ‚Die unbedingte Verneinung der Kausalität‘, gab schon Graf zu Dohna zu bedenken, ‚[. . .] hat Gültigkeit nur für den Bereich der mechanischen Kausalität. Wo das Kausalgesetz die Form der Motivation menschlicher Handlungen annimmt, kann, was meist unbeachtet bleibt, auch die Unterlassung kausal wirken. Denn es kann der Umstand, dass eine Handlung des A nicht vorgenommen worden ist, den B zu einem Verhalten bestimmt haben.‘“ Der Übertrag des obig propagierten Kausalitätsmodells für psychische Kausalität auch auf Unterlassungskonstellationen erweist sich indes, da zum einen nicht von jenem Typus des information traders per se ausgegangen werden kann, noch dazu eine rationale Handlungswahl zwar wahrscheinlich, nicht aber sicher ist, wegen der somit erforderlichen Zeugensuche und -befragung als höchst aufwändig. Die hypothetische, stärker normativ zuschreibende Betrachtung der ganz herrschenden Lehre bekäme hier gleichfalls Schwierigkeiten, da sie eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit verlangen müsste, dass der finale Kurseinwirkungserfolg – ein künstlicher, da die zu veröffentlichende Information (scheinbar)1099 nicht inkludierender Preis – bei Vornahme der gebotenen, aber unterlassenen Mitteilung nicht eingetreten wäre, d.h. dass sich ein der Information entsprechender Preis gebildet hätte. Allerdings lässt sich dies wegen der steten Unsicherheitsfaktoren einer unsicheren tatsächlichen Rezeption der Manipulationsinformation durch die Mikroebenenakteure und der unsicheren Entscheidungskausation bereits abseits des Einzelfalles voraussagbar wenig sicher bestimmen. Dies mag – bereits im Vorblick auf den prozessualen Nachweis1100 – für bestimmte Börsensegmente, in denen nur gut informierte professionelle Marktteilnehmer wirken, anders sein. Generell können derartige hypothetische Betrachtungen jedenfalls nicht zu einer Bejahung einer hohen Wahrscheinlichkeit führen, will man sich nicht dem Markteffizienztheorem als unwiderleglicher Vermutung unterwerfen. Geht man indes diesen Weg, würde das Einwirkungskriterium jedenfalls für den Bereich des Unterlassens jedwede Begrenzungsfunktion verlieren: jede pflichtwidrige unterlassene Angabe über Umstände i. S. d. § 20a I 1 Nr. 1 2. Alt. WpHG würde dann bereits per definitionem zu einem quasi-kausalen Erfolg in Form eines mangels Einpreisung der unterlassenen Information künstlichen Preisniveaus (artificial price) führen. 1098
Alexander Dohna (1913) S. 22 zitiert bei Herzberg (1972) S. 276. Für die hiesigen abstrakten Erwägungen wird davon ausgegangen, dass Insiderhandel – welcher die Informationen ja einpreisen würde – nicht stattgefunden hat. 1100 Vgl. hierzu entsprechend unten 3. Kapitel § 2 B. IV. 1099
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
Anders ließe sich indes etwaig argumentieren, wenn es insbesondere mit Rudolphi für die Zurechnung des Erfolges allgemein als ausreichend angesehen würde, dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt aufgrund des pflichtwidrigen Unterlassens mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit zu erwarten war, als er es bei pflichtgemäßem Alternativverhalten durch Vornahme der gebotenen Handlung gewesen wäre.1101 Neben den gegen eine probabilistische Zurechnung im allgemeinen sprechenden Gründen1102 gestaltet sich der Nachweis jener deutlich höheren Wahrscheinlichkeit, der impliziter wiederum auf das Prinzip der Risikoerhöhung hinauslaufen würde, indes – will man ihn ernsthaft praktizieren und nicht lediglich unter affirmativer Zuschreibung als gegeben zu erkennen glauben – unter dem notwendigen Einbezug der Erkenntnisse der Behavioral Finance als in der erforderlichen Generalität gerade nicht ohne weiteres als erbringbar. b) Effektive Geschäfte als erlaubtes Risiko? Nachdem die objektive Zurechnung verneint wird, wenn der Täter einen strafrechtlich relevanten Erfolg auf eine Weise herbeiführt, die generell erlaubt ist, wobei diese Erlaubnis auch nicht dadurch entfällt, dass sich der Täter den Erfolg in irgendeinem Sinne wünscht,1103 wäre es denkbar, in Fällen objektiv effektiver und zumeist marktüblicher Geschäfte und damit bei einer Unterart der handelsgestützten Manipulationen die objektive Zurechnung auszuschließen. Allerdings würde dies verkennen, dass jene Geschäfte zwar äußerlich marktkonform sein können, die ihnen zugrunde liegenden illegitimen Gründe (Bewirken einer Kurseinwirkung bei gleichzeitigem Fehlen zulässiger wirtschaftlicher Beweggründe) sie allerdings zu pflichtwidrigen und damit nach dem WpHG verbotenen Geschäften qualifizieren.1104 Ein Ausschluss der Zurechnung nach dieser Fallgruppe verbietet sich damit bereits wegen des engen Korsetts, welches § 20a I WpHG um die überhaupt nur tatbestandsmäßig relevanten Handlungen legt. Darüber hinaus wird in der Literatur mit Recht betont, dass die Zurechnungsmaßstäbe beim Vorsatzdelikt ohnehin strenger sein müssen als beim Fahrlässigkeitsdelikt, als sich der Täter dort gerade nicht auf ein erlaubtes Risiko berufen können darf, da er keinen „beachtenswerten Grund für sein Handeln hat und weil die vorsätzliche Auslösung auch des geringsten Risikos unterbunden werden muss, solange sich das Opfer dagegen nicht selbst 1101 Vgl. Rudolphi, in: SK-StGB Vor § 13 Rn. 16 f., der insoweit rechtstechnisch auf die Risikoverringerung durch die ausgebliebene Handlung abstellt. Ähnlich Otto AT § 9 IV 2 und Stratenwerth AT § 13 Rn. 55. 1102 Siehe hierzu oben 3. Kapitel § 2 B. II. 4. c) cc) (3). 1103 Vgl. zu dieser Regel der objektiven Zurechnung Puppe (2000) S. 185. 1104 s. o. unter 2. Kapitel § 2 A. III.
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schützen kann.“1105 Bezogen auf den Kapitalmarkt bedeutet dies, dass ein ambivalentes Verhalten in Form effektiver Geschäfte jedenfalls im Falle seines Einsatzes als Täuschungsmittel nicht als Setzen eines erlaubten Risikos für daran anknüpfende weitere Anlegerentscheidungen angesehen werden kann. c) Eigenverantwortliche Selbstgefährdung oder geschädigter Anleger als Werkzeug gegen sich selbst? Denkbar wäre, die Transaktionsentscheidungen der Anleger als konstituierende Teile des Marktes unter gewissen Umständen als eigenverantwortliche Selbstgefährdungen zu betrachten und deswegen unter Einbeziehung viktimodogmatischer Erwägungen, insbesondere in Fällen von Zweifeln über die marktkonforme Fundiertheit der Signale wahrgenommener Kursbewegungen bzw. aufgenommener Informationen, die Zurechnung zu verneinen. Hiergegen lässt sich in zweierlei Gewand argumentieren. Umstritten muss auf der Grundlage der ähnlichen Diskussion beim Betrug bereits sein, ob Zweifel des Opfers an der Integrität sowohl des Marktes als auch an den Hintergründen einer gewissen Kurssituation – da die Grundsätze der mittelbaren Täterschaft heranziehbar sind – eine normative Zurechnung des Tatmittlerverhaltens zum mittelbaren Täter überhaupt verhindern können.1106 Für den Kapitalmarkt lässt sich der – insoweit dem begrenzten Umfang dieser Arbeit geschuldet vorliegend nicht darstellbare – Streitstand dahingehend pragmatisch auflösen, dass die Voraussetzungen einer Zurechnungsdurchbrechung jedenfalls unter rechtsgutssystematischen Gründen tatsächlich nicht gegeben sind. Auf einen durch Manipulanten angestoßenen „fahrenden Zug“ aufspringende Marktteilnehmer (bspw. bei Stock-Spams)1107 werden hierdurch weder zu Nebentätern (etwa durch die von ihren Transaktionen wiederum ausgehenden falschen Signalen) noch kann ihre Handlung als eigenverantwortliche Selbstgefährdung beurteilt werden, da es ihnen an der informationellen Tatherrschaft fehlt und sie – sofern sie keinen reinen Preiseinwirkungsvorsatz besitzen (vgl. oben) – vielmehr als reine Spekulanten zu betrachten sind. Die Manipulation liegt in einer informationsgestützten Handlung begründet. Die dementsprechenden Transaktionen 1105
Schünemann GA 1999, 207, 221. Ähnlich Rahmlow (2006) S. 100 f. Vgl. zur Bejahung einer Opferzweifelrelevanz u. a. grundlegend Schünemann, in: ders. (2002) S. 51, 61 ff.; zur Viktimodogmatik als dogmatische Aufnahme (so Lampe FS Hirsch (1999) S. 83, 102) u. a. der in der Kriminologie für die Täter-Opfer-Interaktionen bestehenden Forschungsrichtung der Viktimologie Schünemann FS Faller (1984) S. 357 ff.; ders. NStZ 1986, 193 ff. (Erheblichkeit der Viktimodogmatik im Rahmen der ultima ratio Erwägungen des Strafrechts); A. A. für den Betrug Kargl ZStW 119 (2007) 250, 256 f. 1107 Vgl. hierzu Fleischer ZBB 2008, 137. 1106
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der Trittbrettfahrer können selbst dagegen nicht als handelsgestützte Manipulationen begriffen werden, da sie keine eigenständigen falschen Signale geben. Der ihrer Spekulation zugrunde liegende Irrtum über die Marktlage (Aufspringen noch möglich etc.) kann sie zu eben solchen Tatmittlern werden lassen, wie jene anderen Marktteilnehmer, die der Täuschung unterliegen. Im Übrigen würde eine auf die Selbstgefährdung abstellende Zurechnungsargumentation voraussetzen, dass von einem allein individuellen und damit disponiblen Rechtsgut „Anlegervermögen“ ausgegangen würde. Konsequenterweise könnte unter dieser Vorgabe in Konstellationen fehlender Tatherrschaft die Marktmanipulation als ein Ausnutzen einzelner „Anleger als Werkzeuge gegen sich selbst“ verstanden werden. Nachdem die §§ 20a, 39, 38 II WpHG jedoch das kollektive Rechtsgut der Funktionsfähigkeit schützen und einzelnen Anlegern auch aus der Natur des Kollektivrechtsguts heraus1108 keine stellvertretende Dispositionsbefugnis1109 hierüber zukommt, scheidet eine solche Argumentation jedenfalls für individuelle Zurechnungsfragen aus. Dies bedeutet indes nicht, dass viktimodogmatische Erwägungen bezogen auf die kollektive Gesamtperspektive des Anlegerpublikums bei der Frage der tatbestandlichen Irreführungsqualität eines Verhaltens keine Rolle spielen können.1110 d) Dazwischentreten Dritter/Zurechnung und mittelbare Täterschaft Für die Zurechnung eines Makroebenenirrtums zu einer informationsgestützten Manipulation ist strukturell das Erkennen der Interaktionen als solche mittelbarer Täterschaft bzw. ihnen zumindest „strukturverwandte“ erhellend.1111 So kann wie bereits ausgeführt der Anleger, welcher seine täuschungsbedingte Anlageentscheidung einstellt, als vorsatzloses Werkzeug 1. Grades die Kursstellung des Maklers als Werkzeug 2. Grades kausieren, wodurch der letztliche Erfolg – der Makroebenenirrtum in Form der Kurseinwirkung – dem Manipulator zugerechnet werden kann. Ein zielgerichtet falsch informierter und die Information gutgläubig veröffentlichender Journalist kann im Rahmen einer informationsgestützten Manipulation zur Börsenpreisbeeinflussung zum Tatmittler werden.1112 Auch bei den handels1108
Wesentliches Charakteristikum eines Kollektivrechtsguts ist seine allen zugutekommende Nicht-Ausschließbarkeit von der Nutzung. Diese würde durch eine partielle Dispositionsbefugnis für einzelne Marktteilnehmer konterkariert. Vgl. zu den Wesensmerkmalen kollektiver Rechtsgüter bereits oben 2. Kapitel § 2 A. I. 1109 Vgl. hierzu auch Schünemann, in: ders./Dubber (2000) S. 1, 5, der die Erweiterung der traditionellen Einwilligungsperspektive durch die Viktimodogmatik hervorhebt. 1110 Vgl. hierzu bereits oben 3. Kapitel § 2 A. I. 1. b) bb). 1111 Vgl. hierzu bereits oben 3. Kapitel § 2 B. II. 4. c) dd) (2).
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gestützten Manipulationen können die Marktintermediäre/Skontroführer als Tatmittler (vorsatzlose Werkzeuge) betrachtet werden.1113 Eine offene Kommunikationsbeziehung ist für beide Konstellationen nicht vonnöten.1114 Die Marktmanipulation zeigt sich somit als gesetzlich vertypte Form der mittelbaren Täterschaft. Das Erfüllen der allgemeinen Zurechnungsvoraussetzungen1115 des § 25 I 2. Alt. StGB – Einwirken auf den Tatmittler und die Anforderungen an die Stellung von mittelbarem Täter und Tatmittler (für letzteren ein deliktischer Defekt)1116 – ist daher nicht erforderlich. Das Dazwischentreten dieser Personen stört somit nicht den möglichen Kausalbezug zwischen der Manipulationshandlung und einem Einwirkungserfolg auf. Anders dagegen in Fällen überholender Kausalität durch nicht an die Manipulationshandlung des Täters anknüpfendes Drittverhalten, beispielsweise in Fällen von in den Markt gegebenen (wahren oder unwahren) Informationen und sonstigen Angaben (Empfehlungen, Gerüchte), die vom Markt entweder vor der Rezeption der bereits abgegebenen Manipulationsinformationen durch den Markt oder auch nach deren Rezeption als einzig relevant und damit adaptierungswürdig für Transaktionsentscheidungen angesehen werden (sog. confounding events). Dem notwendigen Verlangen, solche überholenden Kausalitäten in der Retrospektive auszuschließen, vermag nach der hier vertretenen Auffassung allein die propagierte Anwendung eines strikt individualmotivationsbezogenen materiellen Kausalbegriffs1117 die Basis bieten. Der Vollständigkeit halber und ohne Einfluss auf die Zurechnungsfrage i. e. S. sind mögliche Beteiligungskonstellationen. Insbesondere Mitarbeiter 1112
Vgl. für dieses Beispiel Schröder (2007) 3. Kap. J IV Rn. 609 (= S. 216). Vgl. ebenso Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 240. 1114 Siehe hierzu oben 3. Kapitel § 2 B. II. 4. c) dd) (2). 1115 Die Handlung der anderen Personen wird – bei Vorliegen der Voraussetzungen der mittelbaren Täterschaft – dem mittelbaren Täter richtigerweise als dessen Erfolg, nicht wie eigenes Handeln zugerechnet. Letzteres verstößt gegen das Prinzip der persönlichen Verantwortung (Schuldprinzip). Vgl. hierzu Puppe FS Dahs (2005) S. 173, 187. 1116 Richtigerweise ist hierbei nicht allein (aber dennoch als prima facie Regel) auf das Autonomieprinzip abzustellen (vgl. hierzu instruktiv die Darstellung des Meinungsbildes bei Schünemann LK12 § 25 Rn. 62 ff. m. w. N.), da dieses in bestimmten Konstellationen (wie der Organisationsherrschaft) gerade keinen deliktischen Defekt beim Vordermann vorfinden kann, sondern von dem von Schünemann anhand der anerkannten Fallkonstellationen und unter Einbezugs des Leitprinzips der Herrschaft über den Grund des Erfolges entwickelten Modell der Tatherrschaftsstufen als einer der Rechtsgüterschutzaufgabe des Strafrechts besser entsprechenden systematischen Basis auszugehen. Vgl. hierzu Schünemann LK12 § 25 Rn. 65 ff.; ders. FS Fr.-Chr. Schroeder (2006) S. 401 ff. sowie zur Herrschaft über den Grund des Erfolges zuletzt ders. FS Amelung (2009) S. 303, 313 ff. 1117 Vgl. hierzu oben 3. Kapitel § 2 B. II. 4. c) dd). 1113
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von Banken oder Brokern können eine für die Deliktsverwirklichung kausale Hilfe leisten. Insoweit soll nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof zu berufstypischen Handlungen erst bei einem Wissen des Handelnden um die ausschließlich deliktische Zielsetzung des Haupttäters der dann nicht mehr sozialadäquaten Handlung eine Beihilfestrafbarkeit entspringen.1118 Das bloße für Möglich-Halten ist insoweit solange nicht ausreichend, bis das vom Hilfeleistenden „erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten [. . .] derart hoch [ist], dass er sich mit seiner Hilfeleistung ‚die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein‘ ließ.“1119 Für Publikationsdienste und von diesen weitergeleitete irreführende Ad-Hoc Meldungen liegt danach zwar objektiv eine Beihilfe vor. Die fehlende inhaltliche Prüfungspflicht lässt in diesen Fällen aber eine Beihilfestrafbarkeit wegen fehlendem Vorsatzes in den meisten Fällen in weite Ferne rücken.1120 e) Atypischer Kausalverlauf Die objektive Zurechnung ist auch in jenen Fällen ausgeschlossen, in welchen der tatsächliche Kausalverlauf einen objektiv derart unwahrscheinlichen Verlauf nimmt bzw. vom vorgestellten derart abweicht, dass eine andere Bewertung der Tat angezeigt ist. Insoweit kommen an dieser Stelle Adäquanz- und Relevanzerwägungen zum tragen.1121 Denkbar wären – auch nach den Erkenntnissen der Behavioral Finance – Konstellationen, in welchen die Anleger ganz anders auf die Manipulation reagieren, als es der 1118 Vgl. BGHSt 46, 107, 112. Siehe hierzu auch bereits oben 3. Kapitel § 1 B. m. w. N. zum Streitstand hinsichtlich des Problems der Beihilfe durch „berufstypische“ oder „neutrale“ Handlungen und der dabei zu favorisierenden Differenzierungslösung. 1119 Ebenda. 1120 Vgl. hierzu und zu weiteren Konstellationen Schröder (2007) 3. Kap. J V Rn. 613 ff. 1121 Siehe auch zu deren Ausschluss als kausalitätseinschränkende Formeln oben 3. Kapitel § 2 B. II. 2. b). Auf der Ebene der Fahrlässigkeitsdelikte erkennt der BGH mit dem Kriterium der objektiven Vorhersehbarkeit (vgl. hierzu nur BGHSt 1, 334, 364) jenen Ausschluss stark unwahrscheinlicher Kausalverläufe an. Allein das stärker ausgeprägte voluntative Element beim Vorsatzdelikt rechtfertigt jedoch keine abweichende Behandlung dieser Konstellationen bei Vorsatzdelikten, weshalb die herrschende Literatur einen Ausschluss der Zurechnung bei atypischen Kausalverläufen auch bei Vorsatzdelikten annimmt (vgl. hierzu Roxin AT I Rn. 69; T. Walter LK12 vor § 13 Rn. 95 m. w. N.). Nach Block ([2008] S. 270 f. und passim), dem sich der Verfasser insoweit anschließt, soll dagegen der Kausalverlauf selbst keinen Bezugspunkt des Vorsatzes bilden. Denkbar seien damit vorsatzrelevante Irrtümer nur bezüglich dessen Beginn (andere Gefahrschaffung als die tatsächliche) und Ende (vom Vorstellungsbild abweichender konkreter Erfolg).
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Manipulant erwartet hat. Bezogen auf eine Kurseinwirkung wäre dies beispielsweise dann der Fall, wenn die beabsichtigte und als solche fehlerhaft prognostizierte Kurseinwirkung ausgeblieben, eine andere aber eingetreten ist.1122 Unwahrscheinlich ist dies insoweit nicht, als der von Spekulation und Erwartungen genährte Börsenpreis richtigerweise als Antizipationshandel zu begreifen ist. Ging beispielsweise die Mehrzahl des Börsenpublikums bei ihren bisherigen Transaktionsentscheidungen aufgrund vorheriger Informationen und sonstiger Erwartungen von einer bestimmten Geschäftsentwicklung aus, können veröffentlichte positive, aber verdeckt fehlerhafte Mitteilungen über Unternehmenszahlen als fait accompli1123 deutlich positivere Erwartungen enttäuschen und somit sogar zu einer Anpassung des Kurses nach unten führen.1124 Darin läge zwar auch eine Marktpreiseinwirkung als Makroirrtum (Ausbleiben einer noch stärkeren Kursanpassung nach unten), da der Markt schließlich bei einer rezipierten wahrheitsgemäßen und damit noch weniger positiven oder gar negativen Mitteilung voraussichtlich noch negativer reagieren würde.1125 Allerdings wäre zu fragen, ob dieser von möglicherweise abenteuerlichen Erwartungen genährte Verlauf nicht ganz ungewöhnlich ist und außerhalb jeder Lebenserfahrung zu beurteilen wäre. Jedoch erweist sich bereits das, was als typischer Kausalverlauf anzunehmen sein dürfte, als interdependent mit den kaum sichtbaren typischen Erwartungen und Prognosen des Anlagepublikums, welche objektiv gerade als Ausgangslage für den Maßstab der Adäquanz- und Relevanzerwägungen dienen müssen. Die Gewinnung des Vergleichsmaßstabes erweist sich daher im Kapitalmarkt als komplex. Insoweit spiegelt dies auch die Schwierigkeiten in der Bestimmung des rational erwartbaren Verhaltens wider, die sich für die Anhänger eines Rationalitätsaxioms als Erklärung für das Anlageverhalten ergeben.1126 Als ebenfalls praxisrelevant erweisen sich die von Schröder beschriebenen Fälle an sich blasser Einwirkungen, die in Fällen bestehender Stop-Loss-Order oder sonstiger bestehender auto1122
Vgl. hierzu Hellgardt ZIP 2005, 2000, 2006. Mit dieser Begrifflichkeit beschreibt selbst der „Börsenguru“ Kostolany (2000) S. 185 – wenn auch populärwissenschaftlich, so doch treffend – die undurchsichtige Verknüpfung von Erwartungen, tatsächlichen Unternehmensentwicklungen und der Kursentwicklung. 1124 Vgl. hierzu bspw. die empirischen Studien von Schwarzer (2003) S. 107. 1125 Eine zurechnungsausschließende Risikoverringerung kann indes in diesen Konstellationen nicht angenommen werden, da hier der Manipulant durch seine informationsbezogene Manipulationshandlung als vermeintliche Mitteilung von Tatsachen zu einem ebenfalls mit den tatsächlichen Gegebenheiten asynchronen, aber zudem aufgrund seiner vorgetäuschten Tatsachengrundlage verfestigteren Marktpreis als neuer eigenständiger Gefahr für das Kollektivrechtsgut beiträgt (vgl. zur Fallgruppe der Risikoverringerung Jescheck/Weigend AT § 28 IV 2 [= S. 287]). 1126 Siehe hierzu bereits oben bei der Bewertungserheblichkeit/Einwirkungseignung (3. Kapitel § 2 A. I. 1. b) bb), 3. Kapitel § 2 A. I. 3.). 1123
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
matisierter Transaktionsprogramme für bestimmte Kurswerte zu starken Kursausschlägen führen können. Diese Fälle sollen deshalb nicht strafrechtlich erfasst werden, da die Stop-Loss-Oder o. ä. nicht vom Täter, sondern von diesem unabhängig durch den Markt gesetzt wurden.1127 Ähnliche Fälle (bspw. bestehende Optionsscheine in der Knock-Out-Variante, d.h. mit dem Risiko des Totalverlustes) will Schröder indes nur erfassen, wenn „der Täter mit [s]einer für sich gesehen geringfügigen Preiseinwirkung bestimmte Folgen auslösen will.“1128 Gegen eine Ausklammerung obiger Konstellationen der Stop-Loss-Order aus dem strafbaren Bereich spricht allerdings, dass der Manipulant den Markt so zu nehmen hat, wie dieser besteht.1129 Dass seine an sich nur geringe und damit nach manchen Stimmen vernachlässigenswerte1130 Einwirkung ihrerseits weitere starke Kursausschläge verursacht, wäre überhaupt nur dann im Rahmen des Vorsatzes (bzw. im Rahmen der objektiven Zurechnung als atypischer, wenn objektiv unvorhersehbarer Kausalverlauf) beachtlich, wenn das Delikt eine erhebliche Kurseinwirkung verlangen würde. Eine solche strafbarkeitseinschränkende Voraussetzung kennt die Marktmanipulation jedoch nicht. f) Rechtmäßiges Alternativverhalten Im Rahmen der objektiven Zurechnung zu würdigen sind jene Konstellationen, in denen die Börsenpreisfindung im Ergebnis auch ohne tatbestandsmäßige Manipulationshandlung, also für den Fall rechtmäßigen Alternativverhaltens, genauso verlaufen wäre, wie tatsächlich beeinflusst durch die Manipulationshandlung. Jedenfalls wären an dieser Stelle jene Konstellationen von Belang, in welchen sich der einzelne/die einzelnen für die Kursänderung letztlich erfolgswirksamen Anleger auch bei normgerechtem Verhalten des Manipulanten genauso verhalten hätten.1131 Für Vertreter der Risikoerhöhungstheorie wären diese Erwägungen zumindest dann obsolet, wenn aus ex post Sicht jedenfalls ein zurechnungsbegründendes risikoerhöhendes Verhalten als Gefährdungserfolg vorlag. Als normgerechtes Verhalten wäre im Rahmen der zurechnungsausschließenden Figur „rechtmäßiges Alternativverhalten“ bspw. eine gerade noch 1127
Vgl. Schröder (2007) 3. Kap. G Rn. 575. Schröder (2007) 3. Kap G Rn. 575. 1129 Auch viktimodogmatische Argumente – Anleger, die derartige Kurslimits gesetzt haben, hätten das Risiko für sich und den Markt bewusst in Kauf genommen – sind hier nicht angebracht, wenn es um den Schutz eines Kolletivrechtsguts geht. 1130 Diese Einschränkung ist allerdings weder im Wortlaut angelegt noch nach Sinn und Zweck der Norm zu befürworten (vgl. bereits oben 3. Kapitel § 2 B. I. 2.). 1131 Angesprochen, aber wegen Entscheidungsunerheblichkeit im konkreten Fall nicht weiter thematisiert in LG München I („EM.TV“) NJW 2003, 2328, 2330. 1128
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korrekte Ad-Hoc statt einer fehlerhaften, da übermäßig die Geschäftslage beschönigenden Mitteilung zu nennen. Diese Betrachtung ist insoweit nicht deckungsgleich mit der Conditio sine qua non Betrachtung, da bei dieser nur tatsächlich vorhandene Einflüsse die Zurechnung stören können. Beim rechtmäßigen Alternativverhalten (mit Recht verstanden als Sonderfall ausnahmsweise beachtlicher Reserveursachen) ist im Gegensatz zur Reserveursache i. e. S. das alternative Verhalten hypothetisch, die Reserveursache beruht dagegen auf einer realen Handlung. Würde der Manipulant beispielsweise auch hypothetisch bei zulässiger Motivation einer bestimmten Handlung eine bestimmte Kurseinwirkung bewirken bzw. würde dieser Erfolg auch ohne ihn eintreten, wäre somit denkbar, den mittels einer auf unzulässiger Motivation beruhenden Manipulation bewirkten Kurs nicht objektiv zuzurechnen. Dem ist indes insoweit zu widersprechen, als jene Erfolge und damit die Vergleichsobjekte sich nur äußerlich gleichen, nicht jedoch inhaltlich. Insoweit ist der besondere Charakter des Makroirrtums von Gewicht. Nur der erste hypothetische Preis stellt keinen artifical price (keinen Makroirrtum) und somit das Ergebnis zulässiger Orderlage dar, letzterer dagegen gerade jenen, die Manipulationshandlung inkludierenden unerwünschten Makroirrtum.1132 Insoweit kann wegen der Bedeutung des Marktpreises nicht allein auf Richtungen des Marktes abgestellt werden, sondern ist der Börsen- oder Marktpreis richtigerweise sowohl als Momentaufnahme, als auch in seiner besonderen Erfolgsgestalt im Blick zu halten. Der Marktpreis soll die jeweilige Marktlage und den wahren Wert durch Aufnahme aller zulässigen Markttransaktionen mikrosekundengenau nachzeichnen. IV. Prozessualer Nachweis der Zurechnung Wie gezeigt ergeben sich bereits auf der Ebene des materiellen Rechts erhebliche Probleme, im Bereich des Kapitalmarkts abstrakt anwendungsfähige, dennoch dogmatisch fundierte Kriterien zu bestimmen, nach welchen einem bestimmten Manipulationsverhalten der Erfolg einer Kurseinwirkung zugerechnet werden kann. Wie mit jenen Schwierigkeiten prozessual umgegangen wird oder alternativ umzugehen wäre, um jene Zurechnung zumindest prozessual handhabbar zu gestalten, soll der Untersuchung im folgenden Abschnitt unterliegen.
1132 Dass jener Preis tatsächlich kausal von der Manipulation beeinflusst wurde, ist für diese normative Folgebetrachtung auf der Ebene der objektiven Zurechnung zu unterstellen.
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
1. Grundlagen des Beweisrechtes Als Gegenstand des Beweises sind zivil- wie strafprozessual anerkannt grundsätzlich nur Tatsachen, worunter alle inneren und äußeren Lebensvorgänge, die sinnlich wahrnehmbar sind, verstanden werden sollen.1133 Von den Tatsachen sind die Erfahrungssätze zu unterscheiden, welche zur Feststellung von Tatsachen dienen oder die Subsumtion unter Rechtsbegriffe erlauben und die zivilrechtlich im Rahmen des Freibeweises Beweisgegenstand sein können.1134 Zu differenzieren ist bei der Beweisführung darüber hinaus zwischen dem unmittelbaren (auch direkten) Beweis und dem Indizienbeweis (auch mittelbarer Beweis). Gegenstand des unmittelbaren Beweises sind tatsächliche Behauptungen, die unmittelbar und direkt ein gesetzliches Tatbestandsmerkmal im Ergebnis als vorhanden erscheinen lassen. Die tatbestandsfremden Hilfstatsachen, die im Rahmen des dem direkten Beweis gleichrangigen1135 Indizienbeweises eine Rolle spielen, rechtfertigen erst durch das Zusammenspiel ihres/r gleichzeitigen Antreffens/Beobachtbarkeit den Schluss auf vorliegende Tatbestandsmerkmale.1136 Die Kausalität bei Erfolgsverletzungsdelikten – wie sie nach herrschender Ansicht auch die Marktmanipulation darstellt – unterfällt als für die Entscheidung erhebliche Tatsache (§ 244 II StPO) damit dem Strengbeweis und der anschließenden freien richterlichen Beweiswürdigung. Allerdings gilt dies – nach freilich umstrittener Ansicht1137 – nur für die individuelle Kausalität, nicht per se für die generelle Kausalität.1138 Vorliegend ist es unmöglich, das – gerade auch im Bereich der Produkthaftung – vorfindliche Meinungsbild zu dieser Frage darzulegen.1139 Für diese Untersuchung soll 1133 Vgl. nur Jauernig, Zivilprozessrecht, § 49 VI; Schilken, Zivilprozessrecht, § 11 Rdn. 475; für das Strafrecht vgl. statt vieler M/G § 33 Rn. 13 (Einl. Rn. 48 f.) m. w. N.; Maul KK-StPO § 33 Rn. 9. 1134 Vgl. m. w. N. Mummenhoff (1997) S. 91. 1135 Vgl. Schoreit KK-StPO § 261 Rn. 64 m. w. N. 1136 Vgl. Pfeiffer StPO5 § 261 Rn. 15 m. w. N. 1137 Nach einer v. a. von Armin Kaufmann (JZ 1971, 569, 572 ff.) vertretenen Ansicht ist die generelle Kausalität im Rahmen der Erfolgsdelikte ein tatbestandliches Blankett. Eine von Kuhlen ([1989], S. 65 ff. repräsentativ vertretene Ansicht will dagegen auch die Feststellung bestimmter Erfahrungssätze und damit die generelle Kausalität als tatsächliches Problem dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung unterlegen. Vgl. zur Diskussion, insbesondere auch den Theorien einer eingeschränkten Beweiswürdigung bei Kausalitätsfragen, umfassend Denicke (1997) S. 50 ff. 1138 Vgl. Günther KritV 1997, 211, 216 und zu dieser Unterscheidung bereits oben 3. Kapitel § 2 B. II. 2. e). Nach der Theorie der gesetzmäßigen Bedingung kann es hierauf wegen der fehlenden begrifflichen Trennbarkeit schon nicht ankommen. 1139 Vgl. Hamm StV 1997, 159, 162. Günther KritV 1997, 211, 215 spricht insoweit von der ungeklärten Sonderstellung des Naturgesetzes bzw. der generellen
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dagegen mit der wohl herrschenden Meinung1140 davon ausgegangen werden, dass auch die generelle Kausalität im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu thematisieren ist, räumt doch diese Vorgehensweise den Gerichten den weitestgehenden Spielraum gegenüber jenen Gegenansichten ein, welche überwiegend nur innerhalb der Einzelwissenschaften überwiegend anerkannte bzw. – als weitestgehende Ansicht – nur feststehende wissenschaftliche Erkenntnisse dem Kausalitätsurteil zugrunde legen wollen. Insoweit ermöglichen die Gegenansichten bei wissenschaftlich umstrittenen Kausalhypothesen bereits vor weiteren Erwägungen eine kritische Ablehnung richterlicher Kausalitätsfeststellung. Das Urteil erfolgt nach § 261 StPO hinsichtlich der entscheidungserheblichen Tatsachen auf Grundlage der freien richterlichen Beweiswürdigung, d.h. grundsätzlich ohne Bindung an feste Beweisregeln.1141 Die Diskrepanz von objektiver Wahrheit und entsprechender absolut sicherer menschlicher Erkenntnis auf der einen Seite sowie einer bloßen Wahrscheinlichkeit auf der anderen Seite ist mit den Mitteln der Empirie nicht gänzlich überbrückbar. Daher liegt dem prozessualen Wahrheitsbegriff die subjektive Komponente der richterlichen Überzeugung zugrunde.1142 Überzeugung bedeutet dabei die subjektive Gewissheit, ein „Für-wahr-halten ohne vernünftige Zweifel“.1143 Die lediglich theoretische Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs verhindert die Verurteilung nicht.1144 Revisionsrechtlich überprüfbar ist die Beweiswürdigung in Anwendung des § 337 StPO und dessen einbeschriebener prozessualer Arbeits- und Verantwortungsteilung zwischen Tatrichter und Revisionsgericht1145 zunächst nur daraufhin, ob die Beweiswürdigung gegen gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse, die Regeln der Logik und die gesicherten Erfahrungssätze des täglichen Lebens verstößt und insgesamt eine vollständig und erschöpfende Würdigung der Beweise darstellt.1146 Allerdings hat die Revisionsrechtsprechung im Strafrecht darüber hinaus die Revisibilität tatrichterlicher Beweiswürdigung ausgeweitet.1147 Die Freiheit des Tatrichters wird danach in gewissem Maße Kausalität zwischen Norm und Tatsache. Zum Problem vgl. ausführlich unten 3. Kapitel § 2 B. IV. 3. a) bb) (2). 1140 Vgl. hierzu auch die Diskussion der Lederspray- und Holzschutzmittelentscheidung unter 3. Kapitel § 2 B. IV. 3. a) bb) (2) (a) und 3. Kapitel § 2 B. IV. 3. a) bb) (2) (b). 1141 Vgl. nur BGH NJW 1982, 2882; Schoreit KK-StPO § 261 Rn. 28. 1142 Vgl. nur Beulke, Strafprozessrecht10 § 24/2a, Rn. 490 (= S. 303 f.). 1143 Volk StPO (5. Aufl. 2006) § 29 Rn. 1. 1144 BGHSt 10, 208, 211; BGH StV 1999, 5; BGH NStZ-RR 2007, 86. 1145 Vgl. Hanack LR vor § 333 RdNr. 5; Roxin Strafverfahrensrecht § 53 Rn. 10. 1146 BGH NStZ 1982, 478, 479; BGH NStZ 2002, 48; Kuckein KK-StPO § 337 Rn. 4; vgl. m. w. N. Schoreit KK-StPO § 261 Rn. 45 ff.; Beulke Strafverfahrensrecht10 § 24 II 2 b, Rn. 491 ff. (= S. 304 ff.).
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
durch die Vorwirkung ihrer Überprüfbarkeit limitiert, als die richterliche Überzeugung ihre objektive Grundlage in den vom Richter getroffenen Feststellungen haben muss, seine Schlussfolgerungen auch dann ausreichend mit Tatsachen abgesichert sein müssen, wenn sie aus äußeren Umständen des Geschehensablaufs abgeleitet werden,1148 und als letztere sich nicht so sehr von einer festen Tatsachengrundlage entfernen dürfen, dass sie letztlich bloße Vermutungen sind.1149 Senatsübergreifend1150 lässt sich ferner inzwischen ein Abstellen auf das Beweismaß der hohen Wahrscheinlichkeit als verallgemeinerungsfähig zur Anwendung gebrachte inzidente Beweiswürdigungstheorie erkennen.1151 Im Zivilrecht gibt es ein unterschiedlich strenges Beweismaß je nachdem, ob die haftungsbegründende (dann § 286 ZPO) oder die haftungsausfüllende Seite einer Haftungsnorm (dann § 287 ZPO) in Frage steht.1152 Die Notwendigkeit den Ursachenzusammenhang zwischen dem Handeln des Schädigers und einer bestimmten Rechtsgutverletzung nach Maßgabe des § 286 ZPO beweisen zu müssen, führt indes für den Geschädigten oft zu erheblichen Beweisschwierigkeiten. In bestimmten Fällen werden diese durch gesetzliche (vgl. beispielsweise § 84 Abs. 2 AMG, § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB) oder tatsächliche Vermutungen, einen Anscheinsbeweis oder durch sonstige Beweiserleichterungen1153 abgemildert, wobei ein Anscheinsbeweis dann zulässig sein soll, wenn eine Typizität des Geschehens im Sinne einer hohen Wahrscheinlichkeit anzutreffen ist.1154 1147
Hamm StV 1997, 159, 160. Vgl. BGH StV 1986, 61; Schoreit KK-StPO § 261 Rn. 45. 1149 Vgl. BGH StV 1995, 453; Schoreit KK-StPO § 261 Rn. 45. 1150 Vgl. Hamm a. a. O. S. 160. 1151 Vgl. Herdegen KK-StPO § 244 Rn. 4a mit Belegen der entsprechenden Rechtsprechung sowie umfassend ders. (1995) S. 107, 120 ff. mit Darlegungen zur erkenntnislogischen Herleitung der hohen Wahrscheinlichkeit als hinreichendem Kriterium. Dieses Beweismaß wird dabei auch als „Herdegen’sche Formel“ bezeichnet, ging diese Rechtsprechung doch vom 2. Senat des BGH unter Herdegen aus. Vgl. Hamm StV 1997, 159, 160. 1152 Vgl. hierzu en detail unten 3. Kapitel § 2 B. IV. 3. a) aa). 1153 Vgl. BGHZ 104, 323, 332 ff. zur Produzentenhaftung und BGHZ 132, 47, 49 ff. zur Arzthaftung. 1154 Vgl. BGH NJW 1997, 528 [529] m. w. N.; vgl. hierzu u. a. auch Prütting MKZPO (3. Aufl. 2008), § 286 Rn. 48 ff. sowie Schilken, Zivilprozessrecht § 11 Rn. 494 ff. H. Weber (1997) S. 181 – offensichtlich von einem nomologischen materiellen Kausalitätsverständnis ausgehend – sieht den Kausalitätsbeweis aus prinzipiellen Gründen immer nur als Anscheinsbeweis an: „alle Fälle streitiger Kausalität [sind] auf Grund der Multiplizität der sie konstituierenden Einzeltatsachen in diesem Sinne notwendig Anwendungsfälle des Anscheinsbeweises.“. Nach Engels (1994) S. 51 erlaubt gerade der Anscheinsbeweis im Unterschied zur Beweislastumkehr, die Anforderungen und Belastungen der Parteien ausgewogener zu verteilen. 1148
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Auch im Strafrecht gibt es allerdings – ohne dass ausdrücklich Rekurs auf die Begrifflichkeit des „Anscheinsbeweises“ genommen wird – Beweiskonstellationen, in denen der Strafrichter ähnlich verfährt wie der Zivilrichter, wenn ein Anscheinsbeweis geführt wird.1155 In diesen Konstellationen ist der Richter nicht nur berechtigt, seine Überzeugung auf einen Anscheinsbeweis zu stützen; er sei hierzu nach Kuhlen durch §§ 244 II, 261 StPO sogar verpflichtet.1156 Die minimale Differenz zum Indizienbeweis liegt darin, dass der Anscheinsbeweis nur bei einfachen (typischen) Sachlagen helfen kann, während bei komplizierten (atypischen) Konstellationen immer noch ein Indizienbeweis geführt werden kann.1157 Der Anscheinsbeweis gründet lediglich auf dem Bestehen eines Erfahrungssatzes, also dem Wahrscheinlichkeits- bzw. Häufigkeitsurteil des Eintritts eines Ereignisses bei vergleichbaren Bedingungen,1158 wohingegen es beim Indizienbeweis wegen des erforderlichen Zusammenspiels vieler Hilfstatsachen mehrerer bedarf. Mehrere Beweisanzeichen können dabei einander nur stützen, wenn sie sich auf dasselbe Glied der Beweiskette beziehen.1159 Unter dem Gesichtspunkt ähnlicher Fallkonstellationen kann daher die Analyse von den Anscheinsbeweis thematisierenden zivilrechtlichen Judikaten im Kapitalmarkthaftungsrecht von Erkenntnisgewinn für parallele oder zumindest ähnliche Probleme im Strafrecht sein,1160 wobei mit Hamm1161 – um Friktionen mit der zivilprozessualen Figur „Anscheinsbeweis“ und ihrer (zumindest subjektiven)1162 Beweislastumkehr zu vermeiden – für den Be1155
Vgl. Volk NStZ 1996, 105, 106; ders. GA 1973, 161, [171, 176 f.]; Kuhlen (1989) S. 44 ff. A. A. Roxin Strafverfahrensrecht § 15 Rn. 16, nachdem es „nur im Zivilprozess zulässig, im Strafprozess aber ausgeschlossen“ sei, „an die Stelle der Gewissheit die durch einen typischen Geschehensablauf verbürgte Wahrscheinlichkeit“ zu setzen. Ebenso für einen Ausschluss des Anscheinsbeweis im Strafrecht – wenn auch nur kurz – Herzberg NJW 1987, 1461, 1461. Vgl. hierzu darüber hinaus die Nachweise bei Volk GA 1973, 161 Fn. 2 sowie L. Schulz, in: Lübbe (1994) S. 65. 1156 Vgl. Kuhlen (1989) S. 46 f. 1157 Volk GA 1973, 161, 170. 1158 Zum Begriff des Erfahrungssatzes vgl. Engels (1994) S. 52 ff. 1159 Schoreit KK-StPO § 261 Rn. 64 m. w. N. 1160 Damit sollen natürlich nicht die unterschiedliche Ziel- und Wirkrichtung zivil- und strafrechtlicher Haftung sowie die Unterschiede der jeweiligen Verfahrensregime geleugnet werden. 1161 Vgl. Hamm StV 1997, 159, 162, mit dem Beispiel eines Hammerschlags auf den Kopf des Opfers, welches daraufhin umfällt und einen gebrochenen Schädel besitzt: die beliebige Reproduzierbarkeit des Ablaufes stützt hier das allgemeine Erfahrungswissen einer vorliegenden Gesetzmäßigkeit, so dass ein Evidenzbeweis in diesen Konstellationen zulässig sein muss. 1162 Vgl. weiterführend zu den verschiedenen Auffassungen zur dogmatischen Charakterisierung des Anscheinsbeweises – darunter auch jene früher weit verbreitete Ansicht von einer mit dem Anscheinsbeweis einhergehenden Beweislastumkehr –
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
reich der Kausalität besser von evidenter Kausalität oder einem Evidenzbeweis gesprochen werden sollte. Gleichermaßen wird deutlich, dass die prozessuale Einkleidung des materiellrechtlich-dogmatischen Problems der Kausalität im Kapitalmarktbereich durch prozessuale Hilfskonstruktionen grundsätzliche Fragen zum Verhältnis von Anforderungen des materiellen Rechts und dem diese operationalisierenden Prozessrecht aufwirft,1163 auf welche später noch explizit zurück zu kommen sein wird. Der Nachweis der Verursachung einer Außenwelteinwirkung (in der sonstigen Kausalforschung zumeist der Schaden) setzt sich zusammen aus dem Nachweis der Antecedensbedingungen (bspw. den besonderen Umständen zur Zeit der mutmaßlichen Marktmanipulation) und jener Argumentation, welche fähig ist die Prämissen mit dem Einwirkungserfolg zu verbinden.1164 Diese kann wie geschildert auch auf Indizien beruhen. Bestehen aber bei der Feststellung jener Indiztatsachen Zweifel, dürfen diese nicht ohne weiteres mit Blick auf die Formel der mit an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit vernachlässigt werden, da man bei Unterdrückung dieser Zweifel vor Vollzug der induktiven Begründung (d.h. des Schlusses vom Vorhandensein des Zusammenspiels hinreichend vieler Indizien auf die Haupttatsache) zu einer womöglich falschen Beweiskraft des Indizes käme. Erst im induktiven Schluss ist die angenommene Wahrscheinlichkeit zu würdigen. Im Endergebnis überführt demnach die induktiv-statistische Wahrscheinlichkeitsbegründung die statistische Wahrscheinlichkeit der Verursachung unter Würdigung der Güte des Erfahrungssatzes und der Sicherheit der Tatsachenfeststellung in die fragliche induktive Wahrscheinlichkeit der Verursachung.1165
Engels (1994) S. 57 ff. Korrekterweise sollte danach (S. 61) die mit einem gelungenen Anscheinsbeweis einhergehende Beweislastverschiebung nur als Umkehr der subjektiven Beweisführungslast, nicht aber der objektiven Beweislast verstanden werden. Letztere bedeutet die Risikoverteilung unter den Parteien, falls streitige Tatbestandsmerkmale endgültig ungeklärt bleiben. Im Ergebnis ordnet die zivilrechtliche Literatur wie die Rechtsprechung den Anscheinsbeweis im Rahmen der Beweiswürdigung und des Beweismaßes ein (vgl. Engels [1994] S. 205 und passim m. w. N.). 1163 Vgl. zu diesem Problem grundlegend bereits Lüderssen ZStW 85 (1973) 288 ff. 1164 Mummenhoff (1997) S. 78 [dort allerdings nicht explizit zur Kurseinwirkung, sondern generell zur Schadensherbeiführung]. 1165 Vgl. Mummenhoff (1997) S. 109. Siehe auch ähnlich Stein, in: Wolter (1995) S. 233 (245).
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2. Praxisprobleme einer Zurechnung auf der Grundlage der klassischen Zurechnungsfiguren Fast Einhelligkeit in der kapitalmarktrechtlichen Literatur besteht im Beklagen der (prognostizierbaren) erheblichen Beweisprobleme hinsichtlich des Nachweises der erfolgten Kurseinwirkung. Die einer Kursentwicklung zugrunde liegenden Faktoren sind dermaßen vielfältig und noch dazu interferierend (vgl. oben), dass sie sich regelmäßig in ihren einzelnen Wirkbeiträgen nicht voneinander differenzieren lassen können sollen.1166 Darüber hinaus kann in Zeiten globalisierter und weltweit „per Knopfdruck“ über das Internet zugänglicher Kapitalmärkte selbst in scheinbar klaren Fällen nicht ohne weiteres ausgeschlossen werden, dass ein nicht sogleich erkennbarer Faktor den Marktpreis statt der Manipulation erfolgreich beeinflusst hat.1167 Ob eine Angabe somit einen Preis tatsächlich beeinflusst hat, hängt angesichts der Informationsflut häufig von Umständen ab, die der Täter gar nicht beeinflussen kann.1168 Die Einwirkung einzelner Faktoren wird dadurch höchst fragwürdig.1169 In nahezu allen bislang geführten Strafverfahren wegen Marktmanipulation durch Ad-Hoc Mitteilungen kamen die erstatteten wirtschaftswissenschaftlichen Gutachten über die mögliche kausale Einwirkung auf den Börsenkurs zum Ergebnis, dass eine solche nicht nachweisbar sei.1170 Viele Stimmen identifizieren das Erfolgskriterium daher als „Haupthindernis“ einer wirksamen praktischen Anwendung des Straftatbestandes der Marktmanipulation.1171 Hienzsch hat in einer empirischen Studie darüber hinaus die erheblichen praktischen Vollzugsdefizite der Normen des Börsenstrafrechts auf weitere behindernde tatsächliche Umstände insbesondere im Bereich der strafverfolgenden Justiz zurückgeführt. Die vom Beispiel des Insiderhandelsverbots ausgehende Untersuchung identifiziert in ihrem kritischen Befund als Ursachen der oftmals nur „in unbefriedigender Weise“ durchgeführten Ermittlungsverfahren sowohl personelle, materielle als auch Ursachen in der Verfolgung selbst. Für erstere führt er die fehlende Norm1166 Vgl. nur Altenhain KK-WpHG § 38 Rn. 98 m. w. N.; Holzborn/Israel WM 2004, 1948, 1954; Rössner AG 2003, R16, R17; Sorgenfrei wistra 2002, 321, 329 f.; Tripmaker wistra 2002, 288, 292; Trüstedt (2004) S. 412; Waschkeit (2007) S. 284; Ziouvas/Walter WM 2002, 1483, 1487. 1167 Zur möglichen „Neutralisierung“ einer Meldung durch eine andere Möller WM 2002, 309, 316; Schröder (2007) 3. Kap. G II Rn. 565. 1168 Vgl. Schönhöft (2006), S. 160; Altenhain BB 2002, 1874, 1876. 1169 Vgl. Mantegna/Stanley (2001) S. 12. 1170 Benner, in: Volk (2006) § 22 Rn. 365. 1171 Vgl. Hellgardt ZIP 2005, 2000, 2007; siehe auch Vogel, in: Ass/Schn § 38 Rn. 52.
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akzeptanz hinsichtlich der ein wenig greifbares Rechtsgut (ebenfalls Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes) schützenden Insiderhandelsverbote, die fehlenden notwendigen wirtschaftlichen wie juristischen Spezialkenntnisse (Qualifikation) als auch das hohe Arbeitspensum auf.1172 Dazu trete die schlechte materielle (PCs, Fachliteratur zum WpHG) wie personelle Ausstattung (zu geringe Personaldecke der Staatsanwaltschaften).1173 Neben der fehlenden Rechtssicherheit durch eine obergerichtliche Rechtsprechung und dem aufgrund der oftmals schlecht wahrnehmbaren Deliktsbegehung (Verschleierung des Insiderhandels) führt daneben die hohe Verteidigungsmacht der Beschuldigten (Disparität der Mittel) zu einem von „Desinteresse und mangelnder Einsatzbereitschaft geprägte[n] Verhältnis vieler Staatsanwälte zum Insiderhandelsverbot“.1174 Ähnliche Faktoren lassen sich auch hinter dem Vollzugsdefizit für den Bereich des Marktmanipulationsrechts mit seinem Normenkonvolut im WpHG und der MaKonV, aber auch seinen vielfältigen Bezügen auf europäische Regulierungen vermuten. Die geringe Verfolgungspraxis bedingt jedenfalls ein sehr geringes Feld von Judizen, die die Norm des § 38 II WpHG strafbegründend zur Anwendung kommen ließen und damit ein entsprechend eingeschränktes spezifisches Untersuchungsfeld für die vorliegend im Fokus stehende Frage des prozessualen Umgangs mit dem Einwirkungserfordernis des § 38 II WpHG. 3. Lösungsansätze Nachfolgend werden die in der instanz- als auch höchstrichterlichen Rechtsprechung und in der rechtswissenschaftlichen Literatur zum Kausalitätsnachweis in komplexen Wirkfeldern allgemein und dem Marktmanipulationstatbestand im Speziellen vertretenen Lösungen untersucht. Diese praxisbezogene Analyse soll als Grundlage die abschließende Bewertung des Einwirkungserfordernisses nach allen zu ihm vertretenen Auslegungsweisen ermöglichen.
1172 Vgl. Hienzsch (2006) S. 125 ff., 143 und passim. Die Erweiterung der Ermittlungsbefugnisse/-möglichkeiten der BaFin mit dem AnSVG für den Insiderhandel begrüßend Koch (2005) S. 149 ff., 173 f. 1173 Vgl. Hienzsch HRRS 2006, 144, 146. 1174 Hienzsch (2006) S. 143. Vgl. hierzu instruktiv ders. HRRS 2006, 144, 145 ff.
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a) Rechtsprechung aa) Zivilrechtliche Judikatur Der Rekurs auf die allein in ihrer Zahl der Judikate weit der strafrechtlichen überlegenen zivilrechtlichen Judikatur auf dem Gebiet des Kapitalmarktrechts kann möglicherweise helfen, Lösungen für die hier wie dort anzutreffenden Schwierigkeiten des Kausalitätsnachweises in komplexen Kausalfeldern zu ergründen. Dabei soll es vorliegend nicht um eine weitestgehende Parallelisierung gehen. Diese verbietet sich abgesehen von den unterschiedlichen Verfahrensregimen von vornherein deshalb, weil Zivil- und Strafhaftung bereits unterschiedliche Maßstäbe hinsichtlich der Individualisierung des rechtsgutsverletzenden/-gefährdenden Verhaltens als Ursache und dem Verletzungserfolg als Wirkung stellen.1175 Dies gilt insbesondere für den Vergleich einer dem Schutz eines Kollektivrechtsguts dienenden Strafvorschrift, welche den – nach herrschender Ansicht – tatbestandlichen Erfolg an ein der Individualspähre entzogenes Makroereignis „Marktpreiseinwirkung“ knüpft, und einer zivilrechtlichen Haftungsnorm, die die Identität von Verletztem und Anspruchsinhaber voraussetzt. Dennoch lassen auch die zivilrechtlichen Judize zur Kausalität im Bereich der Kapitalmarkthaftung Erkenntnisse für den strafrechtlichen prozessualen Umgang mit Kausalitätsfragen insoweit erwarten, als sie sich mit Kausalbeziehungen im Kapitalmarkt auseinandersetzen. Die Probleme der Kausalität einer Ursache für ein bestimmtes Ereignis können dabei in zivilrechtlichen Verfahren sowohl auf haftungsbegründender (Zusammenhang zwischen tatbestandlicher Handlung und Verletzung des geschützten Interesses) wie auf haftungsausfüllender Seite (Zusammenhang zwischen dem Haftungsgrund und dem eingetretenen Schaden) Bedeutung erlangen. Die sorgsame Differenzierung nach dem jeweils behandelten Kontext gebietet bereits das zwischen beiden Konstellationen unterscheidende Beweismaß: für die Frage des Haftungsgrundes besitzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs § 286 ZPO Geltung, der den Nachweis des Haftungsgrundes strengen Anforderungen unterlegt, während der Tatrichter bei der Ermittlung des der haftungsausfüllenden Kausalität nach Maßgabe des § 287 ZPO freier gestellt ist.1176 In der zivilrechtlichen Lite1175
Vgl. ebenso für das Produkthaftungsrecht Kuhlen (1989) S. 58 ff. Vgl. etwa BGH, Urteil vom 4. November 2003 – VI ZR 28/03; vom 24. Juni 1986 – VI ZR 21/85 – VersR 1986, 1121, 1122 f.; vom 21. Oktober 1986 – VI ZR 15/85 = VersR 1987, 310; vom 21. Juli 1998 – VI ZR 15/98 = VersR 1998, 1153, 1154. Auch die herrschende Lehre befürwortet diese Beweismaßreduktion im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität, vgl. hierzu m. w. N. H. Weber (1997) S. 63 f. m. w. N. 1176
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ratur werden dagegen Ansichten vertreten, die entweder unter Abstellen auf die Gefährdung der Rechtsgüter des Geschädigten durch den Schädiger und die von diesem letztlich veranlassten Beweisschwierigkeiten § 287 ZPO auch im Bereich der Feststellung der haftungsbegründenden Kausalität anwenden wollen oder in Fällen feststehender Tatbewertung als schuldhaft ein Beweismaßreduktion für gerechtfertigt halten.1177 Dem ist mit der herrschenden Meinung1178 nicht zu folgen. Diese Stimmen laufen auf eine Haftung des Schädigers „für eine nur möglicherweise von ihm verursachte Rechtsgutsverletzung in Kauf und dehnen damit seine Haftung ohne gesetzliche Grundlage zu weit aus. Erst wenn eine vom Schädiger verursachte Primärverletzung feststeht, ist es gerechtfertigt, den Richter hinsichtlich der Feststellung der Schadensfolgen auf Wahrscheinlichkeitserwägungen zu verweisen.“1179 Im Folgenden sollen allein die kapitalmarktrechtlichen Judikate der kritischen Analyse hinsichtlich ihres Umgehens mit den spezifischen Problemen des Nachweises von Kausalität im Bereich des Kapitalmarktes unterliegen. (1) Fraud-on-the-market theory des US-amerikanischen Kapitalmarktrechtes Dem Problem des Nachweises des direkten Zusammenhanges zwischen Fehlinformation des Marktes (= informationsgestützte Manipulation) und Anlageentscheidung des möglicherweise dadurch geschädigten Anlegers versucht die im US-amerikanischen Kapitalmarktrecht inzwischen fest verankerte fraud-on-the-market theory dadurch aus dem Weg zu gehen, als sie es genügen lassen will, dass der Investor auf Grundlage eines falschen Marktpreises gehandelt hat,1180 der in einem entwickelten Kapitalmarkt alle zur Verfügung stehenden Informationen vollständig verarbeitet hat.1181 1177
Vgl. hierzu die Darstellung bei H. Weber (1997) S. 56 f. m. w. N. Vgl. zur Rspr Fn. 1176, zur hLit nur Zöller-Greger ZPO (27. Aufl. 2009), § 287 Rn. 3 m. w. N.; Stein/Jonas-Leipold ZPO (22. Aufl. 2008) § 287 Rn. 13 ff.; vgl. auch Prütting MK-ZPO (3. Aufl. 2008), § 286 Rn. 47, § 287 Rn. 10 ff. 1179 BGH NJW 2004, 777, 779. 1180 Vgl. hierzu und für eine Darstellung der Supreme Court Entscheidung vorgehenden Jahre steter Ungewissheit über die erforderlichen Beweistatsachen in den Untergerichten Fox, The Business Lawyer, 60 (2005) S. 507, 508 ff. 1181 Grundlegend für die Anerkennung dieser Theorie ist die zur SEC Rule 10b-5 ergangene Entscheidung des U.S. Supreme Court Basic v. Levinson, 485 U.S. 224 (1988) S. 241 f.: „The fraud on the market theory is based on the hypothesis that, in an open and developed securities market, the price of a company’s stock is determined by the available material information regarding the company and its business. [. . .] Misleading statements will therefore [S. 242] defraud purchasers of stock even if the purchasers do not directly rely on the misstatements. [. . .] The causal con1178
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Nicht erforderlich ist also der Nachweis, dass der Anleger seine Transaktionsentscheidung aufgrund der Manipulation, d.h. unter persönlicher Kenntnis der Manipulation, getätigt hat.1182 Das Vertrauen in die Integrität des Marktes soll hier den häufig sehr schwer zu führenden individuellen Vertrauensnachweis ersetzen.1183 Der Bundesgerichtshof in Zivilsachen will sich jener dem traditionellen deutschen Deliktsrecht fremden Theorie mit dem Argument nicht anschließen, die Anwendung ihrer Grundsätze vermittle die „Gefahr einer uferlosen Ausweitung des ohnehin offenen Haftungstatbestandes der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung auf diesem Gebiet.“1184 Für den hier interessierenden Kontext ist ungeachtet der ohnehin zu berücksichtigenden Unterschiede zwischen Zivilhaftungs- und Strafrecht zu bemerken, dass die fraud-on-the-market-theory des US-amerikanischen Haftungsrechts ihren richtigen und für den hier behandelten Kontext transitiven Ausgangspunkt darin hat, dass es bei marktmanipulativen Verhaltensweisen um eine Irreführung des Gesamtmarktes geht. Allerdings verkürzt diese Ende der 80er Jahre aufgekommene Doktrin1185 das Problem durch ihren Rekurs auf die Markteffizienztheorie vorschnell. Sie eignet sich dadurch im Lichte obiger Erkenntnisse zu Behavioral Finance und Markteffizienztheorem nur für eine zivilrechtliche Haftungskonstruktion, die an bloße Gefährdungen bzw. Wahrscheinlichkeiten anknüpft (probabilistische Zurechnung), nection between the defendants’ fraud and the plaintiffs’ purchase of stock in such a case is no less significant than in a case of direct reliance on misrepresentations.“ Für eine Legitimation dieser Theorie (auch auf Grundlage einer ökonomischen Analyse des Rechts zum Schutz der im Sinne der Wohlfahrtsökonomie für Effizienz sorgenden information traders) Goshen/Parchomovsky Duke L.J. 55 (2006) S. 711, 781 f. 1182 Fleischer (Gutachten 2002), F105 will den Verzicht auf die konkrete Kausalität international bereits als „kapitalmarktrechtlichen Standard“ erkannt haben. 1183 Vgl. so prägnant Fleischer (Gutachten 2002), F105. 1184 BGH BKR 2008, 35 [35]. Vgl. zuvor bereits zur ständigen Rechtsprechung BGHZ 160, 134 – Infomatec; BGH Urt. v. 9.5.2005 – II ZR 287/02, ZIP 2005, 1270 – EMTV; BGH Urt. v. 28.11.2005 – Comroad I, WM 2007, 683; BGH Beschluß v. 28.11.2005 – II ZR 246/04 – BGH BKR 2008, 35; BGH Urt v. 28.112005 – Comroad II, WM 2007, 684; BGH Urt. v. 26.6.2006 – Comroad III, WM 2007, 486; BGH Urt. v. 4.6.2007 – II ZR 147/05 – Comroad IV, BGH WM 2007, 1557, 1558; sowie zuletzt BGH, Urteil vom 3.3.2008 – II ZR 310/06 – Comroad VIII, NZG 2008, 387 (siehe zu diesen Entscheidungen auch 3. Kapitel § 2 B. IV. 3. a) aa) (2)). 1185 Vgl. zu dieser rechtsvergleichend mit sehr funktionaler Betrachtungsweise Duffy Melb. U. L. Review 29 (2005) 621 ff. für einen Vergleich zwischen den USA, Canada und Australien. Siehe ferner (nach rechtsvergleichender Analyse) Steinhauer (1999) S. 269 f., der für einen Übertrag entsprechender Markteffizienzerwägungen im Rahmen der Kausalität ins deutsche Haftungsrecht plädiert.
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nicht aber für klassische Kausalitätslehren im strafrechtlichen Kontext. Sie zeigt prima facie bereits wenig mögliche Parallelen zur hier untersuchten Kausalität zwischen Manipulationshandlung und Anlegerverhalten der Mikroebene als Ursache emergenter Makroebenen-Erscheinungen auf, wenn sie den Bogen stattdessen allein von der Manipulationshandlung zur Makroebene spannt und anschließend dem Anleger auf der Mikroebene den Beweis einer Kausalität der Manipulation für seinen individuellen Schaden dadurch abnimmt, dass es lediglich darauf ankommen solle, dass der Investor aufgrund des falschen Marktpreises gehandelt hat.1186 Vorliegend geht es aber gerade darum, wie dieser falsche Marktpreis zustande kommt. Soweit die fraud-on-the-market theory allerdings in ihrem Vorverständnis die Vermutung der Markteffizienz aufstellt, lässt ihre Ablehnung durch den BGH in Zivilsachen zumindest Rückschlüsse dahingehend zu, dass der BGH diese Theorie im Rahmen der Haftungsbegründung abschlägig beurteilt. Eine strenge Gesetzmäßigkeiten folgende Entwicklung des Marktpreises nach einer bestimmten Manipulation i. S. einer reinen Markteffizienztheorie zu unterstellen – wie es die fraud-on-the-market-theory impliziert –, kann heute gewissenhaft nach der hier vertretenen Auffassung nicht mehr vertreten werden.1187 Darüber hinaus verbietet sich eine Anwendung strafrechtssystematisch, nachdem sie zum einen praktisch die Streichung des Tatbestandsmerkmals der Preiseinwirkung und zum anderen wegen der Implementierung der Markteffizienztheorie eine Beweislastumkehr zu Lasten des Manipulanten bedeuten würde.1188
1186 Ohne ein Anknüpfen an die Markteffizienztheorie würde sich ein entsprechendes Haftungskonstrukt, für das es einzig darauf ankommt, „ob sich die in Rede stehende Informationspflichtverletzung auf den Marktpreis ausgewirkt und der Anleger dementsprehend zu einem künstlich verzerrten Preis gehandelt hat“ (Sauer ZBB 2005, 24, 30), ansonsten wenn nicht zirkulär bewegen, so doch zumindest den gleichen Problemen eines individuellen Nachweises psychischer Kausalität ausgesetzt sehen. 1187 Ebenso kritisch für das zivilrechtliche Haftungsrecht Spindler WM 2004, 2089, 2093 u. 2097 m. w. N. Inwieweit es sich auf zivilrechtlicher Ebene anböte, einem strengen Kausalhaftungsregime zugunsten einer Vermutungshaftung gleichkommenden Tatbestandsstruktur den Rücken zu kehren, muss an dieser Stelle offen bleiben, wo es allein um die de lege lata verlangte Zurechnung im strafrechtlichen Bereich gehen soll. Vgl. hierzu aber die Ausführungen zu §§ 37b, c WpHG unten 3. Kapitel § 2 B. IV. 3. a) aa) (3). 1188 Ebenso Schönhöft (2006) S. 163.
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(2) Konkrete haftungsbegründende Kausalität zwischen informationsgestützter Manipulation und Anlageentscheidung Das OLG München1189 sah in Übereinstimmung mit der Vorinstanz, dem LG Augsburg,1190 mit der glaubhaften und glaubwürdigen Zeugenaussage, die den Kaufentschluss als von der fehlerhaften Ad-Hoc-Meldung motiviert beschrieben hatte, den Nachweis einer haftungsbegründenden Kausalität zwischen fehlerhafter Ad-Hoc als vorsätzlich sittenwidriger Handlung1191 (und damit einem i. S. d. § 20a I 1 Nr. 1 WpHG tatbestandsmäßigen Verhalten) und der Transaktionsentscheidung als erbracht an. Zur haftungsausfüllenden Kausalität (also dem Zusammenhang zwischen tatbestandsmäßiger Handlung und Schaden) gelangte das Gericht wegen einer Ablehnung der übrigen Tatbestandsvoraussetzungen nur in einem obiter dictum, nach dem für den Wert einer Aktienbeteiligung nicht auf den Börsenkurs wegen dessen Beeinflussung durch Spekulation oder sonstige, nicht wertbezogene Faktoren abgestellt werden dürfe, sondern der wahre Unternehmenswert ausschlaggebend sei.1192 Zu einem Einwirkungserfolg finden sich dementsprechend keine Ausführungen in dieser Entscheidung. Der Bundesgerichtshof judizierte in sein obiges Urteil des OLG München aufhebenden Entscheidung1193 unter anderem zum Komplex des Nachwei1189 OLG München vom 1.10.2002 – 30 U 855/01 – Infomatec I, BKR 2002, 1096, 1099 (=NZG 2002, 1107; auch ZIP 2002, 1989; NJW 2003, 144; BB 2002, 2409; WM 2003, 70). 1190 LG Augsburg vom 24.9.2001 – 3 O 4995/00, WM 2001, 1944 (= ZIP 2001, 1881; BB 2001, 2130; DB 2001, 2334; NJW-RR 2001, 1705; BKR 2001, 99; NZG 2002, 429). 1191 Zur Verneinung des Schutzgesetzcharakters i. S. d. § 823 II BGB siehe bereits oben 2. Kapitel § 2 A. II. Das LG Berlin (14. Große Strafkammer) hat mit seinem Beschluss vom 20.5.2008, 514 AR 1/07 (= LG Berlin WM 2008, 1470 ff.) zwischenzeitlich (im Rahmen der Frage nach der Verletzteneigenschaft i. S. d. § 406e StPO mutmaßlich geschädigter Anleger) als erstes Gericht offenbart, dass es neben der höchstrichterlich anerkannten persönlichen Haftung aus § 826 BGB von Mitgliedern des Vorstands einer Aktiengesellschaft für vorsätzlich fehlerhafte Ad-hoc-Mitteilungen (BGH Urteil vom 19. Juli 2004, II ZR 217/03 = BGH NJW 2004, 2668) und somit für Fälle des § 38 Abs. 2 i. V. m. § 39 Abs. 2 Nr. 11 i. V. m. § 20a Abs. 1 Nr. 1 WpHG eine solche auch in den Fällen des § 38 Abs. 2 i. V. m. § 39 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 20a Abs. 1 Nr. 3 WpHG (sonstige Täuschungshandlung; hier Scalping) anerkennen will. Zur Zurückhaltung bei der Gewährung von Akteneinsicht an Kapitalanleger in Strafverfahren wegen verbotener Marktmanipulation ermahnt dagegen Krause FS Widmaier (2008) S. 639, 648 ff., 661 unter Hinweis auf die unsichere Rechtslage bei der Anwendung des § 826 BGB auf Manipulationsfälle. 1192 OLG München BKR 2002, 1096, 1100 unter Verweis auf BGH, NJW 1982, 2823, 2827, das einen Schaden i. R. einer Haftung nach §§ 823 II BGB, 263 StGB damit ablehnte.
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ses der haftungsbegründenden Kausalität, die Anlageentscheidung eines potentiellen Aktienerwerbers sei ein durch vielfältige rationale und irrationale Faktoren, insbesondere teils durch spekulative Elemente beeinflusster, sinnlich nicht wahrnehmbarer individueller Willensentschluss, so dass es bei derartigen individuell geprägten Willensentschlüssen grundsätzlich keinen Anscheinsbeweis für sicher bestimmbare Verhaltensweisen von Menschen in bestimmten Lebenslagen oder typische Geschehensabläufe geben könne.1194 In seiner weiteren Entscheidung1195 im gleichen Kontext festigte der Bundesgerichtshof die eingeschlagene Linie, indem er präzisierte, dass trotz der in aller Regel vorfindlichen Schwierigkeiten, den Beweis der Ursächlichkeit unrichtiger Publizität für die vom Anleger getroffene Anlageentscheidung auf dem primären wie dem sekundären Kapitalmarkt zu führen, die für den speziellen Bereich der Emissionsprospekthaftung nach dem Börsengesetz alter Fassung (= §§ 45 ff. BörsG i. d. F. des 2. Finanzmarktförderungsgesetzes – FFG – v. 26.7.1994, BGBl I 1994, 1749) [also dem Primärmarkt] entwickelte Figur einer Anlagestimmung nicht anzuwenden sei. Nach dieser Rechtsprechung wurde zu Gunsten des Anlegers davon ausgegangen, dass der Emissionsprospekt die Einschätzung des Wertpapiers in Fachkreisen mitbestimmt und damit beim Publikum eine so genannte Anlagestimmung erzeugt, welche der Anleger dann – ohne individuelle Kenntnis des Prospekts – nach Art einer tatsächlichen Vermutung für den Kausalzusammenhang zwischen den Fehlern im Prospekt und dem eigenen Kaufentschluss für sich gelten lassen konnte.1196 Dagegen sei nach der Infomatec-Rechtsprechung1197 eine Ad-hoc-Mitteilung anders als ein Börsenzulassungsprospekt in der Regel weder dazu bestimmt noch dazu geeignet, über alle anlagerelevanten Umstände des Unternehmens vollumfänglich zu informieren, sondern informiere lediglich ausschnittartig über wesentliche aktuelle, neue Tatsachen aus dem Unternehmensbereich. Auch wenn sich im 1193 So bejahte der Bundesgereichtshof anders als die Vorinstanz im Ergebnis eine Haftung aus § 826 BGB. 1194 BGH Urteil vom 19.7.2004 – II ZR 402/02, BGHZ 160, 134, 144 ff. (= BGH NJW 2004, 2971 = WM 2004, 1731 m. w. N. – Infomatec I). Bestätigt zuletzt durch BGH vom 22.11.2005 – II ZR 246/04 (= BGH BKR 2008, 35 = BB 2007, 960); siehe gleichermaßen und sehr instruktiv OLG Stuttgart WM 2006, 616, 618 f.; vgl. bereits zuvor ebenso Rützel AG 2003, 69, 74; Rössner/Bolkart WM 2003, 953, 956. 1195 BGH Urteil vom 19.7.2004 – II ZR 218/03 (= NJW 2004, 2664, 2666 – Infomatec IV) unter Verweis auf BGHZ 100, 214 [216] = NJW 1987, 1944; vgl. auch BGHZ 123, 311 [315, 316 f.] = NJW 1993, 3259. 1196 Vgl. BGH Urt. v. 11.7.1998, BGHZ 139, 225, [233] (= BGH NJW 1998, 3345). 1197 Vgl. hierzu und im Folgenden BGH NJW 2004, 2664, 2667.
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Einzelfall je nach Tragweite der Information eine regelrechte Anlagestimmung für den Erwerb von Aktien entwickeln könne, lassen sich zur genauen Dauer einer solchen denkbaren Anlagestimmung wenig verlässliche, verallgemeinerungsfähige Erfahrungssätze aufstellen. Jedenfalls dürfte sie enden, wenn im Laufe der Zeit andere Faktoren für die Einschätzung des Wertpapiers bestimmend würden, wie eine wesentliche Änderung des Börsenindex, der Konjunktureinschätzung oder auch neue Unternehmensdaten. Insgesamt reiche dies aber angesichts der „vielfältigen kursbeeinflussenden Faktoren des Kapitalmarkts einerseits und der Uneinheitlichkeit der individuellen Willensentscheidungen der einzelnen Marktteilnehmer andererseits nicht aus, um für die Dauer solcher Anlagestimmungen als Folge von Ad hoc-Mitteilungen eine ‚an der Typik auszurichtende, durch wissenschaftliches Experiment oder vielfache Beobachtung und ständige Erfahrung des täglichen Lebens bestätigte und darum besonders überzeugungskräftige Wahrscheinlichkeit‘ [. . .] wie für einen Anscheinsbeweis erforderlich – anzunehmen. Bei der Beurteilung, wie lange eine Anlagestimmung etwa von einer Ad-hoc-Mitteilung ausgehen kann, verbietet sich danach jede schematische, an einen bestimmten, festen Zeitraum angelehnte Betrachtungsweise.“1198 Anders als im Rahmen der Prospekthaftung (dort §§ 45 ff. BörsG) existiere gerade auch kein gesetzlich verankerter Anknüpfungspunkt für einen Beobachtungszeitraum. Fortentwicklung fand diese Rechtsprechung mit der Entscheidung in Sachen EM.TV1199, die sich jenen Postulaten auf der haftungsbegründenden Tatbestandsseite anschloss, gleichermaßen aber auf der Rechtsfolgenseite für die Ermittlung des konkreten Schadens nach der Differenzhypothese hypothetische Kausalitätsbetrachtungen für den Fall pflichtgemäßen Publizitätsverhalten auch im Kapitalmarkt als möglich postulierte. „Selbst wenn [. . .] Kursbewegungen niemals monokausal sind [. . .], so besteht doch in der herrschenden Meinung der Literatur Übereinstimmung, dass sich trotz aller Schwierigkeiten der hypothetische Transaktionspreis [für den Fall pflichtgemäßen Publizitätsverhalten; Anm. d. Verf.] mit den Methoden der modernen Finanzwissenschaft durchaus mit der erforderlichen Sicherheit errechnen lässt, um – gegebenenfalls mit Hilfe eines Sachverständigen – zumindest eine richterliche Schadensschätzung gem. § 287 ZPO zu ermöglichen.“1200 Der Bundesgerichtshof hebt somit allein für die haftungsausfüllende Kausalität und dort als Grundlage einer Schätzung auf die Markteffi1198 BGH NJW 2004, 2664, 2667. Eine entsprechende Ablehnung des Rückgriffs auf die Figur der Anlagestimmung fand sich bereits in OLG München NZG 2002, 1111, 1112 („Infomatec II“). 1199 Urt. v. 9.5.2005 – II ZR 287/02, NJW 2005, 2450 (= NZG 2005, 672 = ZIP 2005, 1270 – EM.TV). 1200 BGH NJW 2005, 2450 [2453 f.].
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zienztheorie ab, ohne sich hierbei im Übrigen mit möglichen Marktanomalien und den Erkenntnissen der Behavioral Finance auseinanderzusetzen. In diesem Zusammenhang kann in Fällen fehlerhafter oder unterlassener AdHoc-Meldungen die Marktreaktion (und damit der spätere Kurs) nach der Richtigstellung bzw. erstmaligen Veröffentlichung der Information Indizwert für die Berechnung der Schadenshöhe besitzen.1201 Auch die Entscheidungen in Sachen Comroad1202 verlangen für die haftungsbegründende Kausalität grundsätzlich den Nachweis einer konkreten Kausalität der Pflichtverletzung für den Willensentschluss des Anlegers. Weder der Verweis auf die allgemeine Marktsituation könne für den konkreten Kausalitätsnachweis genügen, noch reiche in den Fällen einer extrem unseriösen Kapitalmarktinformation das dadurch hervorgerufene Vertrauen des potentiellen Anlegers in die Richtigkeit allgemeiner Informationen des Emittenten und der daraus resultierende Glaube an die wirtschaftliche Substanz und den langfristigen Erfolg des Unternehmens zur Bejahung der haftungsbegründenden Kausalität.1203 Eine ohnehin nur ausnahmsweise anzunehmende Anlagestimmung durch Ad-Hoc-Meldungen könne nur durch konkrete Anknüpfungstatsachen belegt sowie anhand fundierter markttechnischer Analysen und einer entsprechenden Einordnung der Entwicklung der jeweiligen Aktie mittels der Einholung eines Sachverständigengutachtens (bzw. nach notwendiger Darlegung der eigenen Fachkunde des Gerichts) abgeleitet werden.1204 1201 BGH NJW 2005, 2450 [2454] zum Rückgriff auf diese „Hilfsgrösse“; zuvor bereits Fleischer BB 2002, 1869, 1872. Für den Straftatbestand des § 38 Abs. 2 WpHG kommt es demgegenüber nicht darauf an, zu welchem hypothetischen Börsenpreis das Finanzinstrument bei pflichtgemäßer Informationspolitik notiert hätte, da die Feststellung ausreicht, dass es zu einem nicht nur geringfügig anderen Kurs gehandelt worden wäre (vgl. Hellgardt ZIP 2005, 2000, 2003 m. w. N.). 1202 Vgl. hierzu zuletzt die Urteile BGH, Urteil vom 7.1.2008 – II ZR 229/05 – Comroad VI = BGH NZG 2008, 382, 384; gleichlautend in der entsprechenden Passage (weshalb vom nochmaligen Abdruck in der NZG-Fundstelle abgesehen wurde) BGH, Urteil vom 7.1.2008 – II ZR 68/06 – Comroad VII = BGH NZG 2008, 385 = WM 2008, 398 und BGH, BGH, Urteil vom 3.3.2008 – II ZR 310/06 – Comroad VIII = NZG 2008, 386, 387 mit Bezug auf die ständige Rechtsprechung seit Infomatec I, EM.TV (s. o.) und allen weiteren Comroad Urteilen. Die strafrechtliche Abwicklung des Comroad Falles geschah u. a. mit dem Urteil gegen den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Bodo Schnabel durch das LG München I, Urteil vom 21.11.2002 – 6 KLs 305 Js 34066/02 durch das dieser wegen Kursbetruges in 17 Fällen und des verbotenen Insiderhandels in 22 Fällen, in 3 Fällen in Tateinheit mit Betrug, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Jahren verurteilt wurde. Nachdem § 88 BörsG a. F. allerding noch kein Einwirkungserfordernis kannte, enthält dieses Urteil – bis auf die Behauptung einer Beeinflussung (vgl. dort S. 18 [im insoweit unveröffentlichten Urteil]) – entsprechend keinerlei Ausführungen zur entsprechenden Beweiswürdigung. 1203 St. Rspr.; vgl. BGH Urt. v. 4.6.2007 – II ZR 147/05 – Comroad IV, BGH WM 2007, 1557, 1558 sowie zuletzt BGH NZG 2008, 386, 387 – Comroad VIII.
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Der Bundesgerichtshof verlangt somit als Grundlage der Feststellung der konkreten Kausalität eine detaillierte Motivationsanalyse, bezeichnet es das Gericht doch als „den – unzureichenden – allgemeinen Rahmen“ einer Beweisführung nicht verlassend, wenn der klagende Anleger, als Partei vernommen, lediglich angebe, dass er bei seinen Anlageentscheidungen „der allgemeinen Linie gefolgt“ sei und die Aktie nicht erworben hätte, wenn er das Ausmaß der Täuschungen durch den Vorstand des beklagten Emittenten gekannt hätte.1205 Stattdessen müssten die Gerichte den Anleger zu weiteren maßgeblichen Punkten seiner Willensentschlüsse vernehmen bzw. solche auch in ihre Beweiswürdigung einbeziehen.1206 Besonderen Sprengstoff bergen diese Entscheidungen allein für das Zivilrecht insofern, als den möglicherweise geschädigten Anlegern auf diese Weise nahezu jedwede Möglichkeit eines Beweises abgeschnitten wird, da ihre zum Beweis der Motivationsursächlichkeit nötige Parteieinvernahme nach § 447 ZPO am entgegenstehenden Willen der Beklagten scheitert und darüber hinaus die Voraussetzung einer Parteieinvernahme von Amts wegen nach § 448 ZPO, jene auf Grund einer vorausgegangenen Beweisaufnahme oder des sonstigen Verhandlungsinhalts wenigstens bestehende gewisse Wahrscheinlichkeit für die zu beweisende Tatsache (bereits erbrachter „einiger Beweis“ (sog. Anfangsbeweis))1207, schlechterdings in den seltensten Fällen erbringbar sein dürfte. Für den Strafprozess stellen sich diese Probleme indes nicht, da die Einvernahme des (evtl. geschädigten) Anlegers als Zeugen nicht an den besonderen Anforderungen eines zivilprozessual vorfindlichen kontradiktorischen Verfahrens hängt.
1204
Vgl. BGH WM 2007, 1557, 1558 – Comroad IV. Gänzlich gegen die Möglichkeit der Annahme einer Anlagestimmung im Sekundärmarktbereich Sauer ZBB 2005, 24, 28; Veil ZHR 2003, 365, 382 f.; zum (nur für § 37c WpHG bejahten) Einbezug der für die Prospekthaftung bei Primärmarktgeschäften entwickelten Figur einer Anlagestimmung als Beweiserleichterung auch im Rahmen der Schadensermittlung bei §§ 37b, c WpHG Möllers/Leisch BKR 2002, 1071, 1077; Zum Einbezug der Figur einer Anlagestimmung bereits bei § 826 BGB ausführlich (und bejahend) Möllers/Leisch WM 2001, 1648, 1657 ff.; wohl auch Fleischer Gutachten F für den 64. DJT, S. 102; vorsichtiger Fleischer/Kalss AG 2002, 329, 333. 1205 Vgl. BGH WM 2007, 1557, 1559 – Comroad IV. Letzter Teil entspräche einer (vom Gericht für psychische Kausationen wohl als unzureichend empfundenen) Anwendung der Conditio-Formel. 1206 Vgl. BGH WM 2007, 1560, 1562 – Comroad V. Siehe auch OLG München Urteil vom 24.5.2006 – 15 U 3958/05 – ZIP 2006, 1247 f. (zur Vernehmung des Anlegers als Partei zur Kausalität). 1207 BGH NJW 2004, 2664, 2667 unter Verweis auf die ständige Rechtsprechung; vgl. hierzu z. B. BGH NJW 1989, 3222, 3223.
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(3) Stellungnahme Die zivilrechtliche Judikatur zeichnet sich durch die Besonderheit ihrer Differenzierung zwischen den Anforderungen im Beweis der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität aus. Für den Nachweis der individuellen haftungsbegründenden Kausierung der Anlageentscheidung des Geschädigten durch die informationsgestützte Manipulationshandlung wollen die Gerichte den auf die Erkenntnisse der Markteffizienztheorie gestützten Anscheinsbeweis nicht zulassen, sondern dessen Anwendung im Rahmen des § 287 ZPO allein auf die haftungsausfüllende Kausalität limitieren. Auch wenn diese Rechtsprechung allein prozessrechtlich zu befürworten ist, vermag sie wegen der sich durch sie stellenden erheblichen Beweisnot geschädigter Anleger rechtspolitisch in Zeiten der haftungsrechtlichen Stärkung des Anlegerschutzes nur nochmals die Wichtigkeit entsprechender materieller Korrekturen in Form entsprechender Vertrauenshaftungsnormen unterstreichen, wie sie zwischenzeitlich partiell durch die Emittentenhaftung für schuldhaft unterlassene bzw. fehlerhafte Insiderinformationen, §§ 37a und 37b WpHG, eingeführt wurden und welche gerade keinen Kausalitätsnachweis zwischen der informationsgestützten Manipulation und der Transaktionsentscheidung verlangen.1208 Ein grundsätzlicher Transfer der zur haftungsbegründenden Kausalität ergangenen Postulate auch auf den strafrechtlichen Zurechnungskonnex verbietet sich allein deshalb, da es bei den in obiger zivilrechtlicher Judikatur behandelten Kausalitätsfragen in erster Linie um die Kausierung individueller Transaktionsentscheidungen und nicht allein um den potentiellen und durch viele Mikroebenentransaktionen kausierbaren Makroeffekt „Marktpreis“ ging, wie er im Mittelpunkt der strafrechtlichen Zurechnungsprobleme steht.1209 Dennoch lassen die Formulierungen aufhorchen, die neben der Absage an die modellhafte fraud-on-the-market-Konstruktion zur Vermeidung einer ausufernden Haftung1210 den jeder Transaktion zugrunde liegenden und damit Marktpreis konstitutiven, „durch vielfältige rationale und irrationale Fak1208 Vgl. hierzu Zimmer, in: Schwark (3. Aufl. 2004) WpHG § 37c Rn. 5, der durch §§ 37b, c WpHG den Schutz des Vertrauens der Anleger in das ordnungsgemäße und d.h. auch semi-informationseffiziente, aber von fehlenden oder fehlerhaften Ad-Hoc-Meldungen unbeeinflusste Zustandekommen der Kurse verwirklicht sehen will. 1209 Durch § 826 BGB geschützt sei allein die „Integrität der Willensentschließung des [individuellen] potenziellen Anlegers vor einer unlauteren irreführenden Beeinträchtigung durch falsche Prospekt- oder Ad-hoc-Publizität“ (BGH NZG 2008, 386, 387 – Comroad VIII), weshalb es allein auf den Nachweis der konkreten Kausalität der fehlerhaften Ad-Hoc für den Willensentschluss ankomme. 1210 Vgl. zu dieser in st. Rspr. auftauchenden Begründung zuletzt BGH NZG 2008, 386, 387 (Comroad VIII).
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toren, insbesondere teils durch spekulative Elemente beeinflussten, sinnlich nicht wahrnehmbaren individuellen Willensentschluss“ hervorheben. Der Bundesgerichtshof setzt damit seine Tradition einer steten und strikten Ablehnung fort, den Anscheinsbeweis für die Feststellung individueller Willensentschlüsse zu verwenden.1211 Für die weitere strafrechtliche Analyse bedeutsam bleibt damit, dass sich nach der zivilrechtlichen Judikatur jedenfalls für den haftungsbegründenden Bereich – soweit es um individuelle Willensentschlüsse geht – ein Rückgriff auf Beweiserleichterungen wie die des Anscheinsbeweises auch im Kapitalmarktbereich verbieten soll. Auch der weitgehend abgelehnte Rückgriff auf die prospekthaftungsrechtliche Figur einer Anlagestimmung ist zu begrüßen, zumal fraglich sein dürfte, an welchen Anknüpfungspunkt eine derartige Anlagestimmung positiv knüpfen sollte, wenn – forensisch häufig anzutreffen – eine Unternehmensmeldung pflichtwidrig gerade unterlassen wurde.1212 Gleichzeitig lässt die Ablehnung schematischer Lösungen für die Konturierung von Beobachtungszeiträumen nach einer Ad-Hoc-Meldung aufhorchen, können doch mit einer entsprechenden Argumentation auch solche Lösungsvorschläge angegriffen werden, die schematisch bestimmte Zeitfenster für die Feststellung einer Kurseinwirkung einbeziehen. Schließlich zeigt die gesetzliche Konstituierung von speziellen Haftungstatbeständen, die ausdrücklich auf einen Kausalitätskonnex zwischen (Nicht-)Information und Anlegerverhalten verzichten, dass dem offenbar als solchem erkannten prozessual wie materiell schwierigen Problem des Nachweises von Kausalitäten im Bereich des Kapitalmarkthaftungsrechts mithilfe einer gesetzlichen Vermutung der stets funktionierenden Semi-Informationseffizienz des Kapitalmarktes1213 begegnet werden sollte.1214 Der darin zum Ausdruck kommende Verzicht auf das haftungsbegründende Erfordernis einer Kausalität zugunsten einer letztlich nach strafrechtlicher Dogmatik probabilistischen Ansätzen gleichkommenden Vermutung ist insofern weder zivilrechtsdogmatisch noch rechtspolitisch zu kritisieren, als er ausdrücklich durch Erlass entsprechender gesetzlicher Vorschriften erfolgte.
1211
Vgl. hierzu bereits m. w. N. Volk GA 1973, 161, 162. Vgl. Sauer ZBB 2005, 24, 28 und darüber hinaus Veil ZHR 2003, 365, 382 f., der die gesamte Rechtsprechung zur Anlagestimmung als überhaupt nicht argumentativ abgesichert ansieht. 1213 Vgl. so ausdrücklich zum Haftungskonzept der §§ 37b, c WpHG Zimmer, in: Schwark (3. Aufl. 2004) § 37c WpHG Rn. 5. 1214 Vgl. hierzu die Begr. RegE, 4. FFG, BTDrucks. 14/8017, S. 64, 93 („unzureichender“ bisheriger Schutz); Fenchel DStR 2002, 1355, 1359; Zimmer, in: Schwark (3. Aufl. 2004) § 37c WpHG Rn. 2 m. w. N. 1212
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
bb) Strafrechtliche Judikatur (1) Instanzgerichte Nach dem LG München I1215 müsse eine Kurs(mit)beeinflussung der Manipulationshandlung (hier die Bekanntgabe bewusst unrichtiger Halbjahreszahlen) positiv festgestellt werden. Es verlangte in einem obiter dictum für den diesbezüglichen Beweis die Ermittlung und Befragung der Anleger, deren ausgeführte Transaktionsentscheidungen nachweisbar Einfluss auf den Börsen- oder Marktpreis gehabt haben, da nur durch diese eine nachvollziehbare Kausalkette spannbar sei zwischen der informationsgestützten Manipulation (auch unterlassene Ad-Hoc) und den getätigten, letztlich kurswirksamen Anlagedispositionen. Folglich müsse eine Kurs(mit)beeinflussung positiv festgestellt werden. Dabei seien die verschiedensten Marktmechanismen und insbesondere die Funktion der Designated Sponsors am Neuen Markt zu berücksichtigen, so dass der Wegfall einer bestimmten Einzelfestsetzung nicht zwangsläufig eine Auswirkung auf den Kurs insgesamt haben müsse.1216 Das Gericht will den Kausalitätsnachweis demnach anhand der konkreten Motivation der Mikroebenenakteure zu ergründen suchen, ohne die damit einhergehenden Schwierigkeiten aus den Augen zu lassen. Nachträglich lasse sich die Marktsituation und damit eine mögliche Auswirkung der Tathandlung ohnehin nur sehr schwer rekonstruieren.1217 Darüber hinaus erscheine es als zweifelhaft, ob der einzelne Anleger überhaupt ein Interesse habe, Jahre nach seiner Anlageentscheidung als Zeuge vor Gericht über seine Motivation und den Umfang seiner Investition aussagen zu müssen.1218 1215 LG München I („EM.TV“ bzw. „Haffa“) ZIP 2003, 1450, 1454 = NJW 2003, 2328, 2330. Vgl. hierzu bereits oben 3. Kapitel § 2 B. II. 4. b) bb). Noch in der Comroad Entscheidung (LG München I, 6 KLs 305 Js 34066/02 Urteil vom 21.11.2002 u. a. gegen den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Bodo Schnabel) hatte das LG München I [S. 18 der unveröffentlichten Urteilsgründe] ohne weitere Begründung oder Eingehen auf die dahinter liegende Kausalitätsproblematik postuliert, der Kurs der ComRoad AG habe sich durch die bekanntgegebenen Umsatzzahlen bis zum Zehnfachen des Ausgabepreises erhöht. Nachdem diese Entscheidung allerdings noch zum alten Recht (§ 88 Nr. 1 BörsG a. F.) erging, kam es insoweit urteilserheblich nur auf eine entsprechende Einwirkungsabsicht an. 1216 LG München I, NJW 2003, 2328, 2330. 1217 Vgl. LG München I, NJW 2003, 2328, 2330 unter Bezugnahme auf OLG München, NJW-RR 2002, 1702 (= NZG 2002, 1110) und BGHSt 38, 186 (= NJW 1992, 921) zur nachträglichen Feststellung eines Marktpreises bei Submissionsabsprachen. 1218 Vgl. LG München I, NJW 2003, 2328, 2330, das wegen dieser Schwierigkeiten die Neuregelung (Einfügen eines Erfolgskriteriums) als wenig hilfreich beschreibt.
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(2) Bundesgerichtshof (a) Ledersprayentscheidung Einem ähnlich komplexen Kausationsfeld wie im Kapitalmarkt sahen sich die Gerichte im sog. Ledersprayverfahren (auch „Erdal-Fall“)1219 ausgesetzt. Im sog. Ledersprayverfahren war es den Sachverständigen im Prozess nicht nur unmöglich, den naturgesetzlichen Wirkzusammenhang zwischen Stoff und Schaden gänzlich aufzuklären, sondern nicht einmal möglich, den ursächlichen Stoff selbst eindeutig zu identifizieren. Der Bundesgerichtshof judizierte hier in Übereinstimmung mit dem Landgericht, dass trotz fehlender Feststellung eines naturgesetzlichen Zusammenhangs Kausalität auch dann angenommen werden könne, wenn „alle anderen in Betracht kommenden Schadensursachen aufgrund einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung ausgeschlossen werden können.“1220 Neben der signifikant oft anzutreffenden Übereinstimmung der Krankheits- und Heilungsverläufe (und damit bestimmter Ereignisfolgen), die es extrem unwahrscheinlich erscheinen lasse, dass diese lediglich unbeeinflusste Koinzidenzen darstellen,1221 reiche das obige Ausschlussprinzip zur prozessual eindeutigen Feststellung der Ursächlichkeit des Ledersprays für die Gesundheitsschäden.1222 Die richterliche Überzeugung findet ihre Ursache daher in einer Gesamtbewertung der vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse und anderer Indiztatsachen.1223 Ungeachtet der Grundkritik, der Ausschluss anderer bekannter Ursachen könne aus prinzipiellen Gründen nicht reichen, da es unbekannte Ursachen geben kann1224 – ist die Ledersprayentscheidung in der Literatur nicht zuletzt wegen ihrer als rechtsstaatlich bedenklich einzustufenden Flexibilisierung dogmatischer Strukturen kritisiert worden.1225 Der Entscheidung wird ein in prozessuale Anweisungen camouflierte Modifikation des Begriffs der Kausalität entnommen, die an die Stelle der Gesetzmäßigkeit Plausibilität treten lässt.1226 Gleichzeitig hat die Entscheidung auch und gerade in ihren 1219
BGH v. 6.7.1990 – 2 StR 549/89, BGHSt 37, 106. Für eine umfassende Besprechung vgl. statt vieler Vogel FS Lorenz (2001) S. 65 ff. m. w. N. zu den bis damals 35 (!) Besprechungen der Entscheidung. 1220 BGHSt 37, 106, 112. 1221 BGHSt 37, 106, 113; vgl. hierzu auch Röckrath (2004) S. 70. 1222 Vgl. diesbezüglich auch die Kurzzusammenfassung bei Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, 2. Aufl. 2007, Rn. 172. 1223 BGHSt 37, 106 (111 ff.). 1224 Vgl. u. a. Puppe (2000) S. 34 m. w. N. 1225 Vgl. vor allem Samson StV 1991, 182 ff. [186 kritisches Fazit]; vgl. auch m. w. N. die Darstellung bei Vogel FS Lorenz (2001) S. 65, 71 ff.
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
von den Naturwissenschaften emanzipierenden Vorgaben für die Beweiswürdigung im Kausalnachweis Zustimmung erfahren.1227 Ob sich darüber hinaus eine Übertragung des Beweisführungsmodells der Ledersprayentscheidung auf eine solche im Bereich der Marktmanipulation eignet,1228 ist stark zu bezweifeln.1229 Zum einen gilt dies bereits deshalb, da es hier in den problematischen Konstellationen der psychischen Kausalität nicht um Objektdeterminationen, sondern um Subjektdeterminationen geht. Auch wenn in beiden Fällen die Situation durch unvollständige Kausalgesetze gekennzeichnet ist und im Ledersprayfall die Gesundheitsschäden bei Menschen als Erfolge zuzuschreiben waren, setzten dort die fraglichen Kausalitäten an – nach aktueller menschlicher Erkenntnis deterministische – physisch-biologische/chemische Kausalverläufe an (Substanzen in Lederspray, die über ihren Gebrauch und die Aufnahme in den Körper schädliche Wirkungen im Körper hervorriefen). Der Börsen- und Marktpreis hängt aber wie gezeigt in entscheidendem Maße von der psychischen Prädestination der Mikroebenenteilnehmer, ihrer Informiertheit und ihren individuellen, mittels einer individuellen Transaktion zu verwirklichenden Zielen ab. Bereits aus diesem Grunde verbietet es sich, die Grundsätze der Ledersprayentscheidung auf psychische Kausalitäten zu übertragen.1230 Um die hinter den kursbildenden Transaktionen stehende Motivation nachvollziehen und damit einem Kausalitätsbeweis je nach obigen materiellen Anforderungen nahe zu kommen, müssten indes auch in konsequenter Anwendung der Postulate der Lederspray-Entscheidung in einem Dreischritt zunächst die für das Makroebenereignis „Kursveränderung“ entscheidenden Mikroebenentransaktionsentscheidungen ermittelt und anschließend für jeden einzelnen Mikroebenenakteur gefragt werden, ob er erstens die Manipulationshandlung wahrgenommen hat und es zweitens außer der Manipulationshandlung noch weitere signifikante externe oder interne Einflüsse auf seine Willensbildung gegeben haben könnte. Würde man allein auf den resultierenden Marktpreis abstellen und fragen, ob andere Faktoren als die Marktmanipulationshandlung für jenen als Ursachen in Betracht kommen, 1226 Vgl. so u. a. Hamm StV 1997, 159, 162 m. w. N.; Hassemer (1994) S. 29 ff., S. 32 f., 38 ff.; Volk NStZ 1996, 105, 108. 1227 Vgl. Hilgendorf NStZ 1993, 10, 15 f.; Kuhlen NStZ 1990, 566, 566 f.; Meier NJW 1992, 3193, 3199. 1228 Zur Diskussion der Kausalbegriffe von Holzschutzmittel- und Ledersprayentscheidung im Wirtschaftsstrafrecht vgl. m. w. N. Dannecker, in: Wabnitz/Janovsky (3. Aufl. 2007) § 1 Rn. 27. 1229 Für deren Übertragung (indes ohne eingehende Diskussion möglicher den Transfer problematisch erscheinen lassender Besonderheiten im Kapitalmarkt) u. a. Eichelberger (2006) S. 325 f.; Fleischer NJW 2003, 2584, 2585; Maile (2006) S. 189 ff.; Vogel, in: Ass/Sch § 38 WpHG § 38 Rn. 24. 1230 Ebenso Denicke (1997) S. 65.
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so würde außer Acht gelassen, dass hiermit bereits wieder unter Ausklammerung der spezifischen Struktur der kapitalmarktlichen Kursbildung das Dogma der Markteffizienz implizit vertreten würde (vgl. hierzu bereits oben). Denn nur wenn von einer finanzwissenschaftlich aber gerade nicht vertretenen, nomologischen Regularität einer Rezeption und entsprechenden Motivationsbeeinflussung der Information durch die Marktteilnehmer ausgegangen würde, wäre eine Zurechnung in diesem Fall postulierbar. Sucht man einen prozessualen Ausweg in dem dargelegten Dreischritt wird indes deutlich, dass es durch die Anforderungen des Alternativenausschlusses gerade im Bereich des Kapitalmarktes zu einer erheblichen und im Grunde nicht abarbeitbaren Ausweitung des Beweisthemas durch alle auszuschließenden weiteren Mikro- und Makroebeneneinflüsse kommt.1231 Im Übrigen lässt sich die Konstellation der Ledersprayentscheidung auch deshalb nicht auf den Kapitalmarkt übertragen, da, selbst wenn in der Vergangenheit oft bestimmte regelmäßige Ereignisfolgen am Kapitalmarkt (und d.h. genauer: in bestimmten Marktsegmenten) beobachtet wurden, dies ohne Rekurs auf die Markteffizienztheorie keine Übertragbarkeit auf die jeweils inkriminierte Konstellation zulässt, da zum einen meist die Märkte/Marktsegmente und das entsprechende Finanzinstrument andere sind, zum anderen der jeweilige Markt höchstwahrscheinlich von anderen Marktteilnehmern gebildet (interne Motivationsursachen) wird und anderen Außenwelt- und damit Motivationseinflüssen (externe Motivationsursachen) ausgesetzt ist.1232 (b) Holzschutzmittel Der Bundesgerichtshof hatte in seiner grundlegenden Entscheidung im Holzschutzmittelfall1233 Stellung zu nehmen zum Problem der Anforderungen an den Nachweis einer umstrittenen Kausalhypothese für den Ursachenzusammenhang zwischen dem Inverkehrbringen bestimmter chemischer Substanzen und verschiedenartigsten Gesundheitsschäden, die einige Jahre nach der Anwendung des Mittels auftraten. 1231 Vgl. ebenso allgemein bereits Volk NStZ 1996, 105, 109: „Der ParadigmenWechsel vom gesetzmäßigen Zusammenhang hin zum Ausschluß möglicher Alternativursachen bedeutet, prozessual gesehen, daß man ein eindeutiges, eng umrissenes Beweisthema auswechselt gegen eine unendliche Fülle von relevantem Verfahrensstoff.“ 1232 Diesem Problem versucht die Methode der Ereignisstudien (nach hier vertretener Auffassung mit nur begrenzt-universeller Operationalität) beizukommen, vgl. hierzu unten 3. Kapitel § 2 B. IV. 3. a) cc) (2). 1233 BGH v. 2.8.1995 – 2 StR 221/94 = BGHSt 41, 206 = BGH NStZ 1995, 590; vgl. hierzu statt vieler Puppe (2000) S. 36; dies. JZ 1996, 316 ff. sowie Vogel FS Lorenz (2001) S. 65 ff.
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
Nach der Auffassung des Senats – welcher dies als eine Tatfrage1234 und damit nach den Regeln der freien Beweiswürdigung behandelt sehen will – komme dem Tatrichter nicht die Aufgabe zu, „mit den Untersuchungsmethoden der Naturwissenschaften neue Erkenntnisse, insbesondere naturwissenschaftliche Erfahrungssätze zu gewinnen oder zu widerlegen.“1235 Seine Aufgabe sei vielmehr, nach den Regeln des Prozessrechts und mit den dafür vorgesehenen Beweismitteln, beispielsweise auch mittels des Zeugenbeweises, bestimmte Sachverhalte zu ermitteln und zu beurteilen. Die Feststellung der für das Strafverfahren bedeutsamen Tatsachen, insbesondere auch der Nachweis von Kausalzusammenhängen, verlange dabei „keine absolute, von niemandem anzweifelbare Gewissheit.“1236 Ausreichend sei vielmehr ein „mit den Mitteln des Strafverfahrens gewonnenes, nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das keinen vernünftigen Zweifel bestehen lässt.“1237 „Die tatrichterliche Würdigung darf allerdings den Gesetzen der Logik und dem gesicherten wissenschaftlichen Erfahrungswissen nicht widersprechen.“1238 Der Tatrichter darf sich aber dann nicht von wissenschaftlichen Standards lösen, wenn beispielsweise Feststellungen allein nur mit Hilfe naturwissenschaftlicher Methoden getroffen werden könnten. Sind bestimmte Untersuchungsgegenstände Gegenstand eines wissenschaftlichen Meinungsstreits, kann die Pflicht zur umfassenden Aufklärung dem Gericht sogar gebieten, sich über nicht allgemein anerkannte Methoden zu unterrichten. Im Ergebnis kann sich ein Gericht in einer Gesamtwürdigung unter Einbezug aller Indizien nach Anhörung von Sachverständigen auch auf deren Erkenntnisse stützen. In Konstellationen, in denen die Vertreter der maßgeblichen naturwissenschaftlichen Fachrichtungen mit ihren Methoden allein bestimmte Erkenntnisse nicht belegen können, vermag es das Gericht im Rahmen seiner Gesamtbetrachtung dennoch, diese Erkenntnisse zur Grundlage seiner Entscheidung zu machen.1239 In diesen Prozesslagen können die 1234 Nach Armin Kaufmann (JZ 1971, 569, 574) würde die bei ihm exemplifiziert am Contergan-Fall entwickelte Unterscheidung zwischen konkreter und genereller Kausalität (Tatbestandsmerkmal der Kausalität als Blankett; ausfüllungsbedürftig für die bekannten emprischen Kausalgesetze) dagegen dazu führen, die generelle Kausalität dem materiellen Recht zuzuordnen. Danach müsste aber das Gericht jene nach dem Grundsatz iura novit curia statt mithilfe eines Sachverständigen selbst feststellen, was mit Recht als problematisch empfunden wird, zumal die möglichen Kausal„gesetze“ als Aussagen über die Wirklichkeit dem strafrechtlichen Tatbestand gerade vorgegeben sind. Vgl. zu dieser Kritik m. w. N. L. Schulz, in: Lübbe (1994) S. 63 f. 1235 BGHSt 41, 206, 214 (= BGH NStZ 1995, 590, 591). 1236 BGHSt 41, 206, 214 (= BGH NStZ 1995, 590, 591). 1237 BGHSt 41, 206, 214 (= BGH NStZ 1995, 590, 591). 1238 BGHSt 41, 206, 215.
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Schlussfolgerungen der Sachverständigen die zu beweisenden Tatsachen somit zumindest mehr oder weniger wahrscheinlich machen. Im Rahmen des Indizienbeweises könne der notwendige Ausschluss anderer Ursachen „auch dadurch erfolgen, dass nach einer Gesamtbewertung der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und anderer Indiztatsachen die – zumindest – Mitverursachung (. . .) zweifelsfrei festgestellt wird“1240. Die Holzschutzmittelentscheidung wird in der kapitalmarktstrafrechtlichen Literatur überwiegend aufgegriffen und in ihren Postulaten auch als anwendbar für den Kapitalmarkt bezeichnet, ohne dass ganz überwiegend eventuelle Eigenheiten der Kausalitätsfrage im Kapitalmarkt hervorgehoben werden.1241 Ähnlich wie bereits im Ledersprayfall, steht auch im Holzschutzmittelfall der schwierige Nachvollzug von Wirkzusammenhängen in komplexen und zum Teil undurchsichtigen Kausationsfeldern zur Debatte. Über die Ledersprayentscheidung hinausgehend lässt der Bundesgerichtshof in der Holzschutzmittelentscheidung (insoweit vereinfachend) im Rahmen einer möglichen Gesamtbewertung die Feststellung einer bloßen Mitursächlichkeit genügen.1242 Anders als im Holzschutzmittelfall geht es jedoch im Falle der Zurechnung eines Kurseinwirkungserfolges zu einer informationsgestützten Manipulationshandlung zunächst wie bereits in der Ledersprayentscheidung nicht um naturwissenschaftlich gesetzmäßige Zusammenhänge zwischen Objekten (bzw. Objekten [Holzschutzmittel] und diesen exponierte menschliche Körper), sondern zwischen Subjekten. Ungeachtet dessen, ob sich empirisch festgestellte Regularitäten in psychisch vermittelten Entscheidungsabläufen überhaupt mit naturwissenschaftlichen Zusammenhängen parallelisieren bzw. zumindest vergleichen lassen oder ob nicht vielmehr der Respekt vor der Willensfreiheit des einzelnen Individuums als steter Unsicherheitsfaktor das Statuieren von Gesetzmäßigkeiten ausschließt (vgl. 1239 Vgl. BGHSt 41, 206, 215; kritisch u. a. mit dem Vorwurf einer damit einhergehenden Aushöhlung des in dubio pro reo Grundsatzes Roxin Strafverfahrensrecht § 15 Rn. 23. 1240 BGHSt 41, 206, 216; vgl. hierzu auch die kontextualisierende Zusammenschau für das Wirtschaftsstrafrecht bei Dannecker, in: Wabnitz/Janovsky (3. Aufl. 2007) § 1 Rn. 27. 1241 Vgl. hierzu Eichelberger (2006) S. 326, allerdings mit der höchst fragwürdigen, da zirkulären Begründung, dass „es dem Gesetzgeber [ansonsten] unmöglich [wäre], dort [im Kapitalmarkt, Anm. d. Verf.] Erfolgstatbestände zu etablieren.“ Siehe ferner bspw. Fleischer NJW 2003, 2584, 2585; Maile (2006) S. 193 f.; Vogel, in: Ass/Sch WpHG § 38 Rn. 24. 1242 Zur Kritik statt einiger pointiert Hamm StV 1997, 159, 164, wenn er die Gesamtbewertung und den „Ausweg Multikausalität“ als verbrämende „Buttercreme“ auf einer rissig zermatscht dem Ofen entnommenen Torte bezeichnet.
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
hierzu ausführlich oben),1243 führen allerdings die Postulate der Holzschutzmittelentscheidung vorliegend auch insoweit nicht weiter, als sie den Ausschluss alternativer Ursachen als dem Nachweis naturwissenschaftlicher Zusammenhänge hinreichend erklären.1244 Ein Nicht-Antreffen anderer möglicher Ursachen kann nur dann (mit)kausalitätsvermittelnd verstanden werden, wenn zunächst ein im Prozess für gültig erklärtes Kausalgesetz das lokalisierte Ereignis mit dem zuzurechnenden Erfolg verknüpft.1245 Lässt man dagegen Wahrscheinlichkeit für den Zusammenhang und als deren sichtbare Zeichen bloße Indizien (beobachtbare Koinzidenz) genügen, kann man gerade nicht ausschließen, ob sich die mehreren, im Rahmen der postulierten Mitverursachung nebeneinander gestellten Faktoren gegenseitig ausschließen.1246 Die Postulierung von gesetzmäßiger Verknüpfung ist aber bereits aus der Natur der Sache heraus anders als in der Holzschutzmittelentscheidung mit den dort im Streit stehenden physisch-biologischen Kausationen gerade nicht ohne weiteres möglich für die psychischen Kausationen im Kapitalmarkt (s. o.).1247 Der notwendige Ausschluss anderer Motivationskausationen kann somit im Ergebnis nur gelingen, wenn die Motivation des/der einzelnen Mikroebenenakteure hinreichend aufgeklärt werden kann, da überdies nur für den bejahenden Fall einer Informationsrezeption überhaupt eine Mitursächlichkeit nach der Rechtsprechung zur psychischen Kausalität beim 1243
Ebenso Schönhöft (2006) S. 160 ff. Vgl. dagegen, den – die konkreten Wirkzusammenhänge am Kapitalmarkt überhaupt nicht aufgreifend und insoweit wenig weiterführend – unreflektierten Transfer der Holzschutzmittelentscheidung auf das Delikt der Marktmanipulation Maile (2006) S. 191 ff. Siehe dagegen – allerdings mit einseitig zugunsten der Markteffizienz als Naturgesetz ausgefallener Argumentation – Hellgardt ZIP 2005, 2000, 2004 f. 1245 Ebenso Puppe (2000) S. 39 f. m. w. N. Dies. ZStW 95 (1983) 287, 300 f. weist zu Recht darauf hin, dass der Nachweis der Notwendigkeit unabdingbar sein müsse, da allein das Abstellen darauf, dass ein Verhalten Bestandteil einer hinreichenden Erfolgsbedingung sei, ad absurdum geführt werden könne, da sich eine hinreichende Bedingung auch nach Hinzufügung weiterer beliebiger Tatsachen weiterhin als hinreichende Bedingung darstelle und somit eine Aussage über einzelne Bestandteile individualzurechnungstechnisch wenig sinnvoll sei. Vgl. hierzu im Übrigen auch oben zur Black-Box-Theory 3. Kapitel § 2 B. II. 3. b), welche nur einschlägig sein kann, wenn sich die umgrenzte Black-Box durch eindeutig nomologische Korrelationen auszeichnet. 1246 Vgl. ebenso Hamm StV 1997, 159, 165; Volk NStZ 1996, 105, 109. 1247 A. A. (ohne Aufgreifen des Problems der psychischen Kausalität) Hellgardt ZIP 2005, 2000, 2004, der im Bereich des Kapitalmarktes die Beweislage im Vergleich zur Holzschutzmittelentscheidung sogar als einfacher begreift, da dort das wirkende Naturgesetz anders als bei der Preisbildung am Kapitalmarkt (Markteffizienz) gerade nicht bekannt sei. Zur Kritik vgl. bereits oben 3. Kapitel § 2 B. II. 3. c). 1244
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Betrug angenommen werden kann. Wird indes ein derartiger Versuch des Nachvollzugs der Wirkzusammenhänge erst gar nicht unternommen, sondern insbesondere im hinsichtlich seiner Kausationsinterferenzen diffusen Kapitalmarkt ohne Anknüpfen an die entscheidenden Weichen der Kursentstehung (den Transaktionsentscheidungen der Mikroebenenakteure) und allein mittels der Ausschlussformel gearbeitet, kann ein rechtsstaatlich dem materiellen Kausalitätserfordernis gerecht werdender prozessualer Nachweis nicht gelingen.1248 Auch ein Rückzug auf die Position, bei dem Antreffen einer der informationsgestützten Manipulationen in der Richtung entsprechenden Kursbewegung sei es jedenfalls zu einer Mitverursachung durch im Markt vorhandene professionelle Informationsrezipienten gekommen, impliziert stillschweigend, dass solche zum einen in jedem Markt vorhanden sind und dass sie die Information aufgenommen und zum Anlass ihrer Transaktionsentscheidung genommen haben. Diese pauschalierte Vermutung läuft aber wiederum auf die Anerkennung der Markteffizienz als Gesetzmäßigkeit hinaus. Auch in ihren weiteren Postulaten bietet die Holzschutzmittelentscheidung Erhellendes auch für den Nachweis von Kausalität im Kapitalmarkt. Gegen gesichertes wissenschaftliches Erfahrungswissen dürfen Gerichte nicht entscheiden.1249 Die Kompetenz, über die Gültigkeit eines Kausalgesetzes trotz vorhandener Meinungsstreitigkeiten der jeweiligen empirischen Wissenschaften1250 entscheiden zu dürfen, spricht der Bundesgerichtshof zu Recht dem Tatrichter zu.1251 Er schließt sich damit nicht jener strikteren Auffassung an, die den Richter nur in der jeweiligen Fachdisziplin unum1248 In welchem informativen Umfeld soll bspw. die Suche nach den Alternativursachen ansetzen, wenn nicht bei den jeweils mit ihren Transaktionen preiswirksam gewordenen Mikroebenenakteuren. 1249 Insoweit zu kurz Maile (2006) S. 191, der obgleich jenes Postulat des BGH wiedergebend, dieses nicht auf die in der Kapitalmarktforschung bestehenden Theorien bezieht. 1250 Nachdem das Gericht in den zu entscheidenden Konstellationen allein über Objektkausationen zu entscheiden hatte und damit allein naturwissenschaftliche Kausalitätszusammenhänge im Streit standen, bezieht das Gericht lediglich die Naturwissenschaften in seine Argumentation ein. Abseits der in der Rechtswissenschaft zu beobachtenden, erst langsam schwindenden Distanziertheit zu den Sozialwissenschaften und der Psychologie können Gerichte aber auch nicht „wider alle ökonomische Vernunft [. . .] judizieren.“ (Fleischer ZGR 2001, 1, 32) Der Einbezug anerkannter Erkenntnisse der Verhaltensforschung für den Kapitalmarkt muss dementsprechend die Maxime der in diesem Bereich judizierenden Gerichte sein. 1251 BGHSt 37, 106, 112; Insoweit auch pragmatisch Puppe ([2000] S. 43): „Angesichts der [. . .] zunehmenden Komplexität und Interdependenz der zu beurteilenden Kausalprozesse können wir es uns heute nicht mehr leisten abzuwarten, bis über die theoretische Erklärung der zu beurteilenden Phänomene Einigkeit in der einschlägigen Wissenschaft erzielt ist [. . .]“
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
strittene Kausalgesetze an die Hand geben will und ihn ansonsten zur Anwendung des Zweifelsgrundsatzes in dubio pro reo verpflichten wollte.1252 Allerdings obliegt es dem Gericht, alternative Erklärungsmodelle bei Bestehen eines Meinungsstreits mit ein zu beziehen und sich mit diesen auseinander zu setzen. Nachdem indes nach beiden Forschungsrichtungen der Kapitalmarktforschung für die Entstehung von Kursen auf das Entscheidungsverhalten der Mikroebenenakteure abzustellen ist, geböten die Maximen der Holzschutzmittelentscheidung zumindest die richterliche Stellungnahme, warum für die Logik der Situation bei einer hinreichend hohen Zahl im Einzelfall der konkret nachzuweisenden Kurseinwirkung von der Theorie der rationalen Wahl und ihr folgend markteffizienten Preisen auszugehen sei. Selbst wenn das Gericht der Markteffizienztheorie als der Kapitalmarkt-Kausalität zugrunde liegendes Gesetz folgen wollte, müsste es zumindest dazu Stellung nehmen, warum für die konkrete Situation vom Vorliegen eines informationseffizienten Marktes auszugehen ist, was ohne den konkreten Einbezug der individuellen Anlegerstruktur nach der hier vertretenen Ansicht für das Strafrecht nicht möglich ist. Genau genommen wäre darüber hinaus der Nachweis erforderlich, dass die informationsgestützte Manipulation vom Markt rezipiert werden konnte und keine anderen Einflüsse anzutreffen waren. Andernfalls würde die Komplexität des Kapitalmarktes dermaßen reduziert, dass im Grunde genommen eine diffuse Wahrscheinlichkeit für ausreichend erachtet würde.1253 (c) Analyst Sascha Opel In der bislang einzigen höchstrichterlichen Entscheidung auch zum Einwirkungserfordernis, dem Urteil in Sachen des „Analysten Sascha Opel“,1254 hatte der Bundesgerichtshof in erster Linie darüber zu befinden, ob das vom Angeklagten an den Tag gelegte Verhalten (sog. Scalping) als Insiderhandel (Ansicht der Vorinstanz LG Stuttgart1255) oder Marktmanipu1252
Darstellung des Streitstandes bei Denicke (1997) S. 50 ff.; Puppe (2000) S. 40 f. m. w. N. Schönhöft (2006) S. 162 lehnt eine Gesamtwürdigung im Bereich des Kapitalmarktes wegen der empirisch ungeklärten Gesetzmäßigkeiten ab und will im Zweifel nur die Ordnungswidrigkeit verfolgen. 1253 Vgl. Volk NStZ 1996, 105, 109, der nur mittels eines drastischen Reduzierens der Komplexität der Welt ein Auskommen mit der Ausschlussformel für möglich hält, dann aber in der damit praktizierten Zurechnung eine nach bloßer Plausibilität (Wahrscheinlichkeit) erblickt. 1254 BGH, Urteil vom 6.11.2003 – 1 StR 24/03 – BGHSt 48, 373 = BGH NJW 2004, 302 = wistra 2004, 109; besprochen u. a. durch Gaede/Mühlbauer wistra 2005, 9 ff. 1255 LG Stuttgart, Urteil vom 30.8.2002 – 6 KLs 150 Js 77452/00 (= BKR 2003, 167 ff. mit umfassend abgedruckter Sachverhaltsdarstellung).
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lation strafrechtlich zu würdigen war.1256 Der Angeklagte genoss sowohl in seiner Eigenschaft als Redakteur der Zeitschrift „Der Aktionär“, als Berater zweier Fonds und als eingeladener „Spezialist“ in bei Anlegern viel beachteten Fernsehsendungen zur Tatzeit in der interessierten Öffentlichkeit einen sehr hohen Bekanntheitsgrad und eine überragende Reputation als „Börsenguru“. Mittels Anlageempfehlungen für von ihm zuvor erworbene Wertpapiere des Neuen Marktes im „Der Aktionär“, im „Neuer Markt Inside“ und auf der von ihm betreuten Telefonhotline beabsichtigte er, insbesondere die Gier der Privat- und Kleinanleger nach schnellen Gewinnen,1257 aber auch das Vertrauen institutioneller Großanleger in seine Expertise, das er zuvor durch die gute Performance der von ihm empfohlenen Finanzinstrumente genährt hatte, dahingehend auszunutzen, dass diese seinen Anlageempfehlungen Folge leisten würden. Nach den in jedem Fall vorheriger Anlageempfehlungen eingetretenen Kurssteigerungen der empfohlenen Aktien verkaufte der Angeklagte wie beabsichtigt die entsprechenden Aktien jeweils zeitnah, teilweise sogar noch am selben Tag. Der Bundesgerichtshof judizierte hier – nachdem er in Abweichung zur Vorinstanz den Sachverhalt unter das Delikt der Marktmanipulation statt des Insiderhandels subsumiert hatte – für die Anforderungen an den Zusammenhang zwischen marktmanipulativer Handlung und tatsächlicher Börsenpreiseinwirkung, dass an jenen Nachweis angesichts der Vielzahl der – neben der Tathandlung – regelmäßig an der Preisbildung mitwirkenden Faktoren keine überspannten Anforderungen gestellt werden dürften, weil der Tatbestand des § 38 I Nr. 4 WpHG a. F. (jetzt § 38 II WpHG) ansonsten weitgehend leer liefe.1258 Vergleiche von bisherigem Kursverlauf und Umsatz, die Kurs- und Umsatzentwicklung des betreffenden Papiers am konkreten Tag sowie die Ordergröße könnten eine Kurseinwirkung bereits hinreichend belegen. Eine Befragung der Marktteilnehmer sei dagegen nicht veranlasst.1259 Der Entscheidung hat sich auch die BaFin in ihrem Emitten1256 Die meisten Entscheidungsbesprechungen widmen sich daher dieser Frage vgl. Pananis NStZ 2004, 287; Schäfer BKR 2004, 78; Vogel NStZ 2004, 252. Eine monographische Bearbeitung des Scalping findet sich bei Degoutrie (2007), der die Auslegung des BGH befürwortet (S. 187 ff. und passim). 1257 Die Sachverhaltsschilderung der Vorinstanz (LG Stuttgart BKR 2003, 167, 168) spricht insoweit von einem in Boomzeiten des Neuen Marktes antreffbaren „Lemming-Effekt“ der dem Angeklagten blindlings folgenden Privat- und Kleinanleger. 1258 BGHSt 48, 373, 384 = BGH NJW 2004, 302 [305]; zuletzt (wenn auch im Zusammenhang mit dem Vermögensvorteil im Rahmen der Strafzumessung beim Insiderhandel) ebenso der V. Senat, vgl. BGH, Beschluss vom 27.1.2010 – 5 StR 224/09 („freenet-Beschluss“) – NJW 2010, 882) Rz. 28. 1259 BGHSt 48, 373, 384 = BGH NJW 2004, 302 [305]. Zustimmend u. a. Eichelberger (2006) S. 330 f.
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
tenleitfaden angeschlossen.1260 Das Urteil ist in der Literatur auf ein geteiltes Echo gestoßen.1261 Neben Ansichten, die seinen scheinbar einzig gangbaren praktischen Weg des Kausalitätsnachweises positiv goutierten und das Urteil weitgehend als Anerkennung von sog. Ereignisstudien1262 im Kausalitätsnachweis auffassten,1263 wurde von einzelnen Literaturstimmen die Oberflächlichkeit und fehlende Interoperabilität in anderen Fällen als solchen mit klaren Kurssprüngen kritisiert.1264 Letztlich begründet das Gericht die Zurechnung stillschweigend mit einer mehr oder minder hohen Wahrscheinlichkeit.1265 Dass jenes prozessuale Vorgehen der üblichen Praxis entspricht, auf prozessualer Ebene die Entscheidung aufgrund eines praktikablen Nachweisgrades zu fällen und dabei stillschweigend – auch über den Umweg von Gutachten1266 – Zurechnungszusammenhänge mit Wahrscheinlichkeitsgesetzen zu begründen, verwundert indes nicht.1267 Kuhlen hat überzeugend dargelegt, dass im Strafprozess anders als bei Kausalerklärungen des Alltags oder in den Naturwissenschaften unterschiedliche Adäquatheitsbedingungen zu stellen sind. Nachdem sich 1260 Vgl. BaFin, Emittentenleitfaden (2005) VI.3.2.9.1., S. 94 bzw. dies., Emittentenleitfaden (2009) VI.3.2.9.1., S. 112 f. 1261 Vgl. Eichelberger (2006) S. 326 f. (Weg des BGH als „praktikable Möglichkeit“); Papachristou (2006) S. 198; Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 38 Rn. 54; Waschkeit (2007) S. 285. Kritisch dagegen Kutzner WM 2005, 1401, 1408 (QuasiPreisgabe des Erfolgskriteriums); Maile (2006) S. 197 (verhalten und allein unter kurzem Hinweis auf die fortbestehenden praktischen Schwierigkeiten); Sorgenfrei, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, 2. Aufl. 2008, WpHG T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 221 (bedenkliche Verschiebung der gesetzlichen Anforderungen an einen Straftatbestand zugunsten einer ergebnisorientierten Lösung); Schmitz JZ 2004, 526, 528 (Urteil komme der Propagierung der Aufweichung des in dubio pro reo Grundsatzes gleich); Schröder (2007) Rn. 565 ff. (Rn. 567: Absage an Theorien eines „Pi mal Daumen“); Trüstedt (2004) S. 126 f. Fn. 413. 1262 Vgl. hierzu unten 3. Kapitel § 2 B. IV. 3. a) cc) (2). 1263 Vgl. Eichelberger (2006) S. 326 f.; Hellgardt ZIP 2005, 2000, 2006. 1264 Vgl. so Schröder (2007) 3. Kap. G II Rn. 565 ff.; kritisch ferner Kutzner WM 2005, 1401, 1406 f.; Schönhöft (2006) S. 161 f.; Sorgenfrei, in: Park (2008) WpHG T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 221. 1265 Ähnlich Kutzner WM 2005, 1401, 1407, der in den Kriterien des BGH die Rückfallposition einer bloßen mehr oder minder wahrscheinlichen Prognosefeststellung sieht und insgesamt hinter der Entscheidung die Aufgabe der dogmatischen Struktur des §§ 20a, 38 II WpHG als Erfolgsdelikt sieht. 1266 Vgl. mit dem Beispiel der Reaktionszeiten von Autofahrern in Unfallprozessen Puppe, in: NK-StGB vor § 13 Rn. 137. 1267 Auch das Aufgreifen der in der Rechtsprechung formelhaft wiederkehrenden Formulierung des Absehens von „überspannten Anforderungen“ an das Zustandekommen der richterlichen Überzeugung (vgl. hierzu m. w. N. Schoreit, in: KK-StPO § 261 Rn. 4) überrascht insoweit wenig. Siehe auch bei Eschelbach, in: Graf StPO § 261 Rn. 38 m. w. N. zur (nur indiziellen) Berücksichtigungsfähigkeit von Erfahrungssätzen mit bloßen Wahrscheinlichkeitsaussagen.
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Naturgesetze außerhalb der Labore nicht experimentell überprüfen ließen, genügten im Strafprozess Indizien, die für eine hohe Wahrscheinlichkeit eines generellen und individuellen Kausalzusammenhangs sprächen.1268 In dem Maße, wie es an entsprechend plausiblen Erklärungsalternativen fehle, nehme die indizierende Kraft statistischer Beziehungen für die Existenz eines Kausalgesetzes zu.1269 Ungeachtet dieser prozessual inszenierten, aber unausgesprochenen Wandelung der materiellen Kausalitätsanforderungen hin zu einer mehr oder minder probabilistischen Zurechnung1270 lassen die Worte des Bundesgerichtshofs auch in ihrer speziellen praktischen Zielrichtung aufhorchen. Die vom Bundesgerichtshof genannten Indizkriterien deuten darauf hin, dass das Gericht für informationsgestützte Manipulationen offenbar stillschweigend von einem Erfahrungssatz ausgeht, der es gebietet, im zeitlichen Umfeld einer informationsgestützten Manipulationshandlung anzutreffende Kursänderungen, die nicht dem üblichen Verlauf am begutachteten Tag entsprechen, jener zuzurechnen.1271 Damit gleicht diese Beweisführung durch ihr alleiniges Abstellen auf die zeitliche Nähe unter Ausschluss von Zeugenbefragungen (und damit der diesbezüglichen Überprüfung von Alternativkausationen) der eines Evidenzbeweises (Anscheinsbeweises), wobei dieser Befund allein nach der hier vertretenen Auffassung noch kein abschließendes negatives Verdikt untermauern kann.1272 Jedoch bietet es zu Bedenken Anlass, wenn diese Beweis-Praxis auch für einen Kontext geübt wird, in welchem zum einen der Gesetzgeber sich ausdrücklich von einer Gefährdungshaftung getrennt hat und andererseits das Recht Lösungen in einem von vielfältigen rationalen wie irrationalen individuellen Handlungen beeinflussten, multideterminierten, wenn überhaupt schwer einsehbaren Feld bieten soll, wie es in anderen Zusammenhängen des Evidenzbeweises gerade nicht anzutreffen ist. Dass vorliegend zwischen informationsgestützter Manipulation und Kurseinwirkung eine zeitliche, örtliche 1268 Vgl. Kuhlen (1989) S. 71 ff.; siehe hierzu auch Günther KritV 1997, 211, 218 f. m. w. N., der darin zu Recht faktisch eine Änderung der Bedeutung von Kausalität zur nurmehr probabilistischen Verknüpfung erblickt. Demgegenüber will Denicke (1997) S. 104, 110 f. und passim für die Kausalität immer widerspruchsfrei überprüfbare, vollständig spezifizierte und experimentell bestätigte Kausalgesetze verlangen, was im Ergebnis aber bereits in Alltagsfällen den Kausalitätsnachweis verunmöglichen dürfte (ebenso Vogel FS Lorenz ([2001] S. 65, 72 f., der die hierin liegenden „besonderen Regeln“ für den Nachweis von Kausalität ablehnt). 1269 Vgl. Kuhlen (1989) S. 73. 1270 Vgl. zu diesem Schluss – allgemein für die strafrechtliche Kausalität – Günther KritV 1997, 211, 219; Hamm StV 1997, 159, 162; Hassemer (1994) S. 44 ff. [46]; Volk NStZ 1996, 105, 108. Siehe hierzu auch unten 3. Kapitel § 2 B. V. 1. 1271 Hellgardt ZIP 2005, 2000, 2006 erkennt hierin die Implementierung des finanzwissenschaftlichen Werkzeugs der Ereignisstudien in den strafprozessualen Nachweis. 1272 Vgl. oben 3. Kapitel § 2 B. IV. 1.
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
und situative Distanz1273 besteht, verhindert jedoch ebenso wie der Umstand, dass – auch nach der finanzwissenschaftlichen Forschung – keine nomologischen Erfahrungssätze bestehen, die eine beliebige Reproduzierbarkeit der Wechselwirkung einer Kursänderung bei Vorliegen bestimmter Antecedensbedingungen annehmen,1274 das Beiziehen der Figur des Evidenzbeweises als strafrechtlichem Anscheinsbeweis. Vorliegend existiert bei einem bewussten Ausklammern der individuellen Entscheidungsfindung nicht lediglich die bloß gedankliche Möglichkeit, dass der Tathergang und damit die Kausation auch anders gewesen sein könnte. Der Anscheinsbeweis kann zwar über ein Feststellungsdefizit im zu beurteilenden Sachverhalt, richtigerweise aber gerade nicht über eine fehlende Validität der statistischen Hypothese einer postulierten Gesetzmäßigkeit und damit über die Ungewissheit über das Kausalgesetz1275 hinweghelfen.1276 Nachdem sich insoweit eine Interpretation als Anscheins- (oder besser) Evidenzbeweis verbietet, bleibt fraglich, ob die höchstrichterlich gebotene Lösung für das Nachweisproblem des Nachvollzugs der Wirkzusammenhänge zwischen manipulativem Verhalten und Börsenpreiseinwirkung jedenfalls als vertretbare Form des Indizienbeweises interpretiert werden kann. Allerdings müssen – jedenfalls im Rahmen des Indizienbeweises1277 – auch dann, wenn ein typischer Geschehensablauf den Schluss auf ein bestimmtes Verhalten nahelegt, gerade andere bekannte Möglichkeiten ausgeschieden werden können, bevor eine Überzeugung auf entsprechende Erfahrungssätze gestützt werden darf. Das Bestehen einer solchen ernsthaften anderen Möglichkeit ist zwar Tatfrage. Nachprüfbar soll aber gerade sein, dass der Richter die weiteren Möglichkeiten gesehen und sich mit ihnen (rechtsfehlerfrei) auseinandergesetzt hat.1278 Richtig ist, dass hypothetische Reserveursachen 1273 Gerade die zeitliche Distanz wird zum erheblichen Unsicherheitsfaktor in finanzwissenschaftlichen Studien (Ereignisstudien) zur Kurserheblichkeit informativer Markteinwirkungen (vgl. hierzu bspw. Röder zfb 2000, 567, 569). Die örtliche und allgemein situative Distanz bedingt die Schwierigkeiten eine wahrgenommene Einwirkung in einer Börse (bspw. der Regionalbörse in Stuttgart) einer fehlerhaften AdHoc oder auch einer in der Regionalbörse in München ins Orderbuch eingetragenen Kauforder zuzurechnen. 1274 Vgl. hierzu ausführlich oben 3. Kapitel § 2 B. II. 3. c). Ebenso Schönhöft (2006) S. 162; Sorgenfrei, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, 2. Aufl. 2008, WpHG T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 221. A. A. Hellgardt ZIP 2005, 2000, 2004 f. und passim. Für Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 38 Rn. 54 ist die Feststellung solcher anerkannter Gesetzmäßigkeiten (jedenfalls prozessual) ohnehin zugunsten einer „Gesamtbewertung der vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse und anderer Indiztatsachen“ verzichtbar. 1275 Vgl. zu dieser Ungewissheit oben 3. Kapitel § 2 B. II. 4. c) dd) (2). 1276 Vgl. ebenso Gasser (2002) S. 139 zum parallelen Beweisproblem im zivilrechtlichen Informationshaftungsrecht. 1277 Vgl. hierzu oben 3. Kapitel § 2 B. IV. 1.
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bei der Kausalitätsbetrachtung zu vernachlässigen sind. In die Kausalitätsprüfung einzubeziehen sind aber tatsächlich existente auf die Börsenpreisbildung einwirkende sonstige Faktoren. Der Tatrichter müsste also in (je nach Kausalitätsverständnis zumindest heuristischer) Anwendung der Conditio-Formel prüfen, ob die weiteren vorhandenen Bedingungen ebenfalls zu der festgestellten tatsächlichen Börsenpreisentwicklung geführt hätten bzw. welcher fiktive Preis ansonsten erzielt worden wäre.1279 Zwar ist das Bemühen des Senats und der sich ihm anschließenden Literatur zu begrüßen, die – jedenfalls unter Anerkennung eines Erfolgskriteriums wie nach der herrschenden Meinung – in ihrer Normstruktur wenig auf die Gegebenheiten des Kapitalmarkts zugeschnittene Strafnorm des §§ 20a, 38 WpHG anwendbar werden zu lassen.1280 Bereits das Grundanliegen, den Maßstab für den Nachweis für Kausalgesetze im Hinblick allein auf das Ziel einer Strafrechtseffektuierung festzulegen, erscheint indes bedenklich. Hoyer hat das nicht zu verkennende Dilemma zwischen den Freiheitsinteressen des möglicherweise Unschuldigen und dem Schutzinteresse der Allgemeinheit versucht, dahingehend aufzulösen, dass er auf der Grundlage einer sich möglicherweise am besten als Prominenzmodell beschreibbaren Heuristik1281 davon ausgeht, dass im Interesse einer wirkungsvollen Strafrechtspflege „zur Effektuierung des Strafrechtswillens“ dann „Unschuldige geopfert werden“1282 können, wenn eine mindestens 96-prozentige Schuldwahrscheinlichkeit besteht.1283 Nachdem im Strafrecht aber (schon unabhängig vom fehlenden Nutzen) die Verurteilung Unschuldiger schlechthin unzulässig ist, wirkt eine solche jedenfalls nachgradig kontraproduktiv, da zu geringe Beweisanforderungen das Vertrauen der All1278
Vgl. Schoreit KK-StPO § 261 Rn. 48 m. w. N. Vgl. so auch Kutzner WM 2005, 1401, 1407. 1280 Vgl. BGH v. 6.11.2003 – 1 StR 24/03, BGHSt 48, 374, 384. Zustimmend vgl. u. a. Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 38 Rn. 54; Hellgardt ZIP 2005, 2000, 2006 und passim. 1281 Über eine hier nicht näher darlegbare [(die – somit auf den gesetzgeberischen Entscheidungen basierende und bereits deshalb angreifbare – Ableitung der Verhältniszahl von 22,5 folgt hier aus dem Inbezugsetzen der Strafen (nach der Aussetzungsregel der 2/3 Haft) für eine vorsätzliche Tötung (§§ 211, 220a StGB a. F.) und einem begehungsgleichen Unterlassen ohne Garantenpflicht (§ 323 c StGB)], auf Condorcet und das Jahr 1785 zurückgehende Formel für die erforderliche Schuldwahrscheinlichkeit, in welche Hoyer das Freiheitsinteresse potentieller Täter und das Schutzinteresse potentieller Opfer einstellt und formelintern einen hohen Verdachtsgrad fordert, um das abstrakte Überwiegen der Freiheitsinteressen zu kompensieren, gelangt Hoyer bspw. zur These, dass ein Richter an solche Kausalgesetze gebunden sein müsste, die in Fachkreisen zu mindestens 96% anerkannt seien (Hoyer ZStW 105 (1993) 523, 541 ff.). 1282 Hoyer ZStW 105 (1993) 523, 538. 1283 Hoyer ZStW 105 (1993) 523, 555. 1279
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
gemeinheit in die Gerechtigkeit der Strafrechtspflege und damit die Rechtsstaatlichkeit überhaupt untergraben helfen.1284 Daher muss das Senken von Beweiserfordernissen allein unter Effektivitätsgesichtspunkten immer mit Skepsis begleitet werden.1285 Darüber hinaus ist zu hinterfragen, ob die vom Bundesgerichtshof genannten Indizien tatsächlich jenen Indizwert bieten können, wenn bestimmte Bereiche (die alternativen Entscheidungskausationen einzelner Anleger) bewusst ausgeklammert werden. Nachdem die Schlussfolgerung von der Prämisse auf eine bestimmte Sachverhaltsannahme (hier die tatsächliche lenkende Beeinflussung der Kursentstehung) weit über das hinausgeht, was die Indizien als Prämisse vorgeben (allein zeitlicher Zusammenhang einer Kurseinwirkung mit einer Manipulationshandlung), kann die erschlossene Sachverhaltsannahme nicht mit derselben Sicherheit wie die Indizien behauptet und als erwiesen angesehen werden.1286 Letztlich zeigen die Indizien lediglich, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt, der zeitlich der Manipulationshandlung nachfolgt, ein tatsächlicher Kursausschlag stattgefunden hat, welcher einen Erfolg i. S. d. § 38 II WpHG1287 darstellt, nicht aber, ob dieser als Konsequenz einer konkreten Beeinflussung durch die Manipulation erfolgte. Die vom Bundesgerichtshof genannten Beweisanzeichen können indes nicht darüber hinweg täuschen, dass das fehlende Bindeglied in der Beweiskette von der Handlung zum Erfolg, nämlich die Rezeption und entsprechende Verarbeitung der Information durch den Markt, d.h. in concreto durch die Marktteilnehmer, nicht belegt wird. Unter Verweis auf die vielfältigen rationalen und irrationalen Faktoren eines sinnlich nicht wahrnehmbaren individuellen Willensentschlusses lehnt denn auch der Bundesgerichtshof in Zivilsachen die Zulässigkeit eines Anscheinsbeweises für die haftungsbegründende Kausalität einer informationsgestützten Manipulationshandlung in Form fehlerhafter Ad-Hoc-Meldungen für die individuelle Anlageentscheidung eines potenziellen Aktienkäufers ausdrücklich ab.1288 Die 1284
Vgl. ebenso m. w. N. Denicke (1997) S. 67. Daraus im Gegenschluss zu folgern, dass für den Strafprozess generell ein Fehlverurteilungsrisiko gänzlich ausgeschlossen werden müsste und damit im Grunde praktisch keine Verurteilung mehr zulässig wäre, ist indes verfehlt. Der aus der Menschenwürdegarantie und dem Rechtsstaatsprinzip herleitbare Tatschuldgedanken kann angesichts der in Art. 74 I Nr. 1, 103 II, 104 III GG verankerten Legitimität von Strafrechtspflege das Eingehen eines Fehlverurteilungsrisikos nicht gänzlich verbieten, da nur so überhaupt eine einigermaßen effektive Strafrechtspflege betreibbar ist (vgl. so zu Recht Stein, in: Wolter (1995) S. 233, 249). 1286 Vgl. so allgemein bereits Herdegen NStZ 1987, 193, 198. 1287 Sofern das Einwirkungserfordernis gemäß der herrschenden Meinung als Erfolgskriterium interpretiert wird. 1288 Vgl. BGH Urteil vom 19.7.2004 – II ZR 402/02, BGHZ 160, 134, 144 ff. (= BGH NJW 2004, 2971 = WM 2004, 1731 m. w. N. – Infomatec I). Bestätigt zu1285
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Frage, wie und auf welcher Grundlage die dem Makroereignis Marktpreis zugrunde liegenden Mikroebenenentscheidungen getroffen wurden, welche sich nur durch die aufwändige Ermittlung und Befragung der koinzident handelnden Mikroebenenakteure beantworten ließe, wird aber vom Senat in BGHSt 48, 374 nicht gestellt.1289 Nur so ließe sich überhaupt ernsthaft prüfen, ob tatsächliche Alternativeinflüsse Wirksamkeit entfalteten, die dem Gericht nicht durch einen retrospektiven Blick auf das offizielle Informationsbild zum Zeitpunkt der Manipulation bzw. für einen sonstigen (diffusen) Ereignisbeobachtungsrahmen sogleich ersichtlich und daher in die Kausalitätsprüfung einzubeziehen gewesen wären. Stillschweigend wird so durch die vom Bundesgerichtshof propagierte Methodik das Delikt der Marktmanipulation zwar nicht wieder zu einem Gefährdungstatbestand umfunktioniert,1290 da auf Kausalität (wohl) nicht gänzlich verzichtet wird. Jedoch wird im Unterschied zu den dies ausdrücklich ablehnenden Entscheidungen der Zivilgerichte im Strafrecht offenbar ein Modell der semi-strengen Markteffizienz auf die Frage der Kausalität übertragen, da sich nur so erklären lässt, warum sowohl auf den Beweis der Rezeption der Angaben durch den Markt als auch deren Transaktionsentscheidungserheblichkeit verzichtet wird, obgleich die Erkenntnisse der Behavioral Finance lehren, jedes Anlegerverhalten individuell untersuchen zu müssen. Dies lässt insofern aufhorchen, als es demgegenüber gerade die Worte des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen waren, die einer Adaption der Markteffizienztheorie auch über den Gedanken des fraud on the market damit eine Absage erteilten, dass ansonsten eine ausufernde (zivilrechtliche!) Haftung zu konstatieren sei.1291 Zwar ließe sich für die Entscheidung ins Feld führen, dass von mehreren (umstrittenen) wissenschaftlichen Theorien eine zur Anwendung gebracht werde, was dem Tatrichter durchaus möglich sei.1292 Jedoch verkennt dies, dass die Markteffizienztheorie auch nach eigenem Bekunden keine konkreten Gesetzmäßigkeiten bzw. im Rahmen der Kausalität operationalisierbare letzt durch BGH vom 22.11.2005 – II ZR 246/04 (= BGH BKR 2008, 35 = BB 2007, 960). Siehe hierzu oben 3. Kapitel § 2 B. IV. 3. a) aa) (2). Die der Markteffizienztheorie aufgeschlossene Haltung auf haftungsausfüllender Seite (vgl. hierzu ebenda) lässt sich allerdings mit Blick auf das geringere Beweismaß des § 287 ZPO für eine danach mögliche „Schadensschätzung“ verstehen. 1289 Vgl. BGHSt 48, 374, 384 (Zeugenbefragung nicht veranlasst). Siehe auch (zumindest etwas vorsichtiger): Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 38 Rn. 55: „Ein Befragung von Marktteilnehmern (als Zeugen?) ist hingegen i. d. R. nicht veranlasst.“ 1290 Dies aber der Vorwurf durch Hellgardt ZIP 2005, 2000 (2003 f); Kutzner WM 2005, 1401, 1408; Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 221 („Folge, dass das Erfolgs- zum Gefährdungsdelikt tendiert“). 1291 Siehe hierzu bereits oben 3. Kapitel § 2 B. IV. 3. a) aa) (1). 1292 Vgl. hierzu BGHSt 41, 206, 215; kritisch u. a. Roxin Strafverfahrensrecht § 15 Rn. 23. Siehe hierzu bereits oben 3. Kapitel § 2 B. IV. 3. a) bb) (2) (b).
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Erfahrungssätze darbietet, sondern lediglich v. a. auf längere Sicht beurteilbare empirisch anzutreffende Häufigkeiten beschreiben und zu erklären weiß. Die Erkenntnisse der klassischen ökonomischen Analyse sind gerade nicht geeignet, eine vom einzelnen Anleger abstrahierte und damit die Psychologie der Mikroebenenakteure vernachlässigende Basis für den juristischen, insbesondere strafrechtlichen Kausalitätsnachweis klassischer Form zu stellen.1293 Alles andere würde auch den Beschuldigten eines Prozesses in die Notlage versetzen, sich nicht gegen die Anschuldigungen zur Wehr setzen zu können, da in konsequenter Anwendung der Markteffizienztheorie selbst von der Verteidigung des Beschuldigten unter Schwierigkeiten ermittelte Anleger mit manipulationsfreier Transaktionsentscheidung als unbeachtliche Reserveursachen bzw. Miturheber der Kurseinwirkung anzusehen wären. Letztlich steht damit die Verteidigung vor der unlösbaren Aufgabe, die Kursurheberschaft des diffusen Kreises der professionellen, die informationsgestützte Manipulation sofort (rational) „einpreisenden“ Marktteilnehmer, wie sie die Theorie der Markteffizienz als für jedes Marktinstrument vorhanden und zu jeder Zeit operierend voraussetzt, zu widerlegen. Die vom Bundesgerichtshof und der ihm weitestgehend folgenden, herrschenden Meinung befürwortete Beschränkung, die Zeugenbefragungen als in diesem Kontext unnötig ablehnt, ist daher auch aus rechtsstaatlichen Gründen höchst bedenklich und daher in Verbindung mit den Bedenken hinsichtlich einer Kausalitätsfeststellung im psychischen Bereich abzulehnen. Gänzlich inoperabel erweist sich der vom Bundesgerichtshof propagierte Weg auch in Fällen „stummer“ Börsenpreismanipulationen, also beispielsweise wenn die Kauforder von manipulationsbedingt getäuschten Anlegern auf eine zufällig koinzidente gegenläufige Verkaufsorder eines großen Investors trifft und der Börsenpreis damit unverändert bleibt.1294 Ohnehin verbietet sich im Strafrecht eine Argumentation, die allein deshalb auf einen mühsameren, aber von den materiellen Vorgaben her angezeigt notwendigen Nachweis zugunsten einer auf scheinbaren Evidenzkriterien basierenden Beweisführung verzichtet, da sich ansonsten kein Anwendungsbereich für eine Norm ergäbe.1295 1293 Siehe für die Forderung nach Einbezug auch der Erkenntnisse der Behavioral Finance in ein stimmiges Kausalitätsprinzip bereits Fleischer DB 2004, 51, 55. 1294 Vgl. Schröder (2007) 3. Kap. G II Rn. 565. 1295 Vgl. insoweit ebenso – kurz – Trüstedt (2004) S. 126 f. Fn. 413. A. A. in seiner Replik auf Trüstedt Hellgardt ZIP 2005, 2000, 2003, nach der Straftatbestände nicht so ausgelegt werden könnten, dass ihre Voraussetzungen in keinem theoretisch denkbaren Fall bewiesen werden können. Den unterschiedlichen Antworten auf die Frage der möglichen Nachweisführung liegt das grundlegende Problem des Verhältnisses von materiellem zu prozessualem Recht zugrunde. Eine Anwendungsbereicherhaltende Norm ist ebenso wie eine verfassungskonforme Auslegung solange möglich, als sie sich im Rahmen des materiell Vorgegebenen und Möglichen hält. Die
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Letztlich ließe sich die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs selbst dann nicht stützen, wenn man ihr materiell ein probabilistisches Kausalitätsverständnis zugrunde legen würde, da ihre Indizfeststellungen lediglich die zeitliche Koinzidenz (bzw. Postinzidenz), nicht aber eine – wie auch immer im erforderlichen Grad geartete – Risikoerhöhung prozessual belegen. cc) Antworten und Lösungswege von Verwaltung und Literatur (1) Kausalnachweis überhaupt nicht möglich Einer Ansicht nach könne der Kausalitätsnachweis aufgrund der Komplexität der Preisbildung in Kapitalmärkten praktisch nie gelingen.1296 Nachdem zu den vielfältigen weltweiten Handelsplätzen hinzukomme, dass bei international tätigen Unternehmen die auf den Börsenkurs einwirkenden Umstände so vielgestaltig sind, sei eine Kausalitätsfeststellung wie bei der Lederspray-/Holzschutzrechtsprechung des Bundesgerichtshofs durch den Ausschluss potentieller Alternativursachen nicht praktikabel.1297 Ebenso konkludieren Gaede/Mühlbauer, dass die einzig praktizierbar verstandene Einwirkung (wie sie der Bundesgerichtshof vorschlägt) dem Tatbestand jedenfalls keinen qualifizierend wirkenden Taterfolg hinzufüge, da der für eine Unrechtsvertiefung konstitutive Kausalitäts- und Zurechnungsnachweis nicht rechtsstaatlich erfolgen könne.1298 Neben dem Herausheben der kaum bestehenden Nachweismöglichkeiten argumentiert Altenhain ähnlich unter Einbeziehung der Sanktionsandrohung, ein Erfolg, den der Täter noch nicht einmal beabsichtigen müsse und dessen Eintritt wegen der Informationsflut in erster Linie vom Zufall abhänge, könne keinen Sanktionssprung von einer Geldbuße zu einer bis zu fünfjährigen Freiheitsstrafe rechtfertigen.1299 Diskussion der materiellen Anforderungen an die Kausalität für das Einwirkungserfordernis (siehe oben 3. Kapitel § 2 B. II. 4.) haben zumindest gezeigt, dass eine vom konkreten Marktumfeld gänzlich abstrahierende Auslegung und eine dieser entsprechende Beweisführung nicht möglich wäre. Vgl. zur Lösung von Normwidersprüchen zwischen Prozess- und materiellem Recht (zugunsten von Prozessnormen): Sieber FS Roxin (2001) 1113 (1137 f. Fazit); allgemein zum (von Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht [2007] S. 34 Rn. 64) als „weithin ungeklärt“ beschriebenen Verhältnis von materiellem Recht und Strafprozessrecht sowie deren Wechselwirkungen Perron FS Hanack (1999) S. 473 ff. Ein Beispiel für die Lösung materiellrechtlicher Zweifelsfragen durch prozessuale Hilfen: der Verweis von Schröder (2007) 3. Kap. C IV 4 c Rn. 436 auf die Möglichkeit der BaFin, wegen des Opportunitätsprinzip bei Ordnungswidrigkeiten nur eindeutige Gefährdungslagen zu verfolgen. 1296 Vgl. Altenhain BB 2002, 1874, 1876; Tripmaker wistra 2002, 288, 292; Trüstedt, S. 126 ff.; Ziouvas/Walter WM 2002, 1483, 1487. 1297 Rössner AG 2003, R16, R17; Ziouvas/Walter WM 2002, 1483, 1487. 1298 Gaede/Mühlbauer wistra 2005, 9, 15. 1299 Altenhain BB 2002, 1874, 1876.
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De lege lata wird der Vorschrift daher die Bedeutungslosigkeit vorhergesagt,1300 de lege ferenda wird je nach den stillschweigend vertretenen Strafwürdigkeitskonzeptionen entweder die gänzliche Abschaffung der Strafvorschrift1301 oder die Rückführung in einen Gefährdungstatbestand vertreten. Als qualifizierendes Merkmal der Straftat in Abgrenzung zur bloßen Ordnungswidrigkeit wird für die Erheblichkeit des Kursbeeinflussungspotentials plädiert.1302 Unklar an diesen in erster Linie informationsgestützte Manipulationen1303 diskutierenden Ansichten bleibt jedoch bereits, aufgrund welchem materiellen Kausalitätsverständnis sie argumentieren und – dem folgend – welches Kausalitätssubstrat als Anknüpfungspunkt sie in seinem prozessualen Nachweis als ausgeschlossen ansehen. (2) Ereignisstudien und Indizienbeweis Die in der tiefer gehenden Literatur1304 am häufigsten mehr oder minder ausdrücklich vertretene Methodik des prozessualen Nachweises der Einwirkung informationsgestützter Manipulationen in Form eines entsprechenden Indizienbeweises basiert auf dem Einbezug von sog. Ereignisstudien.1305 Neben der konsequent dem propagierten materiellen Kausalitätsbegriff entsprechenden Begründung mit der Naturgesetzlichkeit der „Markteffizienz“1306 wird hier oftmals kumulativ auf die praktische Unmöglichkeit 1300
Vgl. bspw. Ziouvas/Walter WM 2002, 1483, 1487. Vgl. Altenhain BB 2002, 1874, 1876. 1302 Ziouvas ZGR 2003, 113, 140. 1303 Dies hat seine Ursache für die älteren Veröffentlichungen in der zur Zeit ihres Erscheinens bestehenden Gestalt des § 20a I WpHG a. F., welcher in seiner damaligen Nr. 1 die informationsbezogenen Manipulationen, in seiner Nr. 2 alle sonstigen Täuschungshandlungen beinhaltete und damit anders als § 20a I WpHG n. F. (nach dem AnSVG) keine Nr. 2 mit explizit handelsbezogenen Manipulationen besaß. 1304 Vgl. Eichelberger (2006) S. 328 ff.; Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 38 Rn. 54. 1305 Ereignisstudien zur empirischen Untersuchung der Auswirkung bestimmter Informationen auf den Kapitalmarkt gibt es bereits seit den frühen 30er Jahren (vgl. hierzu den Überblick bei MacKinlay Journal of Economic Literature, 35 (1997) 13, 13 f. m. w. N.). Grundlegend für die moderne Methodik von Ereignisstudien sind die Arbeiten finanzwissenschaftlicher Provenienz von Ball/Brown, Journal of Accounting Research, 6 (1968) 159; Fama/Fisher/Jensen/Roll, International Economic Review, 10 (1969) 1 ff. für Ereignisstudien („Case Studies“) über die Signal-Wirkung von Aktiensplits im US-Amerikanischen Kapitalmarkt; für den deutschen Kapitalmarkt siehe bspw. Coenenberg/Henes ZfbF 1995, 969 ff. Eine umfassende Übersicht zu vielfältigen Ereignisstudien findet sich bei Röder zfb 2000, 567, 569 f. Für Ereignisstudien für nach bestimmten Publizitätspflichten veröffentlichte Informationen vgl. bereits University of Chicago Law Review (Hrsg.), The University of Chicago Law Review, Vol. 7, No. 4 (1940) S. 676 ff. 1306 Vgl. so bspw. Hellgardt ZIP 2005, 2000, 2006 und passim; Papachristou (2006) S. 198 f. 1301
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von Zeugenbefragungen abgestellt.1307 Mit Hilfe dieser Studien soll der Einfluss einer neuen Information anhand einer positiven oder negativen Abweichung des Kurses von der „normalen“ Kursentwicklung1308 aufgezeigt werden können (sog. Über- oder abnormale Renditen). Eine Ereignisstudie wird dabei in einem Vierschritt erstellt: der Definition des Ereignisses und der Festlegung des Veröffentlichungszeitpunktes folgt in einem zweiten Schritt die Berechnung der tatsächlichen Renditen. Nach der sich anschließenden Bestimmung erwarteter Renditen, können die Überrenditen als Differenz aus tatsächlicher und erwarteter Rendite kalkuliert und in einem vierten und letzten Schritt die Ergebnisse auf ihre statistische Signifikanz überprüft werden.1309 Auch in der vom Bundesgerichtshof für den Nachweis vorgeschlagenen Vorgehensweise findet sich diese Methodik angelegt.1310 Dabei sollen die vom Bundesgerichtshof aufgestellten Kriterien nicht nur in den Fällen helfen, in denen es zu „sprunghaften“ Einwirkungen auf den Kurs kommt.1311 Vogel1312 erweitert den Indizienkatalog des Bundesgerichtshof – unausgesprochen entsprechend der Methodik finanzwissenschaftlicher Ereignisstudien – noch um den Zeitabstand zwischen Manipulationsverhalten und Preiseinwirkung („Je zeitnäher der Markt auf eine Manipulation reagiert, desto näher liegt die Feststellung der Kausalität“), das Verhältnis der eingetretenen Preisänderungen zur marktüblichen Volatilität des Finanzinstruments („Je mehr sie überschritten wird, desto näher liegt die Kausalitätsfeststellung“) und um Erfahrungssätze über das Preisbeeinflussungspotential be1307 Vgl. statt vieler Eichelberger (2006) S. 330 f. [„Auszuschließen [. . .] ist [. . .] die Befragung der Marktteilnehmer [. . .] Dies folgt schon aus der praktischen Undurchführbarkeit.“]. Nicht diskutiert wird das Verhältnis von materiellem und prozessualem Recht, insbesondere die Frage, ob – falls Zeugenbefragungen materiell notwendig sind – die prozessuale Unmöglichkeit nicht vielmehr auf eine undurchführbare Norm hindeutet. 1308 Die normale Rendite soll dabei der Gleichgewichtsrendite entsprechen, die sich ohne Auftreten der neuen Tatsache ereignet hätte (vgl. Nowak/Rott/Mahr ZGR 2005, 252, 266 f.). 1309 Vgl. instruktiv zur Vorgehensweise von Ereignisstudien Hellgardt ZIP 2005, 2000, 2006; Nowak/Rott/Mahr ZGR 2005, 252, 266 ff.; aus finanzwissenschaftlicher Sicht siehe hierzu Röder zfbf 2000, 567, 569 ff.; ders. (1999); ders. zfbf 2001, 1357. 1310 Siehe hierzu oben 3. Kapitel § 2 B. IV. 3. a) bb) (2) (c). Vgl. mit diesem Fazit auch Hellgardt ZIP 2005, 2000, 2006. 1311 Hellgardt ZIP 2005, 2000, 2006 Fn. 66; a. A. Schröder, in: Achenbach/Ransiek, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 2004, X 2 Rz. 73. 1312 Vgl. Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 38 Rn. 54, der zur Bekräftigung den Sachverhalt des BGH in Sachen „Analyst Sascha Opel“ (BGHSt 48, 374, 376) als evidentes Beispiel anführt, obgleich hier lediglich die zeitliche Postinzidenz offenkundig ist, nicht aber der Ausschluss alternativer Kausationen.
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
stimmter Manipulationen bei vergleichbaren Finanzinstrumenten. Daneben kann bei einer nach dem Manipulationsverhalten eingetretenen Preisstabilisierung die vorherige Preis- und/oder Marktentwicklung indizielle Wirkung besitzen („Je mehr die Stabilisierung hiervon abweicht, desto näher liegt die Kausalitätsfeststellung“). Papachristou will aufbauend auf die Kapitalmarkteffizienztheorie und ausgehend von einem regelmäßigen Zeitfenster von 2 Tagen nach der Publizierung der jeweiligen Information, bei der Kursbetrachtung alle Kursbewegungen ohne Zusammenhang zur Informationsverbreitung bzw. -unterlassung (!) als jenen Teil herausrechnen, der ausschließlich auf unternehmensspezifischen Größen beruht.1313 Dies soll in der Tradition finanzwissenschaftlicher Ereignisstudien auf der Grundlage des Capital Asset Pricing Model (CAPM) geschehen, in welchem die tatsächliche Rendite mit der des Marktes oder der Branche verglichen wird.1314 Auch Hellgardt plädiert ausgehend von einer sich dem Landgericht München I (Haffa)1315 zunächst anschließenden Kritik, es sei zum einen erkennbar unmöglich, die Marktteilnehmer nach ihren Motiven zu befragen und die Motive auch noch nach dem Ordervolumen jedes einzelnen Anlegers zu gewichten,1316 zum anderen – insoweit abweichend vom LG München I – für das Delikt auch gar nicht nötig, wie beim Betrug die Individualmotivation zu hinterfragen, für den Einbezug des Mittels der Ereignisstudien in den strafprozessualen Nachweis.1317 Dabei will er als Grundlage dieses prozessualen Nachweisbehelfs ausdrücklich ein im Kapitalmarkt wirkendes Kausalgesetz erkannt haben, das jedenfalls für die informationsgestützten Manipulationen entscheidend auf der Annahme von Markteffizienz – jedenfalls in liquiden Märkten – basiert.1318 Ähnlich heben auch Mendes/Miranda auf Ereignisstudien ab, sei doch die „Analyse konkreter interner Prozesse (kognitiver, emptionaler oder vorsätzlicher Natur) von Individuen [. . .] nicht notwendig für die Er1313
Vgl. Papachristou (2006) S. 198 f. Abseits der für solche generellen Aussagen für alle informationsgestützten Manipulationen fehlenden empirischen Absicherung wäre zu untersuchen, ob es eine „Halbwertzeit“ auch für Informationen im Markt gibt, d.h. ob jene nach einer bestimmten Zeit in Vergessenheit geraten können, so dass ab diesem Zeitpunkt ein an die Informationen anknüpfendes Marktverhalten zumindest sehr unwahrscheinlich ist. 1314 Dass sich hieraus Schlüsse nicht mit absoluter Sicherheit ziehen ließen, bekennt auch Papachristou (2006) S. 199. 1315 Siehe zur „Gesetzgeberkritik“ LG München I, NJW 2005, 445 oben 3. Kapitel § 2 B. IV. 3. a) bb) (1) und bereits 3. Kapitel § 2 B. II. 4. b) bb). 1316 Hellgardt ZIP 2005, 2000, 2007: „aus kapitalmarktpsychologischen Gründen nicht geeignet und praktisch undurchführbar“. 1317 Vgl. Hellgardt ZIP 2005, 2000, 2006. 1318 Hellgardt ZIP 2005, 2000, 2006 und passim.
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fassung massenpsychologischer Vorgänge, welche wir letztlich einzigst zu identifizieren trachten.“1319 Grundproblem aller Ereignisstudien und damit Quelle bedenklicher Risiken für ihren strafprozessualen Einbezug sind bereits die sog. überlappenden Ereignisse (confounding events). Bei empirischen Untersuchungen bestimmter Ereignisse auf dem Kapitalmarkt können störende externe Einflüsse im zeitlichen Umfeld des zu begutachtenden Ereignisses auftreten, wie beispielsweise weitere Unternehmensmeldungen oder Analysten-Empfehlungen.1320 Das Aussondern anderer Markteinflüsse ist indes schwierig und beginnt schon mit Problemen, einen Marktindex als Vergleichsbasis zu bestimmen – ungeachtet dessen, dass für diesen auch (insbesondere irrational spekulativ genährte) abnormale Schwankungen auftreten können oder koinzidentes manipulatives Verhalten von Einfluss sein kann.1321 Die Konzeption der Ereignisstudien gründet ganz entschieden einerseits auf der Annahme weitestgehender Markteffizienz, aber auch einer weitgehenden ceteris paribus Annahme.1322 Der Ausgangspunkt der Ereignisstudien ist richtig, wenn es darum geht, Kapitalmarktbereiche herauszukristallisieren, in denen es zu einer Einwirkung gekommen sein kann. Dies würde nämlich den zweiten Schritt ermöglichen, der in der Ermittlung liegt, ob der betreffende Kapitalmarkt faktisch 1319
Mendes/Miranda Kolloquium Philipps (2005) S. 329, 357. Vgl. hierzu beispielsweise die empirische Studie von Bessler/Herf (Aktueller Stand: 2002) unter http://symposium.fbv.uni-karlsruhe.de/9th/papers/Her_Bes.pdf [zuletzt besucht am 1.8.2010]. 1321 Ein Beispiel für eine derartige exorbitante Sonderkonstellation für Indexoder Branchenvergleiche ist beispielsweise die offene Explosion des Börsenwertes der Aktie der Volkswagen AG im Oktober 2008 innerhalb weniger Tage von 210 Euro auf über 1000 Euro pro Aktie, genährt durch vorherige umfangreiche Fehlspekulationen institutioneller Anleger mit Leerverkäufen, die nach der Veröffentlichung der Porsche AG, über 76% des gezeichneten Kapitals der VW-AG direkt oder indirekt zu kontrollieren, chaotische Verhältnisse anrichteten. Der Anteil der VW-Aktie im DAX wurde daraufhin angepasst. 1322 Vgl. bspw. so ausdrücklich Mendes/Miranda Kolloquium Philipps (2005) S. 329, 364; Nowak/Rott/Mahr ZGR 2005, 252, 271. Das Argument von Mendes/ Miranda (Kolloquium Philipps (2005) S. 329, 364) die in den von ihnen untersuchten Fällen gegebene ceteris paribus Annahme (!) [worauf sich diese Erkenntnis außer auf fehlende andere sichtbare Makroeinflüsse stützt, geben die Autoren nicht an] sei keine Zufälligkeit dieses speziellen Sachverhalts, ansonsten wäre ja auch jede Manipulationshandlung aus der Sicht des Manipulators sinnbefreit, bietet genau genommen nicht mehr Raum für Schlussfolgerungen, als sie die Erkenntnisse der ökonomischen Theorie bieten: Märkte können, müssen in ihrer Ad-Hoc Zusammensetzung aber nicht markteffizient sein. Nehmen die Autoren dagegen Markteffizienz als Gesetzmäßigkeit an, ist ihnen aus der strafrechtsinternen Perspektive entschieden zu widersprechen. 1320
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
als informationseffizient anzusehen ist, d.h. dass die Preise durch informierten Handel zustande kommen,1323 und somit die Annahme eines entsprechenden Erfahrungssatzes opportun ist, der einer Ereignisstudie Aussagekraft geben kann. Die Annahme einer faktischen Informationseffizienz liegt nahe, wenn ein liquider Markt besteht, wobei in dessen Feststellung einzubeziehen ist, ob ein Wertpapier in einem nennenswerten Umfang gehandelt wird oder ob ein Market-maker verpflichtet ist, das Wertpapier zu betreuen, da letzterer dann verpflichtet wäre, Kauf- und Verkaufspreise zu stellen, weshalb er jedenfalls die publizierten Tatsachen auswerten wird.1324 Inzidente und in einem Strafprozess an sich zunächst zu klärende Voraussetzung einer Ereignisstudie ist jedoch das Vorliegen eines informationseffizienten Marktes. Sich nur der beobachteten abnormalen Rendite zu widmen (zum Ausschluss von Alternativursachen vgl. sogleich) und diese zur Basis von Schlussfolgerungen für die tatsächliche Preisbeeinflussung einer Information werden zu lassen, hieße die Informationseffizienz des partiellen Marktumfeldes mehr oder minder zu vermuten. Dies führt letztlich zu einer bedenklichen Umkehrung der Unschuldsvermutung,1325 die noch dazu den Angeklagten das Unmögliche aufgibt, fehlende Markteffizienz darzulegen.1326 Hinzu kommen bereits modellimmanent Schwierigkeiten in Konstellationen, in denen das gesamte Marktumfeld gerade keinen Trend erkennen lässt.1327 Ergebnis einer solchen Untersuchung wäre – abgesehen von den internen Schwierigkeiten des CAPM in der Vergleichsindexierung – lediglich die Feststellung einer Postinzidenz einer abnormalen Rendite, nicht aber die Verknüpfung mit dem Manipulationsverhalten. Problematisch wird der Einbezug von Ereignisstudien in juristische Kausalitätserwägungen darüber hinaus deshalb, weil allein die Makroebene betrachtet, – offensichtlich – von einer zumindest prima facie geltenden Markteffizienztheorie ausgegangen und diese einem nomologischen Verständnis von Kausalität zugrunde gelegt wird. Der für den Indizienbeweis erforderliche Ausschluss zumindest bekannter Alternativursachen kann im Strafrecht allerdings nicht allein anhand des Ausschlusses bekannter und jedermann erkennbarer allgemeiner Makroursachen erfolgen, wie sie von den Anhängern von Ereig1323 Vgl. so für die Ermittlung der Voraussetzung für die Annahme möglicher Anscheinsbeweise im Kapitalmarkthaftungsrecht Veil ZHR 2003, 365, 385. 1324 Vgl. Veil ZHR 2003, 365, 385 m. w. N. 1325 Ähnlich Kutzner WM 2005, 1401, 1406. 1326 Diese Konsequenz offenbar nicht im Blick, stattdessen aber Süffisantes für die Verteidigung übrig habend Mendes/Miranda Kolloquium Philipps (2005) S. 329, 365: die Komplexität des Kapitalmarktes sei der „wundersame Rettungsring des Angeklagten“, obgleich sich auf diese beziehende Argumente leicht mit dem Beweis (!) zu demontieren seien, dass „die fragliche Information tatsächlich Einfluss auf den Kurs eines Finanzinstruments hatte.“ 1327 So bereits – ein Vertreter des Modells – Eichelberger (2006) S. 332.
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nisstudien propagiert wird, sondern müsste – wenn kein weiterer (erheblicher!) Unsicherheitsfaktor (neben den unbekannten Makroeinflüssen) den prozessualen Nachweis deduktiv-nomologisch verstandener Kausalität aufstören soll – die individuelle Mikroebene einbeziehen. Wird dagegen die Mikroebene der einzelnen Marktteilnehmer schon gar nicht in die Beweisführung einbezogen, werden mannigfache Alternativursachen der Preisentwicklung von vornherein ausgeblendet, obgleich es diese, wie die bisherige Analyse gezeigt hat, auch in semi-effizienten Märkten geben kann. Darüber hinaus kann allein dieser Einbezug der Mikroebene und damit der Marktpreis-relevanten-Anleger unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten (Möglichkeiten der Verteidigung) eine unzulässige Zurechnung „Pi mal Daumen“1328 verhindern, wie sie möglicherweise im Zivilrecht auf der Ebene der haftungsausfüllenden Kausalität (§ 287 ZPO), keinesfalls aber im Strafrecht möglich sein kann. Ansonsten wäre eine Nachweisführung aufgrund von Ereignisstudien erheblich angreifbar und in einem rechtsstaatlichen Strafverfahren für den Nachweis von Kausalität auf der Grundlage klassischer Kausalitätsdefinitionen nicht tragbar. Nimmt man indes – unter Ausblendung der gegen diesen sprechenden Erwägungen1329 – einen probabilistischen Kausalitätsbegriff zur materiellen Grundlage der Kausalitätsprüfung, bieten die Ereignisstudien scheinbar eine operable Basis, wenn auch in diesem Kontext die Unsicherheit aufgrund des fehlenden Einbezugs von Mikroebenenalternativursachen nicht aus den Augen verloren werden darf.1330 Bei einer im Anschluss an eine veröffentlichte falsche Ad-Hoc-Meldung in volatilen Märkten beobachtbaren erheblichen abnormalen Rendite ist die Wahrscheinlichkeit einer Mitbeeinflussung des Preises durch zumindest einige irreführungsbedingte Transaktionsentscheidungen groß. Allerdings steht ein Nachweis auf der Grundlage von Ereignisstudien hier ebenfalls auf schwachem Fundament, muss er doch ebenfalls die durchgängige Markteffizienz als ceteris paribus Annahme unterstellen, was sich nach den obigen Erwägungen zur Kursbildung und deren Einflüsse auf strafrechtliche Kausalitätsfragen des Einzelfalles normativ verbietet. Ansonsten bliebe nur, die Wahrscheinlichkeit der Antecedensbedingung von Markteffizienz in die Wahrscheinlichkeitsgesamterwägungen 1328
Schröder (2007) Rn. 567. Vgl. oben 3. Kapitel § 2 B. II. 4. c) cc) (3). 1330 Ohne das materielle Problem der probabilistischen Zurechnung aufzugreifen, am (wohl) vertretenen materiellen Kausalitätsbegriff der Äquivalenztheorie der Rechtsprechung (S. 197 f.) zu zweifeln oder hieraus Folgerungen für das mutmaßliche Erfolgskriterium des § 38 II WpHG zu ziehen, konstatiert auch Papachristou (2006) S. 199, welche zuvor für die Kausalität einen den Ereignisstudien entsprechenden Nachweisweg gefordert hat (S. 198 f.), dass sich darüber, ob eine Information tatsächlich für eine abnormale Rendite ursächlich sei, alleine eine Wahrscheinlichkeitsaussage treffen lasse, die durch statistische Untersuchungen zu gewinnen sei. 1329
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
mit aufzunehmen. Modelle für die Bildung einer Gesamtwahrscheinlichkeit auf der Grundlage von Einzelwahrscheinlichkeiten werden in Beiträgen zu einer probabilistischen Beweistheorie v. a. für den Einbezug kriminaltechnischer Untersuchungen in die Beweiswürdigung – insbesondere mit dem Ziel einer Verobjektivierung der Beweiswürdigung – vertreten.1331 Diese Modelle bauen zentral auf dem sog. Bayes-Theorem1332 auf. Danach ist die Wahrscheinlichkeit, „dass eine Hypothese wahr ist, wenn man die Beobachtung B gemacht hat W (H/B) gleich der (a-priori) Wahrscheinlichkeit, die für die Wahrheit der Hypothese sprach, bevor man die Beobachtung gemacht hat W (H), multipliziert mit der Wahrscheinlichkeit, die Beobachtung zu machen, vorausgesetzt, die Hypothese ist wahr, W (B/H), dividiert durch die Wahrscheinlichkeit, unabhängig von der Wahrheit der Hypothese überhaupt eine solche Beobachtung zu machen.“1333 Für den Bereich des Kapitalmarktes lässt sich ein derartiges Vorgehen allerdings bereits aus einer theorieinternen Position dahingehend als bedenklich einstufen, als sich Anfangswahrscheinlichkeiten wenn überhaupt nur für quantifizierbare Indizien erheben lassen,1334 was beispielsweise bei der Antecedensbedingung der Markteffizienz ohne wiederum inzidente Vermutungen schlechterdings nicht oder nur in mangelnder Präzision möglich ist.1335 Aus der externen Perspektive besteht unter Einbezug psychologischer Effekte bei einer probabilistischen Beweiswürdigung, wie sie auch unter Einbezug von Ereignisstudien (zumindest verdeckt) anzutreffen ist, die Gefahr einer richterlichen Überbewertung oder gar Alleinstellung der Zahlenangaben in den Ereignisstudien gegenüber nicht-quantifizierbaren entlastenden Indizien (sog. Dwarfing of soft variables).1336 Darüber hinaus ist die Beweiskraft von Ereignis1331 Vgl. hierzu für den deutschsprachigen Raum v. a. Bender/Nack/Treuer (3. Aufl. 2007) Rn. 609 ff. (= S. 154 ff.), sowie die Darstellung des Meinungsstandes m. w. N. bei H. E. Müller FS Rolinski (2002) S. 220, 224 ff. 1332 Das Modell entstammt der Feder des englischen Predigers Thomas Bayes (1702–1761). 1333 H. E. Müller FS Rolinski (2002) S. 220, 222. 1334 Beispielhaft bestehen belastbare Zahlen über den Anteil einer bestimmten Blutgruppe in der Bevölkerung, wodurch sich bei festgestellten DNA-Spuren zumindest quantifizierbare Wahrscheinlichkeiten bilden lassen können. 1335 Denkbar wäre zwar in einem ersten Schritt auf der Grundlage früherer Studien für Märkte zu ermitteln, ob diese jeweils markteffizient sind, um dann die als markteffizient ermittelten Märkte zur Gesamtzahl der untersuchten Märkte in Beziehung zu setzen, woraus sich eine – allerdings höchst relative – Wahrscheinlichkeit für Markteffizienz auch im zu beobachtenden Markt ergäbe. Außerachtgelassen wurden dabei bereits zur Vereinfachung die Frage, ob sich Markteffizienz überhaupt durch Studien nachweisen lasse und ob sich frühere Studien (zumeist sogar für andere, wenn auch ähnliche Märkte) überhaupt auf den aktuell zu beobachtenden Markt transferieren lassen oder ob nicht die Relativität des jeweiligen Gesamtmarktumfeldes eine intertemporäre ceteris paribus Annahme ausschließt.
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studien von der Aufklärung im Übrigen abhängig, da die probabilistische Methode den Ausschöpfungsgrad des Beweisstoffes, aber auch den Aufklärungsgrad (sog. weight of evidence) unberücksichtigt lässt.1337 Beispielsweise blenden Ereignisstudien in ihrer Reinform Alternativursachen auf der Mikroebene aus. Die Komplexität des Beweisstoffes im Kapitalmarktbereich setzt aussagekräftigen Beweisaussagen aufgrund von probabilistischen Ereignisstudien ungeachtet deren bereits methodenintern vorhandenen Erkenntnisschwierigkeiten erhebliche Grenzen. Im Ergebnis können Ereignisstudien daher zwar für probabilistische Kausalitätsmodelle ein prozessuales Geschwister darstellen. Indes lassen sich bei deren Ernstnahme sowie prozessualen Operationalisierung in Indizienbeweisen, und auch in ihrer Kombination mit probabilistischen Beweistheorien für den Bereich psychischer Kausationen in komplexen soziologischen Strukturen (wie im Kapitalmarkt) erhebliche praktische Probleme prognostizieren, woraufhin bereits die bisherigen Erfahrungen der Hinzuziehung finanzwissenschaftlicher Gutachter in die wenigen bisherigen Strafverfahren hindeuten.1338 Lässt man Ereignisstudien dagegen unausgesprochen auf Vermutungen aufsetzen (vgl. oben zur Markteffizienz als Grundlage), können diese nicht mehr als eine bloße Scheinobjektivität vermitteln. (3) Übernahme der fraud-on-the-market-theory Vereinzelte Stimmen der kapitalmarktrechtlichen Literatur setzen sich für eine Übernahme der bereits oben beschriebenen fraud-on-the-market Theorie als Grundlage einer Vermutung der Transaktionskausalität unter Verzicht auf ihren konkreten Nachweis ein.1339 Die Theorie soll indes (auch nach der amerikanischen Rechtsprechung) gerade nicht für illiquide Märkte (mangels in diesen anzunehmender Informationseffizienz) und dann nicht gelten, wenn in der Presse bereits vor der fraglichen Anlegertransaktion die Unwahrheit der Ad-Hoc-Information publiziert wurde.1340 Eine ähnliche Kons1336 Vgl. hierzu Tribe Harvard Law Review 84 (1971) 1329, 1361; H. E. Müller FS Rolinski (2002) S. 220, 231 f. Zum Umstand, dass aus rein psychologischer Sicht ein Richter in von Unsicherheit geprägten Bereichen wie dem Kapitalmarkt bereits zur Annahme kausaler Interferenzen zwischen einer möglichen Ursache und einem Ereignis aufgrund des von ihm als geltend zugrunde liegenden Systemmodells tendiert, vgl. Tversky/Kahneman, in: Kahneman/Slovic/Tversky (1982) S. 117, 125 f. 1337 Vgl. H. E. Müller FS Rolinski (2002) S. 220, 232 ff. 1338 Benner, in: Volk (2006) § 22 Rn. 365. 1339 Vgl. Weber NJW 2004, 28, 30. Für die zivilrechtliche Sekundärmarkthaftung so ausdrücklich Baums ZHR 167 (2003) 139, 180 f. und passim; Fleischer NJW 2003, 2584, 2586; Sauer ZBB 2005, 24, 29. 1340 Vgl. Baums ZHR 167 (2003) 139, 184.
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
truktion trifft man – wenn auch nicht explizit als Übernahme der fraud-onthe-market theory beschrieben – bei der Diskussion der Anforderungen an einen Kausalitätsnachweis im Rahmen der §§ 37b, c WpHG (Haftung für unterlassene bzw. fehlerhafte Ad-Hoc-Meldungen) an, wo es nicht auf den Nachweis der inneren Tatsache einer motivalen Beeinflussung der Transaktionsentscheidung beim Anleger ankommen soll, sondern ausreichend sein soll, dass dieser bei einem anderen Kurs anders gehandelt hätte.1341 Im Rahmen der strafrechtlichen Marktmanipulation kommt es jedoch gerade auf die konkrete Motivationsbeeinflussung an. So sprechen die oben bereits ausgeführten Argumente gegen eine Übernahme der fraud-on-the-market-theory jedenfalls im Bereich der strafrechtlichen Marktmanipulation.1342 (4) Konkrete Untersuchung (exakte Orderdatenermittlung; Zeugenbefragung etc.) der Einwirkung erforderlich Für den Nachweis psychischer Kausalität wurde für die Ermittlung der eigentümlichen psychischen Dependenzen (nicht nur im Kontext des Betruges) schon früh die hervorgehobene Bedeutung des Zeugenbeweises betont.1343 Auch für das Delikt der Marktpreismanipulation erwogen einzelne Stimmen in der Literatur,1344 dass es darauf ankommen müsse, einen einzelnen Anleger festzustellen, der nachweisbar aufgrund der Manipulationshandlung ge- oder verkauft habe, da jeder Kauf oder Verkauf den Kurs beeinflusse.1345 Jene Ansicht – sofern sie überhaupt jemals ernsthaft vertreten wurde – verkennt jedoch in ihrer Verallgemeinerung, dass wie bereits dargelegt nur Marktorder mit einem erheblichen Volumen – wie es einzelne private Anleger zumeist nicht einsetzen können und wollen – die Potenz besitzen, allein für eine Marktpreiseinwirkung zu sorgen.1346 1341
Vgl. nur Möllers/Leisch BKR 2002, 1071, 1079: „[. . .] kommt es auf seine Kenntnis der unwahren Tatsache nicht an, denn die Kenntnis steckt bereits im Börsenkurs“; Maier-Reimer/Webering WM 2002, 1857, 1860. 1342 Siehe hierzu bereits oben 3. Kapitel § 2 B. IV. 3. a) aa) (1). 1343 Vgl. nur bereits die „Praktikerstimmen“ bei Engisch FS Weber (1963) S. 247, 258 m. w. N. 1344 Ohne allerdings das dem zugrunde liegende materielle Problem der psychischen Kausalität aufzugreifen. Vgl. ebenso bereits das LG München I (hierzu eingehend oben 3. Kapitel § 2 B. IV. 3. a) bb)). 1345 Vgl. Ziouvas/Walter WM 2002, 1483, 1487, die diesen Vorschlag aber ebenda selbst wieder dadurch relativieren, dass ein einzelnes Geschäft zwar theoretisch, aber ob seines konkreten Volumens nicht unbedingt praktisch Auswirkungen haben müsste, nämlich nicht bis zu den Kommastellen, die noch errechnet werden und an der Börse interessieren. 1346 Vgl. hierzu Fischel/Ross Harvard Law Review 105 (1991) 503, 513 [insb. Fn. 39]; Kudlich JR 2004, 191; Papachristou (2006) S. 199; ähnlich wohl Arlt
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Vertreten wird dementsprechend über die exakte Aufschlüsselung der Orderlage am zu begutachtenden Börsenplatz und dem zu analysierenden System (XETRA, Präsenzhandel) anhand der nach § 4 BörsG und § 9 WpHG gesammelten Daten die Börsenpreis bildenden Transaktionen zu individualisieren, um anhand deren Orderdaten auf die dahinter stehenden Anleger als Zeugen Rückgriff nehmen zu können.1347 Diese Nachweisführung entspricht zwar prozessual den materiellen Anforderungen des vorliegend zur psychischen Kausalität vertretenen Kausalitätsbegriffs. Indes lässt gerade in volatilen Märkten die exakte Ermittlung der entscheidenden Mikroebenenakteure anhand der Orderdaten prozessual erhebliche Schwierigkeiten erwarten. Daneben stellen sich für eine überwiegend auf dem Zeugenbeweis fußende Nachweisführung die traditionellen Probleme jenes Beweismittels. So gehören Zeugenaussagen zum induktiven und damit unsicheren Beweisfeld. „Mag ein Zeuge unmittelbar oder mittelbar relevante Fakten bekunden, ein Sachverständiger gesichertes oder nicht unbezweifeltes Erfahrungswissen darlegen, stets ‚liefern‘ beide nur Sätze, deren Sinn und Wahrheitswert für den zu entscheidenden Fall erst zu prüfen (z. B. aus Hilfstatsachen zu erschließen) ist.“1348 Dazu kommt, dass die retrospektivische Ermittlung des hypothetischen Anlageverhaltens ohne die Manipulationshandlung, wie sie nach der Conditio Formel allseits, ansonsten nur im Rahmen der Quasikausalität beim Unterlassen nötig wäre, oder der motivalen Wirkung vom Manipulanten gelieferter Gründe, wie sie nach dem hier vertretenen Kausalbegriff zu verlangen ist, mit Schwierigkeiten behaftet ist, da es für den einzelnen Anleger schwer möglich ist, zwischenzeitlich bekanntgewordene Informationen und deren Entscheidungseinfluss hinreichend auszublenden.1349 Dieses in der Psychologie als Phänomen der Rückschaufehler (hindsight bias)1350 bekannte Phänomen lässt sich indes für den Zeugenbeweis in allen Konstellationen psychischer Kausationen (also auch und gerade beim Betrug und der Anstiftung) attestieren1351 und (2004) S. 408, der allerdings zu Recht hervorhebt, dass auch eine einzelne kleine Order, sofern geringfügig kurserheblich, berücksichtigt werden muss und diese nur geringe Einwirkung allein auf der Ebene der Strafzumessung beim Täter berücksichtigen möchte. 1347 Vgl. instruktiv Schröder (2007) 3. Kap. G IV Rn. 579 ff. Siehe ähnlich bereits Arlt (2004) S. 408. 1348 Herdegen NStZ 1987, 193, 198. 1349 Mit dem Argument der „Unmöglichkeit“ von Zeugenbefragungen im Kapitalmarkt die Vorzugswürdigkeit der BGH-Rechtsprechung herausstellend Hellgardt ZIP 2005, 2000, 2005; Eichelberger (2006) S. 331. 1350 Siehe hierzu grundlegend Fischhoff J. Exp. Psychol. Hum. Percept. Perform 1 (1975) 288; einen Überblick über die Rezeption der Theorie in der Literatur bieten Kohnert (1996) sowie Schwarz/Vaughn, in: Gilovich/Griffin/Kahneman (2002) S. 112 ff.
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kann daher nicht als spezifisches Argument gegen den Zeugenbeweis im Gebiet des Kapitalmarktes dienen. Insoweit können in Zweifelsfällen auch durch die Verteidigung beantragte Glaubhaftigkeitsgutachten1352 die Verfahrensbalance von belastender Anklage und Entlastung suchender Verteidigung herstellen. Vorschnell zu konstatieren, dass die Norm tatsächlich durch den Einbezug notwendiger Zeugenaussagen unanwendbar würde,1353 erscheint indes verfrüht, nachdem eine alternative, eingeräumt sehr aufwändige Beweisführung über eine Ermittlung1354 und Befragung von Marktteilnehmern als Zeugen noch nicht versucht wurde. Prognostiziert lässt sich allerdings sagen, dass ihre Erprobung erhebliche Schwierigkeiten gebären wird. Verlangen jedoch die materiellen Kausalitätsvorgaben einen solchen Nachweis, kann dieser aber tatsächlich nicht rechtssicher erbracht werden, so würde die Norm des § 38 II WpHG als praktisch unanwendbares und damit im Ergebnis ungeeignetes Vehikel dem Rahmen einer verfassungsrechtlichen Verhältnismässigkeitsprüfung nicht stand halten. (5) Eigene Ansicht Wie gesehen, belässt es der Bundesgerichtshof bei einem weitgehenden Indizienbeweis, der Züge eines Evidenzbeweises trägt. Einzugestehen ist, dass jeder prozessuale Nachweis nur bis zu einem gewissen Grad die Gewähr bietet, dass die prozessual und d.h. verfahrenstechnisch korrekt ermittelte Wahrheit der materiellen Wahrheit entspricht. Lege artis ist eine Beweiswürdigung immer dann, wenn sie die tatsächlichen Feststellungen unter vollständiger Erörterung des Für und Wider als in hohem Maße wahrscheinlich argumentativ zu rechtfertigen vermag.1355 Alle prozessualen Lösungen für den Kausalitätsnachweis sollten jedoch das Primat des materiellen Rech1351 Vgl. hierzu umfassend Kohnert (1996) S. 30 ff. (für – allenfalls als Komponente größerer kognitiver Ansätze anerkannte (S. 37) – motivationale Erklärungen des Rückschaufehlers wie bspw. „Selbstdarstellung- und -achtung“) und S. 37 ff. (für kognitive Erklärungen wie das „Ersetzen von Gedächtnisspuren“, die „Wissensintegrationshypothese“, die „Spureninterferenzhypothese“ und Antworttendenzmodelle) sowie umfassend zu den Interferenzmodellen zur Erklärung des Zeugenvergessens Friedrich (1994) S. 12 ff. und passim. 1352 Vgl. zu den wissenschaftlichen Anforderungen an aussagepsychologische Begutachtungen BGHSt 45, 164 ff. 1353 Vgl. Hellgardt ZIP 2005, 2000, 2005; Eichelberger (2006) S. 331. 1354 Neben der Orderdaten gestützten Ermittlung sind weitgefächerte Zeugenaufrufe möglich, die dann Beweiserhellendes zu Tage fördern können, wenn die ermittelten Zeugen auch tatsächlich aufgrund der (pflichtwidrig unterlassenen) Informationen ein bestimmtes Verhalten (Kaufen, Halten oder Verkaufen) gezeitigt haben. 1355 Vgl. so grundlegend u. a. bereits Herdegen (1995) S. 107. Siehe hierzu darüber hinaus bereits oben 3. Kapitel § 2 B. IV. 1.
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tes anerkennen, das mit seinen demokratisch legitimierten Leitentscheidungen dem Prozess die Themen vorgeben soll, und daher diesem zur weitestgehenden Entfaltung verhelfen. Das Beweisrecht ist richtigerweise auf seine „dienende Rolle“ gegenüber dem materiellen Recht zu beschränken.1356 Alles darüber hinaus gehende – insbesondere das „Anwendbarkeitssichernde Judizieren um jeden Preis“ – bewegt sich kritisch an und über die Grenze des Art. 103 II GG hinweg, welcher die Grenzen zulässiger Tatbestandsauslegung bestimmt.1357 Insofern darf das Prozessrecht durch seine prozessualen Nachweisanforderungen nicht einseitig durch implizite Vermutungen materiell notwendige und daher rechtsstaatlich erforderliche Nachweisthemen als irrelevant vernachlässigen.1358 Auch bei der Würdigung von Indizien und der dabei vorzunehmenden Würdigung der Aussagekraft einzelner Indizien anhand einer bewussten oder unbewussten Abschätzung ihrer Häufigkeitsverteilung können keine allzu generalisierenden Alltagstheorien als Erfahrungssätze zugrunde gelegt werden.1359 So hat auch der Bundesgerichtshof in anderem Zusammenhang für die wissenschaftlichen Anforderungen an Glaubhaftigkeitsgutachten bezüglich Belastungszeugen entschieden, dass diese nicht allein einfache, schematische Regeln (also Heuristiken) zur Anwendung bringen dürfen.1360 Gleiches muss auch für den – möglicherweise anhand finanzwissenschaftlicher Gutachten geführten – 1356
Ebenso für das Verhältnis von materiellem Recht und Prozessrecht im Kontext der Kausalität Ziethen (2004) S. 168. 1357 Ähnlich kritisch hinsichtlich der „Anwendungsraum erhaltenden“ Rechtsprechung des BGH zur Kausalitätsfrage des § 38 II WpHG Schönhöft (2006) S. 163. Vgl. allgemein instruktiv zu den Modellen möglicher Zusammenhänge zwischen materiellem Recht und Strafprozessrecht Günther KritV 1997, 211, 220 ff. 1358 Eine derartige richterliche Entscheidungsfindung entspricht in einer undurchsichtigen und komplexen Welt dem bounded rationality approach (vgl. zu dieser von H. A. Simon 1955 begründeten, vielfach aufgegriffenen Theorie menschlicher Entscheidungsfindung bereits oben Fn. 757), wenn gestützt auf einfache Heuristiken und unter Ausklammerung von Informationen versucht wird, der Aufgabe des Richters entsprechend, eindeutige Entscheidungen zu treffen (vgl. hierzu Glöckner, in: Engel u. a. (2008) S. 259, 260, 276 ff.). An dieser Stelle kann auf dieses jedenfalls für die Strafrechtspflege besonders delikate verhaltenswissenschaftliche Problem und dessen Diskussion gerade auch unter dem Blickwinkel, durch das Verstehen der Strukturen von Entscheidungsfindungen deren Qualität und damit Legitimität nachhaltig erhöhen zu können, nicht vertieft eingegangen werden. Aus allein strafrechtsdogmatischer Sicht steht hierbei das Verhältnis von materiellem Recht (und damit der demokratisch legitimierten Gesetzgebervorgabe) sowie dessen prozessualer Umsetzung im Raum (vgl. hierzu sogleich). 1359 Vgl. zur Erheblichkeit von Erfahrungssätzen in Form von unterbewussten Alltagstheorien bei der Abschätzung der Beweisbedeutung eines Indizes Bender/ Nack/Treuer (3. Aufl. 2007) Rn. 603 ff. (= S. 152 f.). 1360 Vgl. BGH v. 30.7.1999, 1 StR 618/98 – BGHSt 45, 164 (=NJW 1999, 2746 = NStZ 2000, 100).
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Nachweis der Kausalität gelten. Die strafrechtliche Kausalität kann zwar in ihrer prozessualen Umsetzung niemals dem Ideal einer naturgesetzlichen Kausalität entsprechen, da vielfältige Wirkzusammenhänge der menschlichen Erkenntnisfindung noch verschlossen bleiben. Welcher Grad für die individuelle Erfolgs-Verantwortlichkeit ausreichend sein soll, muss jedoch an sich durch das materielle Recht bestimmt sein. Andernfalls wäre die Bindung des Richters an das materielle Recht nichts weiter als eine Fiktion.1361 Besteht aber wie für die Kausalität keine klare gesetzliche materiell-rechtliche Vorgabe, sondern entspricht das, was unter materieller Kausalität in den Urteilen verstanden wird, dem erkenntnistheoretischen Substrat wissenschaftlicher Beschäftigung mit der Rechtsprechung, droht eine Kritik an einer übermächtigen Rolle des Prozessrechts zu verhallen. Genau genommen werden an dieser Stelle sämtliche insoweit wesentlichen Merkmale der materiellen Strafnorm durch das Strafverfahrensrecht modifiziert, so dass alle anerkannten prozessualen Beweissätze in die Kombination der Normsätze aus materiellem und Verfahrensrecht i. S. eines Gesamtobersatzes einfließen.1362 Hier bietet letztlich allein der Rückgriff auf den im Rahmen der materiellen Kausalität bereits ausgeführten und aus dem Schuldprinzip abgeleiteten Gedanken einer notwendigen individualisierten Zurechnung den Türriegel für eine Einlass suchende Rechtsprechung, welche sich mit den ihr inzidenter entnehmbaren materiellen Anforderungen zunehmend hin zu einer probabilistischen Zurechnung bewegt.1363 Weitgehende Beweiserleichterungen zu Lasten des Angeklagten lassen sich nicht einmal mit einer empirisch belegten Beweisnot begründen, zumal es verfrüht wäre, diese im Kapitalmarktstrafrecht angesichts einer fehlenden entsprechenden Übung zu postulieren. Dies gilt selbst dann, wenn die Beweisnot gegenüber der allgemeinen Schwierigkeit des Nachweises der Kausalität durch die Komplexität der zugrunde liegenden Vorgänge wesentlich gesteigert ist.1364 Hierzu 1361
Vgl. zu diesem zweiten Modell des Verhältnisses von materiellem Recht zum Prozessrecht erneut Günther KritV 1997, 211, 221. 1362 So treffend Hoyer ZStW 105 (1993) 523, 556. Insoweit ist den Ausführungen von Armin Kaufmann JZ 1971, 569, 574 f. beizupflichten, wenn diese eine Kausalität nur dann für nachgewiesen halten, wenn der Sachverhalt sich unter ein anerkanntes Kausalgesetz subsumieren lässt, da sie prozessual eben einen solchen kombinierten Obersatz bilden. 1363 Insoweit kann das ursprüngliche Modell einer rein dienenden Rolle zumeist nicht durchgehalten werden und bleibt eine bloße Fiktion, die allerdings zumindest für eine kritische Begleitung und Beobachtung der Rechtsprechung die Grundlage ist. 1364 A. A. Weigend FS Triffterer (1996) S. 695, 712, der dieses „frontale Angehen der Beweisproblematik“ ausdrücklich einer die eigentlichen Probleme nur verdeckenden (!) gesetzgeberischen Reduktion der materiellen Strafbarkeitsvoraussetzungen vorzieht.
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ist – unter den generellen Legitimationsvoraussetzungen einer ausdehnenden Inkriminierung – der Gesetzgeber allein berufen. Für die konkrete Frage des prozessualen Umgangs mit dem Einwirkungserfordernis des § 38 II WpHG bedeutet dies, dass nach obigem materiellen Verständnis von Kausalität die Marktteilnehmer sowohl nach der Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung, der Theorie der konkreten Motivbeeinflussung (Puppe, Koriath u. a.; m. A.) und auch den kritisch dargelegten probabilistischen Modellen zu hinterfragen sind – für letzteres Modell indes unter Umständen1365 nur, aber richtigerweise zumindest für den Ausschluss möglicher Alternativkausationen. Die Gerichte hätten auf der Grundlage ihres eigenen materiellen Kausalitätsbegriffs prozessual gleichfalls das zu untersuchen, was der materiellrechtlichen Vorgabe des Straftatbestandes entspricht. Konstituiert aber der Gesetzgeber – nach herrschender Meinung – im Bereich des Kapitalmarkts einen Einwirkungserfolg und damit das materielle Erfordernis, den Erfolg einer Handlung des Täters kausal zuschreiben zu müssen, kann die Rechtsprechung nur versuchen, die Kausalität entsprechend ihrem materiellen Kausalitätsbegriff prozessual nachzuweisen. Dementsprechend müsste die Rechtsprechung konsequentermaßen die Wirkfaktoren hinter dem zu untersuchenden Marktpreis untersuchen und für den Bereich der informationsgestützten Manipulationshandlungen die psychischen Kausationen zumindest als Problem anerkennen. Der Rückgriff auf die Bedingungstheorie unter Einstellung allein der Erkenntnisse der Markteffizienztheorie als Gesetzmäßigkeiten ist dabei materiell ausgeschlossen und würde den Bundesgerichtshof in Strafsachen in Widerspruch zur eigenen Judikatur in den Betrugsfällen (Motivationsbeeinflussung)1366 und der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Zivilsachen setzen, welche die Anwendung der Markteffizienztheorie impliziter durch Nichtberücksichtigung der fraud-on-themarket-Theorie gerade ablehnt.1367 Ein prozessualer Rückgriff auch auf die Annahmen der Markteffizienz könnte zwar unter dem Gesichtspunkt des Indizienbeweises möglich sein. Allerdings verbietet es sich nach der hier ver1365 Je nach geforderter Gesamtwahrscheinlichkeit müsste sich eine probabilistische Zurechnung im Kapitalmarkt ihrer einzelnen Antecedensbedingungen (Informationsbezogene Manipulationen werden rezipiert; der Markt handelt entsprechend der Markteffizienzhypothese, da deren Voraussetzungen vorliegen [transaktionsbereite information trader sind in hinreichender Zahl vorhanden]) versichern oder für deren Vorliegen jeweils zumindest Wahrscheinlichkeiten aufstellen. 1366 Vgl. oben 3. Kapitel § 2 B. II. 4. b) bb). 1367 Vgl. BGH BKR 2008, 35 [35]. Vgl. zuvor bereits BGHZ 160, 134 – Infomatec; Urt. v. 9.5.2005 – II ZR 287/02, ZIP 2005, 1270 – EMTV (siehe hierzu auch unter 3. Kapitel § 2 B. IV. 3. a) aa) (1) sowie unter 3. Kapitel § 2 B. IV. 3. a) aa) (2).
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tretenen Auffassung mit Blick auf die Erkenntnisse der Behavioral Finance, einen Indizienbeweis ohne das Hinterfragen der Wahrnehmbarkeit und des Typs der jeweiligen Manipulation und der spezifisch antreffbaren Anlegerstruktur vorzunehmen. Der Ausschluss der Alternativursachen wird gerade beim Indizienbeweis und somit in Abweichung von einem Evidenzbeweis zur entscheidenden Weiche im Nachvollzug eines Wirkzusammenhangs. Beim Indizienbeweis kann gerade nicht offen bleiben, wie ein Verhalten des Manipulanten die marktpreiswirksamen Transaktionsentscheidungen der Marktteilnehmer und damit den Kurseinwirkungserfolg bewirkt hat, solange weitere Wirkfaktoren als eigentliche Ursache denkbar sind.1368 Auch ein Ausweichen auf die Bejahung einer doch jedenfalls anzunehmenden Mitkausalität verbietet sich in diesen Konstellationen insofern, als ohne Zeugenbefragungen gerade nicht festgestellt werden kann, ob die Transaktionsentscheidungen nicht gänzlich unabhängig von der manipulativen Handlung getroffen wurden. Dies würde selbst dann gelten, wenn die Rechtsprechung – was man ihr in Anbetracht der damit einhergehenden dogmatischen Gezeitenwende ausdrücklich nicht unterstellen möchte – stillschweigend von einer im Kapitalmarkt berechtigten probabilistischen Zurechnung als materiellem Korrelat der prozessual gestellten, lediglich an im Wahrscheinlichkeitsmaß reduzierte Anscheins- oder Indizienbeweise knüpfende Beweisanforderungen ausgehen würde. Dies würde nicht zuletzt – aus rechtsstaatlicher Perspektive bedenklich1369 – dazu führen, dass eine Verteidigung gegen den Vorwurf der verursachten Kurseinwirkung nicht möglich wäre. Greift das Tatgericht nämlich nicht auf eine Ermittlung/Befragung von Zeugen zurück, kann es gar nicht ausschließen, dass diese sich durch andere Einflüsse als den der informationsgestützten Manipulationshandlung zu ihrer letztlich marktpreiswirksamen Transaktion verleiten haben lassen. Jene Alternativkausation auszuschließen, bedarf es aber auch und gerade im Rahmen probabilistischer Zurechnungsmodelle. Insoweit müsste der Bundesgerichtshof konsequenterweise dem Beschuldigten dann auch die Möglichkeit geben, die Tatsachenbasis durch Beweisanträge und eine diesen folgende Beweisaufnahme zu erweitern und damit zur Grundlage richterlicher Überzeugungsbildung werden zu lassen,1370 anstatt apodiktisch Zeugenbefragungen auszuschließen.1371 Dass die Revisionsrechtsprechung zur Zeit davon ge1368 Insoweit konzis für die strafrechtliche Produkthaftung, aber verallgemeinerungsfähig erst recht für den Bereich psychischer Kausationen Hamm StV 1997, 159, 163. 1369 Ebenssolches Ergebnis bei Gaede/Mühlbauer wistra 2005, 9, 15. 1370 Vgl. hierzu für die Kausalität im Rahmen der Produkthaftung Günther KritV 1997, 211, 223. 1371 Wie geschehen im Urteil „Analyst Sascha Opel“ (BGHSt 48, 373, 384).
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prägt ist, zur Entlastung der Rechtspflege und Meidung von missbräuchlicher Anwendung das Beweisantragsrecht vehement zu beschneiden,1372 ließe dieses Zurechnungsmodell umso kritischer erscheinen.1373 Darüber hinaus gibt der Blick auf die herrschende, auch aus der Komplexität der Beweismaterien geborene1374 und nunmehr durch § 257c StPO n. F. legalisierte Absprachenpraxis1375 gerade im Wirtschaftsstrafrecht zu Bedenken Anlass, dass für entsprechend umfangreiche Beweisaufnahmen Raum, Zeit und der – unter den an möglichen Absprachen beteiligten professionellen Gerichtspersonen erforderliche – Wille vorhanden sein dürfte. Das zugleich im Rahmen eines ernst genommenen erfolgsbezogen ausgelegten Einwirkungserfordernis schlummernde Verteidigungspotential muss de lege lata akzeptiert und eingeräumt werden, ist es doch letztlich die logische und rechtstaatlich einzig akzeptable Konsequenz der Existenz einer – sofern das erfolgsbezogene Verständnis der ganz herrschenden Meinung gilt – unbedacht gewählten Gesetzeskonstruktion. V. Zwischenergebnis und eigene Ansicht 1. De lege lata: Propagierung einer Konvergenz von materiellen wie prozessualen Anforderungen Wird das Einwirkungskriterium, wie es die ganz herrschende Meinung auffasst, als Erfordernis einer effektiven Einwirkung auf das Endergebnis des Preisbildungsprozesses und gleichzeitig als tatbestandsmäßig verlangter Erfolg interpretiert, sieht sich das Delikt der Marktmanipulation sowohl dogmatisch als auch in seiner praktischen Anwendung erheblichen Kalamitäten ausgesetzt.1376 Neben den Schwierigkeiten, die materiellen Anfor1372
Vgl. Fezer StV 1995, 263 ff. Vgl. hierzu Günther KritV 1997, 211, 223. 1374 Vgl. hierzu Fezer StV 1995, 263, 264 f. 1375 Vgl. zur gängigen Absprachenpraxis kritisch u. a. Schünemann (2005) S. 7 ff. m. w. N. und Wohlers NJW 2010, 2470, 2474 f., der aufgrund des mit dem Verständigungsgesetz vom 29.7.2009 (BGBl I 2009, S. 2353) in die StPO eingeführten „quasi-vertragliche[n] Konsensualverfahren[s]“ zu recht die Notwendigkeit einer grundlegenden konzeptionellen Neuordnung des Strafverfahrensrechts betont; monographisch und umfassend ferner Hauer (2007) S. 47 ff. und passim. Nicht zu vernachlässigen ist in diesem Zusammenhang die unterbewusste Vorprägung des Richters durch die in den staatsanwaltschaftlichen (und im Kapitalmarktbereich noch um die umfangreichen BaFin-Gutachten ergänzten) Ermittlungsakten gefundenen belastenden Ergebnisse (sog. Perseveranzeffekt, vgl. hierzu bereits Schünemann, in: Bierbrauer u. a. (1995) S. 215 ff.; ders. StV 2000, 159 ff.). 1376 Dieses Ergebnis bereits bei der Einführung des ursprünglichen Einwirkungserfordernisses in § 38 I Nr. 4 WpHG a. F. befürchtend Ziouvas ZGR 2003, 113, 146. 1373
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
derungen für die Bejahung psychischer Kausalität zu bestimmen,1377 haben sich auch auf prozessualer Ebene erhebliche Probleme gezeigt, den Straftatbestand der Marktmanipulation praktikabel zu gestalten. Abseits der sich offen stellenden Frage, welchem Modell des Verhältnisses von materiellem wie prozessualem Recht gefolgt wird bzw. besser zu folgen wäre, zeigt sich aus diesem Befund die missglückte tatbestandliche Fassung der Marktmanipulation. Die Anlehnung an die Struktur eines Individualverletzungsdelikts droht dann für die überwiegende Anzahl an Fällen sowohl materiell problematisch wie prozessual impraktikabel zu werden, wenn sie die Unterscheidung von bloß ordnungswidrigem und strafwürdigem Verhalten im Bereich des Kapitalmarkts vom Eintritt eines von der ursprünglichen Manipulation distanzierten Kurseinwirkungserfolges abhängig macht. Neben den (vielseits beklagten)1378 erheblichen Beweisproblemen ist hierfür aber bereits rechtsgutssystematisch die – nach herrschender Ansicht erfolgte – Wahl der Deliktsausgestaltung in Form eines Erfolgsdelikts als Distanzdelikt zum Schutze eines kollektiven Rechtsguts verantwortlich, da mit der Anknüpfung an das Makroereignis einer vom Täter determinierten Börsen- oder Marktpreiseinwirkung die traditionellen Zurechnungssysteme jedenfalls für den Bereich der informationsgestützten Manipulationen i. w. S. (d.h. einschließlich der entsprechenden handelsgestützten mittelbaren Manipulationen) an und über die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit gebracht werden. Das Anknüpfen an eine psychische Beeinflussung mit dem Ziel eines bestimmten Empfängerverhaltens – wie sie dem Delikt der Marktmanipulation innewohnt – muss bereits strukturell dann zu Problemen führen, wenn das Feld der Rezipienten von einer anonymen Personenmenge gestellt, sich deren Informationsaufnahme (jedenfalls in ihrem Zeithorizont1379) als unsi1377 Was nebenbei deutlich werden lässt, wie wichtig gerade der Einbezug anderer Tatbestände des Besonderen Teils statt einer vielseits für die Diskussion der Zurechnung als AT-Problem geübten Konzentration auf die Tötungs- und Körperverletzungsdelikte ist. Die vorliegende Untersuchung will sich daher auch als Beitrag zu dieser „weiterreichende[n] Dimension der objektiven Zurechnung“ (Rengier FS Roxin [2001] S. 811, 813) verstanden sehen. 1378 Es verwundert indes, dass das Problem der Beweisbarkeit in der kapitalmarktstrafrechtlichen Literatur allein mit dem fast schon formelhaft verwendeten Begriff der Multikausalität des Marktpreises begründet wird, statt die Ursachen des Problems der Beweisbarkeit zu analysieren. Die Analyse hat vorliegend gezeigt, dass das Problem der Nachweisbarkeit des Einwirkungserfordernisses seinen Ausgangspunkt bereits in den allgemeinen materiellen Schwierigkeiten im Umgang mit psychischer Kausalität besitzt, die (unbedacht?) dem Delikt durch die – nach herrschender Meinung erfolgte – Ausgestaltung als Erfolgsdelikt implementiert wurden. Dass jene Probleme mit der psychischen Kausalität noch potenziert werden, wenn man Kausalität nicht allein in Face-to-Face-Kommunikationen begründen, sondern sie in einem fast anonymen Kapitalmarkt suchen muss, muss damit fast zur trivialen Aussage geraten.
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cher darstellt und ihre Entscheidungsverläufe schlechterdings nicht voraussagbar, sondern nur ex post mit einem erheblichen Unsicherheitsfaktor zu ermitteln sind. Dass die realistisch nur mit einer statistischen Wahrscheinlichkeit voraussagbare Irreführung vom Manipulanten gerade subjektiv intendiert wird, senkt dabei nicht die Nachweisanforderungen hinsichtlich der Zurechnung einer mutmaßlich tatsächlich erfolgten Beeinflussung. Rekurriert man dagegen – anders als es die ganz herrschende Meinung annimmt – auch materiell allein auf die tatsächliche Einflussnahme auf den Preisbildungsvorgang, wird damit – nachdem es nunmehr allein auf den Nachweis der Einwirkungstätigkeit ankommt – zumindest das materiell wie prozessual anspruchsvolle Problem der Motivationskausierung umgangen. Allerdings wäre dann der prozessuale Nachweis zumindest einer Rezeption der informationellen Manipulationshandlung – ohne den hier abgelehnten Rekurs auf die Markteffizienztheorie für die nach ihr zu unterstellende Aufnahme der Informationen – weiterhin in volatilen Märkten aufwändig zu erbringen, was die Praktikabilität der Strafnorm zwar dennoch in Zweifel zieht, nicht aber gänzlich unmöglich erscheinen lässt. Das Verdikt der Ungeeignetheit der Norm zum strafrechtlichen Schutz im Rahmen der verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung zu fällen, wäre daher verfrüht. Alle in der kapitalmarktstrafrechtlichen Dogmatik insbesondere prozessual gestützten, aber auch materiell-rechtlichen Versuche, die „überkommenen Grundsätze, namentlich des Kernstrafrechts, sachgerecht zu modifizieren und den Gegebenheiten der hier behandelten Materie anzupassen“1380, haben sich für den Kapitalmarktbereich – ungeachtet ihrer (in der kapitalmarktstrafrechtlichen Literatur) zumeist allein prozessualen Anknüpfung ohne ausgeprägtes materielles Problembewusstsein – als wenig zielführend bzw. sogar aus strafrechtsdogmatischer Perspektive höchst bedenklich gezeigt. Die eingehende Analyse hat sowohl für die prozessbezogene als auch die erfolgsbezogene Auslegung des Einwirkungserfordernisses materiell wie prozessual erhebliche Zurechnungsprobleme zu Tage gefördert, die bestätigen, was in der Dogmatik zur dem Kollektivrechtsgutsschutz angemessenen Deliktsstruktur bereits in abstracto betont und dem mit der Anknüpfung an abstrakte Gefährdungen versucht wird beizukommen.1381 Die 1379 Jedenfalls müsste für jede informationsbezogene Manipulation deren typische „Halbwertszeit“ im Markt bestimmt werden, was letztlich angesichts der Unvorhersehbarkeit von Marktentwicklungen ohnehin nur eine bloß statistische Relevanz, nicht aber eine vorgegeben feste, zeitliche Umgrenzung für Ereignisstudien böte. 1380 Eichelberger (2006) S. 324. 1381 Vgl. zuletzt die umfassende monographische Bearbeitung bei Anastasopoulou (2006) S. 312 und passim. Vgl. ferner für die Notwendigkeit einer Ausgestaltung kollektivrechtsgüterschützender Vorschriften als abstrakte Gefährdungsdelikte Hefendehl GA 2002, 21, 26; Tiedemann JuS 1989, 689, 697; Otto ZStW 96 (1984) 339, 363.
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„kollektive Schaltstation“ liegt bei der Marktmanipulation nicht erst in der letztlichen Börsen- oder Marktpreisänderung (Makroebenenirrtum) als Erfolg. Richtigerweise ist diese bereits in der in den Markt tretenden Manipulationshandlung zu suchen: der Angabe, dem Geschäft oder Transaktionsauftrag mit Signalwirkung und der sonstigen Täuschungshandlung.1382 Insoweit korreliert eine prozessbezogene Auslegung des Einwirkungsmerkmals zwar auch nach der eingehenden Analyse der kapitalmarktspezifischen Kausationsbedingungen besser mit dem geschützten Rechtsgut als eine am Preisbildungsvorgangsergebnis orientierte Auslegung und ist demnach de lege lata der herrschenden Meinung vorzuziehen. Allerdings bietet auch diese materielle Auslegung in ihrer prozessualen Umsetzung nicht zu vernachlässigende Schwierigkeiten im Beweis der Rezeption von Informationen durch den Markt. 2. Vorschläge de lege ferenda Soll der Straftatbestand der Marktmanipulation aber nicht nur ein den couragierten Kampf gegen manipulatives Marktverhalten vorgebendes Feigenblatt für Brüssel bilden, sondern zumindest die Chance erhalten, für diesen ein legitimes und wirksames Instrument zu werden, muss für die strafrechtliche Marktmanipulation de lege ferenda eine andere Regulierung gewählt werden. Die Schaffung materiellen Strafrechts ist überhaupt nur legitimierbar, wenn es auch vollziehbar ist.1383 Die schleichende Aufweichung strikt individueller Zurechnung zugunsten einer in komplexen Kausationsfeldern scheinbar1384 handhabbaren probabilistischen Zurechnung, wie sie von Rechtsprechung und weiten Teilen der Literatur im Rahmen der erfolgsbezogenen Lesart des § 38 II WpHG propagiert wird, ist indes abzulehnen. Einer solchen inzident nahe einem Verzicht auf materiell strafbegründende Tatbestandserfordernisse liegenden Vorgehensweise kann nur mittels einer gesetzlichen Neuregelung und dem Rückgriff auf eine Gefähr1382 Ähnlich Schönhöft (2006) S. 167: „möglichst frühzeitige Unterbindung durch strafrechtliche Repression geboten“. Für § 264a StGB sieht Schünemann, in: Hefendehl u. a. (2003) S. 133, 151 und GA 1995, 201, 213 die kollektive Schaltstation zu Recht in dem primärmarktrechtlichen kommunikativen Gegenstück zur sekundärmarktrechtlichen Ad-Hoc, dem Emissionsprospekt. 1383 Achenbach ZStW 119 (2007) 789, 812: „Eine in der Praxis nicht mit Aussicht auf Erfolg umsetzungsfähige Strafnorm ist nicht geeignet dazu beizutragen, dass die mit ihr angestrebten Ziele auch verwirklicht werden!“; Als weithin ungeklärter Bewertungsfaktor ist m. E. dabei aber die – wenn auch natürlich schwer erweisliche – generalpräventive Wirkung allein der vorgenommenen Pönalisierung zu sehen. Inwieweit diese Wirkung mit der fehlenden Durchsetzbarkeit korreliert, kann nur gemutmaßt werden. 1384 Vgl. zu den Schwierigkeiten in der Quantifizierung von Gesamtwahrscheinlichkeiten und deren relative Aussagekraft oben 3. Kapitel § 2 B. IV. 3. a) cc) (2).
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dungen ausreichen lassende Tatbestandsfassung Legitimation verschafft werden. Dass es damit zu einer Expansion des Strafrechts auch angesichts von Beweisproblemen kommt, ist solange nicht zu kritisieren, als die aus der Beweisnot auserkorene neu gefasste Strafnorm den traditionellen Legitimationskriterien für Neukriminalisierungen genügt.1385 Neben einem Erfolgsdelikt in Form eines Verletzungsdelikts scheidet im Übrigen auch ein konkretes Gefährdungsdelikt zum Schutz der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes aus. Da dieses voraussetzen würde, dass das geschützte Rechtsgut im Einzelfall durch das tatbestandsmäßige Verhalten der konkreten Gefahr einer Beeinträchtigung ausgesetzt würde, die Funktionsfähigkeit aber erst vermittelt über den Anlegervertrauensverlust nach kumuliert beobachtbaren Marktstörungen beeinträchtigt wird, bietet auch diese Deliktskategorie wie das Verletzungsdelikt keinen hinreichenden Kollektivrechtsgüterschutz.1386 Die allein statistische Korrelation kann somit nach dem hier vertretenen Verständnis zwar materiell weder für die Feststellung von Kausalrelationen bei Erfolgsdelikten hinreichen1387 noch eine konkrete Einzelfallgefährlichkeit begründen. Angesichts des „Marktverletzungspotenzials“ von manipulativem Verhalten genügt die Feststellung statistischer Korrelationen allerdings für statuierte abstrakte Gefährdungsdelikte. Grundlage dieses Deliktstypus sind gerade jene Gefährdungsprozesse, die in hohem Maße vom Zufall abhängen und bei denen die Mannigfaltigkeit, Veränderlichkeit und Interdependenz der Erfolgsbedingungen eine solche Ausprägung haben, dass sich die abzuwehrenden Gefahrereignisse als solche individuell nicht bestimmen lassen und daher einer direkten, nicht an Generalisierungen anknüpfenden gesetzgeberischen Steuerung entziehen.1388 Die Propagierung der Anknüpfung der Tatbestandsmäßigkeit an die abstrakte Gefährlichkeit eines Verhaltens erfolgt hier demnach ausdrücklich nicht aus dem für sich allein richtigerweise strafbegründungsirrelevanten1389 Aspekt bloßer Be1385 Vgl. hierzu und insgesamt zur Bewältigung von Beweisschwierigkeiten durch Ausdehnung des materiellen Strafrechts instruktiv Weigend FS Triffterer (1996) 695, 707 und passim. 1386 Vgl. ebenso Schönhöft (2006) S. 167. Allgemein zur insoweit fehlenden Eignung von Verletzungs- und konkreten Gefährdungsdelikten und der entsprechenden Rechtsprechung des BVerfG Vogel StV 1996, 110, 114. 1387 Vgl. so treffend für den Bereich der Produkthaftung L. Schulz, in: Lübbe (1994) S. 81 und passim. 1388 Vgl. hierzu Kratzsch GA 1989, 49, 67 u. a. mit dem Rekurs auf den nur so tragfähigen Steuerungsgedanken (und insoweit konsequentialistischer Begründung). Für die Anknüpfung an die Schaffung eines adäquaten und rechtlich missbilligten Risikos als regulativem Leitprinzips im Rahmen eines teleologisch funktionalen Straftatsystems Wolter (1981) S. 29 f. und passim. 1389 Vgl. hierzu instruktiv u. a. Zieschang (1998) S. 367 m. w. N.
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
weiserleichterung,1390 sondern rechtfertigt sich aus der rechtsgutssystematischen Legitimation bereits der „kollektiven Schaltstation“ der Manipulationshandlung selbst. Auch dem Gesetzgeber ist im Übrigen dann ein gesetzgeberisches Reuerecht zuzugestehen, wenn die Erkenntnis einer nahezu unanwendbaren Norm auf vorhandene verfassungsrechtliche und strafrechtsdogmatische Legitimationsbedingungen auch für eine beweiserleichternde Normgestaltung trifft, wie es vorliegend der Fall ist. Arlt hat für eine Reform der Marktmanipulation den Rückgriff auf die Deliktsgruppe der konkreten Gefährlichkeitsdelikte vorgeschlagen. Ein dieser Typik entsprechendes tatbestandsmäßiges Verhalten liegt dann vor, wenn aus der ex ante Sicht zu Beginn der Tathandlung unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalles ein Schaden an den vom Straftatbestand geschützten Rechtsgutsobjekten nicht ausgeschlossen werden kann.1391 Insoweit wird anders als bei den abstrakten Gefährdungsdelikten keine typische Gefährlichkeit des Verhaltens für ausreichend befunden und anders als bei konkreten Gefährdungsdelikten auch keine tatsächliche Rechtsgutsobjektsgefährdung für notwendig erachtet.1392 Wegen des Rekurses auf einen im Einzelfall nicht auszuschließenden Schaden für das Rechtsgut sollte diese Deliktsgruppe indes nur bei individuellen Rechtsgütern in Betracht gezogen werden. Diese, wenn auch kollektivrechtsgutsadäquat interpretierbare Deliktsstruktur, lässt sich aber bereits im bestehenden § 20a WpHG als Eignungsdelikt finden.1393 Gerade mit der Deliktskategorie der Eignungsdelikte als Unterform der abstrakten Gefährdungsdelikte lässt sich gleichsam systemischen Risiken begegnen, wie sie Marktmanipulationen mit sich bringen,1394 und eine weitere tatbestandliche Eingrenzung mit den Eignungsmerkmalen erreichen.1395 Insoweit wird der Kumulationsgedanke zum zentralen materiellen Äquivalent für die nur bei individuellen Rechtsgütern mögliche reale Verletzungskausalität.1396 Jede Manipulation ist darauf ange1390
In diese Richtung aber Schönhöft (2006) S. 166. Wie hier Arlt (2004) S. 408. Vgl. Arlt (2004) S. 410; Zieschang (1998) S. 54 m. w. N. 1392 Vgl. Hirsch FS Arthur Kaufmann (1993) S. 545, 558; Zieschang (1998) S. 54; Kritisch Schönhöft (2006) S. 166, der bereits die Berechtigung dieser neuen Kategorie hinterfragt. 1393 Vgl. zur begrifflichen Identität von Eignungs- und konkreten Gefährlichkeitsdelikten nur Hirsch FS Arthur Kaufmann (1993) S. 545, 561 f., Hoyer (1987) S. 201. Die Ausführungen bei Arlt a. a. O. sind insoweit ebenso missverständlich wie die Kritik hieran durch Schönhöft (2006) S. 168. 1394 Vgl. u. a. Mendes/Miranda Kolloquium Philipps (2005) 329, 338. Auch Volk FS Hassemer (2010) S. 924 sieht allein das Eignungsdelikt als angemessene Deliktsform an, warnt aber vor einer ausufernden Strafbarkeit und plädiert daher dafür, nicht strafwürdige, aber dann vom Wortlaut erfasste Fälle per Dezision von der Strafbarkeit auszunehmen. 1395 Vgl. ebenso Schönhöft (2006) S. 168. 1391
§ 2 Objektiver Tatbestand
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legt, zu einer Marktpreiseinwirkung zu führen. Einzelnen Manipulationen kommt zwar allein zumeist nicht das Potenzial zu, die Funktionsfähigkeit des Marktes erheblich zu stören. In ihrem vermehrten und wahrnehmbaren Auftreten (wahrnehmbar oder zumindest vielerorten dann vermutet in Fällen ungewöhnlicher Kursschwankungen) können sie aber in der Kumulation dazu führen, dass das Vertrauen des Marktes in die Funktionsfähigkeit staatlich regulierter Kapitalmärkte verloren geht und die Marktteilnehmer sich von den Kapitalmärkten gänzlich oder in großer Zahl abwenden, wodurch die Funktionsweise des Kapitalmarktes leidet und der Kapitalmarkt die ihm gesellschaftlich zukommende Stellung nicht mehr wahrnehmen kann. Der Kritik, die zum einen insbesondere daran ansetzt, dass sich nicht mit hinreichender Sicherheit bestimmen lasse, wann die für eine ernstliche Rechtsgutsbeeinträchtigung hinreichende Anzahl anderer Kumulationsbeiträge zu erwarten sei, zumal sonst mittels des Kumulationsgedankens Pseudorechtsgütern Legitimation verliehen werden könne,1397 ist bereits insoweit zu widersprechen, als ohnehin nur realistische Kumulationseffekte anzuerkennen sind.1398 Solche können aber im Bereich des Kapitalmarktes mit Blick auf die massenweise Abkehr von Marktteilnehmern nach den gehäuften „Neuer Markt“-Skandalen jedenfalls im Rahmen einer gesetzgeberischen Einschätzungsprärogative hinreichend konstatiert werden.1399 Darüber hinaus lässt der Befund, bei echten Universalrechtsgütern läge eine Rechtsgutsverletzung schon dann vor, wenn wie beim Gebrauch einer einzelnen falschen Urkunde eine einzelne punktuelle Verletzung festzustellen sei, außer dem inhärenten Skeptizismus vor weiteren Pönalisierungen zum Schutz neuer Universalrechtsgüter selbst keine materiellen Kriterien erkennen, worin sich jene anerkannten und daher verletzbaren Universalrechtsgüter diesbezüglich von neuen Universalrechtsgütern unterscheiden.1400 Auch die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes wird durch eine einzelne marktpreiswirksame Manipulation ähnlich wie die Reinheit der Beweisführung durch eine einzelne falsche 1396 Vgl. Hefendehl GA 2002, 21, 27; Schünemann, in: Hefendehl u. a. (2003) S. 133, 154. Vgl. zu den Kumulationsdelikten grundlegend Kuhlen GA 1986, 389; Wohlers (2000) S. 318 ff. Kritisch Roxin AT I § 2 Rn. 80 ff.; T. Walter LK vor § 13 Rn. 68; ders. GA 2001, 131, 137 ff. mit dem Argument, es gehe bei diesen Sachlagen letztlich nur um sehr große Angriffsobjekte, die ebenso in ihrer „vollkommenen Unversehrtheit“ durch einzelne Handlungen in Mitleidenschaft gezogen werden können, zumal darüber hinaus die Lehre von den Verletzungs- oder Gefährdungsdelikten generell nicht voraussetze, dass die Angriffsgüter völlig vernichtet oder existenziell gefährdet werden können. 1397 Vgl. Anastasopoulou (2005) S. 151 ff., 183 ff.; Roxin AT I § 2 Rn. 82. 1398 Ebenso Hefendehl GA 2002, 21, 27. 1399 Vgl. u. a. Weitnauer DB 2003, 1719, 1725. 1400 Vgl. ähnlich Hefendehl GA 2007, 1, 11, der die Argumentation Roxins als offene Fragen eliminierend statt lösend beschreibt.
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
Urkunde punktuell gestört. Strafwürdig wird jenes Stören allerdings gerade nur mit Blick auf die in der Kumulation zu befürchtenden Risiken eines Marktversagens infolge Vertrauensverlustes der Marktteilnehmer. Gleiches gilt für die Reinheit der Beweisführung, da nur bei einem gehäuften Auftreten falscher Urkunden der Rechtsverkehr mit Urkunden infolge verbreiteten Misstrauens zumindest durch weitreichende Kontrollen erlahmen würde. Die einzelne punktuelle Störung beseitigt gerade nicht die insoweit elastische Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes. Allein der Kumulationsgedanke kann hier als Anknüpfungspunkt für Inkriminierungen der Beeinträchtigung von auf Vertrauen basierenden Kollektivrechtsgütern entsprechen, die aufgrund ihrer Wichtigkeit für die Gesellschaft eben nicht allein durch einzelne Tathandlungen eliminiert werden können.1401 Eine Unrechtsbegründung ex iniuria tertii liegt insoweit nicht vor, da es an einem tatbestandlichen und damit haftungsbegründenden Verweis auf das Unrecht Dritter fehlt.1402 Die Bestrafung knüpft auch bei der Marktmanipulation nicht an das manipulative Verhalten Dritter, sondern allein an das (nebentäterschaftliche) Verhalten des Manipulanten selbst an, da nur der einzelne (potentielle) Kumulationsbeitrag in seiner abstrakten, aber reellen Gefährlichkeit pönalisiert wird. Mit einer Rückführung in ein abstraktes Gefährdungsdelikt und damit den de lege lata dem Ordnungswidrigkeitenrecht unterstehenden Bereich würde jedoch zunächst die vielseits begrüßte1403 Sanktionierungsmöglichkeit verwaltungsrechtlicher Verbote (§§ 20a, 39 WpHG) durch die erhebliche Fachkompetenzen vereinende BaFin für den Marktmanipulationsbereich jedenfalls1404 für die Verbote des §§ 20a I 1 Nr. 2 und Nr. 3 WpHG ausfallen.1405 Eine Aufrechterhaltung der Zweiteilung durch eine generelle Erweiterung des Ordnungswidrigkeitentatbestandes auf Manipulationen mit grober Fahrlässigkeit/Leichtfertigkeit1406 ist hierfür mit Blick auf die schwierige Abgrenzungsproblematik zwischen erlaubtem und verbotenem Tun im Rahmen der § 20a I 1 Nr. 2 und Nr. 3 WpHG, die sich nach der hier vertretenen Ansicht ganz wesentlich auf den Vorsatz bezüglich einer Irreführung über die Nichtexistenz legitimer Gründe stützt, über die bestehende 1401
Vgl. ebenso Hefendehl GA 2007, 1, 12. Vgl. so generell für anerkannte Kumulationsdelikte (wie Geldfälschungsdelikte) Hefendehl GA 2002, 21, 27. A. A. u. a. Roxin AT § 2 Rn. 82 (Bestrafung wegen des Verhaltens anderer). 1403 Vgl. statt vieler Kümpel/Veil (2006) 6. Kap. Rn. 51. 1404 § 20a I 1 Nr. 1 WpHG i. V. m. § 39 II Nr. 11 WpHG unterstellt bereits eine leichtfertigen Verstoß gegen § 20a I 1 Nr. 1 WpHG dem Ordnungswidrigkeitenrecht, so dass insoweit ein Anwendungsfeld bliebe. 1405 Vgl. so statt vieler Trüstedt (2004) S. 218; positiv zur Kompetenz der BaFin Hienzsch (2006) S. 123 f. 1406 Vgl. zu diesem Vorschlag Trüstedt (2004) S. 218. 1402
§ 2 Objektiver Tatbestand
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Regelung in § 20a I 1 Nr. 1 i. V. m. § 39 II Nr. 11 WpHG hinaus nicht zu befürworten. Denkbar wäre stattdessen für das Verbot des § 20a I 1 Nr. 2 WpHG1407 die zusätzliche Verankerung weiterer Tatbestandsmerkmale zur Abgrenzung von ordnungswidrigem und strafwürdigem Verhalten. Auf vorprogrammierte Schwierigkeiten stieße ein Anknüpfen der Strafbarkeitsschwelle an den mittels der Marktmanipulation erlösten pekuniären Gewinn. Eine entsprechende Zurechnung von Vermögensmehrungen bereitet schon im Kontext des Verfalls materiell wie prozessual erhebliche Mühen.1408 Dies würde zudem wie auch eine Wiedereinführung der Bereicherungsabsicht1409 außer Acht lassen, dass auch die bloße Spaßmanipulation (ohne jede Absicht der Bereicherung) wie eine Marktmanipulation aus altruistischen oder sonst wohlmeinenden Gründen unter Berücksichtigung des Kumulationsgedankens gleichsam für die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes ein gleichermaßen bedenkliches Risikopotential besäße. Ähnliches muss auch für die Möglichkeit gelten, die Straftat – zumindest in der Gruppe der informationsgestützten Handlungen einschränkend – über die Garantenpflichten des § 20a I 1 Nr. 1 2. Alt. WpHG hinaus an eine bestimmte persönliche Stellung (bspw. solche mit im Regelfall erheblicher Informationsmacht) anzuknüpfen (Sonderdelikt), da sich angesichts des notwendigen Einbezugs der mannigfachen Irreführungspotentiale im Endeffekt eine konkretisierbare Personengruppe nicht strafeinschränkend tatbestandlich identifizieren ließe. So würde beispielsweise eine Anlehnung an die Personengruppe der Primärinsider i. S. d. § 38 I Nr. 2a WpHG (Unternehmensverantwortliche) zu enge Anforderungen stellen, dagegen das Anknüp1407 § 20a I 1 Nr. 3 WpHG wird ohnehin in seiner jetzigen Fassung als ohne Anwendungsbereich gesehen, weshalb de lege ferenda seine Streichung befürwortet wird. Vgl. hierzu oben 3. Kapitel § 2 A. III. 2. c). 1408 Vgl. hierzu u. a. Gaßmann wistra 2004, 41 ff.; zu ähnlichen Problemen beim Insiderhandel: Bergmann/Drees StraFo 2005, 364 ff.; Klöhn DB 2010, 769, 772 ff.; Kudlich/Noltensmeier wistra 2007, 121 ff.; Veil ZGR 2005, 155, 176 ff. sowie umfassend Nadelhofer do Canto (2008), die ausgehend vom Kausalerfordernis auch beim Verfall (S. 100 f.) die Schwierigkeiten beim Insiderhandel problematisiert und mittels einer rechtsgutssystematisch differenzierten Analyse des rechtswidrig erlangten Etwas beim Effektenkauf/-verkauf zu lösen sucht (S. 117 ff.). 1409 Diese de lege ferenda befürwortend Streinz/Ohler WM 2004, 1309, 1316. Rechtsvergleichend lohnt in diesem Zusammenhang ein weiteres Mal der Blick auf das Merkmal der Bereicherungsabsicht im Manipulationstatbestand der Schweiz. Dort bereitet das Erfordernis der Unrechtmässigkeit der erstrebten Bereicherung in seiner Konkretisierung erhebliche Probleme, die manche Kommentatoren – ausgehend von ihrem Befund, zur Meidung einer Zirkularität Regularien für die Unrechtmässigkeit ausserhalb des Tatbestandes suchen zu müssen – dazu verleiten, die „Erfüllung des subjektiven Tatbestands von Art. 161bis“ wegen der fehlenden ausserstrafrechtlichen Anknüpfungspunkte „[als] schlechthin unmöglich“ (Amstutz/Reinert, in: Niggli/Wiprächtiger [2007] SchwStGB Art. 161bis Rn. 28; ähnlich Trippel, in: Watter/Vogt [2007] Art. 161bis Rn. 25) anzusehen.
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
fen an das Innehaben von (auch nur kurzzeitiger) Informationsmacht (bspw. des Scalper) angesichts des ohnehin bestehenden Erfordernisses der „Einwirkungseignung“ eine überflüssige Tatbestandsergänzung darstellen. Eine andere Ausgestaltungsmöglichkeit wäre, eine Abgrenzung entsprechend dem Insiderrecht von der Höhe der manipulativen Kraft i. S. eines erheblichen Kursbeeinflussungspotential im Rahmen der Einwirkungseignung abhängig zu machen.1410 Nachdem das AnSVG den davor bestehenden Streit über die Auslegung des Erheblichkeitsmerkmals zugunsten des subjektiven Ansatzes „der Berücksichtigung durch einen verständigen Anleger“ in § 13 I 2 WpHG entschieden hat, derartige Erwägungen allerdings bei der Marktmanipulation ohnehin bei der Bewertungserheblichkeit eine Rolle spielen, bliebe für die Gesetzesanwendung (neben Beispielkatalogen erheblicher Informationen jedenfalls im Rahmen informationsgestützter Manipulationen) allein übrig, auf objektive Erheblichkeitsschwellen, wie beispielsweise eine erwartbare 5 % Kursschwankung, zu rekurrieren.1411 Zwar würde mit der damit einhergehenden Ausgrenzung von scheinbaren Bagatellfällen dem sich ansonsten allein auf den Kumulationsgedanken stützenden Delikt zusätzliche, nicht zuletzt rechtspolitische Legitimationskraft durch den damit einhergehenden Wegfall offener dogmatischer Flanken verschafft werden. Allerdings steht sowohl die praktische Operationalität einer solchen 5%-Klausel wie jedweder anderer starrer Klauseln1412 berechtigt im Zweifel, als auch die Differenzierung insgesamt unter Rechtsgutsschutzerwägungen fragwürdig erschiene. Auch unter diesen oder ähnlichen Schwellenwerten liegende Manipulationen besitzen in ihrer Kumulation das Potential, das Vertrauen im Kapitalmarkt aufzustören und damit die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes zu gefährden.1413 Im Ergebnis wird daher eine Rückführung in ein Eignungsdelikt durch bloße Streichung des zusätzlichen Einwirkungserfordernisses in § 38 II 1410
Vgl. so Ziouvas ZGR 2003, 113, 140. Vgl. so trotz der Neuregelung in § 13 I 2 WpHG für eine ergänzende Berücksichtigung von objektiven Schwellenwerten neben der von Gesetzes wegen gebotenen Einzelfallbetrachtung Hilgendorf, in: Park (2008) WpHG T1 § 13 WpHG Rn. 107. 1412 Das Ausmaß des Kursausschlages hängt wesentlich von der Marktbreite oder -enge des jeweiligen Finanzinstrumentes ab, so dass die Volatilitätsgrenzen individuell berücksichtigt werden müssen. Vgl. zur Diskussion beim Insiderhandel u. a. Ziouvas (2005) S. 74 f. 1413 Hierin liegt im Übrigen ein entscheidender Unterschied zu gesetzlichen Minima-Klauseln beispielsweise im Umweltstrafrecht. In Entsprechung mit dem bereits römisch-rechtlichen Grundsatz „minima non curat praetor“ ist nach § 326 VI StGB die Strafbarkeit dann ausgeschlossen, wenn schädliche Umwelteinwirkungen wegen der geringen Menge der Abfälle offensichtlich ausgeschlossen sind. Der Kapitalmarkt muss insoweit aber als „nachtragender“ angesehen werden, als es die Umwelt mit ihren gewissen Selbstheilungsmöglichkeiten ist. 1411
§ 3 Subjektiver Tatbestand
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WpHG befürwortet. Durch die damit einhergehende Synchronisierung der tatbestandlichen Ausgestaltung mit der rechtsgutssystematisch adäquaten kollektiven Schaltstation (der in den Markt tretenden Manipulationshandlung) wird damit weitestgehend und systematisch angemessen dem geschützten Rechtsgut entsprochen. Bereits dem Handlungsunrecht kommt die entsprechende Strafwürdigkeit zu. Rechtstatsächlich ginge mit dieser Umgestaltung angesichts der bisherigen erheblichen Schwierigkeiten im Nachweis einer effektiven Preiseinwirkung i. S. d. § 38 II WpHG eine Strafschärfung einher. Die weitere Inanspruchnahme der Fachkompetenz der BaFin auch zur Vorbereitung von staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren bliebe neben der fortbestehenden Kompetenz jedenfalls zur ordnungswidrigkeitenrechtlichen Verfolgung leichtfertiger Verstöße gegen § 20a I 1 Nr. 1 WpHG (vgl. § 39 II Nr. 11 WpHG) auch insoweit gewahrt, als die Behörde als Aufsichtsbehörde weiterhin präventiv für die Durchsetzung der Ge- und Verbote des WpHG zuständig bliebe (§ 4 II 1 WpHG) und den Verdacht einer Straftat der zuständigen Staatsanwaltschaft mitzuteilen hätte (§ 4 V 1 WpHG). Dies darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass zur Beseitigung der Defizite in der Strafverfolgung gerade auf der Ebene der Strafverfolgungsbehörden in pekuniärer wie personeller Hinsicht strukturelle Nachbesserungen geboten sind.1414
§ 3 Subjektiver Tatbestand Im subjektiven Tatbestand verlangt der Tatbestand der strafrechtlichen Marktmanipulation ausnahmslos eine vorsätzliche Begehung (vgl. § 15 StGB). Hinreichend ist insoweit bedingter Vorsatz des Täters hinsichtlich aller objektiven Tatbestandsmerkmale des § 20a WpHG, welcher nach der herrschenden Lehre zu bejahen ist, wenn der Täter die Möglichkeit der Verwirklichung der Tatbestandsmerkmale ernst nimmt, sich dennoch aber damit abfindet,1415 bzw. nach der Rechtsprechung anzunehmen ist, wenn der Täter die Tatbestandsverwirklichung für möglich hält und sie gleichfalls billigend in Kauf nimmt.1416 1414 Allein der Gedanke einer Effektuierung der Verfolgung durch die mit der Zweiteilung in Ordnungswidrigkeiten und Straftaten mögliche Miteinschaltung der spezialisierten Behörde BaFin (als Owi-Behörde) kann nicht tragen, zumal deren Arbeit, wie sich zeigt, auch nur dann auf fruchtbarem Acker bestellt ist, wenn ihre Arbeit Früchte trägt. Dies ist indes nur dann der Fall, wenn auch die Staatsanwaltschaften entsprechende Sach- und Personalmittel sowie Sachkompetenz besitzen, um die der BaFin-Arbeit nachgelagerte strafrechtliche Verfolgung zu gewährleisten.Vgl. hierzu bereits oben 3. Kapitel § 2 B. IV. 2. 1415 Vgl. u. a. Jescheck/Weigend AT § 29 III 3 a; siehe hierzu m. w. N. ferner Vogel LK12 § 15 Rn. 123. 1416 Vgl. statt vieler BGHSt 36, 1, 9 f. m. w. N.
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
Der Tatbestand verlangt de lege lata keine darüber hinaus gehende Bereicherungs- oder Manipulationsabsicht,1417 wenn auch in den typischen Manipulationsfällen Absicht rechtstatsächlich vorliegen dürfte.1418 Gleiches gilt für die mit dem AnSVG ehemals in § 20a I 1 Nr. 2 WpHG a. F. vorhandene Preiseinwirkungsabsicht. Die Abgrenzung von äußerlich sozialadäquatem Verhalten, insbesondere bei den handelsgestützten Manipulationen durch effektive Geschäfte i. S. d. § 20a I 1 Nr. 2 WpHG, kann demnach nur über den Nachweis objektiv fehlender legitimer Gründe beim Manipulanten geschehen, auf das sich der Vorsatz des Täters reziprok zu beziehen hat. Darüber hinausgehende Ansichten, die de lege lata v. a. mit dem Argument einer nur so möglichen Identifikation äußerlich sozialadäquater, aber täuschungsmotivierter Handlungen eine Täuschungsabsicht fordern wollen,1419 verengen insoweit unzulässig die gesetzgeberische Strafbarkeitsintention. Zudem sind schlechterdings keine Fälle denkbar, in denen der Manipulant zwar die Täuschungseignung seines ansonsten börsen- oder marktüblichen Verhaltens erkennt (also beispielsweise im Falle des § 20a I 1 Nr. 2 WpHG seine fehlenden legitimen Gründe (!) wahrnimmt)1420 und dies billigend in Kauf nimmt, aber dennoch nach der gesetzgeberischen Konzeption1421 nicht dem Strafwürdigkeitsverdikt unterfallen sollte. Die prozessuale Annahme des Tatvorsatzes im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung, die schlechterdings als ein nicht de-, sondern askriptives Zurechnungsurteil verstanden werden muss,1422 muss sich insoweit auf hinreichende objektive Indizien stützen.1423 Beispielsweise genügt 1417
Vgl. u. a. Vogel, in: Ass/Sch WpHG § 20a Rn. 99, 121, 171. So treffend Schröder (2007) 3. Kap. G I 1 (= Rn. 593), II (= Rn. 598), III (= Rn. 601). 1419 Vgl. so sowohl für § 20a I 1 Nr. 2 als auch Nr. 3 WpHG Eichelberger (2006) S. 354 u. 359; ähnlich wohl auch Schröder (2007) 3. Kap G II für § 20a I 1 Nr. 2 WpHG. 1420 Auch in den Fällen des § 20a I 1 Nr. 3 WpHG sind in den hier erheblichen Konstellationen konkludenter Täuschung ja gerade nur jene Fälle überhaupt tatbestandsmäßig, in denen der Täter über eine gerade nicht vorliegende (Begleit-)Motivation täuscht. 1421 Siehe hierzu oben 3. Kapitel § 1 B. und 3. Kapitel § 2 A. II. 2. 1422 Vgl. so treffend Hruschka FS Kleinknecht (1985) S. 191, 201. 1423 Das prozessuale Problem des Nachweises subjektiver Tatbestandsmerkmale ähnelt insoweit jenen im Kernstrafrecht (wie bspw. beim Betrug) und kann daher vorliegend nur in seiner Bedeutung für den Marktmanipulationstatbestand hervorgehoben, nicht aber mit einer umfassenden Analyse bedacht werden. Vgl. hierzu statt vieler J. Schulz, in: Gigerenzer/Engel (2006) S. 327 ff., S. 338 zum Beweis von mental events oder individual capacities einer Person: „Because it’s difficult to prove these events almost every known jurisdiction has established rules for circumstantial evidence of intention, the socalled presumptions of intent. [. . .] camouflaged under the concept of free evaluation of evidence.“ 1418
§ 3 Subjektiver Tatbestand
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im Falle einer mutmaßlichen Manipulation durch Leerverkäufe nicht allein die Vornahme des Leerverkaufs, sondern sind weitere Indizien für das Fehlen einer legitimen Transaktionsmotivation und damit die Abgrenzung zur erlaubten Spekulation zu suchen.1424 Der Vorsatz muss auch den Kurseinwirkungserfolg umfassen. Dies gilt auch dann, wenn man § 38 II WpHG – wie vorliegend – als Anordnung eines unechten Unternehmensdelikts begreift. In diesem Fall ist die entsprechende Konsequenz in Fällen objektiv letztlich nicht börsenpreiserfolgreicher Einwirkung eine überschießende Innentendenz, wie sie ansonsten – systematisch parallel – beim Versuch anzutreffen ist. Über die bereits angesprochenen Irrtumskonstellationen hinaus1425 bietet § 20a WpHG sowohl durch seinen Einbezug von Blanketten als auch den von normativen Tatbestandsmerkmalen hervorzuhebenden Irrtumskonstellationen Raum. Für die nicht allein deskriptiv feststellbaren und daher einer normativen Wertung bedürfenden normativen Tatbestandsmerkmale genügt im subjektiven Tatbestand nicht allein die Kenntnis der diesen zugrunde liegenden Umstände, sondern muss der Täter die zugrunde liegende Bewertung zumindest sinngemäß i. S. einer Parallelwertung in der Laiensphäre nachvollziehen können.1426 Dies gilt sowohl für die Bewertungserheblichkeit i. S. d. § 20a I 1 Nr. 1 WpHG, die Preiseinwirkungseignung i. S. d. § 20a I 1 Nr. 1 und Nr. 3 WpHG als auch die Eignung zur entsprechenden Signalsetzung i. S. d. § 20a I 1 Nr. 2 WpHG. In diesen Fällen muss der Täter somit nicht nur Kenntnis der dem Bewertungserheblichkeits- bzw. Eignungsurteil zugrunde liegenden Umstände besitzen, sondern muss die wesentlichen Erfahrungssätze, die einem Umstand die Bewertungserheblichkeit bzw. Einwirkungs- oder Signaleignung verleihen, zumindest in seiner laienhaften Parallelwertung nachvollziehen.1427 Bei professionellen Marktteilnehmern wie insbesondere institutionellen Anlegern wird ein erhöhter Kenntnisgrad wahrscheinlicher Funktionsabläufe im Börsengeschäft zumeist vorliegen, so dass entsprechenden Einwänden fehlender Kenntnis von der Bewertungserheblichkeit oder Eignung wenig Glaubwürdigkeitspotential zukommt.1428 Auch soweit durch die MaKonV Legaldefinitionen, Beispiele, zulässige 1424 Insoweit kann auch auf die Markt- und Informationslage abgestellt werden: lässt sich ein großvolumiger Leerverkauf durch finanzinstrumentbezogene Informationen in nirgendeiner Weise verständlich erscheinen, besteht ein starkes Indiz für das Nicht-Vorliegen legitimer Gründe. 1425 Vgl. hierzu bereits oben zu Irrtümern im Kontext der Selbstbefreiungsmöglichkeit von der Ad-Hoc-Pflicht des § 15 WpHG 3. Kapitel § 2 A. I. 2. 1426 Vgl. BGHSt 3, 248, 255; statt vieler Jescheck/Weigend AT § 29 II 3a. 1427 Vgl. hierzu wie zum Folgenden ebenso Eichelberger (2006) S. 356 ff. 1428 Vgl. ebenso Sorgenfrei wistra 2002, 321, 330.
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3. Kap.: Die Regelung der Börsen- und Marktpreismanipulation
Marktpraktiken und safe-harbour Regeln aufgestellt werden, sind diese als Tatbestandsmerkmale zu behandeln, so dass je nach Irrtum entweder § 16 oder § 17 StGB zur Anwendung kommt.1429 Bei Blanketttatbeständen ist deren vorsatz- wie irrtumsrechtliche Behandlung dagegen umstritten.1430 Die vorzugswürdige herrschende Ansicht begreift die blankettausfüllende Norm als Teil des Tatbestandes, da nur so die Strafdrohung nicht unverständlich bleibt und sich auf ein konkret umschriebenes Verhalten beziehen lässt.1431 Ein Irrtum über den Inhalt der blankettausfüllenden Norm stellt somit einen vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtum (§ 16 StGB), ein Irrtum über die Existenz der ausfüllenden Norm dagegen einen Verbotsirrtum dar. Die Gegenansicht verlangt für den Vorsatz auch das Bewusstsein von der Existenz der Ausfüllungsnorm.1432 Sie ist indes als Wiederbelebung der Vorsatztheorie ebenso abzulehnen1433 wie Vorschläge, die im Nebenstrafrecht bei fehlendem Unrechtsbewusstsein partiell den Vorsatz verneinen wollen.1434 Für § 20a I 1 Nr. 1 2. Alt. WpHG – verstanden als unechtes1435 Unterlassungsdelikt – ist daher der Verweis auf die bestehenden Rechtspflichten zur Offenbarung als Blankettverweis zu begreifen.1436 Ausreichend für den Vorsatz ist insoweit, dass der Manipulant, welcher Angaben über erhebliche Umstände verschweigt, Kenntnis von den Umständen besitzt, aus denen nach einer bestehenden Rechtsvorschrift eine Offenbarungspflicht folgt.1437 Der Irrtum über die Existenz und den Umfang einer Rechtsvorschrift zur Offenbarung von Angaben i. S. d. § 20a I 1 Nr. 1 2. Alt WpHG ist daher als Verbotsirrtum i. S. d. § 17 StGB zu beurteilen, für den Vorsatz irrelevant und nur bei Unvermeidbarkeit von schuldausschließender Wirkung.1438 1429 Vgl. ebenso Eichelberger (2006) S. 359 f.; ähnlich Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 233. 1430 Vgl. hierzu u. a. Enderle (2000) S. 283 ff. sowie für die Marktmanipulation Eichelberger (2006) S. 354 ff. 1431 Vgl. hierzu Jescheck/Weigend AT § 29 V 3 m. w. N. 1432 Vgl. hierzu bereits RGSt 49, 323, 327; 56, 337, 339; Puppe GA 1990, 145, 166 sowie Enderle (2000) S. 332 ff. m. w. N. 1433 Vgl. ebenso Eichelberger (2006) S. 355. 1434 Vgl. hierzu m. w. N. zum Streitstand Jescheck/Weigend AT § 41 II 3c. 1435 Vgl. hierzu bereits oben 3. Kapitel § 2 A. I. 2. 1436 Siehe hierzu auch T. Walter (2006) S. 381, der das Garantenmerkmal der unechten Unterlassungsdelikte als „konkludentes Blankett“ bezeichnet. Im Tatbestand des § 20a I 1 Nr. 1 2. Alt. WpHG ist dieses allerdings ausdrücklich („bestehende Rechtsvorschriften“) enthalten. 1437 Vgl. statt vieler Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 129. 1438 Vgl. zur inzwischen ganz herrschenden Ansicht Sorgenfrei, in: Park (2008) T1 §§ 20a, 38, 39 WpHG Rn. 233 sowie Vogel, in: Ass/Schn WpHG § 20a Rn. 129 auch mit Nachweis zur in der Neuauflage inzwischen aufgegebenen Gegenansicht von Schwark (vgl. heute Schwark, in: Schwark WpHG § 20a Rn. 44).
4. Kapitel
Zusammenfassung und Reformvorschläge § 1 Das Tatbestands- und Bestimmtheitsproblem Der gesamte Straftatbestand lässt sich nach dem hier entwickelten Gesamtkonzept mit Blick auf das geschützte Rechtsgut und die speziellen Gegebenheiten der sozialen Institution Kapitalmarkt widerspruchslos erklären. Dem tatbestandlich inkriminierten Verhalten ist als gemeinsamer Kern die Eignung inhärent, die Entscheidungsfindung auf der Mikroebene derart anzustoßen, dass es letztlich zu einer Börsen- oder Marktpreiseinwirkung in Form eines künstlichen Preises (artifical price) kommt, der bei unbeeinflusstem Spiel der Marktkräfte von Angebot und Nachfrage nicht zustandegekommen wäre.1 Dieses Resultat ist nach der hier entwickelten Deliktssystematik das Irrtumsäquivalent zum Betrug auf der Makroebene. Das Zustandekommen dieses Makroirrtums kann dabei neben der unmittelbaren Einwirkung durch handelsgestützte Manipulationen auch durch die direkte oder indirekte kommunikative Einwirkung auf die Motivationsebene der Mikroebenenakteure geschehen. Die Einwirkung auf das Entscheidungsverhalten der Mikroebenenakteure als Preliminarie des Makroebenenereignisses „Börsen- oder Marktpreis“ kann sowohl auf die unmittelbaren informativen Voraussetzungen und motivalen Einflüsse der Entscheidungsfindung auf der Mikroebene als auch etwaig zusätzlich unterstützt durch ein geschaffenes Informationsbild (Orderlage bei handelsgestützten Manipulationen) erfolgen. Zumindest strukturell gleicht die Konstellation bei der mittelbaren Preisbeeinflussung der einer mittelbaren Täterschaft. Nachdem es in allen Tatbestandsvarianten des § 20a WpHG und damit allen Fällen von Manipulation wie gesehen größtenteils auf das kommunikative Lenkungspotential der Handlungen ankommt, war zu klären, worin dieses abgesehen von der direkten informationsgestützten Manipulationshandlung (bspw. auch eines Scalpers) auch bei handelsgestützten Manipulationen zu finden ist. Hier bot die geschlagene Brücke zur dogmatischen Figur konkludenten Erklärens im stark normativ geprägten Börsenumfeld u. a. sowohl den Ausweg für die Abgrenzung manipulativen von erlaubtem 1 Ebenso Lenzen (2000) S. 3; Ziouvas ZGR 2003, 113, 130; wohl auch Trüstedt (2004) S. 128.
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4. Kap.: Zusammenfassung und Reformvorschläge
Marktverhalten bei effektiven Geschäften und Kurspflegemaßnahmen als auch eine Legitimation für die Rechtsverordnungsermächtigung in § 20a V WpHG und die Verwaltungsakzessorietät in § 20a II WpHG. Angesichts der mit den Tatbestandsmerkmalen „irreführend“ und „Täuschung“ adaptierten Anknüpfung an Tatsachen wurde zur Aufrechterhaltung der verfassungsrechtlich gebotenen Bestimmtheit für eine entsprechende Auslegung auch der „sonstigen Täuschungshandlungen“ der Tatsachenbezug wie die konkrete Irreführung nicht aufgegeben. Daraus ergab sich insbesondere, dass der Einbezug in erster Linie kartell- wie wettbewerbsrechtlich relevanter, europarechtlich als zu verbietende Materie vorgegebener Manipulationssachverhalte wie dem Cornering jedenfalls nicht über eine – durch die MaKonV vorgegebene – Subsumtion unter die sonstigen Täuschungshandlungen zu bewerkstelligen ist. Nachdem nach der hier vertretenen Auffassung daneben auch alle ansonsten im Rahmen des § 20a I 1 Nr. 3 WpHG diskutierten Fallgruppen entweder in § 20a I 1 Nr. 1 WpHG (informationsgestützte Manipulationen) oder § 20a I 1 Nr. 2 WpHG (handelsgestützte Manipulationen) subsumtionsfähig sind, wurde im Ergebnis de lege ferenda für eine Streichung des § 20a I 1 Nr. 3 WpHG in seiner jetzigen Fassung und eventuelle2 Ersetzung durch entsprechende, nicht an das Täuschungselement anknüpfende tatbestandliche Umschreibungen der in ihrem Einbezug europäisch gebotenen Manipulationssachverhalte plädiert. Für letztere obliegt es im Übrigen allein dem deutschen Gesetzgeber diese ordnungswidrigkeitenrechtlich oder – insoweit jedenfalls für das Kartellrecht unüblich – strafrechtlich zu pönalisieren.
§ 2 Das Problem der Marktpreiseinwirkung und die Deliktsstruktur Die Analyse des zur Abgrenzung zwischen Ordnungswidrigkeit und Straftat eingeführten Einwirkungserfordernisses offenbarte erhebliche dogmatische Schwierigkeiten im Umgang mit diesem Merkmal. Es zeigte sich, dass die – jedenfalls nach Auffassung der ganz herrschenden Meinung – vom Gesetzgeber gewählte Gesetzesstruktur eines Erfolgsdelikts, obgleich sie dem Schutz eines kollektiven Rechtsguts ausdrücklich dienen soll, jenen nicht bewerkstelligen kann. Das Einwirkungskriterium des § 38 II WpHG ließ sich im Ausgangspunkt der Untersuchung historisch, grammatikalisch, systematisch als auch 2 Für die Fallgruppe des Cornering/marktbeherrschende Stellung gilt dies ohnehin nur, sofern das insoweit durch die Meldepflichten über Beteiligungsverhältnisse und deren Absicherung über § 20a I 1 Nr. 1 WpHG gewährleistete Informationsmodell als nicht hinreichend angesehen würde.
§ 2 Das Problem der Marktpreiseinwirkung und die Deliktsstruktur
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teleologisch sowohl erfolgsbezogen als auch handlungsbezogen auslegen, wobei die besseren Argumente insoweit gegen die herrschende Meinung stritten. Favorisiert wird de lege lata daher die handlungs- bzw. prozessbezogene Auslegung. Das dagegen nach ganz herrschender Ansicht vorfindliche tatbestandliche Anknüpfen an einen konkreten Kurseinwirkungserfolg bedingte in der Folge die Notwendigkeit einer genauen Analyse der einem bestimmten Marktpreis zugrunde liegenden Wirkfaktoren, um auf diese Weise den strafrechtlich erforderlichen Zurechnungszusammenhang nachvollziehen zu können und im Übrigen obige Entscheidung in der Auslegung des Einwirkungskriteriums mit Blick auf die dogmatischen wie praktischen Folgeprobleme der jeweiligen Lesart zu stützen. Einer rein ökonomischen Analyse zumal anhand der auf dem Rational Choice Gedanken fußenden Theorie der Markteffizienz wurde dabei ebenso eine Absage erteilt wie dem Gedanken einer nomologischen Erklärung von Kausalität im psychischen Bereich. Dabei konnte aufgezeigt werden, dass abseits der materiell-dogmatischen Probleme im Umgang mit der psychischen Kausalität und ihrer Entsprechung in der prozessualen Praxis kein Weg an Zeugenbefragungen zur Klärung psychischer Interaktionen vorbei führen kann. Die eingehende Analyse des materiellen Problems der psychischen Kausalität kulminierte in der Forderung eines an die konkrete Motivationsbeeinflussung anknüpfenden Kausalitätsbegriffes auch im Kapitalmarktbereich. In diesem wurde die dogmatisch dem Prinzip einer individualisierten Zurechnung einzig adäquate und rechtsstaatlich wegen ihrer Rücksicht auf mögliche Alternativkausationen angemessene, wenn auch praktisch problematische Lösung erblickt. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Einwirkungserfordernis (wie auch der ihr folgende Teil der kapitalmarktlichen Literatur) lässt dagegen eine ökonomische Analyse der Faktoren und deren Übertrag in das juristische Kausalitätserfordernis schlechterdings vermissen, wenn sie das Problem der psychischen Kausalität gänzlich außer Acht lässt. Die von ihr gestellten und wegen ihrer unangebrachten Generalisierungen und unausgesprochen zugrunde gelegten Vermutung von Markteffizienz zu kritisierenden rein prozessualen Anforderungen für einen Indizienbeweis stehen jedenfalls in Diskrepanz zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Strafsachen zur psychischen Kausalität allgemein und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen zum Kapitalmarkthaftungsrecht. Die im Rahmen des Nachweises psychischer Kausalität erforderliche Ermittlung der entsprechenden Zeugen mag dabei in engen Marktfeldern über eine Analyse der gespeicherten Marktdaten noch gelingen können, wird indes in großvolumig und allerorten gehandelten Aktien zur schier unerbringbaren Herkulesaufgabe. Darüber hinaus birgt der Zeugenbeweis per se ein nicht zu unterschätzendes Unsicherheitsfeld. Insofern blieb zu konstatieren,
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4. Kap.: Zusammenfassung und Reformvorschläge
dass nicht einerseits ein von multiplen Determinanten beeinflusstes Makroereignis zum Strafbarkeitskriterium erhoben werden kann und dies auch und gerade geschieht, um sich scheinbar von Einzelproblemen im Nachweis psychischer Kausalität, wie sie beim Betrug als Individualvermögensschutzdelikt anzutreffen sind, abzukoppeln, wenn sich andererseits dieses Makroereignis nur als emergentes Phänomen in der Rückschau auf verschiedenste Wirkfelder der Mikroebene verstehen lässt und diese durch das tatbestandliche Implementieren eines notwendig zuzurechnenden Erfolgs strafbarkeitsbestimmend werden lässt. Tatbestandsstrukturell ergab sich daraus die Frage, ob die gewählte Regelungstechnik nicht ohnehin als Antwort auf die Gefährdungslage für die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes durch marktmanipulatives Verhalten als unangemessen zu beurteilen ist. Als Ergebnis der vorliegenden Untersuchung lässt sich danach konstatieren: Geht es um mehr oder minder zufällig eintretende und in ihrem Eintreffen vom Täter nicht kontrollierbare Kausationen, so passt hierzu bereits materiell – unabhängig von den erheblichen prozessualen Beweisproblemen – die klassische Struktur des Verletzungsdelikts nicht. Stattdessen ist – wenn deren Legitimationsvoraussetzungen vorliegen – unter Abkehr vom Erfordernis eines sich für die Legitimation von Strafe intuitiv anbietenden Zusammenhangs von Täterhandlung und einem erkennbaren Taterfolg3 auf die Deliktsstruktur des Gefährdungsdelikts zurück zu greifen4. Die kollektive Schaltstation der Täterhandlung (als dem tatherrschaftlich beherrschbaren Feld) in den rechtsgutsrelevanten Risikobereich kann nur in der Anknüpfung an das Täterhandeln bis zu dessen „Freisetzung“ in die Institution 3 Seelmann KritV 1992, 452, 456 will in dieser Abkehr vom „für das Strafrecht so wichtigen intuitiven Zusammenhang von Täter und Taterfolg“ zwar einen Grund für die Zurückhaltung der Rechtsanwender bei der individuellen Verantwortungszuschreibung erkannt haben, welcher neben anderen Gründen letztlich das Defizit an instrumenteller Wirkung des Strafrechts in der Risikogesellschaft bedinge. Ohne die rechtspolitische Bedeutung intuitiver Strafbedürfnisse und -erfordernisse nicht zu unterschätzen, darf das Strafrecht allerdings vor den modernen Herausforderungen gerade im Wirtschafts- und Umweltstrafrecht nicht dadurch kapitulieren, dass es sich nicht – wo geboten und rechtsstaatlich vertretbar – als in seinen Instrumenten wandelbar erweist. Dass die menschliche Intuition vom strafbaren Bereich noch stark durch den Verletzungsgedanken klassischer Erfolgsdelikte geprägt ist, hängt nicht zuletzt mit der Jahrtausende alten kulturellen Verankerung des Kernstrafrechts im kollektiven Bewusstsein zusammen. 4 Vgl. hierzu u. a. Kratzsch (1985) S. 277 ff.; dessen weitere Argumentation (freiheitsverbürgende Wirkung dieser Deliktsstruktur durch Entlastung des Täters von der Herrschaft über Kausalverläufe und deren Fülle nicht vorhersehbarer Fehleinschätzungen durch den Täter) allerdings insoweit angreifbar ist, als sie auf eine umfassende Legitimierung jedweden abstrakten Gefährdungsdelikts hinaus liefe. Kritisch Lagodny (1996) S. 28 f.
§ 2 Das Problem der Marktpreiseinwirkung und die Deliktsstruktur
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Markt gefunden werden.5 Insoweit weist de lege lata nur eine prozessbezogene Auslegung des Einwirkungserfordernisses und damit eine Charakterisierung des §§ 20a, 38 II WpHG als unechtes Unternehmensdelikt eine gewisse Nähe zur rechtsgutsadäquaten Deliktsstruktur auf, wenn sie auch durch ihr Erfordernis einer zumindest nachweisbaren Adaption der Manipulation im Markt über die kollektive Schaltstation hinausgehende Anforderungen postuliert. Darüber hinaus gehende Reformvorschläge knüpfen mithin eng an die ihnen zugrunde liegende Rechtsgutskonzeption an. Will man den Anlegerschutz zum primären Ziel des strafrechtlichen Verbots der Marktmanipulation erheben, läge es nahe, individualisierende Tatbestandsmerkmale wie den eines objektiven Vermögensschadens oder zumindest einer entsprechenden Bereicherungsabsicht aufzunehmen. Beließe es der Gesetzgeber indes beim darüber hinausgehenden – insoweit legitimen – Kollektivrechtsschutz, ist de lege ferenda eine Streichung des strafbarkeitsbegründenden Einwirkungskriteriums des § 38 II WpHG zu fordern.
5 Schünemann GA 1995, 201, 213 weist zu Recht auf die notwendig pragmatische Ermittlung dieser kollektiven Schaltstation hin, damit das Strafrecht „seine Rechtsgüterschutzaufgabe auch unter den Distributionsbedingungen des gegenwärtigen Marktes erfüllen kann.“
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Sachwortverzeichnis Absprachen, prozessuale 369 Adäquanzformel 222 Ad-Hoc-Pflicht 125 ff. Aktualisierungspflichten 113 f. Algo-Trading 296, 25 Fn. 14 Alternativverhalten, rechtmäßiges 316 f. Ambiguitätsaversion 243 Analyst Sascha Opel 184, 344 ff., 355, 364, 368 Angaben 106 ff. – irreführende 110 ff. – unrichtige 110 ff. Anlagestimmung 330 ff. Anleger, verständiger 121, 177, 188 Anlegerschutz 52 ff. Anomalien, kognitive/präferentielle 248 f. Anscheinsbeweis 320 ff., 347 Anstiftung 298 Äquivalenzformel 219 ff., 227, 263 Asset Backed Securities 53 Atypischer Kausalverlauf 314 ff. Auslandssachverhalte 193 ff. Autonomie des Rechts 239 Fn. 782 Bagatellgrenzen 378 Bagatellunrecht 129 Fn. 247, 199 Bärenmarkt 147 Bayes Theorem 360 Behavioral Finance 240 ff., 368 Beihilfe 313 f. Bekämpfungsgesetze 31 Bereicherungsabsicht 79, 98, 377 Bestimmtheitsprinzip siehe Gesetzlichkeitsprinzip
Betrug 79, 85 ff., 96 f., 100 ff., 155, 259 ff., 264 ff., 367 – durch konkludentes Verhalten 89 ff. Beweisanträge 368 f. Beweislastumkehr 138, 140, 159 ff., 321, 328 Beweisrecht, Grundlagen des ~ 318 ff. Beweiswürdigung, freie richterliche 318 ff., 340, 360, 364, 380 Bewertungserhebliche Umstände 115 ff. Biases 243 f. – hindsight bias siehe Rückschaufehler Black Box 247, 282 Blankett 168 Börse 36 Börsenpreis 196 f. – Bildung des ~ siehe Preisbildung Bounded Rationality 233 Fn. 757, 365 Fn. 1358 Capital Asset Pricing Model 356, 358 Colemann’sche Handlungs- und Sozialtheorie 234 Comroad 255 ff., 332 f., 336 Confounding events 313, 357 Corners 180 Dazwischentreten Dritter 312 ff. Defensive bids 146 Fn. 345 Deliktischer Sinnbezug 101 f. Deliktsstruktur 45, 374, 384 ff. Deontologische Schranken 51 Fn. 87 Determinismus 300 Fn. 1062 – „im seelischen Bereich“ 264 f.
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Sachwortverzeichnis
Director’s Dealings 187, 124 Fn. 220 Dispositionseffekt 243 Distanzdelikt 370 Dunkelfeld – Kausalitätsdunkelfeld 292 – Kriminalitätsdunkelfeld 24 Dwarfing of soft variables 360 Effektive Geschäfte 145 ff. Effizienz (des Kapitalmarktes) siehe bei Funktionsfähigkeit Effizienzmarkthypothese siehe Kapitalmarkteffizienztheorie Eigenverantwortliche Selbstgefährdung 311 f. Eignungsdelikt 374 ff. Einwirkung/Einwirken 198 ff. Einwirkungseignung 129 ff. Einwirkungserfordernis – dogmatische Einordnung des ~ 211 ff. – ergebnisbezogenes 207 ff. – prozessbezogenes 211 ff., 371 f. Emergenz 244 f. Empfehlung 109 f., 112 f., 179, 184, 190 EM.TV 331 f., 336 Erdal-Fall siehe LedersprayEntscheidung Ereignisstudien 346, 354 ff. [357 ff.] Erfolgsdelikt 211, 370, 373 Erheblichkeit 119 ff. Erlaubtes Risiko 310 ff. Erwartungen siehe Markterwartung ESMA 150 Europarecht 57 ff., 161 Evidenzbeweis 322, 347, 364, 368 Face to face 96, 114 Fn. 166, 294, 370 Fn. 1378 Fairness 183 Fn. 522, 241 Fn. 792 Fiktive Geschäfte 143 ff. Finanzmarktkrise 67, 148
Flash Trading siehe Hochfrequenzhandel Formel v. d. gesetzmäßigen Bedingung 223 f. Fraud on the market theory 326 ff., 361 f. Free rider Problem 99 f. Fn. 87 Fruit of the poisonous tree 161 Fn. 412 Fundamentalanalyse 232 Funktionalisierung des Strafrechts 31 Funktionsfähigkeit – als geschütztes Rechtsgut 375 f. – Ausgestaltungsformen – allokative 61, 65 ff., 104 – institutionelle 61, 65 ff., 104 – operationale 61, 65 ff., 104 – des Kapitalmarkts 38 ff. Gefährdungsdelikte 290 f., 373 ff. Generalprävention 76, 33 Fn. 52 Gerüchte 106 ff., 190, 239, 244 Gesetzgebungsgeschichte 24 ff. Gesetzlichkeitsprinzip 115 ff., 162, 174 ff. – Bestimmtheitsgebot 194 Gesinnungsstrafrecht 100 ff. Glaubhaftigkeitsgutachten 364 f. Gutachter 365 Haffa 336 siehe auch EM.TV Handelsgestützte Manipulation 132 ff. – Kausalität bei der ~ 295 ff. Handlungsgestützte Manipulation 185 ff., – Kausalität bei der ~ 297 Handlungsgrund 302 Handlungssinn 269, 302 Herausforderungsfälle 256 ff. Herdenverhalten 244 f. Hexen Sabbath 141 Fn. 314
Sachwortverzeichnis Hochfrequenzhandel 296 Fn. 1047, 141 Fn. 313 u. 315 Holzschutzmittelentscheidung 339 ff. Homm siehe EM.TV Homöostaseprinzip 267 Fn. 922 Individualrechtsgut 52 ff. Indizienbeweis 321, 341, 348 f., 358 ff., 364, 367 f. Infomatec 329 ff. Informationsasymmetrie 103 Informationseffizienz 39, 103 f., 237, 358 Informationsgestützte Manipulation 104, 236 – Kausalität bei der ~ 254, 297 ff. Informationsherrschaft 101 Informationsmodell 251 Ingerenz 113 f. Interaktion – Begriff 237 – psychische 252 ff. Interdisziplinarität 239 ff., 246 ff., 268, 343 Fn. 1250 Interpersonal transactions 274, 296 Introspektion 266, 274 INUS Theorie 225 f. Investor Psychology 242 Irrtum 381 f. Kapitalmarkt 25 f., 36 ff. – Funktionen des ~ 37 f. – Funktionsbedingungen des ~ 38 f. siehe auch bei Funktionsfähigkeit – Risiken für ~ 39 f. Kapitalmarkteffizienztheorie 236 ff., 328, 331 f., 343, 351 f., 357 ff., 367 f. Kartellrecht 183, 192 Karussellgeschäft 145 Kassamarkt 180 Kausalität 218 ff., – atypische 314 ff.
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evidente 322 haftungsausfüllende 334 haftungsbegründende 334 Nachweis von ~ siehe prozessualer Nachweis – psychische – im Kapitalmarkt 294 ff. – Literatur 262 ff. – Strafrechtliche Rspr. 258 ff. – Zivilrechtliche Rspr. 255 ff. – Theorien der ~ 218 ff. – überholende 313 Kollektive Schaltstation 104, 372, 374, 379 Kollektivrechtsgut 46 ff., 60 ff., 373 ff. Kommunikationsforschung 242, 245 Fn. 811 Kommunikationsprozess 91, 299 Konsequentialistische Begründung 230 Fn. 743 Kumulationsgedanke/Kumulationseffekte 69 ff., 209 ff., 374 ff. Kursbaisse 147 Kursbetrug 24, 61 Kursbildung siehe Preisbildung Kurspflege 158, 167 ff. Law and Economics siehe Ökonomische Analyse Lebenswelten 234 Fn. 758 Lederspray-Entscheidung 337 ff. Leerverkäufe 147 ff. – und Marktmanipulation 151 ff., 381 Legitimation (für strafrechtliche Sanktionierung) 41 ff. Legitime Gründe 140, 159 ff. Lock-Up Vereinbarungen 173 f., 182 Makroebenenirrtum 86 ff., 103 ff., 175, 218, 372
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Sachwortverzeichnis
Makro-Mikro-Makro Übergang 234 ff. Marketmaker 196 Fn. 574, 296 f., 171, 248 f., 358 Marketshare liability 96 Fn. 73 Marking the close 146 Marktbeherrschung 180 ff. Markteffizienztheorie siehe Kapitalmarkteffizienztheorie Markterwartung 94 ff. Marktmissbrauch 23 Marktmissbrauchsrichtlinie 28 f., 58, 134, 159, Marktpreis 198 Marktvertrauen 94 ff. Matched orders 144 Matching 196 Fn. 574 Methodologischer Individualismus 234, 213 Fn. 660 Minima-Klauseln siehe Bagatellgrenzen Mittelbare Täterschaft (Zurechnung) 312 f. Motivationspsychologie 242 Myopia-Effekt 243
Ordnungswidrigkeit 81, 192 f., 376 f. – Verhältnis zu Strafinkriminierung 205 ff. Over the counter market 36 Painting the tape 146 Perseveranzeffekt 369 Pönalisierungsgebot 74 Porsche 26, 181, 357 Pre-arranged Trades 143 f. Preis siehe Börsenpreis und Marktpreis Preisbildung(sprozess) 196 ff., 229 ff. Preisimport 195 f. (auch Fn. 568) Primärmarkt 36, 39 Probabilistische Zurechnung 279 ff., 289 ff., 327, 359 ff., 366 ff., 372 Prognosen 106 ff. Prospect Theory 243 Fn. 801 Prozessualer Nachweis (der Zurechnung) 317 ff., 364 ff. Psychische Kausalität siehe Kausalität Psychologie 84, 239, 242 ff., 248, 363 Publizitätspflichten 124 ff. Pumping and dumping 146 Quotes 196 Fn. 574
Neoklassische Ansätze (in der Börsenpreisbildungstheorie) 231 ff. Netto-Leerverkaufsposition 149 Objektive Bedingung der Strafbarkeit 214 f. Objektive Zurechnung 304 ff. Objektiver Tatbestand 105 ff. Ökonomische Analyse – der Preisbildung 229 ff. – des Rechts 230 Fn. 743 Ökonomische Theorien der Preisbildung siehe Behavioral Finance, Neoklassische Ansätze und Rational Choice Opel, Sascha siehe Analyst Sascha Opel
Random Walk Hypothesis 246 Rational Choice 53, 231 ff., 249 ff. Rationalität, begrenzte siehe Bounded Rationality Rechtsgut – Begriff 43 ff. – der Marktmanipulation 51 ff., 65 ff. – kollektives siehe Kollektivrechtsgut – und Kriminalpolitik 42, 49 f. – und Verfassung 48 ff. Rechtsgutslehre 44 ff. Relevanztheorie 222 Reserveursache 298, 317, 348 f., 352 Rex v. de Berenger 23
Sachwortverzeichnis Risikoerhöhungslehre 280 ff. Risikostrafrecht 164 Fn. 425 Rubikon Modell 242 Fn. 798 Rückschaufehler 363 f. Safe Harbour 167 ff., 170 Scalping 184 f. Schaden 56, 72, 78, 210, 326, 331, 387 Schadensersatz 62 ff. Schuld 294 Sekundärmarkt 36 f. Selbstbefreiungsmöglichkeit (des § 15 III WpHG) 126 ff. Selbstregulierung 77 Short and distort 150 Short selling siehe Leerverkäufe Skontroführer 196 Sonderdelikt 377 f. Source neglect 244 Sozialstaatsprinzip 75 Squeezes 180 Stock spams 112 f., 190 Fn. 549 Stop-Loss-Oder 315 f. Stabilisation manager 169 Strafbedürftigkeit 73 ff. Strafrechtseffektuierung 349 Strafwürdigkeit 43 ff. – der Marktmanipulation 65 ff. Subjektiver Tatbestand 379 ff. Subsidiarität – individuelle vor kollektiven Rechtsgütern 47 f. – intrastrafrechtliche ~ 79 – Strafrecht als ultima ratio 73 Tätigkeitsdelikt 212 Täuschung, konkludente – bei der Marktmanipulation 94 ff. – beim Betrug 89 ff. Täuschungshandlung, sonstige 177 ff. Terminmarkt 180
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Transaktionskosten 28 Fn. 29, 39 f. Transparenz 59, 115, 125, 165, 170, 251 Ultima Ratio 42, 54 f., 73, 205 Ungewissheit 299 Unterlassen, Kausalität beim ~ 305 ff. Unterlassensalternative 124 ff. Unternehmensdelikt 212 f., 381 Verfall 377 Verfassungsmäßigkeit – der Bewertungserheblichen Umstände 115 ff. – der sonstigen Täuschungshandlung 174 ff. Verhaltensökonomik siehe Behavioral Finance Verhältnis Prozessrecht/materielles Recht 364 ff. Verhältnismäßigkeitsprinzip 41, 49, 72, 145, 148, 157, 371 Verkehrssicherungspflicht (kommunikative) 113 f. Verletzungskausalität 208 Vermögensschutz 52 ff., 55 ff. Verständigung – prozessuale siehe Absprachen, prozessuale – tatsächliche 126 Fn. 231 Verteidigung (gegen Vorwurf der Marktmanipulation) 352, 359, 364, 368 f. Vertrauen (Anleger~) 68 ff., 375 f. Vertrauenshaftung 334 f. Verwaltungsakzessorietät 162 ff. Viktimodogmatik 53 f., 60, 67 Fn. 160, 311 f. Vollzugsdefizit 324 Vorsatz siehe Subjektiver Tatbestand VW siehe Porsche
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Sachwortverzeichnis
Wahrscheinlichkeit(sbegriffe) 272 ff., 279 ff., 284 ff., 359 ff. Wash sales 143 f. Werturteile 108 ff. Wettbewerb 74 Wettbewerbsrecht 183, 192 Willensfreiheit 341, 264 ff., 273, 300 f. (Fn. 1062 f.)
Zeugen 309, 329, 362 ff. Zivilrechtliche Sanktionen 62 ff., 77 f., 325 ff. Zurechnung – Beweis der ~ siehe Prozessualer Nachweis – objektive 304 ff.