Grammatische Textanalyse: Textglieder, Satzglieder, Wortgruppenglieder 9783110409796, 9783110360905

Grammatical text analysis describes the grammatical system "from top down": it proceeds from text parts to sen

287 7 4MB

German Pages 959 [960] Year 2017

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
Danksagung
Inhaltsverzeichnis
Anleitung zur Lektüre
I Grundlagen der Grammatischen Textanalyse
1 Grammatische Textanalyse als Grundlage der Textinterpretation
2 Grammatische Grundlagen der semantischen Interpretation von Texten
2.1 Satz ist nicht gleich Satz
2.2 Texte bestehen nicht nur aus Sätzen
2.3 Grammatische Analyse und Hierarchien
2.4 Makro-, Meso- und Mikroebene der grammatischen Textanalyse: Textglieder, Satzglieder und Wortgruppenglieder
2.4.1 Formen, Funktionen und Werte
2.4.2 Satzglieder und Wortgruppenglieder
2.4.3 Textglieder
2.4.4 Syntagmatische und paradigmatische Werte
2.4.5 Wortart, Ausdrucksart vs. Textglied, Satzglied und Wortgruppenglied
2.5 Semantische Transparenz durch grammatische Ökonomie: recycelte Makro- und Mesoglieder
3 Grundlagen der Satzgliedanalyse
3.1 Satzglieder vs. Glieder im Satz
3.2 Szenario, Valenz und Grundstruktur
3.3 Erweiterungen der Grundstruktur
3.4 Zwischenfazit: Prädikat, Satzglieder, Kommentarglieder
3.5 Statische und dynamische Sätze, Satzglieder, semantische Rollen
4 Datengrundlage: Texte, Originalbelege oder konstruierte Beispiele?
II Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten
1 Makroglieder
1.1 Textanalyse
1.2 Makroglieder im Leittext
1.3 Satzklammer und Felderstruktur: Sätze und Nichtsätze
1.4 Die Zwischenstelle: Kohäsionsglieder
1.5 Der Satzrand: Satzrandglieder, Satzglieder und Kohäsionsglieder
1.6 Was ist ein Stellungsfeld?
1.7 Keine Klammerstruktur im Nebensatz
2 Sätze
2.1 Textanalyse
2.2 Der Satzbegriff
2.3 Einfacher und komplexer Satz
2.4 Realer und virtueller Satz
2.5 Statischer und dynamischer Satz
2.6 Satzklassen im Überblick
2.7 Apokoinu und Insubordination
2.8 Lexifizierte Satz-Formate
3 Nichtsätze
3.1 Textanalyse
3.2 Der Nichtsatzbegriff
3.3 Begriffspräzisierung
3.4 Nichtsatzklassen
3.5 Lexifizierte Nichtsatz-Formate
4 Kohäsionsglieder
4.1 Textanalyse
4.2 Der Kohäsionsgliedbegriff
4.3 Begriffspräzisierung
4.4 Kohäsionsgliedklassen: Junktoren und Konnektoren
4.5 Lexifizierte Kohäsionsglieder
III Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten
1 Mesoglieder
1.1 Textanalyse
1.2 Prädikat, Satzglieder (im engeren Sinne), Kommentarglieder
1.3 Prädikat
1.3.1 Valenz
1.3.2 Prädikatsklassen im Überblick
1.3.3 Dynamische Prädikate
1.4 Satzglieder (im engeren Sinne)
1.4.1 Klassifikationskriterien
1.4.2 Satzglieder (im engeren Sinne) im Überblick
1.4.3 Dynamische Satzglieder
1.5 Kommentarglieder
1.6 Die lineare und funktionale Struktur von Mesogliedern
1.7 Über Möglichkeiten und Grenzen von Satzgliedproben
2 Prädikat
2.1 Statische Prädikate
2.1.1 Textanalyse
2.1.2 Statische Prädikatsklassen
2.1.3 Sich als Teil des Prädikats oder: Gibt es Reflexivverben?
2.1.4 Das Prädikativum als Teil des Prädikats
2.2 Dynamische Prädikate
2.2.1 Textanalyse
2.2.2 Typen und Formen der Prädikatsdynamik
2.2.3 Dynamische Prädikatsklassen
3 Satzglieder im engeren Sinne
3.1 Statische Satzglieder
3.1.1 Textanalyse
3.1.2 Formen von Satzgliedern: genuine und recycelte Formen
3.1.3 Statische Komplemente im Überblick
3.1.4 Zentrale Komplemente: Subjekt, Akkusativobjekt, Dativobjekt, Präpositionalobjekte, Direktivum
3.1.5 Periphere Komplemente: Genitivobjekt, Verbativobjekt, Adverbialkomplemente
3.1.6 Supplemente: Adverbiale und Freies Prädikativ
3.1.7 Korrelatverbindungen: ein Prüfstein grammatischer Theoriebildung
3.1.8 Satzkreuzungen: ein weiterer Prüfstein grammatischer Theoriebildung
3.2 Dynamische Satzglieder
3.2.1 Textanalyse
3.2.2 Was sind dynamische Satzglieder?
3.2.3 Dynamische Satzglieder im Überblick
3.2.4 Dynamische Satzgliedklassen
4 Kommentarglieder
4.1 Textanalyse
4.2 Kommentarglieder: Begriff und Klassen
4.3 Kommentarmittel: Parenthese, Redeanzeige, weiterführender Relativnebensatz
IV Wortgruppenglieder: die grammatischen Mikroglieder von Texten
1 Mikroglieder
1.1 Textanalyse
1.2 Köpfe, Kerne, Recyclatoren und andere Mikroglieder
1.3 Wortgruppen
2 Attribute
2.1 Textanalyse
2.2 Präzisierung des Attributbegriffs
2.3 Klassifikation der Attribute
V Apparat
1 Leittext
2 Quellen
3 Literatur
4 Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen
5 Darstellungskonventionen
6 Glossar (Verzeichnis der Fachausdrücke)
7 Sachregister
8 Wort- und Ausdrucksregister
Recommend Papers

Grammatische Textanalyse: Textglieder, Satzglieder, Wortgruppenglieder
 9783110409796, 9783110360905

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Vilmos Ágel Grammatische Textanalyse

Vilmos Ágel

Grammatische Textanalyse Textglieder, Satzglieder, Wortgruppenglieder

ISBN 978-3-11-036090-5 e-ISBN (PDF) 978-3-11-040979-6 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-040991-8 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Informationen sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2017 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Einbandabbildung: Zzuzya/iStock/thinkstock Satz: Dörlemann Satz GmbH & Co. KG, Lemförde Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Isolierte Wörter sind fiktive Wörter. Nur Wörter im Text sind reale Wörter. (Harald Weinrich, Linguistik der Lüge: 50) A helyes magyarázat nem mindig a legkézenfekvőbb. [Die adäquateste Erklärung ist nicht immer die einleuchtendste.] (István Örkény, Ezt meséld el, Pista [Hörbuch]) Manchmal kann die Wahrheit nur erfunden werden. (Siegfried Lenz, Landesbühne: 113) Doch ihr Leser der Nachwelt, vergebt uns unsere Unwissenheit, wie auch wir vergeben denen, die vor uns unwissend waren. (Guy Deutscher, Im Spiegel der Sprache: 272) Caesar non supra grammaticos. (Suetonius, De grammaticis: 22,2)

Danksagung Danken möchte ich vor allem vier Kolleginnen und Kollegen, die sich vor fünf Jahren bereit erklärt haben, alle Kapitel des vorliegenden Buches sukzessive, in der Reihenfolge ihres Entstehens, kritisch zu lesen und aus ihrer eigenen fachlichen Perspektive zu kommentieren: Monika Henkel damals aus studentischer Sicht, später aus der Perspektive einer linguistischen Nachwuchswissenschaftlerin; Gisela Zifonun aus der Sicht einer Grammatikerin, Andreas Gardt aus der Perspektive eines Textsemantikers und Jakob Ossner aus dem Blickwinkel eines Sprachdidaktikers und Linguisten. Als ich vor fünf Jahren diese vier Kolleginnen und Kollegen bat, die Entstehung des Buches kommentierend zu begleiten, war mir nicht bewusst gewesen, wie groß diese Bitte war, wie viel Zeit das Kommentieren in Anspruch nehmen würde. Mittlerweile weiß ich es, weil ich bei der Lektüre der Kommentare immer wieder gestaunt habe, wie intensiv sich die Kolleginnen und Kollegen mit der Arbeit auseinandergesetzt haben. Ich habe aufgrund der Kommentare vieles revidiert, geändert und überarbeitet und bin fest davon überzeugt, dass die Kommentare zu einem deutlich besseren Buch geführt haben. Ein sehr-sehr großer Dank an die selbstlose Kollegialität von Monika Henkel, Gisela Zifonun, Andreas Gardt und Jakob Ossner! Zusätzlich danken möchte ich Monika Henkel für weitere zeitintensive und anspruchsvolle Arbeiten, insbesondere für die Erstellung des Glossars und die uneigennützige Hilfe bei der Erstellung des Sachregisters. Ein sehr-sehr großer Dank geht auch an Gaby Diederich-Schmidt, die mir einen Freundschaftsdienst erwiesen und das ganze Buch sprachlich-stilistisch kommentiert hat. Danken möchte ich des Weiteren Silke Braun, Maria Henckel, Attila Németh, Hiltrud Lauer, Maret Zepernick, Laura Sievers, Dagobert Höllein, Kristin George und Nina Reichenbach für ihre zahlreichen Hilfestellungen: Silke Braun vor allem für die Erstellung der Abbildungen, Maria Henckel für ihre hilfreichen Kommentare und die Arbeit am Literaturverzeichnis bzw. am Sachregister, beiden für die formale Vereinheitlichung der Leittexte. Attila Németh danke ich für anspruchsvolle Formatierungsarbeiten und für die Erstellung des Wort- und Ausdrucksregisters. Ein besonders großer Dank geht an Hiltrud Lauer für ihre minutiöse Arbeit am Wort- und Ausdrucksregister bzw. am Sachregister und für die formale Durchsicht des Manuskripts. Maret Zepernick danke ich für die Erstellung des Sachregisters und die formale Durchsicht des Manuskripts. Bei Laura Sievers, Dagobert Höllein, Kristin George und Nina Reichenbach bedanke ich mich für ihre selbstlose Hilfe bei der Erstellung des Sachregisters. Dafür, dass sie einzelne Kapitel kommentiert und/oder krtitische Fragen diskutiert haben, danke ich Christa Dürscheid, Hans-Werner Eroms, Klaus Fischer, Werner König und Klaus Welke.

VIII 

 Danksagung

Für die sehr effektive und kooperative Zusammenarbeit bei der Buchproduktion danke ich Wolfgang Konwitschny vom Verlag Walter de Gruyter und der Setzerei Dörle­mann in Lemförde. Last, not least danke ich Daniel Gietz vom Verlag Walter de Gruyter, dessen starkes Engagement und über das erwartbare Maß deutlich hinausgehende Kooperations­ bereitschaft maßgeblich zum Gelingen des Buchprojekts beigetragen haben.

Inhaltsverzeichnis Danksagung   VII Anleitung zur Lektüre 

 XIII

I

Grundlagen der Grammatischen Textanalyse

1

Grammatische Textanalyse als Grundlage der Textinterpretation 

2

 3

Grammatische Grundlagen der semantischen Interpretation von Texten   11 2.1 Satz ist nicht gleich Satz   11 2.2 Texte bestehen nicht nur aus Sätzen   13 2.3 Grammatische Analyse und Hierarchien   16 2.4 Makro-, Meso- und Mikroebene der grammatischen Textanalyse: Textglieder, Satzglieder und Wortgruppenglieder   18 2.4.1 Formen, Funktionen und Werte   18 2.4.2 Satzglieder und Wortgruppenglieder   20 2.4.3 Textglieder   24 2.4.4 Syntagmatische und paradigmatische Werte   28 2.4.5 Wortart, Ausdrucksart vs. Textglied, Satzglied und Wortgruppenglied   30 2.5 Semantische Transparenz durch grammatische Ökonomie: recycelte Makro- und Mesoglieder   34 3 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5

 38 Grundlagen der Satzgliedanalyse  Satzglieder vs. Glieder im Satz   38 Szenario, Valenz und Grundstruktur   39 Erweiterungen der Grundstruktur   42 Zwischenfazit: Prädikat, Satzglieder, Kommentarglieder   45 Statische und dynamische Sätze, Satzglieder, semantische Rollen   47

4

Datengrundlage: Texte, Originalbelege oder konstruierte Beispiele?   54

X 

II

 Inhaltsverzeichnis

Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

1 Makroglieder   61 1.1 Textanalyse   61 1.2 Makroglieder im Leittext   66 1.3 Satzklammer und Felderstruktur: Sätze und Nichtsätze   68 1.4 Die Zwischenstelle: Kohäsionsglieder   79 1.5 Der Satzrand: Satzrandglieder, Satzglieder und Kohäsionsglieder   83 1.6 Was ist ein Stellungsfeld?   96 1.7 Keine Klammerstruktur im Nebensatz   104  115 2 Sätze  2.1 Textanalyse   115 2.2 Der Satzbegriff   120 2.3 Einfacher und komplexer Satz   122 2.4 Realer und virtueller Satz   130 2.5 Statischer und dynamischer Satz   144 2.6 Satzklassen im Überblick   151 2.7 Apokoinu und Insubordination   153 2.8 Lexifizierte Satz-Formate   160  167 3 Nichtsätze  3.1 Textanalyse   167 3.2 Der Nichtsatzbegriff   169 3.3 Begriffspräzisierung   171 3.4 Nichtsatzklassen   176 3.5 Lexifizierte Nichtsatz-Formate 

 186

 192 4 Kohäsionsglieder  4.1 Textanalyse   192 4.2 Der Kohäsionsgliedbegriff   197 4.3 Begriffspräzisierung   198 4.4 Kohäsionsgliedklassen: Junktoren und Konnektoren  4.5 Lexifizierte Kohäsionsglieder   240

III

 228

Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

1 Mesoglieder   249 1.1 Textanalyse   249 1.2 Prädikat, Satzglieder (im engeren Sinne), Kommentarglieder 

 255

Inhaltsverzeichnis 

 256 1.3 Prädikat  1.3.1 Valenz   256 1.3.2 Prädikatsklassen im Überblick   262 1.3.3 Dynamische Prädikate   268 1.4 Satzglieder (im engeren Sinne)   279 1.4.1 Klassifikationskriterien   279 1.4.2 Satzglieder (im engeren Sinne) im Überblick   284 1.4.3 Dynamische Satzglieder   287 1.5 Kommentarglieder   288 1.6 Die lineare und funktionale Struktur von Mesogliedern  1.7 Über Möglichkeiten und Grenzen von Satzgliedproben   300 2 Prädikat  2.1 Statische Prädikate   300 2.1.1 Textanalyse   300 2.1.2 Statische Prädikatsklassen   305 2.1.3 Sich als Teil des Prädikats oder: Gibt es Reflexivverben?  2.1.4 Das Prädikativum als Teil des Prädikats   358 2.2 Dynamische Prädikate   395 2.2.1 Textanalyse   395 2.2.2 Typen und Formen der Prädikatsdynamik   396 2.2.3 Dynamische Prädikatsklassen   407

 288  292

 334

 453 3 Satzglieder im engeren Sinne  3.1 Statische Satzglieder   453 3.1.1 Textanalyse   453 3.1.2 Formen von Satzgliedern: genuine und recycelte Formen   459 3.1.3 Statische Komplemente im Überblick   470 3.1.4 Zentrale Komplemente: Subjekt, Akkusativobjekt, Dativobjekt, Präpositionalobjekte, Direktivum   474 3.1.5 Periphere Komplemente: Genitivobjekt, Verbativobjekt, Adverbialkomplemente   540 3.1.6 Supplemente: Adverbiale und Freies Prädikativ   550 3.1.7 Korrelatverbindungen: ein Prüfstein grammatischer Theoriebildung   584 3.1.8 Satzkreuzungen: ein weiterer Prüfstein grammatischer Theoriebildung   605 3.2 Dynamische Satzglieder   614 3.2.1 Textanalyse   614 3.2.2 Was sind dynamische Satzglieder?   615 3.2.3 Dynamische Satzglieder im Überblick   621 3.2.4 Dynamische Satzgliedklassen   626

 XI

XII 

 Inhaltsverzeichnis

4 Kommentarglieder   656 4.1 Textanalyse   656 4.2 Kommentarglieder: Begriff und Klassen   657 4.3 Kommentarmittel: Parenthese, Redeanzeige, weiterführender Relativnebensatz   663

IV Wortgruppenglieder: die grammatischen Mikroglieder von Texten 1 Mikroglieder   691 1.1 Textanalyse   691 1.2 Köpfe, Kerne, Recyclatoren und andere Mikroglieder  1.3 Wortgruppen   721  743 2 Attribute  2.1 Textanalyse   743 2.2 Präzisierung des Attributbegriffs   749 2.3 Klassifikation der Attribute   768

V Apparat 1 Leittext   793 2 Quellen   796 3 Literatur   799 4 Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen   832 5 Darstellungskonventionen   836 6 Glossar (Verzeichnis der Fachausdrücke)   837 7 Sachregister   904 8 Wort- und Ausdrucksregister   934

 697

Anleitung zur Lektüre 1 Struktur Die Grammatische Textanalyse ist eine Art deszendente, ‚von oben nach unten‘ gerichtete, Syntax des Deutschen: eine Syntax vom Text über den Satz zum Wort. Die Grundstruktur des Buches bildet, wie die Matroschkapuppen des Titelbildes, diese Betrachtungsweise ab: –– Die Analyse fängt mit den grammatischen Einheiten der Makroebene (= Text­ ebene), den Textgliedern, an (Kap. II). –– Anschließend geht es um die grammatischen Einheiten der Mesoebene, die Satzglieder (Kap. III). –– Abschließend wird die Mikroebene, die der Wortgruppenglieder, betrachtet (Kap. IV). Jedes römisch bezifferte Kapitel beginnt mit einer Einleitung in die jeweilige Ebene. Nicht nur diese arabisch bezifferten Einleitungskapitel („II/1 Makroglieder“, „III/1 Mesoglieder“, „IV/1 Mikroglieder“), sondern auch alle weiteren Hauptkapitel („II/2 Sätze“, „II/3 Nichtsätze“, „II/4 Kohäsionsglieder“, „III/2.1 Statische Prädikate“, „III/2.2 Dynamische Prädikate“, „III/3.1 Statische Satzglieder“, „III/3.2 Dynamische Satzglieder“, „III/4 Kommentarglieder“, „IV/2 Attribute“) fangen mit einem „Textanalyse“ genannten Kapitel an, in dem die kapitelbezogene Analyse des sog. Leittextes präsentiert wird. Der Leittext, der im Apparat (Kap. V/1) nachzulesen ist, ist ein Artikel aus DIE ZEIT, der durch alle Kapitel der Arbeit ‚gereicht‘ wird mit dem Ergebnis, dass er am Ende auf allen drei Ebenen hinsichtlich aller im Text vorkommenden Klassen und Unterklassen von Makro-, Meso- und Mikrogliedern durchanalysiert ist (mehr zum Leittext Kap. I/4). Die Kapitel und Unterkapitel zu den einzelnen Klassen und Unterklassen von Gliedern sind also analog strukturiert: zuerst die Leittextanalyse, dann die theoretischen Erläuterungen. Letztere beschränken sich nicht auf den Kommentar der im Text belegten Typen, sondern es wird versucht, einen Überblick über den jeweiligen Phänomenbereich zu geben und dabei den eigenen theoretischen Ansatz zu begründen. Flankiert werden die drei zentralen Kapitel (II-IV) durch je ein Kapitel: –– Kap I („Grundlagen der Grammatischen Textanalyse“), in dem der dem Buch zugrunde liegende theoretische Ansatz, das Konzept der Grammatischen Textanalyse, überblickt wird; –– Kap. V („Apparat“), der über die üblichen Serviceleistungen (Quellen- und Literaturverzeichnis, Register usw.) hinaus auch ein Glossar, d.  h. ein Verzeichnis der für die Grammatische Textanalyse zentralen Fachausdrücke mit Definitionen und Beispielen, enthält.

DOI 10.1515/9783110409796-204

XIV 

 Anleitung zur Lektüre

2 Aufbau und anvisierte Benutzer1 Anvisierte Benutzer des Buches sind vor allem Leser, die sich professionell mit deutscher Grammatik beschäftigen: Lehrer, Germanistik- und Linguistikstudenten, Linguisten. Außerdem sollen mit der Grammatischen Textanalyse auch Literaturwissenschaftler und andere Textwissenschaftler, die daran interessiert sind, die Kluft zwischen Sprach- und Literaturwissenschaft bzw. Textwissenschaft empirisch zu überwinden, angesprochen werden. Denn nach dem Konzept der Grammatischen Textanalyse ist die Grammatik kein Sinn-loses technisches Gerät, das unabhängig von der jeweiligen Textinterpretation wie die Hardware eines Computers unauffällig im Hintergrund summt und das die notwendige Voraussetzung für den Wortschatz, die Software, darstellt, um dessen Elemente, die bedeutungstragenden Wörter, ‚zum Leben zu erwecken‘. Im Gegenteil: Grammatik ist textbezogen bedeutungstragend und trägt somit entscheidend zur semantischen (und pragmatischen) Interpretation von Texten bei (Kap. I/1). Wer Texte grammatisch analysiert, partizipiert an deren Interpretation. Wer sie grammatisch unanalysiert lässt, verzichtet auf einen Teil des Textsinns. Dies sollen auch die Analysen von überwiegend aus literarischen Texten stammenden Belegen und Auszügen im Buch illustrieren. Lehrer, Germanistik- und Linguistikstudenten, Linguisten, Literatur- und Textwissenschaftler – das sind mindestens vier Typen von Benutzergruppen, die unterschiedliche Vorkenntnisse, Interessen und Erwartungen haben. Von daher stellt sich die Frage, wie es überhaupt möglich ist, mit einem Buch so viele unterschiedliche Benutzergruppen zu ‚bedienen‘. Geht es hier lediglich um ein textsortenbezogenes Lippenbekenntnis oder wurden tatsächlich konkrete ‚strukturelle Maßnahmen‘ ergriffen, um die Lektüre den anvisierten Benutzerbedürfnissen anzupassen? Ja, es wurde eine Reihe von ‚Maßnahmen‘ ergriffen: 1. Globaler Überblick: In Kap I („Grundlagen der Grammatischen Textanalyse“) werden alle zentralen Ideen und Begriffe der Grammatischen Textanalyse in nuce vorgestellt und exemplifiziert. Die Lektüre von Kap. I ist allen Benutzern zu empfehlen. 2. Lokaler Überblick: Alle Hauptkapitel („II/1 Makroglieder“, „II/2 Sätze“, „II/3 Nichtsätze“, „II/4 Kohäsionsglieder“, „III/1 Mesoglieder“, „III/2.1 Statische Prädikate“, „III/2.2 Dynamische Prädikate“, „III/3.1 Statische Satzglieder“, „III/3.2 Dynamische Satzglieder“, „III/4 Kommentarglieder“, „IV/1 Mikroglieder“, „IV/2 Attribute“) enthalten Unterkapitel, die das Ergebnis der theoretischen Diskussion überblicken (z.  B. „II/2.2 Der Satzbegriff“, „III/2.2.3 Dynamische Prädikatsklassen“ oder „IV/2.3 Klassifikation der Attribute“). Und alle Hauptkapitel fangen mit einem Unterkapitel zur Leittextanalyse an, das Anwendung und Anwendbarkeit

1 Personenbezeichnungen im Plural sind immer generisch zu verstehen: Benutzer = Benutzerinnen und Benutzer; Studenten = Studentinnen und Studenten, Leser = Leserinnen und Leser usw.



3.

4.

5.

6.

Anleitung zur Lektüre 

 XV

der lokalen Theoriebausteine illustriert. Für Benutzer etwa, die sich schnell über den Satz informieren wollen, würde die Lektüre von „II/2.1 Textanalyse“ und „II/2.2 Der Satzbegriff“ reichen. Kapitelbezogene Lektüre: Es ist zwar sicherlich sinnvoll, Kap. I („Grundlagen der Grammatischen Textanalyse“) von Anfang bis Ende zu lesen. Doch die übrigen Hauptkapitel des Buches sind so konzipiert und enthalten so viele Redundanzen, dass man sie auch ohne Kap. I verstehen kann. Beispielweise ist die Wiederholung von manch einem Fußnoteninhalt in unterschiedlichen Kapiteln (im Optimalfall) kein Versehen, sondern steht im Dienste der kapitelbezogenen Lektüre. So sollen sowohl Leser, die sich für spezielle Themen interessieren, als auch Querleser auf ihre Kosten kommen. Zusammenfassungen: Alle Kapitel, Haupt- wie Unterkapitel, enthalten zum Schluss in einem Kästchen eine kurze Zusammenfassung. Solche Zusammenfassungen dürften als Verständniskontrolle insbesondere für Studenten hilfreich sein. Vertrautes und Neues: Entsprechend der Tradition der Syntaxforschung stellt Kapitel  III („Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten“) qualitativ wie quantitativ das Kernkapitel unter den drei zentralen Kapiteln (II-IV) dar. Deshalb gibt es hier die reichste Binnengliederung: das Prädikat mit zwei Hauptkapiteln zu statischen und dynamischen Prädikaten (Kap. III/2.1–2), die Satzglieder im engeren Sinne mit ebenfalls zwei Hauptkapiteln zu statischen und dynamischen Satzgliedern (Kap. III/3.1–2) und der neu einzuführende Satzgliedtyp der Kommentarglieder (Kap. III/4). Hier zeigen schon die Überschriften und die Reihenfolge der Kapitel an, wo man eher Vertrautes und wo man Neues findet: Eher bekannt aus der traditionellen Satzgliedlehre sind die statischen Prädikate und Satzglieder im engeren Sinne, während die dynamischen Prädikate und Satzglieder einer besonderen grammatiktheoretischen Fundierung bedürfen, die in Kap. I nur in groben Zügen geleistet werden kann. Lesern, die sich eher für die traditionellen Typen von Prädikaten und Satzgliedern interessieren, reichen die Hauptkapitel zu den statischen Prädikaten und Satzgliedern (Kap. III/2.1 und III/3.1). Innerhalb dieser Hauptkapitel gibt es dann Unterkapitel, bei denen es generell gilt: Je später man einsteigt, umso mehr wird vorausgesetzt. Bei dynamischen Prädikaten und Satzgliedern ist es auch möglich, sich einen schnellen Überblick über die einzelnen Klassen und Unterklassen zu verschaffen (Kap. III/2.2.2 und III/3.2.2), ohne sich in den Details zu vertiefen. Themenbezogene Lektüre: Ausgerüstet mit Kap. I, dem Sachregister und dem Glossar kann man sich auch themenbezogen informieren. Will man beispielsweise erfahren, wie im Rahmen der Grammatischen Textanalyse sog. Freie Dative (Er hat mir das Fahrrad repariert) oder Geräuschverben als Fortbewegungsverben (Sie knattert auf einem Motorrad über die Bühne) analysiert werden (Kap. III/3.1.4 und III/3.2.4), braucht man dazu weder das Überblickskapitel zu den

XVI 

 Anleitung zur Lektüre

Mesogliedern (Kap. III/1) noch die Überblickskapitel zu den statischen und dynamischen Satzgliedern im engeren Sinne (Kap. III/3.1.3 und III/3.2.3) zu lesen. Will man allerdings das lokale Thema in einem größeren Zusammenhang sehen, will man beispielsweise verstehen, warum sog. Freie Dative und Geräuschverben als Fortbewegungsverben theoretisch vergleichbare Typen von dynamischen Satzgliedern darstellen, reicht die lokale Lektüre nicht mehr. 7. Haupttext und Fußnote: Deren Verhältnis ist relativ strikt funktionalisiert: Ich habe im Haupttext, der auch für Studenten, Lehrer und Textwissenschaftler lesbar sein soll, versucht, möglichst verständlich zu formulieren, Fachbegriffe sukzessive einzuführen, ja mit dem antizipierten Leser einen Dialog zu führen. Die Auseinandersetzung mit der Fachliteratur, die eher für Linguisten relevant ist, findet in der Regel in den Fußnoten statt. Leser, die an der theoretischen Diskussion nicht interessiert sind, können diese Anmerkungen einfach überspringen, denn es steht nichts in den Anmerkungen, was bei der weiteren Lektüre des Haupttextes vorausgesetzt würde. 8. Präzisierungen: Präzisierungen des im Haupttext Gesagten finden ebenfalls in den Fußnoten statt. Auch hier gilt: Leser, die für das Verstehen des Haupttextes an der Stelle keiner weiteren Präzisierungen mehr bedürfen, können diese Anmerkungen einfach überspringen. 9. Schwierigkeitsgrad: Es gilt generell: Theoretisch schwierige, eher für Spezialisten wichtige Themen finden sich gegen Ende der einzelnen Hauptkapitel. Zwei Beispiele: In den letzten beiden Unterkapiteln über die Makroglieder geht es einerseits um die grundsätzliche Frage, was ein Stellungsfeld ist (Kap. II/1.6), andererseits wird dafür argumentiert, dass es im Nebensatz keine Klammerstruktur gibt (Kap. II/1.7). Für Spezialisten beides zentrale Fragen, für andere Leser eher nur mäßig interessant. Die letzten beiden Unterkapitel über die statischen Satzglieder handeln von Korrelatverbindungen bzw. von Satzkreuzungen (Kap. III/3.7–8). Für Spezialisten geht es in beiden Fällen um „Prüfsteine grammatischer Theoriebildung“ (so die Kapitel­untertitel), während die Relevanz dieser Themen für andere Leser nur schwer nachvollziehbar sein dürfte.



Anleitung zur Lektüre 

 XVII

3 Darstellungskonventionen Die Darstellungskonventionen stehen im Dienste einer möglichst einfachen Lektüre für alle Benutzergruppen. Schauen wir uns einen kleinen Auszug aus dem Leittext an, hier einen Auszug aus der Leittextanalyse zu den statischen Satzgliedern: [4] [5] [6]

Mit seiner grundsympathischen Novelle »Landesbühne« adverbial) hat sich (nominales Siegfried Lenz Subjekt) (nominales einen Spaß Akkusativobjekt) erlaubt. Hannes Subjekt) sagt: (Akkusativobjekt- »Bald wird etwas geschehen« text). (nominales Und in der Tat: Seltsames nes) geschieht, (nominales ja geradezu Unerhörtes Subjekt). (gespalte(Komitativ-

Dass dies der Leittext und nicht ein anderer Text ist, zeigt die Nummerierung in eckigen Klammern an. Alle Belege in eckigen Klammern sind Leittextbelege. Andere Belege stehen in runden Klammern. Der Leittext ist nach „Ganzsätzen“ (Duden 2009: 1138) gegliedert. Ganzsätze sind orthographische Sätze. Orthographische Sätze sind keine grammatischen, sondern eben orthographische Einheiten. Sie können potenziell mehrere Makroglieder (Textglieder), darunter auch grammatische Sätze, enthalten. Soweit Makroglieder diskret segmentierbar sind, gilt: Jedes einzelne Makroglied in einem orthographischen Satz fängt in einem eigenen Absatz an. So sieht man auf den ersten Blick, dass [4] und [5] aus je einem Makroglied bestehen, während [6] drei Makroglieder umfasst. Der Textausschnitt enthält also insgesamt fünf Makroglieder. Es gibt keine ‚globalen‘ Abkürzungen, und deshalb hat das Buch auch kein Abkürzungsverzeichnis, sondern nur ein (äußerst knappes) Verzeichnis der Darstellungskonventionen. Lokale Abkürzungen werden lokal eingeführt. Die wenigen globalen Markierungen wie z.  B. fett fürs Hauptprädikat, unterstrichen für die Kohäsionsglieder (Kap. II/4) oder eben „“ für Vorwärtsverweise im Textraum (= Text-Katadeixis) werden ebenfalls (immer wieder) lokal eingeführt. Deshalb sieht man, ebenfalls auf den ersten Blick, dass von den obigen fünf Makro­gliedern zwei Kohäsionsglieder und drei grammatische Sätze sind. Denn es gilt: ein Hauptprädikat = ein grammatischer Satz (Kap. I/2.1). Während die orthographischen Sätze [4] und [5] aus je einem grammatischen Satz bestehen, enthält der orthographische Satz [6] zwei Kohäsionsglieder und einen grammatischen Satz. Satzglieder gibt es nur in grammatischen Sätzen. Dementsprechend kann im orthographischen Satz [6] eine Satzgliedanalyse nur im letzten Absatz stattfinden. Hier wie in [4] und [5] lassen sich dann auch alle Satzgliedzuordnungen ‚lokal‘ ablesen. Denn sowohl bei der Leittextanalyse als auch bei der Analyse der Belege im Allgemeinen wird alles ‚ausgeschrieben‘. Dieses ‚Ausschreiben‘ ist natürlich nicht immer einfach, manchmal müssen die Grenzen der einzelnen Glieder durch, mitunter regelwidrige, Trennungen kenntlich

XVIII 

 Anleitung zur Lektüre

gemacht werden. Dieses einfache Kennzeichnungsprinzip soll an den obigen LeittextBelegen kurz erläutert werden: Solange ein Terminus sprachlich nicht abgeschlossen ist, ist das Ende des Gliedes noch nicht erreicht. Ein einfacher Fall ist z.  B. das zweite (nominale) Subjekt, das lediglich aus einem Wort (Hannes) besteht. Umso komplizierter ist die Kennzeichnung des dritten Subjekts (Seltsames…ja geradezu Unerhörtes), das aus zwei getrennt realisierten Teilen besteht, d.  h., gespalten ist. Hier muss man den Terminus vierteilen, damit der gesamte Umfang des Subjekts erfasst wird und – was für das Verstehen sehr wichtig ist – der Terminus ‚Subjekt‘ im Satz nicht zweimal vorkommt. Denn doppeltes Vorkommen des Terminus würde doppeltes Vorkommen des Satzgliedes bedeuten, was eine falsche Analyse, ein Verstoß gegen das Prinzip des Einmaleins der Satzgliedlehre (Kap. I/3.5 und III/3.1.4), wäre. Im Falle von einsilbigen Termini kommt es zu regelwidrigen Trennungen. Betrachten wir hierzu die Leittextanalyse von [4] aus dem Mikrogliedkapitel (Kap. IV/1.1): [4]

Mitpf Ke-seiner grundsympathischen Novelle »Landesbühne«rn gruppe) hat sichte- (Substantiv- Siegfried Lenz gruppe) (Substantiv- Ko-einenpf Ke-Spaßrn gruppe) ner erlaubtKern. Ko(PräpositionalKopf gespal-

Hier mussten die Termini ‚Kopf‘ und ‚Kern‘ regelwidrig getrennt werden. Da jedes Kapitel mit der einschlägigen Leittextanalyse beginnt und da jeder Leittextanalyse eine Legende der im Kapitel relevanten Darstellungskonventionen vorangestellt ist, stellt auch das Verzeichnis der Darstellungskonventionen im Grunde nur eine doppelte Absicherung dar. Auch hier gilt: Das Buch soll, ohne hin und her blättern zu müssen, lokal lesbar sein. Was die Beleganalysen anbelangt, gilt das Prinzip der doppelten Relevanz: Einerseits ist jeder Beleg lokal relevant. Deshalb müssen an ihm die Phänomene, die für die lokale Argumentation wichtig sind, markiert sein. Entsprechend unterscheidet sich, wie oben an [4] illustriert, die Analyse derselben Leittextsequenz je nach Kapitel. Andererseits repräsentiert jeder Beleg in einem bestimmten Kapitel den Phänomenbereich, der im Kapitel behandelt wird. Deshalb müssen an ihm auch die Phänomene, die für die kapitelbezogene Argumentation wichtig sind, markiert sein. Die Kapitel stellen dabei die Grenzen der Überfrachtung der Markierung dar: Phänomene, die kapitelbezogen nicht relevant sind, werden auch nicht markiert. Dies sollte dem Leser ermöglichen, sich auf den Inhalt des Kapitels zu konzentrieren.

I Grundlagen der Grammatischen Textanalyse 1 2 2.1 2.2 2.3 2.4

Grammatische Textanalyse als Grundlage der Textinterpretation Grammatische Grundlagen der semantischen Interpretation von Texten Satz ist nicht gleich Satz Texte bestehen nicht nur aus Sätzen Grammatische Analyse und Hierarchien Makro-, Meso- und Mikroebene der grammatischen Textanalyse: Textglieder, Satzglieder und Wortgruppenglieder 2.4.1 Formen, Funktionen und Werte 2.4.2 Satzglieder und Wortgruppenglieder 2.4.3 Textglieder 2.4.4 Syntagmatische und paradigmatische Werte 2.4.5 Wortart, Ausdrucksart vs. Textglied, Satzglied und Wortgruppenglied 2.5 Semantische Transparenz durch grammatische Ökonomie: recycelte Makro- und Mesoglieder 3 Grundlagen der Satzgliedanalyse 3.1 Satzglieder vs. Glieder im Satz 3.2 Szenario, Valenz und Grundstruktur 3.3 Erweiterungen der Grundstruktur 3.4 Zwischenfazit: Prädikat, Satzglieder, Kommentarglieder 3.5 Statische und dynamische Sätze, Satzglieder, semantische Rollen 4 Datengrundlage: Texte, Originalbelege oder konstruierte Beispiele?

1 Grammatische Textanalyse als Grundlage der Textinterpretation Wenn wir schreiben, entwerfen wir Texte in der Regel ‚monologisch‘. Denn Schreiben ist traditionell nichtinteraktiv, d.  h., es findet kein Schreiberwechsel statt.1 Wenn wir sprechen, führen wir in der Regel Gespräche. Gespräche sind interaktiv, es findet Sprecherwechsel statt.2 Das Interesse der Grammatiker richtet sich traditionell in erster Linie auf monologische Produkte des Schreibens.3 Auch in der vorliegenden Arbeit dominiert diese textorientierte Perspektive.4 Textorientierung bedeutet hier allerdings mehr als nur ‚primär nichtinteraktiv‘. Sie bedeutet auch, dass die grammatische Analyse auf der Textebene  – und nicht erst auf der Satzebene – ansetzt und dass auch Sätze als grammatische Einheiten der Textebene begriffen werden.5 Geht man bei der Satzanalyse von Sätzen statt von Texten aus, hat man sich den Zugang zum Verständnis des nichtgrammatischen Sinns einer grammatischen Analyse von vornherein verbaut. Die Satzanalyse wird zum Selbstzweck und somit für Nichtgrammatiker funktionslos und demotivierend: Man zerlegt Sätze in Subjekte, Prädikate und andere Satzglieder, damit man Sätze in Subjekte, Prädikate und andere Satzglieder zerlegt. Soll man aber die Kreiszahl lernen, um die Kreiszahl zu kennen? Soll man die Formel ‚NaCl‘ für Kochsalz lernen, um zu wissen, dass ‚NaCl‘ die chemische Formel des Kochsalzes ist? Oder soll man die Kreiszahl lieber deshalb lernen, damit man mathematische Probleme lösen, und die Formel ‚NaCl‘ deshalb, damit man chemische Prozesse verstehen kann?

1 „Neue Dialoge“ wie WhatsApp sind dagegen interaktiv, weil hier „sprachliche Handlungen in eine sequenzielle Struktur eingebettet sind“ und weil „ein kontinuierlicher Sprecher- resp. Schreiberwechsel stattfindet.“ (Dürscheid 2016: 446) Zu diesem Interaktionsbegriff vgl. auch Imo 2013: 46  ff. 2 Zu der Unterscheidung zwischen ‚Gespräch‘ (‚Diskurs‘) und ‚Text‘ in der Gesprächsanalyse und der funktional-pragmatischen Grammatik s. etwa Brinker/Sager 2001: 9  ff. und Hoffmann 2013: 31  ff. 3 Sprache – genauer: Sprechen – lässt sich nicht nur als Produkt, sondern auch als Tätigkeit und als Wissen (Kompetenz) untersuchen (Coseriu 1988a). 4 Damit soll die grammatiktheoretische Relevanz des Gesprächs nicht in Frage gestellt werden, ganz im Gegenteil: Der Unterschied zwischen grammatischen Strukturen der Mündlichkeit und der Schriftlichkeit spielt in mehreren Kapiteln der vorliegenden Arbeit eine wichtige Rolle (s. etwa alle Unterkapitel von Kap. II). Außerdem haben Texte und Gespräche grammatisch viele Gemeinsamkeiten. Nicht ganz zufällig ist deshalb in der französischen Linguistik auch von „textes oraux“ (Adam 2005: 122), von mündlichen Texten, die Rede. 5 Da Sätze grammatisch relativ autonom sind und da man das begriffslogische Problem mit der Ausklammerung der Textebene bisher nicht erkannt hat (Kap. I/2.4.3), stellt die Beschränkung der grammatischen Analyse auf die Satzebene  – insbesondere in formalen Grammatiktheorien  – eine Selbstverständlichkeit dar, die weiter nicht hinterfragt wird. DOI 10.1515/9783110409796-001

Text und Gespräch

grammatisches ­Interesse Text­ orientierung

nichtgrammatischer Sinn der Satz­ analyse?

4 

nichtgrammatischer Sinn der grammatischen Textanalyse

 Grundlagen der Grammatischen Textanalyse

Geht man bei der Satzanalyse dagegen von Texten aus, wird einem unmittelbar bewusst, dass die Satzanalyse einen wichtigen Beitrag zur grammatischen Textana­ lyse, d.  h., zur grammatischen Interpretation von Texten, darstellt. Dabei besteht der eigentliche, nichtgrammatische, Sinn der grammatischen Textanalyse in der gram­ matischen Fundierung der semantischen Interpretation von Texten. Natürlich ist grammatische mit semantischer Textanalyse nicht gleichzusetzen, und es kann auch nicht die Aufgabe einer grammatischen Textanalyse sein, die semantische Textanalyse mitzuliefern oder gar zu ersetzen (s. hierzu Polenz 2008). Ihre Aufgabe kann nur darin bestehen, diese adäquat vorzubereiten, d.  h., die grammatischen Grenzen der semantischen Interpretation abzustecken. Daher soll, bevor im nächsten Kapitel auf die grammatischen Grundlagen der semantischen Interpretation von Texten eingegangen wird, lediglich an einem Typus – an der Zuordnung von grammatischen zu semantischen Grundstrukturen  – angedeutet werden, welche textsemantischen Anschlussmöglichkeiten sich aus einer grammatischen Analyse ergeben. Betrachten wir hierzu den ersten Absatz aus Sigmund Freuds Essay „Der Moses des Michelangelo“: (1)



Ich schicke voraus, daß ich kein Kunstkenner bin, sondern Laie. Ich habe oft bemerkt, daß mich der Inhalt eines Kunstwerkes stärker anzieht als dessen formale und technische Eigenschaften, auf welche doch der Künstler in erster Linie Wert legt. Für viele Mittel und manche Wirkungen der Kunst fehlt mir eigentlich das richtige Verständnis. Ich muß dies sagen, um mir eine nachsichtige Beurteilung meines Versuches zu sichern. (Freud Moses: 172)

Was am Zitat auffällt, ist, dass ein bestimmter Typ von Verb dominiert, dass drei von den vier Prädikaten – schicke…voraus; habe…bemerkt und muß sagen – eine einheit­ liche grammatische Grundstruktur verlangen: grammatische Grundstruktur



Subjekt A A A

– Prädikat – schickt voraus hat bemerkt muss sagen

Akkusativobjektnebensatz B B B

Dass hier eine einheitliche grammatische Grundstruktur (‚Subjekt–Prädikat–Objektnebensatz‘) vorliegt, ist auf den ersten Blick überraschend, weil sich die einzelnen semantischen Strukturen, d.  h. die Verbbedeutungen und die singulären semantischen Rollen (Welke 2005: 96), die das jeweilige Verb vergibt, deutlich unterscheiden:6

6 Singuläre semantische Rollen werden auch Partizipantenrollen genannt (Goldberg 1995: 43). Semantische Rollen  – egal, ob singulär oder verallgemeinert (wie z.  B. Agens, Patiens)  – werden entsprechend der Darstellungstradition durch Kapitälchen gekennzeichnet. Dasselbe gilt für das semantische Prädikat (wie z.  B. Handlung) und somit für die gesamte semantische Grundstruktur.



Grammatische Textanalyse als Grundlage der Textinterpretation 

der Vorausschickende der Bemerkende der Sagende

 5

– schickt voraus – das Vorauszuschickende – hat bemerkt – das zu Bemerkende – muss sagen – das zu Sagende

Es stellt sich daher die Frage, warum die grammatische Struktur einheitlich ist, wenn sich die einzelnen semantischen Strukturen so stark unterscheiden? Zwar unterscheiden sich die einzelnen semantischen Strukturen, aber sie lassen sich zu einer semantischen Grundstruktur verallgemeinern, der alle drei semantischen Strukturen zugeordnet werden können: Handlungsträger – Handlung –

semantische Grund­ struktur

Handlungssachverhalt

Wir können also behaupten, dass eine grammatische Grundstruktur wie

Subjekt

– Prädikat –

Akkusativobjektnebensatz

eine semantische Grundstruktur wie Handlungsträger – Handlung –

Handlungssachverhalt

indizieren kann. Die grammatische Grundstruktur ‚Subjekt–Prädikat–Objektnebensatz‘ deutet also zwar nicht immer, aber sicherlich überwiegend auf eine Handlung hin, die aus der Perspektive des Handlungsträgers (Agens) dargestellt wird und die sich auf einen Handlungssachverhalt richtet.7 An dieser Stelle müssen wir einen kurzen theoretischen Abstecher machen: In der vorliegenden Arbeit wird die semantische Struktur signifikativ-semantisch interpretiert. Signifikativ-semantisch werden im Gegensatz zu herkömmlichen denotativ-semantischen Beschreibungen keine außersprachlichen Situationen, sondern einzelsprachlich perspektivierte Sachverhalte beschrieben (Welke 2005: 95  ff.). Der Unterschied soll an einem Beispielklassiker, der auf Fillmore 1968 zurückgeht, illustriert werden:

7 Traditionell wird keine semantische Rolle Handlungssachverhalt angenommen, sondern man würde stattdessen vom Patiens sprechen. Allerdings geht es bei den drei Verben – im Gegensatz etwa zu Verben wie trinken oder beobachten  – darum, dass ihre B-Stelle (= 2. Argument) primär keinen Gegenstand, sondern „einen Sachverhalt zeichnet“ (Bühler 1934/1982: 258, kursiv im Original). Dabei ist der Sachverhalt, der in die B-Stelle eingebettet ist, kein inhärentes Merkmal der B-Stelle, sondern eine Relation zwischen Handlung und B-Stelle (zu „Einbettungen von Aussagen in die Bezugsstellen anderer Aussagen“ s. Polenz 2008: 232  ff.). Je nachdem, ob das B-Relatum einer Handlung einen Gegenstand oder einen Sachverhalt „zeichnet“, wird deshalb zwischen Handlungsgegenstand (Beispiel s. unten) und Handlungssachverhalt differenziert. Der von Peter von Polenz favorisierte Terminus ‚Aussage‘ kommt für uns aus zwei Gründen nicht in Frage: Erstens ist er nichtrelational, zweitens könnte er sowohl grammatisch (‚Aussagesatz‘) als auch pragmatisch (keine ‚Frage‘, ‚Aufforderung‘ usw.) missverstanden werden.

signifikative Semantik

semantische Perspektivierungen

6 

 Grundlagen der Grammatischen Textanalyse

(2) (a) (b)

Man öffnet die Tür mit dem Schlüssel. Der Schlüssel öffnet die Tür.

Denotativ-semantisch würde man sowohl die semantische Rolle des Instrumental­ adverbials in (2a) als auch die des Subjekts in (2b) als Instrument(al) auffassen. M. a. W., man würde die Rollenzuweisung unabhängig von der einzelsprachlichen grammatischen und semantischen Struktur, gewissermaßen aufgrund von Alltagserfahrungen mit der Handhabung von Schlüsseln, vornehmen. Signifikativ-semantisch gilt jedoch nur die semantische Rolle des Instrumentaladverbials (mit dem Schlüssel in (2a)) als Instrument, während das Subjekt eines Handlungsprädikats (Der Schlüs­ sel in (2b)) per definitionem als Handlungsträger (Agens) angesehen wird. Auf diese Weise wird das einzelsprachlich Auffällige und Interessante an (2b), nämlich dass es im Gegenwartsdeutschen möglich ist, Bezeichnungen für Werkzeuge einzelsprachlich als Handlungsträger zu perspektivieren, theoretisch hervorgehoben.8 Kehren wir nun zurück zu dem Freud-Text und betrachten wir den dritten Satz: Dativobjekt – Prädikat – Zustandsbetroffener – Zustand – mir fehlt

Subjekt Zustandsträger das richtige Verständnis für…

Im Gegensatz zu den bisher analysierten Sätzen nimmt Freud hier keine Handlungsperspektive ein. Mit Hilfe der grammatischen Grundstruktur ‚Dativobjekt–Prädikat– Subjekt‘ und des Prädikats fehlt positioniert er sich als Zustandsbetroffener, also als jemand, der sich beobachtend feststellen muss, dass er über eine bestimmte innere Disposition nicht verfügt, dass er eben kein Zustandsträger ist.9 Charakteristisch für diese Konstruktion ist, dass der Referent des Dativobjekts „eher als passiv betroffener Teilnehmer“ (Wegener 1985a: 194) an einem nichtintendierten Sachverhalt, d.  h. als jemand, der keine Verantwortung für den Sachverhalt übernimmt (Wegener 1985a: 194  f.), dargestellt wird. Bemerkenswert ist dabei, dass die Zuordnung der

8 Es geht hier aber nicht darum, denotativ-semantische Konzepte generell als ‚schlechter‘ hinzustellen, sondern lediglich darum, aus der Perspektive einer grammatischen Textanalyse die signifikative Semantik in den Mittelpunkt zu stellen. Für eine umfassende syntaktische Analyse braucht man beides (Ickler 1990, Welke 2005). Dasselbe gilt für sprachtypologische Betrachtungen. Außerdem sind moderne Ansätze semantischer Rollen im Anschluss an das Proto-Agens- bzw. Proto-Patiens-Konzept von Dowty (1991) wohl nicht mehr als ‚rein‘ denotativ-semantisch zu bezeichnen. Entsprechend sind sie auch wesentlich elaborierter und leistungsstärker als der klassische Fillmore’sche Ansatz, vgl. zuletzt Primus 2012. 9 Zustandsträger (Stat) und Vorgangsträger (Proc) – wie z.  B. die semantische Rolle des Subjekts Die Tür öffnete sich oder Der Krug ist zerbrochen – stellen nach Welke (1994: 9) zwei mögliche signifikativ-semantische Rollen dar. Signifikativ-semantische Rollen, die sich ja nicht ‚über die Welt‘ definieren, ändern sich durch Negation nicht. In einem Satz wie Mir fehlt das richtige Verständnis nicht wäre also mir ebenfalls Zustandsbetroffener.



Grammatische Textanalyse als Grundlage der Textinterpretation 

 7

semantischen Rolle des Zustandsbetroffenen bzw. generell des Rezipienten „zu typischerweise ansprechbaren, verantwortungsfähigen, besitzfähigen Entitäten, also Personen, prototypisch ist“ (Ickler 1990: 27), weshalb Fälle mit unpersönlichem Rezipienten wie Dem Haus fehlt ein Schornstein (stereotyp) metaphorisch seien (ebd.). Entscheidet man sich für die obige grammatische Grundstruktur mit dem Prädikat fehlt, wählt man also eine semantische Rolle mit, die typischerweise verantwortungsfähige, aber keine Verantwortung übernehmen wollende Referenten kodiert. Freud hätte durchaus grammatische Optionen gehabt, mehr Verantwortung für die innere Disposition zu übernehmen, z.  B. (1’)

Ich habe für viele Mittel und manche Wirkungen der Kunst eigentlich kein richtiges Verständnis.

Subjekt – Prädikat – Zustandsträger – Zustand – ich habe oder (1’’)

nominales Akkusativobjekt Zustandsgegenstand kein richtiges Verständnis für…

Ich bringe für viele Mittel und manche Wirkungen der Kunst eigentlich kein richtiges Verständnis auf.10

Subjekt – Prädikat – Handlungsträger – Handlung – ich bringe…auf

nominales Akkusativobjekt Handlungsgegenstand kein richtiges Verständnis für…

Je nachdem, wie man sich zu der eigenen inneren Disposition grammatisch positioniert, je nachdem, welches Verb man wählt, nimmt der Beteiligtheitsgrad am Sachverhalt zu oder ab: Schwach involviert ist ein Zustandsbetroffener (fehlen), stärker ein Zustandsträger (haben) und am stärksten ein Handlungsträger (bringe…auf), der etwas immer absichtlich (intentional) und verantwortungsbewusst tut. Wohlgemerkt, in der außersprachlichen Situation geht es um dieselbe Person mit derselben

10 Auf den Unterschied zwischen dem mihi-est-aliquid-Typus (wie mihi est pecunia oder eben mir fehlt…) und dem habeo-aliquid-Typus (wie habeo pecunia oder ich habe…) macht bereits Benveniste (1974: 219  ff.) aufmerksam (s. auch Ickler 1990: 17, Anm. 15): In beiden Fällen geht es in der Begrifflichkeit von Benveniste um ein „Besitzverhältnis“. Beim habeo-aliquid-Typus stelle das Subjekt den „Besitzer“, beim mihi-est-aliquid-Typus dagegen die „besessene Sache“ dar. Daraus folgt, dass beim mihi-est-aliquid-Typus nur noch der „Randfall“ Dativ für den „Besitzer“ übrigbleibt, „der ihn als denjenigen bezeichnet, in dem das »jemandem sein« sich verwirklicht“ (Benveniste 1974: 221). Beim mihiest-aliquid-Typus wird also der „Besitzer“ sprachlich marginalisiert, er ist am Sachverhalt schwach beteiligt (‚Betroffener‘). Das Subjekt des habeo-aliquid-Typus ist „nicht die handelnde Person eines Vorgangs: es ist der Sitz eines Zustands, in einer syntaktischen Konstruktion, welche die Aussage eines Vorgangs lediglich nachahmt.“ (Benveniste 1974: 221  f.) Der Satz mit dem Prädikat haben lässt sich signifikativ-semantisch und prototypentheoretisch auch als eine periphere (= nichtprototypische) Handlung interpretieren, Kap. III/2.2.3 und III/3.1.4.

Perspektivierung als Wahl und Abwahl

8 

Grammatik als Komplexitäts­ reduktion

keine ­autonome Semantik

 Grundlagen der Grammatischen Textanalyse

inneren Disposition, doch durch die Wahl des Verbs und der grammatischen Grundstruktur tritt notwendigerweise eine semantische Grundstruktur auf den Plan, die die ‚Realität‘ nicht abbildet, sondern diese perspektivierend interpretiert. Überall, wo es Wahlmöglichkeiten gibt, muss man durch die Wahl einer dieser Möglichkeiten und die Abwahl aller anderen Möglichkeiten Farbe bekennen.11 Grammatik bewirkt qua Schemabildung Komplexitätsreduktion. Reduziert wird die Komplexität der semantischen Struktur, indem verschiedene Typen von singulären semantischen Strukturen mittels einer grammatischen Grundstruktur zu einer semantischen Grundstruktur gebündelt werden. Komplexitätsreduktion lässt sich dabei nicht einfach als eine Technik sprachlicher Ökonomie begreifen. Gäbe es keine Komplexitätsreduktion, würde ein Großteil des sprachlichen Innovationspoten­ zials wegfallen. Denn die konventionalisierten Verbindungen von prädikatsstiftenden Verben mit schematischen grammatischen Grundstrukturen, die schematische semantische Grundstrukturen indizieren, stellen die Grundvoraussetzung für Ad-hocVerbindungen, d.  h. für innovative Verstöße gegen konventionelle Verbindungen, dar (Kap. I/3.5). Gäbe es lediglich singuläre grammatische und semantische Strukturen oder zwar (allgemeine) grammatische Grundstrukturen, jedoch nur singuläre semantische Strukturen, wären Ad-hoc-Verbindungen, d.  h. syntaktisch-semantische Innovationen, faktisch (und logisch) unmöglich.12 Durch Formulierungen des Typs „die grammatische Grundstruktur indiziert die semantische Grundstruktur“ (oder „durch die Wahl des Verbs und der grammatischen Grundstruktur tritt notwendigerweise eine semantische Grundstruktur auf den Plan“) soll zum Ausdruck gebracht werden, dass es nach meiner Auffassung keine von der grammatischen Struktur und der aktuellen Bedeutung des prädikatsstiftenden Verbs unabhängige semantische Struktur gibt. Beispielsweise ist es die aktuelle Bedeutung des Sprachzeichens fehlen, die in Kooperation mit der grammatischen Grundstruktur ‚Dativobjekt–Prädikat–Subjekt‘ die semantische Interpretation Zustandsbetroffener – Zustand –

Zustandsträger

erzeugt. Die formal und inhaltlich vom aktuellen Prädikat prädeterminierten Satzglieder ‚Dativobjekt‘ und ‚Subjekt‘ tragen dabei keine Eigenbedeutung, sondern haben einen semantischen Differenzwert (valeur im Saussure’schen Sinne): Sie machen qua formaler Differenz (Substantivgruppe im Dativ vs. im Nominativ) eindeutig, wer (/was) Zustandsbetroffener und was (/wer) Zustandsträger ist (Knobloch 1990: 186). Würde man im Freud-Beispiel eine Dativ-Nominativ-Umordnung vornehmen, würde 11 Theoretisch hergeleitet werden solche Perspektivierungsunterschiede in der Instruktionsgrammatik von Simon Kasper (2015). Zu konkreten Beispielen s. Kasper 2014: 261  ff. und 2015: 192  ff. 12 Faktisch (und theoretisch) unmöglich wäre auch eine Sprache mit singulären grammatischen Strukturen. In so einer ‚Sprache‘ müsste man z.  B. so viele Kasus haben wie singuläre semantische Rollen, d.  h. der Kasus jeder einzelnen singulären semantischen Rolle müsste sich vom Kasus beliebiger anderer singulärer semantischer Rollen unterscheiden.



Grammatische Textanalyse als Grundlage der Textinterpretation 

 9

sich zwar der Inhalt des Satzes (radikal) ändern, aber die semantische Differenz zwischen Zustandsbetroffenem und Zustandsträger bliebe erhalten:13 Dativobjekt – Prädikat – Zustandsbetroffener – Zustand – dem richtigen Verständnis für…

Subjekt Zustandsträger fehle ich

Wie oben durch mögliche alternative Umformulierungen der Freud-Textstelle angedeutet, stehen satzsemantisch erzeugbare Differenzwerte im Dienste der Textsemantik. Grammatische Grundstrukturen knüpfen zwar ein verbindliches semantisches Netz im Text und stecken somit als strukturelles Fundament die Grenzen der semantischen Interpretation ab. Wie grammatische Grundstrukturen ein verbindliches semantisches Netz im Text knüpfen und wie sie die Grenzen der semantischen Interpretation abstecken, ist allerdings eine Frage der im konkreten Textzusammenhang alternativen grammatischen Grundstrukturen. Beispielsweise hätte die satzsemantische Grundstruktur Zustandsbetroffener – Zustand –

Zustandsträger

keinen textsemantischen Differenzwert, wenn qua alternativer grammatischer Grundstrukturen die satzsemantischen Grundstrukturen Zustandsträger – Zustand – Handlungsträger – Handlung –

Zustandsgegenstand Handlungsgegenstand

nicht zur Verfügung stehen würden (s. die Beispiele mit haben und aufbringen oben). Aus grammatischer (und somit aus textsemantischer) Sicht stellen also grammatische Grundstrukturen keine abstrakten und statischen Gebilde dar, denn eine gram-

13 Die Auffassung, dass es keine von der grammatischen Struktur und den aktuellen Bedeutungen von Sprachzeichen unabhängige semantische Struktur gibt, bedeutet eine klare Abgrenzung von formalgrammatischen und  -semantischen Theorien, aber keinen automatischen ‚Anschluss‘ an die sich rasant entwickelnde Konstruktionsgrammatik, die nicht nur Wortschatzeinheiten, sondern auch beliebige grammatische Strukturen als bilaterale Sprachzeichen mit einer Form- und einer Inhaltsseite auffasst (zum Überblick vgl. etwa Konstruktionsgrammatik I und ZGL-Themenheft ‚Konstruktionsgrammatik‘ 2009; zur Theoriediskussion zwischen formaler Grammatik und Konstruk­ tions­grammatik s. IDS-Jahrbuch 2010). Infolge permanenter Grammatikalisierungsprozesse und der unterschiedlichen Produktivität grammatischer Strukturen ist es nämlich höchst unwahrscheinlich, dass jede beliebige grammatische Struktur die Formseite eines Sprachzeichens darstellt. Plausibler ist es anzunehmen, dass jede beliebige grammatische Struktur semantische Differenzwerte im obigen Sinne erzeugt und dass manch eine grammatische Struktur die Formseite eines Sprachzeichens darstellt. Dabei ist die Frage, wie man die Form- und wie man die Inhaltsseite einer grammatischen Struktur definiert, alles andere als trivial (Rostila 2007: 62  ff.). Noch weniger trivial ist die semiologische Frage, wie man sich Konstruktionen als „Zeichenartikulationen“ vorzustellen hat, die „den sozialen Raum der Zeichenzirkulation durchqueren“ müssen (Jäger 2010: 203, kursiv im Original). Vgl. hierzu Ágel 2015b: 82  ff.

textsemantischer Wert grammatischer Grundstrukturen

10 

Ist der textsemantische Wert das Ziel?

Stellenwert der grammatischen Textanalyse

grammatische vs. Grammatische Text­ analyse

 Grundlagen der Grammatischen Textanalyse

matische Grundstruktur erhält ihren textsemantischen Wert erst in Abgrenzung von im aktuellen Textzusammenhang alternativen grammatischen Grundstrukturen. Die Anzahl von textmöglichen Alternativen hängt wiederum von der Anzahl möglicher – ad hoc oder konventionalisierter  – textsynonymer Prädikatsbildungen mit passenden grammatischen und semantischen Grundstrukturen ab (ausführlicher Kap. I/3.5). Als Verfechter einer grammatischen Textanalyse hat man u.  a. die Aufgabe, den textsemantischen Wert grammatischer Grundstrukturen zu beschreiben. Betrachtet man Freuds texteinleitende grammatische Perspektivierungen genauer, wird einem allerdings klar, dass deren kunstvolle Anordnung wichtiger ist als die semantischen Grundstrukturen selbst. Freud zielt hier also primär nicht auf die Gegenüberstellung von zwei semantischen Dispositionen ab, sondern wirbt rhetorisch gekonnt um die Gunst des Lesers.14 Die semantischen Grundstrukturen werden pragmatisch überlagert.15 Die Feststellung des textsemantischen Werts grammatischer Grundstrukturen ist zwar das Ziel einer grammatischen Textanalyse, aber nicht notwendigerweise das Ziel einer Textanalyse im Allgemeinen. Die qua grammatischer Grundstruktur indizierte semantische Grundstruktur konstituiert nur in denjenigen Fällen die tatsächliche Bedeutung einer Textstelle, in denen sie nicht von anderen semantischen oder pragmatischen Faktoren überlagert wird. Zum Schluss ein Wort zur Terminologie: Ich bezeichne den linguistischen Ansatz, der in dem vorliegenden Buch entwickelt werden soll, als Grammatische Textana­ lyse (mit großem G). Dieser Ansatz stellt aber nur einen bestimmten theoretischen Rahmen für die grammatische Analyse von Texten, d.  h. für grammatische Textanalysen (mit kleinem g), dar. Grammatische Grundstrukturen stecken qua indizierter semantischer Grundstrukturen global die Grenzen der semantischen und pragmatischen Interpretation von Texten ab. Ihr textsemantischer Wert ergibt sich lokal aus der Differenz zu alternativen semantischen Grundstrukturen, die im ak­tuel­ len Textzusammenhang qua alternativer grammatischer Grundstrukturen mit textsynonymen Prädikatsbildungen hätten indiziert werden können.

14 Die Grundform dieser Captatio Benevolentiae ist ein Parallelismus, der von einem Chiasmus durchbrochen wird. 15 Es ist eine heiklere Frage, ob sie auch lexikalisch überlagert werden. Da semantische Grundstrukturen grammatisch-lexikalische Erfahrungswerte sublimieren, dürfte dies in einem logisch konsistenten Sinne nicht zutreffen.



Grammatische Grundlagen der semantischen Interpretation von Texten 

 11

2 Grammatische Grundlagen der semantischen Interpretation von Texten 2.1 Satz ist nicht gleich Satz Nach der amtlichen Regelung der deutschen Rechtschreibung bestehen Texte aus Ganzsätzen, d.  h., sie fangen mit einem Großbuchstaben an und enden mit einem Satzzeichen „zur Kennzeichnung des Schlusses von Ganzsätzen“ (Duden 2009: 1138). Ganzsätze sind also orthographische Sätze. Betrachten wir hierzu die folgende Textstelle: (3) (OS1) Wer es nicht selbst erlebt hatte, für den mußte es nach Phrasen klingen, nach Gerede; Worte reichten nicht aus, um zu beschreiben, wie es wirklich war. (OS2) Wie es sich anfühlte, einen Mann, dem man selbst, und zwar mit ungenügender Anästhesie, die Beine amputiert hatte, wenige Meter vor dem wartenden Hubschrauber zu verlieren, zu dem man ihn über vor Hitze flimmernde Felder geschleift hatte, so daß alles umsonst gewesen war und man auf dem Rückflug bemerkte, daß man Teile der letzten Tage aus dem Gedächtnis verloren hatte, daß es da leere Stellen gab, als wäre man durch Erlebnisse gegangen, so drastisch und fremd, daß sie nicht ganz in die Wirklichkeit gehörten und sich der Erinnerung verweigerten. (Kehlmann Ruhm: 30) Die Textstelle enthält zwei orthographische Sätze (= OS1 und OS2). Wo orthographische Sätze enden sollen, bestimmt im Falle eines literarischen Textes der Autor. Würde man die grammatische Analyse ausgehend von der orthographischen Gliederung vornehmen, hätte man keine grammatischen Kriterien für die Bestimmung von Sätzen. Man müsste dann auch eine komplexe Struktur wie OS2, die ausschließlich aus Nebensätzen besteht, als Satz gelten lassen. Und bei der Frage nach den ‚Satzgliedern‘ müsste man dann folgerichtig sagen, dass es auch Sätze ohne Satzglieder gibt. Denn OS2 enthält ja kein Prädikat und auch kein Subjekt oder sonstige Satzglieder. Neben einem orthographischen brauchen wir also auch noch einen grammatischen Satzbegriff: Ein Text enthält genauso viele grammatische Sätze, wie er Haupt­ prädikate enthält (mehr dazu Kap. I/2.4.3 und II/2). Das Hauptprädikat ist im Falle eines einfachen (grammatischen) Satzes mit dem einzigen Prädikat identisch.16 Beim komplexen (grammatischen) Satz (= Satzgefüge) stellt das Prädikat des Haupt-

16 Formal handelt es sich dabei in der Regel um einen Hauptsatz, aber in Ausnahmenfällen um einen (autonomen) Nebensatz, d.  h. um Insubordination (Kap. II/2.7).

orthographischer Satz

grammatischer Satz, Haupt­ prädikat

12 

der ‚Nebensatz‘ ist kein gram­ ma­tischer Satz Markierung des grammatischen Satzes

 Grundlagen der Grammatischen Textanalyse

satzes das Hauptprädikat dar.17 Kurz: Das Hauptprädikat ist das hierarchisch höchste Prädikat – ein Prädikat, dem kein weiteres Prädikat übergeordnet ist.18 Nebensätze stellen im Sinne dieser Satzdefinition keine grammatischen Sätze, sondern Teile von komplexen Sätzen dar (Kap. II/2.3). Um grammatische Sätze leicht identifizieren zu können, werden in der vorliegenden Arbeit alle Hauptprädikate fett markiert. Die Kehlmann-Textstelle enthält zwei Hauptprädikate, folglich zwei grammatische Sätze (= GS1 und GS2), deren Grenzen allerdings mit denen der orthographischen Sätze nicht zusammenfallen.19 (4) (GS1) Wer es nicht selbst erlebt hatte, für den mußte es nach Phrasen klingen, nach Gerede; (GS2) Worte reichten nicht aus, um zu beschreiben, wie es wirklich war. Wie es sich anfühlte, einen Mann, dem man selbst, und zwar mit ungenügender Anästhesie, die Beine amputiert hatte, wenige Meter vor dem wartenden Hubschrauber zu verlieren, zu dem man ihn über vor Hitze flimmernde Felder geschleift hatte, so daß alles umsonst gewesen war und man auf dem Rückflug bemerkte, daß man Teile der letzten Tage aus dem Gedächtnis verloren hatte, daß es da leere Stellen gab, als wäre man durch Erlebnisse gegangen, so drastisch und fremd, daß sie nicht ganz in die Wirklichkeit gehörten und sich der Erinnerung verweigerten.

orthographische vs. grammatische Satzgrenzen

Man kann davon ausgehen, dass bei literarischen Texten die jeweilige Relation von orthographischen und grammatischen Satzgrenzen, d.  h. sowohl deren Übereinstimmung als auch deren Diskrepanz, sinnstiftend ist. M. a. W., die Relation zwischen orthographischer und grammatischer Gliederung vermittelt dem Leser eine Art vom Autor intendierte ‚Textdramaturgie‘. Im Falle der Kehlmann-Textstelle sind zwei Diskrepanzen zu beobachten: a) Der erste grammatische Satz endet mit einem Semikolon mitten im ersten orthographischen Satz. b) Der erste orthographische Satz endet mit einem Nebensatz (wie es wirklich war), an den sich ein zweiter, identisch gebauter Nebensatz (Wie es sich anfühlte) am Anfang des zweiten orthographischen Satzes anschließt. Beide Nebensätze befinden sich im zweiten grammatischen Satz.

17 Der Begriff der Satzverbindung bezieht sich nicht auf die Struktur von einfachen oder komplexen grammatischen Sätzen, sondern auf die von orthographischen Sätzen: Eine Satzverbindung ist ein orthographischer Satz, der aus nebengeordneten grammatischen Sätzen besteht, die ihrerseits einfach oder komplex (= Satzgefüge) sein können (Kap. II/1.4 und II/2.3). 18 Dependenzgrammatisch ausgedrückt: Das Hauptprädikat ist der oberste Verbalknoten. 19 Sowohl GS1 als auch GS2 stellen komplexe grammatische Sätze (= Satzgefüge) dar. Dabei enthält GS2 elf Nebensätze. Zur Komplexitätsanalyse dieses und eines noch komplexeren Belegs Kap. II/2.3.



Grammatische Grundlagen der semantischen Interpretation von Texten 

 13

Kehlmanns ‚Textdramaturgie‘ basiert hier also einerseits auf der Funktion des Semikolons als Grenzmarker zwischen zwei grammatischen Sätzen, andererseits auf der des Punktes als Grenzmarker innerhalb desselben grammatischen Satzes. Durch die Wahl des Semikolons – statt des Punktes – zwischen GS1 und GS2 setzt Kehlmann (im buchstäblichen Sinne) ein Zeichen für den Leser, GS1 und GS2 nicht ganz isoliert zu betrachten, sondern die grammatische Juxtaposition, d.  h. die bloße Aneinanderreihung ohne Verbindungswort (Junktor), evtl. pragmatisch – als Begründung, etwa im Sinne eines denn – zu interpretieren: (5)

Semikolon

Wer es nicht selbst erlebt hatte, für den mußte es nach Phrasen klingen, nach Gerede; [Begründung:] Worte reichten nicht aus, um zu beschreiben, wie es wirklich war.

Noch aufschlussreicher ist die zweite Diskrepanz. Durch die Wahl des Punktes zwischen parallel aufgebauten Nebensätzen an den beiden Seiten der orthographischen Satzgrenze (wie es wirklich war und Wie es sich anfühlte) entsteht eine Spannung zwischen rhetorisch-syntaktischer und orthographischer Struktur: Der Parallelismus lässt Koordination (Nebenordnung), die Koordination Kommasetzung erwarten. Statt eines Fortsetzungssignals (Komma) setzt Kehlmann jedoch ein Schlusssignal (Punkt). Die auf diese Weise erzeugte Spannung könnte wiederum ein Signal für den Leser sein, eine Interpretation vorzunehmen. Der Sinn einer grammatischen Parallele mit orthographischer Zäsur könnte z.  B. in der Erzeugung ‚dramaturgischer Spannung‘ bestehen – etwa so, wie geübte Redner an geeigneten Stellen Sprechpausen einlegen. Zu unterscheiden ist zwischen orthographischem Satz (= Ganzsatz) und grammatischem Satz. Eine grammatische Textanalyse basiert notwendigerweise auf der Analyse von grammatischen Sätzen. Dies ist die Grundvoraussetzung dafür, die Untersuchung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede von orthographischen und grammatischen Satzgrenzen als eine mögliche Quelle für Textinterpretationen zu nutzen.

2.2 Texte bestehen nicht nur aus Sätzen Im orthographischen Sinne bestehen Texte ausschließlich aus Sätzen (= Ganzsätzen). Aus der Sicht einer grammatischen Textanalyse, in der der grammatische Satz im Zentrum steht, bestehen hingegen Texte nicht nur aus Sätzen, ja es gibt sogar Texte/ Textstellen, die mehr andere Einheiten enthalten als Sätze. Betrachten wir hierzu folgenden Textauszug, der aus insgesamt acht Texteinheiten besteht: (6) (NS1) Der riesige Marktplatz von HEIDE in Schleswig-Holstein mit den kleinen Häusern weit weg am Horizontrand. (NS2) Wilhelm von hinten. (GS1) Er steht in einem der kleinen Häuser am Fenster

Punkt

14 

(KG1) (GS2) (NS3) (NS4) (NS5) Textglieder

Nichtsatz

Kohäsionsglied

 Grundlagen der Grammatischen Textanalyse

und schaut hinaus. Der Marktplatz, ein wenig mehr von oben. Wilhelm, das Fensterkreuz und der Marktplatz. Eine Katze auf dem Fensterbrett. (Handke Bewegung: 7)

Von diesen acht Texteinheiten, die ich Textglieder (Kap. I/2.4.3) nenne, stellen lediglich zwei grammatische Sätze (GS1 und GS2) dar. Die restlichen sechs verteilen sich auf zwei weitere Typen von Textgliedern: Die überwiegende Mehrheit (NS1 bis NS5) sind sog. Nichtsätze (Kap. II/3). Nichtsätze haben eine grammatische Struktur (Hennig 2009a), enthalten jedoch kein Hauptprädikat. Nichtsätze sind durchgängig Punkt-Strich unterstrichen. Über Sätze und Nichtsätze hinaus kommt noch ein dritter Typ von Textglied vor, der die Funktion hat, Sätze mit Sätzen, Nichtsätze mit Nichtsätzen oder Sätze mit Nichtsätzen zu verbinden. Deshalb nenne ich diesen dritten Typ von Textglied Kohä­ sions­glied (Kap. II/4).20 Im obigen Beispiel verbindet das Kohäsionsglied und (KG1) zwei Sätze miteinander. Kohäsionsglieder sind durchgängig unterstrichen. Als Kohäsionsglieder können nicht nur Konjunktoren, d.  h. koordinierende (nebenordnende) Junktoren, wie und, sondern auch viele andere Typen von Wörtern und Ausdrücken fungieren.21 Zwei Beispiele: [41] Zu dem Theaterstück Das Labyrinth wird einmal gesagt, es sei »eine Geschichte, in der das Fantastische im Wirklichen aufging«. [42] Nun, hier ist es wohl eher umgekehrt. [43] Aber wie auch immer: Die Freiheiten, die sich aus solchem Erzählen ergeben, hat Siegfried Lenz weidlich und mit offenkundigem Vergnügen genutzt.

20 ,Nichtsatz‘ ist also im mengentheoretischen Sinne nicht das Komplement von ‚Satz‘. Das ist zwar im wahrsten Sinne des Wortes unlogisch, aber ich sehe aktuell keine terminologische Alternative. Zumindest ist ‚Ellipse‘ keine (Kap. II). 21 Traditionell spricht man von Konjunktionen und versteht unter ihnen sowohl koordinierende als auch subordinierende (unterordnende) Verbindungswörter. Dieser Terminus ist unglücklich, weil lat. kon- bereits Nebenordnung signalisiert, daher ist koordinierende Konjunktion eine redundante, sub­ ordinierende Konjunktion eine widersprüchliche terminologische Bildung. Auch ist es sinnvoll, die grammatische Technik (Junktion) von den Elementen, die diese Technik verkörpern (Junktoren) zu unterscheiden. Ganz analog unterscheidet man etwa in der Wortbildung Komposition als Wortbildungstechnik (Wortbildungsart) und Komposita als komplexe Wörter, die mit Hilfe dieser Technik gebildet werden. Der deutsche Terminus Zusammensetzung ist dagegen zweideutig (Technik und Wort).



Grammatische Grundlagen der semantischen Interpretation von Texten 

 15

Der Textausschnitt stammt aus dem sog. Leittext der vorliegenden Arbeit (Kap. I/4).22 Er besteht aus drei Sätzen und drei Kohäsionsgliedern. Die Sätze [41] und [42] werden mit einem Kohäsionsglied (nun), [42] und [43] sogar mit zwei Kohäsionsgliedern (aber bzw. wie auch immer) verbunden. Im Gegensatz zu dem kopulativen Konjunktor und (Handke-Beleg) und dem adversativen Konjunktor aber ([43]) haben jedoch die Kohäsionsglieder nun und wie auch immer keine primär semantischen, sondern primär pragmatische, textorganisierende, Funktionen. Diese können wir am besten nachvollziehen, wenn wir den Originaltext um die Kohäsionsglieder reduzieren und den kohäsionsgliedlosen Text mit dem Original vergleichen: [41–43’] Zu dem Theaterstück Das Labyrinth wird einmal gesagt, es sei »eine Geschichte, in der das Fantastische im Wirklichen aufging«. Hier ist es wohl eher umgekehrt. Die Freiheiten, die sich aus solchem Erzählen ergeben, hat Siegfried Lenz weidlich und mit offenkundigem Vergnügen genutzt. Mit Hilfe des Kohäsionsglieds nun wird ein Kommentar des Autors zu dem Zitat im ersten Satz eingeleitet. Alternativ hätte er auch dabei verwenden können. Während nun optional ist – es macht die Überleitung zum zweiten Satz eher nur stilistisch ‚geschmeidiger‘  –, ist das zweite  – genauer: irgendein zweites  – Kohä­ sionsglied notwendig. Denn der dritte Satz setzt den zweiten inhaltlich nicht fort, vielmehr zieht der Autor hier ein Zwischenfazit und charakterisiert die Erzähltechnik von Siegfried Lenz. Das zweite Kohäsionsglied dient also der Überleitung zu einer logisch relativ unabhängigen Aussage. Texte bestehen aus drei Typen von Textgliedern: Sätzen, Nichtsätzen und Kohäsionsgliedern.

22 Die Gliederung des kompletten Textes in Sätze, Nichtsätze und Kohäsionsglieder findet sich in Kap. II/1.1. Belege aus dem Leittext unterscheiden sich auch optisch von allen anderen Belegen: Der Leittext hat eine feste Nummerierung der orthographischen Sätze, wobei die Nummern in eckigen Klammern stehen. Alle Belege in eckigen Klammern sind also Leittextbelege. Andere Belege stehen in runden Klammern. Soweit Makroglieder (im Leittext) diskret segmentierbar sind, gilt: Jedes einzelne Makroglied in einem orthographischen Satz fängt in einem eigenen Absatz an. Entsprechend enthält [41] ein Makroglied (einen Satz), [42] zwei Makroglieder (ein Kohäsionsglied und einen Satz) und [43] drei Makroglieder (zwei Kohäsionsglieder und einen Satz).

Leittext

16 

 Grundlagen der Grammatischen Textanalyse

2.3 Grammatische Analyse und Hierarchien Betrachten wir erneut die im Kap. I/2.1 zitierte Kehlmann-Textstelle (7) (GS1) Wer es nicht selbst erlebt hatte, für den mußte es nach Phrasen klingen, nach Gerede; (GS2) Worte reichten nicht aus, um zu beschreiben, wie es wirklich war. Wie es sich anfühlte, einen Mann, dem man selbst, und zwar mit ungenügender Anästhesie, die Beine amputiert hatte, wenige Meter vor dem wartenden Hubschrauber zu verlieren, zu dem man ihn über vor Hitze flimmernde Felder geschleift hatte, so daß alles umsonst gewesen war und man auf dem Rückflug bemerkte, daß man Teile der letzten Tage aus dem Gedächtnis verloren hatte, daß es da leere Stellen gab, als wäre man durch Erlebnisse gegangen, so drastisch und fremd, daß sie nicht ganz in die Wirklichkeit gehörten und sich der Erinnerung verweigerten. Grund­ strukturen

Den beiden grammatischen Sätzen sind folgende grammatische Grundstrukturen zuzuordnen: (GS1) (GS2)

Grund­ struktur = einfach? satzglied­ interne Hierarchie

Subjekt es Subjekt Worte

– Prädikat – mußte klingen – Prädikat – reichten aus

Präpositionalobjekt nach Phrasen…, nach Gerede Finaladverbial um zu beschreiben…

Der Terminus ‚Grundstruktur‘ könnte den falschen Eindruck erwecken, dass Grundstrukturen generell grammatisch einfach seien. Dies gilt in der Tat bezüglich der Anzahl der Satzglieder, nicht jedoch bezüglich der internen Komplexität eines bestimmten Satzglieds.23 Was die Kehlmann-Textstelle anbelangt, ist hier das Finaladverbial des zweiten grammatischen Satzes hierarchisch zu beträchtlicher Komplexität ausgebaut worden: Das Finaladverbial, das mit der Infinitivkonstruktion um zu beschreiben anfängt und erst mit dem Satzende endet, besteht aus Nebensätzen und Infinitivkonstruktionen bis zu sechstem Grad. M. a. W., die am tiefsten eingebetteten Nebensätze (daß sie nicht ganz in die Wirklichkeit gehörten und sich der Erinnerung verweigerten) sind vom Hauptsatz sechs Hierarchieebenen entfernt. Man kann sich solche Hierarchien als Matroschka-Puppen vorstellen: Die ‚große Puppe‘ (hier das Finaladverbial) enthält jeweils kleinere Puppen bis hin zu der kleinsten (= sechsten) ‚Puppe‘.

23 Eine erste Präzisierung des Begriffs der Grundstruktur findet im Kap. I/3.2 statt.



Grammatische Grundlagen der semantischen Interpretation von Texten 

 17

Ohne hier auf technische Details eingehen zu können, soll mit Hilfe der folgenden Darstellung (durch eingeschachtelte Kästchen) die hierarchische Struktur des Kehlmann-Satzes angedeutet werden:24

Abb. 1: Hierarchische Struktur eines Kehlmann-Satzes

Worin besteht die Bedeutung der Erkennung von grammatischen Hierarchien für die semantische Interpretation von Texten? Die grammatische Hierarchie bildet in der Regel die semantische Hierarchie der Sachverhalte (Aussagen) ab, die der Sprecher/Schreiber zum Ausdruck bringen wollte. Beim obigen Beispiel wollte der Autor uns in erster Linie sagen, dass Worte zu der Beschreibung von A nicht ausreichten. Dann wurde die semantische Leerstelle A, grammatisch das Akkusativobjekt zum Prädikat der Infinitivkonstruktion ersten Grades (beschreiben), näher präzisiert: Was beschreiben? Wie B wirklich war und wie sich B anfühlte. Hier war es wieder eine semantische Leerstelle, grammatisch das Subjekt zu den Prädikaten der (koordinierten) Nebensätze zweiten Grades (war und sich anfühlte), die es auf der nächsten Ebene zu präzisieren galt: Was war wie, was fühlte sich wie an? Einen Mann mit der Eigenschaft C wenige Meter vor dem wartenden Hubschrauber zu verlieren. Nun sollte auf der nächsten Ebene C präzisiert

24 Zur kompletten Analyse mit Interpretation der einzelnen Hierarchieebenen Kap. II/2.3.

grammatische und semantische Hierarchie

18 

­Hierarchie und ­Bedeutung

 Grundlagen der Grammatischen Textanalyse

werden: Es handelte sich um einen Mann mit der Eigenschaft, dass man ihm die Beine, und zwar mit ungenügender Anästhesie, amputiert hatte usw. Was wir sehen, ist, dass der Autor Leerstellen von Sachverhalten mit weiteren Sachverhalten besetzt hat, die wiederum Leerstellen für weitere Sachverhalte haben, die… Hätte Kehlmann eine andere grammatische Hierarchie oder eine andere Anordnung derselben Nebensätze und Infinitivkonstruktionen gewählt, hätte sich die Bedeutung des Textes – trotz identischer Wortwahl – geändert, z.  B. (7’) (GS2) Worte reichten nicht aus, um zu beschreiben, wie es wirklich war. Wie es sich anfühlte, einem Mann, den man wenige Meter vor dem wartenden Hubschrauber verloren hatte, die Beine, und zwar mit ungenügender Anästhesie, selbst zu amputieren. Es ist zwar u.  U. mühsam, grammatische Hierarchien zu rekonstruieren, aber ohne sie lässt sich die semantische Struktur nicht erschließen. Grammatische Hierarchien indizieren in der Regel semantische Hierarchien. Folglich stellt die Erschließung grammatischer Hierarchien einen Beitrag zur semantischen Textinterpretation dar.

2.4 Makro-, Meso- und Mikroebene der grammatischen ­Text­analyse: Textglieder, Satzglieder, Wortgruppenglieder 2.4.1 Formen, Funktionen und Werte Grundidee der Grammatischen Textanalyse

Die Grundidee des Konzepts der Grammatischen Textanalyse ist, dass sich die Architektur der Grammatik in Analogie zu einer einfachen logischen Formel beschreiben lässt (Allwood/Andersson/Dahl 1973: 8  ff.):

FunktionArgumentWert-Formel

Diese Formel besagt, dass die Anwendung einer bestimmten Funktion (= F) auf ein bestimmtes Argument (= A) einen bestimmten Wert (= W) ergibt. Argumente können beliebige Entitäten sein: Sie können real (wie z.  B. Städte oder Menschen) oder fiktiv (wie z.  B. Fabeltiere oder Romanhelden) und dabei individuell (wie z.  B. eine konkrete Stadt, ein bestimmter Mensch oder ein bestimmter Romanheld) oder generisch (wie z.  B. Tisch, Drache, Mensch oder Romanheld) sein. Wenn man ein bestimmtes Argument unter einem bestimmten Gesichtspunkt betrachtet, wenn man es in einen bestimmten Zusammenhang stellt wie z.  B. die Betrachtung einer Stadt unter dem Aspekt der Einwohnerzahl oder die Betrachtung von Pferden im Zusammenhang mit Zirkusauftritten, betrachtet man das Argument in einer bestimmten Funktion.

F (A) = W



Grammatische Grundlagen der semantischen Interpretation von Texten 

 19

Das Ergebnis sind Werte, d.  h. funktionale Einordnungen von Argumenten. Einige Beispiele:

Einwohnerzahl (Kassel) = 195.000 Grünfläche in % (Kassel) = 9% Anzahl der Köpfe (Drache X) = 7 Blutdruck (Peter Müller) = 120/80 Körpergröße (Peter Müller) = 1,80m Name (Mensch X) = Peter Müller studieren (Mensch) = Student studieren (Peter Müller) = der Student Peter Müller für Auftritte im Zirkus dressiert (Pferd) = Zirkuspferd

Entscheidend ist, dass die Argumente unabhängig von den jeweiligen Funktionen betrachtbare Entitäten sind, während die Werte nur relativ zu den Funktionen interpretierbar sind. Beispielsweise kann Peter Müller unabhängig von seinem Blutdruck oder der Körpergröße betrachtet werden, nicht jedoch der Student Peter Müller unabhängig von der Funktion des Studierens oder die Wortkette Peter Müller unabhängig von dem Aspekt, dass es sich um den Namen eines bestimmten Menschen handelt. Entscheidend ist auch, dass die Funktion-Argument-Wert-Formel rekursiv ist: Ein erster Wert als Ergebnis der ersten Anwendung der Funktion-Argument-Wert-Formel (= W1) kann in einem neuen Zusammenhang, d.  h. bei einer zweiten Anwendung der Funktion-Argument-Wert-Formel, als Argument (= A = W1) eingesetzt werden. Das Ergebnis ist dann ein zweiter Wert (= W2). Ich kann also beispielsweise Peter Müller (= A) unter dem Aspekt betrachten, dass er studiert (= F). Dann handelt es sich um den Studenten Peter Müller (= W1):

Rekursivität

Rekursivität: Beispiel

F (A) = W1

studieren (Peter Müller) = der Student Peter Müller

Ich könnte anschließend aber noch weiter fragen; z.  B. die Frage nach der Anzahl der Geschwister (= F) des Studenten Peter Müller (= A = W1) stellen. Das Ergebnis (= W2) könnte z.  B. sein, dass er drei Geschwister hat: F (A = W1) = W2

Anzahl der Geschwister (der Student Peter Müller) = 3

Gegencheck: Wenn sich die Frage nach der Anzahl der Geschwister (= F) nur auf Peter Müller (= A) und nicht auf den Studenten Peter Müller (= A = W1) bezieht, liegt keine Rekursivität vor. Es ist dann derselbe Fall wie die Betrachtung von Peter Müller unter dem Aspekt des Studierens: F (A) = W1

Anzahl der Geschwister (Peter Müller) = 3

Nicht­ rekursivität: Beispiel

20 

Relevanz der FunktionArgumentWert-Formel

 Grundlagen der Grammatischen Textanalyse

Dass die Funktion-Argument-Wert-Formel zentral für die Architektur der Grammatischen Textanalyse ist, soll in den nachfolgenden Unterkapiteln gezeigt werden. Der Nachweis, dass sich mit ihrer Hilfe zahlreiche empirische Probleme theoretisch angemessen angehen lassen, soll in allen Kapiteln des vorliegenden Buches erbracht werden. Die Grundidee des Konzepts der Grammatischen Textanalyse ist, dass die Architektur der Grammatik in Analogie zu der logischen Formel ‚F (A) = W‘, d.  h. Funktion (Argument) = Wert, zu beschreiben ist. Dabei ist die Funktion-Argument-Wert-Formel auch rekursiv anwendbar: F (A = W1) = W2.

2.4.2 Satzglieder und Wortgruppenglieder Blättert man in Wörterbüchern, fällt einem auf, dass auch Wortdefinitionen vielfach auf der Funktion-Argument-Wert-Formel basieren. Zwei Beispiele: (8)

(9) FunktionArgumentWert-Formel im Wörterbuch

Tisch […]: 1. a) Möbelstück, das aus einer waagerecht auf einer Stütze, in der Regel auf vier Beinen, ruhenden Platte besteht, an der gegessen, gearbeitet, auf die etw. gestellt, gelegt werden kann […]. (DUW 2003) ja […]: 1. a) drückt eine zustimmende Antwort auf eine Entscheidungsfrage aus: (DUW 2003)

Auf die Formel gebracht:



für Daran-Essen/-Arbeiten, Darauf-Stellen/-Legen (eine waagerecht auf einer Stütze, in der Regel auf vier Beinen, ruhende Platte) = das Möbelstück namens Tisch drückt eine zustimmende Antwort auf eine Entscheidungsfrage aus (das Sprachzeichen X) = die Partikel ja

Wir sehen, dass die jeweiligen Definienda die Werte sind. Entsprechend könnte man die Wortdefinitionen auch als Argument-Funktion-Rätsel formulieren: a) Was ist das: eine waagerecht auf einer Stütze, in der Regel auf vier Beinen, ruhende Platte, an der gegessen, gearbeitet, auf die etw. gestellt, gelegt werden kann? b) Was ist das: ein Sprachzeichen, das eine zustimmende Antwort auf eine Entscheidungsfrage ausdrückt?25

25 Nebenbei: Man sieht, dass man im ersten Fall nicht das Wort Tisch, sondern einen real existierenden Typ von Gegenstand namens Tisch definiert hat, während im Falle von ja tatsächlich das



Grammatische Grundlagen der semantischen Interpretation von Texten 

 21

Von hier aus ist es nur noch ein kleiner Schritt zu grammatischen Argument-Funktion-Rätseln:

grammatische Rätsel

Was ist das: eine Substantivgruppe im Akkusativ wie den ganzen Tag (a) in Adverbialfunktion und (b) in Objektfunktion? (10) (a) Er sitzt den ganzen Tag vor dem Fernseher. (b) Er verbringt den ganzen Tag vor dem Fernseher. Was ist das: eine Präpositionalgruppe wie auf der Startbahn (c) in Objektfunktion, (d) in Adverbialfunktion und (e) in Attributfunktion? (11) (c) Sie besteht auf der Startbahn. (d) Sie übernachten auf der Startbahn. Die Landung auf der Startbahn. (e) (Beispiele nach Eisenberg 2006/2: 40) Auflösung: Ad (10): (a) (b) Ad (11): (c) (d) (e)

Adverbial (Substantivgruppe im Akkusativ) = Temporaladverbial26 Objekt (Substantivgruppe im Akkusativ) = Akkusativobjekt Objekt (Präpositionalgruppe) = Präpositionalobjekt Adverbial (Präpositionalgruppe) = Lokaladverbial Attribut (Präpositionalgruppe) = Präpositionalattribut

Die analogische Übertragung der Funktion-Argument-Wert-Formel ergibt, dass die Argumente grammatische Formen (Substantivgruppe im Akkusativ, Präpositionalgruppe), die Funktionen grammatische Funktionen (Adverbial, Objekt, Attribut) und die Werte Satzglieder (Temporaladverbial, Akkusativobjekt, Präpositionalobjekt, Lokaladverbial) oder Wortgruppenglieder (Präpositionalattribut) sind. Die Werte liegen also auf zwei verschiedenen Ebenen, weil die grammatischen Funktionen zwei verschiedene Bezugsebenen haben: satzbezogen ((a)-(d)) und wortgruppenbezogen ((e)). Zweierlei ist also festzuhalten: (1) Satzglieder sind grammatische Werte von satzgrammatischen Funktionen wie z.  B. Objekt und Adverbial.

Sprachzeichen definiert wurde. M. a. W., die Wortdefinition Tisch identifiziert einen qua Sprachzeichen abgegrenzten Typ von Gegenstand in der außersprachlichen Wirklichkeit, die Wortdefinition ja identifiziert ein Sprachzeichen. 26 Nach der Adverbialklassifikation der vorliegenden Arbeit (Kap. III/3.1.6) handelt es sich hier um ein (temporales) Dilativadverbial. Traditionell spricht man aber von einem Temporaladverbial.

FunktionArgumentWert-Formel in der ­Grammatik

22 

 Grundlagen der Grammatischen Textanalyse

(2) Auch unterhalb der Bezugsebene der Satzglieder gibt es grammatische Werte, die Werte von wortgruppengrammatischen Funktionen wie z.  B. Attribut darstellen. Offenheit (,Ambiguität‘)

Wie wichtig aus der Sicht der semantischen Interpretation von Texten es ist, die grammatischen Bezugsebenen auseinanderzuhalten bzw. zu erkennen, zeigen Texte/ Textausschnitte, deren Pointe im bewussten oder unbeabsichtigten Offenhalten der Bezugsebenen liegt, z.  B. (12) Du fährst mit Abstand am besten. (13) So ist das Hochzeitsfest in Athen zum Politikum geworden. (FAZ, 01. 07. 1995) Der Sinn des Slogans (12) basiert auf der doppelten grammatischen Funktionalisierbarkeit der Präpositionalgruppe mit Abstand. Bezieht man die Präpositionalgruppe auf das Prädikat, aktiviert man die Adverbialfunktion. Bezieht man sie dagegen auf den Superlativ des Adjektivs gut (am besten), aktiviert man die Attributfunktion: Ad (12): (a) Adverbial (mit Abstand) = Modaladverbial (b) Attribut (mit Abstand) = Intensitätsattribut

grammatische Funktion und Kontext

Satzintern bleibt auch Beleg (13) offen. Bezieht man die Präpositionalgruppe in Athen auf das Prädikat, aktiviert man auch hier die Adverbialfunktion. Bezieht man sie dagegen auf die Substantivgruppe das Hochzeitsfest, geht es wiederum um die Attributfunktion:27 Ad (13): (a) Adverbial (in Athen) = Lokaladverbial (b) Attribut (in Athen) = Lokalattribut

grammatische FunktionArgumentWert-Formeln

Erst, wenn man den Satz im Textzusammenhang (Kontext) interpretiert, aus dem hervorgeht, dass der griechische Kronprinz Paul eine amerikanische Studentin in London geheiratet hat, wird klar, dass Analyse (a) die textangemessene ist. Folglich stellt nicht die Substantivgruppe das Hochzeitsfest in Athen, sondern die Substantivgruppe das Hochzeitsfest das Subjekt des Satzes dar. Zwischenfazit: (1)

Die analogische Übertragung der Funktion-Argument-Wert-Formel auf die Grammatik ermöglicht die Betrachtung von grammatischen Formen unter dem Aspekt ihrer jeweiligen grammatischen Funktion und ergibt folgende all­ gemeine grammatische Formel:

27 Alle Attributformeln werden noch zu präzisieren sein (Kap. I/2.5 und IV/2.2).



Grammatische Grundlagen der semantischen Interpretation von Texten 

 23



grammatische Funktion (grammatische Form) = grammatischer Wert

(2)

Satzglieder sind satzgrammatische Werte, d.  h. Anwendungen von satzgrammatischen Funktionen auf grammatische Formen:



satzgrammatische Funktion (grammatische Form) = Satzglied

(3)

Wortgruppenglieder, von denen die Schulgrammatik nur eine beschränkte Auswahl von Attributen kennt, sind wortgruppengrammatische Werte, d.  h. Anwendungen von wortgruppengrammatischen Funktionen auf grammatische Formen:



wortgruppengrammatische Funktion (grammatische Form) = Wortgruppenglied

(4)

Welche grammatischen Formen satzgrammatische und welche wortgruppengrammatische Funktionen eingehen können, muss im Einzelnen geklärt werden (Kap. III und IV). Hier gibt es einerseits deutliche Grenzen – beispielsweise kann eine Substantivgruppe im Nominativ keinen kanonischen, d.  h. nichtappositiven, attributiven Wert erhalten  –, andererseits aber auch zahlreiche Überlappungen (s. oben die Fälle (a)-(e)). Aus der ‚von oben nach unten‘-Perspektive der Grammatischen Textanalyse stellen die Wortgruppenglieder die genuinen Glieder der Mikroebene der grammatischen Analyse dar, d.  h., unterhalb dieser Ebene ist keine Bezugsebene vorhanden, die einen begrifflichen Neuansatz erfordern würde. Was da ist, ist Rekursivität, d.  h. z.  B. Attribute zweiten, dritten oder x-ten Grades. Beim aktuellen Forschungsstand stellen die Satzglieder die Mesoebene der grammatischen Analyse dar.28 Da Texte, wie erwähnt, nicht nur aus Sätzen, sondern auch aus Nichtsätzen und Kohäsionsgliedern bestehen, muss es oberhalb der Mesoebene eine weitere Bezugsebene für die Textglieder geben, die einen begrifflichen Neuansatz erfordert. Dies ist die Makroebene, auf die die Funktion-Argument-WertFormel im nächsten Kapitel übertragen werden soll.

(5)

(6) (7)

Das Konzept der Grammatischen Textanalyse basiert auf der Anwendung der Funktion-ArgumentWert-Formel ‚F (A) = W‘ auf drei Bezugsebenen: Makro-, Meso- und Mikroebene. Textglieder sind grammatische Werte auf der Makroebene, Satzglieder grammatische Werte auf der Mesoebene und Wortgruppenglieder grammatische Werte auf der Mikroebene.

28 Deshalb beim aktuellen Forschungsstand, weil als perspektivische Forschungsaufgabe auch noch die Nichtsatzglieder, die als Anwendungen von nichtsatzgrammatischen Funktionen auf grammatische Formen zu definieren sind, etabliert werden müssen (zu ersten diesbezüglichen Überlegungen s. Hennig 2009a).

Satzglied als Wert

Wortgruppen­ glied inkl. Attribut als Wert

Wert-Ebenen

24 

 Grundlagen der Grammatischen Textanalyse

2.4.3 Textglieder die fehlende (Makro-) Ebene

das begriffslogische Problem

textgrammatische Funktionen

Dass die begriffliche Basis der Satzgliedidee bisher nur nach unten  – in Richtung Wortgruppenglieder – ausgedehnt wurde, hat m.  E. folgende Ursachen: (1) Da Sätze relativ autonome grammatische Formen sind (s. unten), können sie – im Vergleich zu ihren Textvorkommen im Einzelfall erheblich vereinfacht – auch isoliert untersucht werden. Durch diese ‚Untersuchungsmethode‘ kann, wenn sie generalisiert wird, der Eindruck entstehen, dass Grammatik an der Satzgrenze endet oder dass der Textbezug fakultativ und nur pragmatisch interessant ist. (2) In einer formalgrammatischen Betrachtung ist die Extension des Untersuchungsgegenstandes der Untersuchungsgegenstand selbst. Am Beispiel einer Computeranalogie veranschaulicht: Der formale Untersuchungsgegenstand ‚Hardware‘ ist die physikalische Ausdehnung der Hardware selbst und nicht etwa die Frage, was die Hardware in Bezug auf bestimmte Softwares leistet. Dies ist eine gewissermaßen bequeme Sicht, da Formen immer leichter zu identifizieren sind als Funktionen oder Werte. (3) Der entscheidende ‚Fehler‘ liegt allerdings nicht bei den formalen, sondern bei denjenigen funktionalen Grammatikern, die das funktionalgrammatische begriffslogische Problem mit der Auffassung, dass Grammatik an der Satzgrenze endet, nicht erkannt haben. Wenn man nämlich der Ansicht ist, dass Texte (auch) aus Sätzen bestehen, dann muss man der Ansicht sein, dass dieser Textbaustein eine textgrammatische Form ist. Die formale Beschreibung von Sätzen stellt also funktional die Beschreibung eines Textgliedes dar, so wie die formale Beschreibung eines Satzgliedes funktional eben die Beschreibung eines Satzgliedes darstellt. Die begriffslogische Bezugsebene eines Satzes ist der Text, so wie die begriffslogische Bezugsebene eines Satzgliedes der Satz und eines Wortgruppenglieds die Wortgruppe ist. Halten wir fest: Die funktionalgrammatische Bezugsebene des Satzes als grammati­ scher Form ist der Text. So wie es satz- und wortgruppengrammatische Funktionen gibt, muss es demnach auch textgrammatische Funktionen geben, die es begriffslogisch zu rekonstruieren gilt. textgrammatische Funktion (grammatische Form) = Textglied Wenn man auf der Makroebene drei Typen von Textgliedern – Satz, Nichtsatz, Kohäsionsglied – annimmt, ergibt die Übertragung der Funktion-Argument-Wert-Formel auf die Textebene schematisch folgendes Bild:

TextgliedFormeln

textgrammatische Funktion A (grammatische Form) = Satz textgrammatische Funktion B (grammatische Form) = Nichtsatz textgrammatische Funktion C (grammatische Form) = Kohäsionsglied



Grammatische Grundlagen der semantischen Interpretation von Texten 

 25

Die Schwierigkeit, diese grammatischen Formeln zu interpretieren, besteht in den folgenden Punkten: (1) Während satz- und wortgruppengrammatische Funktionen zwar im Detail äußerst problematisch, aber – zumindest teilweise – etabliert sind und entsprechend auf eine mehr oder weniger lange fachliterarische Tradition zurückblicken können, wurden die durch A, B und C indizierten textgrammatischen Funktionen m. W. explizit noch nicht definiert.29 (2) Daraus folgt, dass die Übertragung der Funktion-Argument-Wert-Formel auf die Makroebene auch mit erheblichen terminologischen Problemen zu kämpfen hat. In erster Linie nicht deshalb, weil der Terminus ‚Nichtsatz‘ nur langsam Fuß fasst (s. etwa Hennig 2006) oder weil der Terminus ‚Kohäsionsglied‘ erst in der vorliegenden Arbeit eingeführt werden soll, sondern vor allem deshalb, weil der Terminus ‚Satz‘  – bezogen auf die Funktion-Argument-Wert-Formel  – notorisch zweideutig ist. Er kann sowohl die Form als auch den Wert bezeichnen, was die ‚Präzisierung‘ der obigen Formel mit dem Funktionsindex A andeuten soll:30

Satz als Form und als Wert

textgrammatische Funktion A (Satz(form)) = Satz(wert) Dass textgrammatische Funktionen noch nicht etabliert wurden, kann viele Gründe haben: Man lehnt sie theoretisch grundsätzlich ab oder man kann sich gar nicht vorstellen, was sie sein könnten und worin ihre Relevanz bestehen könnte, oder man macht ein theoretisch-methodisches Kosten-Nutzen-Kalkül, das ein Plus bei den Kosten ergibt. Der Grund, warum ich in der vorliegenden Arbeit textgrammatische Funktionen annehme, liegt in einem theoretisch-methodischen Kosten-Nutzen-Kalkül, das ein Plus beim Nutzen ergibt: (a) Es hat sich in der praktischen Textanalyse gezeigt, dass sich mit den Werten textgrammatischer Funktionen (Satz (als Wert), Nichtsatz (als Wert), Kohäsionsglied) gut arbeiten lässt; (b) Es ist theoretisch davon auszugehen, dass es da, wo es textgrammatische Werte gibt, auch textgrammatische Funktionen geben muss;

29 Die Einschränkungen ‚zumindest teilweise‘ bzw. ‚mehr oder weniger‘ beziehen sich darauf, dass unter den Wortgruppengliedern nur die Attribute etabliert sind. Die anderen Wortgruppenglieder, die in der vorliegenden Arbeit angenommen werden – Köpfe und Kerne (Kap. IV/1.2) –, sind zwar als Begriffe (mit unterschiedlichen Intensionen) etabliert, sie werden aber nicht unter dem Aspekt, dass sie grammatische Mikrowerte darstellen und somit funktional den Attributen gleichzustellen sind, diskutiert. 30 Das Problem kann im Kap. II/2 etwas entschärft (oder verschärft) werden, denn es wird sich herausstellen, dass es nicht nur prototypische Realisierungsformen von Satzwerten gibt. Ein vergleichbares Problem besteht übrigens auch beim Terminus ‚Subjekt‘. Er steht traditionell sowohl für eine abstrakte satzgrammatische Funktion als auch für konkrete Werte in konkreten Sätzen. Zum Subjektproblem s. auch Kap. III/3.1.2 und III/3.1.4.

Warum fehlen textgrammatische Funktionen?

Wozu textgrammatische Funktionen?

26 

–glied als terminologisches Marken­ zeichen für Werte

Rekonstruktion der textgrammatischen Funktionen

grammatische Grundstruktur einzelsprachlicher Sachverhalt = Szenario

autonome Kodierung

 Grundlagen der Grammatischen Textanalyse

(c) Die Anwendung der Funktion-Argument-Wert-Formel auf alle drei Ebenen führt zu einer einheitlichen und übersichtlichen Strukturierung der Grammatischen Textanalyse mit dem terminologischen Markenzeichen des Wertes als -glied: Tab. 1: Ebenen, Analyseeinheiten und Werte Ebene

Analyseeinheit

grammatischer Wert

Makroebene Mesoebene Mikroebene

Text Satz Wortgruppe

Textglied Satzglied Wortgruppenglied

Die schwierigste Aufgabe besteht darin, die drei textgrammatischen Funktionen A, B, und C (s. oben) zu rekonstruieren. Betrachten wir hierzu wiederum einen Auszug aus dem Leittext: [37] [38] [39]

Zwei Zellengenossen sind Freunde geworden. Ist das nun alles glaubwürdig? Dumme Frage.

Wie im Kap. I/2.1 erwähnt, enthalten grammatische Sätze ein einziges Hauptprädikat (= Prädikat eines einfachen Satzes oder Hauptsatzprädikat eines Satzgefüges). Außerdem haben sie eine Felderstruktur. Die Grundstruktur eines Satzes besteht syntaktisch aus dem Hauptprädikat (verbalen Valenzträger) und dessen Komplementen (Ergänzungen, Aktanten). Im Leittext-Auszug haben die Prädikate (sind Freunde geworden und Ist…glaubwürdig) jeweils nur ein Komplement (Subjekt): Zwei Zellengenossen und das…alles. Semantisch stellt ein Satz einen qua Prädikat entworfenen und qua Prädikat und Komplementen realisierten einzelsprachlichen Sachverhalt dar, den ich in Anlehnung an Fischer (2003: 28  ff.) Szenario nennen möchte (zur Grundstruktur und zum Szenariobegriff Kap. I/3.2). Im Textauszug kommen das Freunde-werden- und das Glaubwürdig-sein-Szenario vor. Grammatische Sätze sind also syntaktisch  – qua Grundstruktur und Felderbesetzung  – und semantisch  – qua Szenario  – relativ autonom. Sie sind  – trotz der bekannten Definitionsschwierigkeiten – relativ eindeutig identifizierbar.31 Dies ist ein deutliches Indiz für ihre textgrammatische Funktion, die mit Hilfe der analogischen Übertragung des Konzepts der autonomen Kodierung (IDS-Grammatik 1997/2: 1039  f.) erfasst werden soll: Unter autonom kodierenden Ausdrücken (= +Autokod) versteht die IDS-Grammatik Ausdrücke, die relativ unabhängig von ihrer grammatischen Umgebung dieselbe 31 Diesen „Gegensatz von Identifizierbarkeit und Definierbarkeit“ nennt Forsgren (1992: 3) „das heuristische Paradoxon“.



Grammatische Grundlagen der semantischen Interpretation von Texten 

 27

satzsemantische Information kodieren, z.  B. die Präpositionalgruppe für viel Geld in den folgenden Sätzen (ebd.: 1040): (14) Ich arbeite nur für viel Geld. (15) Ich erhalte wenig Leistung für viel Geld. Die satzsemantische Information lasse sich in beiden Fällen mit ‚im Gegenzug zu/als Gegenleistung zu/im Austausch gegen‘ umschreiben (ebd.). Überträgt man dieses Konzept auf die textgrammatische Funktion von Sätzen, lässt sich sagen, dass die Funktion von Sätzen als grammatischen Formen die Kodie­ rung der relativen grammatischen Autonomie dieser Formen im Text (= +Textautokod) ist:

Satz als autonom kodierendes Textglied

+Textautokod (Formen von grammatischen Sätzen) = Satz Diese Autonomie ist relativ, (a) weil Kohäsionsglieder nicht nur zwischen Sätzen, sondern auch satzintegriert vorkommen (s. das Kohäsionsglied nun in [38])32 und (b) weil Sätze auch deiktische und phorische Elemente enthalten können, die Beziehungen zu benachbarten Textsequenzen herstellen, z.  B. (16)



[…] Für viele Mittel und manche Wirkungen der Kunst fehlt mir eigentlich das richtige Verständnis. Ich muß dies sagen, um mir eine nachsichtige Beurteilung meines Versuches zu sichern. (Freud Moses: 172)

Hier zeigt das Akkusativobjekt dies des zweiten grammatischen Satzes auf den ersten grammatischen Satz und dessen Szenario (Anadeixis). Nichtsätze wie Dumme Frage oben enthalten kein Hauptprädikat, haben keine Felderstruktur und entwerfen per definitionem kein prädikatsinduziertes Szenario. Semantisch sind sie eher impressionistischen Gemälden ähnlich, weshalb ihr semantisches Potenzial – analog zu Szenario – mit dem Kunstwort Impressio belegt werden soll. Entsprechend ihrem aktuellen fachliterarischen Negativstatus (‚kein Satz‘) soll ihre Funktion pauschal als die Kodierung der fehlenden relativen grammatischen Auto­ nomie dieser Formen im Text (= -Textautokod) bestimmt werden:33 -Textautokod (Formen von Nichtsätzen) = Nichtsatz

32 Das Kohäsionsglied nun ist zwar ein ‚Glied im Satz‘, aber kein Satzglied (zur Unterscheidung Kap. I/3.1). 33 Die Betonung liegt auf pauschal. Denn Nichtsätze bilden weder formal noch funktional eine homogene Gruppe. Die obige Formel bildet also weniger die empirische Realität als viel mehr den Forschungsstand ab. Im Kap. II/3.3 wird der Versuch einer möglichst präzisen Bestimmung von ‚Textautokod‘ unternommen.

Nichtsatz als kein autonom kodierendes Textglied

28 

Kohäsionsglied als kohäsionsstiftendes Textglied

 Grundlagen der Grammatischen Textanalyse

Da die Beschreibung der Kohäsionsmittel in der Textgrammatik etabliert ist (s. etwa Duden 2005: 1072  ff.), dürfte die Annahme von Kohäsionsgliedern relativ unproblematisch sein. Die Funktion der diversen Formen von Kohäsionsgliedern (Kap. II/4) soll einfach ‚Textkohäsiv‘ genannt werden:34 Textkohäsiv (Formen von Kohäsionsgliedern) = Kohäsionsglied In den folgenden abschließenden Belegen kommen alle Typen von Textgliedern vor:35 (17) „Herrschaften, nichts für ungut, aber ich bleibe hier. […]“ (Kästner 35. Mai: 124) (18) Wohin mit dem Geld? Raus damit! Etwas Besseres als negative Zinsen konnte uns gar nicht passieren. Oder? (FAZ, 08. 02. 2015) Textglieder sind Sätze, Nichtsätze und Kohäsionsglieder. Sie stellen grammatische Werte auf der Makro­ebene dar.

2.4.4 Syntagmatische und paradigmatische Werte Grammatische Formen sind nicht immer eindeutig, vgl. (19) (a) Er verbringt den ganzen Tag vor dem Fernseher. (b) Er verbringt die ganze Woche/das ganze Wochenende vor dem Fernseher. Direktkasus

Während die Substantivgruppe den ganzen Tag eindeutig im Akkusativ steht, sind die feminine Substantivgruppe die ganze Woche und die neutrale Substantivgruppe das ganze Wochenende weder nominativisch noch akkusativisch, sondern gewissermaßen beides zugleich: Sie sind offen für nominativische und akkusativische Kontexte. Comrie (1991: 44) spricht hier vom Direktkasus (s. auch Thieroff 2000).36

34 Die Kapitel 2.4.1 bis 2.4.3 stellen einen ersten Versuch dar, mit Hilfe der Funktion-Argument-WertFormel einen (deszendenten) Drei-Ebenen-Ansatz grammatischer Funktionen anzudeuten. Dabei wurde theoretische Präzision auf dem Altar einer relativ einfachen Handhabung der Funktion-Argument-Wert-Formel geopfert. Eine elaborierte Drei-Ebenen-Theorie grammatischer Funktionen, die hier nicht geleistet werden kann, würde teils andere, teils präzisere Funktion-Argument-Wert-Formeln erforderlich machen. Ein Beispiel: Eine valenztheoretische Option, den Subjektwert zu rekonstruieren, wäre: »Komplement (Substantivgruppe im Nominativ) = Nominativsubjekt«. Zur Valenz und zum Komplementbegriff Kap. I/3.2 und III/1.3.1. 35 Herrschaften ist ein sog. Vokativ/Anredenominativ. 36 Ich spreche also vom Direktkasus nur, wenn Nominativ und Akkusativ formal zusammenfallen. Der Terminus wird auch anders gebraucht.



Grammatische Grundlagen der semantischen Interpretation von Texten 

 29

Im Gegenwartsdeutschen gibt es bei femininen und neutralen Substantivgruppen im Singular und bei Substantivgruppen im Plural syntagmatisch keinen Unterschied mehr zwischen Nominativ und Akkusativ. Entsprechend zeigt die Anwendung der Funktion-Argument-Wert-Formel unterschiedliche syntagmatische Werte: Ad (19):

syntagmatischer Wert

(a) Objekt (Substantivgruppe im Akkusativ) = Akkusativobjekt (b) Objekt (Substantivgruppe im Direktkasus) = Direktes Objekt

Wie man an den Beispielen sieht, lassen sich allerdings die formal unterschiedlichen Substantivgruppen den ganzen Tag bzw. die ganze Woche und das ganze Wochenende im selben sprachlichen Kontext gegeneinander austauschen (Ersatzprobe), d.  h. sie haben denselben paradigmatischen Wert:

paradigmatischer Wert

Ad (19): (a+b) Objekt (Substantivgruppe im Akkusativ/Direktkasus) = Akkusativobjekt37 In Grammatiken wird, sofern diese eine Satzgliedtheorie enthalten, naturgemäß mit paradigmatischen Werten gearbeitet. Die vorliegende Arbeit schlägt tendenziell denselben Weg ein. Bei konkreten grammatischen Textanalysen wird sich jedoch immer wieder zeigen, dass man beide Werte braucht (z.  B. Kap. III/3.1.2). Es sollte ausdrücklich betont werden, dass paradigmatische Werte wie ‚Subjekt‘, ‚Akkusativobjekt‘, ‚Dativobjekt‘ etwas anderes bedeuten als die syntagmatischen Werte ‚Subjekt‘, ‚Akkusativobjekt‘, ‚Dativobjekt‘ usw. Hier liegt eine unglückliche terminologische Zweideutigkeit vor, die mitunter zu solchen Aussagen verleitet, dass das Subjekt im Nominativ, das Akkusativobjekt im Akkusativ, das Dativobjekt im Dativ usw. stehe. Diese Aussagen können nur syntagmatisch stimmig sein und nur in den Fällen, wo (a) die grammatische Form überhaupt eine Substantivgruppe ist und (b) wo deren Kasus eindeutig ist. In allen anderen Fällen stellen ‚Subjekt‘, ‚Akkusativobjekt‘, ‚Dativobjekt‘ usw. rein paradigmatische Werte dar, z.  B. (20) Bücher sind spannend. (21) Sie liest Bücher. (22) Peter war von Anfang an klar, dass Maria mitkommen würde. (23) Maria gefiel die Gärtnerei. Ob die Substantivgruppe im Direktkasus Bücher Subjekt oder Akkusativobjekt ist, lässt sich in den Beispielen (20) und (21) nur paradigmatisch feststellen. Noch mehr Uniformität als die Flexion von Gattungsnamen zeigt die „Sparflexion“ der Eigennamen (Nübling 2005: 38  f.). Formal sind die Substantivgruppen Peter bzw. Maria

37 Der paradigmatische Wert wird in der Germanistik traditionell ‚Akkusativobjekt‘ genannt, könnte aber auch – wie in der Sprachtypologie – ‚Direktes Objekt‘ heißen. Am besten wäre ein dritter, neutraler Terminus, der beides umfasst, den es aber nicht gibt.

terminologische Gefahr

30 

 Grundlagen der Grammatischen Textanalyse

Nichtgenitive, d.  h., sie können in nominativischen, akkusativischen und dativischen Kontexten eingesetzt werden. Paradigmatisch sind sie in (22) und (23) Dativobjekte. Schließlich hat der dass-Nebensatz naturgemäß keinen Kasus, stellt aber paradigmatisch das Subjekt des Satzes dar. Der Unterschied zwischen syntagmatischen und paradigmatischen grammatischen Werten ist empirisch wie theoretisch relevant. Obwohl Text-, Satz- und Wortgruppenglieder als paradigmatische grammatische Werte aufgefasst werden, sind sie bei konkreten grammatischen Textanalysen immer wieder auf ihre syntagmatischen Werte zu beziehen.

2.4.5 Wortart, Ausdrucksart vs. Textglied, Satzglied und Wortgruppenglied

(Sub-) Wortart und ­Argument

Aus der Sicht einer grammatischen Textanalyse, die auf der ‚Berechnung‘ der grammatischen Werte ‚Textglied‘, ‚Satzglied‘ und ‚Wortgruppenglied‘ basiert, stellen (Sub-) Wortarten (= Wortarten und Subklassen von Wortarten) grammatische Formen, d.  h. potenzielle Argumente in der Funktion-Argument-Wert-Formel, dar. Ein Wort kann alleine oder als Bestandteil einer Wortgruppe das Argument bilden: (24) Er verbringt ja den ganzen Tag vor dem Fernseher. Hier funktioniert die Abtönungspartikel ja allein als Argument, während die Artikelform den, die Adjektivform ganzen und die Substantivform als Bestandteile der Substantivgruppe den ganzen Tag das Argument bilden: Ad (24):

Textkohäsiv (Abtönungspartikel ja) = (abtönendes) Kohäsionsglied Objekt (Substantivgruppe im Akkusativ den ganzen Tag) = Akkusativobjekt

Rekonstruk­ tion des Wortartenproblems

Wortarten als Primärformen

Dass (Sub-)Wortarten aus der Sicht der ‚Berechnung‘ der grammatischen Werte ‚Textglied‘, ‚Satzglied‘ und ‚Wortgruppenglied‘ grammatische Formen darstellen, heißt allerdings nicht, dass sie notwendigerweise Primärformen, d.  h. genuine grammatische Formen sind. (Sub-)Wortarten lassen sich danach unterscheiden, ob sie prototypischerweise (a) Primärformen oder (b) bereits grammatische Werte darstellen. Verben, Substantive, Adjektive und Adverbien sind prototypischerweise Primärformen, die man daran erkennt, dass man sie in der Regel auch isoliert, d.  h. ohne Textzusammenhang, aus dem ihre grammatische Funktion hervorgehen könnte, identifizieren kann. Man kann also durchaus sinnvoll die Fragen stellen, ob laufen ein Verb, Tisch ein Substantiv, freundlich ein Adjektiv oder hier ein Adverb ist.38

38 Die Einschränkung ‚prototypischerweise‘ ist notwendig, weil es in Einzelfällen (z.  B. ernst/Ernst) schwierig sein dürfte, eine Primärform zu bestimmen. Auch bei verbalen Infinitiven, die restlos nominalisiert werden können (z.  B. laufen/Laufen), könnte man argumentieren, dass es keine Primärform gibt.



Grammatische Grundlagen der semantischen Interpretation von Texten 

 31

Dagegen wären vom Textzusammenhang isolierte Fragen wie z.  B. „Ist ja eine Abtönungspartikel?“, „Ist sein ein Kopulaverb?“ oder „Ist d(-er/ie/as) ein Relativpronomen?“ sinnlos, da Abtönungspartikel, Kopulaverb und Relativpronomen bereits grammatische Werte darstellen. Man vergleiche z.  B. (25) (26)

Wortarten als Primärwerte

Komm rein, du bist ja schon fast erfroren. Habt ihr die Türen ausgehoben? Ja, sagte Conny, fast alle. (beide Belege: Timm Sommer: 109)

Die Anwendung der grammatischen Formel auf die beiden ja-Vorkommen ergibt folgendes Bild: F (A) = W1 Ad (25): Ad (26):

Abtönungsfunktion (ja) = Abtönungspartikel Antwortfunktion (ja) = Antwortpartikel

Da die grammatische Formel rekursiv ist (Kap. I/2.4.1), d.  h., da u.  U. auch ein primärer grammatischer Wert als Argument in einer weiteren Funktion-Argument-WertFormel eingesetzt werden kann, können diese grammatischen Werte als Sekundärfor­ men refunktionalisiert werden:

Wortarten als Sekundär­ formen ­(Rekursivität)

F (A = W1) = W2 Ad (25): Ad (26):

Textkohäsiv (Abtönungspartikel ja) = Kohäsionsglied Textkohäsiv (Antwortpartikel ja) = Kohäsionsglied

Was für die (Sub-)Wortarten gilt, gilt auch für die sog. Ausdrucksarten (Hennig/Buchwald-Wargenau 2010), die ‚Arten‘ von kompositionell nicht prädiktablen Wortverbindungen sind und deren grammatische Werte zu denen der (Sub-)Wortarten analog sind, vgl. den Originalbeleg (27) mit dem Adverbausdruck hin und wieder mit (27’), in dem hin und wieder durch das Adverb manchmal ersetzt wurde:39

39 Das Konzept von Mathilde Hennig und Isabel Buchwald-Wargenau basiert auf dem im Rahmen seiner Theorie der Commensense-Kompetenz erarbeiteten Ausdrucksbegriff von Helmuth Feilke (1994, 1996 und 1998).

Ausdrucksarten

32 

 Grundlagen der Grammatischen Textanalyse

Ihr Schnellimbiß stand wirklich an einer windigen Ecke. Die Plastikbahne war dort, wo sie am Stand festgezurrt war, eingerissen, und (Adverb- hin und wieder , bei stärkeren Böen, kippte eine der großen Plastik-Eistüten um. ausdruck) (Timm Currywurst: 11, zit. n. Hennig/Buchwald-Wargenau 2010: 9) (27’) Ihr Schnellimbiß stand wirklich an einer windigen Ecke. Die Plastikbahne war dort, wo sie am Stand festgezurrt war, eingerissen, und (Ad- manchmal verb), bei stärkeren Böen, kippte eine der großen Plastik-Eistüten um.

(27)

„Hin und wieder lässt sich ersetzen durch manchmal, verhält sich also wie ein temporales Adverb. Diese Bedeutung ergibt sich nicht aus den Bestandteilen ‚Lokaladverb + Konjunktor + temporales Adverb‘. Folglich können nicht die Bestandteile dieser Wortverbindung in die kompositionale Analyse des Satzes eingehen, sondern nur die Wortverbindung als solche.“ (Hennig/Buchwald-Wargenau 2010: 10) Die Anwendung der grammatischen Formel auf Ausdrucksarten erfolgt analog zu der auf (Sub-)Wortarten. Am Beispiel des Temporaladverbausdrucks hin und wieder im dritten grammatischen Satz: Ad (27): Adverbial (Temporaladverbausdruck hin und wieder) = Temporaladverbial Ausdrücke als Primär­ formen

Fazit

die ‚von unten nach oben‘Aporien

Wie erwähnt, lassen sich (Sub-)Wortarten danach unterscheiden, ob sie (a) Primärformen oder (b) grammatische Werte (= potenzielle Sekundärformen) darstellen. Da Ausdrücke per definitionem kompositionell nicht prädiktable Wortverbindungen sind, müssen sie als Primärformen eingeordnet werden. In der Tat ist die Frage, ob hin und wieder ein Adverbausdruck ist, auch isoliert, ohne Textzusammenhang, sinnvoll. Dasselbe gilt für „Präpositionalausdrücke“ wie auf der Basis, in Anbetracht, im Falle oder für den „Gradierungsausdruck“ nicht einmal (s. Hennig/Buchwald-Wargenau (2010: 18).40 Fazit: (Sub-)Wortarten bzw. (Sub-)Ausdrucksarten können unmittelbar oder mittelbar – als Bestandteile von Wortgruppen – als grammatische Formen von Textgliedern, Satzgliedern und Wortgruppengliedern fungieren. Dabei gibt es zwei Typen von (Sub-)Wortarten: (Sub-)Wortarten, die als Primärformen, und solche, die als Sekundärformen (= als grammatische Formen refunktionalisierte grammatische Werte) von Textgliedern, Satzgliedern und Wortgruppengliedern fungieren. (Sub-)Ausdrucksarten stellen per definitionem Primärformen dar. Die Betrachtung von Wort- und Ausdrucksarten aus der Perspektive der Grammatischen Textanalyse steht diametral zur schulgrammatischen Betrachtung, wo man

40 Ob dies auf alle Beispiele in Hennig/Buchwald-Wargenau 2010 zutrifft, scheint mir fraglich. Etwa im Falle der Subjunktionsausdrücke gerade als und erst als dürfte eine kompositionale Analyse ‚Fokuspartikel + Subjunktor‘ möglich sein. Somit wäre hier der Subjunktionsausdruck ein Sekundärwert, der aber per definitionem ausgeschlossen sein müsste.



Grammatische Grundlagen der semantischen Interpretation von Texten 

 33

‚von unten nach oben‘, von den Wortarten zu den Satzgliedern, vorgeht. Die schulgrammatische Methode mündet notwendigerweise in zwei Aporien: Die erste ist, dass zwar – wenigstens gefühlt – alle Sprachzeichen einer (Sub-) Wortart zugeordnet werden können, aber nicht alle Sprachzeichen(gruppen), die in Sätzen vorkommen, einem Satzglied (oder Gliedteil). Man vergleiche erneut (25)

[…] du bist ja schon fast erfroren.

In einer Satzgliedanalyse müssten ja alle Sprachzeichen eines Satzes restlos einem Satzglied zugeordnet werden können. Dies geht aber beim Sprachzeichen ja nicht, das zwar als (Sub-)Wortart (Abtönungspartikel) identifiziert, aber keinem Satzglied zugeordnet werden kann. ‚Abtönungspartikel‘ ist also ein Beispiel für eine (Sub-) Wortart, deren Analyse auf der Wortartenebene ‚stecken bleibt‘.41 Dies widerspricht allerdings dem Kriterium der Restlosigkeit einer funktionalen Satzanalyse, nach dem allen grammatischen Formen in einem Satz Werte zuzuweisen sind.42 Die ‚von unten nach oben‘-Perspektive, nach der der Weg von den Wortarten zu den Satzgliedern direkt beschritten werden soll, steht nun – nach der Einführung des Konzepts der Ausdrucksarten – auch noch vor einer zweiten Aporie. Man vergleiche hierzu wieder (27)

[…] hin und wieder, bei stärkeren Böen, kippte eine der großen Plastik-Eistüten um.

Nach einer Wortartenanalyse würde ja die Wortverbindung hin und wieder aus drei Wörtern, die den (Sub-)Wortarten ‚Lokaladverb‘, ‚Konjunktor‘ und ‚Temporaladverb‘ zuzuordnen wären, bestehen. Als Satzglied wäre hin und wieder ein Temporaladverbial. Hier wäre also die Herstellung eines Zusammenhangs zwischen Wortarten- und Satzgliedebene, die das eigentliche Anliegen der Schulgrammatik sein müsste, wenn sie nun mal mit diesen Ebenen arbeitet, schlicht unmöglich. Ohne die ‚Zwischenebene‘ der Ausdrucksarten lässt sich hier kein Zusammenhang zwischen formaler und funktionaler Betrachtung herstellen. Aus der ‚von oben nach unten‘-Perspektive der Grammatischen Textanalyse stellen (Sub-)Wortarten und (Sub-)Ausdrucksarten unmittelbar oder mittelbar einsetzbare grammatische Primär- oder Sekundärformen von Text-, Satz- und Wortgruppengliedern dar. Die schulgrammatische ‚von unten nach oben‘-Perspektive von den Wortarten zu den Satzgliedern mündet dagegen in zwei Aporien, die den

41 Dies ist bei Weitem nicht der einzige Verlust einer ‚von unten nach oben‘-Satzanalyse (Kap. II/2.4.3). 42 Aus der Sicht der Grammatischen Textanalyse erweist sich der Anspruch auf Restlosigkeit als einlösbar, da in Sätzen (als Formen) nicht nur Mesoglieder und Mikroglieder, sondern auch Makroglieder (Kohäsionsglieder) vorkommen können. ‚Glieder in Sätzen‘ sind also nicht gleich Satzglieder, Kap. I/3.1.

grammatische Verluste ‚von unten nach oben‘

Kriterium der Restlosigkeit der Satzanalyse ohne Ausdrucksart geht es nicht

34 

 Grundlagen der Grammatischen Textanalyse

Weg nicht nur einer funktionalgrammatischen Textanalyse, sondern auch zu einer adäquaten schulgrammatischen Analyse, d.  h. der Herstellung eines Zusammenhangs zwischen Wortarten- und Satzgliedebene, versperren.

2.5 Semantische Transparenz durch grammatische Ökonomie: recycelte Makro- und Mesoglieder Im Zusammenhang mit dem Beleg (28) So ist das Hochzeitsfest in Athen zum Politikum geworden. (FAZ, 01. 07. 1995) wurde im Kap. I/2.4.2 festgestellt, dass die Präpositionalgruppe in Athen aufgrund des Textzusammenhangs – da das Hochzeitsfest in London stattfand – zwar als Lokaladverbial zu interpretieren ist, dass aber rein strukturell – ohne Kontext – theoretisch auch eine attributive Interpretation möglich wäre. Durch Permutation (Umstellungs-/Verschiebeprobe) lässt sich auch ohne weiteren Kontext Eindeutigkeit erzielen und das Lokaladverbial vom Lokalattribut strukturell unterscheiden: (28) (a) (b) ebenentransparente Werte

Da das Lokaladverbial ein Satzglied, das Lokalattribut dagegen ein Wortgruppenglied ist, haben wir es einerseits mit grammatischen Werten auf verschiedenen Ebenen – Meso- vs. Mikroebene – zu tun. Andererseits zeigt die Ersatzprobe, dass die Paradigmenbildung des Adverbials und des Attributs parallel verläuft: (28) (a‘) (b‘)

Rekursivität

Das Hochzeitsfest ist so (Lokal- in Athen adverbial) zum Politikum geworden. Das Hochzeitsfest (Lokal- in Athen attribut) ist so zum Politikum geworden.

Das Hochzeitsfest ist so (Lokal- dort/in jener Stadt adverbial) zum Politikum geworden. Das Hochzeitsfest (Lokal- dort/in jener Stadt attribut) ist so zum Politikum geworden.

Diesem funktionalen Zusammenhang zwischen Meso- und Mikroebene kann Rechnung getragen werden, indem die auf dem Prinzip der Rekursivität (Kap. I/2.4.1) basierende Unterscheidung zwischen Primär- und Sekundärformen (Kap. I/2.4.5) angewandt wird. Wie erwähnt, lässt sich nämlich ein grammatischer Wert auch als Argument einer Funktion einsetzen, d.  h. als Sekundärform refunktionalisieren:43

43 Die Ebenen-Parallelen, die hier thematisiert werden, sind sehr wohl bekannt, vgl. etwa den Begriff der „adverbialen attributiven Bestimmungen“ in älteren Auflagen der Duden-Grammatik (z.  B.



Grammatische Grundlagen der semantischen Interpretation von Texten 

 35

F (A) = W1 Ad (28a):

Adverbial (in Athen) = Lokaladverbial in Athen

F (A = W1) = W2 Ad (28b): Attribut (Lokaladverbial in Athen) = Lokal(adverbial)attribut in Athen Man sieht, dass der Einsatz eines primären  – genuinen  – grammatischen Wertes (=  Lokaladverbial) der Ebene X (= Mesoebene) als Sekundärform zu einem sekun­ dären – funktional ‚degradierten‘ – grammatischen Wert (= Lokalattribut) auf Ebene X-1 (= Mikroebene) führt. Rekursivität zwischen funktionalgrammatischen Ebenen nenne ich Recycling.44 Durch grammatisches Recycling, das gewiss einen Ökonomiefaktor darstellt, entsteht semantische Transparenz zwischen verschiedenen funktionalgrammatischen Ebenen. Grammatisches Recycling durchzieht alle Ebenen: 1. Makroglieder bzw. Textsequenzen/Texte können als Mesoglieder recycelt werden; 2. Makroglieder bzw. Textsequenzen/Texte können als Mikroglieder recycelt werden; 3. Mesoglieder können als Mikroglieder recycelt werden.

Recycling

RecyclingTypen

Das obige Beispiel war Typ 3: Ein Satzglied wurde als Wortgruppenglied recycelt. Das nächste Beispiel, das Typ 1 illustrieren soll, ist der zweite Satz des Leittextes: [5] Hannes sagt: (Akkusativobjekt- »Bald wird etwas geschehen.« text) Der Text der direkten Rede (Zitat) steht in paradigmatischer Beziehung zu folgenden Formen des Akkusativobjekts: [5] [a] Hannes sagt, (Akkusativobjekt- dass bald etwas geschehen wird nebensatz). [b] Hannes sagt, (Akkusativobjekt- bald wird etwas geschehen hauptsatz). [c] Hannes sagt (nominales seine Meinung Akkusativobjekt).

Duden 1998: 667), den der „AAB-Konstruktion“ in Schierholz 2001 oder eben Klaus Welkes einschlägige Überlegungen (Welke 2011: 260). Auf das Problem kommen wir im Kap. IV/2.2 zu sprechen. 44 Das Recycling-Konzept der Grammatischen Textanalyse lehnt sich an Lucien Tesnières Translationstheorie (Tesnière 1976: 359  ff.) an. Besonders wichtig ist dabei seine Theorie der Translation zweiten Grades („translation du second degré“) (Tesnière 1976: 543  ff. und 1980: 334  ff.). Auf die Translation zweiten Grades und deren Verhältnis zu Recycling wird im Kap. IV/1.2 genauer einzugehen sein.

Formen des Akkusativ­ objekts

36 

genuines Satzglied

 Grundlagen der Grammatischen Textanalyse

Die genuine Form eines Akkusativobjekts ist eine Substantivgruppe im Akkusativ (oder Direktkasus), der entsprechende Wert ‚nominales Akkusativobjekt‘:45 F (A) = W1 Ad [5c]: Objekt (Substantivgruppe im Akkusativ) = nominales Akkusativobjekt

recyceltes Satzglied

Die anderen Formen sind genuine Makroglieder (Satz, Nichtsatz) oder Textsequenzen/Texte, die ihre Primärwerte (= W1) auf der Makroebene (bekommen) haben und auf der Mesoebene als Objekte recycelt werden:46 F (A = W1) = W2 Ad [5]: Ad [5a–b]:

Nichtsatz zu Satzglied

Objekt (Textsequenz) = Akkusativobjekttext Objekt (Satz) = Akkusativobjektnebensatz-/hauptsatz47

Ein Beispiel für einen Nichtsatz (aha Blumen), der als Satzglied recycelt wird, enthält das folgende Gedicht:48 (29) […] der mann sagt (Akkusativobjekt- aha blumen text) damit die frau nicht (Prädikat sagt zweiten Grades) warum streng ich mich an (Akkusativobjekttext du merkst ja doch nicht ob es schön ist zweiten Grades) […] (Katrine von Hutten [ohne Titel] in: bundesdeutsch 133) F (A = W1) = W2

45 Das ist die Theorievariante, die sich an die schulgrammatische Tradition hält und die gerade bei Verba Dicendi als Prädikaten nicht einleuchtet. Eine andere Möglichkeit wird im Kap. III/3.1.5 (Anm. 149) andiskutiert. 46 Die Sekundärwerte sind natürlich als paradigmatische Werte zu verstehen. Textsequenz und Satz sind ja keine kasusbestimmten Formen. 47 Ob ein Satz auf der Mesoebene als (eingeleiteter oder uneingeleiteter) Nebensatz, Hauptsatz (sog. „abhängiger Hauptsatz“, s. Auer 1998) oder als Infinitivkonstruktion realisiert wird, ist ein spezifisches Problem, das nicht Recycling als grammatische Grundtechnik, sondern dessen konkrete, mitunter lexemspezifische Bedingungen betrifft. 48 Der Wert müsste eigentlich ‚Akkusativobjektnichtsatz‘ heißen. Um unnötige terminologische Komplikationen zu vermeiden, sollen alle Typen von recycelten Textsequenzen ‚-text‘ heißen.



Grammatische Grundlagen der semantischen Interpretation von Texten 

Ad (29):

 37

Objekt (Nichtsatz aha Blumen) = Akkusativobjekttext

Typ 2 können wir ebenfalls mit dem Leittext illustrieren: [18] [Hannes] führt ihn zum Landesbühnen-Bus, (Attribut- in dem es sich bereits ein gutes Dutzend der sogenannten Insassen halbwegs bequem gemacht hat nebensatz).

recyceltes Attribut

Hier wird auf das Makroglied ‚Satz‘ als Sekundärform die Attributfunktion angewandt. Das Ergebnis ist ein Sekundärwert auf der Mikroebene, nämlich ‚Attribut­ nebensatz‘: F (A = W1) = W2 Ad [18]:

Attribut (Satz) = Attributnebensatz

So wie beim Typ 1 können auch beim Typ 2 Textsequenzen/Texte als Mikroglieder refunktionalisiert werden, z.  B. [5d]

Text zu Attribut

Hannes’ Wahlspruch (Attribut- »Bald wird etwas geschehen.« text) löst allgemeine Verwunderung aus.

Hier funktioniert die Textsequenz aus dem Originaltext als Attribut zu Wahlspruch: F (A = W1) = W2 Ad [5d]:

Attribut (Textsequenz) = Attributtext

Grammatisches Recycling hat eine klare textsemantische Funktion: Analoge semantische Werte wie z.  B. Lokalität (in Athen), Szenario (Bald wird etwas geschehen) oder eben direkte Redewiedergabe (»Bald wird etwas geschehen.«) werden vertikal – hierarchisch  – durch die funktionalen Ebenen grammatisch ‚durchgereicht‘, um eben die semantische Analogie transparent zu machen. Es wäre nicht nur unökonomisch, sondern auch asemantisch, für semantisch analoge Werte ganz unterschiedliche grammatische Strukturen einzusetzen. Dass dabei bestimmte formale Anpassungen an die jeweilige Funktionsebene – s. etwa den dass-Nebensatz in [5a] oder den Relativnebensatz in [18] – notwendig sein können, ist selbstverständlich, schließlich stellt etwa ein dass-Nebensatz eine prototypische Form für semantische Einbettung, ein Relativnebensatz eine prototypische Form für semantischen Zusatz dar, was auch formal indiziert wird.49 49 Wie erwähnt (Anm.  7) sind Einbettungen Szenarios (‚Aussagen‘), die in die Bezugsstellen (Argumente) anderer Szenarios eingebettet sind (Polenz 2008: 232  ff.). Zusätze  – wie in [18] der Relativ(neben)satz in dem es sich bereits ein gutes Dutzend der sogenannten Insassen halbwegs

semantische Transparenz

38 

Primat der Textebene

 Grundlagen der Grammatischen Textanalyse

Vorsichtshalber sollte abschließend erwähnt werden, dass ‚Sekundärwert‘ ein rein funktionaler Begriff ist, mit dem von oben nach unten gerichtete grammatisch-semantische Zusammenhänge zwischen den drei funktionalen Ebenen erfasst werden sollen. Mögliche Formen von Sekundärwerten wie der dass-Nebensatz oder der Relativnebensatz sind also keine lokalen Transformationen der Form des Makrogliedes ‚Satz‘, sondern stellen genuine, längst grammatikalisierte Formen dar, die sich eben funktional als Sekundärwerte spezialisiert haben. Die Begriffe ‚Primärwert‘ und ‚Sekundärwert‘ spiegeln den Primat der Textebene bzw. die grundsätzliche Ausrichtung der grammatischen Hierarchie von oben nach unten wider. Es sind eben nicht die Attribute, die als Satzglieder oder als Sätze, nicht die Subjekt- oder Objektnebensätze, die als Sätze, und schon gar nicht die Zitate (direkte Rede), die als Texte refunktionalisiert werden. Makroglieder (Satz, Nichtsatz), Textsequenzen/Texte und Mesoglieder können rekursiv, d.  h. als Sekundärformen, auf niedrigeren funktionalen Ebenen (als Satzglieder oder als Attribute), refunktionalisiert werden. Rekursivität zwischen funktionalgrammatischen Ebenen wird Recycling genannt. Durch grammatisches Recycling entsteht semantische Transparenz zwischen den drei funktionalgrammatischen Ebenen.

3 Grundlagen der Satzgliedanalyse 3.1 Satzglieder vs. Glieder im Satz Betrachten wir zwei bereits zitierte Textauszüge mit je einem Kohäsionsglied: (30) Er steht in einem der kleinen Häuser am Fenster und schaut hinaus. vs. [37] Zwei Zellengenossen sind Freunde geworden. [38] Ist das nun alles glaubwürdig? [39] Dumme Frage. Textglied im Satz

Der strukturelle Unterschied zwischen den beiden Kohäsionsgliedern besteht darin, dass sich und außerhalb der Sätze, die es verbindet, befindet, während nun, das einen kleineren Textabschnitt mit dem Ist-glaubwürdig-Satz verbindet, in letzteren integriert ist. Kohäsionsglieder können also außerhalb, aber auch innerhalb von Sätzen vorkommen. Deshalb ist es notwendig, einen Unterschied zu machen zwischen Satz­ gliedern, die Einheiten der Mesoebene sind, und Gliedern in Sätzen, die außer Satzgliedern auch Kohäsionsglieder sein können. Satzglieder befinden sich immer im bequem gemacht hat – stellen dagegen ergänzende Szenarios zu Bezugsstellen – wie in [18] die Substantivgruppe (zu)m Landesbühnen-Bus – dar (Polenz 2008: 258  ff.).



Grundlagen der Satzgliedanalyse 

 39

Satz und gehören als Werte von satzgrammatischen Funktionen auch funktional der Mesoebene an. Kohäsionsglieder können sich im Satz befinden, gehören jedoch funktional der Makroebene an.50 Nicht alle Glieder, die sich in Sätzen befinden, sind Satzglieder. In Sätzen können Satzglieder, die funktional der Mesoebene angehören, aber auch Kohäsionsglieder, die funktional der Makroebene angehören, vorkommen. In Sätzen, die selber Textglieder sind, gibt es somit mitunter auch andere Textglieder (Kohäsionsglieder).

3.2 Szenario, Valenz und Grundstruktur Wie angedeutet (Kap. I/1), sollte man methodisch zwischen außersprachlichen Situationen und einzelsprachlichen Sachverhalten unterscheiden (Welke 2005: 96). Letztere werden in der vorliegenden Arbeit in Anlehnung an Klaus Fischer Szena­ rios genannt (Kap. I/2.4.3).51 Eine Situation ist der perspektivisch neutrale – und daher realiter nicht existente, sondern lediglich konstruierte – gemeinsame Nenner für alternative einzelsprachliche Szenarios. Grammatisch indiziert werden in Texten nur Letztere: (31) (a) Man heftet dir ihr Kreuz auch noch an die Brust. (b1) […] ihr Kreuz kriegst du auch noch an die Brust geheftet […]. (Böll Dienstfahrt: 75) (b2) Ihr Kreuz wird dir auch noch an die Brust geheftet […].

Situation vs. Szenario

Die drei Szenarios – das Heften-, das Geheftet-kriegen- und das Geheftet-werden-Szenario  – stellen drei verschiedene Perspektivierungen derselben Situation dar. Je nachdem, welche semantische Rolle das Subjekt indiziert, wird die Situation aus der Perspektive des Handlungsträgers (Man, Aktivsatz) oder aus der von zwei verschiedenen Vorgangsträgern (du, Dativpassivsatz; Kreuz, Akkusativpassivsatz) dargestellt.52

grammatische Szenarios

50 Logischerweise können Wortgruppenglieder, die funktional ja der Mikroebene angehören, nur in Sätzen und Nichtsätzen vorkommen. 51 „Propositionaler Gehalt / Aussagegehalt“ (Polenz 2008: 101  ff.) ist im Gegensatz zum Szenario ein denotativ-semantisches Konzept. 52 Denotativ-semantisch sind die Sätze qua jeweiliger (denotativ-)semantischen Rolle des Subjekts Agens-zentrierend, Patiens-zentrierend bzw. Rezipienten-zentrierend (Ágel 1997). Die signifikativsemantische Terminologie, die das Szenario-Konzept voraussetzt und die auch oben angewandt wurde, ist zugegebenermaßen schwerfällig und noch nicht ausgearbeitet. Man muss aber irgendwie deutlich machen, dass etwa das Dativobjekt im Aktivsatz (Rezipient) einen anderen semantischen Wert hat als das Subjekt des Dativpassivsatzes (eine Art Vorgangsträger) oder das Subjekt des Akkusativpassivsatzes (eine andere Art von Vorgangsträger). Ich werde auf die Termini ‚Agens‘,

40 

lexikalische Szenarios

 Grundlagen der Grammatischen Textanalyse

Szenarios sind aber keineswegs an den Wechsel grammatischer Kategorien wie Aktiv zu Passiv gebunden. Jedes Verb entwirft bereits im Aktiv ein eigenes Szenario, was besonders deutlich wird, wenn man verbale Synonyme, d.  h. potenzielle Prädikatsalternativen im Text, miteinander vergleicht. Betrachtet man beispielsweise die möglichen Szenierungen der ‚Lügen-Situation‘ in der gegenwärtigen deutschen Standardsprache, kommen nach Storrer (1992: 289) mindestens die Verben lügen, schwin­ deln, belügen, anlügen und vorlügen in Betracht. Zentriert ist bei all diesen Verben die Szenario-Rolle des Lügners. Bei lügen und schwindeln bleibt es aber auch dabei, denn bei diesen Verben gehört weder der Belogene noch die Lüge zum Szenario: (32) (33) (34)

*Peter lügt/schwindelt mir. *Peter lügt/schwindelt, dass er das Geld zurückgezahlt hat. *Peter lügt/schwindelt mir, dass er das Geld zurückgezahlt hat.

Anders bei belügen, anlügen und vorlügen, die auch den Belogenen mitszenieren: (35) (36) (37)

Peter belügt sie. Peter lügt sie an. Peter lügt ihr vor, dass er joggen war.

Was die Szenario-Rolle der Lüge anbelangt, wird diese nur von vorlügen mitszeniert. Die Verben belügen und anlügen lassen sie nicht zu: (35’) *Peter belügt sie/ihr, dass er joggen war. (36’) *Peter lügt sie/ihr an, dass er joggen war. Tesnières DramaMetapher

Das Szenario-Konzept geht auf die berühmte Drama-Metapher von Lucien Tesnière (1976: 102), dem Begründer der Valenztheorie und Dependenzgrammatik, zurück.53 In der deutschen Übersetzung von Ulrich Engel lautet sie wie folgt (Tesnière 1980: 93): Der verbale Nexus, der bei den meisten europäischen Sprachen im Zentrum steht, läßt sich mit einem kleinen Drama vergleichen. Wie das Drama umfaßt er notwendig ein Geschehen und meist auch noch Akteure und Umstände. […] Wechselt man aus der Wirklichkeit des Dramas auf die Ebene der strukturalen Syntax über, so entspricht dem Geschehen das Verb, den Akteuren die Aktanten und den Umständen die Angaben.

‚Patiens‘ und ‚Rezipient‘ nicht verzichten, sie aber nur als signifikativ-semantische Rollen in Bezug auf Handlungen verwenden. Was den strukturellen Status von Aktiv und Passiv anbelangt: Aktiv und Passiv stehen in keiner Ableitungsbeziehung (Transformation) zueinander, sie stellen „kompositional unterschiedliche eigene Konstruktionstypen“ dar (Zifonun 1992: 257). Nichtabgeleitetheit und Markiertheit sind also gleichermaßen charakteristisch für das Passiv (Leiss 1992: 132  ff.). Mehr dazu im Kap. III/1.3.3. 53 Überblickt werden  – ausgehend von Tesnières Leistung  – die letzten 50  Jahre der Valenz- und Dependenzforschung in Ágel/Fischer 2010 und 2010a, vgl. auch Fischer 2013: 104  ff. Zu Details s. Handbuch ‚Dependenz und Valenz‘ 2003 und 2006.



Grundlagen der Satzgliedanalyse 

 41

Der Entwurf eines Szenarios („Drama“), den ich Szenierung nenne, ist die Aufgabe des verbalen Valenzträgers (Verb bei Tesnière), also des Prädikats. Treffend – und nahe an der hier verwendeten Terminologie – wurde dies von Hans Jürgen Heringer (1984: 49) wie folgt ausgedrückt: Ein einzelnes Verb ist […] im Zusammenhang eines Skripts und im Zusammenhang einer Szene zu sehen. Die Zentralität des V[erbs] besteht in dieser organisierenden Kraft. Ein Verb, das ist so, wie wenn man im dunklen Raum das Licht anknipst. Mit einem Schlag ist eine Szene da.54

Zum Drama, zu dem auf einmal lichtdurchfluteten Raum gehören auch Akteure, ohne die das Geschehen nur ein Entwurf bleiben würde. Auf der sprachlichen Ebene sind dies die Komplemente (Aktanten, Ergänzungen). Sie vervollständigen, eben komplementieren, das Szenario.55 Was als Komplement zum Szenario gehört, entscheidet die Valenz des Verbs, auf der das Komplementierungspotenzial des Prädikats in erster Linie beruht. So werden das Lügen- und das Schwindeln-Szenario lediglich durch das Subjekt, das Belügen- und das Anlügen-Szenario zusätzlich durch das Akkusativobjekt komplementiert, während das Vorlügen-Szenario über Subjekt und Akkusativobjekt hinaus auch noch eine Leerstelle für das Dativobjekt enthält. M. a. W., lügen und schwindeln eröffnen lediglich eine Valenzstelle für das Subjekt, belügen und anlügen zusätzlich eine für das Akkusativobjekt und vorlügen gar drei Valenzstellen für Subjekt, Akkusativ- und Dativobjekt.56 Die Grundstruktur eines aktuellen Satzes, die in der Regel die maximale, an den aktuellen Textzusammenhang angepasste, Valenzrealisierung des prädikatsstiftenden Verbs darstellt, besteht aus dem Hauptprädikat und dessen im aktuellen Textzusammenhang realisierten Komplementen.57 Grammatische Grundstrukturen sind

54 Ein Skript ist nach Heringer (1984: 48) „die Darstellung einer Standardfolge von Ereignissen oder Handlungen […].“ Sein Begriff der Szene scheint allerdings nicht ganz dem Szenariobegriff zu entsprechen, sondern er stellt eher eine Art mentaler Repräsentation/Konstruktion der Situation dar. Denn nach Heringer ist die Perspektivierung nicht in der Szene – sein Beispiel ist die „Kaufszene“ – enthalten, sondern der Sprecher wähle mit der Wahl eines bestimmten Verbs eine bestimmte Perspektive aus, aus der er die Szene, die demnach wohl ‚vorperspektivisch‘ ist, darstellt (Heringer 1984: 52). Jede Verbwahl stelle eine „Inszenierung“ (ebd.: 53), also eine Perspektivierung der Szene, dar. 55 Ausgenommen sind reine – komplementlose – Geschehen-Szenarios wie z.  B. das Es-regnet-Szenario. 56 Mehr zur Valenz Kap. III/1.3.1. 57 Die Einschränkung ‚in der Regel‘ bezieht sich auf diejenigen Typen von dynamisch genannten Prädikaten, die nicht oder nicht nur verbvalenzbasiert sind (Kap. I/3.5 und Kap. III/2.2). Unter einer maximalen, an den aktuellen Textzusammenhang angepassten Valenzprojektion ist zu verstehen, dass die aktuelle Szenierung je nach Textzusammenhang auch die Nichtrealisierung von Komplementen erforderlich machen kann: Das Verb entwirft zwar das komplette Szenario, in der grammatischen Grundstruktur erscheinen jedoch nicht alle Komplemente. Beispielsweise enthält ein Töten-Szenario auch die semantische Rolle des Getöteten, aber im fünften Gebot wird die Akkusativobjektstelle nicht realisiert. Die maximale Valenzprojektion des Töten-Szenarios im fünften Gebot

Valenz, ­Komplemente

Grundstruktur als Valenz­ realisierungs­ muster

42 

 Grundlagen der Grammatischen Textanalyse

also in der Regel Valenzrealisierungsmuster (Ágel 2004), d.  h. valenzbasierte Kasusrahmen/Satzmodelle/Satzbaupläne (Ickler 1990, Welke 1994a, Vuillaume 2003), die Ad-hoc- oder konventionalisierte Szenarios indizieren.58 Das Potenzial an aktuellen Szenierungsalternativen hängt primär von den im konkreten Textzusammenhang angemessenen Valenzrealisierungsmöglichkeiten ab.59 Die (einzelsprachliche grammatische) Grundstruktur indiziert ein (einzelsprachliches semantisches) Szenario. Sie besteht aus dem Prädikat, d.  h. dem Satzgliedtyp, der für die Szenierung verantwortlich ist, und den Komplementen (Ergänzungen), d.  h. dem Subtyp von Satzgliedern (im engeren Sinne), der für die Szenariokomplementierung verantwortlich ist. Die systemischen Wahlmöglichkeiten zwischen grammatischen Grundstrukturen sind primär valenzgesteuert. Die aktuelle Wahl zwischen grammatischen Grundstrukturen ist textgesteuert.

3.3 Erweiterungen der Grundstruktur Im folgenden Beleg ist die Grundstruktur durch das Prädikat kam und die Komplemente sie (Subjekt) und aus der Küche (Direktivum) repräsentiert: (38)

Überraschenderweise  kam sie, als er jetzt »Maria« rief, aus der Küche, mit umgebundener Schürze […]. (Böll Dienstfahrt: 75)

ist also die Realisierung der Subjektstelle. Dadurch entsteht eine intendierte Spannung/Asymmetrie zwischen Szenarioentwurf qua Verb und aktueller Komplementierung: Das Verb töten szeniert zwar potenziell die semantische Rolle des Getöteten, aber die Rolle wird im aktuellen Textzusammenhang grammatisch bewusst nicht indiziert, sie bleibt unbestimmt (indefinit) präsupponiert (Sæbø 2003). Dadurch gerät automatisch die Verbalhandlung als solche (und nicht deren Patiens-Gerichtetheit) in den Satzfokus (mehr dazu Kap. I/3.5 und III/2.2.2). 58 Ob im Falle von Satzbauplänen vom Primat der Verbvalenz (im valenztheoretischen Sinne) oder vom Primat der jeweiligen Argument-Konstruktion (im konstruktionsgrammatischen Sinne) auszugehen ist, dürfte empirisch kaum entscheidbar sein. „Nonsense word“-Experimente wie etwa der Satz She topamased him something, bei dem man mehrheitlich to give assoziiert (Goldberg 1992: 54), sprechen weder für den Primat noch für die Unabhängigkeit der Argument-Konstruktion, aber auch nicht dagegen. Deshalb scheint mir der richtige Weg der von Klaus Welke zu sein, der erstmals in einer Monographie versucht hat, Valenztheorie und Konstruktionsgrammatik systematisch zu integrieren (Welke 2011). Semiologisch hat die Valenztheorie allerdings den deutlichen Vorteil, dass sie von ‚klassischen‘ bilateralen Zeichen ausgeht, deren soziale Zirkulation im Saussure’schen Sinne (Anm. 13) qua ‚klassischer‘ Formseite gesichert ist. 59 Angelika Storrer (1992: 281  ff.) spricht von der Wahl „eines valenzgeeigneten Verbs“ aus einem Set „bezeichnungsgeeigneter Verben“ (wie etwa der Verben der ‚Lügen-Situation‘).



Grundlagen der Satzgliedanalyse 

 43

Es handelt sich also um ein Aus-der-Küche-kommen-Szenario, das vom Verb kommen szeniert und von den Satzgliedern sie bzw. aus der Küche komplementiert wird.60 Zum Verb und zu seinen Komplementen kommen die Supplemente („Angaben“ im Tesnière-Zitat, Kap. I/3.2) als er jetzt »Maria« rief (Temporaladverbial) und mit umgebundener Schürze (Freies Prädikativ) hinzu. Diese haben die Funktion, das Szenario zu kontextualisieren. Als Szenariokontextualisierer benennen sie die „Umstände“ des „Dramas“ (Tesnière-Zitat, Kap. I/3.2). Typische ‚Umstandsangaben‘ sind Adverbiale. Sie bilden zusammen mit den Freien Prädikativen die Satzgliedklasse der Supplemente (Kap. III/3.1.6). Übrig bleibt noch das sog. Kommentaradverb überraschenderweise.61 Dieses drückt keinen „Umstand“ des „Dramas“ aus, sondern kommentiert es aus der Perspektive des externen Beobachters, des Textproduzenten. Der Kommentar erfolgt also  – im Gegensatz zur Kontextualisierung  – aus einer szenarioexternen Perspektive, weshalb die Szenariokommentierung eine grundsätzlich andere Form der Grundstrukturerweiterung darstellt als die Szenariokontextualisierung. Dementsprechend werden Kommentarglieder, wie kommentierende Satzglieder in der vorliegenden Arbeit genannt werden, als dritter Satzgliedtyp (im weiteren Sinne) neben Prädikat und Satzgliedern (im engeren Sinne) behandelt.62 Kommentarglieder werden durch Rahmung visualisiert. Bevor im nächsten Kapitel ein (visualisiertes) Zwischenfazit gezogen wird, müssen wir noch kurz auf die Supplemente zurückkommen. Es gibt nämlich zwei grundverschiedene Möglichkeiten der Szenariokontextualisierung: (39a)

Obwohl sie keine Lust hatte, ihn zu sehen adverbial), kam sie überraschen(Konzessivderweise, (Temporal- sofort adverbial), aus der Küche.

60 Die ausführlichste Benennungsvariante des Szenarios wäre Sie-kommt-aus-der-Küche-Szenario, die sparsamste Variante Kommen-Szenario. Egal, wie man ein Szenario benennt, es besteht immer aus dem szenierenden Prädikat und den szenariokomplementierenden semantischen Rollen. 61 Zu „Kommentaradverb“ und „Kommentaradverbial“ s. Duden 2016: 598  f. und 794. 62 In Valenztheorien und Dependenzgrammatiken wurden lange Zeit die Supplemente (Angaben) „als Komplementärklassen zu den Ergänzungen“ (Eroms 2000: 215) angesehen. Eine konsequente Unterteilung der Angaben in „Satzadverbien (Modalwörter)“ und „verbbezogene Angaben“, die im Großen und Ganzen der Unterscheidung zwischen Szenariokommentierern und Szenariokontextualisierern entspricht, findet sich in der Dependenzgrammatik von Hans-Werner Eroms (2000: 222  ff.). Mit dem Kommentarglied-Konzept (inkl. Terminus) der Grammatischen Textanalyse, das Eingang in die Grammatische Terminologie (http://www.grammatischeterminologie.de) fand (Ossner 2012, Hennig 2012) setzt sich Karin Pittner (2014) auseinander. Auf ihre Kritik gehe ich im Kap. III/4.2 ein. Interessanterweise hat die neue Duden-Grammatik den Terminus ‚Kommentarglied‘ als terminologische Alternative zu ‚Kommentaradverbial‘ bereits aufgenommen: „Man spricht hier von Kommentaradverbialien, Kommentargliedern oder Satzadverbialien: […].“ (Duden 2016: 794, Fettdruck im Original)

Supplemente

Kommentarglieder

Situativ- und Verhältnis­ adverbial

44 

Verhältnis­ adverbial

Einerseits wird hier das Aus-der-Küche-kommen-Szenario kontextualisiert, indem es  – hier: temporal  – situiert wird. Andererseits wird es kontextualisiert, indem es zu einem anderen Szenario  – hier: zu dem Keine-Lust-haben-Szenario  – in eine bestimmte inhaltliche – hier: konzessive – Beziehung gesetzt wird. Das Temporaladverbial stellt ein Beispiel für ein Situativadverbial, das Konzessivadverbial eines für ein Verhältnisadverbial dar (s. Pittner 1999 und Musan 2008: 63). (Verhältnisadverbiale werden grau hinterlegt. Situativadverbiale werden gekennzeichnet, aber nicht farblich hinterlegt.) Der Subjunktor eines Verhältnisadverbials – hier: obwohl – hat die satzsemantische Funktion, zwei Szenarios miteinander zu verknüpfen und dabei durch Unterordnung des Verhältnisadverbials zu signalisieren, welches der beiden Szenarios das andere kontextualisiert.63 Es ist immer das grammatisch (durch Nebensatz oder Infinitivkonstruktion) untergeordnete Szenario, das das Hauptsatz-Szenario kontextualisiert (und nicht umgekehrt). Vertauscht man die Hauptsatz/Nebensatz-Realisierung der beiden Szenarios, entsteht ein umgekehrtes Szenario-Verhältnis:64 (39b)

Situierung vs. Anszenierung

 Grundlagen der Grammatischen Textanalyse

Obwohl sie überraschenderweise sofort aus der Küche kam hatte sie keine Lust, ihn zu sehen. (Konzessiv-

,

adverbial)

Hier geht es um ein Keine-Lust-haben-Szenario, das durch das Aus-der-Küchekommen-Szenario kontextualisiert wird. Was in (39a) kontextualisierendes Szenario war, wurde also in (39b) zum kontextualisierten Szenario und umgekehrt. Terminologisch sollen die beiden Subtypen von Supplementen wie folgt unterschieden werden: Situativadverbiale (und Freie Prädikative) werden situierende Supplemente genannt, weil sie ein Szenario situierend kontextualisieren. Verhältnisadverbiale werden szenische Supplemente genannt, weil sie ein Szenario szenierend – durch ein anderes Szenario – kontextualisieren. Als Kurzterminus für ‚szenierende Kontextualisierung‘ schlage ich Anszenierung, für das (das Szenario des Hauptprädikats) kontextualisierende Szenario Anszenario vor (zu den beiden Subtypen von Supplementen Kap. III/3.1.6).

63 Neben ‚Einbettung‘ und ‚Zusatz‘ (Anm.  7 und 49) stellt in der Satzsemantik von Peter von Polenz die ‚Verknüpfung‘ die dritte Möglichkeit dar, Szenarios zueinander in Beziehung zu setzen (Polenz 2008: 265  ff.). Ausführlicher Kap. II/4.3. 64 Hier wird sofort nicht mehr als Temporaladverbial indiziert, weil es nur noch ein Temporaladverbial zweiten Grades ist, also ein Adverbial, das das Nebensatz-Szenario kontextualisiert.



Grundlagen der Satzgliedanalyse 

 45

Es gibt grundsätzlich zwei Möglichkeiten, die Grundstruktur zu erweitern: intern, durch Szenariokontextualisierung, und extern, durch Szenariokommentierung. Der Satzgliedtyp (im weiteren Sinne), der für die Szenariokommentierung verantwortlich ist, ist das Kommentarglied. Der Subtyp von Satzgliedern (im engeren Sinne), der für die Szenariokontextualisierung verantwortlich ist, ist das Supplement (Angabe). Supplemente haben je nachdem, ob sie situierend oder szenierend kontextualisieren, zwei Unterklassen: Situativadverbiale und Verhältnisadverbiale. Szenierende Kontextualisierung heißt Anszenierung, das (das Szenario des Hauptprädikats) kontextualisierende Szenario heißt Anszenario.

3.4 Zwischenfazit: Prädikat, Satzglieder, Kommentarglieder Das Ergebnis des Versuchs, Valenztheorie und traditionelle Satzgliedanalyse im Rahmen der Grammatischen Textanalyse zu integrieren (Kap. I/3.2–3.3), ist eine Satzstruktur, die den Satzinhalt in der Art von konzentrischen Kreisen indiziert: Satzstruktur und Satz­ inhalt

Abb. 2: Satzstruktur und Satzinhalt

Im Mittelpunkt steht als Satzgliedtyp Nr. 1 das Prädikat (verbaler Valenzträger), das ein Szenario entwirft. Komplemente (Ergänzungen), die zusammen mit den Supplementen (Angaben) den Satzgliedtyp Nr. 2, die Satzglieder im engeren Sinne, bilden, komplettieren das Szenario (Die-Frau-arbeitet-Szenario).

Prädikat und Satzglieder im engeren Sinne

46 

Kommentarglieder

Satzglieder im weiteren Sinne (­ Mesoglieder)

 Grundlagen der Grammatischen Textanalyse

Situierend kontextualisieren  – abhängig vom aktuellen Textzusammenhang  – situierende Supplemente das Szenario: temporal (ständig) und/oder modal (schnell) und/oder lokal (in Kassel). Ein ‚nacktes‘ (Die-Frau-arbeitet) oder situierend kontextualisiertes Szenario (z.  B. (Die-Frau-arbeitet) in-Kassel) kann wiederum anszeniert, d.  h. durch szenische Supplemente weiter kontextualisiert werden (z.  B. ((DieFrau-arbeitet) in-Kassel) Obwohl-sie-in-Fulda-lebt). Schließlich sorgen als Satzgliedtyp Nr.  3 die Kommentarglieder dafür, dass ‚nackte‘ oder situierend und/oder szenierend kontextualisierte Szenarios aus einer externen Perspektive kommentiert werden (z.  B. (((Die-Frau-arbeitet) in-Kassel) Obwohl-sie-in-Fulda-lebt) überraschenderweise). Die drei Satzgliedtypen ‚Prädikat‘, ‚Satzglieder im engeren Sinne‘ und ‚Kommentarglieder‘ werden zusammenfassend Mesoglieder oder Satzglieder im weiteren Sinne genannt. Bedenkt man, dass in Sätzen nicht nur Satzglieder im weiteren Sinne, sondern auch Kohäsionsglieder vorkommen können, lässt sich das Gesamtergebnis der Diskussion (Kap. I/3.1–3) wie folgt visualisieren:

Abb. 3: Satzglieder und Glieder im Satz

Die Satzstruktur ist doppelt auf die semantische Textinterpretation abgestimmt. Einerseits indiziert sie durch eine präzise grammatische Ordnung von Typen und Subtypen von Satzgliedern im weiteren Sinne (Mesogliedern) deren szenariospezifischen semantischen Beitrag. Andererseits nimmt sie auch Kohäsionsglieder auf, die als satzinterne Textglieder (Makroglieder) das semantisch relativ autonome Textglied ‚Satz‘ an den Text anschließen.



Grundlagen der Satzgliedanalyse 

 47

3.5 Statische und dynamische Sätze, Satzglieder, semantische Rollen Die aktuelle Grundstruktur eines Satzes stellt ein Valenzrealisierungsmuster dar: Sie besteht aus dem Hauptprädikat und dessen im aktuellen Textzusammenhang realisierten Komplementen (Kap. I/3.2). Jedes Valenzrealisierungsmuster basiert auf der virtuellen und konventionalisierten, im Lexikoneintrag des prädikatsstiftenden Verbs festgehaltenen Grundvalenz (s. etwa Welke 2011: 167  ff. und Welke 2015).65 Wenn die Grundvalenz 1:1 realisiert wird, wenn also das potenzielle, in der Verbvalenz angelegte Szenario ohne Abwandlung, ohne Umszenierung, aktualisiert wird, entstehen statische Sätze mit statischer Valenz(realisierung): (40a) Du sollst Ameisen nicht töten. (41a) Emil baut ein Haus. (Beispiel nach Welke 2011: 170) Wenn dagegen die Grundvalenz nicht 1:1 realisiert wird, wenn also das potenzielle, in der Verbvalenz angelegte Szenario abgewandelt, umszeniert wird, entstehen dyna­ mische Sätze mit dynamischer Valenz(realisierung).66 Valenzdynamik kann dabei „Abweichungen [von der Grundvalenz, VÁ] nach unten (die bisherigen fakultativen Ergänzungen), aber auch nach oben“ (Welke 2011: 168; s. auch Fischer 2003: 28  ff.) bedeuten, d.  h. Valenzreduktion oder Valenzerhöhung:67

Szenierung, Valenzstatik, statischer Satz

Umszenierung, Valenzdynamik, dynamischer Satz

(40b) Du sollst nicht töten. (41b) Emil baut ein Haus auf den Hügel. (Beispiel nach Welke 2011: 170) In (40b) zeigt die Nichtrealisierung des Akkusativobjekts von töten (Valenzreduktion) die Umszenierung an. Es liegt im Gegensatz zum Ameisen-töten-Szenario ein ‚reines‘ Töten-Szenario vor. Die Nichtrealisierung des Akkusativobjekts dynamisiert das statische Prädikat (Grundvalenzträger), der Satzfokus liegt auf der Verbalhandlung (Anm. 57). In (41b) zeigt dagegen die in der statischen Valenz (Grundvalenz) nicht vorgesehene Realisierung eines Direktivums (Valenzerhöhung) die Umszenierung an. Der

65 Das Konzept der Grundvalenz wird im Kap. III/1.3.3 präzisiert. 66 Zur Idee einer statischen vs. dynamischen Valenz vgl. Sadziński 1989: 81  ff. 67 Diese Termini haben sich in der Valenztheorie eingebürgert. Gemeint ist die Reduktion bzw. Erhöhung der Anzahl der realisierten Komplemente im Vergleich zur Grundvalenz. Valenzreduktion und -erhöhung lässt sich als Valenzänderung zusammenfassen, die mit oder ohne Valenzträgeränderung einhergeht. Zu Typen und Formen der Prädikatsdynamik Kap. III/3.2.2.

Valenz­ reduktion

Valenz­ erhöhung

48 

dynamische Prädikate und Satzglieder

Änderung des statischen Prädikats kategoriale Änderung

 Grundlagen der Grammatischen Textanalyse

Satzfokus verschiebt sich von bauen auf auf-den-Hügel-bauen. Es ist kein EinHaus-bauen-, sondern ein Ein-Haus-auf-den-Hügel-bauen-Szenario.68 In dynamischen Sätzen wie (40b) und (41b) wird das jeweilige statische Prädikat durch Valenzreduktion oder -erhöhung dynamisiert. Zusätzlich wird im Falle der Valenzerhöhung die Umszenierung durch ein Satzglied angezeigt, das in der statischen Valenz nicht vorgesehen ist. Prädikate und Satzglieder (im engeren Sinne), die eine Umszenierung anzeigen, nenne ich dynamische Prädikate und Satzglieder. Dynamische Prädikate und Satzglieder sind in der vorliegenden Arbeit türkis hervorgehoben. Umszenierung kann nicht nur durch Valenzreduktion und  -erhöhung, sondern auch durch Abwandlung des Grundvalenzträgers, d.  h. durch Änderung des statischen Prädikats, erfolgen. Trivialerweise ist dies bei kategorialer Abwandlung, etwa in Passivsätzen der Fall (Beispiele aus Kap. I/3.2):69 (31) (a) Man heftet dir ihr Kreuz auch noch an die Brust. (b1) […] ihr Kreuz kriegst du auch noch an die Brust geheftet […]. (Böll Dienstfahrt: 75) (b2) Ihr Kreuz wird dir auch noch an die Brust geheftet […].

Funktion-Argument-WertFormel

Hier werden  – im Sinne der Funktion-Argument-Wert-Formel  – auf die statische Valenz des aktivischen statischen Prädikats heften (= Argument) die grammatischen Kategorien ‚Dativpassiv‘ (mit dem Hilfsverb kriegen) bzw. ‚Akkusativpassiv‘ (mit dem Hilfsverb werden) (= Funktionen) angewandt. Hieraus resultieren die (kategorial) dynamischen Prädikate geheftet kriegen bzw. geheftet werden (= Werte): Ad (31b1):

Dativpassivkriegen (Prädikatstat heften) = Prädikatdyn geheftet kriegen Ad (31b2): Akkusativpassivwerden (Prädikatstat heften) = Prädikatdyn geheftet werden

konstruktionelle (nichtkategoriale) Änderung

In anderen Fällen wiederum ändert sich die grammatische Kategorie (Flexionskategorie) des statischen Prädikats nicht, wenn es dynamisiert wird: (42) (a) Er schob das Fahrrad. (b) […] und [er] schob das Fahrrad schräg den wulstigen Deich hinauf. (Lenz Deutschstunde: 10)

68 Der hier verwendete Begriff der Umszenierung stellt eine Art Oberbegriff für szenarioerhaltende Valenzerhöhung und für szenarioverändernde Valenzerhöhung/Reduktion (Fischer 2003: 28  ff.) dar. 69 Hier sind nicht nur die Prädikate dynamisch, sondern auch die Subjekte, die Vorgangsträger sind (Anm. 52).



Grundlagen der Satzgliedanalyse 

 49

(43) (a) Hanna heiratete. (b) Hanna arbeitete als deutsche Sprecherin bei BBC. […] Herr Piper verdankt ihr sein Leben, scheint mir; Hanna heiratete ihn aus einem Lager heraus […]. (Frisch Homo: 176) Wir konzentrieren uns auf die Prädikate schob hinauf und heiratete heraus. Dass sie dynamisch sind, zeigt sich u.  a. darin, dass sich ihr Umfang im Vergleich zu dem des jeweiligen statischen Prädikats (schob bzw. heiratete) verändert hat. Beide Belege zeigen des Weiteren, dass das Konzept der dynamischen Satzglieder hilfreich sein kann, um grammatische oder semantische Probleme zu lösen, die im Rahmen einer statischen Satzanalyse nicht lösbar sind. In beiden Fällen geht es darum, dass die Adverbien (hinauf, heraus), die (als Verbpartikeln) Bestandteile der dynamischen Prädikate (geworden) sind, selber Komplemente ‚mitgebracht‘ haben, die nicht zu den Szenarios der statischen Prädikate (schieben, heiraten) gehören: das zweite Akkusativobjekt (den wulstigen Deich) und das Direktivum (aus einem Lager). Dabei entsteht im Falle von (43b) eine resultative Lesart (‚mittels Heiraten retten/herausholen‘), die sich aus dem statischen Prädikat nicht herleiten ließe.70 Im Falle von (42b) entsteht zwar kein semantisches Problem (da die Lesart nicht resultativ wird), aber der Satz enthält plötzlich zwei Akkusativobjekte. Der sog. doppelte Akkusativ, d.  h. Verben mit (angeblich) zwei Akkusativobjekten, stellt allerdings im Gegenwartsdeutschen eine absolute Randerscheinung dar, denn es kommt lediglich mit den Verben abfragen, abhören, lehren, kosten, fragen und bitten vor. Der doppelte Akkusativ beim Typus (42b) ließe sich auf der Basis der statischen Valenzen dieser Verben allerdings nicht erklären.71 Dies ist allerdings ein Widerspruch. Denn dasselbe Satzglied darf in demselben statischen Satz nur einmal vorkommen. Schließlich setzt erfolgreiche Verständigung voraus, dass Szenariobeteiligte grammatisch einmalig kodiert werden, da es sonst unmöglich wäre, qua grammatischer Grundstruktur die semantische Grundstruktur zu identifizieren. Dieses Prinzip, dass ein Satzglied nur einmal in einem statischen Satz vorkommen kann, nenne ich das Einmaleins der Satzgliedlehre. (mehr dazu Kap. III/3.1.4) Der Widerspruch des doppelten Akkusativs beim Typus (42b) lässt sich nur valenzdynamisch auflösen: Auf die statische Valenz des statischen Prädikats schie­

70 Analogisch gewirkt haben könnten hier die Verben retten (etwa jmdn. aus den Flammen retten) und entfernen (jmdn. aus dem Haus entfernen). Warum auch das Akkusativobjekt von herausheiraten dynamisch ist, kann hier nicht erörtert werden. Zur Herleitung von Resultativprädikaten Kap. III/.3.2.3. 71 Das dynamische Prädikat arbeitete als deutsche Sprecherin wird in Kap. III/.3.2.2 theoretisch eingeordnet. Zur Beschreibung des sog. doppelten Akkusativs Kap. III/3.1.3. Zu dynamischen Satzgliedern Kap. III/.1.4.3 und insbesondere Kap. III/.3.2.2–3.

Valenzstatik reicht nicht

Einmaleins der Satzgliedlehre

FunktionArgumentWert-Formel

50 

 Grundlagen der Grammatischen Textanalyse

ben (= Argument) wird die Konstruktion ‚Verbpartikel hinauf + Substantivgruppeakk‘ (= Funktion) angewandt. Das Ergebnis ist das (konstruktionell) dynamische Prädikat hinaufschieben (= Wert), dessen dynamische Valenz auch das zweite Akkusativobjekt enthält: Ad (42): Vprt hinauf + NGrakk (Prädikatstat schieben) = Prädikatdyn hinaufschieben Kreativität und Routine

Statik/ Dynamik, Kreativität/ Routine

Dynamik­ formel

Wie man sieht, liegt Valenzdynamik quer zu der theoretisch hoch brisanten und interessanten Achse zwischen sprachlicher Routine und sprachlicher Kreativität. Ich verstehe Routine und Kreativität in Anlehnung an Stein (1995: 108  ff.) als komplementäre strukturelle Optionen, die sich kurz mit den Stichworten ‚Aufgabenbewältigen‘ vs. ‚Problemlösen‘ charakterisieren lassen. Während statische Sätze per definitionem Routine-Sätze sind, können mit dynamischen Sätzen sowohl Aufgaben bewältigt (Routine, konventionelle Bildungen) als auch Probleme gelöst werden (Kreativität, Innovation, Ad-hoc-Bildungen). Während das fünfte Gebot oder die Passivsätze (31b1) und (31b2) durchaus konventionelle Bildungen darstellen, ist (43b) eine Ad-hoc-Bildung. Die allgemeine Formel der Valenzdynamik, die Routine- wie kreative Bildungen beinhaltet, lässt sich sowohl valenz- als auch prädikatsbezogen formulieren:72 valenzbezogen: prädikatsbezogen:

Struktur

Struktur A (Valenzstat B) = Valenzdyn AB Struktur A (Prädikatstat B) = Prädikatdyn AB

Der Begriff der Struktur wird hier bewusst weit gefasst und offen gehalten. Darunter werden sowohl Strukturen als Ergebnisse von Regelanwendungen als auch Strukturen, die nicht jederzeit neu gebildet werden müssen, sondern als Muster/Modelle abrufbar sind, subsumiert. Ein solches grammatisches Fertiggericht ist z.  B. das Struk­ turmodell des Spaltsatzes (Cleft-Satzes) ‚es ist/war X + Relativnebensatz‘:73

72 Vgl. hierzu den Begriff der strukturellen Valenz(realisierung) (Ágel 2000: 215  ff.). Die „Frage nach den Formen und Typen der grammatischen Realisierung der Valenz in verschiedenen Einzelsprachen bzw. verschiedenen Varietäten derselben Einzelsprache, d.  h. die Frage nach der strukturellen Valenz­ realisierung (= Valenz und Sprachstruktur)“ (Ágel 2000: 105) wurde als eine der vier Grundfragen der Valenztheorie identifiziert. Verwandt ist der Begriff mit dem der „konstruktionellen Valenz“ von Willems/Coene (2006). 73 Der Begriff des Strukturmodells ist verwandt mit dem Begriff des „syntaktischen Ausdrucksmodells“ von Feilke (1996: 239  ff.) und dem der „syntaktischen Schablone“ (Hyvärinen 2006: 1269). Vergleichbar ist er auch mit dem konstruktionsgrammatischen Begriff des Musters in Stefanowitsch 2009. Einerseits, weil Stefanowitsch nicht alles, sondern nur eine Teilmenge der Muster, nämlich die syntaktisch und/oder semantisch nicht vorhersagbaren Strukturen, als Konstruktionen betrachtet. Andererseits, weil es für Konstruktionsgrammatiker eine Selbstverständlichkeit ist, dass Strukturmo-



(44)

Grundlagen der Satzgliedanalyse 

 51

Im Grunde war es Hanna selbst, die damals nicht heiraten wollte. (Frisch Homo: 39)

Da sowohl die statischen Valenzen (Grundvalenzen) als auch die Strukturen (inkl. Valenzrealisierungsmuster) konventionell sind, kann sich der evtl. innovative Charakter der Valenzdynamik nur aus der kreativen Anwendung von A (Struktur) auf B (statische Valenz) ergeben, d.  h., wenn die Verbindung von A und B nicht konventionell ist. Dies trifft sicherlich auf den Fall (43b) zu. Eindeutig kreativ ist die Anwendung von A auf B, wenn sich nicht (nur) der Umfang des Prädikats ändert, sondern wenn zwei Prädikate lexikalisch kontaminiert werden: (45) Sie ist ihm dazwischen gestorben. (Hörbeleg, Dieter Hildebrandt in einer Show) Gemeint hat Hildebrandt mit dieser Ad-hoc-Bildung, dass, obwohl alle erwartet hatten, dass der Mann früher sterben würde, die Frau früher gestorben ist. Er nutzt hier die statischen Valenzen Verben sterben und dazwischen kommen, Letzteres in zwei Lesarten (Vorgang und Tätigkeit): Ad (45): (a) Subjekt pers. Vorgangsträger jemand (b) Subjekt unpers. Vorgangsträger etwas (c) Subjekt Tätigkeitsträger jemand

– Prädikat – – Vorgang – ist gestorben – Prädikat – – Vorgang – ist dazwischen gekommen

Dativobjekt Vorgangsbetroffener ihm

– Prädikat – – Tätigkeit – ist dazwischen gekommen

Das Verb sterben ist wie die Lesart (45b) von dazwischen kommen ein Vorgangsverb, während die Lesart (45c) von dazwischen kommen (,sich einmischen‘) ein Tätigkeitsverb ist. Im Unterschied zu (transitiven) Handlungsverben (wie vorausschicken, bemerken und sagen), die ein Tun, durch das etwas bewirkt/verursacht wird, ausdrücken, beschreiben (intransitive) Tätigkeitsverben ein ‚bloßes‘ Tun, ohne etwas bewirken zu wollen (Welke 2005: 179  ff.). delle sowohl „idiomatisch geprägt“ (Feilke 1994, 1996 und 1998) sein als auch lexikalische Elemente enthalten können. Zur grammatischen Analyse des Spaltsatzes Kap. III/3.2.4.

kreative Dynamik

Kontamination

52 

Mechanismus der Dynamik

 Grundlagen der Grammatischen Textanalyse

Das Subjekt von sterben und des Tätigkeitsverbs dazwischen kommen kodiert konkrete Personen, das Subjekt des Vorgangsverbs dazwischen kommen dagegen abstrakte Gegenstände. Dies ist die eine Quelle der kreativen Umszenierung. Die andere ist – neben den lexikalischen Bedeutungen der Verben und Lesarten – die Zweiteiligkeit von dazwischen gekommen. Dies ermöglicht dem Hörer eine schnelle Analogiebildung. Strukturell unterstützt wird diese dadurch, dass beide Verben das Perfekt mit sein bilden. Das Ergebnis ist die Einpflanzung der statischen Valenz von sterben sowohl in die beiden statischen Valenzen als auch in die morphologische Struktur von dazwischen kommen. Grammatische und semantische Analogie werden dabei auf die Lesarten (b) und (c) verteilt. Das Dativobjekt wird von (b), die Tätigkeitsstruktur von (c) auf (a) übertragen: Ad (45): (a+b+c) Subjekt – Prädikat – Tätigkeitsträger – Tätigkeit – sie ist dazwischen gestorben

statische und dynamische semantische Rollen

Dativobjekt Tätigkeitsbetroffener ihm

Aus dieser Dreierkontamination ergibt sich also die seltsam anmutende Lesart, nach der die Frau mit dem Sterben quasi absichtlich zuvorgekommen ist und so die kollektiven Erwartungen enttäuscht hat.74 Valenzdynamik bedeutet nicht nur grammatische, sondern (natürlich) auch semantische Dynamik: Die Anwendung der Funktion-Argument-Wert-Formel bedeutet bezüglich eines dynamischen Satzgliedes, dass seine semantische Rolle einen dynamischen Wert darstellen muss. Um die Herleitung des kontaminierten Beispiels nicht unnötig zu belasten, wurde die semantische Dynamisierung im Detail zwar nicht nachgezeichnet, sie soll jedoch wenigstens am Beispiel der Rolle Tätigkeitsträger kurz angedeutet werden: Ad (45):

Tätigkeitsprädikat (pers. Vorgangsträger) = Tätigkeitsträger

Während die semantische Rolle pers. Vorgangsträger eine statische semantische Rolle (s. (45a)) darstellt, entsteht die semantische Rolle Tätigkeitsträger überhaupt erst durch die Anwendung des Tätigkeitsprädikats ist dazwischen gestorben (als Funktion) auf die statische semantische Rolle (als Argument). Das Ergebnis ist eben eine dynamische, da qua Formel ‚angewandte‘, semantische Rolle.

74 Durch die Kombination der Merkmalspaare ‚Statik/Dynamik‘ und ‚Kreativität/Routine‘ lässt sich eine „kleine Typologie von Valenzrealisierungsmustern“ erstellen (Ágel 2015b: 67  ff.), die auch behilflich sein kann, die Gegenstände von Valenztheorie und Konstruktionsgrammatik vergleichend zu betrachten.



Grundlagen der Satzgliedanalyse 

 53

Der Unterschied zwischen semantischer Statik und semantischer Dynamik lässt sich auch in der semantischen Struktur verdeutlichen, man vergleiche Ad (45): (c) Subjekt statischer Tätigkeitsträger jemand

– Prädikat – – statische Tätigkeit – ist dazwischen gekommen

(a+b+c) [gekürzt] Subjekt dynamischer Tätigkeitsträger sie

– Prädikat – – dynamische Tätigkeit – ist dazwischen gestorben

statischer vs. dynamischer Tätigkeitsträger

Die Unterscheidung zwischen statischen (= ‚genuinen‘) und dynamischen (= ‚angewandten‘) semantischen Rollen hat weitreichende Konsequenzen für eine Theorie der semantischen Rollen, u.  U. könnte sie sogar den Schlüssel für eine mögliche Lösung darstellen. Allerdings kann die vorliegende Arbeit nebenbei nicht auch noch eines der langwierigen zentralen theoretischen Probleme der Linguistik lösen. Was getan werden kann und soll, ist, dass der mögliche Lösungsweg sukzessive (Kap. III/1.3.3, III/2.2.3, III/3.2.4) skizziert wird, sodass am Ende dieser Skizze wenigstens die Konturen einer möglichen Theorie sichtbar werden. Um statische Sätze zu beschreiben, müssen die traditionelle statische Valenztheorie und die traditionelle Satzgliedanalyse integriert werden. Um dynamische Sätze zu beschreiben, müssen zusätzliche Theorien und Teiltheorien hinzukommen: (1) eine Theorie der grammatischen Kategorisierungen (z.  B. Eisenberg 2006/2), auf deren Grundlage regelbasierte, kategoriale Strukturen wie z.  B. Passivstrukturen als Funktionen beschrieben werden können; (2) die Konstruktionsgrammatik, auf deren Grundlage modellbasierte, konstruktio­ nelle Strukturen wie z.  B. Valenzerhöhung oder Valenzträgerkontamination als Funktionen beschrieben werden können75 und (3) die Theorie der strukturellen Valenzrealisierung (Anm. 72), auf deren Grundlage dynamische Prädikate und Satzglieder als Werte beschrieben werden können.

Theorie der semantischen Rollen

Die obige Dynamikformel lässt sich also in zwei Subformeln unterteilen:

Subformeln der Valenz­ dynamik

valenzbezogen:

Kategorie A (Valenzstat B) = kategoriell Valenzdyn AB Konstruktion A (Valenzstat B) = konstruktionell Valenzdyn AB

75 Korrekt wäre eigentlich der Terminus ‚modellbasierte Struktur‘ (im Sinne des Musterbegriffs von Stefanowitsch, Anm. 73), der aber schwerfällig klingt.

Theorie­ integration

54 

 Grundlagen der Grammatischen Textanalyse

prädikatsbezogen: Kategorie A (Prädikatstat B) = kategoriell Prädikatdyn AB Konstruktion A (Prädikatstat B) = konstruktionell Prädikatdyn AB Kategorial und konstruktionell dynamische Valenz(realisierung)en bzw. Prädikate als Werte stellen zwei Typen von dynamischen Satzgliedern und Prädikaten und somit zwei Teilbereiche der strukturellen Valenz(realisierung) dar.76 Die Verbindungen zwischen prädikatsstiftenden Verben und grammatischen Grundstrukturen sind qua Grundvalenz konventionalisiert. Wird die Grundvalenz 1:1 realisiert, entstehen statische Sätze, d.  h. Sätze, deren Prädikat statisch ist und die nur statische Satzglieder enthalten (statische Valenz). Wird die Grundvalenz durch die Anwendung einer Struktur abgewandelt, entstehen dynamische ­Sätze, d.  h. Sätze, deren Prädikat dynamisch ist und die mitunter auch dynamische Satzglieder enthalten (dynamische Valenz). Dynamische Valenz wird in kategorial und konstruktionell dynamische Valenz unterteilt. Dynamische Valenz ist jedoch nicht gleich Innovation (Kreativität). In der Regel stellt sie konventionelle Verbindungen von konventionellen Strukturen mit (konventionellen) Grundvalenzen dar. Kreative Bildungen basieren ebenfalls auf konventionellen Strukturen und (konventionellen) Grundvalenzen, die aber innovativ (unkonventionell) kombiniert werden. Die semantische Leistung dynamischer Sätze besteht in der Umszenierung der ursprünglichen Szenarios (qua dynamischer Valenz und Prädikate) und in der evtl. Dynamisierung von semantischen Rollen.

4 Datengrundlage: Texte, Originalbelege oder ­konstruierte Beispiele?

globale Daten­analyse: Leittext

Es ist Martin Haspelmath (2009: 157) zuzustimmen, „dass die Auswahl der empirischen Methode schlicht von der Fragestellung und den vorhandenen Mitteln abhängt.“ Außerdem: „Die wirklich interessante Frage ist nun, welche Fragen man mithilfe welcher Daten beantworten kann.“ (Haspelmath 2009: 158) Während etwa in einem wissenschaftlichen Aufsatz typischerweise eine einzige Frage behandelt wird, hat ein Fachbuch eine übergeordnete, globale Fragestellung und mehrere untergeordnete, lokale Fragestellungen. Folglich zerfällt die Frage nach der Auswahl der empirischen Methode in eine globale und mehrere lokale Fragen. In einer Arbeit zur Grammatischen Textanalyse verlangt die globale Fragestellung, dass man die ‚von oben nach unten‘-Perspektive von der Textebene ausgehend

76 Es gibt kontrastive und sprachhistorische Hinweise dafür, dass der Interaktionsgrad zwischen Verbvalenz und Strukturmodellen varietätenspezifisch ist (Hyvärinen 2006: 1267  ff. und Habermann 2007) – ein variationstypologisches Argument für die Zusammenarbeit von Valenztheorie und Konstruktionsgrammatik.



Datengrundlage: Texte, Originalbelege oder ­konstruierte Beispiele? 

 55

konsequent umsetzt. Die geeignete empirische Methode hierfür ist m.  E., dass man einen Leittext ‚von oben nach unten‘ zu Ende analysiert.77 Der Leittext wird also durch das Buch ‚gereicht‘ mit dem Ergebnis, dass er am Ende auf allen drei Ebenen hinsichtlich aller im Text vorkommenden Klassen und Unterklassen von Makro-, Meso- und Mikrogliedern durchanalysiert ist. Die Leittextanalyse soll nicht nur die empirische Anwendbarkeit des gewählten theoretischen Ansatzes dokumentieren, sondern vor allem ein Analysemuster für weitere Textanalysen liefern und auf diese Weise den Leser bei eigenen Textanalysen unterstützen. Da der prinzipielle Anspruch an den Ansatz der Grammatischen Textanalyse die Anwendbarkeit auf beliebige Texte und Textsorten ist, war das einzige Auswahlkriterium für den Leittext, dass es ein mittellanger Text sein musste, in dem möglichst viele Typen und Subtypen von Makro-, Meso- und Mikrogliedern vorkommen und der auch zahlreiche komplizierte und problematische Phänomene enthält.78 Während die globale Fragestellung eine systematische Textanalyse voraussetzt, können bei lokalen Fragestellungen je nachdem, „welche Fragen man mithilfe welcher Daten beantworten kann“, Text- oder Gesprächsausschnitte, Originalbelege oder konstruierte Beispiele herangezogen werden. Wie lokale Fragestellungen die Datenauswahl motivieren können, soll kurz illustriert werden: Um beispielsweise zu zeigen, dass das Prädikat auch eine feste Wendung, d.  h. ein verbales Idiom, sein kann, reicht im Aktiv ein isolierter und konstruierter Satz wie

lokale Datenanalysen

Introspektion

(46) Man hat den Trainer durch den Kakao gezogen. Denn „Introspektion ist für die Beurteilung der sogenannten klaren Fälle eine ergiebige Quelle.“ (Haider 2011: 245) Kein klarer Fall ist allerdings die Passivfähigkeit von Idiomen, da hier eine ‚normale‘ syntaktische Struktur (Ágel 2004) sowohl auf semantische Teilbarkeit als auch auf semantische Unteilbarkeit (Dalmas/Dobrovol’skij 2016: 272  ff.) treffen kann: (47)

[…] dem Bürger wird Sand in die Augen gestreut. (Protokoll der Sitzung des Deutschen Bundestags am 12.  09. 2007, zit. n. Dalmas/Dobrovol’skij 2016: 274)

77 Der gewählte Leittext ist ein Artikel: Jochen Jung: Siegfried Lenz. Total entspannt. Mit seiner grundsympathischen Novelle »Landesbühne« hat sich Siegfried Lenz einen Spaß erlaubt. In: DIE ZEIT 40 (02. 04. 2009). Online: http://www.zeit.de/2009/40/L-B-Lenz. Ich danke der Wochenzeitung DIE ZEIT für die freundliche Genehmigung, im Apparat der vorliegenden Arbeit (Kap. V/1) den Artikel zu veröffentlichen. Des Weiteren danke ich dem Autor Jochen Jung, der „diese ungewöhnliche Verwendung eines meiner Texte“ (Zitat aus einer Mail von Herrn Jung) sehr freundlich und positiv aufgenommen hat. 78 Der Leittext umfasst 6.187 Zeichen (ohne Leerzeichen) und enthält 1.120 Wörter. Bei Phänomenen, die im Leittext nicht (z.  B. Genitivobjekt) oder nur spärlich (z.  B. Nichtsätze) vorkommen, wurden ergänzend andere Texte bzw. Belege herangezogen.

Belege

56 

 Grundlagen der Grammatischen Textanalyse

(48) Am 19.  März feiert Weinheim wieder seinen traditionellen Sommertagszug, diesmal eine Woche früher als sonst wegen der Landtagswahl in Baden-Württemberg. Das ändert aber nichts daran, dass dem Winter an diesem Sonntag der Garaus gemacht wird. Wie immer ist der Sommertagszug für die Stadt und die Region ein großes Fest, auch die Weinheimer Geschäfte haben an diesem Tag geöffnet. (Mannheimer Morgen, 08.  02. 2006, zit. n. Dalmas/ Dobrovol’skij 2016: 276)

Beleg ohne Kontext

Beleg mit Kontext

Nach Dalmas/Dobrovol’skij (2016: 274  ff.) besteht zwischen den Idiomen jmdm. Sand in die Augen streuen und jmdm. den Garaus machen ein relevanter semantischer Unterschied: Sand hat im Idiom eine relativ autonome Bedeutung, d.  h., das Idiom ist semantisch teilbar. Folglich ist die Passivierbarkeit des Idioms, die die Nominativmarkierung von Sand impliziert, zwar nicht so klar wie die Verwendbarkeit im Aktiv, aber doch relativ unproblematisch. Ein Beleg ohne Kontext reicht. Dagegen ist die „Promovierung der substantivischen Konstituente Garaus zum Subjekt des Passivsatzes aus semantischer Sicht sinnlos, denn dieses Wort hat in der Idiomstruktur keine eigene Bedeutung.“ (Dalmas/Dobrovol’skij 2016: 276) Trotzdem ist die Passivierung von jmdm. den Garaus machen ebenfalls belegt und lässt sich im Einzelfall auch gut motivieren. Zur Motivation braucht man aber zwingend den Text(ausschnitt).79 Dasselbe gilt, wenn man den Beitrag eines Idioms zur semantischen Interpretation eines Textes verdeutlichen will. Man vergleiche etwa die folgende Überschrift:80 (49) Kakaopulver im Test Nicht durch den Kakao ziehen lassen

Text-/ Gesprächsausschnitt

Mehr oder weniger lange Text- bzw. Gesprächsausschnitte braucht man schließlich, wenn man grammatische Strukturmuster untersuchen will:81 (50)

ja dann wollt ich euch noch so n Tipp geben falls ihr mal ähm so n bisschen back to basic machen wollt

79 Was die Passivierbarkeit von Idiomen anbelangt, ist es eine grammatiktheoretische Illusion zu glauben, dass hier eine scharfe Trennung des Bereichs der Grammatikalität von dem der „grammatischen Unbestimmtheit“ (Reis 1979) bzw. der „grammatischen Illusion“ (Haider 2011) möglich ist. Denn passivische Idiomverwendungen sind weder grammatische Randfälle, noch gibt es grammatische Regeln, die hier konfligieren würden. 80 http://www.br-online.de/bayern3/ratgeber-und-geld/kakaopulver-stiftung-warentest-testsiegerID1227169842272.xml. Zugriff am 11. 12. 2008. 81 Beispiel aus „Big Brother“. Quelle: Handreichung zum Vortrag „Vor- und Nachteile der Konstruktionsgrammatik für die Beschreibung von gesprochener Sprache“ von Wolfgang Imo am 8. 12. 08 an der Universität Kassel.



Datengrundlage: Texte, Originalbelege oder ­konstruierte Beispiele? 

 57

An diesem Beispieltyp etwa ließe sich die Musterbildung typisch gesprochensprachlicher Kohäsionsglieder zeigen.82 Eine Balance zwischen Text(ausschnitt)en, Originalbelegen und (konstruierten) Beispielsätzen ist unschwer zu finden, wenn man sich darüber im Klaren ist, welcher Datentyp welcher Fragestellung dient. Im vorliegenden Buch liegt der Schwerpunkt auf der sukzessiven (kapitelweisen) ‚von oben nach unten‘-Analyse eines kompletten Textes, des Leittextes der Arbeit. Um den grammatischen Beitrag der Makroglieder zur semantischen Interpretation auszuloten, werden aber auch weitere Text(ausschnitt)e herangezogen. Auf der Meso- und Mikroebene, wo es um vertraute und weniger vertraute Erscheinungsformen der grammatischen Struktur geht, wird primär auf Originalbelege, sekundär auf Beispielsätze zurückgegriffen. Im Falle von dynamisch-kreativen Phänomenen sind Originalbelege unentbehrlich, da sich das kanonische Strukturwissen des Grammatikers auf diese Phänomene nicht erstreckt.

82 In diesem kurzen Gesprächsauszug kommen fünf Typen von typisch gesprochensprachlichen Partikeln vor: ja, dann, so (zweimal), mal und ähm, von denen vier Kohäsionsglieder sind (so n ist eine Artikelform). Auf einige grammatische Besonderheiten der gesprochenen Sprache wird im Kap. II/3–4 eingegangen.

II Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

1 Makroglieder 1.1 Textanalyse 1.2 Makroglieder im Leittext 1.3 Satzklammer und Felderstruktur: Sätze und Nichtsätze Die Zwischenstelle: Kohäsionsglieder 1.4 Der Satzrand: Satzrandglieder, Satzglieder und Kohäsionsglieder 1.5 1.6 Was ist ein Stellungsfeld? 1.7 Keine Klammerstruktur im Nebensatz

1.1 Textanalyse Legende: Makroglieder: Punkt-Strich-Unterstrich: Nichtsatz; Unterstrichen: Kohäsionsglied; Schwarz: Satz1 Mesoglieder: fett: Prädikat

[1]

JOCHEN JUNG

[2] [3]

Siegfried Lenz Total entspannt

[4]

Mit seiner grundsympathischen Novelle »Landesbühne« hat sich Siegfried Lenz einen Spaß erlaubt.

[5] Hannes sagt: »Bald wird etwas geschehen.« [6] Und in der Tat: Seltsames geschieht, ja geradezu Unerhörtes. [7] Schauplatz ist das Gefängnis Isenbüttel, dessen Insassen zumeist Kleinkriminelle sind, die hier ihre paar Jahre absitzen. [8] Hannes zum Beispiel hatte sich eine Polizeikelle besorgt und [Hannes hatte] damit Schnellfahrer angehalten und [Hannes hatte] den Verschreckten ein Bußgeld abgeknöpft. [9] Erst als er eine Zivilstreife gestoppt hatte, war der Spaß zu Ende.

1 rekonstruierte Glieder in eckigen Klammern DOI 10.1515/9783110409796-002

62 

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

Hannes, im Übrigen nicht besonders redselig, teilt die Zelle mit dem Erzähler dieser Geschichte, aus dessen Leben Hannes erstaunlich viel mitzuteilen weiß und den er »Professor« nennt. [11] Das war er auch, für Literatur sogar, Spezialgebiet Sturm und Drang, bis aufflog, dass er sich selbst zu oft als Stürmer und Bedränger gefallen und die hübschesten und schlechtesten Studentinnen mit Höchstlob durchs Examen geschleust hatte. [12] Vier Jahre Isenbüttel hat das dem Professor eingebracht, und zwei [Jahre] davon sind erst rum. [13] Jetzt aber öffnet sich das Tor zum Gefängnishof, und ein Bus rollt ein, an dessen Seite groß das Wort »Landesbühne« aufgemalt ist. [14] Ein Stück soll aufgeführt werden, im Speisesaal. [15] Es heißt Das Labyrinth und [es] handelt von zwei älteren Damen, die in einem Hamburger Vorgarten ein echtes Labyrinth haben, in dem man zur Verbesserung der Welt tatsächlich Leute, die es nicht anders verdient haben, zum Verschwinden bringen kann. [16] Die beiden heißen Trudi und Elfi und [die beiden] sind weitläufig verwandt mit den Brewster-Tanten aus Arsen und Spitzenhäubchen. [17] Wie das Stück ausgeht, erfährt man allerdings nicht. [18] Nachdem es schon die längste Zeit versteckte Zeichen und Verabredungen gegeben hat, nimmt Hannes seinen Professor und [Hannes] führt ihn zum Landesbühnen-Bus, in dem es sich bereits ein gutes Dutzend der sogenannten Insassen halbwegs bequem gemacht hat. [19] Kurz darauf öffnet ein ahnungsloser Torhüter die Pforte, und draußen sind sie. [20] Weit kommen sie nicht. [21] Das [= Sie kommen nicht weit] aber nur deswegen, weil sie schon bald ein Transparent über der Chaussee entdecken: »Grünau heißt euch willkommen zum Nelkenfest«, und diese schöne Einladung können sie einfach nicht ausschlagen. [22] Grünau scheint eine fröhliche und erstaunlich kulturversessene Gemeinde, wie es auch in Schleswig-Holstein nicht so viele gibt. [23] Als die Grünauer sehen, dass die Landesbühne sie zu ihrem Fest beehrt, sind sie begeistert. [10]

Makroglieder 

 63

Die Insassen sind immerhin so geistesgegenwärtig, das Schauspielen erst mal auf die lange Bank zu schieben, und [die Insassen] empfehlen sich mit ihren Sangeskünsten, die sie als braver Gefangenenchor in Isenbüttel trainiert haben. [25] Und was singen sie? [26] [Sie singen] »Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt.« [27] Na denn. [28] Das Fest geht weiter, es gibt Kartoffelsalat und Würstchen, und die Truppe wird von der Grünauer Bevölkerung sozusagen zunehmend angenommen, ja sogar zarte Bande werden geknüpft, die immerhin Anlass zu einem Satz wie diesem geben: »So ist es, manchmal geschieht etwas im Leben, mit dem man sich abfinden muss.« [29] Genau das tun die Männer nun aber gar nicht, sie finden sich überhaupt nicht ab, im Gegenteil, gerade Hannes arbeitet kräftig an ihrer Grünauer Eingemeindung, unterstützt vor allem vom kunstsinnigen Bürgermeister, und da wir hier ja nicht die ganze Geschichte nacherzählen sollten, raffen wir mal etwas zusammen und teilen [wir] nur so viel mit, dass der Professor Volkshochschulvorträge hält – natürlich zum Thema Sturm und Drang  – und Hannes in kürzester Zeit ein vollständiges Heimatmuseum einrichtet und auch eröffnet. [30] Ein Fußballspiel gibt es ebenfalls, eine Mädchengarde und eine Feuerwehrkapelle, Gäste kommen aus nah und fern – Husum etwa und Eckernförde –, aber ehe die Sache dann doch etwas matt wird, kommt es noch zu einer Art Ordensverleihung, bei der es die Nelke in Bronze, Silber und Gold gibt und die das ganze Geschehen noch einmal dekorativ und dekorierend zusammenfasst und hochzieht, Beifall rauscht auf, und [24]

64 

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

»fast begann abgestandenes Bier in den Gläsern zu schäumen«. [31] Dann aber wie gewonnen, so zerronnen: Polizisten waren sowieso schon da und dort aufgetaucht und [Polizisten] schnupperten herum, selbst der Gefängnisdirektor saß auf einmal da, Zwischenfälle hat es gegeben – leider in der Gegend von Eckernförde –, und schnapp! sitzen sie wieder im Bus und bald darauf [sitzen sie] in ihrem Pisspott namens Isenbüttel. [32] Oje. [33] Hannes scheint zu resignieren, der Professor schreibt Tagebuch, der Zellennachbar hängt sich auf, und dann kommt auch noch ein weiteres Mal – die Landesbühne. [34] Und was spielen sie? [35] [Sie spielen] Warten auf Godot. [36] Das gibt natürlich wieder Anlass zu ein paar schwersinnigen Sätzen, aber am Ende [gibt das Anlass] auch dazu, dass ein Gefängnisdirektor seine Memoiren schreibt, um sie dann im Verlag Hoffman und Breitner zu veröffentlichen. [37] Und, was das Schönste ist: Zwei Zellengenossen sind Freunde geworden. [38] Ist das nun alles glaubwürdig? [39] Dumme Frage. [40] Wir sind hier nicht beim Amtsgericht. [41] Zu dem Theaterstück Das Labyrinth wird einmal gesagt, es sei »eine Geschichte, in der das Fantastische im Wirklichen aufging«. [42] Nun, hier ist es wohl eher umgekehrt. [43] Aber wie auch immer: Die Freiheiten, die sich aus solchem Erzählen ergeben, hat Siegfried Lenz weidlich und mit offenkundigem Vergnügen genutzt. [44] Und ehe jetzt jemand etwas von Abgeklärtheit und womöglich gar Altersweisheit erzählt, darf gesagt werden, dass sich der Autor hier in erster Linie einen

Makroglieder 

 65

ordentlichen Spaß erlaubt hat – neugierig darauf, wie weit man mit realistischen Mitteln dem Unerhörten auf der Spur bleiben kann. [45] Wann spielt das alles? [46] Irgendwie [spielt das alles] wohl doch in ferneren Zeiten. [47] Oder hat der Professor die ganze Geschichte nur nach einer langen Nacht mit einer seiner bedürftigen Studentinnen geträumt? [48] Ach was. [49] Es gilt das geschriebene Wort, und erzählt ist erzählt. [50] Und wenn Siegfried Lenz erzählt, hat das Erzählte immer und in jedem Fall etwas Herzliches, das, was man gemeinhin grundsympathisch nennt. Wobei man zu bedenken geben muss, dass, wenn man so grundsympathisch [51] von einer Welt erzählt, die ja eher nicht so herzlich und grundsympathisch ist das Herzliche gelegentlich auch ein wenig ins Nette rutschen kann, was dann der Schärfe unserer Tage nicht so voll und ganz entspricht. [52] Aber weil Siegfried Lenz vor allem auch ein erfahrener Autor ist, hat er die Sache deswegen gleich etwas ins Zeitferne gerückt. [53] Und [er] trifft sich damit auf überraschende Weise mit dem Autor der Leute von Seldwyla, an die man beim Lesen dieser Novelle sowieso schon zurückgedacht hat. [54] Auch Gottfried Keller kennt ja das Wunderliche, den schrägen Blick auf die Gesellschaft und auch das Herzliche (das Nette [kennt Gottfried Keller] allerdings ganz und gar nicht), und auch er wusste, dass das mit der Gegenwart nicht immer so gut zusammenging. [55] So schrieb er denn in seiner Vorrede zum zweiten Band seiner Novellensammlung, seine Seldwyler sähen »schon aus wie andere Leute; es ereignet sich nichts mehr unter ihnen, was der beschaulichen Aufzeichnung würdig wäre, und es ist daher an der Zeit, in ihrer Vergangenheit und den guten lustigen Tagen der Stadt noch eine kleine Nachernte zu halten«. [56] So eine Nachernte ist es denn wohl auch, was wir mit dieser ganz und gar entspannten Geschichte in den Händen halten.

66 

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

1.2 Makroglieder im Leittext orthogra­ phische Sätze im Leittext

orthographischer ≠ grammatischer Satz

orthographische Sätze und Makroglieder

Wie der Nummerierung zu entnehmen ist, enthält der Leittext 56 orthographische Sätze, d.  h. Textsequenzen, die in der Regel mit einem Großbuchstaben anfangen und einem Satzschlusszeichen enden. Die Einschränkung in der Regel ist notwendig, da im Sinne der amtlichen Regelung der deutschen Rechtschreibung nach sog. frei stehenden Zeilen wie den Überschriften [1] bis [3] kein Punkt gesetzt wird (Duden 2009: 1139). Trotz dieser Ausnahmeregelung sollen Überschriften als orthographische Sätze gelten.2 Wie im Kap. I/2.1 dargelegt, ist eine aus der Sicht der Grammatischen Textanalyse zentrale Unterscheidung die zwischen orthographischem Satz und grammatischem Satz, kurz: Satz.3 Diese Unterscheidung ist notwendig, weil aus der Verwendung von Satzzeichen, insbesondere bei Schriftstellern, nicht unbedingt etwas für die grammatische Analyse folgt. Ein Text enthält genauso viele Sätze, wie er Hauptprädikate enthält (Kap. I/2.4.3).4 Dies bedeutet jedoch im Umkehrschluss nicht, dass orthographische Sätze aus Sätzen bestehen müssen. Daraus, dass in den Kap. I/2.2 und I/2.4.3 eine Dreiteilung der Makroglieder (= Textglieder) in (1) Satz, (2) Nichtsatz und (3) Kohäsionsglied vorgeschlagen und begründet wurde, folgt nämlich, dass zwischen orthographischen Sätzen und Makrogliedern folgende Beziehungen bestehen können: 1) Ein orthographischer Satz besteht aus genau einem Makroglied. Dies ist beispielsweise der Fall in [4], wo er aus einem Satz, in [39], wo er aus einem Nichtsatz, und in [27], wo er aus einem Kohäsionsglied besteht. 2) Ein orthographischer Satz besteht aus einer Kombination von Makrogliedern. Dies ist beispielsweise der Fall in [8], wo der orthographische Satz aus drei Sätzen und drei Kohäsionsgliedern, in [17], wo er aus einem Satz und einem Kohäsionsglied, und in [31], wo er aus sechs Sätzen, einem Nichtsatz und acht Kohäsionsgliedern besteht. 3) Ein Makroglied erstreckt sich auf zwei oder mehrere orthographische Sätze: Die orthographischen Sätze [50] und [51] bilden erst zusammen einen Satz. Der orthographische Satz [51] stellt also alleine kein Makroglied dar.5

2 Die Interjektion schnapp! in [31] enthält zwar ein Satzschlusszeichen, fängt aber nicht mit einem Großbuchstaben an. Deshalb liegt hier kein orthographischer Satz vor. 3 In der vorliegenden Arbeit wird Satz – ohne weitere Spezifizierung – immer im Sinne von ‚grammatischem Satz‘ verstanden. Ist dagegen der ‚orthographische Satz‘ gemeint, wird die Spezifizierung orthographisch auch hinzugefügt. 4 Die weitere Präzisierung des grammatischen Satzbegriffs erfolgt in den Kap. II/1.3 und II/2. 5 Demselben Typus gehört auch die Kehlmann-Textstelle in Kap. I/2.1 an.

Makroglieder 

 67

Der Leittext enthält dreimal so viele Makroglieder wie orthographische Sätze, insgesamt 169. Die 169 Makroglieder umfassen 83 Sätze, fünf Nichtsätze und 81 Kohäsionsglieder und verteilen sich auf die drei Beziehungstypen wie folgt: 1) 20 der 56 orthographischen Sätze gehören dem Typus 1) an: 13 stellen Sätze, vier Nichtsätze und drei Kohäsionsglieder dar. 2) 34 orthographische Sätze stellen Kombinationen von Makrogliedern dar. Erwartungsgemäß werden vor allem Sätze und Kohäsionsglieder kombiniert. 3) Zwei orthographische Sätze ([50] und [51]) bilden erst gemeinsam einen Satz.6 Die Beziehungstypen 1) und 2), bei denen die Makroglieder innerhalb der Grenzen eines orthographischen Satzes bleiben, stellen die Regel, Typ 3) die Ausnahme dar. Was die Regel, d.  h. die Beziehungstypen 1) und 2), anbelangt, fällt vor allem auf, dass nur in 13 von 54 Fällen die orthographische und die grammatische Satzgrenze zusammenfallen. Dies ist ein starkes Argument sowohl für den grammatischen Satzbegriff als auch für die Untersuchung des Zusammenspiels von orthographischen und grammatischen Sätzen in textlinguistischen bzw. generell in textwissenschaftlichen Arbeiten. Die Klassifikation der einzelnen Makroglieder erfolgt in den nachfolgenden Kapiteln (Kap. II/2–4). Das vorliegende Kapitel hat die Funktion, die Begriffe ‚Satz‘, ‚Nichtsatz‘ und ‚Kohäsionsglied‘ topologisch zu präzisieren, d.  h., konstitutive Bezüge zur Wortstellung herzustellen. Das Makroglied ‚Satz‘ konstituiert sich topologisch durch die Satzklammer und die Felderstruktur, die dem Makroglied ‚Nichtsatz‘ fehlen (Kap. II/1.3). Kohäsionsglieder kommen zwar nahezu überall vor, die topologische Position zwischen Sätzen bzw. zwischen Nichtsätzen, die ich Zwischenstelle nenne, ist jedoch ausschließlich ihnen vorbehalten (Kap. II/1.4). Theoretisch besonders problematisch ist die Einordnung der Einheiten zwischen Zwischenstelle und Satzanfang, d.  h. am linken Satzrand, bzw. zwischen Satzende und Zwischenstelle, d.  h. am rechten Satzrand. Alle Einheiten am Satzrand, unabhängig davon, ob sie Makro- oder Mesoglieder sind, sollen Satzrandglieder im weiteren Sinne genannt werden. Für Einheiten am Satzrand, die weder Kohäsionsglieder noch Satzglieder sind, wird der Begriff des Satzrandgliedes im engeren Sinne – kurz: Satzrandglied  – einzuführen sein. Satzrandglieder stellen Nichtsätze dar (Kap. II/1.5). Der Satzbegriff konstituiert sich u.  a. durch den Stellungsfeld- und den Klammerbegriff. Abschließend soll deshalb einerseits die Frage nach dem Begriff des Stellungsfeldes gestellt und zwischen ‚Feld‘ und ‚Stelle‘ unterschieden werden (Kap.

6 [50] enthält zusätzlich ein Kohäsionsglied.

Makroglieder im Leittext

weiteres Vorgehen

68 

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

II/1.6). Andererseits wird dafür argumentiert, dass die Ausdehnung des Klammerbegriffs auf den Nebensatz theoretisch nicht zu rechtfertigen ist (Kap. II/1.7).7 Texte bestehen orthographisch aus orthographischen Sätzen, grammatisch aus Makrogliedern (= Textgliedern), d.  h. aus (grammatischen) Sätzen, Nichtsätzen und Kohäsionsgliedern. Im Rahmen der Grammatischen Textanalyse sind orthographische Sätze und Makroglieder zu identifizieren und aufeinander zu beziehen. Zwischen ihnen lassen sich drei Typen von Beziehungen feststellen: 1) ein orthographischer Satz = ein Makroglied, 2) ein orthographischer Satz = mehrere Makroglieder und 3) ein Makroglied = mehrere orthographische Sätze.

1.3 Satzklammer und Felderstruktur: Sätze und Nichtsätze Zweiteiligkeit des Prädikats

Lexikalisch zweiteilige Verben wie das Partikelverb aufhängen in [33] stellen die „Standardformen des deutschen Verbs“ dar (Weinrich 2005: 33): [33]

der Zellennachbar hängt sich auf, […]

Aber auch die lexikalisch einteiligen Simplex- und Präfixverben sind „virtuell zweiteilig“ (ebd.), da sie als zweiteilige Prädikate in Erscheinung treten können: [43] Die Freiheiten, die sich aus solchem Erzählen ergeben, hat Siegfried Lenz weidlich und mit offenkundigem Vergnügen genutzt. [8] Hannes zum Beispiel hatte sich eine Polizeikelle besorgt […] analytische Tempus­ formen

Da Prädikate tempusmarkiert sind und da die Tempusrealisierung synthetisch, d.  h. ohne Hilfsverb, oder analytisch, d.  h. mit Hilfsverb, erfolgt, stellt jedes aktuelle Prädikat morphologisch entweder eine synthetische oder eine analytische Tempusform dar.8 Zwei synthetischen Tempusformen stehen dabei sechs analytische gegenüber:9 Synthetische Tempusformen: [8a] Hannes besorgt sich eine Polizeikelle. [8b] Hannes besorgte sich eine Polizeikelle.

[Präsens] [Präteritum]

7 Erinnert sei daran, dass Nebensätze keine Sätze, sondern Teile von komplexen Sätzen sind (Kap. I/2.1). 8 „Von einer synthetischen Form spricht man, wenn verschiedene Elemente zu einer Form verschmelzen. Dies ist beispielsweise im Deutschen beim Präteritum der Fall, wo die Tempusendung -te fest mit der Verbform verbunden ist: ich lachte. Das Gegenteil ist etwa beim Perfekt der Fall, das analytisch gebildet wird, d.  h., Hilfsverb und Hauptverb sind und bleiben voneinander getrennt: ich habe gelacht.“ (Hentschel/Vogel 2009: 424) 9 In Anlehnung u.  a. an Buchwald-Wargenau 2012 rechne ich auch Doppelperfekt und Doppelplusquamperfekt zu den analytischen Tempusformen.

Makroglieder 

 69

Analytische Tempusformen: [8c] Hannes hat sich eine Polizeikelle besorgt. [Perfekt] [8d] Hannes hatte sich eine Polizeikelle besorgt. [Plusquamperfekt] [8e] Hannes hat sich eine Polizeikelle besorgt gehabt. [Doppelperfekt] [8  f ] Hannes hatte sich eine Polizeikelle besorgt gehabt. [Doppelplus­- quamperfekt] [8g] Hannes wird sich eine Polizeikelle besorgen. [Futur I] [8h] Hannes wird sich eine Polizeikelle besorgt haben. [Futur II] Doch selbst im Präsens und im Präteritum existieren sehr viele Typen von zweiteiligen Prädikaten, z.  B.10 diese schöne Einladung können sie einfach nicht ausschlagen. Als die Grünauer sehen, dass die Landesbühne sie zu ihrem Fest beehrt, sind sie begeistert. [36] Das gibt natürlich wieder Anlass zu ein paar schwersinnigen Sätzen, […] [21] [23]

Zweiteiligkeit gilt für den Ausdruck der grammatischen Kategorie ‚Passiv‘ ausschließlich, für den der Kategorie ‚Konjunktiv II‘ bevorzugt:

Zweiteiligkeit (auch) im Präsens

Passiv und Konjunktiv II

die Truppe wird von der Grünauer Bevölkerung sozusagen zunehmend angenommen, […] (1) […] sonst würde ich gar nicht schreiben […] (Timm Bruder: 29) (1’) sonst schriebe ich gar nicht [28]

Das Passiv lässt sich im Deutschen nur analytisch ausdrücken.11 Beim Konjunktiv II existieren dagegen neben den jüngeren analytischen Formen – sog. würde-Form oder Konjunktivumschreibung – teilweise auch noch die älteren synthetischen.12 Wie die Beispiele zeigen, werden – im Gegensatz zum Englischen – im Deutschen die zweiteiligen Prädikate in der Regel diskontinuierlich realisiert. Damit besteht die

10 Das präsentische Prädikat in [21] ist ein Modalkomplex, in [23] ein Prädikativgefüge und in [36] ein Nominalisierungsverbgefüge. Zur Prädikatsklassifikation Kap. III/2.1.2. 11 Vgl. auch andere Passivtypen wie z.  B. (X) ist erledigt (Akkusativpassiv, Zustand), (Y) bekommt (X) geschenkt (Dativpassiv, Vorgang) oder (X) gehört aufgeräumt (modales Akkusativpassiv, Vorgang). Man beachte, dass sich Synthese/Analyse nur kategorienbezogen interpretieren lässt. Beispielsweise ist wird…angenommen eine analytische Passivform (Akkusativpassiv, Vorgang), aber eine synthetische Tempusform (Präsens). Die Form ist…angenommen worden ist dagegen sowohl verbalgenus- als auch tempusbezogen analytisch (Passiv und Perfekt). 12 Vgl. auch die Option Wenn sie kommen würde… vs. Wenn sie käme… Bei schwachen Verben dagegen stellt die synthetische Form (Wenn sie arbeitete…) wegen des Zusammenfalls von Indikativ und Konjunktiv II keine echte Alternative mehr für die analytische Form (Wenn sie arbeiten würde…) dar.

Klammer und Stellungs­ felder

70 

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

Möglichkeit, auch die Satztopologie, d.  h. die Wortstellung des Satzes, vom zentralen Satzgliedwert ‚Prädikat‘ aus zu modellieren:13 –– Die beiden Teile des Prädikats, das Finitum links und der infinite oder nichtverbale Teil rechts, bilden die sog. Satzklammer (oder Verbalklammer). –– Die beiden Klammerteile umschließen das Mittelfeld. –– Bei Sätzen mit Verbzweit(stellung des Finitums) befindet sich links von dem linken Klammerteil das Vorfeld. –– Bei Sätzen sowohl mit Verbzweit als auch mit Verberst befindet sich rechts von dem rechten Klammerteil das Nachfeld. –– Vor-, Mittel- und Nachfeld nennt man Stellungsfelder.

Verbzweit: Aussagesatz

Im Folgenden soll auf die Klammerstruktur und die Stellungsfelder zuerst in Verbzweit-, dann in Verberst-Sätzen eingegangen werden.14 Mit Hilfe der Beschreibung der Satztopologie können auch die Begriffe ‚Satz‘ und ‚Nichtsatz‘ präzisiert werden. Angewandt auf die obigen Belege und auf einige Variationen, die alle Aussagesätze mit Verbzweit sind, bekommt man folgende topologische Beschreibungen (LK, RK = linker und rechter Klammerteil): Tab. 2: Klammer und Stellungsfelder im Aussagesatz (Verbzweit) Vorfeld

LK

Mittelfeld

RK

[33] [33’]

der Zellennachbar der Zellennachbar

hängt hängt

sich sich

auf auf,

[8]

Hannes zum Beispiel Hannes zum Beispiel diese schöne Einladung

hatte

sich eine Polizeikelle

besorgt

hatte

sich eine Polizeikelle

besorgt,

können

sie einfach nicht

ausschlagen.

[8’] [21]

Nachfeld weil er lebensmüde ist.

um Schnellfahrer anzuhalten.

13 Die Formulierung besteht die Möglichkeit wurde bewusst gewählt, um anzudeuten, dass Klammer und Stellungsfelder keine inhärenten Eigenschaften des ‚Deutschen‘ sind, sondern dass das Stellungsfeldermodell wie jedes andere Modell einer plausiblen Begründung bedarf (Reis 1980). M. a. W., eine Klammer ‚sieht‘ man nicht, d.  h., Konstituenten in Distanzstellung stellen nicht notwendigerweise Klammerteile dar. Noch weniger ‚sieht‘ man, warum etwa der Satz [23], wo das Finitum an der 13. Stelle im Satz steht, ein Beispiel für Verbzweit sein soll. Auf das Problem des Stellungsfeldes und des Klammerbegriffs komme ich in den Kap. II/1.6–7 zu sprechen. 14 Dabei geht es nicht um eine exhaustive Beschreibung aller Satzarten, sondern lediglich um die topologische Absicherung der Satzgrenze. Ein guter Überblick über relevante – auch topologische – Merkmale von Satzarten („Äußerungsmodi“) findet sich in Hoffmann 2013: 544  ff.

Makroglieder 

Vorfeld

LK

Mittelfeld

RK

sind

sie

begeistert.

[23’]

Als die Grünauer sehen, dass die Landesbühne sie zu ihrem Fest beehrt, Die Grünauer

[36]

Das

gibt

natürlich wieder

Anlass

[28]

Die Truppe

wird

angenommen

[28’]

Die Truppe

wird

(1)

sonst

würde

von der Grünauer Bevölkerung sozusagen zunehmend sozusagen zunehmend ich gar nicht

[23]

sind

begeistert,

angenommen schreiben

 71

Nachfeld

als sie sehen, dass die Landesbühne sie zu ihrem Fest beehrt. zu ein paar schwersinnigen Sätzen

von der Grünauer Bevölkerung

Wie man sieht, kann das Mittelfeld leer bleiben, oder es kann ein oder mehrere Satzglieder – Satzglieder im engeren Sinne wie auch Kommentarglieder – enthalten. Auch das Nachfeld kann leer bleiben, kann aber auch ein Satzglied enthalten.15 Typischerweise haben Nachfeld-Satzglieder die Form von Nebensätzen ([33’] und [23’]), Infinitivkonstruktionen ([8’]) oder Präpositionalgruppen ([36] und [28’]). Nachfeld-Satzglieder, die regulär im Nachfeld stehen, stellen normale Nachfeldbesetzungen dar ([33’], ([8’], [23’] und [36]), anderenfalls spricht man von Ausklammerung ([28’]). Im Gegensatz zum Mittel- und Nachfeld kann das Vorfeld im Normalfall nicht leer bleiben, und es enthält in der Regel genau ein Satzglied (= Satzglied im engeren Sinne oder Kommentarglied). Dabei kann das Satzglied, das das Vorfeld besetzt, mitunter lang und formal komplex sein, wie z.  B. das Temporaladverbial in [23], das ein Nebensatz ist, oder das Subjekt des nachfolgenden Satzes, das sowohl ein Präpositionalattribut (mit der roten Mütze) als auch einen Attributnebensatz (der…läßt) enthält: (2)

Felder­ besetzungen

normale Nachfeldbesetzung und Ausklammerung ein Satzglied im Vorfeld

Der Mann mit der roten Mütze, der den Zug endlich, endlich wieder abfahren läßt, verschwindet unter einem großen Schild mit hochtönendem Namen […]. (Böll Botschaft: 67)

Als Sonderfälle von Verbzweit gelten im Allgemeinen zwei Typen: Das Vorfeld (a) bleibt leer (obwohl es besetzt werden könnte) oder (b) wird nicht von einem Satzglied besetzt (sog. mehrfache Vorfeldbesetzung). 15 Ob es auch mehrere Satzglieder enthalten kann, hängt von der Definition von Satzrand ab (Kap. II/1.4).

VerbzweitSonderfälle?

72 

leeres Vorfeld

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

Wir schauen uns zuerst diese Fälle an und stellen dann die Frage, ob es sich dabei wirklich um Sonderfälle, um ‚Ausnahmen‘, handelt. Die folgende Textstelle enthält gleich drei Belege für ein leeres Vorfeld (Nichtsätze: Punkt-Strich unterstrichen):16 (3) »Kannste aufstehn?« »Weiß nich!« »Versuch ma!« »Warum denn?« »Weil das Gras so naß is!« »Hast recht!« »Los, Chris, steh auf!« »Gleich!« »Los! Du kannst hier nich rumliegen!« »Doch!« »Das Gras is aber zu naß!« »Is doch egal!« (Hennig von Lange Relax: 111) Tab. 3: Leeres Vorfeld im Aussagesatz (Verbzweit) Vorfeld (3) (3) (3)

Situative Ellipsen

LK

Mittelfeld

Weiß Hast Is

nich! doch

RK

Nachfeld

recht! egal!

In allen drei Fällen handelt es sich um sog. „Situative Ellipse(n)“ (IDS-Grammatik 1997/1: 413  ff.), d.  h. um die Verzahnung einer sprachlichen Äußerung mit einem „Element der Sprechsituation“ (IDS-Grammatik 1997/1: 413).17 Je nach Elementtyp unterteilt die IDS-Grammatik die Situative Ellipse in (a) Person-Ellipse (s. Weiß nich! und Hast recht!), (b) Ereignis-Ellipse (s. Is doch egal!) und (c) Objekt-Ellipse wie z.  B. (bei der Betrachtung einer Skulptur): (4)

Ist fantastisch modelliert. (Hörbeleg, n. IDS-Grammatik 1997/1: 418)

16 Zu den Kohäsionsgliedern der Textstelle Kap. II/1.5. 17 Im Sinne von Karl Bühlers Zweifelderlehre (1934/1982: 81) geht es hier also um Zeigfeld-Ellipsen, d.  h. um Sätze mit einem in die Situation ‚ausgelagerten‘  – genauer: dank der Situation diakritischen – Szenariobeteiligten.

Makroglieder 

 73

Aus dem vornehmlich mündlichen Sprachgebrauch mit leerem Vorfeld entwickeln sich nach Weinrich (2005: 78) häufig „stereotype Ausdrücke“, die im mündlichen Dialog die funktionalen Nischen der Zustimmung und der Ablehnung besetzen (Weinrich ebd.). Sie sind zwar „stilistisch markiert“, aber „regelhaft“ (Eroms 2010: 31).18 Der Fall, dass das Vorfeld nicht von einem Satzglied besetzt wird, liegt vor, wenn der zweite Teil eines zweigliedrigen Prädikats im Vorfeld platziert, d.  h. topikalisiert, ist. In diesem Falle kann der zweite Prädikatsteil alleine das Vorfeld besetzen ([7], (5) und [28’’]) oder aber weitere Satzglieder aus dem Mittelfeld ‚mitnehmen‘ ([8’’] und (6)):19 Tab. 4: Topikalisierung und zweigliedriges Prädikat im Aussagesatz (Verbzweit) Vorfeld

LK

Mittelfeld

[7]

Schauplatz

ist

(5) [28’’]

„Photographieren Angenommen

hätte wird

das Gefängnis Isenbüttel, dessen Insassen zumeist Kleinkriminelle sind, die hier ihre paar Jahre absitzen man euch die Truppe

[8’’]

Seinem Freund eine Polizeikelle besorgt Dem Stierkampf den Kampf angesagt

hatte

(6)

haben

Hannes zum Beispiel am Sonntag rund 100 Tierschützer.21

RK

sollen“20

Nachfeld

von der Grünauer Bevölkerung sozusagen zunehmend

18 Eroms (ebd.) spricht in Anlehnung an die Unterscheidung zwischen implizierender und inkludierender Valenz (Ágel 2000: 143  f.) diesen Konstruktionen sogar inkludierende Valenz zu. 19 Das Prädikat Schauplatz ist ist ein Prädikativgefüge mit der Kopula in der LK und dem Prädikativ im Vorfeld, das Prädikat den Kampf angesagt haben ein Nominalisierungsverbgefüge im Perfekt mit dem Perfekthilfsverb in der LK und dem Rest im Vorfeld. Zur Prädikatsklassifikation Kap. III/2.1.2. 20 Kästner 35. Mai: 48 21 Dürscheid 2007: 98

Topikalisierung und zweigliedriges Prädikat

74 

Topikalisierung und eingliedriges Prädikat

Doch der theoretisch eigentlich interessante Aspekt der Topikalisierung ist, dass sie sich nicht auf zweigliedrige Prädikate beschränkt: Tab. 5: Topikalisierung und eingliedriges Prädikat im Aussagesatz (Verbzweit)

(a) (b) ((c)

emphatische Prädikats­ realisierung

Mehrfache Vorfeld­ besetzung?

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

Vorfeld

LK

Mittelfeld

RK

Ich Sehen Ich

sehe tue tue

nichts. ich nichts.22 nichts

sehen.)

Nachfeld

Auch (a) lässt sich topikalisieren, indem man das Hilfsverb tun einführt, dessen Funktion hier ausschließlich darin besteht, die synthetische Tempusform ‚Präsens‘ analytisch zu machen (sog. tun-Periphrase).23 Warum aber sollte eine synthetische Tempusform analytisiert werden? (a) ist die strukturell normale und kommunikativ unauffällige Wortstellungsrealisierung des Sehen-Szenarios. Dagegen stellt (b) die emphatische Realisierung von (a) dar, d.  h., der lexikalische Prädikatsbestandteil sehen wird besonders hervorgehoben (fokussiert).24 Auch die obigen Topikalisierungen zweigliedriger Prädikate (vgl. Tab. 4) stellen emphatische Realisierungen dar. Entscheidend ist also, dass eine emphatische Prädikatsrealisierung keine Klammer voraussetzt, aber ein zweigliedriges Prädikat braucht – unabhängig davon, ob die strukturell normale Realisierung des Verbs synthetisch oder analytisch ist. Dass sich bei der emphatischen Realisierung des Prädikats – im Gegensatz zu der emphatischen Realisierung aller anderen Satzglieder – nicht das komplette Satzglied topikalisieren lässt, ist strukturell notwendig, da die stabile Position des Finitums das Definiens der Wortstellungsstruktur ‚Verbzweit‘ ist. Strukturell zwar nicht notwendig, aber plausibel ist es, wenn sich der lexikalische Prädikatsteil, der ja als Valenzträger fungiert, auch zusammen mit seinen Komplementen emphatisch realisieren lässt (s. [8’’] und (6)).25 Hier liegen also keine ‚echten‘ mehrfachen Vorfeldbesetzungen vor. Eine echte mehrfache Vorfeldbesetzung würde vorliegen, wenn im Vorfeld zusammen zwei Komplemente ([8’’’]), ein Komplement und ein Supplement ((6’)) oder zwei Supplemente ((7)) ohne lexikalischen Prädikatsbestandteil vorkommen könnten:

22 Duden 2005: 422 23 Dies könnte die stilistische Markiertheit der analytischen Präsensrealisierung (c) mit erklären, da Sprachen keine vollsynonymen grammatischen Kategorienrealisierungen – hier: synthetisches wie analytisches Präsens – kennen dürften. Im Übrigen ist dies ein wichtiges Argument für funktionale Grammatiktheorien. 24 Auf die tun-Emphasekonstruktion und auf das System emphatischer Tempusformen im Deutschen komme ich im Kap. III/2.2.3 zu sprechen. 25 Zur Valenz Kap. I/3.2 und Kap. III/1.3.1.

Makroglieder 

 75

Tab. 6: Mehrfache Vorfeldbesetzung?

[8’’’] (6’) (7) [8]

Vorfeld

LK

Mittelfeld

RK

Seinem Freund eine Polizeikelle Dem Stierkampf am Sonntag Gestern auf dem Eiffelturm Hannes zum Beispiel

hatte

Hannes zum Beispiel rund 100 Tierschützer sie sich wieder

besorgt

haben haben hatte

Nachfeld

den Kampf angesagt. versöhnt.26

sich eine Polizei- besorgt kelle

Was [8’’’] anbelangt, vermute ich, dass viele Sprachteilhaber gerade wegen der Zweifachbesetzung des Vorfelds Bedenken gegen den Satz hätten. (6’) enthält nur noch ein Satzglied (Dativobjekt), denn die Präpositionalgruppe am Sonntag wird in dieser Wortstellungskonstellation nicht mehr als Satzglied, sondern als Temporalattribut innerhalb des Dativobjekts Dem Stierkampf am Sonntag interpretiert. In (7) liegt eine „(s)emantisch ungleichartige Adverbialverbindung“ (IDS-Grammatik 1997/2: 1600  ff.) vor. Solche wie auch „(s)emantisch gleichartige Adverbialverbindungen“ (IDS-Grammatik 1997/2: 1595  ff.) wie oben auf dem Dach werden in der vorliegenden Arbeit nicht als Wortgruppen, also Konstituenten mit Kopf und/oder Kern, sondern als Wort(gruppen)kombinationen, Konstituenten ohne Kopf und Kern, aufgefasst (Kap. IV/1.2 und IV/2.3). Schließlich liegt mit dem Typus [8], der aus der traditionellen ‚von unten nach oben‘-Perspektive als mehrfache Vorfeldbesetzung interpretiert werden muss (s. etwa Bildhauer 2011), aus der Sicht der Grammatischen Textanalyse keine mehrfache Vorfeldbesetzung vor, weil zum Beispiel kein Satzglied (Mesoglied), sondern ein Kohä­ sionsglied (Makroglied) ist. Wie könnte nun eine Lösung für die ‚Sonderfälle‘-Problematik  – leeres Vorfeld und emphatische Vorfeldbesetzung – aussehen? In der valenztheoretischen Erforschung syntaktischer Grundstrukturen wird zwischen strukturell normalen Valenzrealisierungen auf der einen Seite und elliptischen bzw. emphatischen auf der anderen unterschieden:27 (8) Ich suche eine Wohnung. (8a) Suche eine Wohnung. (8b) ICH suche eine Wohnung.

[strukturelle Norm] [Ellipse] [Emphase]

26 Dürscheid 2007: 99 27 Zur strukturellen Valenzrealisierung s. zusammenfassend Ágel 2000: 215  ff. (Beispiele ebd.: 225).

strukturell normale vs. elliptische oder emphatische Realisierungen

76 

Regel oder Ausnahme?

Verbzweit: Ergänzungsfragesatz

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

Einerseits lassen sich die strukturell normalen, elliptischen und emphatischen Realisierungen im Rahmen desselben Valenzrealisierungsmodells beschreiben. Andererseits sind die Relationen der elliptischen und emphatischen Realisierungen zur strukturellen Norm ikonisch, sie signalisieren Funktionen, die sich im Rahmen strukturell normaler Realisierungen nicht verwirklichen lassen. Überträgt man diesen Befund auf die ‚Sonderfälle‘ der Verbzweit-Diskussion, muss man feststellen, dass wir es mit einer analogen Situation zu tun haben: Auf der einen Seite gibt es strukturell normale Verbzweitstrukturen, die weder elliptisch noch emphatisch sind, auf der anderen Seite elliptische und emphatische Verbzweit-Realisierungen: leeres Vorfeld und emphatische Prädikatsrealisierungen im Vorfeld (mit und ohne Komplemente). Alle drei Realisierungstypen lassen sich im Rahmen desselben topologischen Modells beschreiben. Dabei sind die elliptischen und emphatischen Realisierungstypen ikonisch und regelhaft. Sie signalisieren Funktionen, die sich im Rahmen des strukturell normalen Realisierungstyps nicht verwirklichen lassen. Strukturell normale Verbzweit-Sätze stellen Ergänzungsfragesätze dar: Tab. 7: Klammer und Stellungsfelder im Ergänzungsfragesatz (Verbzweit) Vorfeld

LK

Mittelfeld

RK

[25] [45] [25’] [45’] [25’’]

was Wann Was Wann Was

singen spielt haben hat haben

sie? das alles? sie das alles sie

gesungen? gespielt? gesungen,

[25’’’] [45’’]

Was zum Teufel Wann in aller Welt

singen spielt

sie? das alles?

Nachfeld

als sie im Bus waren?

Hier sind keine besonderen  – elliptischen oder emphatischen  – Realisierungstypen zu verzeichnen: Das Vorfeld wird immer von einem Satzglied im engeren Sinne besetzt. Dies gilt auch für [25’’’] und [45’’], wo die Ausdrücke zum Teufel und in aller Welt Bestandteile des jeweiligen Satzglieds  – Akkusativobjekt und Temporaladverbial – sind.28

28 Zu diesen intensivierenden und Unverständnis signalisierenden Konstruktionen s. Stefanowitsch 2011: 190  ff.

Makroglieder 

 77

Im Unterschied zu Ergänzungsfragen werden Entscheidungsfragen und Aufforderungen typischerweise durch Verberst ausgedrückt:29 Tab. 8: Klammer und Stellungsfelder im Entscheidungsfragesatz und in Aufforderungssätzen (Verberst) LK

Mittelfeld

RK

[38] [47]

Ist Hat

glaubwürdig? geträumt?

[47’]

Hat

das nun alles der Professor die ganze Geschichte nur nach einer langen Nacht mit einer seiner bedürftigen Studen­ tinnen der Professor die ganze Geschichte nur

(3) (9) (10)

»Versuch Laß Fragen

ma!« uns ma Sie Ihren Arzt oder Apotheker!

geträumt,

Verberst: Entscheidungsfragesatz und Aufforderungssätze

Nachfeld

nachdem er eine lange Nacht mit einer seiner bedürftigen Studentinnen verbracht hatte?

runter gehn!30

Verberst-Sätze werden logischerweise als vorfeldlos modelliert, sonst wären sie ja Verbzweit-Sätze. Wie soll man dann aber die Aussage interpretieren, dass VerberstSätze „in der Regel kein Vorfeld (haben)“ (IDS-Grammatik 1997/2: 1502)? Gibt es in Ausnahmefällen doch Verberst-Sätze mit Vorfeld? Nein. Denn im strukturellen Normalfall sichert die Opposition ‚Verberst vs. Verbzweit‘ das Verständnis der intendierten Satzart ab. Formt man etwa [38] als Verbzweit um, bekommt man einen Aussagesatz:

Vorfeld­ losigkeit und Verberst

[38’] Das ist nun alles glaubwürdig. Topikalisierungen sind allerdings auch bei Verberst-Sätzen möglich (IDS-Grammatik 1997/1: 655), sodass Aufforderungen bei Emphase als Verbzweit-Sätze realisiert werden (Beispiel ebd.): (11)

Den Tisch rück/rückt bitte an die Wand!

29 Wie die Tabelle zeigt, lassen sich Aufforderungen mit oder ohne Imperativform als Verberst-Sätze konstruieren. Im Gegensatz zu Aufforderungssätzen mit Imperativform (= Imperativsätze), die ein in der Verbform inkorporiertes Mikrosubjekt haben, haben Aufforderungssätze ohne Imperativform ein Makrosubjekt, also ein Subjekt im traditionellen Sinne, im Mittelfeld. Zu Mikrosubjekten Kap. III/3.2.4. 30 Hennig von Lange Relax: 18

mit Topikalisierung zu Verbzweit

78 

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

Wie entscheidend die Opposition ‚Verberst vs. Verbzweit‘ ist, sieht man auch daran, dass durch Topikalisierung offene (,ambige‘) Strukturen entstehen können, bei denen syntaktisch offen bleibt, ob Aussage oder Aufforderung intendiert ist:31 (10’) Lieber fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker./! ohne Topikalisierung zu Verbzweit

Bei vorangestellten Adverbialnebensätzen (mit oder ohne Korrelat) sind VerbzweitAufforderungssätze strukturell normal:32

Definitionen: Satz und Nichtsatz

Das Stellungsfeldermodell erlaubt uns nun, unsere Satzdefinition zu präzisieren: Ein Satz ist ein Textglied, das

(12) […] wenn du keine Lust hast, (Korre- dann lat) laß es lieber. (Timm Sommer: 148) (12’) […] wenn du keine Lust hast, laß es lieber.

(1) (2)

ein (real oder virtuell) klammerbildendes Hauptprädikat enthält und das über drei  – Verbzweit-Satz  – oder zwei  – Verberst-Satz  – Stellungsfelder verfügt.

Ausgehend von dieser Definition bietet es sich an, auch unsere Nichtsatz-Definition (Kap. I/2.2 und I/2.4.3) zu präzisieren. Betrachten wir hierzu eine Frage-AntwortSequenz aus dem Leittext: Tab. 9: Keine Klammer und Stellungsfelder bei Nichtsätzen Vorfeld [38] [39]

LK

Mittelfeld

RK

Ist

das nun alles Dumme Frage.

glaubwürdig?

Nachfeld

Wie man sieht, lässt sich der  – per definitionem  – hauptprädikatlose und deshalb auch klammerlose Nichtsatz auf die Felderstruktur nicht abbilden. Ein Nichtsatz ist demnach ein Textglied, das (1) (2) (3)

kein Hauptprädikat, folglich keine Klammer und folglich keine Stellungsfelder hat.

31 Die Betonung liegt auf syntaktisch, denn die Aufforderungsinterpretation ist stark dispräferiert. 32 Zur Topologie von Korrelatverbindungen, d.  h. Nebensätzen mit Korrelat,  auchKap. II/1.5. Auf die Grammatik von Korrelatverbindungen wird im Kap. III/3.1.7 einzugehen sein.

Makroglieder 

 79

Konstitutiv für den gegenwartsdeutschen Satz ist die Zweiteiligkeit des Hauptprädikats und dessen diskontinuierliche Realisierung als Satzklammer. Die Satzklammer ermöglicht topologisch drei  – Verbzweit-Satz – oder zwei – Verberst-Satz – Stellungsfelder. Die ‚Sonderfälle‘ der Vorfeldbesetzung lassen sich als ikonische und reguläre – elliptische oder emphatische – Funktionsnischen erklären. Mithilfe der Klammer und der Stellungsfelder lassen sich die Begriffe ‚Satz‘ und ‚Nichtsatz‘ präzisieren: Im Gegensatz zum Nichtsatz hat der Satz sowohl ein klammerbildendes Hauptprädikat als auch Stellungsfelder.

1.4 Die Zwischenstelle: Kohäsionsglieder Im vorangehenden Kapitel konnten die Begriffe ‚Satz‘ und ‚Nichtsatz‘ topologisch präzisiert werden. Texte bestehen allerdings nicht nur aus Sätzen (mit Klammer und Stellungsfeldern) und Nichtsätzen (ohne Klammer und Stellungsfelder), sondern auch (1) (2)

aus Kohäsionsgliedern in und zwischen Sätzen und Nichtsätzen bzw. aus Einheiten am linken und rechten Rand von Sätzen.

Im vorliegenden Kapitel geht es um (1). Wie im Kap. I/3.1 angedeutet, können Sätze außer Satzgliedern auch Kohä­ sionsglieder enthalten.33 In den folgenden Belegen kommen insgesamt fünf Kohä­ sionsglieder vor, von denen drei in Sätze integriert sind: (13) (14) (15)

(16)

Viele Wesen flögen, sagte der Soldat, und keiner finde etwas dabei. Hingegen habe noch niemand gesehen, wie ein Berg sich aufrichte. (Kehlmann Vermessung: 138) Als ich anfing, das Band zum erstenmal zu hören, war ich noch ein Nazi, aber als ich die Rede zum drittenmal durch hatte, war ich kein Nazi mehr […]. (Böll Murke: 107) Fast alle Ethnologen bestreiten heute, daß es Kannibalismus aus Geschmacksgründen gegeben habe. Ich hingegen finde es ganz naheliegend, daß der Überdruß als Folge einseitiger Ernährung die Lust auf Menschenfleisch erzeugt, so wie auch aus der Monotonie heraus Dichtung entsteht. (Timm Kopfjäger 10  f.) Mit gedämpfter Stimme erklärte er sein Anliegen. Er habe Ideen, die er noch keinem habe mitteilen können. Ihm scheine nämlich, daß der euklidische Raum eben nicht, wie es die Kritik der reinen Vernunft behaupte, die Form

33 Im Rahmen des Modells der expliziten Junktion werden solche Kohäsionsglieder als A(dverb) P(artikel)-Junktoren beschrieben (Ágel 2010 und Ágel/Diegelmann 2010). Vgl. auch die ‚verwandte‘ Klasse der Adverbkonnektoren des HdK (2003: 485  ff.).

zur ­Topologie der Kohäsions­ glieder

80 



die Zwischenstelle

unserer Anschauung selbst und deshalb aller möglichen Erfahrung vorgeschrieben sei, sondern vielmehr eine Fiktion, ein schöner Traum. (Kehlmann Vermessung: 95)

Das adversative, d.  h. einen Gegensatz ausdrückende, Kohäsionsglied hingegen besetzt in (13) allein, in (15) zusammen mit dem Subjekt (Ich) das Vorfeld.34 Das explikative Kohäsionsglied nämlich in (16) besetzt hingegen das Mittelfeld.35 Im Gegensatz zu diesen in die topologische Struktur des jeweiligen Satzes integrierten Kohäsionsgliedern stehen das kopulative (additive) und in (13) und das adversative aber in (14) zwischen den Stellungsfelderstrukturen des jeweiligen ersten und des jeweiligen zweiten Satzes.36 Diese topologische Position für Kohäsionsglieder zwischen den anderen Textgliedern soll Zwischenstelle genannt werden. Die Besetzung der Zwischenstelle soll an drei Beispieltypen illustriert werden: Zwischenstelle (a) (b) (c)

Satz­ verbindung

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

zwischen Sätzen mit Konjunktor, zwischen Nichtsätzen mit Konjunktor und zwischen Sätzen mit Parajunktor.

Ad (a): Bei diesem Fall geht es um Nebenordnung/Koordination, d.  h. um strukturell parallel gebaute und semantisch symmetrische Einheiten auf beiden Seiten des jeweiligen Konjunktors.37 Das Ergebnis ist eine Satzverbindung, d.  h. ein komplexer orthographischer Satz, der aus mehreren nebengeordneten Sätzen besteht:38 [8] Hannes zum Beispiel hatte sich eine Polizeikelle besorgt und [Hannes hatte] damit Schnellfahrer angehalten und [Hannes hatte] den Verschreckten ein Bußgeld abgeknöpft.

34 Das HdK (2003: 71) setzt hier innerhalb des Vorfelds eine Stelle an, die es „Nacherstposition“ nennt. Entsprechend gibt es auch eine „Vorerstposition“ (ebd.). 35 Nach dem HdK (2003: 504  ff.) sind viele Adverbkonnektoren auch nachfeldfähig, manche können sogar die „Nachsatzposition“ rechts vom Nachfeld besetzen. Das HdK (2014: 1200  f.) rechnet mit einem kausalen und einem präzisierenden, d.  h. explikativen, Konnektor nämlich. Der Kehlmann-Beleg ist explikativ (HdK 2014: 1140). Zu der Unterscheidung von ‚explikativ‘ und ‚präzisierend‘ Kap. II/4.3. 36 Prosodisch ist der Konjunktor dagegen immer in den zweiten Satz integriert (Ágel/Kehrein 2013: 127). 37 Natürlich ist es nicht zwingend, mit diesem engen Koordinationsbegriff zu arbeiten. Für einen weiten Koordinationsbegriff s. etwa Redder 2007. 38 Die Sätze selbst können dabei einfach sein wie in [8] oder aber komplex (Kap. II/2.3).

Makroglieder 

 81

Tab. 10: Zwischenstelle(n) zwischen Sätzen mit Konjunktor(en) Satz 1 [8]

Zwischen- Satz 2 stelle

Hannes zum Beispiel und hatte sich eine Polizeikelle besorgt

damit Schnell­ fahrer angehalten

Zwischen- Satz 3 stelle und

den Verschreckten ein Bußgeld abgeknöpft.

Da es keine unbesetzte Zwischenstelle gibt, ist diese Satzverbindung syndetisch. Ad (b): Auch hier geht es um Nebenordnung/Koordination, allerdings zwischen Nichtsätzen. Das Ergebnis ist demnach eine Nichtsatzverbindung, d.  h. ein komplexer orthographischer Satz, der aus mehreren nebengeordneten Nichtsätzen besteht: (17)

Wieder ein paar Häuser, die eine schiefe Front bildeten, zerbröckelnder Verputz, und gegenüber, lang und fensterlos, die düstere Fabrikmauer wie eine Barriere ins Reich der Trostlosigkeit.



(Böll Botschaft: 67)

Nichtsatz­ verbindung

Tab. 11: Zwischenstelle(n) zwischen Nichtsätzen mit Konjunktor Nichtsatz 1 (17)

Wieder ein paar Häuser, die eine schiefe Front bildeten,

Zwischen- Nichtsatz 2 stelle zerbröckelnder Verputz,

Zwischen- Nichtsatz 3 stelle und

gegenüber, lang und fensterlos, die düstere Fabrik­mauer wie eine Barriere ins Reich der Trostlosigkeit.

Im Gegensatz zu der rein syndetischen Verbindung in [8], ist hier die erste Zwischenstelle unbesetzt. Folglich sind die Nichtsätze 1 und 2 asyndetisch und die Nichtsätze 2 und 3 syndetisch verbunden. Ad (c): Hier geht es nicht um Nebenordnung/Koordination, sondern um Beiordnung/ Parordination (Höhle 1986: 329), d.  h., die verbundenen Makroglieder sind weder strukturell parallel gebaut noch semantisch symmetrisch. Die beiordnenden Junktoren heißen Parajunktoren. Das Ergebnis ist Vertextung/Textorganisation, d.  h. eine

Text­ organisation

82 

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

beiordnende Verkettung von Textsequenzen (inkl. Sätzen, Nichtsätzen und/oder Satzverbindungen):39 (18)

Wer redet, bleibt. Wer schweigt, geht. Obwohl. Gegangen ist der Brenner ja schon. Nur. Wohin gegangen? Weil es gibt ein Gehen, das ist schlimmer als das schlimmste Bleiben. (Haas Leben: 20)

Tab. 12: Zwischenstelle(n) zwischen Sätzen mit Parajunktor(en)

(18)

Sätze 1–2

Zwischen- Satz 3 stelle

Wer redet, bleibt. Wer schweigt, geht.

Obwohl.

Zwischen- Satz 4 stelle

Gegangen ist Nur. der Brenner ja schon.

Wohin ­gegangen?

Zwischen- Sätze 5–6 stelle Weil

es gibt ein Gehen, das ist schlimmer als das schlimmste Bleiben.

Auch hier gibt es unbesetzte und besetzte Zwischenstellen. Asyndetisch verbunden sind die Sätze 1 und 2 bzw. 5 und 6.40 Syndetisch verkettet sind die Sätze 1 und 2 mit Satz 3, Satz 3 mit Satz 4 und Satz 4 mit der Verbindung der Sätze 5 und 6. Kohäsionsglieder können in die topologische Struktur des jeweiligen Satzes integriert sein, oder sie können, als Konjunktoren oder als Parajunktoren, in der Zwischenstelle zwischen Sätzen und/oder Nichtsätzen stehen. Dadurch entstehen Satzverbindungen (Konjunktor zwischen Sätzen), Nichtsatzverbindungen (Konjunktor zwischen Nichtsätzen) oder Textverkettungen (Parajunktor zwischen Textsequenzen).

39 Der Begriff des Parajunktors (Ágel 2010, Ágel/Diegelmann 2010 und Ágel 2016) ist weiter als der der Para-Konjunktion von Thim-Mabrey 1985 (s. auch Duden 2005: 592 und 1060  f.), aber nicht so weit wie der Begriff des Parajunktors von Weinrich (2005: 785  ff.). Verwandte Begriffe in der GesprocheneSprache-Forschung sind ‚Operator‘ und ‚Diskursmarker‘ (z.  B. Barden/Elstermann/Fiehler 2001, Duden 2005: 1218  ff.). Bezogen auf die „Grammatik von und“ (Selmani 2012) entspricht das „konnektive und“ (Selmani 2012: 148  ff.) dem Parajunktor. Zur theoretischen Diskussion s. Ortner 1983, ThimMabrey 1985, Hennig 2006: 123  ff., Imo 2012, Heine 2013 und Ágel 2016. Auf den Begriff des Parajunktors und die Unterscheidung von Satzverbindung und Textorganisation kommen wir im Kap. II/4.3–4 zurück. 40 Bei der asyndetischen Verbindung der Sätze 1 und 2 handelt es sich nicht um Bei-, sondern um Nebenordnung. Die beiordnende asyndetische Verbindung von 5 und 6 ließe sich in einem anderen theoretischen Rahmen auch als eine Art Verbindung von Hauptsatz und „V2-Relativsatz“ (Freywald 2009: 118  f.) interpretieren.

Makroglieder 

 83

1.5 Der Satzrand: Satzrandglieder, Satzglieder, Kohäsionsglieder Insbesondere in der mündlichen Interaktion werden Sätze als Ressourcen, als „mögliche Sätze“, die sich prinzipiell verlängern lassen, aufgefasst (Selting 1995). Doch auch in der Belletristik wird von dieser Ressource Gebrauch gemacht. Die folgende Timm-Stelle lässt sich als eine dreifache Verlängerung des zugrunde liegenden Satzes auffassen: (19a) Wie ertrug sie das? (19b) Wie ertrug sie das, die Mutter? (19c) Wie ertrug sie das, die Mutter, die ihn ja kannte als den geselligen Mann? (19) Wie ertrug sie das, die Mutter, die ihn ja kannte als den geselligen Mann, charmant und einnehmend? (Timm Bruder: 106) Verlängerbar sind Sätze, wenn auch nicht in einem interaktiven Sinne, auch nach links: (20) Der Gedanke, daß Vorträge von mir gesendet werden können, von denen ich nicht mehr überzeugt war, als ich das Zeitliche segnete – der Gedanke ist mir unerträglich. (Böll Murke: 104) Ein Satz fängt also nicht notwendigerweise unmittelbar rechts von einer Zwischenstelle an und hört nicht notwendigerweise unmittelbar links von einer Zwischenstelle auf. Zwischen Zwischenstelle und Satzanfang, d.  h. am linken Satzrand, bzw. zwischen Satzende und Zwischenstelle, d.  h. am rechten Satzrand, können weitere Einheiten, ‚Verlängerungen‘, stehen, die zwar weitestgehend bekannt sind, deren theoretischer Status jedoch die wohl größte Herausforderung für das Stellungsfeldermodell und generell für jede Grammatiktheorie darstellt.41

41 Die klassische Arbeit über die Satzrand-/Herausstellungstrukturen (mit Linksversetzung und Freiem Thema bzw. Rechtsversetzung und Nachtrag) ist die von Altmann (1981), s. auch Altmann/ Hofmann 2008: 143  ff. Als neueres Referenzwerk gilt die IDS-Grammatik (1997/2: 1576  ff.) bzw. aus der Sicht der Gesprochenen-Sprache-Forschung Schwitalla (2012: 110  ff.), s. auch Auer 1991 und 1997 bzw. Hennig 2006. Die wohl ausführlichste Klassifikation bietet Eroms (2000: 352  ff.). Zifonun (2015) setzt sich mit der Differenzierung der IDS-Grammatik von Nachfeld und rechtem Außenfeld kritisch aus­ einander und kommt, unter Einbeziehung auch der Appositionsproblematik, zu dem Schluss, dass es keine zwingenden empirischen Gründe gebe, das sog. erweiterte Nachfeld syntaktisch in ein Nachfeld und ein rechtes Außenfeld zu splitten. Sie unterscheidet „syntaktische Verdichtungsräume“ von „Zonen verminderter Syntaktizität“, die sich zwischen jenen befinden würden (ebd.: 49). Sätze (als syntaktische Verdichtungsräume) werden dabei „bis zur rechten Klammer gerechnet“ (ebd.). Obwohl diese Satzauffassung mit der der Grammatischen Textanalyse nicht ganz konform ist, sind die Affinitäten des Konzepts verminderter Syntaktizität vs. syntaktischer Verdichtung mit dem Konzept der

Satzränder als Verlängerungen möglicher Sätze

84 

Satzrandglieder im engeren und weiteren Sinne

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

Aus der Sicht der Grammatischen Textanalyse stellen nicht alle Glieder, die in Sätzen vorkommen, automatisch Satzglieder dar (Kap. I/3.1). Das Gleiche gilt für den Satzrand: Nicht alle Glieder, die am Satzrand vorkommen, stellen automatisch grammatische Werte dar, die sich theoretisch als Satzrandglieder (im engeren Sinne) rekonstruieren lassen. Vielmehr sind am Satzrand drei Typen von grammatischen Werten, drei Typen von Satzrandgliedern im weiteren Sinne, zu unterscheiden: Satzrandglieder (im engeren Sinne), (a) (b) Satzglieder und (c) Kohäsionsglieder.

Satzrand­ glieder

Thema­ tisierungs­ ausdrücke

Ad (a): Satzrandglieder werden als Nichtsätze mit Satzgliedbezug, die in der Regel am Satzrand vorkommen, zu rekonstruieren sein. Sie stellen Strukturen dar, deren grammatischer Wert sich aus der grammatischen und/oder pragmatischen und/oder lexikalischen Rekonstruktion der Beziehung zu einem satzgrammatischen Wert ergibt. Funktional lassen sie sich am besten als „Thematisierungsausdrücke“ (IDSGrammatik 1997/1: 518  ff. und 548) beschreiben, da sie das Thema des nachfolgenden Satzes ankündigen („linksangebundene Thematisierungsausdrücke“) oder das Thema des vorangehenden Satzes präzisieren („rechtsangebundene Thematisierungsausdrücke“). In den folgenden Belegen wurden die Thematisierungsausdrücke, d.  h. die Satzrandglieder, (entsprechend der Markierungskonvention für Nichtsätze) Punkt-Strich unterstrichen und die Themen, d.  h. die Bezugssatzglieder, durch Einklammerung indiziert:42 (21)

(22)

(20)

Erhoben werden – Lachen, Jubel, eine unbändige Freude – (The- diese Empfindung ma) begleitet die Erinnerung an ein Erlebnis, ein Bild, das erste, das sich mir eingeprägt hat […]. (Timm Bruder: 61) Ihre Briefe aus Amerika – ich meine die Briefe von Sabeth – ma) lagen auf (Thedem Tisch, ein ganzes Bündel, Stempel von Yale, einer von Le Havre, dann Ansichtskarten aus Italien, ich las (The- eine einzige ma), weil sie auf den Boden gefallen war: Gruß aus Assisi (ohne Erwähnung meiner Person) mit tausend Küssen für Mama, mit inniger Umarmung […]. (Frisch Homo: 182) Der Gedanke, daß Vorträge von mir gesendet werden können, von denen ich nicht mehr überzeugt war, als ich das Zeitliche segnete – (The- der Gedanke ma) ist mir unerträglich.

Aggregation vs. Integration (s. unten) nicht zu übersehen. Zentral ist dabei sicherlich der Begriff des Stellungsfeldes, der erst im Kap. II/1.6 angesprochen werden soll. 42 Alle Nichtsätze in den folgenden Belegen stellen externe Prädikationen oder fragmentarische Nichtsätze (Kap. II/3.4) dar.

Makroglieder 

 85

(Böll Murke: 104) (23) Die Fahrerei, nervt dich (The- das ma) nicht? (Gesprächsausschnitt (vereinfacht), zit. n. Selting 1997: 137) (19) Wie ertrug (The- sie ma) das, die Mutter, die ihn ja kannte als den geselligen Mann, charmant und einnehmend? Wie ging (The- sie ma) damit um, diese so disziplinierte, stets freundliche Frau? (Timm Bruder: 106) Was an diesen unterschiedlichen Typen syntaktisch relevant ist, sind die unterschiedlichen Grade der formalen Anpassung der Thematisierungsausdrücke – (von oben nach unten) gewissermaßen von 0 bis 100 – an das jeweilige Thema: 1. In den ersten beiden Belegen findet keine formale Anpassung statt, aber unterschiedliche inhaltliche Anpassungen, die man als pragmatisch bzw. als lexikalisch bezeichnen könnte. 2. Im dritten Beleg findet eine lexikalische Wiederholung  – Der Gedanke…der Gedanke – statt, die sich aber auch grammatisch interpretieren lässt: die thematische Substantivgruppe ersetzt grammatisch den Thematisierungsausdruck. 3. Der vierte Beleg ist der erste Fall, bei dem das Thema ein in den Satz integrierter grammatischer Ausdruck ist: Das Subjekt das verweist ‚rückwärts‘, d.  h. anadeiktisch, auf den Thematisierungsausdruck. Es fehlt allerdings die Genusanpassung: Femininum (Die Fahrerei) vs. Neutrum (das). 4. Das ändert sich im letzten Beleg, wo sich die pronominalen thematischen Subjekte – zweimal sie – vorwärtsgerichtet, d.  h. kataphorisch, auf die genusidentischen Thematisierungsausdrücke beziehen.43

­Aggregation vs. ­Integration

Die Unterschiede ergeben sich also aus den unterschiedlichen Relationen zwischen Thema und Thematisierungsausdruck: je stärker die grammatische Relation, umso stärker die Integration. Deshalb ist die Technik, die der letzte Beleg veranschaulicht, am integrativsten, und die erste Technik am aggregativsten, d.  h. am wenigsten integrativ.44 Was alle fünf Typen miteinander verbindet, ist, dass sich der jeweilige Thematisierungsausdruck außerhalb der topologischen Satzstruktur befindet, d.  h. nicht in die Satzstruktur integriert ist, während das jeweilige Thema topologisch integriert ist. In diesem Sinne sind Satzrandglieder verglichen mit Satzgliedern immer aggregativ.

Aggregations-/ Integrationsgrad der Satzrandglieder

43 Auf Deixis und Phorik wird im Kap. II/4.3 einzugehen sein. Deixis und Phorik spielen auch bei der theoretischen Rekonstruktion der Korrelatverbindungen im Kap. III/3.1.7 eine zentrale Rolle. 44 Zur theoretischen Fundierung und empirischen Anwendung des Konzepts der Aggregation/Integration vgl. Ágel 2003, 2007, 2010, 2010a und 2015, Ágel/Hennig 2006 (jeweils mit weiterer Literatur), Langlotz 2014 und auch Kap. III/3.1.2.

Aggregativität der Satzrandglieder

86 

Rekonstruktion des Satzrandgliedes (im engeren Sinne)

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

Die Formen der Thematisierungsausdrücke stellen mögliche Formen von Nichtsätzen dar. Dies dürfte einsichtig sein, wenn man sich die Thematisierungsausdrücke der obigen Belege ohne ihre Kontexte vorstellt: –– Erhoben werden – Lachen, Jubel, eine unbändige Freude –– ein ganzes Bündel, Stempel von Yale, einer von Le Havre, dann Ansichtskarten aus Italien –– Gruß aus Assisi (ohne Erwähnung meiner Person) mit tausend Küssen für Mama, mit inniger Umarmung –– Der Gedanke, daß Vorträge von mir gesendet werden können, von denen ich nicht mehr überzeugt war, als ich das Zeitliche segnete –– Die Fahrerei –– die Mutter, die ihn ja kannte als den geselligen Mann, charmant und einnehmend? diese so disziplinierte, stets freundliche Frau? Im Sinne der Funktion-Argument-Wert-Formel (Kap. I/2.4.1) wurde die Funktion von Nichtsätzen pauschal als die Kodierung der fehlenden (relativen) grammatischen Autonomie im Text (= -Textautokod) bestimmt (Kap. I/2.4.3): -Textautokod (Formen von Nichtsätzen) = Nichtsatz Im Falle von Thematisierungsausdrücken manifestiert sich die fehlende (relative) grammatische Textautonomie darin, dass die Nichtsätze eben keine ‚autonomen‘ Themen darstellen, sondern zu einem Satzglied in Beziehung zu setzen sind. Dementsprechend ließe sich die Nichtsatz-Formel wie folgt spezifizieren: Satzgliedthematisierung (Nichtsatzform am Satzrand) = Satzrandglied im engeren Sinne Exemplifiziert an dem letzten ‚verlängerten‘ grammatischen Satz oben: Subjektthematisierung (diese so disziplinierte, stets freundliche Frau) = ­subjektthematisierendes Satzrandglied

­Ankündigung und ­Präzisierung

Thematisierung lässt sich, wie oben angedeutet, je nach Satzrand weiter differenzieren: Satzrandglieder stellen am linken Satzrand thematische Ankündigungen und am rechten Satzrand thematische Präzisierungen von Satzgliedern dar.45 Die Form diese so disziplinierte, stets freundliche Frau, die das Subjekt sie am rechten Satzrand thematisiert, stellt demnach die thematische Präzisierung des Subjekts dar; es ist ein subjektpräzisierendes Satzrandglied.46

45 In Anlehnung an das Nähe-Distanz-Modell (Ágel/Hennig 2006), wo die Termini ‚aggregative Ankündigung‘ (links) und ‚aggregative Präzisierung‘ (rechts) vorgeschlagen wurden. 46 Ungelöst ist das Problem der Abgrenzung der rechten, d.  h. präzisierenden, Satzrandglieder von den Appositionen. Beispielsweise rechnet die IDS-Grammatik (1997/2: 1648) „,Zusätze‘ mit einer

Makroglieder 

 87

Dem aufmerksamen Leser ist in der einleitenden Definition des Satzrandgliedes die Formulierung nicht entgangen, dass Satzrandglieder in der Regel am Satzrand vorkommen. Was ist darunter zu verstehen? Und ist das nicht ein Widerspruch? Wie auch oben angedeutet, gibt es zwar Affinitäten, aber keine 1:1-Beziehung zwischen grammatischen Werten und Topologie: Nicht alle Glieder in Sätzen sind Satzglieder und nicht alle Glieder am Satzrand sind Satzrandglieder. Umgekehrt gibt es Satzglieder auch am Satzrand (s. unten) und auch Satzrandglieder im Satz, genauer im Nachfeld:

Satzrand­ glieder im Satz

(24) Was haben (The- wir ma) uns krumm gelacht, mein Bruder und ich, wenn die guten Leute, die’s nicht wissen konnten, unsere frappante Ähnlichkeit bemerkten! (Frisch Homo: 98) Hier steht das subjektpräzisierende Satzrandglied, eine sog. Rechtsversetzung, mein Bruder und ich eindeutig im Nachfeld und ‚verdrängt‘ den Konditionalnebensatz, der ohne die Rechtsversetzung im Nachfeld stehen würde, an den rechten Satzrand. Trotzdem besteht Konsens darüber, dass Links- und Rechtsversetzungen funktional ‚Herausstellungstrukturen‘, d.  h. Satzrandglieder, darstellen.47 Ad (b): Kommen wir nun zu dem zweiten Typ von grammatischem Wert, der am Satzrand vorkommt, zu den Satzgliedern. So wie Satzrandglieder im Satz peripher sind, sind auch Satzglieder am Satzrand peripher. Typischerweise handelt es sich dabei um vorangestellte Adverbialnebensätze, die aus zwei Gründen am linken Satzrand vorkommen: (1) um eine ikonische Relation zu signalisieren oder (2) weil das Vorfeld von einem Korrelat besetzt wird, d.  h., weil eine Korrelatverbindung (= Nebensatz + Korrelat) vorliegt. Um (1) zu exemplifizieren, betrachten wir den folgenden Satz mit Irrelevanzkondi­ tio­nal (Verhältnisadverbiale, Kap. I/3.3 und Kap. III/1.6, werden grau hinterlegt): (25)

Auch wenn sie zehnmal recht hat nicht ändern von heut auf morgen […]. (Delius Held: 175)

(Irrelevanzkonditional-

, ich kann mich doch

adverbial)

Der Irrelevanzkonditional stellt einen besonderen Fall von Konditionalität dar, denn die Bedingung (Auch wenn…) ist nur eine Scheinbedingung: Egal, wie oft sie Recht

Bezugseinheit im Satz“, die in der vorliegenden Arbeit zu den Satzrandgliedern gerechnet werden, zu den Appositionen. Zur Appositionsproblematik Kap. IV/2.3. 47 Zur Abgrenzung von Satzrandglied und (virtuellem) Satz Kap. II/2.4.

Satzglieder am Satzrand Adverbial­ nebensätze

Ikonizität

88 

uneingeleitete Konditional­ nebensätze

Korrelat­ verbindungen

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

hat, es hat keine Konsequenzen für das Sich-ändern-Szenario. Da vorangestellte Konditionalnebensätze (ohne Korrelat), die eine echte Bedingung ausdrücken, im Vorfeld stehen, ergibt sich hier eine ikonische Relation: Die Opposition ‚Adverbialnebensatz im Vorfeld vs. am linken Satzrand‘ bildet die semantische Relation zwischen echter und Scheinbedingung ab.48 Vergleichbares scheint es auch bei uneingeleiteten Konditionalnebensätzen zu geben, bei denen das finite Verb die Position des Subjunktors übernimmt:49 (26) (27)

Täte sie es nicht adverbial), hätte ich nichts über dich zu erzählen. (Kehlmann Ruhm: 55) Hätte er gekonnt adverbial), er hätte alle hier zum Tod verurteilt. (Konditional(Kehlmann Ruhm: 44)

(Konditional-

Hier bildet die Opposition ‚Adverbialnebensatz im Vorfeld vs. am linken Satzrand‘ die semantische Relation zwischen potenzialer und irrealer Konditionalität ab: Der Potenzialis lässt die Möglichkeit eines künftigen Tuns oder Nichttuns und somit auch eines eventuellen Zu-Erzählen-Habens offen. In der Formulierung Täte sie es nicht steckt also auch die Möglichkeit, dass sie es tut. Die Möglichkeitsrelation zwischen Antezedens (im Nebensatz) und Konsequenz (im Hauptsatz) rechtfertigt die engere topologische Anbindung. Dagegen signalisiert der Irrealis, dass weder das Können-Anszenario (im Nebensatz) noch das Verurteilen-Szenario (im Hauptsatz) zutreffen. Die Formulierung Hätte er gekonnt schließt also die Interpretation aus, dass er (es) gekonnt hat. Die Außerkraftsetzung der Möglichkeitsrelation zwischen Antezedens (im Nebensatz) und Konsequenz (im Hauptsatz) rechtfertigt die losere topologische Anbindung.50 Um (2) zu exemplifizieren, betrachten wir die folgenden Konditionalnebensätze ohne und mit Korrelat: (28)



Wenn man den Kopf zur Seite dreht, um nicht immer diesen Milch(Konditionalglashimmel zu sehen adverbial), meint man jedesmal, man sei am Meer, unsere Pyramide eine Insel oder ein Schiff, ringsum das Meer […]. (Frisch Homo: 52)

48 Zur genaueren Beschreibung des Irrelevanzkonditionals und zu weiteren Verhältnisadverbialen am Satzrand Kap. III/3.1.6. 49 Im Rahmen der Theorie der expliziten Junktion (Ágel 2010 und Ágel/Diegelmann 2010) wird deshalb vom Subjunktorersatz gesprochen. 50 Um Missverständnissen vorzubeugen: Hier wird nicht behauptet, dass die Relation zwischen uneingeleitetem Konditionaltyp und Topologie durchweg ikonisch wäre. Angenommen wird lediglich, dass Konditionalnebensätze am linken Satzrand eher irreale als potenziale Konditionalität abbilden. Mir ist übrigens nicht bekannt, ob die Ikonizität uneingeleiteter Konditionalnebensätze empirisch untersucht wurde.

Makroglieder 

(29)



 89

Wenn so ein Streik in die Hose geht, wenn da nicht alle mitziehen, (Korredann lat) adverbial) ist das ein ungeheurer Rückschlag, hatte Roland zu Ullrich gesagt. (Timm Sommer: 201) (Konditional-

Wenn kein Korrelat vorliegt, besetzt der Adverbialnebensatz das Vorfeld. Handelt es sich dagegen um eine Korrelatverbindung mit dem Korrelat im Vorfeld, erscheint der Adverbialnebensatz am linken Satzrand.51 Auch nominale, nicht nebensatzförmige, Satzglieder kommen peripher am Satzrand vor. Zwei Typen sind zu unterscheiden: Zusätze am rechten Satzrand und ‚Ansätze‘ am linken. Am rechten Satzrand befinden sich sog. „Zusätze“ (IDS-Grammatik 1997/2: 1647  f.), die im Gegensatz zu den Satzrandgliedern, die Satzgliedbezug haben, selber Satzglieder sind:52 (30)

Reden Sie mit uns. (Zu- Sicherheitshalber satz). (Anzeige einer Versicherung im Spiegel 23. 5. 94, zit. n. IDS-Grammatik 1997/2: 1648)

Auch hier, so wie bei rechten Satzrandgliedern, besteht allerdings das generelle Problem der topologischen Abgrenzung von Nachfeld und rechtem Satzrand (Kap. II/1.6). Die IDS-Grammatik (ebd.) gibt die relativ autonome Intonation oder Interpunktion als mögliche Kriterien für die Unterscheidung von Nachfeldbesetzungen und Zusätzen an. Vergleichen wir hierzu den bereits zitierten Delius-Beleg mit einer Modifikation, bei der das im Original ausgeklammerte Adverbial zum Zusatz gemacht wird: Auch wenn sie zehnmal recht hat, ich kann mich doch nicht ändern (Aus- von heut auf morgen klammerung) […]. (Delius Held: 175) (25a) Auch wenn sie zehnmal recht hat, ich kann mich doch nicht ändern. (Zu- Von heut auf morgen satz). (25)

Die Ausklammerung, die integrativ angeschlossen ist, steht zweifelsohne im Nachfeld (Kap. II/1.3). Fügt man einen Nebensatz ins Nachfeld ein und verdrängt man somit die Ausklammerung an den rechten Satzrand, bekommt man einen höchst fragwürdigen Satz:

51 Zu Korrelatverbindungen und deren Interpretation im Rahmen der Grammatischen Textanalyse Kap. III/3.1.7. 52 Natürlich gibt es auch recycelte Zusätze, z.  B. innerhalb von Nebensätzen, die dann Satzglieder zweiten, dritten usw. Grades darstellen.

nominale Satzglieder am Satzrand Zusätze

90 

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

(25’) ??Auch wenn sie zehnmal recht hat, ich kann mich doch nicht ändern, weil ich ein Dickkopf bin, (Aus- von heut auf morgen klammerung) […]. Doch dasselbe gilt auch für den aggregativ angeschlossenen Zusatz: (25a’) ??Auch wenn sie zehnmal recht hat, ich kann mich doch nicht ändern, weil ich ein Dickkopf bin. (Zu- Von heut auf morgen satz). Auch bei der ‚Umkehrung‘ des Tests, wenn man also den Nebensatz rechts anschließt, verhalten sich Zusatz und Ausklammerung analog: (25’’) Auch wenn sie zehnmal recht hat, ich kann mich doch nicht ändern (Aus- von heut auf morgen klammerung), weil ich ein Dickkopf bin. (25a’’) Auch wenn sie zehnmal recht hat, ich kann mich doch nicht ändern. (Zu- Von heut auf morgen satz). Weil ich ein Dickkopf bin.

Ansätze

Würde man hier die Intonation/Interpunktion zum alleinigen Kriterium des topologischen Status machen, müsste man in Bezug auf (25’’) von einer Doppelbesetzung des Nachfelds (oder von zwei Nachfeldern) sprechen.53 Entscheidend aus der Sicht der Grammatischen Textanalyse ist, dass sich durch die Umstellungen nicht die Satzgliedwerte ändern, sondern der Aggregations-/Integrationsgrad des jeweiligen Satzglieds. Insofern ist die Situation vergleichbar mit der bei den Satzrandgliedern. Der andere Typ von nominalem Satzglied ist gewissermaßen das linke Pendant des Zusatzes, das ich mangels eines eingebürgerten Terminus Ansatz nenne (Kommentarglieder, Kap. I/3.3, werden gerahmt): (31) Was ist denn jetzt wieder los? Wollen sich die Jungs etwa beschweren, daß ich Runden schmeiße? So was habe ich ja noch nie erlebt. (An-  Am besten  satz), ich sage jetzt gar nichts mehr und denke mir meinen Teil. (Hennig von Lange Relax: 85) (32) Eigentlich müsste ich auswendig wissen, wie viele Tasten es sind, aber,  leider  satz), ich muss erst nachzählen. (An (Glattauer Nordwind: 127) (33) […] denn schon zwei Sonntage hintereinander bin ich meinem Chef begegnet, der jedesmal […] unserem Pluto das Fell krault. Aber (An-  merkwürdigerweise : Pluto mag ihn nicht […]. satz) (Böll Hundefänger: 57)

53 Im Kap. II/1.6 wird zu zeigen sein, dass Intonation und Interpunktion nur dann entscheidend sind, wenn die Topologie nicht weiterhilft, wenn also nur eine Stelle nach dem RK besetzt ist. Wenn sowohl das Nachfeld als auch der rechte Satzrand von einem Satzglied besetzt werden, dann stellt immer das integrativere Nachfeld-Satzglied die Ausklammerung und das andere Satzglied den Zusatz dar.

Makroglieder 

 91

Der Ansatz lässt sich als ein aggregativ angeschlossenes Kommentarglied, d.  h. als ein Kommentarglied am linken Satzrand, analysieren. Typischerweise sind Kommentarglieder jedoch in die topologische Satzstruktur integriert:54 (31’) Am besten  sage ich jetzt gar nichts mehr. (32’) […] aber,  leider  muss ich erst nachzählen. (33’) Aber  merkwürdigerweise  mag Pluto ihn nicht. Ad (c): Wir kommen nun zum dritten und letzten Typ von grammatischem Wert, der am Satzrand vorkommt: zu den Kohäsionsgliedern. Im Gegensatz zu Konjunktoren und Parajunktoren in der Zwischenstelle handelt es sich bei den Kohäsionsgliedern am Satzrand typischerweise nicht um einzelne Wörter, sondern um einleitende „textuell strukturierende Muster“ (Feilke 1996: 241  f.), um „usualisierte Formen der syntaktischen Desintegration“ (Schuster 2008: 158):55 Um auf das aktuell Brisanteste zu kommen glied): Warum hat der Westen […] (Introdarüber zu befinden, wer eine Atombombe haben darf? (35) (Intro- Was Kleinigkeiten ausmachen glied): Er trug dieselben Anzüge […]. (36) (Intro- Nicht dass die Fatah des Machmud Abbas eine Schäfchenherde wäre glied): auch sie hat […] den Terror nach Israel getragen. (Zeitungsbelege, zit. n. Schuster 2008: 158, Kursivierung ebenfalls von Schuster) (37) (Intro- Um es gleich zu sagen glied): Ich werde gesucht. (Timm Kopfjäger: 9) (38) »(Intro- Die Sache ist die glied)«, sagte er plötzlich, »Kumpel, ich habe den Kram satt, verstehst du? (Böll Aufenthalt: 73) (39) (Intro- Wenn ich mich nicht irre/täusche glied)… (34)

54 Auch Ansätze, die zumindest in den obigen Belegen die Mündlichkeit simulieren, wären ein lohnendes Forschungsprojekt. 55 In der Phraseologieforschung spricht Wolfgang Fleischer (1997: 130  ff.) generell von Phraseoschablonen (s. Kap. II/2.8). In Helmuth Feilkes Sprachtheorie geht es um „syntaktische Prägungen“ als einen Typ „idiomatischer Prägungen“ (Feilke 1996: 211  ff.), wobei textuell strukturierende Muster einen Subsubtyp syntaktischer Prägungen darstellen. Im Rahmen der Grammatischen Textanalyse werden diese sprachtheoretisch zentralen Konzepte auf die Makroglieder ‚verteilt‘ und in den nachfolgenden Kapiteln jeweils unter dem Stichwort ‚Lexifizierung‘ behandelt: lexifizierte Satz-Formate (Kap. II/2.8) und Nichtsatz-Formate (Kap. II/3.5) bzw. lexifizierte Kohäsionsglieder (Kap. II/4.5). Introglieder stellen lexifizierte Kohäsionsglieder dar und werden im Kap. II/4.5 erneut aufgegriffen. Gut erforscht sind Introglieder auch in der Gesprochenen-Sprache-Forschung, s. etwa Auer 1997: 67  ff. und Günthner 1999a. Zu der Die Sache ist die-Konstruktion vgl. Günthner 2008: 98  ff. und Kap. II/4.5.

Kohäsionsglieder am Satzrand Introglieder

92 

Abfolge von Intro-, Satzund Satzrandglied

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

Ich nenne diese idiomatischen Kohäsionsglieder, die „syntaktisch geprägt“ (Feilke 1996: 239  ff.) sind, sich jedoch lexikalisch (begrenzt) variabel besetzen lassen, der Kürze halber Introglieder.56 Kombiniert man den Delius-Beleg mit dem letzten Timm-Beleg, zeigt sich, dass das Introglied erwartungsgemäß dem aggregativen Satzglied vorangeht: (25a) ??(Irrelevanzkonditional- Auch wenn sie zehnmal recht hat adverbial), (Intro- um es gleich zu sagen glied), ich kann mich doch nicht ändern von heut auf morgen. (25b) (Intro- Um es gleich zu sagen glied): (Irrelevanzkonditional- Auch wenn sie zehnmal recht hat , ich kann mich doch nicht ändern von heut auf morgen. adverbial) Eine weitere Kombination dieser Kombination mit einem früheren Timm-Beleg zeigt, dass das Introglied auch dem Satzrandglied vorangeht (und das Satzglied dem Satzrandglied):57 (25c)

Nähezeichen

Um es gleich zu sagen glied): (Irrelevanzkonditional- Auch wenn sie zehnmal recht hat , diese so disziplinierte, stets freundliche Frau, (The- sie ma) kann sich doch adverbial) nicht ändern von heut auf morgen. (Intro-

Über die Introglieder hinaus gibt es noch sehr viele Typen von Zeichen, die in der mündlichen Interaktion als Kohäsionsglieder fungieren. Einige Beispiele: (3) »Kannste aufstehn?« »Weiß nich!« »Versuch (Abtönungs- ma partikel)!« »Warum denn?« »Weil das Gras so naß is!« »Hast recht!« »Los, (Voka- Chris tiv), steh auf!« »Gleich!« »Los! Du kannst hier nich rumliegen!« »(Re- Doch! aktiv)« »Das Gras is (Abtönungs- aber partikel) zu naß!« »Is (Abtönungs- doch partikel) egal!« (Hennig von Lange Relax: 111)

56 In Anlehnung an Hoffmann (2013: 177  f.), der in Bezug auf die Stellungsfelder von Intro(- und Retro)feld spricht. Ansätze (s. oben) funktionieren als pragmatische Äquivalente von Introgliedern (Kap. II/4.5). 57 Der Thematisierungsausdruck könnte hier nicht nur als Links-, sondern auch als Rechtsversetzung interpretiert werden. Dann wäre es kein genuines, sondern ein recyceltes Satzrandglied (zum Recycling Kap. I/2.5).

Makroglieder 

 93

(38) »Die Sache ist die«, sagte er plötzlich, »(Voka- Kumpel tiv), ich habe den Kram satt, (Vergewisserungs- verstehst du? signal) (Böll Aufenthalt: 73) (40) Wir waren jeweils ‚die große Liebe unseres Lebens’, aber nie, wenn wir zusammen waren, immer nur, wenn wir uns gerade wieder bemühten, zusammenzufinden. (Gliederungs- Ja signal), und im Herbst war es dann endlich so weit […]. (Glattauer Nordwind: 21) Hier handelt es sich um Nähezeichen, d.  h. um Kohäsionsglieder, die in der konzeptionellen Mündlichkeit, der ‚Nähesprache‘, zu Hause sind.58 Angesichts der großen Bandbreite und Variabilität der Nähezeichen, kann hier jedoch deren topologische Einordnung nicht vorgenommen werden.59 Um die Überlegungen im vorliegenden Kapitel zusammenzufassen, sollen einige topologische Variationen über den Satzrand mithilfe der folgenden vier, bereits bekannten, Belege tabellarisch dargestellt werden: […] Wie ging sie damit um, diese so disziplinierte, stets freundliche Frau? (Timm Bruder: 106) Auch wenn sie zehnmal recht hat, ich kann mich doch nicht ändern von heut auf morgen […]. (Delius Held: 175) (31) […] Am besten, ich sage jetzt gar nichts mehr […]. (Hennig von Lange Relax: 85) (37) Um es gleich zu sagen: Ich werde gesucht. (Timm Kopfjäger: 9) (19) (25)

Dabei werden, wie erwähnt, die Nähezeichen nicht berücksichtigt. Des Weiteren wird die oben skizzierte Abfolge von Satzrandgliedern im weiteren Sinne (= Intro-, Satz- und Satzrandglied) auch nicht berücksichtigt, weil die Unterteilung des Satzrandes in weitere Stellen zu einer völlig überfrachteten Darstellung führen würde. Man beachte auch, dass die Junktoren weil, obwohl und wobei in der Tabelle unten nicht als Subjunktoren, d.  h. als Nebensatzeinleiter, sondern als Parajunktoren zu verstehen sind.60

58 Zu der Unterscheidung ‚Medium vs. Konzeption‘, d.  h. mediale vs. konzeptionelle Mündlichkeit, vgl. Söll 1985: 17  ff. bzw. Koch/Oesterreicher 1985 und 1994. In unserer Klassifikation der Kohäsionsglieder gehören Nähezeichen zu der Unterklasse der Kohäsionsglieder (Kap. II/4.3–4). Die Kategorie des Reaktivs übernehme ich von Bernd Sieberg (2016). 59 Die IDS-Grammatik (1997/2: 1580 und 1649), die von „interaktiven Einheiten“ spricht, versucht die topologische Einordnung, beschränkt sich jedoch auf eine kleinere Auswahl von Nähezeichen. 60 Man spricht in der Fachliteratur gerne von weil/obwohl/wobei + Verbzweit, was aber empirisch inadäquat und theoretisch irreführend ist (Ágel 2016). Denn Parajunktoren verlangen keine bestimmte Verbstellung und beeinflussen nicht die interne Struktur ihrer Relata.

Zusammenfassung

94 

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

In der Kopfzeile der tabellarischen Darstellung sind folgende nicht zufällige Unterschiede markiert: (1) Die topologische Satzstruktur (Satzklammer und Stellungsfelder) ist  – positionell, durch Vollrahmung und durch Fettdruck – besonders hervorgehoben. (2) Davon abgesetzt sind – positionell, durch Teilrahmung wie auch durch fehlenden Fettdruck – die Satzränder. (3) Davon abgesetzt sind – durch fehlende Rahmung – wiederum die Zwischenstellen links und rechts, die ja weder zum Satz noch zum Satzrand gehören. Variationen über den Satzrand

Tab. 13: Topologische Variationen über den Satzrand

Zwischen- linker stelle Satzrand

Übrigens:

Vorfeld LK

Mittelfeld RK

Wie

ging

sie damit

um,

Wie

ging

sie damit

um,

Nachfeld

diese so disziplinierte, stets freundliche Frau? wenn eine tiefe Verzweiflung sie überkam,

rechter Satzrand

Zwischenstelle

diese so disziplinierte, stets freundliche Frau? wenn eine tiefe Verzweiflung sie überkam?

Wobei…

Und

noch etwas:

Wie

ging

sie damit

um,

Jedenfalls:

Auch wenn sie zehnmal recht hat, auch wenn sie zehnmal recht hat, die Sache ist die:

ich

kann

mich doch nicht

ändern

ich

kann

mich doch nicht

ändern

von heut auf morgen.

Weil ich ein Dickkopf bin.

Und…

Wenn sie recht hat,

könnte er sich doch

ändern

von heut auf morgen.

Dein Kumpel.

Aber…

Weil,

Wobei,

diese so disziplinierte, stets freundliche Frau, von heut auf morgen.

Obwohl…

Makroglieder 

Zwischen- linker stelle Satzrand Am besten,

Vorfeld LK

ich

sage

Aber,

wenn ich Am ehrlich besten bin:

sollte

Doch,

wenn du eh nicht zuhörst,

sage

Also,

Um es Ich gleich zu sagen: wenn es er dich interessiert: was Ich mich betrifft:

Und,

Weil,

dann

werde

Mittelfeld RK

jetzt gar nichts mehr. ich jetzt gar nichts mehr ich jetzt am besten gar nichts mehr.

sagen,

Nachfeld

deshalb,

 95

rechter Satzrand

Zwischenstelle

weil es eh sinnlos ist.

Und…

Nur…

gesucht.

wird

jetzt

gesucht,

weil er auf der Flucht ist,

dein Kumpel.

werde

deshalb

gesucht.

weil ich auf der Flucht bin.

Seit Jahren.

Wobei…

Am Satzrand kommen drei Typen von grammatischen Werten vor: Satzrandglieder (im engeren Sinne), Satzglieder und Kohäsionsglieder. Sie werden zusammenfassend Satzrandglieder im weiteren Sinne genannt. Satzrandglieder sind Nichtsätze mit Satzgliedbezug, die in der Regel am Satzrand vorkommen und die keine Satzglieder und Kohäsionsglieder sind. Sie unterscheiden sich untereinander hinsichtlich ihres Aggregations-/Integrationsgrades, d.  h. der syntaktischen Enge des Satzgliedbezugs. Satzglieder am Satzrand sind typischerweise vorangestellte Adverbialnebensätze. Es kommen aber auch nominale Satzglieder vor: am rechten Satzrand Zusätze, am linken ‚Ansätze‘. Kohäsionsglieder am linken Satzrand sind typischerweise einleitende idiomatische Prägungen (Muster), die Introglieder genannt werden.

96 

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

1.6 Was ist ein Stellungsfeld? die topologische Offenheit des Satzes

Variationen über Nachfeld und rechten Satzrand

Wie im Kap. II/1.5 angedeutet, ist die topologische Abgrenzung von Satz (mit Satzklammer und Stellungsfeldern) und Satzrand sehr problematisch und ungelöst. Da die Satzklammer nur das Mittelfeld einklammert, bleibt die Grenze zwischen Vorfeld und linkem Satzrand bzw. Nachfeld und rechtem Satzrand offen. Da das Vorfeld theoretisch wesentlich besser in den Griff zu bekommen ist als das Nachfeld (s. unten), ist es die ‚rechte Grenzsituation‘, die besonders kritisch ist (Zifonun 2015). Um das Problem zu veranschaulichen, betrachten wir die nachfolgenden topologischen Variationen am Beispiel des folgenden Timm-Satzes: (41) Ich komme aus dem Garten in die Küche, wo die Erwachsenen stehen, meine Mutter, mein Vater, meine Schwester. (Timm Bruder: 7) Da das Original ein synthetisches Prädikat (Präsens) enthält, wird dabei das Prädikat ins Perfekt gesetzt, um die jeweilige Grenze zwischen Mittel- und Nachfeld eindeutig zu machen: Tab. 14: Topologische Variationen über Nachfeld und rechten Satzrand Vorfeld LK Ich

bin

Ich

bin

Ich

bin

Ich

bin

Ich

bin

Ich

bin

Mittelfeld

RK

aus dem Garten in die Küche, wo die Erwachsenen stehen, meine Mutter, mein Vater, meine Schwester, aus dem Garten in die Küche, wo die Erwachsenen stehen, aus dem Garten in die Küche, wo die Erwachsenen stehen, aus dem Garten in die Küche

gekommen.

aus dem Garten in die Küche

gekommen: gekommen: gekommen,

gekommen, gekommen

Nachfeld

meine Mutter, mein Vater, meine Schwester.

wo die Erwachsenen stehen, meine Mutter, mein Vater, meine Schwester. wo die Erwachsenen stehen, aus dem Garten in die Küche, wo die Erwachsenen stehen, meine Mutter, mein Vater, meine Schwester.

rechter Satzrand

meine Mutter, mein Vater, meine Schwester.

meine Mutter, mein Vater, meine Schwester.

Makroglieder 

Vorfeld LK

Mittelfeld

RK

Nachfeld aus dem Garten in die Küche, wo die Erwachsenen stehen, aus dem Garten in die Küche,

Ich

bin

gekommen

Ich

bin

gekommen

 97

rechter Satzrand meine Mutter, mein Vater, meine Schwester. wo die Erwachsenen stehen, meine Mutter, mein Vater, meine Schwester.

Das Beschreibungsproblem besteht darin, dass sich alles, was im Mittelfeld steht, geschlossen oder getrennt hinter den rechten Klammerteil verschieben lässt, wo es sich wiederum in unterschiedlichen Konstellationen auf Nachfeld und rechten Satzrand verteilen lässt. Alle acht topologischen Varianten sind (höchstwahrscheinlich) grammatisch korrekt, und für alle ließen sich auch (mehr oder weniger) gute Argumente finden.61 Wie wir am Ende dieses Kapitels sehen werden, lassen sich jedoch drei als theoretisch inadäquat ausfiltern. Demgegenüber führt die Topikalisierung nur zu einer minimalen Variation, bei der der linke Satzrand gar nicht betroffen ist: Tab. 15: Topikalisierung: Variationen über Vorfeld Vorfeld

LK

Mittelfeld

RK

Aus dem Garten

bin

gekommen.

In die Küche, wo die Erwachsenen stehen, meine Mutter, mein Vater, meine Schwester, Aus dem Garten in die Küche, wo die Erwachsenen stehen, meine Mutter, mein Vater, meine Schwester,

bin

ich in die Küche, wo die Erwachsenen stehen, meine Mutter, mein Vater, meine Schwester, ich aus dem Garten

bin

ich

Nachfeld

rechter Satzrand

gekommen. gekommen.

61 An der ersten Variante (mit Volleinklammerung) scheiden sich die Meinungen von ‚ungrammatisch‘ über ‚höchst ungewöhnlich, aber noch grammatisch‘ bis ‚höchstens ungewöhnlich‘.

das ­deskriptive Problem

98 

das explanative Problem

der unlösbare Teil des Problems

der lösbare Teil des ­Problems zum Vorfeldbegriff

Das Erklärungsproblem besteht darin, dass die Grundfrage des Stellungsfeldermodells, nämlich die Frage, was ein Stellungsfeld ist, ungeklärt ist. Typischerweise beruft man sich in der Fachliteratur auf den unbestreitbaren empirischen und praktischen Nutzen, d.  h. auf die Brauchbarkeit, des Modells.62 Den wenigen, die sich mit dem theo­retischen Problem auseinandersetzen (vor allem Reis 1980 und Höhle 1986), geht es nicht um die Abgrenzung von Satz und Satzrand, sondern um das explanative Potenzial des Modells, das in seinen Grundzügen vorausgesetzt wird. Ich werde hier das explanative Problem auch nicht lösen können, will aber wenigstens versuchen, einen Teil des Problems in Angriff zu nehmen. Von einem Begriff wie etwa ‚Mensch‘ erwarten wir, dass er relevante Merkmale erfasst, mit deren Hilfe wir konkrete Exemplare als Menschen identifizieren können. Affen haben sehr viele gemeinsame Eigenschaften mit Menschen, werden jedoch unter dem Begriff ‚Affe‘ subsumiert. Dieses Bild ist durchaus übertragbar auf die Stellungsfelder: ‚Mittelfeld‘ auf der einen Seite und ‚Vor-/Nachfeld‘ auf der anderen haben durchaus viele gemeinsame Eigenschaften, aber auch einen elementaren Unterschied: Das Mittelfeld ist komplett abgegrenzt durch die beiden Klammerteile, während es links des Vorfelds und rechts des Nachfelds keinen Klammerteil gibt. Hier geht es also um ‚Mensch‘ vs. ‚Affe‘, und man kann sich schwer einen Stellungsfeldbegriff vorstellen, mit dem sich dieser elementare Unterschied aufheben ließe. Deshalb sollten wir uns lieber dem (vermutlich) lösbaren Teil des Problems zuwenden und uns fragen, ob und wie sich ‚Vorfeld‘ und ‚Nachfeld‘ unter einem einheitlichen Feldbegriff subsumieren lassen. Bekanntlich, und wie bereits am Beispiel von Satz [23] angemerkt (Kap. II/1.3), hat die Stellung des Finitums nichts mit der Anzahl der Wörter vor dem linken Klammerteil zu tun. Der folgende Beleg enthält 27 Wörter vor dem Finitum. Trotzdem würde hier jeder Grammatiker, zu Recht, von Verbzweit sprechen: (42)

Vorfeld: ‚tief‘ topologisch

,Tiefe‘ = Einbettung

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

Wenn man richtig atmet, so hier unten, und er zeigte dabei auf den Bauch, wenn man richtig spricht, nicht auf den Stimmbändern, sondern im Kopf, also hier, bekommt man keine Erkältung […]. (Timm Sommer: 196)

Der Vorfeldbegriff basiert also eindeutig auf der Idee, dass das Vorfeld den topologischen Raum für eine hierarchische Einheit, die als Satzglied identifiziert wurde (Kap. II/1.3), bereitstellt. Man könnte sagen, dass ‚Vorfeld‘ ein ‚tiefer‘, d.  h. hierarchischer, topologischer Begriff ist. Diese ‚Tiefe‘ manifestiert sich syntaktisch in der Möglichkeit der Einbettung:

62 Eine typische Formulierung ist, dass sich das Modell bewährt habe, s. etwa die IDS-Grammatik (1997/2: 1502).

Makroglieder 

 99

Der untergeordnete Satz ist in den komplexeren Satz eingebettet, eingeordnet als Konstituente an einer Stelle in dessen syntaktischer Struktur bzw. mit einer syntaktischen Funktion, die auch von einer nicht-satzförmigen Konstituente eingenommen werden könnte […]. Der untergeordnete Satz – der Nebensatz – ist die satzförmige Realisierung eines Satzglieds oder Satzgliedteils im komplexen Satz. Demnach besteht zwischen dem untergeordneten Satz und einem bestimmten Teil des Obersatzes (der Oberklausel) eine direkte syntaktische Relation (z.  B. Objektfunktion oder Attribuierung) der gleichen Art, wie es sie zwischen Teilen eines einfachen Satzes geben kann. (Fabricius-Hansen 1992: 462)

Es geht also darum, dass Nebensätze beliebiger Komplexität, die sich durch nominale Satzglieder oder Satzgliedteile (Attribute) ersetzen lassen, dasselbe Feld besetzen wie die nominalen Satzglieder oder Satzgliedteile. Dieses Feld kann aber nur das Vorfeld sein, weil Nebensätze, die nur nachgestellt vorkommen können, generell nicht als eingebettet eingestuft werden.63 Das HdK (2003: 237) macht den Zusammenhang auch explizit: „Entscheidend für die Definition von ‚Einbettung‘ ist die Möglichkeit der Vorfeldstellung. Verbletztsätze zu Konnektoren, die dies nicht erlauben, (sodass, wobei u a.) betrachten wir nicht als ‚eingebettet‘ […].“ Die Bedeutung des Vorfelds für den Einbettungsbegriff bleibt auch dann erhalten, wenn der Einbettungsbegriff nicht auf Nebensätze (oder Infinitivkonstruktionen) eingeschränkt wird, sondern auch die mögliche Komplexität nominaler Satzglieder berücksichtigt wird. Beispielsweise gelangt man zum Originalsubjekt des folgenden Böll-Belegs in zwei Einbettungsschritten: (2’’) (2’) (2)



Einbettung > Vorfeld

Einbettung: nominale Komplexität

Der Mann jekt) verschwindet unter einem großen Schild mit hochtönendem (SubNamen. Der Mann mit der roten Mütze jekt) verschwindet unter einem großen Schild (Submit hochtönendem Namen. Der Mann mit der roten Mütze, der den Zug endlich, endlich wieder abfah(Subren läßt jekt), verschwindet unter einem großen Schild mit hochtönendem Namen […]. (Böll Botschaft: 67)

Zentrales Definiens des Vorfeldbegriffs ist die Einbettung. Daraus ergeben sich drei theoretische Optionen:

63 „Es gibt Nebensatztypen, die sich schwerlich als eingebettet beschreiben lassen, obwohl sie andere Merkmale der Unterordnung aufweisen und folglich auch nicht als Ganzsätze eingestuft werden können. Dies trifft beispielsweise auf gewisse sogenannte weiterführende Nebensätze (‚SatzRelativsätze’) zu […]; auch bei Konsekutivsätzen […] macht die Vorstellung von syntaktischer Einbettung bekanntlich Schwierigkeiten.“ (Fabricius-Hansen 1992: 463). Es wird also ein asymmetrisches Verhältnis zwischen Einbettung und Unterordnung (Subordination) angenommen: Alles, was eingebettet ist, ist untergeordnet, aber nicht umgekehrt. Den Unterschied macht auch Peyer (1997), die aber noch restriktiver ist: Eingebettet können nur Komplemente und Attribute sein.

Zwischenfazit

100 

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

(1) Sollen ‚Vorfeld‘ und ‚Nachfeld‘ unter einem einheitlichen Feldbegriff subsumiert und sollte dabei der skizzierte Vorfeldbegriff nicht aufgegeben werden, muss auch der Begriff des Nachfelds ‚tief topologisch‘ interpretiert werden. (2) Oder: Wenn sich der Begriff des Nachfelds doch nur ‚flach topologisch‘ interpretieren lässt, muss es eine plausible Erklärung geben, warum die Einbettung im Nachfeld nicht oder nicht ganz funktioniert. (3) Oder: Es geht nicht nur um Einbettung. zum Nachfeldbegriff

Betrachten wir nun die folgenden Belege und deren Varianten mit topikalisierten Nachfeld-Satzgliedern: Mein Gehirn gab das alles teilnahmslos wieder, spie es aus, (Temporal- während ich schwindelnd auf diesem dunklen Gewässer einherschwamm, (Zu- in dieser Nacht ohne Stunde, in einem Haus, das ich nicht kannte, einer namenlosen Straße, neben einem Mädchen, dessen Gesicht ich nicht recht gesehen hatte  … sätze) adverbial) (Böll Aufenthalt: 73) (43’) (Temporal- Während ich schwindelnd auf diesem dunklen Gewässer einherschwamm, (Zu- in dieser Nacht ohne Stunde, in einem Haus, das ich nicht kannte, einer namenlosen Straße, neben einem Mädchen, dessen Gesicht ich nicht recht gesehen hatte sätze) adverbial), gab mein Gehirn das alles teilnahmslos wieder, spie es aus. (44) Mir war hier aufgegangen, (Sub- daß ich es versäumt hatte, zu dokumentieren, wovon sie einst gelebt hatten, die Stürmer und Dränger, die Klinger und Hamann, Maler Müller und der arme Hund Lenz […] jekt). (Lenz Landesbühne: 15) (44’) (Sub- Daß ich es versäumt hatte, zu dokumentieren, wovon sie einst gelebt hatten, die Stürmer und Dränger, die Klinger und Hamann, Maler Müller und der arme Hund Lenz jekt), war mir hier aufgegangen. (43)

Nachfeld: ‚relativ flach‘ topologisch

Ich vermute, dass die deutliche Mehrheit der Grammatiker die Belege so analysieren würde, dass sowohl die Zusätze innerhalb des Temporaladverbials (Böll-Beleg) als auch die Thematisierungsausdrücke (thematische Präzisierungen) innerhalb des Subjekts (Lenz-Beleg) am rechten Satzrand untergebracht würden.64 Bei den topikalisierten Varianten würde jedoch das jeweilige Satzglied – samt Zusätzen und Thematisierungsausdrücken – das Vorfeld besetzen. Im Gegensatz zum Vorfeldbegriff basiert der Nachfeldbegriff also eindeutig auf der Vorstellung einer ‚relativ flachen‘ Topologie. Mit relativ ist gemeint, dass die Ein-

64 Zusätzlich stellt sich das hier nicht weiter zu verfolgende Problem, ob es sich um einen oder um mehrere Zusätze/Thematisierungsausdrücke (mit einer oder mehreren ‚Stellen‘ innerhalb des Satzrands) handelt.

Makroglieder 

 101

bettung keinesfalls ganz außer Kraft gesetzt wird, wie man es am Lenz-Beleg sieht: Hier steht ein Nebensatz mit zweifacher Einbettung (daß ich es versäumt hatte, zu dokumentieren, wovon sie einst gelebt hatten) im Nachfeld. Bei der Einbettung muss man also differenzieren: –– Wenn das ganze Satzglied im Vorfeld stehen kann, geht es um die Einbettung in den Satz, –– wenn ein Satzglied selbst eingebettete Bestandteile hat, geht es um die Einbettung in ein Satzglied.

Satz-Einbettung und SatzgliedEinbettung

Während das Subjekt des Lenz-Belegs ein Beispiel für beides darstellt, stellt das formal identische Konsekutivadverbial des folgenden Beispiels eine Satzglied-Einbettung, jedoch keine Satz-Einbettung dar:65 (44a) Ich war mit anderen Dingen beschäftigt, (Konsekutiv- sodaß ich es versäumt hatte, zu dokumentieren, wovon sie einst gelebt hatten, die Stürmer und Dränger, die Klinger und Hamann, Maler Müller und der arme Hund Lenz adverbial). (44a’) *(Konsekutiv- Sodaß ich es versäumt hatte, zu dokumentieren, wovon sie einst gelebt hatten, die Stürmer und Dränger, die Klinger und Hamann, Maler Müller und der arme Hund Lenz adverbial), war ich mit anderen Dingen beschäftigt. Die theoretische Option (1) scheidet also zwar aus, doch es wurde eine wichtige Gemeinsamkeit von Vor- und Nachfeld gefunden: die Satzglied-Einbettung. Sind aber Zusätze (Böll-Beleg) und Thematisierungsausdrücke (Lenz-Beleg) Bestandteile einer Satzglied-Einbettung? Nein. Einbettung impliziert Integration, aber sowohl bei Zusätzen als auch bei Thematisierungsausdrücken handelt es sich um aggregative grammatische Werte. Wenn also Zusätze und Thematisierungsausdrücke vor dem linken Klammerteil erscheinen (s. die topikalisierten Varianten der Belege), sind sie nicht eingebettet, sondern (durch den linken Klammerteil) mit eingeschlossen. Verbzweit basiert also keinesfalls nur auf Einbettung: Integrierbare Bestandteile des Vorfeld-Satzglieds sind eingebettet, aggregative mit eingeschlossen. Wir können nun die theoretischen Optionen (2) und (3) aufgreifen: Entscheidend bei der Definition des Nachfelds ist weniger die fehlende Satz-Einbettung, sondern die fehlende Einschließungsmöglichkeit: Zusätze oder Thematisierungsausdrücke sind eben, s. die Original-Belege, nicht eingeschlossen, was übrigens auch die Voraussetzung für die Annahme einer ‚relativ flachen‘ Topologie ist. In Sätzen mit nur integrativen Einheiten, die typisch für selbst erfundene Grammatiker-Sätze, aber weniger typisch für Texte sind, sind Vor- und Nachfeld analog modellierbar: Satzglied-Einbettung auf beiden Seiten.

65 S. auch die obigen Zitate von Fabricius-Hansen und aus dem HdK, wo Konsekutivnebensätze explizit als nichteinbettend (nicht vorfeldfähig) eingestuft werden.

das ­Gemein­same: ­SatzgliedEinbettung Aggregation Einbettung, Einschließung und Verbzweit

der Unterschied: +/Einschließung

Fazit: zum Begriff des Stellungs­ feldes

102 

Operationa­ lisierung Nachfeld­ besetzung

Der wesentliche Unterschied ergibt sich, wenn auch aggregative Einheiten berücksichtigt werden: Diese werden, obwohl nicht eingebettet, durch den linken Klammerteil mit eingeschlossen, durch den rechten jedoch nicht. Verglichen mit diesem Unterschied ist die Relevanz der Satz-Einbettung zu vernachlässigen: Unabhängig davon, ob ein Satzglied im Vorfeld stehen kann oder nicht, nur der integrative Teil des Satzglieds besetzt das Nachfeld. Dies gilt für das vorfeldfähige Subjekt (daß ich es versäumt hatte, zu dokumentieren, wovon sie einst gelebt hatten) und das nicht vorfeldfähige Konsekutivadverbial (sodaß ich es versäumt hatte, zu dokumentieren, wovon sie einst gelebt hatten) gleichermaßen. Die hier vorgestellten theoretischen Überlegungen sind durchaus operationalisierbar: Die Unterscheidung zwischen Aggregation und Integration bzw. Einbettung und Einschließung liefert relativ eindeutige Kriterien für die Nachfeldbesetzung: Das Nachfeld kann besetzt werden (a) (b) (c) (d)

Besetzung des rechten Satzrands

von einem integrativen Satzglied oder Attribut,66 von einem aggregativen Satzglied, von einem aggregativen Bestandteil eines Satzglieds, dessen integrativer Teil sich im Mittelfeld befindet, oder von einem Satzrandglied.

Ausgehend von diesen Kriterien bekommen wir relativ eindeutige Kriterien auch für die Besetzung des rechten Satzrands: Wird das Nachfeld von einer der oben genannten Strukturen (a) bis (d), d.  h. von (a) (b) (c) (d)

Kurzfassung: Operatio­ nalisierungsergebnis

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

einem integrativen Satzglied oder Attribut, einem aggregativen Satzglied, einem aggregativen Bestandteil eines Satzglieds, dessen integrativer Teil sich im Mittelfeld befindet, oder einem Satzrandglied

besetzt, befinden sich alle (weiteren) aggregativen Einheiten am rechten Satzrand. Das Nachfeld ist der Ort für genuin aggregative Elemente und für ausgeklammerte integrative Elemente. Hinzu kommen als genuin integrative Nachfeldbesetzungen Nebensätze und Infinitivkonstruktionen.67 Der rechte Satzrand ist der genuine Ort für aggregative Elemente rechts von einem bereits besetzten Nachfeld.

66 Integratives Attribut im Timm-Beispiel ist der Relativnebensatz (wo die Erwachsenen stehen). 67 Da sich Ausklammerung als topologische Aggregierung auffassen lässt, führt die Operationalisierung zu einer homogenen Statusbestimmung des Nachfelds: Das Nachfeld ist der Ort für genuin aggregative oder für sekundär, topologisch, aggregierte (da dislozierte) Elemente. Was dieses Bild ‚stört‘, sind die integrativen Nebensätze und Infinitivkonstruktionen im Nachfeld. Hier überschreibt Komplexität Aggregativität, also vielleicht doch keine ‚Störung‘, sondern der notwendige Konflikt zweier grammatischer Prinzipien, die um dasselbe topologische Stück buhlen.

Makroglieder 

 103

Im Sinne des Operationalisierungsergebnisses lassen sich von den acht topologischen Varianten in der Tabelle 14 drei als theoretisch inadäquat ausfiltern:68

inadäquate topologische Varianten

Tab. 16: Theoretisch inadäquate topologische Variationen über Nachfeld und rechten Satzrand Vorfeld

LK

Mittelfeld

RK

Ich

bin

gekommen,

Ich

bin

aus dem Garten in die Küche, wo die Erwachsenen stehen, aus dem Garten in die Küche

Ich

bin

gekommen,

gekommen

Nachfeld

wo die Erwachsenen stehen, meine Mutter, mein Vater, meine Schwester. aus dem Garten in die Küche, wo die Erwachsenen stehen, meine Mutter, mein Vater, meine Schwester.

rechter Satzrand meine Mutter, mein Vater, meine Schwester.

Der Vorteil einer auf grammatischen Werten basierenden topologischen Analyse besteht darin, dass ‚Dislokationen‘ zu keinem Widerspruch führen. Betrachten wir erneut die topikalisierten Varianten des Böll- und des Lenz-Belegs: (43’)

Während ich schwindelnd auf diesem dunklen Gewässer einher(Temporalschwamm, (Zu- in dieser Nacht ohne Stunde, in einem Haus, das ich nicht kannte, einer namenlosen Straße, neben einem Mädchen, dessen Gesicht ich nicht recht gesehen hatte sätze) adverbial), gab mein Gehirn das alles teilnahmslos wieder, spie es aus. (44’) (Sub- Daß ich es versäumt hatte, zu dokumentieren, wovon sie einst gelebt hatten, die Stürmer und Dränger, die Klinger und Hamann, Maler Müller und der arme Hund Lenz jekt), war mir hier aufgegangen. Hier handelt es sich um rechte Satzrandglieder im weiteren Sinne, d.  h. um Zusätze und rechte Thematisierungsausdrücke (thematische Präzisierungen), die am rechten Rand des Vorfelds, also vor dem linken Klammerteil, erscheinen. Dies ist deshalb möglich, weil sie in den Originalbelegen aggregative Bestandteile von vorfeldfähigen Satzgliedern sind. Wenn diese Satzglieder topikalisiert werden, werden ihre rechten Satzrandglieder (im weiteren Sinne) im Vorfeld mit eingeschlossen.

68 Wohlgemerkt, es geht hier nicht um grammatische Korrektheit oder Inkorrektheit, sondern um das Problem der theoretisch zulässigen oder unzulässigen Modellierung grammatisch korrekter Sätze.

Rechts kann links sein

104 

zum Schluss: Feld vs. Rand/Stelle

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

Ich habe im gesamten Kapitel  II/1 dafür argumentiert, den topologischen Satz und den topologischen Satzrand theoretisch möglichst deutlich zu unterscheiden.69 Dies sollte auch terminologisch zum Ausdruck kommen. Deshalb schlage ich vor, den Terminus ‚Feld‘ für die Satztopologie zu reservieren und ansonsten von ‚Rändern‘ und ‚Stellen‘ zu sprechen.70 Dies ist der Grund dafür, warum ich weder den recht verbreiteten Terminus ‚Vorvorfeld‘ noch den Terminus ‚Außenfeld‘ (der IDS-Grammatik für den Satzrand) benutze. Umgekehrt plädiere ich für den Terminus ‚Zwischenstelle‘ und nicht für ‚Zwischenfeld‘. Da ein Feldbegriff, unter dem sich ‚Vorfeld‘, ‚Mittelfeld‘ und ‚Nachfeld‘ subsumieren lassen, theoretisch nicht möglich zu sein scheint, wurde, vor allem im Hinblick auf die Modellierung von Nachfeld und rechtem Satzrand, ein Feldbegriff gesucht, unter dem sich wenigstens ‚Vorfeld‘ und ‚Nachfeld‘ subsumieren lassen. Als zentral erwiesen sich hierfür die Unterscheidungen zwischen Aggregation und Integration bzw. (Satzglied-)Einbettung und Einschließung: Konstitutiv für beide Felder ist die Satzglied-Einbettung, die Einschließung von aggregativen Einheiten ist jedoch nur im Vorfeld möglich. Die aus diesem Feldbegriff abgeleiteten Kriterien ermöglichen die Operationalisierung der Unterscheidung von Nachfeld und rechtem Satzrand. Qua Einschließung lässt sich auch erklären, warum rechte Satzrandglieder (im weiteren Sinne) auch links, im Vorfeld, vorkommen können.

1.7 Keine Klammerstruktur im Nebensatz der Konsens: Klammer im Nebensatz gegen den Konsens Beschreibung der Nebensatzklammer

Grammatiker sind sich darüber einig, dass das Klammerprinzip und das Stellungsfeldermodell auch für Nebensätze und Infinitivkonstruktionen gültig sind, dass es also nicht nur Satzklammern (mit Verberst und Verbzweit), sondern auch eine Nebensatzklammer (mit Verbletzt) gibt.71 Im Folgenden werde ich gegen diesen Konsens argumentieren und eine andere Lösung für Nebensätze und Infinitivkonstruktionen vorschlagen. Als mögliche linke Klammerteile in Nebensätzen gelten Subjunktoren, Relativa und sog. w-Wörter, die indirekte Fragenebensätze einleiten, in Infinitivkonstruktionen, soweit überhaupt vorhanden, der Infinitivjunktor (um/ohne/(an)statt/außer…).

69 Es gibt auch eine völlig andere, historische, Argumentationslinie, die zum selben Ergebnis führt (Ágel 2015): Felder stellen ‚Produkte‘ eines Verschriftlichungsprozesses seit dem 16. Jh. dar und gehören somit zur Offlinesyntax. Der Satzrand wurde jedoch im Zuge dieses Literalisierungsprozesses nicht linearisiert (entzeitlicht) und gehört nach wie vor zur Zeitlichkeit der Onlinesyntax. 70 Wie angedeutet, könnten innerhalb der Satzränder weitere Stellen postuliert werden. Zu diesbezüglichen Versuchen am linken wie am rechten Satzrand vgl. die IDS-Grammatik 1997/2: 1580 und 1649. 71 Verbreitet ist hierfür auch der Weinrich’sche Terminus ‚Adjunktklammer‘ (Weinrich 2005: 29  ff.).

Makroglieder 

 105

Als rechter Klammerteil gilt entweder (a) das gesamte Nebensatzprädikat – bei Infinitivkonstruktionen: die Infinitivpartikel zu + der infinite Verbkomplex – oder (b) nur der finite Teil des Nebensatzprädikats.72 Zur Exemplifizierung, für die Variante (a) gewählt wird, sollen einige Leittext-Belege herangezogen werden (LNK/RNK = linker/ rechter Nebensatzklammerteil): Tab. 17: Variationen über die sog. Nebensatzklammer Vorfeld das Gefängnis Isenbüttel, ein Bus […], von zwei älteren Damen,

LNK

Mittelfeld

RNK

Nachfeld

dessen Insassen

zumeist Kleinkriminelle

sind,

die hier ihre paar Jahre absitzen.

an dessen Seite die

groß das Wort »Landesbühne«

aufgemalt ist.

in einem Hamburger Vorgarten ein echtes Labyrinth

haben,

da

wir hier ja nicht die ganze Geschichte man mit realistischen Mitteln dem Unerhörten auf der Spur man

nacherzählen sollten, bleiben kann.

sie dann im Verlag Hoffman und Breitner in ihrer Vergangenheit und den guten lustigen Tagen der Stadt noch eine kleine Nachernte

zu veröffent­ lichen. zu halten«.

wie weit

Wobei

um

zu bedenken geben muss,

in dem man zur Verbesserung der Welt tatsächlich Leute, die es nicht anders verdient haben, zum Verschwinden bringen kann.

dass […] das Herzliche gelegentlich auch ein wenig ins Nette rutschen kann,

72 Der Unterschied ist nicht unerheblich und hat gewichtige Konsequenzen für die Nebensatzklammer-Auffassung, s. unten.

106 

Probleme

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

Bereits diese kleine Auswahl zeigt große Probleme: (1) (2)

(3) (4) (5)

(6)

Es gibt kein Vorfeld (oder es wird nie besetzt).73 Der LNK wird nicht nur von einfachen Relativa (die) besetzt, sondern von ganzen Wortgruppen (Substantivgruppe: dessen Insassen; Präpositionalgruppe: an dessen Seite). Dasselbe gilt für die w-Wörter (wie weit).74 Infinitivkonstruktionen ohne Infinitivjunktor (letzte Zeile) haben keinen LNK.75 Würde man nicht das gesamte Nebensatzprädikat als RNK betrachten, sondern ‚Verbletzt‘ analog zu ‚Verberst/Verbzweit‘ interpretieren, müsste das jeweilige Finitum, wenn es die letzte Stelle im Nebensatzprädikat besetzt, alleine den RNK bilden und der infinite Teil des Nebensatzprädikats – bei Infinitivkonstruktionen: die Infinitivpartikel zu – ins Mittelfeld gestellt werden. Dies würde zu einem theoretisch nicht mehr interpretierbaren Mittelfeldbegriff führen. Wenn dagegen das Finitum die erste Stelle im Nebensatzprädikat besetzt, wie in den modifizierten Leittext-Belegen in der nächsten Tabelle, müsste der infinite Teil des Nebensatzprädikats ins Nachfeld gestellt werden. Dies würde zu einem theoretisch nicht mehr interpretierbaren Nachfeldbegriff führen.76

73 Anders Wöllstein (2010: 35), die davon ausgeht, dass der LNK keine phrasalen Einheiten enthalten dürfe, weshalb sie für Relativa und w-Wörter das Vorfeld vorsieht und für diese Auffassung mit einem „Nicht-Standard-Muster“ – ihr aus der Duden-Grammatik übernommenes Beispiel lautet: Kommt darauf an, mit wem dass sie zu tun haben  – argumentiert. Hier stellt sich erstens die grundsätzliche Frage, wessen Kompetenz eigentlich modelliert wird. Das Argument impliziert nämlich, dass auch die Sprecher der Standardsprache vor der Folie dieses „Nicht-Standard-Muster(s)“ ihre Nebensätze bilden. Und da sie ein w-Wort und einen Subjunktor nie gleichzeitig realisieren, folgt daraus, dass bei jeder standardsprachlichen Nebensatz-Realisierung entweder das Vorfeld oder der LNK leer bleibt. Zweitens  – und dies ist methodisch nicht weniger zentral  – zeigt das Substandard-Beispiel lediglich, dass sich ein ‚einfaches‘ w-Wort in dieser Varietät durch das Zeichen dass zu einem ‚komplexen‘ w-Wort erweitern lässt (analog: schöner als… > schöner als wie…), und nicht, dass es sich hier um den Subjunktor dass handelt, der eine eigene Position besetzt. Denn die standardsprachliche Alternative lautet nur Kommt darauf an, mit wem sie zu tun haben und nicht *Kommt darauf an, dass sie zu tun haben (analog: schön wie…, aber *schön als…). Drittens widerspricht Wöllstein bei der Erörterung des sog. Verum-Fokus (2010: 36) der eigenen topologischen Auffassung, denn in ihrem Beispielsatz (Es ist wichtig, OB sie kommt, nicht, WANN sie kommt.) bilden der Subjunktor ob und das w-Wort wann eine Distributionsklasse. 74 Oder sollte hier nur wie den LNK bilden und das Adjektiv weit ins Mittelfeld gestellt werden? 75 Das ‚bewährte‘ Rezept in solchen Situationen, wenn eine Theorie ein Sprachzeichen voraussagt, das aber doch nicht ‚da ist‘, ist, von phonetisch leeren Zeichen, d.  h. von unsichtbaren und unhörbaren Sprachzeichen, zu sprechen. Askedal (1986: 217), der offensichtlich kein Freund der sprachlichen Unsichtbarkeit und Unhörbarkeit ist, stellt dagegen lapidar fest, dass es beim „Satztyp V“ (= Infinitivkonstruktion ohne Infinitivjunktor) keinen linken Klammerteil gibt. 76 Doppelt verheerend, für Mittel- wie Nachfeld, ist die theoretische Wirkung der im Frnhd. auch in der Schriftlichkeit, heute nur noch in der Mündlichkeit – sowohl im Standard als auch im Nähespre-

Makroglieder 

 107

Tab. 18: Weitere Variationen über die sog. Nebensatzklammer Vorfeld

LNK

Mittelfeld

RNK

wie weit

man mit realistischen Mitteln dem Unerhörten auf der Spur man

hätte bleiben können.

Wobei

wird bedenken müssen,

Nachfeld

dass […] das Herzliche gelegentlich auch ein wenig ins Nette rutschen kann,

Zu diesen Problemen gesellen sich weitere: (7) (8) (9) (10)

die Frage des Klammertyps, die Unterscheidung von Klammer unD Positionsbezug, das Komplementaritätsproblem und das Problem der Unterklassifikation der Verbstellung.

weitere ­Probleme

Diese Punkte sollen nun der Reihe nach betrachtet werden: Ad (7): Nach der verbreiteten ‚Klammertypologie‘ von Kolde (1985: 257  ff.) sind grundsätzlich zwei Typen von Klammern zu unterscheiden: morphologisch und syntaktisch (topologisch).77 Bei einer morphologischen Klammer stecken LK und RK einen Kongruenzbereich ab. Dies ist der Fall bei der Nominalklammer, bei der sich die Flexion des Adjektivs nach den grammatischen Kategorien von LK (= Artikel) und RK (= Substantiv) richtet: der spannende Roman / den spannenden Roman / die spannende Erzählung / die spannenden Erzählungen. Dagegen bilden bei einer syntaktischen Klammer LK und RK eine Konstituente. Dies ist der Fall bei der Satzklammer, bei der LK und RK das Prädikat bilden. Die Nebensatzklammer mit Subjunktor, Relativum oder w-Wort als LK und Nebensatzprädikat als RK ist weder eine morphologische noch eine syntaktische Klammer. Es stellt sich also die Frage, wie sich die Nebensatzklammer ‚typologisch‘ einordnen und theoretisch begründen lässt. Nicht begründen lässt sie sich durch die regelmäßige Distanz von Subjunktor/ Relativum/w-Wort und Nebensatzprädikat. Denn würde die regelmäßige Distanz von chen und in den Dialekten – verbreiteten Zwischenstellung des Finitums (wie weit…bleiben hätte können; Wobei…bedenken wird müssen). Die Zwischenstellung beim Typ dass er es wissen hätte müssen ist im heutigen österreichischen Standard sogar die deutlich überwiegende Variante (vgl. hierzu den von Stephan Elspaß verfassten Artikel für die „Variantengrammatik des Standarddeutschen“, abgedruckt in Dürscheid/Sutter 2014: 112  f.). 77 Kolde benutzt nicht den Terminus ‚Klammer‘, sondern ‚Rahmen‘.

Eine atypische Klammer?

Klammer vs. regelmäßige Distanz

108 

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

zwei Konstituenten als Kriterium ausreichen, dann könnten im Prinzip beliebige Konstituentenpaare, die regelmäßig andere Konstituenten umschließen, für Klammerteile erklärt werden. Z. B. umschließen Subjekt und Akkusativobjekt im Aussagesatz regelmäßig die synthetische Verbform ([Klaus] macht [die Aufgaben]) oder Subjekt und infiniter Prädikatsteil regelmäßig das Finitum und die restlichen Konstituenten ([Klaus] hat bereits gestern Abend die Aufgaben [gemacht]).78 Ohne die Kriterien von Kolde würden die Begriffe ‚Klammer‘ und ‚regelmäßige Distanz‘ zusammenfallen.79 Klammer vs. Positions­ bezug

Ad (8): Regelmäßige Distanz reicht also nicht aus, aber die folgende Begründung scheint plausibel: „Im Fall der Verbletzt-Sätze nehmen wir an, dass die erste Satzklammer von dem Subjunktor besetzt wird. Der löst ja die Endstellung des Verbkomplexes (zweite Satzklammer) aus.“ (Hoffmann 2013: 463) Hoffmann argumentiert hier damit, dass es zwischen Subjunktor und Nebensatzprädikat eine gerichtete syntagmatische Beziehung gibt, die mit Eisenberg (2006/2: 37  f.) „Positionsbezug“ genannt werden kann.80 Die Frage ist also, ob die Begriffe ‚Positionsbezug‘ und ‚Klammer‘ gleichzusetzen sind. Fest steht, dass weder der morphologische noch der syntaktische Klammerbegriff so zu interpretieren ist, dass LK die Stellung von RK auslöst. Insofern wäre die Begründung eines Klammertyps mit Positionsbezug ein neuer Aspekt in der Klammertypologie. Der eigentliche Punkt ist jedoch, dass der Begriff des Positionsbezugs im Gegensatz zum Klammerbegriff keine Distanz zwischen zwei Konstituenten voraussetzt. Positionsbezug bedeutet lediglich, dass A die Stellung von B auslöst, aber nicht, dass A die Distanzstellung von B auslöst. Beispielsweise löst eine Präposition die Nachstellung und eine Postposition die Voranstellung der regierten Substantivgruppe aus, aber nicht deren Distanzstellung.

Wie wird die Nebensatzklammer begründet?

Ad (9): Die Standard-Begründung für die Annahme einer Nebensatzklammer ist die komplementäre Verteilung von Finitum und Subjunktor im LK: In der Position, wo das Finitum in der Satzklammer steht, steht der Subjunktor in der Nebensatzklammer. Man betrachte die Beispiele (45a) und (45b), d.  h. Verberst vs. Verbletzt, mit denen Wöllstein (2010: 26) die Komplementarität von Finitum und Subjunktor einführt:

78 Umgekehrt bedeutet fehlende Distanz (s. etwa Ich habe geschlafen) ja auch nicht, dass hier keine (syntaktische) Klammer vorliegen würde. 79 ,Distanz‘, also die bloße Entfernung von Konstituenten voneinander, ist nicht zu verwechseln mit der ‚Distanzstellung‘, dem sprachhistorischen Vorläufer der Klammer (Eichinger 1995, Ágel 2000a und 2015). 80 „Eine Konstituente f1 ist positionsbezogen auf eine Konstituente f2, wenn die Position von f2 relativ zu f1 festliegt.“ (Eisenberg 2006/2: 37)

Makroglieder 

 109

(45) (a) [[Hat] man dich [erwischt]?] (b) [[dass] man dich erwischt [hat]] In der folgenden Tabelle, die die komplementäre Verteilung von Finitum und Subjunktor veranschaulichen soll (Wöllstein 2010: 27), werden jedoch nicht mehr Verberst und Verbletzt, sondern Verbzweit und Verbletzt gegenübergestellt: (45) [[dass] (b) (c) Man

man dich erwischt [hat]] [[hat] dich [erwischt].]

Eingeführt wird die Komplementarität also anhand von Verberst und Verbletzt, postuliert jedoch auch für Verbzweit und Verbletzt. Komplementär wären Verbzweit und Verbletzt allerdings erst, wenn es auch in Nebensätzen ein Vorfeld gäbe, was aber nicht der Fall ist: (45) (b’) *Man (c) Man

der Komplementaritätstrick

[[dass] dich erwischt [hat]] [[hat] dich [erwischt].]

Besteht Komplementarität wenigstens zwischen Verberst und Verbletzt? Komplementäre Distributionen setzen, auch wenn dies nicht immer explizit gesagt wird, eine funktionale Basis voraus. Es würde z.  B. wenig Sinn machen zu sagen, dass Fisch und Mensch auf der Erde komplementär verteilt sind, nur, weil das eine im Wasser lebt, das andere aber nicht. Verberst-Sätze sind ja typischerweise Entscheidungsfrage- und Aufforderungssätze, Verbzweit-Sätze Aussagesätze (Kap. II/1.3). Schauen wir uns an, was mit diesen Satztypen passiert, wenn sie aus der direkten in die indirekte Rede überführt werden und somit als Nebensätze oder Infinitivkonstruktionen erscheinen:

Komplementarität von Verberst und Verbletzt?

(3) »Kannste aufstehn?« [Entscheidungsfragesatz] »Weiß nich!« [Aussagesatz] »Versuch ma!« [Aufforderungssatz] […] (Hennig von Lange Relax: 111) (3’) Sein Freund fragt Chris, ob er aufstehen kann. Chris antwortet, dass er es nicht weiß. Sein Freund fordert Chris auf, es zu versuchen / dass er es versuchen soll. Dem Entscheidungsfragesatz entspricht in der Tat ein Nebensatz mit Subjunktor und Verbletzt. Dies gilt allerdings auch für den Aussagesatz, dessen Finitum, wie wir gesehen haben, nicht komplementär mit dem Subjunktor ist. Dem Aufforderungssatz entspricht entweder eine Infinitivkonstruktion ohne Infinitivjunktor oder ein Nebensatz mit Subjunktor und Verbletzt des neu eingeführten

keine ­funktionale Basis

110 

keine Komplementarität

zur Unter­ klassifikation der Verb­ stellung

­,Verberst‘ und ‚­Verbzweit‘ vs. ‚Verbletzt‘

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

sollen. Weder das Finitum des Originalbelegs (Versuch) noch das neue Finitum (soll) ist hier also mit dem Subjunktor komplementär. Das Komplementaritätspostulat hat also weder eine formale noch eine funktionale Basis. Es bleibt unklar, worauf die postulierte basale topologische Gemeinsamkeit von Verberst und Verbletzt beruhen und wie Verbzweit in diese Begründung einbezogen werden könnte. Ad (10): Und nun das ‚letzte‘ Problem, das bereits mehrfach angeklungen ist: die Frage der Unterklassifikation der Verbstellung. Eine korrekte Einteilung in Unterklassen setzt voraus, dass man dieselbe Klasse nach demselben Kriterium unterteilt. Wenn man etwa sagt, dass es Links- und Rechtshänder gibt, dann unterteilt man die Klasse ‚Mensch‘ nach dem Kriterium der Händigkeit. Wie steht es nun um die Verbstellung? Geht es um die Klasse ‚Verb‘, die nach dem Kriterium der Stellung unterteilt wird? Wenn man die Verbstellung in ‚Verbletzt‘, ‚Verberst‘ und ‚Verbzweit‘ unterteilt, versteht man im Falle von ‚Verberst‘ und ‚Verbzweit‘ unter ‚Verb‘ das Finitum und unter ‚-erst‘ und ‚-zweit‘ tatsächlich dessen jeweilige Position im Satz. Hier geht es also um die Klasse ‚Finitum‘, die nach dem Kriterium der Stellung unterteilt wird. Im Falle von ‚Verbletzt‘ werden dagegen unter ‚Verb‘ vier verschiedene Dinge verstanden: (a) bei Nebensätzen entweder das gesamte Nebensatzprädikat oder (b) der finite Teil des Nebensatzprädikats unabhängig von seiner Stellung im Verbkomplex und (c) bei Infinitivkonstruktionen entweder das gesamte Prädikat einer Infinitivkonstruk­ tion (= die Infinitivpartikel zu + der infinite Verbkomplex) oder (d) das oberste infinite Regens des Prädikats einer Infinitivkonstruktion (= die Infinitivpartikel zu + das Infinitum im Verbkomplex, dem in einem Nebensatz das Finitum entsprechen würde).81 Es geht also lediglich im Falle von (b) um die Klasse ‚Finitum‘, wobei selbst hier das Kriterium nicht die Stellung des Finitums, sondern die des gesamten Nebensatzprädikats ist. Man denke etwa an das obige ‚Verbletzt‘-Beispiel wie weit man mit realistischen Mitteln dem Unerhörten auf der Spur hätte bleiben können, wo an letzter Stelle das Nebensatzprädikat hätte bleiben können und nicht das Finitum hätte steht. Im Falle von (a), (c) und (d) handelt es sich nicht um die Klasse ‚Finitum‘, sondern um die Klassen ‚Nebensatzprädikat‘, ‚Prädikat einer Infinitivkonstruktion‘ und ‚oberstes infinites Regens des Prädikats einer Infinitivkonstruktion‘.

81 Also z.  B. zu dürfen in dem Satz: Ich freue mich, Sie kennenlernen zu dürfen.

Makroglieder 

 111

Angesichts der (zehn) genannten Probleme darf man über den eingangs erwähnten Konsens über die Nebensatzklammer verwundert sein. Nicht weniger verwunderlich ist es aber auch, wenn sich dieselben Grammatiker, die diesen Konsens tragen, auch darüber einig sind, dass Satzklammer und Nebensatzklammer grundlegend verschieden sind: „Die Ausprägung der Klammer bei Verb-Letzt einerseits und bei Verb-Erst/Verb-Zweit andererseits ist grundlegend verschieden.“ (Altmann/Hofmann 2008: 71)82 Hier stellt sich die Frage, wie der eine Konsens zu dem anderen passt: Wie können Satzklammer und Nebensatzklammer Unterklassen derselben Klasse und gleichzeitig „grundlegend verschieden“ sein?83 Die Annahme einer Nebensatzklammer muss also aus (zehn) theoretisch-methodischen Gründen abgelehnt werden. Wie erklärt man dann aber die wenigstens par­ tiellen Wortstellungsanalogien zwischen Satz und Nebensatz/Infinitivkonstruktion?84 Man beachte etwa die Entsprechungen von Mittel- und Nachfeld (= MF und NF) in dem Subjektsinfinitiv von (46a):

ein weiterer Konsens: grundlegend verschiedene Klammern

Was nun, wenn keine Klammer?

(46) Sie konnte [diesem Menschen nicht mehr]MF helfen, [den sie so sehr geliebt hatte] NF. (46a) Es war grausam, [diesem Menschen nicht mehr] helfen zu können, [den sie so sehr geliebt hatte]. (Beispiel n. Askedal 1986: 217) Die Lösung ist eigentlich bereits bei Weinrich (2005: 50) vorgezeichnet, der einfache und kombinierte Klammern unterscheidet und bei den kombinierten Klammern davon spricht, dass „sich nur eine der beiden Klammern behaupten und ihre Klammerfähigkeit behalten (kann).“ In diesem Sinne könne in der Kombination der Lexikalklammer höre…zu mit der Tempusklammer werde…Infinitiv nur die strukturdominante Tempusklammer ihre Klammerfähigkeit behalten, während die ehemalige Lexikalklammer „in die kombinierte Klammer inkorporiert (wird)“ (ebd.), d.  h. zum RK der kombinierten Klammer wird (IRK = inkorporierter RK):

82 S. auch Weinrich 2005: 57. Askedal (1986: 215) argumentiert gegen ein unifiziertes Feldermodell, weil Unterschiede zwischen den Satztypen „gar nicht so gering sind“. Sogar Wöllstein (2010: 26), eine Verfechterin des unifizierten Feldermodells, räumt ein, dass der LK (in ihrem Sinne) nur eine „Positionskategorie“ (Wöllstein 2010, S. 26) sei. Damit stellt sie klar, dass die ‚unifizierte Klammer‘ keine syntaktische Klammer ist. 83 Diese Verschiedenheit ist auch sprachhistorisch belegbar: Nach aktuellem Forschungsstand haben „sich die zwei Unterarten der Satzklammer nicht ganz gleich entwickelt […]“ (Ebert 1986: 105). Hinterhölzl (2010: 136), der die Notker-Daten von Anton Näf (1979) interpretiert, stellt sogar „eine eklatante Diskrepanz“ zwischen den Nachfeldbesetzungen von Satz und Nebensatz fest: In Hauptsätzen werden Subjekte viermal so oft und Objekte fast doppelt so oft ausgeklammert wie in Nebensätzen. 84 Die Analogien sind nur partiell, denn Topikalisierungen und leeres Vorfeld, die ja Verbzweit voraussetzen (Kap. II/1.3), lassen sich auf den Nebensatz, der kein Vorfeld hat, nicht abbilden.

Inkorporierung

112 

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

(47) Ich höre dich. (47a) Ich [höre]LK dir aufmerksam [zu]RK. (47b) Ich [werde]LK dir aufmerksam [zuhören]IRK. (Beispiel n. Weinrich 2005: 50) Positions­ bezug

[keine Klammer] [einfache Klammer] [kombinierte Klammer]

Der inkorporierte Klammerteil (zuhören) hat also seine „Klammerform“ verloren (Weinrich 2005: 51) oder einfacher: Er selbst ist keine Klammer mehr. Inkorporierung ist jedoch nicht nur durch Klammerkombination zu bewirken, sondern auch durch Positionsbezug, man vergleiche (47a’) und (47b’) (P1 und P2 sind die Relata des Positionsbezugs): (47’) … [dass]P1 ich dich [höre]P2. (47a’) … [dass]P1 ich dir aufmerksam [zuhöre]P2. (47b’) … [dass]P1 ich dir aufmerksam [zuhören werde]P2.

Recycling

Umgekehrt setzt Positionsbezug keine Inkorporierung voraus, s. (47’). Einerseits gibt es also keinen Grund, die Relationen P1-P2 als Klammerkombinationen zu beschreiben, denn das Vorhandensein eines verbalen Schlussfeldes (Bech 1983: 62) mit Neben(satz)prädikat, d.  h. das Vorhandensein von P2, ist unabhängig davon, ob in dem zugrunde liegenden Satz das Hauptprädikat eine Klammer bildet oder nicht, und wenn ja, ob diese einfach oder kombiniert ist. Andererseits betrifft der Positionsbezug die Relation von Subjunktor und Schlussfeld (mit Nebenprädikat), verändert jedoch die Felderstruktur des zugrunde liegenden Satzes nicht.85 Dies erklärt die erwähnten Wortstellungsanalogien zwischen Satz und Nebensatz/Infinitivkonstruktion. Im Rahmen der Grammatischen Textanalyse ergeben sich diese Wortstellungsanalogien aus Recycling (Kap. I/2.5), d.  h. aus der rekursiven Anwendung der Funktion-Argument-Wert-Formel:86 Sätze als Textglieder lassen sich als Satzglieder oder als Wortgruppenglieder in Form von Nebensätzen oder Infinitivkonstruktionen recyceln. Ein genuines Makroglied ‚Satz‘ wird also zu einem recycelten Meso- oder Mikroglied in einem neuen Satz und erscheint dabei in Form eines Nebensatzes oder einer Infinitivkonstruktion.87

85 Genauer: Das Mittelfeld wird im Nebensatz – mit Einschränkungen (s. entfallendes Topik-es) – durch das Vorfeld-Subjekt erweitert; das Nachfeld bleibt intakt. 86 Der genuine grammatische Wert (= W1) der Primäranwendung der Formel (F (A) = W1) wird zum Argument der Sekundäranwendung (F (A = W1) = W2). Dabei entsteht der recycelte grammatische Wert (= W2). 87 Die Vorläuferin des Satz-Recyclings ist Lucien Tesnières Translationstheorie, speziell die „translation du second degré“ (Translation zweiten Grades) (Tesnière 1976: 543  ff. und 1980: 334  ff.; s. auch Weber 1997: 112  ff., Askedal 2003 und Werner 2003). Auf Tesnières Translationstheorie kommen wir auch noch im Kap. IV/1.2 zu sprechen.

Makroglieder 

 113

Das Recycling des genuinen grammatischen Wertes geht mit der ‚Wiederverwendung‘ der genuinen topologischen Struktur einher. Dies soll ausgehend von dem Askedal-Beispiel veranschaulicht werden (rec = recycelt):

Recycling und Topologie

Tab. 19: Genuine topologische Strukturen Vorfeld

LK

Mittelfeld

RK

Nachfeld

Sie

half

Sie

konnte

diesem Menschen nicht mehr, diesem Menschen helfen, nicht mehr

den sie so sehr geliebt hatte. den sie so sehr geliebt hatte.

Tab. 20: Recycelte topologische Strukturen Vorfeld LK Es

Es

war

war

Mittelfeld

RK

Nachfeld

grausam,

Mittelfeldrec

grausam,

diesem Menschen nicht mehr Mittelfeldrec diesem Menschen nicht mehr

Schlussfeld (Prädikatrec) zu helfen

Nachfeldrec

Schlussfeld (Prädikatrec) helfen zu können

Nachfeldrec

den sie so sehr geliebt hatte.

den sie so sehr geliebt hatte.

Der Vergleich der Tab. 19 und 20 zeigt, dass Recycling topologisch bedeutet, (1) (2) (3) (4) (5)

dass ein neues Hauptprädikat (war grausam) eingeführt wird, dass deshalb das genuine Hauptprädikat ohne oder mit Klammer (half bzw. konnte helfen) als Nebenprädikat im Schlussfeld recycelt wird, dass Mittelfeld und Nachfeld als untergeordnete Felder recycelt werden, ohne dass hierfür eine recycelte Klammer notwendig wäre, und dass recyceltes Mittelfeld, Schlussfeld und recyceltes Nachfeld der Infinitivkonstruktion gemeinsam das Nachfeld des Satzes besetzen.88

Dass Mittelfeld und Nachfeld vermittels Recycling auch für Nebensätze und Infinitivkonstruktionen gelten, ohne dass diese Strukturen eine Klammer hätten, mag auf den ersten Blick eine befremdliche und spezielle Sehweise sein, die sicher nicht 88 Auch Askedal (1986: 216  f.) modelliert seine Satztypen III bis V als untergeordnete Felderstrukturen, die als Ganzes jeweils ein übergeordnetes Feld besetzen.

Felder ohne Klammer

Recycling: Felder und Satzglieder

114 

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

jeder Grammatiker teilen wird. Ich möchte jedoch zu bedenken geben, dass Recycling schon immer ein fester Bestandteil der Satzgliedlehre war: Hierarchisch zurückgestufte Satzglieder wurden und werden, zu Recht, nicht als ‚neue‘ grammatische Werte modelliert, sondern als Satzglieder x-ten Grades. Man vergleiche etwa: (47b) (Sub- Ich jekt) werde (Dativ- dir objekt) (Modal- aufmerksam adverbial) zuhören. (47b’’) (Sub- Du jekt) glaubst, dass (Subjekt ich zweiten Grades) (Dativobjekt dir zweiten Grades) (Modaladverbial aufmerksam zweiten Grades) (Prädikat zuhören werde zweiten Grades). Beseitigung des Ungleichgewichts

Was die Anwendung des Recyclingkonzepts auf die Topologie leistet, ist also lediglich die Beseitigung des aktuellen theoretischen Ungleichgewichts zwischen Satzgliedwerten und topologischen Werten: Wenn sich Satzglieder recyceln lassen, was Konsens ist, dann sollte sich auch die Felderstruktur, die die Satzglieder besetzen, mit recyceln lassen. Gegen den Konsens, dass es nicht nur Satzklammern (mit Verberst und Verbzweit), sondern auch eine Nebensatzklammer (mit Verbletzt) gibt, wurden insgesamt zehn Argumente vorgebracht, darunter die Nichtpassung zur Klammertypologie, die fehlende Komplementarität von Subjunktor und Finitum und die Schein-Klassifikation der Verbstellung (in ‚Verbletzt‘, ‚Verberst‘ und ‚Verbzweit‘). Die partiellen Wortstellungsparallelen zwischen Satz und Nebensatz lassen sich ohne Klammer, mithilfe des Konzepts des Recyclings erfassen. Als verbale Klammertypen sind nur die syntaktischen, da prädikatsbildenden, Satzklammern einzustufen.

2 Sätze 2.1 Textanalyse 2.2 Der Satzbegriff 2.3 Einfacher und komplexer Satz Realer und virtueller Satz 2.4 Statischer und dynamischer Satz 2.5 2.6 Satzklassen im Überblick 2.7 Apokoinu und Insubordination 2.8 Lexifizierte Satz-Formate

2.1 Textanalyse Legende: Makroglieder: Punkt-Strich-Unterstrich: Nichtsatz; Unterstrichen: Kohäsionsglied; Schwarz: Satz1 Prädikat fett: statischer Satz; Prädikat fett: dynamischer Satz; : weitere Satzklassen (tiefgestellte Klammern)

[1]

JOCHEN JUNG

[2] [3]

Siegfried Lenz Total entspannt

[4]

Mit seiner grundsympathischen Novelle »Landesbühne« hat sich Siegfried Lenz einen Spaß erlaubt. Satz)

[5] [6] [7] [8]

(einfacher, realer

(einfacher, realer

Und in der Tat:

Hannes sagt: »Bald wird etwas geschehen.« Satz)

Seltsames geschieht, ja geradezu Unerhörtes.Satz) Schauplatz ist das Gefängnis Isenbüttel, dessen Insassen zumeist (komplexer, realer Kleinkriminelle sind, die hier ihre paar Jahre absitzen. Satz) Hannes zum Beispiel hatte sich eine Polizeikelle besorgt Satz) (einfacher, realer und [Hannes hatte] damit Schnellfahrer angehalten Satz) (einfacher, virtueller und [Hannes hatte] den Verschreckten ein Bußgeld abgeknöpft. Satz) (einfacher, virtueller (einfacher, realer

1 rekonstruierte Glieder in eckigen Klammern DOI 10.1515/9783110409796-003

116 

[9] [10]

[11]

[12] [13]

[14] [15]

[16]

[17] [18]

[19] [20] [21]



 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

(komplexer, realer

Erst als er eine Zivilstreife gestoppt hatte, war der Spaß zu Ende.

Satz)

Hannes, im Übrigen nicht besonders redselig, teilt die Zelle mit dem Erzähler dieser Geschichte, aus dessen Leben Hannes erstaunlich viel mitzuteilen weiß und den er »Professor« nennt. Satz) Das war er auch, für Literatur sogar, Spezialgebiet Sturm und (komplexer, realer Drang, bis aufflog, dass er sich selbst zu oft als Stürmer und Bedränger gefallen und die hübschesten und schlechtesten Studentinnen mit Höchstlob durchs Examen geschleust hatte. Satz) Vier Jahre Isenbüttel hat das dem Professor eingebracht, Satz) (einfacher, realer und zwei [Jahre] davon sind erst rum. Satz) (einfacher, virtueller Jetzt aber öffnet sich das Tor zum Gefängnishof, Satz) (einfacher, realer und ein Bus rollt ein, an dessen Seite groß das Wort »Landesbühne« (komplexer, realer aufgemalt ist. Satz) Ein Stück soll aufgeführt werden, im Speisesaal. Satz) (einfacher, realer Es heißt Das Labyrinth Satz) (einfacher, realer und [es] handelt von zwei älteren Damen, die in einem Hamburger (komplexer, virtueller Vorgarten ein echtes Labyrinth haben, in dem man zur Verbesserung der Welt tatsächlich Leute, die es nicht anders verdient haben, zum Verschwinden bringen kann. Satz) Die beiden heißen Trudi und Elfi Satz) (einfacher, realer und [die beiden] sind weitläufig verwandt mit den Brewster-Tante aus (einfacher, virtueller Arsen und Spitzenhäubchen. Satz) Wie das Stück ausgeht, erfährt man allerdings nicht. Satz) (komplexer, realer Nachdem es schon die längste Zeit versteckte Zeichen und Verabre(komplexer, realer dungen gegeben hat, nimmt Hannes seinen Professor Satz) und [Hannes] führt ihn zum Landesbühnen-Bus, in dem es sich bereits (komplexer, virtueller ein gutes Dutzend der sogenannten Insassen halbwegs bequem gemacht hat. (komplexer, realer

Satz) (einfacher, realer

und

Kurz darauf öffnet ein ahnungsloser Torhüter die Pforte, Satz)

draußen sind sie. Satz) Weit kommen sie nicht. Satz) (einfacher, realer Das [= Sie kommen nicht weit] aber nur deswegen, weil sie schon (komplexer, virtueller bald ein Transparent über der Chaussee entdecken: »Grünau heißt euch willkommen zum Nelkenfest«, Satz) und (einfacher, realer

Sätze 

 117

diese schöne Einladung können sie einfach nicht ausschlagen. Satz) Grünau scheint eine fröhliche und erstaunlich kulturverses(komplexer, realer sene Gemeinde, wie es auch in Schleswig-Holstein nicht so viele gibt. Satz) [23] (komplexer, realer Als die Grünauer sehen, dass die Landesbühne sie zu ihrem Fest beehrt, sind sie begeistert. Satz) [24] (komplexer, realer Die Insassen sind immerhin so geistesgegenwärtig, das Schauspielen erst mal auf die lange Bank zu schieben, Satz) und [die Insassen] empfehlen sich mit ihren Sangeskünsten, die sie (komplexer, virtueller als braver Gefangenenchor in Isenbüttel trainiert haben. Satz) [25] Und was singen sie? Satz) (einfacher, realer [26] (einfacher, virtueller [Sie singen] »Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt.« Satz) [27] Na denn. [28] (einfacher, realer Das Fest geht weiter, Satz) es gibt Kartoffelsalat und Würstchen, Satz) (einfacher, realer und die Truppe wird von der Grünauer Bevölkerung sozusagen zuneh(einfacher, realer mend angenommen, Satz) ja sogar zarte Bande werden geknüpft, die immerhin Anlass zu (komplexer, realer einem Satz wie diesem geben: Satz) »(einfacher, realer So ist es Satz), manchmal geschieht etwas im Leben, mit dem man sich abfinden (komplexer, realer muss. Satz) « [29] (einfacher, realer Genau das tun die Männer nun aber gar nicht Satz), sie finden sich überhaupt nicht ab Satz), (einfacher, realer im Gegenteil, gerade Hannes arbeitet kräftig an ihrer Grünauer Eingemeindung, (komplexer, realer unterstützt vor allem vom kunstsinnigen Bürgermeister Satz), und da wir hier ja nicht die ganze Geschichte nacherzählen sollten, (komplexer, realer raffen wir mal etwas zusammen Satz) und teilen [wir] nur so viel mit, dass der Professor Volkshochschul(komplexer, virtueller vorträge hält – natürlich zum Thema Sturm und Drang – und Hannes in kürzester Zeit ein vollständiges Heimatmuseum einrichtet und auch eröffnet. Satz) [30] (einfacher, realer Ein Fußballspiel gibt es ebenfalls, eine Mädchengarde und eine Feuerwehrkapelle, Satz) Gäste kommen aus nah und fern – Husum etwa und Eckernförde – (einfacher, realer , Satz)

[22]

(einfacher, realer

118 



 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

aber

ehe die Sache dann doch etwas matt wird, kommt es noch zu einer (komplexer, realer Art Ordensverleihung, bei der es die Nelke in Bronze, Silber und Gold gibt und die das ganze Geschehen noch einmal dekorativ und dekorierend zusammenfasst und hochzieht, Satz) Beifall rauscht auf, Satz) (einfacher, realer und »(einfacher, realer fast begann abgestandenes Bier in den Gläsern zu schäumen Satz)«. [31] Dann aber wie gewonnen, so zerronnen: Polizisten waren sowieso schon da und dort aufgetaucht Satz) (einfacher, realer und [Polizisten] schnupperten herum Satz), (einfacher, virtueller selbst der Gefängnisdirektor saß auf einmal da Satz), (einfacher, realer Zwischenfälle hat es gegeben – leider in der Gegend von Eckern (einfacher, realer förde – Satz), und schnapp! sitzen sie wieder im Bus Satz) (einfacher, realer und bald darauf [sitzen sie] in ihrem Pisspott namens Isenbüttel Satz). (einfacher, virtueller [32] Oje. [33] (einfacher, realer Hannes scheint zu resignieren Satz), der Professor schreibt Tagebuch Satz), (einfacher, realer der Zellennachbar hängt sich auf Satz), (einfacher, realer und dann kommt auch noch ein weiteres Mal – die Landesbühne. Satz) (einfacher, realer [34] Und was spielen sie? Satz) (einfacher, realer [35] (einfacher, virtueller [Sie spielen] Warten auf Godot. Satz) [36] (einfacher, realer Das gibt natürlich wieder Anlass zu ein paar schwersinnigen Sätzen , Satz) aber am Ende [gibt das Anlass] auch dazu, dass ein Gefängnisdirek(komplexer, virtueller tor seine Memoiren schreibt, um sie dann im Verlag Hoffman und Breitner zu veröffentlichen. Satz) [37] Und, was das Schönste ist: Zwei Zellengenossen sind Freunde geworden. Satz) (einfacher, realer [38] (einfacher, realer Ist das nun alles glaubwürdig? Satz) [39] Dumme Frage. [40] (einfacher, realer Wir sind hier nicht beim Amtsgericht. Satz)

Sätze 

[41] [42] [43]

 119

Zu dem Theaterstück Das Labyrinth wird einmal gesagt, es sei Geschichte, in der das Fantastische im Wirklichen aufging«. Satz)

(komplexer, realer

»eine Nun,

hier ist es wohl eher umgekehrt. Satz) Aber wie auch immer: Die Freiheiten, die sich aus solchem Erzählen ergeben, hat Sieg (komplexer, realer fried Lenz weidlich und mit offenkundigem Vergnügen genutzt. Satz) [44] Und ehe jetzt jemand etwas von Abgeklärtheit und womöglich gar (komplexer, realer Altersweisheit erzählt, darf gesagt werden, dass sich der Autor hier in erster Linie einen ordentlichen Spaß erlaubt hat – neugierig darauf, wie weit man mit realistischen Mitteln dem Unerhörten auf der Spur bleiben kann. Satz) [45] (einfacher, realer Wann spielt das alles? Satz) [46] (einfacher, virtueller Irgendwie [spielt das alles] wohl doch in ferneren Zeiten. Satz) [47] Oder hat der Professor die ganze Geschichte nur nach einer langen Nacht (einfacher, realer mit einer seiner bedürftigen Studentinnen geträumt? Satz) [48] Ach was. [49] (einfacher, realer Es gilt das geschriebene Wort, Satz) und erzählt ist erzählt. Satz) (einfacher, realer [50] Und wenn Siegfried Lenz erzählt, hat das Erzählte immer und in jedem (komplexer, realer Fall etwas Herzliches, das, was man gemeinhin grundsympathisch nennt. Wobei man zu bedenken geben muss, dass, wenn man so grundsympathisch [51] von einer Welt erzählt, die ja eher nicht so herzlich und grundsympathisch ist, das Herzliche gelegentlich auch ein wenig ins Nette rutschen kann, was dann der Schärfe unserer Tage nicht so voll und ganz entspricht. Satz) [52] Aber weil Siegfried Lenz vor allem auch ein erfahrener Autor ist, hat er (komplexer, realer die Sache deswegen gleich etwas ins Zeitferne gerückt. Satz) [53] Und [er] trifft sich damit auf überraschende Weise mit dem Autor (komplexer, virtueller der Leute von Seldwyla, an die man beim Lesen dieser Novelle sowieso schon zurückgedacht hat. Satz) [54] (einfacher, realer Auch Gottfried Keller kennt ja das Wunderliche, den schrägen Blick auf die Gesellschaft und auch das Herzliche Satz) ((einfacher, virtueller das Nette [kennt Gottfried Keller] allerdings ganz und gar nicht ), Satz) und (einfacher, realer

120 



[55]

[56]

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

auch er wusste, dass das mit der Gegenwart nicht immer so gut (komplexer, realer zusammenging. Satz) So schrieb er denn in seiner Vorrede zum zweiten Band seiner (komplexer, realer Novellensammlung, seine Seldwyler sähen »schon aus wie andere Leute; es ereignet sich nichts mehr unter ihnen, was der beschaulichen Aufzeichnung würdig wäre, und es ist daher an der Zeit, in ihrer Vergangenheit und den guten lustigen Tagen der Stadt noch eine kleine Nachernte zu halten«. Satz) So eine Nachernte ist es denn wohl auch, was wir mit dieser ganz (komplexer, realer und gar entspannten Geschichte in den Händen halten. Satz)

2.2 Der Satzbegriff SatzbegriffGrundtypen

der Satzbegriff der Grammatischen Textanalyse autonom kodierendes Textglied

Es gibt „ca. 200 Versuche zu Satzdefinitionen“ (IDS-Grammatik 1997/1: 86).2 Diese lassen sich in zwei Satzbegriff-Grundtypen einteilen: „Satz als Mitteilungseinheit“ und „Satz als Struktureinheit“ (Dürscheid/Schneider 2014: 173  ff.). Im Rahmen der Grammatischen Textanalyse wird dieser Grundtypologie Rechnung getragen, indem zwischen orthographischem Satz, einer Art Mitteilungseinheit in der Schriftlichkeit, und grammatischem Satz, einer schriftlichen wie mündlichen Struktureinheit, unterschieden wird ( Kap. I/2.1 und II/1.2). Dabei stellt nur der grammatische Satz – kurz: Satz – ein Textglied dar, weshalb er im Zentrum der Grammatischen Textanalyse steht.3 Und weil nur der grammatische Satz ein Textglied ist, spielt die begriffliche Asymmetrie zwischen dem nur schriftlichen orthographischen und dem schriftlichen wie mündlichen grammatischen Satz keine Rolle.4 Der Satzbegriff der Grammatischen Textanalyse wurde und wird allmählich entworfen. Bevor an ihm im vorliegenden Kapitel weitergearbeitet wird, soll deshalb der Stand rekapituliert werden: (1) Im Sinne der Funktion-Argument-Wert-Formel wurde der Satz als autonom kodierendes Textglied (= +Textautokod) rekonstruiert (Kap. I/2.4.3): +Textautokod (Formen von grammatischen Sätzen) = Satz

2 Die vorsichtige Formulierung der IDS-Grammatik ist angebracht, denn die Frage ist, was überhaupt als ernstzunehmender Definitionsversuch gelten kann. Rein quantitativ wurde diese Zahl bereits im Jahre 1935 überschritten (Seidel 1935). 3 Nebensätze stellen Struktureinheiten unterhalb der Satzebene dar (Kap. I/2.1). Sie sind keine Sätze, sondern Teile von (komplexen) Sätzen (mehr dazu Kap. II/2.3). 4 Zum Verhältnis von orthographischen Sätzen und Makrogliedern Kap. II/1.2. Das Beschreibungspotenzial der diversen Relationen zwischen orthographischen Sätzen und Makrogliedern lässt sich u.  a. bei der grammatischen Analyse literarischer Texte nutzen, s. Ágel 2015a.

Sätze 

 121

(2) Die Struktur eines Satzes besteht grammatisch aus der Grundstruktur, d.  h. dem Hauptprädikat und dessen Komplementen, bzw. den Erweiterungen der Grundstruktur (Kap. I/3.2–3).5 (3) Die (signifikativ-)semantische Struktur eines Satzes stellt einen qua Prädikat entworfenen und qua Prädikat und Komplementen realisierten einzelsprachlichen Sachverhalt, ein Szenario, dar (Kap. I/3.2). (4) Konstitutiv für den gegenwartsdeutschen Satz ist die Zweiteiligkeit des Hauptprädikats und dessen diskontinuierliche Realisierung als Satzklammer.6 Im Gegensatz zum Nichtsatz hat der Satz sowohl ein klammerbildendes Hauptprädikat als auch Stellungsfelder (Kap. II/1.3). Nebensätze und Infinitivkonstruktionen haben im Gegensatz zum Satz keine Klammerstruktur (Kap. II/1.7). (5) Der Satz lässt sich topologisch links wie rechts verlängern: Zwischen Zwischenstelle und Vorfeld befindet sich der linke, zwischen Nachfeld und Zwischenstelle der rechte Satzrand. Am Satzrand kommen Satzrandglieder im weiteren Sinne vor. Diese sind: Satzrandglieder (im engeren Sinne), die Nichtsätze sind, Kohä­ sions­glie­der und (aggregative) Satzglieder (Kap. II/1.5).

grammatische Struktur

In den nachfolgenden Kapiteln soll der Satzbegriff weiter ausgebaut werden, indem Begriffsinhalt und -umfang mithilfe von drei – miteinander kombinierbaren – Klassifikationsperspektiven präzisiert werden:7 (6) Komplexität: einfacher und komplexer Satz (Kap. II/.2.3), (7) Distribution: realer und virtueller Satz (Kap. II/.2.4) und (8) Status des Hauptprädikats: statischer und dynamischer Satz (Kap. II/.2.5).

Ausbau des Satzbegriffs

Der Leittext enthält 83 Sätze. Deren statistische Verteilung auf die mithilfe dieser Klassifikationsperspektiven gewonnenen Satzklassen wird im Überblickskapitel (Kap. II/2.6) vorzustellen sein. Jeder Satzbegriff, so auch der der Grammatischen Textanalyse, langt bei bestimmten Phänomentypen an seiner Leistungsgrenze an. Manche dieser Phänomene lassen sich dabei noch als ‚besondere Typen von Sätzen‘ begreifen (Kap. II/2.7), während sich andere – idiomatische – Fälle im Rahmen der Funktion-Argument-Wert-Formel nicht mehr interpretieren lassen – was aber nicht heißt, dass sie sich gar nicht interpretieren lassen, und schon gar nicht, dass sie in einer grammatischen Darstellung fehlen dürfen (Kap. II/2.8).

Sätze im Leittext

5 Es geht hier also um die komplette Struktur der Mesoebene (Kap. III). 6 Im Falle nichtfiniter Dynamik wird dieses Bestimmungsstück kategorial (dynamische Infinitiv- und Partizipialsätze) oder konstruktionell (dynamische Prädikativsätze) außer Kraft gesetzt (Kap. II/2.5). 7 Zwei von diesen Perspektiven – (6) und (8) – wurden bereits im Einleitungskapitel angedeutet.

(signifikativ-) semantische Struktur Satz­ klammer und Stellungs­ felder

Satzrand

Grenzen des Satzbegriffs

122 

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

Der (grammatische) Satz ist ein autonom kodierendes Textglied mit einem Hauptprädikat und einem von diesem entworfenen Szenario. Er verfügt über eine topologische Grundstruktur mit Satzklammer und Stellungsfeldern. Der Satz lässt sich topologisch durch Satzrandglieder im weiteren Sinne verlängern.

2.3 Einfacher und komplexer Satz Komplexität

Die Unterscheidung zwischen einfachem und komplexem Satz ist unabhängig von dem orthographischen Satzbegriff. Sie beruht ausschließlich auf dem Begriff des (grammatischen) Satzes (Kap. I/2.1, I/2.3 und I/2.4.3): Jeder Satz enthält per definitionem ein einziges Hauptprädikat, aber nur komplexe Sätze (= Satzgefüge) haben zusätzlich (mindestens) ein Nebenprädikat, d.  h. ein Nebensatzprädikat (= Prädikat eines Nebensatzes) oder ein Infinitivprädikat (= Prädikat einer Infinitivkonstruktion). Folglich ist im Falle eines einfachen Satzes das Hauptprädikat mit dem einzigen Prädikat identisch, beim komplexen Satz stellt das Prädikat des Hauptsatzes das Hauptprädikat dar. Betrachten wir hierzu einige Beispiele: [4] [9] (1)

(1’)

(2)



Mit seiner grundsympathischen Novelle »Landesbühne« hat sich Sieg(einfacher fried Lenz einen Spaß erlaubt Satz). Erst als er eine Zivilstreife gestoppt hatte, war der Spaß zu Ende Satz). (komplexer Zur Tür kam jetzt ein anderer Ungar herein Satz), (einfacher der war dick und (einfacher klein Satz) und (einfacher hatte ein verschmitztes Zwiebelgesicht und einen sehr winzigen Schnurrbart auf der Oberlippe Satz). (Böll Trunk: 45) Zur Tür kam jetzt ein anderer Ungar herein, der dick und klein war und (komplexer ein verschmitztes Zwiebelgesicht und einen sehr winzigen Schnurrbart auf der Oberlippe hatte Satz). Wer es nicht selbst erlebt hatte, für den mußte es nach Phrasen (komplexer klingen, nach Gerede Satz); (komplexer Worte reichten nicht aus, um zu beschreiben, wie es wirklich war. Wie es sich anfühlte, einen Mann, dem man selbst, und zwar mit ungenügender Anästhesie, die Beine amputiert hatte, wenige Meter vor dem wartenden Hubschrauber zu verlieren, zu dem man ihn über vor Hitze flimmernde Felder geschleift hatte, so daß alles umsonst gewesen war und man auf dem Rückflug bemerkte, daß man Teile der letzten Tage aus dem Gedächtnis verloren hatte, daß es da leere Stellen gab, als wäre man durch Erlebnisse gegangen, so drastisch und fremd, daß sie nicht ganz in die Wirklichkeit gehörten und sich der Erinnerung verweigerten Satz). (Kehlmann Ruhm 30)

Sätze 

(3)



 123

Sagen Sie nicht, Sie seien von der Überschrift dieses Artikels8 nicht gewarnt worden, wenn Sie bei einer ersten Lektüre ebenjenes Textes, der aus einem einzigen, in seiner ganzen Länge laut Erkenntnissen einer breit angelegten, durch das Institut Opinion Control im Auftrag des Postillon durchgeführten linguistischen Studie nur für einen deutlich unter 20 Prozent liegenden Anteil aller ansonsten recht auffassungsstarken Postillon-Leser sofort verständlichen, da stilistisch stark hypotaktischen und nach kurzer, jeden Lesefluss nur unnötig weiter störenden Unterbrechung hiermit prompt fortgesetzten Schachtelsatz besteht, nicht nur von dessen unübersichtlicher grammatischer Struktur, sondern auch seiner auf inhaltlicher Ebene gezielt gewählten, maximal umständlichen Art, einen im Grunde recht einfachen Sachverhalt, nämlich den, dass wohl mehr als acht von zehn hoffnungsvollen Rezipienten dieses sprachlichen Meisterwerkes  – und damit vermutlich auch Sie – im Großen und Ganzen nicht dazu imstande sind, seinen Sinn ohne erneutes Lesen einzelner verworrener Satzteile auf Anhieb zu erfassen, mitzuteilen, was einerseits frustrierend sein mag, andererseits jedoch allein schon aufgrund der Tatsache, dass wir uns hier im Internet befinden und Ihre Aufmerksamkeitsspanne aufgrund Ihrer niedrigen Erwartungshaltung womöglich bereits nach dem zweiten Komma erschöpft war, an sich entschuldbar ist und in keiner Weise fundierte Aussagen über Ihre allgemeine sprachliche Kompetenz zulässt, womit Sie sich, falls Sie es geschafft haben sollten, sich mit dem stählernen Eifer eines routinierten Kant- oder Kleist-Experten bis zum Ende dieses unsäglichen Satzungetüms vorzukämpfen, eine, wenn auch nicht ernst gemeinte, so doch immerhin diesen Satz weiter unnötig verlängernde und somit sachdienliche Entschuldigung verdient haben, hoffnungslos überfordert sind Satz). (Der Postillon, 11. 03. 2014)

(komplexer

Einerseits stellen der einfache Satz [4], die komplexen Sätze [9] und (1’), aber auch die Verbindung von einfachen Sätzen (1) jeweils einen orthographischen Satz dar. Andererseits orientieren sich die beiden komplexen Sätze der Kehlmann-Textstelle (= (2)) nicht an den orthographischen Satzgrenzen. Die Komplexität von Sätzen lässt sich sowohl formal als auch funktional, d.  h. ohne und mit Bezug auf grammatische Werte, beurteilen. Im Nachfolgenden soll zuerst die formale Komplexität (vor allem) anhand des Postillon-Satzes (= (3)), danach die funktionale Komplexität anhand des (zweiten) Kehlmann-Satzes in (2) betrachtet werden.

8 Die Überschrift lautet: „Langer, aus einzelnem Schachtelsatz bestehender Artikel nur schwer verständlich“.

Unabhängigkeit vom orthographischen Satz Komplexität – formal und funktional

124 

formale ­Komplexität

Analyse des PostillonSatzes

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

Während einfache Sätze per definitionem nichtkomplex sind, lässt sich der (formale) Komplexitätsgrad von komplexen Sätzen sowohl quantitativ wie auch qualitativ beurteilen: –– Quantitativ geht es um die Anzahl der Nebenprädikate. Ein komplexer Satz ist umso komplexer, je mehr Nebenprädikate er enthält. In diesem Sinne ist [9] (= ein Nebenprädikat) minimal komplex, (1’) (= zwei Nebenprädikate) etwas komplexer, während der zweite Kehlmann-Satz in (2) und der Postillon-Satz in (3) (= 13 bzw. 14 Nebenprädikate) sehr komplex sind. –– Qualitativ geht es einerseits um den Unterordnungsgrad der Nebenprädikate, also um die Frage, wie weit ein Nebenprädikat in der internen Satzhierarchie (= Hierarchie im Satz) vom Hauptprädikat entfernt ist.9 In diesem Sinne sind sowohl [9] als auch (1’) minimal komplex, da sie nur Nebenprädikate ersten Grades enthalten, d.  h., die Nebensätze in [9] und (1’) sind direkt dem Hauptsatz untergeordnet. Dagegen erreicht der zweite Kehlmann-Satz in (2) den Unterordnungsgrad 6, d.  h., zwischen dem Hauptprädikat und den am tiefsten untergeordneten Nebenprädikaten (gehörten bzw. sich verweigerten) liegen fünf Unterordnungsstufen. Und der Postillon-Satz in (3) erreicht sogar den Unterordnungsgrad 9. –– Andererseits geht es qualitativ um die Linearisierungsform von Nebensätzen und Infinitivkonstruktionen, d.  h. um die Frage, ob die Realisierung eines Nebensatzes oder einer Infinitivkonstruktion von der eines anderen Nebensatzes oder einer anderen Infinitivkonstruktion unterbrochen wird oder nicht. Je mehr unterbrochene, d.  h. diskontinuierliche, Realisierungen ein Satzgefüge enthält, desto komplexer, da verschachtelter, ist es linear. Der funktional sehr komplexe Kehlmann-Satz (s. unten) ist nur an einer Stelle diskontinuierlich: Die Infinitivkonstruktion dritten Grades (einen Mann, […], wenige Meter vor dem wartenden Hubschrauber zu verlieren) wird von einem Nebensatz vierten Grades ([…], dem man selbst, und zwar mit ungenügender Anästhesie, die Beine amputiert hatte, […]) unterbrochen. Komplexer ist dagegen der Postillon-Satz nicht nur linear, sondern hinsichtlich beider qualitativer Komplexitätskriterien:

9 Der für ‚Unterordnungsgrad‘ verbreitete Terminus ‚Einbettungstiefe‘ ist unpräzise, da der Unterordnungsgrad unabhängig von der für die Einbettung konstitutiven Vorfeldfähigkeit ist. Zur Einbettung Kap. II/1.6.

Sätze 

 125

Sagen Sie nicht, 1

[Sie seien von der Überschrift dieses Artikels nicht gewarnt worden,]1 [wenn Sie bei einer ersten Lektüre ebenjenes Textes, 2 [der aus einem einzigen, in seiner ganzen Länge laut Erkenntnissen einer breit angelegten, durch das Institut Opinion Control im Auftrag des 3 Postillon durchgeführten linguistischen Studie nur für einen deutlich unter 20 Prozent liegenden Anteil aller ansonsten recht auffassungsstarken Postillon-Leser sofort verständlichen, da stilistisch stark hypotaktischen und nach kurzer, jeden Lesefluss nur unnötig weiter störenden Unterbrechung hiermit prompt fortgesetzten Schachtelsatz besteht,]3 [nicht nur von dessen unübersichtlicher grammatischer Struktur, sondern auch seiner auf inhaltlicher Ebene gezielt gewählten, maximal umständ2 lichen Art, [einen im Grunde recht einfachen Sachverhalt, nämlich den, 3 [dass wohl mehr als acht von zehn hoffnungsvollen Rezipienten dieses sprachlichen Meisterwerkes – und damit vermutlich auch Sie – im 4 Großen und Ganzen nicht dazu imstande sind,]4 [seinen Sinn ohne erneutes Lesen einzelner verworrener Satzteile auf Anhieb zu erfassen,]5 5 mitzuteilen,]3 [was einerseits frustrierend sein mag,]6A 6A [andererseits jedoch allein schon aufgrund der Tatsache, 6BC [dass wir uns hier im Internet befinden]7A 7A und [Ihre Aufmerksamkeitsspanne aufgrund Ihrer niedrigen Erwartungshaltung womöglich bereits nach dem zweiten Komma erschöpft 7B war,]7B an sich entschuldbar ist]6B und in keiner Weise fundierte Aussagen über Ihre allgemeine sprachliche Kompetenz zulässt, ]6C [womit Sie sich, 7 [falls Sie es geschafft haben sollten,]8 8 [sich mit dem stählernen Eifer eines routinierten Kant- oder Kleist-Experten bis zum Ende dieses unsäglichen Satzunge9 tüms vorzukämpfen,]9 eine, wenn auch nicht ernst gemeinte, so doch immerhin diesen Satz weiter unnötig verlängernde und somit sachdienliche Entschuldigung verdient haben,]7 hoffnungslos überfordert sind.]2

Abb. 4: Satzkomplexität (Postillon-Satz)

Der Unterordnungsgrad der Nebenprädikate wurde durch zunehmende Einrückung markiert, der maximale Unterordnungsgrad liegt bei 9 (vgl. die Infinitivkonstruktion sich mit dem stählernen Eifer eines routinierten Kant- oder Kleist-Experten bis zum Ende dieses unsäglichen Satzungetüms vorzukämpfen). Die Linearisierungskomplexität ist, ähnlich der Komplexität im Allgemeinen, quantitativ wie qualitativ zu beurteilen: –– Quantitativ geht es um zwei Faktoren: (a) Einerseits geht es um die Anzahl der diskontinuierlichen Linearisierungen. Um diese festzustellen, müssen die Zeilen ohne rechte (= den Nebensatz oder die Infinitivkonstruktion abschließende) eckige Klammer zusammengerechnet werden. Fehlende rechte Klammerung bedeutet, dass die Struktur noch nicht zu Ende ist, dass sie an späterer Stelle fortgesetzt wird. Quantitativ ist der Postillon-Satz an fünf Stellen diskontinuierlich. (b) Andererseits geht es um die Häufigkeit der Unterbrechung desselben Nebensatzes oder derselben Infinitivkonstruktion. Während die diskontinuierliche Infinitivkonstruktion dritten Grades im Kehlmann-Satz nur einmal unterbrochen wird, wird der Nebensatz zweiten Grades im Postillon-Satz zweimal unterbrochen. Darüber hinaus gibt es hier noch drei einfache Unterbrechungen (3, 6BC, 7).10 –– Qualitative Linearisierungskomplexität ergibt sich aus der strukturellen Entfernung der Teile der unterbrochenen Struktur voneinander. In dieser Hinsicht

10 Die ABC-Indizierungen stehen für Nebensatzverbindungen (= koordinierte Nebensätze).

Unter­ ordnungs­ grad Linearisierungskomplexität

126 

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

sind drei von den fünf Unterbrechungen einfach, da die diskontinuierlichen Teile lediglich eine Struktur der nächsttieferen Unterordnungsstufe umschließen (strukturelle Entfernung = 1). Etwas komplexer ist der Nebensatz siebten Grades, der von zwei Unterordnungsstufen, vom Nebensatz achten Grades und von der Infinitivkonstruktion neunten Grades, unterbrochen wird (strukturelle Entfernung = 2). Die primäre strukturelle Quelle der Schwerverständlichkeit des Postillon-Satzes stellt allerdings der Nebensatz zweiten Grades dar. Dabei spielt die zweimalige Unterbrechung lediglich eine untergeordnete Rolle. Die zentrale strukturelle Hürde besteht vielmehr darin, dass sich zwischen dem zweiten und dem dritten Teil des Nebensatzes zweiten Grades Nebensätze und Infinitivkonstruktionen dritten bis neunten Unterordnungsgrades befinden. Der Leser muss also sieben strukturelle Entfernungsstufen überwinden, um den Nebensatz zweiten Grades abschließen zu können. funktionale Komplexität Anzahl und Art der Meso­ glieder im Allgemeinen

Anzahl und Art der Mesoglieder im KehlmannSatz

Komplexität des Final­ adverbial­ kompleme­nts

die finaladverbiale MatroschkaPuppe

Der zweite Kehlmann-Satz (mit dem Ausreichen-Szenario) wurde bereits im Kap. I/2.3 flüchtig analysiert. Hier soll nun seine funktionale Komplexität genauer betrachtet werden. Unabhängig von seiner Komplexität besteht jeder Satz aus einer stark beschränkten Anzahl von Mesogliedern (= Satzglieder im weiteren Sinne): aus dem Prädikat, aus einigen wenigen – ein bis vier – Komplementen und evtl. aus Supplementen und Kommentargliedern. Im Leittext, der immerhin aus 83 Sätzen besteht, gibt es keinen einzigen Satz, der mehr als fünf Mesoglieder, d.  h. außer dem Prädikat mehr als vier Satzglieder, enthalten würde. Die maximale Anzahl der Komplemente in einem Leittext-Satz ist drei, der Supplemente und Kommentarglieder zwei. Der sehr komplexe Kehlmann-Satz stellt keine Ausnahme dar: Entworfen und komplementiert wird ein Ausreichen-Szenario (zur Valenz Kap. I/3.2 und Kap. III/1.3.1): Was reichte wozu aus? Entsprechend enthält der Satz zwei Komplemente: ein Subjekt (Worte) und ein Finaladverbialkomplement, das mit einer Infinitivkonstruktion (um zu beschreiben) anfängt und mit der letzten Wortform des Satzes (verweigerten) endet. Außer dem Prädikat und den beiden Komplementen enthält der Satz nur noch ein Kommentarglied (nicht). Mit Ausnahme des Finaladverbialkomplements sind alle Satzglieder denkbar einfach. Sie alle bestehen aus jeweils einer einzigen Wortform (reichten…aus, Worte, nicht). Die Komplexität des Satzes lässt sich somit in ihrer Gesamtheit auf die interne Komplexität des Finaladverbialkomplements zurückführen. Warum ist dieses so komplex? Aus drei Gründen: –– Erstens, weil jedes Nebenprädikat Komplemente oder Supplemente hat, die die Form von Nebensätzen oder Infinitivkonstruktionen haben, die also selber Nebenprädikate haben, die wiederum Komplemente oder Supplemente haben, die die Form von Nebensätzen oder Infinitivkonstruktionen haben, die… –– Zweitens, weil es auch Attributnebensätze gibt und

Sätze 

 127

–– drittens, weil es fünfmal vorkommt, dass es auf derselben Unterordnungsstufe zwei Nebensätze gibt. Diese Matroschka-Puppe, die das Finaladverbial darstellt, können wir anschaulich machen, wenn wir uns den Kehlmann-Satz als eine Art fiktiven Dialog zwischen einem Erzähler A und einem ungeduldigen, etwas begriffsstutzigen und ständig Zwischenfragen stellenden Dialogpartner B vorstellen: A: B: A: B: A: B: A: B: A: B:

A: B: A: B:

A: B:

(Worte reichten nicht aus) um zu beschreiben, (Aber) was beschreiben? [= Frage nach dem Akkusativobjekt von beschreiben] (Na,) wie es wirklich war. Wie es sich anfühlte… [= Akkusativobjekt von beschreiben] (OK, aber) was war wirklich wie, was fühlte sich wie an? [= Frage nach dem Subjekt von war und fühlte sich an] (Na ja,) einen Mann … wenige Meter vor dem wartenden Hubschrauber zu verlieren,… [= Subjekt von war und fühlte sich an] (Und) was für einen Mann? [= Frage nach dem Attribut von Mann] (Na einen,) dem man selbst, und zwar mit ungenügender Anästhesie, die Beine amputiert hatte, [= Attribut von Mann] (Und) was für ein Hubschrauber? [= Frage nach dem Attribut von Hubschrauber] (Na der,) zu dem man ihn über vor Hitze flimmernde Felder geschleift hatte, [= Attribut von Hubschrauber] (Und wie ist Ihre Einschätzung:) Mit welcher Konsequenz war, mit welcher Konsequenz fühlte es sich an, einen Mann … wenige Meter vor dem wartenden Hubschrauber zu verlieren? [= Frage nach dem Konsekutivadverbial zu war und fühlte sich an]11 (Es fühlte sich) so (an) daß alles umsonst gewesen war und man auf dem Rückflug bemerkte,… [Konsekutivadverbial zu war und fühlte sich an] (Aber) was bemerkte man (eigentlich auf dem Rückflug)? [= Frage nach dem Akkusativobjekt von bemerkte] (Na,) daß man Teile der letzten Tage aus dem Gedächtnis verloren hatte, daß es da leere Stellen gab,… [= Akkusativobjekt von bemerkte] (Schon gut, aber) wie hatte man Teile der letzten Tage aus dem Gedächtnis verloren, auf welche Weise gab es da (überhaupt) leere Stellen? [= Frage nach dem Modaladverbial zu hatte…verloren und es gab] (Müsste Ihnen eigentlich klar sein:) als wäre man durch Erlebnisse gegangen,… [= Modaladverbial zu hatte…verloren und es gab] (Ja, aber) was für Erlebnisse? [= Frage nach dem Attribut von Erlebnisse]

11 Es gibt keine ‚natürlichen‘ Fragen zum Konsekutivadverbial. Zu einer möglichen Erklärung und generell zu „Möglichkeiten und Grenzen von Satzgliedproben“ Kap. III/1.7.

dialogische Veranschaulichung der Komplexität

128 

A: graphische Veranschaulichung der Komplexität

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

so drastisch und fremd, daß sie nicht ganz in die Wirklichkeit gehörten und sich der Erinnerung verweigerten. [= Attribut von Erlebnisse]

Während eine dialogische Veranschaulichung die einzelnen, immer ‚kleineren‘ (= in der Hierarchie tiefer stehenden) Matroschka-Puppen relativ präzise beschreibt, besteht durch eine graphische Veranschaulichung die Möglichkeit, den einzelnen Nebensätzen und Infinitivkonstruktionen auch ihre grammatischen Werte zuzu­ ordnen:

Abb. 5: Satzkomplexität (Kehlmann-Satz)

recycelte Satzglieder

Die Hierarchieebenen werden durch eingeschachtelte Kästchen angezeigt. Zählt man die Kästchen zusammen, die die Anzahl der Stufen innerhalb des Finaladverbials angeben, kommt man, wie bereits erwähnt, auf sechs Unterordnungsgrade. Diesen sind recycelte Satzglieder (Komplemente, Supplemente)  – konkret: ein Akkusativobjekt zweiten Grades, ein Subjekt und ein Konsekutivadverbial dritten Grades, ein Akkusativobjekt vierten Grades und ein Modaladverbial fünften Grades – und recycelte Attribute  – konkret: zwei Attributnebensätze vierten und zwei Attributnebensätze sechsten Grades – zuzuordnen.12

12 Zum Recycling im Allgemeinen Kap. I/2.5. Zu einem Beispiel Kap. II/1.7.

Sätze 

 129

Wie oben erwähnt, kommt es fünfmal vor, dass es auf derselben Unterordnungsstufe zwei Nebensätze gibt. Von diesen fünf Fällen stellen vier Nebensatzpaare Nebenordnungen dar (gestrichelt eingerahmte Kästchen, verbunden durch eine horizontale Linie). Die beiden Attributnebensätze vierten Grades befinden sich dagegen zwar auf derselben Hierarchieebene, sie sind aber nicht koordiniert (kontinuierlich eingerahmte und nicht verbundene Kästchen nebeneinander), denn sie beziehen sich auf unterschiedliche Substantive innerhalb des Subjekts dritten Grades.13 Erhöht wird die Komplexität des Subjekts dritten Grades nicht nur durch die beiden nichtkoordinierten Attributnebensätze vierten Grades, sondern auch, wie oben bereits erwähnt, dadurch, dass der erste dieser Nebensätze (dem man selbst, und zwar mit ungenügender Anästhesie, die Beine amputiert hatte) die Realisierung des Subjektsinfinitivs (einen Mann, dem man selbst, und zwar mit ungenügender Anästhesie, die Beine amputiert hatte, wenige Meter vor dem wartenden Hubschrauber zu verlieren, zu dem man ihn über vor Hitze flimmernde Felder geschleift hatte) unterbricht. Der Leser muss also die Verarbeitung der (recycelten) Satzglieder des Subjektsinfinitivs vorübergehend aussetzen, um eben die (recycelten) Satzglieder des Attributnebensatzes zu verarbeiten. Erst danach kann er die Verarbeitung der (recycelten) Satzglieder des Subjektsinfinitivs wieder aufnehmen. Soviel zur formalen und funktionalen Satzkomplexität. Das Kapitel abschließend sollte allerdings noch eine Frage geklärt werden: Wenn, wie eingangs erwähnt, die Unterscheidung zwischen einfachem und komplexem Satz ausschließlich auf dem Begriff des (grammatischen) Satzes beruht und unabhängig von dem orthographischen Satzbegriff ist, lässt sich dann in Bezug auf orthographische Sätze gar nicht sinnvoll von Einfachheit und Komplexität sprechen? Doch. Gerade die Unterscheidung zwischen einfachem und komplexem Satz macht es möglich, den Begriff der Satzverbindung nach Komplexität auszudifferenzieren. Eine Satzverbindung ist ja ein orthographischer Satz, der aus der Verknüpfung von (grammatischen) Sätzen besteht (Kap. II/1.4). Je nachdem, ob diese Verbindung (e) nur aus einfachen, (k) nur aus komplexen oder (g) aus einfachen wie komplexen Sätzen besteht, können wir drei Unterklassen von Satzverbindungen unterscheiden: einfache, komplexe und gemischte Satzverbindungen:

13 Dasselbe gilt für die beiden Strukturen dritten Grades im Postillon-Satz.

Koordination vs. identischer Unterordnungsgrad

SatzgliedUnterbrechung

Komplexität des orthografischen Satzes

ekg-Satz­ verbindung

130 

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

(4) (e) […] (einfacher die Leute haben sich die Röllchen genommen Satz), (einfacher denen hat das geschmeckt Satz), und (einfacher gesund soll es auch sein Satz) und (einfacher macht nicht dick Satz), aber, (einfacher dem Brenner hat vor dem rohen Fisch geekelt Satz). (Haas Silentium: 109) (k) […] (komplexer die Leute, denen das geschmeckt hat, haben sich die Röllchen genommen Satz), und (komplexer obwohl es auch gesund sein und nicht dick machen soll Satz), hat dem Brenner vor dem rohen Fisch geekelt Satz). (g) […] (komplexer die Leute, denen das geschmeckt hat, haben sich die Röllchen genommen Satz), und (einfacher gesund soll es auch sein Satz) und (einfacher macht nicht dick Satz), aber, (einfacher dem Brenner hat vor dem rohen Fisch geekelt Satz). Einfache Sätze haben nur ein Hauptprädikat. Komplexe Sätze (= Satzgefüge) haben zusätzlich (mindestens) ein Nebenprädikat. Komplexität lässt sich dabei formal wie funktional beurteilen: Quantitativ-formal geht es um die Anzahl der Nebenprädikate. Qualitativ-formal geht es einerseits um den Unterordnungsgrad der Nebenprädikate, andererseits um die Linearisierungskomplexität (+/-Kontinuität von Nebensätzen und Infinitivkonstruktionen bzw. Art und Anzahl der Unterbrechungen bei demselben Nebensatz / derselben Infinitivkonstruktion). Funktional gesehen haben komplexe Sätze nicht mehr Satzglieder als einfache. Ihre Komplexität ergibt sich vor allem aus der internen Komplexität einzelner Satzglieder, wenn diese die Form von Nebensätzen oder Infinitivkonstruktionen haben, deren Satzglieder wiederum die Form von Nebensätzen oder Infinitivkonstruktionen haben (Matroschka-Prinzip). Der Begriff der Satzkomplexität lässt sich auch für orthographische Sätze, für die Unterklassifizierung von Satzverbindungen, nutzbar machen. Unterscheiden lassen sich einfache, komplexe und gemischte (= ekg-) Satzverbindungen.

2.4 Realer und virtueller Satz rekonstruierte Glieder

Betrachten wir den orthographischen Satz [8] mit drei koordinierten Sätzen: [8] Hannes zum Beispiel hatte sich eine Polizeikelle besorgt und [Hannes hatte] damit Schnellfahrer angehalten und [Hannes hatte] den Verschreckten ein Bußgeld abgeknöpft. Im Original-Zeitungsartikel enthält der orthographische Satz natürlich keine rekonstruier­ten Glieder in eckigen Klammern, sondern sieht wie folgt aus: [8’]

Hannes zum Beispiel hatte sich eine Polizeikelle besorgt und damit Schnellfahrer angehalten und den Verschreckten ein Bußgeld abgeknöpft.

Sätze 

 131

Der optische Sinn der Rekonstruktion besteht darin anzuzeigen, welche Glieder sich bei einer Koordination auf mehr als nur einen grammatischen Satz beziehen. Vergleichen wir hierzu [8] mit [8a]:

optischer Sinn der ­Rekonstruktion

[8a] Hannes zum Beispiel hatte sich eine Polizeikelle besorgt und Klaus hat damit Schnellfahrer angehalten und Peter [hat] den Verschreckten ein Bußgeld abgeknöpft. Während sich in [8] Subjekt (Hannes) und finiter Prädikatsteil (hatte) auf alle drei koordinierten Sätze beziehen, haben in [8a] alle drei Sätze ein eigenes Subjekt (Hannes, Klaus, Peter) und zwei auch eigene finite Prädikatsteile (hatte, hat). Lediglich der finite Prädikatsteil hat ist auf zwei Sätze zu beziehen. Ein Glied, das sich auf mehr als einen koordinierten Satz bezieht, kann real(iter) nur in einem der Sätze vorkommen. In den anderen Bezugssätzen ist es virtuell vorhanden. Genau in diesem Sinne ist die Unterscheidung ‚realer vs. virtueller Satz‘ zu verstehen: Sätze mit nur realen Gliedern wie der erste Satz in [8] und die ersten beiden Sätze in [8a] sind reale Sätze, während Sätze mit realen und virtuellen Gliedern wie die letzten beiden Sätze in [8] und der letzte Satz in [8a] virtuelle Sätze sind. Theoretisch wird der virtuelle Satz in der Regel als eine Art Koordinationsellipse modelliert.14 Das Konzept des virtuellen Satzes, das im Nachfolgenden kurz vorgestellt wird, stellt eine mögliche Alternative zu traditionellen Koordinationsellipsenauffassungen dar, da mit ihm versucht wird, die einschlägigen Strukturen nicht als Ellipsen, sondern als ganz normale Sätze zu rekonstruieren.15 Diese Rekonstruktion setzt zweierlei voraus: (a) die Trennung von Zeitlichkeit und Linearität und (b) die Anwendung des Konzepts der Distributionsklasse auf den Satzbegriff. Bekanntlich rekonstruiert de Saussure die zeitliche Ausdehnung des Bezeichnenden als eine räumliche Linie: „Das Bezeichnende, als etwas Hörbares, verläuft ausschließlich in der Zeit und hat Eigenschaften, die von der Zeit bestimmt sind: a) es stellt eine Ausdehnung dar, und b) diese Ausdehnung ist meßbar in einer einzigen Dimension: es ist eine Linie.“ (CLG: 82)

14 Die Vielfalt der theoretischen Ansätze wird in dem Sammelband ‚Ellipse 2013‘ dokumentiert. Zur kontextkontrollierten Ellipse (mit dem zentralen Subtyp der Koordinationsellipse) vgl. Klein 1993 und Marillier 2016, zur Konstruktionsübernahme Rath 1979: 140  ff. und zur Analepse/Katalepse IDS-Grammatik 1997/1: 569  ff. Zur Einheitentypologie s. Stein 2003: 301  ff. und Hennig 2006: 186  ff. 15 Ausführlich vorgestellt, begründet und angewandt wurde das Konzept in Ágel/Kehrein 2013, wo aber der Terminus ‚virtueller Satz‘ noch nicht eingeführt wurde. Kritisch gewürdigt wird das Konzept von Marillier (2016: 189  ff.). Ein vergleichbarer Ansatz liegt mit Auer 2014 vor.

realer und ­virtueller Satz

Konzept des virtuellen Satzes

Zeitlichkeit und Linearität

132 

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

Für akustische Bezeichnungen gibt es „nur die Linie der Zeit; ihre Elemente treten nacheinander auf; sie bilden eine Kette. Diese Besonderheit stellt sich unmittelbar dar, sowie man sie durch die Schrift vergegenwärtigt und die räumliche Linie der graphischen Zeichen an Stelle der zeitlichen Aufeinanderfolge setzt.“ (ebd.) ­Phänomen und ­Darstellung

Zeitliches Nacheinander lässt sich in der Tat als räumliche Linie darstellen, was aber nicht heißt, dass zeitliches Nacheinander eine räumliche Linie ist. Verwechselt man das Phänomen mit der Darstellung und hält man die Darstellung für das Phänomen selbst, erscheinen bestimmte theoretische Optionen, wie z.  B. Koordinationsellipsenkonzepte, zwingend:16

Distributionsklasse

zeitliche Ausdehnung des Bezeichnenden → räumliche Linie von Wortformen → Darstellung der Wortstellung als Linie → Darstellung der Koordination als Linie → linear zu rekonstruierende Wortformen

Eine Möglichkeit, der Raummetapher der Linearität nicht zu erliegen, ist die sog. Partiturschreibweise (Heringer 1996: 198  ff.). Diese basiert auf dem strukturalistischen Konzept der Distributionsklasse, die „eine syntagmatische Beziehung in absentia“ (Coseriu 1988: 145) ist. Elemente einer Distributionsklasse lassen sich folglich koordinieren. An einem Beispiel (nach Albrecht 1988: 47) veranschaulicht:17 (5)

sit tibi terra levis

Hier könnten anstelle von tibi – einzeln oder koordiniert – auch alle anderen dativischen Personalpronomina (mihi, nobis usw.) stehen. Das Element tibi in praesentia und die anderen dativischen Personalpronomina in absentia bilden also in diesem Satz eine Distributionsklasse (Elemente der Distributionsklasse vertikal angeordnet und durch eckige Klammern gekennzeichnet): [mihi] (5’) sit [tibi] [nobis] […]

terra levis

16 Kritisch zu dieser Verwechslung äußern sich Günthner und Hopper: „Die Linearität des Zeichens, von dem de Saussure – trotz seiner Betonung der Zeitlichkeit gesprochener Sprache – ausging, ist ein entzeitlichtes Konzept, das auf der Metapher des geschriebenen Textes als fertiges Produkt basiert, wobei unsere horizontale Ausrichtung beim Lesen ikonisch als Progression in der Zeit interpretiert wird.“ (Günthner/Hopper 2010: 3) Möglicherweise hätte die Grammatiktheorie einen ‚nichtlinearen‘ Weg eingeschlagen, wären ihre maßgeblichen Theoretiker etwa mit der koreanischen Hangul-Schrift aufgewachsen. V- und C-Zeichen der Hangul-Schrift werden nämlich nicht linear, sondern zwei­ dimensional in Silbenblöcken angeordnet. Die artikulatorische Realisierung der Lautzeichen eines Silbenblocks erfolgt nach einem der sieben möglichen Reihenfolge-Typen (Coulmas 1983: 175  f.). 17 S.T.T.L. ‚Sei dir Erde leichtʻ (Möge dir die Erde leicht sein – Aufschrift auf Grabsteinen).

Sätze 

 133

Betrachten wir nun die Distributionsklassen von [8] und [8a], dargestellt mithilfe der Partiturschreibweise:18 [8] [Hannes] [hatte] und und

[sich eine Polizeikelle besorgt] [damit Schnellfahrer angehalten] [den Verschreckten ein Bußgeld abgeknöpft.]

[8a] [Hannes] [hatte] und [Klaus] [hat] und [Peter]

[sich eine Polizeikelle besorgt] [damit Schnellfahrer angehalten] [den Verschreckten ein Bußgeld abgeknöpft.]

Damit virtuelle Sätze entstehen, müssen Distributionsklassen mit asymmetrischer Elementzahl gebildet werden, d.  h., es muss mindestens eine Distributionsklasse geben, die weniger realisierte Elemente hat als die Anzahl der koordinierten Sätze. Die Koordination (durch und) bewirkt in [8], dass die Ketten sich eine Polizeikelle besorgt, damit Schnellfahrer angehalten und den Verschreckten ein Bußgeld abgeknöpft eine dreielementige Distributionsklasse bilden, während das Subjekt (Hannes) und der finite Prädikatsteil (hatte) je eine einelementige Distributionsklasse darstellen. Da es sich um drei koordinierte Sätze handelt, bedeutet dies, dass sich das Subjekt und der finite Prädikatsteil, obwohl im ersten Satz realisiert, auf alle drei koordinierten Sätze beziehen. Denn solange kein neues Element einer Distributionsklasse auftritt, bleibt die Gültigkeit des ‚alten‘ Elements erhalten. Der zweite und der dritte Satz in [8] sind also virtuelle Sätze, real ist lediglich der erste Satz. Nach demselben Prinzip gibt es in [8a] zwei dreielementige Distributionsklassen und eine zweielementige Distributionsklasse. Infolgedessen bleibt nur die Gültigkeit des finiten Prädikatsteils des zweiten Satzes (hat) im dritten Satz erhalten. In [8a] ist also nur der dritte Satz virtuell, die ersten beiden sind real. Ist die Anzahl der Elemente der Distributionsklassen symmetrisch, d.  h., es gibt bei jeder Distributionsklasse genauso viele realisierte Elemente wie Sätze, haben wir es mit realen (und nicht mit virtuellen) Sätzen zu tun: [8b] [Hannes] [konnte] und [Klaus] [sollte] und [Peter] [wollte]

Partiturschreibweise

Elementzahl asymmetrisch

Gegenprobe: Elementzahl symmetrisch

[sich eine Polizeikelle besorgen] [damit Schnellfahrer anhalten] [den Verschreckten ein Bußgeld abknöpfen.]

Die Partiturschreibweise ist natürlich auch nur eine Darstellungsform. Sie hat aber den Vorteil, dass sie das zeitliche Nacheinander der Wortformen sowohl vertikal – als

18 Um die Darstellung nicht unnötig zu verkomplizieren, wird dabei das Kohäsionsglied zum Beispiel weggelassen.

Phänomen und (Partitur-) Darstellung

134 

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

Distributionsklasse, als räumliches Miteinander – wie auch horizontal – als räumliches Nacheinander, d.  h. als räumliche Ausdehnung von links nach rechts – modelliert. Sie macht also ‚vertikale‘ Zeichenzusammenhänge sichtbar, ohne in die Wortstellung einzugreifen:

die Natürlichkeit virtueller Sätze

zeitliche Ausdehnung des Bezeichnenden → vertikal-horizontale Anordnung von Wortformen → Darstellung der Koordination als symmetrisches und/oder asymmetrisches System → Darstellung der Wortstellung als Funktion dieses Systems, d.  h. als gleichzeitiges räumliches Mit- und Nacheinander → lineare Lesbarkeit ohne zu rekonstruierende Wortformen

Letzteres bedeutet, dass es im räumlichen Nacheinander keine ‚Lücken‘ gibt, da keine Signifikanten fehlen. Vielmehr gibt es Sprachzeichen, die nur einmal realisiert werden müssen, um in zwei oder mehreren Sätzen gültig zu sein. Virtuelle Sätze sind vollkommen natürliche, d.  h. unmarkierte Satzstrukturen. Betrachten wir die folgende dreifache (ich, zog, mir) Asymmetrie und die dazu gehörige Partitur: (6) Ich zog mir den Pullover über und die Hose an. (Timm Nicht: 29) Partitur: (6’) [Ich] [zog] [mir] [den Pullover] [über] und [die Hose] [an] Die totale oder partielle Eliminierung der Virtualität stellen dagegen keine natür­ lichen Alternativen dar:19 (6a) Ich zog mir den Pullover über und ich zog mir die Hose an. (6b) Ich zog mir den Pullover über und zog mir die Hose an. Partituren: (6a’) [Ich] [zog] und [ich] [zog]

[mir] [mir]

[den Pullover] [die Hose]

[über] [an].

(6b’) [Ich] [zog] und [zog]

[mir] [mir]

[den Pullover] [die Hose]

[über] [an].

19 Zu einem weiteren Typ s. unten.

Sätze 

 135

Verglichen mit (6) stellen die Typen (6a) und (6b) markierte Varianten dar.20 An dieser Stelle muss noch ein wichtiger theoretischer Punkt angesprochen werden: Wie grenzt man virtuelle Sätze von satzgliedinternen Koordinationen ab? Handelt es sich bei dem folgenden Beispiel um zwei Sätze oder um einen Satz mit dem Akkusativobjekt den Pullover und die Hose?

Virtueller Satz oder satzgliedinterne Koordination?

(6c) Er zog sich den Pullover und die Hose an. Welche der nachfolgenden Partituren ist also korrekt? (6c’) [Er] [zog] [sich] [den Pullover] und [die Hose] (6c’’) [Er] [zog]

[sich]

[an].

[den Pullover und die Hose] [an].

Die Antwort folgt aus dem dritten Bestimmungsstück des Satzbegriffs der Grammatischen Textanalyse (Kap. II/2.2): „Die (signifikativ-)semantische Struktur eines Satzes stellt einen qua Prädikat entworfenen und qua Prädikat und Komplementen realisierten einzelsprachlichen Sachverhalt, ein Szenario, dar.“ Ein neuer Satz braucht also ein neues Szenario, das wiederum ein neues Hauptprädikat braucht. Im Originalbeleg werden in der Tat zwei Szenarios realisiert: ein Überziehen- und ein Anziehen-Szenario. Demgegenüber liegt mit (6c) lediglich ein Anziehen-Szenario vor. Es geht also nicht um zwei Sätze, sondern um einen einzigen Satz mit akkusativobjektinterner Koordination.21 Das Konzept des Satzes ist genuin darstellungsfunktional und nichtinteraktiv. Entsprechend ist auch das Konzept des virtuellen Satzes genuin darstellungsfunktional und nichtinteraktiv.22 Allerdings lassen sich nichtinteraktive Strukturen durchaus auch interaktiv nutzen, was im Folgenden gezeigt werden soll:23

20 Zu diesem Schluss kommt auch Clemens Knobloch: Bei Koordinationsellipsen „müssten eigentlich die ‚vollständigen‘ Strukturen als markierte Ausnahmen, die Ellipsen als systemgerechte Normalformen gelten!“ (Knobloch 2013: 31  f.) 21 Entgegen der Annahme in Ágel/Kehrein (2013: 132  f.) lässt also eine Distributionsklassenanalyse das alte Problem ‚Koordinationsreduktion vs. phrasale Koordination‘ nicht automatisch verschwinden. Sie macht aber eine Lösung möglich. 22 Reale und virtuelle Sätze sind demnach im Sinne von Utz Maas (2010) genuin literate Strukturen. 23 Um Missverständnissen vorzubeugen: Dass im Nachfolgenden, entsprechend dem Thema des Kapitels, nur von Sätzen die Rede ist, bedeutet nicht, dass ich der Auffassung wäre, dass in der Interaktion typischerweise Sätze geäußert würden.

Satz und Interaktion

136 

realer Satz und Inter­ aktion

Der einfachste Fall einer interaktiven Satzrealisierung ist, wenn ein Satz „kooperativ produziert“ wird (Selting 1997: 133).24 Nehmen wir als Beispiel den nichtinteraktiven Leittext-Satz [29] und machen wir ihn interaktiv ([29’]): [29] [29’] A: B:

virtueller Satz und ­Interaktion

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

da wir hier ja nicht die ganze Geschichte nacherzählen sollten, raffen wir mal etwas zusammen […] da wir hier ja nicht die ganze Geschichte nacherzählen sollten, ähm, raffen wir mal etwas zusammen […]

In [29’] wartet B nicht ab, dass A, der einen Augenblick zögert (Zögerungssignal ähm), den Satz beendet, sondern übernimmt das Kommando und führt den Satz selbst zu Ende. Das Ergebnis ist ein einziger realer Satz, den A und B gemeinsam produziert haben. Der prototypische Fall einer Interaktion ist der Dialog. Im Dialog produzieren A und B nicht denselben Satz, sondern jeder seinen eigenen. Dabei produziert A auf jeden Fall einen realen Satz, B in der Regel einen virtuellen. Typischerweise handelt es sich dabei um Frage-Antwort-Sequenzen.25 Da ein Autor auch mit sich selbst einen Dialog führen, d.  h. einen Schreiberwechsel simulieren kann, finden sich Frage-Antwort-Sequenzen auch im Leittext: [25] Und was singen sie? [26] [Sie singen] »Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt.« [45] Wann spielt das alles? [46] Irgendwie [spielt das alles] wohl doch in ferneren Zeiten.

Sprich nicht in ganzen Sätzen: die Unnatürlichkeit realer Antwortsätze

Hier sind die Ergänzungsfragesätze real, die Antwortsätze virtuell. Würde man die virtuellen Antwortsätze zu realen ausbauen, d.  h. in ganzen Sätzen antworten, hätte man zwei Wortstellungsoptionen, die jeweils auf eine andere Art unnatürlich wären: [25] Und was objekt) singen sie? (Akkusativ[26a] (Akkusativ- »Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt.« singen sie. objekt)

24 Selting (1997: 133) spricht von der „Weiterführung vorgängiger Sequenz- und Formulierungsformate“. 25 Frage-Antwort-Sequenzen stellen dabei nur einen von mehreren Typen von „Konstruktionsübernahmen“ (Rath 1979: 143  ff.; Selting 1997: 128  ff.), „Analepsen“ (IDS-Grammatik 1997/1: 569  ff.) oder „Adjazenzellipsen“ (Klein 1993: 768) dar.

Sätze 

 137

[26b] Sie singen (Akkusativ- »Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt.« objekt) [45] (Temporal- Wann adverbial) spielt das alles? [46a] (Temporal- In ferneren Zeiten adverbial) spielt das alles. [46b] Das alles spielt (Temporal- in ferneren Zeiten adverbial). Die (a)-Varianten kopieren die Struktur der Stellungsfelder-Besetzungen der Originalfragen: Da die Frage-Satzglieder (was, Wann) im Original im Vorfeld stehen, wurden auch die Antwort-Satzglieder in [26a] und [46a] ins Vorfeld gestellt. Allerdings werden virtuelle Antwortsätze auf Ergänzungsfragen nie so verstanden, dass das AntwortSatzglied das Frage-Satzglied stellungsgetreu ersetzt. Würde man also in ganzen Sätzen sprechen, indem man sich auch im Dialog mechanisch an der genuin schriftlichen Stellungsfelderstruktur des virtuellen Satzes orientierte, würde man die neue Information, das Rhema, das in der Regel im Mittel- oder Nachfeld steht, voranstellen und auf diese Weise informationsstrukturell unnatürliche reale Sätze produzieren.26 Die (b)-Varianten sind informationsstrukturell zwar natürliche reale Sätze, aber es ist, wie oben gezeigt, selbst in der genuin monologischen Schriftlichkeit unnatürlich, Distributionsklassen symmetrisch zu realisieren, wenn die Gültigkeit eines bereits realisierten Elements erhalten bleiben würde. Deshalb sind ganze Sätze als Antworten oft auch dann unnatürlich, wenn sie informationsstrukturell einwandfrei sind.27 Wie oben am Beispiel des Timm-Belegs gezeigt, stellen die totale oder partielle Eliminierung der Virtualität keine natürlichen Alternativen dar. Funktioniert man den Timm-Beleg dialogisch um, indem man die deiktischen Elemente (ich, mir) nicht eliminiert, ist jedoch eine einfache (zog) statt einer dreifachen (ich, zog, mir) Asymmetrie durchaus möglich und natürlich. Es handelt sich um eine sog. „parallele Fortführung“ (Klein 1993: 768): (6d) A: Ich zog mir den Pullover über B: und ich mir die Hose an. Dabei handelt es sich jedoch nicht mehr um denselben Referenten der deiktischen Elemente, d.  h., das erste ich bezieht sich auf A, das zweite auf B:

26 Zur Herleitung der Stellungsfelderstruktur als ein Produkt der konzeptionellen Schriftlichkeit s. Ágel 2015. 27 Weinrich (2005: 879) beobachtet, dass die Markiertheit ganzer Antwortsätze zu spezifischen pragmatischen Effekten führen kann: Wenn die Frage Hast du das Geld von deinem Sparkonto abgehoben? Mit Ja, ich habe (schon wieder) Geld von meinem Sparkonto abgehoben beantwortet wird, ist „die ­Redundanz in der Antwort hier ein deutlicher Indikator für eine Verärgerung bei dem Befragten.“

das Wort­ stellungs­ problem

das Distributions­ problem

Referenz und Dialog

138 

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

(6d’) A: B: und

[Ich] [zog] [ich]

[mir] [mir]

[den Pullover] [über] [die Hose] [an].

Denn die zweifache Realisierung desselben Elements derselben Distributionsklasse ließe sich bei identischer Referenz nicht erklären.28 Somit ist dieser deiktisch-dialogische Fall vergleichbar mit dem lexikalisch-monologischen Typ, bei dem es unterschiedliche Besetzungen der Subjektstelle gibt: (6e) Klaus zog sich den Pullover über und Peter die Hose an. (6e’) [Klaus] [zog] [sich] [den Pullover] [über] und [Peter] [die Hose] [an]. Interaktion und virtueller Satz?

­Koordination und ­Interaktion

parallele Fortführung

Wie die letzten Beispiele zeigen, sind strukturelle Parallelen zwischen dem genuin nichtinteraktiven virtuellen Satz und dem interaktiven virtuellen Satz durchaus vorhanden. Trotzdem darf die Übertragung eines genuin nichtinteraktiven Konzepts auf die Interaktion nicht stillschweigend erfolgen, sondern sie muss explizit begründet werden. Dies umso mehr, als das Konzept des virtuellen Satzes auf Satzkoordination beruht, aber interaktive Strukturen wie z.  B. Frage-Antwort-Sequenzen sich schwerlich als koordinierte Sätze auffassen lassen dürften. Bezogen auf die gesprochene Sprache besteht laut Rath (1979: 143) die „verbreitetste Form des Kontextbezugs darin, daß sich die Ellipse syntaktisch (und auch semantisch) an die vorangehende Äußerungseinheit anschließt.“ Einer solchen „Konstruktionsübernahme“, wie Rath diesen Typ von „Ellipse“ nennt, „liegt die Konvention zugrunde, daß Konstruktionen solange in Geltung stehen, bis erkennbar eine neue beginnt. Der Sprecher kann sich entweder auf eigene oder fremde (nach einem Sprecherwechsel) vorangehende Konstruktionen implizit so beziehen, dass er eine neue Äußerungseinheit bildet, indem er auf diese die vorangehende Konstruktion überträgt.“ (ebd.) Rath demonstriert die Konstruktionsübernahme am folgenden Gesprächsauszug, der ebenfalls eine parallele Fortführung darstellt:29 (7) A: B:

Ja das genügt ja auch Ja mir nich

Der Gesprächsbeitrag von B fängt mit dem Kohäsionsglied Ja an, das grammatisch ein Grenzsignal zwischen den Textgliedern von A und B darstellt. Im konkreten Fall markiert es die Grenze zwischen dem realen Satz von A und dem virtuellen von B. Im Monolog würde an dieser Stelle ein Konjunktor als Grenzsignal stehen: 28 Zum Problem s. Ágel/Kehrein 2013: 136  f. 29 Da es sich um ein Originalgespräch handelt, verwendet Rath keine Interpunktionszeichen.

Sätze 

 139

(7’) Das genügt den Nachbarn, aber mir nicht. Auch bei anderen Typen von interaktiven Konstruktionsübernahmen sind die Grenzsignal-Parallelen nicht zu übersehen. Betrachten wir hierzu zwei weitere Beispieltypen. Zuerst eine Frage-AntwortSequenz (Beispiel nach Klein 1993: 768): (8) A: Wer schlug wen wo? B: Alexander die Perser bei Issos.

FrageAntwortSequenz

Man kann hier zwei Sorten von monologischen Strukturanalogien ansetzen: einerseits monologische Frage-, andererseits monologische Aussagekoordination: (8’) Wer schlug wen wo, und wer darf wen wo (überhaupt) schlagen? (8’’) Xerxes schlug die Griechen bei den Thermopylen, und Alexander die Perser bei Issos. Der andere Beispieltyp ist die sog. „teilweise Korrektur“ (Klein 1993: 768, Beispiel ebd.):

teilweise Korrektur

(9) A: Otto hat hundert Mark gewonnen. B: (Nein,) Peter tausend verloren. (9’) Otto hat hundert Mark gewonnen bzw. Peter tausend verloren. Hier entspricht dem Kohäsionsglied-Grenzsignal Nein der präzisierende Konjunktor beziehungsweise.30 Auch wenn die erwähnten Typen von dialogischen Konstruktionsübernahmen keine Koordinationen darstellen, sind die strukturellen Parallelen nicht zu über­ sehen: Dem dialogischen Grenzsignal  – Fragesatz oder einschlägiges Kohäsionsglied  – zwischen zwei Gesprächsbeiträgen entspricht monologisch ein Konjunktor zwischen zwei Sätzen. Folglich entspricht strukturell der Konstruktionsübernahme am ehesten die Koordination.31

30 Genauer: Beziehungsweise ist ein Parajunktor, der sich aber auch koordinierend einsetzen lässt. 31 Zu informationsstrukturellen Parallelen s. die IDS-Grammatik 1997/1: 569  ff.

Fazit I: Koordination und Interaktion

140 

Fazit II: autonome Kodierung

Anwendung

Dialog­ analyse

Partitur des Dialogs

Satz­ äquivalenz?

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

Akzeptiert man, dass bei Koordination und Konstruktionsübernahme die asymmetrische Elementzahl der beteiligten Distributionsklassen das natürliche Strukturformat darstellt, dass also Virtualität keine lineare Lücke generiert, sondern lediglich zeitliches Nacheinander kodiert, ist der virtuelle Satz nicht weniger autonom kodierend als der reale. Denn ‚virtuell‘ heißt lediglich, dass sich ein Element, das in mindestens zwei Sätzen denselben grammatischen Wert, etwa den Wert ‚Subjekt‘, erhält, eben nur einmal realisieren lässt. Wenn es im virtuellen Satz ‚fehlen‘ würde oder ‚elliptisch weggelassen‘ wäre, wäre der virtuelle Satz das markierte Satzformat. Soweit die Grundzüge des Konzepts des virtuellen Satzes. Im Folgenden soll nun die Anwendbarkeit des Konzepts getestet werden: (a) einerseits praktisch, indem ein fiktionaler Dialog analysiert wird, (b) andererseits theoretisch, indem das Verhältnis von Satzrandglied und virtuellem Satz besprochen wird. Ad (a): Betrachten wir den folgenden Dialog und die dazu gehörige Partitur: (10) A: Hören Sie Musik, wenn Sie arbeiten? B: Ja, manchmal. A: Und was? B: Jazz, Klassik, Hip Hop. A: Sind Sie in der Werbebranche? B: Wie kommen Sie darauf? A: Na ja, die Frisur. B: Hab mir heute schneiden lassen. (Timm Johannisnacht: 197)32 (10’) A: [Hören Sie [Musik], wenn Sie arbeiten?] B: Ja, [manchmal. ] A: Und [was?] B: [Jazz, Klassik, Hip Hop.] A: [Sind Sie in der Werbebranche?] [Wie kommen Sie darauf?] B: A: Na ja, die Frisur. B: [Hab mir heute schneiden lassen.] Nach Helbig/Buscha (2001: 440) werden als Satzäquivalente „solche Wörter bezeichnet, die nicht Teil eines Satzes sind, sondern selbst Sätze darstellen.“ Zu diesen

32 Indizierung der Gesprächspartner durch „A“ und „B“ nicht im Original.

Sätze 

 141

gehören nach ihnen auch die Antworten auf Entscheidungsfragen ja, nein und doch, also auch Ja in der zweiten Zeile des Dialogs. Dass die responsiven Kohäsionsglieder ja, nein und doch selbst Sätze darstellen würden, dürfte sich jedoch mit keiner Satzdefinition vertragen.33 Mit dem Konzept des virtuellen Satzes verträgt es sich deshalb nicht, weil ja, nein und doch keine Distributionsklasse mit beliebigen Entscheidungsfragesätzen bilden. Dagegen stellen Adverbiale (manchmal, in aller Regel) und Kommentarglieder (eventuell, unter Umständen) als Antwortsequenzen virtuelle Sätze dar: (10a) A: Hören Sie Musik, wenn Sie arbeiten? B: Manchmal / in aller Regel /  eventuell  /  unter Umständen  (höre ich Musik, wenn ich arbeite). Denn während die responsiven Kohäsionsglieder „stets außerhalb des Satzverbandes (stehen)“ (Helbig/Buscha 2001: 440), treten Adverbiale und Kommentarglieder „im Satzverband als ein normales Stellungsglied auf“ (ebd.).34 M. a. W., würde man als Antwortsequenz einen realen Satz bilden, wären die Adverbiale und Kommentarglieder in die Felderstruktur des realen Satzes integriert. Möglich ist auch, dass ein Kommentarglied als Antwortsequenz von einem Kohäsionsglied begleitet wird wie z.  B. im Falle der Ausdrücke na klar oder aber sicher:35 (10b) A: Hören Sie Musik, wenn Sie arbeiten? B: Na  klar  / aber  sicher  (höre ich Musik, wenn ich arbeite). Was nun die Zeilen 3 und 4 des Dialogs anbelangt, liegen hier virtuelle Sätze vor (was? bzw. Jazz, Klassik, Hip Hop.), die zusammen mit dem Akkusativobjekt des realen Satzes (Musik) Elemente einer Distributionsklasse bilden. Dagegen enthalten die Zeilen 5 und 6 reale Sätze, weil der Entscheidungsfragesatz in Zeile 5 mit einem Gegenfragesatz in Zeile 6 beantwortet wird.

33 Helbig und Buscha selbst definieren ‚Satz‘ nicht. Das Attribut responsiv („responsive Kohäsionsglieder“) lehnt sich an die interaktive Einheit namens Responsiv der IDS-Grammatik (1997/1: 63) an. 34 Helbig und Buscha verwenden den Begriff ‚Modalwort‘, Hoffmann (2013: 398  ff.) spricht von „Modalpartikeln“. Doch wortartenbezogene Herangehensweisen sind hier irreführend, denn Kommentarglieder sind genauso wenig mit einer Wortart ‚Modalwort/-partikel‘ in den Griff zu bekommen wie Adverbiale mit der Wortart ‚Adverb‘. In einer funktionalen Grammatik ist einem Wort wie wahrscheinlich derselbe grammatische Wert zuzuordnen wie einer Wortgruppe wie mit hoher Wahrscheinlichkeit oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit. Dasselbe gilt für eventuell und unter Umständen. 35 Zur Virtualität einer Antwortsequenz gehört mitunter die Anpassung der „Gesprächsrolle“ (Weinrich 2005: 87  f.). Gesprächsrollenanpassungen heben also die Gültigkeit eines bereits realisierten Elements einer Distributionsklasse nicht auf.

Antwort­ sequenzen als virtuelle Sätze

kohäsivkommentierende Antwort­ sequenzen

zurück zur Dialog­ analyse

142 

Nichtsatz Realer oder virtueller Satz?

leeres Vorfeld

Virtueller Satz oder Satzrandglied?

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

Der einzige Nichtsatz des Dialogs (die Frisur) befindet sich in Zeile 7, begleitet von einem Kohäsionsglied (Na ja). Dieser Nichtsatz ließe sich theoretisch in den Satz in Zeile 8 als Akkusativobjekt integrieren: (10c) Die Frisur hab mir heute schneiden lassen. Heißt das, dass der Nichtsatz in Zeile 7 und der Satz in Zeile 8 gemeinsam einen realen Satz bilden? Oder dass in Zeile 7 gar kein Nichtsatz, sondern ein virtueller Satz vorliegt, und dass Zeile 8 einen weiteren virtuellen Satz darstellt? Weder noch. Ein Nichtsatz, der ja kein Prädikat enthält, kann per definitionem keine Vorlage für einen virtuellen Satz darstellen. Anders gesagt: Ein virtueller Satz setzt einen realen voraus. Daraus folgt, dass der Satz in Zeile 8 selber ein realer Satz sein muss. Das Besondere an ihm ist lediglich, dass er ein leeres Vorfeld (Kap. II/1.3) hat, das zwar eine stilistisch markierte, aber regelhafte Struktur des Gegenwartsdeutschen darstellt (Eroms 2010: 31).36 Ad (b): Ein theoretischer Testfall für das Konzept des virtuellen Satzes ist die Frage nach dem Verhältnis von Satzrandglied (im engeren Sinne) und virtuellem Satz. Satzrandglieder (Kap. II/1.5) wurden funktional als „Thematisierungsausdrücke“ (IDS-Grammatik 1997/1: 518  ff. und 548) beschrieben, da sie das Thema des nachfolgenden Satzes ankündigen oder das Thema des vorangehenden Satzes präzisieren. Grammatisch wurde ihnen der Wert ‚Nichtsatz‘ zugeordnet. Der folgende Beleg wird aus Kap. II/1.5 übernommen (Satzrandglieder Punkt-Strich unterstrichen): (11) Wie ertrug (The- sie ma) das, die Mutter, die ihn ja kannte als den geselligen Mann, charmant und einnehmend? Wie ging (The- sie ma) damit um, diese so disziplinierte, stets freundliche Frau? (Timm Bruder: 106)

SatzrandgliedPartitur?

Geht es hier nicht um virtuelle Sätze? Ist die folgende Partitur keine korrekte Darstellung der Makroglieder? (11’) Wie ertrug [sie] das, [die Mutter, die ihn ja kannte…]? Wie ging [sie] damit um, [diese so disziplinierte, stets freundliche Frau]?

36 Es handelt sich um die sog. definite Valenz-Nichtrealisierung (Ágel 2000: 256), d.  h. um Fälle, bei denen die Eindeutigkeit des sprachlichen Kontexts oder der außersprachlichen Situation die Realisierung eines Satzglieds überflüssig machen. Ein Beispiel für situative Eindeutigkeit wäre, wenn jemand sich über einen Suppentopf bückt und dabei den Satz Riecht gut äußert.

Sätze 

 143

Nein. Die Partitur (11’) ist inkorrekt, weil Satzrandglieder keine virtuellen Sätze darstellen. Denn Thema und Satzrandglied bilden keine Elemente einer Distribu­ tionsklasse, sondern Elemente eines Paradigmas. Im Gegensatz zu Elementen einer Distributionsklasse, die sich ja koordinieren lassen, kann ein Paradigma „zwar aus Elementen bestehen, die potentiell in einer bestimmten Position eines Syntagmas erscheinen können; sie würden sich dort jedoch bei aktuellem Auftreten gegenseitig ausschließen:“ (Albrecht 1988: 46)37 M. a. W., im Gegensatz zu der Relation von realen und virtuellen Sätzen liegt in (11’) keine Koordination vor. (11’) lässt sich folglich koordinierend nicht paraphrasieren ((11’) ≠ (11’’)):

Paradigma vs. Distributions­ klasse

Paradigma, folglich Satzrandglied

(11’’) Wie ertrug sie das, und die Mutter, die ihn ja kannte als den geselligen Mann, charmant und einnehmend? Wie ging sie damit um, und diese so disziplinierte, stets freundliche Frau? Umgekehrt bilden die Temporaladverbiale des folgenden Belegs eine Distributionsklasse: (12) Einmal, (Paren- das war klar these), mußte ich es sagen, daß Joachim aus dem Leben geschieden ist, aber nicht gerade heute, (Paren- fand ich these), nicht gerade am ersten Abend. (Frisch Homo: 175) M. a. W., das zweite (nicht gerade heute) und das dritte (nicht gerade am ersten Abend) Temporaladverbial stellen keine rechten Satzrandglieder, sondern virtuelle Sätze dar. Man vergleiche hierzu die Partitur:38 (12’) [Einmal] aber [nicht gerade heute], [nicht gerade am ersten Abend].

[mußte ich es sagen, daß…]

37 Die Unterscheidung von Paradigma und Distributionsklasse übernimmt Albrecht von Coseriu, s. etwa Coseriu 1988: 144  ff. 38 Die Parenthesen (das war klar bzw. fand ich) werden hier nicht berücksichtigt. Auf ihren syntaktischen Status wird im Kap. III/4.3 einzugehen sein.

Distributions­ klasse, ­folglich ­virtueller Satz

144 

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

Als theoretische Alternative zu Koordinationsellipsenkonzepten werden reale und virtuelle Sätze unterschieden. Wenn bei Koordination die Anzahl der Elemente der beteiligten Distributionsklassen asymmetrisch ist, d.  h., wenn es nicht bei jeder Distributionsklasse genauso viele realisierte Elemente wie Sätze gibt, enthält die Koordination auch virtuelle Sätze. Im (unnatürlichen) symmetrischen Fall nur reale. Als Darstellungsform für reale und virtuelle Sätze (mit ihren Distributionsklassen) eignet sich die Partiturschreibweise. Das Konzept des virtuellen Satzes lässt sich, mutatis mutandis, auch auf interaktive Strukturen (wie z.  B. Frage-Antwort-Sequenzen) übertragen: Das interaktive Pendant der Koordination ist die Konstruktionsübernahme. Dem dialogischen Grenzsignal zwischen zwei Gesprächsbeiträgen entspricht monologisch ein Konjunktor zwischen zwei Sätzen. Qua Distributionsklasse vs. Paradigma lassen sich der (distributionsklassenbasierte) Begriff des virtuellen Satzes und der (paradigmenbasierte) Begriff des Satzrands unterscheiden.

2.5 Statischer und dynamischer Satz Grundvalenz

Statik und Dynamik

Die Unterscheidung zwischen statischem und dynamischem Satz wurde im Kap. I/3.5 eingeführt: Die Grundstruktur eines Satzes basiert auf der Grundvalenz des prädikatsstiftenden Verbs. Mit Grundvalenz ist dabei „nicht die Valenz des Infinitivs oder des abstrakten Verbs an sich (gemeint), sondern stets die Valenz der finiten aktivischen Verbform.“ (Welke 2011: 122)39 Wenn die Grundvalenz 1:1 realisiert wird, wenn also das potenzielle, in der Verbvalenz angelegte Szenario ohne Umszenierung aktualisiert wird, entsteht ein statischer Satz. Andernfalls ein dynamischer (dynamische Prädikate und Satzglieder werden türkis hervorgehoben): (13) (a) Man ergreift den Löffel. (b) Der Löffel wird ergriffen.

kategoriale Dynamik

Die finite aktivische Verbform ergreift im (a)-Satz stellt also ein statisches Prädikat (mit der statischen Valenz ‚Subjekt-Akkusativobjekt‘) und die finite passivische Verbform wird ergriffen im (b)-Satz ein dynamisches Prädikat (mit der dynamischen Valenz ‚Subjekt‘) dar.40 Je nachdem, ob die Umszenierung kategorial oder konstruktionell erfolgt, je nachdem also, ob die Funktion im Sinne der Funktion-Argument-Wert-Formel eine grammatische Kategorie oder eine grammatische Konstruktion ist, wurde im Kap. I/3.5 die Unterscheidung zwischen kategorial und konstruktionell dynami-

39 Das Konzept der Grundvalenz und der Valenzdynamik wird in den Kap. III/1.3.1 und III/1.3.3 zu präzisieren sein. 40 Die Herleitung der Passivdynamik, d.  h. die theoretische Einordnung des Passivs, erfolgt im Kap. III/1.3.3.

Sätze 

 145

schen Sätzen eingeführt. Im obigen Beispielpaar liegt kategoriale Dynamik vor: Das aktivische Ergreifen-Szenario wird (akkusativ)passivisch zum Ergriffen-werdenSzenario umszeniert. Das Konzept der kategorialen Dynamik setzt also grammatische Kategorisierungen mit Umszenierungspotenzial voraus. Paradebeispiel hierfür ist das Verbalgenus mit den Kategorien ‚Aktiv‘ und ‚Passiv‘. Umgekehrt haben die grammatischen Kategorisierungen ‚Tempus‘, ‚Modus‘, ‚Numerus‘ und ‚Person‘ kein Umszenierungspotenzial. Man vergleiche etwa die folgenden Variationen über das aktivische ErgreifenSzenario:41

(nicht)um­ szenierende ­Kategorisierung

(13) (a’) Du ergreifst den Löffel. (a’’) Wir ergriffen den Löffel. (a’’’) Sie hätten den Löffel ergriffen. Wenn wir über die Kategorisierungen ‚Verbalgenus‘, ‚Tempus‘, ‚Modus‘, ‚Numerus‘ und ‚Person‘ reden, meinen wir das Verbparadigma finiter Formen (Eisenberg 2006/2: 102). Doch auch die infiniten Verbformen werden kategorisiert. Sie werden hinsichtlich der Kategorisierung ‚Infinitheitstyp‘ in die Kategorien ‚Infinitiv‘, ‚Partizip II‘ und ‚Inflektiv‘ eingeteilt (Eisenberg 2006/2: 101).42 Wie erwähnt, wird unter Grundvalenz die Valenz der finiten aktivischen Verbform verstanden. Diese lässt sich jedoch nicht nur finit (Passiv, Imperativ), sondern auch infinit (Infinitiv, Partizip II) umkategorisieren (Welke 2011: 200):43 (13) (a) Man ergreift den Löffel. [Aktiv] Der Löffel wird ergriffen. [Passiv] (b) (c) Ergreife den Löffel! [Imperativ] 41 In Anlehnung an Eisenberg (2006/2: 102) werden unter der Kategorisierung ‚Modus‘ nur die Kategorien ‚Indikativ‘ und ‚Konjunktiv‘ subsumiert, aber nicht die Kategorie ‚Imperativ‘. Mit anderen Argumenten, aber zum selben Ergebnis kommt auch die funktional-pragmatische Grammatiktheorie (Redder 1992: 137  f.). Zum Imperativ Kap. III/3.2.4. 42 Die Kategorisierung ‚Infinitheitstyp‘ geht auf Thieroff (1992: 7) zurück. Die Inflektiv genannte infinite Verbform wie z.  B. kaputtlach, zitter, nörgel (Eisenberg 2006/2: 425) wird im Weiteren nicht berücksichtigt, vgl. hierzu Hentschel 2009: 175  f. Das Partizip I wird nach Eisenberg (2006/2: 101) „nicht innerhalb irgendwelcher Verbformen verwendet und gilt uns als Adjektiv (die Eier legende Wollmilchsau).“ Allerdings zeigt das deutsche Partizip I typologisch durchaus Ähnlichkeiten mit dem sog. Konverb, das syntaktisch als Adverbialsupplement funktioniert (Ylikoski 2003), s. etwa das Partizip I im Satz Lachend betrat sie das Zimmer. Im Gegensatz zu älteren Sprachstufen des Deutschen, in denen es noch analytische Verbformen wie z.  B. frnhd. (sie) war singend (’sang‘ (durativer Aspekt)) oder (er) ward ruffend (’begann zu rufen‘ (ingressiver Aspekt)) gab, gehört das gegenwartsdeutsche Partizip I jedoch nicht mehr zum Verbparadigma. 43 Hier geht es nur um die verbalen morphologischen Abwandlungen des Aktivs, mehr dazu Kap. III/1.3.3.

Finitheit und Infinitheit

finite und infinite kategoriale Dynamik

146 

(d) (e)

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

den Löffel ergreifen, … [Infinitiv] den Löffel ergriffen, … [Partizip II]

Im Sinne der Funktion-Argument-Wert-Formel handelt es sich also nicht nur bei den finiten Formen (13b) und (13c), sondern auch bei den infiniten Formen (13d) und (13e) um umszenierende Kategorien, die (kategorial) dynamische Sätze mit dynamischen Prädikaten begründen können (Pstat = statisches Prädikat; Pdyn = dynamisches Prä­ dikat): Passiv (Pstat) = Passiv-Pdyn Imperativ (Pstat) = Imperativ-Pdyn Infinitiv (Pstat) = Infinitiv-Pdyn Partizip II (Pstat) = Partizip-II-Pdyn nichtfinite Dynamik

Da das Konzept der Mesoebene auf der Unterscheidung von statischen vs. (kategorial und konstruktionell) dynamischen Sätzen beruht, weshalb die finiten dynamischen Sätze in den Kapiteln über dynamische Prädikate (Kap. III/2.2) und dynamische Satzglieder im engeren Sinne (Kap. III/3.2) behandelt werden, beschränken wir uns im vorliegenden Kapitel auf die nichtfinite Dynamik. Diese umfasst einerseits die erwähnten Typen infiniter Dynamik (mit den umszenierenden Kategorien ‚Infinitiv‘ und ‚Partizip II‘), andererseits einen afinit dynamischen Typ mit nichtrealisiertem Kopulaverb, die sog. internen Prädikationen:44 (14)

Das Leben ein Traum. (Beispiel zit. n. Behr/Quintin 1996: 67)

Typen nicht­finiter Dynamik

Im Nachfolgenden wird also dafür zu argumentieren sein, dass sich nichtfinite Dynamik auch afinit herstellen lässt und dass deshalb mit insgesamt drei Typen nichtfiniter dynamischer Sätze – mit zwei infiniten Typen und einem afiniten Typ – zu rechnen ist:45 1) dynamische Infinitivsätze (= freie Infinitivkonstruktionen), 2) dynamische Partizipialsätze und 3) dynamische Prädikativsätze (= interne Prädikationen).

Infinitiv- und Partizipialkette

Ad 1)–2): Im Gegensatz zu finiten dynamischen Sätzen erscheinen infinite dynamische Sätze oft verkettet, d.  h. als infinite dynamische Satzverbindungen:

44 Bekannt ist aus der deutschen Sprachgeschichte eine andere afinite Struktur, nämlich die sog. Afiniten Konstruktionen mit nichtrealisiertem Hilfsverb im Nebensatz (s. Dal/Eroms 2014: 259). 45 Wie im Kap. II/2.2 erwähnt, wird bei nichtfiniter Dynamik das vierte Satzkriterium außer Kraft gesetzt. Nichtfinit dynamische Sätze sind also etwas weniger ‚satzhaft‘ als statische und finit dynamische Sätze.

Sätze 

 147

(15) Selbstbedienung 1. Gewünschte Artikel abzählen 2. Fachnummer und Menge je Artikel eintragen 3. Ware in die Tüte füllen (Selbstbedienungsanleitung Toom-Baumarkt) (16) … Alltag  …: rasch die wichtigsten Lebensmittel gekauft, noch einmal die Moschee besucht, und dann abgewartet, wie die Nacht verläuft. (Hörbeleg, zit. n. Redder 2003: 155) In (15) liegt eine Infinitivkette, d.  h. eine dynamische Infinitivsatzverbindung, in (16) eine Partizipialkette, d.  h. eine dynamische Partizipialsatzverbindung, vor.46 Wie oben erwähnt, erscheinen infinite dynamische Sätze oft als dynamische Satzverbindungen. Sie kommen jedoch, beispielsweise in Aufforderungsfunktion, auch nichtverkettet, d.  h. als einfache (infinite dynamische) Sätze vor:47

infinite dynamische Sätze

(17) „Hiergeblieben!“ (18) „Alles aussteigen!“ (Kästner 35. Mai: 68  f.) Was dynamische Infinitivsätze anbelangt, werden sie keinesfalls nur „als Imperativäquivalente und (höfliche) Instruktionen benutzt“, sondern mit ihnen „können sehr unterschiedliche deontische Handlungen vollzogen werden“ (Deppermann 2006: 243): Vorschlag, Empfehlung, Aufforderung/Gebot, Wunsch- oder Absichtsbekundung, Vereinbarung/Selbstverpflichtung und sogar Klage.48 Der folgende Beleg mit der Überschrift „immer aufräumen (Familieninteraktion)“ ist ein Beispiel für eine Klage (eines Kindes gegenüber dem Vater):49

46 Nach Angelika Redder (2003: 162  ff. und 2006: 131  ff.) stellen Partizipialketten „besondere Ver­ket­ tung(en) von partikularem sprachlichem Handeln“ (Redder 2003: 165) dar, die als „Schilderungen von Konstellationen“ (Redder 2006: 132) fungieren. 47 Nach der empirischen Untersuchung von Simone Heinold (2013) kommen direktive Partizipien nicht nur als reine Direktiva, sondern häufig auch als Tokens gemischter illokutionärer Klassen wie Assertive und Kommissive Direktiva vor: als Ratschlag und Warnung bzw. als Einladung und Hortativ (vgl. Heinold 2013: 328  ff.). Außer als Direktiva wurden in ihrem Korpus, allerdings „mit nur wenigen Treffern“ (ebd.), auch Partizipialsätze als reine Assertiva und Expressiva gefunden. 48 Deshalb bezeichnet Arnulf Deppermann (2006) freie als „deontische Infinitivkonstruktionen“. 49 Transkriptionen gesprochener Sprache werden üblicherweise klein geschrieben. Großschreibungen von Silben oder Silbenkernen zeigen Akzente an. „(-)“ markiert eine kurze Pause, „:“ die Dehnung des Vokals, „↑“ einen kleineren Tonhöhensprung nach oben und „=“ den unmittelbaren Anschluss (latching) des Gesprächsschrittes.

Deontik

148 

(19) ein ­‚deontisches‘ Gedicht

01 Va: jetz machste- (-) hh erst mA:l dein z↑Immer, 02 Ki: =Immer AUf[räumen03 Va: [un dann schAUn wer mal. (Deppermann 2006: 250)

Das folgende Gedicht lässt dem Leser zuerst einmal einen großen deontischen Interpretationsspielraum, bis dann die jeweilige Interpretation in der letzten Zeile ‚widerlegt‘ oder konterkariert wird: (20)

Autonomie

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

sich hinsetzen schön die lippen bewegen den löffel ergreifen in die suppe tauchen kein ganzes tier verschlucken sich zahlreich spiegeln in den schönen augen die suppe ganz auslöffeln den löffel weglegen auferstehn (hutten mahlzeit in: hutten post 33)

Beispielsweise könnte man sich das Gedicht als einen inneren Monolog eines schmollenden Kindes vorstellen, bis dann die letzte Zeile diese Interpretation ‚widerlegt‘. Aus der Sicht eines sinnierenden Erwachsenen könnte es sich dagegen z.  B. um eine Parabel auf den Kreislauf von Leben, Vergänglichkeit und Tod handeln: das Leben als eine monotone Kette von Geboten, Wünschen, Vereinbarungen oder Selbstverpflichtungen, das überraschenderweise nicht mit dem Tod endet, sondern mit einem Neuanfang, bei dem allerdings offen bleibt, ob er tatsächlich etwas Neues, d.  h. Nichtmonotones und Nichtdeontisches, verspricht oder lediglich eine Neuauflage der monotonen Kette von Geboten, Wünschen, Vereinbarungen oder Selbstverpflichtungen darstellt. Da Sätze, ob finit oder infinit, ob statisch oder dynamisch, per definitionem autonom sind, d.  h., keine Satzglieder oder Attribute in anderen Sätzen darstellen, sind auch die einzelnen dynamischen Sätze in Infinitiv- und Partizipialketten autonom. Die im vorliegenden Kapitel behandelten dynamischen Infinitiv- und Partizipialsätze, die ja Makroglieder darstellen, sind also strikt zu unterscheiden von satzglied- bzw. attributwertigen Infinitiv- und Partizipialkonstruktionen, die ja Mesobzw. Mikroglieder darstellen. Man betrachte etwa die folgenden Beispiele mit infinitivischem Mesoglied und partizipialem Mikroglied:

Sätze 

(21) (22)



 149

Den Löffel (zu) ergreifen und in die Suppe (zu) tauchen infinitiv) macht (SubjektsSpaß. […] eine ganze Gruppe deutscher Touristen, (Partizipial- geführt von einem katholischen Priester attribut), drängte sich vor dem Relief wie vor einer Unglücksstätte, so daß ich neugierig wurde […]. (Frisch Homo: 136)

Ad 3): Vollverben (wie sich hinsetzen, ergreifen, arbeiten) sind alleine (finit) prädikats­ fähig, Adjektive und Substantive dagegen nicht:

Prädikativ­ gefüge

(23) (a) Marc arbeitet. (b’) ?Marc Arbeiter. (c’) ?Marc arbeitsam. Um sie prädikatsfähig zu machen, bedarf es eines verbalen Sprachzeichens, das ihnen verbale Kategorien (wie Tempus, Modus usw.) verleiht. Dieser Verbalisator ist die Kopula, prototypischerweise die Kopula sein. Statische Prädikate aus Kopulaverb und (adjektivischem oder substantivischem) Prädikativ heißen Prädikativgefüge (Kap. III/1.3.2):50 (23) (b) Marc (Ko- ist pula) (Prädi- Arbeiter kativ). (c) Marc (Ko- ist pula) (Prädi- arbeitsam kativ). Kopulalose Konstruktionen aus Subjekt + Prädikativ, sog. interne Prädikationen (Behr/Quintin 1996: 66  ff.), sind allerdings nur isoliert auffällig. Im Textzusammenhang hingegen sind sie (fast) genauso unauffällig wie statische Sätze, sie „können als vollständige Sätze mit propositionalem Gehalt und propositionaler Einstellung angesehen werden“ (Behr 2016: 153):51 (24) Dicht am Steilhang lag sein Haus, (interne Die Wände weiß getüncht Prädikation), das schiefergedeckte Dach in einem verwaschenen Grau Prädikation), (interne (interne die Fenster, die Regenrinnen blau gestrichen Prädikation), davor, wie aus dem Fels herausgesprengt, der kleine Garten, Blumen und Büsche darin, rot und gelb, (interne blaßrosa der Oleander Prädikation) und eine üppige Bougainvillea, eine leuchtende Farbigkeit, wie man sie am Mittelmeer vermutet, aber nicht an der 50 Bei der Kopula-als-Verbalisator-Auffassung stütze ich mich in erster Linie auf die Grammatiktheorie von Lucien Tesnière (1959) und die Sprachtheorie von Eugenio Coseriu (1972/1987), Kap. III/2.1.4. Hier wird auch begründet, warum Prädikative  – mit Ausnahme der Freien Prädikative (Kap. III/3.1.6) – als Teile des Prädikats angesehen werden. 51 Zur syntaktisch-semantischen Leistung der internen Prädikationen vgl. Behr 2016. Zur Analyse der Nichtsätze im Beleg Kap. II/3.2.

interne ­Prädikation

150 

Partizipial­ satz und interne ­Prädikation grammatische Offenheit

infinite vs. afinite ­Dynamik

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

Küste. Unten im Garten stand die Reisegruppe und in ihrer Mitte [stand] Marc, der etwas erklärte, auf die Felswand deutete, auf das Haus, auf die Bucht. (Timm Nicht: 25)

Dabei ist die Nähe von infinitem Partizipialsatz und afiniter interner Prädikation nicht zu übersehen, schließlich lassen sich zwei der obigen internen Prädikationen  – Die Wände… getüncht; die Fenster … gestrichen  – auch als Partizipialsätze interpretieren:52 Fasst man die Partizipien II getüncht und gestrichen als Adjektivformen auf, geht es um Afinitheit und somit um interne Prädikationen. Fasst man sie dagegen als infinite Verbformen auf, handelt es sich um Partizipialsätze.53 Entscheidend ist dabei, dass beide Interpretationen korrekt sind, da es sich um grammatisch offene Strukturen handelt:54 Man kann sie also je nachdem, ob das Prädikat der zugrunde liegenden statischen Sätze (X ist getüncht / gestrichen) als Passivprädikat oder als Prädikativgefüge interpretiert wird, infinit (Partizipialsatz) oder afinit (interne Prädikation) auffassen. Mit Hilfe der Funktion-Argument-Wert-Formel ausgedrückt (Pstat = statisches Prädikat; Pdyn = dynamisches Prädikat): Partizip II (Passiv-Pstat) = Partizip-II-Pdyn afinit (Prädikativ-Pstat) = Prädikativ-Pdyn Wie der zweiten Formel zu entnehmen ist, konnten interne Prädikationen theoretisch als afinite dynamische Prädikativsätze (mit afiniten dynamischen Prädikativprädikaten) rekonstruiert werden.55 Offene Strukturen liegen allerdings nur im Falle von Partizipien vor. Sind die Prädikative Substantive oder genuine Adjektive, sind die Konstruktionen kategorial eindeutig: (25)



Der dreieckige Platz (afinites ein perfektes Renaissance-Ensemble Prädikativprädikat). Jedes Haus […] unverwechselbar (afinites eigen Prädikativprädikat). Die Arkaden – (afinites von Gewölben überspannte Flurhallen Prädikativprädikat). (Schädlich Kokoschkin: 164)

52 Behr/Quintin (1996: 67) nennen u.  a. das partizipiale Beispiel Auftrag erledigt. 53 Nach Behr/Quintin (1996: 62) stehen Partizipialsätze, die ein Subjekt enthalten, „in allernächster Nähe zu internen Prädikationen […].“ 54 Zur theoretischen Fundierung offener Partizipialstrukturen s. Ágel 2007 und 2009. 55 Prädikativgefüge ohne Kopula, die im Deutschen den markierten Fall darstellen, stellen in anderen Sprachen wie z.  B. im Russischen oder Maltesischen den unmarkierten Fall dar (Kap. III/2.1.4). Dem Markiertheitsunterschied zwischen den Typen Deutsch vs. Russisch/Maltesisch wird im Rahmen der Grammatischen Textanalyse durch die Unterscheidung von dynamischen (Deutsch) vs. statischen (Russisch/Maltesisch) Prädikativsätzen ohne Kopula Rechnung getragen.

Sätze 

 151

Im Gegensatz zu Infinitiv- und Partizipialsätzen, die kategorial dynamisch sind, sind afinite Prädikativsätze per definitionem konstruktionell dynamisch.56

afinite Dynamik ist konstruktionell

Wenn das in der Verbvalenz angelegte Szenario ohne Umszenierung aktualisiert wird, wenn also die Grundvalenz (= die Valenz der finiten aktivischen Verbform) 1:1 realisiert wird, entstehen statische Sätze (mit einem statischen Prädikat). Andernfalls liegen finite oder nichtfinite dynamische Sätze vor. Da finite Umszenierungen das Satzgliedkonzept (Mesoebene) und nichtfinite das Satzkonzept (Makroebene) der Grammatischen Textanalyse betreffen, wurde im aktuellen Kapitel die nichtfinite Dynamik behandelt. Dabei wurden insgesamt drei Typen nichtfiniter dynamischer Sätze unterschieden: zwei infinite Typen (Infinitiv- und Partizipialsätze) und ein afiniter Typ (Prädikativsätze (= interne Prädikationen)).

2.6 Satzklassen im Überblick Präzisiert wurde das Satzkonzept der Grammatischen Textanalyse aus drei Perspektiven: Komplexität, Distribution und Status des Hauptprädikats. Betrachtet man Sätze aus jeweils einer dieser Perspektiven, ergeben sich daraus sechs einfache Satzklassen: Tab. 21: Einfach-Satzklassen im Überblick Klassen hinsichtlich Komplexität: (1) einfacher Satz (2) komplexer Satz (= Satzgefüge) Klassen hinsichtlich Distribution: (3) realer Satz (4) virtueller Satz Klassen hinsichtlich des Status des Hauptprädikats: (5) statischer Satz (zur Klassifikation Kap. III/1.3.2 und III/2.1.2) (6) dynamischer Satz: a) finit (zur Klassifikation Kap. III/1.3.3 und III/3.2.3) b) nichtfinit:

– infinit (Infinitiv- und Partizipialsätze) – afinit (Prädikativsätze)

56 Denn im Gegensatz zur verbalen Kategorisierung ‚Infinitheitstyp‘ (s. oben) wird weder für Verben noch für Substantive oder Adjektive eine Kategorisierung ‚Nichtfinitheitstyp‘ mit den Kategorien ‚Infinitheit‘ und ‚Afinitheit‘ angenommen.

EinfachSatzklassen

152 

KombiSatzklassen

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

Da sich die drei Perspektiven nicht gegenseitig ausschließen, sondern ergänzen, ergibt die Klassifikation eines konkreten Satzes immer drei Werte, z.  B. einfach, vi­rtuell und statisch oder komplex, virtuell und dynamisch usw. Aus den Dreierkombinationen der sechs einfachen Satzklassen ergeben sich acht Kombi-Satzklassen: Tab. 22: Kombi-Satzklassen im Überblick Kombi-Klassen

Beispiele

1) einfacher, realer und statischer Satz

[8] (einfacher, realer Hannes zum Beispiel hatte sich eine Polizeikelle besorgt Satz)

2) einfacher, realer und dynamischer Satz

[13] (einfacher, realer Jetzt aber öffnet sich das Tor zum Gefängnishof, Satz)

3) komplexer, realer und statischer Satz

[13] (komplexer, realer ein Bus rollt ein, an dessen Seite groß das Wort »Landesbühne« aufgemalt ist. Satz)

4) komplexer, realer und dynamischer Satz

[28] (komplexer, realer sogar zarte Bande werden geknüpft, die immerhin Anlass zu einem Satz wie diesem geben: Satz)

5) einfacher, virtueller und statischer Satz

[26] (einfacher, virtueller [Sie singen] »Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt.« Satz)

6) einfacher, virtueller und dynamischer Satz

[…] ihr Kreuz kriegst du auch noch an die Brust geheftet oder (einfacher, virtueller [ihr Kreuz kriegst du auch noch] um den Hals gehängt. Satz)57

7) komplexer, virtuel- [36] (komplexer, virtueller am Ende [gibt das Anlass] auch dazu, dass ein Gefängler und statischer Satz nisdirektor seine Memoiren schreibt, um sie dann im Verlag Hoffman und Breitner zu veröffentlichen. Satz) 8) komplexer, virtueller und dynamischer Satz

Satzklassenstatistik im Leittext

Der Tank des Jeeps war […] zuerst durchlöchert worden […], (komplexer, virtueller [Der Tank des Jeeps war] dann erst, was am Tatort geschehen sein müsse, aufgefüllt worden Satz) […]58

In dem Leittext, der 83 Sätze enthält, sind sechs von den acht Kombi-Klassen belegt: 1) 40 Sätze sind einfach, real und statisch, 2) drei einfach, real und dynamisch, 3) 19 komplex, real und statisch, 4) vier komplex, real und dynamisch, 5) 10 einfach, virtuell und statisch und 7) sieben komplex, virtuell und statisch. Nicht belegt sind im Leittext hingegen 6) einfache, virtuelle und dynamische bzw. 8) komplexe, virtuelle und dynamische Sätze. 57 Böll Dienstfahrt: 75 58 Böll Dienstfahrt: 16

Sätze 

 153

Sätze wurden aus drei Perspektiven klassifiziert: Komplexität, Distribution und Status des Hauptprädikats. Da nach jeder Perspektive zwei Klassen unterschieden wurden, ergaben sich daraus sechs Einfach-Satzklassen. Diese verbinden sich zu insgesamt acht Kombi-Satzklassen.

2.7 Apokoinu und Insubordination Bevor im letzten Kapitel auf valenzstatisch und valenzdynamisch nicht erfassbare idiomatische Satz-Formate eingegangen wird, soll im vorliegenden Kapitel auf zwei besondere Typen von Sätzen eingegangen werden: (a)

(b)

Der eine ist das Apokoinu, das ein typisches Phänomen der Mündlichkeit ist und sich nicht leicht auf das genuin literale Satzkonzept (Ágel 2015) abbilden lässt. Der andere ist die Insubordination, d.  h. der Fall von nebensatzförmigen Sätzen.

Ad (a): „Unter einer Apokoinu-Konstruktion (wörtlich: ‚vom Gemeinsamen‘) versteht man eine syntaktische Konstruktion, die aus drei Teilen besteht, dem Anfangsteil A, dem Koinon B und dem Schlussteil C. Das ‚Gemeinsame‘, das Koinon B, kann syntaktisch sowohl dem vorangehenden Teil A als auch dem folgenden C zugeordnet werden, wobei vor oder nach B häufig eine kurze Pause realisiert wird […]“ (Schneider 2011: 174  f.). In den folgenden Belegen ist das Koinon kursiviert und die jeweiligen Anfangsund Schlussteile (= A und C) indiziert:59 (26) (27)

[ich hab]A für die lehrämtler (.) C[hab ich ne kooperation gegründet]C. [die war]A letztes mal (-)C[war die länger]C.
 A (beide Belege zit. n. Schneider 2011: 175) A

Dies sind prototypische Beispiele für Apokoinukonstruktionen, „in denen (C) keinen neuen Satz eröffnet, sondern mit demselben Verb (A) oder Teile davon wiederholt, sodass satzintern eine spiegelbildliche Struktur entsteht (,Drehsatz‘) […]“ (Schwitalla 2012: 128).60

59 „(.)“ und „(-)“ markieren kurze Pausen. 60 Im Gegensatz zu Schwitalla und zum Mainstream der Gesprochenen-Sprache-Forschung arbeitet Kristina Poncin (2000: 100  f.) mit einem weiten Apokoinubegriff und unterscheidet vier Typen von Apokoinukonstruktionen. Ich schließe mich dem Mainstream an und betrachte ihre Typen 2 (Da hat die Callas, die sollte eine Arie singen) und 4 (Da hat die Callas sollte eine Arie singen) nicht als Apokoinukonstruktionen, sondern als Anakoluthe.

Apokoinu

154 

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

theoretische Optionen

Der Satz ist ein typisch digitales (= diskretes) Strukturformat, das sich erst historisch, im Zuge der Literalisierung, herausbildet. Seine Vorgängerstrukturen im älteren Deutsch lassen sich eher als analoge (= ‚dichte‘) Formate beschreiben, d.  h. als Äußerungen, deren Glieder intern und deren Grenzen extern nicht trennscharf sind.61 Apokoinukonstruktionen stellen zwar auch im älteren Deutsch genuin münd­ liche Strukturen dar (Barufke 1995: 78, Scheutz 1992), doch gibt es einen theoretisch bedeutsamen Unterschied zwischen damals und heute: Geht man davon aus, dass der (digitale) Satzbegriff in modernen Schriftkulturen, nolens volens, „die Vorgabe eines formalen Filters für die Zerlegung eines Textes in Makrostrukturen“ (Maas 2010: 139), d.  h. die theoretische Bezugsgröße für analoge Strukturen darstellt, so hat man für die Beschreibung von heutigen Apokoinukonstruktionen zwei Optionen.62 Man beschreibt sie 1) unabhängig von der (literalen) Satzstruktur, d.  h. rein analog, oder eben 2) in Abhängigkeit davon, d.  h., man projiziert sie auf den formalen Filter ‚Satz‘.

soziokulturelle Kompetenzunterschiede

In Grammatiktheorien geht man mit größter Selbstverständlichkeit davon aus, dass jeder beliebige Sprecher einer Sprache über dasselbe Regel- oder Konstruktionswissen verfügt.63 Dies ist jedoch eine gewaltige Vereinfachung der grammatischen Kompetenzarchitektur einer Sprachgemeinschaft (Schmidt/Herrgen 2011). Selbst in Bezug auf Deutschland mit einem hoch entwickelten und funktionierenden Schulsystem gibt es überzeugende empirische Evidenz für literalisierungsbedingte Kompetenzunterschiede in der Grammatik (Schmidt 1993). M. a. W., die obigen theoretischen Optio­ nen schließen sich keinesfalls aus, sondern beziehen sich u.  U. auf soziokulturell bedingte grammatische Kompetenzunterschiede. Mangels einschlägiger (apokoinubezogener) empirischer Untersuchungen bleibt dies allerdings nur eine Hypothese. Da in der Grammatischen Textanalyse mit dem Satzformat gearbeitet wird, wähle ich die zweite Option.

61 Zu analogen vs. digitalen Strukturen und zu anderen möglichen Parametern einer dynamischen Grammatiktheorie s. Ágel 2003a, zur empirischen und theoretischen Notwendigkeit einer nichtskriptizistischen und nichtsynchronizistischen Grammatiktheorie Ágel 2015. 62 Trotz einiger nicht unerheblicher Differenzen (realer vs. virtueller Satz, statischer vs. dynamischer Satz, Satzrand- und Klammerauffassung) scheint mir, dass der (literate) Satzbegriff von Utz Maas (2010) mit dem der Grammatischen Textanalyse zu vereinbaren ist. Der Satz als Grundfigur des Bühler’schen Sprachwerks ist autonom (= autokodierend), im Vergleich zu oraten Strukturen (=  Nichtsätzen) (ebenfalls im Bühler’schen Sinne) markiert, darstellungsfunktional und primär nichtinteraktiv. 63 „Man stelle sich vor: Jemand würde sich die Aufgabe stellen zu untersuchen, wie der durchschnittliche Deutsche oder Italiener zeichnen kann. Und das Ergebnis würde lauten: Im Prinzip, d.  h. von seiner Kompetenz her, könne der durchschnittliche Deutsche genauso gut zeichnen wie Dürer und der durchschnittliche Italiener genauso gut wie Michelangelo. Aber in der Praxis, d.  h. in der Performanz, machen diese durchschnittlichen Ausnahmekönner von ihrem Talent keinen Gebrauch. Wie schade!“ (Ágel 1997a: 79)

Sätze 

 155

Ich gehe also davon aus, dass literalisierte Sprecher des Deutschen nicht über spezifisch analoge topologische Muster für Apokoinukonstruktionen verfügen, weshalb diese in Abhängigkeit von der digitalen topologischen Grundstruktur, der Stellungsfelderstruktur, zu interpretieren sind. Ich werde allerdings dafür argumentieren, dass die Abhängigkeit von der Stellungsfelderstruktur nicht deren komplette Übernahme, sondern die Integration einer analogen topologischen Sequenz in ein digitales Grundmuster bedeutet. Betrachten wir hierzu zuerst die beiden Einführungsbelege (LK, RK = linker und rechter Klammerteil; VF, MF = Vorfeld, Mittelfeld):

Apokoinu topologisch

Tab. 23: Apokoinukonstruktionen und Stellungsfelder I VF

LK

Koinonfeld

LK-Kopie

VF-Kopie-Feld

MF

RK

ich die

hab war

für die lehrämtler letztes mal

hab war

ich die

ne kooperation gegründet. länger.

Das topologisch auffälligste am Apokoinu ist das ‚Drehfeld fürs Gemeinsame‘, das ich Koinonfeld nenne. Das Koinonfeld lässt sich allerdings nicht als ein qua Online-Inversion in ein Vorfeld umfunktioniertes Mittelfeld auffassen, da es auch den rechten Klammerteil enthalten kann: (26a) A[ich hab]A für die lehrämtler gegründet (.) C[hab ich ne kooperation]C. Tab. 24: Apokoinukonstruktionen und Stellungsfelder II VF

LK

Koinonfeld

LK-Kopie

VF-Kopie-Feld

MF

ich

hab

für die lehrämtler gegründet

hab

ich

ne kooperation

Außerdem entspricht das Koinonfeld mitunter dem linken Satzrand von C, weshalb C ein eigenes Vorfeld haben kann: (26b) A[ich hab]A für die lehrämtler (.) C[für die hab ich ne kooperation gegründet]C. Tab. 25: Apokoinukonstruktionen und Stellungsfelder III VF

LK

Koinonfeld

VF

LK-Kopie VF-Kopie-Feld MF

ich

hab

für die lehrämtler

für die hab

ich

RK

ne kooperation gegründet.

Koinonfeld

156 

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

Bei Subjekt-Inversion in A enthält C nicht nur ein VF-, sondern auch ein MF-KopieFeld: (26c)

[gestern gründete ich]A für die lehrämtler (.) C[gründete ich gestern ne koopeA ration]C.

Tab. 26: Apokoinukonstruktionen und Stellungsfelder IV VF

LK

gestern gründete

Analoges im Digitalen

MF

Koinonfeld

LK-Kopie

MF-Kopie-Feld VF-Kopie- MF Feld

ich

für die ­lehrämtler

gründete

ich

gestern

ne kooperation

M. a. W., das Koinonfeld lässt sich nicht als ein digital berechenbares Feld, etwa als Überlappung von A-Mittelfeld und C-Vorfeld, auffassen. Vielmehr ist es ein Feld, das sich nur analog beschreiben lässt: B = eine in C vorfeldfähige Anschlussequenz an A.

Kopien qua OnlineInversion

OnlineUngramma­ tikalität

Dass literalisierte Sprecher des Deutschen nicht über spezifisch analoge topologische Muster für Apokoinukonstruktionen verfügen, bedeutet demnach, dass das analog strukturierte Koinon in die digitale Stellungsfelderstruktur integriert ist. Das analoge Koinonfeld löst nun – unabhängig davon, ob es für C tatsächlich die Rolle eines Vorfelds oder eben ‚nur‘ die eines linken Satzrands spielt – eine besondere Sorte von Inversion in C aus: Spiegelverkehrt kopiert werden müssen der linke Klammerteil und das Vorfeld von A, bei Subjekt-Inversion auch dessen Mittelfeld. Dadurch wird in C das herkömmliche Mittelfeld strikt zwei- oder gar dreigeteilt: in ein VorfeldKopie-Feld links bzw., bei Subjekt-Inversion, in ein Mittel- und ein Vorfeld-Kopie-Feld links und das restliche (genuine C-)Mittelfeld – kurz: Mittelfeld – rechts. Neben dem Koinonfeld werden somit die Vor- und Mittelfeld-Kopie-Felder zum felderstrukturellen Markenzeichen des Apokoinu.64 Dabei sind die Wortstellungsregeln der Online-Inversion genauso strikt wie die der Offline-Inversion. Die Vertauschung von invertiertem Satzglied und genuiner Mittelfeld-Besetzung ist in beiden Fällen ungrammatisch:65

64 Diese topologische Apokoinu-Analyse ist von der Grundidee her am ehesten mit der (generativen) Grafting-Analyse von André Meinunger (2011) vergleichbar. 65 In der generativen Literatur rechnet man am linken Rand des Mittelfeldes mit der sog. Wackernagelposition für unbetonte Pronomina (Wöllstein 2010: 56  f.). Das Vorfeld-Kopie-Feld kann jedoch betonte wie unbetonte Pro-Formen enthalten (s. die vs. ich in den Einführungsbelegen).

Sätze 

 157

(26) (d) *ich hab für die lehrämtler (.) hab ne kooperation ich gegründet. [Online-Inversion] *Für die Lehrämtler habe eine Kooperation ich gegründet. (e) [Offline-Inversion] Dies ist sicherlich ein Schlüsselargument für den gesprochensprachlichen Systemstatus von Apokoinukonstruktionen.66 Denn sog. Performanzphänomene haben per definitionem keinen Systemstatus. Sie können also keine Regelverletzungen darstellen, sondern sie ergeben sich aus Störungen der Sprachverarbeitung. Die Ungrammatikalität der Apokoinukonstruktion in (26d) hat allerdings unabhängig von evtl. Störungen der Sprachverarbeitung Bestand. Hier liegt also eine klare Regelverletzung vor. Folglich haben Apokoinukonstruktionen Systemstatus.

kein Performanz­ phänomen

Ad (b): Ein weiterer besonderer Satztyp ist „the conventionalized main clause use of what, on prima facie grounds, appear to be formally subordinate clauses“ (Evans 2007: 367), d.  h. die sog. Insubordination (IN[…]SUB = Insubordination)

Insubordination

(28) Die alte Dame lächelte. „Unsere Wagen werden ferngelenkt“, erzählte sie. […] Und Konrad rief ärgerlich: „IN[Wo ich doch Schofför werden wollte!]SUB“ (Kästner 35. Mai: 88) (29) IN[Wie vergnügt die Ankömmlinge da standen]SUB; als erwarteten sie ein Erlebnis mit heiteren Überraschungen, so standen sie da. (Lenz Landesbühne: 73) (30) IN[daß du auch immer fernsehen mußt!]SUB67 (Maas 2010: 96) (31a) IN[Wenn ich ihr nur geglaubt hätte!]SUB (Jacobs 2008: 29) Insubordinierte grammatische Sätze haben in der Regel exklamatives oder optatives Handlungspotenzial, d.  h., sie drücken Empfindungen in Form von Ausrufen oder Wünschen aus.68 Typisch für insubordinierte Sätze sind Abtönungspartikeln – in den Beispielen oben: doch, auch, nur –, deren Weglassung entweder zu weniger bis nicht akzepta-

66 Zu drei weiteren Argumenten s. Schneider 2011. 67 Kleinschreibung des Satzanfangs im Original. 68 Zu den Exklamativ- und Wunschmodi s. Hoffmann 2013: 541  ff. Insubordination gibt es auch bei Frage- und Imperativmodi (Oppenrieder 1991: 177  ff.), vgl. etwa die sog. deliberative Frage (Hoffmann 2013: 500): Ob sie wohl jemals mit Justin einen Song aufnehmen wird?

Exklamativund Wunschmodus Abtönungs­ partikeln

158 

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

blen Sätzen führt oder das Handlungspotenzial ändert oder gar die Insubordination aufhebt. Letzteres ist der Fall beim optativen Wenn…nur-Satz (31a): (31b) Wenn ich ihr geglaubt hätte,… (Jacobs 2008: 29) Konstruktion

keine Um­ szenierung

Ersatzprobe

Wie Jacobs (2008: 28  ff.) überzeugend zeigt, lassen sich die charakteristischen Eigenschaften von (31a) – Subjunktor wenn, Finitum im Konjunktiv II, eine Modalpartikel (Abtönungspartikel) aus der Gruppe {nur, doch, bloß}, optatives Illokutionspotenzial – nicht an einem einzelnen Wort, „von dem aus sie projizieren könnten“ (Jacobs 2008: 29), festmachen. M. a. W., in (31a) liegt eine Konstruktion vor. Das Vorhandensein einer Konstruktion lässt sich allerdings nicht automatisch so interpretieren, dass ein zugrunde liegender statischer Satz konstruktionell dynamisch geworden wäre. Dazu bedarf es einer Umszenierung. Im konkreten Fall bewirkt die Konstruktion jedoch keine Umszenierung. Denn sowohl in (31a) als auch in (31b) liegt ein Glauben-Szenario vor.69 Ersetzt man das Verb durch ein anderes mit identischer Valenz, geht es in beiden Fällen – Insubordination und Nebensatz – erneut um dasselbe Szenario: (31) (a’) (b’)

Satzstatus, Haupt­ prädikat FunktionArgumentWert-Formel

[Wenn ich ihr nur geholfen hätte!]SUB Wenn ich ihr geholfen hätte,…

IN

Insubordinierende Sätze sind also statische Sätze. Das Besondere an ihnen ist, dass ihr Hauptprädikat kein Hauptsatzprädikat, sondern das Prädikat eines autonomen Nebensatzes ist.70 Dies ist der Preis für den pragmatischen Mehrwert der Konstruktion.71 Im Sinne der Funktion-Argument-Wert-Formel wurde der Satz als autonom kodierendes Textglied (= +Textautokod) rekonstruiert (Kap. I/2.4.3). Die Anwendung der Formel auf den Fall der Insubordination bedeutet, dass (konstruktionell inte­ grierte) Nebensatzformen autokodierend auftreten, was den grammatischen Wert ‚Insubordination‘ ergibt: +Textautokod (Nebensatz) = Insubordination

69 Genauer: In (31a) liegt ein Glauben-Szenario, in (31b) ein Glauben-Anszenario vor. Zur Anszenierung Kap. I/3.3. 70 Deshalb wurde im Kap. I/2.1 das Hauptprädikat nicht mit dem Hauptsatzprädikat gleichgesetzt, sondern als das hierarchisch höchste Prädikat – dependenzgrammatisch: als der oberste Verbalknoten – definiert. 71 Ad (30) schreibt Utz Maas (2010: 96, Anm. 71): „In Hinblick auf die eher unübliche Markierung der Subjunktion in der spontanen gesprochenen Sprache mit einem expliziten Default-Subjunktor daß wird dieser gewissermaßen frei für andere Funktionen, wie hier die Insubordination.“

Sätze 

 159

Insubordination ist nicht der einzige nicht umszenierende Konstruktionstyp. Es gibt auch Hauptsätze mit ‚normalen‘ Hauptprädikaten, die in Konstruktionen vorkommen und statische Sätze bilden: (32) Was haben wir uns krumm gelacht, mein Bruder und ich, wenn die guten Leute, die’s nicht wissen konnten, unsere frappante Ähnlichkeit bemerkten! (Frisch Homo: 98) (33) Was schleppt der denn durch die Gegend! (34) Was hat der doch für ein abgefahrenes Fahrrad! (beide Beispiele n. Hoffmann 2013: 542) (35) Wie blöde ist das denn! (36) Wie geil war das denn! (Beispiele von Norbert Kruse)72 In allen diesen Fällen wurde nur die jeweilige Grundvalenz realisiert. Es liegen also keine Umszenarios vor. Trotzdem ist es auch ohne aufwendige Analysen erkennbar, dass die Szenarios in Konstruktionen integriert sind. Denn Was, Was…für und Wie stellen keine Fragewörter dar: (a) Ein Sich-krumm-lachen-Szenario enthält kein Patiens. Das Prädikat hat also überhaupt keine Valenzstelle für ein Akkusativobjekt. Ein Schleppen-Szenario enthält zwar ein Patiens, aber es besteht eine enge formale Verwandtschaft  – Deiktikon, Modalpartikel, Prosodie  – zwischen (32) und den nachfolgenden Exklamativkonstruktionen. (b) Im Falle des Was…für-Beispiels und der Wie-Beispiele werden ebenfalls keine Fragen gestellt: Es wird weder die Beschaffenheit eines abgefahrenen Fahrrads noch die Intensität von Blöd-/Geilsein erfragt.73 Besondere Typen von Sätzen stellen das Apokoinu und die Insubordination dar. Das Besondere an Apokoinukonstruktionen ist, dass sie nur in der gesprochenen Sprache Systemstatus haben und dass sie deshalb eine analoge Anpassung des digitalen Stellungsfeldermodells erforderlich machen. Das Besondere an der Insubordination, d.  h. an autonom kodierenden Textgliedern in Form von Nebensätzen, besteht darin, dass die Verbindung eines statischen Satzes mit einer Konstruktion nicht zur Umszenierung führt. Der Satz wird also nicht dynamisch, sondern bleibt statisch. Insubordination ist nicht der einzige nicht umszenierende Konstruktionstyp. Es gibt auch Hauptsätze, die in Konstruktionen vorkommen und statische Sätze bilden.

72 „Noch bis vor kurzem hätte man sich bei einer dumm gelaufenen Sache wie folgt anteilnehmend oder selbstreflexiv geäußert: Das ist ja ziemlich blöd! Oder: Das ist ja blöde gelaufen! Seit kurzem (also vielleicht zwei Jahren) höre ich in solchen Fällen immer die sehr modern klingende Äußerung: Wie blöde ist das denn! Die Wortstellung passt auch bei Äußerungen, die Begeisterung, z.  B. nach einem guten Konzert, ausdrücken und dann das Präteritum haben. Statt: Das war ja geil, Mann! heißt es in letzter Zeit: Wie geil war das denn!“ (schriftliche Mitteilung von Norbert Kruse aus dem Jahre 2014). 73 Zur Konstruktion Wie geil ist das denn? vgl. ausführlich Auer 2016.

Konstruk­ tionen als statische Sätze

160 

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

2.8 Lexifizierte Satz-Formate Insub­ ordination?

Szenario?

Der folgende Beleg scheint auf den ersten Blick eine Insubordination zu enthalten: «[…] Das habe ich von Ihnen schon vor Jahren gehört. Aber erst heute verstanden.» «Verstanden!» hat das Fräulein Schuh geschnauft. […] « IN[Daß ich nicht lache!]SUB?» (Haas Silentium: 172) (37)

Der Ausdruck Daß ich nicht lache! kodiert allerdings kein Lachen-Szenario, sondern drückt eine (sehr skeptische) Stellungnahme aus.74 Das Verb ist nicht ersetzbar, der ganze Ausdruck stellt eine feste Wortverbindung dar.75 Im Gegensatz zu einem regulären dass-Nebensatz mit einem Nebenprädikat lachen ist paradigmatische Variation nicht möglich: (37) (a) (b)

voll l­ exifiziertes Satz-Format

Dass ich nicht lache! / !!Dass Peter lacht! / !!Dass wir (nicht) gelacht haben! Dass ich nicht lache / Dass Peter lacht / Dass wir (nicht) gelacht haben, stört dich wohl.

Während die Bedeutungen der (b)-Nebensätze auf der regulären statischen Valenz von lachen basieren, lässt sich die Ausdrucksbedeutung von Daß ich nicht lache! nicht auf die statische Valenz von lachen zurückführen; es wird kein Szenario entworfen und komplementiert. Der Ausdruck ist zwar propositional, basiert aber auf keinem Szenario. Folglich wäre eine Satzgliedanalyse mit dem Prädikat lache inadäquat.76 Der Ausdruck Daß ich nicht lache! ist voll lexifiziert, d.  h., er enthält nur spezifische Sprachzeichen und keine Leerstellen für grammatische Werte. Er ist kein Satz im Sinne des Satzbegriffs der Grammatischen Textanalyse, hat aber ein Satz-Format, lehnt sich also formal an die Struktur eines bestimmten Satztyps – hier: Insubordination – an.77

74 Der Begriff des Ausdrucks wird im Sinne von Helmuth Feilke verwendet. Ausdrücke sind komplexe, aber nicht ad hoc gebildete Sprachzeichen mit „kompositionell nicht prädiktabler, präferentieller Bedeutung“ (Feilke 1998: 74). M. a. W., Ausdrücke sind idiomatisch geprägt, d.  h. vom System her zwar bildbar, aber nicht vorhersagbar (Feilke 1994: 217  ff.). Zum Ausdrucksbegriff auch Kap. I/2.4.5. 75 Zu festen Wortverbindungen als statischen Prädikaten (= Idiomen, Nominalisierungs- und Funktionsverbgefügen) Kap. III/2.1.2. 76 M. a. W., die Kookkurenz von ich und lache im Ausdruck lässt sich im Sinne der Jacobs’schen Kriterien für Valenz- vs. Konstruktionsbindung (Jacobs 2009: 496  ff.) als eine K(onstruktionsbindungs)Kookkurenz interpretieren, während die Kookkurenzen in den (b)-Nebensätzen V(alenzbindungs)Kookkurenzen darstellen. 77 Die Termini ‚lexifiziert‘ und ‚Format‘ übernehme ich von Clemens Knobloch (2009a: 387), der im Zusammenhang mit dem Konstruktionsbegriff der Konstruktionsgrammatik von „partiell lexifizierten

Sätze 

 161

Theoretisch nicht weniger problematisch sind partiell lexifizierte Satz-Formate, die früh ins Blickfeld der Phraseologieforschung geraten sind. Nach Wolfgang Fleischer (1982: 136) wurde man in der Phraseologieforschung nämlich bereits in den 60er Jahren auf „syntaktische Strukturen – und zwar sowohl nichtprädikative Wortverbindungen als auch Satzstrukturen  – [aufmerksam], deren lexikalische Füllung variabel ist, die aber eine Art syntaktischer Idiomatizität aufweisen.“ Fleischer selbst nennt solche idiomatischen syntaktischen Strukturen, die „in einem Grenzbereich der Phraseologie zur Syntax (liegen)“ (Fleischer 1982: 135), „Phraseoschablonen“ und unterteilt sie, gewissermaßen en passant, in Phraseoschablonen mit Nichtsatz-Formaten („nichtprädikative Wortverbindungen“) und welche mit Satz-Formaten („Satzstrukturen“). Zwei seiner Beispiele für Satz-Phraseoschablonen dienen „der expressiven Wertung […] von Situationen“ (Fleischer 1982: 138): 1) das Modell „es + ist + zum + Infinitiv“ (z.  B. Es ist zum Lachen / Davonlaufen / Verrücktwerden!) und 2) „ferner Konstruktionen aus haben + gut + Infinitiv ohne zu: Du hast gut lachen / arbeiten / schreiben… ‚Es fällt dir leicht, zu…‘“.

Phraseo­ schablonen

Zum Gegenstand der traditionellen Phraseologie gehören spezifizierte, d.  h. voll lexifizierte Strukturen (wie z.  B. Eulen nach Athen tragen, ins Gras beißen, das Handtuch werfen), zum Gegenstand der traditionellen (inkl. generativen) Syntax schematische, d.  h. rein kategoriale Strukturen (wie z.  B. NP–PP–V, PP–V, NP–V). Die Phraseologie ist verantwortlich für das (polylexikalische) ‚Wort‘, die Syntax für den Satz. Der ‚Grenzbereich‘ der Phraseoschablonen mit teils spezifizierten, teils schematischen Strukturen erscheint aus beiden Perspektiven als Ausnahme. Arbeiten zu den syntaktischen Aspekten der Phraseologie im Rahmen der Konstruktionsgrammatik und verwandter Ansätze (Feilke 2007) zeigen allerdings, dass die Ausnahme eher die bzw. eine Regel ist und dass der ‚Grenzbereich‘ der „idiomatischen Kreativität“ (Feilke 1994: 94, Kursivierung im Original) nicht an der Peripherie, sondern im empirischen und theoretischen Zentrum der Grammatik steht.78 In diesem Sinne plädiert Helmuth Feilke im Rahmen seines Konzepts der „syntaktischen Prägungen“/„syntaktischen Ausdrucksmodelle“ (Feilke 1996: 211  ff., besonders 239  ff.) dafür, die Dichotomie ‚wortzentriert-phraseologisch vs. satzzentriert-syntaktisch‘ zu überwinden und den wissenschaftshistorisch zentralen, aber theoretisch peripheren Begriff der Phraseoschablonen durch den theoretisch zentralen Begriff

Wort vs. Satz?

Formaten“ spricht. Voll lexifizierte Satz-Formate haben auch zahlreiche Sprichwörter, Gemeinplätze oder geflügelte Worte. Mit deren theoretischer Verortung hat nicht nur die Grammatiktheorie, sondern auch die Phraseologieforschung große Probleme (Feilke 1996: 198  ff.). 78 Entsprechend werden Konstruktionen auch nach dem Kriterium des Fehlens/Vorhandenseins „von Detailspezifikationen“ auf einer Skala zwischen max. spezifizierten und max. schematischen Konstruktionen verortet (Jacobs 2008: 7; s. auch Fillmore/Kay/O’Connor 1988 und Croft 2001: 17).

Satz-Phraseoschablonen

Ausnahme oder Regel?

syntaktische Ausdrucksmodelle

162 

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

der syntaktischen Ausdrucksmodelle zu ersetzen.79 Syntaktische Ausdrucksmodelle, zu denen auch Fleischers Phraseoschablonen gehören, sind eben partiell lexifizierte Formate, darunter auch Satz-Formate. Drei Beispiele (Feilke1996: 240 und 242): 3) „X hält, was [Pro] verspricht“ (z.  B. Klaus hält, was er verspricht), 4) „X muß sehen, wie [Pro] zurechtkommt“ (z.  B. Anna muss sehen, wie sie zurechtkommt) und 5) „Ein X ist kein Y“ (z.  B. Die Schweden sind keine Holländer (Franz Beckenbauer)), die zentrale theoretische ­ erausforderung H

Slot vs. ­Leerstelle

eine weitere theoretische Heraus­ forderung

zweigeteilte Beispiel­ analyse weder Dynamik noch typische Statik

Die zentrale theoretische Herausforderung besteht darin, dass sich partiell lexifizierte Satz-Formate, obwohl sie Komplementwerte enthalten, weder dynamische Sätze noch typische statische Sätze sind, denn die Valenzträger (Prädikate) enthalten einen offenen – kategorialen – Slot. Sie stellen also keine geschlossenen, voll lexifizierten, Prädikate, sondern eben offene Prädikatsschablonen, offene Prädikate, dar (Ágel 2004: 73  ff.). Die begriffliche Unterscheidung zwischen offenem vs. geschlossenem Prädikat (mit und ohne Slot) impliziert die begriffliche Unterscheidung zwischen (prädikatsinternem) ‚Slot‘ und (prädikatsexterner) ‚Leerstelle‘ (für Komplemente): „Der Slot ist derjenige Bestandteil des VT [= Valenzträgers], der obligatorisch aufzufüllen ist, damit ein VT als VT überhaupt funktionstüchtig wird. Im Unterschied zu Leerstellen gestalten Slots die Binnenstruktur von PH [= Phraseologismen] mit.“ (Ágel 2004: 75) Während die zentrale theoretische Herausforderung auf alle partiell lexifizierten Satz-Formate, so auch für alle fünf zitierten Beispiele, zutrifft, betrifft ein weiteres Problem nur diejenigen Fälle, bei denen es einen inhaltlichen (inkl. phorischen) Zusammenhang zwischen einem Slot und einer Leerstelle gibt. Dies trifft auf Feilkes Beispiele (= 3) bis 5)), aber nicht auf Fleischers Beispiele (= 1) bis 2)) zu. Entsprechend wird die nachfolgende Beispielanalyse zweigeteilt: Zuerst soll es anhand von Fleischers Beispielen um die zentrale theoretische Herausforderung gehen, anschließend wird das Problem durch Feilkes Beispiele ‚weiter verschärft‘. Fangen wir mit dem ersten Beispiel an: Das Zum Auswringen sein-Szenario lässt sich nicht als die Umszenierung des Auswringen-Szenarios interpretieren:80

79 Das ‚Wort‘ wird dabei nicht ‚abgeschafft‘, sondern theoretisch dem ‚Ausdruck‘ untergeordnet: „Das Wort sichert – qua Flektion [sic!] und Rektion – die interne Passung des jeweiligen Sprechens zur Syntax hin und positioniert es im Rahmen grammatischer Orientierungsparameter. Der Ausdruck (inklusive Wortbildung) sichert die externe Passung des Sprechens zu den erfolgreichen und bestätigten semantischen Orientierungen der Verwendung hin.“ (Feilke 1998: 77  f., Hervorhebungen im Original) Oder auf den semasiologischen Aphorismus gebracht: „Das Wort steht semantisch unter dem Zeichen des Ausdrucks.“ (Feilke 1998: 70, Hervorhebung im Original). 80 Entsprechend der im Kap. I/3.5 eingeführten Konvention: (b)-Satz = dynamischer Satz, (a)Satz = zugrunde liegender statischer Satz. Durch die Durchstreichungen wird signalisiert, dass dieser Zusammenhang nicht besteht.

Sätze 

 163

(38) (a) Ich wrang mein Hemd aus, als ich die Dienststelle erreichte. (b) !!Mein Hemd war zum Auswringen, als ich die Dienststelle erreichte. (G. Radtke, zit. n. Fleischer 1982: 138) Mein Hemd war zum SUBSTANTIVIERTEN INFINITIV [< Auswringen]. (c) Denn das Verhältnis von Verb (auswringen) und Konstruktion (,X ist zum SUBSTANTIVIERTEN INFINITIV‘) lässt sich im Sinne der Funktion-Argument-Wert-Formel nicht so interpretieren, dass die Konstruktion die Funktion des verbalen Arguments darstellte. Vielmehr geht es darum, dass das Verb mit der Konstruktion fusioniert, was in (38c) abgebildet werden soll. Hier wird also im Gegensatz zu den im Sinne der Funktion-Argument-Wert-Formel beschreibbaren Sätzen kein geschlossenes statisches Prädikat realisiert oder dynamisch überschrieben, sondern ein offenes statisches Prädikat, eine Prädikatskonstruktion, instantiiert (Goldberg 1995: 43), d.  h. lexikalisch geschlossen.81 Der Unterschied zwischen konstruktioneller Dynamik und instantiierter Statik dürfte nachvollziehbar sein, wenn man Fleischers zweites Beispiel der Modal­ konstruk­tionen mit haben + zu-Infinitiv gegenüberstellt:82

Primat der Konstruktion

Dynamik vs. instantiierte Statik

(39) (a) Wir fuhren noch zwei Einsätze. (b) Wir hatten noch zwei Einsätze zu fahren. (Hein Freund 127) (a) ??Du lachst / ??Du lachst gut. (b) Du hast gut lachen. (c) Du hast gut INFINITIV [> lachen]. Die Modalkonstruktion lässt sich problemlos im Sinne der Funktion-Argument-WertFormel als Funktion beschreiben, die auf das statische Prädikat fahren als Argument angewandt wird. Der Wert ist das konstruktionell dynamische Prädikat zu fahren haben. Demgegenüber ist die Konstruktion ‚X hat gut Infinitiv‘ genauso basal wie ‚X ist zum Infinitiv‘. Auch hier wird also ein offenes statisches Prädikat instantiiert und damit geschlossen (= (39c)). Idiome wie z.  B. Eulen nach Athen tragen, ins Gras beißen, das Handtuch werfen, den Teufel an die Wand malen oder jmdm. die Leviten lesen lassen sich als statische Prädikate analysieren (Kap. III/2.1.2), z.  B.

81 Überzeugend wird die Konstruktion „es + ist + zum + Infinitiv“ von Jiwon Kim (2014) analysiert. 82 Prädikate von Modalkonstruktionen mit haben + zu-Infinitiv bzw. mit sein + zu-Infinitiv, die ich Modalprädikate nenne, stellen konstruktionell dynamische Prädikate dar (Kap. III/2.2.3).

die Ver­ schärfung des Problems

164 

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

(40) Aber ich will jetzt nicht den Teufel an die Wand malen, daß der unbedingt abstürzen muß. (Haas Silentium: 107) (41) In der Auseinandersetzung um die Zukunft des Universitätsstandorts Vechta hat die Katholische Kirche öffentlich der CDU die Leviten gelesen. (taz, 07. 06. 1991, zit. n. „Kollokationen im Wörterbuch“: http://kollokationen. bbaw.de/) kein Slot Independenz von Slot

Dependenz von Slot

anaphorische Dependenz

Frageprobe

Sie enthalten keine Slots, eröffnen aber Leerstellen: das erste Idiom eine Leerstelle (für das Subjekt), das zweite zwei Leerstellen (für das Subjekt und das Dativobjekt). Fleischers Ausdrucksmodelle (Phraseoschablonen) enthalten sowohl Slots (für einen (substantivierten) Infinitiv) als auch Leerstellen (für das Subjekt). Dabei hängt die Besetzung des jeweiligen Slots nicht von der der jeweiligen Leerstelle (Subjektstelle) ab, sondern umgekehrt. Die (zusätzliche) theoretische Herausforderung bei Feilkes Beispielen für Ausdrucksmodelle besteht darin, dass die Besetzung des jeweiligen Slots, der ja Bestandteil des offenen, d.  h. des zu instantiierenden, statischen Prädikats, ist, von der Besetzung der jeweiligen Leerstelle (für das Subjekt) abhängt. Die ‚Schließung‘ des offenen Prädikats wird also nicht nur prädikatsintern gesteuert, sie stellt keine rein intern gesteuerte, sondern eben eine extern mitgesteuerte Instantiierung dar. Im Falle der Beispiele 3 und 4 geht es um anaphorische Dependenz (⇐ = Anapher): (42) X hält, was PRONOMINALES ⇐ X verspricht. > Klaus hält, was er verspricht. (43) X muss sehen, wie PRONOMINALES ⇐ X zurechtkommt. > Anna muss sehen, wie sie zurechtkommt. Da der Slot extern mitgesteuert wird, ist eine Frage nach dem Subjekt problematisch, da ohne die lexikalische Besetzung der Subjektstelle die zu realisierende Anapher (als Teil des instantiierten statischen Prädikats) unklar ist: → ??(Sub- Wer jekt) hält, was ⇐ er/sie/es verspricht? → ??(Sub- Wer jekt) muss sehen, wie ⇐ er/sie/es zurechtkommt?

komparative Dependenz

Beim fünften Beispiel, das ich als komparativ dependent einordne, geht es um ein extern mitgesteuertes negiertes substantivisches Prädikativum (keine Holländer):83 (44)

Die Schweden sind keine Holländer.

83 Das Prädikativum wird als Teil des Prädikats aufgefasst. Prädikativprädikate sind statische Prädikate aus Kopulaverb und (adjektivischem oder substantivischem) Prädikativ (Kap. III/1.3.2 und III/2.1.4).

Sätze 

 165

Doch dieses Prädikativum ist ungewöhnlich. Denn substantivische Prädikativa drücken gewöhnlich Klassenzuweisungen, d.  h. Einordnungen als Element oder Teil einer Menge, aus (Welke 2007: 170), z.  B.

Klassen­ zuweisung

(45) Delphine sind keine Fische. Delphine sind Säugetiere. Eine analoge Interpretation des fünften Ausdrucksmodells ist nicht möglich: (44)

??Die Schweden sind keine Holländer. Die Schweden sind Skandinavier.

Maßstab statt Klassen­ zuweisung

Denn bei Beckenbauers Klassiker geht es nicht um Klassenzuweisung, sondern darum, dass X und Y verglichen werden und dass dabei Y zum Maßstab genommen wird.84 Entsprechend ist eine Frage nach dem nicht klassenzuweisenden, sondern komparativen Prädikativ problematisch, da sie die Ausdrucksbedeutung zerstört: (45) Delphine sind keine Fische. → Was kativ) sind Delphine nicht? (Prädi(44) Die Schweden sind keine Holländer. → ??(Prädi- Was kativ) sind die Schweden nicht?85

Frageprobe

Auch die Negation des Slots gehört zur Ausdrucksbedeutung. Wenn sie aufgehoben wird, wird die Ausdrucksbedeutung ebenfalls zerstört, und der Satz lässt sich nur noch klassenzuweisend interpretieren:

Bejahungsprobe

(45’) Delphine sind Fische. [Klassenzuweisung] (44’) Die Schweden sind Holländer. [Klassenzuweisung] (44’’) ??Die Schweden sind Holländer. [Maßstab] Obwohl ich bei allen drei Beispielen für extern mitgesteuerte Instantiierung (= 3) bis 5)) statische Prädikate markiert habe, muss ich zugeben, dass mit diesen Ausdrucksmodellen die theoretische Grenze des Prädikatskonzepts der Grammatischen Textanalyse erreicht wurde. Das zeigen nicht nur die obigen Frageproben, sondern auch die nachfolgenden Infinitivproben. Die Infinitivprobe stellt eine Möglichkeit dar, das Prädikat eines Satzes aus dem Satzverband herauszulösen und so den Prädikatsstatus einer Sprachzeichenkette operativ zu kontrollieren:

Prädikat?

Infinitivprobe als Prädikatsprobe

(46) Peter kauft ein Buch. → kaufen Wenn wir nun die Infinitivprobe auf die zwei Belege mit Idiomen und auf die fünf Beispiele mit Ausdrucksmodellen anwenden, bekommen wir folgendes Bild:

84 Sprich: Die Qualität der schwedischen Fußballnationalmannschaft ist mit der der niederländischen nicht zu vergleichen (= deutlich schlechter). 85 Dies wäre höchstens als Rückfrage, nicht jedoch als Sachfrage denkbar.

Infinitiv­ proben

166 

→ → → →

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

den Teufel an die Wand malen wollen, die Leviten gelesen haben zum Auswringen sein; gut lachen haben ??halten, was er verspricht; ??sehen müssen, wie sie zurechtkommt ??keine Holländer sein

[Idiome] [1) bis 2)] [3) bis 4)] [5)]

Über den statischen Prädikatsstatus der Idiome und der intern gesteuerten Instantiierungen (1) bis 2)) bestehen keine Zweifel. Bei den zwei Typen von extern gesteuerten Instantiierungen gibt es jedoch – aus unterschiedlichen Gründen – Probleme: –– Bei anaphorischer Dependenz (3) bis 4)) bleibt der Slot ohne das jeweilige Subjekt ohne Regens: Warum er, warum sie? M. a. W., das ‚infinitivisierte Prädikat‘ ist nicht selbstständig. –– Bei komparativer Dependenz (5)) ändert sich die Bedeutung: Maßstab zu Klassenzuweisung. M. a. W., das ‚infinitivisierte Prädikat‘ hat sich semantisch vom Prädikat losgelöst. statische Prädikats­ formate

Insofern sollte man bei den partiell lexifizierten Satz-Formaten 3) bis 5) vielleicht, um die Grenzen der theoretischen Möglichkeiten zu signalisieren, nicht von statischen Prädikaten, sondern – abschwächend – nur von statischen Prädikatsformaten sprechen.86 Der Satzbegriff impliziert den Satzgliedbegriff: Wenn eine sinnvolle Satzgliedanalyse an ihre Grenzen stößt, langt auch der Satzbegriff an seiner Leistungsgrenze an. Solche Grenz- und Problemfälle sind idiomatische Phänomene, die sich im Rahmen der Funktion-Argument-Wert-Formel nicht mehr interpretieren lassen: einerseits voll lexifizierte Satz-Formate (wie z.  B. Daß ich nicht lache!), andererseits partiell lexifizierte mit ­einem offenen Prädikat (= mit einem Slot im Prädikat). Die ‚Schließung‘ (Instantiierung) des offenen Prädikats kann dabei rein prädikatsintern erfolgen (z.  B. Du hast gut lachen.) oder prädikatsextern mitgesteuert werden (z.  B. Die Schweden sind keine Holländer.). Besonders kritisch für die Theorie sind prädikatsextern mitgesteuerte Instantiierungen.

86 Das ist natürlich keine Lösung des Problems, sondern lediglich die Klarstellung der Grenzen eines projektionistischen Grammatikansatzes, der den Konstruktionismus zu integrieren versucht. Trotzdem sind die Möglichkeiten einer solchen Integration nicht zu unterschätzen, vgl. Ágel 2015b. Zu Projektionismus vs. Konstruktionismus vgl. vor allem Jacobs 2008, 2009 und Welke 2011.

3 Nichtsätze 3.1 Textanalyse 3.2 Der Nichtsatzbegriff 3.3 Begriffspräzisierung 3.4 Nichtsatzklassen Lexifizierte Nichtsatz-Formate 3.5

3.1 Textanalyse Legende: Makroglieder: Punkt-Strich-Unterstrich: Nichtsatz; Unterstrichen: Kohäsionsglied; Schwarz: Satz1 Prädikat fett: statischer Satz; Prädikat fett: dynamischer Satz; : Nichtsatz(sub)klassen (tiefgestellte Klammern)

[1] (fragmentarischer JOCHEN JUNG Nichtsatz) [2] (fragmentarischer Siegfried Lenz Nichtsatz) [3] Total entspannt Prädikation) (globale externe [31] Dann aber (globale externe wie gewonnen, so zerronnen Prädikation): Polizisten waren sowieso schon da und dort aufgetaucht und [Polizisten] schnupperten herum, selbst der Gefängnisdirektor saß auf einmal da, Zwischenfälle hat es gegeben – leider in der Gegend von Eckernförde –, und schnapp! sitzen sie wieder im Bus und bald darauf [sitzen sie] in ihrem Pisspott namens Isenbüttel. [38] [39]

Ist das nun alles glaubwürdig? Dumme Frage Prädikation). (globale externe

Da der Leittext lediglich fünf Nichtsätze enthält, wird die Textanalyse durch einen weiteren Textauszug aus Irina Liebmanns Roman „In Berlin“ ergänzt. Eine Besonderheit dieses Textauszugs (Liebmann Berlin: 78  f.) besteht darin, dass er lediglich drei

1 rekonstruierte Glieder in eckigen Klammern DOI 10.1515/9783110409796-004

ergänzende Textanalyse

168 

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

orthographische Sätze umfasst, von denen die ersten beiden sehr – 14 bzw. 18 Zeilen – lang sind. Deshalb erfolgt die nachfolgende Gliederung des Textauszugs nicht nach orthographischen Sätzen, sondern nach Textgliedern. Der Status als ergänzender Leittext wird durch die Schrägstrich-Nummerierung verdeutlicht. /1/ (fragmentarischer Irina Liebmann Nichtsatz) /2/ (fragmentarischer In Berlin Nichtsatz) /3/ Ich bin heute schon früh um fünf aufgestanden, /4/ (Sachverhaltsexistenzial- dunkel draußen nichtsatz), /5/ [ich bin] gegen sechs über den Hof gegangen, /6/ es schneite, /7/ (Gegenstandsexistenzial- auf der Straße blaues Licht von drei Feuerwehren nichtsatz), /8/ die packten gerade zusammen, /9/ (Gegenstandsexistenzial- auf dem Bürgersteig Wasserstreifen nichtsatz), /10/ (elementbezogene externe gefroren Prädikation), /11/ (Gegenstandsexistenzial- in der U-Bahn Arbeiter, Arbeiterfrauen, Ausländer, braune Gesichter die Jungs nichtsatz), /12/ rauchen, /13/ husten mit offenem Mund, /14/ am Zoo war der Schnee grün von Leuchtreklamen, /15/ Straße frei, /16/ Bahnhof leer, /17/ und /18/ kaum war ich oben, zog eine Lokomotive den Zug in die Halle herein, /19/ (elementbezogene externe voll besetzt Prädikation), /20/ weiße, dicke Personen schliefen schon in den Abteilen, /21/ die Hälse verdreht, /22/ eine Fahrt nach Stuttgart dauert zehn Stunden, /23/ ich ging durch mehrere Wagen /24/ und /25/ [ich] stieg wieder aus – /26/ angekommen, so früh am Morgen! /27/ Erst mal frühstücken, hier in Berlin. /28/ Gegenüber im Pressecafé war die Tür eingeschlagen, /29/ die Risse im Glas [waren] überklebt, /30/ (Gegenstandsexistenzial- Penner an allen Tischen nichtsatz), /31/ (Gegenstandsexistenzial- Arbeitslose nichtsatz) /32/ und /33/ (Gegenstandsexistenzial- die Stammgäste aus dem Osten nichtsatz), /34/ seit die Grenze weg ist, sind das ja die meisten, /35/ zwei Polen riefen den Kellner

Nichtsätze 

 169

/36/ und /37/ [zwei Polen] erhielten ein Schlüsselbund, /38/ ich bestellte Kaffee, Croissants, /39/ [ich] schlug die Zeitung auf, /40/ keiner weiß, stand da, wie viele Ölfelder brennen am Golf, /41/ und /42/ die Bodenschlacht könnte heute beginnen, /43/ in Moskau verlangen Obristen die Macht, las ich auch, /44/ ich dachte, die Truppen von denen werden jetzt auch grade frühstücken hier bei Bernau und in allen den großen Kasernen rings um Berlin, /45/ aber /46/ die kriegen Tee, die Soldaten, /47/ über dem Rand der Zeitung sah ich den fetten Kellner mal links und mal rechts in dem Raum sich bewegen und Männerköpfe, allein und faltig, /48/ (Gegenstandsexistenzial- eine Kaffeetasse auf jedem Tisch nichtsatz), /49/ (Sachverhaltsexistenzial- Morgenlicht langsam nichtsatz), /50/ draußen schneite es immer noch, zum zweiten Mal seit zwei Jahren, /51/ das erste Mal war gestern. /52/ Das war mal ein Tag für den Tiergarten, /53/ dachte ich /54/ und /55/ [ich] stellte mir die Goldfigur auf der Säule jetzt vor, /56/ (Gegenstandsexistenzial- Scheinwerfer nichtsatz), /57/ (Gegenstandsexistenzial- Autos ringsum nichtsatz), /58/ (Gegenstandsexistenzial- Großer Stern, wie sie schreitet da oben und Schnee darauf fällt, nichtsatz)

/59/ und /60/ [ich] fühlte mich richtig zu Hause.

3.2 Der Nichtsatzbegriff So wie der Satzbegriff wurde und wird auch der Nichtsatzbegriff der Grammatischen Textanalyse sukzessive entwickelt. Bevor an ihm im nachfolgenden Kapitel weitergearbeitet wird, soll der Stand rekapituliert werden: (1)

Im Sinne der Funktion-Argument-Wert-Formel wurde die Funktion von Nichtsätzen als die Kodierung der fehlenden (relativen) grammatischen Autonomie im Text (= -Textautokod) bestimmt (Kap. I/2.4.3): -Textautokod (Formen von Nichtsätzen) = Nichtsatz



Auf diesen Punkt kommen wir gleich zu Beginn des Kap. II/3.3 erneut zu sprechen.

der Nichtsatzbegriff der Grammatischen Textanalyse kein autonom kodierendes Textglied

170 

Impressio

(2)

kein Haupt­ prädikat, keine ­ omplemente K

(3)

,Supplemente‘ und Kommentarglieder

(4) (5)

keine Klammer, keine Stellungsfelder Satzrand­ glieder im engeren Sinne

(6)

keine ­Nichtsätze

(7)

(8)

(9)

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

Nichtsätze entwerfen per definitionem kein prädikatsinduziertes Szenario. Semantisch sind sie eher mit impressionistischen Gemälden vergleichbar, weshalb ihr semantisches Potenzial – analog zu Szenario – mit dem Kunstwort Impressio belegt wurde (Kap. I/2.4.3).2 Man vergleiche etwa die NichtsatzBelege aus Irina Liebmanns Roman im Kap. II/3.1. Während sich Satzstrukturen valenztheoretisch, ausgehend von der Valenz des Hauptprädikats, beschreiben lassen, entfällt bei Nichtsätzen gerade das Relatum ‚Hauptprädikat‘, das die Voraussetzung für die Zuweisung von Komplementwerten auf der Mesoebene darstellt. Insofern kann es in Nichtsätzen keine grammatischen Mesowerte wie ‚Subjekt‘, ‚Akkusativobjekt‘ oder ‚Dativobjekt‘ geben. Dagegen können Adverbialsupplemente, die ja nicht prädikatsabhängig sind, und Kommentarglieder auch in Nichtsätzen auftreten.3 Das Makroglied ‚Satz‘ konstituiert sich topologisch durch die Satzklammer und die Felderstruktur, die dem Makroglied ‚Nichtsatz‘ (mangels Hauptprädikat) fehlen (Kap. II/1.3). Ein Nichtsatz ist demnach ein Textglied, das weder Klammer noch Stellungsfelder hat. Am Satzrand kommen drei Typen von Satzrandgliedern im weiteren Sinne vor (Kap. II/1.5): (aggregative) Satzglieder, Kohäsionsglieder und Satzrandglieder im engeren Sinne. Letztere wurden theoretisch als Nichtsätze rekonstruiert. Als theoretische Alternative zu Koordinationsellipsenkonzepten (bzw. zu interaktiver Konstruktionsübernahme) wurden reale und virtuelle Sätze unterschieden (Kap. II/2.4). Somit wurden zahlreiche Strukturformate, die traditionell als elliptisch (bzw. ana- und kataleptisch) angesehen werden, nicht als Nichtsätze, sondern als virtuelle Sätze modelliert. Des Weiteren ermöglichte die Unterscheidung zwischen statischen und dynamischen Sätzen die Einführung von nichtfiniten dynamischen Sätzen (Kap. II/.2.5). Zu diesen gehören die freien Infinitiv- und Partizipialkonstruktionen (= dynamische Infinitiv- und Partizipialsätze) und die internen Prädikationen (= dynamische Prädikativsätze). Unabhängige Nebensätze (= Insubordination) wurden als eine besondere Form statischer Sätze analysiert (Kap. II/.2.7).

2 Man könnte sagen, dass ‚Szenario‘ und ‚Impressio‘ die zwei Grundtypen (einzelsprachlichen) darstellungsfunktionalen Agierens darstellen. 3 Vgl. etwa Textglied /7/ auf der Straße blaues Licht von drei Feuerwehren und viele andere Nichtsätze bei Liebmann. Strenggenommen sollte man allerdings bezogen auf ein Strukturformat ohne Verbvalenz, in dem es also per definitionem keine Komplemente gibt, auch nicht von Supplementen sprechen.

Nichtsätze 

(10)

 171

Schließlich wurde darauf hingewiesen, dass sog. Situative Ellipsen (wie Weiß nich! oder Is doch egal!) regelhafte Verbzweitsätze mit leerem Vorfeld darstellen (Kap. II/1.3).

Im nachfolgenden Kapitel soll der Nichtsatzbegriff weiter präzisiert werden, indem der Begriff der autonomen Kodierung im Text (= Textautokod) näher bestimmt und eine Klassifikation von Nichtsätzen vorgeschlagen wird. Anschließend wird eine Übersicht über die Klassen und Subklassen gegeben (Kap. II/3.4), bevor im letzten Kapitel die lexifizierten Nichtsatz-Formate besprochen werden (Kap. II/3.5).

Präzisierung des Nichtsatzbegriffs

Der Nichtsatz stellt im Gegensatz zum Satz kein autonom kodierendes Textglied dar. Nichtsätze entwerfen semantisch keine Szenarios, sondern Impressios. M. a. W., die darstellungsfunktionale Leistung von Nichtsätzen ist nicht szenisch, sondern impressionistisch. Nichtsätze haben weder ein Hauptprädikat noch Komplemente (auf Mesoebene). Entsprechend verfügen sie weder über eine Klammerstruktur noch über Stellungsfelder.

3.3 Begriffspräzisierung Im Sinne der Funktion-Argument-Wert-Formel fehlt Nichtsätzen die Funktion der autonomen Kodierung im Text. Nichtsätze sind also -Textautokod. Was heißt aber genau Textautokod? Und lassen sich Nichtsätze auch positiv bestimmen? Um diese Frage(n) zu klären, müssen wir uns den Begriff der autonomen Kodierung der IDS-Grammatik (Kap. I/2.4.3) kurz in Erinnerung rufen. Unter autonom kodierenden Ausdrücken (= +Autokod) versteht die IDS-Grammatik (1997/2: 1039  f.) Ausdrücke, die relativ unabhängig von ihrer grammatischen Umgebung dieselbe satzsemantische Information kodieren.4 Beispielsweise kodiere die Präpositionalgruppe aus Angst in den folgenden Sätzen „dieselbe autonome satzsemantische Information“ (ebd.: 1040): (1) Er floh aus Angst. (2) Die Tat geschah aus Angst. Dasselbe gilt für die Substantivgruppe jeden Nachmittag: (3)

(3’)

Früher […] bekamen wir von Frau Wirsing Kuchenränder. Für zehn Pfennig eine riesige Tüte mit Kuchenrändern. Wir haben uns hier jeden Nachmittag damit vollgestopft. (Hein Freund: 132) Jeden Nachmittag bekamen wir von Frau Wirsing Kuchenränder.

4 Zur (deiktisch-phorischen und kohäsiven) Relativität der Autonomie Kap. I/2.4.3.

+Autokod

172 

semantische Stabilität -Autokod

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

Autokodierende Satzglieder, die Supplemente oder Kommentarglieder sein können, stellen semantisch stabile Satzglieder auf der Mesoebene dar. Sicher lassen sich die Präpositionalgruppe aus Angst und die Substantivgruppe jeden Nachmittag auch in einem nicht autonom kodierenden Zusammenhang vorstellen, in dem aus Angst kein Kausaladverbial und jeden Nachmittag kein Temporal­ adverbial (sog. Adverbialakkusativ) darstellt: Das Leben besteht aus Angst. (4) (5) Wir haben hier jeden Nachmittag genossen.

Ausnahmewerte Textautokod

+Textautokod

Hier hat aus Angst den grammatischen Wert ‚Präpositionalaus+DAT-objekt‘ und jeden Nachmittag den grammatischen Wert ‚Akkusativobjekt‘.5 Aber diese Werte stellen gewiss grammatische Ausnahmewerte dar, die unser ‚Sprachgefühl‘, dass aus Angst und jeden Nachmittag prototypischerweise autonom kodierend sind, nicht tangiert. Für die IDS-Grammatik stellt der Begriff der autonomen Kodierung eine Möglichkeit dar, den satzsemantischen Status von Satzgliedern festzustellen. Der Begriff lässt sich jedoch analogisch auch auf die Textebene übertragen: Hier geht es nicht um den +/-autonomen semantischen Beitrag von Satzgliedern zum Satzinhalt, sondern um den von Textgliedern zum Textinhalt. Ein Satz in einem Text T1 lässt sich ohne Änderung seines semantischen Beitrags zum Text in einen anderen Text T2 verpflanzen. Man vergleiche hierzu den ersten Satz des Hein-Belegs in T1 (= (3)) in dem folgenden (konstruierten) T2: (3’’) Früher bekamen wir von Frau Wirsing Kuchenränder. Heutzutage scheinen jedoch die Kuchen überhaupt keine Ränder mehr zu haben. Oder man wirft sie lieber weg, als dass man sie verschenkt. Der Satz steht in T2 (= (3’’)) in einem komplett anderen Textzusammenhang. Er stellt kein konkretes Glied in einer konkreten Erzählkette dar, sondern bietet nur den konkreten Anlass, um über abstraktere Dinge nachzudenken. Die deiktischen Elemente früher und wir haben möglicherweise andere Referenzen als in T1. Und vielleicht handelt T2 auch von einer anderen Frau Wirsing, die zu einer anderen Zeit und in einem anderen Ort lebte. Trotzdem: Szenierung (Bekommen-Szenario), Szenariokomplementierung (wir, von Frau Wirsing) und Szenariokontextualisierung (früher) bleiben dieselben. Der Satz stellt eine Art textsemantischen Legostein, eine stabile semantische Basis für beliebige Textzusammenhänge, dar. Woher aber kommt diese semantische Stabilität?

5 Semantisch ist besteht aus Angst nicht wie floh/geschah aus Angst zu segmentieren: ‚besteht aus‘ + ‚Angst‘ vs. ‚floh/geschah‘ + ‚aus Angst‘. Im Sinne von Helmuth Feilke (1994, 1996, 1998) stellt bestehen aus einen idiomatisch geprägten Ausdruck dar (auch Kap. I/2.4.5). Das Akkusativobjekt jeden Nachmittag kodiert das Patiens des Geniessen-Szenarios.

Nichtsätze 

 173

Auch das autonome Kodierungspotenzial des Hein-Satzes, der stellvertretend für beliebige Sätze stehen soll, basiert auf syntaktischer Geschlossenheit/Berechenbarkeit, d.  h. auf der Eindeutigkeit der satzgrammatischen Werte der Komplemente: Auf der Grundlage der Valenz des Hauptprädikats lassen sich die Komplementwerte – der Subjektwert (wir) und der Präpositionalvon+DAT-objektwert (von Frau Wirsing) – berechnen. Es geht also um stabile satzsemantische Informationen, deren Quelle berechenbare grammatische Werte sind.6 Im Umkehrschluss ist davon auszugehen, dass syntaktische Berechenbarkeit ohne Hauptprädikat nicht möglich ist, dass also ein Textglied ohne Hauptprädikat in der Regel trotz interner Struktur nach außen hin syntaktisch offen bleibt.7 Daraus folgt wiederum ihre potenzielle, sich aus dem grammatischen Freiraum ergebende, semantische Offenheit, d.  h. die fehlende autonome Kodierung im Text (= -Textautokod). Positiv formuliert: Nichtsätze sind syntaktisch-semantisch anpassungsfähige Textglieder. Betrachten wir hierzu den folgenden Beleg, in dem gleich zwei NichtsatzTypen (mehrfach) vorkommen: (6)



Der andere Küchenjunge war Sudentendeutscher. Er hieß Franz. Ich nahm meinen Koffer, und Franz zeigte mir die Dachkammer. (externe Ein elendes Loch . Heiß, stickig Prädikation). (externe Ohne Kleiderschrank Prädikation). (ExistenzialPrädikation) (externe Eine Emaille-Waschschüssel auf dem Gestell nichtsatz). (Existenzial- Toilette eine Treppe tiefer nichtsatz). (Existenzial- Unter beiden Betten Nachttöpfe nichtsatz). Die Küchenarbeit sollte am nächsten Morgen beginnen. (Schädlich Kokoschkin: 134)

Selbstverständlich ist jedem Leser klar, dass sich alle Nichtsätze irgendwie (!) auf die Inhaltsseite des Sprachzeichens Dachkammer beziehen. Die Substantivgruppe die Dachkammer hat in ihrem Satz allerdings den grammatischen Komplementwert ‚Akkusativobjekt‘ und die (signifikativ-)semantische Rolle Handlungsgegenstand (Patiens). Weder dieser grammatische noch dieser semantische Wert passen jedoch zu den internen syntaktisch-semantischen Strukturen der Nichtsätze: (6-i) *(Akkusativ- Die Dachkammer objekt) ein elendes Loch. / *Ein elendes Loch (Akkusativ- die Dachkammer objekt). (6-ii) *(Akkusativ- Die Dachkammer objekt) eine Emaille-Waschschüssel auf dem Gestell. / *Eine Emaille-Waschschüssel (Akkusativ- die Dachkammer objekt) auf dem Gestell. / *Eine Emaille-Waschschüssel auf dem Gestell (Akkusativ- die Dachkammer objekt).

6 Erweitert wird die Grundstruktur aus Prädikat und Komplementen durch ein Supplement, das Temporaladverbial früher, das textunabhängig semantisch stabil ist. Zur Valenz, Grundstruktur und deren Erweiterung Kap. I/3.2–3. 7 Ausgenommen sind Lexifizierungen (Kap. II/3.5).

TextautokodQuelle

-Textautokod

die Anpassungs­ fähigkeit von Nichtsätzen

174 

Formen statt Werte

autonome Kodierung vs. Autonomie

der Vorteil von Nicht­ sätzen

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

Auf die Konstituenten von Nichtsätzen lässt sich die Funktion-Argument-Wert-Formel nur im Bereich der Supplemente und Kommentarglieder, deren Werte unabhängig von der Valenz sind, anwenden. Denn Nichtsätze enthalten mangels Hauptprädikaten keine grammatischen Komplementwerte wie ‚Subjekt‘ oder ‚Akkusativobjekt‘, sondern nur grammatische Formen wie Substantiv- oder Präpositionalgruppen und darüber hinaus (autokodierende) Supplementwerte (wie auf dem Gestell, eine Treppe tiefer, unter den Betten) oder Kommentarglieder.8 Semantisch interpretiert der Leser des obigen Textes die Inhaltsseite des Sprachzeichens Dachkammer als das semantische Subjekt des semantischen Prädikats ‚ein elendes Loch‘; grammatisch stellt jedoch weder die Substantivgruppe (die) Dachkammer das Subjekt zu der Substantivgruppe ein elendes Loch dar, noch die Substantivgruppe ein elendes Loch das Prädikat zu der Substantivgruppe (die) Dachkammer.9 Möglicherweise fragen sich viele Leser, ob ein Existenzialnichtsatz wie etwa Eine Emaille-Waschschüssel auf dem Gestell semantisch wirklich weniger autonom sei als ein Satz.10 Der entscheidende theoretische Punkt ist allerdings der Unterschied zwischen einem grammatisch berechenbaren semantischen Beitrag (= Textautokod) und dem ‚Autonomiegefühl‘ des Lesers. Beim Existenzialnichtsatz lassen sich im Sinne der Funktion-Argument-Wert-Formel keine grammatischen Werte berechnen. Es gibt nur semantische Werte, aber nicht im Sinne von (auf grammatischer Basis berechneten) semantischen Rollen, sondern auf der Grundlage von satzhaften Analogieerfahrungen und Inferenzen auf der Basis der internen Formen und deren semantischen Beziehungen zueinander.11 Diese analogie- und inferenzbasierten semantischen Werte sind in der Regel sehr stabil, weil sie vom aktuellen Kontext relativ unabhängig sind. Textautokod ist eben nur eine mögliche Quelle für Kontextunabhängigkeit (= ‚Autonomiegefühl‘).12 Der grammatische Vorteil von Nichtsätzen besteht gerade darin, dass sie, im Gegensatz zu virtuellen Sätzen, keine grammatischen Komplementwerte, sondern nur offen interpretierbare grammatische Formen enthalten, die sich semantisch an den Text, an benachbarte Sätze und Nichtsätze, anpassen. Trotz der negativen (und deshalb nicht sehr glücklichen) Suggestivkraft des Terminus ‚Nichtsatz‘ stellen also 8 Auch in den Schädlich-Beleg ließen sich Kommentarglieder wie z.  B. leider, wenigstens oder wahrhaftig integrieren. 9 Mathilde Hennig (2009a: 234) spricht dagegen auch bei Nichtsätzen von „virtuell organisiert(en)“ Komplementen. 10 Auch Behr/Quintin (1996: 76) charakterisieren den „Existenzialsatz“ als kontextunabhängig mit einem sog. internen Organisationspol. 11 Unter ‚satzhaften Analogieerfahrungen‘ verstehe ich Erfahrungen mit analog gebauten Sätzen wie z.  B. (Ein) X befindet sich + Lokaladverbial / Es gibt (ein) X +Lokaladverbial / Lokaladverbial +ist (ein) X. 12 Deshalb habe ich oben von potenzieller semantischer Offenheit gesprochen. Sehr instruktiv sind die syntaktischen und informationsstrukturellen Gegenüberstellungen von Nichtsätzen mit ihren Satz-Analoga in Zifonun 2015a.

Nichtsätze 

 175

Nichtsätze keine elliptischen oder irgendwie defektiven Sätze dar, sondern autonome, jedoch nicht autonom kodierende, syntaktisch-semantische Gestalten mit einem offeneren Anschlusspotenzial als Sätze. Den Ausgangspunkt der Nichtsatz-Klassifikation der Grammatischen Textanalyse bildet die auf reichen Texterfahrungen basierende Klassifikation „verbloser Sätze“ (= VLS) von Irmtraud Behr und Hervé Quintin (1996: 41  ff.): 1. strukturgestützte VLS, 2. externe Prädikationen, 3. fragmentarische VLS, 4. interne Prädikationen und 5. Existenzialsätze. Zwei von diesen Klassen stellen im Sinne der Konzipierung der Makroebene der Grammatischen Textanalyse Sätze dar: Strukturgestützte VLS entsprechen virtuellen Sätzen (Kap. II/2.4), interne Prädikationen wurden als (afinite) dynamische Sätze rekonstruiert (Kap. II/2.5).13 Auch zwei der vier Unterklassen der Fragmentarischen VLS wurden bzw. werden ausgegliedert: Partizipial- und Infinitivsätze wurden als (infinite) dynamische Sätze eingeordnet (Kap. II/2.5). „Prozessuale VLS“ (Behr/Quintin 1996: 66), die in der vorliegenden Arbeit in Anlehnung an Joachim Jacobs (2008: 15  ff.) verblose Direktiva heißen, gehören dagegen weder zu den Sätzen noch zu den eigentlichen Nichtsätzen, sondern zu einer größeren idiomatischen Gruppe, zu den sog. lexifizierten NichtsatzFormaten (Kap. III/3.5). Der grammatische Vorteil von Nichtsätzen besteht darin, dass sie, im Gegensatz zu virtuellen Sätzen, mangels Hauptprädikaten keine grammatischen Komplementwerte wie ‚Subjekt‘ oder ‚Akkusativ­ objekt‘, sondern nur grammatische Formen wie Substantiv- oder Präpositionalgruppen (bzw. Supplemente und Kommentarglieder) enthalten. Deshalb bleiben Nichtsätze trotz interner Struktur nach außen hin syntaktisch offen und können sich semantisch an den Text, an benachbarte Sätze und Nichtsätze, anpassen. Ihre fehlende autonome Kodierung im Text (= -Textautokod) bedeutet jedoch nicht, dass sie kontextabhängig sein müssen. Potenzielle semantische Offenheit lässt sich nämlich nicht nur grammatisch, sondern auch analogie- und inferenzbasiert schließen. Deshalb sind -Text­ autokod und Kontextabhängigkeit nicht gleichzusetzen.

13 Unter den strukturgestützten VLS von Behr und Quintin finden sich auch welche, die im Sinne der grammatischen Textanalyse reale Sätze darstellen, z.  B. Er kommt zurück. Für einige Wochen. (Behr/ Quintin 1996: 55).

Klassifi­ zierungsPräliminarien

Ausgliederungen

176 

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

3.4 Nichtsatzklassen Klassen

externe ­ rädikationen P

Im Sinne der Klassifizierungs-Präliminarien im vorigen Kapitel umfasst unsere Klassifikation von Nichtsätzen lediglich drei Typen: 1. externe Prädikationen, 2. Existenzialnichtsätze und 3. fragmentarische Nichtsätze. Wir gehen nun der Reihe nach auf diese Nichtsatz-Klassen ein: Die Struktur von externen Prädikationen lässt sich am besten verdeutlichen, wenn sie zu der von internen Prädikationen und zu Sätzen mit Prädikativgefügen in Beziehung gesetzt wird.14 Dazu nutzen wir zwei der drei externen Prädikationen des obigen Schädlich-Belegs: […] Franz zeigte mir die Dachkammer. (externe Ein elendes Loch Prädikation). (externe Heiß, stickig Prädikation). […] (Schädlich Kokoschkin: 134) (6a) Franz zeigte mir das Dachgeschoss. (interne Die Dachkammer ein elendes Loch . Die Luft heiß und stickig Prädikation). Prädikation) (interne (6b) Franz zeigte mir das Dachgeschoss. Die Dachkammer (Prädikativ- war ein elendes Loch gefüge). Die Luft (Prädikativ- war heiß und stickig gefüge). (6)

Explizite Wieder­ aufnahme?

Da im Originalbeleg der vom Leser zu erschließende Bezugsausdruck der externen Prädikation im Vorgängersatz (als Akkusativobjekt) realisiert wurde, wäre eine explizite Wiederaufnahme (als Subjekt) nicht nur redundant, sondern auch referentiell unerklärlich, da eine mehrfache Realisierung nur bei unterschiedlichen Referenzen akzeptabel wäre:15 (6’) ??Franz zeigte mir die Dachkammer. Die Dachkammer (war) ein elendes Loch. Die Dachkammer (war) heiß und stickig. (6’’) Franz zeigte mir die Dachkammern. (interne Die eine (Dachkammer) (war) ein elendes Loch. Die andere (Dachkammer) (war) heiß und stickig.

Implizite Wieder­ aufnahme?

Externe Prädikationen haben weder ein Subjekt noch eine Kopula. Interne Prä­di­ka­ tio­nen haben zwar ebenfalls keine Kopula, aber ein Subjekt (Variante (6a)), Sätze mit Prädikativgefüge haben sowohl ein Subjekt als auch eine Kopula (Variante (6b)).16 Bei

14 Prädikativgefüge (Prädikativprädikate) sind statische Prädikate aus Kopulaverb und (adjektivischem oder substantivischem) Prädikativ (Kap. II/2.5, Kap. III/1.3.2 und vor allem Kap. III/2.1.4). 15 Die Begriffe ‚explizite vs. implizite Wiederaufnahme‘ werden von Klaus Brinker (2005: 27  ff.) übernommen. 16 Nach Zifonun (2015a: 69  ff.) sei es jedoch nicht zwingend, den Referenzausdruck interner Prädikationen als Subjekt zu interpretieren. Sie analysiert den Referenzausdruck das Frühstücken des

Nichtsätze 

 177

diesen Strukturen stellt die implizite Wiederaufnahme eine Möglichkeit des unmarkierten Textanschlusses dar: Dachgeschoss, Dachkammer und Luft sind nicht referenzidentisch, aber der Leser kann kulturell begründete „Enthaltenseinsrelationen“ (Brinker 2005: 36) identifizieren: Die Dachkammer ist Teil des Dachgeschosses, und bei der Luft geht es um die Luft in der Dachkammer.17 Eine Option wäre noch die pronominale explizite Wiederaufnahme: (6’’’) ?Franz zeigte mir die Dachkammer. Sie war ein elendes Loch. Sie war heiß und stickig. (6’’’’) Franz zeigte mir die Dachkammer. Sie war ein elendes Loch. Die Luft war heiß und stickig. Allerdings wäre auch hier der Monotonie der Referenzidentität die lexikalische Explizierung der Enthaltenseinsrelation vorzuziehen. Wenn sich externe Prädikationen, wie im Schädlich-Beleg, „auf ein Element (ein Wort oder eine syntaktische Gruppe)“ beziehen, sprechen Behr/Quintin (1996: 56  f.) von „elementbezogene(n)“ externen Prädikationen.18 Man vergleiche auch die folgende Stelle aus dem ergänzenden Leittext: /18/ /19/

kaum war ich oben, zog eine Lokomotive den Zug in die Halle herein, voll besetzt Prädikation), (elementbezogene externe

Wenn sie sich dagegen „auf einen ganzen Satz“ beziehen, werden sie „satzbezogene oder besser globale Prädikation“ genannt (Behr/Quintin 1996: 57  f.):

Schnitzler-Belegs „[…] doch kein leerer Wahn, das Frühstücken!“ analog zum Satz Es ist doch kein leerer Wahn, das Frühstücken als Thematisierungsausdruck (Satzrandglied im engeren Sinne). Doch auch wenn der Satz mit Korrelat-es und Thematisierungsausdruck tatsächlich „nächstes Analogon“ (ebd.) des Originalbelegs ist, ist es eben weder syntaktisch noch informationsstrukturell der Originalbeleg: Die Substantivgruppe das Frühstücken des Originalbelegs wäre (auch nach Zifonuns Auffassung) Thema, was eine weitere Interpretation als Thematisierungsausdruck ausschließt. Folglich kann sie auch nicht im ‚Nachfeld‘ der internen Prädikation stehen. Überträgt man die Struktur des Analogons auf die des Originals, analysiert man syntaktisch das Analogon und nicht das Original. Somit ginge ausgerechnet die große Stärke von Zifonuns Ansatz der Verbindung von Ellipsen- und Informationsstrukturforschung, feine Differenzen zwischen Nichtsätzen („verblosen Text-KM“) und ihren Analoga herausarbeiten zu können, verloren. 17 Die unterschiedlichen textuellen Potenziale von internen Prädikationen und Sätzen mit Prädikativgefügen können hier nicht erörtert werden. Nach Irmtraud Behr (2017, i. V.), die das letzte Kapitel des Schädlich-Buches analysiert hat, gleicht der Aufbau des Kapitels „dem einer Bildgeschichte, eines Comics. Die Sätze mit finitem Verb bilden den Rahmen, der durch Impressionen ausgefüllt wird. Diese Impressionen werden mittels verbloser Sätze wiedergegeben.“ 18 Prädikativer Elementbezug lässt sich auch situativ herstellen, wenn man z.  B. beim Anblick des neuen Hauses von einem Freund begeistert Schönes Haus! oder Großartig! ausruft. Hier spricht man auch von „pragmatischen Ellipsen“ (Ágel/Hennig 2006: 382 und 395).

Pronominale explizite Wieder­ aufnahme?

zwei Typen von externen ­Prädikationen

178 

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

Die alte Dame lächelte. „Unsere Wagen werden ferngelenkt“, erzählte sie. „Das Lenkverfahren beruht auf der sinnreichen Koppelung eines elektromagnetischen Feldes mit einer Radiozentrale. (globale externe Ganz einfach Prädikation), was?“ „(globale externe Blödsinnig einfach Prädikation)“, meinte der Onkel. „(globale externe Einfach blödsinnig Prädikation)“, knurrte das Pferd. (Kästner 35. Mai: 88) (7)

global = textsequenzbezogen

Nähe zum Introglied

Der Satzbezug stellt allerdings nur den unteren Grenzfall des Bezugs auf eine Text­ sequenz dar – deutlich zu sehen an dem folgenden Beleg aus dem Leittext: [31] Dann aber (globale externe wie gewonnen, so zerronnen Prädikation): Polizisten waren sowieso schon da und dort aufgetaucht und [Polizisten] schnupperten herum, selbst der Gefängnisdirektor saß auf einmal da, Zwischenfälle hat es gegeben – leider in der Gegend von Eckernförde –, und schnapp! sitzen sie wieder im Bus und bald darauf [sitzen sie] in ihrem Pisspott namens Isenbüttel. Hier bezieht sich die (vorangestellte) externe Prädikation auf eine Textsequenz mit insgesamt sechs (realen und virtuellen) Sätzen.19 Auch wenn sich der Satzbegriff von Behr und Quintin mit dem der Grammatischen Textanalyse nicht deckt (orthographischer vs. grammatischer Satz), dürfte dieser Beleg, den der Autor des Leittextes problemlos in mindestens zwei orthographische Sätze hätte unterteilen können, für den Textsequenzbezug globaler externer Prädikationen sprechen.20 Vorangestellte globale externe Prädikationen, die sich wie in [31] an Kohäsionsglieder anschließen, lassen sich als pragmatische Äquivalente von Introgliedern interpretieren.21 Diese Intro-Technik mit Kohäsionsglied + anschließender globaler externer Prädikation wird systematisch gepflegt von Wolf Haas:

19 Die Voranstellung globaler externer Prädikationen komme dabei, im Gegensatz zu der elementbezogener externer Prädikationen, „gelegentlich“ vor. „In diesem Fall ist die Grenze zum Bezugssatz generell durch Doppelpunkt oder Gedankenstrich gekennzeichnet.“ (Behr/Quintin 1996: 70) Das Sprichwort Wie gewonnen, so zerronnen scheint sich auf diesen Fall spezialisiert zu haben. 20 Externe Prädikationen werden von Behr/Quintin (1996: 57) mit „das/es ist Y“ paraphrasiert. Demnach kann „das/es“ für ein einzelnes Wort, aber auch für eine ganze Textsequenz stehen. 21 Introglieder sind einleitende idiomatisch geprägte Kohäsionsglieder am linken Satzrand (Kap. II/1.5).

Nichtsätze 

 179

Jetzt (globale externe interessante Frage Prädikation), warum hat der Zuhälter Schmalzl auch das Ohr an der Bevölkerung?22 (Haas Tiere: 17) (9) Da hat er Recht gehabt. Aber (globale externe interessant Prädikation). Oft, wenn jemand Recht hat, kommt die Unterhaltung ins Stocken.23 (Haas Tiere: 20) (8)

Da dem Substantiv Frage das Intro-Potenzial lexikalisch inhärent ist, kann es auch ohne Koppelung an ein Kohäsionsglied als pragmatisches Introglied-Äquivalent fungieren: (10)

Frage an den Schönschweiger Nichtsatz): Wie lange gedenkst du unser ‚uns‘ noch schönzuschweigen? (Glattauer Wellen: 212) (fragmentarischer

Die Grenze zwischen Elementbezug und globalem Bezug ist mitunter nicht leicht zu ziehen (so auch Behr/Quintin 1996: 58). Dies wird besonders deutlich an externen Prädikationen als Überschriften wie im Leittext: [3]

(externe

Total entspannt Prädikation)

Überschriften: element­ bezogen oder global?

Ist dies eine elementbezogene Prädikation, nur weil der Autor im allerletzten Satz des Artikels das Attribut entspannt explizit aufgreift und auf das Substantiv Geschichte bezieht? [56]

So eine Nachernte ist es denn wohl auch, was wir mit dieser ganz und gar entspannten Geschichte in den Händen halten.

Stellt das Substantiv Geschichte im letzten Satz den Elementbezug für die externe Prädikation in der Überschrift dar? Sicherlich nicht, denn syntaktisch hat das Substantiv Geschichte nichts mit der Überschrift zu tun. Syntaktisch ist die Überschrift genauso wie die externe Prädikation in [31] eine vorangestellte globale Prädikation. Im Unterschied zu dieser bietet jedoch eine Überschrift generell keine genaue Lokalisierungsmöglichkeit für die Bezugssequenz. Man könnte sagen, dass externe Prädikationen als Überschriften vorangestellte globale externe Prädikationen mit einem offenen textuellen Interpretationsraum als Bezugsgröße darstellen. Kommen wir nun zur zweiten Nichtsatz-Klasse: Existenzialnichtsätze „explizieren das Vorhandensein eines Bezugsobjekts, dem sie teilweise damit erst zur Existenz verhelfen“ (Behr/Quintin 1996: 68). Behr/Quintin (1996: 68) bieten für diese Strukturen zwei Paraphrasen an: „X existiert“ oder „DA 22 Das statische Prädikat das Ohr an der Bevölkerung haben stellt ein Idiom dar (Kap. III/2.1.2). 23 Das statische Prädikat Recht haben stellt ein Nominalisierungsverbgefüge, ins Stocken kommen ein Funktionsverbgefüge dar (Kap. III/2.1.2).

Existenzialnichtsätze

180 

gerahmte Impressios: Holz­schnitt­ ausmalungs­ technik

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

‚ist/existiert‘ X“. Auf die Paraphrasierung kommen wir weiter unten noch zu sprechen. Es ist auffällig, dass Existenzialnichtsätze in ganz unterschiedlichen literarischen Texten in analogen Satz-Nichtsatz-Satz-Konstellationen vorkommen können:24 (6)

(11)

[…] Franz zeigte mir die Dachkammer. […] (Existenzial- Eine Emaille-Waschschüssel auf dem Gestell nichtsatz). (Existenzial- Toilette eine Treppe tiefer nichtsatz). (Existenzial- Unter beiden Betten Nachttöpfe nichtsatz). Die Küchenarbeit sollte am nächsten Morgen beginnen. (Schädlich Kokoschkin: 134) Unter den alten Linden reitet der Alte Fritz, (Existenzial- vorn die Generäle nichtsatz), hinten, direkt unterm Pferdearsch, in Bronze: Kant und Lessing nichtsatz). (ExistenzialDie Pferdeäppel würden Lessing genau auf den Kopf fallen. (Timm Johannisnacht: 174)

(12) /3/ Ich bin heute schon früh um fünf aufgestanden, /4/ (Existenzial- dunkel draußen nichtsatz), /5/ [ich bin] gegen sechs über den Hof gegangen, /6/ es schneite, /7/ (Existenzial- auf der Straße blaues Licht von drei Feuerwehren nichtsatz), /8/ die packten gerade zusammen, /9/ (Existenzial- auf dem Bürgersteig Wasserstreifen nichtsatz), /10/ (elementbezogene externe gefroren Prädikation), /11/ (Existenzial- in der U-Bahn Arbeiter, Arbeiterfrauen, Ausländer, braune Gesichter die Jungs nichtsatz), /12/ rauchen, /13/ husten mit offenem Mund, (13) Dicht am Steilhang lag sein Haus, (interne Die Wände weiß getüncht Prädikation), das schiefergedeckte Dach in einem verwaschenen Grau Prädikation), (interne (interne die Fenster, die Regenrinnen blau gestrichen Prädikation), (Existenzial- davor, wie aus dem Fels herausgesprengt, der kleine Garten nichtsatz), (Existenzial- Blumen und Büsche darin nichtsatz), (externe rot und gelb Prädikation), (interne blaßrosa der Oleander und (Existenzial- eine üppige Bougainvillea nichtsatz), (elementbezogene externe eine Prädikation) leuchtende Farbigkeit, wie man sie am Mittelmeer vermutet, aber nicht an der Küste Prädikation). Unten im Garten stand die Reisegruppe und in ihrer Mitte [stand] Marc, der etwas erklärte, auf die Felswand deutete, auf das Haus, auf die Bucht. (Timm Nicht: 25)

24 Der letzte der vier Textausschnitte („Timm Nicht“) wurde hinsichtlich der internen Prädikationen bereits analysiert (Kap. II/2.5). Die dort begonnene Analyse wird hier komplettiert.

Nichtsätze 

 181

In allen vier Textsequenzen gibt es eine narrative Rahmung, die durch Sätze abgesteckt wird. Zwischen dem satzförmigen Auftakt und dem satzförmigen Abschluss der Textsequenz befinden sich die Existenzialnichtsätze, die die Rahmenszenarios mit kleinen Impressios bebildern.25 Solche Satz-Nichtsatz-Satz-Konstellationen lassen sich auch als „Holzschnittausmalungstechnik“ (Ágel 2015a: 170) bezeichnen. Eine Art spiegelverkehrte Konstellation (= Nichtsatz-Satz-Nichtsatz) liegt in dem im Kap. I/2.2 bereits zitierten Handke-Textausschnitt vor: (14)

Der riesige Marktplatz von HEIDE in Schleswig-Holstein mit den kleinen Häusern weit weg am Horizontrand nichtsatz). Wilhelm von hinten nichtsatz). (Existenzial Er steht in einem der kleinen Häuser am Fenster und schaut hinaus. Der Marktplatz, ein wenig mehr von oben nichtsatz). (Existenzial Wilhelm, das Fensterkreuz und der Marktplatz nichtsatz). (Existenzial Eine Katze auf dem Fensterbrett nichtsatz). (Existenzial (Handke Bewegung: 7)

rahmende Impressios: Zoomtechnik

(Existenzial-

Die Textstelle steht „für eine Zoomtechnik: Der Betrachter holt mit seiner Kamera den ‚Gegenstand‘ (Wilhelm) heran. Dann wechselt er seinen Standort und zoomt den Gegenstand erneut heran. Die beiden eingelagerten grammatischen Sätze mit ihren Sachverhaltsentwürfen dienen nur der Schärfung des Gegenstandes. Die grammatischen Sätze sind den Nichtsätzen funktional untergeordnet.“ (Ágel 2015a: 170) Existenzialnichtsätze wie auch Existenzialsätze stellen thetische Äußerungen dar (Behr 2017, i. V.). Thetische Äußerungen sind Äußerungen, die die Existenz eines Gegenstandes oder eines Sachverhalts holistisch behaupten (Sasse 1987).26 Im Gegensatz dazu treffen kategorische Äußerungen eine Existenzaussage über einen Gegenstand oder einen Sachverhalt.27 Man vergleiche (nach Sasse 1987: 557) (15) Es gibt einen Gott. [thetischer Satz] (16) Gott existiert. [kategorischer Satz] Auch die typische Anfangsformel für Märchen ist ein thetischer Satz, der die Existenz eines Gegenstandes behauptet (Sasse 1987: 559): (17) Es war einmal ein König.

25 Auch hier gilt also: „Die Sätze mit finitem Verb bilden den Rahmen, der durch Impressionen ausgefüllt wird. Diese Impressionen werden mittels verbloser Sätze wiedergegeben.“ (Behr 2017, i. V.) 26 Hans-Jürgen Sasse (1987: 526) unterscheidet „entity-central and event-central thetic expres­sions“. 27 ,Gegenstände und Sachverhalte‘ sind natürlich als linguistische Begriffe (im Sinne von Bühler 1934/1982) zu verstehen. Philosophische oder theologische Ansätze stehen hier nicht zur Disposition.

thetische vs. kategorische Äußerungen

182 

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

Andere thetische Äußerungen wie Sätze mit Witterungsprädikaten behaupten die Existenz eines Sachverhalts: (18) Es regnet / Es wird dunkel. zwei Typen von Existenzialnichtsätzen

Thetische Äußerungen treten nicht nur als Sätze, sondern auch als Nichtsätze in Erscheinung. Auch Existenzialnichtsätze können die Existenz eines Sachverhalts oder die eines Gegenstandes behaupten. Im ergänzenden Leittext kommen zwei sachverhalts(existenz)behauptende Existenzialnichtsätze, kürzer: Sachverhaltsexistenzialnichtsätze, vor:28 /4/ (Sachverhaltsexistenzial- dunkel draußen nichtsatz), /49/ (Sachverhaltsexistenzial- Morgenlicht langsam nichtsatz),

Paraphrasierungsproblem Fakultativität

Alle anderen Existenzialnichtsätze in den obigen vier Textausschnitten und im ergänzenden Leittext stellen gegenstands(existenz)behauptende Existenzialnichtsätze, kürzer: Gegenstandsexistenzialnichtsätze, dar. Wie erwähnt bieten Behr/Quintin (1996: 68) für Existenzialnichtsätze zwei Paraphrasen – „X existiert“ bzw. „DA ‚ist/existiert‘ X“ – an. Diese Paraphrasen sind aus drei Gründen präzisierungsbedürftig: Erstens ist die (lokale oder temporale) thematische Situierung (= DA) der thetischen Äußerung „teilweise verbalisiert“ (Behr/Quintin 1996: 69). In dem folgenden Auszug aus dem ergänzenden Leittext kommen der erste und der dritte Gegenstandsexistenzialnichtsatz ohne, der zweite dagegen mit einer thematischen Situierung (ringsum) vor: /52/ Das war mal ein Tag für den Tiergarten, /53/ dachte ich /54/ und /55/ [ich] stellte mir die Goldfigur auf der Säule jetzt vor, /56/ (Gegenstandsexistenzial- Scheinwerfer nichtsatz), /57/ (Gegenstandsexistenzial- Autos ringsum nichtsatz), /58/ (Gegenstandsexistenzial- Großer Stern, wie sie schreitet da oben und Schnee darauf fällt, nichtsatz)

/59/ und /60/ [ich] fühlte mich richtig zu Hause.

28 Mögliche Sachverhaltsexistenzialsatz-Analoga wären: Draußen ist es dunkel bzw. Langsam ‚morgenlichtet‘ (= dämmert) es. Während sich dunkel (im Gegensatz zu Dunkelheit) nur als Sachverhalt (Zustand) auffassen lässt, ließe sich im Falle von Morgenlicht natürlich streiten, ob es sich um einen Gegenstand oder einen Sachverhalt handelt. Die modale Spezifizierung (langsam) spricht eher für die Sachverhaltslesart.

Nichtsätze 

 183

Man braucht also keine zwei Paraphrasen, sondern eine mit Fakultativitätsindizierung. Zweitens sind beide topologische Muster belegt (s. auch Behr/Quintin 1996: 92). In dem folgenden Auszug aus dem obigen Timm-Beleg repräsentiert der erste Gegenstandsexistenzialnichtsatz das Muster ‚DA X‘, der zweite das Muster ‚X DA‘:

Topologie

(13) […] (interne die Fenster, die Regenrinnen blau gestrichen Prädikation), (Gegenstandsexistenzialdavor, wie aus dem Fels herausgesprengt, der kleine Garten nichtsatz), (GegenstandsexisBlumen und Büsche darin nichtsatz), […] tenzial (Timm Nicht: 25) Drittens mutet eine Paraphrase wie „X existiert“ kategorisch an. Mögliche thetische Paraphrasierungsoptionen wären in Anlehnung an Sasse (1987: 557) „es gibt ein X“ oder „es kommt ein X vor“.29 Der folgende Paraphrasierungsvorschlag berücksichtigt nicht nur die drei Kritikpunkte, sondern bietet durch die Einklammerung der paraphrasierenden Verben auch eine einheitliche Paraphrasierung für Existenzialsätze und -nichtsätze:30 oder

Thetizität

Paraphra­ sierungsvorschlag

„(DA) (ist/kommt vor/gibt es) ein X“ „X (ist/kommt vor/gibt es/befindet sich) (DA)“

Die dritte und letzte Nichtsatz-Klasse sind die fragmentarischen Nichtsätze:31 Die folgende Textsequenz zeigt einen Ausschnitt aus einem Gespräch zwischen Schädlichs Protagonist Kokoschkin und einem Antiquar in Prag: (19) «[…] Kann ich Ihnen sonst helfen?» «(fragmentarischer Botanik Nichtsatz).» «Da haben wir einiges.» «Mich interessieren Bücher über Gräser. […]» «Sagen Sie mir die Verfasser. Ich sehe nach. […]» «(fragmentarischer Otto Wehsarg Nichtsatz).» «(fragmentarischer Nichts Nichtsatz).» «(fragmentarischer Reinhold Tüxen Nichtsatz).» «(fragmentarischer Nichts Nichtsatz).» (Schädlich Kokoschkin: 156  f.)

29 Wenn Behr/Quintin (1996: 69) Überlegungen zu der Paraphrase ‚Es gibt + Akk‘ anstellen, geht es ihnen nicht um die thetisch/kategorisch-Unterscheidung. 30 Natürlich ließe sich in Abhängigkeit von der lexematischen Besetzung der X-Stelle die Reihe der paraphrasierenden Verben fortsetzen, s. auch Behr/Quintin 1996: 69 und das Ergebnis der Vervollständigungsaufgabe zu Liebmanns „In Berlin“ in Hennig 2016: 134  f. 31 Wohlgemerkt, mit einem im Vergleich zum Originalbegriff von Behr und Quintin deutlich abgespeckten Begriffsumfang (Kap. II/3.3).

fragmentarische Nichtsätze

184 

Skalen

der proto­ typische ­fragmentarische Nichtsatz

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

In Anlehnung an Behr/Quintin (1996: 60) lässt sich der fragmentarische Nichtsatz als eine Nichtsatz-Klasse beschreiben, „die nicht-prädikative semantische Beziehungen zum Gesamtkontext oder Teilen des Kontextes eingeht und damit offene Argumentstellen in ihrer syntaktischen oder semantischen Struktur besetzt […].“ Im Gegensatz zu Existenzialnichtsätzen, die relativ autonom sind, lassen sich also fragmentarische Nichtsätze nur abhängig vom aktuellen Kontext interpretieren.32 Behr/Quintin (1996: 60) postulieren dabei eine intendierte virtuelle Bedeutungsstruktur, „die sowohl den konkreten sprachlichen Gegebenheiten gerecht wird als auch den situationellen und textuellen Vorgaben. Man kann sich also den fragmentarischen VLS als die sprachliche Realisierung eines mehr oder weniger großen Teils, eben eines Fragments, dieser intendierten, virtuellen Struktur vorstellen.“ Die Klasse der fragmentarischen VLS umfasst bei Behr und Quintin vier Unterklassen. Nach den oben genannten Ausgliederungen sind jedoch nur noch zwei von diesen übrig geblieben: „Leichte Verschiebungen“ und „Stichwortcharakter des VLS“ (Behr/Quintin 1996: 61  f. und 64  f.). Es fragt sich nun, ob es sich bei diesen um relativ diskrete Subklassen oder eher um skalare Unterschiede handelt. In Anlehnung an Mathilde Hennig (2016) gehe ich davon aus, dass der „von Behr/ Quintin mit ‚Stichwortcharakter des VLS‘ gekennzeichnete Typ offensichtlich fragmentarischer (ist) als alle anderen Typen verbloser Sätze“, weshalb Hennig (2016: 112) vom „prototypischen Kernbereich“ spricht.33 Der Prototyp hat zwei zentrale Merkmale (Hennig 2016: 112  f.): Er ist (extern) „minimal strukturgestützt“ und (intern) „minimal strukturiert“. Dies gilt für alle Beispiele des obigen Schädlich-Textausschnitts: Keines der fünf Fragmente (Botanik, Otto Wehsarg, Reinhold Tüxen und zweimal Nichts) hat eine syntaktische Beziehung zu einem der anderen Fragmente oder zu einem der Sätze; sie sind also „minimal strukturgestützt“. Und da sie alle eingliedrig sind, sind sie auch „minimal strukturiert“.34 Auch drei der vier fragmentarischen Nichtsätze im Leittext und im ergänzenden Leittext stellen prototypische Vorkommen dar: [1] (fragmentarischer JOCHEN JUNG Nichtsatz) [2] (fragmentarischer Siegfried Lenz Nichtsatz) /1/ (fragmentarischer Irina Liebmann Nichtsatz)

32 Im Einzelfall ist es trotzdem nicht unproblematisch, eingliedrige Existenzialnichtsätze, d.  h. Existenzialnichtsätze ohne lokale/temporale Situierung, von fragmentarischen Nichtsätzen zu trennen (s. auch Behr/Quintin 1996: 74). 33 Dass dies der Prototyp – mit Hennigs (2016: 112) Terminus: der „eigentliche FVLS [= fragmenta­ rischer verbloser Satz, VÁ]“ – ist, wird bereits in ihrer auf Verstehensprozesse bezogenen Ellipsenklassifikation (Hennig 2011) deutlich. Auch die Ergebnisse der Verstehensexperimente von Volker Emmrich (2013) unterstützen Hennigs Auffassung über den Prototyp. 34 Die Namen lassen sich auch als eingliedrig auffassen.

Nichtsätze 

 185

Dagegen ist der vierte, wenn auch minimal strukturgestützt, intern durchaus strukturiert: /2/ (fragmentarischer In Berlin Nichtsatz)

der nicht mehr proto­typische fragmentarische Nichtsatz

Intern möglicherweise stärker strukturiert und gleichzeitig sicherlich auch nicht mehr minimal strukturgestützt ist der folgende Beleg:35 (20) «Was schlagen Sie noch vor?» «(fragmentarischer Dinner nur im Kings Court Nichtsatz).» (Schädlich Kokoschkin: 123) Die Kursivierungen sollen auf Abgrenzungsprobleme aufmerksam machen: Mit möglicherweise soll angedeutet werden, dass sich hinter der stärkeren Strukturiertheit nicht unbedingt qualitative Unterschiede verbergen, sondern einfach nur die banale Tatsache, dass ein längerer Nichtsatz mehr Struktur hat als ein kürzerer. Durch die vage Formulierung nicht mehr minimal soll signalisiert werden, dass eine Verortung des Belegs auf der Skala zwischen maximaler Strukturgestütztheit, die nach Hennig (2016: 113) die „Kontextkontrollierte Ellipse“, d.  h. unsere virtuellen Sätze, kennzeichnet, und der minimalen Strukturgestütztheit des prototypischen fragmentarischen Nichtsatzes nicht sehr einfach sein dürfte. Klar ist der fragmentarische Nichtsatzstatus nur insofern, als sich der Beleg nicht als virtueller Satz interpretieren lässt:

Abgrenzungsprobleme

20’) ![Ich schlage] Dinner nur im Kings Court [vor]. Berücksichtigt man den gesamten Textzusammenhang, ist mit dem fragmentarischen Nichtsatz in etwa Folgendes gemeint:36 (20’’) ,ich schlage ein gemeinsames Dinner, und zwar unbedingt im Kings Court, vor‘ / ‚ich schlage vor, dass wir das Dinner gemeinsam, und zwar unbedingt im Kings Court, einnehmen‘ Da ich keine Möglichkeit sehe, fragmentarische Nichtsätze nach den Merkmalen (a) der Strukturgestütztheit und (b) der Strukturiertheit konsistent zu unterteilen bzw. (c) die beiden skalaren Merkmale auf einen Klassenbegriff abzubilden, wird hier auf ihre Klassifikation verzichtet.37

35 . Wegen des Kohäsionsglieds nur ist der Nichtsatz diskontinuierlich (Dinner … im Kings Court). „Kings Court“ ist der Name des Restaurants auf dem Kreuzfahrtschiff, in dem das Kapitänsdinner stattfindet. 36 Und es gibt Fälle, die um Größenordnungen komplizierter sind, vgl. Behr 2007. 37 Eine sinnvolle – nichtsyntaktische – Unterklassifikation der fragmentarischen Nichtsätze könnte sicherlich im Anschluss an die Bühler’schen Felder und Umfelder (1934/1982: insb. 154  ff.) erfolgen: Nichtsätze im Zeigfeld, im symphysischen, sympraktischen und – Bühler erweiternd – synattentionalen Umfeld. Der „neu geprägte Ausdruck ‚synattentional‘ (bezieht sich) auf Phänomene des Typs

Fazit: keine Subklassen

186 

Nichtsätze im Überblick

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

Zusammenfassend lassen sich also folgende Klassen und Subklassen von Nichtsätzen angeben: Tab. 27: Nichtsatz-Klassen im Überblick (1) externe Prädikationen: – elementbezogen – global (2) Existenzialnichtsätze: – Gegenstandsexistenzialnichtsätze – Sachverhaltsexistenzialnichtsätze (3) fragmentarische Nichtsätze (keine Subklassen)

Unterschieden wurden drei Nichtsatz-Klassen: externe Prädikationen, Existenzialnichtsätze und fragmentarische Nichtsätze. Während die ersten beiden Klassen in jeweils zwei Subklassen unterteilt wurden (elementbezogene und globale externe Prädikationen bzw. Gegenstands- und Sachverhalts­ existenzialnichtsätze), wurde bei den eher skalar bzw. prototypisch organisierten fragmentarischen Nichtsätzen auf Subklassen verzichtet.

3.5 Lexifizierte Nichtsatz-Formate

volle ­Lexifizierung

Der Begriff der lexifizierten Formate wurde in Anlehnung an Wolfgang Fleischers Überlegungen zu „Phraseoschablonen“ und Helmuth Feilkes Konzept der „syntaktischen Ausdrucksmodelle“ im Kap. II/2.8 eingeführt und auf Satz-Formate angewandt. Es handelt sich dabei um idiomatische Strukturen, die sich im Rahmen der Funktion-Argument-Wert-Formel nicht interpretieren, d.  h. weder valenzstatisch noch valenzdynamisch begreifen lassen.38 Unterschieden wurde zwischen vollen und partiellen Lexifizierungen. Volle Lexifizierungen stellen Ausdrucksformate dar, die im Gegensatz zu partiellen Lexifizierungen keine internen (kategorialen) Slots enthalten. Der folgende Beleg stellt ein Beispiel für ein voll lexifiziertes Nichtsatz-Format dar:

‚Sprechen beim gemeinsamen Fernsehen‘ (Baldauf 2002 etc.), die man weder als sympraktisch noch als symphysisch einordnen kann. Es gibt einen sich selbst bewegenden Fokus der geteilten Aufmerksamkeit, in welchem allfällige Redebeiträge von den Teilnehmern verankert werden.“ (Knobloch 2013: 36, Fn. 15). Auch weitere Unterteilungen wären möglich, etwa die Subklassifikation der Nichtsätze im sympraktischen Umfeld, d.  h. der „empraktischen Ellipse“, nach der IDS-Grammatik (1997/1: 419  ff.). 38 In der Gesprochene-Sprache-Forschung werden manche dieser Formate unter dem Namen dichte Konstruktionen (Günthner 2006) behandelt.

Nichtsätze 

(21)

 187

Immer mit der Ruhe. (Hennig von Lange Relax: 92)

Das eigentliche theoretische Problem waren jedoch schon bei den Satz-Formaten nicht die vollen, sondern die partiellen Lexifizierungen. Dies gilt auch für die Nichtsatz-Formate. Partielle Nichtsatz-Formate stellen z.  B. die folgenden zwei Typen von Phraseoschablonen dar (Fleischer 1982: 137  f.): 1) das Konzessivität ausdrückende Modell „Substantiv + hin, gleiches Substantiv + her“ (z.  B. Mörder hin, Mörder her oder Bruder hin, Bruder her) und 2) das „erstaunte(n) Zweifel“ ausdrückende Modell „Personal-/Demonstrativpronomen + und + Substantiv mit unbestimmtem Artikel“ (z.  B. Du und ein Schwimmer?! oder Der und ein Leiter?!), das hier in Anlehnung an Jörg Bücker (2012) nichtfinite Prädikationskonstruktion genannt werden soll.39

partielle ­Lexifizierung

Bei partiell lexifizierten Nichtsatz-Formaten, die per definitionem kein Prä­di­kat(s­ for­mat) enthalten, entfällt logischerweise die bei partiell lexifizierten Satz-Formaten eingeführte begriffliche Unterscheidung zwischen (prädikatsinternem) ‚Slot‘ und (prädikatsexterner) ‚Leerstelle‘ (für Komplemente). Hier gibt es kein ‚Innen‘ und kein ‚Außen‘, weshalb für partiell lexifizierte Nichtsatz-Formate der Terminus ‚Slotstelle‘ verwendet werden soll. Eine Slotstelle ist z.  B. die X-Stelle des obigen Modells ‚X hin, X her‘ oder die X-Stelle des Modells ‚du mit dein- X!‘:

Slotstelle

(22)

Du mit deinen Göttern! (Frisch Homo: 175)

Slotstellen lassen sich analog zu Supplementen, Komplementen oder rein formal, d.  h. unabhängig von grammatischen Werten, interpretieren. Beispielsweise dürfte sich die X-Stelle des Modells ‚X hin, X her‘ nicht als subjektanalog, sondern eher nur rein formal, als eine (noch genauer zu spezifizierende) Substantivgruppe, bestimmen lassen. Dagegen lässt sich die Präpositionalgruppe mit deinen Göttern des obigen Max Frisch-Belegs analog zum Komitativadverbial (Kap. III/1.6), also zu einem Supplement, interpretieren: (23)

Ging nach der Arbeit (Komitativ- allein mit dem Hunde Waldweg spazieren. (Mann Tagebücher: 179)

adverbial)

den umgekehrten

39 Dass ich Bückers Terminus übernehme, hat mit seiner scharfsinnigen Analyse und weniger mit dem (sehr weiten) Terminus selbst zu tun. Andere Termini wie z.  B. Mad Magazine sentence oder Incredulty Response Construction sind allerdings auch nicht besser. Zur terminologischen Vielfalt s. Bücker 2012: 7  ff.

SlotstellenFormate Form-Format

SupplementFormat

188 

KomplementFormat nichtfinite Prädikationskonstruktion

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

Andere Slotstellen haben Komplement-Formate, was an zwei partiell lexifizierten Nichtsatz-Formaten, den nichtfiniten Prädikationskonstruktionen und den verblosen Direktiva, gezeigt werden soll. Nichtfinite Prädikationskonstruktionen stellen ein sehr häufig untersuchtes Nichtsatz-Format dar.40 Ihre grammatische Struktur lässt sich im Kontext gut nachvollziehen, hier Variationen über einen Wolf Haas-Beleg:41 (24) «[…] War (Sub- das jekt) auch ein Sozialarbeiter?» «(nichtfinite Der und ein Sozialarbeiter! Prädikationskonstruktion)» hat der Sandler gelacht. «Der hätte sich aber lange verstellt. […]» (Haas Silentium: 161) (24’) War (Sub- er jekt) großzügig? Der und großzügig?! Prädikationskonstruktion) Da muss ich lachen. (nichtfinite (24’’) Wollte (Sub- er jekt) studieren? Er und studieren wollen?! Prädikationskonstruktion) Da muss ich lachen. (nichtfinite (24’’’) Hat (Sub- er jekt) (Dativ- dir objekt) (Akkusativ- Geld objekt) geliehen? Er und mir Geld geliehen?! Prädikationskonstruktion) Da muss ich lachen. (nichtfinite

Interaktion

nichtfinite Streckung

Interaktiv lassen sich nichtfinite Prädikationskonstruktionen als Sequenzierungspraktiken mit einer retraktiven und einer projektiven Komponente auffassen (Bücker 2012: 124  f.): „retraktiv (verstanden als auf einen im sequenziellen Verlauf zurückliegenden Bezugspunkt verweisend und diesen weiterführend) als gesprächsdeiktisch verankerte Themensetzung und projektiv (verstanden als den nachfolgenden sequenziellen Verlauf rahmend und vorstrukturierend) als Reparaturinitiierung“. Diese interaktive Funktion wird durch die Struktur der nichtfiniten Prädikationskonstruktionen diagrammatisch ikonisch abgebildet: Der Bezugssatz wird nichtfinit gestreckt, wobei das Subjekt in unveränderter oder leicht veränderter Form für die Themensetzung und der nichtfinit gemachte Restsatz für die Reparaturinitiierung verantwortlich wird.42 Entsprechend werden die Komplemente des Bezugssatzes auf das Nichtsatz-Format verteilt: Subjekt-Format als Themensetzung, alle anderen Komplemente als Teile der Reparaturinitiierung. Da die Bezugsätze auch Supplemente enthalten können, werden auch diese ‚mitgestreckt‘, z.  B.

40 Zum Forschungsstand s. Bücker 2012: 7  ff., zu einer knappen Analyse Feilke 2007: 72  f. Nach Feilkes Systematik der syntaktischen Ausdrucksmodelle stellen nichtfinite Prädikationskonstruktionen „Topik-Muster“, eine Subklasse der syntaktischen Ausdrucksmodelle „mit primär pragmatischer Prägung“ (Feilke 1996: 242), dar. 41 Bereits Fleischer (1982: 138) verzeichnet Varianten des Modells mit Adjektiv (Mein Bruder und großzügig?!) und mit Infinitiv (Du und studieren?!). Das Ausmaß der Variationsmöglichkeiten ist allerdings um Größenordnungen höher, s. Bücker 2012: 101  ff. 42 Nichtfinitheit umfasst Infinitheit und Afinitheit, Kap. II/2.5.

Nichtsätze 

 189

(24’’’’) Will (Sub- er jekt) (Lokal- zu Hause adverbial) schlafen? Der und zu Hause schlafen?! Prädikationskonstruktion) Da muss ich lachen. (nichtfinite Auch verblose Direktiva stellen ein häufig untersuchtes Nichtsatz-Format dar.43 Bereits Lucien Tesnière (1976: 188  ff.) registriert „la phrase adverbiale“, den deutschen Adverbialsatz, der in seiner verbzentrierten strukturalen Syntax merkwürdigerweise gar kein verbales Regens braucht und sich verselbständigen kann: „Aber auch das Adverb, wenn es von keinem anderen Element regiert wird, kann allein einen Satz bilden: den Adverbialsatz.“ (Tesnière 1980: 145) Zusätzlich könne es aber auch ein Supplement („circonstant“) mit der Präposition mit zu sich nehmen:44 (25) (26) (27) (28) (29) (30)

Fort! Direktivum) Herein! Direktivum) (verbloses Hinaus! Direktivum) (verbloses Weiter! Direktivum) (verbloses Heraus damit! Direktivum) (verbloses Hinaus mit ihm! Direktivum) (verbloses (alle Beispiele n. Tesnière 1976: 190) (verbloses

Wenn das Adverb oder ein entsprechendes Direktivum (wie z.  B. in den Müll, zur Hölle (Jacobs 2008: 15)) durch eine Präpositionalgruppemit+Dat erweitert wird, entsteht ein partiell lexifiziertes Nichtsatz-Format wie ‚heraus mit + X‘ oder ‚in den Müll mit + X‘. Jacobs (2008: 15) nennt die „zu bewegende Entität“ allerdings das „Thema-Argument“ und weist somit der Präpositionalgruppemit+Dat Komplementstatus zu. Dies gilt auch für andere Varianten, z.  B. für das Modell ‚auf zu + X‘:45 (31)

verblose Direktiva

Mit 70 auf zu neuen „Panik-Abenteuern“ Direktivum): Rockstar Udo Lindenberg (69) will es zu seinem runden Geburtstag richtig krachenlassen. (Die Welt, 11. 09. 2015)

(verbloses

43 Wie erwähnt, stellen sie bei Behr/Quintin (1996: 66) als „Prozessuale VLS“ eine Unterklasse der Fragmentarischen VLS dar. Bei Albrecht Plewnia (2003: 65  ff.) werden sie als „dynamischen Rhemasätze“ behandelt. Präzise Konstruktionsbeschreibungen diverser Varianten bietet Joachim Jacobs (2008: 15  ff.). Clemens Knobloch (2009: 556  ff.) kontextualisiert die Struktur verbloser Direktiva im Rahmen von „partikelbildenden adverbialen Relatoren“. 44 „En allemand, le rôle de proposition principale est tenu par une de ces particules séparables qui sont au fond des adverbes de mouvement“ (Tesnière 1976: 190, Hervorhebung im Original). Außer der Präposition mit könne das Adverb sogar auch einen dritten Aktanten haben: wohl dem, der seiner Väter gern gedenkt (Tesnière 1976: 190). 45 Das Direktivum wird auch in der vorliegenden Arbeit nicht als Supplement (,Richtungsadverbial‘), sondern als zentrales Komplement aufgefasst (Kap. III/3.1.4).

vom Adverb zum Modell SupplementFormat?

190 

KomplementFormat und Valenz­ dynamik

Quasi-Autokodierung

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

Die Komplementanalogie der Slotstellen lässt sich zum Teil im Zusammenhang mit der konstruktionellen Valenzdynamik sehen: (32) (a) Hanna heiratete. (b) Hanna arbeitete als deutsche Sprecherin bei BBC. […] Herr Piper verdankt ihr sein Leben, scheint mir; Hanna heiratete ihn aus einem Lager heraus […]. (Frisch Homo: 176) (c) Heraus aus dem Lager! Direktivum) (verbloses (33) (a) Er schob das Fahrrad. (b) […] und [er] schob das Fahrrad schräg den wulstigen Deich hinauf. (Lenz Deutschstunde: 10) (c) Hinauf den wulstigen Deich! Direktivum) (verbloses Bei beiden Belegen, deren valenzdynamische Interpretation (= (b)-Sätze) (mit den zugrunde liegenden valenzstatischen (a)-Sätzen) aus Kap. I/3.5 übernommen wird, besteht die Möglichkeit, die jeweilige Konstruktion zu selbstständigen, partiell lexifizierten Nichtsatz-Formaten ((c)-Beispiele), die verblose Direktiva darstellen, in Beziehung zu setzen. Hier geht es übrigens nicht nur um Direktivumanalogie (aus dem Lager), sondern auch um Akkusativobjektanalogie (den wulstigen Deich). Die Prädikatsaffinität, die Clemens Knobloch (2009: 559) den verblosen Direktiva generell attestiert, gilt ganz besonders für diese Fälle von verblosen Direktiva mit direktem Bezug zu dynamischen Sätzen.46 Prädikatsaffinität bedeutet, dass verblose Direktiva quasi-autokodierend sind, d.  h., eine ausgeprägte Nähe zu Sätzen haben.47 Lexifizierte Formate gibt es nicht nur bei den Sätzen, sondern auch bei den Nichtsätzen. Und auch hier können voll lexifizierte Nichtsatz-Formate (wie z.  B. Immer mit der Ruhe) und partiell lexifizierte Nichtsatz-Formate (wie z.  B. ‚X und NICHTFINIT (Du/Peter/Dein Chef und ein Schwimmer/großzügig/ins Ausland fahren?!) unterschieden werden. Letztere verfügen über eine Slotstelle, die sich rein formal, supplementanalog oder komplementanalog besetzen lässt. Kurz analysiert wurden zwei prominente partiell lexifizierte Nichtsatz-Formate: nichtfinite Prädikationskonstruktionen und verblose Direktiva.

46 Klaus Welke (2009a: 519) erklärt die Entstehung der Modelle auch durch verbale Bezüge, nämlich durch die Integration „geeigneter Konstruktionen als Argumente des ursprünglichen Situationsprädikats […]. Die Argumente wurden über Analogien zu Konstruktionsmustern aus dem verbalen Bereich genommen […].“ 47 Mathilde Hennig (2011: 254  ff.) rechnet sie zu den Strukturellipsen, da sie sich „weder durch Kontext- noch durch Situationsbezug erklären lassen“ (Hennig 2015: 287).

Nichtsätze 

 191

Lexifizierte Formate gibt es nicht nur bei den Sätzen, sondern auch bei den Nichtsätzen. Und auch hier können voll lexifizierte Nichtsatz-Formate (wie z.  B. Immer mit der Ruhe) und partiell lexifizierte Nichtsatz-Formate (wie z.  B. ‚X und NICHTFINIT (Du/Peter/Dein Chef und ein Schwimmer/großzügig/ ins Ausland fahren?!) unterschieden werden. Letztere verfügen über eine Slotstelle, die sich rein formal, supplementanalog oder komplementanalog besetzen lässt. Kurz analysiert wurden zwei prominente partiell lexifizierte Nichtsatz-Formate: nichtfinite Prädikationskonstruktionen und verblose Direktiva.

4 Kohäsionsglieder 4.1 Textanalyse 4.2 Der Kohäsionsgliedbegriff 4.3 Begriffspräzisierung Kohäsionsgliedklassen: Junktoren und Konnektoren 4.4 exifizierte Kohäsionsglieder 4.5

4.1 Textanalyse Legende: Makroglieder: Punkt-Strich-Unterstrich: Nichtsatz; Unterstrichen: Kohäsionsglied; Schwarz: Satz1 : Kohäsionsgliedklassen (tiefgestellte Klammern) Mesoglieder: fett: Prädikat

[1]

JOCHEN JUNG

[2] [3]

Siegfried Lenz Total entspannt

[4]

Mit seiner grundsympathischen Novelle »Landesbühne« hat sich Siegfried Lenz einen Spaß erlaubt.

[5] Hannes sagt: »Bald wird etwas geschehen.« [6] (Para- Und junktor) in der Tat junktor): (Para Seltsames geschieht, ja geradezu Unerhörtes. [7] Schauplatz ist das Gefängnis Isenbüttel, dessen Insassen zumeist Kleinkriminelle sind, die hier ihre paar Jahre absitzen. [8] Hannes (Nacherst- zum Beispiel Adverbjunktor) hatte sich eine Polizeikelle besorgt und Konjunktor) (nichtintegrierbarer [Hannes hatte] damit Schnellfahrer angehalten und Konjunktor) (nichtintegrierbarer [Hannes hatte] den Verschreckten ein Bußgeld abgeknöpft. [9] (Fokus- Erst partikel) als er eine Zivilstreife gestoppt hatte, war der Spaß zu Ende. [10] Hannes, im Übrigen nicht besonders redselig, teilt die Zelle mit dem Erzähler dieser Geschichte, aus dessen Leben Hannes erstaunlich viel mitzuteilen weiß und den er »Professor« nennt.

1 rekonstruierte Glieder in eckigen Klammern DOI 10.1515/9783110409796-005

Kohäsionsglieder 

 193

Das war er (Fokus- auch partikel), für Literatur (Fokus- sogar partikel), Spezialgebiet Sturm und Drang, bis aufflog, dass er sich selbst zu oft als Stürmer und Bedränger gefallen und die hübschesten und schlechtesten Studentinnen mit Höchstlob durchs Examen geschleust hatte. [12] Vier Jahre Isenbüttel hat das dem Professor eingebracht, und Konjunktor) (nichtintegrierbarer zwei [Jahre] davon sind (Fokus- erst partikel) rum. [13] Jetzt (integrierbarer aber Konjunktor) öffnet sich das Tor zum Gefängnishof, und Konjunktor) (nichtintegrierbarer ein Bus rollt ein, an dessen Seite groß das Wort »Landesbühne« aufgemalt ist. [14] Ein Stück soll aufgeführt werden, im Speisesaal. [15] Es heißt Das Labyrinth und Konjunktor) (nichtintegrierbarer [es] handelt von zwei älteren Damen, die in einem Hamburger Vorgarten ein echtes Labyrinth haben, in dem man zur Verbesserung der Welt tatsächlich Leute, die es nicht anders verdient haben, zum Verschwinden bringen kann. [16] Die beiden heißen Trudi und Elfi und Konjunktor) (nichtintegrierbarer [die beiden] sind weitläufig verwandt mit den Brewster-Tanten aus Arsen und Spitzenhäubchen. [17] Wie das Stück ausgeht, erfährt man (Nacherst- allerdings Adverbjunktor) nicht. [18] Nachdem es schon die längste Zeit versteckte Zeichen und Verabredungen gegeben hat, nimmt Hannes seinen Professor und Konjunktor) (nichtintegrierbarer [Hannes] führt ihn zum Landesbühnen-Bus, in dem es sich bereits ein gutes Dutzend der sogenannten Insassen halbwegs bequem gemacht hat. [19] Kurz darauf öffnet ein ahnungsloser Torhüter die Pforte, und Konjunktor) (nichtintegrierbarer draußen sind sie. [20] Weit kommen sie nicht. [21] Das [= Sie kommen nicht weit], (integrierbarer aber Konjunktor) (Fokus- nur partikel) deswegen, weil sie schon bald ein Transparent über der Chaussee entdecken: »Grünau heißt euch willkommen zum Nelkenfest«, und Konjunktor) (nichtintegrierbarer diese schöne Einladung können sie (Abtönungs- einfach partikel) nicht ausschlagen. [22] Grünau scheint eine fröhliche und erstaunlich kulturversessene Gemeinde, wie es auch in Schleswig-Holstein nicht so viele gibt. [23] Als die Grünauer sehen, dass die Landesbühne sie zu ihrem Fest beehrt, sind sie begeistert. [24] Die Insassen sind (Nacherst- immerhin Adverbjunktor) so geistesgegenwärtig, das Schauspielen erst mal auf die lange Bank zu schieben, und Konjunktor) (nichtintegrierbarer [11]

194 

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

[die Insassen] empfehlen sich mit ihren Sangeskünsten, die sie als braver Gefangenenchor in Isenbüttel trainiert haben. [25] (Para- und junktor) was singen sie? [26] [Sie singen] »Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt.« [27] (Nähe- Na denn zeichen). [28] Das Fest geht weiter, es gibt Kartoffelsalat und Würstchen, und Konjunktor) (nichtintegrierbarer die Truppe wird von der Grünauer Bevölkerung (Nichtnacherst- sozusagen Adverbjunktor) zunehmend angenommen, ja Konjunktor) (nichtintegrierbarer sogar zarte Bande werden geknüpft, die immerhin Anlass zu einem (Fokuspartikel) Satz wie diesem geben: »So ist es, manchmal geschieht etwas im Leben, mit dem man sich abfinden muss.« [29] (Fokus- Genau partikel) das tun die Männer (Nacherst- nun Adverbjunktor) (integrierbarer aber Konjunktor) gar nicht, sie finden sich überhaupt nicht ab, im Gegenteil junktor), (Paragerade partikel) Hannes arbeitet kräftig an ihrer Grünauer Eingemeindung, (Fokusunterstützt vor allem vom kunstsinnigen Bürgermeister, und Konjunktor) (nichtintegrierbarer da wir hier ja nicht die ganze Geschichte nacherzählen sollten, raffen wir (Abtömal partikel) etwas zusammen nungsund Konjunktor) (nichtintegrierbarer teilen [wir] (Fokus- nur partikel) so viel mit, dass der Professor Volkshochschulvorträge hält – natürlich zum Thema Sturm und Drang – und Hannes in kürzester Zeit ein vollständiges Heimatmuseum einrichtet und auch eröffnet. [30] Ein Fußballspiel gibt es (Fokus- ebenfalls partikel), eine Mädchengarde und eine Feuer­wehrkapelle, Gäste kommen aus nah und fern – Husum etwa und Eckernförde –, aber Konjunktor) (integrierbarer ehe die Sache dann doch etwas matt wird, kommt es (Fokus- noch partikel) zu einer Art Ordensverleihung, bei der es die Nelke in Bronze, Silber und Gold gibt und die das ganze Geschehen noch einmal dekorativ und dekorierend zusammenfasst und hochzieht, Beifall rauscht auf, und Konjunktor) (nichtintegrierbarer »fast begann abgestandenes Bier in den Gläsern zu schäumen«. [31] Dann (integrierbarer aber Konjunktor) wie gewonnen, so zerronnen:

Kohäsionsglieder 

 195

Polizisten waren (Nichtnacherst- sowieso Adverbjunktor) (Fokus- schon partikel) da und dort aufgetaucht und Konjunktor) (nichtintegrierbarer [Polizisten] schnupperten herum, selbst partikel) der Gefängnisdirektor saß auf einmal da, (Fokus Zwischenfälle hat es gegeben – leider in der Gegend von Eckernförde –, und Konjunktor) (nichtintegrierbarer schnapp! zeichen) (Nähe sitzen sie wieder im Bus und Konjunktor) (nichtintegrierbarer bald darauf [sitzen sie] in ihrem Pisspott namens Isenbüttel. [32] (Nähe- Oje zeichen). [33] Hannes scheint zu resignieren, der Professor schreibt Tagebuch, der Zellennachbar hängt sich auf, und Konjunktor) (nichtintegrierbarer dann kommt (Fokus- auch partikel) (Fokus- noch partikel) ein weiteres Mal – die Landesbühne. [34] (Para- und junktor) was spielen sie? [35] [Sie spielen] Warten auf Godot. [36] Das gibt natürlich wieder Anlass zu ein paar schwersinnigen Sätzen, aber Konjunktor) (integrierbarer am Ende [gibt das Anlass] (Fokus- auch partikel) dazu, dass ein Gefängnisdirektor seine Memoiren schreibt, um sie dann im Verlag Hoffman und Breitner zu veröffentlichen. [37] (Para- und junktor), was das Schönste ist glied): (Intro Zwei Zellengenossen sind Freunde geworden. [38] Ist das (Nacherst- nun Adverbjunktor) alles glaubwürdig? [39] Dumme Frage. [40] Wir sind hier nicht beim Amtsgericht. [41] Zu dem Theaterstück Das Labyrinth wird einmal gesagt, es sei »eine Geschichte, in der das Fantastische im Wirklichen aufging«. [42] (Para- Nun junktor), hier ist es wohl eher umgekehrt. [43] (Para- Aber junktor) wie auch immer glied): (Intro Die Freiheiten, die sich aus solchem Erzählen ergeben, hat Siegfried Lenz weidlich und mit offenkundigem Vergnügen genutzt. [44] (Para- Und junktor)

196 



 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

ehe jetzt jemand etwas von Abgeklärtheit und womöglich gar Altersweisheit erzählt, darf gesagt werden, dass sich der Autor hier in erster Linie einen ordentlichen Spaß erlaubt hat – neugierig darauf, wie weit man mit realistischen Mitteln dem Unerhörten auf der Spur bleiben kann. [45] Wann spielt das alles? [46] Irgendwie [spielt das alles] wohl (Abtönungs- doch partikel) in ferneren Zeiten. [47] (nichtintegrierbarer Oder Konjunktor) hat der Professor die ganze Geschichte (Fokus- nur partikel) nach einer langen Nacht mit einer seiner bedürftigen Studentinnen geträumt? [48] (Nähe- Ach was zeichen). [49] Es gilt das geschriebene Wort, und Konjunktor) (nichtintegrierbarer erzählt ist erzählt. [50] (nichtintegrierbarer Und Konjunktor) wenn Siegfried Lenz erzählt, hat das Erzählte immer und in jedem Fall etwas Herzliches, das, was man gemeinhin grundsympathisch nennt. Wobei man zu bedenken geben muss, dass, wenn man so grundsympathisch [51] von einer Welt erzählt, die ja eher nicht so herzlich und grundsympathisch ist, das Herzliche gelegentlich auch ein wenig ins Nette rutschen kann, was dann der Schärfe unserer Tage nicht so voll und ganz entspricht. [52] (integrierbarer Aber Konjunktor) weil Siegfried Lenz vor allem auch ein erfahrener Autor ist, hat er die Sache deswegen gleich etwas ins Zeitferne gerückt. [53] (nichtintegrierbarer Und Konjunktor) [er] trifft sich damit auf überraschende Weise mit dem Autor der Leute von Seldwyla, an die man beim Lesen dieser Novelle sowieso schon zurückgedacht hat. [54] (Fokus- Auch partikel) Gottfried Keller kennt (Abtönungs- ja partikel) das Wunderliche, den schrägen Blick auf die Gesellschaft und auch das Herzliche (das Nette [kennt Gottfried Keller] (Nacherst- allerdings Adverbjunktor) ganz und gar nicht), und Konjunktor) (nichtintegrierbarer auch er wusste, dass das mit der Gegenwart nicht immer so gut (Fokuspartikel) zusammenging. [55] (Nichtnacherst- So Adverbjunktor) schrieb er (Mittelfeld- denn Partikeljunktor) in seiner Vorrede zum zweiten Band seiner Novellensammlung, seine Seldwyler sähen »schon aus wie andere Leute; es ereignet sich nichts mehr unter ihnen, was der beschau­ lichen Aufzeichnung würdig wäre, und es ist daher an der Zeit, in ihrer Vergangenheit und den guten lustigen Tagen der Stadt noch eine kleine Nachernte zu halten«. [56] So eine Nachernte ist es (Mittelfeld- denn Partikeljunktor) wohl (Fokus- auch Partikel), was wir mit dieser ganz und gar entspannten Geschichte in den Händen halten.

Kohäsionsglieder 

 197

4.2 Der Kohäsionsgliedbegriff So wie der Satz- und der Nichtsatzbegriff wurde und wird auch der Kohäsionsgliedbegriff der Grammatischen Textanalyse sukzessive entwickelt. Bevor er im nachfolgenden Kapitel präzisiert wird, soll der Stand rekapituliert werden: (1) Sätze und Nichtsätze sind Textglieder, die sich auf Gegenstände und Sachverhalte beziehen. Diese Bausteine der darstellungsfunktionalen Kommunikation brauchen mitunter Mörtel, der sie miteinander verbindet. Dieses Mörtel-Textglied ist das Kohäsionsglied (Kap. I/2.2). (2) Im Sinne der Funktion-Argument-Wert-Formel wurde die grammatische Funktion von Kohäsionsgliedern ‚Textkohäsiv‘ genannt (Kap. I/2.4.3):

der Kohäsionsgliedbegriff der Grammatischen Textanalyse das MörtelTextglied

Textkohäsiv (Formen von Kohäsionsgliedern) = Kohäsionsglied (3) Kohäsionsglieder können in die topologische Struktur des jeweiligen Satzes integriert sein, oder sie können, als Konjunktoren oder als Parajunktoren, in der Zwischenstelle zwischen Sätzen und/oder Nichtsätzen stehen. Dadurch entstehen Satzverbindungen (Konjunktor zwischen Sätzen), Nichtsatzverbindungen (Konjunktor zwischen Nichtsätzen) oder Textverkettungen (Parajunktor zwischen Textsequenzen) (Kap. II/1.4). (4) Auch am linken Satzrand lassen sich (idiomatische) Kohäsionsglieder identifizieren, die Introglieder genannt wurden. Introglieder schließen sich unmittelbar an die Zwischenstelle an und stehen am linken Satzrand sowohl vor Satzrandgliedern als auch vor aggregativen Satzgliedern (Kap. II/1.5). (5) Kohäsionsglieder in der mündlichen Interaktion (wie z.  B. Vokative, Interjektionen, Responsive oder Kontaktsignale) sind sog. Nähezeichen (Kap. II/1.5). (6) Die Antwortpartikeln ja, nein und doch stellen keine Satzäquivalente, sondern responsive Kohäsionsglieder (also Nähezeichen) dar. Analog den Kon- und Parajunktoren stehen sie in der Zwischenstelle zwischen Frage- und Antwortsequenz (Kap. II/2.4). (7) Subjunktoren (wie z.  B. dass, wenn, obwohl) stellen keine Kohäsionsglieder dar. Sie leiten Nebensätze ein und sind somit Bestandteile von komplexen Sätzen (Kap. II/2.3). Im nachfolgenden Kapitel soll der Kohäsionsgliedbegriff weiter präzisiert werden. Dabei stehen folgende Fragen im Fokus: 1) Welche Teilmenge der Kohäsionsmittel stellen die Kohäsionsglieder dar? 2) Wie lassen sie sich theoretisch und methodisch abgrenzen? 3) Wie lassen sie sich klassifizieren? Im Zusammenhang mit diesen Fragen wird eine Reihe weiterer Probleme behandelt: –– das Verhältnis von Deixis/Phorik und Kohäsion, –– satzsemantische Relationen,

Präzisierung des Kohäsions­ gliedbegriffs

198 

–– –– –– ––

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

Satzverbindung (Junktion) vs. Text- und Gesprächsorganisation (Konnexion), Kohäsionsglied und Satzglied (Verhältnisadverbial), Fokus- und Abtönungspartikeln als Kohäsionsglieder, Präpositionaladverbien (Pronominaladverbien) – Wörter ohne Wortart.

Anschließend wird eine (kommentierte) Übersicht über die Klassen und Subklassen gegeben (Kap. II/4.4) und auf lexifizierte Kohäsionsglieder, darunter auch auf Introglieder, eingegangen (Kap. II/4.5). Kohäsionsglieder stellen grammatische Formen dar, die aus Sätzen, Nichtsätzen oder Textsequenzen Satz- und Nichtsatzverbindungen bzw. Textverkettungen machen. Sie können in die topologische Struktur des jeweiligen Satzes integriert sein, oder sie können in der Zwischenstelle zwischen Sätzen und/oder Nichtsätzen stehen.

4.3 Begriffspräzisierung ­Notwendigkeit der ­Präzisierung

,Kohäsionsglied‘ ist kein etablierter grammatischer Begriff. Deshalb ist es notwendig, die Präzisierung dieses Begriffs sowohl theoretisch als auch methodisch vorzunehmen. Dabei ist, wie wir sehen werden, kein einfaches lineares Vorgehen möglich. Notwendig ist ein dreistufiges Verfahren: –– Wir fangen mit der theoretischen Präzisierung an, indem wir uns die Frage stellen, welche von den etablierten Kohäsionsmitteln als Kohäsionsglieder gelten können. –– Anschließend wird dieses Inventar methodisch, durch die Anwendung grammatischer Kriterien, abgesichert und verfeinert. –– Schließlich erfolgt eine weitere theoretische Präzisierung im Hinblick auf die Klassifikation der Kohäsionsglieder.

Sprach­ zeichen

Theoretisch geht es darum, in der großen Menge der Kohäsionsmittel die Teilmenge der ‚Glieder‘ zu identifizieren. Glieder – Text-, Satz- und Wortgruppenglieder – stellen ja nach dem Konzept der Grammatischen Textanalyse grammatische Werte dar, deren Argumente (im Sinne der Funktion-Argument-Wert-Formel) grammatische Formen sind. Grammatischen Formen ist gemeinsam, dass sie Sprachzeichen (mit einer Formund einer Inhaltsseite im Saussure’schen Sinne) sind.2 Zu erwarten ist dabei, dass sich Kohäsionsglieder hinsichtlich möglicher Komplexität in der Regel nicht mit den

2 Sprachzeichen können unterschiedlich ‚lang‘ und komplex sein: Texte, Textsequenzen, Formen von Sätzen und Nichtsätzen, Wortgruppen, Ausdrücke, Wörter und „Moneme“ (Martinet 1963: 23). Letztere sind die kleinsten Zeichen, die, etwas irreführend, auch Morpheme genannt werden.

Kohäsionsglieder 

 199

anderen Makrogliedern (Sätzen und Nichtsätzen) messen können, dass also ihre grammatischen Formen tendenziell Wörter und Ausdrücke darstellen.3 Nach Thomas A. Fritz (Duden 2005: 1072) liegt Kohäsion vor, „wenn grammatisches Wissen verwendet wird, um einen Zusammenhang herzustellen.“ Dabei „(entfalten) Kohäsionszeichen ihre eigentliche Funktion aber oft erst auf der Ebene des Textes […]. Dann liegt nicht nur Satzkohäsion, sondern auch Textkohäsion vor.“ (ebd.)4 Textkohäsion lasse sich durch (1) Interpunktionszeichen, (2) Konnektoren, (3) Ar­tikelwörter und Pronomen und (4) Tempus, Verbmodus und Diathese herstellen (Duden 2005: 1072  ff.). Es stellt sich nun die Frage, welche dieser Textkohäsionsmittel sich als Kohä­ sions­glieder bestimmen lassen. Interpunktionszeichen sind selbst keine Sprachzeichen, vielmehr sind sie, metaphorisch gesprochen, die Verkehrsposten des geschriebenen Textes, die den Zeichenstrom bremsen, beschleunigen oder umlenken.5 Marker für grammatische Kategorisierungen wie Tempus, Verbmodus und Diathese stellen zwar Sprachzeichen dar, sind jedoch keine potenziellen Argumente der Funktion-Argument-Wert-Formel: (a) Tempora und Modi gehören zur kategorialen Bestimmung von Flexions- bzw. Wortformen in statischen Sätzen. Alleine, d.  h. ohne die Wörter, deren Formen sie sind, bilden sie jedoch keine grammatischen Formen.6 (b) Was Diathese anbelangt, gilt für das Aktiv dasselbe wie für die Tempora und die Modi. Die Passivkategorien wurden und werden dagegen als Funktionen der Funktion-Argument-Wert-Formel interpretiert. Passivierungen führen also zu (kategorial) dynamischen Sätzen.7 Entscheidend ist auch das Argument, dass Tempus-, Modus- und Diathesenmarkierungen notwendigerweise zum Prädikat gehören, also konstitutiv bereits für die Satz­

3 Ausgenommen sind lexifizierte Kohäsionsglieder (wie z.  B. Introglieder), die allerdings keine genuinen Kohäsionsglied-Formate haben (Kap. II/4.5). Zum Ausdrucksbegriff Kap. I/2.4.5. 4 S. auch Eroms 2000: 479  ff. 5 „Kommunikative Zeichen“ (Bredel 2011: 49  ff.), d.  h. Frage- und Ausrufezeichen, Anführungszeichen und Klammern, „regulieren […] die Rollenkonstellation der schriftlichen Kommunikation“ (Bredel 2011: 65). „Syntaktische Zeichen“ (Bredel 2011: 66  ff.), d.  h. Punkt, Komma, Semikolon und Doppelpunkt, regulieren die syntaktische Strukturbildung. 6 Oliver Teuber (2005: 40) unterscheidet zwischen einem Flexionsparadigma, das nur die einfachen (= synthetischen) Formen eines Wortes, und einem Wortparadigma, das auch die komplexen (= analytischen) Formen enthält: „Eine analytische Form ist eine syntaktisch komplexe Einheit, die als Ganzes Form eines Wortes ist. Wir können dann sagen, hat gebaut ist eine Form von bauen, ähnlich wie baute eine ist.“ 7 Kap. I/3.5 und Kap. III/1.3.3, s. auch Ágel 2015b.

Textkohäsion

Interpunktionszeichen grammatische Kategori­ sierungen

200 

Artikelwörter und ­Pronomen

Deixis

Phorik

unechte Alternativen

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

ebene sind. Insofern lasse es sich darüber streiten, ob sie überhaupt zu den Kohä­ sions­mitteln zu rechnen sind (Averintseva-Klisch 2013: 9). Somit scheiden von den Textkohäsionsmitteln der Duden-Grammatik Nr. (1) (Interpunktionszeichen) und Nr. (4) (Tempus, Verbmodus und Diathese) als mögliche Kohäsionsglieder auf jeden Fall aus. Textkohäsion durch Artikelwörter und Pronomen lässt sich gut an folgender Leittext-Stelle demonstrieren: [10]

Hannes, im Übrigen nicht besonders redselig, teilt die Zelle mit dem Erzähler  dieser Geschichte, aus dessen Leben Hannes erstaunlich viel mitzuteilen weiß und den ⇐ er »Professor« nennt.

Der Demonstrativartikel dieser verweist auf die Novelle „Landesbühne“ von Siegfried Lenz. Hier geht es um Zeigen (= ) in einem textuellen Verweisraum (= Textraum), den der Autor des Leittextes aufgebaut hat, um den Leser auf ein Verweisobjekt (= die Novelle „Landesbühne“ von Siegfried Lenz) hin zu orientieren. Qua Demonstrativ­ artikel wird ein deiktischer Verweis, ein metaphorisches Zeigen im Text bzw. aus dem Text heraus, realisiert. Ganz anders das (drittpersonige) Personalpronomen er. Es bezieht sich auf die Substantivgruppe Hannes. Hier geht es um „ein Kontinuitätssignal, das der Sprecher dem Hörer gibt. Dadurch entlastet er den Hörer davon, jeweils neue Orientierungsleistungen zu erbringen, und ermöglicht eine Kontinuität des sprachlichen Handelns.“ (Ehlich 1978/2007: 23) Qua drittpersonigem Personalpronomen wird ein phorischer Bezug, der die Kontinuität grammatisch absichert, hergestellt.8 Es ist eine hinsichtlich der Kohäsion wichtige Frage, ob Deixis und Phorik mitunter alternative Realisierungen darstellen, und wenn ja (oder nein), was das für grammatische Konsequenzen und Implikationen hat. Im Leittextbeispiel könnte man, zumindest theoretisch, den Demonstrativartikel dieser durch den (phorischen) bestimmten Artikel der und umgekehrt das Personalpronomen er durch das (deiktische) Demonstrativpronomen der ersetzen. Die (phorischen) Relativpronomen lassen sich nicht ersetzen, sie sind grammatisch ‚gesetzt’:

8 Im Anschluss an Karl Bühlers Zweifelderlehre (1934/1982: 79  ff.) wurde das „Fünffelder-Konzept der funktionalen Pragmatik“ (Ehlich 1999/2007: 440) erarbeitet. Hier spielen das Zeigfeld mit deiktischen Verweisräumen, darunter der Rede- und der Textraum, und das (grammatische) Operationsfeld, zu dem auch die phorischen Bezüge gehören, eine zentrale Rolle (vgl. u.  a. Ehlich 1979, 1978/2007, 1991/2007, IDS-Grammatik 1997/1: 310  ff., Redder 2000, Kameyama 2007, Tanaka 2011 (aus typologischer Perspektive) und Hoffmann 2013: 39  ff.). Je nach Verweis- und Bezugsrichtung im Textraum unterscheidet man Anadeixis/-phorik, d.  h. Verweis oder Bezugnahme auf den Vortext (=  und ⇐) wie im Leittext-Beispiel, und Katadeixis/-phorik, d.  h. Verweis oder Bezugnahme auf den Folgetext (=  und ⇒). Wichtig ist die terminologische Unterscheidung zwischen Verweis (Deixis) und Bezug (Phorik), s. Ehlich 1978/2007. Auf Deixis und Phorik wird im Zusammenhang mit Korrelatverbindungen im Kap. III/3.1.7 erneut einzugehen sein.

Kohäsionsglieder 

 201

[10’] Hannes, im Übrigen nicht besonders redselig, teilt die Zelle mit dem Erzähler ⇐ der Geschichte, aus dessen Leben Hannes erstaunlich viel mitzuteilen weiß und den  der »Professor« nennt. Durch den bestimmten Artikel der verliert der Leser hier die Orientierung im Text, denn eine anaphorische Bezugnahme auf den Vortext ist nicht möglich: Welche Geschichte ist eigentlich gemeint? Ebenfalls desorientierend wirkt die unmotivierte Verwendung des Demonstrativpronomens der, weil man hier ein Kontinuitätssignal und keine Neufokussierung (durch Zeigen) erwartet: Das Demonstrativpronomen verunsichert den Leser, der sich womöglich überlegen muss, ob hier Hannes oder doch eher eine Drittperson gemeint ist. Im Gegensatz zu diesen unechten pragmatischen Alternativen gibt es auch echte pragmatische Alternativen: (1)

(1’)

(1’’)

In der Kaserne von N. N. gab es einen Feldwebel,  (Sub- der jekt) prüfte die Stube der ihm unterstehenden Rekruten vor dem Wochenende immer besonders genau. (Brednich Geschichten: 204) In der Kaserne von N. N. gab es einen Feldwebel, ⇐ (Sub- er jekt) prüfte die Stube der ihm unterstehenden Rekruten vor dem Wochenende immer besonders genau. In der Kaserne von N. N. gab es einen Feldwebel, (Subjekt der zweiten Grades) die Stube der ihm unterstehenden Rekruten vor dem Wochenende immer besonders genau prüfte.

In (1) liegen zwei (einfache) Sätze vor. Das Subjekt des zweiten Satzes, das Demonstrativpronomen der, ist deiktisch. Eine echte phorische Alternative ohne Eingriffe in die Satzstruktur ist (1’). (1) und (1’) bilden auch ein Minimalpaar. Im Gegensatz zu (1’) stellt (1’’) eine grammatisch angezeigte pragmatische Alternative zu (1) dar: Hier liegt ein einziger (komplexer) Satz mit einem Relativpronomen als Nebensatzeinleiter vor. (1) und (1’’) stellen echte pragmatische Alternativen dar, bilden jedoch kein Minimalpaar. Deiktische Verweise und phorische Bezüge können nicht nur gegenstands-, sondern auch szenariobezogen sein. Dabei können Sätze mit phorischem es und deiktischem das ein Minimalpaar bilden: (2)

(2’)

Das erste Kind wäre zu früh gekommen. […] Das zweite wollte ich nicht. Ich wußte, daß ich nicht bei Hinner bleiben würde. Vielmehr, ich spürte ⇐ (Akkusaes objekt), wie man instinktiv eine Gefahr spürt […]. tiv(Hein Freund: 104) Das erste Kind wäre zu früh gekommen. […] Das zweite wollte ich nicht. Ich wußte, daß ich nicht bei Hinner bleiben würde. Vielmehr, ich spürte  (Akkusativdas objekt), wie man instinktiv eine Gefahr spürt […].

echte Alternative, Minimalpaar

Szenariobezug

202 

Glieder-Frage

deiktische/ phorische Mikro- und Mesoglieder

Konnektoren

Junktoren und Relativwörter

­Adverbien und ­Parajunktoren

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

Hier wird im Originalbeleg das Bleiben-(An-)Szenario des Objektnebensatzes anaphorisch wieder aufgenommen. Pragmatisch möglich wäre hier auch die Variante (2’) mit anadeiktischem Verweis.9 Zurück zu der eingangs gestellten Glieder-Frage: Dass die behandelten deiktischen und phorischen Elemente Sprachzeichen und potenzielle Argumente (grammatische Formen) der Funktion-Argument-Wert-Formel darstellen, steht außer Frage. Ihre grammatischen Werte wurden in den Belegen und Belegvarianten notiert. Entscheidend ist allerdings, dass es sich in allen Fällen um Mikroglieder (Wortgruppenglieder oder recycelte Satzglieder) oder um Mesoglieder (Subjekte und Akkusativobjekte) handelt.10 Grammatische Formen der „Textkohäsion durch Artikelwörter und Pronomen“ (Duden 2005: 1114) scheiden also als mögliche Kohäsionsglieder (Makroglieder) aus, denn sie sorgen für ‚Mikro- und Mesokohäsion‘. Wir werden weiter unten sehen, dass es durchaus auch textdeiktische Makroglieder gibt, diese sind allerdings nicht im Bereich der Artikelwörter und Pronomen zu suchen. Übrig bleibt von den vier Gruppen von Kohäsionsmitteln der Duden-Grammatik die Gruppe der Konnektoren: „Als Konnektoren können Junktionen, Relativwörter, bestimmte Adverbien, Abtönungspartikeln und Präpositionen auftreten.“ (Duden 2016: 1083)11 Die Junktoren werden in Kon- und Subjunktoren unterteilt.12 Von diesen wurden die Konjunktoren bereits als idealtypische Kohäsionsglieder identifiziert (Kap. II/1.4). Dagegen stellen die Subjunktoren, die als Nebensatzeinleiter Bestandteile von komplexen Sätzen sind, keine Makro-, sondern Mikroglieder dar.13 Sie tragen zur satz­ internen Kohäsion bei. Dasselbe gilt für die Relativwörter. „Adverbien mit Textbezug“ sind „stets satzglied- und damit auch ­vorfeldfähig“ (Duden 2005: 1080). Hierzu gehören laut Duden (ebd.) Präpositionaladverbien (daran, hierbei), Konjunktionaladverbien (außerdem, schließlich, nämlich, deswegen) und Textadverbien (einerseits…andererseits).14 Diese sind sicherlich poten-

9 Treffend spricht hier Harald Weinrich von dem „Horizont-Pronomen es“ (2005: 389  ff.) und dem „Fokus-Pronomen das“ (2005: 401  ff.). Vgl. hierzu auch Czicza 2014: 21  ff. 10 Natürlich ist ‚Mikroglied‘ ein Oberbegriff, kein spezifischer grammatischer Mikrowert. Die Spezifizierung erfolgt im Kap. IV/1.2. In den obigen Beispielen stellen alle recycelten Satzglieder solche zweiten Grades dar. 11 In der 7. Auflage war noch von dem „Paradigma der Konnektoren“ (Duden 2005: 1076) die Rede. 12 Der Duden verwendet die Termini Junktion, Konjunktion, Subjunktion, die allerdings zweideutig sind: Sie können die grammatischen Techniken des Jungierens, aber auch die Sprachzeichen(gruppen) selbst, eben die Junktoren (Kon- und Subjunktoren), bezeichnen. Ich verwende für die Sprachzeichen ausschließlich die Termini Junktor, Konjunktor und Subjunktor. Die Termini Junktion, Konjunktion und Subjunktion bleiben für die grammatischen Techniken reserviert. Analoge terminologische Lösungen gibt es auch in der Wortbildungsforschung, wo Derivation und Komposition als Wortbildungstechniken von Derivat und Kompositum als Wortbildungsprodukten unterschieden werden. 13 Auf deren grammatischen Status wird im Kap. IV/1.2 einzugehen sein. 14 In der 9. Auflage heißen die Konjunktionaladverbien Konnektoradverbien (Duden 2016: 596  ff.).

Kohäsionsglieder 

 203

zielle Kohäsionsglied-Kandidaten, weshalb sie weiter unten noch behandelt werden sollen. Im Zusammenhang mit den Konjunktionaladverbien werden auch die Parajunktoren (Parakonjunktionen), die bereits als Kohäsionsglieder identifiziert wurden (Kap. II/1.4), erwähnt: „Wenn Konjunktionaladverbien das Vorvorfeld besetzen, nehmen sie die Funktion von Parakonjunktionen an (Thim-Mabrey 1985: 226–252).“ (Duden 2005: 1081). Auch Abtönungspartikeln scheinen gute Kohäsionsglied-Kandidaten zu sein, schließlich „kann eine Abtönungspartikel auch die Verbindung durch Konjunktion oder Subjunktion ersetzen […].“ (Duden 2005: 1081) Auch auf Abtönungspartikeln müssen wir demnach zurückkommen. Die letzte Untergruppe der Konnektoren wird unter dem Stichwort ‚Präpositionen‘ behandelt. Gemeint sind Präpositionalgruppen, deren „Präpositionen die Verdichtung von mehreren Aussagen in einem Satz (leisten) […].“ (Duden 2005: 1082) M. a. W. geht es um eine mögliche grammatische Form von Verhältnisadverbialen (die in der vorliegenden Arbeit grau hinterlegt werden):15 (3)

Während der Bescherung adverbial) […] mußte sie nochmals in die Küche (Temporallaufen. (Timm Sommer 108)

Verdichtet realisiert wurde hier das temporale Verhältnisadverbial (mit dem Bescheren-Anszenario). Alternativ wären auch diverse nichtkomprimierte Realisierungen als Nebensätze möglich, z.  B. Während die Bescherung erfolgte adverbial) mußte sie nochmals in die Küche laufen. (3’’) (Temporal- Während beschert wurde adverbial) mußte sie nochmals in die Küche laufen. (3’’’) (Temporal- Während er sie bescherte adverbial) mußte sie nochmals in die Küche laufen.

(3’)

(Temporal-

Laut (Duden 2005: 1082) „schaffen“ solche Präpositionalgruppen wie die des TimmBelegs „Text im Satz“. Was damit gemeint ist, ist, dass ein Satz auch komprimierte

15 Verhältnisadverbiale (Kap. I/3.3 und Kap. III/3.1.6) erscheinen, wenn sie nicht verdichtet realisiert werden, typischerweise in Form von Nebensätzen. Die komprimierte, präpositional realisierte, Klasse von Junktionstechniken wurde im Rahmen des Modells der expliziten Junktion (Ágel 2010 und Ágel/Diegelmann 2010) Inkorporation genannt: „Die Sachverhaltsdarstellung des internen Konnekts wird als deverbale oder deadjektivische Adpositionalgruppe komprimiert und in das externe Konnekt eingegliedert […].“ (Ágel/Diegelmann 2010: 367) Zur Unterteilung der Inkorporation in „explizite und coercierbare Inkorporation“ s. Langlotz 2014: 159  ff. Kohäsionsmittel unter dem formalen Aspekt, ob sie eine Präposition enthalten, wird (fürs Französische) von Stoye (2013) untersucht.

Abtönungs­ partikeln

Präpositionen

204 

Pronominalkonnektoren

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

Anszenario-Realisierungen enthalten kann, die das Szenario, im Timm-Beleg: das Laufen-müssen-Szenario, kontextualisieren. Doch auch nichtkomprimierte, durch Nebensätze realisierte, Verhältnisadverbiale kontextualisieren das Szenario. Verhältnisadverbiale Präpositionen (wie währendGEN) und Subjunktoren (wie während) tragen also beide zur satzinternen Kohäsion bei. Sie leiten per definitionem keine Kohäsionsglieder ein. Allerdings lassen sich Verhältnisadverbiale auch durch „Pronominalkonnektoren“ (Waßner 2001: 40) realisieren:16 (3’’’’) Sie bescherten um 18 Uhr. (Temporal- Währenddessen adverbial) mußte sie nochmals in die Küche laufen.

theoretisches Zwischenfazit

methodische Absicherung

Hier haben wir ein theoretisches Problem für die Grammatische Textanalyse. Denn einerseits geht es eindeutig um satzexterne Kohäsion, währenddessen scheint also ein idealer Fall für ein Kohäsionsglied zu sein. Andererseits stellt währenddessen ein Satzglied (Temporaladverbial) im zweiten Satz dar. Haben wir es hier mit einem ‚grammatischen Doppelagenten‘, einem Text- und Satzglied, zu tun? Auf das Problem und die Pronominalkonnektoren kommen wir zurück. Als Zwischenfazit der theoretischen Präzisierung des Kohäsionsgliedbegriffs kann Folgendes festgehalten werden: (1) Interpunktionszeichen, grammatische Kategorisierungen wie Tempus, Verbmodus und Diathese, deiktische und phorische Artikelwörter und Pronomen sind zwar Kohäsionsmittel, aber keine Kohäsionsglieder. (2) Von den Konnektoren stellen Präpositionaladverbien, Konjunktionaladverbien (Konnektoradverbien) und Textadverbien zwar potenzielle Kohäsionsglied-Kandidaten dar. Kritisch zu diskutieren ist hier allerdings die Frage, ob eine Schnittmenge zwischen Textgliedern und Satzgliedern theoretisch zulässig ist, d.  h. konkret, ob es ‚grammatische Doppelagenten‘, die gleichzeitig Kohäsionsglieder und Verhältnisadverbiale sind, geben kann. Kandidaten hierfür sind die Pronominalkonnektoren. (3) Fest steht allerdings, dass verhältnisadverbiale Nebensätze und Präpositionalgruppen keine Kohäsionsglieder darstellen. (4) Abtönungspartikeln scheinen gute Kohäsionsglied-Kandidaten zu sein. (5) Kon- und Parajunktoren sind Kohäsionsglieder. (6) Subjunktoren und Relativwörter sind keine Kohäsionsglieder. Soweit eine erste theoretische Präzisierung. Im Folgenden soll der Kohäsionsgliedbegriff durch die kombinierte Anwendung von zwei (eng zusammenhängenden) grammatischen Kriterien methodisch abgesichert und verfeinert werden. Diese sind

16 ,Pronominalkonnektor‘ ist ein engerer Begriff als „Pro-Adverb“ (Duden 2016: 584), weil er auf die spezifische Konnexionsleistung der Doppelverknüpfung (s. unten) bezogen ist.

Kohäsionsglieder 

 205

1) das Kriterium der Restlosigkeit der Satzanalyse und 2) das Kriterium der satzgliedfremden Wortstellung Ad 1): Im Kap. I/2.4.5 wurde festgestellt, dass es in einer traditionellen ‚von unten nach oben‘-Satzgliedanalyse nicht möglich ist, alle Sprachzeichen eines Satzes restlos einem Satzglied zuzuordnen. Dies wäre allerdings theoretisch zwingend, da im traditionellen Rahmen die Ebene der Textglieder nicht zur Verfügung steht. Somit geht die traditionelle Satzanalyse mit (unkalkulierten) grammatischen Verlusten einher: In Sätzen lassen sich die Wörter in der Regel zwar einer Wortart zuordnen, aber manch ein Wort geht auf dem Wege von den Wortarten zu den Satzgliedern ‚verloren‘:

Kriterium der Restlosigkeit der Satz­ analyse

grammatische Verluste

Jetzt adverbial) (Partikel- aber junktor) öffnet sich (Sub- das Tor zum Gefängnishof […]. jekt), [54] (Fokus- Auch partikel) Gottfried Keller kennt (Abtönungs- ja partikel) das Wunderliche, den schrägen Blick auf die Gesellschaft und auch das Herzliche (das Nette [kennt Gottfried Keller] (Nacherst- allerdings Adverbjunktor) ganz und gar nicht), und Konjunktor) (nichtintegrierbarer auch er wusste, dass das mit der Gegenwart nicht immer so gut (Fokuspartikel) zusammenging. [13]

(Temporal-

Der Satz in [13] enthält ein Komplement (Subjekt) und ein Supplement (Temporaladverbial). Übrig bleibt das Wort aber, dessen Wortartzuordnung in der Fachliteratur nicht einheitlich ist. Auf aber kommen wir unten zurück. In [54] liegen drei Sätze vor. Alle drei enthalten jeweils nur zwei Komplemente (Subjekt und Akkusativobjekt). Übrig bleibt im ersten und dritten Satz jeweils die Fokuspartikel auch und im ersten Satz zusätzlich die Abtönungspartikel ja.17 Durch die Abtönungspartikel ja in [54] tritt der Autor in einen fiktiven Dialog mit dem Leser ein, indem er sich auf dessen „Standardwissen“ (Diewald 2007: 137) über das literarische Schaffen von Gottfried Keller beruft. Er unterstellt mit Hilfe von ja, dass sich der Leser selbstverständlich bestens mit Gottfried Keller auskennt und dass zwischen ihm und dem Leser Konsens über Kellers genannte Qualitäten besteht.

17 Der zweite Satz mit dem Nacherst-Adverbjunktor allerdings (s. unten) spielt hier keine Rolle. Ein Wort noch zur Terminologie: Alternativ zum Terminus Fokuspartikel wird auch der Terminus Gradpartikel verwendet, alternativ zu Abtönungspartikel auch Modalpartikel. Ich vermeide den Terminus Gradpartikel generell, weil er mitunter auch als alternativer Terminus für Intensitätspartikel eingesetzt wird und somit zweideutig ist. Zu Intensitätspartikeln (wie z.  B. fast, etwas, ziemlich, sehr), die keine Textglieder, sondern Wortgruppenglieder (Attribute) darstellen (Kap. IV/2.2), s. zusammenfassend Breindl 2007.

Abtönungs­ partikeln

206 

Kohäsion

Fokus­ partikeln

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

Die Tatsache, dass „Abtönungspartikeln Hinweise darauf geben können, wie die aktuelle Äußerung auf Wissen der Gesprächspartner Bezug nimmt“ (IDS-Grammatik 1997/2: 1207), dass „sie auf den Erwartungen und Einstellungen des Sprechers und der Adressaten operieren“ (IDS-Grammatik 1997/1: 59), begründet in der Schriftlichkeit ihre „textverknüpfende Funktion“ (IDS-Grammatik 1997/2: 1222  ff.). In der Mündlichkeit erscheint „die partikelhaltige Äußerung als zweiter, d.  h. reaktiver Gesprächszug in einer unterstellten dialogischen Sequenz. […] Als zentrale grammatische Grundfunktion der Klasse der Abtönungspartikeln kann daher festgehalten werden, dass sie die Äußerung als dialogisch situierten, reaktiven bzw. nicht-initialen Zug in einer Sequenz markieren.“ (Diewald 2007: 130)18 Fokuspartikeln (wie z.  B. auch, sogar, nur) sind keine Satzglieder, aber auch keine Attribute.19 Ihre Kohäsionsleistung lässt sich im Kontext nachvollziehen: [53] (nichtintegrierbarer Und Konjunktor) [er] trifft sich damit auf überraschende Weise mit dem Autor der Leute von Seldwyla, an die man beim Lesen dieser Novelle sowieso schon zurückgedacht hat. [54] (Fokus- Auch partikel) Gottfried Keller kennt (Abtönungs- ja partikel) das Wunderliche, den schrägen Blick auf die Gesellschaft und auch das Herzliche (das Nette [kennt Gottfried Keller] (Nacherst- allerdings Adverbjunktor) ganz und gar nicht), und Konjunktor) (nichtintegrierbarer auch er wusste, dass das mit der Gegenwart nicht immer so gut (Fokuspartikel) zusammenging. Der erste und der dritte Satz in [54] präsupponieren, dass es (über Gottfried Keller hinaus) noch mindestens eine weitere Person gibt, die (a) das Wunderliche, den schrägen Blick auf die Gesellschaft und auch das Herzliche kennt und (b) wusste, dass (a) mit der Gegenwart nicht immer so gut zusammenging.20 Der erste und der dritte Satz in [54] stellen also eine semantisch noch unspezifische implizite Relation zum Kontext (= [53]) her und appellieren somit an den Leser, diesen semantischen 18 Hans-Werner Eroms (2001: 49  ff.) rechnet die Abtönungspartikeln zu den „Wörter(n) mit direkten Diskursbezügen“, nach Utz Maas (2010: 109) machen sie „nur Sinn in einer spezifischen Gesprächs­ situation, in Hinblick auf ein konkretes Gegenüber.“ In Anlehnung an Thurmair (1989: 39  ff.), Wegener (1989) und Weinrich (2005: 857) fasse ich auch den Dativus ethicus (Fall mir nicht hin!) als Abtönungspartikel auf. Zur konstruktionsgrammatischen Interpretation des Dativus ethicus s. Mollica 2014. 19 Zur Diskussion und zu den Argumenten gegen die Attribut-Auffassung s. Hennig 2009b: 92  ff. Zu einem instruktiven Überblick über die Syntax und Semantik von Fokuspartikeln und die Fachliteratur s. Altmann 2007. Im Gegensatz zu Hennig und Altmann betrachten Fuhrhop/Thieroff (2005: 332) Fokuspartikeln als Attribute. 20 Zur semantischen Herleitung der Präsupposition (konventionellen Implikatur) s. König 1991: 789  ff.

Kohäsionsglieder 

 207

Behälter (,mindestens eine weitere Person‘) aus dem Kontext aufzufüllen (und die Analogie zwischen Lenz und Keller zu erkennen). Für die semantisch-pragmatische Kohäsion zwischen [53] und [54] ist demnach die „Implikaturrelation“ (Hennig 2009b: 94), die die grammatische Form auch erzeugt, verantwortlich zu machen.21 Aus der Sicht der ‚von oben nach unten‘-Perspektive der Grammatischen Textanalyse eröffnen diese ‚von unten nach oben‘-Verluste, die an den Fokus- und Abtönungspartikeln demonstriert wurden, eine nahezu zwingende methodische Option: Wenn diese ‚Glieder in Sätzen‘ keine Satzglieder und auch keine Teile von Satzgliedern (Attribute) sind, dann müssen sie Textglieder sein. Und da Sätze und Nichtsätze als mögliche Textglieder in Sätzen ausscheiden, müssen sie Kohäsionsglieder sein.22 Ad 2): Dieses Kriterium erfasst topologische Außenseiter sowohl innerhalb als auch außerhalb der Stellungsfelderstruktur. Satzgliedfremdheit innerhalb der Stellungsfelderstruktur bedeutet zweierlei: Von den Satzgliedern im weiteren Sinne (= Mesoglieder) ermöglicht das Prädikat (qua Klammerbildung) die Stellungsfelder, während die nichtverbalen Satzglieder (Komplemente, Supplemente und Kommentarglieder) das Potenzial haben, diese zu besetzen (Kap. II/1.3). Konsens herrscht in der Grammatikforschung darüber, dass unter den Feldern das Vorfeld eine zentrale Rolle spielt, da Vorfeldfähigkeit ein notwendiges Kriterium für den Satzgliedstatus ist. Grammatische Formen in Sätzen, die nicht vorfeldfähig sind, können demnach keine Satzglieder sein. Und wenn sie (als Attribut) auch nicht zu einem Satzglied gehören, bleibt im Sinne des ersten Kriteriums nur die Option übrig, dass sie Kohäsionsglieder sind. Vorfeldunfähigkeit ist zwar das idealtypische, aber nicht das einzig mögliche satzgliedfremde Wortstellungsmerkmal im Satz: [54] [13]

Auch position] Gottfried Keller feld] kennt (Abtönungs- ja partikel) das Wunderliche, den schrägen Blick auf die Gesellschaft und auch das Herzliche […]. Jetzt [Nacherst- aber position] feld] öffnet sich das Tor zum Gefängnishof, […]. [Vor[Vor- [Vorerst-

In [54] steht auch in der sog. Vorerstposition, in [13] aber in der sog. Nacherstposition. Diese Stellen werden im Handbuch der deutschen Konnektoren als Positionen im Vorfeld vor bzw. nach „einem weiteren Ausdruck“ definiert (HdK 2003: 71). Satzglie-

21 „Fokuspartikeln in konnektiver Funktion“ rechnet Eroms (2001: 52  ff.) zu den „Wörter(n) mit indirekten Diskursbezügen“. 22 Im Kapitel „Vom Satz zum Text“ seiner deutschen Syntax spricht Eroms (2000: 478) von Wörtern, „die sich als Diskurs- und Textwörter bezeichnen lassen […].“ In Eroms 2001: 49 heißt es sogar, dass Konjunktoren („Konjunktionen“) und Parajunktoren („Konnektoren“) „direkte Textelemente, Textwörter (sind); im Satz genießen sie nur ‚Gastrecht‘.“ Mit ihnen wie auch mit den Abtönungspartikeln hätten Grammatiktheorien verschiedener Couleur große theoretische Probleme (Eroms 2000: 478 und 2001: 49).

Verlust als Gewinn

das Kriterium der satzgliedfremden Wortstellung satzgliedfremd innerhalb der Stellungsfelder satzgliedfremd, da nicht vorfeldfähig

satzgliedfremd, da in der Voroder Nacherst­ position

208 

satzgliedfremd außerhalb der Stellungsfelder satzgliedfremd, da vor- oder nach der Stellungs­ felderstruktur Was heißt eigentlich ­‚außerhalb‘?

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

der (Komplemente, Supplemente und Kommentarglieder) kommen in diesen Posi­tio­ nen nicht vor. Satzgliedfremdheit außerhalb der Stellungsfelderstruktur bedeutet ebenfalls zweierlei: Zu den Außenseitern innerhalb der Stellungsfelderstruktur kommen alle die Kohäsionsglieder hinzu, die per definitionem satzgliedfremd sind, da sie in der Zwischenstelle oder am Satzrand vorkommen: Konjunktoren, Parajunktoren und Introglieder (Kap. II/1.4–5). ,Außerhalb‘ kann allerdings nicht nur ‚vor dem Vorfeld‘ und ‚nach dem Nachfeld‘ bedeuten, sondern darunter fallen auch textkohäsive Unterbrechungen der Felderstruktur. Ein Paradebeispiel hierfür sind textdeiktische Kohäsionsglieder wie wie gesagt im folgenden Beleg: (4) […] aber ich hatte kein Pyjama, wie gesagt, bloß mein schmutziges Hemd. (Frisch Homo: 182)

erneut: Fokus- und Abtönungs­ partikeln

Fokus- und Abtönungspartikeln genügen (auch) dem Kriterium der satzgliedfremden Wortstellung: Abtönungspartikeln sind nicht vorfeldfähig. Dies gilt auch für die Mehrheit der Fokuspartikeln, denn sie haben nicht das Potenzial, ein Feld alleine zu besetzen:23 „Sie sind immer einem Ausdruck zugeordnet, der einen Fokusakzent trägt […]. Werden diese Fokusausdrücke umgestellt, so müssen die Gradpartikeln [= Fokuspartikeln, VÁ] mit umgestellt werden, wenn die Bedeutung erhalten bleiben soll.“ (Altmann 2007: 365  f.) Am Beispiel des ersten Satzes in [54]: [54’] Das Wunderliche, den schrägen Blick auf die Gesellschaft und auch das Herzliche kennt (Abtönungs- ja partikel) (Fokus- auch partikel) Gottfried Keller.

auch

Doch gerade auch scheint hier eine Ausnahme zu sein: (5) Bewerber müssen dabei […] nicht von vornherein Einkommensgrenzen beachten. [Vor- Auch feld] braucht der Lebensmittelpunkt der Antragsteller nicht schon vor der Vermittlung in Frankfurt zu liegen […]. (Frankfurter Rundschau, 02. 01. 1997, zit. n. Wörterbuch der Konnektoren) (6) Auch feld] hat er das nicht gesagt. [Vor (Eroms 2001: 57) Sowohl das HdK (2003: 514) als auch Eroms (2001: 57) gehen davon aus, dass auch hier das Vorfeld besetzt. Vielleicht ist das aber nicht die einzige Interpretationsmöglichkeit. Betrachten wir hierzu die folgenden Umstellungen in die Vor- bzw. Nacherstposition:

23 S. die Liste der sog. nicht vorfeldfähigen Adverbkonnektoren des HdK (2003: 514).

Kohäsionsglieder 

 209

Auch position] der Lebensmittelpunkt der Antragsteller feld] braucht nicht [Vor- [Vorerstschon vor der Vermittlung in Frankfurt zu liegen. (6’) [Vor- [Vorerst- Auch position] er feld] hat das nicht gesagt. (5’’) *[Vor- Der Lebensmittelpunkt der Antragsteller [Nacherst- auch position] feld] braucht nicht schon vor der Vermittlung in Frankfurt zu liegen. (6’’) *[Vor- Er [Nacherst- auch position] feld] hat das nicht gesagt. (5’)

Vor- und Nacherst­ position

Das HdK (2003: 514) geht davon aus, dass die Fokuspartikel auch zwar die Vor-, aber nicht die Nacherstposition besetzen kann, was die Umstellungen zu bestätigen scheinen. Doch es ist auch eine andere Interpretation der Ungrammatikalität von (5’’) und (6’’) möglich: (5’’’) *Der Lebensmittelpunkt der Antragsteller [linker auch braucht Klammerteil] nicht schon vor der Vermittlung in Frankfurt zu liegen. (6’’’) *Er [linker auch hat Klammerteil] das nicht gesagt. Nach der Deutungsvariante (5’’’)/(6’’’) wären die Sätze nicht deshalb ungrammatisch, weil die Fokuspartikel in der Nacherstposition, d.  h. ‚am Ende‘ des Vorfelds, steht, sondern weil sie sich ‚am Anfang‘ des linken Klammerteils befindet. Diese Interpretation ist alles andere als unplausibel. Denn einerseits ist der linke Klammerteil ausschließlich für das finite Verb vorgesehen (Kap. II/1.3). Andererseits bilden nach dem oben zitierten paradigmatischen Stellungsmerkmal Fokuspartikel und Fokusausdruck in dieser Reihenfolge eine Positionseinheit: Der Fokusausdruck von auch in den ungrammatischen Beispielen muss also das jeweilige finite Verb (braucht bzw. hat) sein. Da ein finites Verb Fokusausdruck, d.  h. Bestandteil der Positionseinheit ‚Fokus­ partikel + finites Verb‘, sein kann (Altmann 2007: 366), da es aber ausschließlich in der linken Klammerposition vorkommt, stellt die Wortstellung in den Originalbelegen praktisch die einzige Möglichkeit dar, die Positionseinheit ‚Fokuspartikel + finites Verb‘ zu realisieren.24 Doch ‚Positionseinheit‘ bedeutet theoretisch gerade, dass sich Fokuspartikel und Fokusausdruck nicht auf zwei Positionen ‚verteilen‘ lassen. Dabei stellt weder das Vorfeld noch der linke Klammerteil eine theoretisch mögliche Einheitsposition dar: Die Fokuspartikel kann das finite Verb nicht mit ins Vorfeld ‚herüberziehen‘, noch kann sie zusammen mit dem finiten Verb den linken Klammerteil besetzen. Die Wortstellung in den Originalbelegen stellt somit eine perfekte „grammatische Illusion“ (Haider 2011) dar: –– Theoretisch ist es nicht möglich, dass Fokuspartikel und Fokusausdruck zwei verschiedene Wortstellungspositionen besetzen. 24 Daraus folgt aber nicht, dass das Finitum nur qua Voranstellung der Fokuspartikel fokussiert werden kann. Nachstellung mit und ohne tun-Periphrase ist durchaus möglich: Ich schlafe gut und erholen tue ich mich auch bzw. Ich schlafe gut und erhole mich auch wieder.

­Nacherstoder Vor­klammer­ position?

Zurück zu den Original­ belegen

theoretische Pattsituation

grammatische Illusion

210 

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

–– Theoretisch ist es aber genauso wenig möglich, dass sie gemeinsam das Vorfeld oder den linken Klammerteil besetzen. –– Dabei ist ein leeres Vorfeld bei strukturell normalen Aussagesätzen, wie sie in den Originalbelegen vorliegen, nicht möglich. –– Praktisch lässt sich jedoch die Positionseinheit ‚Fokuspartikel + finites Verb‘ realisieren, sobald kein anderer Ausdruck das Vorfeld besetzt. –– Somit entsteht die grammatische Illusion, dass auch im Vorfeld steht. Dabei steht es weder im Vorfeld noch in der linken Klammerposition, sondern lediglich vor seinem Fokusausdruck. Die Sprachteilhaber akzeptieren diese Notlösung, die zwar auf grammatischen Regelkonflikten beruht, aber diese verdeckt.

methodisches Zwischenfazit

kein Leben außerhalb der ­Grammatik

Im Übrigen: Die Wortstellung der Fokuspartikel auch ist nicht nur in dem Sinne satzgliedfremd, dass auch das Vorfeld nicht besetzen kann. Sie ist auch deshalb satzgliedfremd, weil auch vorerstpositionsfähig ist.25 Das Zwischenfazit der methodischen Präzisierung des Kohäsionsgliedbegriffs lautet: –– Satzgliedfremde Wortstellungen (zweites Kriterium) sind gute Indikatoren für Kohäsionsglieder. –– Es gibt vier Typen von satzgliedfremden Wortstellungen: zwei Typen innerhalb und zwei außerhalb der Stellungsfelderstruktur. –– Innerhalb der Stellungsfelderstruktur geht es (a) um Vorfeldunfähigkeit oder (b) um Vor- oder Nacherstfähigkeit. –– Außerhalb der Stellungsfelderstruktur geht es (a) um Glieder in der Zwischenstelle oder am Satzrand und auch (b) um Glieder, die die Linearstruktur parenthetisch unterbrechen. –– Im Sinne des Kriteriums der Restlosigkeit der Satzanalyse (erstes Kriterium) sind Wörter und Ausdrücke, die nach einer Satzgliedanalyse auf der Strecke bleiben, gute Kandidaten für ‚Textglieder im Satz‘, d.  h. für Kohäsionsglieder innerhalb der Stellungsfelderstruktur. Doch auch Wörter und Ausdrücke außerhalb der Stellungsfelderstruktur blieben bislang grammatisch insofern auf der Strecke, als sie in der Literatur vor allem als text- und gesprächsorganisierende lexikalische (und phraseologische) Einheiten in Erscheinung traten.26 Text und Diskurs sind allerdings nicht agrammatisch. Jedes Wort und jeder Ausdruck in jedem beliebigen Text ist auch grammatisch einzuordnen.27

25 Es kann sogar in der Vorvorerstposition stehen, wenn die Vorerstposition von einer anderen Fokuspartikel besetzt wird: Die Debatte sei notwendig gewesen. Und [Vor- [Vorvorerst- auch position] [Vorerst- erst währenddessen feld] habe sich Hilgens Kompromiss herauskristallisiert. (HNA, 29. 06. 2014) position] 26 S. vor allem Koch/Oesterreicher 2011: 42  ff., Stein 2003: 351  ff. und Stein 2007. 27 Die diversen Schnittstellen-Metaphern (wie ‚Grammatik/Pragmatik-Schnittstelle‘ oder ‚Lexik/

Kohäsionsglieder 

 211

Langsam nähern wir uns der Klassifikation der Kohäsionsglieder. Vorher müssen allerdings noch einige theoretische Hindernisse aus dem Weg geräumt werden: 1) Wir müssen auf die Frage zurückkommen, ob es ‚grammatische Doppelagenten‘, d.  h. grammatische Formen, die gleichzeitig Satz- und Kohäsionsglieder sind, gibt. 2) Vorher ist zu klären, was genau eine Satzverbindung (oder Nichtsatzverbindung) satzsemantisch ausmacht: Welche Art von semantischem Relationstyp besteht zwischen Sätzen (und/oder Nichtsätzen)? 3) Die Anschlussfrage, die die Grobklassifikation der Kohäsionsglieder betrifft, ist, ob es weitere  – nicht satzsemantische  – Relationen gibt, deren grammatische Werte Kohäsionsglieder sind.

theoretische (Weiter-)Präzisierungen

In seiner „Deutsche(n) Satzsemantik“ unterscheidet Peter von Polenz drei satzsemantische Möglichkeiten, Szenarios (= einfache Satzinhalte) miteinander zu verbinden, also die satzsemantische Konstellation ‚Szenario + Szenario‘ zu realisieren (Polenz 2008: 232  ff., 2  ff. und 265  ff.): (I) „Einbettungen von Aussagen in Bezugsstellen anderer Aussagen“ (Polenz 2008: 232  ff.), kurz: (semantische) Einbettung; (II) „Zusätze zu Satzinhalten oder ihren Teilen“ (Polenz 2008: 247  ff.), kurz: (semantischer) Zusatz und (III) „Verknüpfungen von Satzinhalten (Relationen)“ (Polenz 2008: 265  ff.), kurz: (semantische) Verknüpfung.

semantische Relations­ typen

Um diese satzsemantischen Konstellationen zu illustrieren, betrachten wir einige grammatische Realisierungsmöglichkeiten:

grammatische Realisierungen semantischer Relationstypen

(I) semantische Einbettung: (7a) Dass Peter nicht mitkommt, ist mir jetzt schon klar. (II) semantischer Zusatz: (8a) Ich finde ein Buch nicht, das ich gestern ins Regal zurückgestellt habe. (III) semantische Verknüpfung: (9a) Peter kommt nicht mit, sonst hätte er längst geklingelt. (10a) Ich finde ein Buch nicht. Aber ich habe die Brille gefunden, die ich brauche, um das Buch zu finden. Das Klar-sein-Szenario setzt zwei Bezugsstellen (x, y) voraus. Die y-Stelle, die Dativobjektstelle, wird als dativisches Personalpronomen (mir) realisiert. Die x-Stelle, die Subjektstelle, wird dagegen nicht als Pronomen oder als Substantivgruppe, sondern als Nebensatz in einem Satzgefüge (Dass Peter nicht mitkommt) realisiert. Satzseman-

Grammatik-Schnittstelle‘) machen hier methodisch unzulässige theoretische Simplifizierungen einfacher.

Einbettung

212 

phorische/ deiktische Alternativen

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

tisch heißt dass, dass das Mitkommen-Szenario in die x-Stelle des Klar-sein-Szenarios eingebettet ist. Grammatische Alternativen zu (7a) sind möglich, wenn das Mitkommen-Szenario nicht als Einbettung, als semantisch untergeordneter Satzinhalt, sondern als semantisch übergeordneter oder als einfacher Satzinhalt realisiert wird: (7b) Peter kommt nicht mit, ⇐ was mir jetzt schon klar ist.
 (7c) Peter kommt nicht mit.  Das ist mir jetzt schon klar.


Zusatz

phorische/ deiktische Alternativen

In (7b) wird die x-Stelle des Klar-sein-Szenarios als Relativpronomen (was) eines sog. weiterführenden Relativsatzes, das anaphorisch auf den Hauptsatz Bezug nimmt, und in (7c) als Demonstrativpronomen (Das) in einem einfachen Satz, das anadeiktisch auf einen anderen einfachen Satz verweist, realisiert.28 Das Finden-Szenario setzt ebenfalls zwei Bezugsstellen (x, y) voraus. Die x-Stelle, die Subjektstelle, wird als deiktisches Personalpronomen der ersten Person (ich), die y-Stelle, die Akkusativobjektstelle, als komplexe Substantivgruppe (ein Buch […], das ich gestern ins Regal zurückgestellt habe) realisiert. Die Komplexität ergibt sich daraus, dass das Zurückstellen-Szenario des Relativnebensatzes satzsemantisch einen Zusatz, eine zusätzliche Spezifizierung der y-Stelle, darstellt. Wenn man das Zurückstellen-Szenario nicht als Teil eines komplexen Satz­ inhalts (mit dem übergeordneten Finden-Szenario), sondern als einfachen Satzinhalt realisiert, gibt es auch hier grammatische Alternativen zu (8a): (8b) Ich finde ein Buch nicht. Ich habe ⇐ es gestern ins Regal zurückgestellt. (8c) Ich finde ein Buch nicht. Ich habe  das gestern ins Regal zurückgestellt.

Einbettung und Zusatz

Verknüpfung

In (8b) wird die y-Stelle des Zurückstellen-Szenarios durch ein anaphorisches Personalpronomen (es), in (8c) durch ein anadeiktisches Demonstrativpronomen (das) besetzt. Die Pronomina beziehen sich bzw. verweisen auf die y-Stelle des FindenSzenarios. Was Einbettung und Zusatz verbindet, ist, dass hier die grammatischen Techniken der Realisierung der Konstellation ‚Szenario + Szenario‘ die jeweilige semantische Relation lediglich grammatisch, durch Nebensätze, anzeigen, lexikalisch jedoch nicht benennen ((7a) und (8a)). Dies gilt auch für die phorischen und deiktischen Alternativen ((7b) und (8b) bzw. (7c) und (8c)).29 Ganz anders bei der Verknüpfung: Die „ART der Relation“ (Waßner 2001: 37, Versalschreibung im Original) zwischen den Szenarios wird hier lexikalisch explizit

28 Auf weiterführende Relativsätze (…, was mir jetzt schon klar ist.) wird im Kap. III/4.3 einzugehen sein. 29 „Das Pronomen benennt ja nicht die Relation, ist eben kein Konnektor, sondern substituiert  – selbst als Teil des einen Relatums – das andere Relatum oder einen Teil von jenem.“ (Waßner 2001: 35) Waßner verwendet ‚pronominal‘ als Oberbegriff für ‚pronominal + deiktisch‘.

Kohäsionsglieder 

 213

benannt: In (9a) signalisiert der Junktor sonst eine konditionale, genauer: negativkonditionale (HdK 2014: 1061  ff.), in (10a) der Junktor aber eine adversative Satzverbindung. Phorische/deiktische Verbindungen und Verknüpfungen stellen die „beiden Grundprinzipien der sprachlichen Verbindung von Sätzen zu Texten“ dar (Waßner 2001: 34), die sich entsprechend auch kombinieren lassen:

die beiden Grund­ prinzipien

(7d) Peter kommt nicht mit, aber  das ist mir jetzt schon klar.
 (8d) Ich finde ein Buch nicht. Immerhin habe ich ⇐ es gestern ins Regal zurückgestellt. In (7d) signalisiert der Junktor aber die adversative semantische Verknüpfung zwischen dem Mitkommen- und dem Klar-sein-Szenario, während das anadeiktische Demonstrativpronomen das der x-Stelle des Klar-sein-Szenarios auf das ganze Mitkommen-Szenario verweist. In (8d) signalisiert der Junktor immerhin die konzessive semantische Verknüpfung zwischen dem Finden- und dem Zurückstellen-Szenario, während das anaphorische Personalpronomen es der y-Stelle des Zurückstellen-Szenarios auf die y-Stelle des Finden-Szenarios Bezug nimmt.30 Phorische und deiktische Kohäsionsmittel, die Sätze verbinden, wurden am Anfang des Kapitels aus grammatischen Gründen als Kohäsionsglieder ausgeschlossen. Die grammatische Begründung kann hier nun auch satzsemantisch untermauert werden: Phorische und deiktische Kohäsionsmittel indizieren keine komplexen Satz­inhalte. Sie können in grammatischen Verbindungen, die Alternativen für Einbettungen und Zusätze darstellen, eingesetzt werden. Für Verknüpfungen, die nicht nur grammatisch anzuzeigen, sondern auch lexikalisch zu benennen sind, kommen sie nicht einmal als Alternativrealisierungen in Frage. Junktoren, die den Kernbereich der Kohäsionsglieder bilden, realisieren dagegen diverse Arten von satzsemantischen Verknüpfungen, kurz: Junktionsrelationen.31

30 Präzise beschreibt die Art der Konzessivität von immerhin das Wörterbuch der Konnektoren: „Immerhin signalisiert, dass der im Trägerkonnekt bezeichnete Sachverhalt auf einer Skala möglicher Alternativen als zwar geringwertig aber dennoch bezüglich einer aus dem Bezugskonnekt abzuleitenden Vorerwartung besser und prinzipiell erwünscht einzustufen ist.“ In der Konnektorenliste des HdK 2014 wird immerhin nicht geführt. 31 Der Duden (2016: 1091  ff.) widmet ein ganzes Kapitel den „Bedeutungsrelationen von Konnektoren“. Eine elaborierte Klassifikation mit instruktiven Konnektorenlisten bietet das HdK 2014. Im Rahmen des Projekts ‚Explizite und elliptische Junktion in der Syntax des Neuhochdeutschen“ (s. die KAJUK-Homepage und dort weitere Literatur) hat sich die Arbeit mit den Polenz’schen semantischen Klassen (Polenz 2008: 268  ff.) bewährt. Mithilfe dieser Klassifikation konnten Junktionsprofile zu diversen Textsorten erstellt werden (Ágel 2012 und Langlotz 2014).

Verknüpfung mit Deixis/ Phorik

die satz­ semantische Basis des Kohäsionsgliedbegriffs

Junktions­ relationen

214 

Grammatische Doppel­ agenten?

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

Nun nähern wir uns langsam der Frage  1) oben, ob es ‚grammatische Doppelagenten‘, d.  h. grammatische Formen, die gleichzeitig Satz- und Kohäsionsglieder sind, gibt. Betrachten wir hierzu erneut zwei der obigen Beispiele: (9a) Peter kommt nicht mit, [Vor- sonst feld] hätte er längst geklingelt.
 (8d) Ich finde ein Buch nicht. [Vor- Immerhin feld] habe ich ⇐ es gestern ins Regal zurückgestellt.

das Problem

Konjunktional­ adverbial?

Konjunktional­ adverbial nicht (nur) im Vorfeld?

Satzsemantisch stellen sonst und immerhin eine (negativ-konditionale bzw. konzessive) Verknüpfung her, sind also, semantisch gesehen, prototypische Junktoren. Grammatisch gesehen widersprechen sie jedoch dem Kriterium der satzgliedfremden Wortstellung, da sie das Vorfeld besetzen. Während immerhin auch die Nacherstposition, also immerhin auch eine satzgliedfremde Stelle, besetzen kann (HdK 2003: 512), ist das Vorkommen von sonst auf die drei Stellungsfelder beschränkt (HdK 2003: 513). Aus einer ‚von unten nach oben‘-Perspektive ordnet man Wörter wie sonst und immerhin auf Wortartenebene den Konjunktionaladverbien (Konnektoradverbien, s. oben) zu, was auf Satzgliedebene konsequenterweise zu der Kategorie der „Konjunktionaladverbiale“ (Pittner 1999: 118  f.) führt. Dies ist allerdings nur eine ‚Notkategorie‘, eine theoretisch erzwungene ‚Verlängerung‘ der Wortart zum Satzglied, denn Konjunktionaladverbiale sind selbst innerhalb der sog. Satzadverbiale, „die eine Sprechereinstellung zur Proposition des Satzes ausdrücken“ (Pittner 1999: 108), mehr als nur peripher. Sie drücken nämlich überhaupt keine Sprechereinstellung zur Proposition des Satzes aus, sondern verknüpfen satzsemantisch zwei Propositionen (Szenarios): „Konjunktionaladverbiale unterscheiden sich von allen anderen Satz­ adverbialen dadurch, daß ihre Funktion vor allem darin besteht, bestimmte Beziehungen zwischen Sätzen herzustellen.“ (Pittner 1999: 118). In einer reinen Satzgrammatik stellen Konjunktionaladverbiale nicht nur ein semantisches, sondern auch ein grammatisches Problem dar. Betrachten wir hierzu die folgenden Belege:32 (11) (12)

(13)

Viele Wesen flögen, sagte der Soldat, und keiner finde etwas dabei. [Vor- Hingegen feld] habe noch niemand gesehen, wie ein Berg sich aufrichte. (Kehlmann Vermessung: 138) Fast alle Ethnologen bestreiten heute, daß es Kannibalismus aus Geschmacksgründen gegeben habe. Ich [Nacherst- hingegen position] finde es ganz naheliegend, daß der Überdruß als Folge einseitiger Ernährung die Lust auf Menschenfleisch erzeugt, so wie auch aus der Monotonie heraus Dichtung entsteht. (Timm Kopfjäger: 10  f.) Doch feld] bezeichneten Experten im russischen Fernsehen derartige Über[Vorlegungen als absurd.

32 Der Timm-Beleg und die Kehlmann-Belege wurden bereits im Kap. II/1.4 kurz behandelt.

Kohäsionsglieder 

(14) (15)



 215

Doch stelle] daran kann, daran muss gezweifelt werden. [Zwischen(beide Belege: Süddeutsche Zeitung, 17. 08. 2000, zit. n. Eroms 2001: 52) Mit gedämpfter Stimme erklärte er sein Anliegen. Er habe Ideen, die er noch keinem habe mitteilen können. Ihm scheine [Mittel- nämlich feld], daß der euklidische Raum eben nicht, wie es die Kritik der reinen Vernunft behaupte, die Form unserer Anschauung selbst und deshalb aller möglichen Erfahrung vorgeschrieben sei, sondern vielmehr eine Fiktion, ein schöner Traum. (Kehlmann Vermessung: 95)

Der adversative Junktor hingegen besetzt in (11) das Vorfeld, in (12) die Nacherstposition. Er ist, wie prototypische Adverbiale, vorfeldfähig, und er ist, wie prototypische Adverbiale nicht, nacherstfähig. Ist das nun ein Konjunktionaladverbial, das sich auch nichtadverbial, oder ein Nichtkonjunktionaladverbial, das sich auch adverbial verwenden lässt? Der adversative Junktor doch besetzt in (13) das Vorfeld, in (14) die Zwischenstelle. Zum Verhältnis der Stellungsvarianten schreibt Eroms (2001: 52), dass Konjunktionaladverbien „auch als Konjunktionen […] verwendet werden (können). In diesem Fall haben sie ihre adverbialen Eigenschaften aufgegeben.“ Der Junktor doch wird also (auf Wortartebene) als ein Konjunktionaladverb eingestuft, das sich auch nichtadverbial verwenden lasse. Aber auch hier ließe sich umgekehrt vom (b)-Fall ausgehen und sagen, dass Konjunktoren ihre konjunktiven Eigenschaften aufgeben und als Konjunktionaladverbien verwendet werden können. Schließlich besetzt das explikative Kohäsionsglied nämlich in (15) das Mittelfeld. Nämlich ist wie immerhin oder hingegen nacherstfähig, aber im Gegensatz zu diesen und zu sonst nicht vorfeldfähig. Also kein Konjunktionaladverb(ial). Das laut HdK (2014: 1155) andere explikative („präzisierende“) Kohäsionsglied im Gegenwartsdeutschen, nämlich und zwar, ist dagegen vorfeldfähig (HdK 2003: 508). Also Konjunktionaladverb(ial).33 Aus einer (rein satzgrammatischen) ‚von unten nach oben‘-Perspektive besteht keine Möglichkeit, Wörter und Ausdrücke, die satzsemantisch demselben Relationstyp (= Verknüpfung) und deren Wortstellungsvarianten derselben Art von semantischer Relation (wie z.  B. ‚adversativ‘ oder ‚präzisierend‘) angehören, einer übergeordneten Kategorie zuzuweisen und die grammatischen Differenzen subkategorial zu erfassen. Unterscheidungen wie ‚+/-Konjunktionaladverb(ial)‘ und Diagnosentypen wie ‚X ist auch als y verwendbar‘ stellen theoretische Notlösungen dar, die das grammatisch Trennende in den Vordergrund und das semantisch und grammatisch Verbindende in den Hintergrund stellen. Dabei wird, nicht ganz nebenbei, in Kauf genommen, dass (im Sinne des Kriteriums der Restlosigkeit der Satzanalyse) keine restlose Satzanalyse möglich ist. Beispielsweise ist satzintegriertes aber, das die 33 Auf die Unterscheidung zwischen Präzisierung und Explikation wird unten zurückzukommen sein.

Hat Vorfeldoder Nacherstfähigkeit Vorrang?

Hat Vorfeld- oder Zwischenstellenfähigkeit Vorrang?

fehlende Vorfeld­ fähigkeit

Zwischenfazit

216 

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

Nacherstposition oder das Mittelfeld, aber nicht das Vorfeld besetzen kann, einer Satzgliedanalyse nicht zugänglich: [13] Jetzt (integrierbarer aber Konjunktor) öffnet sich das Tor zum Gefängnishof, […]. (16) Kurt hielt einen Augenblick inne […]. Aß dann aber weiter. (Ruge Zeiten: 9) die Lehre aus dem Konjunktional­ adverb­(ial)Problem

zurück zur Doppel­ agentenFrage

Dass die traditionelle Satzgrammatik kein Doppelagenten-Problem hat, ist also im Sinne des Zwischenfazits kein theoretischer Vorteil. Die Lehre aus der Diskussion des Konjunktionaladverb(ial)-Problems für das Konzept der Grammatischen Textanalyse ist dabei, dass Vorfeldfähigkeit zwar ein wichtiges Merkmal für Satzglieder ist, was aber im Umkehrschluss nicht heißt, dass Textglieder (Kohäsionsglieder) nicht (auch) vorfeldfähig sein können. In einem ‚von oben nach unten‘ konzipierten System sind prinzipiell alle Felder und Stellen für Kohäsionsglieder offen. Dabei ist die Anzahl der Junktoren, die gar keine satzgliedfremde Wortstellung zulassen, gering.34 Halten wir fest: Satzintegrierte Junktoren mit satzgliedfremder Wortstellung und/ oder ohne Vorfeldfähigkeit stellen für die Grammatische Textanalyse kein Problem dar. Problematisch sind dagegen Verhältnisadverbiale, wenn sie nicht als Nebensätze oder – komprimiert – als Präpositionalgruppen, sondern als Pronominalkonnektoren realisiert werden. Betrachten wir erneut zwei Beispiele von oben: Während der Bescherung adverbial) […] mußte sie nochmals in die Küche laufen. (Timm Sommer: 108) (3’’’’) Sie bescherten um 18 Uhr. (Temporal- Während dessen adverbial) mußte sie nochmals in die Küche laufen. (3)

Verhältnisadverbiale als Nur-Satzglieder

(Temporal-

Verhältnisadverbiale stellen szenische Supplemente dar, weil sie ein Szenario szenierend – durch ein anderes Szenario (= Anszenario) – kontextualisieren (Kap. I/3.3). In (3) kontextualisiert das Bescheren-Anszenario des Temporaladverbials das Laufen-müssen-Szenario des Satzes. Entsprechend liegt hier, wie oben bereits erwähnt, eine satzinterne semantische Verknüpfung vor. M. a. W., das semantische Verknüpfungspotenzial der Präposition währendGEN wird satzintern gebunden. Folglich stellt das Temporaladverbial in (3) kein Kohäsionsglied und somit auch keinen ‚grammatischen Doppelagenten‘ dar. Diese Diagnose gilt für alle Verhältnisadverbiale, deren grammatische Formen ein Anszenario realisieren (Nebensätze, Infinitivkonstruktionen, Präpositionalgruppen).

34 Das sind die Untergruppen Nr. 5 und Nr. 8 der sog. „nicht nacherstfähigen Adverbkonnektoren“ (HdK 2003: 513  f.), also zwei von insgesamt 27 Untergruppen der sog. „konnektintegrierbaren (adverbialen) Konnektoren“ (HdK 2003: 485  ff.).

Kohäsionsglieder 

 217

Anders in (3’’’’): Die „beiden Grundprinzipien der sprachlichen Verbindung von Sätzen zu Texten“ (Waßner 2001: 34), Phorik/Deixis und semantische Verknüpfung lassen sich lexikalisch nicht nur getrennt, sondern auch in einem Wort oder Ausdruck realisieren. Genau solche Wörter und Ausdrücke, die „Doppelverknüpfer“ (Waßner 2001: 39) sind, nennt Waßner Pronominalkonnektoren.35 Pronominalkonnektoren sind „typischerweise Komposita“ (Waßner 2001: 40). Schließlich ist zu erwarten, dass sich die Doppelverknüpfung auch formal manifestiert. So ist es im Falle von währenddessen in (3’’’’) auch: Das präpositionale Erstglied steht für die semantische (temporale) Verknüpfung des Bescheren-Szenarios des ersten mit dem Laufen-müssen-Szenario des zweiten Satzes. Grammatisch ermöglicht wird diese Verknüpfung aber erst durch das anadeiktische Zweitglied des Kompositums dessen, das auf das Bescheren-Szenario des ersten Satzes verweist. Die grammatische Funktion des Anadeiktikons dessen besteht dabei darin, die ansonsten vorwärts gerichtete präpositionale Relation rückwärts ‚umzuleiten‘ und so die satz­ externe semantische Verknüpfung zu ermöglichen. Was in (3’’’’) das Kompositum währenddessen leistet, verteilt sich sonst auf zwei Wörter, deren jedes ein ‚Einzelverknüpfer‘ ist. Vergleichen wir etwa (3’’’’) mit (7d):

Verhältnis­ adverbiale als Doppelverknüpfer

während­ dessen

1 + 1 = (auch) 2

(3’’’’) Sie bescherten um 18 Uhr. (Temporal- Während dessen adverbial) mußte sie nochmals in die Küche laufen. (7d) Peter kommt nicht mit, aber  das ist mir jetzt schon klar.
 Die lexikalisch selbstständige Realisierung der beiden Verbindungstypen, adversativer Junktor aber + anadeiktisches Pronomen das, in (7d) bedeutet theoretisch, dass der textgrammatische Wert ‚Kohäsionsglied‘ und der satzgrammatische Wert ‚Satzglied‘ formal getrennt realisiert werden können. Die lexikalische Komposition der beiden Verbindungstypen in (3’’’’) heißt dagegen, dass der textgrammatische Wert ‚Kohäsionsglied‘ und der satzgrammatische Wert ‚Satzglied‘ formal zusammenfallen (müssen). Denn einerseits stellt währenddessen dank dem präpositionalen Erstglied eine mögliche Realisierungsform des temporalen Verhältnisadverbials dar, andererseits wird diese temporale Relation dank dem anadeiktischen Zweitglied satzverbindend geöffnet. Der Verhältnisadver-

35 Der Begriff des Pronominalkonnektors von Waßner (2001: 40  ff.) umfasst nicht nur die traditionellen Präpositionaladverbien (Pronominaladverbien), sondern auch Wörter wie dementsprechend, deshalb, deswegen, daher und währenddessen oder auch Ausdrücke wie um dessentwillen und ungeachtet dessen, die traditionell zu den Konjunktionaladverbien (Konnektoradverbien) gerechnet werden. Pronominalkonnektoren sind in der Regel nicht phorisch (im Ehlich’schen Sinne von ‚Bezug nehmend‘), sondern deiktisch (also ‚verweisend‘). Zum Verhältnis von Präpositionaladverb und Konjunktionaladverb und zu der Frage der ‚Pronominalität‘ von Präpositionaladverbien s. Fleischer (2002: 17  ff.) und Negele (2012: 13  ff.). Der Begriff des Präpositionaladverbs wird weiter unten (und zusätzlich im Kap. III/3.1.4) grundsätzlich in Frage gestellt.

Doppelagent

218 

kein ­theoretischer Widerspruch

PortmanteauJunktoren

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

bial-Pronominalkonnektor währenddessen ist also, wenig überraschend, ein grammatischer Doppelagent. Warum wenig überraschend? Weil es naheliegend ist, das semantische Verknüpfungspotenzial von Wörtern satzintern wie satzextern zu nutzen. Für die satzinterne Nutzung stehen Subjunktoren und Präpositionen genuin zur Verfügung. Für die satzexterne Nutzung dagegen muss das semantische Verknüpfungspotenzial von solchen Wörtern deiktisch umgeleitet werden. Dabei entstehen Pronominalkonnektoren, d.  h. deiktische Adverbjunktoren, die die Realisierung von zwei grammatischen Funktionen durch dieselbe Form ermöglichen. Der Strukturtyp währenddessen ist dabei noch ein transparenter, da segmentierbarer, Fall. Unter den Pronominalkonnektoren gibt es allerdings auch andere, die nur formal oder gar nicht segmentierbar sind: Da die Entwicklung der Schreibkompetenz […] ein lebenslanger Prozess ist, gilt es, das sprachliche Normbewusstsein langfristig zu fördern […]. (Kausal-  Deshalb adverbial) wird nachstehend kurz der Deutschunterricht an beruflichen Schulen fokussiert. (Auszug aus einer Masterarbeit, anonymisiert) (9a) Peter kommt nicht mit, (Konditional-  sonst adverbial) hätte er längst geklingelt.
 (18) Auf meinen Hinweis, daß man Finnisch doch nie braucht, […], sah er mich einen Augenblick verständnislos an, (Temporal-  dann adverbial) sagte er […]. (Lenz Nachlaß: 21)

(17)

Pronominalkonnektor = Doppelagent?

Der kausale Junktor deshalb ist zwar formal segmentierbar, erkennbar ist allerdings nur noch das anadeiktische Potenzial von des. Die Präposition halb ist ausgestorben. Der (negativ-)konditionale Junktor sonst und der temporale Junktor dann haben ebenfalls anadeiktisches Potenzial, sind aber nicht mehr segmentierbar.36 Ich spreche in solchen Fällen von Portmanteau-Junktoren.37 Sind Pronominalkonnektoren immer Doppelagenten? Wenn sie vorfeldfähig und anadeiktisch sind, dann sind sie in der Tat gleichzeitig Junktoren, d.  h. satzsemantische Kohäsionsglieder, und Verhältnisadverbiale, d.  h. anszenierende Satzglieder: also Doppelagenten.38 Ein besonderer Fall scheint allerdings der Junktor immerhin zu sein, der mit dem ebenfalls konzessiven dennoch verglichen werden soll:

36 Genauer: Auf den zweiten Blick ist qua Minimalpaar ‚dann: wann‘ die Opposition von deiktischem d- und interrogativem w- noch erkennbar. 37 In der Morphologie nennt man nichtsegmentierbare polyfunktionale grammatische Formen Portmanteau-Morpheme. 38 Zu einem ähnlichen Schluss kommt Hans-Werner Eroms (2000: 483): „Die Konjunktionaladverbien sind syntaktische Zwitter. Einerseits haben sie satzinterne adverbiale Aufgaben, andererseits sind sie satzverknüpfend, besonders deutlich, wenn sie im Vorfeld stehen.“

Kohäsionsglieder 

 219

(8) (a) Ich finde ein Buch nicht. Immerhin  habe ich ⇐ es gestern ins Regal zurückgestellt. → Obwohl ich es ⇒ gestern ins Regal zurückgestellt habe adverbial), finde ich (Konzessivein Buch nicht. (b) Ich habe gestern ein Buch ins Regal zurückgestellt.  (Konzessiv- Dennoch adverbial) finde ich es nicht. → Obwohl ich ein Buch gestern ins Regal zurückgestellt habe adverbial), finde (Konzessivich ⇐ es nicht. Wie die jeweiligen Umformulierungen in konzessive Nebensätze mit dem Subjunktor obwohl zeigen, ist immerhin im Gegensatz zu dennoch ein katadeiktischer, also vorwärts verweisender Junktor. Er verbindet zwar das Finden-Szenario satzsemantisch mit dem Zurückstellen-Szenario, aber die konzessive Relation wird mangels anadeiktischem Potenzial des Junktors satzextern (satzverbindend) nicht geöffnet, sondern satzintern gebunden. M. a. W., immerhin ist im Gegensatz zu dennoch kein Verhältnisadverbial, sondern nur ein Kohäsionsglied: also Einzelagent. Das Thema ‚Junktoren‘ (= satzsemantisch verknüpfende Kohäsionsglieder) abschließend, soll noch auf eine ‚kleine (naive) Frage‘ mit ‚großen Konsequenzen‘ eingegangen werden: Sind sog. Präpositionaladverbien (Pronominaladverbien) wie darauf, dagegen, danach, darum, hierbei, die als morphologisch geschlossene Klasse innerhalb der sog. Pro-Adverbien (Duden 2016: 584 und 591  ff.) ein wichtiges Bildungsmuster für Pronominalkonnektoren darstellen, immer Doppelverknüpfer? Nein. Denn Präpositionen, die vom Prädikat (Valenzträger) regiert werden, drücken keine satzsemantischen Verknüpfungen (wie disjunktiv, kausal, konzessiv, adversativ) aus, sondern indizieren den satzgrammatischen Wert des Präpositionalobjekts: (19)



Pronominalkonnektor vs. deiktisches Präpositionalobjekt

Wie man später erfuhr, warteten damals acht Helikopter der US-Army an der mexikanischen Grenze (Präpositional- auf die behördliche Bewilligung, uns zu holen . objekt) (Frisch Homo: 39) Die behördliche Bewilligung, uns zu holen, konnte jede Minute eintreffen.  Darauf objekt) warteten damals acht Helikopter der US-Army an der (Präpositionalmexikanischen Grenze.

Das Verb warten regiert die Präposition aufAKK. Entsprechend enthält der Beleg ein Präpositionalauf+AKK-objekt. In der umformulierten Variante wird dieses Objekt durch anadeiktisches darauf realisiert. Ist dieses darauf tatsächlich ein Präpositional­ adverb? Nein. Denn es ist theoretisch ausgeschlossen, ein Präpositionalobjekt durch ein Adverb zu realisieren. Durch ein Adverb lässt sich ein Adverbial, aber nicht ein Objekt realisieren. Die nominale Realisierungsform eines Präpositionalobjekts ist die Prä-

Präpositionaladverb: ein Widerspruch

220 

Präpositionaladverb: Wort ohne Wortart Wort­ gruppenart

Nicht­ jungierende Kohäsionsglieder?

Text­ organisation

positionalgruppe. Sog. Präpositionaladverbien wie darauf, dagegen, danach, darum, hierbei sind allesamt Pro-Präpositionalgruppen, deiktische Minimalformen von Präpositionalgruppen, deren grammatischer Wert – Adverbial oder Objekt – sich erst auf Satzebene entscheidet. Hier ist die ‚von unten nach oben‘-Perspektive theoretisch verheerend: Man muss ‚unten‘ jedem Wort eine Wortart zuordnen, die der Satzgliedbestimmung zugrunde zu liegen hat. Die grammatische Form darauf ist jedoch genauso wie die grammatische Form auf die behördliche Bewilligung, uns zu holen im Originalbeleg nicht eine Wortart, sondern eine Wortgruppenart: Präpositionalgruppe. Sog. Präpositionaladverbien haben keine Wortart, sie haben nur eine Wortgruppenart.39 Soweit die wichtigsten theoretischen Hindernisse, die vor der Klassifikation aus dem Weg geräumt werden mussten. Übrig geblieben ist von den drei Fragen oben noch Frage 3), die die Grobklassifikation der Kohäsionsglieder betrifft: Gibt es weitere – nicht satzsemantische – Relationen, deren grammatische Werte Kohäsionsglieder sind? M. a. W.: Gibt es nichtjungierende Kohäsionsglieder? Die Antwort ist: Ja. Es gibt eine Reihe von Kohäsionsgliedern, die keine Satz­ inhalte (im Polenz’schen Sinne) verknüpfen, sondern den Text (oder das Gespräch) organisieren. Betrachten wir hierzu zuerst den folgenden Beleg: (20)

lokale Textordnung

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

Erstens zeigt sich auf Grund der durchgehend fehlenden Kommasetzung […], dass […]. Zweitens werden der Relativsatz […] und die Apposition […] mehrheitlich unter dem Begriff „Beschreibung“ wahrge­nom­men und entsprechend abgegrenzt […]. Hierbei gelingt größtenteils ein syntaktischer Erklärungsansatz […]. Drittens ist auf mögliche Unsicherheiten der schließenden Funktion des Kommas einzugehen […]. (Auszug aus einer Masterarbeit, anonymisiert)

Wörter wie erstens, zweitens, drittens verknüpfen in der Tat keine Satzinhalte miteinander, sondern ordnen den Text, indem sie enumerativ (aufzählend) die lineare Integration von Textsequenzen markieren.40 Auch das Sprachzeichen hierbei operiert auf der Ebene der ordnenden Textorganisation, hat aber eine andere Funktion, die ich aspektadditiv nenne: Es signalisiert „eine Art lose thematische Anknüpfung […]

39 Auf den theoretischen Status von Pro-Präpositionalgruppen kommen wir noch einmal, im Zusammenhang mit Präpositionalobjekten, zu sprechen (Kap. III/3.1.4). 40 Sie stellen als „marqueurs d’intégration linéaire“ eine Untergruppe der „organisateurs textuels“ dar (Adam 2005: 118  ff.). Zu einem erweiterten Verständnis der Gliederungssignale als Textorganisa­ tionssignale s. Stein 2003: 351  ff. Aus einer ‚von unten nach oben‘-Perspektive werden Textorganisatoren als Textadverbien, Konjunktionaladverbien und/oder Konnektivpartikeln (IDS-Grammatik 1997/1: 59  f., Eroms 2001, Bührig 2007) eingestuft.

Kohäsionsglieder 

 221

an den Vortext“ bzw. bringt zum Ausdruck, „dass ein weiterer Aspekt für die gerade behandelte Quaestio relevant ist“ (HdK 2014: 1165  f.).41 Während enumerative oder aspektadditive Kohäsionsglieder eher für die lokale Textordnung verantwortlich sind, tragen Textdeiktika zur globalen Textordnung bei ( = Text-Anadeixis,  = Text-Katadeixis):

globale Textordnung

(4) […] aber ich hatte kein Pyjama,  wie gesagt, bloß mein schmutziges Hemd. (Frisch Homo: 182) (21)  Wie bereits erwähnt waren meine Tätigkeiten sehr vielfältig und abwechslungsreich […]. (Auszug aus einem Praktikumsbericht, anonymisiert) (17) Da die Entwicklung der Schreibkompetenz […] ein lebenslanger Prozess ist, gilt es, das sprachliche Normbewusstsein langfristig zu fördern […]. Deshalb wird nachstehend  kurz der Deutschunterricht an beruflichen Schulen fokussiert. (Auszug aus einer Masterarbeit, anonymisiert) (22) „Ich glaube im Namen aller zu sprechen, wenn ich, um zum Schluß zu kommen , nochmals wiederhole, daß wir den Lauf der Dinge – damals – nur bedauern können. (Frisch Andorra: 105) In allen drei Fällen geht es um die Orientierung des Lesers in einem textuellen Verweisraum: In den ersten beiden Fällen wird eine frühere Textsequenz in Erinnerung gerufen, im dritten und vierten Fall wird auf eine spätere verwiesen. Somit werden den jeweiligen, die Textdeiktika enthaltenden Textsequenzen lokale Positionen in einer globalen Ordnung zugewiesen.42 Nun wird für den Leser auch verständlich, warum Verweise auf Kapitel mit Hilfe der Ikone  und  erfolgen: In einer wissenschaftlichen Arbeit tragen solche Verweise zur Konstruktion eines globalen Textraums durch die Vernetzung von mindestens zwei lokalen Texträumen bei. Kohäsionsglieder, die für die lokale oder globale Textordnung zuständig sind, nenne ich Ordnungsglieder. Neben der Erzeugung lokaler und globaler Textordnung bemühen sich Schreiber und Sprecher auch darum, ihre Aussagen permanent zu bearbeiten, d.  h., sie durch

41 Das HdK (2014: 1166) nennt hier zwar nicht hierbei, sondern spricht von „anaphorischen phraseologischen Konnektoren wie hinsichtlich dessen, im Hinblick darauf, diesbezüglich, die ebenfalls keine spezifische inhaltliche Relation zwischen ihren Argumenten denotieren.“ Der Konnektor hierbei ist aber synonym mit diesen Konnektoren, denn sie alle gehören nach Raible (1992: 13) der Inhaltsklasse „Hinsicht“ an. In der Konnektorenliste des HdK 2014 fehlen sowohl hierbei als auch diesbezüglich. 42 Mit Ausnahme von nachstehend stellen alle Beispiele lexifizierte Kohäsionsglieder dar. Um der einheitlichen Behandlung willen wurden sie aber nicht ins Kap. II/4.5 verlegt.

Verweise auf Kapitel

Ordnungsglieder Text­ bearbeitung

222 

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

Paraphrasen, Re- und Umformulierungen, Explikationen, Präzisierungen, Exemplifizierungen verständlicher zu machen: (23) Das blau-gelbe Schiffchen der Liberalen […] soll wieder auf festen Kurs gebracht werden. Mit anderen Worten: Die Führung der Freien Demokraten will die neue Regierungskoalition […] nicht mehr zur Disposition stellen. (Westfälische Nachrichten, 18. 10. 1982, zit. n. Niehüser 1987: 122) (24) A: Was hast du heute Morgen gemacht? B: Ich habe meinen Auspuff repariert, besser gesagt, ich habe es versucht […]. (Beispiel nach Niehüser 1987: 141) (25) Zunächst trafen wir uns zu einem Planungstreffen […], das heißt X und Y entwarfen einen Plan […]. (Auszug aus einem Praktikumsbericht, anonymisiert) Variation

Korrektur

Präzisierung

Der Ausdruck mit anderen Worten stellt eine mögliche Form der „expliziten Paraphrasenankündigung“ dar: die „Ankündigung einer Paraphrase unter dem Aspekt der bloßen VARIATION“ (Niehüser 1987: 118). Der Ausdruck besser gesagt ist ebenfalls eine explizite Paraphrasenankündigung. Angekündigt wird allerdings nicht bloß eine andere Formulierung, sondern eine Korrektur (Niehüser 1987: 137). Der Ausdruck das heißt in (25) ist präzisierend, d.  h., es geht um „GENAUERSAGEN“ (Polenz 2008: 272, Versalien im Original). Entsprechend lässt sich das heißt durch genauer (gesagt) ersetzen:43 (25’) Zunächst trafen wir uns zu einem Planungstreffen, genauer (gesagt), X und Y entwarfen einen Plan […].

Formulierungsglieder

Variation, Korrektur und Präzisierung sind zentrale Aspekte der Textbearbeitung. Kohäsionsglieder, die für die Textbearbeitung zuständig sind, nenne ich Formulierungsglieder.44

43 Das HdK (2014: 1140) ordnet besser gesagt als spezifizierenden, das heißt als identifizierenden Konnektor ein. Ich orientiere mich hier an der m.  E. treffenderen Taxonomie von Niehüser 1987. Peter von Polenz (2008: 272  f. und 285  f.) rechnet explikative und metakommunikative Relationen generell zu den semantischen Verknüpfungsrelationen. Hier folge ich dem HdK (2014: 251  ff.), das zwischen inhaltsbezogenen und metakommunikativen Konnektoren unterscheidet. 44 Eine ausführliche Klassifikation bietet Niehüser (1987), der die „redecharakterisierenden Adver­ biale“ in drei Untergruppen einteilt: Redestruktur, Redeinhalt und Beziehungsaspekt. Sein Bereich der Redestruktur entspricht im Großen und Ganzen den Ordnungsgliedern, die anderen beiden Bereiche den Formulierungsgliedern. Zur Explikation von Niehüsers Modell vgl. Antos 2013. Zur Paraphrasenankündigung vgl. bereits Ortner 1983: 105  ff. und Thim-Mabrey 1985: 108  ff., zur Text- und Gesprächsorganisation aus phraseologischer Perspektive vgl. Stein 2007.

Kohäsionsglieder 

 223

Diejenigen Kohäsionsglieder, die keine satzsemantischen Verknüpfungen (im Polenz’schen Sinne) ausdrücken – im Einzelnen: die Ordnungsglieder, die Formulierungsglieder und die (bereits eingeführten) Parajunktoren, Abtönungspartikeln und Nähezeichen –, bilden die Unterklasse der Konnektoren. Somit lassen sich die Kohäsionsglieder in zwei Gruppen unterteilen: in die Subklasse der Junktoren, die Szenarios verknüpfen, und in die der Konnektoren, die den Text bzw. das Gespräch organisieren.45 Entsprechend lassen sich Junktoren semantisch wie syntaktisch subklassifizieren, während Konnektoren entsprechend ihrer (primären) Rolle bei der Text-/Gesprächsorganisation eingeordnet werden können. Terminologisch wurden die satzsemantischen Verknüpfungsrelationen, die von Junktoren ausgehen, Junktionsrelationen – kurz: Junktion – genannt. Entsprechend sollen die text- und gesprächsorganisierenden Relationen, die von Konnektoren ausgehen, Konnexionsrelationen – kurz: Konnexion – genannt werden.46 Somit besteht nun die Möglichkeit die Funktion-Argument-Wert-Formel für Kohäsionsgliedern zu präzisieren, indem die grammatische Funktion von Kohäsionsgliedern (= ‚Textkohäsiv‘) in ‚Junktion‘ und ‚Konnexion‘ unterteilt wird:

Konnektoren

Kohäsionsgliedklassen: Junktor vs. Konnektor

FunktionArgumentWert-Formeln

Junktion (Formen von Kohäsionsgliedern) = Junktor Konnexion (Formen von Kohäsionsgliedern) = Konnektor Obwohl, wie in der letzten Fußnote angedeutet, die Trennung in Junktoren und Konnektoren begrifflich (aber nicht terminologisch) durchaus üblich ist, ist es im Einzelfall nicht immer klar bzw. selbstverständlich, ob es sich um Junktion oder Konnexion handelt. Vergleichen wir zuerst zwei bereits bekannte Belege:

Junktor oder Konnektor?

(25) Zunächst trafen wir uns zu einem Planungstreffen […],(Formulierungs- das heißt glied) X und Y entwarfen einen Plan […]. (Auszug aus einem Praktikumsbericht, anonymisiert)

das heißt vs. nämlich

45 Dies ist ein Versuch, zwischen der, wie ich es nennen möchte, Raible-Tradition der Junktionsforschung und der Ortner-Tradition der Konnektorforschung begrifflich und terminologisch zu vermitteln. Die Junktionsdimensionen von Wolfgang Raible (1992) lassen sich am ehesten auf die satzsemantischen Verknüpfungen von Polenz (2008) abbilden, während Hanspeter Ortners (1983) Konnektoren zusätzlich auch die metakommunikativen Kohäsionsglieder umfassen. Der Konnektorbegriff des HdK (2014), der inhaltsbezogen (= semantisch-pragmatisch) in etwa dem Kohäsionsgliedbegriff der Grammatischen Textanalyse entspricht, steht in der Ortner-Tradition. Üblich ist dieser weite Konnektorbegriff auch in der Textlinguistik, doch ebenfalls mit einer trennscharfen Binnengliederung der Konnektorenklassen, in der die Junktoren eine eigene Unterklasse bilden (s. etwa die „connecteurs argumentatifs“ von Adam 2005: 117  ff., die den inhaltsbezogenen Konnektoren des HdK 2014 entsprechen). In der Raible-Tradition scheint dagegen Hans Jürgen Heringer (2015: 16  ff.) zu stehen, dessen Konnektorbegriff satzsemantisch fundiert ist. In der Raible-Tradition steht auch das Modell der elliptischen und expliziten Junktion (Hennig 2009, 2010 und 2010a, Ágel/Diegelmann 2010, Ágel 2010 und Langlotz 2014). 46 Ähnlich unterscheidet Ortner (1983: 104) zwischen „Beziehungen im Sinne der Verknüpfungs­ logik“ und „Vertextungsbeziehungen“.

224 

(15)



Präzisierung als Formu­ lierungs­ alternative Präzisierung des Inhalts

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

Mit gedämpfter Stimme erklärte er sein Anliegen. Er habe Ideen, die er noch keinem habe mitteilen können. Ihm scheine (Nacherst- nämlich Partikeljunktor), daß der euklidische Raum eben nicht, wie es die Kritik der reinen Vernunft behaupte, die Form unserer Anschauung selbst und deshalb aller möglichen Erfahrung vorgeschrieben sei, sondern vielmehr eine Fiktion, ein schöner Traum. (Kehlmann Vermessung: 95)

Das Kohäsionsglied das heißt wurde oben als Formulierungsglied, genauer: als präzisierender Konnektor, eingestuft. Nach dem HdK (2014: 1155  ff.) sind dagegen nämlich und und zwar die eigentlichen präzisierenden Konnektoren. Was aber wird präzisiert? Der Konnektor das heißt dient tatsächlich der Textbearbeitung: Der Verfasser des Praktikumsberichts bietet dem Leser eben eine präzisere Formulierungsalternative für den ersten Satz an. Entsprechend gilt die oben gezeigte Ersetzbarkeit von das heißt durch genauer (gesagt). Das Kohäsionsglied nämlich lässt sich dagegen nur um den Preis des Verlusts der ursprünglichen Kohäsionsbedeutung durch genauer (gesagt) ersetzen: (15’) Mit gedämpfter Stimme erklärte er sein Anliegen. Er habe Ideen, die er noch keinem habe mitteilen können. Genauer (gesagt) scheine ihm, daß der euklidische Raum eben nicht, wie es die Kritik der reinen Vernunft behaupte, die Form unserer Anschauung selbst und deshalb aller möglichen Erfahrung vorgeschrieben sei, sondern vielmehr eine Fiktion, ein schöner Traum.

Explikation

sozusagen

Im Original geht es ja nicht um eine Formulierungsalternative, sondern darum, dass der Inhalt des zweiten Satzes durch den dritten näher erklärt, erläutert, eben expliziert (Polenz 2008: 272) wird. Explikation ist also eine satzsemantische Verknüpfungsrelation und nämlich ein Junktor. Auch wenn sich im Einzelfall darüber streiten lässt, ob Präzisierung der Form (= Präzisierung), also Konnektor, oder Präzisierung des Inhalts (= Explikation), also Junktor, vorliegt, ist die Unterscheidung relevant.47 So einen potenziellen Streitfall stellt das Kohäsionsglied sozusagen dar: [28] Das Fest geht weiter, es gibt Kartoffelsalat und Würstchen, und Konjunktor) (nichtintegrierbarer

47 Auch für das HdK (2014: 1139  ff.) besteht ein kategorialer Unterschied zwischen formulierungsbezogenen (wie z.  B. das heißt) und diskurs(funktions)bezogenen (wie z.  B. und zwar und nämlich) metakommunikativen Konnektoren. Was das HdK unter Diskurs(funktions)bezogenheit versteht, ist dagegen nur schwer nachvollziehbar. Von den drei Untergruppen umfasst die erste, die der sog. relevanzbezogenen Konnektoren, Ordnungsglieder wie im Übrigen oder nebenbei. Die beiden anderen, präzisierende und exemplifizierende Konnektoren, stellen satzsemantische (aber keine aussagenlogisch basierten satzsemantischen) Verknüpfungen dar. Satzsemantik lässt sich eben nicht auf Aussagenlogik + Zeit reduzieren, wie dies in HdK 2014 passiert.

Kohäsionsglieder 

 225

die Truppe wird von der Grünauer Bevölkerung (Nichtnacherst- sozusagen Adverbjunktor) zunehmend angenommen, ja Konjunktor) (nichtintegrierbarer sogar partikel) zarte Bande werden geknüpft, die immerhin Anlass zu einem (FokusSatz wie diesem geben: […]. (26) Wir sahen zu dem Zeitpunkt nicht den Brand, sondern das Objekt. Sozusagen blickten wir mit Schläuchen und nicht mit den Augen. (die tageszeitung, 19. 05. 1989, zit. n. HdK 2014: 1208)

Um eine Entscheidung herbeizuführen, ersetzen wir sozusagen sowohl durch den präzisierenden Konnektor genauer (gesagt) als auch durch den explikativen Junktor nämlich:

Substitutionstests

[28’] Das Fest geht weiter, es gibt Kartoffelsalat und Würstchen, und Konjunktor) (nichtintegrierbarer Genauer (gesagt) wird die Truppe von der Grünauer Bevölkerung zunehmend angenommen, [28’’] Das Fest geht weiter, es gibt Kartoffelsalat und Würstchen, und Konjunktor) (nichtintegrierbarer die Truppe wird nämlich von der Grünauer Bevölkerung zunehmend angenommen, (26’) Wir sahen zu dem Zeitpunkt nicht den Brand, sondern das Objekt. Genauer (gesagt) blickten wir mit Schläuchen und nicht mit den Augen. (26’’) Wir sahen zu dem Zeitpunkt nicht den Brand, sondern das Objekt. Wir blickten nämlich mit Schläuchen und nicht mit den Augen. Das Ergebnis der Tests scheint (mir) eindeutig: In beiden Fällen handelt es sich um eine Explikation. Allerdings ist dies im Leittext-Beleg viel offensichtlicher, schließlich stellt der Umstand, dass es Kartoffelsalat und Würstchen gibt, ein (implizites) Indiz dafür dar, dass die Truppe von der Grünauer Bevölkerung zunehmend angenommen wird. Der Junktor nämlich macht diese implizite Relation zwischen Zeichen und Bezeichnetem explizit, indem er sie erläutert. Von einer alternativen Formulierung kann keine Rede sein. Schwieriger ist der andere Fall. Hier ist es aufgrund der Substitutionstests nur schwer zu entscheiden, ob es sich um ein präzisierendes Formulierungsglied oder um einen explikativen Junktor handelt.48 Ergänzend schlage ich deshalb folgende Fragetests vor: 48 Das HdK (2014: 1143) entscheidet sich für die erste Option und ordnet sozusagen, u.  a. aufgrund der Interpretation dieses Belegs, als reformulierenden Konnektor ein. Ähnlich Boettcher (2009/2: 199), der sozusagen zu den formbezogenen „Aussage-Spezialisten“ rechnet.

­Präzisierung oder ­Explikation?

Fragetests

226 

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

–– die Wie-lässt-es-sich-genauer-ausdrücken-Frage für eine präzisierende Formulierung und –– die Was-meint-X-damit-Frage für eine explikative Verknüpfung.

zwei weitere Junktions­relationen Exemplifizierung

exemplifizierendes so

Stellt man diese Fragen, wird einem klar, dass durch das (komplementierte) Mit-denSchläuchen-Blicken-Szenario die ungewöhnliche Perspektive des (komplementierten) Das-Objekt-Sehen-Szenarios näher erläutert wird. Auch hier liegt also keine Textbearbeitung vor. Abschließend gehen wir noch auf zwei weitere Junktionsrelationen kurz ein. Diese sind zwar weniger problematisch, sollen aber explizit erwähnt werden. Die eine ist die Exemplifizierung: Schauplatz ist das Gefängnis Isenbüttel, dessen Insassen zumeist Kleinkriminelle sind, die hier ihre paar Jahre absitzen. [8] Hannes (Nacherst- zum Beispiel Adverbjunktor) hatte sich eine Polizeikelle besorgt […]. [54] (Fokus- Auch partikel) Gottfried Keller kennt (Abtönungs- ja partikel) das Wunderliche, den schrägen Blick auf die Gesellschaft und auch das Herzliche (das Nette [kennt Gottfried Keller] (Nacherst- allerdings Adverbjunktor) ganz und gar nicht), und Konjunktor) (nichtintegrierbarer auch er wusste, dass das mit der Gegenwart nicht immer so gut (Fokuspartikel) zusammenging. [55] (Nichtnacherst- So Adverbjunktor) schrieb er (Mittelfeld- denn Partikeljunktor) in seiner Vorrede zum zweiten Band seiner Novellensammlung, seine Seldwyler sähen »schon aus wie andere Leute; es ereignet sich nichts mehr unter ihnen, was der beschaulichen Aufzeichnung würdig wäre, und es ist daher an der Zeit, in ihrer Vergangenheit und den guten lustigen Tagen der Stadt noch eine kleine Nachernte zu halten«. [7]

Bei Exemplifizierungen liegt „gewissermaßen ein Type-Token-Verhältnis vor.“ (HdK 2014: 1162) Dies gilt trivialerweise für zum Beispiel in der Verbindung von [7]-[8]: Das Sich-eine-Polizeikelle-Besorgen-Szenario des zweiten Satzes stellt, vermittelt über das Type-Token-Verhältnis der ‚Gegenstände‘ Kleinkriminelle und Hannes, „eine Instanz“ (ebd.) des Kleinkriminelle-Sein-(An-)Szenarios des ersten Satzes dar. Weniger trivial ist die exemplifizierende Junktionsrelation, die durch so ausgedrückt wird ([54]-[55]).49 Denn hier erfolgt die Instanziierung eines Sachverhalts direkt, ohne Vermittlung über ‚Gegenstände‘: Das Schreiben-Szenario stellt eine Instanz des Kennen- und des Wissen-Szenarios dar.

49 Das HdK (2014: 1131  f. und 1162  f.) kennt keinen exemplifizierenden, ja überhaupt keinen metakommunikativen Konnektor so. Im Wörterbuch der Konnektoren finden sich dagegen, ohne Angabe der semantischen Klasse, gute Beispiele für den exemplifizierenden Konnektor so.

Kohäsionsglieder 

 227

Die andere Junktionsrelation ist die Inkremention:

Inkremention

(27) […] bei einem Besuch vertraute er meinem Vater an, daß er dich für den außergewöhnlichsten Schüler hielt, den er je unterrichtet hatte, (Kon- ja junktor), er zögerte nicht, dir eine einmalige Begabung für fremde Sprachen zuzuerkennen […]. (Lenz Nachlaß: 21  f.) (28) Noch weiter zurück in die Vergangenheit führt ein Rundgang, denn die Kultstätte gibt es schon seit 1760, damals noch Fischhandlung mit Ankerplatz der Ewer hinterm Haus, bis 1833 ein Johann Cölln in die Familie einheiratete und der Laden zu Europas größtem Lieferanten für Kaviar mutierte. Den aßen, nein junktor), fraßen alle führenden Königshäuser, und auch der russische (KonZar Nikolaus II. überzeugte sich bei einem Besuch 1897, wer seine Schatulle daheim füllte. Kaviarexport war Zarensache. (http://www.manager-magazin.de/lifestyle/genuss/a-829391.html, zit. n. Imo 2017: 67) Bekannt ist der inkrementive Konjunktor ja (IDS-Grammatik 1997/3: 2436  f. und Hoffmann 2008: 215): „Das mit dem zweiten Konjunkt Gesagte wird besonders gewichtet und dem Gehalt des ersten als ‚Steigerung‘ – bis hin zur (markierten) Übertreibung – gegenübergestellt.“ (IDS-Grammatik 1997/3: 2436)50 Bisher ‚unentdeckt‘ war dagegen der inkrementive Konjunktor nein, den der ‚Entdecker‘ Wolfgang Imo treffend wie folgt beschreibt: „Während bei dem inkrementellen Konjunktor ja der additive Charakter im Vordergrund steht, d.  h. das vor dem Konjunktor Verbalisierte weiter bestehen bleibt und durch das nach dem Konjunktor Verbalisierte erweitert wird, weist der inkrementelle Konjunktor nein enge Bezüge zu dem Selbstreparatur-initiierenden nein auf, ein Ausdruck wird anscheinend zurückgenommen und durch einen passenderen ersetzt […].“ (Imo 2017: 67  f.) Demnach ließe sich, um den Preis einer entsprechenden Bedeutungsänderung ‚Ersatz > Erweiterung/Steigerung‘, der inkrementive Konjunktor nein durch den inkrementiven Konjunktor ja ersetzen, aber nicht umgekehrt. Kohäsionsglieder stellen eine grammatisch und semantisch identifizierbare Teilmenge der Kohäsionsmittel dar. Methodisch lassen sich Kohäsionsglieder mithilfe zweier Kriterien identifizieren: Im Sinne des Kriteriums der Restlosigkeit der Satzanalyse sind es Wörter und Ausdrücke, die nach einer Satzgliedanalyse auf der Strecke bleiben. Das zweite Kriterium sind satzgliedfremde Wortstellungen. Kohäsionsglieder lassen sich in Junktoren, die für die Satzverbindung, und in Konnektoren, die für die Text- und Gesprächsorganisation zuständig sind, unterteilen. Junktoren realisieren diverse Arten

50 Der inkrementive Konjunktor ja im Leittext ([6] […] Seltsames geschieht, ja geradezu Unerhörtes […]) ist kein Kohäsionsglied. Er verbindet keine Sätze, sondern ist Teil des gespaltenen Subjekts Seltsames … ja geradezu Unerhörtes. Zur Spaltung als Linearisierungsform von Mesogliedern Kap. III/1.6.

inkrementives nein

228 

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

von satzsemantischen Verknüpfungen (= Junktionsrelationen). Konnektoren treten dagegen u.  a. als Ordnungs- und Formulierungsglieder in Erscheinung (= Konnexionsrelationen). Sie realisieren keine satzsemantischen Relationen. Deiktische Verhältnisadverbiale stellen Doppelagenten (= Kohäsionsglied und Satzglied) dar, nichtdeiktische sind nur Satzglieder. Als Nebeneffekt der Beschäftigung mit Pronominalkonnektoren (wie währenddessen, deshalb, dafür, dabei) stellte sich heraus, dass sog. Präpositional-/Pronominal­ adverbien (wie dafür, dabei) keine Wörter, sondern Wortgruppen sind. Sie lassen sich nämlich keiner Wortart, sondern nur einer Wortgruppenart (Präpositionalgruppe) zuordnen. Fokus- und Abtönungspartikeln stellen Kohäsionsglieder dar.

4.4 Kohäsionsgliedklassen: Junktoren und Konnektoren Klassifizierung

Im Sinne der Überlegungen im vorigen Kapitel werden die Kohäsionsglieder in Junktoren (= Satz-/Nichtsatzverbinder) und Konnektoren (= Text- und Gesprächsorganisatoren) unterteilt.51 Eine grammatische Subklassifizierung der letzteren ist beim gegenwärtigen Forschungsstand nicht möglich. Dagegen lassen sich die Junktoren, wenn auch nicht problemlos, grammatischen Unterklassen zuordnen:52 Tab. 28: Klassen und Subklassen von Kohäsionsgliedern im Überblick

Kohäsionsglieder im Überblick

I. Junktoren (= Satz-/Nichtsatzverbinder) Klasse

Subklasse

Beispiele

nichtintegrierbarer Konjunktor

[30] Beifall rauscht auf, (nichtintegrierbarer und Konjunktor) »fast begann abgestandenes Bier in den Gläsern zu schäumen«.

integrierbarer ­Konjunktor

[36] Das gibt natürlich wieder Anlass zu ein paar schwersinnigen Sätzen, (integrierbarer aber Konjunktor) am Ende [gibt das Anlass] (Fokus- auch partikel) dazu, dass ein Gefängnisdirektor seine Memoiren schreibt […].

Konjunktoren (genuin in der Zwischen­stelle)

51 Theoretisch ließe sich bei den Konnektoren eine weitere Klasse „Distanzzeichen (sonstige Textkonnektoren)“ hinzufügen. In Frage kämen z.  B. Anrede- und Verabschiedungsformeln bzw. Datumsangaben in Briefen („Distanz-Nichtsätze“ nach Ágel/Hennig 2006b: 64). Doch verfügen solche Distanzzeichen über keinen lexikalisierten Bestand, sondern stellen lexifizierte Kohäsionsglied-Formate dar. 52 Zu semantischen Klassifikationsangeboten Anm. 31 und Raible 1992.

Kohäsionsglieder 

 229

Adverbjunktoren (vorfeldfähig) NacherstAdverbjunktor (nacherstfähig)

Fast alle Ethnologen bestreiten heute, daß es Kannibalismus aus Geschmacksgründen gegeben habe. Ich hingegen finde es ganz naheliegend, daß der Überdruß als Folge einseitiger Ernährung die Lust auf Menschenfleisch erzeugt, so wie auch aus der Monotonie heraus Dichtung entsteht.53

NichtnacherstAdverbjunktor (nicht nacherstfähig)

Wiebke fiel aus der Ferne dein staksiger Gang auf, außerdem glaubte sie erkannt zu haben, daß du dein Gesicht wie schuldbewußt gesenkt hieltest […].54

NacherstPartikeljunktor (nacherst-, aber nicht vorerstfähig)

Wenn bei den Olympischen Spielen die DDRRuderboote mal wieder reihenweise die Goldmedaillen abstauben, wird Oskar Lafontaine sofort an Köpenick, einen der elf Stadtbezirke Ost-Berlins denken. Dort nämlich baut man die schnellen Wasserflitzer.55

Partikeljunktoren (nicht vorfeldfähig)

Fokuspartikel (Vorerst- [31] [Polizisten] schnupperten herum, selbst partikel) der Gefängnisdirektor saß auf Partikeljunktor) (Fokuseinmal da […]. (vorerstfähig) Mittelfeld-Partikeljunktor (weder vorerst- noch nacherstfähig)

[…] am Neujahrstag könnt ihr alle Tankwarte nach Hause schicken. Da kommt eh keiner.56

II. Konnektoren (= Text- und Gesprächsorganisatoren) Klasse

Beispiele

Parajunktoren

[6] (Para- und junktor) in der Tat junktor): (ParaSeltsames geschieht, ja geradezu Unerhörtes.

53 Timm Kopfjäger: 10  f. 54 Lenz Nachlaß: 11 55 die tageszeitung, 20. 08. 1988, zit. n. Wörterbuch der Konnektoren 56 Mannheimer Morgen, 03. 01. 1989, zit. n. Wörterbuch der Konnektoren

230 

Klassifikationspräliminarien

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

Ordnungsglieder

Erstens zeigt sich auf Grund der durchgehend fehlenden Kommasetzung […], dass […]. Zweitens werden der Relativsatz […] und die Apposition […] mehrheitlich unter dem Begriff „Beschreibung“ wahrgenommen und entsprechend abgegrenzt […]. Drittens ist auf mögliche Unsicherheiten der schließenden Funktion des Kommas einzugehen […].57

Formulierungsglieder

Ich habe meinen Auspuff repariert, besser gesagt, ich habe es versucht […].58

Abtönungspartikeln

[54] (Fokus- Auch partikel) Gottfried Keller kennt (Abtönungs- ja partikel) das Wunderliche, den schrägen Blick auf die Gesellschaft und auch das Herzliche […].

Nähezeichen (sonstige Gesprächskonnektoren)

[27] (Nähe- Na denn zeichen). [32] (Nähe- Oje zeichen). [48] (Nähe- Ach was zeichen).

Es gibt keine ‚gute‘ grammatische Klassifikation von Sprachzeichen. Entweder man sieht nur den Wald, oder man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht. Im einen Fall klassifiziert man systemnah und textfern, d.  h. abstrakt, im anderen umgekehrt. Betrachten wir hierzu die folgenden fünf aber-Belege aus dem Leittext: [13] Jetzt (integrierbarer aber Konjunktor) öffnet sich das Tor zum Gefängnishof, […]. [31] Dann (integrierbarer aber Konjunktor) wie gewonnen, so zerronnen: […]. [29] (Fokus- Genau partikel) das tun die Männer (Nacherst- nun Adverbjunktor) (integrierbarer aber Konjunktor) gar nicht, […]. [36] Das gibt natürlich wieder Anlass zu ein paar schwersinnigen Sätzen, aber Konjunktor) (integrierbarer am Ende [gibt das Anlass] (Fokus- auch partikel) dazu, dass ein Gefängnisdirektor seine Memoiren schreibt, um sie dann im Verlag Hoffman und Breitner zu veröffentlichen. [43] (Para- Aber junktor) wie auch immer glied): (Intro Die Freiheiten, die sich aus solchem Erzählen ergeben, hat Siegfried Lenz weidlich und mit offenkundigem Vergnügen genutzt.

textnahe Klassifikation

Jedes dieser fünf aber-Vorkommen ist grammatisch anders: –– In [13] besetzt aber die Nacherstposition. –– Auch in [31] scheint aber die Nacherstposition zu besetzen. Doch in [31] gibt es keinen Satz und entsprechend keine Felderstruktur. Der Eindruck, dass hier aber in der Nacherstposition steht, ist also analogiebasiert, gründet auf Texterfahrungen mit analogen Satzanfängen. –– In [29] ist aber im Mittelfeld. 57 Auszug aus einer Masterarbeit, anonymisiert 58 Beispiel nach Niehüser 1987: 141

Kohäsionsglieder 

 231

–– In [36] ist aber in der Zwischenstelle und koordiniert zwei Sätze. –– In [43] ist aber ebenfalls in der Zwischenstelle, koordiniert jedoch nicht, sondern leitet, zusammen mit einem Introglied, eine Textsequenz ein. Entsprechend könnte man alleine aufgrund der Leittext-Belege und im Sinne einer textnahen Klassifikation fünf verschiedene Kohäsionsglieder aber annehmen.59 Auf den ersten Blick systemnah klassifiziert das HdK (2003: 514), das aber generell als „nicht vorfeldfähigen Adverbkonnektor“ einstuft. Allerdings gehen dieser Klassenzuordnung zwei gewichtige Entscheidungen voraus: 1) Einerseits versteht das HdK (2003: 453) unter Konjunktoren nur diejenigen koordinierenden Junktoren, die ausschließlich in der Zwischenstelle („Nullstelle“) vorkommen, d.  h. „nichtkonnektintegrierbar“ sind. Dementsprechend sind nach dem HdK und oder oder Konjunktoren, nicht jedoch aber, das in [13], [31] und [29] nicht in der Zwischenstelle steht, sondern in die topologische Struktur des Satzes integriert ist. 2) Andererseits werden die „konnektintegrierbaren (adverbialen) Konnektoren“, zu denen auch aber gehört, mithilfe von obligatorischen (topologischen) Merkmalskonfigurationen in drei große Gruppen unterteilt (HdK 2003: 485  ff.): „Nicht positionsbeschränkte Adverbkonnektoren“ (+Vorfeld, +Mittelfeld, +Nacherst), „nicht nacherstfähige Adverbkonnektoren“ (+Vorfeld, +Mittelfeld, -Nacherst) und „nicht vorfeldfähige Adverbkonnektoren“ (+Mittelfeld, -Vorfeld). Zu diesen obligatorischen Merkmalskonfigurationen kommen entsprechend der topologischen Vielfalt der Kohäsionsglieder fakultative Merkmalskonfigurationen hinzu, was in der ersten Gruppe zu elf und in der zweiten und dritten zu jeweils acht, also zu insgesamt 27 Untergruppen führt. Der „nicht vorfeldfähige Adverbkonnektor“ aber hat zwei fakultative Merkmale: +Nacherst und +Zwischenstelle („+Null“). Insgesamt verfügt also aber über vier topologische Merkmale: über zwei obligatorische (+Mittelfeld, -Vorfeld) und zwei fakultative (+Nacherst und +Zwischenstelle). Auf den zweiten Blick ist die Klassifikation des HdK also gar nicht so textfern. Denn die Merkmalskonfiguration deckt die wichtigsten Vorkommenstypen – mit Ausnahme der Unterscheidung von Konjunktor und Parajunktor ([36] vs. [43]) – ab. Die Klassifikation des HdK setzt auf Unterschiede und versteckt klassen- und subklassenübergreifende Gemeinsamkeiten in den fakultativen Merkmalen. Zwei Beispiele ausgehend von aber: –– Zwischen den („nichtkonnektintegrierbaren“) Konjunktoren und den „konnektintegrierbaren (adverbialen) Konnektoren“ gibt es prinzipiell eine scharfe Grenze.

59 Hinzu würden noch mindestens zwei Abtönungspartikel-Varianten (Helbig 1988: 80  ff.) kommen.

systemnahe Klassifikation

Merkmals­ gewichtung

Doch ­textnah? Methodisches

232 

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

Doch durch das fakultative Merkmal ‚+Zwischenstelle‘ wird die Verwendbarkeit von aber als Konjunktor (s. [36]) mit erfasst. –– Auch zwischen den „nicht positionsbeschränkten Adverbkonnektoren“ (+Vorfeld, +Mittelfeld, +Nacherst) und den „nicht vorfeldfähigen Adverbkonnektoren“ (+Mittelfeld, -Vorfeld) gibt es eine scharfe Grenze. Doch in der Gruppe der „nicht positionsbeschränkten Adverbkonnektoren“ gibt es eine Untergruppe mit dem fakultativen Merkmal ‚+Zwischenstelle‘. Insgesamt verfügen also die Mitglieder dieser Gruppe (jedoch, nun und zwar) über vier Merkmale: +Mittelfeld, +Vorfeld, +Nacherst und +Zwischenstelle. Verglichen mit aber (+Mittelfeld, -Vorfeld, +Nacherst und +Zwischenstelle) gibt es also drei verbindende Merkmale und einen Unterschied. Klassifikation der Junktoren

Trotz Kritik ist das HdK (2003) sehr wichtig für die nachfolgende Klassifikation der Junktoren. Denn erst die Auseinandersetzung mit dem HdK macht Überlegungen in Richtung einer hoffentlich relativ textnahen, jedoch nicht systemfremden Klassifikation möglich: (1) Um den Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen satzintegrierbaren Konjunktoren wie aber, doch und entweder und nichtintegrierbaren wie und, sowohl oder oder gerecht zu werden, wird zwischen integrierbaren und nichtintegrierbaren Konjunktoren unterschieden.60 (2) Bei den „konnektintegrierbaren (adverbialen) Konnektoren“ des HdK fällt auf, dass das Merkmal ‚+Mittelfeld‘ nicht distinktiv ist, sondern die drei Gruppen verbindet. Insofern braucht man dieses Merkmal nicht. Der Unterschied zwischen den drei Gruppen lässt sich mit zwei Merkmalen beschreiben: „Nicht positionsbeschränkte Adverbkonnektoren“ (+Vorfeld, +Nacherst), „nicht nacherstfähige Adverbkonnektoren“ (+Vorfeld, -Nacherst) und „nicht vorfeldfähige Adverbkonnektoren“ (-Vorfeld). Daraus ergeben sich folgende Klassifikationsmöglichkeiten: (3) +/-Vorfeld: Die Junktoren der ersten beiden Gruppen sind vorfeldfähig, die der dritten nicht. Dieser Unterschied lässt sich, entsprechend der grammatischen Tradition, als Adverb(junktor) (+Vorfeld) vs. Partikel(junktor) (-Vorfeld) fassen.61 (4) +/-Nacherst: Im Sinne des zweiten distinktiven Merkmals lassen sich sowohl bei den Adverb- als auch bei den Partikeljunktoren Nacherst- und NichtnacherstJunktoren unterscheiden (s. unten). (5) Bei den Partikeljunktoren kommt noch eine dritte Subklasse hinzu, die Mittelfeld-Partikeljunktoren (s. unten).

60 Dabei bleibt, wie beim HdK, der ‚Primat der Konjunktoren‘ bestehen. Junktoren, die als Konjunktoren eingestuft werden, tauchen in Klassen mit satzintegrierbaren Junktoren nicht mehr auf. 61 Im Rahmen des Modells der expliziten Junktion (Ágel 2010 und Ágel/Diegelmann 2010) wurden solche Kohäsionsglieder zu A(dverb)P(artikel)-Junktoren zusammengefasst.

Kohäsionsglieder 

 233

(6) Trotz der Gemeinsamkeit der Zwischenstellenbesetzung stellen Konjunktoren, die Junktoren sind, und Parajunktoren, die zu den Konnektoren gehören, (auch) grammatisch unterschiedliche Typen von Kohäsionsgliedern dar (zu den Parajunktoren s. unten).62 Wie erwähnt, Partikeljunktoren sind mittelfeld-, aber nicht vorfeldfähig. Es sind drei Gruppen zu unterscheiden: (1) Nacherst-Partikeljunktoren können in der Nacherstposition, jedoch nicht in der Vorerstposition stehen. Ausgehend vom HdK (2003: 514) gibt es im Gegenwartsdeutschen lediglich zwei Nacherst-Partikeljunktoren: nämlich und etwa.63 (2) Vorerst-Partikeljunktoren können in der Vorerstposition stehen, manche von ihnen auch (wie z.  B. sogar und selbst) in der Nacherstposition. Soweit ich sehe, deckt die Kategorie der Fokuspartikeln die der Vorerst-Partikeljunktoren ab. Denn auch Kohäsionsglieder, die in der Literatur nicht als Fokuspartikeln geführt werden, werden in der Vorerstposition als Fokuspartikeln verwendet. Das Kohäsionsglied beispielsweise etwa kommt laut Wörterbuch der Konnektoren (auch) „zusammen mit einer fokussierten Konstituente im Vorfeld (vor):64

Partikel­ junktoren Nacherst und Vorerst

(29) […] Beispielsweise mir gefallen schlichte Möbel am besten. (Beispiel nach Wörterbuch der Konnektoren) (3) Mittelfeld-Partikeljunktoren sind diejenigen Partikeljunktoren, die weder vorerstnoch nacherstfähig sind. Ausgehend vom HdK (2003: 514) gibt es nur zwei MittelfeldPartikeljunktoren: eh (Tab. 28) und denn ([55]). Dabei geht es um einen denn-Typ, der in der Fachliteratur recht stiefmütterlich (bis gar nicht) behandelt wird, im Leittext allerdings gleich zweimal belegt ist: [55] (Nichtnacherst- So Adverbjunktor) schrieb er (Mittelfeld- denn Partikeljunktor) in seiner Vorrede zum zweiten Band seiner Novellensammlung, seine Seldwyler sähen »schon aus wie andere Leute; es ereignet sich nichts mehr unter ihnen, was der beschau­ lichen Aufzeichnung würdig wäre, und es ist daher an der Zeit, in ihrer Vergangenheit und den guten lustigen Tagen der Stadt noch eine kleine Nachernte zu halten«. [56] So eine Nachernte ist es (Mittelfeld- denn Partikeljunktor) wohl (Fokus- auch Partikel), was wir mit dieser ganz und gar entspannten Geschichte in den Händen halten.

62 Zum Parajunktor aber s. Eroms 1994, zu einer präzisen syntaktisch-semantischen Analyse der aber-Varianten Métrich/Courdier 1995. 63 Zur Erinnerung: Satzintegrierbare Konjunktoren wie doch oder aber stellen per definitionem keine Adverb- oder Partikeljunktoren (mehr) dar. 64 Die Positionseinheit bleibt auch im Mittelfeld erhalten (ebd.): […] Schlichte Möbel gefallen beispielsweise mir am besten.

MittelfeldPartikeljunktor konsekutives denn

234 

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

In der Partikelforschung wird angenommen, dass es neben dem kausalen Konjunktor denn nur die Abtönungspartikel denn gebe, die jedoch in Aussagesätzen allein überhaupt nicht vorkomme, sondern nur in der Kombination mit doch (Helbig 1988: 110, Thurmair 1989: 222  f.). Dagegen kennt das HdK (2003: 584) den Typ [55] als konsekutiven Junktor im Mittelfeld:65 (30) Alles wendete sich zum Guten, und so lebten sie denn glücklich und zufrieden bis an ihr seliges Ende. (Beispiel nach HdK 2003: 584)

­Klassifikation der ­Konnektoren

Konjunktor vs. Para­ junktor

Die konsekutive Interpretation von denn durch das HdK passt gut zu der im Kap. II/4.3 vorgeschlagenen exemplifizierenden Interpretation von so in [55]. Zusätzlich zur Konsekutivität drückt denn in allen drei Beispielen auch Nachzeitigkeit (,dann‘) aus.66 Soweit die Erläuterungen zu der Klassifikation der Junktoren. Im Gegensatz zu der Klassifikation der Junktoren geht es bei der der Konnektoren nicht um eine ‚echte‘ Klassifikation. Dies dürfte angesichts der grammatischen Vielfalt der konnektoralen Kohäsionsglieder auch kaum möglich sein. Vielmehr geht es darum, sowohl die zentralen konnektoralen Funktionen als auch bereits etablierte Klassen (wie die der Abtönungspartikeln) sichtbar zu machen. Erläuternd soll im Folgenden der Begriff des Parajunktors präzisiert werden:67 (a) in Abgrenzung vom Begriff des Konjunktors, (b) mithilfe einer Subklassifikation und (c) im Hinblick auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Parajunktoren und Diskursmarkern. Abgeschlossen wird die Präzisierung erst im Kap. II/4.5, wo auf Introglieder und auf deren pragmatische Äquivalente einzugehen sein wird. Die Präzisierung wirkt sich auch auf den Begriff des Nähezeichens aus. Vergleichen wir das satzinitiale Und in [6] mit den beiden und-Vorkommen in [8]: [5] Hannes sagt: »Bald wird etwas geschehen.« [6] (Para- Und junktor) in der Tat junktor): (Para Seltsames geschieht, ja geradezu Unerhörtes. [7] Schauplatz ist das Gefängnis Isenbüttel, dessen Insassen zumeist Kleinkriminelle sind, die hier ihre paar Jahre absitzen.

65 Das HdK (2014: 1069) kennt diesen Typ nicht, dafür jedoch den negativ-konditionalen MittelfeldPartikeljunktor denn: Die Nürnberger hängen keinen, sie hätten ihn denn. (Beispiel ebd.) 66 Temporales denn ist bis heute nachweisbar. Paul (1992: 168) führt u.  a. einen Beleg aus Carl Zuckmayers „Der Hauptmann von Köpenick“ an, wo denn noch rein temporal verwendet wird: Nach Verbüßung Ihrer Strafe sind Sie ins Ausland gegangen. […] Jawoll, nach Böhmen und denn nach Bukarest. Man denke auch an die Verabschiedungsformel Bis denne! 67 Zu einer ersten Annäherung Kap. II/1.4.

Kohäsionsglieder 

 235

[8] Hannes (Nacherst- zum Beispiel Adverbjunktor) hatte sich eine Polizeikelle besorgt und Konjunktor) (nichtintegrierbarer [Hannes hatte] damit Schnellfahrer angehalten und Konjunktor) (nichtintegrierbarer [Hannes hatte] den Verschreckten ein Bußgeld abgeknöpft. In [8] liegt Koordination im engeren Sinne vor: Die Satzverbindung enthält auch (zwei) virtuelle Sätze, eingeleitet durch die beiden Konjunktoren und.68 In [6] dagegen liegt das „konnektive und“ (Selmani 2012: 148  ff.), also der Parajunktor, vor: Die Sätze [5] und [6] sind nicht koordiniert, [6] wird an [5] lediglich parataktisch angeschlossen.69 Derselbe Befund gilt für aber (s. oben): koordinierend, also Konjunktor, in [36], konnektiv, also Parajunktor, in [43]. Auch wenn dies gerade bei und nicht immer der Fall ist, gilt als prosodisch-graphematisches Markenzeichen der Parajunktoren, dass sie vom Folgetext „intonatorisch bzw. graphisch separiert“ sind (IDS-Grammatik 1997/3: 2390).70 Da die meisten Parajunktoren auch als Junktoren fungieren, bietet sich eine Klassifikation unter Angabe der Junktorenklassen an. Hinzu kommen Parajunktoren, die auch als sonstige (nicht parajunktive) Konnektoren oder als Subjunktoren funktionieren.

68 Koordination im engeren Sinne setzt bei Satzverbindungen aus realen Sätzen die kategoriale Identität der Konstituenten und die Symmetrie der Konjunkte voraus. Bei Satzverbindungen, die auch virtuelle Sätze enthalten, kommen Distributionsklassen mit asymmetrischer Elementzahl hinzu, d.  h., es muss mindestens eine Distributionsklasse geben, die weniger realisierte Elemente als die Anzahl der koordinierten Sätze hat (Kap. II/2.4). In diesem engeren Sinne ist Koordination ein rein quantitatives Verfahren, das sich mit Addition und Multiplikation vergleichen lasse (Tesnière 1959/1976: 324 und 1980: 217). Doch stellen, wie u.  a. Peter Eisenberg (2006/2: 379  ff.) zeigt, Identität und Symmetrie keine ausschließlichen Strukturformate dar. Insofern kommt selbst aus rein syntaktischer Sicht nur ein weiter, bestimmte Typen von kategorialen und strukturellen Asymmetrien zulassender Koordinationsbegriff in Frage. Ein solcher Koordinationsbegriff liegt mit dem Begriff der aggregativen Koordinationsellipse (Hennig 2010 und 2010a) vor. 69 „Der grammatische Unterschied zwischen Parajunktor und Konjunktor ist analog zu der zwischen Parataxe und Koordination: Konjunktoren stellen die grammatikalisierte Teilmenge von Parajunktoren dar. Insofern ist zu erwarten, dass Konjunktoren auch als Parajunktoren fungieren können aber nicht umgekehrt.“ (Ágel 2016: 89) M. a. W., die sog. Quasikoordination stellt nicht einen Sonderfall der Koordination dar (IDS-Grammatik 1997/3: 2362  f. und Hoffmann 2013: 432), sondern umgekehrt: Koordination ist der satzgrammatische Spezialfall der diskursiven Parataxe. Zur Unterscheidung von Koordination und Parataxe s. auch HdK 2003: 305  f. 70 Ortner (1983: 102) sieht die graphischen Signale „durch Doppelpunkt, Komma oder Bindestrich“ in direktem Zusammenhang damit, „daß Konnektoren nicht primär semantisch gebraucht werden – als Indikatoren für Beziehungen zwischen Sachverhalten – sondern pragmatisch als Indikatoren für Beziehungen zwischen Sprechakten […].“

prosodischgraphematisches Kriterium Klassifikation der Para­ junktoren

236 

Subklassen von Para­ junktoren

konjunktiver Parajunktor adverb­ junktiver Parajunktor

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

Demnach lassen sich die Parajunktoren unterteilen in 1) konjunktive, 2) adverbjunktive, 3) partikeljunktive, 4) konnektive und 5) subjunktive Parajunktoren. Durch die Angabe der jeweils anderen Funktion sollen die Subklassen allerdings nicht nur terminologisch unterscheidbar gemacht werden, sondern es wird auch angenommen, dass sich die Parajunktoren, die den einzelnen Subklassen angehören, auch grammatisch unterscheiden. Was damit gemeint ist, wird unten am Beispiel des kausalen denn verdeutlicht. Im Folgenden werden die einzelnen Subklassen an Beispielen erläutert. Konjunktive Parajunktoren sind u.  a. und und aber (s. oben). Der ‚Klassiker‘ bei den Parajunktoren ist der adverbjunktive Parajunktor.71 Einige Beispiele:72 Also, es lohnt sich noch, im Liegestuhl an Deck zu ruhen. Übrigens, wir haben ungefähr die Hälfte der Strecke zurückgelegt. (Schädlich Kokoschkin: 123) (32) Sie wollten wissen, wieso ich fälschlicherweise angenommen hatte, dass Sie für Ihre Ausführungen […] nicht länger als zwanzig Sekunden benötigt haben. Nun, Ihre E-Mails lesen sich wie ‚heruntergesprudelt’, wenn ich mir diese Einschätzung erlauben darf. (Glattauer Nordwind: 10) (33) So, und diese E-Mail schicke ich nun endlich weg […]. (Glattauer Nordwind: 17) (34) Dennoch, er musste sich räuspern und wiederholte: Dennoch, man könne nicht immer, wie man wolle. (Kehlmann Vermessung: 146)

(31)

71 Klassiker deshalb, weil er als „Para-Konjunktion“ der Gegenstand der bis heute aktuellen und beeindruckenden Monographie von Christiane Thim-Mabrey (1985) war. 72 Interessant ist, dass Thim-Mabrey (1985: 63) deshalb nicht als zwischenstellenfähig ansieht und deswegen als Parajunktor ausschließt. Hat hier in der Zwischenzeit ein Sprachwandel stattgefunden oder haben Thim-Mabrey nur die Belege gefehlt? Aus semantischer Sicht möchte ich nur auf zwei Arbeiten zu den Parajunktoren nur und überhaupt verweisen: Eroms (1994) analysiert aber und nur vergleichend und kommt zu dem Schluss, dass nur „konzilianter“ sei (1994: 289): Während aber eine Erwartung korrigiere, relativiere nur diese und lasse sie stehen (1994: 301  f.). Dalmas (2006) erklärt die parajunktiven Leistungen von jedenfalls, überhaupt und in der Tat mit Perspektivenwechsel. Dabei markiert überhaupt  – quasi in semantischer Opposition zu perspektiveneinengendem jedenfalls  – eine „Erweiterung der Perspektive“ (Dalmas 2006: 422  ff.).

Kohäsionsglieder 

 237

(35) Ich ging wieder in die Schule. […]. Überhaupt, mir gefiel Odessa. (Schädlich Kokoschkin: 47) (36) LRAD kann bleibende Hörschäden verursachen. […]. Außerdem: Unser Schiff gehört zu den großen, die eine hohe Geschwindigkeit erreichen. (Schädlich Kokoschkin: 122) (37) Möglich ist das durchaus: Nur: Das delikate Verhältnis … wird fast mehr durch das schlechte Image des Opfers als durch das historische Gewissen des Aggressors von damals bestimmt.73 (SZ, 22. 12. 1992, zit. n. Eroms 1994: 298) (38) Unehrlichkeit hat das gegenseitige Vertrauen oft schwer belastet. Deshalb: Schlechte Nachrichten dürfen nicht tabuisiert werden. (Wörterbuch der Konnektoren) Beispiele für partikeljunktive Parajunktoren sind adversatives allein und exemplifizierendes etwa:74 Große Aufgaben! Ich habe Respekt davor, ehrlich. Allein: So kann ich nicht, so will ich nicht, so denke ich nicht, so ticke ich nicht. (Glattauer Wellen: 172) (40) Rekonstruktion indessen setzt auch Zweifel voraus. Etwa: „Marx hat…75 (Neue Zürcher Zeitung, Fernausgabe 217, 1976, zit. n. Ortner 1983: 114) (39)

Was konnektive Parajunktoren anbelangt: Sowohl Ordnungsglieder (wie einerseits … andererseits) als auch Formulierungsglieder (wie kurzum) können als Parajunktoren fungieren:76 (41)

(42)

partikeljunktiver Parajunktor

konnektiver Parajunktor

Einerseits: Den Leuten aus der DDR schwimmen eh alle Felle davon, jetzt nehmen ihnen „die Westler“ auch noch ihre Wohnungen weg. Andererseits: Sind nicht auch Tausende von DDR-Bürgern in Westberliner Sozialwohnungen gezogen, die jetzt genau den übrigen „Ärmsten“ der vormaligen Halbstadt fehlen? (taz, 03. 08. 1990, zit. n. Wörterbuch der Konnektoren) Kurzum: Wir können und wollen miteinander. (Glattauer Wellen: 117)

Subjunktive Parajunktoren gerieten vor allem durch die Gesprochene-Sprache-Forschung ins Blickfeld. Weil in der gesprochenen Sprache konnten ‚normale‘ Nichtverbletzt-Verwendungen von weil, obwohl und anderen Subjunktoren nachgewie-

73 Auslassung im Original. 74 Der Parajunktor allein ist der historische Vorgänger des „konzilianten“ nur (Eroms 1994: 289). 75 Satzabbruch im Original. 76 Nach dem HdK (2014: 1148  f.) gehört kurzum zu den resumptiven (formulierungsbezogenen metakommunikativen) Konnektoren.

subjunktiver Parajunktor

238 

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

sen werden.77 In den Texten von Wolf Haas, der gerne die Mündlichkeit simuliert, kommen sie auffallend häufig vor, z.  B. (43) Parajunktor und Diskursmarker

Stellung

Bedeutung

System vs. Genese

Wer redet, bleibt. Wer schweigt, geht. Obwohl. Gegangen ist der Brenner ja schon. Nur. Wohin gegangen? Weil es gibt ein Gehen, das ist schlimmer als das schlimmste Bleiben. (Haas Leben: 20)

Subjunktive Parajunktoren werden in der Gesprochene-Sprache-Forschung den sog. Diskursmarkern, einer recht heterogenen Klasse von Nähezeichen, zugeordnet.78 Da in der Gesprochene-Sprache-Forschung auch die anderen Gruppen von Parajunktoren als Diskursmarker angesehen werden würden, stellt sich die Frage nach dem Verhältnis der beiden Begriffe zueinander:79 Hinsichtlich der Stellung gibt es einen weiten Begriff von Diskursmarker, der äußerungsinitiale wie -finale Einheiten umfasst (Auer/Günthner 2003), und einen engen, der auf äußerungsinitiale Einheiten beschränkt ist (Imo 2012). Parajunktoren sind äußerungsinitial, stehen also in der Zwischenstelle. Betrachtet man äußerungsfinale Einheiten wie z.  B. nicht wahr? (Vergewisserungssignal/tag question) auch als Diskursmarker, verzichtet man auf einen semantisch relativ einheitlichen Diskursmarkerbegriff: „Diskursmarker (liefern) konkrete Verstehensanweisungen für die Nachfolgeäußerung (begründend durch weil, konzessiv durch obwohl, handlungssegmentierend durch ich mein etc.), was wiederum Vergewisserungssignale nicht können.“ (Imo 2012: 67) Parajunktoren kodieren, so wie Diskursmarker im engeren Sinne, immer semantische Relationen, aber eben keine satz-, sondern text- bzw. diskurssemantische Rela­tio­nen. Wenn man die Bedeutung von Diskursmarkern als „reduziert“ (Gohl/ Günthner 1999: 59) oder als „verbleicht“ (Imo 2012: 79) beschreibt, so ist das nur eine (gewiss unfreiwillige) ‚Sekundärbetrachtung‘ der Diskursmarker aus der Primärperspektive der Satzsemantik. Dasselbe gilt für die syntaktische Betrachtung des Phänomenbereichs. Der Begriff des Diskursmarkers impliziert eine sprachhistorische Perspektive, nämlich die Vorstellung, dass sich satzgrammatische Sprachzeichen (wie z.  B. Subjunktoren oder Konjunktoren) weiter grammatikalisiert (und/oder pragmatikalisiert) und so den syntaktischen Kernbereich (Satz) verlassen hätten.80 Dagegen ist der Begriff des

77 Fälschlicherweise (oder eben nur simplifizierend, aber auf jeden Fall irreführend) wird Nichtverbletzt als Verbzweit apostrophiert. Kritisch dazu Ágel 2016. 78 Zu Diskursmarkern s.  u.  a. Gohl/Günthner 1999, Günthner 1993, 1999 und 2008, Auer/Günthner 2003, Imo 2012 und Heine 2013. Zu Nichtverbletzt s. auch Freywald 2015 und Ágel 2016. 79 Zum Nachfolgenden s. Ágel 2016. 80 Eine Lösung für das langwierige Problem, ob es sich um Grammatikalisierung oder Pragmatisierung handelt, bietet Viktória Dabóczi (2010). Sie plädiert zwar für Pragmatisierung, modelliert jedoch Pragmatisierung, Grammatikalisierung und Lexikalisierung nicht als disjunkte, sondern als Schnitt-

Kohäsionsglieder 

 239

Parajunktors rein systembezogen: Mit ihm wird betont, dass es sich um einen textsyntaktischen und nicht um einen satzsyntaktischen Begriff handelt.81 Diskursmarker ist ein interaktionaler Begriff, während der Begriff des Parajunktors sich sowohl auf die Mündlichkeit als auch auf die Schriftlichkeit anwenden lässt. Das Paradebeispiel für einen nicht interaktionalen Parajunktor ist kausales denn, z.  B.

Mündlichkeit/ Schriftlichkeit

(44) Es war unsere letzte Gemeinsamkeit, denn auch die Frisuren trugen wir längst verschieden. (Hein Freund: 152) Kausales denn stellt einen notorischen Problemfall dar. Es gilt als „Quasikonjunktor“ (Hoffmann 2013: 450  ff.) oder als parataktischer „Einzelgänger“ (HDK 2003: 584  ff.). Nach der hier vorgeschlagenen Systematik gehört es zusammen mit Parajunktoren wie weil und obwohl der Subklasse der subjunktiven Parajunktoren an. Dies bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als dass es sich grammatisch genauso verhält wie die Namengeber-Parajunktoren der Subklasse. Es lässt sich klar einordnen und ist in diesem Sinn kein Einzelgänger. Sein Einzelgängertum besteht lediglich darin, dass es keinen kausalen Subjunktor denn gibt. Im Gegensatz etwa zu den Parajunktoren weil und obwohl ist also kausales denn im gegenwartsdeutschen System monofunktional. Der Begriff des Parajunktors ist mit dem engen Diskursmarkerbegriff durchaus verträglich. Diskursmarker im engeren Sinne könnten demnach parajunktive Diskursmarker genannt werden. Dabei gibt es allerdings zum einen ‚perspektivische‘ Differenzen: Parajunktor ist weder syntaktisch noch semantisch ein Begriff, der vor dem Hintergrund der Satzgrammatik betrachtet wird. Parajunktoren sind wie alle Kohäsionsglieder Textglieder und somit theoretisch gleichberechtigt mit Sätzen und Nichtsätzen als weiteren Textgliedern. Zum anderen sind Parajunktoren mündliche wie schriftliche Konnektoren. Sie sind nicht auf Interaktion beschränkt. Wie erwähnt, wirkt sich die Präzisierung des Parajunktorbegriffs auch auf den Begriff des Nähezeichens der Grammatischen Textanalyse aus. Denn parajunktive Diskursmarker sind auch Nähezeichen, genauso wie Abtönungspartikeln, die

mengen (Dabóczi 2010: 17  f.). Folglich stellen Pragmatisierungen immer auch teilweise Grammatikalisierungen und Lexikalisierungen dar. 81 Diese Perspektive, die nicht vom Primat des Satzes ausgeht, ist vergleichbar mit der Perspektive der „Discourse Grammar“ (Kaltenböck/Heine/Kuteva 2011, Heine/Kaltenböck/Kuteva/Long 2013 und Heine 2013). Für die „Discourse Grammar“ besteht die Grammatik aus zwei gleichberechtigten Teilbereichen: „Sentence Grammar (SG)“ und „Thetical Grammar (TG)“. Diskursmarker gehören zur TG. „Thetical“ (als Kurzwort für „parenthetical“) ist nicht zu verwechseln mit ‚thetisch‘ (vs. ‚kategorisch‘), Kap. II/3.4. Im Übrigen macht auch Bernd Heine (2013: 1221  ff.) einen neuen Vorschlag zur Genese der Diskursmarker. Er plädiert dafür, Grammatikalisierung einen Mechanismus namens ‚Cooptation‘ vorzuschalten. Kooptation ist der Mechanismus für die Herausbildung von Ad-hoc-TG-Einheiten aus SG-Einheiten. Qua Grammatikalisierung werden diese dann ins TG-System eingegliedert.

denn: ein subjunktiver Parajunktor

Fazit

Nähezeichen

240 

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

als eigene Konnektorenklasse in Erscheinung treten. Genau in diesem Sinne ist die Erläuterung in Tab. 28 „sonstige Gesprächskonnektoren“ zu verstehen: Nähezeichen in diesem engeren Sinne sind z.  B. Interjektionen, Rederechts-, Kontakt- oder Zögerungssignale.82 Junktoren werden in Konjunktoren, Adverbjunktoren und Partikeljunktoren unterteilt. Bei den Konjunktoren werden satzintegrierbare und nichtintegrierbare unterschieden. Bei den Adverb- und Partikeljunktoren (+/-Vorfeld) lassen sich jeweils Nacherst- und Nichtnacherst-Junktoren (bzw. Fokuspartikeln/Vorerst-Junktoren) unterscheiden. Bei den Partikeljunktoren kommen noch die Mittelfeld-Partikeljunktoren hinzu. Konnektoren werden in Parajunktoren, Ordnungsglieder, Formulierungsglieder, Abtönungspartikeln und Nähezeichen unterteilt. Die Subklassen der Parajunktoren sind: konjunktive, adverbjunktive, partikeljunktive, konnektive und subjunktive Parajunktoren. Zwischen Parajunktoren und Diskursmarkern bestehen wichtige Gemeinsamkeiten (> parajunktive Diskursmarker), aber auch Unterschiede. Nähezeichen sind in einem engeren Sinne zu verstehen (z.  B. Interjektionen, Rederechts-, Kontaktoder Zögerungssignale), denn in einem weiteren Sinne stellen auch parajunktive Diskursmarker und Abtönungspartikeln Nähezeichen dar.

4.5 Lexifizierte Kohäsionsglieder Hat das Kohäsions­ glied Format?

Näheausdrücke

Das Konzept der lexifizierten Formate konnte auf die anderen beiden Textglieder angewandt werden (lexifizierte Satz-Formate Kap. II/2.8, lexifizierte NichtsatzFormate Kap. II/3.5). Dass es lexifizierte Kohäsionsglieder, d.  h. idiomatische Strukturen, die als Kohäsionsglieder fungieren, gibt, steht außer Frage. Fraglich ist allerdings, ob es spezifische grammatische Formen gibt, die exklusiv für Kohäsionsglieder sind. Dieser Frage wollen wir kurz nachgehen. Schauen wir uns zuerst drei Typen von Näheausdrücken an:83

82 Einen Klassifikationsvorschlag der „Gesprächswörter und äquivalente(n) Verfahren“ (= Nähezeichen) bieten Koch und Oesterreicher (2011: 42  ff.), zu einem weiteren Klassifikationsvorschlag in Anlehnung an das Nähe-Distanz-Modell (Ágel/Hennig 2006) vgl. Ágel 2005: 119  ff. Einen Überblick über Gesprächspartikeln und Interjektionen (Ausdruckspartikeln) bieten Schwitalla (2012: 156  ff.) und der Duden (2016: 1232  f.). Die IDS-Grammatik (1997/1: 62  f.) unterscheidet interaktive Einheiten (Interjektion und Responsiv), die im Gegensatz zu den Wortarten „als selbständige Einheiten der Interaktion fungieren“ (IDS-Grammatik 1997/1: 62, s. auch Ehlich 2007a). Einen Vorschlag, die Kategorie des Responsivs zu erweitern und durch die des Reaktivs zu ersetzen, macht Bernd Sieberg (2016). 83 Nähezeichen können Wörter wie Ausdrücke sein.

Kohäsionsglieder 

 241

a) Interjektionsausdrücke:84 (45) Was ist denn los, verdammt nochmal, ihr sollt über den Platz gehen wie gewöhnlich. (Frisch Andorra: 116) (46) „Meine Fresse“, sagte schließlich das Pferd. (Kästner 35. Mai: 87) b) Verabschiedungsformeln: (47) A: B:

Verabschiedungsformeln

Schöne Grüße! Du auch schöne Grüße!

c) (nicht parajunktiver) Diskursmarker:85 (48)

Aber das hätten die sich auch nicht träumen lassen. Dass der Brenner eines Tages Besuch durch das Gangfenster im dritten Stock kriegt. Und noch dazu durch das geschlossene Fenster. Und noch dazu eine halbe Stunde nach Ende der Besuchszeit.



Pass auf. Der Besuch ist so wirklich vor dem Brenner gestanden, den hätte er abwatschen können […]. (Haas Leben: 24)



Interjektionsausdrücke

Der Interjektionsausdruck Meine Fresse und die Verabschiedungsformeln haben die Form von (fragmentarischen) Nichtsätzen, der Interjektionsausdruck verdammt nochmal ist formal ein dynamischer Satz (interne Prädikation), der Diskursmarker Pass auf ein statischer. Und wie steht es um die prosodischen Spezifika dieser Nähezeichen. Sprechen sie für exklusive Kohäsionsglied-Formate? Betrachten wir hierzu zwei Kontrastbeispiele: (49) dass ich meine Fresse noch mit der Hand verdeckte, habe ich erst … auf den Bildern gesehen (Der Spiegel, 03. 12. 1979, zit. n. DUW 2003) (50) Pass auf! Da liegt was auf dem Weg. Auch ohne nähere empirische Überprüfung dürfte klar sein, dass der Interjektionsausdruck Meine Fresse und das Akkusativobjekt (zweiten Grades) meine Fresse im dass-Nebensatz prosodisch anders sind. Dasselbe gilt für den Diskursmarker Pass

84 Interjektionsausdrücke sind per definitionem polylexikalisch und stellen sog. sekundäre Interjektionen (Ehlich 1986: 256  f. und 2007: 434  f.) dar. Das erste Kohäsionsglied des Frisch-Belegs (denn) ist eine Abtönungspartikel. 85 Zum englischen Pendant, dem Diskursmarker „parenthetical look“, s. Heine 2013: 1233  f.

Diskurs­ marker Pass auf!

Prosodie

242 

Kohäsionsglied-Formate

DiskursmarkerFormat Und noch dazu X

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

auf und den Imperativsatz Pass auf!86 Trotzdem lässt sich beim gegenwärtigen Forschungsstand nicht sagen, ob es für diese oder andere Nähezeichen spezifische (distinktive) prosodische Muster gibt. Am ehesten wäre es noch bei den Interjektionen denkbar, was allerdings nicht bedeuten würde, dass sich spezifische prosodische Muster mit spezifischen syntaktischen Kohäsionsglied-Formaten verbinden würden. M. a. W., selbst wenn ein Interjektionsausdruck wie na ja ein spezifisches prosodisches Muster hätte, bliebe dieses Muster syntaktisch möglicherweise isoliert, nicht übertragbar auf andere syntaktische Kombinationen von na (wie na denn, na schön, na klar, na bitte, na warte usw.).87 Wie in Anm. 51 erwähnt, kommen als mögliche lexifizierte KohäsionsgliedFormate z.  B. Anrede- und Verabschiedungsformeln oder Datumsangaben in Briefen in Frage. Denn ein lexifiziertes Format wie etwa den TT.MM.JJ findet man bei anderen Textgliedern (Sätzen, Nichtsätzen) oder bei Satzgliedern nicht.88 Auch der Ausdruck Und noch dazu X (s. den Haas-Beleg), eine mögliche „Diskursmarkerkonstruktion“ (Imo 2012: 79), stellt ein lexifiziertes Kohäsionsglied-Format dar. Dasselbe gilt für das Introglied-Format so, und jetzt zu X:

IntrogliedFormat

(51) (Intro- So, und jetzt zu ein paar Punkten glied): […]. (Glattauer Nordwind: 15) (51’) (Intro- So, und jetzt zu X glied): […]. (51’’) (Intro- So, und jetzt zu dir glied): […]. (51’’’) (Intro- So, und jetzt zu den von Ihnen skizzierten Optionen einer Vertragsauflösung mit sofortiger Wirkung glied): […].

keine Kohäsionsglied-Formate

Dagegen basiert die Mehrheit der lexifizierten Kohäsionsglieder auf formalen Anleihen bei anderen Gliedern.89 Das beste Beispiel hierfür sind die Introglieder (Kap. II/1.5):90

Introglieder

86 Für das Beispiel mit dem Imperativsatz Pass auf! und die folgende Einschätzung (per Mail) danke ich Roland Kehrein: „Der Unterschied zwischen beiden liegt m.  E. in der lokalen Intonation auf auf. Im Imperativsatz wird dieses (introspektiv) mit einem steigend-fallenden Verlauf produziert, der aber vielleicht nur zur Akzentuierung beiträgt. Im Diskursmarker fällt die Intonation auf auf. Das Ganze müsste man natürlich empirisch überprüfen!“ 87 Die syntaktischen Kombinationen von na wurden von Konrad Ehlich (1986: 104  ff.) untersucht. 88 Diese Feststellung ist natürlich auf das Konzept der Grammatischen Textanalyse zu beziehen. Arbeitet man mit einem anderen Nichtsatzbegriff (oder Ellipsenbegriff), ließen sich sicherlich auch Datumsangaben als Nichtsatz-Formate begründen. 89 Dies gilt insbesondere für die mündliche Interaktion: „Es gibt eine ganze Reihe solcher PseudoKonstruktionen, in denen eine komplexe Syntax orat recycled wird; vgl. etwa Pseudofragen wie Weißt du was, wir gehen jetzt in die Kneipe. Dabei wird mit Weißt du was keine Frage gestellt, sondern die Äußerung ist in etwa synonym mit Los, wir gehen jetzt in die Kneipe.“ (Maas 2010: 108, Anm. 80) 90 Unter den lexifizierten Kohäsionsgliedern, die als Introglieder fungieren, gibt es welche, wie der wenn-Nebensatz des Glattauer-Belegs, die auch am rechten Satzrand vorkommen. Sie sollen den

Kohäsionsglieder 

 243

Um auf das aktuell Brisanteste zu kommen glied): Warum hat der Westen […] (Introdarüber zu befinden, wer eine Atombombe haben darf? (53) (Intro- Was Kleinigkeiten ausmachen glied): Er trug dieselben Anzüge […]. (54) (Intro- Nicht dass die Fatah des Machmud Abbas eine Schäfchenherde wäre glied): auch sie hat […] den Terror nach Israel getragen. (Zeitungsbelege, zit. n. Schuster 2008: 158, Kursivierung ebenfalls von Schuster) (55) (Intro- Um es gleich zu sagen glied): Ich werde gesucht. (Timm Kopfjäger: 9) (56) »(Intro- Die Sache ist die  glied)«, sagte er plötzlich, »Kumpel, ich habe den Kram satt, verstehst du? (Böll Aufenthalt: 73) (57) (Intro- Wenn ich mich nicht irre/täusche glied)… (32) Sie wollten wissen, wieso ich fälschlicherweise angenommen hatte, dass Sie für Ihre Ausführungen […] nicht länger als zwanzig Sekunden benötigt haben. Nun, Ihre E-Mails lesen sich wie ‚heruntergesprudelt’, (Extro- wenn ich mir diese Einschätzung erlauben darf glied). (Glattauer Nordwind: 10) (52)

Die Glieder, deren Formen sich hier Kohäsionsglieder bedienen, sind Satz (Die Sache ist die) und diverse Satzglieder: Finaladverbial (Infinitivkonstruktionen mit um … zu), Konditionaladverbial (wenn-Nebensätze) und Konzessivadverbial (Nicht dassNebensatz).91 Nun könnte man sich die Frage stellen, warum hier überhaupt Kohäsionsglieder vorliegen sollen. Warum wird etwa Die Sache ist die nicht als ein normaler Satz oder Um auf das aktuell Brisanteste zu kommen nicht als ein normales Finaladverbial analysiert? In Bezug auf das Strukturmuster die Sache/das Ding/das Problem/der Punkt ist, dass… stellt Susanne Günthner (2008: 98) fest, dass im gesprochenen Deutsch „die kanonische Form [Matrixsatz + Komplementsatz] eher die Ausnahme repräsentiert; stattdessen zeichnen sich Realisierungsformen ab, bei denen der ‚Matrixsatz‘ aus einer verfestigten Phrase besteht […].“ Dass die Sache ist die-Konstruktion, wie sie von Heinrich Böll schon in den 50er Jahren verwendet wurde, tatsächlich „verfestigt“ ist und keinen Hauptsatz (‚Matrixsatz‘) darstellt, erkennt man daran, dass man in der Konstruktion kein Prädikat identifizieren kann: Es gibt kein die-sein-Szenario, also kein katadeiktisches Prädikativ die, mit dessen Valenz sich ein Prädikativgefüge (als Prädikat) begründen ließe.

Verlegenheitsterminus Extroglied bekommen. Extroglieder sind parenthetische Kommentarmittel (Kap. III/4.3). 91 Unklar ist (mir) der Ex-Glied-Status des Was-Nebensatzes (Was Kleinigkeiten ausmachen). Am ehesten wohl ein „gegenstandsfundierter W-Satz“ (IDS-Grammatik 1997/3: 2270  ff.).

Formate

Warum Kohäsions­ glieder? die Sache ist die-Konstruktion

244 

vorangestellte Adverbiale +/-An­ szenierung

pragmatische Äquivalente von Intro­ gliedern Nichtsätze als pragmatische Äquivalente von Intro­ gliedern

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

Dies hat damit zu tun, dass katadeiktische Demonstrativpronomina weder zu den typischen noch zu den peripheren Prädikativen gehören.92 Vorangestellte Adverbiale besetzen in der Regel das Vorfeld, z.  B. (58)

(Final-

Um darauf zu kommen adverbial), muss man schon schlau sein.

Hier ist die Infinitivkonstruktion mit um … zu klar anszenierend: Durch das daraufkommen-Anszenario des finalen Verhältnisadverbials wird das schlau-sein-müssen-Szenario des Satzes kontextualisiert. Im Gegensatz dazu wird das zu-befindenhaben-Szenario des Satzes (52) durch die Infinitivkonstruktion mit um … zu (Um auf das aktuell Brisanteste zu kommen) nicht anszeniert, und die Infinitivkonstruktion befindet sich entsprechend auch nicht im Vorfeld, sondern am linken Satzrand.93 Nicht alle kohäsiven Strukturen am linken Satzrand sind Introglieder. Am linken Satzrand ist auch mit „pragmatisch synonym(en)“ Verwendungen (Ortner 1983: 99) anderer Text- oder Satzglieder zu rechnen.94 Das Kapitel abschließend sollen pragmatisch äquivalente Nichtsätze, Sätze und Satzglieder kurz betrachtet werden. Im Kap. II/3.4 wurde bereits darauf hingewiesen, dass sich vorangestellte globale externe Prädikationen und fragmentarische Nichtsätze als pragmatische Äquivalente von Introgliedern interpretieren lassen: Jetzt (globale externe interessante Frage Prädikation), warum hat der Zuhälter Schmalzl auch das Ohr an der Bevölkerung?95 (Haas Tiere: 17) (60) Da hat er Recht gehabt. Aber (globale externe interessant Prädikation). Oft, wenn jemand Recht hat, kommt die Unterhaltung ins Stocken.96 (Haas Tiere: 20) (61) (fragmentarischer Frage an den Schönschweiger Nichtsatz): Wie lange gedenkst du unser ‚uns‘ noch schönzuschweigen? (Glattauer Wellen: 212) (62) Nun, ich werde mich nicht krampfhaft bemühen, Ihnen das Gegenteil zu beweisen, sonst wird es peinlich. Vermutlich schreibe ich derzeit einfach

(59)

92 Typisch sind Substantive (Klaus ist Lehrer) und Adjektive (Klaus ist glücklich), peripher sind zu Adkopulae konvertierte Substantive (Der PC ist klasse) oder Präpositionen (Der PC ist an). Keines dieser Prädikative ist deiktisch. Das Prädikativgefüge als Prädikatsklasse wird in einem eigenen Kapitel behandelt (Kap. III/2.1.4). 93 Auf Irrelevanzkonditionaladverbiale komme ich unten zu sprechen. 94 Bernd Heine (2013: 1221) spricht hier im Gegensatz zu „formulaic theticals“von „spontaneously created theticals“. 95 Das statische Prädikat das Ohr an der Bevölkerung haben stellt ein Idiom dar (Kap. III/2.1.2). 96 Das statische Prädikat Recht haben stellt ein Nominalisierungsverbgefüge, ins Stocken kommen ein Funktionsverbgefüge dar (Kap. III/2.1.2).

Kohäsionsglieder 



 245

älter, als ich bin. Und, (fragmentarischer mein Verdacht Nichtsatz): Sie schreiben jünger, als Sie sind. (Glattauer Nordwind: 12)

Anders die folgenden Ausdrücke, die nur das Format einer globalen externen Prädikation haben, aber Introglieder sind: (63) (64)

Klar glied), dieser Zusammenhang passt in keine schnelle Schlagzeile. (SZ, 16. 8. 2000, zit. n. Eroms 2001: 47) Also gut glied): Auch wenn Sie (derzeit) keinen Humor haben, bei E-Mails (Introkennen Sie sich offenbar ganz gut aus. (Glattauer Nordwind: 11) (Intro-

Die Adjektive solcher Ausdrücke haben sich nämlich semantisch wie syntaktisch von kanonischen Adjektivverwendungen entfernt, „allenfalls [lassen sie sich, VÁ] als Verkürzung einer prädikativen Konstruktion auffassen.“ (Eroms 2001: 47) Auch Sätze kommen als pragmatische Äquivalente von Introgliedern vor: (65)

Leo, Sie machen mich unsicher. Sicher ist nur eines: Ja, ich will, dass Sie mir weiter E-Mails schreiben […]. (Glattauer Nordwind: 20)

Hier wird das sicher-sein-Szenario (mit topikalisiertem Prädikativ) introäquivalent verwendet. Das Szenario bleibt gültig. Das Adjektiv hat sich weder semantisch noch syntaktisch von typischen prädikativen Adjektiven entfernt. Es soll auf zwei Satzglieder am linken Satzrand kurz eingegangen werden: auf Irrelevanzkonditionaladverbiale und Kommentarglieder. Die kanonische Position von Irrelevanzkonditionaladverbialen ist aus guten (semantischen) Gründen (Kap. III/3.1.6) nicht das Vorfeld, sondern der linke Satzrand: (66)

Egal, ob diesmal das Milliardenspektakel ein Erfolg wird adverbial), (IrrelevanzkonditionalTsutsumis Plan ist in allen Punkten aufgegangen. (DIE ZEIT, 05. 02. 1998, zit. n. Waßner 2006: 383)

Die pragmatische Introäquivalenz ist besonders gut an Belegen mit Doppelpunkt nachzuvollziehen: (67)



NichtsatzFormat als Introglied

Was immer sich die Museumspädagogen gedacht haben mögen : Hier wird im Bemühen, moderne Sehgewohnheiten zu bedienen, Erinadverbial) nerung surreal. (Zeitungsbeleg, zit. n. Schuster 2008: 158, Kursivierung ebenfalls von Schuster) (Irrelevanzkonditional-

Sätze als pragmatische Äquivalente von Intro­ gliedern

Satzglieder als pragmatische Äquivalente von Introgliedern Irrelevanz­ konditional­ adverbiale

246 

Kommentarglieder

 Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten

Trotzdem sind beide Nebensätze klar anszenierend: Durch die Anszenarios werden semantische „(Nicht-)Bedingungen“ (Waßner 2006: 390) ausgedrückt, die keine Folgen für die Szenarios haben. Aggregativ angeschlossene Kommentarglieder am linken Satzrand wurden im Kap. II/1.5 eingeführt und Ansätze genannt: (68) Was ist denn jetzt wieder los? Wollen sich die Jungs etwa beschweren, daß ich Runden schmeiße? So was habe ich ja noch nie erlebt. (An-  Am besten  satz), ich sage jetzt gar nichts mehr und denke mir meinen Teil. (Hennig von Lange Relax: 85) (69) Eigentlich müsste ich auswendig wissen, wie viele Tasten es sind, aber,  leider  satz), ich muss erst nachzählen. (An (Glattauer Nordwind: 127) Auch für sie gilt, was für Irrelevanzadverbiale gilt: Sie behalten ihren kanonischen grammatischen Wert bei. Die pragmatische Introäquivalenz ist auch hier am besten an Belegen mit Doppelpunkt nachzuvollziehen: (70)



[…] denn schon zwei Sonntage hintereinander bin ich meinem Chef begegnet, der jedesmal […] unserem Pluto das Fell krault. Aber (An-  merkwürdigerweise : Pluto mag ihn nicht […]. satz) (Böll Hundefänger: 57)

Neben lexifizierten Satz- und Nichtsatz-Formaten gibt es zwar auch lexifizierte Kohäsionsglied-Formate (z.  B. das Introglied-Format so, und jetzt zu X, evtl. Interjektionsausdrücke), aber die Mehrheit der lexifizierten Kohäsionsglieder basiert auf formalen Anleihen bei Satzgliedern (Finaladverbial, Konditionaladverbial, Konzessivadverbial) und anderen Textgliedern (Sätzen und Nichtsätzen), was an Introgliedern (z.  B. Um es gleich zu sagen…, Die Sache ist die…) gezeigt wurde. Von Introgliedern sind pragmatisch äquivalente Nichtsätze, Sätze und Satzglieder (Irrelevanzkonditionaladverbiale und Kommentarglieder) am linken Satzrand abzugrenzen.

III Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

1 Mesoglieder 1.1 Textanalyse 1.2 Prädikat, Satzglieder (im engeren Sinne), Kommentarglieder 1.3 Prädikat 1.3.1 Valenz 1.3.2 Prädikatsklassen im Überblick 1.3.3 Dynamische Prädikate 1.4 Satzglieder (im engeren Sinne) 1.4.1 Klassifikationskriterien 1.4.2 Satzglieder (im engeren Sinne) im Überblick 1.4.3 Dynamische Satzglieder 1.5 Kommentarglieder 1.6 Die lineare und funktionale Struktur von Mesogliedern 1.7 Über Möglichkeiten und Grenzen von Satzgliedproben

1.1 Textanalyse Legende: Makroglieder: Punkt-Strich-Unterstrich: Nichtsatz; Unterstrichen: Kohäsionsglied; Schwarz: Satz1 Mesoglieder: fett: Prädikat; (tiefgestellte Klammern): Satzglied (grau hinterlegt: Verhältnisadverbiale);  gerahmt : Kommentarglied

[1]

JOCHEN JUNG

[2] [3]

Siegfried Lenz Total entspannt

[4] (Ad- Mit seiner grundsympathischen Novelle »Landesbühne« verbial) hat sich (SubSiegfried Lenz jekt) (Akkusativ- einen Spaß objekt) erlaubt. [5] (Sub- Hannes jekt) sagt: (Akkusativ- »Bald wird etwas geschehen« objekt). [6] Und in der Tat: Seltsames te-) geschieht, (nes Sub- ja geradezu Unerhörtes jekt). (gespal[7] Schauplatz ist (Sub- das Gefängnis Isenbüttel, dessen Insassen zumeist Kleinkriminelle sind, die hier ihre paar Jahre absitzen jekt).

1 rekonstruierte Glieder in eckigen Klammern DOI 10.1515/9783110409796-006

250 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Hannes jekt) zum Beispiel hatte (Dativ- sich objekt) (Akkusativ- eine Polizeikelle objekt) (Subbesorgt und [(Sub- Hannes jekt) hatte] (Ad- damit verbial) (Akkusativ- Schnellfahrer objekt) angehalten und [(Sub- Hannes jekt) hatte] (Dativ- den Verschreckten objekt) (Akkusativ- ein Bußgeld objekt) abgeknöpft. [9] Erst (Ad- als er eine Zivilstreife gestoppt hatte verbial), war (Sub- der Spaß jekt) zu Ende. [10] (Sub- Hannes, im Übrigen nicht besonders redselig jekt), teilt (Akkusativ- die Zelle mit dem Erzähler dieser Geschichte, aus dessen Leben Hannes objekt) (Präpositionalerstaunlich viel mitzuteilen weiß und den er »Professor« nennt objekt). [11] Das war (Sub- er jekt) auch, für Literatur sogar, Spezialgebiet Sturm und Drang, bis aufflog, dass er sich selbst zu oft als Stürmer und Bedränger gefallen (Adund die hübschesten und schlechtesten Studentinnen mit Höchstlob durchs Examen geschleust hatte verbial). [12] (Akkusativ- Vier Jahre Isenbüttel objekt) hat (Sub- das jekt) (Dativ- dem Professor objekt) eingebracht, und zwei [Jahre] davon jekt) sind erst rum. (Sub[13] (Ad- Jetzt verbial) aber öffnet sich (Sub- das Tor zum Gefängnishof jekt), und ein Bus te-) rollt ein, (nes Sub- an dessen Seite groß das Wort »Landesbühne« (gespalaufgemalt ist jekt). [14] (Sub- Ein Stück jekt) soll aufgeführt werden, (Ad- im Speisesaal verbial). [15] (Sub- Es jekt) heißt Das Labyrinth und [(Sub- es jekt)] handelt (Präpositional- von zwei älteren Damen, die in einem Hamburger Vorgarten ein echtes Labyrinth haben, in dem man zur Verbesserung der Welt tatsächlich Leute, die es nicht anders verdient haben, zum Verschwinden bringen kann objekt). [16] (Sub- Die beiden jekt) heißen Trudi und Elfi und [(Sub- die beiden jekt)] sind (Ad- weitläufig verbial) verwandt (Präpositional- mit den Brewster-Tanten aus Arsen und Spitzenhäubchen objekt). [17] (Akkusativ- Wie das Stück ausgeht objekt), erfährt (Sub- man jekt) allerdings  nicht . [18] (Ad- Nachdem es schon die längste Zeit versteckte Zeichen und Verabredungen gegeben hat verbial), nimmt (Sub- Hannes jekt) (Akkusativ- seinen Professor objekt) und [(Sub- Hannes jekt)] führt (Akkusativ- ihn objekt) (Direkti- zum Landesbühnen-Bus, in dem es sich bereits ein gutes Dutzend der sogenannten Insassen halbwegs bequem gemacht hat vum). [8]

Mesoglieder 

 251

Kurz darauf verbial) öffnet (Sub- ein ahnungsloser Torhüter jekt) (Akkusativ- die Pforte , objekt) und draußen verbial) sind (Sub- sie jekt). (Ad[20] (Ad- Weit verbial) kommen (Sub- sie jekt)  nicht . [21] Das [= (Sub- Sie jekt) kommen  nicht  (Ad- weit verbial)] aber nur (Ad- deswegen, weil sie schon bald ein Transparent über der Chaussee entdecken: »Grünau heißt euch willkommen zum Nelkenfest « verbial), und diese schöne Einladung objekt) können (Sub- sie jekt) einfach  nicht  aus(Akkusativschlagen. [22] (Sub- Grünau jekt) scheint eine fröhliche und erstaunlich kulturversessene Gemeinde, wie es auch in Schleswig-Holstein nicht so viele gibt. [23] (Ad- Als die Grünauer sehen, dass die Landesbühne sie zu ihrem Fest beehrt , sind (Sub- sie jekt) begeistert. verbial) [24] (Sub- Die Insassen jekt) sind immerhin so geistesgegenwärtig, das Schauspielen erst mal auf die lange Bank zu schieben und [(Sub- die Insassen jekt)] empfehlen sich (Präpositional- mit ihren Sangeskünsten, die sie als braver Gefangenenchor in Isenbüttel trainiert haben objekt). [25] Und was objekt) singen (Sub- sie jekt)? (Akkusativ[26] [(Sub- Sie jekt) singen] (Akkusativ- »Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt « objekt). [27] Na denn. [28] (Sub- Das Fest jekt) geht weiter, es jekt) gibt (Akkusativ- Kartoffelsalat und Würstchen objekt), (Sub und die Truppe jekt) wird (Präpositional- von der Grünauer Bevölkerung objekt) sozusa(Subgen (Ad- zunehmend verbial) angenommen, ja sogar (gespal- zarte Bande te-) werden geknüpft, (nes Sub- die immerhin Anlass zu einem Satz wie diesem geben jekt): »(Ad- So verbial) ist (Sub- es jekt), manchmal verbial) geschieht (nominales etwas im Leben, mit dem man sich (Adabfinden muss« Subjekt). [29] Genau (Akkusativ- das objekt) tun (Sub- die Männer jekt) nun aber  gar nicht , sie jekt) finden sich  überhaupt nicht  ab, (Sub im Gegenteil, gerade (gespal- Hannes te-) arbeitet (Ad- kräftig verbial) (Präpositional- an ihrer Grünauer Eingemeindung objekt), (nes Sub- unterstützt vor allem vom kunstsinnigen Bürgermeister jekt) [19]

(Ad-

252 



 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

und da wir hier ja nicht die ganze Geschichte nacherzählen sollten verbial), raffen (Adwir jekt) mal (Ad- etwas verbial) zusammen (Sub und teilen [(Sub- wir jekt)] nur (Akku- so viel sativ-) mit, (ob- dass der Professor Volkshochschulvorträge hält – natürlich zum Thema Sturm und Drang – und Hannes in kürzester Zeit ein vollständiges Heimatmuseum einrichtet und auch eröffnet . jekt) [30] (gespal- Ein Fußballspiel te-) gibt (Sub- es jekt) ebenfalls, (nes Akkusativ- eine Mädchengarde und eine Feuerwehrkapelle objekt), Gäste jekt) kommen (Direkti- aus nah und fern  – Husum etwa und Eckern (Subförde – vum), aber ehe die Sache dann doch etwas matt wird verbial), kommt (Sub- es jekt) noch (Adzu einer Art Ordensverleihung, bei der es die Nelke in Bronze, Silber (Präpositionalund Gold gibt und die das ganze Geschehen noch einmal dekorativ und dekorierend zusammenfasst und hochzieht objekt), Beifall jekt) rauscht auf, (Sub und »(Ad- fast verbial) begann (Sub- abgestandenes Bier jekt) (Ad- in den Gläsern verbial) zu schäumen«. [31] (Ad- Dann verbial) aber wie gewonnen, so zerronnen: Polizisten jekt) waren sowieso schon (Ad- da und dort verbial) aufgetaucht (Sub und [(Sub- Polizisten jekt)] schnupperten herum, selbst (Sub- der Gefängnisdirektor jekt) saß (Ad- auf einmal verbial) (Ad- da verbial), Zwischenfälle objekt) hat (Sub- es jekt) gegeben –  leider  (Ad- in der Gegend (Akkusativvon Eckernförde verbial) –, und schnapp! sitzen (Sub- sie jekt) (Ad- wieder verbial) (Ad- im Bus verbial) und bald darauf verbial) [sitzen (Sub- sie jekt)] (Ad- in ihrem Pisspott namens Isenbüttel (Ad. verbial) [32] Oje. [33] (Sub- Hannes jekt) scheint zu resignieren, der Professor jekt) schreibt (Akkusativ- Tagebuch objekt), (Sub der Zellennachbar jekt) hängt (Akkusativ- sich objekt) auf, (Sub und dann verbial) kommt auch noch (Ad- ein weiteres Mal verbial)  – (Sub- die Landes(Adbühne jekt).

Mesoglieder 

 253

[34] Und was objekt) spielen (Sub- sie jekt)? (Akkusativ[35] [(Sub- Sie jekt) spielen] (Akkusativ- Warten auf Godot objekt). [36] (Sub- Das jekt) gibt  natürlich  (Ad- wieder verbial) Anlass (Präpositional- zu ein paar schwersinnigen Sätzen objekt), aber am Ende verbial) [gibt (Sub- das jekt) Anlass] auch (Präpositional- dazu, dass ein (AdGefängnisdirektor seine Memoiren schreibt, um sie dann im Verlag Hoffman und Breitner zu veröffentlichen objekt). [37] Und, was das Schönste ist: Zwei Zellengenossen jekt) sind Freunde geworden. (Sub[38] Ist (gespal- das te-) nun (nes Sub- alles jekt) glaubwürdig? [39] Dumme Frage. [40] (Sub- Wir jekt) sind (Ad- hier verbial)  nicht  (Ad- beim Amtsgericht verbial). [41] (Präpositional- Zu dem Theaterstück Das Labyrinth objekt) wird (Ad- einmal verbial) gesagt, es sei »eine Geschichte, in der das Fantastische im Wirklichen aufging« jekt). (Sub[42] Nun, hier verbial) ist (Sub- es jekt)  wohl  eher umgekehrt. (Ad[43] Aber wie auch immer: Die Freiheiten, die sich aus solchem Erzählen ergeben objekt), hat (Sub- Sieg(Akkusativfried Lenz jekt) (Ad- weidlich und mit offenkundigem Vergnügen verbial) genutzt. [44] Und ehe jetzt jemand etwas von Abgeklärtheit und womöglich gar Altersweis(Adheit erzählt verbial), darf gesagt werden, (Sub- dass sich der Autor hier in erster Linie einen ordentlichen Spaß erlaubt hat – neugierig darauf, wie weit man mit realistischen Mitteln dem Unerhörten auf der Spur bleiben kann jekt). [45] (Ad- Wann verbial) spielt (Sub- das alles jekt)? [46] (Ad- Irgendwie verbial) [spielt (Sub- das alles jekt)]  wohl  doch (Ad- in ferneren Zeiten . verbial) [47] Oder hat (Sub- der Professor jekt) (Akkusativ- die ganze Geschichte objekt) nur (Ad- nach einer langen Nacht mit einer seiner bedürftigen Studentinnen verbial) geträumt? [48] Ach was. [49] (Su- Es b-) gilt (je- das geschriebene Wort kt), und erzählt jekt) ist erzählt. (Sub-

254 

[50]

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Und wenn Siegfried Lenz erzählt verbial), hat (Sub- das Erzählte jekt) (Ad- immer und in (Adjedem Fall verbial) (Akkusativ- etwas Herzliches, das, was man gemeinhin grundsympathisch nennt objekt). [51] (Ad- Wobei man zu bedenken geben muss, dass, wenn man so grundsympathisch von einer Welt erzählt, die ja eher nicht so herzlich und grundsympathisch ist, das Herzliche gelegentlich auch ein wenig ins Nette rutschen kann, was dann der Schärfe unserer Tage nicht so voll und ganz entspricht verbial). [52] Aber weil Siegfried Lenz vor allem auch ein erfahrener Autor ist ver-), hat (Sub- er jekt) (Addie Sache objekt) (bi- deswegen al) (Ad- gleich verbial) (Direkti- etwas ins Zeitferne vum) (Akkusativgerückt. [53] Und [(Sub- er jekt)] trifft sich (Ad- damit verbial)  auf überraschende Weise  (Präpositional- mit dem Autor der Leute von Seldwyla, an die man beim Lesen dieser Novelle sowieso schon zurückgedacht hat objekt). [54] Auch (Sub- Gottfried Keller jekt) kennt ja (Akkusativ- das Wunderliche, den schrägen Blick auf die Gesellschaft und auch das Herzliche objekt) ((Akkusativ- das Nette objekt) [kennt (Sub- Gottfried Keller jekt)] allerdings  ganz und gar nicht , und auch (Sub- er jekt) wusste, (Akkusativ- dass das mit der Gegenwart nicht immer so gut zusammenging objekt). [55] So schrieb (Sub- er jekt) denn (Ad- in seiner Vorrede zum zweiten Band seiner Novellensammlung verbial), (Akkusativ- seine Seldwyler sähen »schon aus wie andere Leute; es ereignet sich nichts mehr unter ihnen, was der beschaulichen Aufzeichnung würdig wäre, und es ist daher an der Zeit, in ihrer Vergangenheit und den guten lustigen Tagen der Stadt noch eine kleine Nachernte zu halten« . objekt) [56] (Sub- So eine Nachernte jekt) ist es denn  wohl  auch, was wir mit dieser ganz und gar entspannten Geschichte in den Händen halten.

Mesoglieder 

 255

1.2 Prädikat, Satzglieder (im engeren Sinne), Kommentarglieder In den Kap. I/3.2–4 wurde folgende Unterteilung der Mesoglieder (= Satzglieder im weiteren Sinne) vorgeschlagen.

Abb. 6: Mesoglieder

Im Sinne dieser Typisierung lässt sich ein grammatischer Satz wie z.  B. [36]

Das jekt) gibt  natürlich  (Ad- wieder verbial) Anlass (Präpositional- zu ein paar schwer(Subsinnigen Sätzen objekt), […].

wie folgt beschreiben: Im Zentrum des Satzzentrums steht das Prädikat gibt…Anlass. Das Prädikat als der archimedische Punkt unter den Satzgliedern (= Satzgliedtyp Nr.  1) entwirft (kontext- und situationsbezogen) das Szenario, d.  h. den einzelsprachlichen Sachverhalt, auf den alle anderen Satzglieder Bezug nehmen. Das Prädikat gibt…Anlass prädeterminiert die Grundstruktur des Satzes, indem es die syntaktisch-semantischen Merkmale der Partner, die das Szenario vervollständigen (komplementieren) sollen, vorgibt: Was gibt Anlass wozu? Das obige Anlassgeben-Szenario bedarf also nicht nur des szenierenden Prädikats, sondern auch zweier Komplemente (= Ergänzungen, Aktanten): Subjekt Das und Präpositionalobjekt zu ein paar schwersinnigen Sätzen.2

2 Zur Abgrenzung der Komplemente Kap. III/1.3.1.

Grund­ struktur

256 

Erweiterung der Grundstruktur

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Prädikat und Komplemente bilden zusammen die Grundstruktur des Satzes, also das Satzzentrum. Nicht mehr zur Grundstruktur gehören in [36] das Temporaladverbial wieder und das Kommentaradverbial natürlich, die allerdings zwei grundverschiedene Funktionen ausüben: Während das Temporaladverbial das Szenario aus einer sachverhaltsinternen Perspektive einrahmt, greift mithilfe von natürlich der Feuilletonist als externer Beobachter in das Szenario ein, indem er es (bewertend) kommentiert. Als ‚klassisches‘ situierendes Adverbial gehört das Temporaladverbial zu den Supplementen (Angaben), die ein Szenario nicht komplementieren, sondern einrahmen, kontextualisieren. Komplemente und Supplemente stellen zusammen die Satzglieder im engeren Sinne (= Satzgliedtyp Nr. 2) dar. Schließlich gehört das Kommentaradverbial natürlich zu den Kommentargliedern (= Satzgliedtyp Nr.  3), die ein Szenario (mit oder ohne Kontextualisierung) aus der Außenperspektive des schreibenden oder sprechenden (oder fiktional erzählenden) Betrachters kommentieren. Supplemente und Kommentarglieder stellen – perspektivisch unterschiedliche – Erweiterungen der Grundstruktur dar (Satzperipherie). Drei Typen von Satzgliedern bestimmen die Satzstruktur: das Prädikat, das als szenierendes Satzglied im Zentrum des Satzes und der Satzanalyse steht, die Satzglieder im engeren Sinne, die ein Szenario komplettieren (Komplemente) oder kontextualisieren (Supplemente), und die Kommentarglieder, die ein (‚nacktes‘ oder kontextualisiertes) Szenario aus der Perspektive eines externen Beobachters (des Schreibers oder Sprechers) kommentieren.

1.3 Prädikat 1.3.1 Valenz

Prädikat als Valenzträger

Die Grundfrage, die Satzbildung und Szenierung betrifft, ist: Woher kommt die Fähigkeit des Prädikats, die Grundstruktur des Satzes zu prädeterminieren, d.  h., die Anzahl und die syntaktisch-semantischen Merkmale der Komplemente zu bestimmen? Die Antwort ist, dass Prädikate Valenz haben bzw. verbale Valenzträger darstellen.3 M. a. W., eine mögliche Perspektive, unter der sich das Prädikat als theoretisches Konstrukt betrachten lässt, ist die valenzbezogene Perspektive: Prädikate als Valenzträger verfügen über die Valenz genannte Fähigkeit, die Grundstruktur des Satzes zu prädeterminieren.4 Wendet man die Prädikatsfunktion im Sinne der Funktion-Argu-

3 Zum verbalen Valenzträger s. Ágel 2000: 113  ff., Järventausta 2003 und Hyvärinen 2003. 4 Die Frage nach der Valenz(potenz) (= dem Aktantenpotenzial des verbalen Valenzträgers) ist die meistbehandelte Grundfrage der Valenztheorie, die in der Regel als ‚E/A-Unterscheidung‘ (E = Ergän-

Mesoglieder 

 257

ment-Wert-Formel auf Verben und Verbkomplexe als grammatische Formen mit spezifischer Valenz, d.  h. auf verbale Valenzträger, an, erhält man spezifische valenzbezogene Prädikatswerte:5 Prädikat (verbaler Valenzträger mit Form X & Valenz Y) = X-Prädikat mit Y-Valenz Übertragen auf den Leittext-Satz Nr. [36] (Kap. III/1.2):6 Prädikat (Anlass geben) = NVG-Prädikat mit Subjekt und Präpositionalobjekt Wie lässt sich nun Valenz kurz charakterisieren?7 Zwischen den szenariokonstituierenden Satzgliedern, dem Prädikat und seinen Komplementen, können unterschiedliche Beziehungen bestehen, die Valenzrela­tio­ nen genannt werden. Relevant für den Valenzbegriff der vorliegenden Arbeit sind folgende Valenzrelationen:8 1. BET (Beteiligtheit/Szenariobeteiligung): Es ist eine allgemeine semantische Eigenschaft des Valenzträgers, die Grenze zwischen Komplementen und Supplementen zu bestimmen; 2. FOSP (formale Spezifizität/Rektion): Es ist eine spezifische Eigenschaft des Valenzträgers, relevante Formmerkmale (wie z.  B. Kasus) der Komplemente zu bestimmen und auf diese Weise zur Stabilisierung der BET-Grenze beizutragen; 3. INSP (inhaltliche Spezifizität): Es ist eine spezifische Eigenschaft des Valenzträgers, relevante Inhaltsmerkmale (wie z.  B. semantische Rollen) der Komplemente zu bestimmen und auf diese Weise zur Stabilisierung der BET-Grenze beizutragen; 4. NOT (Notwendigkeit): Es ist eine spezifische Eigenschaft des Valenzträgers, den aus der Texterfahrung sublimierten ‚Realisierungsdrang‘ der einzelnen Komplemente zu kodieren und auf diese Weise zur Stabilisierung der BET-Grenze beizutragen.

zung (Komplement), A = Angabe (Supplement) etikettiert wird. Zu dieser Grundfrage s. Jacobs 1994, IDS-Grammatik 1997/2: 1026  ff., Ágel 2000: 167  ff., Storrer 2003, Zifonun 2003, Ágel/Fischer 2010: 267  ff. und Welke 2011: 45  ff. Zum Überblick über die Grundfragen der Valenztheorie s. Ágel 2000: 105  ff. und Ágel/Fischer 2010: 264  ff. 5 Die Formel lautet: F (A) = W. Sie besagt, dass die Anwendung einer Funktion F auf ein Argument A (z.  B. eine sprachliche Form) einen bestimmten Wert W ergibt, in den auch die Merkmale des Arguments (der sprachlichen Form) eingehen. Ausführlich zur Formel, ihrer Begründung und ihrer Anwendung Kap. I/2.4.1–4. 6 NVG = Nominalisierungsverbgefüge (Kap. III/1.3.2) 7 Zum Nachfolgenden s. insbesondere Fischer 2001 und 2003, Ágel/Fischer 2010 und das Konzept einer integrativen Valenztheorie in Ágel 2004. Instruktiv sind auch die Überlegungen in der IDSGrammatik (1997/2: 1030  ff.). 8 Eingebürgert haben sich in der Valenztheorie in Anlehnung an Jacobs (1994: 14  ff.) Kurzwörter für die Bezeichnung der einzelnen Valenzrelationen. Ausführlich besprochen werden die einzelnen Relationen in Ágel 2000: 171  ff.

Valenz

258 

BET

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Wie man an den Formulierungen sieht, stellt BET die übergreifende, die anderen Relationen zu einer kognitiven Einheit integrierende Valenzrelation dar: Zwischen einem Valenzträger und seinen Komplementen besteht per definitionem die Relation der Szenariobeteiligung. Folglich gibt es „nur eine Dimension, die eigentlich über den Ergänzungsstatus entscheidet, und das ist Sachverhaltsbeteiligung“ (Fischer 2001: 259). Ein instruktives Beispiel von Klaus Fischer (ebd.) ist der doppeldeutige Satz: (1) Sie hat sich in London verliebt.

Norm­ verletzungen als Szenariotests

FOSP, NOT, INSP

„London ist entweder Objekt ihrer Verliebtheit und Sachverhaltsbeteiligter des Sichin-jemanden-oder-etwas-Verliebens-Sachverhalts, oder Ort des Sich-Verliebens, und damit kein Sachverhaltsbeteiligter, sondern situiert den Sich-Verlieben-Sachverhalt.“ (ebd.) So wie einem Normen am deutlichsten durch ihre Verletzung bewusst werden, werden einem die Grenzen eines Szenarios am ehesten bewusst, wenn man sie verletzt, beispielsweise durch eine zeugmatische Satzverbindung:9 (2) Man konnte die Initiative sofort, den Täter allerdings erst später ergreifen. Die Grenzverletzung macht hier klar, dass sich ein Initiative-ergreifen-Szenario von einem Täter-ergreifen-Szenario unterscheidet. BET ist also „die Valenzintuition, oder, wenn man so will, das ‚Wesen der Valenz‘“ (ebd.). Intuitionen basieren auf Erfahrungswerten; entsprechend haben auch Valenz­ intuitionen empirische Korrelate. Diese sind die disjunktiven Valenzrelationen FOSP, NOT und INSP.10 Diese Relationen sind bezüglich BET disjunktiv, weil prinzipiell eine Relation für die BET-Intuition ausreicht.

9 Hier wurden zwei grammatische Sätze – (1) Man konnte die Initiative sofort ergreifen und (2) Man konnte den Täter erst später ergreifen – (durch das Kohäsionsglied allerdings) koordiniert, obwohl sich ein Prädikatsteil (die Initiative) und ein Akkusativobjekt (den Täter) normgemäß nicht koordinieren lassen. Daraus entsteht der grammatische Effekt der strukturell erzwungenen ‚Aufspaltung‘ der festen Wortverbindung (Nominalisierungsverbgefüge) die Initiative ergreifen in ein Ad-hoc-Akkusativobjekt (die Initiative) und ein Vollverb (ergreifen). Auf diesem grammatischen Effekt basiert der semantische Effekt der Umszenierung des ersten Satzes, die darin besteht, dass auf die (ansonsten) feste Wortverbindung die Initiative ergreifen diejenige Bedeutung von ergreifen übertragen wird, die in der freien Wortverbindung den Täter ergreifen vorliegt. 10 Disjunktion ist die logische Relation des inklusiven (einschließenden) oder (= ‚und/oder‘). Ein Beispiel aus Artikel 3,3 des Grundgesetzes: „Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“ Um gegen Artikel 3,3 zu verstoßen, reicht ein Faktor (z.  B. Geschlecht), aber auch alle anderen Faktorenkombinationen führen zum Verstoß. Dasselbe gilt für Benachteiligung und/oder Bevorzugung: Eines reicht für einen Verstoß und die Kombination von beidem ist auch einer.

Mesoglieder 

 259

FOSP, NOT und INSP lassen sich ebenfalls am besten durch Normverletzungen illustrieren:

weitere ­Szenariotests

[36a] ?(Sub- Das jekt) gibt  natürlich  (Ad- wieder verbial) Anlass (Präpositional- auf ein paar schwersinnige Sätze objekt). [36b] ?(Sub- Das jekt) gibt  natürlich  (Ad- wieder verbial) Anlass. [36c] ?(Sub- Das jekt) gibt  natürlich  (Ad- wieder verbial) Anlass (Präpositional- zu einem Bürosessel objekt). [36a] illustriert die Verletzung der FOSP-Relation, indem das korrekte Rektum zu+Dativ des Präpositionalobjekts durch das inkorrekte auf+Akkusativ ersetzt wurde (Ersatzprobe: Ersatz eines Formmerkmals). [36b] illustriert die Verletzung der NOT-Relation durch Eliminierung des Präpositionalobjekts (Weglassprobe).11 Schließlich illustriert [36c] die Verletzung der INSP-Relation, indem durch den Ersatz der Substantivgruppe (zu) ein paar schwersinnigen Sätzen durch die Substantivgruppe (zu) einem Bürosessel ein Metonymie-Problem generiert wurde (Ersatzprobe: Ersatz eines Inhaltsmerkmals). Denn während sich ein Anlass zu ein paar schwersin­ nigen Sätzen als ‚Anlass zum Sprechen/Äußern von ein paar schwersinnigen Sätzen‘, also als eine Metonymie-Relation zwischen einem expliziten Handlungsgegenstand (…Sätze) und einer impliziten Handlung (Sprechen/Äussern) verstehen lässt, kann die Substantivgruppe einem Bürosessel keine vergleichbare MetonymieRelation erzwingen, „koerzieren“ (Coene 2006: 151  ff.).12 Ein Anlass zu einem Büro­ sessel ist eben nicht so gut als ‚Anlass zum Kauf eines Bürosessels‘ interpretierbar, wobei individuelle Unterschiede nicht auszuschließen sind. In anderen Fällen dürfte die semantische Normverletzung Konsens sein (türkis = dynamische Satzglieder): (3)

[…] Ihre E-Mails lesen sich wie ‚heruntergesprudelt‘ […]. (Glattauer Nordwind: 10)

11 In der Valenztheorie hat NOT mindestens vier verschiedene Interpretationen (Storrer 1992: 105  ff.): SEM-NOT (= sinnnotwendig), SYN-NOT (= syntaktisch notwendig), TEX-NOT (= textobligatorisch) und KOM-NOT (= kommunikativ notwendig). Die hier favorisierte Interpretation als ein „aus der Texterfahrung sublimierter ‚Realisierungsdrang‘“ basiert auf der disjunktiven Relation von drei von diesen vier: SYN-NOT, TEX-NOT („Das Komplement ist obligatorisch für die Kohärenz eines Textes.“ (Storrer 1992: 105)) und KOM-NOT („Das Komplement ist notwendig/obligatorisch für eine kommunikativ angemessene Äußerung.“ (ebd.)). Was syntaktisch notwendig zu realisieren ist (wie beispielsweise das Subjekt), wird in der Regel auch realisiert (zu regulären Nichtrealisierungen des Subjekts s. Eroms 2010: 29  ff.). Was syntaktisch nicht notwendig zu realisieren ist, kann textobligatorisch und/oder kommunikativ notwendig sein. Im Sinne der Gesprächsprinzipien von Grice (1975) dürfte KOM-NOT auf dem Relevanzprinzip basieren (s. auch Heringer 1984: 35  ff.), während sich TEX-NOT eher auf die Quantitäts- und Ausdrucksprinzipien beziehen lässt. 12 Zu Rekonstruktion und kritischer Sichtung des Konzepts der „coercion“ und verwandter Konzepte s. Lauwers/Willems 2011.

FOSP-Test

NOT-Test INSP-Test

260 

(3‘)

Valenz und Assoziation

Assoziationstests

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Ihre E-Mails lesen sich jeden Tag.

Als Komplement von lesen sich erwartet man prototypischerweise ein Modal- und nicht ein Temporaladverbial: In (3‘) wurde die INSP-Relation verletzt. Abschließend möchte ich noch auf eine fünfte Valenzrelation eingehen, die zwar in der Grammatischen Textanalyse unmittelbar nicht einsetzbar ist, die aber u.  U. interessante Korrekturen unserer teils konservativ-präskriptiv geprägten Valenzintuitionen ermöglicht:13 5. PRÄSUPP (Präsupponiertheit): Es ist eine kognitiv-psychische Disposition eines Sprachteilhabers, die Szenario-Beteiligten eines Valenzträgers zu präsupponieren. Die Relation geht auf frühere Arbeiten von Hans Jürgen Heringer (1984 und 1985) zurück. Die naheliegende Hypothese ist, dass Szenariokomplementierer in der individuellen, szenariospezifischen Kompetenz der Sprachteilhaber stärker präsupponiert sind als Szenariokontextualisierer. Um Präsupponiertheit zu testen, bieten sich Assoziationstests an. Heringer (1985: 83  ff.) hat 20 deutsche Verben getestet, indem die (insgesamt 100) Versuchspersonen spontan Fragen zu den einzelnen Verben stellen mussten. Die Antworten wurden mitgeschnitten, um die Zeit zu messen, die zwischen der Nennung des Verbs durch den Versuchsleiter und der Nennung der einzelnen Fragewörter durch die Versuchspersonen verstrich (= Latenz). Errechnet wurde die Assoziationsstärke der einzelnen Fragewörter auf der Grundlage von Latenz und Frequenz. Ohne auf Testverlauf und Auswertungsmethode im Detail einzugehen, sollen hier zwei Ergebnisse kurz wiedergegeben werden:14 verkaufen: 1. was (0.5); 2. wer (1.2); 3. an wen (1.6); 4. wem (2.3); 5. wo (4.8); 6. wie (7.3); 7. wie viel (7.4) … 10. wofür (10.8) … 12. wen (15.0); 13. wozu (15.2) beschuldigen: 1. wen (0.6); 2. wer (1.3); 3. warum (2.0); 4. weshalb (5.4); 5. wann (7.4); 6. weswegen (8.0); 7. womit (11.2); 8. was (12.2); 9. wofür (13.3); 10. wessen (17.6)

verkaufenTest

Die Ergebnisse zum Verb verkaufen, bei dem es eine signifikante Assoziationsgrenze zwischen wem und wo gibt, bestätigen die Angaben im Verbvalenzwörterbuch von Helbig und Schenkel (1978: 371): obligatorische Valenzstellen für Subjekt und Akku-

13 Das Kurzwort PRÄSUPP (Ágel 2000: 209) wird ASSOZ (= Assoziiertheit, s. Jacobs 1994: 29) vorgezogen. 14 Je niedriger der Quotient ist, der in Klammern hinter dem Fragewort steht, desto stärker ist das Komplement, für das das Fragewort steht, assoziiert.

Mesoglieder 

 261

sativobjekt und eine alternativ besetzbare fakultative Leerstelle für Dativobjekt/Präpositionalobjekt mit an+Akkusativ.15 Ganz anders beim Verb beschuldigen: Der Valenzträger beschuldigen hat nach Helbig und Schenkel (1978: 223  f.) die Valenz Subjekt-Akkusativobjekt-Genitivobjekt, z.  B. Das Gericht beschuldigt ihn der Bestechung. Die Versuchspersonen sehen es aber anders. Das Genitivobjekt hat einen peripheren Status, während die Fragen nach dem Grund der Beschuldigung (warum, weshalb, weswegen) absolut prominent sind. Als drittes Komplement von beschuldigen hat also das Kausaladverbial einen zentralen Status, während die alternative Realisierung der dritten Komplementstelle als Genitivobjekt nur noch peripher ist.16 Im Falle von beschuldigen stellt also PRÄSUPP eine wichtige Korrektur unserer konservativ-präskriptiv geprägten Valenzintuition dar. PRÄSUPP stellt ein kognitiv-psychologisches Korrelat zu BET dar. Ob ein Komplement im aktuellen Textzusammenhang aktiviert wird, hängt in hohem Maße wohl auch davon ab, wie stark die einzelnen Komplementkandidaten im aktuell verfügbaren Wissensbestand des Sprechers/Schreibers präsupponiert sind. Der praktische Nachteil von PRÄSUPP ist allerdings, dass man als Einzelperson ad hoc keine validen Testergebnisse produzieren kann, sodass man sich bei der konkreten Textanalyse auf FOSP, INSP und NOT verlassen muss.17 Da das Testen von INSP mitunter zu kontroversen Ergebnissen führen kann, gilt daher als Faustregel: Szenariobeteiligte (BET) gibt uns unsere Valenzintuition an. Die Intuition kann durch formale ­Spezifizität (FOSP), inhaltliche Spezifizität (INSP) und Notwendigkeit (NOT) überprüft werden. Szenariobeteiligte erkennt man am besten an FOSP oder NOT. FOSP- oder NOT-Manipulationen im Text führen zu ungrammatischen Sätzen oder zur Änderung des jeweils intendierten Szenarios.18

15 Andere Valenzwörterbücher – KVL 1978: 284 und ViF 1986: 741 –, die jeweils noch eine fakultative Valenzstelle für die Nennung des Entgelts (10. wofür) angeben, sind mit den Testergebnissen weniger konform. 16 Zu zentralen und peripheren Komplementen generell Kap. III/1.4.1, zu den einzelnen peripheren Komplementen Kap. III/3.1.5. Interessant ist, dass sich Genitivobjekt und Kausaladverbial auch kombinieren lassen (Beispiel von Gisela Zifonun): Man beschuldigte sie gleich eines Diebstahls, weil sie zwei Brötchen unter dem Ladentisch versteckt hatte. Allerdings ist hier das Kausaladverbial Supplement und somit keine Alternative zum Genitivobjekt. Es begründet eben das komplette EinesDiebstahls-beschuldigen-Szenario. Trotzdem bleibt das Problem, wie sich alternative Realisierungen von Genitivobjekt und Kausaladverbial von nichtalternativen unterscheiden lassen. 17 Der praktische Nachteil wirkt sich auf die theoretische Relevanz nicht aus. Kein Chemiker würde auf die Idee kommen, ein Laborexperiment generell für irrelevant zu erklären, nur weil man es zu Hause nicht durchführen kann. 18 Der Valenzbegriff wird im Kap. III/1.3.3, wo auf das Konzept der sog. Grundvalenz eingegangen wird, weiter präzisiert (zur Grundvalenz auch Kap. I/3.5).

beschuldigenTest

262 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Prädikate haben qua ihrer Eigenschaft als Valenzträger die Fähigkeit, die Satzglieder, die sich an einem Szenario beteiligen (Komplemente), zu bestimmen. Diese übergreifende Valenzrelation nennt man BET (Beteiligtheit/Szenariobeteiligung). Empirische und in der Grammatischen Textanalyse unmittelbar einsetzbare Korrelate der BET-Relation sind die Valenzrelationen FOSP (formale Spezifizität / Rektion), INSP (inhaltliche Spezifizität) und NOT (Notwendigkeit). Am einfachsten anwendbar sind FOSP und NOT.

1.3.2 Prädikatsklassen im Überblick Spezifiziert man in der Funktion-Argument-Wert-Formel die sprachlichen Formen (Argumente), die in Prädikatsfunktion auftreten können, erhält man, wie im vorigen Kapitel erwähnt, spezifische Prädikatswerte, z.  B.: Prädikat (Vollverb) = Vollverb-Prädikat Da Bezeichnungen für Werte wie z.  B. Vollverb-Prädikat (oder Vollverb in Prädikats­ funktion) umständlich sind, werden bei der Klassifikation einfach nur die Namen für die Formen (z.  B. Vollverb) benutzt. Gemeint sind aber immer die Werte. Wir nähern uns der Prädikatsklassifikation in drei Schritten: Im vorliegenden Kapitel erfolgt eine Grobgliederung mit allen relevanten Klassen. Im nächsten Kapitel (III/1.3.3) wird eine erste Unterteilung der dynamischen Prädikate vorzunehmen sein.19 Schließlich erfolgt die Feingliederung der statischen und dynamischen Prädikate im Anschluss an die einschlägigen Leittextanalysen in den jeweiligen Unterkapiteln zum Prädikat (III/2.1.2 und III/2.2.3). Erst hier im Prädikatskapitel werden die brisantesten Punkte der im Buch vertretenen Prädikatsauffassung und -klassifikation begründet und theoretisch untermauert.20 Die nachfolgende Grobklassifikation dient also nur einer ersten Orientierung (dynamische Prädikate türkis markiert21):

19 Zu statischen vs. dynamischen Sätzen/Satzgliedern Kap. I/3.5. 20 Gemeint ist in erster Linie die Auffassung, dass – mit Ausnahme des Freien Prädikativs (Kap. III/3.1.6) – jede Art von Prädikativ als Teil des Prädikats angesehen wird. Diese Auffassung wird in einem eigenen Kapitel begründet (Kap. III/2.1.4). Folglich gibt es in der vorliegenden Arbeit keine Satzglieder wie ‚Subjektsprädikativ‘ oder ‚Objektsprädikativ‘. 21 Zur vollständigen Indizierung nicht nur der dynamischen Prädikate, sondern aller dynamischen Satzglieder in den Belegen Kap. III/2.2.2.–3.

Mesoglieder 

 263

Tab. 29: Prädikatsklassen im Überblick I. einfaches Prädikat Art

Klasse

Beispiele

Vollverb

[19] (Ad- Kurz darauf verbial) öffnet (Sub- ein ahnungsloser Torhüter jekt) (Akkusativ- die Pforte , […]. objekt) [24] [(Sub- die Insassen jekt)] empfehlen sich mit ihren Sangeskünsten, die sie (Präpositionalals braver Gefangenenchor in Isenbüttel trainiert haben objekt). [30] (Sub- Beifall jekt) rauscht auf, […].

Idiom

Aber ich will jetzt nicht den Teufel an die Wand malen, daß der unbedingt abstürzen muß.22

Medialkonstruktionsträger (Medialprädikat)

Nun, Ihre E-Mails lesen sich wie ‚heruntergesprudelt‘, wenn ich mir diese Einschätzung erlauben darf.23

Resultativkonstruktionsträger (Resultativprädikat)

Der Mann schenkte mir schon wieder das Glas voll.24 Gregor Gysi hat seine Partei kaputtgeredet25 Wir läuteten den Wächter aus dem Schlaf26

Progressivkonstruktionsträger (Progressivprädikat)

Ich bin noch immer am suchen, welche Bank mir am besten gefällt.27

Absentivkonstruktionsträger (Absentivprädikat)

Anna ist essen!28

(1) Verbalprädikat (a) lexikalischer Valenzträger

(b) konstruktioneller Valenzträger (Auswahl)

22 Haas Silentium: 107 23 Glattauer Nordwind: 10 24 Timm Johannisnacht: 86 25 DIE ZEIT 36 (2011): 4 26 Beispiel nach Vuillaume 2003: 488 27 Frankfurter Rundschau, 24. 03. 1998, zit. n. van Pottelberge 2009: 361 28 Beispiel im Titel des Aufsatzes von Petra M. Vogel (2007)

Prädikatsklassen im Überblick

264 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Lokaldeterminativ­ konstruktionsträger (Lokaldeterminativprädikat)

Sie kamen gelaufen.29

Bewegungskonstruktionsträger (Bewegungsprädikat)

Ich bin die Leiter hinauf […].30

AcI-Konstruktionsträger (AcI-Prädikat)

Er habe nur den Beifahrer […] seine Einfahrt […] ausbessern sehen.31

lassen-Konstruktionsträger (lassen-Prädikat)

[Die Frau] ließ sich von dem Hund die Hand lecken.32 «Laß dich nur nicht von der Lady an der Rezeption verwirren!»33

Modalkonstruktionsträger (Modalprädikat)

Zu lösen sind wirkliche Probleme ohnehin nicht.34 Wir hatten noch zwei Einsätze zu fahren.35

(a) kollokativ

Kollokativgefüge

auf jener Fahrt kam ich zum Entschluß, Hanna zu heiraten […]36 [36] (Sub- Das jekt) gibt  natürlich  (Ad- wieder Anlass (Präpositional- zu ein paar schwersinverbial) nigen Sätzen objekt), […].

(b) prädikativ

Prädikativgefüge

[23] (Ad- Als die Grünauer sehen, dass die Landesbühne sie zu ihrem Fest beehrt verbial), sind (Sub- sie jekt) begeistert. [16] [(Sub- die beiden jekt)] sind (Ad- weitläufig verwandt (Präpositional- mit den Brewsterverbial) Tanten aus Arsen und Spitzenhäubchen objekt). [7] Schauplatz ist (Sub- das Gefängnis Isenbüttel, dessen Insassen zumeist Kleinkriminelle sind, die hier ihre paar Jahre absitzen

(2) Nominalprädikat

jekt).

29 Beispiel im Titel des Aufsatzes von Petra M. Vogel (2005) 30 Neue Kronen-Zeitung, 03. 12. 1994 (Beleg nach Berthele 2007: 249) 31 Böll Dienstfahrt: 20 32 Brednich Geschichten: 202 33 Haas Silentium: 105 34 Hein Freund: 115 35 Hein Freund: 127 36 Frisch Homo: 56

Mesoglieder 

 265

Wenn auch für den Fachmann nichts Ungewohntes zu sehen ist, so finde ich die Anlage als solche, bedingt durch den Schiffkörper [sic!], doch sehenswert […].37 Die Blitzlichter draußen vor dem Bus machten uns neugierig, […].38 II. komplexes Prädikat Klasse

Beispiele

Modalkomplex

[14] (Sub- Ein Stück jekt) soll aufgeführt werden, (Ad- im Speisesaal verbial).

Halbmodalkomplex

[33] (Sub- Hannes jekt) scheint zu resignieren, […]. [30] »(Ad- fast verbial) begann (Sub- abgestandenes Bier jekt) (Ad- in den Gläsern verbial) zu schäumen«.

Die Primäreinteilung in einfache und komplexe Prädikate basiert auf dem Kriterium, ob das Prädikat ohne Verlust der realisierten grammatischen Grundstruktur und damit ohne Umszenierung (Szenarioabwandlung) auf ein einfacheres Prädikat reduziert werden kann oder nicht. Wenn das Prädikat nicht reduzierbar ist, handelt es sich um ein einfaches Prädikat.39 Nach diesem Kriterium, mit dem die ‚Unantastbarkeit‘ des Szenarios und der grammatischen Grundstruktur in den Mittelpunkt gestellt wird, stellen u.  a. auch die AcI-, lassen- und Resultativprädikate einfache Prädikate dar: (4) Er habe nur den Beifahrer […] seine Einfahrt […] ausbessern sehen. → *Er habe nur den Beifahrer […] seine Einfahrt […] ausgebessert. (5) [Die Frau] ließ sich von dem Hund die Hand lecken. → *[Die Frau] leckte sich von dem Hund die Hand. (6) Wir läuteten den Wächter aus dem Schlaf. → *Wir läuteten den Wächter.

37 Frisch Homo: 105 38 Lenz Landesbühne: 66 39 Um Missverständnissen vorzubeugen: Ein einfaches Prädikat kann morphologisch oder syntaktisch sehr wohl komplex sein. Es kann aber auf kein morphologisch oder syntaktisch einfacheres Prädikat reduziert werden, das dasselbe Szenario indizieren könnte. Diese Auffassung über einfache Prädikate ist mit der der IDS-Grammatik (1997/1: 699  ff.) durchaus vergleichbar. Der einzige relevante Unterschied besteht darin, dass die IDS-Grammatik auch „Verbalperiphrasen“ (sog. zusammengesetzte Tempusformen wie Perfekt- oder Futurformen und Passivperiphrasen) als „einfache Prädikate mit komplexem Ausdruck“ (1997/1: 701) auffasst. Szenierung ist allerdings keine syntagmatische, sondern eine paradigmatische Funktion. Man sollte nicht etwa von einem Ich-lasse-mir-die-Handlecken-Szenario oder von einem Die-Frau-hat-sich-die-Hand-lecken-lassen-Szenario, sondern allgemein von einem sich-die-Hand-lecken-lassen-Szenario sprechen. Verbalperiphrasen sind also Einheiten eines Wortparadigmas (Teuber 2005: 40) und operieren als solche auf allen Typen von Prädikaten.

einfaches vs. komplexes Prädikat

266 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Komplexe Prädikate stellen Modalisierungen (modale Erweiterungen) von einfachen Prädikaten dar.40 Sie können ohne Verlust der realisierten grammatischen Grundstruktur und ohne Umszenierung auf einfachere Prädikate reduziert werden: [14] → [33] →

Ein Stück jekt) soll aufgeführt werden, (Ad- im Speisesaal verbial). Ein Stück jekt) wird aufgeführt, (Ad- im Speisesaal verbial). (SubHannes jekt) scheint zu resignieren, […]. (SubHannes jekt) resigniert. (Sub-

(Sub-

Umgekehrt lassen sich einfache Prädikate modal erweitern: (5) [Die Frau] ließ sich von dem Hund die Hand lecken. → [Die Frau] schien sich von dem Hund die Hand lecken zu lassen. (6) Wir läuteten den Wächter aus dem Schlaf. → Wir mussten den Wächter aus dem Schlaf läuten. komplexe Prädikate

einfache Prädikate Verbal­ prädikate

Die Klassifizierung komplexer Prädikate erfolgt nach dem üblichen strukturellen Kriterium: Modalverben regieren den Infinitiv ohne zu (Modalkomplex), Halbmodalverben den Infinitiv mit zu (Halbmodalkomplex). Entgegen der traditionellen Auffassung wird jedoch das Modalprädikat (traditionell: modaler Infinitiv), das formal wie der Halbmodalkomplex aussieht (zu lösen sind; hatten zu fahren, s. Tab. 29), nicht zu den komplexen, sondern zu den einfachen Prädikaten gerechnet.41 Unterteilt werden die einfachen Prädikate in Verbal- und Nominalprädikate, je nachdem, ob das Szenariobildungspotenzial des Prädikats ausschließlich/primär verbal oder primär nominal ist. Verbalprädikate sind entweder lexikalische verbale Valenzträger (Vollverb, Idiom), d.  h. verbale Formen, die als ‚Fertigteile‘ dem Lexikon entnommen werden, oder konstruktionelle verbale Valenzträger, d.  h. Prädikate von diversen Konstruktionen (z.  B. Resultativ-, Progressiv- oder AcI-Prädikate), die auf lexikalischen verbalen Valenzträgern basieren.42 Sie verfügen als Valenzträger über eine genuin verbale Kategorie.

40 Dies ist die valenztheoretische Perspektive. Aus dependenzgrammatischer Sicht bildet der Valenzträger (= alle Formen von einfachen Prädikaten) in einem Verbkomplex das untergeordnete Glied (Rektum), das vom Modalverb/Halbmodalverb (Regens) statusregiert wird. Einen Überblick über die dependenzgrammatischen Kontroversen um den Begriff des Verbkomplexes gibt Järventausta (2003). 41 Zur Begründung Kap. III/2.2.3. 42 Zur Grundvalenz bzw. zur strukturellen (kategorialen und konstruktionellen) Valenz Kap. I/3.5 und  III/1.3.3 und III/2.2.2. Die einzelnen Typen von konstruktionellen Valenzträgern werden im Kap. III/2.2.3 vorgestellt, wo die in Tabelle 29 getroffene Auswahl um zwei Typen erweitert wird. Weitere Konstruktionen kommen im Kap. III/3.2 dazu. Unabhängig von dieser sukzessiven Erweiterung bleibt die Liste der konstruktionellen Valenzträger prinzipiell offen.

Mesoglieder 

 267

Nominalprädikate erhalten dagegen die Kategorie ‚Verb‘ erst in der verbonominalen Fügung (Kap. III/1.3.3):43 Sie werden in Kollokativ- und Prädikativgefüge weiter unterteilt. Kollokationen sind idiomatisch geprägte Ausdrücke (Feilke 1996 und 1998).44 Kollokativgefüge stellen als „nominale Umschreibungen“ (Polenz 1987: 169) diejenige Teilmenge von Kollokationen dar, die in Prädikatsfunktion erscheinen können. Den Kernbereich der Kollokativgefüge bilden die sog. Funktionsverbgefüge (FVG) wie zum Entschluss kommen (s. den Frisch-Beleg in Tab. 29).45 Unter ‚Prädikativgefüge‘ werden Prädikate aus Kopulaverb und Prädikativ verstanden, unabhängig davon, ob das Prädikat ein Subjektsprädikativ – in den Beispielen oben: begeistert, verwandt und Schauplatz – oder ein Objektsprädikativ – sehens­ wert und neugierig – ist. Wie erwähnt (Anm. 20), werden alle Prädikative – mit Ausnahme der sog. Freien Prädikative (Kap. III/3.1.6)  – als Teile des Prädikats angesehen (zur Begründung Kap. III/2.1.4). Entsprechend heißen die Prädikate in den Belegen in Tab. 29: sind begeistert, sind verwandt, Schauplatz ist, finde sehenswert und machten neugierig. Abschließend noch ein Wort zur gewählten Terminologie. Diese soll die Klassenzugehörigkeit formal wie folgt transparent machen: 1. Die Bezeichnungen für komplexe Prädikate sind Zusammensetzungen (Komposita) und enthalten das Grundwort  –komplex (Modalkomplex, Halbmodalkomplex). 2. Die Bezeichnungen für einfache Prädikate, sofern sie Zusammensetzungen sind, enthalten das Grundwort –komplex nicht. 3. Die Bezeichnungen für konstruktionelle Valenzträger – egal, ob sie Verbal- oder Nominalprädikate sind – sind Zusammensetzungen aus dem Namen der jeweiligen Konstruktion (z.  B. AcI-Konstruktion, Modalkonstruktion) und dem Grundwort  –träger (AcI-Konstruktionsträger, Modalkonstruktionsträger usw.). Da solche Termini recht umständlich sind, werden sie nach Möglichkeit durch einfache Komposita wie AcI-Prädikat, Modalprädikat usw. ersetzt. 4. Prädikate, deren Bezeichnung das Kompositum  –konstruktionsträger enthält, sind dynamische Prädikate (z.  B. Resultativkonstruktionsträger).

43 Bezüglich einer genuinen Kategorie spricht Coseriu (1972/1987: 89  f.) von einer kategorialen, bezüglich einer konstruktionell erzeugten von einer innerstrukturellen (syntaktischen) Bedeutung. In diesem Sinne verfügen Verbalprädikate über die oder basieren auf der kategoriellen Bedeutung ‚Verb‘, während Nominalprädikate über die innerstrukturelle Bedeutung ‚Verb‘ verfügen. 44 Zu einem Überblick s. Burger 1998: 50  ff. Formal haben Kollokationen oft eine spezifische zweigliedrige Struktur wie z.  B. sich die Zähne putzen oder den Tisch decken (Hausmann 2004). 45 Der Leittext-Beleg in der Tabelle (gibt Anlass) gehört zur Peripherie der Kollokativgefüge, die „Nominalisierungsverbgefüge“ (NVG) (Polenz 1987) genannt wird. Zur Unterscheidung der Subklassen FVG und NVG  III/2.1.2.

Nominal­ prädikate

Terminologie

268 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

5. Prädikate, deren Bezeichnung das Grundwort –gefüge enthält, sind statische Prädikate (z.  B. Prädikativgefüge).46 6. Die Bezeichnungen für komplexe Prädikate und die Bezeichnung ‚Vollverb‘ sind hinsichtlich Statik/Dynamik unspezifisch.47 Unterschieden werden einfache Prädikate, deren grammatische Grundstruktur weiter nicht reduzierbar ist, und komplexe Prädikate, die modale Erweiterungen von einfachen Prädikaten darstellen. Unterteilt werden die einfachen Prädikate in Verbal- und Nominalprädikate je nachdem, ob das Szenariobildungspotenzial des Prädikats ausschließlich/primär verbal oder primär nominal ist. Die gewählten Termini für die einzelnen Prädikatsklassen sollen die Klassenzugehörigkeit formal möglichst transparent machen.

1.3.3 Dynamische Prädikate

finite und nichtfinite Dynamik

Grund-/ Ausgangs­ valenz(träger)

Im Kap. I/3.5 wurde darauf hingewiesen, dass es grundsätzlich zwei Möglichkeiten gibt, mit dem potenziellen, in der Verbvalenz angelegten Szenario umzugehen: Man kann es 1:1 realisieren, was zu statischen Sätzen führt, oder man kann es umsze­ nieren und auf diese Weise dynamische Sätze bilden. Ein dynamischer Satz ist ein Satz, der ein dynamisches Prädikat (und u.  U. auch andere dynamische Satzglieder) enthält. Kategorial kann die Umszenierung infinit und finit angezeigt werden. Konstruktionell besteht die zusätzliche Möglichkeit der afiniten Umszenierung. Nichtfinite – infinite und afinite – Umszenierungen führen zu dynamischen Infinitiv-, Partizipial- und Prädikativsätzen. Da nichtfinite Umszenierungen das Satzkonzept (Makroebene) der Grammatischen Textanalyse betreffen, wurde die nichtfinite Dynamik bereits im Kap. II/2.5 behandelt. Im vorliegenden Kapitel wie auch in den nachfolgenden Dynamik-Kapiteln (Kap. III/2.2 und III/3.2) geht es deshalb nur noch um finite Dynamik. Was genau bedeutet aber Statik, d.  h., die 1:1-Realisierung des Szenarios? Sie bedeutet, dass die sog. Grundvalenz realisiert wird:

46 Prädikativgefüge sind, wie der Name sagt, grundsätzlich statisch. In zwei Fällen (beim Typ arbei­ ten als X Kap. III/2.2.3 bzw. bei cleft-Sätzen Kap. III/3.2.4) wird jedoch für Prädikativkonstruktionen (= dynamisch) argumentiert. 47 Der Grund hierfür ist, dass (Halb-)Modalkomplexe Erweiterungen von statischen wie auch dynamischen einfachen Prädikaten darstellen können bzw. dass es im Bereich der Vollverben wie auch bei Idiomen sowohl statische als auch dynamische Bildungen gibt. Deshalb werden im Kap. III/2.2.3 nicht nur genuin dynamische Prädikate (wie z.  B. Medial- oder AcI-Prädikate) behandelt, sondern auch diverse Vollverb- und Idiom-Konstruktionsträger.

Mesoglieder 

 269

Die Grundvalenz repräsentiert das Wissen der Sprecher/Hörer über das übliche Argumentenpotential (die übliche Perspektivierung, die starke Präsupposition) und damit über die übliche (usuelle) signifikative Bedeutung der Verben. Von dieser Grundvalenz gibt es Möglichkeiten der Abweichung, die in der Tendenz ebenfalls zum Wissen der Sprecher/Hörer gehören […]. (Welke 1988: 63)

Wichtig ist auch, dass man, wenn man von der Grundvalenz spricht, „nicht die Valenz des Infinitivs oder des abstrakten Verbs an sich (meint), sondern stets die Valenz der finiten aktivischen Verbform.“ (Welke 2011: 122)48 Der Begriff der Grundvalenz wurde herkömmlicherweise in Analogie zu dem Begriff der Grundbedeutung gedacht, woraus folgt, dass man davon ausging, dass es pro Verb nur eine Grundvalenz gebe (Welke 1988: 58  ff. und 1988a, Ágel 2000: 131  ff.). Dies ist allerdings sowohl valenztheoretisch (Welke 2011: 167  ff. und 2015) als auch aus der Sicht der Grammatischen Textanalyse problematisch. Dies soll an dem folgenden Beispiel verdeutlicht werden (s. Schöfer 1989: 85  ff.): (7) (8) (9)

Der Mann gibt1 dem Mädchen ein Buch. Die Kuh gibt2 viel Milch. Die Kuh gibt1/2? dem Bauern viel Milch.

Der Valenzträger geben1 ist dreiwertig (Subjekt, Dativobjekt, Akkusativobjekt), während der Valenzträger geben2 (mit der Bedeutung ‚produzieren‘) zweiwertig (Subjekt, Akkusativobjekt) ist. Dass geben2 tatsächlich zweiwertig ist, lässt sich testen, denn der Satz (9) stellt ganz offensichtlich nicht die 1:1-Realisierung der Grundvalenz von geben1, sondern die Erhöhung der Grundvalenz von geben2 dar, weshalb er von Göran Schöfer zu Recht als „eigenartig“ eingestuft wird (Schöfer 1989: 86). Dasselbe Verb kann also prinzipiell mehrere Grundvalenzen haben, d.  h. es gibt keine 1:1-Relation zwischen Verb und Grundvalenzträger (Ágel 2000: 113  ff., Welke 2015). Das Kriterium für einen Grundvalenzträger ist, dass er die Grundlage für Umszenierungen, beispielsweise für Valenzreduktionen und  –erhöhungen, bilden können muss.49 Als alternativer, theoretisch nicht vorbelasteter Terminus für Grundvalenz in dieser Interpretation bietet sich Ausgangsvalenz (Welke 2011: 169) an. Ich werde im Nachfolgenden die Termini ‚Grundvalenz‘ und ‚Ausgangsvalenz‘ synonym verwenden. Grundvalenz/Ausgangsvalenz bildet das jeweilige Argument in der Funk48 Dieser kategoriale Aspekt der Grundvalenz war auch für die Herleitung der infiniten Dynamik zentral (Kap. II/2.5). 49 Es ist eine wichtige und attraktive Aufgabe für künftige Valenzforschungen, dem Zusammenhang von Polysemie, Polyvalenz und Valenzdynamik empirisch nachzugehen. Die Klärung dieses Zusammenhangs ist die Voraussetzung für die Beantwortung der theoretischen Frage nach dem Zusammenhang von Valenz und Grundvalenz. Sollte jeder beliebige (etwa in Valenzwörterbüchern ausgewiesene) verbale Valenzträger für Valenzreduktion oder -erhöhung zugänglich sein (was unwahrscheinlich ist), würde sich der Begriff der Grundvalenz erübrigen, d.  h., ‚Valenz‘ und ‚Grundvalenz‘ würden zusammenfallen.

270 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

tion-Argument-Wert-Formel, mit der die Valenzdynamik (= strukturelle Valenz) im Kap. I/3.5 modelliert wurde. Passend zum Terminus ‚Ausgangsvalenz‘ können wir nun den Wert in der Formel Zielvalenz nennen. Somit ergibt sich folgende Formel der Valenzdynamik: Formel der Valenz­ dynamik

Struktur A (Ausgangsvalenz B) = Zielvalenz AB Entsprechend der im Kap. I/3.5 eingeführten doppelten – kategorialen und konstruktionellen – Interpretation der Funktionsbesetzung in der Formel (= Struktur A) lässt sich die Formel der Valenzdynamik in zwei Subformeln unterteilen: Kategorie A (Ausgangsvalenz B) = kategoriale Zielvalenz AB Konstruktion A (Ausgangsvalenz B) = konstruktionelle Zielvalenz AB

Haupttypen dynamischer Prädikate

konstruktionell dynamische Prädikate

Mit Hilfe dieser Werte können wir nun die im Kap. I/3.5 eingeführten zwei Haupttypen dynamischer Prädikate präziser definieren: Kategorial dynamische Prädikate sind dynamische Prädikate mit kategorialer, konstruktionell dynamische Prädikate welche mit konstruktioneller Zielvalenz. Im vorliegenden Kapitel geht es darum, diese zwei Haupttypen dynamischer Prädikate anhand der Typen von Umszenierungsmechanismen, die sie indizieren, näher zu beschreiben. Wir fangen mit der konstruktionellen Dynamik an und betrachten zwei Umszenierungsbelege aus Tab. 29 (Kap. III/1.3.2): (10) → (11) →

Der Mann schenkte mir schon wieder das Glas voll. (Timm Johannisnacht: 86) ??Der Mann schenkte mir schon wieder das Glas. Gregor Gysi hat seine Partei kaputtgeredet. *Gregor Gysi hat seine Partei geredet.

Wie die gescheiterten Reduktionsversuche zeigen, handelt es sich in beiden Fällen um einfache Prädikate.50 Dabei geht es in beiden Fällen um finite aktivische Verbformen, d.  h. um kategorial unmarkierte Valenzrealisierungen. Die Valenzdynamik ist also nicht kategorialer, sondern konstruktioneller Natur. Der vereinfachte Vergleich der grammatischen und semantischen Struktur der Ausgangsvalenzträger ((ein)schenken, reden) mit den Resultativkonstruktionen der Zielvalenzträger (vollschenken, kaputtreden) ergibt folgendes Bild:51

50 Es handelt sich um zwei ‚Typen des Scheiterns‘: Im Falle von (10) lässt sich das aktuelle Prädikat nicht reduzieren, weil die Reduktion zu einem anderen Szenario, zur Aktualisierung einer anderen Verblesart, führt. Bei (11) führt die Reduktion schlicht zu einem ungrammatischen Satz, d.  h. zu gar keinem neuen Szenario. 51 Die (signifikativ-)semantische Grundstruktur  – semantische Rollen (Tätigkeitsträger, Handlungsträger, Handlungsresultat) und semantische Prädikate (Tätigkeit, Handlung) – werden durch Kapitälchen gekennzeichnet. Bei Resultativkonstruktionen „ist die imperfektive und intran-

Mesoglieder 

 271

Subjekt – Prädikat – Tätigkeitsträger – Tätigkeit – Der Mann schenkt (ein) Gregor Gysi redet Subjekt – Prädikat – Handlungsträger – Handlung – Der Mann schenkt voll Gregor Gysi redet kaputt

Akkusativobjekt Handlungsresultat das Glas seine Partei

Zwei Unterschiede fallen einem unmittelbar ins Auge: (a) Der Umfang der Ausgangsvalenzträger wurde jeweils um ein Adjektiv erhöht und (b) ein Handlungsresultat (Resultativpatiens) (als Akkusativobjekt) wurde eingeführt (Valenzerhöhung). Dabei lässt sich die Besetzung der Akkusativobjekt-Stelle scheinbar nur mit dem Adjektiv in Verbindung bringen: Ein Glas kann voll sein, einschenken kann man dagegen eben nur Getränke, aber kein Glas.52 In Wirklichkeit spielt hier jedoch auch das semantische Umfeld des Ausgangsvalenzträgers eine wichtige Rolle, auf die wir aber erst an späterer Stelle eingehen (Kap. III/2.2.3). Die Adjektive voll und kaputt stellen gewöhnliche einwertige adjektivische Valenzträger dar. In dem Adjektivvalenzwörterbuch von Sommerfeldt/Schreiber ist zwar nur voll verzeichnet, aber kaputt ließe sich durchaus analog beschreiben: Die einschlägige Lesart von voll wird als erste Variante (V 1 ‚ganz gefüllt‘) mit einem obligatorischen Komplement geführt (Sommerfeldt/Schreiber 1983: 420). Dieses Komplement wird im Wörterbuch generell als „Beziehungswort“ bezeichnet. Das Beziehungswort erhält je nach Funktion unterschiedliche Werte (Sommerfeldt/ Schreiber 1983: 43): In attributiver Funktion den Wert „übergeordnetes Wort“, in prädikativer Funktion den Wert „Subjekt, in Einzelfällen Objekt“ und in adverbialer Funktion den Wert „Verb“. Im Falle der Variante 1 von voll werden allerdings nur die attributive (Beispiel: das volle Glas) und die prädikative Funktion (Beispiel: Das Glas ist voll.) angegeben (Sommerfeldt/Schreiber 1983: 420). Von diesen beiden möglichen Funktionen können die Adjektive voll und kaputt in den Zielvalenzträgern vollschenken und kaputtreden nur die prädikative Funktion ausüben (attributiv müssten sie ja flektiert sein):

sitive Verwendbarkeit des Verbs Bedingung der Valenzerweiterung […].“ (Welke 2011: 228, s. auch Müller 2006a: 179) Deshalb wurde das Akkusativobjekt, das (zusammen mit dem Dativobjekt) zur Grundstruktur gehört, hier nicht angeführt. Obligatorisch transitive Verben bilden keine Resultativkonstruktionen, vgl. etwa *Der Mann beschenkt das Glas voll und *Gregor Gysi überredet die Partei kaputt. Zu Resultativprädikaten Kap. III/2.2.3. Zu signifikativ-semantischen Rollen Kap. I/1. 52 Vgl. auch den in der Literatur beliebten analogen Fall von essen und leeressen: Speisen essen, aber den Teller leeressen.

272 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Subjekt/Akkusativobjekt53 Zustandsträger das Glas seine Partei

– Prädikativ – – Zustand – voll kaputt

Es ist diese grammatische und semantische Struktur, die auf die oben skizzierte grammatische und semantische Struktur der Ausgangsvalenzträger ((ein)schenken, reden) im Sinne der Funktion-Argument-Wert-Formel angewandt werden muss:54 virtuell: prädikative Adjektivvalenz A (verbale Ausgangsvalenz B) = konstruktionelle ­Zielvalenz AB aktuell: Ad (10): voll mit Subjekt/Akkusativobjekt ((ein)schenken mit Subjekt) = vollschenken mit Subjekt und Akkusativobjekt Ad (11): kaputt mit Subjekt/Akkusativobjekt (reden mit Subjekt) = kaputtreden mit Subjekt und Akkusativobjekt

dynamische semantische Rolle

Die Umszenierung eines (ein)schenken- oder Reden-Szenarios zu einem Vollschenken- oder Kaputtreden-Szenario 1. setzt voraus, dass das Ausgangsszenario keinen Handlungsgegenstand und somit auch kein realisiertes Akkusativobjekt enthält. Dies bedeutet im Falle von Grundvalenzträgern mit einer Akkusativobjektstelle (wie (ein)schenken) Valenzreduktion. 2. Die Umszenierung setzt voraus, dass das Ausgangsszenario einen Tätigkeitssträger als Subjekt enthält. 3. Sie setzt einen prädikativ verwendbaren adjektivischen Valenzträger mit einem obligatorischen Zustandsträger als Subjekt/Akkusativobjekt voraus. 4. Da die Subjektstelle bereits besetzt ist, führt die prädikative Verwendung des adjektivischen Valenzträgers zur Realisierung eines Akkusativobjekts, d.  h., die grammatische Grundstruktur wird transitiviert. 5. Die semantische Rolle des Akkusativobjekts muss ein dynamischer semanti­ scher Wert sein, der sich im Sinne der Funktion-Argument-Wert-Formel aus der Anwendung der Funktion Zustandsträger auf die prototypische Akkusativ-

53 S. den Wert „Subjekt, in Einzelfällen Objekt“. 54 Um die Formeln nicht zu überladen, wird hier von der semantischen Struktur abgesehen. Auf sie wird gleich im Anschluss eingegangen.

Mesoglieder 

 273

objektrolle Handlungsgegenstand (Patiens) ergibt. Da das Zielszenario ein Zustandsveränderungsszenario ist und daher das Akkusativobjekt das Resultat einer Zustandsveränderung indiziert, nenne ich diese dynamische, da qua Formel ‚angewandte‘, semantische Rolle (als Wert) Handlungsresultat.55 Der Umstand, dass hier eine ‚angewandte‘, d.  h. eine dynamisch überformte, semantische Rolle vorliegt, ist als ein Anzeichen dafür zu werten, dass, wie erwähnt, auch das semantische Umfeld des Ausgangsvalenzträgers eine wichtige Rolle spielt. 6. Bezogen aufs Prädikatsverb bedeutet die Umszenierung, dass sich aus der Anwendung des (prädikativen) Adjektivvalenzträgers auf den verbalen Ausgangsvalenzträger ein konstruktioneller Verbvalenzträger mit inkorporiertem Adjektivvalenzträger ergibt: Adjektivvalenzträger A (Verbvalenzträger B) = konstruktioneller Verbvalenzträger AB Da, wie erwähnt (Anm. 42), die Liste der konstruktionellen Valenzträger prinzipiell offen ist, können nicht alle Typen besprochen werden. Im Zusammenhang mit den kategorial dynamischen Prädikaten wird gleich unten noch auf einen anderen konstruktionellen Typ, das sog. Medium, einzugehen sein. Weitere Fälle wurden bzw. werden in den Kap. I/3.5 und  III/2.2.2–3 erörtert. Wir kommen nun zur kategorialen Dynamik. Nach Welke (2011: 200) lässt sich die finite aktivische Verbform, von der ausgehend ja die Ausgangsvalenz abgemessen wird, kategorial abwandeln in Partizipien, passivische Verbformen, Infinitive, Imperative und deverbale Substantive (Beispiele mit Ausnahme von (e) ebd., Reihenfolge verändert): (12) (a) Emil isst gern grüne Bohnen. [Aktiv] (b) Grüne Bohnen werden gern gegessen. [Passiv] (c) Iss grüne Bohnen! [Imperativ] (d) grüne Bohnen essen [Infinitiv] (e) grüne Bohnen gegessen [verbales Partizip II] (f) gern gegessene grüne Bohnen / der gern grüne Bohnen essende Emil [adjektivische Partizipien] (g) das Essen von grünen Bohnen [deverbales Substantiv, Nomi- nalisierung] Wie man sieht, gibt es unter diesen Typen von Umkategorisierungen vier, die zu dynamischen Prädikaten führen: Passiv, Imperativ und die infiniten Verbalkatego-

55 Dies ist nur eine grobe Annäherung. Eine präzise semantische Beschreibung findet sich in Welke 2011: 226  ff. Außerdem stellt der Typus vollschenken/kaputtreden nur einen Typ von Resultativprädikat dar. Zu einer Feindifferenzierung s. Felfe 2012. Zu statischen vs. dynamischen semantischen Rollen Kap. I/3.5, Kap. III/2.2.3 und Kap. III/3.2.

kategorial dynamische Prädikate

274 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

rien ‚Infinitiv‘ und ‚Partizip II‘. Per definitionem sind also Passiv- und Imperativsätze dynamische Sätze.56 Da der Imperativsatz vor allem wegen der besonderen Form der Subjektrealisierung interessant ist, wird auf ihn im Kap. III/3.2.4 einzugehen sein. Im vorliegenden Kapitel betrachten wir die Passivkategorie und ziehen dabei das Medium als Vergleichskonstruktion heran:57 passivische vs. mediale ­ mszenierung U

[19] Kurz darauf (Voll- öffnet verb) ein ahnungsloser Torhüter die Pforte […].  [Aktiv] [13a] Jetzt aber (Vo- wird ll-) das Tor zum Gefängnishof (ve- geöffnet rb).    [Passiv] [13] Jetzt aber (Voll- öffnet sich verb) das Tor zum Gefängnishof […].    [Medium] Der Vergleich der grammatischen und semantischen Grundstrukturen ergibt folgendes Bild: Subjekt – Prädikat – Handlungsträger – Handlung – ein ahnungsloser Torhüter öffnet

Subjekt Exo-Vorgangsträger das Tor zum Gefängnishof

– Prädikat – – Exo-Vorgang – wird geöffnet



Subjekt Endo-Vorgangsträger das Tor zum Gefängnishof

– Prädikat – – Endo-Vorgang – öffnet sich

Akkusativobjekt Handlungsgegenstand die Pforte

Das Prädikat in [19] ist der transitive Ausgangsvalenzträger, die Aktivform öffnet. Das Prädikat in [13a] ist der kategorial abgeleitete intransitive Zielvalenzträger, die Passivform wird geöffnet, in [13] der konstruktionell abgeleitete intransitive Zielvalenzträger, die Medialverbform öffnet sich. Aktiv, Passiv und Medium stehen in einer grammatisch und semantisch regulären Relation zueinander, d.  h., sie sind Alternan­ ten voneinander.58 Die Alternation lässt sich in zwei Schritten beschreiben: zuerst

56 Die infiniten dynamischen Sätze wurden im Kap. II/2.5 behandelt. 57 Die Kategorisierung ‚Verbalgenus‘ umfasst im Gegenwartsdeutschen die Kategorien ‚Aktiv‘ und ‚Passiv‘ (Eisenberg 2006/2: 18). Das Medium, das in anderen Sprachen (wie z.  B. im Altgriechischen) ebenfalls zur Kategorisierung ‚Verbalgenus‘ gehört, erscheint im Deutschen nicht als grammatische Kategorie, sondern als ein besonderer Typ von Verben (wie sich öffnen, sich stellen, sich anbieten), die sich „analog zu Wortbildungen (verhalten)“ (Welke 2005: 231). Der Typ sich öffnen stellt einen sekundär paradigmatisierten Valenzträger (mit sekundär paradigmatisierter Valenz) dar (Ágel 2003). Auf Medium, Medialverben und den Unterschied zwischen Medialität und Reflexivität wird im Kap. III/2.1.3 ausführlich einzugehen sein. 58 Alternationen sind systematische Korrelationen „(a) zwischen zwei unterschiedlichen syntaktischen Distributionen einer lexikalischen Form und zwei unterschiedlichen semantischen Repräsentationen oder (b) zwischen zwei phonologisch/morphologisch unterschiedlichen lexikalischen Formen desselben lexikalischen Stamms und zwei unterschiedlichen semantischen Repräsentationen

Mesoglieder 

 275

die Gemeinsamkeiten, dann die Unterschiede zwischen einer passivischen und einer medialen Umszenierung: Die Umszenierung eines Öffnen-Szenarios zu einem Geöffnet-werden- bzw. Sich-öffnen-Szenario 1. beinhaltet die Entfernung des Handlungsträgers (Agens) aus dem Szenario, was 2. grammatisch bedeutet, dass das ursprüngliche Subjekt entfernt wird. 3. Folglich rückt der Handlungsgegenstand zum Subjekt vor und 4. wird somit zum Vorgangsträger umperspektiviert. 5. Dadurch entfällt in dem Geöffnet-werden– bzw. Sich-öffnen-Satz die Valenzstelle des Akkusativobjekts, d.  h., die grammatische Grundstruktur wird intransitiviert. 6. Bezogen aufs Prädikatsverb bedeutet die Umszenierung, dass sich die semanti­ sche Subklasse des Verbs ändert: Handlung zu Vorgang. Um die grammatischen und semantischen Unterschiede zwischen passivischer und medialer Umszenierung zu erfassen, müssen zwei Typen von sprachlichen Perspektivierungen von Zustandsveränderungen eingeführt werden: exo- und endoaktiv.59 In ‚exoaktiver‘ Perspektive (kurz: EXO) wird eine Zustandsveränderung als äußere Einwirkung, als die Einwirkung einer externen Kraft (eines ‚Verursachers‘/ ‚Auslösers‘/‚Initiators‘) dargestellt. Dies ist per definitionem der Fall in Handlungssätzen (mit Agenssubjekt), aber auch in passivischen Vorgangssätzen. Umgekehrt heißt ‚endoaktiv‘ (kurz: ENDO), dass eine Zustandsveränderung sprachlich als ein spontanes Geschehen („ocurring spontaneously“ (Haspelmath 1993: 90)), als ein Geschehen ohne äußere Einwirkung wiedergegeben wird. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die Situation des Öffnens eines Tors sprachlich so perspektiviert wird, als würde sich das Tor spontan öffnen, s. [13] (das Tor öffnet sich). Um die beiden Begriffe richtig einzuordnen, sei daran erinnert, dass in der vorliegenden Arbeit die semantische Struktur signifikativ-semantisch interpretiert wird, d.  h., es werden keine außersprachlichen Situationen, sondern einzelsprachlich perspektivierte Sachverhalte (= Szenarios) beschrieben (Kap. I/3.2). Damit sind wir bei den Unterschieden zwischen passivischer und medialer Perspektivierung angekommen:

und optional auch noch zwei unterschiedlichen syntaktischen Distributionen.“ (Behrens 1994: 153  f.) Ein Beispiel für Typ (a) wäre das labile Verb schmelzen (kausative Alternante: Die Sonne schmilzt das Eis vs. rezessive Alternante: Das Eis schmilzt), für (b) kausatives öffnen vs. rezessives sich öffnen (zur rezessiv-kausativen Alternation s. Haspelmath 1993 und Ágel 2007). 59 Die Termini ‚exoaktiv‘ und ‚endoaktiv‘ übernehme ich von Martin Haspelmath (Haspelmath 1993: 108, Anm. 3).

Gemeinsamkeiten von Passiv und Medium

Exo- vs. ­Endoaktivität

Unterschiede zwischen Passiv und Medium

276 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

1. Eine mediale Umszenierung ist endoaktiv, eine passivische exoaktiv. 2. Daraus folgt, dass ein medial ausgedrückter Vorgang (Endo-Vorgang) im Gegensatz zu einem passivisch ausgedrückten Vorgang (Exo-Vorgang) keinen Vorgangsauslöser impliziert. Anders gesagt: Im Exo-Vorgangsprädikat wird Exoaktivität zu einem Bedeutungsmerkmal des Vorgangsprädikats, im Endo-Vorgangsprädikat dagegen nicht.60 3. Entsprechend lässt sich ein Vorgangsauslöser im Passiv (bei ‚textuellem Bedarf‘) grammatisch realisieren, im Medium jedoch nicht (VA-Konstruktion = Vorgangsauslöser-Konstruktion):61

Valenz­ reduktion und -erhöhung im Passiv

Aktiv vs. einfaches Passiv



Subjekt Exo-Vorgangsträger das Tor zum Gefängnishof

– Prädikat – – Exo-Vorgang – wird geöffnet

VA-Konstruktionvon+DAT Exo-Vorgangsauslöser vom Torhüter



*Subjekt *Endo-Vorgangsträger *das Tor zum Gefängnishof

– Prädikat – – Endo-Vorgang – öffnet sich

VA-Konstruktionvon+DAT Endo-Vorgangsauslöser vom Torhüter

In der Passivforschung besteht Konsens darüber, dass der strukturelle Normalfall des Passivs die Realisierung ohne Vorgangsauslöser ist und dass die Realisierung des Vorgangsauslösers als textinduzierte Erweiterung des unmarkierten Falls aufzufassen ist. Treffend spricht Harald Weinrich vom „einfachen“ vs. „erweiterten“ Passiv (Weinrich 2005: 166  ff.). Valenztheoretisch – genauer: aus der Sicht von Valenzstatik vs. –dynamik – sind also drei Strukturen vergleichend zu bewerten: Aktiv vs. einfaches Passiv vs. erweitertes Passiv. Die Relation ‚Aktiv vs. einfaches Passiv‘ stellt eine Valenzreduktion qua katego­ rialer Umszenierung dar, da, wie erwähnt, der Handlungsträger (Agens) aus dem Szenario entfernt wird. Dagegen stellt die Relation ‚einfaches vs. erweitertes Passiv‘ eine Valenzerhöhung qua konstruktioneller Umszenierung dar, die grammatische Kategorie bleibt ja unverändert. Das Medium macht nur die Valenzreduktion mit, wobei diese, wie erwähnt, qua konstruktioneller Umszenierung erfolgt.

60 Mit I. Ickler (1990: 29) ließe sich das Bedeutungsmerkmal des Exo-Vorgangsprädikats genauer als ‚+exoaktiv, +mental‘ angeben. Denn Passivsätze ohne realisierten Vorgangsauslöser (= einfaches Passiv, s. unten) implizieren keinen physischen (= nicht-mentalen) Vorgangsauslöser. Deshalb kann ein Satz wie Auf der Flucht wurde er erschlagen nicht so verstanden werden, dass er von einem herabfallenden Ast oder vom Blitz erschlagen wurde (Ickler ebd.). 61 Denotativ-semantisch würde man statt Vorgangsauslöser von Agens sprechen. Wie im Kap. I/3.2 (Anm. 52) erwähnt, soll auf die Termini ‚Agens‘, ‚Patiens‘ und ‚Rezipient‘ in der vorliegenden Arbeit auch nicht verzichtet werden, aber sie werden – als signifikativ-semantische Rollen – nur in Bezug auf Handlungen verwendet.

Mesoglieder 

 277

Die Interpretation der Relation ‚einfaches vs. erweitertes Passiv‘ als Valenzerhö­ hung qua konstruktioneller Umszenierung auf der Grundlage einer kategorialen Ums­ zenierung wirft ein neues Licht auf den (innerhalb und außerhalb der Valenztheorie) vieldiskutierten Status der grammatischen Formen der Realisierung des Vorgangsauslösers. Die Diskussion, ob es sich im Falle der „fakultativen Präpositionalphrase“ im Passivsatz (Eroms 2000: 388) um ein Komplement, Supplement oder um einen Grenzfall, d.  h. um eine Art „peripheres Komplement“ (IDS-Grammatik 1997/2: 1097  f.), handelt, lässt sich entschärfen, wenn man das Problem nicht ‚einschrittig‘ (Aktiv vs. Passiv), sondern ‚zweischrittig‘ (Aktiv vs. einfaches Passiv vs. erweitertes Passiv) begreift. Denn im Sinne der Funktion-Argument-Wert-Formel geht es darum, dass der katego­ riale Wert ‚einfaches Passiv‘ als Argument in die Vorgangsauslöser-Konstruk­tio­ nen (= VA-Konstruktionen) eingeht, oder anders gesagt: Konstruktionelle Valenzerhöhung operiert auf kategorialer Valenzreduktion (ZPeinf = Zielvalenz im einfachen Passiv; ZPerw = Zielvalenz im erweiterten Passiv): Schritt 1: Schritt 2:

Zwei­ schrittigkeit

Passivkategorie (Ausgangsvalenz) = ZPeinf VA-Konstruktionen (ZPeinf ) = ZPerw

Im Gegenwartsdeutschen existieren zahlreiche (satzinterne und –externe) Typen von VA-Konstruktionen (Schoenthal 1976: 121  ff., Pape-Müller 1980: 73  ff.), von denen nur zwei  – VA-Konstruktionvon+DAT und VA-Konstruktiondurch+AKK  – grammatikalisiert sind. Formale Variabilität und peripherer Komplementstatus der beiden grammatikalisierten Formen, die dynamische Präpositionalobjekte darstellen, erklären sich aus der oben geschilderten doppelten Dynamik. Ein Argument für die zweischrittige Analyse ist, dass sich das einfache Passiv ‚verselbständigen‘ kann, d.  h., dass es einfache Passivsätze ohne entsprechende Aktivsätze und ohne die Möglichkeit, sie durch einen Vorgangsauslöser zu erweitern, gibt (Sadziński 2006: 967): (13)

einfaches vs. erweitertes Passiv

nur einfaches Passiv

Und ständig werden irgendwo im Weltraum neue Sterne geboren. (Beleg, „einem Kinderbuch entnommen“, n. Sadziński 2006: 967)

Autonome Passivsätze stellen den besten Beleg dafür dar, was an früherer Stelle (Kap. I/3.2, Anm. 52) in Anlehnung an Zifonun 1992 und Leiss 1992 zu der AktivPassiv-Relation gesagt wurde: Aktiv- und Passivsätze stehen in keiner Ableitungsbeziehung (Transformation) zueinander, sondern sie stellen alternierende autonome Strukturen mit einer unmarkierten (Aktiv) und einer markierten (Passiv) Kategorie dar. Dasselbe gilt für das Medium, denn im Gegensatz zum Typus sich öffnen gibt es zahlreiche Medialverben, die lexikalisiert sind, d.  h., zu denen es keine Alternante im Aktiv gibt (Kap. III/2.1.3).

keine Transformationen

278 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Fazit I: t­ heoretische Konsequenzen

Soweit die Charakterisierung der beiden Haupttypen dynamischer Prädikate anhand der beiden Typen von Umszenierungsmechanismen. Die erörterten Anwendungsfälle (Resultativkonstruktionen, Passiv, Medium) haben dabei insbesondere dreierlei gezeigt: (1) Eine Konstruktion kann, wie am Beispiel von voll und kaputt gezeigt, selbstverständlich auch eine Valenzstruktur (ein Valenzrealisierungsmuster) sein. In diesem Falle ergibt sich die konstruktionelle Zielvalenz aus der Anwendung eines Valenzrealisierungsmusters auf ein anderes Valenzrealisierungsmuster. In anderen Fällen (wie z.  B. bei der Spaltsatzkonstruktion, Kap. I/3.5 und  III/3.2.4) geht es um die Anwendung nichtvalenzieller „syntaktischer Ausdrucksmodelle“ (Feilke 1996: 239  ff.) auf ein Valenzrealisierungsmuster. (2) Es ist möglich, dass grammatische Kategorien mit grammatischen Konstruktionen alternieren (Aktiv vs. Passiv vs. Medium), d.  h., dass Kategorie und Konstruktion in einer regulären syntaktisch-semantischen Beziehung zueinander stehen. M. a. W., aus der paradigmatischen Relation kategorial und konstruktionell bestimmter Formen ergibt sich zwingenderweise weder die theoretische Notwendigkeit, eine Kategorie als Konstruktion, noch umgekehrt eine Konstruktion als Kategorie umzudefinieren. Im Rahmen einer auf dem Zusammenspiel von Statik und Dynamik basierenden Prädikatsauffassung behalten die bewährten Kriterien für die Etablierung und Begründung grammatischer Kategorisierungen ihre Gültigkeit. (3) Konstruktionen sind kategorienabhängig. Dies gilt trivialerweise für jede Konstruktion, deren Argument (im Sinne der Funktion-Argument-Wert-Formel) eine Aktivstruktur ist. Weniger trivial ist allerdings die am Beispiel der Relation ‚Aktiv vs. einfaches Passiv vs. erweitertes Passiv‘ gewonnene Erkenntnis, dass Konstruktionen auch auf markierten Kategorien operieren können und dass sich daraus die theoretische Notwendigkeit ergibt, die grammatischen und semantischen Zielstrukturen ‚zweischrittig-hierarchisch‘ zu modellieren.

Fazit II: Subformeln der Prädikats­ dynamik

Resümierend können wir ausgehend von der Formel der Valenzdynamik die der Prädikatsdynamik (vereinfacht) wie folgt darstellen: Struktur (statisches Prädikat) = dynamisches Prädikat Entsprechend dem unter Punkt (3) Gesagten gesellt sich nun zu den beiden primären Subformeln die angewandte (‚zweischrittig-hierarchische‘) Subformel (SP = statisches Prädikat; DPkat = kategorial dynamisches Prädikat; DPkonstr = konstruktionell dynamisches Prädikat; DPkonstr/kat = konstruktionell dynamisiertes kategorial dynamisches Prädikat): Subformeln der Prädikatsdynamik: Kategorie (SP) = DPkat Konstruktion (SP) = DPkonstr

Mesoglieder 

angewandte Subformel:

 279

Konstruktion (DPkat) = DPkonstr/kat

Umszenierung manifestiert sich in der Veränderung der Ausgangsvalenz und prototypischerweise auch des Ausgangsvalenzträgers: Ein statisches Prädikat wird zum dynamischen Prädikat. Je nachdem, ob der Ausgangsvalenzträger kategorial oder konstruktionell verändert wird, lassen sich die Zielvalenzträger in kategorial und konstruktionell dynamische Prädikate unterteilen.

1.4 Satzglieder (im engeren Sinne) 1.4.1 Klassifikationskriterien Die Bedeutung der Unterscheidung zwischen Valenzstatik (Szenierung) und Valenzdynamik (Umszenierung) zeigt sich nicht nur beim Prädikat, sondern natürlich auch bei den Satzgliedern (im engeren Sinne). Deshalb wird auch hier auf die Dynamik getrennt einzugehen sein (Kap. III/1.4.3). Im vorliegenden Kapitel werden die beiden Kriterien für die Klassifikation im nächsten Kapitel erörtert. Statik/Dynamik und diese beiden Kriterien geben die Struktur des Kapitels III/3 vor, in dem die einzelnen Satzglieder vorgestellt werden. Wir greifen erneut den Leittext-Satz [36] auf: [36]

Das jekt) gibt  natürlich  (Ad- wieder verbial) Anlass (Präpositional- zu ein paar schwer(Subsinnigen Sätzen objekt), […].

Satzglieder (im engeren Sinne) stellen grammatische Werte von satzgrammatischen Funktionen dar (Kap. I/2.4.2). Im Falle von Komplementen, d.  h. valenzgeforderten Satzgliedern (Kap. III/1.3.1), legt das Prädikat den Wert fest. Da das Nominalisierungsverbgefüge Anlass geben zwei Komplemente (Subjekt und Präpositionalobjekt) fordert, sehen die Anwendungen der Funktion-Argument-Wert-Formel auf die Komplemente in [36] wie folgt aus:62 Subjekt (Substantivgruppe im Nominativ Das) = Subjekt Das63

62 Gemeint sind die paradigmatischen Werte (Kap. I/2.4.4). 63 Der Terminus ‚Subjekt‘ unterliegt (so wie auch der Terminus ‚Prädikat‘) einer begrifflichen Doppelbelastung was unbefriedigend ist: Er bezeichnet sowohl die Funktion als auch den Wert. Wie erwähnt (Kap. I/2.4.3, Anm.  30), sind vereinfachte Funktion-Argument-Wert-Formeln wie die obige dem Umstand zu verdanken, dass in der vorliegenden Arbeit eine möglichst einfache Handhabung der Formel angestrebt wird. Notwendig wäre eine elaborierte Drei-Ebenen-Theorie grammatischer Funktionen, die hier (a) nicht geleistet werden kann und die (b) die erhoffte relative Übersichtlichkeit der Formelanwendungen drastisch reduzieren würde. Was das Subjekt anbelangt: Eine theoretisch deutlich bessere Formel für die valenztheoretische Rekonstruktion des Subjektwerts und die Behebung der begrifflichen Doppelbelastung wäre: »Komplement (Substantivgruppe im Nominativ) = Subjekt«.

Satzglieder als Werte

Komplementwerte

280 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Objekt (Präpositionalgruppe zu…Sätzen) = Präpositionalobjekt zu…Sätzen Im Rahmen einer grammatischen Textanalyse ist dies wie folgt zu interpretieren: 1. Nachdem man das Nominalisierungsverbgefüge Anlass geben als Prädikat iden­ tifiziert hat, weiß man, dass man die Valenzwerte ‚Subjekt‘ und ‚Präpositional­ objekt‘ zu erwarten hat. 2. Aufgrund der Formel-Anwendungen weiß man, dass man im Text prototypischerweise nach den Formen ‚Substantivgruppe im Nominativ‘ und ‚Präpositionalgruppe‘ zu suchen hat, damit die satzgrammatischen Funktionen ‚Subjekt‘ und ‚Objekt‘ zu den valenzinduzierten Werten führen.64 3. Wenn die gesuchten Formen nur einmal im Satz vorkommen, wenn sie also zweifelsfrei identifiziert werden können, ist die Komplement-Feststellung als abgeschlossen zu betrachten; man kann sich den Supplementen, d.  h. den nicht valenzgeforderten Satzgliedern, zuwenden:65 Supplementwerte

Adverbial (Frequenzadverb wieder) = Frequenzadverbial Die Supplement-Formel ist gewissermaßen in umgekehrter Richtung zu lesen: 1. Nachdem die Komplemente des Nominalisierungsverbgefüges Anlass geben identifiziert worden sind, weiß man, dass keine Valenzwerte mehr zu erwarten sind. 2. Da die grammatischen Funktionen ‚Subjekt‘ und ‚Objekt‘ immer zu Valenzwerten führen, weiß man, dass diese Funktionen im Satz nicht mehr angewandt werden können. 3. Folglich kann auf die restlichen Formen im Satz, die als Szenariokontextualisierer in Frage kommen (also keine Kommentarglieder sind), in der Regel nur die Adverbialfunktion angewandt werden.66 Als einziger von der Wortart (Adverb)

Wie angedeutet, würde jedoch der Einsatz dieser Formel einen theoretischen Dominoeffekt nach sich ziehen und die Ausarbeitung einer Drei-Ebenen-Theorie grammatischer Funktionen erforderlich machen. 64 Es mag störend sein, dass ein Pronomen wie Das als Substantivgruppe bestimmt wird. Ich fasse mit Eugenio Coseriu sog. Pronomina nicht als Pronominalisierungen von Nomina (Substantiven) auf, sondern genau umgekehrt als Primärformen, als „Kategoremwörter (»Pronomina«), die nur die Form der Gestaltung des Außersprachlichen aufweisen (die also substantivisch, adjektivisch usw. funk­tio­ nieren), jedoch keinen bestimmten außersprachlichen Stoff darstellen […].“ (Coseriu 1972/1987: 88) Substantivische Kategoremwörter (Personal-, Possessiv- und Demonstrativpronomina) sind in diesem Sinne keine Pro-Formen für ‚echte‘ Substantive (= Substantivgruppen), sondern sie stellen umgekehrt das rein strukturelle (‚vorlexikalische‘) Modell für stoffliche Anreicherungen, gewissermaßen die ‚Backform‘ für alle Torten, dar: Sie sind Substantive pur. 65 In nicht zweifelsfreien Fällen müssen weitere grammatische (z.  B. Kongruenz, Wortstellung), lexikalische (Wortbedeutungen) oder sonstige (Welt-, Kontext- und Situationswissen) Wissensbestände herangezogen werden (Kap. I/2.4.2. und I/2.4.4.). Zur Unterscheidung von Temporal- und Frequenzadverbial Kap. III/3.1.6. 66 In Frage kommt noch das Freie Prädikativ.

Mesoglieder 

 281

und der Bedeutung (Frequenz) her geeigneter Kandidat für eine Form, auf die die Adverbialfunktion angewandt werden kann, ist wieder. Die traditionelle Klassifikation der Satzglieder im Rahmen einer Subjekt-PrädikatsGrammatik sieht den grundlegenden Unterschied zwischen Subjekt und Prädikat auf der einen Seite und den Erweiterungen des Prädikats (durch Objekte und Adverbiale) auf der anderen. Dabei wird der grundsätzliche Komplementcharakter von Objekten (im Gegensatz zu Adverbialen) durchaus erkannt (Piitulainen 1980: 38  f.). Würde man diese Erkenntnisse aus dem binären Beschreibungsmodell der Subjekt-PrädikatsGrammatik in das trinäre Beschreibungsmodell der Valenztheorie (Valenzträger, Komplement, Supplement) übersetzen, würden Subjekt und Objekten (als Komplementen) auf der einen Seite Adverbiale (als Supplemente) auf der anderen gegenüber stehen. Dieses Modell ist als erste Orientierung hilfreich, muss jedoch in zweifacher Hinsicht präzisiert werden: 1. Zwar sind das Subjekt und die Objekte immer Komplemente, aber eine Klassifikation der Satzglieder sollte dem Umstand Rechnung tragen, dass es zwei Objektklassen gibt, denen im aktuellen System der Satzglieder – aus unterschiedlichen Gründen – so gut wie kein Gewicht zukommt. Einerseits geht es um das Genitivobjekt, das seit Ende der mittelhochdeutschen Zeit idiomatisch, d.  h. kein produktiver Teil des verbalen Systems mehr, ist.67 Andererseits handelt es sich um das Verbativobjekt, d.  h. um das Objekt, das nur in Form von Nebensätzen oder Infinitivkonstruktionen vorkommt und das nur bei wenigen Verben als Valenzstelle vorgesehen ist.68 2. Adverbialbestimmungen sind in der Regel Supplemente mit einer großen Ausnahme: dem Direktivum (Richtungsadverbial). Das Direktivum ist als statisches Satzglied immer Komplement und stellt im Gegensatz zum Genitiv- und Verbativobjekt keine marginale Satzgliedklasse dar.69 Zu Recht heißt es in der Satz-

67 Zum historischen Prozess des Abbaus des adverbalen und zum Ausbau des adnominalen Genitivs vgl. zusammenfassend Ágel 2000: 1858  f. und 1870  f. In der geschriebenen Standardvarietät von heute ist der adnominale (= attributive) Genitiv „widerstandsfähig“ und „unentbehrlich“ (Pérennec 1998), weil sein semantischer Abstraktheitsgrad viele Freiräume für semantisch-pragmatische Interpretationen in Texten schafft (Ballweg 1998, Pérennec 1998). Pauschalansichten über den Genitiv oder über andere grammatische Phänomene beruhen mitunter auf einer fehlenden oder nicht sachlichen Auseinandersetzung mit der Gegenwartsgrammatik (Ágel 2008) oder der einschlägigen Forschungstradition (Rinas 2011). 68 Interessanterweise gilt das idiomatische Genitivobjekt als fester Bestandteil der schulgrammatischen Satzgliedlehre, während in ihr das nichtidiomatische Verbativobjekt gar nicht vorkommt. 69 Bei dynamischen Direktiva (s. z.  B. das im Kap. I/3.5 behandelte Welke-Beispiel Emil baut ein Haus auf den Hügel) so wie bei dynamischen Satzgliedern im Allgemeinen, die ja strukturelle Werte darstellen, stellt sich die Komplement/Supplement-Frage nicht mehr. Dynamische Satzglieder sind per definitionem Zielkomplemente der Zielvalenz.

SubjektPrädikatsGrammatik vs. Valenz­ theorie

­Direktivum als ­Komplement

282 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

gliedlehre von Welke (2007: 1): „Ein weiteres Satzglied, das wir in den Kanon aufnehmen, ist das Direktivum.“ Der Name ‚Direktivum‘ (statt ‚Direktional-/Richtungsadverbial‘) soll den Sonderstatus des Direktivums unter den Adverbialen auch terminologisch unterstreichen.70 Adverbialkomplemente, die keine Direktiva sind (wie etwa die Lokalbestimmung bei wohnen), sind genauso marginal wie das Genitiv- und das Verbativobjekt. Klassifika­ tions­kriterien für Satz­ glieder

Problem ‚Präpositionalobjekt‘

Aus dieser Diskussion ergeben sich zwei Klassifikationskriterien für Satzglieder im engeren Sinne: –– Valenzstatus: Komplement vs. Supplement und –– das Gewicht, das Komplemente im aktuellen Sprachsystem haben: zentral vs. peripher. Die Klassifikation, die man durch die Anwendung dieser beiden Kriterien bekommt, dürfte adäquater sein als die traditionelle, ohne wirklich komplizierter zu sein: Die Stelle des Genitivobjekts im Kanon wird vom Direktivum übernommen. Neu ist lediglich die ‚Sammelklasse‘ der peripheren Komplemente (mit Genitivobjekt, Verbativobjekt und Adverbialkomplementen). Ein begriffslogisches Problem, dessen Behebung zur tatsächlichen Verkomplizierung führen würde, bleibt allerdings bestehen. Auf dieses soll nun kurz eingegangen werden. Betrachten wir hierzu das folgende Beispiel: (14) Gauß erinnerte sich, (Objekt- daß er ihn nicht direkt ansehen sollte nebensatz) […]. (Kehlmann Vermessung: 144) Laut Helbig/Schenkel (1978: 185) hat sich erinnern eine (optionale) zweite Valenzstelle, die sowohl von einem Präpositionalobjekt mit an+Akkusativ als auch von einem Genitivobjekt besetzt werden kann.71 Diese (zumindest theoretisch) alternative Besetzungsmöglichkeit lässt sich mit Hilfe von Korrelaten verdeutlichen: (14) (a) Gauß erinnerte sich (Präpositionalobjekts- daran korrelat), (Objekt- daß er ihn nicht direkt ansehen sollte nebensatz) […]. (b) Gauß erinnerte sich (Genitivobjekts- dessen korrelat), (Objekt- daß er ihn nicht direkt ansehen sollte nebensatz) […].

Kasus- und Präpositionalobjekte

Was man an dem Beispiel sieht, ist, dass das Genitivobjekt als solches nicht mit dem Präpositionalobjekt als solchem, sondern mit einem bestimmten Präpositionalob-

70 „Der Terminus Adverbialbestimmung assoziiert die Qualität Modifikator [= Supplement, V.Á.]. Nehmen wir die Direktiva aus dem Kreis der Adverbialbestimmungen heraus, so entschärfen wir das Problem. Adverbialbestimmungen sind dann auch Modifikatoren.“ (Welke 2007: 150) 71 E-VALBU kennt nur noch das Präpositionalobjekt.

Mesoglieder 

 283

jekt, nämlich dem Präpositionalan+AKK-objekt, konkurriert. Das Gleiche gilt für das Dativobjekt (z.  B. schreiben + Dativobjekt oder Präpositionalan+AKK-objekt) und für das Akkusativobjekt (z.  B. werben + Akkusativobjekt oder Präpositionalfür+AKK-objekt oder Präpositionalum+AKK-objekt).72 M. a. W., ‚Präpositionalobjekt‘ ist ein abstrakterer Begriff als ‚Akkusativobjekt‘, ‚Dativobjekt‘ und ‚Genitivobjekt‘. ‚Präpositionalobjekt‘ liegt auf derselben begriffslogischen Ebene wie ‚Kasusobjekt‘. Eine komplette, begriffslogisch korrekte Satzgliedliste müsste also neben den drei Kasusobjekten 16 Präpositionalobjekte enthalten:73 Tab. 30: Objektwerte im Gegenwartsdeutschen Kasusobjekte 1. 2. 3. Präpositionalobjekte 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16.

Objektwerte Akkusativobjekt Dativobjekt Genitivobjekt

Beispielverben kaufen schenken bedürfen

Präpositionalan+AKK-objekt Präpositionalan+DAT-objekt Präpositionalauf+AKK-objekt Präpositionalauf+DAT-objekt Präpositionalaus+DAT-objekt Präpositionalfür+AKK-objekt Präpositionalgegen+AKK-objekt Präpositionalin+AKK-objekt Präpositionalin+DAT-objekt Präpositionalmit+DAT-objekt Präpositionalnach+DAT-objekt Präpositionalüber+AKK-objekt Präpositionalum+AKK-objekt Präpositionalvon+DAT-objekt Präpositionalvor+DAT-objekt Präpositionalzu+DAT-objekt

glauben zweifeln bestehen bestehen bestehen eintreten vorgehen verwandeln bestehen sich befassen streben nachdenken sich kümmern ablenken schützen neigen

Dieses Problem lässt sich im Rahmen einer Sparsamkeit und Übersichtlichkeit anstrebenden Satzgliedklassifikation nicht lösen, aber es lässt sich andeuten: Im Kap. III/3.1.4, in dem die zentralen statischen Satzgliedklassen erörtert werden, kommt eine einzige Klasse im Plural vor („Präpositionalobjekte“), alle anderen stehen im Singular. Das Gleiche gilt – mit Ausnahme des Plurals ‚Adverbialkomplemente‘ – für

72 Für die aktuelle Argumentation spielen die unterschiedlichen Bedeutungen keine Rolle. 73 Die Beispiele für Präpositionalobjekte entstammen Heringer 1988: 356  ff. Ausgenommen ist nur das Präpositionalgegen+AKK-objekt (z.  B. Die Polizei geht gegen die Demonstranten vor.), das bei Heringer nicht vorkommt.

19 Objekte

284 

Funktionen und Werte

drei Supplement­ gruppen 23 Supplementwerte

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

die Überblickstabellen im nächsten Kapitel und im Kap. III/3.1.3.74 Der Numerusunterschied in den Kapitelüberschriften und in den Tabellen ist also kein Tippfehler. Im Sinne der Anwendung der Funktion-Argument-Wert-Formel auf die Supplemente (s. Beleg [36] oben) ist ein Supplementwert wie ‚Temporaladverbial‘ auf derselben Abstraktionsebene anzusiedeln wie etwa ‚Akkusativobjekt‘ oder eben ‚Präpositionalnach+DAT-objekt‘. M. a. W., während ‚Objekt‘ und ‚Adverbial‘ satzgrammatische Funktionen sind, stellen ‚Akkusativobjekt‘, ‚Präpositionalnach+DAT-objekt‘ und ‚Temporaladverbial‘ Satzglieder (satzgrammatische Werte) dar. Adverbiale Satzglieder wurden entsprechend ihrer Funktion bei der Szenariokontextualisierung zwei Klassen zugeordnet (Kap. I/3.3): situierende Supplemente (Situativadverbiale) und szenische Supplemente (Verhältnisadverbiale). Hinzu kommt das Freie Prädikativ, das ebenfalls zu den situierenden Supplementen gehört. Betrachtet man alle Supplementwerte (wie ‚Temporaladverbial‘, ‚Kausaladverbial‘, ‚Freies Prädikativ‘), ergibt sich eine Anzahl von insgesamt 23 Supplement-Satzgliedern. Auf diese wird in einem eigenen Kapitel einzugehen sein (Kap. III/3.1.6). In der Übersicht im nächsten Kapitel (Tab. 31) werden lediglich die drei Supplementgruppen ‚Freies Prädikativ‘, ‚Situativadverbiale‘, und ‚Verhältnisadverbiale‘ angeführt. Satzglieder im engeren Sinne lassen sich primär nach ihrem Valenzstatus (Komplement vs. Supplement) unterteilen. Komplemente können weiter nach ihrem sprachsystematischen Gewicht (zentral vs. peripher) unterteilt werden. So wie beim Prädikat gibt es auch bei den Satzgliedern statische Satzglieder, die in einem Szenario mitwirken, und dynamische Satzglieder, die eine Umszenierung bewirken oder dazu beitragen. Dynamische Satzglieder sind per definitionem Komplemente. Ein Sonderproblem für die Klassifikation der Komplemente stellt das ‚Präpositionalobjekt‘ dar, das kein Satzglied, sondern ein Sammelbegriff für 16 verschiedene Satzglieder (= Präpositionalobjekte) ist. Ein analoges Problem stellt für die Klassifikation der Supplemente das ‚Adverbial‘ dar, das ein Sammelbegriff für 22 adverbiale Satzglieder ist. Zusammen mit dem Freien Prädikativ gibt es also insgesamt 23 Supplement-Satzglieder.

1.4.2 Satzglieder (im engeren Sinne) im Überblick Aufgrund der im vorigen Kapitel erörterten Kriterien lassen sich die Satzglieder (im engeren Sinne) wie folgt klassifizieren (Verhältnisadverbiale grau hinterlegt, Situativadverbiale gekennzeichnet, aber nicht farblich hinterlegt):

74 Der Plural ‚Adverbialkomplemente‘ ist analog dem Plural ‚Präpositionalobjekte‘ zu verstehen. ‚Adverbialkomplement‘ wäre kein Satzglied, sondern ein Sammelbegriff für mindestens fünf verschiedene Satzglieder (Kap. III/3.1.3)

Mesoglieder 

 285

Tab. 31: Satzglieder im Überblick I. Komplemente Gewichtung

Satzglied

Beispiele

Subjekt

[12] (Sub- zwei [Jahre] davon jekt) sind erst rum. Erst hier sei (Subjekts- es korrelat) ihm eingefallen, (Sub- sich zum Imperator zu erklären jekt).75 Wer immer ihn traf jekt), wußte sich vor Begeisterung (Subkaum zu fassen.76

Akkusativobjekt

[5] (Sub- Hannes jekt) sagt: (Akkusativ- »Bald wird etwas geschehen« objekt). [25] (Akkusativ- was objekt) singen (Sub- sie jekt)? [17] (Akkusativ- Wie das Stück ausgeht objekt), erfährt (Sub- man allerdings nicht.77 jekt)

Dativobjekt

[8] [(Sub- Hannes jekt) hatte] (Dativ- den Verschreckten objekt) ein Bußgeld objekt) abgeknöpft. [12] (Akkusativ- Vier Jahre Isenbüttel objekt) hat (Sub- das jekt) (Dativdem Professor objekt) eingebracht, […]. Fünfzehn hochbezahlte Experten hielten (Dativ- ihnen objekt) Vorlesungen auf Universitätsniveau.78

(1) zentral

(Akkusativ-

Präpositionalobjekte

[10] (Sub- Hannes, im Übrigen nicht besonders redselig , teilt (Akkusativ- die Zelle objekt) (Präpositional- mit dem Erzähler jekt) dieser Geschichte, aus dessen Leben Hannes erstaunlich viel mitzuteilen weiß und den er »Professor« nennt objekt). [15] [(Sub- es jekt)] handelt (Präpositional- von zwei älteren Damen, die in einem Hamburger Vorgarten ein echtes Labyrinth haben, in dem man zur Verbesserung der Welt tatsächlich Leute, die es nicht anders verdient haben, zum Verschwinden bringen kann objekt). [28] (Sub- die Truppe jekt) wird (Präpositional- von der Grünauer Bevölkerung objekt) sozusagen (Ad- zunehmend verbial) angenommen, […].

75 Kehlmann Vermessung: 111 76 Kehlmann Vermessung: 20. Zu weiteren Belegen mit Subjekt s. alle weiteren Beispiele. 77 Zu weiteren Belegen mit Akkusativobjekt s. die Beispielsätze unter ‚Dativobjekt‘ und den ersten Beleg unter ‚Präpositionalobjekte‘. 78 Kehlmann Vermessung: 20

Satzglieder im engeren Sinne

286 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Direktivum

[18] [(Sub- Hannes jekt)] führt (Akkusativ- ihn objekt) (Direkti- zum Landesbühnen-Bus, in dem es sich bereits ein gutes Dutzend der sogenannten Insassen halbwegs bequem gemacht hat vum).

Genitivobjekt

[…] in Treue gedenke er (Genitiv- der westlich Irland abgestürzten Monika objekt) […].79

Verbativobjekt

Erst allmählich kam er dahinter, (Verbativ- dass sie diese Pausen brauchten objekt).80 Man bedeutete ihr, (Verbativ- sich still zu verhalten objekt).81

(2) peripher

Adverbialkomplemente [19] (Ad- draußen verbial) sind (Sub- sie jekt). II. Supplemente Funktion

Satzgliedgruppe

Beispiele

Situativadverbiale

[14] (Sub- Ein Stück jekt) soll aufgeführt werden, (Ad- im Speisesaal verbial).

Freies Prädikativ

Sie saßen (Freies nackt Prädikativ) nebeneinander in dem zerwühlten Bett […].82

Verhältnisadverbiale

[52] (Ad- weil Siegfried Lenz vor allem auch ein erfahrener Autor ist ver-), hat (Sub- er jekt) (Akkusativ- die Sache objekt) deswegen al) (Ad- gleich verbial) (Direkti- etwas ins Zeitferne (bigerückt. vum)

(1) situierend

(2) szenierend

Die wichtigsten Änderungen im Vergleich zur traditionellen Satzgliedklassifikation sind: (1) Die Stelle des Genitivobjekts als zentrales Satzglied wurde vom Direktivum übernommen. (2) Eingeführt wurde die Sammelklasse der peripheren Satzglieder (Genitivobjekt, Verbativobjekt, Adverbialkomplemente). Da periphere Satzglieder eine sprachsystematische Randerscheinung darstellen, spielen sie auch aus der Sicht der Grammatischen Textanalyse eine periphere Rolle. (3) Da das Prädikativum mit Ausnahme des Freien Prädikativs als Teil des Prädikats angesehen wird, reduziert sich die Anzahl der traditionellen prädikativen Satzgliedklassen von drei (Subjekts-, Objekts- und Freies Prädikativ) auf eine (Freies Prädikativ).

79 Böll Dienstfahrt: 80 80 Kehlmann Vermessung: 54 81 konstruiertes Beispiel von Ulrich Engel (1988: 211) 82 Timm Sommer: 14

Mesoglieder 

 287

1.4.3 Dynamische Satzglieder Wie in den Kap. I/3.5 und III/1.3.3 dargelegt, stellen dynamische Sätze kategoriale oder konstruktionelle Umszenierungen von statischen Sätzen dar. Per definitionem zeigt das dynamische Prädikat die Umszenierung an, aber sie kann auch von Satzgliedern (im engeren Sinne) mit indiziert werden. Entsprechend lassen sich zwei Typen von dynamischen Satzgliedern unterschieden: kategorial und konstruktionell dynami­ sche Satzglieder. Um die beiden Typen zu illustrieren, werden hier drei Beispiele aus dem Kap. III/1.3.3 wiederholt: [19] Kurz darauf (Voll- öffnet verb) ein ahnungsloser Torhüter die Pforte […].  [Aktiv] [13a] Jetzt aber (Vo- wird ll-) das Tor zum Gefängnishof (ve- geöffnet rb).    [Passiv] [13] Jetzt aber (Voll- öffnet sich verb) das Tor zum Gefängnishof […].    [Medium] Der Aktivsatz enthält keine dynamischen Satzglieder. In ihm kommen zwei Komplemente vor: ein statisches Subjekt (ein ahnungsloser Torhüter) als Handlungsträger (Agens) und ein statisches Akkusativobjekt (die Pforte) als Handlungsgegenstand (Patiens). [13a] ist ein Beispiel für kategoriale Umszenierung. Sie betrifft nicht nur die grammatische und die semantische Kategorie des Prädikats (Passiv bzw. Exo-Vorgang), sondern auch den grammatischen und semantischen Wert des Subjekts (das Tor zum Gefängnishof): kategorial dynamisch und Exo-Vorgangsträger. [13] ist ein Beispiel für konstruktionelle Umszenierung. Sie betrifft nicht nur die grammatische Konstruktion und die semantische Kategorie des Prädikats (Medium bzw. Endo-Vorgang), sondern auch den grammatischen und semantischen Wert des Subjekts (das Tor zum Gefängnishof): konstruktionell dynamisch und Endo-Vorgangsträger.83 Unterschieden werden zwei Typen von dynamischen Satzgliedern: (a) kategorial und (b) konstruktionell dynamisch. Notwendig für Umszenierungen sind dynamische Prädikate. Dynamische Satzglieder begleiten die (kategoriale oder konstruktionelle) Umszenierung durch das dynamische Prädikat.

83 Das Konzept der dynamischen Satzglieder kann erst im Kap. III/.3.2.2 einigermaßen zufriedenstellend präzisiert werden.

kategorial und ­konstruktionell dynamische Satzglieder

kategoriale Umszenierung

konstruktionelle Umszenierung

288 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

1.5 Kommentarglieder Kommentarglieder drücken sog. „Sprechereinstellungen“ aus. „Damit sind Attitüden/ Einstellungen des Sprechers/Verfassers zum propositionalen Gehalt (Aussagegehalt) gemeint, von Gewißheit und Vermutung über Distanzierung und Bewertung bis zu Wollen, Erwarten, Hoffen usw.“ (Polenz 2008: 212): Das jekt) gibt  natürlich  (Ad- wieder verbial) Anlass (Präpositional- zu ein paar schwer(Subsinnigen Sätzen objekt), […]. [53] Und [(Sub- er jekt)] trifft sich (Ad- damit verbial)  auf überraschende Weise  (Präpositional- mit dem Autor der Leute von Seldwyla, an die man beim Lesen dieser Novelle sowieso schon zurückgedacht hat objekt). [36]

zwei ­Grundtypen

Die beiden Leittext-Belege repräsentieren die zwei Grundtypen von Kommentargliedern, das Geltungs- und das Wertungsglied (ausführlich Kap. III/4.2): Qua Kommentarglied natürlich wird die Geltung des Szenarios (als Tatsachenübermittlung) eingestuft (= Geltungsglied), während das Kommentarglied auf überraschende Weise die Geltung des Satzinhalts (als Tatsache) in einer von zahlreichen möglichen „Bewertungsdimensionen“ (IDS-Grammatik 1997/2: 1129) verortet (= Wertungsglied). Kommentarglieder drücken Sprechereinstellungen aus. Unterschieden werden zwei Grundtypen von Kommentargliedern: das Geltungsglied (z.  B. vermutlich) und das Wertungsglied (z.  B. zum Glück).

1.6 Die lineare und funktionale Struktur von Mesogliedern Um Mesoglieder in Texten zuverlässig identifizieren zu können bzw. um grammatische – und somit auch semantische – Hierarchien in Texten erfolgreich zu erschließen (auch Kap. I/2.3), muss man wissen, (1) in welcher Form Mesoglieder linear realisiert werden können und (2) wie sie funktional gegliedert sind, d.  h. insbesondere, ob alle Mesoglieder aus Wortgruppengliedern bestehen. Betrachten wir die folgenden drei Leittext-Sätze: [52]

Aber weil Siegfried Lenz vor allem auch ein erfahrener Autor ist ver-), hat (Sub- er jekt) (Addie Sache objekt) (bi- deswegen al) (Ad- gleich verbial) (Direkti- etwas ins Zeitferne vum) (Akkusativgerückt.

Mesoglieder 

[6] [7]

 289

Und in der Tat: Seltsames te-) geschieht, (nes Sub- ja geradezu Unerhörtes jekt). (gespalSchauplatz ist (Sub- das Gefängnis Isenbüttel, dessen Insassen zumeist Kleinkriminelle sind, die hier ihre paar Jahre absitzen jekt).

Ad (1): Aus der Linearisierungsperspektive lassen sich drei Typen von formalen Realisierungen von Mesogliedern, drei Linearisierungsformen, unterscheiden:84 1. kontinuierlich (‚kompakt‘), 2. diskontinuierlich und 3. gespalten.

Linearisierungsformen

Eine kontinuierliche Realisierung liegt vor, wenn ein Mesoglied ohne Unterbrechung durch Konstituenten, die nicht zum fraglichen Mesoglied gehören, d.  h. zusammenhängend, realisiert wird. Kontinuierlich realisiert werden im ersten Satz das Akkusativobjekt und das Direktivum, im dritten Satz beide Mesoglieder (Prädikat und Subjekt), während es im zweiten Satz keine kontinuierlich realisierten Mesoglieder gibt.85 Eine diskontinuierliche Realisierung liegt vor, wenn ein Mesoglied durch Konstituenten, die nicht zum fraglichen Mesoglied gehören, unterbrochen wird und wenn diese Unterbrechung den strukturellen Normalfall (den unmarkierten Fall) darstellt. Diskontinuierlich realisiert werden das Prädikat und das Kausaladverbial im ersten Satz. Was das Prädikat anbelangt: hat…gerückt ist im Gegensatz zur synthetischen Verbform geschieht eine analytische (periphrastische, zusammengesetzte) Verbform. Da im Gegenwartsdeutschen analytische Formen für die Klammerbildung eingesetzt werden, werden sie im strukturellen Normalfall diskontinuierlich realisiert.86 Diskontinuierlich realisiert wird auch das Kausaladverbial, das aus einem Nebensatz (weil Siegfried Lenz vor allem auch ein erfahrener Autor ist) und einem Korrelat (deswegen) besteht. Dass sich hier das Korrelat nicht unmittelbar an den Nebensatz anschließt, ist strukturell normal und erwartbar. Im Gegensatz zu diesem Fall ist es jedoch bei nominalen Subjekten nicht normal und erwartbar, dass sie getrennt, eben gespalten, realisiert werden: Seltsames… ja geradezu Unerhörtes. Die Subjektspaltung dient hier als grammatisches Mittel zur

kontinuierlich

84 Berücksichtigt werden nur die mehrteiligen Mesoglieder. Bei Gliedern, die einteilig sind (wie z.  B. beim Subjekt und beim Temporaladverbial im ersten Satz), stellt sich die Frage nach der Linearisierungsform nicht. 85 Das Prädikat (geschieht) ist ja einteilig. 86 Zur Synthese/Analyse, zur Klammerbildung und zur Felderstruktur Kap. II/1.3 und II/1.6–7. Zu diskontinuierlichen Satzgliedern s. Boettcher 2009/2: 95  f.

diskonti­ nuierlich

gespalten

290 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Feinabstimmung der Funktionalen Satzperspektive (Thema-Rhema-Gliederung), indem der zweite Teil des insgesamt rhematischen, d.  h. neue und/oder wichtige Informationen enthaltenden, Subjekts von geschieht positionell noch stärker ins Informationszentrum gerückt wird.87 Das Ergebnis ist die pragmatische Weiterverstärkung der vorhandenen lexikalischen Intensivierung. funktionale Struktur: genuine und recycelte Mesoglieder

Ad (2): Was die funktionale Struktur von Mesogliedern anbelangt, stellt sich die Frage, ob alle Mesoglieder aus Wortgruppengliedern bestehen, ob also der Weg der Grammatischen Textanalyse von der Mesoebene zur Mikroebene ausschließlich über Wortgruppen führt. Wie im Kap. I/2.4 dargelegt, muss in einer funktionalgrammatischen Textanalyse konsequent eine deszendente, ‚von oben nach unten‘-Perspektive eingenommen werden. Aus dieser Perspektive betrachtet ist es ein bedeutender Faktor der semantischen Transparenz und der sprachlichen Ökonomie, dass Glieder einer höheren funktionalen Ebene auf niedrigeren funktionalen Ebenen refunktionalisiert, recycelt, werden können (Kap. I/2.5). So lassen sich auch Makroglieder bzw. Textsequenzen/Texte als Mesoglieder recyceln. Dies ist der Fall des Kausaladverbials im ersten Satz, dessen Form als Nebensatz (mit Korrelat) anzeigt, dass das SiegfriedLenz-ist-ein-erfahrener-Autor-Szenario kein autonomes Szenario ist, sondern nur als begründendes Anszenario, als szenierende Kontextualisierung des Er-hat-dieSache-etwas-ins-Zeitferne-gerückt-Szenarios dient (Kap. I/3.3). Funktional gesehen kann ein als Mesoglied refunktionalisiertes Makroglied nicht die Struktur von genuinen Mesogliedern haben. Es kann nur, mehr oder weniger angepasst, die funktionale Struktur des Ausgangsmakrogliedes, die dann um eine Ebene zurückgestuft wird, haben. Wenn das Ausgangsmakroglied ein Satz ist, der ja funktional aus Mesogliedern besteht, enthält ein als Mesoglied refunktionalisierter Satz prototypischerweise (a) ein Zeichen, das die Refunktionalisierung anzeigt, und (b) sekundäre Mesoglieder (= Mesoglieder zweiten Grades).88

87 Eroms (1986: 56) wertet das Subjekt von Verben wie geschehen generell als rhematisch. Da allerdings die Vorfeldposition in der Regel thematisch besetzt wird, während hintere Mittelfeldpositionen rhematisch besetzt werden, verstärkt die Subjektspaltung den Mitteilungswert des zweiten Subjektteils. Wolfgang Boettcher (2009/2: 94  f.), der den Typ als „Satzgliedsplitting“ beschreibt, spricht von „Doppelfokussierung“, die stilistisch markiert sei. 88 Die Einschränkung ‚prototypischerweise‘ bezieht sich auf sog. abhängige Hauptsätze bzw. auf beliebige Textsegmente, die 1:1 herabgestuft werden, Kap. III/3.1.2. Ausführlich modelliert wird Recyling im Mikroebenenkapitel (Kap. IV/1.2 und IV/2.2), in dem die Zeichen, die die Refunktionalisierung anzeigen, die Bezeichnung Recyclator bekommen und in dem auch das Verhältnis von Köpfen und Recyclatoren diskutiert wird.

Mesoglieder 

 291

Bezogen auf das Beispiel weil Siegfried Lenz vor allem auch ein erfahrener Autor ist (a) zeigt der Subjunktor weil (mit Verbletztstellung) die Refunktionalisierung an, während (b) die restlichen Glieder alle sekundäre Mesoglieder darstellen.89 Um Missverständnissen vorzubeugen: ‚Satz‘ und ‚Nebensatz‘ stehen in keiner formalen Ableitungsbeziehung (Transformation) zueinander. Dies ergibt sich alleine schon aus der Logik der Funktion-Argument-Wert-Formel, nach der der Satz einen textgrammatischen Wert darstellt, während Nebensätze mögliche Formen (Argumente) von Meso- und Mikrogliedern sind. Nebensätze (wie auch Infinitivkonstruktionen) stellen eigene Konstruktionstypen dar, die die Funktion haben, Szenarios als Meso- oder als Mikrowerte zu ermöglichen. Genuine (= nicht recycelte) Mesoglieder können (u.  a.) 1. Wörter und Ausdrücke oder 2. Wortgruppen sein.90 Wörter und Ausdrücke lassen sich am besten negativ bestimmen: Sie stellen genuine Mesoglieder dar, die den Kriterien für Wortgruppen nicht entsprechen, d.  h., deren Konstituenten sich nicht als Kopf, Kern und Attribut bestimmen lassen (Kap. IV/1.2). In den obigen Leittext-Sätzen trifft dies auf das Satzglied gleich und das Kommentarglied geradezu zu. Das typische genuine Mesoglied hat die Form einer Wortgruppe. Alle Mesoglieder in den obigen Leittext-Sätzen, die bisher nicht als recyceltes Makroglied bzw. als Wort/Ausdruck identifiziert wurden, sind Wortgruppen. Auf Grund des Gesagten dürfte klar sein, warum hier der Begriff der Phrase vermieden und dem Begriff der Wortgruppe der Vorzug gegeben wird. Der Phrasenbegriff ist das Produkt einer aszendenten ‚von unten nach oben‘-Perspektive, und aus dieser Perspektive erscheinen Nebensätze, Infinitivkonstruktionen und Sätze (als Formen) auch als Phrasen, was grundsätzlich in Frage gestellt wird (Kap. IV/1.2). In einer funktionalgrammatischen Textanalyse muss dagegen eine ‚von oben nach unten‘Perspektive eingenommen werden. Aus dieser Perspektive müssen die Glieder von als Mesoglieder recycelten Makrogliedern als sekundäre Mesoglieder (und nicht als genuine Phrasenkonstituenten) betrachtet werden. Das ist nicht nur eine Frage der Konsequenz, sondern auch eine der theoretischen Notwendigkeit, weil für die funktionale Binnenanalyse eines Nebensatzes (wie z.  B. weil Siegfried Lenz vor allem auch 89 Der Begriff des sekundären Mesoglieds hat mit dem des sekundären Satzglieds (Helbig/Buscha 2001: 462  ff.) nichts zu tun. Unter primären Satzgliedern verstehen Helbig und Buscha die statischen Komplemente, sekundär sind einige (aber nicht alle) Typen von dynamischen Komplementen bzw. Kommentargliedern und die Freien Prädikative. 90 Auf zwei weitere Typen (Wort(gruppen)kombination und Wortgruppenverbindung) wird erst im Kap. IV/1.2 einzugehen sein. Zum Begriff des Ausdrucks und der Ausdrucksart Kap. I/2.4.5.

Recycling ist Modell

Wortgruppe vs. Phrase

292 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

ein erfahrener Autor ist) nur das Instrumentarium für Mesoglieder (Prädikat, Satzglieder, Kommentarglieder) geeignet ist, das Instrumentarium für Wortgruppenglieder (Kopf, Kern, Attribut) dagegen nicht (auch Kap. III/3.1.2). Mesoglieder haben drei Linearisierungsformen: kontinuierlich (‚kompakt‘), diskontinuierlich und gespalten. Während kontinuierliche und diskontinuierliche Linearisierungen strukturelle Normalfälle darstellen, deuten gespaltene Realisierungen von Mesogliedern auf besondere textuell-pragmatische Effekte hin. Die funktionale Gliederung von Mesogliedern hängt primär davon ab, ob es sich um ein genuines Mesoglied oder um ein refunktionalisiertes (‚recyceltes‘) Makroglied handelt. Die Glieder von als Meso­glieder recycelten Sätzen stellen sekundäre Mesoglieder dar, die analog zu den primären Mesogliedern zu analysieren sind. Genuine Mesoglieder stellen dagegen typischerweise Wortgruppen dar und bestehen aus Wortgruppengliedern. Wenn sie sich nicht als Wortgruppen analysieren lassen, bestehen genuine Mesoglieder aus Wörtern oder Ausdrücken.

1.7 Über Möglichkeiten und Grenzen von Satzgliedproben Die Makro- und Mesoglieder, die man in Sätzen vorfindet, wurden mit Hilfe der folgenden Abbildung zusammengefasst (Kap. I/3.4).

Abb. 7 (= Abb. 3): Satzglieder und Glieder im Satz

Mesoglieder 

 293

Obwohl man von grammatischen Proben (= syntaktischen Tests, operationalen Verfahren in der Syntax) realistischerweise nicht erwarten sollte, dass sich mit ihnen satzsemantisch (Mesoglieder) oder textsemantisch (Makroglieder) indizierende grammatische Werte in Sätzen 1:1 nachweisen lassen, sollten doch bestimmte Tendenzen und Zusammenhänge sichtbar werden. Laut Abb.  7 müssten sich mittels grammatischer Proben idealerweise folgende Satz-Glieder (= Satzglieder und Glieder im Satz) nachweisen lassen:91 1. Prädikat, 2. Komplemente, 3. situierende Supplemente, 4. szenische Supplemente, 5. Kommentarglieder und 6. Kohäsionsglieder im Satz. Diese Klassen und Subklassen indizieren den Satzinhalt in der Art von konzentrischen Kreisen (s. auch Abb. 2 im Kap. I/3.4):

Abb. 8: Satz-Glieder und Satzinhalt

91 Die Formulierung ‚Satz-Glieder‘ wurde gewählt, weil, wie im Kap. I/3.4 dargelegt und wie auch aus Abb. 7 ersichtlich, nicht alle Glieder in Sätzen Mesoglieder (Satzglieder im weiteren Sinne) sind.

Testziel

Satz-Glieder

294 

die Struktur grammatischer Proben Prädikat

Deshalb wäre auch zu erwarten, dass das mittels Proben nachweisbare grammatische Verhalten tendenziell ‚konzentrisch‘ organisiert ist: 1. Prädikat: Dass das Prädikat der archimedische Punkt des Satzes, gewissermaßen der Fels in der Satzbrandung, ist, spiegelt sich eindrucksvoll auch operational wider: Es lässt sich nicht erfragen (Frageprobe), vielmehr ist das Prädikat die Basis, von der aus erfragt wird. Es lässt sich als Ganzes nicht verschieben (Verschiebeprobe, Permutationstest) und schon gar nicht weglassen (Weglassprobe, Eliminierungstest). Lediglich der infinite Prädikatsteil kann – alleine oder zusammen mit Satzgliedern im engeren Sinne – ins Vorfeld verschoben werden (Topikalisierung, Vorfeld-Probe):92 (15) (16)

Komplemente

periphere Komplemente

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Helfen kann ich dir nicht… Ein Buch lesen möchte ich schon… (gekürzte Beispiele n. Dürscheid 2007: 49)

2. Komplemente lassen sich in der Regel erfragen und verschieben. Hinsichtlich der Weglassbarkeit ist das Bild dagegen uneinheitlich (s. die Valenzrelation NOT im Kap. III/1.3.1). Probleme gibt es am ehesten mit der Frageprobe und vor allem mit den peripheren Komplementen (Verbativobjekt, Genitivobjekt, Adverbialkomplemente):93 (17) Man bedeutete ihr, (Verbativ- sich still zu verhalten objekt). (Beispiel von Ulrich Engel (1988: 211)) (18) […] in Treue gedenke er (Genitiv- der westlich Irland abgestürzten Monika […]. (Böll Dienstfahrt: 80) (19) Das Haus (Genitiv- der westlich Irland abgestürzten Monika attribut) steht leer. (20) Er wohnt (Lokal- in London komplement). (21) Er arbeitet (Lokal- in London adverbial).

Verbativ­ objekt

objekt)

Das Verbativobjekt ist nicht sinnvoll erfragbar. Im konkreten Fall stellt sich eine andere Bedeutung von bedeuten ein: (17’) Was bedeutete man ihr?

Genitivobjekt

Die Frage nach dem Genitivobjekt (Satzglied) ist identisch mit der nach dem Genitivattribut (Wortgruppenglied):94

92 Zur Was tut-Frage, die im schulischen Kontext immer wieder als Prädikatsfrage eingesetzt wird, schreibt Boettcher (2009/2: 88): „Mit ‚Was tut…?‘ erhält man ‚alles außer dem Subjekt‘.“ Zu „Komplikationen bei der Vorfeld-Probe“ s. Boettcher 2009/2: 91  ff. 93 Zu ‚zentral vs. peripher‘ Kap. III/1.4.1–2. 94 Dies ist allerdings kein wirklicher Einwand, denn Fragen lassen sich nur in Relation zu ihrer Fragebasis betrachten. Die Fragebasis des Genitivobjekts ist das Prädikat (gedenke), die des Genitivattributs hingegen der Kern der Wortgruppe (Haus). S. auch Boettcher 2009/2: 88.

Mesoglieder 

 295

(18’) Wessen gedenke er in Treue? (19’) Wessen Haus steht leer? Außerdem besteht der Verdacht, dass das Fragepronomen wessen eher als der Genitiv von wer und nicht oder nur eingeschränkt als der Genitiv von was fungiert. Dies könnte mit ein Grund für die Letztplatzierung von wessen beim Heringer’schen Assoziationstest zu dem Verb beschuldigen sein ( III/1.3.1). Man vergleiche das konstruierte Beispiel:95 (22) Man beschuldigte ihn (Genitiv- des Mordes objekt). (22’) ?Wessen beschuldigte man ihn? Schließlich unterscheiden sich die Fragen nach Adverbialkomplementen nicht von denen nach Adverbialen (= Adverbialsupplementen):

Adverbialkomplemente

(20’) Wo wohnt er? (21’) Wo arbeitet er? Was die Erfragbarkeit der zentralen Komplemente anbelangt, ist vor allem die Unterspezifikation, d.  h. die kategoriale und semantische Offenheit, von was zu erwähnen: [5] [6] [8]

Hannes jekt) sagt: (Akkusativ- »Bald wird etwas geschehen« objekt). Und in der Tat: Seltsames te-) geschieht, (nes Sub- ja geradezu Unerhörtes jekt). (gespalHannes zum Beispiel hatte (Dativ- sich objekt) (Akkusativ- eine Polizeikelle objekt) (Subjekt) besorgt […]. (Sub-

[5’] Was sagt Hannes? [6’] Was geschieht? [8’] Was hatte sich Hannes besorgt? Einerseits ist was kategorial unterspezifiziert (Direktkasus).96 Deshalb kann man mit ihm sowohl nach dem Subjekt als auch nach dem Akkusativobjekt fragen ([6‘] vs. [5’] und [8’]). Andererseits ist was semantisch unterspezifiziert, weshalb sich mit ihm sowohl ein Szenario als auch ein Gegenstand erfragen lässt ([6’] vs. [8’]).97 95 Peter Eisenberg ist hier teilweise anderer Meinung. Einerseits zählt er wessen als vollwertiges Glied in dem Flexionsparadigma sowohl von wer als auch von was (Eisenberg 2006/2: 189). Andererseits macht er geltend, dass wessen als Genitiv von was nur als Objektfrage, nicht jedoch als Attributfrage auftrete: „*Wessen letzte Zeile ist jambisch?“ (Eisenberg 2006/2: 478). 96 Zum Direktkasus Kap. I/2.4.4. 97 Zu erwähnen ist noch, dass das Fragepronomen was  – im Gegensatz zu wer  – möglicherweise keinen Dativ hat (Eisenberg 2006/2: 188  f.). Aber selbst, wenn man die Form was auch als Dativ des Fragepronomens was auffasst („Wem oder was half keiner?“ (Musan 2008: 3)), geht es hier um ein marginales Problem, da Dativobjekte prototypischerweise Lebewesen bezeichnen (s. [2]).

zentrale ­Komplemente

296 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

situierende Supplemente

3. Situierende Supplemente (lokale, temporale und modale Situativadverbiale) lassen sich erfragen, verschieben und weglassen.98

szenische Supplemente

4. Szenische Supplemente (Verhältnisadverbiale) wie z.  B. Kausal-, Konditional-, Konzessiv-, Komitativ- oder Konsekutivadverbiale (Kap. III/3.1.6) sind weglassbar. Hinsichtlich Verschiebbarkeit und Erfragbarkeit verhalten sie sich unterschiedlich. Nicht verschiebbar sind durch sog. Postponierer eingeleitete adverbiale Nebensätze, typischerweise Konsekutivnebensätze:99

Konsekutivund Kausaladverbial

(23) Bienkopp knallt die Tür zu, (Konsekutiv- daß die Kate zittert adverbial). (Strittmatter Bienkopp, zit. nach HDK 2003: 418) → *Daß die Kate zittert, knallt Bienkopp die Tür zu. Verschiebbar sind dagegen z.  B. Kausalnebensätze: (23) (a) →

Weil Bienkopp die Tür zuknallt adverbial), zittert die Kate. Die Kate zittert, weil Bienkopp die Tür zuknallt.

(Kausal-

Beim Konsekutivverhältnis indizieren Anszenarios die möglichen Folgen von Szenarios, während beim Kausalverhältnis die Relation von Anszenario und Szenario spiegelverkehrt ist:100 Konsekutiv: Kausal:

(aus) Szenario → (= folgt) Anszenario Anszenario → (= begründet) Szenario

Kausaladverbiale sind nicht nur verschiebbar, sondern in der Regel auch erfragbar.101 (23) (b) Warum zittert die Kate? heterogene ‚Verhältnisse‘

Es stellt sich daher die Frage, warum sich Verhältnisadverbiale so unterschiedlich verhalten: Kausale Anszenierung scheint qua Frage- und Verschiebeprobe näher am Satzzentrum zu sein als z.  B. konsekutive Anszenierung. Plausibel erscheint die Antwort von Andreas Lötscher (1999), nach dem Verhältnisadverbiale erfragbar sind, wenn sie relevante Präzisierungen einer Sachverhaltsdarstellung (Szenario) darstellen. Während Konsekutivadverbiale „unbeabsichtigte“, „ungeplante“, „ungesteuerte“ Folgen, d.  h. nicht unbedingt relevante Präzisierungen,

98 Mit Einschränkungen hinsichtlich der Verschiebbarkeit bei Objektbezug gilt dasselbe für das Freie Prädikativ (Welke 2007: 187  ff.). 99 Postponierer sind stellungsfeste Subjunktoren, d.  h. Nebensatzeinleiter, deren Nebensätze dem Hauptsatz folgen (HDK 2003: 418  ff.). 100 Sie sind „syntaktische Konversen mit vertauschter Hauptsatz-Nebensatz-Verteilung“ (Lötscher 1999: 310). 101 Die Einschränkung bezieht sich auf da-Nebensätze.

Mesoglieder 

 297

sind, bezeichnen Kausaladverbiale „notwendige Ursachen“ (Lötscher 1999: 310  f.).102 In der obigen Darstellung macht dies die konverse Pfeilrichtung sichtbar: weg vom Szenario (konsekutiv) oder zentrifugal vs. aufs Szenario hin (kausal) oder zentripe­ tal.103 5. Kommentarglieder sind verschiebbar, aber nicht erfragbar: Das jekt) gibt  natürlich  (Ad- wieder verbial) Anlass (Präpositional- zu ein paar schwersinnigen Sätzen objekt), […]. → ??Wie gibt (Sub- das jekt) (Ad- wieder verbial) Anlass (Präpositional- zu ein paar schwersinnigen Sätzen objekt)?

[36]

Kommentarglieder

(Sub-

„Es ist logisch, daß solche Ausdrücke nicht erfragbar sind, denn ihr Gehalt betrifft ja nicht den sachlichen Gehalt der Mitteilung, sondern moduliert die Darstellung oder Übermittlung der Mitteilungsfunktion an sich. Fragen kann man nur nach sachlichen Inhalten einer Äußerung, nicht nach der Art und Weise, wie einem diese übermittelt werden; wenn man nach der Einstellung fragen will, mit der jemand eine Mitteilung übermittelt hat, muß man diese Ebene selbst wieder metasprachlich thematisieren.“ (Lötscher 1999: 306) So eine ‚Metafrage‘ wäre z.  B.:

Metafrage

[36’] Was meinen Sie eigentlich mit ‚natürlich‘? 6. Kohäsionsglieder im Satz sind keine Mesoglieder (Satzglieder im weiteren Sinne), sondern in Sätze integrierte Makroglieder, z.  B. (24)



Fast alle Ethnologen bestreiten heute, daß es Kannibalismus aus Geschmacksgründen gegeben habe. Ich hingegen finde es ganz naheliegend, daß der Überdruß als Folge einseitiger Ernährung die Lust auf Menschenfleisch erzeugt, so wie auch aus der Monotonie heraus Dichtung entsteht. (Timm Kopfjäger: 10  f.)

Wie nicht anders zu erwarten, sind sie nicht erfragbar, jedoch weglassbar:104

102 Einschränkend möchte ich hinzufügen: Lötschers Einordnung ist möglicherweise eine starke Verallgemeinerung. Den Unterschied würde ich eher tendenziell nennen, aber nicht verabsolutieren wollen. 103 Die Unterscheidung ‚zentrifugal vs. zentripetal‘ geht ursprünglich auf Lucien Tesnière (1976: 32) zurück und bezeichnet die Serialisierungsrichtung der Dependenzstruktur, z.  B. zentrifugal cheval blanc (Regens → Dependens) vs. zentripetal weißes Pferd (Dependens → Regens). Im Sinne dieses Befundes wäre eine ‚konzentrische‘ Untergliederung der Verhältnisadverbiale in zentripetale und zentrifugale sicherlich denkbar. 104 Die Testanwendung ist sehr instruktiv, weil sie zeigt, dass die Satzverbindung ganz im Dienste der Textsemantik steht: Der um hingegen reduzierte Beleg bleibt zwar grammatisch korrekt, aber der Sinn ist zerstört.

Kohäsionsglieder

298 



 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Fast alle Ethnologen bestreiten heute, daß es Kannibalismus aus Geschmacksgründen gegeben habe. Ich finde es ganz naheliegend, daß der Überdruß als Folge einseitiger Ernährung die Lust auf Menschenfleisch erzeugt, so wie auch aus der Monotonie heraus Dichtung entsteht.

Kohäsionsglieder im Satz sind verschiebbar, doch bedeutet hier Verschiebbarkeit nicht dasselbe wie bei Komplementen, Supplementen und Kommentargliedern. Einerseits, weil zahlreiche Kohäsionsglieder auch eine Position besetzen können, die anderen Gliedern nicht zur Verfügung steht, z.  B. die sog. „Nacherstposition“ (wie hin­ gegen oben).105 Andererseits, weil es auch nicht vorfeldfähige, aber satzintegrierbare Kohäsionsglieder gibt (wie z.  B. aber und nämlich).106 Operationalisierungsprofil für SatzGlieder

Zentrum und Peripherie

Resümierend ergibt sich folgendes schematisches ‚Operationalisierungsprofil‘:107 Tab. 32: Operationalisierungsprofil der Satz-Glieder Satz-Glieder

Frageprobe

Verschiebeprobe

Weglassprobe

Prädikat Komplemente situierende Supplemente szenische Supplemente Kommentarglieder Kohäsionsglieder im Satz

– + + –/+ – –

– + + –/+ + + (!)

– –/+ + + + +

Dieses Operationalisierungsprofil deutet darauf hin, dass die syntaktischen Tests eine signifikante satzsemantische Grundlage haben: Im Zentrum steht das Prädikat als archimedischer Punkt, an der äußersten Peripherie die Kohäsionsglieder, deren Nichtmesoglied-Status sich vor allem in den besonderen Stellungseigenschaften äußert. Nichterfragbarkeit bedeutet beim Prädikat jedoch etwas grundsätzlich anderes als bei den Kohäsionsgliedern: Das Prädikat ist nicht erfragbar, weil es als Szenariozentrum buchstäblich nicht in Frage zu stellen ist, während die Kohäsionsglieder, die sich außerhalb des Szenarios befinden, nicht in Frage kommen.

105 „Auch nach einer Konstituente, die allein das Vorfeld füllen kann, können noch vor dem Finitum bestimmte sprachliche Ausdrücke auftreten. Wir bezeichnen diese Position im Vorfeld nach einem weiteren Ausdruck als Nacherstposition.“ (HdK 2003: 71) 106 S. hierzu einerseits das Konzept der „konnektintegrierbaren (adverbialen) Konnektoren“ (HdK 2003: 485  ff.), andererseits das der „A(dverb)P(artikel)-Junktoren“ (Ágel 2010 und Ágel/Diegelmann 2010). 107 Das Symbol ‚+ (!)‘ steht für die ‚etwas andere Verschiebbarkeit‘ der Kohäsionsglieder.

Mesoglieder 

 299

Die Kommentarglieder stehen an der Peripherie der Mesoglieder: Hinsichtlich ihrer Stellungseigenschaften sind sie den szenischen Supplementen (Verhältnisadverbialen) ähnlich, sie sind jedoch nicht erfragbar, was durch ihre Angrenzung an die Kohäsionsglieder signalisiert wird. Szenische Supplemente haben ein Janusgesicht: Zentrifugale szenische Supplemente (wie Kausaladverbiale) ähneln eher den situierenden Supplementen, zentripetale szenische Supplemente (wie Konsekutivadverbiale) eher den Kommentargliedern. Situierende Supplemente (Situativadverbiale) sind schon nahe am Satzzentrum, nur dass sie grundsätzlich weglassbar sind. Am nächsten sind schließlich die Komplemente. Auch wenn sie weglassbar sind, hinterlassen sie im Gegensatz zu situierenden Supplementen Spuren: ein dynamisches Prädikat (Kap. III/1.3.3). Die Anwendung von grammatischen Proben (Frage-, Verschiebe- und Weglassprobe) auf Satz-Glieder (Mesoglieder und Kohäsionsglieder im Satz) ergibt ein Operationalisierungsprofil, das die ‚konzentrische‘ Anordnung der Satz-Glieder (Prädikat, Komplemente, situierende Supplemente (Situativadverbiale), szenische Supplemente (Verhältnisadverbiale), Kommentarglieder, Kohäsionsglieder im Satz) um das Szenariozentrum herum tendenziell anzeigt.

Kommentarglieder

Supplemente

Komplemente

2 Prädikat: statische Prädikate 2.1 Statische Prädikate 2.1.1 Textanalyse 2.1.2 Statische Prädikatsklassen 2.1.3 Sich als Teil des Prädikats oder: Gibt es Reflexivverben? 2.1.4 Das Prädikativum als Teil des Prädikats

2.1 Statische Prädikate 2.1.1 Textanalyse Legende: Makroglieder: Punkt-Strich-Unterstrich: Nichtsatz; Unterstrichen: Kohäsionsglied; Schwarz: Satz1 Mesoglieder: fett: statisches Prädikat; (tiefgestellte Klammern): Prädikatssubklasse

[1]

JOCHEN JUNG

[2] [3]

Siegfried Lenz Total entspannt

[4]

Mit seiner grundsympathischen Novelle »Landesbühne« (Medi- hat sich al) Siegfried Lenz einen Spaß (ve- erlaubt rb).

[5] Hannes (Simplex- sagt verb): »Bald wird etwas geschehen.« [6] Und in der Tat: Seltsames (Simplex- geschieht verb), ja geradezu Unerhörtes. [7] Schauplatz ist gefüge) das Gefängnis Isenbüttel, dessen Insassen (Subjektsprädikativzumeist Kleinkriminelle sind, die hier ihre paar Jahre absitzen. [8] Hannes zum Beispiel (Prä- hatte fix-) sich eine Polizeikelle (ve- besorgt rb) und [Hannes (Par- hatte ti-)] damit Schnellfahrer (kel- angehalten verb) und [Hannes (Par- hatte ti-)] den Verschreckten ein Bußgeld (kel- abgeknöpft verb). [9] Erst als er eine Zivilstreife gestoppt hatte, (Subjekts- war prädikativ-) der Spaß (ge-zu Ende füge).

1 rekonstruierte Glieder in eckigen Klammern DOI 10.1515/9783110409796-007



Prädikat: statische Prädikate 

 301

Hannes, im Übrigen nicht besonders redselig, (Simplex- teilt verb) die Zelle mit dem Erzähler dieser Geschichte, aus dessen Leben Hannes erstaunlich viel mitzuteilen weiß und den er »Professor« nennt. [11] (gespalte- Das war nes) er auch, (Subjektsprädikativ- für Literatur sogar, Spezialgebiet Sturm und Drang gefüge), bis aufflog, dass er sich selbst zu oft als Stürmer und Bedränger gefallen und die hübschesten und schlechtesten Studentinnen mit Höchstlob durchs Examen geschleust hatte. [12] Vier Jahre Isenbüttel (Par- hat ti-) das dem Professor (kel- eingebracht verb), und zwei [Jahre] davon (Kom- sind plex-) erst (ve- rum rb). [13] […], und ein Bus (Partikel- rollt ein verb), an dessen Seite groß das Wort »Landesbühne« aufgemalt ist. […] [15] Es (Subjektsprädikativ- heißt Das Labyrinth gefüge) und [es] (Simplex- handelt verb) von zwei älteren Damen, die in einem Hamburger Vorgarten ein echtes Labyrinth haben, in dem man zur Verbesserung der Welt tatsächlich Leute, die es nicht anders verdient haben, zum Verschwinden bringen kann. [16] Die beiden (Subjektsprädikativ- heißen Trudi und Elfi gefüge) und [die beiden] (Subjekts- sind prädikativ-) weitläufig (ge- verwandt füge) mit den BrewsterTanten aus Arsen und Spitzenhäubchen. [17] Wie das Stück ausgeht, (Simplex- erfährt verb) man allerdings nicht. [18] Nachdem es schon die längste Zeit versteckte Zeichen und Verabredungen gegeben hat, (Simplex- nimmt verb) Hannes seinen Professor und [Hannes] (Simplex- führt verb) ihn zum Landesbühnen-Bus, in dem es sich bereits ein gutes Dutzend der sogenannten Insassen halbwegs bequem gemacht hat. [19] Kurz darauf (Simplex- öffnet verb) ein ahnungsloser Torhüter die Pforte, und draußen (Simplex- sind verb) sie. [20] Weit (Simplex- kommen verb) sie nicht. [21] Das [= Sie (Simplex- kommen verb) nicht weit], aber nur deswegen, weil sie schon bald ein Transparent über der Chaussee entdecken: »Grünau heißt euch willkommen zum Nelkenfest«, und diese schöne Einladung (nicht- können epistemischer) sie einfach nicht (Modal- ausschlagen komplex). [10]

302 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

[22] Grünau (Subjektsprädikativ- scheint eine fröhliche und erstaunlich kulturversessene Gemeinde, wie es auch in Schleswig Holstein nicht so viele gibt . gefüge) [23] Als die Grünauer sehen, dass die Landesbühne sie zu ihrem Fest beehrt, (Subjektssind prädikativ-) sie (ge- begeistert füge). [24] Die Insassen (Subjekts- sind prädikativ-) immerhin (ge- so geistesgegenwärtig, das Schauspielen erst mal auf die lange Bank zu schieben füge), und [die Insassen] (Medial- empfehlen sich verb) mit ihren Sangeskünsten, die sie als braver Gefangenenchor in Isenbüttel trainiert haben. [25] Und was (Simplex- singen verb) sie? [26] [Sie (Simplex- singen verb)] »Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt.« [27] Na denn. [28] Das Fest (Komplex- geht weiter verb), es (Simplex- gibt verb) Kartoffelsalat und Würstchen, und […] ja […] »So (Simplex- ist verb) es, manchmal (Simplex- geschieht verb) etwas im Leben, mit dem man sich abfinden muss«. [29] Genau das (Simplex- tun verb) die Männer nun aber gar nicht, sie (Med- finden sich ial-) überhaupt nicht (ve- ab rb), im Gegenteil, gerade Hannes (Simplex- arbeitet verb) kräftig an ihrer Grünauer Eingemeindung, unterstützt vor allem vom kunstsinnigen Bürgermeister, und da wir hier ja nicht die ganze Geschichte nacherzählen sollten, (Kom- raffen plex-) wir mal etwas (ve- zusammen rb) und teilen ti-) [wir] nur so viel (kel- mit verb), dass der Professor Volkshochschulvor (Parträge hält – natürlich zum Thema Sturm und Drang – und Hannes in kürzester Zeit ein vollständiges Heimatmuseum einrichtet und auch eröffnet. [30] Ein Fußballspiel (Simplex- gibt verb) es ebenfalls, eine Mädchengarde und eine Feuer­wehrkapelle, Gäste (Simplex- kommen verb) aus nah und fern – Husum etwa und Eckernförde – aber ehe die Sache dann doch etwas matt wird, (Simplex- kommt verb) es noch zu einer Art Ordensverleihung, bei der es die Nelke in Bronze, Silber und Gold gibt und



Prädikat: statische Prädikate 

 303

die das ganze Geschehen noch einmal dekorativ und dekorierend zusammenfasst und hochzieht, Beifall (Partikel- rauscht auf verb), und »fast (Pha- begann sen-) abgestandenes Bier in den Gläsern (kom- zu schäumen «. plex) [31] Dann aber wie gewonnen, so zerronnen: Polizisten (Par- waren ti-) sowieso schon da und dort (kel- aufgetaucht verb) und [Polizisten] (Komplex- schnupperten herum verb), selbst der Gefängnisdirektor (Simplex- saß verb) auf einmal da, Zwischenfälle (Sim- hat plex-) es (ve- gegeben rb) – leider in der Gegend von Eckernförde –, und schnapp! sitzen verb) sie wieder im Bus (Simplex und bald darauf [(Simplex- sitzen verb) sie] in ihrem Pisspott namens Isenbüttel. [32] Oje. [33] Hannes (Evidenz- scheint zu resignieren komplex), der Professor (Simplex- schreibt verb) Tagebuch, der Zellennachbar (Parti- hängt kel-) sich (ve- auf rb), und dann (Simplex- kommt verb) auch noch ein weiteres Mal – die Landesbühne. [34] Und was (Simplex- spielen verb) sie? [35] [Sie (Simplex- spielen verb)] Warten auf Godot. [36] Das (Nominali- gibt sierungs-) natürlich wieder (verb- Anlass gefüge) zu ein paar schwersinnigen Sätzen, aber am Ende [(Nominali- gibt sierungs-) das (verb- Anlass gefüge)] auch dazu, dass ein Gefängnisdirektor seine Memoiren schreibt, um sie dann im Verlag Hoffman und Breitner zu veröffentlichen. [37] Und, was das Schönste ist: Zwei Zellengenossen (Subjektsprädikativ- sind Freunde geworden gefüge). [38] (Subjekts- Ist prädikativ-) das nun alles (ge- glaubwürdig füge)? [39] Dumme Frage. [40] Wir (Simplex- sind verb) hier nicht beim Amtsgericht. […] [42] Nun, hier (Subjekts- ist prädikativ-) es wohl eher (ge- umgekehrt füge).

304 

[43]

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Aber wie auch immer: Die Freiheiten, die sich aus solchem Erzählen ergeben, (Simp- hat lex-) Siegfried Lenz weidlich und mit offenkundigem Vergnügen (ve- genutzt rb). […] [45] Wann (Simplex- spielt verb) das alles? [46] Irgendwie [(Simplex- spielt verb) das alles] wohl doch in ferneren Zeiten. [47] Oder hat lex-) der Professor die ganze Geschichte nur nach einer langen Nacht mit (Simpeiner seiner bedürftigen Studentinnen (ve- geträumt rb)? [48] Ach was. [49] Es (Simplex- gilt verb) das geschriebene Wort, und erzählt (Subjektsprädikativ- ist erzählt gefüge). [50] Und wenn Siegfried Lenz erzählt, (Simplex- hat verb) das Erzählte immer und in jedem Fall etwas Herzliches, das, was man gemeinhin grundsympathisch nennt. Wobei man zu bedenken geben muss, dass, wenn man so grundsympathisch [51] von einer Welt erzählt, die ja eher nicht so herzlich und grundsympathisch ist, das Herzliche gelegentlich auch ein wenig ins Nette rutschen kann, was dann der Schärfe unserer Tage nicht so voll und ganz entspricht. [52] Aber weil Siegfried Lenz vor allem auch ein erfahrener Autor ist, (Simp- hat lex-) er die Sache deswegen gleich etwas ins Zeitferne (ve- gerückt rb). [53] Und [er] (Medial- trifft sich verb) damit auf überraschende Weise mit dem Autor der Leute von Seldwyla, an die man beim Lesen dieser Novelle sowieso schon zurückgedacht hat. [54] Auch Gottfried Keller (Simplex- kennt verb) ja das Wunderliche, den schrägen Blick auf die Gesellschaft und auch das Herzliche (das Nette [(Simplex- kennt verb) Gottfried Keller] allerdings ganz und gar nicht), und auch er (Simplex- wusste verb), dass das mit der Gegenwart nicht immer so gut zusammenging. [55] So (Simplex- schrieb verb) er denn in seiner Vorrede zum zweiten Band seiner Novellensammlung, seine Seldwyler sähen »schon aus wie andere Leute; es ereignet sich nichts mehr unter ihnen, was der beschaulichen Aufzeichnung würdig wäre, und es ist daher an der Zeit, in ihrer Vergangenheit und den guten lustigen Tagen der Stadt noch eine kleine Nachernte zu halten«. […]



Prädikat: statische Prädikate 

 305

2.1.2 Statische Prädikatsklassen Im Kap. III/1.3.2 wurde eine Grobklassifikation der Prädikate vorgeschlagen (Tab. 29), die terminologische Hinweise für rein statische und rein dynamische Prädikatsklassen enthält: Jede Prädikatsklasse, deren Bezeichnung das Grundwort -gefüge enthält, ist statisch, und jede Prädikatsklasse, deren Bezeichnung das Grundwort -konstruktion, dynamisch. Die Klassen und Subklassen von statischen Prädikaten erhalten wir demnach ausgehend von Tab. 29, indem (a) alle Klassen mit dem Grundwort -konstruktion weggelassen und (b) zu allen Klassen mit dem Grundwort -gefüge die Subklassen hinzugefügt werden. Auch hier gilt (wie überall): Die Belege aus dem Leittext werden aus dem Textanalyse-Kapitel übernommen, sodass man sie von allen anderen Beispielen rein ‚optisch‘ unterscheiden kann:

statische Klassen und Subklassen

Tab. 33: Statische Prädikatsklassen und -subklassen im Überblick I. einfaches Prädikat Klasse

Subklasse

Beispiele

Simplexverb

[19] Kurz darauf (Simplex- öffnet verb) ein ahnungsloser Torhüter die Pforte, […].

Komplexverb (Verbkompositum)

[…] als ich heraushörte, daß er mit Direktor Himpel beinahe befreundet war, ließ ich diesen Gedanken wieder fallen.2

Präfixverb

[8] Hannes zum Beispiel (Prä- hatte fix-) sich eine Polizeikelle besorgt rb) […]. (ve-

Partikelverb

[30] Beifall (Partikel- rauscht auf verb), […].

Medialverb (sich-Verb)

[24] [die Insassen] (Medial- empfehlen sich verb) mit ihren Sangeskünsten […].

Vollverb

Aber ich will jetzt nicht den Teufel an die Wand malen, daß der unbedingt abstürzen muß.3

Idiom Kollokativgefüge Nominalisierungsverbgefüge

2 Lenz Deutschstunde: 74 3 Haas Silentium: 107

[36] Das (Nominali- gibt sierungs-) natürlich wieder (verb- Anlass zu ein paar schwersinnigen Sätzen, […]. gefüge)

statische Prädikate im Überblick

306 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Funktionsverbgefüge

[…] auf jener Fahrt kam ich zum Entschluß, Hanna zu heiraten […]4

Subjektsprädikativ­gefüge (intransitiv)

[16] [die beiden] (Subjekts- sind prädikativ-) weitläufig (ge- verwandt füge) mit den Brewster-Tanten aus Arsen und Spitzen-häubchen.

Objektsprädikativgefüge (transitiv)

Wenn auch für den Fachmann nichts Ungewohntes zu sehen ist, so finde ich die Anlage als solche, bedingt durch den Schiffkörper [sic!], doch sehenswert […].5 Die Blitzlichter draußen vor dem Bus machten uns neugierig, […].6

Prädikativgefüge

II. komplexes Prädikat Klasse

Subklasse

Beispiele

nicht-epistemisch

[21] diese schöne Einladung (nicht- können epistemischer) sie einfach nicht (Modal- ausschlagen komplex). Wer diese beiden Passierscheine besitzt, braucht also nicht am Neujahrsmorgen um fünf Uhr nach West-Berlin zurückkehren […].7

epistemisch

Ich mußte mich geirrt haben.8

Evidenzkomplex (Halbmodalkomplex im engeren Sinne)

[33] Hannes (Evidenz- scheint zu resignieren komplex), […].

Modalitätskomplex

Wer diese beiden Passierscheine besitzt, braucht also nicht am Neujahrsmorgen um fünf Uhr nach West-Berlin zurückzukehren […].9

Phasenkomplex

[30] »fast (Pha- begann sen-) abgestandenes Bier in den Gläsern (kom- zu schäumen plex)«.

Modalkomplex

Halbmodalkomplex

4 Frisch Homo: 56 5 Frisch Homo: 105 6 Lenz Landesbühne: 66 7 FAZ, 20. 12. 1965. Beleg zit. n. IDS-Grammatik 1997/2: 1277. 8 Hein Freund: 133 9 FAZ-Beleg (Anm. 7), ergänzt durch die Infinitivpartikel zu.



Prädikat: statische Prädikate 

 307

Die größte Klasse einfacher Prädikate bilden die Vollverben, die „in finiter Form allein den Prädikatsausdruck bilden (können)“ (IDS-Grammatik 1997/1: 50). Die Unterteilung der Vollverben erfolgt – mit Ausnahme der Medialverben (sich-Verben) – nach der Wortbildungsart:10 Den morphologisch einfachen Simplexverben (Simplizia) wie z.  B. öffnen, schreiben, schlafen stehen die übrigen vier morphologisch komplexen Unterklassen gegenüber.11 Da den Medialverben ein eigenes Unterkapitel gewidmet wird (Kap. III/2.1.3), sollen hier nur die restlichen drei Subklassen von komplexen Vollverben vorgestellt werden. Diese vertreten je eine ‚klassische‘ Wortbildungsart (s. Duden 2005: 672  ff.): Komposition (Komplexverben), Derivation (Präfixverben) und Partikelverbbildung (Partikelverben).12 Bei Komplexverben geht es um Fälle wie: [12] zwei [Jahre] davon (Kom- sind plex-) erst (ve- rum rb). [28] Das Fest (Komplex- geht weiter verb), […]. [31] [Polizisten] (Komplex- schnupperten herum verb), […]. (1) Ging nach der Arbeit allein mit dem Hunde den umgekehrten Waldweg spazieren. (Mann Tagebücher: 179) Unter Komplexverben verstehe ich in (begrifflicher) Anlehnung an Wolfgang Fleischer (1974: 306  ff.) eine genetisch und formal recht ‚bunte‘ Gruppe von verbalen Zusammensetzungen wie z.  B. Rad fahren, sitzenbleiben (sitzen bleiben), kennenler­ nen (kennen lernen), notlanden, zufriedenstellen (zufrieden stellen), vollziehen, schleif­ polieren, heraufbeschwören, weitergehen oder eben fallenlassen (s. den Lenz-Beleg in Tab. 33).13 Genetisch handelt es sich dabei teils um einfache Univerbierungen, d.  h. um das ‚Zusammenwachsen‘ ursprünglich freier Wortverbindungen (spazierengehen,

10 Dabei stellen sich-Verben keine allzu ‚große‘ Ausnahme dar. Welke (2005: 231) macht geltend, dass sich Medialverben „analog zu Wortbildungen (verhalten)“. Bei den wortbildungsanalogen Medialverben geht es allerdings um dynamische Prädikate, z.  B. Die Tür öffnet sich. Es stellt sich die Frage, ob… Der Zweig biegt sich. (auch Kap. III/1.3.3). 11 Mit ‚morphologisch einfach‘ ist hier ‚verbmorphologisch einfach‘ gemeint: Simplexverben lassen sich nicht auf morphologisch noch einfachere Verben zurückführen. Das Simplexverb öffnen z.  B. ist ursprünglich eine Suffixbildung zum Adjektiv offen, ihm liegt aber kein einfacheres Verb zugrunde. 12 Der hier einzuführende Terminus ‚Komplexverb‘ wurde gewählt, weil mögliche alternative Termini wie ‚Verbkompositum‘ oder ‚Kompositionsverb‘ oder ‚zusammengesetztes Verb‘ umständlich wären oder weniger gut zu den Termini ‚Präfixverb‘ und ‚Partikelverb‘ passen würden. Ein Vorteil von ‚Komplexverb‘ ist auch, dass es gut zu ‚Simplexverb‘ passt, ein Nachteil hingegen, dass Präfix- und Partikelverben natürlich auch komplex (= keine Simplexverben) sind. Der Begriffsumfang von ‚Komplexverb‘ deckt sich in etwa mit dem von ‚Zusatzverb‘ (Hundsnurscher 1968/1997: 30). Als Terminus scheint mir ‚Zusatzverb‘ allerdings wenig spezifisch zu sein. 13 Während fallenlassen in dem Lenz-Beleg …ließ ich diesen Gedanken wieder fallen szenierend und insofern ein statisches Komplexverb ist, wäre ein formal ähnliches Beispiel wie z.  B. …ließ ich das Buch wieder fallen umszenierend und insofern eine AcI-Konstruktion.

einfaches Prädikat Vollverb

Komplexverb

308 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

sitzenbleiben, kennenlernen, zufriedenstellen, fallenlassen), teils um Aktanteninkorporationen, d.  h. um die ‚Einverleibung‘ von Komplementen (heraufbeschwören), teils um sog. Rückbildungen (notlanden ← Notlandung) und teils um genuine Zusammensetzungen (vollziehen, schleifpolieren).14 Da „die Komposition der Verben im Deutschen eine untergeordnete Rolle (spielt)“ (Donalies 2005: 81), sollten wir uns nicht lange bei ihnen aufhalten. Zwei Punkte müssen aber noch erwähnt werden: 1. Wenn man (im Gegensatz zu Fleischer und mir) der Auffassung ist, dass „bei der Komposition ausschließlich Wörter, d.  h. syntaktisch nicht trennbare Einheiten, produziert (werden)“ (Donalies 2005: 82), dann stellen die obigen Beispiele für Univerbierungen und Inkorporationen keine Komposita (Komplexverben) dar.15 Diese Auffassung, die also keine sog. Distanzkomposita duldet, orientiert sich allerdings zu stark an einem zentralen Merkmal nominaler Zusammensetzungen und überträgt dieses auf den verbalen Bereich.16 2. Die Rechtschreibung, genauer: die Zusammenschreibung des Kompositums im Infinitiv, tut im Allgemeinen gewiss gute Dienste, man kann aber nicht immer davon ausgehen, dass alles, was im Infinitiv getrennt geschrieben werden muss, als verbales Kompositum nicht mehr in Frage kommt. Beispielsweise ist zugrunde gehen ein genauso ‚gutes‘ Komplexverb wie abhandenkommen.17 14 Diese kurze Darstellung der Komplexverben reicht nur für die Zwecke der Grammatischen Textanalyse aus. Aus wortbildungstheoretischer Sicht ist sie gewiss undifferenziert. Beispielsweise grenzt Ludwig M. Eichinger Komposition von der Inkorporation durch das Merkmal der fehlenden bzw. vorhandenen Relationalität des Zweitglieds ab (Eichinger 2000: 157). In diesem Sinne stellen sowohl typische substantivische Rektionskomposita wie z.  B. Kriegführung oder Anrufbeantworter als auch Partikelverben aller Art (inkl. des hier als Kompositum (Komplexverb) analysierten Typs heraufbe­ schwören) Inkorporationen dar. Zu Rad fahren Anm. 17. 15 Ich bleibe sitzen; Du beschwörst es herauf usw. Donalies (2005: 30) analysiert solche Bildungen (zusammen mit den Partikelverben) als „Präverbfügungen“, die „eher als Phänomene der Syntax als als Phänomene der Wortbildung“ angesehen werden (ebd.). 16 Natürlich könnte man auch genau umgekehrt argumentieren: Da Komposition ein typisch nominales und ein atypisch verbales Phänomen sei, sollte sich der Kompositionsbegriff am Prototyp orien­ tieren. 17 Sehr gut handhabbare (insgesamt sieben) grammatische Kriterien für Zusammen- vs. Getrenntschreibung (z.  B. Perfektbildung, Klammerbildung, Vorfeldfähigkeit, Negation) finden sich in Fuhrhop 2009: 66  ff. Nach diesen Kriterien müsste z.  B. Rad fahren eher zusammen- als getrennt geschrieben werden. M. a. W., orthographisch müsste radfahren mindestens als Alternativschreibung angeboten werden. Mit dem Kriterium der Perfektbildung lässt sich übrigens auch gut dafür argumentieren, dass Rad fahren genetisch entweder eine Rückbildung (Rad fahren ← Radfahrer) oder eine Adverbialinkorporation (Rad fahren ← mit dem Rad fahren), aber keine Objektinkorporation darstellt. Denn wenn Rad ein inkorporiertes Objekt wäre, müsste Rad fahren sein Perfekt mit haben bilden, es heißt aber (Maria) ist Rad gefahren (Fuhrhop 2009: 69). Der phraseologischen Einordnung des Typs zugrunde gehen widmet Fleischer (1997: 92  ff.) ein ganzes Kapitel. Nach Kamber (2008: 361) ist zugrunde gehen kein Kompositum (oder Partikelverb), sondern ein Funktionsverbgefüge (FVG). Diese Auffassung setzt u.  a. voraus, dass man zugrunde als Präpositionalgruppe mit einem Substantiv (zu



Prädikat: statische Prädikate 

 309

Im Beleg (zwei grammatische Sätze, verbunden mit einem Kohäsionsglied) da wir hier ja nicht die ganze Geschichte nacherzählen sollten, (Kom- raffen plex-) wir mal etwas (ve- zusammen rb) und teilen ti-) [wir] nur so viel (kel- mit verb), dass der Professor Volkshochschulvor (Parträge hält – natürlich zum Thema Sturm und Drang – und Hannes in kürzester Zeit ein vollständiges Heimatmuseum einrichtet und auch eröffnet. [29]

stellen das Komplexverb zusammenraffen und das Partikelverb mitteilen das jeweilige Hauptprädikat dar. Als recycelte Prädikate zweiten Grades (Nebensatzprädikate) kommen die Partikelverben nacherzählen und einrichten bzw. das Präfixverb eröffnen vor.18 Präfix- und Partikelverben sind nichtkompositionale (= aus den Teilen und deren Beziehungen zueinander nicht voraussagbare) komplexe Verben, deren Erstglied ein gebundenes (= vom Stamm nicht trennbares) Morphem (Präfix) oder ein scheinbar freies Morphem (Partikel) ist.19 Mit ‚scheinbar frei‘ ist gemeint, dass Erstglieder von Partikelverben wie mit- (mitteilen) oder ein- (einrichten) zwar abtrennbar und demnach klammerbildend sind, aber nur „homonyme Morpheme“ (Fleischer 1974: 77) der einschlägigen freien Morpheme oder Morphemvarianten darstellen. Im konkreten Fall sind die „homonyme(n) Morpheme“ die Präpositionen mit und in.20 Typische Präfixe, also nicht abtrennbare nichtkompositionale Erstglieder, sind ent-, be-, ver-, er- oder miss-. Typische Partikeln, also abtrennbare nichtkompositionale Erstglieder, sind ab-, an-, aus-, auf- oder ein-.21

Grunde) analysiert, was der Autor auch tut. So gerät zugrunde gehen in eine Gruppe mit zu Ende gehen und zu Bruch gehen (übrigens auch mit auf die Nerven gehen und aus dem Weg(e) gehen, die nach meiner Auffassung keine FVG, sondern Idiome sind). 18 Der Beleg ist insofern typisch für gegenwartsdeutsche Texte, als er zeigt, wie zentral die Partikelverben für die Prädikatsbildung sind. 19 Um Missverständnissen vorzubeugen: Hier geht es ja nur um statische Präfix- und Partikelverben. Dynamische Präfix- und Partikelverben sind per definitionem kompositional. Erinnert sei an die einschlägige Funktion-Argument-Wert-Formel (Kap. III/1.3.3): „Konstruktion (statisches Prädikat) = konstruktionell dynamisches Prädikat“. Ein dynamisches Partikelverb ist zuwerfen, auf das gleich einzugehen sein wird. Zu dynamischen Präfix- und Partikelverben Kap. III/2.2.3. 20 Die Partikel ein- ist die gebundene Variante der Präposition in. 21 Als periphere, atypische Partikeln werden in der Fachliteratur Erstglieder wie z.  B. vorbei-, ent­ lang-, entgegen-, zurück-, hinein-, heraus-, hinunter- oder hinauf- genannt (Lüdeling 2001: 11). Diese werden hier nicht als Partikeln, sondern als Erstglieder von Komplexverben analysiert. Es gibt Erstglieder, die sowohl als Präfixe wie auch als Partikeln fungieren: Petra umfährt die Unfallstelle (Präfixverb) vs. Klaus fuhr den Mast um (Partikelverb).

Präfix- und Partikelverb

Statik: Nichtkompo­ sitionalität

310 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Semantisch haben Präfix- und Partikelverben gemeinsam, dass sie in vielen Fällen dasselbe semantische Muster bedienen (Motsch 1999: 53  ff.) (dynamische Prädikate türkis markiert):22 (2) Sie wird (von ihrer Tochter) angeschrien. (3) Der Schriftsteller wird (von den Kritikern) verhöhnt. (4) Der Verlust der Rechte wird (von den Betroffenen) beklagt. (Beispiele in Motsch 1999: 54) Präfixverben wie verhöhnen oder beklagen und Partikelverben wie anschreien repräsentieren das semantische Muster Affizieren, d.  h., „‘ein Aktant tut etwas und bezieht dabei einen anderen Aktanten in seine Tätigkeit ein’“ (Motsch ebd.).23 Semantisch haben Präfix-, Partikel- und Komplexverben gemeinsam, dass Erstglieder und Verbstamm eine semantische Einheit bilden. Daraus folgt, dass die Erstglieder nicht weggelassen werden können, ohne dass „der Inhalt des Satzes völlig zerstört würde“ (Engelen 1975/1: 53). Wenn man im Leittext-Beleg [29] alle Erstglieder von Präfix-, Partikel- und Komplexverben weglässt, erhält man folgende unsinnige und ungrammatische Sätze:24 [29a] da wir hier ja nicht die ganze Geschichte erzählen sollten, raffen wir mal etwas und teilen [wir] nur so viel, dass der Professor Volkshochschulvorträge hält  – natürlich zum Thema Sturm und Drang  – und Hannes in kürzester Zeit ein vollständiges Heimatmuseum richtet und auch öffnet. Dynamik: Kompositionalität

Die semantische Einheit von Erstglied und Verbstamm zeigt sich auch in den (zahlreichen) Fällen der Partikelverbbildung, wo die Bedeutung des Partikelverbs komposi­ tional ist (Beispiele nach Olsen 1997: 316):25 (5) Er will den Ball zu dem Kind werfen. (6) Er will dem Kind den Ball zuwerfen. Partikelverben des Typs zuwerfen sind, wie Olsen (1997: 316  ff.) gezeigt hat, kompositional. Mit ihnen werden also dynamische Prädikate gebildet. Dennoch findet sich zuwerfen in jedem größeren Wörterbuch des Gegenwartsdeutschen. Demnach ist

22 Erinnert sei an das Darstellungsprinzip, dass Phänomene, die kapitelbezogen nicht relevant sind, nicht markiert werden ( „Anleitung zur Lektüre“). Deshalb werden hier zwar die dynamischen Prädikate, jedoch nicht die dynamischen Satzglieder (im engeren Sinne) markiert. 23 Wenn also A B anlacht, dann lacht A, wobei B in dieses Lachen einbezogen wird. 24 Die einzige Partikel, die hier ohne größeren Sinnschaden weggelassen werden kann, ist nach(von nacherzählen). 25 Umfassend beschrieben wird der Mechanismus der kompositionalen Herleitung von Präfix- und Partikelverben als Argumentsättigung und -erweiterung von Barbara Stiebels (1996).



Prädikat: statische Prädikate 

 311

davon auszugehen, dass diese Partikelverb-Konstruktion kein Ad-hoc-Verb darstellt.26 Denn man muss „zwischen mindestens zwei Ebenen der Konventionalisierung unterscheiden: Konventionalisierung der Valenzrealisierungs- und Wortbildungsmuster und Konventionalisierung des Valenzträger- und Wortbildungsprodukts. Ein Adhoc-VT [= Valenzträger, VÁ] ist nur als Produkt okkasionell. Die zugrunde liegenden Muster sind konventionalisiert.“ (Ágel 2000: 139) M. a. W., jedes Valenzrealisierungsund Wortbildungsmuster ist konventionalisiert, aber nicht jedes Valenzträger- und Wortbildungsprodukt. Daraus folgt, dass statische Präfix- und Partikelverben (und auch Komplexverben) nicht nur als Produkte konventionalisiert (und in Wörterbüchern festgehalten) sind, sondern sie sind auch lexikalisiert/idiomatisiert (nichtkompositional), was bedeutet, dass sie an keine konventionalisierten und aktiven Wortbildungsmuster (mehr) gebunden sind. Die Lexikalisierung von Präfixverben kann historisch so weit gehen, dass die Sprachteilhaber das ehemalige Präfix nicht mehr als Präfix, sondern als Teil des Stamms wahrnehmen, z.  B. [17]

Simplex- oder Präfixverb?

Wie das Stück ausgeht, (Simplex- erfährt verb) man allerdings nicht.

Dass erfahren ursprünglich eine Präfixbildung zu fahren ist, wissen nur diejenigen, die regelmäßig ältere Texte lesen bzw. in einem historischen Bedeutungswörterbuch oder einem etymologischen Wörterbuch nachgeschlagen haben. Deshalb sollte man hier von einem Stamm erfahr- ausgehen und erfahren als ein Simplexverb betrachten. Schließlich ein Wort zu Tests, die einem helfen können, Partikelverben zu identifizieren:27 1. Bereits erwähnt wurde die Weglassprobe: Die Weglassung der Partikel führt in der Regel zu sinnlosen und ungrammatischen Sätzen. 2. „One of the most popular tests“ (Lüdeling 2001: 51) ist der Topikalisierungstest, d.  h. die Probe, ob der Partikel-Kandidat das Vorfeld besetzen kann. Nicht-Vorfeldfähigkeit ist ein Zeichen für den Partikelstatus (Beispiele ebd.):28 (7) *An streicht der Prinz die Wand. (8) *Aus rollt der Prinz den Teig. 3. Schließlich hilft auch noch die Klammerprobe, denn Partikelverben bilden wie alle mehrgliedrigen Prädikate eine Verbalklammer:

26 Da Partikelverb-Konstruktionen dynamische Prädikate darstellen, soll das Thema hier nicht weiter verfolgt werden (Kap. III/2.2.3). 27 Mit Präfixverben hat man es leichter, da deren Erstglied ja nicht abtrennbar ist. 28 Es gibt Gegenbeispiele wie z.  B. Ab geht die Post oder Auf steigt der Strahl… (der berühmte Auftakt von C. F. Meyers Gedicht „Der römische Brunnen“), aber diese sind weder zahlreich, noch stellen sie ad hoc gebildete Sätze dar, sondern sie sind idiomatisch geprägte Ausdrücke im Sinne von Helmuth Feilke (1996).

Tests für Partikel­ verben

312 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

(9) Er wirft dem Kind den Ball, den Özil unterschrieben hat, zu. Idiom

Kommen wir nun zu den Idiomen: (10) (11) (12)

Vollidiom

Teilidiom

Aber ich will jetzt nicht den Teufel an die Wand malen, daß der unbedingt abstürzen muß. (Haas Silentium: 107) Und mit seinen ständigen verbalen Volten hat er sogar seinen Trainer auf die Palme gebracht […]. (SZ, 08. 02. 1996, zit. n. Kollokationen im Wörterbuch) In der Auseinandersetzung um die Zukunft des Universitätsstandorts Vechta hat die Katholische Kirche öffentlich der CDU die Leviten gelesen. (taz, 07. 06. 1991, zit. n. Kollokationen im Wörterbuch)

Idiome wie den Teufel an die Wand malen, auf die Palme bringen oder die Leviten lesen stellen nach traditioneller Auffassung feste Wortverbindungen (Phraseologismen, Phraseolexeme, Phraseme) im engeren Sinne dar.29 Sie sind idiomatisch (nichtkompositional): Die Bedeutung eines verbalen Idioms wie auf die Palme bringen hat nichts mit den Bedeutungen der Wörter Palme, bringen, auf und des bestimmten Artikels zu tun.30 Entsprechend wäre eine Satzglied-Frage zu (11) wie »Wohin/Worauf hat er seinen Trainer gebracht?« auch sinnlos und nicht zu beantworten, da die Präpositionalgruppe auf die Palme kein Satzglied (Direktivum oder Präpositionalobjekt), sondern Teil des Prädikats ist. Etwas differenzierter ist das grammatische Bild bei sog. teilidiomatischen Wortverbindungen wie Bahnhof verstehen, von Tuten und Blasen keine Ahnung haben oder sich ins Fäustchen lachen, bei denen nur ein Teil der Wortverbindung idiomatisch ist, während der andere Teil seine „freie, phrasemexterne Bedeutung beibehalten (hat)“ (Palm 1997: 12). Beispielsweise bedeutet Bahnhof verstehen ‚nichts verstehen‘, d.  h.,

29 Zur Programmatik einer neuen textuell-pragmatisch orientierten Phraseologie, in der Idiome eher zur Peripherie als zum Zentrum gehören s. vor allem Feilke 2004, s. auch Feilke 2007. Zur Phraseologie aus Systemperspektive s. Wotjak 1992, aus pragmatischer Perspektive Filatkina 2007. Zu Valenz und Phraseologie s. Gréciano 2003 und Ágel 2004. 30 Von Phraseologismen im weiteren Sinne spricht man im Falle von nicht- oder schwachidiomatischen festen Wortverbindungen (Burger 1998: 14  f.). Demnach sind die gemeinsamen Merkmale aller Phraseologismen nach der traditionellen Auffassung ‚Polylexikalität‘ und ‚Festigkeit‘, während das Merkmal der Idiomatizität nur auf den Kernbereich der Phraseologismen im engeren Sinne zutrifft. Aus der Perspektive der neuen textuell-pragmatisch orientierten Phraseologie verlieren jedoch die Merkmale ‚Festigkeit‘ und ‚Idiomatizität‘ ihren ursprünglichen Rang (Filatkina 2007: 143). An ihre Stelle treten Merkmale wie ‚Formelhaftigkeit‘ (Routineformeln, textuelle Routinen, gesprächsspezifische Formeln, pragmatische Phraseologismen) und ‚Variabilität‘ (innerhalb der Formelhaftigkeit). Aus der Sicht der Grammatischen Textanalyse stellen pragmatische Phraseologismen Textglieder (Nichtsätze oder Kohäsionsglieder) dar und wurden entsprechend in den Kap. II/3 und II/4 behandelt.



Prädikat: statische Prädikate 

 313

das Verb verstehen wird in seiner üblichen Bedeutung verwendet, nicht jedoch das Wort Bahnhof. Warum ist nun das grammatische Bild bei teilidiomatischen Wortverbindungen etwas differenzierter? Betrachten wir die folgenden Belege: (13) (14)

Die Täter lachen sich ins Fäustchen, wenn sie sehen, wie die Opfer sich streiten. (taz, 28. 01. 1995, zit n. Kollokationen im Wörterbuch) Für uns war das damals Neuland, wir hatten von Tuten und Blasen keine Ahnung […]. (Frankfurter Rundschau, 24. 04. 1999, zit. n. Kollokationen im Wörterbuch)

Die Präpositionalgruppe ins Fäustchen ist Teil des Prädikats, weil sie nicht ersetzbar (Ersatzprobe) und entsprechend auch nicht erfragbar (Frageprobe) ist. Deshalb nicht, weil von einem Satzglied erwartet wird, dass ein Textproduzent echte Alternativen hat, die Stelle zu besetzen.31 Ein Satzglied stellt also eine Distributionsklasse dar, die nicht aus einem einzigen Element bestehen kann.32 Anders steht es um die von der Präposition von regierte Nominalgruppe Tuten und Blasen: (14’)

[…] wir hatten von Tuten und Blasen diesen Belastungen eurer Absprache … keine Ahnung.

Auch wenn von Tuten und Blasen keine Ahnung haben eine feste Wortverbindung ist, bildet die Nominalgruppe Tuten und Blasen mit vielen anderen Nominalgruppen eine Distributionsklasse. Gemeinsam ist diesen Nominalgruppen, dass sie alle in die Präpositionalvon+DAT-gruppe integriert sind. Dabei ist die Präposition von fest, sie wird vom verbalen Valenzträger regiert. Folglich hat die Präpositionalgruppe den Satz-

31 Ich fahre nach Hause / in die Stadt / zu meinem Freund /… Peter / Der Mann / Die Lehrerin /… fährt nach Hause. Ich fahre / gehe / trotte /… nach Hause. 32 Der Begriff der Distributionsklasse wurde im Kap. II/2.4 definiert. Zu ‚Paradigma‘ vs. ‚Distributionsklasse‘ vgl. Coseriu 1988: 144  ff. und Albrecht 1988: 46  ff.

Proben

314 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

gliedwert ‚Präpositionalvon+DAT-objekt‘. Demnach gehört ein Teil der Wortverbindung, nämlich die Präpositionalgruppe von Tuten und Blasen, nicht zum Prädikat.33 Die Wortverbindung von Tuten und Blasen keine Ahnung haben stellt, wie erwähnt, aus phraseologischer Sicht ein Teilidiom dar. Aus der Sicht der Grammatischen Text­ana­lyse stellt sie den Ausdruck eines Keine-Ahnung-haben-Szenarios mit zwei Komplementen – Subjekt und Präpositionalobjekt – dar. In (14) und in den folgenden Belegen bilden Kollokativgefüge das Prädikat: Kollokativ­ gefüge

[36] Das (Nominali- gibt sierungs-) natürlich wieder (verb- Anlass gefüge) zu ein paar schwersinnigen Sätzen, […]. (15) […] auf jener Fahrt kam ich zum Entschluß, Hanna zu heiraten […].34 (Frisch Homo: 56) Kollokativgefüge wie keine Ahnung haben, Anlass geben und zum Entschluss kommen, die nicht oder nur schwach idiomatisiert sind, werden in der Phraseologieforschung den Kollokationen zugeordnet und zur Phraseologie im weiteren Sinne gerechnet (Burger 1998: 38 und 50  ff.). Der Begriff ‚Kollokativgefüge‘ lehnt sich einerseits an den Kollokationsbegriff der Phraseologieforschung an, grenzt diesen allerdings auf diejenigen Kollokationen ein, die ein Szenario entwerfen, d.  h. prädikatsbildend sind.35 In diesem Sinne ist etwa die Kollokation die Initiative ergreifen, die kein Ergreifen-, sondern ein Die-Initiative-ergreifen-Szenario entwirft, ein Kollokativgefüge, während im Falle der Kollokation sich die Zähne putzen ein Putzen-Szenario und somit kein Kollokativgefüge, sondern ein Vollverb vorliegt: (16) Hanna ergreift die Initiative. (17) Hanna putzt sich die Zähne.

Nominali­ sierungs­verb­ gefüge

Die Idee von Kollokativgefügen geht auf Peter von Polenz zurück, der „Streckformen des Verbs“, d.  h. „nominale Umschreibungen“ in Prädikatsfunktion wie z.  B. einen Besuch machen/abstatten, (eine) Antwort geben/erteilen, einer Prüfung unterziehen als

33 Die Komponente Bahnhof in der teilidiomatischen Wortverbindung Bahnhof verstehen stellt einen Problemfall dar: Sie ist beschränkt ersetzbar und ergänzbar (X versteht wenig / nur Bahnhof / eine ganze Menge), aber kaum erfragbar: Eine Antwort wie »Bahnhof.« auf die Frage »Was/wie viel hat X verstanden?« wäre gewiss nicht usuell. Deshalb analysiere ich das Teilidiom Bahnhof verstehen als ein potenzielles Prädikat. 34 Bei Zitaten muss die Originalrechtschreibung beibehalten werden. Deshalb Anlass vs. Entschluß. 35 Ähnlich argumentieren Wotjak und Heine (2007), die Kollokationen im weiteren Sinne, bei denen nicht „die verbonominale Einheit, sondern allein das Verb“ Valenzträger ist (Wotjak/Heine 2007: 45), von Funktionsverbgefügen, bei denen „Substantiv und Verb gemeinsam den Valenzträger (bilden)“ (Wotjak/Heine 2007: 46) unterscheiden. Dem Umstand, dass Kollokativgefüge an der Peripherie des phraseologischen Gegenstandsbereichs anzusiedeln sind, wird in der Phraseologieforschung dadurch Rechnung getragen, dass man die Nähe zur Syntax betont. Vgl. vor allem den Begriff des Konstruktionsmodells von Ulla Fix (1974–76 und 1979) und den der Phraseoschablone von Wolfgang Fleischer (1997: 130  ff.).



Prädikat: statische Prädikate 

 315

„Nominalisierungsverbgefüge“ (NVG) bezeichnet (Polenz 1987: 169  f.). Als Teilmenge der NVG, deren Nominalverb (NV) einen regulären semantischen Beitrag zur Bedeutung des NVG leistet, werden die Funktionsverbgefüge (FVG) ausgegliedert: „Während bei den meisten NVG das NV keinen eigenen prädikativen Beitrag zur Gesamtbedeutung des NVG leistet, gibt es nun NV, die eine systematisch beschreibbare Eigenbedeutung in ganzen Gruppen von NVG haben; z.  B. bei in Gang bringen die KAUSATIVE Aussagenverknüpfung, bei in Gang kommen die INCHOATIVE Aktionsart, bei Anwen­ dung finden die Passiv-Diathese.“ (Polenz 1987: 170)36 Da eine echte Klassifikation mit Teilmengen nicht möglich wäre, werde ich den Begriff des NVG auf die Komplementmenge von FVG eingrenzen: Alle Kollokativgefüge, die keine FVG sind, sind NVG.37 Somit stellen FVG wie zum Entschluss kommen in (15) den Kernbereich und NVG wie keine Ahnung haben in (14) und Anlass geben in [36] die Peripherie der Kollokativgefüge dar.38 FVG zu definieren ist eine der undankbarsten grammatischen Aufgaben. Denn erstens setzt man sich der grundsätzlichen Kritik aus, dass man sich mit einem grammatischen Gegenstand beschäftigt, den es gar nicht gebe.39 Zweitens muss/müsste die Abgrenzung des Gegenstandes im Hinblick auf so viele angrenzende Gebiete erfolgen, dass (partielles) Scheitern vorprogrammiert ist: Abgrenzung der FVG – und

36 In Anlehnung an Wotjak 1994 wird dieses zweigliedrige System von Helmuth Feilke (1996: 142  ff.) zu einer dreigliedrigen Inklusion mit Substantiv-Verb-Kollokationen (SVK) als Ausgangsmenge, NVG als deren Teilmenge und FVG als Teilmenge der NVG ausgebaut. 37 Diesen Weg scheint Feilke (2007) zu gehen. Denn während nach Polenz (1987) und Feilke (1996) FVG (qua Inklusion) auch NVG sind, ist Feilke (2007: 68) eher so zu interpretieren, dass er nun NVG (wie auch SVK) als Komplementmengen auffasst: „[…] ich (habe) von den FVG sogenannte Nominalisierungsverbgefüge wie jmd. Hilfe leisten, jmd. Antwort geben und im weiteren Sinne Substantiv-VerbKollokationen (SVK) wie die Initiative ergreifen unterschieden […].“ Der Unterschied zwischen Feilke 2007 und der vorliegenden Arbeit besteht darin, dass hier alle Nicht-FVG, deren nominaler Bestandteil als Teil des Prädikats aufzufassen ist, zu den NVG gerechnet werden, so auch die SVK die Initiative ergreifen. Bei anderen SVK wie bei sich die Zähne putzen oder den Tisch decken geht es dagegen nicht um NVG, sondern um normale Simplexverben (putzen, decken) mit ihren Komplementen. Auf das Problem, dass in der Literatur unter NVG sowohl die Grundmenge als auch die Komplementmenge verstanden wird, macht Angelika Storrer (2006: 277  f.) aufmerksam. Nach Storrers Auffassung stellen nur die FVG Prädikate dar, während die nominalen Bestandteile der NVG (die Storrer „Streckverb­ gefüge“ nennt), Komplemente sind (Storrer 2006). 38 FVG stellen Ausdrucksmodelle dar. Dass sie hier, und nicht unter den partiell lexifizierten SatzFormaten (Kap. II/2.8), behandelt werden, hat damit zu tun, dass viele FVG lexikalisiert/konventionalisiert sind, sich also nicht (mehr) als Ad-hoc-Instantiierungen von offenen Valenzträgern begreifen lassen. Theoretisch konsequent, aber sehr buchbenutzerunfreundlich wäre die ‚Verteilung‘ der FVG auf (lexikalisierte) statische Prädikate (in diesem Kapitel) und auf instantiierte statische Prädikate (Kap. II/2.8). 39 So Van Pottelberge (2001). In Auseinandersetzung mit Van Pottelberge weist Eisenberg (2006a) nach, dass es diesen (prototypisch zu fassenden) grammatischen Gegenstand sehr wohl gibt. Richtig sei allerdings, dass FVG keine analytischen Wortformen darstellen (Eisenberg 2006a: 316). Es gibt also keine grammatische Kategorie, die FVG ausdrücken würden.

Funktionsverbgefüge

316 

prototypische FVG

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

deren verbaler Bestandteile, der Funktionsverben (FV)  – von den Vollverben, den Idiomen, den übrigen Kollokationen, den NVG, den Prädikativgefügen und der Progressiv-Konstruktion.40 Schließlich sind alle nur denkbaren Abgrenzungskriterien in zahlreichen Kombinationen in der sehr umfangreichen Fachliteratur bereits genannt und erprobt bzw. der Ertrag der Erprobung auch kritisiert worden.41 Als wegweisend für die Grammatische Textanalyse (und auch für künftige Auseinandersetzungen mit dem Thema) betrachte ich die Prototypenauffassung von Peter Eisenberg (2006a). Eisenberg geht davon aus, dass der „Prototyp in einem quantitativen wie in einem qualitativen Sinne unmarkiert sein sollte.“ (Eisenberg 2006a: 307) Bei der Suche nach dem Prototyp kombiniert Eisenberg Ergebnisse von Korpusuntersuchungen mit modernen grammatiktheoretischen Ansätzen und kommt zu folgendem Resultat: 1. Die prototypischen FV sind kommen und bringen, wie sie in den folgenden prototypischen FVG vorkommen: (18) Der Sprengstoff kommt zur Explosion. (19) Karl bringt den Sprengstoff zur Explosion. Dabei ist bringen ein Transitivierer, führt also einen Handlungsträger (Agens) in das Szenario mit dem FV kommen ein.42 Somit ergibt der Vergleich der grammatischen und semantischen Grundstrukturen folgendes Bild:

Subjekt Vorgangsträger Der Sprengstoff

– Prädikat – – Vorgang – kommt zur Explosion

Subjekt – Prädikat – Handlungsträger – Handlung – Karl bringt zur Explosion

Akkusativobjekt Handlungsgegenstand den Sprengstoff

2. Was die in den FVG vertretenen Substantive anbelangt, sind sie überwiegend von Verben oder Adjektiven abgeleitete (= deverbale oder deadjektivische) Abstrakta.

40 Z. B. Hanna ist am überlegen/telefonieren/arbeiten. Vgl. dazu Van Pottelberge 2001. Auf die Abgrenzung der FVG von Prädikativgefügen wird am Ende des Kapitels einzugehen sein. 41 Recht früh wurden von Gerhard Helbig 16 „operationelle Kriterien der Ermittlung der FVG“ aufgestellt (Helbig 1979: 473  ff.), die später auf 15 reduziert wurden (Helbig/Buscha 2001: 87  ff.). Je nach Kombination der Kriterien und Schwerpunktsetzungen kommt man dabei zu unterschiedlichen Gegenstandsextensionen bzw. zu unterschiedlichen Auffassungen über Kern (Prototyp) und Peripherie. Eine neue Prototypenauffassung stellt das „Modell der umrahmten Schnittmengen“ von Alain Kamber (2008: 21  ff.) dar, das methodisch zwar überzeugend ist, theoretisch jedoch nicht. Denn es geht davon aus, dass wir im Grunde wissen, was ein Funktionsverb ist. Der Autor selbst spricht auch von einem „,weichen‘ Grundkriterium“ (Kamber 2008: 23). 42 Umgekehrt gesprochen: Das FV kommen ist ein Intransitivierer, der den Handlungsträger aus dem Szenario mit dem FV bringen eliminiert.



Prädikat: statische Prädikate 

 317

Daraus folgt, dass das FVG „in den meisten Fällen durch das entsprechende Voll­ verb (bzw. Kopula + Adjektiv) paraphrasiert werden (kann) (ohne dass völlige Bedeutungsidentität vorliegt)“ (Helbig/Buscha 2001: 87; Beispiele ebd.): (20) Er brachte seine Papiere in Ordnung. → Er ordnete seine Papiere. (21) Er kommt in Verlegenheit. → Er wird verlegen. Dieses Merkmal gehört zum Standardrepertoire der FVG-Forschung, und zu diesem gehört auch das Eingeständnis, dass man die FVG-fähigen Substantivtypen nur annähernd eingrenzen kann: ung-Abstrakta (zur Abstimmung bringen/kommen), substantivierte Infinitive (zum Sieden bringen/kommen), sonstige komplexe, aber auch einfache Substantive (zum Abschluss bringen/kommen bzw. zur Ruhe bringen/kommen). Das Novum an Eisenbergs Untersuchung ist das empirische Ergebnis, dass Substantive und Präpositionalgruppen, die mit dem FV bringen vorkommen, in der Regel auch mit dem FV kommen stehen können und vice versa (Eisenberg 2006a: 311).43 Man nehme also ein beliebiges FVG mit kommen und ein beliebiges FVG mit bringen (zum Verschwinden bringen in [15] ist kein Hauptprädikat, deshalb keine Fettmarkierung): (22) [15]

Das Gesetz kommt zur Durchführung. (Beispiel n. IDS-Grammatik 1997/1704) ein echtes Labyrinth […], in dem man […] Leute […] zum Verschwinden bringen kann.

Man ersetze nun die kommen-(Vorgangs-)Struktur durch die bringen-(Handlungs-) Struktur, indem man das allgemeine Agens man einführt und das Subjekt des kom­ men-Satzes als Akkusativobjekt einsetzt (Transitivierung), bzw. man ersetze die brin­ gen-(Handlungs-)Struktur durch die kommen-(Vorgangs-)Struktur, indem man das allgemeine Agens man eliminiert und das recycelte Akkusativobjekt (dritten Grades) des bringen-Nebensatzes als recyceltes Subjekt (dritten Grades) einsetzt (Intransitivierung): (22’) Man bringt das Gesetz zur Durchführung. [15’] ein echtes Labyrinth […], in dem […] Leute […] zum Verschwinden kommen können. Das Erstaunliche am Phänomen ‚Kernbereich der FVG‘ ist demnach, dass wir zwar nicht genau wissen, welche Substantive und Präpositionalgruppen mit den FV

43 Sicherlich gibt es Ausnahmen, z.  B. zur Verzweiflung/zum Wahnsinn bringen (aber nicht kommen) vs. in Mode kommen (aber nicht bringen). Es würde sich lohnen zu untersuchen, von welchen Faktoren es abhängt, ob eine bringen- oder eine kommen-Asymmetrie vorliegt.

FVG-Test

318 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

kommen und bringen in Frage kommen, aber wir wissen, dass es (in der Regel) die­ selben sind.44 3. Was die in den FVG vertretenen Präpositionen anbelangt, „absolut dominant sind in und zu“ (Eisenberg 2006a: 312). Nicht immer zu erkennen ist allerdings, wie die Wahl der Präposition motiviert ist. Warum ist es in Verwirrung, aber zur Verzweiflung bringen, warum heißt es zur und warum nicht in Ruhe bringen und warum kann etwas sowohl in als auch zur Anwendung kommen?45 Durch Eisenbergs Beschreibung des Kernbereichs der FVG sollte nicht der Eindruck entstehen, dass (a) kommen und bringen die einzig relevanten FV seien, dass (b) die Abgrenzungskriterien für FVG erschöpfend beschrieben wären und dass (c) das nominale Glied eines FVG immer eine Präpositionalgruppe sein müsse. Man beachte deshalb noch die folgenden Punkte: 4. Dass keine „völlige Bedeutungsidentität“ (Helbig/Buscha 2001: 87) zwischen FVG und Vollverb (oder Prädikativgefüge) besteht, ist darauf zurückzuführen, dass die wichtigste semantische Funktion von FVG darin besteht, Aktionsarten auszudrücken, d.  h., einen bestimmten Aspekt der zeitlichen Struktur eines Szenarios in Perspektive zu bringen. Grundsätzlich lässt sich ein Szenario ohne zeitliche Grenzen (durativ/atelisch) oder zeitlich begrenzt (perfektiv/telisch) darstellen. Da zeitliche Begrenzung Zustandsveränderung impliziert, kann sie nach der Perspektivierung dieser Zustandsveränderung weiter unterteilt werden. Aus der Sicht der möglichen FVG-Aktionsarten ist die Anfangsbegrenzung der Zustandsveränderung interessant: Diese lässt sich als Vorgang, d.  h. als Zustandsveränderung ohne Handlungsträger, oder als Handlung, d.  h. als Zustandsveränderung mit Handlungsträger, perspektivieren (inchoativ vs. kausativ).46 Dass FVG und

44 Eisenberg (2006a: 311) beruft sich auf den amerikanischen Strukturalisten Henry Hiż, nach dessen prägnanter Formulierung die Angabe einer bestimmen Relation zwischen zwei Objekten nicht voraussetze, dass „man für jedes Objekt eine Eigenschaft angeben kann, auf die sich die Relation zwischen ihnen gründet.“ (Zitat nach Bense/Eisenberg/Haberland 1975: 13) 45 An diesem Punkt überzeugt Eisenbergs Fazit nicht, dass die FVG „auch über ihre Präpositionen in paradigmatische Beziehung gesetzt sind“ (Eisenberg 2006a: 313). Bei den primären lokalen Präpositionen ließen sich tatsächlich Paare wie zur / in die Ostsee oder zum / in den Wald bilden, diese lokale Paradigmatik lässt sich allerdings auf die Präpositionen in FVG nicht mehr übertragen: zum / *in (den) Entschluss kommen, in / *zum Einklang bringen, in / *zur Form kommen, zu / *in Papier bringen. 46 Der Wert ‚kausativ‘ wird in der FVG-Literatur (mit Ausnahme von Eisenberg 2006a) als eigene Aktionsart geführt. Hinsichtlich der zeitlichen Struktur sind allerdings ‚kausativ‘ und ‚inchoativ‘ identisch. Der Unterschied besteht semantisch im Merkmal ‚[+/-bewirken]‘, syntaktisch in dem ‚[+/-transitiv]‘. Unter ‚inchoativ‘ verstehe ich deshalb ‚inchoativ ohne Handlungsträger‘‚ unter ‚kausativ‘ ‚inchoativ mit Handlungsträger‘. Außerdem ist noch zu betonen, dass FVG nicht nur zu perfektiven/telischen Verben oder Prädikativgefügen möglich sind, vgl. etwa verlegen sein > in Verlegenheit kommen/bringen.



Prädikat: statische Prädikate 

 319

Vollverb nicht bedeutungsidentisch sind, ergibt sich folglich daraus, dass das FVG die unspezifisch perfektive Aktionsart des Vollverbs spezifiziert:47 [14] Ein Stück (nicht-epistemischer soll aufgeführt werden Modalkomplex), […]. [14a] Ein Stück soll zur Aufführung kommen, […]. [14b] Ein Stück soll zur Aufführung gebracht werden, […].

[perfektiv] [inchoativ] [kausativ]

5. Die zeitliche Perspektivierung von Szenarios kann mit einer anderen wichtigen semantischen Funktion der FVG verbunden werden, nämlich mit der Funktion, Szenarios auszudrücken, für die es im Wortschatz gar keine Vollverben (oder Prädikativgefüge) gibt. So gibt es im Gegenwartsdeutschen – im Gegensatz etwa zu aufführen – kein Verb (ge-)fahren (und kein Prädikativgefüge ist gefährlich) in der Bedeutung ‚in Gefahr sein‘. Entsprechend können hier die Aktionsart-Differenzen nur mithilfe von FVG ausgedrückt werden (Beispiele nach Helbig/Buscha 2001: 86): (23) Das Schiff ist in Gefahr. [durativ] (24) Das Schiff kommt in Gefahr. [inchoativ] (25) Er bringt das Schiff in Gefahr. [kausativ] 6. Die Punkte 4 und 5 illustrieren zugleich das Abgrenzungskriterium zwischen FVG und NVG: FVG sind Bestandteile eines dreigliedrigen Aktionsart-Paradigmas, während NVG „Streckformen des Verbs“ ohne vergleichbare paradigmatische Einbettung sind. 7. Was die möglichen Formen des nominalen Gliedes von FVG anbelangt, gelten neben Präpositionalgruppen Nominalgruppen im Akkusativ als typische Formen (Helbig/Buscha 2001: 70  ff.): Beobachtungen anstellen, Kontakt aufnehmen, Ein­ fluss ausüben, Antwort bekommen, Anklage erheben usw. Als peripher gelten dagegen Nominalgruppen im Genitiv (der Meinung sein) und Dativ (einer Prüfung unterziehen). Nominalgruppen im Nominativ (eine Antwort erfolgt), die mitunter auch zu den FVG gerechnet werden, scheiden für uns aus, weil hier die Nominalgruppe im Nominativ kein Prädikatsteil, sondern Subjekt ist (Helbig/Buscha 2001: 84). 8. Die Frage der möglichen Formen des nominalen Gliedes von FVG stellt sich für uns allerdings nicht als eine Abgrenzungsfrage für Kern vs. Peripherie der FVG, sondern vielmehr als eine Abgrenzungsfrage für FVG vs. NVG. Hier kommt Punkt 6 zur Anwendung: Da sich mit Nominalgruppen im Genitiv und Dativ keine drei-

47 Um Missverständnissen vorzubeugen: ‚kausativ‘ und ‚inchoativ‘ sind auch perfektive Aktions­ arten. Mit ‚perfektiv‘ (als Abkürzung für ‚unspezifisch perfektiv‘) ist gemeint, dass keine spezifische zeitliche Begrenzung der Zustandsveränderung (Begrenzung des Anfangs, des Endes oder von beidem) vorliegt. Der dynamische Satz [14] wurde aus dem einschlägigen Textanalyse-Kapitel übernommen (Kap. III/2.2.1).

320 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

gliedrigen Aktionsart-Paradigmen bilden lassen, stellen Kollokativgefüge mit Nominalgruppen im Genitiv und Dativ immer NVG dar. Im Falle von Kollokativgefügen mit Nominalgruppen im Akkusativ, die, wie erwähnt, im Allgemeinen sogar zum Kern der FVG gerechnet werden, muss man im Einzelfall prüfen, ob sich dreigliedrige Aktionsart-Paradigmen bilden lassen oder nicht. Wenn nicht (wie z.  B. im Falle von eine Anregung bekommen), handelt es sich um NVG, wenn ja (wie z.  B. im Falle von Angst bekommen), geht es um FVG: (26) Karl hat Angst. [durativ] (27) Karl bekommt Angst. [inchoativ] (28) Man versetzt Karl in Angst. [kausativ] (29) ?Karl hat eine Anregung. [durativ] (30) Karl bekommt eine Anregung. [inchoativ] (31) ?Man versetzt Karl in (eine) Anregung. [kausativ] Da den theoretisch besonders brisanten Medialverben (sich-Verben) und Prädikativgefügen je ein eigenes Unterkapitel gewidmet wird (Kap. III/2.1.3–4), wird hiermit die Behandlung der einfachen statischen Prädikate vorläufig abgeschlossen, und wir wenden uns den komplexen statischen Prädikaten zu. komplexes Prädikat

diese schöne Einladung (nicht- können epistemischer) sie einfach nicht (Modal- ausschlagen komplex). (32) An der Kinokasse mußten wir warten. Die Kassiererin erklärte uns, daß sie den Film nur zeigten, wenn mindestens fünf Besucher da seien. (Hein Freund: 137) (33) Ich weiß nicht mehr, wie der Sportlehrer an der Oberschule hieß. In meiner Erinnerung ist es Herr Ebert, aber ich weiß, daß ich mich täusche. Es muß ein anderer Lehrer gewesen sein […]. (Hein Freund: 135) [30] »fast (Pha- begann sen-) abgestandenes Bier in den Gläsern (kom- zu schäumen «. plex) [33] Hannes (Evidenz- scheint zu resignieren komplex), […]. [21]

Komplexe Prädikate stellen modale Erweiterungen von einfachen Prädikaten dar. Dadurch, dass sie „keinen eigenen Valenzrahmen (haben), sondern den des Infinitivs, auf dem sie operieren, (transportieren)“ (IDS-Grammatik 1997/2: 1282), können sie ohne Verlust der realisierten grammatischen Grundstruktur und ohne Umszenierung auf einfachere Prädikate reduziert werden (Kap. III/1.3.2). Komplexe Prädikate sind Modalkomplexe ([21], (32) und (33)) oder Halbmodalkomplexe ([30] und [33]). Ihre Unterscheidung erfolgt formal nach dem Rektionskriterium: Modalverben regieren den Infinitiv ohne zu, d.  h. den reinen Infinitiv (Modal-



Prädikat: statische Prädikate 

 321

komplex), während Halbmodalverben den Infinitiv mit zu (Halbmodalkomplex) regieren.48 Negiert ((34) und (35)) oder restriktiv ((34’) und (35’)) gebrauchtes brauchen (=  nicht/nur/erst brauchen) befindet sich auf dem Weg vom Halbmodalverb zum Modalverb, denn es ist auch mit reinem Infinitiv, also als Modalverb, belegt:

brauchen (auch) als Modalverb

Weil ein Tierstadtrat muss das Ohr an der Bevölkerung haben, ist ganz klar, brauche ich gar nicht erklären, Selbstverständlichkeit.49 (Haas Tiere: 17) (34’) Weil ein Tierstadtrat muss das Ohr an der Bevölkerung haben, ist ganz klar, brauche ich eigentlich nur Ignoranten gegenüber erklären. (35) Wer diese beiden Passierscheine besitzt, braucht also nicht am Neujahrsmorgen um fünf Uhr nach West-Berlin zurückkehren […]. (FAZ, 20. 12. 1965, zit. n. IDS-Grammatik 1997/2: 1277) (35’) Wer diese beiden Passierscheine besitzt, braucht also erst später nach WestBerlin zurückkehren.

(34)

Außer dem bereits erwähnten Merkmal, dass Modal- und Halbmodalverben keine eigene Valenz haben, gibt es eine weitere wichtige Übereinstimmung zwischen Modal- und Halbmodalverben, auf die kurz eingegangen werden soll, nämlich das Wortstellungsmerkmal (topologisches Merkmal) der Kohärenz.50 Durch dieses Merkmal unterscheiden sich Modal- und Halbmodalverben von sog. Kontrollverben.51 Getestet wird die Kohärenz, indem die zu testenden Sätze zu Nebensätzen (mit sog.

48 Dies bedeutet natürlich nicht, dass alle Verben, die den reinen Infinitiv regieren, Modalverben wären (Kap. III/2.2.3) bzw. dass alle Verben, die den zu-Infinitiv regieren, Halbmodalverben wären (s. unten). Der ‚Halbmodalkomplex‘ wird in Heringers Dependenzgrammatik (1996: 74  ff.) als ‚Hebungskomplex‘ angesprochen. Entsprechend sind die Termini ‚Halbmodalverb‘ und ‚Hebungsverb‘ für das jeweilige Hauptregens alternativ (s. auch Eisenberg 2006/2: 362  ff.). 49 Die Kette das Ohr an der Bevölkerung haben stellt ein Idiom dar. Das Sprachzeichen weil leitet hier keinen Nebensatz ein, ist kein Subjunktor, sondern ein Parajunktor (Kap. II/1.4 und II/4.4 bzw. Ágel 2016). 50 Zu zwei weiteren Merkmalen, die Modal- und Halbmodalverben verbinden, s. IDS-Grammatik 1997/2: 1282  f. Die Begriffe ‚Kohärenz‘ und ‚Inkohärenz‘ werden im Sinne von Gunnar Bech (1983: 60  ff.) verwendet. Der Bech’sche Kohärenzbegriff hat mit dem textlinguistischen nichts zu tun. 51 Kontrollverben wie bitten oder versprechen (oder empfehlen, raten usw.), die (auch) eine Infinitivkonstruktion regieren (z.  B. Ich bitte dich zu kommen oder Sie versprach mir zu kommen), sind Vollverben. Da sich das Subjekt in einer Infinitivkonstruktion per definitionem nicht realisieren lässt (*Ich bitte dich du zu kommen bzw. *Sie versprach mir sie zu kommen), ist die interessante Frage bei Infinitivkonstruktionen, wie man das syntaktisch ja nicht realisierbare Subjekt semantisch interpretiert, d.  h., an welchem Element (Meso- oder Mikroglied) des Hauptsatzes (oder eines übergeordneten Nebensatzes) sich die semantische Interpretation des blockierten Subjekts orientiert. Bei bitten liegt Objektkontrolle (der/die du soll ja kommen), bei versprechen Subjektkontrolle (der/die sie soll kommen) vor. Zum Fragenkomplex, der in der Fachliteratur mit den Termini ‚Kontrolle‘ oder ‚Orientierung‘ bezeichnet wird, s. zusammenfassend Eisenberg 2006/2: 356  ff. und IDS-Grammatik 1997/3: 2171  ff.

Kohärenz und Kontrolle

322 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Verbletztstellung) zurückgestuft werden. In Nebensätzen erscheinen nämlich die prädikatsfähigen Verbkomplexe geschlossen, d.  h., (regierendes) Finitum und (regierter) Infinitiv(komplex) bilden ein sog. verbales Schlussfeld (= kohärente Struktur): (32a) Er weiß, warum wir an der Kinokasse [Schluss- warten mußten feld]. [Modalverb] → *Er weiß, warum wir [Schluss- mußten feld] an der Kinokasse warten. [33a] Sie ist traurig, dass Hannes [Schluss- zu resignieren scheint feld]. [Halbmodalverb] → *Sie ist traurig, dass Hannes [Schluss- scheint feld] zu resignieren. (32b) Er weiß, warum wir ihn [Schluss- baten feld], an der Kinokasse zu warten. [Kontrollverb] → Er weiß, warum wir ihn [Schluss- an der Kinokasse zu warten baten feld]. Wir sehen, dass die Versuche in (32a) und [33a], die kohärente Struktur ‚zu sprengen‘ und inkohärent zu machen, indem der jeweilige Infinitiv(komplex) aus dem Schlussfeld genommen und zu einer vom Verb kontrollierten Infinitivkonstruktion gemacht wurde, gescheitert sind. Es handelt sich also um eine obligatorisch kohärente Struktur. Dagegen bilden Kontrollverben wie bitten in (32b) von vornherein eine inkohärente Struktur, was bedeutet, dass Kontrollverben Vollverben und als solche alleine prädikatsfähig sind. Funktioniert ein Kontrollverb als Prädikat, stellt also die Infinitivkonstruktion ein Satzglied (im engeren Sinne) dar:52 (32c) Wir baten ihn, (Präpositional- an der Kinokasse zu warten objekt). Der Unterschied zwischen Modal- und Halbmodalverben einerseits und Kontrollverben andererseits ist aus der Sicht der Grammatischen Textanalyse folglich deshalb besonders wichtig, weil Modal- und Halbmodalverbkomplexe jeweils nur ein Szenario indizieren (Warten-müssen- bzw. Zu-resignieren-scheinen-Szenario in (32a) bzw. [33a]), während Kontrollverben und die von ihnen kontrollierten Infinitivkonstruktionen eigene Szenarios bilden (Bitten- und Warten-Szenario in (32b) bzw. (32c)).53

52 Es handelt sich um ein Präpositionalum+AKK-objekt (jmdn. um etw. bitten). Die Präposition des Präpositionalum+AKK-objekts lässt sich durch das Korrelat darum verdeutlichen: Wir baten ihn (Präpositionaldarum, an der Kinokasse zu warten objekt). 53 Sowohl in (32c) als auch in (32b) ist das Warten-Szenario in das Bitten-Szenario eingebettet. Im Gegensatz zu (32c) ist allerdings das Bitten-Szenario in (32b) in ein Wissen-Szenario eingebettet, weshalb hier das Warten-Szenario eine Einbettung zweiten Grades darstellt. Das Kontrollverb und die Infinitivkonstruktion, die in (32c) beide Mesoglieder (Prädikat und Präpositionalobjekt) sind, stellen daher in (32b) nur recycelte Satzglieder (Prädikat zweiten Grades und Präpositionalobjekt zweiten Grades) dar. Zur Einbettung als satzsemantischer Technik zur Bildung komplexer Aussagen s. Polenz 2008: 232  ff.



Prädikat: statische Prädikate 

 323

Die Unterteilung von Modalkomplexen in Verbkomplexe, die nicht-epistemische und welche, die epistemische Modalität ausdrücken, soll anhand folgender Beispiele erläutert werden:54

Modal­ komplex

[nicht-epistemisch] (32) An der Kinokasse mußten wir warten. […] [nicht-epistemisch] (32’) An der Kinokasse haben wir warten müssen. […] (33’) […] Es muß ein anderer Lehrer sein. [epistemisch] [epistemisch] (33) […] Es muß ein anderer Lehrer gewesen sein […]. Bei der nicht-epistemischen Modalität „handelt es sich um verschiedene Beziehungen (Notwendigkeit, Möglichkeit, Erlaubnis) des (syntaktischen) Subjekts zum Prädikat“ (Helbig 1995: 931), während bei der epistemischen Modalität „Sprechereinstellungen explizit gemacht und […] Vermutungen geäußert (werden)“ (Hundt 2003: 345). Im Falle der nicht-epistemischen Modalität handelt es sich demnach um eine genuin szenariointerne Modalisierung, d.  h. um eine modale Relation zwischen szenierendem Prädikat und szenariokomplementierendem Subjekt. In (32) und (32’) geht es konkret um eine Notwendigkeitsbeziehung (mußten bzw. haben müssen) zwischen Handlungsträger (wir) und Handlung (warten).55 Bei der epistemischen Modalität handelt es sich dagegen um eine szenario­inte­ grierte externe Modalisierung, d.  h. um einen Kommentar des Szenarios durch den Textproduzenten (Sprecher/Schreiber) als einen in das Szenario integrierten Beob­

54 In der Fachliteratur zu Modalität und Modalverben herrscht eine ungewöhnliche terminologische Vielfalt. Dem relativ theorieneutralen Terminuspaar ‚nicht-epistemisch‘/‚epistemisch‘, das hier bevorzugt wird, entsprechen terminologische Tandems wie ‚objektiv‘/‚subjektiv‘, ‚subjektbezogen‘/ ‚sprecherbezogen‘, ‚nicht-deiktisch‘/‚deiktisch‘, ‚nicht-inferentiell‘/‚inferentiell‘, ‚deontisch‘/‚epistemisch‘, ‚dynamisch‘/‚epistemisch‘, ‚agens-orientiert‘/‚epistemisch‘, ‚zirkumstanziell‘/‚epistemisch‘ usw. Zum Überblick s. etwa Helbig 1995, Diewald 1999, Palmer 2001 und Hundt 2003. Was die Anzahl der Modalverben im Gegenwartsdeutschen anbelangt, ist der Kernbereich klar: müssen, können, mögen, dürfen, sollen, wollen. Die Peripherie ist dagegen umstritten (Eisenberg 2006/2: 90  ff.). Zur Peripherie gehören (negiertes/restriktives) brauchen (s. oben), werden und möchten (Vater 1975 und 2010). Letzteres gilt als ein eigenes Verb mit einer eigenen Infinitivform, die „(es) umgangssprachlich […] offenbar schon lange (gibt)“ (Vater 2010: 103). Zu werden gibt es drei Typen von Positionen: Die „Temporalisten“ (Diewald 2005: 23) betrachten es als Futurhilfsverb, die „Modalisten“ (ebd.) als Modalverb. Überzeugend argumentiert Gabriele Diewald (2005) für eine ‚Weder-noch-Position‘, nach der werden+Infinitiv eine evidenzielle Grundbedeutung habe. Auf Evidentialität wird weiter unten einzugehen sein. Zur Grammatikalisierung der Modalverben s. Diewald 1999, zum (kulturhistorischen) Zusammenhang von Epistemifizierung und Literalisierung Ágel 1999. 55 Auch die Leittext-Belege [14], [21] und [44] sind nicht-epistemisch. In [14] – Ein Stück (nicht-epistemischer soll aufgeführt werden Modalkomplex), im Speisesaal. – wird eine Obligation als „Fremd-Auftrag“ (Boettcher 2009/1: 60), in [21] – […] diese schöne Einladung (nicht- können epistemischer) sie einfach nicht (Modal- ausschlagen komplex). – eine Nicht-Möglichkeit als Notwendigkeit und in [44] – […] ehe jetzt jemand etwas von Abgeklärtheit und womöglich gar Altersweisheit erzählt, (nicht-epistemischer darf gesagt werden Modalkomplex), dass […] – eine Art Selbst-Erlaubnis als Höflichkeitsfloskel ausgedrückt. Die dynamischen Sätze [14] und [44] wurden aus dem einschlägigen Textanalyse-Kapitel übernommen (Kap. III/2.2.1).

nichtepistemische Lesart

epistemische Lesart

324 

Metonymie

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

achter. Qua epistemischer Verwendungen von Modalverben wird also analog zu Kommentargliedern das Szenario zwar kommentiert. Allerdings besteht der Effekt epistemischer Modalkomplexe als Prädikate  – im Gegensatz zu dem von Kommentargliedern als drittem Satzgliedtyp (im weiteren Sinne) – darin, dass der Kommentar als Teil des Szenarios versprachlicht wird.56 In (33) und (33’) geht es konkret um einen Ich-Erzähler (Textproduzent), der aus der Gewissheit über eine Erinnerungstäuschung eine zwingende (notwendige) Vermutung (muß) über die Beziehung zwischen Klassenzuweisung (es → Sportlehrer an der Oberschule sein bzw. gewesen sein) und Element (ein anderer Lehrer) herleitet.57 Der Zusammenhang zwischen nicht-epistemischem und epistemischem müssen lässt sich grob wie folgt rekonstruieren:58 Wird bei der Notwendigkeitsrelation der Szenario-Beobachter ausgeblendet, kann Notwendigkeit als eine zweistellig konzipierte Relation nur die Beziehung von Subjekt (= Relatum1) und Prädikat (= Relatum2) betreffen. Dabei kann es für diese (nicht-epistemische) Beziehung sowohl subjektsinterne (z.  B. moralische) als auch subjektsexterne (logische, institutionelle, äußere Umstände oder Normen/Gewohnheiten/Praxen betreffende) Gründe geben. In (32) und (32’) geht es um eine Art Filmvorführungspraxis in einem Kino, die die Notwendigkeit des Wartens begründet. Wird bei der Notwendigkeitsrelation der Szenario-Beobachter eingeblendet (und ins Szenario integriert), wird Notwendigkeit ebenfalls als eine zweistellige Relation konzipiert, aber es findet eine metonymische Verschiebung der Relata statt: Der Szenario-Beobachter übernimmt vom Subjekt die Rolle des Relatums1. Dabei gerät durch den globalen Blick des Beobachters auf das Szenario die interne Beziehung von Subjekt und Prädikat aus dem Blickfeld, das Szenario en bloc übernimmt die Rolle des Relatums2. Da nun die Notwendigkeitsrelation zwischen Beobachter und Szenario besteht, motivieren mögliche Gründe für die Relation nicht die Beziehung von Subjekt und Prädikat, sondern sie erscheinen aus der Sicht des Beobachters als interne oder externe Evidenzen (Geltungsgründe): Der Beobachter hält das durch das Szenario Ausgedrückte für notwendig, weil er (sehr wahrscheinlich) zwingende Evi-

56 In Anlehnung an Welke 2005 könnte man sagen, dass bei epistemischen Modalverbverwendungen der Beobachter-Kommentator denotativ-semantisch extern, signifikativ-semantisch dagegen intern konzipiert ist. Kommentarglieder sind dagegen auch signifikativ-semantisch extern konzipiert. 57 Hier wurden gleich zwei theoretische Entscheidungen vorweggenommen: Einerseits fasse ich zwei der Sätze des Hein-Belegs (In meiner Erinnerung ist es Herr Ebert […]. und Es muß ein anderer Lehrer sein […].) als verkürzte Spaltsätze auf. Auf die grammatische Struktur von Spaltsätzen, die dynamische Sätze darstellen, kann aber erst im Kap. III/3.2.4 eingegangen werden. Andererseits können die Szenarioklassen von Prädikativgefügen (wie z.  B. Klassenzuweisung) erst im Prädikativkapitel (Kap. III/2.1.4) behandelt werden. 58 Der Zusammenhang lässt sich – mutatis mutandis – auch auf die anderen Modalverben übertragen. Vgl. auch die Beispiele (33a) und (33b) unten. Ausführlich – synchron wie diachron – beschrieben wird die Beziehung zwischen nicht-epistemischer und epistemischer Modalität von Gabriele ­Diewald (1999: 249  ff. und 299  ff.).



Prädikat: statische Prädikate 

 325

denzen hat. Wer als Beobachter (= Relatum1) unter der Last zwingender Evidenzen die Notwendigkeit von X (= Relatum2) ausdrückt, drückt bezüglich X eine starke Vermu­ tung (Gewissheit) aus, d.  h., er bewertet den Faktizitätsgrad des Szenarios als hoch. Sind die Evidenzen dagegen weniger zwingend, wird man auf andere Modalverben ausweichen, durch deren epistemische Lesarten sich niedrigere Faktizitätsgrade (vor allem ‚erlaubt‘ oder ‚möglich‘) ausdrücken lassen:59 (33) (a) Ich weiß nicht mehr, wie der Sportlehrer an der Oberschule hieß. In meiner Erinnerung ist es Herr Ebert, aber er ist eigentlich viel zu jung. Es dürfte/ wird also ein anderer Lehrer gewesen sein. (b) Ich weiß nicht mehr, wie der Sportlehrer an der Oberschule hieß. In meiner Erinnerung ist es Herr Ebert, aber mir geht heute alles durcheinander. Es kann/mag auch ein anderer Lehrer gewesen sein. Als Sonderfälle epistemischer Modalität (= Epistemik im weiteren Sinne) gelten die Modalkomplexe des Hörensagens mit sollen und wollen, die sog. Quotative, „bei denen der Sprecher [= Beobachter, VÁ] zugleich markiert, dass er sich nicht auf einen Faktizitätswert festlegt und dass eine andere Instanz die Geltung der Proposition [= des Szenarios, VÁ] behauptet hat.“ (Hundt 2003: 346) Wenn der Beobachter keine Evidenzen hat oder trotz Evidenzen keine Verantwortung für die Faktizitätsbewertung des Szenarios übernehmen will, hat er – entsprechend den nicht-epistemischen Bedeutungen von wollen und sollen („Selbst-Auftrag“ bzw. „Fremd-Auftrag“ (Boettcher 2009/1: 60)) – zwei Möglichkeiten, das Hörensagen metonymisch zu konzipieren: [14c] Sie wollen ein Stück aufgeführt haben. [14d] Sie sollen ein Stück aufgeführt haben. In [14c] wird der Selbst-Auftrag des Subjekts, in [14d] der Fremd-Auftrag einer im Satz nicht genannten Instanz als Informationsquelle des Beobachters konzipiert.60

59 Die Annahme einer ‚metonymischen Verschiebung‘, wie sie hier skizziert wurde, ist nicht verwandt mit dem Ansatz der ‚konzeptuellen Verschiebung‘ von Jörg Meibauer, in dem es um eine modulare Relation zwischen einer kontextfreien semantischen und einer kontextgebundenen konzeptuellen Struktur geht (Meibauer 1994: 152  ff.). 60 In der neueren und neuesten Fachliteratur zur Modalität wird nicht nur die Auffassung vertreten, dass evidenzbasierte modale Verwendungen (wie z.  B. die Quotative) zur Epistemik im weiteren Sinne gehören (z.  B. Vater 2010), sondern auch die, dass epistemische Modalität und Evidentialität strikt zu trennen seien (etwa Diewald/Smirnova 2010). Was an letzterer Auffassung besonders schwer nachzuvollziehen ist, ist, dass Evidentialität mit inferentieller Evidentialität gleichgesetzt zu werden scheint (Diewald/Smirnova 2010: 127) und dass folglich die Quotative nicht dem evidenziellen, sondern dem Modalsystem zugerechnet werden (ebd.: 128). Dass sich werden+Inf. als nicht-epistemischer Evidentialitätsmarker epistemischem müssen/können/mögen/dürften+Inf. als Faktizitätsgradmarker distinktiv gegenüberstellen ließe, lässt sich nicht nur theoretisch, sondern auch empirisch (an den in Diewald/Smirnova 2010 zitierten Beispielen) nur schwer nachvollziehen. Man beachte auch die

Hörensagen

326 

LesartIdentifizierung

Perfekt­ bildung

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Gibt es formale Unterschiede zwischen nicht-epistemischen und epistemischen Modalkomplexen, die einem bei der Identifizierung helfen könnten? Zwei Unterschiede sollen hervorgehoben werden: (1) Perfektbildung und (2) Personenkategorie des Subjekts.61 Im Präsens kann ein Modalkomplex (kon-)textlos hinsichtlich der Lesart offen sein (Beispiel und Paraphrasen nach Vater 2010: 100): (36) Paul muss dort sein. ‚Es ist notwendig, dass Paul dort ist‘ (P. ist dazu verpflichtet) [nicht-epistemisch] ‚Es ist sehr wahrscheinlich, dass Paul dort ist‘ (da dort Licht brennt) [epistemisch] Im Perfekt muss man dagegen Farbe bekennen. Je nachdem, ob man das Modalverb oder den Infinitiv des Vollverbs ins Perfekt setzt, ist die jeweilige Lesart in der Regel formal festgelegt:62 (36) (a) Paul hat dort sein müssen. ‚Es war notwendig, dass Paul dort war‘ (b) Paul muss dort gewesen sein. ‚Es ist sehr wahrscheinlich, dass Paul dort war‘

[nicht-epistemisch] [epistemisch]

Wie Mortelmans/Smirnova (2010) gezeigt haben, können in der realen Textwelt insbesondere Modalkomplexe im Konjunktiv II, die Nichtfaktizität ausdrücken, diese formalen Unterschiede u.  U. überdecken, was zu einer textbasierten Fast-Neutralisierung der Lesart-Unterschiede führen kann: (37)

Überprüft die Agentur Arbeitgeber, die Förderanträge stellen, denn nicht? Seit Jahren ist Alexander Z. im Rotlichtmilieu tätig, war mehrfach in gerichtliche Auseinandersetzungen verwickelt. Ein Blick ins Handelsregister hätte

Beispiele (33a) und (33b) oben, in denen man einen kategorialen Unterschied zwischen dürfte/kann/ mag gewesen sein vs. wird gewesen sein müsste erkennen können. Überzeugender erscheint mir die Auffassung von Kotin und Schönherr (2012: 398), nach der es im Gegenwartsdeutschen keine „autonome Evidentialität“, d.  h. keine „Evidentialität ohne Vermittlung der Epistemizität, gibt“. Historisch, etwa im Althochdeutschen, war es dagegen gewissermaßen umgekehrt: Evidentielle Marker waren textsemantisch unmarkiert, epistemische markiert (Kotin/Schönherr 2012: 408  ff.). 61 Zu einer Diskussion aller möglichen Kontextfaktoren bezüglich Lesartaffinität s. Diewald 1999: 249  ff. 62 Das Perfekt von Modalverben wird nicht mit Tempushilfsverb + Perfektpartizip (*hat dort sein gemusst), sondern mithilfe des sog. Ersatzinfinitivs (= Partizipersatz) gebildet. Tritt ein Verb sowohl als Modal- denn auch als Vollverb auf, benutzt man dagegen bei der Vollverbverwendung das Perfektpartizip: Ich habe Birnen nie gemocht.



(38)

Prädikat: statische Prädikate 

 327

die Agentur für Arbeit stutzig machen müssen: Kaum, dass er eine Firma in die Pleite getrieben hat, machte Z. eine neue auf. Allein die Tatsache, dass die Bonbons schon über 1 Jahr in meinem Haushalt sind, müsste euch stutzig gemacht haben. (Belege nach Mortelmans/Smirnova 2010: 55)

Wie erwähnt, impliziert nicht-epistemische Modalität eine modale Relation zwischen Subjekt und Prädikat. Da Subjekte in allen drei Personen vorkommen können, kommen auch nicht-epistemische Modalverben in allen drei Personen vor.

Personen­ kategorie des Subjekts

(32’’) An der Kinokasse mussten wir / musstet ihr / mussten sie warten. Wird bei einer modalen Relation dagegen ein Szenario-Beobachter eingeblendet (epistemische Modalität), entsteht eine Art Erzählperspektive, die zwar erst- und zweitpersonige Subjekte keinesfalls ausschließt, aber drittpersonige wesentlich wahrscheinlicher macht. Man vergleiche: (36) Paul muss dort sein. (36’) Ich muss dort sein. (36’’) Du musst dort sein. In Kombination mit dem Infinitiv des Perfekts des Vollverbs erscheint dagegen ein erst- oder zweitpersoniges Subjekt nicht unnatürlich, da hier die Szenario-Zeit in der Vergangenheit zurückliegt und somit auch ein Ich- oder Du-Subjekt aus der (zeitlichen) Distanz beobachtet werden kann: (37)

In meiner Erinnerung gab es Braunbären, Esel und Wölfe. Ich mußte mich geirrt haben. (Hein Freund: 133)

„Alle Modalverben können auch als Vollverben gebraucht werden“ (Boettcher 2009/1: 62; Beispiele ebd.): (38) Ich muss schnell weg. (39) Er wollte mein ganzes Geld. (40) Du sollst nach Hause. Was Boettcher meint, ist, dass diejenigen Verben mit modaler Bedeutung, die einen reinen Infinitiv (= Infinitiv ohne zu) regieren, auch ohne Infinitivrektion verwendet werden. Mit Infinitivrektion werden diese Verben der Kategorie ‚Modalverb‘, ohne Infinitivrektion der Kategorie ‚Vollverb‘ zugeordnet. Die entscheidende Frage ist, ob tatsächlich alle Verben mit modaler Bedeutung beiden Kategorien zuzuordnen sind. Im Gegensatz zu Boettcher unterscheidet Helbig (1995: 928  f.) zwei Möglichkeiten, die jeweils an einem Beispiel (ebd.) illustriert werden sollen:

Modalverben als Voll­ verben?

328 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

(41) Ich will/möchte, dass er ihn besucht. (42) Er möchte/will ein Brötchen [haben]. Nach Helbig sind die Verben will/möchte in (41) Vollverben, denn sie haben eine andere Bedeutung als in ihrer Modalverb-Funktion. Deshalb lassen sie eine Paraphrase durch ein Vollverb zu (Ich wünsche, dass…) und verfügen über Vollverb-Äquivalente in anderen Sprachen (z.  B. engl. wish).63 Beim Typus (42) spricht Helbig (1995: 929) dagegen von Modalverben, die elliptisch gebraucht würden, d.  h., der ‚fehlende‘ Infinitiv des Vollverbs (= haben) ließe sich ergänzen. Zu diesem Typus würde er auch Modalverb-Verwendungen mit Direktivum zählen, nur dass hier nicht ein bestimmter Infinitiv, sondern eine Reihe von Verben, die derselben Subklasse (Bewegungsverben) angehören, ergänzbar wäre: (43) Ich will/muss/kann/darf/soll nach Hause [gehen, laufen, fahren, fliegen usw.]. Die Helbig’sche Unterscheidung ist zweifelsohne relevant. Aber nicht deshalb, weil in (42) der Infinitiv haben fehlen würde, sondern, weil es ansonsten kaum verständlich und vermittelbar wäre, woher die Dynamik der Modalverben stammt, Direktiva (wie nach Hause in (43)) als Komplemente zu nehmen. Der Unterschied zu Helbigs Auffassung besteht darin, dass ich nicht von einem elliptischen Vollverb, d.  h. von einem ‚fehlenden‘ Infinitiv, ausgehe, sondern von der Umkategorisierung des statischen Modalverbs zu einem dynamischen Vollverb (zur Begründung Kap. III/2.2.2). Entsprechend lassen sich drei Fälle unterscheiden: a) Ich will/möchte ein Brötchen / dass er ihn besucht. [statisches Vollverb] b) Ich will/möchte nach Hause fahren. [Modalkomplex] c) Ich muss/kann/darf nach Hause. [dynamisches Vollverb] Halbmodalkomplex

Unterteilt werden die Halbmodalkomplexe in eine Kerngruppe, die Evidenzkomplexe (Halbmodalkomplexe im engeren Sinne) genannt werden sollen (s. [33]), und in zwei periphere Gruppen, die jeweils auf eine andere Weise peripher sind: Die Modalitäts­ komplexe (wie brauchen mit zu-Infinitiv) flankieren die Kerngruppe an der Grenze zu den Modalverben, während die Phasenkomplexe (s. [30]) dies an der Grenze zu den Vollverben tun:

63 Man könnte hinzufügen: Es wäre auch nicht möglich, hier einen ‚fehlenden‘ Infinitiv zu rekonstruieren.



Prädikat: statische Prädikate 

 329

Abb. 9: Halbmodale

Den Übergang zu den Modalverben bilden die Modalitätsverben. Unter Modalitätsverben werden in der vorliegenden Arbeit nur diejenigen Halbmodalverben verstanden, die eine modalverbähnliche Bedeutung haben: brauchen (Notwendigkeit), vermögen und wissen (Möglichkeit) wie z.  B. weiß im Leittext:64 [10]

Hannes, im Übrigen nicht besonders redselig, (Simplex- teilt verb) die Zelle mit dem Erzähler dieser Geschichte, aus dessen Leben Hannes erstaunlich viel mitzuteilen weiß und den er »Professor« nennt.

Üblicherweise würde man auch die Modalkonstruktionen haben bzw. sein mit zu-Infinitiv (sog. modale Infinitive) zu dieser Gruppe rechnen: (44) Zu lösen sind wirkliche Probleme ohnehin nicht. (Hein Freund: 115) (45) Wir hatten noch zwei Einsätze zu fahren. (Hein Freund: 127) Das Kriterium für komplexe Prädikate ist allerdings, dass sich das Prädikat ohne Verlust der realisierten grammatischen Grundstruktur und damit ohne Umszenierung auf ein einfacheres Prädikat reduzieren lässt (Kap. III/1.3.2), indem das regierende Verb (Modal- oder Halbmodalverb) eliminiert wird. Dieses Kriterium trifft jedoch auf die sein-Modalkonstruktion nicht zu. Denn wegen der (passivanalogen) Vorgangsbedeutung der Konstruktion funktioniert der Reduktionstest alleine nicht, sondern nur verbunden mit einer Passivparaphrase (Passivierung des Vollverbs):65 (44) → →

Zu lösen sind wirkliche Probleme ohnehin nicht. *Wirkliche Probleme lösen ohnehin nicht. Gelöst werden wirkliche Probleme ohnehin nicht.

64 Dies ist ein sehr enger Begriff von Modalitätsverb. Üblicher ist die mehr oder weniger synonyme Verwendung von ‚Modalitätsverb‘ und ‚Halbmodalverb‘, d.  h. ‚Modalitätsverb‘ nicht als (periphere) Unterklasse, sondern als Oberbegriff (s. etwa Askedal 1997 und Engel 1988: 477  ff.). 65 Selbst das stimmt nicht immer, vgl. IDS-Grammatik 1997/2: 1279.

Modalitätskomplex

330 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Dagegen scheint wenigstens die haben-Modalkonstruktion das Kriterium für komplexe Prädikate zu erfüllen: (45) Wir hatten noch zwei Einsätze zu fahren. → Wir fuhren noch zwei Einsätze.

Evidenz­ komplex

Allerdings konnte Anatol Stefanowitsch (2009) zeigen, dass dieser Schein trügt, weshalb der Konstruktionsstatus auch hier angemessener ist (Kap. III/2.2.2). Aus diesem Grunde werden die sein/haben-Modalkonstruktionen nicht als statische, sondern als dynamische Prädikate (Modalkonstruktionen) aufgefasst. Die Kerngruppe umfasst die Verben scheinen, drohen, versprechen und pflegen in obligatorisch kohärenter Verwendung (Eisenberg 2006/2: 362  ff.): (46) →

…dass der Winter kalt zu werden verspricht/droht/pflegt/scheint. *…dass der Winter verspricht/droht/pflegt/scheint kalt zu werden.

Wie erwähnt, Kohärenz lässt sich jedoch nur bei Verbletzt(stellung), also im Nebensatz, testen, weshalb sich in Hauptsätzen gleichlautendes Vollverb (Kontrollverb) und Halbmodalverb auf den ersten Blick nicht unterscheiden lassen: (47) Ich versprach ihr, sie bald zu besuchen. [Vollverb] (Hein Freund: 113) (47’) Der Winter verspricht kalt zu werden. [Halbmodalkomplex] Kohärenztest

Hier hilft einerseits der Kohärenztest, denn Kontrollverben bilden (nicht ausschließlich, aber) typischerweise eine inkohärente Struktur: (47) Ich versprach ihr, sie bald zu besuchen. → …dass ich ihr versprach, sie bald zu besuchen.

Reduktionstest

Andererseits haben Halbmodalverben, wie oben erwähnt, keine eigene Valenz, sie bilden kein eigenes Szenario. Deshalb lassen Halbmodalkomplexe sich ohne Umszenierung auf die zugrunde liegenden einfachen Prädikate reduzieren, was auf gleichlautende Kontrollverben nicht zutrifft. Der Reduktionstest lässt sich also auch verwenden, um zu überprüfen, ob es sich um ein Halbmodalverb oder ein gleichlautendes Vollverb (Kontrollverb) handelt. Ersteres ist eliminierbar, Letzteres nicht: (47’) Der Winter verspricht kalt zu werden. [Halbmodalkomplex] → Der Winter wird kalt. (47) Ich versprach ihr, sie bald zu besuchen. [Vollverb] → *Ich besuchte ihr sie bald.



Prädikat: statische Prädikate 

 331

Laut IDS-Grammatik (1997/2: 1283) stellt das Halbmodalverb drohen hinsichtlich Kohärenz insofern einen Sonderfall innerhalb der Kerngruppe dar, als bei ihm auch „inkohärenter Gebrauch möglich“ sei (Beispiel ebd.):66 (48)

…weil die Situation noch immer drohte, recht unübersichtlich zu werden.

Wo die Grenzen dieser Möglichkeit liegen, ist unklar. Im Gegensatz zu (48) scheint mir, dass der inkohärente Gebrauch im folgenden Kontext fragwürdig wäre: (49)



Auch Lord Jim, Erster Offizier auf einem Schiff mit Mekkapilgern, das zu sinken droht, hat sich in einem Anfall von Panik zusammen mit der Besatzung in Sicherheit gebracht […]. (DIE ZEIT, 19. 01. 2012) ??Auch Lord Jim, Erster Offizier auf einem Schiff mit Mekkapilgern, das droht zu sinken, hat sich in einem Anfall von Panik zusammen mit der Besatzung in Sicherheit gebracht.

Insofern lässt es sich im Falle des Halbmodalverbs drohen zwar gewiss nicht von einer obligatorisch kohärenten Verwendung sprechen, aber die Annahme fakultativer Kohärenz wäre auch abwegig: Das Halbmodalverb drohen wird nicht ausschließlich, aber prototypischerweise kohärent verwendet. Sein Status als Halbmodalverb ist dadurch nicht gefährdet, der Reduktionstest funktioniert einwandfrei: (50) →

Das Schiff droht zu sinken. Das Schiff sinkt.

Semantisch drücken die Halbmodale scheinen, drohen und versprechen nach Diewald/ Smirnova (2010: 127  f.) inferentielle, d.  h. auf Schlussfolgerungen basierende, Eviden­ tialität aus. Ihre semantische Leistung (in eckigen Klammern) wird anhand der folgenden Beispielsätze exemplifiziert (Diewald/Smirnova 2010: 128): (51) (52) (53)

In Hannover scheint es zu regnen. [Aussage basiert auf Schlussfolgerungen, Prämissen sind spezifiziert als direkt oder indirekt zugängliche Information] In Hannover droht es zu regnen. [Aussage basiert auf Schlussfolgerungen, Prämissen sind spezifiziert als direkt zugängliche Information, Sachverhalt nicht erwünscht] In Hannover verspricht es zu regnen. [Aussage basiert auf Schlussfolgerungen, Prämissen sind spezifiziert als direkt zugängliche Information, Sachverhalt erwünscht]

66 Die Sache ist allerdings komplizierter. Die Evidenzverben drohen und versprechen lassen laut Marga Reis (2005, 2005a und 2007) die sog. dritte Konstruktion, eine Art Übergangsstruktur zwischen Kohärenz und Inkohärenz, zu. Zur dritten Konstruktion vgl. Wöllstein-Leisten 2001.

332 

Evidenzverb pflegen

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

M. E. besteht durchaus die Möglichkeit, das Halbmodalverb pflegen, das Habitualität ausdrückt, in diese Systematik einzupassen und dem Singularität ausdrückenden scheinen gegenüberzustellen: (51)

(54)

In Hannover scheint es zu regnen. [Aussage basiert auf Schlussfolgerungen, Prämissen sind spezifiziert als direkt oder indirekt zugängliche zeitgebundene Information, Sachverhalt singulär (= nicht habituell)] In Hannover pflegt es zu regnen. [Aussage basiert auf Schlussfolgerungen, Prämissen sind spezifiziert als direkt oder indirekt zugängliche zeitungebundene Information, Sachverhalt habi­tuell]

Ergänzt man die Abbildung der semantischen Systematik von Diewald/Smirnova (2010: 127, Abb. 5) durch das Halbmodalverb pflegen, bekommt man demnach folgendes Bild:67 Tab. 34: Semantische Systematik der Evidenzverben spezifische Evidenzen (+)/-aktuell wahrgenommene Evidenzen -habituell +habituell scheinen pflegen

Phasen­ komplex

+aktuell wahrgenommene Evidenzen -erwünscht +erwünscht drohen versprechen

Halbmodalverben im engeren Sinne sind also Evidenzverben. Periphere Halbmodalverben an der Grenze zu den Vollverben sind spezifische Verwendungsweisen der Verben anfangen, beginnen, fortfahren und aufhören, die mögliche Phasen (Anfang, Mitte, Ende) der Zeitstruktur eines Szenarios indizieren: „In der Verwendungsweise als, wie wir sagen, Phasenverben zeigen sie somit eine Reihe von Übereinstimmungen mit den Halbmodalen (Valenztransport, Nicht-Anaphorisierbarkeit/Anadeiktisierbarkeit).“ (IDS-Grammatik 1997/2: 1391)68 So wie die Halbmodalverben im engeren Sinne haben also Phasenverben auch keine eigene Valenz. Sie ‚transportieren‘ lediglich die Valenz des zugrunde liegenden einfachen Prädikats. Entsprechend funktioniert der Reduktionstest auch hier: [30] »fast (Pha- begann sen-) abgestandenes Bier in den Gläsern «. plex) → Abgestandenes Bier schäumt in den Gläsern.

(kom-

zu schäumen

67 Einbezogen wurde von Diewald und Smirnova in die evidenzielle Systematik auch das Verb „wer­ den & Infinitiv“ (In Hannover wird es regnen, Beispiel ebd.: 127), von dem hier, da es ja kein Halbmodalverb ist, abgesehen wird. 68 Zur Deixis und Phorik Kap. II/4.3 und Kap. III/3.1.7.



Prädikat: statische Prädikate 

 333

So wie bei den Halbmodalverben im engeren Sinne gibt es auch hier gleichlautende Vollverben: (55) →

[Mein Vater] […] begann sich, in leichter Grätschstellung, über dem Ausguß einzuseifen, wobei er mich im Auge behielt. (Lenz Deutschstunde: 89) Mein Vater seifte sich, in leichter Grätschstellung, über dem Ausguß ein, wobei er mich im Auge behielt.

Überraschenderweise scheint jedoch der Reduktionstest beim Vollverb zum selben Ergebnis zu führen. Allerdings nur deshalb, weil die Valenz von beginnen  – jmd. (Subjekt), mit etw. (Präpositionalobjekt)  – im Lenz-Text nicht voll realisiert wurde. Bei Vollrealisierung des Präpositionalobjekts würde auch das Korrelat damit (als Teil des Präpositionalobjekts) erscheinen und eine Eliminierung des Vollverbs nicht mehr ermöglichen:69 (55a) Mein Vater begann damit, sich über dem Ausguß einzuseifen. *Mein Vater seifte damit sich über dem Ausguß ein. → Umgekehrt darf das Korrelat damit, das ja nur zur Valenz des Vollverbs gehört, beim Halbmodalverb nicht erscheinen (Gegenprobe): [30] »fast (Pha- begann sen-) abgestandenes Bier in den Gläsern schäumen plex)«. → ??Abgestandenes Bier begann damit, in den Gläsern zu schäumen.

(kom-

zu

Mit „Nicht-Anaphorisierbarkeit/Anadeiktisierbarkeit“ meint die IDS-Grammatik, dass sich ein von einem Halbmodalverb regierter Infinitiv nicht pronominalisieren lässt. Wiederaufnahme durch ein Präpositionaladverb (damit) ist deshalb nur im Falle des Präpositionalobjekts, also beim Vollverb, möglich: [30a] → (55b) →

Abgestandenes Bier (Pha- begann sen-) in den Gläsern (kom- zu schäumen plex)«. ??Abgestandenes Bier begann damit. Mein Vater begann sich über dem Ausguß einzuseifen. Mein Vater begann damit.

Zum peripheren Status von Phasenkomplexen gehört auch, dass sie kohärent wie inkohärent gebraucht werden können: → →

…dass abgestandenes Bier in den Gläsern zu schäumen begann. …dass abgestandenes Bier begann, in den Gläsern zu schäumen.

69 Der mit * versehene Satz ist nicht generell ungrammatisch, sondern nur als Reduktion von (55a), wo damit Korrelat des Objektsinfinitivs ist. In einem anderen Kontext – etwa mit damit als anaphorischer Wiederaufnahme eines Instrumentaladverbials – wäre der Satz korrekt: (Da lag ein Stück grüne Seife.) Mein Vater seifte sich damit über dem Ausguß ein.

334 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Einfache statische Prädikate sind Vollverben (Unterklassen: Simplexverb, Komplexverb, Präfixverb, Partikelverb, Medialverb (sich-Verb)), Idiome, Kollokativgefüge (Nominalisierungsverbgefüge und Funktionsverbgefüge) und Prädikativgefüge (intransitiv und transitiv). Komplexe statische Prädikate sind Modalkomplexe (nicht-epistemisch und epistemisch) und Halbmodalkomplexe (Evidenz-, Modalitäts- und Phasenkomplexe).

2.1.3 Sich als Teil des Prädikats oder: Gibt es Reflexivverben? Entscheidend aus der Sicht der Grammatischen Textanalyse ist einerseits, ob das jeweilige sich zur Szenierung oder zur Szenariokomplementierung beiträgt, d.  h., ob es Teil des Prädikats ist oder ein eigenes Satzglied (Dativ- oder Akkusativobjekt) darstellt. Diese Unterscheidung bildet daher die Grundlage für unsere Klassifikation der sich-Verwendungen:70 (56) Jetzt hat sich die Witwe sofort wieder beruhigt. [mitszenierendes sich] (Haas Silentium: 80) [33] der Zellennachbar (Parti- hängt kel-) sich (ve- auf rb), […]. [szenariokomplementierendes sich]

Termini

Andererseits stellt sich die Frage, ob sich die grammatischen und semantischen Unterschiede zwischen dem mitszenierenden und dem szenariokomplementierenden sich semantisch begründen lassen. Die Antwort auf diese Frage wird lauten, dass sie sich semantisch sehr wohl begründen lassen: Sich-Verben (= sich als Prädikatsteil) drücken das semantische Konzept der Medialität aus, sie sind also keine Reflexiv-, sondern Medialverben (Mittelverben). Reflexivität – als ein Spezialfall der Transitivität – besteht dagegen zwischen sich-losen Prädikaten und ihren sich-Komplementen (sich als Akkusativ- oder Dativobjekt). Folglich gibt es keine Reflexivverben, d.  h. Prädikate, die Reflexivität ausdrücken würden. Terminologisch soll dieser Unterschied, das Ergebnis der nachfolgenden Überlegungen vorwegnehmend, wie folgt reflektiert werden: –– Das mitszenierende sich (= sich als Prädikatsteil) soll mediales sich oder Medial­ marker genannt werden. –– Das szenariokomplementierende sich (sich als Akkusativ- oder Dativobjekt) soll reflexives sich oder Reflexivmarker genannt werden. Dabei ist zu betonen, dass mit Hilfe dieser terminologischen Unterscheidung lediglich die unterschiedlichen semantischen Domänen – Medialität vs. Reflexivität – markiert

70 Man beachte auch den Unterschied: Jetzt hat sich die Witwe sofort wieder beruhigt vs. Jetzt hat mich/ihn/Peter die Witwe sofort wieder beruhigt: (sich als Prädikatsteil vs. mich/ihn/Peter als Akkusativobjekt).



Prädikat: statische Prädikate 

 335

werden sollen. Im Sinne der Funktion-Argument-Wert-Formel (Kap. I/2.4.1–4) geht es also nicht um zwei verschiedene Formen von sich, sondern um zwei verschiedene semantische Werte (medial vs. reflexiv) derselben grammatischen Form (sich):71 Medialität (sich) = mediales sich Reflexivität (sich) = reflexives sich In den ältesten indoeuropäischen Sprachen wie Altindisch oder Altgriechisch gab es neben Aktiv und Passiv ein drittes Verbalgenus, das Medium, „durch welches angegeben wurde, daß die Verbalhandlung innerhalb der Sphäre des Subjekts verläuft und in ihren Wirkungen auf das Subjekt zurückbezogen wird.“ (Dal 1962: 154) Das Medium, das ‚Mittelglied‘, stellt also eine Zwischenstufe dar zwischen dem typischen Aktivsatz, der ein Handlungssatz mit Agenssubjekt ist, und dem typischen Passivsatz, der ein Vorgangssatz ist (und daher kein Agenssubjekt enthalten darf), in dem aber im Hintergrund der ‚Drahtzieher‘, der Auslöser/Initiator des Vorgangs, aufschimmert:72 (56) (a) (b) (c)

Der Brenner beruhigt die Witwe. [Aktiv] Die Witwe beruhigt sich (*vom Brenner). [Medium] Die Witwe wird (vom Brenner) beruhigt. [Passiv]

In den germanischen Sprachen, in denen es kein Verbalgenus ‚Medium‘ gab, griff man, um mediale Bedeutungen auszudrücken, auf das Reflexivum zurück. Es ist sehr wahrscheinlich, dass man den Typ (56b) im Gotischen oder im Althochdeutschen noch reflexiv  – als rückbezügliche Handlung  – verstanden hätte. Mit etwas Mühe lässt sich diese ‚alte‘ Interpretation auch im Gegenwartsdeutschen (durch Koordination und Hervorhebungsakzent) erzwingen: (56) (d)

Der Brenner beruhigt SICH und die Witwe. ‚Der Brenner bewirkt durch etwas [z.  B. Singen], dass er und die Witwe ruhig werden‘

71 Dies ist eine Vereinfachung, bei der von der Prosodie mangels empirischer Untersuchungen abstrahiert wird. Dabei scheint die Prosodie das vorliegende Konzept zu unterstützen: Gast/Haas (2008: 316  ff.) unterscheiden ein klitisches und ein pronominales sich im Deutschen, die medial (inkl. reziprok) bzw. reflexiv funktionieren. Auch der kontrastiven (deutsch-englisch-französischen) Studie von Frühwirth (2003) ist zu entnehmen, dass unbetontes sich medial ist, während betontes sich oder sich+Intensifikator selbst reflexiv verwendet werden. 72 Wie im Kap. III/1.3.3 dargelegt, stellt das Medium im Deutschen – im Gegensatz zu Aktiv und Passiv  – keine grammatische Kategorie dar. Das indoeuropäische Medium lässt sich durch einen Aktivsatz mit einem Medialverb wiedergeben. Zur semantischen Rolle Vorgangsauslöser im (erweiterten) Passiv ebenfalls Kap. III/1.3.3.

Medium

336 

Szenario­ klassen: erste Annäherung

­Medialität und ­Reflexivität

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Die Medialisierung der historisch ursprünglichen reflexiven Lesart, also (56d) > (56b), lässt sich in zwei Schritten vorstellen (Welke 2005: 240): (a) Die Handlungskomponente der Bedeutung rückt zunehmend in den Hintergrund (Verblassen), bis sie (b) ganz verschwindet (Eliminierung). Was übrig bleibt, ist die mediale Vorgangsbedeutung. Wie erwähnt, Medialität und Reflexivität sind semantische Konzepte. Die Unterschiede zwischen ihnen liegen nicht in der ‚Welt‘, der sog. außersprachlichen Wirklichkeit, sondern in deren sprachlicher Perspektivierung (Konzeptualisierung). Außersprachliche Situationen lassen sich als sprachliche Szenarios perspektivieren, die sich zu sechs Szenarioklassen zusammenfassen lassen: Klassen- und Eigenschaftszuweisungen bzw. Handlungen, Tätigkeiten, Vorgänge und Zustände. Handlungen, Tätigkeiten, Vorgänge und Zustände werden üblicherweise Ereignisse im weiteren Sinne (= Eventualitäten) genannt (Maienborn 2016: 33). Entsprechend sollen Klassenund Eigenschaftszuweisungen Nichtereignisse genannt werden.73 Diese Klassifikation wird aus signifikativ-semantischer Perspektive noch zu verfeinern sein, Kap. III/2.1.4. Auf ‚Handlung‘, ‚Tätigkeit‘ und ‚Vorgang‘ wird weiter unten eingegangen (auch Kap. I/3.5 und Kap. III/1.3.3). Um die Szenariotypen der Medialität und Reflexivität zu verstehen, müssen sie auf die ebenfalls semantischen Nachbarkonzepte der Intransitivität und Transitivität bezogen werden. Zur Veranschaulichung ziehen wir zwei deutsche Szenarios, das Ruhig-sein- und das Beobachten-Szenario, heran:74 (57) (58)

Die Witwe ist ruhig. [intransitiv] Die Witwe beobachtet den Brenner. [transitiv]

Intransitive Szenarios verfügen nur über einen Partizipanten (A = Witwe), transitive dagegen typischerweise über zwei (A = Witwe; B = Brenner), die sich auf zwei unterschiedliche Referenten beziehen (A ≠ B).75 Weil A ≠ B, nenne ich den transitiven Szenariotyp fremdbezüglich. Demgegenüber ist der intransitive Szenariotyp per definitionem selbstbezüglich, denn er hat nur einen Partizipanten. Reflexivität und Medialität haben gemeinsam, dass sie ähnlich einem transitiven Szenario über zwei Partizipanten verfügen, dass sie jedoch abweichend von einem

73 Herkömmlicherweise nennt man in Anlehnung an Vendler 1957 Szenarios, die in der Zeit ablaufen, dynamisch, und Szenarios, die nicht in der Zeit ablaufen, statisch. Da jedoch in der vorliegenden Arbeit die Begriffe ‚Statik‘ und ‚Dynamik‘ in einem valenztheoretisch motivierten Sinne verwendet werden und in diesem Sinne eine zentrale Rolle spielen, sollen sie hier vermieden werden. 74 Zum Nachfolgenden s. die Ausführungen in Ágel 1997 und 2000: 145  ff., die auf der wegweisenden sprachtypologischen Untersuchung von Suzanne Kemmer (1993) basieren, und Welke 1997, 2005: 229  ff. und 2007: 234  ff. Aus sprachtypologischer Sicht sind Haspelmath 1987 und 1993 bzw. Kazenin 2001 besonders instruktiv. Zur formalgrammatischen Perspektive s. Steinbach 2002. 75 Wenn drei Partizipanten beteiligt sind (z.  B. Geben-Szenario), spricht man von Ditransitivität. Mit ‚typischer Transitivität‘ (z.  B. Beobachten-Szenario) meint man also eigentlich Monotransitivität.



Prädikat: statische Prädikate 

 337

transitiven Szenario die zwei Partizipanten referentiell zusammenfallen lassen, d.  h. rückbezüglich (A = B) sind. Rückbezüglichkeit (A = B), der gemeinsame Nenner von Reflexivität und Medialität, ist also zwischen Intransitivität (nur A) und Transitivität (A ≠ B) zu verorten.76 Was aber ist der Unterschied zwischen den beiden rückbezüglichen Sze­na­rio­ typen?77

Medialität vs. Reflexivität

(56b) Die Witwe beruhigt sich. [medial] (59) Die Witwe beobachtet sich. [reflexiv] Qua Reflexivität wird eine Situation so perspektiviert, als gäbe es tatsächlich zwei unterschiedliche Referenten, als wäre das sich eine Fremdperson (Rückbezug als Fremdbezug). Das als Beobachten konzeptualisierte Ereignis setzt das Konzept der Gerichtetheit der Sinne nach außen nach dem Motto »Weg vom Körper!« voraus. Folglich wird ein Sich-Beobachten konzeptualisiert, als würde sich die Aktivität der Sinnesorgane zuerst auf die Umwelt richten, um dann zu dem Beobachter-Subjekt zurückzukehren. Es handelt sich also um eine ‚echte‘ Rückbezüglichkeit, die den Weg ‚weg vom Körper, zurück zum Körper‘ über die Umwelt zurücklegt. Dagegen wird qua Medialität eine Situation so perspektiviert, als gäbe es nicht zwei Partizipanten, die referentiell zusammenfallen, sondern überhaupt nur einen einzigen Partizipanten.78 Dabei steht der Bezug auf den eigenen Körper (z.  B. SichStrecken), den eigenen ‚Geist‘ (Kognition) (z.  B. Sich-Überlegen) und die eigene ‚Psyche‘ (Emotion) (z.  B. Sich-Freuen) im Mittelpunkt (Rückbezug als Selbstbezug): „das Verb (zeigt) einen Prozeß an, dessen Sitz das Subjekt ist; das Subjekt befindet sich innerhalb des Prozesses.“ (Benveniste 1974: 194) Was das als Sich-Beruhigen konzeptualisierte Ereignis anbelangt, wird hier der Vorgang auf die eigene ‚Psyche‘ reduziert und die Umwelt dabei ausgeblendet: eine Art ‚unechte‘, da nur fingierte, Rückbezüglichkeit. Das Ergebnis der konzeptuellen Verortung von Medialität und Reflexivität ist demnach, dass Medialität näher an Intransitivität, Reflexivität dagegen näher an Transitivität liegt, anders gesagt: Medialität ist Quasi-Intransitivität, Reflexivität Quasi-Transitivität:

76 Zu den Transitivitätsparametern und einer skalaren Modellierung der (In-)Transitivität s. Hopper/ Thompson 1980. 77 Nachfolgendes nach Ágel 2000: 149. 78 „But the reflexive implies a conceptual differentiation of a referential entity into discrete conceptual subparts, whereas the middle is lacking in this differentiation.“ (Kemmer 1993: 72)

Reflexivität

Medialität

338 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Tab. 35: Der Szenarioraum zwischen Intransitivität und Transitivität79 Perspektive

selbstbezüglich (nur A)

rückbezüglich (A = B)

fremdbezüglich (A ≠ B)

Rückbezug als Selbstbezug (A = B als gäbe es nur A)

Rückbezug als Fremdbezug (A = B als wäre A ≠ B)

Szenariotyp

intransitiv

medial

reflexiv

transitiv

Beispiel

Die Witwe ist ruhig

Die Witwe beruhigt sich

Die Witwe ­beobachtet sich

Die Witwe beruhigt / beobachtet den Brenner

Ich betrachte die vier Szenariotypen, wie sie sich ausgehend von Kemmer 1993 beschreiben ließen, als übereinzelsprachliche Konzepte genau in dem Sinne wie z.  B. ‚Verb‘, ‚Subjekt‘ oder ‚Modalität‘ übereinzelsprachliche Konzepte sind.80 Die Aufgabe, die der Autor einer einzelsprachlichen Arbeit hat, besteht demnach darin, die einzelsprach­ lichen Realisierungen dieser übereinzelsprachlichen Konzepte zu beschreiben.81 Der Weg von den übereinzelsprachlichen semantischen Konzepten der Media­ lität, Reflexivität und (In-)Transitivität zu den deutschen sich-Verben soll in vier Etappen zurückgelegt werden: (1) Zuerst sollen die von Kemmer (1993) (übereinzelsprachlich) identifizierten medialen Verbklassen und zwei weitere Typen von medialen Verben und Konstruktionen präsentiert werden. Diese helfen einem, mediale Verben in einer Einzelsprache semantisch zu identifizieren. (2) Anschließend werden die wichtigsten syntaktischen Tests zur Unterscheidung von medialem und reflexivem sich vorzustellen sein. Diese helfen einem, mediale Verben in einer Einzelsprache syntaktisch zu identifizieren. (3) Danach sollen die medialen und die reflexiven sich-Vorkommen klassifiziert werden. (4) Schließlich soll auf den (aus deutscher Sicht) größten Problemfall der medialreflexiven Unterscheidung, die Verben der Körperpflege, eingegangen werden. Das Problem ergibt sich daraus, dass die übereinzelsprachlichen semantischen

79 Den Terminus ‚Szenarioraum‘ habe ich in Anlehnung an den Terminus „event space“ von Kemmer (1993: 73) gebildet. Das hier vorgestellte Konzept von Selbst- vs. Fremdbezüglichkeit ließe sich wohl auch auf das directedness-Konzept von Andreas Frühwirth (2003: 95  ff.) abbilden. 80 Zur Unterscheidung von Außersprachlichkeit, Außereinzelsprachlichkeit und Übereinzelsprachlichkeit s. Heger 1981. 81 Vergleichbar argumentiert Christian Lehmann (1992) in Bezug auf Prädikatsklassen und deren einzelsprachliche Realisierungen.



Prädikat: statische Prädikate 

 339

Konzepte der Medialität, Reflexivität und (In-)Transitivität in keiner einzelsprachlichen Grammatik 1:1 umgesetzt werden (können). M. a. W., übereinzelsprachliches semantisches Konzept und einzelsprachliche syntaktische Diagnostik geraten in Einzelfällen in Konflikt. Kemmer (1993: 16  ff.) identifiziert sprachenübergreifend folgende mediale Verbklassen (ergänzt durch die Klasse Nr. 2 nach Zifonun 2003: 109):82 1. Körperpflege (grooming/body care): sich rasieren/waschen/kämmen/an-/auszie­ hen; 2. Körperfunktion: sich räuspern/schneuzen/übergeben; 3. Körperbewegung ohne Ortsveränderung (nontranslational motion): sich stre­ cken/recken/ausruhen; 4. Körperbewegung mit Ortsveränderung (translational motion): sich beeilen/ ver­ kriechen/verstecken/begeben/aufmachen; 5. Änderung der Körperhaltung (change in body posture): sich /hinlegen/(hin-) setzen/ erheben; 6. Pseudo-Symmetrie (naturally reciprocal event): sich verabreden/einigen/prügeln/ streiten/treffen/unterscheiden; 7. Kognition (cognition middle): sich überlegen/bedenken/erinnern/vorstellen; 8. Emotion (emotion middle): sich beklagen/ärgern/fürchten. Hinzu gekommen sind durch Metaphorisierungsprozesse zwei Typen von Medialverben und –konstruktionen (Kap. III./2.2.3): 9. endoaktive Verben (Antikausativa) wie z.  B.83 [13] Jetzt aber (Medial- öffnet sich verb) das Tor zum Gefängnishof, […]. (60) In der Wirklichkeit zeigt sich: Eine Zukunft voller autonomer Geräte verlangt nach neuen Regeln. (DIE ZEIT, 19. 01. 2012) (61) […] und wenn man schließlich drauf eingeht, zeigt sich, daß Hanna es gar nicht ernst meint. (Frisch Homo: 177) [43] Die Freiheiten, die sich aus solchem Erzählen ergeben, (Simp- hat lex-) Siegfried Lenz weidlich und mit offenkundigem Vergnügen (ve- genutzt rb).

82 Die deutschen Beispiele nach Ágel 2000: 150 und Zifonun 2003: 109. 83 In [43] kommt das Medialverb (sich ergeben) in einem Attributnebensatz vor. Zur Endo- und Exoaktivität Kap. III/1.3.3 und weiter unten.

mediale Verbklassen

340 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

10. Medialkonstruktionen wie z.  B. Nun, Ihre E-Mails lesen sich wie ‚heruntergesprudelt‘, wenn ich mir diese Einschätzung erlauben darf. (Glattauer Nordwind: 10) (63) Hier wohnt sich’s altertümlicher und heimlicher als in den belebten Straßen am südlichen Tiergartenrand. (Hessel: Ein Flaneur in Berlin, zit. n. Steinbach 2002: 23) (62)

Diagnostik

Über die Diagnose-Verfahren (Tests) zur Unterscheidung von sich als Prädikatsteil und sich als Objekt ist man sich im Wesentlichen einig (s. etwa Helbig/Buscha 2001: 187  f. und Kunze 1997: 88  ff.). Die wichtigsten Tests (= T) sind: –– T1: Erfragbarkeit: Kann sich erfragt und allein als Antwort gebraucht werden? –– T2: Koordinierbarkeit: Kann sich mit einer Nominalgruppe in Objektfunktion koordiniert werden? –– T3: Ersetzbarkeit (Substituierbarkeit, Kommutierbarkeit): Kann sich durch eine Nominalgruppe in Objektfunktion ersetzt werden, ohne dass sich dabei die Bedeutung des Verbs und der restlichen Komplemente verändert (Kriterium der Bedeutungsstabilität)? Ein sich, das erfragbar, koordinierbar und ersetzbar ist, ist ein Objekt. Wenn dagegen T1, T2 und T3 negativ ausfallen, handelt es sich um ein sich als Prädikatsteil. Die Anwendung dieser Diagnostik auf die Einführungsbelege ergibt folgendes Bild:84 (56) Jetzt hat sich die Witwe sofort wieder beruhigt. (Haas Silentium: 80) → T1: ??Wen hat die Witwe beruhigt? Sich. → T2: ??Die Witwe hat sich und seine Freundin beruhigt. → T3: ??Die Witwe hat seine Freundin beruhigt.85 [33] der Zellennachbar (Parti- hängt kel-) sich (ve- auf rb), […]. → T1: Wen hängt der Zellennachbar auf? Sich. → T2: Der Zellennachbar hängt sich und seine Ratte auf. → T3: Der Zellennachbar hängt seine Ratte auf.

84 Über [33] lässt sich sicherlich streiten. Wenn man der Auffassung ist, dass von transitivem aufhän­ gen (z.  B. den Mörder aufhängen) zu sich aufhängen eine Bedeutungsverschiebung stattgefunden hat, dann ist sich aufhängen als Medialverb zu interpretieren. 85 Hier ist nicht der Satz an und für sich fragwürdig, sondern die Validität der Ersatzprobe. Das sich des Originalbelegs und seine Freundin von T3 bilden nämlich keine Distributionsklasse: Der Prädikatsbestandteil wird durch ein Akkusativobjekt ersetzt.



Prädikat: statische Prädikate 

 341

In der Fachliteratur gibt es zahlreiche gute  – mehr oder weniger komplexe  – Klassifikationen der sich-Vorkommen.86 In der nachfolgenden Klassifikation wird sich keiner der vorhandenen Einteilungen angeschlossen, sondern die Verben werden nach ihrem elementaren Beitrag zur semantischen Grundstruktur des Satzes subklassifiziert. Im Leittext gibt es – teils in Haupt-, teils in Nebensätzen – eine Reihe von sichVorkommen, die durch Belege aus anderen Texten ergänzt werden:87 [die Insassen] (Medial- empfehlen sich verb) mit ihren Sangeskünsten, die sie als braver Gefangenenchor in Isenbüttel trainiert haben. [28] manchmal (Simplex- geschieht verb) etwas im Leben, mit dem man sich abfinden muss«. [29] Genau das (Simplex- tun verb) die Männer nun aber gar nicht, sie (Med- finden sich ial-) überhaupt nicht (ve- ab rb), […]. [53] [er] (Medial- trifft sich verb) damit auf überraschende Weise mit dem Autor der Leute von Seldwyla, an die man beim Lesen dieser Novelle sowieso schon zurückgedacht hat. (64) Schließlich räusperte er sich verhalten. (Hein Freund: 20) (65) Es gelang ihm nicht, sich zu entspannen, locker auszustrecken […]. (Lenz Deutschstunde: 83) (66) […] dann erst kam er herein, setzte sich, wie er war, an den Küchentisch, und legte beide Hände übereinander. […] Seine Augenbrauen bewegten sich. (Lenz Deutschstunde: 88) (67) [Klaas] schleppte sich zum Lager und ließ sich fallen. (Lenz Deutschstunde: 83) (68) Wann ist er ausgebrochen? fragte meine Mutter. Gestern, sagte er, gestern abend, und damit hat er sich alles versaut: ich hab mich erkundigt. (Lenz Deutschstunde: 88) (69) Wenn er uns allen überlegen ist, dann hätte er sich doch ausrechnen können, wozu das alles führt, was er gemacht hat, hätte er doch. (Lenz Deutschstunde: 89) (70) Er suchte nach einem Knopf, […] schneuzte sich und nahm sich auch noch die Zeit, nachdenklich in sein Taschentuch zu gucken […]. (Lenz Deutschstunde: 90) [24]

86 Weniger komplexe Klassifikationen sind z.  B. Helbig/Buscha 2001: 187  ff., Duden 2005: 405  ff. und Oya 2010, komplexere Kunze 1997, Ágel 1997: 181  ff. und Zifonun 2003. 87 In Nebensätzen geht es natürlich nicht mehr um Mesoglieder, sondern um als Mikroglieder recycelte Mesoglieder, d.  h. um Mesoglieder x-ten Grades (Kap. I/2.5). Beispielsweise stellt das jeweilige sich-Verb in den Leittext-Belegen [28] und [43] (s. oben) ein recyceltes Prädikat (zweiten Grades) dar.

Klassifikation

­mediales sich: ­Klassifikation

342 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Und er hat fast ein bißchen das Gefühl gehabt, daß der René schneller begreift, als der Brenner sich seine Erklärungen zurechtlegt. (Haas Silentium: 103) (72) Ihm ist aufgefallen, daß sein Hemd vollkommen durchgeschwitzt war, und er hat sich gefragt, ob er so überhaupt beim Dr. Prader klingeln kann. (Haas Silentium: 94) (73) Er hat sich gefragt, warum das Skelett da draußen ausgerechnet Oswald heißt. (Haas Silentium: 163) (74) Er hat sich ächzend mit einer Serviette nach dem Röllchen gebückt […]. (Haas Silentium: 114) (75) Denn manchmal erwartet sich der Kunde im Urlaub Ruhe und Frieden […]. (Reisen 6/1997, zit. n. Ziegler 2010: 72) (76) Auf dem weißen Rund meiner Trommel läßt sich schlecht experimentieren. (Grass: Blechtrommel, zit. n. Szatmári 2004: 119) (71)

Tab. 36: Klassifikation der Medialverben mediales sich (sich im Prädikat) (1) pseudo-exoaktives Medialverb (Medialverb im engeren Sinne): (1a) direkt (= sichAkkusativ): X beruhigt sich X entspannt sich X streckt sich aus X setzt sich X lässt sich fallen X schleppt sich X bückt sich X räuspert sich X schneuzt sich X erkundigt sich X fragt sich X findet sich mit Y ab (1b) indirekt (= sichDativ): X rechnet sich Y aus X versaut sich Y X legt sich Y zurecht X erwartet sich Y [österreichische Standardvarietät, s. unten] (2) endoaktives Medialverb (und Medialverb-Konstruktion): X öffnet sich X bewegt sich X ergibt sich aus Y X zeigt sich



Prädikat: statische Prädikate 

 343

mediales sich (sich im Prädikat) (3) pseudo-symmetrisches Medialverb: X empfiehlt sich mit Y X trifft sich mit Y (4) Medialkonstruktion: X liest sich + (typischerweise) Modaladverbial Es wohnt sich + (typischerweise) Modaladverbial (Es) lässt sich + Infinitiv

Subklasse (4) wurde nur der Übersicht halber in die Klassifikation aufgenommen, denn es handelt sich um dynamische Prädikate (Konstruktionen), die entsprechend im Kap. III./2.2.3 behandelt werden. Subklasse (2) enthält sowohl statische als auch dynamische Prädikate (Verben vs. Konstruktionen), weshalb auf sie im vorliegenden Kapitel eingegangen wird. In zahlreichen Sprachen gibt es intransitiv-transitive Verbpaare derart, dass zwischen der intransitiven und der transitiven Variante des jeweiligen Paares ein regelhaftes syntaktisch-semantisches Verhältnis (= Alternation) besteht: Deutsch: (77) (a) Der Schnee schmilzt. (b) Die Sonne schmilzt den Schnee. (78) (a) Das Rad drehte sich. (b) Sie drehte das Rad. Englisch: (79) (a) The door opened. (b) She opened the door. Französisch: (80) (a) La roue tourne. ‚Das Rad dreht sich‘ [wörtlich: ‚Das Rad dreht‘] (b) Le moteur tourne la roue. ‚Der Motor dreht das Rad‘ (81) (a) La porte s’ouvre. ‚Die Tür öffnet sich‘ (b) Le portier ouvre la porte. ‚Der Pförtner öffnet die Tür‘ Russisch: (82) (a) Palka slomalas. ‚Der Stab zerbrach‘ (b) Devuška slomala palku. ‚Das Mädchen zerbrach den Stab‘

Exo- vs. ­Endoaktivität

344 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Syntaktisch gesehen sind, wie erwähnt, die a-Varianten intransitiv und die b-Varianten transitiv. Semantisch gesehen hat die jeweilige a-Variante eine endoaktive und die jeweilige b-Variante eine exoaktive Lesart: Typ a = intransitiv und endoaktiv: Y schmilzt/dreht sich usw. ‚Der Zustand von Y verändert sich (ohne ‚eingeblendete‘ äußere Einwirkung)‘ Typ b = transitiv und exoaktiv: X schmilzt/dreht Y usw. ‚X verändert den Zustand von Y‘

endoaktive und pseudoexoaktive Medialverben

Wie im Kap. III/1.3.3 ausgeführt, wird in ‚endoaktiver‘ Perspektive eine Zustandsveränderung sprachlich als ein Geschehen wiedergegeben, ohne dass die äußere Einwirkung eingeblendet würde. Umgekehrt heißt ‚exoaktiv‘, dass eine Zustandsveränderung als äußere Einwirkung, als die Einwirkung einer externen Kraft (eines ‚Verursachers‘/‚Auslösers‘/‚Initiators‘) dargestellt wird. Die endoaktiven Varianten kommen je nach Sprache nur mit Medialmarker (Russisch –s(ja)), nur ohne Medialmarker (Englisch) oder sowohl mit als auch ohne Medialmarker (Deutsch +/-sich; Französisch +/-s(e)) vor. Endoaktive Verben ohne Medialmarker (wie dt. schmelzen) werden labile Verben, endoaktive Verbvarianten mit Medialmarker (wie dt. sich drehen) Antikausativa genannt.88 Die Antikausativa stellen die Subklasse (2) dar.89 Soweit bei diesen die oben beschriebene reguläre semantische Beziehung zu der transitiven (exoaktiven) Variante besteht, handelt es sich um dynamische Prädikate ((antikausative) Medialverb-Konstruktionen): (66) (a) Seine Augenbrauen bewegten sich. (b) Er bewegte seine Augenbrauen. (81’) (a) Das Tor öffnet sich. Der Pförtner öffnet das Tor. (b)

88 Die unterschiedlichen formalen Typen von endoaktiv-exoaktiven Verbpaaren werden in der Sprachtypologie rezessiv(/inchoativ)-kausative Alternationen genannt. Zur Theorie rezessiv-kausativer Alternationen und zur Klassifikation der rezessiv-kausativen Verbpaare s. Haspelmath 1987 und 1993 bzw. Ágel 2007. 89 Die labilen Verben, die ja ohne sich gebildet werden, werden im Folgenden ausgeklammert. Zu labilen Verben im Deutschen s. Ágel 2007.



Prädikat: statische Prädikate 

 345

Wenn dagegen das Antikausativum semantisch isoliert ist, wenn es also keine reguläre semantische Beziehung zu der transitiven (exoaktiven) Variante gibt, handelt es sich um statische Prädikate ((antikausative) Medialverben):90 [43] (a) (b) (60) (a)

Die Freiheiten ergeben sich aus solchem Erzählen. ??Siegfried Lenz ergibt die Freiheiten aus solchem Erzählen.

In der Wirklichkeit zeigt sich: Eine Zukunft voller autonomer Geräte verlangt nach neuen Regeln. (b) ??Man zeigt in der Wirklichkeit: Eine Zukunft voller autonomer Geräte verlangt nach neuen Regeln. Subklasse (2) perspektiviert Ereignisse als endoaktive Vorgänge. Ihre engste Verwandte und sprachhistorische Vorläuferin ist Subklasse (1), die Ereignisse als pseudoexoaktive Tätigkeiten oder Vorgänge perspektiviert.91 Der Unterschied soll an zwei Beispielpaaren von Haspelmath (1987: 29) verdeutlicht werden: (83) (84) vs. (85) (86)

Die Spielerinnen verteilten sich über das Feld. Der Zirkusaffe drehte sich dreimal im Kreise. Die Radioaktivität verteilte sich über Europa. Der Kreisel drehte sich drei Minuten.

Während Sachsubjekte (Radioaktivität, Kreisel) eine endoaktive Interpretation erzwingen, könnte man sich bei belebten Subjekten (Spielerinnen, Zirkusaffe) theoretisch eine (reflexiv) exoaktive Interpretation vorstellen, d.  h. Rückbezug als Paraphrase des Fremdbezugs: (83) (84)

= ‚Die Spielerinnen verteilten die Spielerinnen über das Feld‘ = ‚Der Zirkusaffe drehte den Zirkusaffen dreimal im Kreise‘

Eine solche Interpretation wäre eine Handlung, d.  h. ein Tun, durch das etwas bewirkt/ verursacht wird (Welke 2007: 186). Gemeint ist allerdings mit den Sätzen (83) und (84) keine Handlung, sondern ein ‚bloßes‘ Tun, ohne etwas bei sich selbst bewirken zu wollen, d.  h. eine Tätigkeit (Welke 2007: 187  f.).

90 Mit ‚lexikalisch isoliert‘ soll zum Ausdruck gebracht werden, dass nicht jedes einzelne antikausative Verb die Lexikalisierung einer antikausativen Konstruktion darstellt. Die (analogische) Bildung von antikausativen Verben ist sehr produktiv (Welke 2005: 234). Verben sind also nicht automatisch und notwendig lexikalisierte Konstruktionen. 91 Haspelmath (1987: 27  ff.) nennt den Typ „endoreflexive“, Welke (2005: 239) „medioaktiv“. Beide sehen den Typus als die (semantische, grammatikalisierungstheoretische und historische) Brücke zwischen reflexivem und endoaktivem (antikausativem) Gebrauch an.

346 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Wenn von einer potenziellen Handlungsinterpretation nicht einmal ein ‚bloßes‘ Tun übrigbleibt, sondern nur eine einfache (körperliche, emotionale oder kognitive) Zustandsveränderung, liegt ein Vorgang (Welke 2007: 187) vor. Mediale Vorgangsverben der Subklasse (1) lassen sich ebenfalls am besten vor dem Hintergrund einer theoretisch denkbaren reflexiven Handlungsinterpretation beschreiben. Den Unterschied zwischen reflexiver und medialer Interpretation bringt Klaus Welke anhand der Gegenüberstellung von Vorgangssätzen (a-Sätze) mit Handlungssätzen (b-Sätze) mit demselben Verb auf den Punkt: (87) (a) Emil beruhigt sich. (b) Emil beruhigt Anna. (88) (a) Emil ärgert sich. (b) Emil ärgert Anna. In einem Satz wie (87a) wird normalerweise nicht mitgeteilt, dass Emil so etwas tut, wie sich selbst gut zuzureden oder bis drei zu zählen, womit er die Handlung des Beruhigens von jemandem und in diesem Fall von sich selbst ausführt. Es wird vielmehr nur mitgeteilt, dass in ihm der Vorgang des Sich-Beruhigens vonstatten geht. […] Dasselbe gilt für sich ärgern […]. Auch hier handelt es sich um ein mediales Verb. Wenn Emil sich ärgert, steht er nicht vor dem Spiegel und streckt sich die Zunge heraus, damit er sich über diese Handlung ärgert, so wie er der Anna die Zunge rausstrecken kann, um diese zu ärgern. (Welke 2007: 236)

Eine Handlungsinterpretation wäre also sowohl hier als auch bei den Sätzen (83) und (84) theoretisch zwar denkbar, interpretiert werden jedoch die Sätze als Tätigkeitsoder Vorgangssätze. Deshalb nenne ich die Verben von Subklasse (1) pseudo-exoaktiv. So wie bei Subklasse (2) gibt es auch bei Subklasse (1) lexikalisch isolierte Verben, die kein gleichlautendes Handlungsverb-Pendant haben wie sich räuspern und sich erkundigen. Auch solche Verben werden analogisch als pseudo-exoaktive Medialverben interpretiert. Die Grenze zwischen Medialverben mit Handlungsverb-Pendant (wie sich beru­ higen/ärgern) und lexikalisch isolierten Medialverben (wie sich räuspern/erkundigen) ist allerdings nicht scharf. Die Zwischenstufe bilden lexikalisierte, jedoch lexikalisch nicht isolierte Medialverben: (72) (a) Ihm ist aufgefallen, daß sein Hemd vollkommen durchgeschwitzt war, und er hat sich gefragt, ob er so überhaupt beim Dr. Prader klingeln kann. (Haas Silentium: 94) (b) Ihm ist aufgefallen, daß sein Hemd vollkommen durchgeschwitzt war, und er hat René gefragt, ob er so überhaupt beim Dr. Prader klingeln kann.



Prädikat: statische Prädikate 

 347

(73) (a) Er hat sich gefragt, warum das Skelett da draußen ausgerechnet Oswald heißt. (Haas Silentium: 163) (b) Er hat René gefragt, warum das Skelett da draußen ausgerechnet Oswald heißt. Das Handlungsverb fragen ist ein Sprechaktverb. Mit dem Medialverb sich fragen drückt man jedoch nicht einen rückbezüglichen Frageakt aus, sondern eine kognitive Tätigkeit (sich überlegen, nachdenken). Die semantische Beziehung zwischen Handlungsverb und Tätigkeitsverb ist aber transparent und nachvollziehbar. „Wenn eine Relation R immer, wenn sie zwischen x und y gilt, auch zwischen y und x, also in umgekehrter Richtung, gilt, wird die Relation symmetrisch genannt.“ (Allwood/Andersson/Dahl 1973: 57) Im Sinne dieser logischen Symmetrie-Definition sind Verben wie grenzen an oder ähneln symmetrisch:

Symmetrie, Asymmetrie und Reziprozität

(89) Mike (6 Wochen alt) ähnelt aber dem Vater sehr. (a) ?Der Vater ähnelt aber dem Mike sehr. (b) (Beispiele nach Welke 1994: 16) (90) (a) Kasachstan grenzt (im Osten) an China. (b) China grenzt (im Westen) an Kasachstan. Allerdings gilt die Symmetrie nur logisch. In der sprachlichen Perspektivierung gibt es immer eine Asymmetrie zwischen x und y, die sich aus den unterschiedlichen Satzgliedwerten von x und y ergibt: Entweder x ist Subjekt oder y, es kann aber eben keine zwei Subjekte im selben Satz geben, was die grammatische Voraussetzung für sprachlich kodierte Symmetrie wäre: Die logische Symmetrie wird grammatisch – und somit auch semantisch – asymmetrisch, weil sie durch die Asymmetrie der beteiligten Satzglieder überformt wird.92 Deshalb ist selbst eine scheinbar perfekt symmetrische Relation wie das Grenzen-an-Szenario grammatisch (und semantisch) asymmetrisch.93 Die einzige Möglichkeit, sprachlich an eine nahezu perfekte Symmetrie heranzukommen, ist, x und y gemeinsam (durch Koordination) zum Subjekt zu machen, d.  h. eine reziproke Relation herzustellen.

92 Vgl. hierzu das Konzept der logisch-pragmatischen Rollen von Welke (2005: 103  ff.) und das kogni­ tiv-semantische Subjektkonzept in Ágel 1997. 93 Die Probe mit dem relationalen Lokaladverbial im Osten zeigt, dass das Subjekt der ‚stärkere‘ Satzgliedwert, die deiktische Origo für das Adverbial ist. Deshalb musste beim Subjektwechsel das Adverbial im Osten durch im Westen ersetzt werden. Die Asymmetrie ist noch augenfälliger beim ÄhnelnSzenario, das von kulturellen und sozialen Hierarchievorstellungen geprägt ist.

Grammatik vs. Logik

348 

(89c) (90c)

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Mike und sein Vater jekt) ähneln sich/einander sehr. Kasachstan und China jekt) grenzen aneinander. (Sub(Sub-

Die Verben, die den reziproken Gebrauch erlauben, müssen allerdings keinesfalls logisch symmetrisch sein, ganz im Gegenteil: Grammatische Symmetrie wird in der Regel auf der Basis von logisch asymmetrischen, grammatisch transitiven Verben mit belebtem Subjekt und Objekt hergestellt: (91) (a) Peter mag Petra. (b) Petra mag Peter. (c) Petra und Peter mögen sich/einander. Dabei ist die Subjektposition nicht auf Zweiermengen (x und y) beschränkt:94 (91d) (89d)

pseudosymmetrische Medialverben

Die Lehrerinnen jekt) mögen sich/einander. Familienmitglieder jekt) ähneln sich/einander sehr. (Sub(Sub-

Das reziprok gebrauchte sich ist erfragbar, koordinierbar und ersetzbar, ist also ein Reflexivmarker in Objektfunktion. Die Verben, die reziprok verwendet werden, sind keine Medialverben. Das Besondere am reziproken Gebrauch des Reflexivmarkers ist, dass für Verben, die logisch asymmetrisch sind, Reziprozität die einzige Technik ist, grammatische Symmetrie herzustellen. Nun gibt es auch den umgekehrten Fall, der für uns viel interessanter ist, da es sich hier um Medialverben und folglich um Prädikatsbildung handelt. Wir vergleichen das logisch asymmetrische (transitive) Verb begrüßen mit dem Medialverb sich verabreden (Beispiele und Tests in Anlehnung an Kunze 1997: 104 und 113): (92) → → → (93) → → →

Karl und Hans begrüßen sich/einander. Karl begrüßt Hans & Hans begrüßt Karl *Karl begrüßt sich & *Hans begrüßt sich *Karl begrüßt sich mit Hans & *Hans begrüßt sich mit Karl Karl und Hans verabreden sich/*einander (miteinander/mit jemand anderem). *Karl verabredet Hans & *Hans verabredet Karl Karl verabredet sich (mit Hans/jemand anderem) & Hans verabredet sich (mit Karl/jemand anderem) Karl verabredet sich mit Hans & Hans verabredet sich mit Karl

94 Dies eröffnet einen gewissen Interpretationsspielraum: Ob in (91d) auf alle Paare aus der Menge der Lehrerinnen zutrifft, dass sie sich mögen, bleibt offen. Das Gleiche gilt für (89d).



Prädikat: statische Prädikate 

 349

Wie man sieht, ist sich verabreden zwar ein logisch symmetrisches, jedoch ein gram­ matisch asymmetrisches Verb:95 Singularisches Subjekt und Nichtrealisierung der y-Stelle sind normal (X verabredet sich), und wenn die y-Stelle nicht (als Präpositionalobjekt) realisiert wird, ist es überhaupt nicht klar, mit wem sich X verabredet. Weil Verben wie sich verabreden logisch symmetrisch, jedoch grammatisch asymmetrisch sind, nenne ich sie pseudo-symmetrische Medialverben.96 Pseudo-symmetrische Medialverben verfügen über zwei grammatische Merkmale (= M), die sie von reziprok gebrauchten transitiven Verben deutlich unterscheiden: –– M1: Subjekt kann im Singular stehen. –– M2: Die y-Stelle kann jederzeit als Präpositionalobjekt  – im Standardfall als Präpositionalmit+DAT-objekt – realisiert werden.97 Wenn das Subjekt im Plural steht und wenn die y-Stelle nicht realisiert ist, sind u.  U. sowohl eine reziproke als auch eine pseudo-symmetrische Interpretation möglich:98 (94) Die Fans prügeln sich (= einander) / sich (mit den Polizisten). (in Anlehnung an Kunze 1997: 112) (95) Petra und Peter treffen sich (= einander) / sich (miteinander/mit jemand anders). Beispiele für pseudo-symmetrische Medialverben sind die beiden Leittext-Belege mit lexikalisierten sich-Verwendungen: [die Insassen] (Medial- empfehlen sich verb) mit ihren Sangeskünsten, die sie als braver Gefangenenchor in Isenbüttel trainiert haben. → ??Die Insassen und ihre Sangeskünste, die sie als braver Gefangenenchor in Isenbüttel trainiert haben, empfehlen sich. [53] [er] (Medial- trifft sich verb) damit auf überraschende Weise mit dem Autor der Leute von Seldwyla, an die man beim Lesen dieser Novelle sowieso schon zurückgedacht hat. [24]

95 Jürgen Kunze (1997: 111) spricht von „abgeleitet symmetrischen Prädikaten“, um die sich-Verben von „primär symmetrischen“ Prädikaten (ohne sich) wie ähneln, gleichen, korrespondieren, verbinden usw. zu unterscheiden. 96 Nach Dowty (1991: 584) soll Charles Fillmore bereits 1966 solche Verben „verbs of partially symmetric human interaction“ genannt haben. Allerdings findet sich bei Fillmore weder dieser (oder ein vergleichbarer) Terminus, noch wird in Fillmore 1966 diese Verbklasse behandelt. Kunze (1997: 111  ff.), der den logischen Symmetriebegriff in den Vordergrund stellt, spricht bei diesen Verben von „symmetrischer Reflexivität“. 97 Ein Nichtstandardfall wäre das Verb sich unterscheiden, das ein Präpositionalvon+DAT-objekt verlangt. 98 Wenn sich die Fans gegenseitig prügeln, handelt es sich um das reziprok gebrauchte transitive Verb prügeln, andernfalls um das pseudo-symmetrische Medialverb sich prügeln, analog bei treffen/ sich treffen.

Merkmale von pseudosymmetrischen Medialverben

350 



indirekte Medial­verben

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

??Siegfried Lenz und der Autor der Leute von Seldwyla, an die man beim Lesen dieser Novelle sowieso schon zurückgedacht hat, treffen sich damit auf überraschende Weise.

Der Prototyp von Medialverben sind die direkten Medialverben, d.  h. die Medialverben mit sichAkkusativ. Bisher haben wir uns nur um diese Verben gekümmert, und auch die obige Klassifikation orientiert sich an den direkten Medialverben. Diese heute intran­ sitiven Verben sind, wenn sie nicht analogisch (‚lexikalisch isoliert‘) gebildet wurden, durch Medialisierung der reflexiven Verwendung von monotransitiven Verben, d.  h. von Verben mit reflexiv verwendetem Akkusativobjekt, entstanden. Erinnert sei an das Beispiel sich beruhigen. Medialisierung als semantischer Prozess geht also syntaktisch mit Transitivitätsreduktion als syntaktischem Prozess einher. Diese Prozesse wiederholen sich auf einer höheren Transitivitätsstufe bei indirekten Medialverben (z.  B. sich (etw.) zurechtlegen): (71)

Und er hat fast ein bißchen das Gefühl gehabt, daß der René schneller begreift, als der Brenner sich seine Erklärungen zurechtlegt. (Haas Silentium: 103)

Solche heute monotransitiven Verben sind, wenn sie nicht analogisch gebildet wurden, durch Medialisierung der reflexiven Verwendung von ditransitiven Verben, d.  h. von Verben mit Akkusativobjekt und reflexiv verwendetem Dativobjekt, entstanden. Auch hier geht also Medialisierung als semantischer Prozess syntaktisch mit Transitivitätsreduktion als syntaktischem Prozess einher. Der schematische Vergleich von direkten und indirekten Medialverben ergibt folgendes Bild: Tab. 37: Direkte und indirekte Medialverben Medialverb

Semantik

direkt indirekt

medialisierte Reflexivität

Syntax Transitivitätsreduktion:

monotransitiv > intransitiv ditransitiv > monotransitiv



Prädikat: statische Prädikate 

 351

[8] Hannes zum Beispiel (Prä- hatte fix-) sich eine Polizeikelle (ve- besorgt rb) […] und [Hannes (Par- hatte ti-)] den Verschreckten ein Bußgeld (kel- abgeknöpft verb). [11] (gespalte- Das war nes) er auch, (Subjektsprädikativ- für Literatur sogar, Spezialgebiet Sturm und Drang gefüge), bis aufflog, dass er sich selbst zu oft als Stürmer und Bedränger gefallen und die hübschesten und schlechtesten Studentinnen mit Höchstlob durchs Examen geschleust hatte. [18] Nachdem es schon die längste Zeit versteckte Zeichen und Verabredungen gegeben hat, (Simplex- nimmt verb) Hannes seinen Professor und [Hannes] (Simplex- führt verb) ihn zum Landesbühnen-Bus, in dem es sich bereits ein gutes Dutzend der sogenannten Insassen halbwegs bequem gemacht hat. [33] der Zellennachbar (Parti- hängt kel-) sich (ve- auf rb), […]. [44] ehe jetzt jemand etwas von Abgeklärtheit und womöglich gar Altersweisheit erzählt, (nicht-epistemischer darf gesagt werden Modalkomplex), dass sich der Autor hier in erster Linie einen ordentlichen Spaß erlaubt hat […]. (96) Im Waschraum hat sogar die Mutter Oberin einen kleinen Frisierspiegel zugelassen, in dem der Brenner sich jetzt nach einer Woche fast nicht wiedererkannt hätte. (Haas Silentium: 163) (97) Weil er hat sich derart in die Oberlippe geschnitten, die Mutter Oberin einen kleinen Frisierspiegel zugelassen, in dem der Brenner sich jetzt nach einer Woche fast nicht wiedererkannt hätte. (Haas Silentium: 164) (98) […] er hat sich verstümmelt, […]. (Lenz Deutschstunde: 89) (99) Er betupfte sich mit den Fingerspitzen seine Augäpfel. (Lenz Deutschstunde: 110) (55) [Mein Vater] […] begann sich, in leichter Grätschstellung, über dem Ausguß einzuseifen, wobei er mich im Auge behielt. (Lenz Deutschstunde: 89) (100) Dann hob er das Rasiermesser […] und spitzte die Lippen wie zu einem Dauerpfiff, während ich zerstreut meine Haferflocken aß und viel Zeit verlöffelte, jedenfalls so lange den grauweißen Pamps löffelte, bis mein Vater sich rasiert hatte. (Lenz Deutschstunde: 89) (101) Da hat er sich niedergesoffen […]. (Haas Silentium: 161) Klassifiziert werden die reflexiven sich-Vorkommen nur der Vollständigkeit halber, denn die Reflexivmarker stellen ja Objekte und keine Prädikatsteile dar:

­reflexives sich: ­Klassifikation

352 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Tab. 38: Klassifikation der reflexiven sich-Vorkommen reflexives sich (sich als Objekt) (1) reflexive Verwendung im engeren Sinne: (1b) direkt (= sichAkkusativ) = Akkusativobjekt: X hängt sich auf X erkennt sich wieder X verstümmelt sich X seift sich ein X rasiert sich (2b) indirekt (= sichDativ) = Dativobjekt: X besorgt sich Y X erlaubt sich Y X gefällt sich X schneidet sich Y X betupft sich Y X macht es sich bequem (2) reziproke Verwendung: X + Y mögen/hassen/begrüßen/kennen sich (3) reflexive Resultativkonstruktion: X säuft sich nieder

Verben der Körperpflege: medial oder reflexiv?

Die nichtreziproke Verwendung des Reflexivmarkers wird reflexiv im engeren Sinne genannt, um zu signalisieren, dass der reziproke Gebrauch auch reflexiv (aber nicht umgekehrt) ist. Subklasse (3) wurde nur der Übersicht halber in die Tabelle aufgenommen, denn es handelt sich um dynamische Prädikate (Konstruktionen), die entsprechend im Kap. III./2.2.3 behandelt werden. Der Konflikt zwischen den eng verwandten übereinzelsprachlichen semantischen Konzepten der Medialität bzw. Reflexivität und den einzelsprachlichen grammatischen Realisierungen dieser Konzepte ist aus mindestens zwei Gründen vorprogrammiert: (1) Es kann im Einzelfall von der Geschichte des jeweiligen Wortes abhängen, ob es als einfaches intransitives Verb (ohne Medialmarker) oder als Medialverb in Erscheinung tritt. (2) Grammatisch lassen sich ‚Ein-Marker-Sprachen‘ wie Deutsch, Französisch oder Englisch und ‚Zwei-Marker-Sprachen‘ wie Russisch oder Ungarisch unterscheiden.99

99 Die Termini sind die deutschen Übersetzungen (s. Zifonun 2003: 62  ff.) der Kemmer’schen Termini „one-form middle systems“ und „two-form middle systems“ (s. Kemmer 1993: 24  ff.). Ich bleibe bei der



Prädikat: statische Prädikate 

 353

Ad (1): Im Deutschen lassen sich leicht Verben ohne sich, d.  h. einfache intransitive Verben, finden, die semantisch – gemäß den Kemmer’schen Verbklassen – mediale Verben sind, z.  B. aufstehen (vs. sich hinlegen/-setzen), nachdenken (vs. sich fragen/ überlegen) oder eben kotzen (vs. sich erbrechen). Historisch stellen die medialen Verben ohne sich primäre intransitive Verben dar, während, wie erwähnt, die Medialverben sekundär – analogisch oder durch Medialisierung der reflexiven Verwendung eines transitiven Verbs – entstanden sind. Die Verben können also ihre eigene private Historie nicht ablegen. Ad (2): In einer ‚Zwei-Marker-Sprache‘ wie Russisch lassen sich (intransitives) Medialverb und reflexiver Gebrauch eines transitiven Verbs in der Regel gut unterscheiden: Russisch: (102) Petr moet rebenka. (a) [transitives Verb] Petr moetsja. (b) [intransitives Verb mit Medialmarker -sja] (c) Petr moet sebia i rebenka.  [transitives Verb mit Reflexivmarker sebia] *Petr moetsja i rebenka.  (d) [intransitives Verb mit Medialmarker -sja]

‚Peter wäscht das Kind‘ ‚Peter wäscht-sich‘ ‚Peter wäscht sich und das Kind‘ ‚Peter wäscht-sich und das Kind‘

Der Medialmarker ist Teil der (intransitiven) Verbform  – durch Bindestrich in der Bedeutungsparaphrase (wäscht-sich) angedeutet  –, Koordination mit einem Akkusativobjekt ist ausgeschlossen. Koordiniert werden kann nur der Reflexivmarker (s. (102c) vs. (102d)) Bei ‚Ein-Marker-Sprachen‘ wie Englisch und Deutsch ist die Situation komplizierter: Englisch: (103) Peter is washing the child. (a) Peter is washing (himself). (b) Peter is washing himself and the child. (c) Deutsch: (104) Peter wäscht das Kind. (a)

Kemmer’schen Gegenüberstellung, obwohl man das Deutsche, würde man auch die Prosodie berücksichtigen, wohl als eine Zwei-Marker-Sprache einstufen müsste (Anm. 71).

354 

(b) (c)

Medialpassiv

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Peter wäscht sich. Peter wäscht sich und das Kind.

In Bezug aufs Englische bedeutet der Begriff der ‚Ein-Marker-Sprache‘, dass der einzige Marker, den das Englische hat, der Reflexivmarker ist. Deshalb werden englische Medialverben bevorzugt intransitiv verwendet (Peter is washing; I am shaving; She is dressing) und nur im markierten Fall transitiv (mit Reflexivmarker).100 In Bezug aufs Deutsche bedeutet der Begriff der ‚Ein-Marker-Sprache‘ etwas anderes, nämlich, dass der einzige Marker (sich) je nach Verb und Konstruktion zwei semantische Werte (medial vs. reflexiv) erhalten kann. Bei einem Verb der Körperpflege wie waschen, das transitiv wie medial verwendet werden kann ( Kemmers mediale Verbklasse 1), kommt es im Deutschen zum Konflikt: Semantisch ist das mit sich gebrauchte Verb medial. Wegen der transitiven Verwendung ist das sich jedoch erfragbar, koordinierbar und ersetzbar, verhält sich also im Hinblick auf die drei zentralen Tests grammatisch reflexiv.101 Es gibt allerdings zwei grammatische Hinweise darauf, dass Verben der Körperpflege im Deutschen einen peripheren Fall von Reflexivität darstellen: Einerseits bilden sie ein (Medial- oder Reflexivpassiv genanntes) subjektloses Passiv, d.  h., sie verhalten sich im Passiv den Medialverben – und generell: den intransitiven Verben – ähnlich:102 (105) Wann wird sich endlich mal gekämmt? (Weinrich 2005: 177) (106) Wann wird endlich mal gearbeitet? (107) Gereckt und gestreckt wird sich beim Training der ersten Mannschaft des türkischen Fußballvereins […]. (Kölner Stadtanzeiger, zit. n. Vater 1995: 188)

Zustands­ reflexiv

Andererseits stehen sie hinsichtlich der Bildung des sog. „Zustandsreflexivs“ (Buscha 1982 und 1991) zwischen typischen Medialverben und typischen reflexiv gebrauchten transitiven Verben.

100 Selbstverständlich spielt der jeweilige Kontext auch eine Rolle. Steinbach (2002: 71) weist darauf hin, dass die unmarkierte Interpretation von John washed all day long nichtmedial (‚Wäsche waschen‘) ist. John is washing sei dagegen ambig (‚Wäsche/sich waschen‘). 101 Gerhard Helbig (2004a: 1105) kritisiert zu Recht an meiner früheren Auffassung (Ágel 1997 und 2000: 150), dass ich damals versucht habe, bei Verben der Körperpflege Medialität auch durch Koordinationstests nachzuweisen. Auch wenn die Tests gescheitert sind, scheint der Ansatz richtig zu sein, vgl. vor allem Gast/Haas 2008 (klitisches vs. pronominales sich) und Frühwirth 2003: 228  ff. (Reflexivierungsstrategien bei Verben der Körperpflege). Der Status der Verben der Körperpflege ist auch formalgrammatisch umstritten, s. zuletzt Oya 2010. Zu rasieren als intransitivem Medialverb in der Schweiz  (114). 102 Die Beleglisten und die Listen medialpassivfähiger Verben in Hundt 2002 enthalten mit ganz wenigen Ausnahmen (wie sich anfeuern/integrieren) nur Medialverben.



Prädikat: statische Prädikate 

 355

Das Zustandsreflexiv ist ein Prädikativgefüge, das das Resultat eines vorangehenden Vorgangs darstellt. Dabei ist das Prädikativ das Partizip II eines Medialverbs:103 (108) Petra ist erkältet/verliebt/erholt/beruhigt. ← Petra hat sich erkältet/verliebt/erholt/beruhigt. Bei transitiven Verben dagegen stellt ein analoges Prädikativgefüge kein Zustands­ reflexiv, sondern ein Zustandspassiv dar, das auf ein Vorgangspassiv zurückzuführen ist: (109) Wir sind beobachtet. ← Wir sind beobachtet worden. Bei Verben, die transitiv sind, jedoch beim reflexiven Gebrauch semantisch medialisiert werden, ist allerdings die Situation nicht mehr so eindeutig. Ein resultatives Prädikativgefüge wie ist informiert ist weder ein eindeutiges Zustandsreflexiv noch ein eindeutiges Zustandspassiv:104 (110) Wir sind informiert. ← Wir haben uns informiert. ← Wir sind informiert worden. Mir scheint, dass waschen auch keinen eindeutigen Fall darstellt, es sei denn, der Kontext erzwingt eine eindeutige Interpretation: (111) Ich komme aus dem Flieger und war im Taxi, als die Frau Bundeskanzlerin mich erreicht hat. Und ich bin noch nicht mal gewaschen. (Joachim Gauck, Pressekonferenz am 19. 02. 2012) (112) Nach dem Kreißsaal kurzer Aufenthalt auf der Station, am übernächsten Morgen Sachen packen, dann schnell ins Taxi. Der Kleine ist noch nicht mal gewaschen. Soweit die zwei grammatischen Hinweise, die dafür sprechen, dass Verben der Körperpflege (waschen, einseifen, rasieren, kämmen) im Deutschen zwar mit Reflexivmarker stehen, also syntaktisch keine Medialverben sind, aber eine periphere Klasse der reflexiven sich-Vorkommen – an der Grenze zu den Medialverben – darstellen. Über-

103 Litvinov und Nedjalkov (1988: 35  ff.) ordnen diese Fälle als „reflexives Subjektsresultativ“ ein. Der ganze Fragenkomplex ist bei Litvinov/Nedjalkov (1988) im Rahmen einer grundlegenden EventivResultativ-Opposition situiert. Eventivkonstruktionen sind dabei all die grammatischen Formen, in die sich Szenarios, die zu einem Resultat führen können, kleiden lassen. Ihr gemeinsamer Nenner ist eben die Eigenschaft, ein Resultat vorwegzunehmen. 104 Litvinov und Nedjalkov (1988: 50) sprechen von „diathetischer Vagheit“. Mit semantischer Media­lisierung ist gemeint, dass sich informieren – obwohl kein Medialverb – semantisch Medialverben der Kognition wie sich überlegen oder sich bedenken ähnlich ist. Vgl. hierzu auch die konformen Überlegungen von Klaus Welke (2005: 233 und 243) zu der Medialisierung von sich rasieren.

356 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

schritten hat die Grenze allerdings das Verb (sich) duschen, dessen fakultatives sich darauf hinweist, dass hier ein echtes (da primär intransitives) Medialverb vorliegt: (113) Ich habe (mich) noch nicht mal geduscht. radikale Medialisierung in Österreich und der Schweiz Sich-Abstinenz/ -Abundanz in der Schweizer Standard­ varietät

Der Fall (sich) duschen, der strukturell dem englischen Medialverb ähnelt, stellt in der (binnen)deutschen Standardvarietät einen seltenen Typus dar.105 Ganz anders ist die Situation dagegen in der Schweizer Standardvarietät:106 (114) (115) (116)

Im übrigen muss er schon alle fünf Wochen rasieren. (Schädelin Eugen: 9) Geändert haben auf diesen Winter hin die Turnabende. (Jungfrau Zeitung, 30. 10. 2003) Eine Umstellung in der Energielabelgemeinde würde nur auf kleinen Fusswegen rentieren. (Zürichsee-Zeitung, 23. 12. 2011)

Verben mit medialer Bedeutung entwickeln sich zu intransitiven Verben oder können (wie (sich) duschen) mit oder ohne mediales sich verwendet werden. Dies bedeutet eine Entwicklung weg von dem Ein-Marker-Sprachtyp ‚(Binnen)Deutsch‘ in Richtung auf den Ein-Marker-Sprachtyp ‚Englisch‘. In der Schweizer Standardvarietät findet sich aber auch eine radikale Medialisierung mit umgekehrtem Vorzeichen. Hier geht es nicht um ‚weniger sich‘ als im Binnendeutschen, sondern um ‚mehr‘: (117) Lorenz Schneider nervt sich, wenn er Pet-Flaschen im Abfall findet. (Migros Magazin, 04. 10. 2010) (118) Aus diesem Verhältnis folgert sich das Minus bei der durchschnittlichen Aufenthaltsdauer am Ort. (Zürcher Oberländer, 19. 03. 1997) Sich-Abundanz in der österreichischen Standard­ varietät

Sich-Abundanz scheint jedoch eher in der anderen großen Standardvarietät des südlichen deutschsprachigen Raumes verbreitet: (75)

Denn manchmal erwartet sich der Kunde im Urlaub Ruhe und Frieden […]. (Reisen 6/1997, zit. n. Ziegler 2010: 72)

105 Eine Liste von +/-sich-Verben ohne Bedeutungsänderung („bedeutungsneutrale Optionalität“ genannt), gegenübergestellt einer Liste von +/-sich-Verben mit Bedeutungsänderung („bedeutungssensitive Optionalität“), findet sich in Kunze 1997: 175  f. 106 Für die Belege danke ich Christa Dürscheid, die zusammen mit Stephan Elspaß und Arne Ziegler das Projekt „Variantengrammatik des Standarddeutschen“ (http://www.variantengrammatik.net/) leitet.



Prädikat: statische Prädikate 

 357

(119) Bei den Wangen und Wangenknochen allerdings hört es sich auf mit Kind: Ein reifes Gesicht sollte keine kindlichen Wangenpolster mehr haben […]. (Echo, 03. 09. 2010) Den prototypischen Fall stellen indirekte Medialverben wie sich erwarten dar, die es im Binnendeutschen nicht gibt (Ziegler 2010). Nach Ziegler (2010: 76) handelt es sich hier „um eine funktionale Variation, indem eine Reinterpretation von sich von einem im Valenzrahmen geforderten Argument zu einem Intransitivierungsmarker im Sinne von medialen Verben stattgefunden hat.“ Allerdings scheint sich das Muster mit indirektem sich mittlerweile weiter grammatikalisiert zu haben, denn beim Typus (es) hört sich auf stellt das sich keinen Intransitivierungsmarker mehr dar.107 Abschließend soll noch erwähnt werden, dass sich nicht nur als Bestandteil von Medialverben, sondern auch als Bestandteil von Idiomen vorkommt: Er […] nahm sich auch noch die Zeit, nachdenklich in sein Taschentuch zu gucken […]. (Lenz Deutschstunde: 90) (120) «Das ist der Privatverein von unserem Vize. Er hat sich zum Ziel gesetzt, den Geist der Gründer der Salzburger Festspiele wieder mehr zu pflegen. Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss.» (Haas Silentium: 64) (121) Sie täten sich alle den Kopf zerbrechen.108 (Schnitzler Gustl: 150) (70)

Da das sich als Idiombestandteil per definitionem medial ist, ließe sich in diesen Fällen von medialen Idiomen sprechen. Übereinzelsprachlich lassen sich zwei verschiedene, jedoch eng verwandte Konzepte der Rückbezüglichkeit unterscheiden: Medialität und Reflexivität. Auch das einzelsprachliche Zeichen sich kann zwei semantische Werte annehmen: medial und reflexiv. Der Reflexivmarker sich (z.  B. sich beobachten, sich (etw., z.  B. die Fingernägel) schneiden) ist kein Teil des Prädikats, sondern funktioniert als Objekt. Dagegen ist der Medialmarker sich (z.  B. sich bücken/setzen/beruhigen/freuen/überlegen) immer Teil des Prädikats. Sich-Verben sind deshalb immer Medialverben. Es gibt keine Reflexivverben, sondern nur reflexive Verwendungen von transitiven Verben.

107 Trotzdem ist Zieglers Interpretation des Prototyps als Medialverb qua Transitivitätsreduktion zuzustimmen. Allerdings scheint mir die valenztheoretische Einordnung fragwürdig. Es ist nicht erkennbar, dass die an der Konstruktion beteiligten Verben Dativobjekte fordern oder bevorzugt einen Dativus commodi verwenden würden. Insofern dürfte es sich eher um eine primäre – nicht über statische oder dynamische Dativobjekte vermittelte – konstruktionelle Überformung des jeweiligen Szenarios handeln. 108 Die Grundform des Idioms ist sich den Kopf zerbrechen. Das Hilfsverb täte(n) funktioniert hier als Konjunktivumschreibung (analytischer Konjunktiv) im Sinne von ‚würde(n)‘.

sich im idiomatischen Prädikat

358 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

2.1.4 Das Prädikativum als Teil des Prädikats ­Szenierung durch Prädikativ­ gefüge

[7] [23]

Schauplatz ist gefüge) das Gefängnis Isenbüttel, dessen Insassen zumeist Kleinkriminelle sind, die hier ihre paar Jahre absitzen. Als die Grünauer sehen, dass die Landesbühne sie zu ihrem Fest beehrt, (Subjektssind prädikativ-) sie (ge- begeistert füge). (Subjektsprädikativ-

Vollverben sind alleine prädikatsfähig, Adjektive und Substantive dagegen nicht. Um sie prädikatsfähig zu machen, bedarf es eines verbalen Sprachzeichens, das ihnen verbale Qualitäten (Tempus, Modus, Verbalgenus) verleiht, d.  h., sie vollverbäquiva­ lent macht. Dieser Verbalisator ist die Kopula, prototypischerweise die Kopula sein. Bei der Kopula-als-Verbalisator-Auffassung stütze ich mich vor allem auf die Grammatiktheorie von Lucien Tesnière und die Sprachtheorie von Eugenio Coseriu.109 Doch die Idee, dass die Szenierung nicht nur durch Vollverben (und Idiome), sondern auch durch Prädikativgefüge erfolgen kann, ist wesentlich älter als die einschlägigen Auffassungen von Tesnière und Coseriu. Als den vielleicht ersten prominenten Zeugen dieser Auffassung möchte ich einen großen deutschen Grammatiker des 18. Jhs., Johann Werner Meiner (1723–1789), zitieren, der bewusst nicht das Vollverb, sondern das Prädikat (= Vollverb oder Prädikativgefüge) ins Zentrum seiner Syntax gestellt hat: Das Prädikat ist der vornehmste Theil des Satzes; denn aus ihm entwickelt sich der ganze Satz. Es gleichet einer vollen Frühlingsknospe. Wie diese bey ihrer Entwickelung aus sich einen ganzen Zweig sammt Nebenzweigen und Blättern hervor treibet; also liegen auch in dem einzigen Prädikat nicht nur alle Haupttheile, sondern auch Nebentheile des Satzes verschlossen, die sich daraus herleiten lassen. (Meiner 1781/1971: 127)

Meiner (1781/1971: 80) stellt eine einfache Formel auf, um Prädikativgefüge (zumindest mit Adjektiven) als Prädikate zu begründen: Adjektiv + Kopula = Vollverb Diese Formel besagt, dass Prädikativgefüge so etwas wie analytische (zusammengesetzte) Vollverben sind. Umgekehrt formuliert: Vollverben stellen synthetische Prädi­ kativgefüge dar.110 109 Die Kopula („le verbe substantif“) „fait corps avec l’attribut dont il sert uniquement à marquer le role verbal.“ (Tesnière 1976: 159). Im Sinne von Tesnières Translationstheorie stellt das adjektivische oder substantivische Prädikativum einen Transferenden dar, dessen Kategorie (‚Adjektiv‘ oder ‚Substantiv‘) verändert wird, und die Kopula einen Translator, der die kategoriale Überführung grammatisch bewirken soll. Das Ergebnis ist das Translat, das hier ein operativ erzeugtes ‚Verb‘ (= Vollverbäquivalent) ist. Coseriu (1972/1987: 89  f.) spricht in Bezug auf Vollverben von einer primären (= „kategoriellen“) und in Bezug auf Prädikativgefüge von einer sekundären (= „innerstrukturellen (syntaktischen)“) Bedeutung ‚Verb‘. Vgl. auch Welke 1988: 159. 110 Meiner nennt als sprachtypologisches Argument die lateinischen Vollverben albere und rubere,



Prädikat: statische Prädikate 

 359

Die Auffassung, dass Prädikativgefüge vollverbäquivalent sind und dass folglich Prädikative keine eigenen Satzglieder, sondern Teile des Prädikats sind, muss natürlich sowohl semantisch als auch grammatisch begründet werden. Das vorliegende Kapitel ist dieser Begründung gewidmet. Wozu braucht man Prädikativgefüge? Reichen die Vollverben nicht aus, um Szenarios zu entwerfen? Vollverben entwerfen im Deutschen prototypischerweise Szenarios, die Ereignisse im weiteren Sinne (Handlungen, Tätigkeiten, Vorgänge und Zustände) darstellen (Lehmann 1992). Wie steht es aber um Nichtereignisse (Klassen- und Eigenschaftszuweisungen)? Können Vollverben auch Nichtereignisse ausdrücken? Am eindeutigsten fällt die Antwort im Falle von Klassenzuweisungen, d.  h. Einordnungen als Element oder Teil einer Menge, aus: (122) Emil ist Katholik. (123) Katholiken sind Christen. (Beispiele n. Welke 2007: 170) Nach Lehmann (1992: 164  f.) können Klassenzuweisungen im Deutschen nur durch Substantive (+ Kopula) ausgedrückt werden.111 Im Falle von Eigenschaftszuweisungen werden im Deutschen prototypischerweise Adjektive (+ Kopula) verwendet: (124) Emil ist katholisch. (125) Katholiken sind christlich. „Die Möglichkeiten, Eigenschaften durch Verben auszudrücken, sind sehr beschränkt.“ (Lehmann 1992: 169) Lehmann (ebd.) zählt als sichere Kandidaten für verbale Eigenschaftsprädikate kosten, wiegen, gleichen, ähneln und genügen auf. Besser bestellt ist es um verbale Zustandsprädikate: „Im Deutschen ist der Ausdruck von Zuständen auf die beiden Wortarten Adjektiv und Verb aufgeteilt.“ (Lehmann 1992: 174). Da sich Zustände eher verändern können als Eigenschaften, schlägt Lehmann (1992: 175) als Testverfahren u.  a. die „temporale Modifikation mit gerade“ vor:

denen im Deutschen die Prädikativgefüge weiß seyn und roth seyn entsprechen. Die Begriffe ‚synthetisch‘ und ‚analytisch‘ wurden im Kap. II/1.3 (Anm. 8) eingeführt, zur Erinnerung: „Von einer synthetischen Form spricht man, wenn verschiedene Elemente zu einer Form verschmelzen. Dies ist beispielsweise im Deutschen beim Präteritum der Fall, wo die Tempusendung –te fest mit der Verbform verbunden ist: ich lachte. Das Gegenteil ist etwa beim Perfekt der Fall, das analytisch gebildet wird, d.  h., Hilfsverb und Hauptverb sind und bleiben voneinander getrennt: ich habe gelacht.“ (Hentschel/Vogel 2009: 424) 111 Lehmanns Terminus für ‚Klassenzuweisung‘ ist ‚Klassenzugehörigkeit‘.

Wort­ arten und ­Szenierung

360 

gerade-Test

Partizipien I und II

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

(126) Erna ist gerade wach. [Zustandsprädikat] (127) *Erna ist gerade alt. [Eigenschaftsprädikat] (Beispiele und Asterisk (*) nach Lehmann 1992: 175) [Zustandsprädikat] (128) Erna wohnt (gerade) in Berlin. (90) (a) Kasachstan grenzt (im Osten) an China. [Zustands-/Eigenschaftsprädikat?] → ?Kasachstan grenzt gerade (im Osten) an China. (89) (a) Mike (6 Wochen alt) ähnelt aber dem Vater sehr. [Zustands-/Eigenschaftsprädikat?] ?Mike (6 Wochen alt) ähnelt gerade aber dem Vater sehr. → Die Testergebnisse sind allerdings nicht ganz eindeutig und auch verwirrend, weil man den Eindruck bekommt, dass hier weniger einzelsprachliche Strukturen als vielmehr einzelsprachunabhängige Erfahrungen getestet werden. M. a. W., ein vergleichbarer Test in anderen Sprachen würde möglicherweise zu vergleichbaren Ergebnissen (und Irritationen) führen.112 Näher kommt man m.  E. einer (signifikativ-semantischen) Lösung, wenn man die einzelsprachliche Struktur stärker berücksichtigt und den gerade-Test vor dem Hintergrund einzelsprachlicher grammatischer Strukturen bewertet. Bevor wir das tun, müssen wir kurz noch auf die Partizipien I und II eingehen. Zustandsperspektivierungen durch Verben wie wohnen sind atypisch. Der Bereich ist eher Partizipien II vorbehalten: (129) Der Diktator ist verhasst. (Welke 2007a: 131) (130) Die Tür ist geöffnet. (131) Der Zug ist angekommen. (132) Sie ist immer gut informiert. (133) Der Spieler ist verletzt. (134) Er ist beleidigt. Partizipien II erhalten je nach theoretischer Position den Wortartwert ‚Verb‘ oder ‚Adjektiv‘. Wenn beispielsweise ist geöffnet theoretisch als Zustandspassiv interpretiert wird, ist es eine (analytische/zusammengesetzte) Form des Verbs öffnen. Wenn es dagegen als Prädikativgefüge aufgefasst wird, ist geöffnet ein Adjektiv.113

112 Außerdem ist hier die Verwendung von isolierten Testsätzen fragwürdig, vgl. den folgenden Kontextvorschlag von Andreas Gardt (schriftlich): Normalerweise sieht der Mike gar nicht aus wie sein Vater. Jetzt, wo er die Augen wie sein Papa zusammengekniffen hat, da ähnelt Mike gerade aber dem Vater sehr. 113 Bei Verben wie wohnen stellt sich das theoretische Interpretationsproblem nicht, da es keine Passiv- oder Perfektform ist gewohnt gibt. Vgl. *Das Appartement ist gewohnt; *Klaus ist gestern noch in Berlin gewohnt.



Prädikat: statische Prädikate 

 361

Nichtlexikalisierte Partizipien II wie geöffnet, angekommen und informiert stellen Resultatszustände, d.  h. Resultate von Zustandsveränderungen, dar. Lexikalisierte Partizipien II wie verhasst sind dagegen als Bezeichnungen für genuine (= nichtresultative) Zustände anzusehen. In bestimmten Fällen (wie verletzt und beleidigt) sind kontextabhängig beide Interpretationen möglich. „Bei Partizipien I ist Lexikalisierung überhaupt die Bedingung der Verwendung in Kopula-Konstruktionen“ (Welke 2007a: 131, Beispiele ebd.): (135) Der Film ist spannend. (136) Das ist überzeugend. (137) Das ist bahnbrechend. Wir wollen nun den gerade-Test auf die jeweilige Prädikatsstruktur beziehen und das Ergebnis bewerten: Vollverb: (138) Er kellnert (gerade) in Berlin. (139) Sie öffnet (gerade) die Tür. (140) Die Tür öffnet sich (gerade). (141) Sie wohnt (gerade) in Berlin. (142) Sie ähnelt (gerade) ihrer Mutter. (143) Sie pubertiert (gerade).

[Tätigkeitsprädikat] [Handlungsprädikat] [Vorgangsprädikat] [Zustandsprädikat] [Zustandsprädikat] [Zustandsprädikat]

Kopula + Adjektiv: (144) Sie ist (?gerade) wohnhaft in Berlin. [Eigenschaftszuweisungsprädikat] (145) Sie ist (?gerade) ihrer Mutter ähnlich. [Eigenschaftszuweisungsprädikat] (146) Erna ist (gerade) wach. [Zustandszuweisungsprädikat] Kopula + Partizip I: (147) Sie ist (?gerade) pubertierend. [Eigenschaftszuweisungsprädikat] (148) Der Film ist (?gerade) überzeugend. [Eigenschaftszuweisungsprädikat] Kopula + Partizip II: (149) Ilse ist (gerade) verhasst.114 [Zustandszuweisungsprädikat] (150) Die Tür ist (gerade) geöffnet. [Zustandszuweisungsprädikat] (151) Der Zug ist (gerade) angekommen. [Zustandszuweisungsprädikat] Kopula + Substantiv: (152) Er ist (gerade) Kellner in Berlin.

[Klassenzuweisungsprädikat]

114 Welkes Beispiel (Der Diktator ist verhasst.) würde den Test wegen der lexikalischen Besetzung der Subjektstelle nicht so gut bestehen.

Prädikatsstruktur und Szenario­ klassen

362 

im Sog des prädikativen Adjektivs

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Besonders aufschlussreich sind partielle Synonyme wie wohnen / wohnhaft sein, ähneln / ähnlich sein und pubertieren / pubertierend sein: Das genuin Verbale (Vollverb) ist zeitlich weniger stabil als das Verbalisierte (Kopula + Adjektiv/Partizip I), was dafür spricht, dass adjektivische Prädikativgefüge prototypischerweise Eigenschaftszuweisungen sind (Welke 2007a: 128 und 2011: 83). Wenn Partizipien II lexikalisiert sind (verhasst), stellen sie ebenfalls adjektivische Prädikativgefüge und somit Eigenschaftszuweisungen dar. Adjektivische Prädikativgefüge, deren Adjektive eine zeitweilige Eigenschaft ausdrücken (wach), und Prädikativgefüge mit nichtlexikalisierten Partizipien II (geöff­ net, angekommen) werden als (-/+ resultative) Zustandszuweisungen interpretiert.115 Der Unterschied zwischen genuin verbal ausgedrücktem Zustand und Zustandszuweisung durch Kopula ist signifikativ-semantisch wichtig, denn Zustände sind, wie erwähnt, qua einzelsprachlicher grammatischer Struktur zeitlich immer weniger stabil als Zustandszuweisungen. Deshalb ist der Übergang zwischen Zustands- und Eigenschaftszuweisung fließend, aber nicht der Übergang zwischen Zustand und Zustandszuweisung. Substantivische Prädikativgefüge sind am ehesten mit adjektivischen Prädikativgefügen, die eine Zustandszuweisung ausdrücken, vergleichbar. M. a. W., Klassenzuweisung stellt eine Art Zustandszuweisung durch Substantive dar. Diese Familienähnlichkeit hat wichtige Folgen für die Sprachdynamik, auf die wir nun eingehen wollen. Was die Grenze zwischen Klassen- und Zustandszuweisung anbelangt, ist diese durch die Wortarten ‚Substantiv‘ vs. ‚Adjektiv‘ zwar deutlich markiert, deutlich ist allerdings auch, dass der Prototyp des Prädikativgefüges das adjektivische Prädikativgefüge ist. Denn der Wechsel zwischen den beiden Wortarten in prädikativer Funktion ist eine Einbahnstraße. Allgemein bekannt sind aus Substantiven konvertierte prädikative Adjektive in der Jugendsprache (Pittner/Berman 2006), z.  B. (153) Der PC ist hammer/klasse. Das sind untypische Adjektive, die gerade deshalb untypisch sind, weil sie (in der Regel) nur prädikativ verwendet werden, weshalb sie nach der Wortartenauffassung der IDS-Grammatik (1997/1: 55  f.) gar nicht Adjektive, sondern „Adkopulae“ sind. Adkopulae werden typischerweise nicht flektiert, stellen jedoch zusammen mit der Kopula Zustandszuweisungen dar. Man kann sie also als periphere Adjektive be­trachten.

115 Entsprechend unterscheidet man im Anschluss an Gregory Carlson (1977) zwei Sorten von Eigenschaftsprädikaten: „stage-level predicates“ und „individual-level predicates“ (zeitlich -/+stabil). Zu entsprechenden Tests s. Maienborn (2016: 34  ff.).



Prädikat: statische Prädikate 

 363

Doch die Möglichkeiten, in den Sog des prädikativen Adjektivs zu geraten, sind keinesfalls auf die Jugendsprache beschränkt (Pittner/Berman 2006: 234  ff.): (154) Sie ist sehr schlau und ganz frau. (155) Drei Kandidaten arbeiten als Kaufleute, Betriebswirte oder Handwerker, zwei Kandidaten sind arzt. (156) Will ein Mann im Leben etwas erreichen, muss er ein bißchen frau sein. (gekürzte und vereinfachte Belege nach Pittner/Bermann 2006: 235) Koordination mit einem prädikativen Adjektiv, Numerusindifferenz und Graduierbarkeit deuten darauf hin, dass sich die Substantive Frau, Arzt und Frau in den obigen grammatischen Kontexten dem Wortartwert ‚Adjektiv‘ (oder ‚Adkopula‘) angenähert haben.116 Deshalb habe ich sie auch kleingeschrieben, obwohl sie in den Belegen von Pittner und Berman großgeschrieben sind. Als Fazit der Diskussion der (signifikativ-semantischen) Leistung der Prädikatsklassen im Deutschen lässt sich festhalten, dass Vollverben nicht in der Lage sind, Eigenschaften auszudrücken. Lehmanns Eigenschaftsprädikate (kosten, wiegen, glei­ chen, ähneln und genügen) müssen signifikativ-semantisch als Zustandsprädikate bewertet werden. Auch der Unterschied zwischen Zustand (durch Vollverben) und Zustandszuweisung (durch Prädikativgefüge) ist semantisch relevant: Zustandszuweisungen sind, wie der Vergleich partiell synonymer Prädikate gezeigt hat, prinzipiell zeitstabiler als Zustände.117 Zustände sind eben Ereignisse (Welke 2005: 169  f.). Nichtereignisse sind Klassen-, Zustands- und Eigenschaftszuweisungen:

116 Die vorsichtige Formulierung hat zwei Gründe: Einerseits ist Koordinierbarkeit nur ein schwaches Indiz, da Koordination primär funktional und nur sekundär formal motiviert ist (z.  B. Sie ist jung und voller Ambitionen.). Auf die semantische Nähe und die syntaktische Koordinierbarkeit adjektivischer und substantivischer Prädikative weist übrigens bereits Brinkmann (1971: 580) hin. Andererseits müsste empirisch überprüft werden, ob sich typische Adjektiv-Graduierer wie sehr, ziem­ lich oder zu mit Substantiven (wie Frau oder Arzt) überhaupt verbinden lassen. Auf das dynamische Prädikat arbeiten als Kaufleute, Betriebswirte oder Handwerker wird im Kap. III/2.2.3 einzugehen sein. 117 Auch ereignissemantisch werden „stative verbs“ und Kopulakonstruktionen (= K-states), die beide keine Ereignisse ausdrücken, von den „state verbs“ (= D-states), die Ereignisverben sind, unterschieden (Maienborn 2016: 40  ff.).

Szenarioklassen im Überblick

364 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Abb. 10: Szenarioklassen und Prädikatstruktur

Subjekts- und Objekts­ prädikativ­ gefüge

Um auf die Ausgangsfrage zurückzukommen: Man braucht Prädikativgefüge, um Nichtereignisse auszudrücken, da sich mit Hilfe von Vollverben (und verbalen Idiomen) lediglich Ereignisse ausdrücken lassen. Dies ist die semantische Begründung für den Prädikatsstatus der Prädikativgefüge. Im Nachfolgenden sollen die grammatischen Aspekte verstärkt in den Vordergrund rücken. Prädikativgefüge bestehen aus einem Kopulaverb und einem Prädikativ. Zwei grammatische Grundtypen lassen sich dabei unterscheiden, je nachdem, ob die Kopula intransitiv oder transitiv ist: (157) (a) Sie jekt) (Subjekts- ist prädikativ-) (ge- schön füge). [intransitiv] (Sub(b) […] (Sub- ich jekt) (Objekts- fand prädikativ-) (Akkusativ- sie objekt) (ge- schön (Frisch Homo: 106) [transitiv]

füge)

[…].

Das prototypische intransitive Prädikativgefüge, das hier Subjektsprädikativgefüge genannt wird, besteht aus einem intransitiven Kopulaverb (prototypischerweise sein) und einem adjektivischen Prädikativum (Subjektsprädikativ = schön). Das prototypische transitive Prädikativgefüge, das Objektsprädikativgefüge genannt werden soll, besteht aus einem transitiven Kopulaverb (prototypischerweise finden) und einem adjektivischen Prädikativum (Objektsprädikativ = schön).



Prädikat: statische Prädikate 

 365

Qua Subjektsprädikativgefüge werden Klassen, Zustände oder Eigenschaften dem Subjekt, qua Objektsprädikativgefüge dem Akkusativobjekt zugeordnet, z.  B.

Sie jekt) ist schön → (Subfand schön → (Akkusativ- sie objekt)

Im Folgenden sollen die grammatischen und semantischen Grundstrukturen von Sätzen mit Subjekts- vs. Objektsprädikativgefügen verglichen werden (Kapitälchen = semantische Grundstruktur; Eigenschaftsempfänger stellt die Kurzform für Eigenschaftszuweisungsempfänger dar):

Subjekt Eigenschaftsträger Sie

– Subjektsprädikativgefüge – – Endo-Eigenschaftszuweisung – ist schön

Subjekt – Objektsprädikativgefüge – Akkusativobjekt Eigenschaftszuweiser – Exo-Eigenschaftszuweisung – Eigenschafts empfänger Ich fand schön sie Die beiden Prädikativgefüge sind sog. Alternanten, d.  h., sie stehen in einer regulären syntaktisch-semantischen Relation zueinander:118 1. Die Alternation besteht syntaktisch darin, dass sich das Akkusativobjekt des Objektsprädikativgefüges als Subjekt des Subjektsprädikativgefüges einsetzen lässt und umgekehrt. 2. Dabei ist die syntaktische Alternation semantisch begründet: Beim SchönseinSzenario wird lediglich der Eigenschaftsträger genannt. Die Person, die dem Eigenschaftsträger die Eigenschaft zuweist (Sprecher oder Schreiber/Erzähler), bleibt sprachlich ausgeblendet. 3. Dagegen wird im Falle des Schönfinden-Szenarios die Person, die die Eigenschaft zuweist, d.  h. der Eigenschaftszuweiser, explizit genannt (= Ich). Deshalb wird der Eigenschaftsträger des Schönsein-Szenarios (= Sie) zu einem Eigenschafts(zuweisungs)empfänger im Schönfinden-Szenario (= sie). 4. Beide Szenarios setzen in der außersprachlichen Situation jemanden voraus, der die Eigenschaft zuweist, d.  h. eine bestimmte Einstellung zum Szenario hat.119 Der Unterschied besteht in der sprachlichen Perspektivierung: Qua Subjektsprädikativgefüge wird die Eigenschaftszuweisung so dargestellt, als könnte sie spontan, ohne Zuweiser erfolgen. Deshalb soll diese Art von Eigenschaftszuweisung analog den endoaktiven Vorgängen (Kap. III/2.1.3) Endo-Eigenschaftszuweisung

118 Mehr zur Alternation Kap. III/2.1.3 und Anm. 58 im Kap. III/1.3.3. 119 Zu Sprechereinstellungen s. Polenz 2008: 212  ff.

366 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

genannt werden. Dagegen wird der Zuweiser bei der Eigenschaftszuweisung qua Objektsprädikativgefüge explizit genannt, weshalb diese Art von Eigenschaftszuweisung Exo-Eigenschaftszuweisung genannt wird. 5. Daraus folgt der semantische Unterschied zwischen intransitiven und transitiven Kopulaverben: Transitive Kopulaverben (wie finden) sind prototypischerweise Einstellungsverben, während intransitive Kopulaverben (wie sein) prototypischerweise reine Darstellungsverben sind. analoge ­Szenierungen

Die Alternation von intransitiven und transitiven Prädikativgefügen ist analog der von prototypischen Funktionsverbgefügen bzw. der rezessiv-kausativen (= endoaktivexoaktiven) Alternation (Kap. III/2.1.2–3): prototypische Funktionsverbgefüge: Subjekt – Prädikat – Vorgangsträger – Endo-Vorgang – Der Sprengstoff kommt zur Explosion Subjekt – Prädikat – Handlungsträger – Handlung – Karl bringt zur Explosion

Akkusativobjekt Handlungsgegenstand den Sprengstoff

rezessiv-kausative Alternation:120 Subjekt – Prädikat – Vorgangsträger – Endo-Vorgang – Die Tür öffnet sich Der Zweig bricht Der Soldat stirbt Subjekt – Prädikat – Handlungsträger – Handlung – Man öffnet Man bricht Man tötet

Objekts­ prädikativ­ gefüge als Prädikat

Akkusativobjekt Handlungsgegenstand die Tür den Zweig den Soldaten

Über die Analogie hinaus gibt es aber auch noch eine tatsächliche rezessiv-kausative Alternation von intransitiven und transitiven Prädikativgefügen zu verzeichnen. Darauf wird weiter unten einzugehen sein. Die alternierenden Szenarioentwürfe von intransitiven und transitiven Prädikativgefügen und deren Analogie mit alternierenden Szenarioentwürfen anderer Prädikatssubklassen stellen das zentrale Argument dar, auch dem Objektsprädikativgefüge

120 Die Beispiele beschränken sich auf drei Subklassen rezessiv-kausativer Alternation: antikausativ (= sich öffnen/öffnen), labil (brechen) und suppletiv (= sterben/töten).



Prädikat: statische Prädikate 

 367

den Prädikatsstatus zuzusprechen. Untermauert wird dieses Argument einerseits durch die Systematik der Kopulae und der Prädikativgefüge, auf die weiter unten einzugehen sein wird ( Tab. 40), andererseits durch diverse grammatische, vor allem wortstellungsbezogene Merkmale, auf die hier nicht eingegangen werden kann.121 Die theoretische Position, die knapp umrissen wurde, muss noch weiter begründet werden. Dies soll erfolgen, indem im Nachfolgenden der Reihe nach die Probleme angesprochen werden, vor die die Prädikativgefüge die Grammatische Textanalyse stellen: (1) Zuerst soll die Polyfunktionalität des Verbs sein unter die Lupe genommen werden, um Kopulasätze, d.  h. Sätze mit Kopula + Prädikativ, abzugrenzen. (2) Anschließend soll die aus der Sicht der Grammatischen Textanalyse zentrale Frage gestellt werden, wie der Prädikatsstatus der Prädikativgefüge grammatisch zu begründen ist, m. a. W., warum Subjekts- und Objektsprädikativ nicht als eigene Satzglieder, sondern als Teile des Prädikats anzusehen sind. (3) Danach wird die Systematik der Kopulae und der Prädikativgefüge vorzustellen sein. (4) Abschließend soll zu der Frage, ob es aus der Sicht der Grammatischen Textanalyse sinnvoll ist, verschiedene semantische Typen von Kopulasätzen anzunehmen, Stellung bezogen werden. Dass das Verb sein polyfunktional ist und dass es als Kopula, Vollverb oder Hilfsverb funktionieren kann, ist unumstritten:122 [23]

Als die Grünauer sehen, dass die Landesbühne sie zu ihrem Fest beehrt, (Subjektssind prädikativ-) sie (ge- begeistert füge). [Kopulaverb] [40] Wir (Simplex- sind verb) hier nicht beim Amtsgericht. [Vollverb] [31] Polizisten (Par- waren ti-) sowieso schon da und dort (kel- aufgetaucht verb) […].123 [Hilfsverb]

121 Vgl. vor allem die dependenzgrammatische Analyse des „Predicate Weight“ von Timothy Osborne (2007) und Stefan Müllers Untersuchungen zu „Complex Predicates“ (Müller 2002: 67  ff. und 2006). Der Begriff des komplexen Prädikats bei Müller, der strukturell motiviert ist, deckt sich nicht mit meinem Begriff, der semantisch und valenztheoretisch motiviert ist. Trotzdem gibt es, nicht ganz zufällig, wichtige konzeptionelle Übereinstimmungen, denn all die Typen von komplexen Prädikaten bei Müller stellen nach meiner Auffassung (statische oder dynamische) einfache Prädikate dar. Zu Parallelen zwischen der Syntax der subjekts- und objektsprädikativischen Kopulasätze vgl. bereits Pütz 1982: 335  ff. 122 Umstritten – oder besser: unklar – ist allerdings, ob die Polyfunktionalität auf Polysemie basiert, und wenn ja, ob es eine 1:1-Beziehung zwischen Bedeutungen und Funktionen gibt. Welke (2007: 170  ff.) scheint von einer 1:1-Beziehung auszugehen. Meine Auffassung (s. unten) ist dagegen ‚spar­ samer‘ und ist (in diesem Punkt) mit der von Eisenberg (2006/2: 86) konform. 123 Um Missverständnissen vorzubeugen: ‚Partikelverb‘ ist die Bezeichnung für die Prädikatsklasse. Das Verb auftauchen mit allen seinen Formen (tauchte auf, wird auftauchen, ist aufgetaucht, waren

der prädikative Problemkreis

die Poly­ funktionalität von sein

368 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

(158) Der Eingang ist tief in den künstlichen Hügel eingeschnitten.124 [Hilfsverb] Umstritten ist allerdings, wo und wie die Grenze zwischen den Kopula-, Vollverb- und Hilfsverbfunktionen zu ziehen ist. Die Grenze, die durch die Gegenüberstellung von [23], [40] und [31] bzw. (158) angedeutet wurde, dürfte zwar ‚mehrheitsfähig‘ sein und entspricht auch meiner Auffassung, wird jedoch nicht allgemein akzeptiert. Denn tendenziell lässt sich das ‚Kopula-Territorium‘ auf Kosten sowohl des Vollverbs als auch der Hilfsverben erweitern: 1. Sein-Vorkommen vom Typ [40] (mit Adverbial) werden mitunter als Kopulae gewertet.125 2. Sein-Vorkommen als Perfekt- und Plusquamperfekthilfsverb (Typ [31]) und als Zustandspassivhilfsverb (Typ (158)) werden gelegentlich analog zu [23] als Kopulae aufgefasst: X ist begeistert/aufgetaucht/eingeschnitten.126 3. Wesentlich verbreiteter ist allerdings die Auffassung, nur das Passivhilfsverb sein als Kopula zu werten (und das Tempushilfsverb sein nicht in Frage zu stellen).127 Im Grunde steht also eine ‚enge‘ Kopula-Auffassung, wie sie auch in der vorliegenden Arbeit vertreten wird, einer mehr oder weniger ‚weiten‘ Kopula-Auffassung gegenüber. Meine Argumentation für die ‚enge‘ Auffassung basiert auf der alten strukturalistischen Einsicht, dass die Polyfunktionalität eines Sprachzeichens auf dessen Einbindung in unterschiedliche Paradigmen und Distributionsklassen basiert (Anm. 32):

aufgetaucht usw.) ist also ein Partikelverb. Eine der Tempusformen ist das Plusquamperfekt ([…] waren […] aufgetaucht). Das Plusquamperfekt des Partikelverbs auftauchen wird also mit dem Hilfsverb sein gebildet. 124 Das Beispiel basiert auf folgendem Beleg: „[…] vorbei zum Eingang, der tief in den künstlichen Hügel eingeschnitten ist.“ (Lenz Deutschstunde: 81  f.) 125 s. etwa IDS-Grammatik 1997/2: 1110  ff. 126 Die Auffassung, dass es im Deutschen kein sein-Perfekt und kein Zustandspassiv gibt, wird u.  a. von Elisabeth Leiss (1992: 156  ff.) und Oliver Teuber (2005: 179  ff.) vertreten. Leiss würde X ist aufgetaucht und X ist eingeschnitten als Resultativum, d.  h. als Prädikativgefüge, die das Resultat eines vorangehenden Ereignisses darstellen, einstufen. Teuber analysiert alle sein+PartizipII-Konstruktionen als Kopulakonstruktionen. 127 Prominente Vertreter dieser Auffassung sind u.  a. Claudia Maienborn (2007) und Klaus Welke (2007a).



Prädikat: statische Prädikate 

 369

Abb. 11: Paradigmen und Distributionsklassen von sein

Der Hilfsverbstatus des Verbs sein ergibt sich aus seinem funktionalen Beitrag zur Bildung grammatischer Kategorien (Perfekt oder Passiv) in Opposition zu anderen grammatischen Kategorien im Rahmen der jeweiligen grammatischen Kategorisierung (Tempus oder Verbalgenus), d.  h. im Rahmen des Tempus- und des Verbalgenusparadigmas. Am Beispiel des Tempusparadigmas im Aktiv verdeutlicht: Tab. 39: Synthetische und analytische Verbformen im Aktiv Tempuskategorien

Aktiv

Präsens Präteritum Perfekt Plusquamperfekt Doppelperfekt Doppelplusquamperfekt Futur I Futur II

(X) singt / taucht auf (X) sang / tauchte auf (X) hat gesungen / ist aufgetaucht (X) hatte gesungen / war aufgetaucht (X) hat gesungen gehabt / ist aufgetaucht gewesen (X) hatte gesungen gehabt / war aufgetaucht gewesen (X) wird singen / auftauchen (X) wird gesungen haben / wird aufgetaucht sein

Abgrenzung vom Hilfsverb sein

370 

sein-Perfekt

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Wie man sieht, würde das gegenwartsdeutsche Tempussystem ohne analytische (zusammengesetzte) Verbformen nicht funktionieren, denn im Aktiv werden nur noch Präsens und Präteritum synthetisch, d.  h. ohne Hilfsverb, gebildet. Warum aber sollen sein-Perfekt und Zustandspassiv dem Tempus- bzw. Verbalgenusparadigma zugeordnet und nicht als Prädikativgefüge analysiert werden? In Bezug auf das sein-Perfekt möchte ich drei Argumente anführen:128 1. Würde man den Typus X ist aufgetaucht/angekommen/gegangen nicht als seinPerfekt interpretieren, müsste man erklären, warum es eine Asymmetrie im Tempusparadigma gibt, d.  h., warum nur ein Teil der Verben, nämlich diejenigen mit haben-Perfekt, perfektfähig sein sollen.129 Das sein-Perfekt stellt ein klassisches Beispiel für ein analytisches Flexionsmuster dar, das in der Sprachtypolologie „suppletive Periphrase“ genannt wird und das die Funktion hat, „inflectional generality“ zu erzielen (Haspelmath 2000: 656). Man denke an den analogen Fall des englischen Komparativs, wo es neben dem synthetischen Bildungsmuster (z.  B. cheaper) auch ein analytisches (z.  B. more expensive) gibt, ohne das nur ein Teil der englischen Adjektive kompariert werden könnte. 2. Das sein-Perfekt ist eine sprachhistorisch alte und spätestens seit dem frühen Frühneuhochdeutschen (14. Jh.) grammatikalisierte Tempusform (Oubouzar 1974 und Kuroda 1999). Da es historisch keine Hinweise gibt, dass es in der Zwischenzeit degrammatikalisiert worden wäre, gehe ich davon aus, dass es weiterhin eine grammatikalisierte Tempusform darstellt. 3. In der Doppelperfektforschung gilt als Konsens, dass die Herausbildung von doppelten Perfekt- und Plusquamperfektformen mit haben wie sein (wohl 14. Jh.) die Grammatikalisierung des Perfekts (mit haben wie sein) voraussetzt (BuchwaldWargenau 2012). In Bezug auf das Zustandspassiv möchte ich vier Argumente anführen: 1. Mit den Passivhilfsverben sein und werden ist ca. seit dem 12.  Jh. zu rechnen (Vogel 2006: 130  f.). Dabei ist das sein-Passiv, das sprachhistorisch kein ‚reines‘ Zustandspassiv darstellt, sogar früher grammatikalisiert worden als das sein-Perfekt (und auch früher als das werden-Passiv).130 2. Subjektloses sein-Passiv ist bereits seit dem 12./13. Jh. möglich (Vogel 2006: 201).131

128 Diese Argumente sind anderer – typologischer und historischer – Art als die, die in der einschlägigen Diskussion, in der strukturell argumentiert wird, üblich sind. Vgl. Teuber 2005: 181  ff. 129 Die andere theoretische Möglichkeit wäre, das Perfekt generell in Frage zu stellen, d.  h. nicht nur das sein-, sondern auch das haben-Perfekt einer nichttemporalen Kategorie zuzuordnen. 130 Vgl. Vogel 2006: 196. Zur Herausbildung und Grammatikalisierung des Passivs im Deutschen vgl. Kotin 1998 und Eroms 1990 und 1992. 131 Vogel (2006: 196) zitiert zwei Belege aus dem Parzival.



Prädikat: statische Prädikate 

 371

Dabei setzt die Herausbildung des subjektlosen die (wenigstens teilweise) Grammatikalisierung des subjekthaltigen Passivs voraus.132 3. Wie ten Cate (2010) zeigt, lässt sich das sein-Passiv als verkürztes (elliptisches) werden-Passiv beschreiben, z.  B. „Das Messer ist gefunden (worden)“ (ten Cate 2010: 34). Dies ist ein sehr wichtiger paradigmatischer Aspekt, der eingebettet ist in eine 4. umfassende paradigmatische Perspektive: Das gegenwartsdeutsche System der Verbalgenera integriert (a) alle Ereignisse, (b) Transitivität wie Intransitivität und (c) alle drei zentralen Komplemente (Subjekt, Akkusativobjekt, Dativobjekt):133 intransitives Verb: (159) (a) Zum Ersatz für Mehl als Bindemittel verweise ich nochmals auf die feingeriebene, rohe Kartoffel. [Aktiv, Tätigkeit] (b) Zum Ersatz für Mehl als Bindemittel wird nochmals auf die feingeriebene, rohe Kartoffel hingewiesen. [subjektloses werden-Vorgangsspassiv] (c) Zum Ersatz für Mehl als Bindemittel sei nochmals auf die feingeriebene, rohe Kartoffel hingewiesen. [subjektloses sein-Zustandspassiv] (Beleg zit. n. IDS-Grammatik 1997/3: 1810) transitives Verb: (160) (a) Hier vereint man Ihnen die schönsten Steine. [Aktiv, Handlung] (b) Hier werden Ihnen die schönsten Steine vereint. [werden-Vorgangs­ passiv] (c) Hier sind Ihnen die schönsten Steine vereint. [sein-Zustandspassiv] (d) Hier bekommen Sie die schönsten Steine vereint. [bekommen-Vor gangspassiv] (e) Und hier haben Sie die schönsten Steine vereint […]. [haben-Zustands­ (Kempowski: Bloomsday‚ 97, zit. n. Eroms 2000: 392) passiv] –– I n Aktivsätzen werden prototypischerweise Handlungen (transitiv) und Tätigkeiten (intransitiv) ausgedrückt. In Aktivsätzen wird das Szenario aus der Perspektive des Agens (Handlung) oder des Akteurs (Tätigkeit) betrachtet.134

132 Die teilweise Grammatikalisierung beinhaltet auf jeden Fall die Herausbildung des Hilfsverbs. Die vollständige Grammatikalisierung des Passivs erfolgt erst im 16./17. Jh. (Ágel 2000a). 133 Vgl. umfassend die IDS-Grammatik 1997/3: 1788  ff. Zu den nachfolgenden Überlegungen zur Perspektivierung im Passiv s. Ágel 1997. 134 In Anlehnung an den terminologischen Vorschlag von Irene Ickler (1990: 12) unterscheide ich zwischen den signifikativ-semantischen Rollen Handlungsträger (Agens) und Tätigkeitsträger (Akteur), I/3.5.

372 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

–– T ätigkeiten lassen sich passivisch uneingeschränkt als Vorgänge und mit (gro­ ßen) Einschränkungen als Zustände umperspektivieren: Das subjektlose seinZustandspassiv „scheint (ohne weiteres Komplement) häufig ausgeschlossen zu sein“ (IDS-Grammatik 1997/3: 1810).135 In passivisch umperspektivierten Tätigkeitsätzen wird das Szenario mangels Subjekt aus der Perspektive des Geschehens (Vorgang oder Zustand) selbst betrachtet, der Fokus liegt also auf dem szenierenden Prädikat. –– Handlungen lassen sich passivisch uneingeschränkt als Vorgänge und mit Einschränkungen als Zustände umperspektivieren (zu den Einschränkungen s. IDSGrammatik 1997/3: 1814  f.). Im Unterschied zu passivisch umperspektivierten Tätigkeitsätzen enthalten passivisch umperspektivierte Handlungssätze alle ein Subjekt. –– Syntaktisch können die dynamischen Passivsubjekte den Akkusativ- oder den Dativobjekten der Verben im Aktiv entsprechen: sog. Akkusativ-/Patienspassiv ((160b) und (160c)) bzw. Dativ-/Rezipientenpassiv ((160d) und (160e)). Dabei haben sowohl das Akkusativpassiv als auch das Dativpassiv je eine Vorgangs- und Zustandsvariante. M. a. W., das sein-Zustandspassiv verhält sich zum werden-Vorgangspassiv (beides Akkusativpassive) in etwa so wie das haben-Zustandspassiv zum bekommen-Vorgangspassiv (beides Dativpassive).136 Die Herausbildung des wesentlich jüngeren Dativpassivs (wohl erst 16. Jh.) mit Vorgangs- und Zustandsvariante ist aus der Perspektive des Gesamtsystems nur verstehbar, wenn man das (ältere) Akkusativpassiv ebenfalls mit Vorgangs- und Zustandsvariante voraussetzt. Zustands­ passiv-Test

Da das Zustandspassiv grundsätzlich impliziert, „dass der im Perfektpassiv ausgedrückte Vorgang in der Vergangenheit stattgefunden hat (die Tür ist geöffnet ⊂ die Tür ist geöffnet worden)“ (Vogel 2006: 203), lässt das Zustandspassiv ((158)) sich vom Prädikativgefüge ([23]) und sein-P(lusquamp)erfekt ([31]) mit Hilfe des ‚worden-Hinzufügungstests‘ abgrenzen (s. auch ten Cate 2010): (158) Der Eingang ist tief in den künstlichen Hügel eingeschnitten. → Der Eingang ist tief in den künstlichen Hügel eingeschnitten worden.

135 Die Einschränkung könnte damit erklärt werden, dass Sätze mit subjektlosem sein-Zustandspassiv entity-zentrale thetische Sätze (Vogel 2006: 70), d.  h. eine periphere Kategorie von (typischerweise event-zentralen) thetischen Sätzen, sind. 136 Zum Passivsystem Kap. III/3.2.4 und dort Abb. 17, vgl. auch Eroms 2000: 393  ff. Zum Dativpassiv s. vor allem Leirbukt 1997, zum sein-Passiv IDS-Grammatik 1997/3: 1808  ff. Die Annahme eines transitiven Kopulaverbs haben erwägt Björn Rothstein (2007) bei Konstruktionen des Typs Das Pferd hat die Fesseln bandagiert (sog. partizipialer Haben-Konfigurativ). Nach meiner Auffassung liegt hier das haben-Zustandspassiv vor (Kap. III/3.2.4).



Prädikat: statische Prädikate 

 373

[23]

Als die Grünauer sehen, dass die Landesbühne sie zu ihrem Fest beehrt, (Subjektssind prädikativ-) sie (ge- begeistert füge). → ??Die Grünauer … sind begeistert worden. [31] Polizisten (Par- waren ti-) sowieso schon da und dort (kel- aufgetaucht verb) […]. → ??Polizisten … waren aufgetaucht worden. Kehren wir nun zurück zur Abb. 11. Wie ersichtlich, basiert die Polyfunktionalität von sein nicht nur auf dessen Einbindung in unterschiedliche Paradigmen, sondern auch in unterschiedliche Distributionsklassen. Eine Distributionsklasse ist die Menge der sprachlichen Elemente, die dieselbe Position in der lexikalischen oder grammatischen Struktur besetzen können und sich dabei auch koordinieren lassen:137

Abgrenzung vom Vollverb sein

(161) das blonde zarte kluge Mädchen Die Adjektivformen blonde, zarte und kluge können alle die Position zwischen bestimmtem Artikel und Substantiv besetzen, schließen sich jedoch gegenseitig nicht aus: das blonde, zarte und kluge Mädchen.138 Wie Abb.  11 zu entnehmen ist, bildet das Verb sein mit zwei verschiedenen Gruppen von Verben je eine Distributionsklasse. Dies ist auf jeden Fall ein gewichtiges funktionales (aber nicht notwendigerweise ein semantisches) Differenzierungsmerkmal.139 Wenn sich das Verb sein in einem konkreten Kontext durch zweifelsfreie Vollverben ersetzen und mit diesen koordinieren lässt, handelt es sich um das Vollverb, wenn es dagegen mit anderen Kopulaverben eine Distributionsklasse bildet, um die Kopula:140 (162) Klaus ist/arbeitet/wohnt in Siegen. (163) Klaus ist/wird/scheint gesund.

137 Nach der eleganten Definition von Eugenio Coseriu ist eine Distributionsklasse „eine syntagmatische Beziehung in absentia“ (Coseriu 1988: 145). Beispiel nach Albrecht 1988: 47. Mehr zur Distributionsklasse Kap. II/2.4. 138 Im Gegensatz zu Gliedern eines Paradigmas, z.  B. *das blonde, rothaarige und schwarzhaarige Mädchen (Albrecht 1988: 47). 139 Émile Benveniste weist anhand von zahlreichen Sprachen und Sprachfamilien eindrucksvoll nach, dass es typologisch gesehen „keine natürliche oder notwendige Beziehung zwischen dem verbalen Begriff »existieren«, »wirklich vorhanden sein« und der Funktion der »Kopula« gibt.“ (Benveniste 1974: 212) 140 Zu diesem Test s. auch Helbig 2008: 82. Nicht verwendbar für diesen Test ist das Verb bleiben, das sowohl als Vollverb (Klaus bleibt in Siegen) wie auch als Kopulaverb (Klaus bleibt gesund) einsetzbar ist.

Distributionsklassen-Test

374 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Argumente für den Prädikats­ status

Zwei Argumente für den Prädikatsstatus der Prädikativgefüge wurden einleitend bereits genannt: 1. Szenierungsargument: Um Nichtereignis-Prädikate bilden zu können, müssen (prototypischerweise) Adjektive und Substantive qua Kopula (als Verbalisator) vollverbäquivalent, d.  h. zum verbalen Valenzträger, gemacht werden. 2. Analogieargument: Die Alternation von Subjekts- und Objektsprädikativgefügen ist analog der von prototypischen Funktionsverbgefügen bzw. der rezessiv-kausativen Alternation. Wenn diese als Prädikate angesehen werden, müssen auch die Prädikativgefüge als Prädikate eingeordnet werden.141

typologische Argumente

Zu diesen Argumenten sollen nun weitere hinzugefügt werden, allen voran zwei typologische Argumente, die das Szenierungsargument flankieren sollen. Ich gehe dabei von der typologisch neutralen, d.  h. nicht (west-)eurozentrischen, Position von Émile Benveniste (1974: 211  ff.) aus, nach der Sprachen mit obligatorischer Setzung der Kopula (wie z.  B. Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch, Japanisch, Finnisch) nicht die Regel, sondern nur eine mögliche Option darstellen, mit der „Pause“ (Benveniste 1974: 212) zwischen Subjekt und Prädikativum umzugehen: »Peter [PAUSE] gesund/Arzt« Das erste Typologieargument bezieht sich auf die Frage, ob die „Pause“ in jeder Sprache zu füllen ist. Beim zweiten geht es um die Frage, ob die ‚Pausenfüller‘, soweit sie vorhanden sind, immer Verben sein müssen:142 3. Typologieargument I: Sprachen mit obligatorischer Kopulasetzung stellen typologisch das eine Extrem dar. Das andere Extrem sind Sprachen, in denen die „Pause“ nie gefüllt wird.143 Zwischen diesen beiden Extremen befinden sich zahlreiche Sprachen, in denen die Kopula nur unter bestimmten Bedingungen gesetzt wird, typischerweise, wenn es nicht um Gegenwärtiges, sondern um Vergangenes oder Zukünftiges geht, z.  B.144 Maltesisch: (164) (a) Albert tabib. ‚Albert ist Arzt‘ [wörtlich: ‚Albert Arzt‘] Albert kien tabib. ‚Albert war Arzt‘ (b)

141 Das Analogieargument lässt sich – mutatis mutandis – auch auf die Relation des Zustandsreflexivs (Kap. III/2.1.3) zu dem zugrunde liegenden pseudo-exoaktiven Medialverb anwenden. 142 Bei den nachfolgenden Aussagen stütze ich mich auf Stassen 1997 und den 386 Sprachen umfassenden Überblick vom selben Autor (Stassen 2005). Auch die Beispiele werden von Stassen (2005) übernommen. 143 Wie z.  B. im Singhalesischen, einer Indo-Arischen Sprache, Staatssprache von Sri Lanka. 144 Zu dieser Gruppe von Sprachen gehören in Europa: Tschechisch, Polnisch, Ungarisch, Russisch, Lettisch, Litauisch und Maltesisch.



Prädikat: statische Prädikate 

 375

Russisch: (165) Ona vrač. ‚Sie ist Arzt‘ [wörtlich: ‚Sie Arzt‘] (a) Ona byla vrač. ‚Sie war Arzt‘ (b) 4. Typologieargument II: Die ‚Pausenfüller‘, soweit sie vorhanden sind, können wie im Deutschen, Englischen oder Russischen Verben, aber auch nichtverbale Kopulae wie Demonstrativa, Personalpronomen oder sogar Personalendungen am Prädikativum sein, z.  B.145 Hebräisch: (166) Moše hu student. ‚Moshe ist Student‘ [wörtlich: ‚Moshe er Student‘] Türkisch: (167) Türk-üm. ‚Ich bin Türke‘ [wörtlich: ‚Türke-ich‘] Der Streifzug durch die ‚Pausenfüllung‘ sollte zeigen, dass das Szenierungspotenzial sprachenübergreifend beim Prädikativum liegt, woraus folgt, dass es funktionalgrammatisch und typologisch inadäquat wäre, verbale Kopulae wie das deutsche Kopulaverb sein als Prädikate zu betrachten. Illustriert werden soll die Inadäquatheit an einem deutsch-russischen Beispielpaar: (165) (a) Ona vrač. (168) Sie ist Arzt. Würde man (wie versuchsweise im Beispiel (168) markiert) annehmen, dass das Prädikat des deutschen Satzes ist (und nicht ist Arzt) ist, würde dies implizieren, dass Deutsch und Russisch hier zwei grundverschiedene Szenarios realisieren: Arzt-Szenario (Russisch) vs. Ist-Szenario (Deutsch).146 Die weitgehende Bedeutungsidentität der Beispiele macht jedoch das Postulat von grundverschiedenen Szenarios unplausibel.147

145 Zu „nonverbal copulas“ s. Stassen 1997: 76  ff. 146 Eine andere – allerdings nicht funktionalgrammatisch und typologisch, sondern formalgrammatisch motivierte – Option ist, im Russischen eine sog. Nullkopula anzunehmen (Geist 2006: 162  ff.). Würde man diese Option auf alle 175 Sprachen, die von den von Stassen untersuchten 386 Sprachen ohne Kopula auskommen, ausdehnen, käme man zu einer Art Parametrisierung ‚+/-Kopula-DropSprachen‘, die dieselbe typologisch inadäquate Implikation hätte wie der sog. Pro-Drop-Parameter: Es gebe typologisch irgendwie normale Sprachen (allen voran das Englische), und der Rest sei eben ‚exotisch‘. 147 Auch im Deutschen gibt es (markierte) Prädikativgefüge ohne Kopula wie z.  B. Das Leben ein Traum. Diese sog. Internen Prädikationen wurden als (afinite) dynamische Prädikativsätze analysiert (Kap. II/2.5). Der Unterschied etwa zum Russischen oder Maltesischen besteht darin, dass in diesen Sprachen die kopulalosen Prädikativsätze statisch sind.

376 

Synonymie­ argument

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Wir verlassen nun die typologische Argumentation und gehen zu Argumenten über, die die Struktur des Deutschen betreffen. Dabei können die Argumente Nr.  5 und Nr. 6 auch als direkte ‚Anwendungen‘ der typologischen Argumente, die ja ihrerseits das Szenierungsargument stärken sollten, angesehen werden: 5. Synonymieargument: Bereits Meiner weist darauf hin, dass Vollverben in einer Sprache Prädikativgefügen in einer anderen entsprechen können (Anm. 110, vgl. auch lat. milito ‚ich bin Soldat‘). Dass sich Vergleichbares auch innerhalb derselben Sprache beobachten lässt, darauf wurde oben schon hingewiesen (vgl. wohnen / wohnhaft sein, ähneln / ähnlich sein und pubertieren / pubertierend sein). Hier beschränken wir uns deshalb nur auf ein Beispielpaar: (169) Er dankt uns für die Hilfe. (170) Er ist uns für die Hilfe dankbar. (zit. n. Hyvärinen 2003: 750)

Koordinier­ barkeits­­ argument

Wortstellungs­ argumente

In solchen Fällen geht es, wie oben gezeigt, um teilweise Synonymie zwischen Vollverb-Prädikaten, die Ereignisse ausdrücken, und Prädikativgefügen, die Nichtereignisse indizieren. In Anlehnung an Hans-Werner Eroms (2012) ließe sich hier auch von kompakten (wohnen, ähneln, pubertieren und danken) vs. expandierten (wohnhaft/ ähnlich/pubertierend/dankbar sein) Strukturen sprechen. 6. Koordinierbarkeitsargument: Vollverb-Prädikate und Prädikativgefüge lassen sich mitunter koordinieren. Dies ist der Fall bei den folgenden Satzverbindungen: (171) Das Atomkraftwerk nahe ihres Wohnortes ist nach dem Erdbeben nicht mehr funktionstüchtig und strahlt stark in die Umgebung aus.148 (172) Sie […] schob alles nah an ihn heran und schien zufrieden, nachdem sie diese lästige Pflicht hinter sich hatte. (Lenz Deutschstunde: 88) Eine funktionalgrammatische Auffassung, nach der hier ein Ist-Szenario mit einem Strahlt-aus-Szenario bzw. ein Schien-Szenario mit einem Schob-heran-Szenario verbunden sein sollte, dürfte kaum zu begründen sein. Es handelt sich vielmehr um ein Ist-funktionstüchtig- bzw. ein Schien-zufrieden-Szenario mit den Kopulaverben sein bzw. scheinen. Die Argumente Nr. 7 und Nr. 8 beziehen sich auf die Wortstellung: 7. Klammerargument: Prädikativgefüge bilden wie alle mehrgliedrigen Prädikate eine Verbalklammer: (173) Er ist dem Kind, das er erst gestern kennen gelernt hat, für den Ball, den Özil unterschrieben hat, dankbar.

148 Zitat aus einem studentischen Brief, der am 20. April 2011 im Rahmen eines Kasseler Hauptseminars verfasst wurde.



Prädikat: statische Prädikate 

 377

8. Topikalisierungsargument: Der jeweilige rechte Klammerteil eines mehrgliedrigen Prädikats lässt sich ins Vorfeld verschieben (= topikalisieren). Dies gilt auch für das Prädikativgefüge: (173) (a) Dankbar ist er dem Kind, das er erst gestern kennen gelernt hat, für den Ball, den Özil unterschrieben hat. [12a] Eingebracht hat das dem Professor Vier Jahre Isenbüttel. [21a] Ausschlagen können sie diese schöne Einladung einfach nicht. Methodisch besonders lehrreich ist das Topikalisierungsargument deshalb, weil die Verschiebeprobe/Umstellprobe in der Regel benutzt wird, um für den Satzgliedstatus einer Wortgruppe zu argumentieren (s. etwa Duden 2005: 783). Wenn man allerdings das Topikalisierungsargument vor dem Hintergrund des Klammerarguments betrachtet, muss man zu dem Schluss kommen, dass es zwei verschiedene Typen von Topi­ kalisierungen gibt, je nachdem, ob man (a) Wortgruppen aus dem Mittelfeld oder (b) den rechten Klammerteil ins Vorfeld verschiebt. Methodisch geht es also nicht nur um das Wohin, sondern auch um das Woher, was im Falle von Relationen nicht überraschend ist. Typ (b) – Topikalisierung des rechten Klammerteils – stellt ein Argument für Prädikatsstatus, Typ (a) – Verschiebung einer Wortgruppe aus dem Mittelfeld ins Vorfeld – ein Argument für Satzgliedstatus dar. In diesem Sinne ist das Prädikativum dankbar im Vorfeld des Satzes (a) ein Prädikatsteil, während die Vorfeld-Wortgruppen in den Sätzen (b) und (c) Satzglieder (Dativ- bzw. Präpositionalobjekt) sind:

das Janusgesicht der Topikalisierung

(173) (b) Dem Kind, das er erst gestern kennen gelernt hat, ist er für den Ball, den Özil unterschrieben hat, dankbar. (c) Für den Ball, den Özil unterschrieben hat, ist er dem Kind, das er erst gestern kennen gelernt hat, dankbar. Abschließend seien noch zwei weitere Argumente erwähnt, die jedoch nicht die Tragweite der Argumente Nr. 1–8 haben: 9. Kopulaweglassungsargument: Wenn adverbiale Nebensätze verkürzt werden, wird der Verbalisator und nicht das Prädikativum, bei dem das Szenierungspotenzial liegt, weggelassen:

Weglassbarkeitsargument

(174) Er soll, falls krank, anrufen. (zit. n. IDS-Grammatik 1997/1: 583) → *Er soll, falls (er) ist, anrufen. 10. Idiomargument: Es gibt Idiome mit integrierter Kopula (Fleischer 1997: 141), die als verbale Phraseologismen von nominalen zu unterscheiden sind: (175) Peter ist sein eigener Herr. [verbaler Phraseologismus] → ??Seinen eigenen Herren kann man sich nicht aussuchen.

Idiom­ argument

378 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

(176) Karl ist guter Dinge. [verbaler Phraseologismus] → ??Vor ihr stand ein Mann guter Dinge. (177) Die Sache ist eine schwierige Kiste. [nominaler Phraseologismus] Auf so eine schwierige Kiste hätte ich gern verzichtet. →

Argumente gegen den Prädikats­ status?

Valenz von Kopulae?

Wie man an den Proben sieht, kann der nominale Teil eines Idiom-Prädikats mit integrierter Kopula syntaktisch nicht abgetrennt werden, d.  h. Kopula + nominaler Teil fungieren tatsächlich wie ein Vollverb. Dagegen lässt sich ein nominaler Phraseologismus wie eine schwierige Kiste syntaktisch variabel einsetzen. Das wohl wichtigste Argument gegen den Prädikatsstatus der Prädikativgefüge, dass nämlich das Prädikativum vorfeldfähig und deshalb Satzglied sei, konnte oben (s. Argument Nr. 8) nicht nur methodisch entkräftet, sondern auch als Pro-Argument verwendet werden. Drei potenzielle Gegenargumente bleiben übrig: 1. Die Kopula ist nicht nur Verbalisator, sondern verfügt selber wenigstens partiell über Valenz. 2. Im Gegensatz zum prototypischen Adjektiv verfügt das prototypische Substantiv über keine Valenz. Folglich gibt es hier auch keinen nichtverbalen Valenzträger, der qua Kopula ‚verbalisiert‘ werden könnte. 3. Nichtprototypische Kopulaverben sind keine reinen Verbalisatoren. Ad 1: Wie im Kap. III/1.3.1 argumentiert, haben Valenzintuitionen empirische Korrelate, nämlich die Valenzrelationen FOSP (= formale Spezifizität = Rektion), NOT (= Notwendigkeit) und INSP (= inhaltliche Spezifizität, d.  h. semantische Rollen), z.  B. (178)

INSP

(Nominativ+NOT

Man+Handlungsträger) öffnet (Akkusativ+NOTdie Tür+Handlungsgegenstand).

Was INSP anbelangt, geht sie nicht von der Kopula aus, sondern vom Prädikativ, das die semantische Qualität des Subjekts/Akkusativobjekts festlegt. Wenn Kopulasätze semantisch ‚merkwürdig‘ sind, dann deshalb, weil das Subjekt/Akkusativobjekt semantisch nicht aufs Prädikativ abgestimmt ist: [23] [a] Die Grünauer sind begeistert. [b] ?Die Tulpen/Tatsachen/Briefe sind begeistert. [c] Ich finde die Grünauer begeistert. [d] ?Ich finde die Tulpen/Tatsachen/Briefe begeistert.

NOT

Was NOT anbelangt, scheint die Kopula auf den ersten Blick Valenzträger zu sein, denn die Nichtrealisierung des Prädikativs (Weglassprobe) führt zu inkorrekten Sätzen:



Prädikat: statische Prädikate 

 379

*Die Grünauer sind. → → *Ich finde die Grünauer.149 Doch die Diskussion von NOT müssen wir methodisch aus gleich zwei Gründen ausschließen. Einerseits deshalb, weil sich die Nichtweglassbarkeit des Prädikativs auch aus seiner Funktion als INSP-Quelle herleiten lässt: Wenn man das semantische Zentrum des Satzes weglässt, ist der Satz eben unabhängig von sonstigen möglichen Einflussfaktoren ungrammatisch. Andererseits deshalb, weil es hier eine Frage der theoretischen Perspektive (und nicht von empirischen Evidenzen) ist, wie man mit der Weglassprobe umgeht: Als Befürworter der Valenzträger-Auffassung wird man von der Kopula als Valenzträger ausgehen und die (Nicht-)Weglassbarkeit des Prädikativs ‚nachweisen‘ (s. oben). Als Befürworter der Verbalisator-Auffassung wird man vom Prädikativ ausgehen und deshalb gar nicht auf die Nichtweglassbarkeit des Prädikativs, sondern auf die strukturelle Notwendigkeit der Kopula verweisen wollen. Was FOSP anbelangt, hat das Kopulaverb „keinen Einfluss auf die Form des Subjekts. Es ist mit jeder Form von Subjekt verträglich, die das Prädikatsnomen zulässt.“ (Eisenberg 2006/2: 87) Dass das Subjekt unregiert (= -FOSP) ist, ist aber nicht das, was man von einem Vollverb-Valenzträger erwartet. Denn Subjekt- und Objektkomplemente sind +FOSP, d.  h., deren Form wird vom verbalen Valenzträger regiert. Daher bleibt ‚nur noch‘ die Frage, ob wenigstens die Form des Prädikativs von der Kopula festgelegt wird, also das Prädikativ +FOSP ist. Diese Frage lässt sich allerdings final nicht beantworten. Eisenberg (2006/2: 87  f.) beantwortet die Frage mit Ja und postuliert, dass die Kopula die Form des Prädikativs  – beim Substantiv den Kasus, beim Adjektiv die Kasus-, Genus- und Numeruslosigkeit – festlegt. Die IDS-Grammatik (1997/2: 1107) hingegen argumentiert mit der formalen Vielfalt möglicher Prädikative für -FOSP des Prädikativs. Im Grunde sind wir also auch im Falle von FOSP bei dem methodischen Problem gelandet, dass es die jeweilige theoretische Perspektive ist, die den FOSP-Status des Prädikativs festlegt. Klar ist allerdings, dass das Subjekt nicht regiert ist.150 Ad 2: Verbalisierung qua Kopula ist ein struktureller Vorgang, der unabhängig von der Valenz des zu verbalisierenden Sprachzeichens ist. Substantive, die im Gegensatz zu Verben und Adjektiven genuin nichtrelationale (= absolute) Sprachzeichen sind,

149 Nicht der Satz als solcher ist ungrammatisch, sondern der Satz als Reduktion von [23c] mit der Bedeutung *‚Ich bin der Meinung, dass die Grünauer‘. Eine methodisch gültige Anwendung der Weglassprobe setzt nämlich voraus, dass man denselben Valenzträger mit derselben Bedeutung testet (Jacobs 1994: 14). 150 Oliver Teuber (2005: 50  ff.) setzt sich mit Eisenbergs Kopula-Auffassung auseinander und kommt zu dem Schluss, „dass das Kopulaverb dem Substantiv oder Adjektiv dazu verhilft, ein syntaktisch einigermaßen normales Prädikat zu bilden.“ (Teuber 2005: 53). Das entspricht Tesnières, Coserius und Meiners zitierter Verbalisator-Auffassung.

FOSP

absolute vs. relationale Sprach­ zeichen

380 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

können sehr wohl qua Kopula verbalisiert, nicht jedoch qua Verbalisierung zu relationalen Sprachzeichen, d.  h. zu Valenzträgern, gemacht werden.151 Auch als Prädikative bleiben sie also absolut, d.  h. ohne genuine Valenz. Deshalb stehen sie als Prädikative für Klassen- und nicht für Eigenschaftszuweisung zur Verfügung. Der Unterschied ‚relativ vs. absolut‘ zwischen genuinen Adjektiven und Substantiven wirkt sich auf den Umfang des Prädikativgefüges aus: [16] [die beiden] (Subjekts- sind prädikativ-) weitläufig (ge- verwandt füge) (Präpositional- mit den Brewster-Tanten aus Arsen und Spitzenhäubchen objekt). (179) Solche Arbeiter sind (Genitiv- ihres Lohnes objekt) wert. (180) (Dativ- Mir objekt) ist das Treiben verhasst. (Heringer 1996: 80  f.) [7] Schauplatz ist gefüge) das Gefängnis Isenbüttel, dessen (SubjektsprädikativInsassen zumeist Kleinkriminelle sind, die hier ihre paar Jahre absitzen. [7a] Schauplatz des Geschehens ist das Gefängnis Isenbüttel. [7b] Den Schauplatz des Geschehens kann man sich nicht aussuchen. [7c] An den Schauplatz des Geschehens kann ich mich sehr wohl erinnern. Adjektivkomplemente  – (verwandt) mit X, (wert) XGenitiv, (verhasst) XDativ  – werden, wenn das Adjektiv qua Kopula verbalisiert wird, zu Komplementen des Prädikats, d.  h., sie werden strukturell (von Mikrogliedern) zu Mesogliedern (Satzgliedern im engeren Sinne) aufgewertet (Hyvärinen 2003: 750). Dagegen bleibt ein Attribut zu einem Substantiv – des Geschehens in [7a-c] – unabhängig von dem grammatischen Wert der Substantivgruppe Attribut. Deshalb können substantivische Subjektsprädikativgefüge mitunter sehr umfangreich sein, vgl. [22] Grünau (Subjektsprädikativ- scheint eine fröhliche und erstaunlich kulturversessene Gemeinde, wie es auch in Schleswig Holstein nicht so viele gibt . gefüge) [11] (gespalte- Das war nes) er auch, (Subjektsprädikativ- für Literatur sogar, Spezialgebiet Sturm und Drang gefüge), bis aufflog, dass er sich selbst zu oft als Stürmer und Bedränger gefallen und die hübschesten und schlechtesten Studentinnen mit Höchstlob durchs Examen geschleust hatte. Es besteht also eine ‚natürliche‘ Asymmetrie zwischen dem Umfang adjektivischer und substantivischer Prädikativgefüge, die die semiotische Asymmetrie zwischen einer genuin relationalen und einer genuin absoluten Wortart widerspiegelt.

151 Die Betonung liegt auf ‚genuin nichtrelational‘. Natürlich gibt es auch relationale Substantive, die über Valenz verfügen, Kap. IV/2.2.



Prädikat: statische Prädikate 

 381

Ad 3: Dass nichtprototypische Kopulaverben keine reinen Verbalisatoren sind, ist nicht zu bezweifeln, vgl. [22] und

Darstellungsvs. Einstellungskopulae

[37] Zwei Zellengenossen (Subjektsprädikativ- sind Freunde geworden gefüge). (181) Sie wurden dagegen resistent. (Heringer 1996: 80) Die Kopula werden etwa stellt eine Klassen- bzw. Zustandszuweisung ([37] bzw. (181)) als Zustandsveränderung dar, ist also inchoativ. Sie ist  – so wie die Kopulae sein und bleiben – eine Darstellungskopula mit Aktionsartbedeutung. Dagegen drückt die Kopula scheinen ([22]) – so wie das Halbmodalverb scheinen – Evidentialität (Kap. III/2.1.2), also eine Art Einstellung, aus, sie ist eine Einstellungskopula. Mit Gegenargument Nr. 3 ist genau dieser Punkt angesprochen: ‚Wie viel‘ zusätzliche Bedeutung verträgt eine Kopula oder umgekehrt: ‚Ab welchem Punkt‘ muss man schon von einem Vollverb sprechen? Man kann diesem Gegenargument erstens ganz allgemein begegnen und darauf hinweisen, dass Abgrenzungsschwierigkeiten die Grenzen zwischen prototypisch definierten Kategorien nicht in Frage stellen. Nur, weil es in einem Satz wie Irren ist menschlich unklar ist, ob Irren als Verb (Infinitiv) oder als Substantiv (substantivierter Infinitiv) gebraucht wird, sollte man die Kategorien ‚Verb‘ und ‚Substantiv‘ nicht in Frage stellen. Konkret ist einerseits an den Distributionsklassen-Test zu erinnern. Der folgende Beleg zeigt etwa, dass sein und sich fühlen zu derselben Distributionsklasse gehören: (182) Ich war bereit, Hanna zu heiraten, ich fühlte mich verpflichtet gerade in Anbetracht der Zeit. (Frisch Homo: 55) Da sein hier Kopula ist, muss also auch sich fühlen als Kopula eingestuft werden. Andererseits gibt es im Deutschen eine Kopulativpartikel, nämlich das Wörtchen als.152 Wenn sie obligatorischer Verbbegleiter ist, wenn also als und das Verb einen Ausdruck (Feilke 1996: 71  ff.) bilden, bildet der Kopulaausdruck ‚Verb+als‘ eine Distributionsklasse mit Kopulawörtern: (183) […] und der sonderbare Lärm, der mich jeden Morgen geweckt hatte, erwies sich als Musik […]. (Frisch Homo: 54)

152 Es handelt sich um ein Unikat, dessen Wortart (kategorialer Status) umstritten ist (zum Überblick s. Flaate 2007: 50  f.). Am nächsten verwandt ist als mit wie, weshalb die IDS-Grammatik (1997/1: 61) für beide Wörtchen die Wortart ‚Adjunktor‘ vorsieht, s. auch Eggs 2006 und 2007. Generell zum Status von als/wie-Gruppen Kap. IV/1.3.

die Kopulativpartikel als

382 



rezessivkausative Kopulae

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

und der sonderbare Lärm, der mich jeden Morgen geweckt hatte, war/schien Musik.

Neben Kopulawörtern wie sein, scheinen, werden gibt es also auch Kopulaausdrücke wie gelten als, sich erweisen als, betrachten als usw.153 Ein obligatorisches als stellt ein zuverlässiges Signal für einen Kopulaausdruck dar.154 Ein wichtiges Teilsystem der Prädikativgefüge, das auch in Tab. 33 (Kap. III/2.1.2) vertreten ist, haben wir zwar oben angekündigt, aber bisher vernachlässigt: die rezessiv-kausativen (endoaktiv-exoaktiven) Prädikativgefüge: (184) (a) Wir wurden neugierig, […]. (b) Die Blitzlichter draußen vor dem Bus machten uns neugierig, […]. (Lenz Landesbühne: 66) (185) (a) Die Küche wird sauber. (b) Er macht die Küche sauber. (zit. n. Möller 2010: 185) (186) (a) So werden Sie zum Lehrer (des Jahres) / Millionär / Beamten! (b) Wir machen Sie zum Lehrer (des Jahres) / Millionär / Beamten! Rezessiv sind die (a)-Sätze, in denen die Strukturen ‚Kopulaverb werden + Adjektiv‘ bzw. ‚Kopulaausdruck werden zu + Substantiv‘ realisiert werden, kausativ die (b)-Sätze mit ‚Kopulaverb machen + Adjektiv‘ bzw. ‚Kopulaausdruck machen zu + Substantiv‘.155 Die Alternation der rezessiv-kausativen Prädikativgefüge lässt sich wie folgt darstellen:156

153 Bei den Kopulaausdrücken handelt es sich um Beispiele für „differenzierende Ausdrucksbildung“ (Feilke 1996: 132  ff.). Zu Ausdrücken und Ausdrucksarten auch Kap. I/2.4.5. 154 Die Kopulativpartikel als kann nach meiner Auffassung insgesamt vier Verwendungsweisen haben, sodass ein beliebiges Textvorkommen eines als-Prädikativs theoretisch an vier verschiedenen grammatischen Werten partizipieren kann. (1) als-Prädikativ als Teil eines statischen Prädikats (= Kopulaausdruck), (2) als-Prädikativ als Teil eines dynamischen Prädikats (Kap. III/2.2.3 und III/3.1.5), (3) Freies als-Prädikativ (Kap. III/3.1.6) und (4) als-Prädikativ als Attribut bzw. Appositiv (Kap. IV/1.3 und IV/2.3). Folglich ist der Terminus ‚Kopulativpartikel‘ keine Wortart, sondern nur eine Sammelbezeichnung für vier verschiedene grammatische Werte. 155 Renate Steinitz (1997: 347) nennt in einem vergleichbaren theoretischen Zusammenhang tun/ machen „kausative Kopula“ (Anführungszeichen im Original), worauf Möller (2010: 198, Anm.  35) aufmerksam macht. Aus der Sicht der Grammatischen Textanalyse kann das Anführungszeichen weggelassen werden. Auf den systematischen syntaktisch-semantischen Zusammenhang, d.  h. auf die Alternation von „Konstruktionen mit den semantisch unterdeterminierten Verben werden und machen“ geht Stefan Feihl (2009: 55  ff.) ein. 156 Handlung ist hier als kausative Zustandszuweisung zu interpretieren. Auf den immanenten (signifikativ-semantischen) Zusammenhang zwischen Szenarioklassen weist Welke (2012) hin: „Ein





Prädikat: statische Prädikate 

Subjekt Vorgangsträger Die Küche Sie

 383

– Prädikat – – Endo-Vorgang – wird sauber werden zum Lehrer

Subjekt – Prädikat – Handlungsträger – Handlung – Er macht sauber Wir machen zum Lehrer

Akkusativobjekt Handlungsresultat die Küche Sie

Einleitend wurden Prädikativgefüge metaphorisch analytische Vollverben genannt. Dieses Bild trifft voll und ganz auf die rezessiv-kausativen Prädikativgefüge zu. Als rezessive bzw. kausative Verbalisatoren machen die Kopulae werden/werden zu bzw. machen/machen zu einerseits Szenierungen möglich, für die es keine Vollverben gibt, andererseits stellen die rezessiven bzw. kausativen Prädikativgefüge mitunter Teilsynonyme zu Vollverb-Prädikaten dar:157 *Die Blitzlichter draußen vor dem Bus neugierten uns. → → Er reinigt/putzt die Küche. → *So lehrern/millionärn/beamten Sie! → *Wir verlehrern/vermillionärn Sie! → Wir verbeamten Sie! (187) Die Wäsche wird trocken. Die Wäsche trocknet. → (188) Meine Knie werden weich. (zit. n. Feihl 2009: 43) *Meine Knie weichen. → (189) […] eine Sorge, die mich ärgerte und geradezu wütend machte.158 (Frisch Homo: 55)

Vorgang wird zu einer Handlung oder einer Tätigkeit, wenn er durch ein handelndes Agens ausgelöst wird, und ein Zustand wird Resultat einer Handlung, wenn er durch ein handelndes Agens ausgelöst wird. So verwendet man die Wörter ‚Vorgang‘ und ‚Handlung/Tätigkeit‘ auch im Alltag. Man kann ferner Handlungen alltagssprachlich in einem verallgemeinerten Sinne auch als Hyponym zu ‚Vorgang‘ als Hyperonym auslegen. Auch in den üblichen semantischen Auflösungen der Prädikate sind Vorgänge/Zustände Komponenten von Handlungen. In den Auflösungen operieren Konstanten wie do und cause (tun und verursachen) über Konstanten wie proc, state, poss (Prozess, Zustand, Besitzen).“ Zu der semantischen Rolle Handlungsresultat (Resultativpatiens) Kap. III/1.3.3. 157 Im letzteren Falle besteht die oben beim Synonymieargument in Anlehnung an Eroms 2012 beschriebene Relation zwischen kompaktem Vollverb-Prädikat und expandiertem Prädikativgefüge. 158 Im Beleg geht es um die Koordination der recycelten Prädikate zweiten Grades ärgerte und wütend machte.

384 

Kopulae in der ­Schweizer Standard­ varietät

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Da die kausativen Objektsprädikativgefüge in der Literatur bevorzugt als Resultativkonstruktionen mit Sonderstatus interpretiert werden, kommen wir auf sie noch einmal kurz bei den Resultativkonstruktionen zurück (Kap. III/2.2.3). Ihr Sonderstatus wurde jedoch hier sozusagen vorab geklärt: Semantisch sind sie zwar resultativ, aber sie stellen im Gegensatz zu den Prädikaten von Resultativkonstruktionen statische Prädikate dar. M. a. W., sie szenieren keine Szenarios um, sondern entwerfen genuine Szenarios. Bevor wir einen Blick auf das binnendeutsche System der Kopulae und Prädikativgefüge werfen, ist mit Christa Dürscheid (2007a: 106  ff.) noch darauf hinzuweisen, dass es im geschriebenen Schweizer Standarddeutsch drei weitere Verben – bedeu­ ten, darstellen, bilden – gibt, die als Kopulae funktionieren können,159 z.  B. (190) Ab dem 29. März 2002 bildet die Vorwahl ein fester Teil jeder Telefonnummer. (Beleg von Angelika Linke, zit. n. Dürscheid 2007a: 106) Diese Verben haben auch im Binnendeutschen eine kopulaähnliche Bedeutungsvariante, doch stellen sie dort Vollverben dar, vgl. (190’) Ab dem 29. März 2002 bildet die Vorwahl einen festen Teil jeder Telefonnummer.

zum System der Kopulaverben und Prädikativ­ gefüge

Nachdem die anfangs genannten Probleme Nr. 1 und 2 des prädikativen Problemkreises behandelt worden sind, stellt das Problem Nr. 3 eigentlich kein Problem mehr dar, da sich die Systematik der Kopulae und der Prädikativgefüge aus dem bisher Gesagten ergibt:160

159 Dürscheid verweist hier auch auf den Duden „Richtiges und gutes Deutsch“, wo im Wortartikel zu dem Verb bedeuten, das auch „eine Gleichsetzung ausdrücken kann“, zu den Beispielen Mord bedeutet elektrischer Stuhl und Diese Ernennung bedeutet für sie schneller Aufstieg gesagt wird, dass der Nominativ hier korrekt sei (Duden 2007: 138). 160 Das Kopulaverb werden mit adjektivischem Prädikativ steht in einem doppelten funktionalen Zusammenhang: Einerseits bildet es eine Distributionsklasse mit sein und bleiben, andererseits stellt es die rezessive Alternante zu kausativem machen mit adjektivischem Prädikativ dar. Dagegen ist das Kopulaverb werden mit substantivischem Prädikativ (X wird Lehrer) eindeutig (inchoativ), da die rezessive Alternante zum kausativen Kopulaausdruck machen zu der Kopulaausdruck werden zu ist (X wird zum Lehrer).



Prädikat: statische Prädikate 

 385

Tab. 40: System der Kopulae und Prädikativgefüge Nichtereignis-Perspektive (Klassen-, Zustands- und Eigenschaftszuweisungen) Darstellung

Einstellung

Darstellungskopulae

Einstellungskopulae

+Aktionsartkopulae

-Aktionsartkopulae

intransitiv(iert)

transitiv

intransitiv(iert) transitiv

intransitiv(iert) transitiv

(a) durativ: Er ist resistent/Lehrer. (b) inchoativ: Er wird resistent/ Lehrer. (c) kontinuativ: Er bleibt resistent/ Lehrer. (d) rezessiv (endoaktiv): Der Keim wird resistent. Er wird zum Lehrer des Jahres. Der Keim wird resistent gemacht. Er wird zum Lehrer des Jahres gemacht.

(e) kausativ (exoaktiv): Man macht den Keim resistent / ihn zum Lehrer des Jahres.

Der Lehrer Man nennt heißt Peter161 / den Lehrer wird Peter Peter. genannt.

Der Keim scheint / gilt als resistent. Der Lärm erweist sich als Musik. Ich fühle mich verpflichtet. Der Keim wird als resistent betrachtet. Der Keim wird für resistent gehalten. Der Keim ist als resistent zu betrachten

(typischerweise) Kopulawörter

Man findet den Keim resistent. Man betrachtet/ bewertet/beurteilt den Keim als resistent. Man hält den Keim für resistent. Man sieht den Keim für/als resistent an. Man hat den Keim als resistent zu betrachten. Man schimpft den Lehrer einen Esel.

(typischerweise) Kopulaausdrücke

161 Der Tabelle ist ein weiteres wichtiges Argument für die einheitliche Behandlung von Subjekts- und Objektsprädikativgefügen zu entnehmen: Die Passivierung von Objektsprädikativgefügen führt zu Subjektsprädikativ-Konstruktionen. Würde man das Objektsprädikativ nicht zum Prädikat rechnen, sondern als eigenes Satzglied betrachten, käme es zu einer Szenario-Diskrepanz zwischen Aktiv- und Passivsatz, die mit der kategorialen Umszenierung (Aktiv > Passiv) nicht erklärt werden könnte.162

161 vgl. auch [15] Es [= das Stück] (Subjektsprädikativ- heißt Das Labyrinth gefüge) und [16] Die beiden (Subjektspräheißen Trudi und Elfi gefüge) […]. dikativ162 Um Missverständnissen vorzubeugen: Dieses Argument besagt nur, dass Subjekts- und Objektsprädikativ einheitlich zu behandeln sind. M. a. W., wenn man das Subjektsprädikativ als eigenes Satzglied betrachtet, dann sollte man es auch mit dem Objektsprädikativ tun, bzw. wenn man

386 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Eine der prädikativen Aktiv-Passiv-Umszenierung vergleichbare Alternation lässt sich auch im Bereich der (dynamischen) Modalkonstruktionen (Kap. III/2.2.3), zwischen der (intransitiven) sein- und der (transitiven) haben-Modalkonstruktion, beobachten: (191) Die Aufnahme der so überraschenden Nachricht ist insofern ganz gewiss auch als eine Probe auf die politische und historische Urteilskraft zu betrachten. (FAZ, 07. 05. 2009) (191’) Man hat die Aufnahme der so überraschenden Nachricht insofern ganz gewiss auch als eine Probe auf die politische und historische Urteilskraft zu betrachten. periphere Kopulativ­ partikeln

für-Prädikativ vs. Prä­po­si­tio­ nalfür+AKK-objekt

Der Tabelle ist ebenfalls zu entnehmen, dass es neben der prototypischen Kopulativpartikel als auch zwei periphere gibt, nämlich die Präpositionen zu und für. Hier stellt sich die Frage, wie sich das für-Prädikativ vom Präpositionalfür+AKK-objekt bzw. das zuPrädikativ vom Präpositionalzu+DAT-objekt unterscheiden lässt. Der einfachere Fall ist die Präposition für: (192) Wir halten ihn für einen Arzt. (193) Wir sehen den Nachbarn für/als unseren Freund an. (Helbig/Schenkel 1978: 323 und 141) Es geht hier um die Kopulaausdrücke halten für und ansehen für/als. Wieso sollen aber die Präpositionalgruppen für einen Arzt und für unseren Freund für-Prädikative sein? Sind das nicht Präpositionalobjekte und folglich halten und ansehen in (192) und (193) keine Kopula-, sondern Vollverben? Man vergleiche: (194) Wir interessieren uns (Präpositional- für unseren Freund objekt).

Adjektivtest

Prädikativgefüge sind prototypischerweise Eigenschaftszuweisungsprädikate, das Prädikativ ist also ein Adjektiv. Dagegen sind Präpositionalobjekte Szenariokomplemente und als solche prototypischerweise präpositional eingeleitete Substantivgruppen (= Präpositionalgruppen). Der Adjektivtest zeigt uns also den Unterschied zwischen für-Prädikativen, die den Test bestehen, und Präpositionalfür+AKK-objekten, die ihn nicht bestehen: → Wir halten ihn für beratungsresistent. → Wir sehen den Nachbarn für/als beratungsresistent an. → *Wir interessieren uns für beratungsresistent.

das Subjektsprädikativ als Prädikatsteil analysiert, dann sollte man auch das Objektsprädikativ zum Prädikat rechnen.



Prädikat: statische Prädikate 

 387

Des Weiteren hilft auch hier die Weglassprobe, schließlich führt die Nichtrealisierung eines Prädikativs zur Szenarioänderung, während die Nichtrealisierung eines Präpositionalobjekts die Szenariorealisierung nicht tangiert:163

Weglass­ probe

[+Szenarioänderung] → Wir halten ihn. [+Szenarioänderung] → Wir sehen den Nachbarn. → Wir interessieren uns. [-Szenarioänderung] Der kompliziertere Fall ist die Kopulativpartikel zu:164 (195) Er ist zum Lehrer des Jahres geworden. (196) Wir haben ihn zum Lehrer des Jahres gemacht. → *Er ist geworden. [+Szenarioänderung] → ??Wir haben ihn gemacht. [+Szenarioänderung] → *Er ist zu glücklich geworden. / Er ist glücklich geworden. → *Wir haben ihn zu glücklich gemacht. / Wir haben ihn glücklich gemacht. (197) Er hat sich (Präpositional- zum Lehrer des Jahres objekt) entwickelt. (198) Wir haben ihn (Präpositional- zum Lehrer des Jahres objekt) gewählt. → Er hat sich entwickelt. [-/+Szenarioänderung] → Wir haben ihn gewählt. [-/+Szenarioänderung] → *Er hat sich zu glücklich entwickelt. / *Er hat sich glücklich entwickelt. → *Wir haben ihn zu glücklich gewählt. / *Wir haben ihn glücklich gewählt. Die Weglassprobe ist hier nur bedingt hilfreich, da man sich darüber streiten kann, ob die Weglassung des Präpositionalobjekts szenarioverändernd ist oder nicht. Dagegen funktioniert der Adjektivtest gut, man darf nur nicht vergessen, dass die Alternante des jeweiligen Kopulaausdrucks werden/machen zu (+ Substantiv) das jeweilige Kopulaverb werden/machen (+ Adjektiv)  – und nicht ein Kopulaausdruck werden/machen zu (+ Adjektiv) – ist: Das zu-Prädikativ kann zum adjektivischen Prädikativ ohne Kopulativpartikel gemacht werden, besteht also den Test, während das Präpositionalzu+DAT-objekt durch kein adjektivisches Prädikativ (weder mit noch ohne Kopulativpartikel) ersetzt werden kann.

163 Sie betrifft aber u.  U. die Grammatikalität der reduzierten Struktur je nachdem, ob das Präpositionalobjekt obligatorisch zu realisieren ist oder nicht. Im Falle von ansehen für/als hilft übrigens nicht nur die Weglassprobe, sondern auch die Varianz des Kopulaausdrucks. Schließlich ist die Präposition für nicht mit einer anderen Präposition, sondern mit der Kopulativpartikel als komplementär. 164 Der Asterisk (*) vor den Sätzen Er hat sich glücklich entwickelt und Wir haben ihn glücklich gewählt bezieht sich natürlich auf die resultative Lesart.

zu-Prädikativ vs. Prä­po­si­tio­ nalzu+DAT-objekt

388 

periphere Formen des Prädikativs

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Tab. 40 enthält nur Beispiele mit typischen Prädikativformen (Adjektiv, Substantiv). Typische Prädikativformen sind natürlich auch die peripheren Adjektive, die Adkopulae: (153) Der PC ist hammer/klasse. (199) Peter ist fit/pleite. Mit peripheren Prädikativformen sind die folgenden beiden Typen gemeint: (200) Er ist heute guter Laune – … phlegmatisch und ohne Sehnsucht. (Mann: Tonio Kröger, zit. n. Brinkmann 1971: 583) (201) Der PC ist an / Die Tür ist zu / Die Frist ist um. Diese Typen drücken Eigenschaften und Zustände aus. Sie lassen sich mit Adjektiven koordinieren (s. (200)) und durch adjektivische oder adjektivnahe Prädikative paraphrasieren:165 (200’) Er ist gut gelaunt / sehnsuchtsfrei. (201’) Der PC ist angeschaltet / Die Tür ist geschlossen / Die Frist ist vorbei. Typ (200) bilden der sog. Genitivus qualitatis (wie guter Laune, frohen Mutes) und präpositional eingeleitete Verwandte (wie ohne Sehnsucht, ohne Belang, von hohem Alter, von großer Bedeutung). Dieser Typ ist in dem Sinne peripher, dass seine Vorkommen veraltet, idiomatisch oder auf die gehobene Sprache beschränkt sind. In einem ganz anderen Sinne peripher ist Typ (201). Das Prädikativ hat hier die Form einer Präposition/Verbpartikel (an, zu, um). Im Sinne der Funktion-ArgumentWert-Formel erhalten diese Formen in der prädikativen Funktion den grammatischen Wert ‚Adkopula‘ (/‚peripheres Adjektiv‘): Prädikativ (Präposition/Verbpartikel) = Adkopula Somit haben sie sekundär (qua funktionaler Zuschreibung) denselben Status, den Adjektive oder Adkopulae primär (als Formen) haben. Genau dieser Unterschied ist gemeint, wenn hier von einer peripheren Prädikativform gesprochen wird. Einige dieser Adkopulae sind mittlerweile dabei, sich zu ‚richtigen‘ (flektierbaren) Adjektiven zu entwickeln:166

165 Mit ‚adjektivnah‘ sind nicht nur die Partizipien II, sondern auch das Wort vorbei gemeint, das in der Regel als Adverb aufgefasst wird. Da es unflektierbar ist, lässt sich morphologisch allerdings nicht entscheiden, ob es ein Adverb oder eine Adkopula ist. 166 Elke Hentschel (2005), die den „prädikativen Gebrauch von Präpositionen“ untersucht hat, sieht die theoretische Option ‚Adjektiv/Adkopula‘ nicht vor. Nach ihr gebe es drei Möglichkeiten für die kategoriale Einordnung der fraglichen Prädikatsform: (1) Verbpartikel, (2) Ellipse und (3) Adverb. Ich stimme mit ihrer Analyse überein, dass (1) und (2) keine adäquaten Lösungen sind. Ihrer Lösung, dass es sich um Adverbien handele, kann ich allerdings auch nicht zustimmen. Sie weist selber darauf hin, dass die Sprachbenutzer flektierte Formen wie zue, abbe, aufe „eindeutig als Mitglieder der Wort-



(202) (203) (204)

Prädikat: statische Prädikate 

 389

die zue Tür der abbe Knopf das aufe Fenster (Hentschel 2005: 277)

Bevor wir uns dem vierten und letzten Problem des prädikativen Problemkreises zuwenden, soll noch auf zwei Abgrenzungsfragen, die das System der Kopulae und Prädikativgefüge betreffen, eingegangen werden. Die eine, die einfachere, betrifft die Abgrenzung der Kopulae werden und scheinen, die andere, die schwierigere, die der Prädikativgefüge von Funktionsverbgefügen. Vergleichen wir die folgenden Beispiele: Zwei Zellengenossen (Subjektsprädikativ- sind Freunde geworden gefüge). [Kopula] [37a] Zwei Zellengenossen sind entlassen worden. [Passivhilfsverb] [37b] Man wird zwei Zellengenossen entlassen. [Futurhilfsverb]

[37]

Die Kopula werden bildet das Partizip II mit dem Präfix ge-, das Passivhilfsverb ohne. Als Futurhilfsverb verbindet werden sich mit dem Infinitiv (entlassen in [37b]), das Partizip II ist hier gar nicht möglich. Außerdem hat das Futurhilfsverb werden im Gegensatz zur Kopula und zum Passivhilfsverb nur eine Präsensform, kann also nicht ins Präteritum (oder ins Perfekt) gesetzt werden: → *Man wurde zwei Zellengenossen entlassen. [Futurhilfsverb] Auch im Falle von scheinen gibt es ein formales Unterscheidungskriterium: Das Halbmodalverb regiert den Infinitiv mit zu: (172) Sie […] schien zufrieden, […]. (Lenz Deutschstunde: 88) [33] Hannes (Evidenz- scheint zu resignieren komplex), […].

[Kopula] [Halbmodalverb]

klasse Adjektiv“ interpretieren (Hentschel 2005: 277) und zieht aus diesem Befund auch den richtigen Schluss: „Nun kann aus solchen Befunden natürlich nicht einfach geschlossen werden, dass es sich bei Wörtern wie ab, auf etc. um Adjektive handelt, sondern nur, dass sie gelegentlich als solche interpretiert werden.“ (ebd.) Eine kategorische Gegenüberstellung von ‚Sein‘ und ‚Interpretieren‘ erübrigt sich aus der Sicht der deszendenten Perspektive der Grammatischen Textanalyse, in der alle Formen funktional interpretiert werden und einen grammatischen Wert erhalten. ‚Sein‘ und ‚Interpretieren‘ werden zu primären und sekundären Argumenten (der Funktion-Argument-Wert-Formel), d.  h. zu Formen und Werten, und in diesem Sinne zu Zentrum (Prototyp) und Peripherie.

Abgrenzung der Kopulae werden und scheinen

390 

Prädikativgefüge oder Funktionsverbgefüge?

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Folgender Beleg im Leittext ist problematisch: [9]

Erst als er eine Zivilstreife gestoppt hatte, zu Ende füge).

(Subjekts-

war prädikativ-) der Spaß

(ge-

Aufgrund der im Kap. III/2.1.2 vorgestellten Kriterien für Funktionsverbgefüge (FVG) und Nominalisierungsverbgefüge (NVG) könnte das Prädikat von [9] ein NVG sein. Helbig und Buscha (2001: 88), die die Kommutationsreihe zur Aufführung / zum Ausdruck / zur Anwendung / zu Ende …bringen aufstellen, wollen dadurch gar andeuten, dass zu Ende bringen ein FVG ist, woraus man schließen könnte, dass auch zu Ende sein ein FVG ist. Doch zu Ende bringen funktioniert in dem Kontext von [9] nicht: [9a] ??Erst als er eine Zivilstreife gestoppt hatte, brachte man den Spaß zu Ende. Umgekehrt funktioniert der Ausdruck zu Ende in Kontexten, in denen nominale Bestandteile von NVG und FVG nicht funktionieren: (205) Sie rauchte die Zigarre zu Ende / Er las das Buch zu Ende / Er dachte seinen Ansatz nicht zu Ende / Das Spiel ging zu Ende / Meine Geduld ist zu Ende. der Ausdruck zu Ende

Das Besondere an dem Ausdruck zu Ende ist, dass es eine feste (idiomatische) Wortverbindung (ein nominaler Phraseologismus) ist, die als Ganzheit mit vielen verschiedenen Verben eingesetzt werden kann, die aber keine einheitliche Distributionsklasse bilden. Des Weiteren limitiert die Wahl des Ausdrucks zu Ende + Verb u.  U. die semantischen Besetzungsmöglichkeiten der Subjekt- oder der Akkusativobjektstelle. Während man z.  B. eine Arbeit/einen Auftrag zu Ende bringen/führen kann, kann man nicht den Spaß zu Ende bringen/führen. Genauso wenig kann der Spaß zu Ende kommen. Entscheidend ist also, dass es hier  – im Gegensatz zu Aufführung, Ausdruck, Anwendung usw. – nicht ein autonomes Wort ist, das in die Prädikatsbildung eingeht, sondern ein autonomer Ausdruck, der variabler eingesetzt werden kann als reguläre Präpositionalgruppen wie zur Aufführung / zum Ausdruck / zur Anwendung.167 Dabei sind die Komplemente der zu-Ende-Prädikate semantisch mitunter eingeschränkt, was sich auf die Interpretation auswirkt. Da es weder ein Aktionsart-Paradigma noch eine eindeutige Distributionsklasse für zu Ende sein in [9] gibt, hängt die Entscheidung zwischen NVG und Prädikativgefüge davon ab, ob die Paraphrasen (Ersatzprobe) eher für eine Streckform-Interpretation oder eher für eine prädikative Analyse sprechen: [9] [b] [c]

Erst als er eine Zivilstreife gestoppt hatte, endete der Spaß. Erst als er eine Zivilstreife gestoppt hatte, war der Spaß beendet.

167 Präziser gesagt: Der Ausdruck zu Ende ist „autonom kodierend“ (IDS-Grammatik 1997/2: 1039  ff.).



Prädikat: statische Prädikate 

 391

Wenn sich zu Ende sein in [9] eher als eine Streckform von enden auffassen lässt, wäre die NVG-Analyse angemessener. Wenn dagegen zu Ende in [9] eher eine alternative Formulierung für beendet darstellt, geht es um ein Prädikativgefüge. Ich habe mich zwar für Letzteres entschieden, aber die NVG-Analyse ist hier genauso gut denkbar. Es ist ein Grenzfall, aber nicht deshalb, weil die Kategorien ‚NVG/FVG‘ und ‚Prädikativgefüge‘ generell unscharf und schwer abgrenzbar wären, sondern, weil das jeweilige Gefüge auf einem autonomen Ausdruck basiert. Das vierte und letzte Problem des prädikativen Problemkreises ist die Frage, ob es aus der Sicht der Grammatischen Textanalyse sinnvoll ist, verschiedene semantische Typen von Kopulasätzen anzunehmen. Herkömmlicherweise werden vier semantische Typen von Kopulasätzen angenommen (zum Überblick vgl. Geist 2006: 16  ff. und Helbig 2008):168 1. Prädikation: Peter ist Lehrer/klug; 2. Identität (Gleichsetzung): Der Morgenstern ist der Abendstern; 3. Identifizierung: Maria ist die Chefärztin; 4. Spezifikation: Der Gewinner ist Peter. Diese logisch und formalsemantisch motivierte Klassifikation besagt aber wenig über grammatisch indizierte semantische Strukturen in Einzelsprachen. Grammatisch indiziert werden im Deutschen in allen diesen Fällen (mit Ausnahme des adjektivischen Prädikativs) Klassenzuweisungen, deren klassifikatorische Schärfe in Abhängigkeit von der möglichen Extension des substantivischen Prädikativs, die wiederum auch von der ‚Schärfe‘ der Determination (bestimmter > unbestimmter > kein Artikel) abhängt, zunimmt:169 (206) Peter ist Lehrer. (207) Peter ist ein guter Lehrer. (208) Peter ist unser/der Klassenlehrer. (209) Peter ist der Sohn von Klaus.

168 Ljudmila Geist revidiert diese Klassifikation, indem Identität und Identifizierung nicht mehr unterschieden werden, dafür aber eine neue Mischklasse der „prädizierend-identifizierenden Kopula­ sätze, die als Basis für spezifizierende Kopulasätze dienen“ (Geist 2006: 60), angenommen wird (zu einem tabellarischen Überblick s. Geist 2006: 61). 169 Auch die IDS-Grammatik, deren Prädikativ-Auffassung von der hier vorliegenden in vielerlei Hinsicht abweicht, betrachtet Identitätssätze als grundsätzlich prädizierend (IDS-Grammatik 1997/2: 1108  f.).

nicht ­prädizierende Prädikative?

392 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Spezifikation ist dabei die Topikalisierung des jeweiligen Prädikativs: (210) Lehrer / ein guter Lehrer / unser Klassenlehrer / der Sohn von Klaus ist Peter. Auch Tests wie der Numeruskongruenz- oder der Pronominalisierungstest zeigen, dass die semantische Struktur prädizierender, identifizierender und spezifizierender Sätze im Deutschen einheitlich ist.170 Die Kopula kongruiert hinsichtlich Numerus mit dem jeweiligen Subjekt. Die Pro-Form für das jeweilige Prädikativ ist das kategorial unspezifische (nichtanaphorische) es (s. auch IDS-Grammatik 1997/2: 1108  f. und Geist 2006: 49  f.): (211) (a) (Die) Ursache des Unfalls *war/waren defekte Bremsen. [Spezifikation] (b) Es waren defekte Bremsen. (Beispiel n. Geist 2006: 49) (212) (a) Defekte Bremsen waren (die) Ursache des Unfalls. [Identifikation] (b) Defekte Bremsen waren es. (213) (a) Bremsen *ist/sind eine gute Investition. [Prädikation] (b) Bremsen sind es. Tautologien

Scheinbar problematisch sind sog. tautologische Identitätsaussagen, d.  h. (logische) Tautologien (X = X), da für sie grammatische Tests wie die genannten, die die Tautologie zerstören würden, per definitionem nicht diagnostisch sind: (214) Geschäft ist Geschäft. (215) Eine Burg ist eine Burg. (216) Bremsen sind Bremsen. Solche Tautologien stellen jedoch nur logisch gesehen identische Identitäten dar, semantisch sind sie genauso prädizierend wie logische Prädikationen (Autenrieth 1997: 22  ff., Hundt 2006). Dies lässt sich aber nur nachvollziehen, wenn eine Tautologie nicht isoliert, sondern im Textzusammenhang untersucht wird:

170 Dies gilt aber nicht etwa für Russisch oder Ungarisch, wo Prädikation und Gleichsetzung (= Identifizierung und Identität) unterschiedlich kodiert werden (zum Russischen s. Geist 2006: 35  ff.). Diese Sprachen verwenden bei Gleichsetzung ein dem deutschen das vergleichbares Demonstrativ, z.  B. Utrennjaja zvezda èto večernjaja zvezda ‚Der Morgenstern ist der Abendstern‘ (wörtlich: ‚Morgenstern – das Abendstern‘). Die Struktur der russischen (oder ungarischen) Gleichsetzung ist syntaktisch der Prolepse (‚Linksversetzung‘) im Deutschen ähnlich (s. auch Geist 2006: 38 und 44  f.): Der Morgenstern, der/das ist der Abendstern.



Prädikat: statische Prädikate 

 393

[49] Es (Simplex- gilt verb) das geschriebene Wort, und erzählt (Subjektsprädikativ- ist erzählt gefüge). (217) Ich hatte gesagt, was ich nie habe sagen wollen, aber gesagt war gesagt, ich genoß es, unser Schweigen […]. (Frisch Homo: 116) Der Sinn der Tautologien ist in beiden Texten die Botschaft, dass einmal Mitgeteiltes (Geschriebenes/Erzähltes oder Gesprochenes/Gesagtes) nicht mehr rückgängig zu machen ist. Da sich die Botschaft nur als Prädikation (und nicht als Identität) formulieren lässt, muss man davon ausgehen, dass auch die zugrunde liegende semantische und grammatische Struktur asymmetrisch (prädizierend) ist:171 Subjekt – Subjektsprädikativgefüge – Element – Klassenzuweisung – Erzählt ist erzählt Gesagt ist gesagt Die grammatische Struktur lässt sich durch formale Variation der Tautologie weiter ‚asymmetrisieren‘:172 (218) Nach der Wahl ist vor der Wahl. (219) Reisen ist Reifen. (Geist 2006: 31) (220) Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. (221) Frisch gewagt ist halb gewonnen. (IDS-Grammatik 1997/2: 1109) Fazit: Logisch und formalsemantisch unterschiedlichen Typen von substantivischen, tautologischen und asymmetrisiert tautologischen Kopulasätzen entspricht im Gegenwartsdeutschen eine einheitliche semantische Struktur, nämlich ein Klassenzuweisungs-Szenario.

171 Wie sich der Textsinn einer Tautologie schrittweise semantisch-pragmatisch herleiten lässt, hat Markus Hundt (2006: 309  ff.) anhand der Tautologie wîp sint et immer wîp (‚Frauen sind halt immer Frauen‘) im Parzival überzeugend gezeigt. Das Klassenzuweisungs-Szenario gilt, wenn man der Argumentation von Hundt folgt, auch für adjektivische Tautologien (sicher ist sicher), denn es geht darum, durch die Aktivierung der prototypischen Bedeutungsstruktur eine Art Element-Menge-Beziehung zu evozieren und diese pragmatisch zu deuten. 172 Hier ist die Plausibilitätssgrenze der Grammatischen Textanalyse erreicht. Denn zwar lässt sich Nach der Wahl ist vor der Wahl theoretisch als ein subjektloser Satz (mit einem Temporaladverbial Nach der Wahl) interpretieren, plausibler ist allerdings die Annahme einer (asymmetrisierbaren) X-istX’-Konstruktion ohne zugrunde liegenden statischen Satz, also die Einordnung als lexifiziertes SatzFormat (Kap. II/2.8).

Asymmetrisierung der Tautologie

394 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Während Vollverb-Prädikate Ereignisse (Tätigkeiten, Handlungen, Vorgänge und Zustände) ausdrücken, stellen intransitive und transitive Prädikativgefüge (Kopulaverb/-ausdruck + Prädikativ), d.  h. Subjekts- und Objektsprädikativgefüge, Prädikate mit der Funktion dar, Nichtereignisse (Klassen-, Zustands- und Eigenschaftszuweisungen) zu kodieren. Die signifikativ-semantische Struktur jeder einzelnen Nichtereignis-Klasse ist einheitlich. Erörtert werden insgesamt zehn Argumente, die den Prädikatsstatus der Prädikativgefüge allgemein begründen und weitere spezifische Argumente für den Prädikatsstatus der Objektsprädikativgefüge. Aus der Sicht der Grammatischen Textanalyse werden also Subjekts- und Objektsprädikativ nicht als eigene Satzglieder, sondern als Teile des Prädikats angesehen. Das gegenwartsdeutsche System der Kopulae und der Prädikativgefüge ermöglicht die Unterscheidung von Prädikativgefügen mit Darstellungs- und Einstellungsfunktion.

2 Prädikat: dynamische Prädikate 2.2 Dynamische Prädikate 2.2.1 Textanalyse 2.2.2 Typen und Formen der Prädikatsdynamik 2.2.3 Dynamische Prädikatsklassen

2.2 Dynamische Prädikate 2.2.1 Textanalyse Legende: Makroglieder: Punkt-Strich-Unterstrich: Nichtsatz; Unterstrichen: Kohäsionsglied; Schwarz: Satz1 Mesoglieder: türkis: dynamisch Prädikat: fett: dynamisches Prädikat; (tiefgestellte Klammern): Prädikatssubklasse

[1]

JOCHEN JUNG

[2] [3]

Siegfried Lenz Total entspannt

[13] Jetzt aber (Medial- öffnet sich verb) das Tor zum Gefängnishof, […]. [14] Ein Stück (nicht-epistemischer soll aufgeführt werden Modalkomplex), im Speisesaal. [28] […] die Truppe (Parti- wird kel-) von der Grünauer Bevölkerung sozusagen zunehmend angenommen rb), (ve ja sogar zarte Bande (Simplex- werden geknüpft verb), die immerhin Anlass zu einem Satz wie diesem geben: […]. [41] Zu dem Theaterstück Das Labyrinth (Sim- wird plex-) einmal (ve- gesagt rb), es sei »eine Geschichte, in der das Fantastische im Wirklichen aufging«. [44] Und ehe jetzt jemand etwas von Abgeklärtheit und womöglich gar Altersweisheit erzählt, (nicht-epistemischer darf gesagt werden Modalkomplex), dass sich der Autor hier in erster Linie einen ordentlichen Spaß erlaubt hat – neugierig darauf, wie weit man mit realistischen Mitteln dem Unerhörten auf der Spur bleiben kann. [56] So eine Nachernte (gespalte- ist es nes) denn wohl auch, (Prädikativ- was wir mit dieser ganz und gar entspannten Geschichte in den Händen halten prädikat).

1 rekonstruierte Glieder in eckigen Klammern DOI 10.1515/9783110409796-008

396 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

2.2.2 Typen und Formen der Prädikatsdynamik

zwei ­ erspektiven P der Prädikats­ dynamik

Typen der Prädikats­ dynamik

Im Sinne der Funktion-Argument-Wert-Formel bilden dynamische Prädikate grammatische Werte, deren Argumente statische Prädikate sind. Was aber sind (1) die möglichen Funktionen in der Formel? Und (2) wie lassen sich die grammatischen Werte valenztheoretisch einordnen? Diese zwei Fragen zielen darauf ab, was ich die zwei Perspektiven der Prädikats­ dynamik nennen möchte. Ihre Beantwortung führt zu den Typen und Formen dynamischer Prädikate: 1. Typen: die Funktionen in der Funktion-Argument-Wert-Formel; 2. Formen: Valenzträger- und Komplementdynamik. Die Beschäftigung mit den Typen ist deshalb wichtig, weil sie die Grundlage der dynamischen Prädikatsklassifikation bilden. Die Auseinandersetzung mit den Formen deshalb, weil sie die Prädikatsdynamik mit strukturieren und manch einen Aspekt der Klassifikation überhaupt erst transparent machen. Die beiden Haupttypen der Prädikatsdynamik – 1) kategorial und 2) konstruktionell dynamisches Prädikat – wurden im Kap. I/3.5 und insbesondere im Kap. III/1.3.3 ausführlich behandelt. Die Funktionen in der Funktion-Argument-Wert-Formel sind grammatische Kategorien oder Konstruktionen. Entsprechend lauten die Subformeln (SP = statisches Prädikat; DPkat = kategorial dynamisches Prädikat; DPkon= konstruktionell dynamisches Prädikat): str 1) Kategorie (SP) = DPkat 2) Konstruktion (SP) = DPkonstr Exemplifiziert wird Haupttyp 1) an der grammatischen Kategorie ‚Passiv‘, 2) an einer Resultativkonstruktion: [41] (1)

Subtypen von ­Konstruktionen

Zu dem Theaterstück Das Labyrinth (Sim- wird plex-) einmal (ve- gesagt rb), es sei »eine Geschichte, in der das Fantastische im Wirklichen aufging«. [DPkat] Der Mann schenkte mir schon wieder das Glas voll. [DPkonstr] (Timm Johannisnacht: 86)

Ausgehend von der Prädikatsklassifikation im Kap. III/1.3.2 können zwei Subtypen von Haupttyp 2) unterschieden werden. Diese sollen mit Hilfe der folgenden Belege erläutert werden:2

2 Die Prädikate in (2) sind statisch (hob, spitzte). Die Verbform verlöffelte ist kein Hauptprädikat, sondern – als dynamisches Prädikat zweiten Grades – Teil des Temporaladverbials. Deshalb wurde sie nicht fett, aber türkis markiert. Entsprechendes gilt für das dynamische Akkusativobjekt zweiten Grades viel Zeit.



Prädikat: dynamische Prädikate 

 397

(2) Dann hob er das Rasiermesser […] und spitzte die Lippen wie zu einem Dauer­ pfiff, während ich zerstreut meine Haferflocken aß und viel Zeit verlöffelte, jedenfalls so lange den grauweißen Pamps löffelte, bis mein Vater sich rasiert hatte. (Lenz Deutschstunde: 89) (3) Er habe nur den Beifahrer […] seine Einfahrt […] ausbessern sehen. (Böll Dienstfahrt: 20) Die Vollverben wurden in der Klassifikation der statischen Prädikate (Kap. III/2.1.2) wortbildungsmorphologisch in fünf Subklassen eingeteilt, von denen eine (Simplexverb) morphologisch einfach, die restlichen vier (Komplex-, Präfix-, Partikelund Medialverb) morphologisch komplex sind.3 Morphologisch komplexe Vollverben kommen alle auch als dynamische Prädikate vor. Mit Hilfe des Belegs (2) haben wir die Möglichkeit, die Prädikatsdynamik an der Gegenüberstellung von Simplexverb (löffeln) und Präfixverb-Konstruktionsträger (verlöffeln) unmittelbar zu beobachten:4 (2) (a) Er löffelt den grauweißen Pamps. (b) Er verlöffelt viel Zeit.

[statisches Prädikat] [dynamisches Prädikat]

Präfixverben wie verlöffeln oder verspeisen repräsentieren das semantische Muster (etwas) vollständig tun, d.  h. „‘ein Aktant verrichtet eine Aktivität vollständig’“ (Motsch 1999: 72).5 Im Gegensatz zu (2) geht es im Falle von (3) nicht um ein wortbildungsmorphologisches, sondern um ein syntaktisches Konstruktionsmuster, eine AcI-Konstruktion (accusativus cum infinitivo ‚Akkusativ mit Infinitiv‘): (3) (a) Der Beifahrer bessert seine Einfahrt aus. (b) Er sieht den Beifahrer seine Einfahrt ausbessern.

[statisches Prädikat] [dynamisches Prädikat]

Die zwei Subtypen von Haupttyp 2) sind demnach 2a) morphologisch und 2b) syntak­ tisch dynamische Prädikate (SP = statisches Prädikat; DPmorph = morphologisch dynamisches Prädikat; DPsynt = syntaktisch dynamisches Prädikat): 2a) morphologische Konstruktion (SP) = DPmorph 2b) syntaktische Konstruktion (SP) = DPsynt 3 Es sei daran erinnert, dass auch sich-Verben (Medialverben) als wortbildungsanalog eingestuft wurden (Kap. III/2.1.2). 4 Wie im Kap. III/2.1.2 erwähnt, sind Simplexverben Verben, die sich nicht auf morphologisch noch einfachere Verben zurückführen lassen. Dementsprechend ist löffeln, eine Suffixbildung zum Substantiv Löffel, ein Simplexverb. 5 Wenn also A B verlöffelt, löffelt A solange, bis von B nichts mehr übrig bleibt.

398 

Gemeinsamkeit: Slots

Beiden Subtypen ist gemeinsam, dass sie Slots, offene Stellen, für jeweils einen Grund­ valenzträger enthalten.6 Die Sprachteilhaber haben die Möglichkeit, diese Slots (SIMPLEXVERB bzw. VOLLVERB) kreativ zu füllen: (2’) (3’)

Unterschiede: Slot­kategorie und Wort­ bildung

Doppel­ klassifikation

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Typ ‚A verlöffelt B‘: ‚A ver-SIMPLEXVERB-t B‘ Typ ‚A sieht B (C) ausbessern‘: ‚A AcI-VERB-t B (C) VOLLVERB-en‘

Die Slotkategorie von (2’) ist morphologisch spezifisch, der Grundvalenzträger muss der Kategorie ‚Simplexverb‘ angehören. Auf diese morphologisch spezifische Kategorie wird die spezifische Wortbildungstechnik ‚Präfixderivation‘ mit dem Präfix verangewandt. Subtyp 2a) stellt also ein produktives Wortbildungsmuster für die Bildung von dynamischen Prädikaten dar. Die Slotkategorie von (3’) ist dagegen morphologisch unspezifisch, der Grundvalenzträger muss keiner morphologisch spezifischen Kategorie angehören. Entscheidend ist vielmehr die syntaktische Struktur, die das AcI-Verb und das Vollverb gemeinsam zustande bringen. Subtyp 2b) stellt also ein produktives syntaktisches Modell für die Bildung von dynamischen Prädikaten dar. Abgrenzungsprobleme ergeben sich, wenn die Slotkategorie zwar morphologisch unspezifisch ist, aber das dynamische Prädikat ein Wortbildungsprodukt – oder wie bei sich-Verben: ein wortbildungsanaloges Produkt – darstellt:7 (4) Die Schuhe hatten wir ausgezogen. Es war kalt, aber so lief es sich besser. (Hein Freund: 83  f.) (5) Hanna arbeitete als deutsche Sprecherin bei BBC. […] Herr Piper verdankt ihr sein Leben, scheint mir; Hanna heiratete ihn aus einem Lager heraus […]. (Frisch Homo: 176) Sich laufen stellt (so wie sich öffnen) morphologisch gesehen ein sich-Verb, heraus­ heiraten (so wie herausgehen) ein Komplexverb (Verbkompositum) dar. Aus der Sicht des semantischen Effekts, den man mit diesen Konstruktionen erzielen kann, sind allerdings die Wortbildungstechnik und die morphologische Qualität der Grundvalenzträger (laufen bzw. heiraten) zweitrangig. Entscheidend sind vielmehr die syntak­ tischen Prozesse, die bei der Anwendung der jeweiligen Konstruktion (Medial- bzw. Resultativkonstruktion) in Gang gesetzt werden und die sich auch in dynamischen Satzgliedern manifestieren (es und besser bzw. ihn und aus einem Lager). Dass am Ende (auch) morphologische Produkte zustande kommen, ist ein Nebeneffekt. Trotz-

6 Zum Begriff des Slots Kap. II/2.8, Kap. III/2.2.3 und dort auch Anm. 120. 7 Was den letzten Satz des Frisch-Belegs anbelangt: Die theoretisch mögliche Interpretation mit Adverbialkomplexbildung – ‚Hanna heiratete ihn, wobei dies seinerseits aus einem Lager heraus zu geschehen hatte‘ – scheint mir hier nicht möglich, da es tatsächlich darum geht, dass Herrn Pipers Entlassung aus dem Lager durch Heiraten bewirkt wurde.



Prädikat: dynamische Prädikate 

 399

dem bleiben die Abgrenzungsprobleme bei vielen Komplex-, Präfix- und Partikelverben bestehen. In solchen Fällen kann man einfach eine morphologisch-syntaktische Doppelklassifikation vornehmen. Beispielsweise ist herausheiraten in (5) ein (dynamisches) Komplexverb und ein Resultativprädikat (= Prädikat einer Resultativkonstruktion). Wir wenden uns nun der anderen Perspektive der Prädikatsdynamik zu, nämlich der Frage, wie sich die grammatischen Werte, die mittels Prädikatsdynamik entstehen, valenztheoretisch einordnen lassen. Da in den Kap. I/3.5, III/1.3.1 und III/1.3.3 die einschlägige Vorarbeit geleistet wurde, geht es hier vor allem darum, das Ganze zu systematisieren (s. auch Ágel 2015b). Prädikatsdynamik kann sich manifestieren in 1. Valenzänderung und 2. Valenzträgeränderung

Formen der Prädikats­ dynamik

Wir fangen mit Valenzänderung an. Sie kann sich manifestieren in a. Valenzreduktion und b. Valenzerhöhung

Valenz­ änderung

(6) Steif saß er da in dem groben Unterhemd, mit den verkanteten Hosenträgern, seine Augen tränten, sein Gebiß mahlte leicht und knirschend, und er übersah die Tasse Tee, die meine Mutter ihm hinschob, übersah auch mich – allerdings nicht aus Abwesenheit: sein Gesicht ließ erkennen, daß er nicht nur den Grund, sondern auch die Folgen des frühen Besuches verstanden hatte. Er rechnete, er erwog und überlegte, verwarf und erwog von neuem. Seine Augenbrauen bewegten sich. Er atmete angestrengt. (Lenz Deutschstunde: 86) (7) Kinder sollen nicht länger arm machen: Deswegen fordert der Deutsche Kinderschutzbund eine Grundsicherung […] (HNA, 11. 04. 2008) (8) Anton macht sauber. (Möller 2010: 192)

Valenz­ reduktion

Hier geht es um Umszenierungen, die man traditionell mit dem Konzept der fakultativen Valenz(realisierung) umschreibt (Kap. I/3.2, Anm.  57): Ein transitives Prädikat wird intransitiv verwendet. Dabei wird die Patiens-Rolle des nichtrealisierten Akkusativobjekts im aktuellen Textzusammenhang grammatisch bewusst nicht indiziert, sie bleibt unbestimmt (indefinit) präsupponiert (Sæbø 2003). Dadurch gerät automatisch die Verbalhandlung als solche (und nicht deren Patiens-Gerichtetheit) in den Satzfokus. Diese Einschätzung muss allerdings hinsichtlich des semantischen Mechanismus der Valenzreduktion präzisiert werden: Mit fakultativer Valenz meint man herkömmlicherweise, dass ein Komplement, das nicht obligatorisch ist (-NOT), syntaktisch nicht realisiert wird (-FOSP), aber

Änderung der Szenarioklasse

400 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

semantisch erhalten bleibt (+INSP).8 Eine solche Interpretation der Valenzreduktion als Reduktion der Anzahl der realisierten Komplemente wäre allerdings nicht konform mit der Interpretation der Valenzerhöhung als Erhöhung der Anzahl der Komple­ mente. Das Konzept der Valenzreduktion würde sich auf die Valenzrealisierung, das der Valenzerhöhung auf die Valenzpotenz beziehen.9 Wie der Mechanismus der Valenzreduktion ‚Aktiv > einfaches Passiv‘ gezeigt hat (Kap. III/1.3.3), geht es allerdings bei der Valenzreduktion darum, dass sich die Szenarioklasse des Prädikats ändert. Bei der Valenzreduktion im (einfachen) Passiv wird ein Handlungsprädikat zu einem EXO-Vorgangsprädikat, d.  h., Exoaktivität wird zu einem Bedeutungsmerkmal des dynamischen Prädikats.10 Bei den Beispielen oben ist der Mechanismus vergleichbar, nur findet die Änderung der Szenarioklasse im Aktiv statt: Patiens-Inkorporation (Handlungsprädikat) = Tätigkeitsprädikat doppelte Valenz­ reduktion

Ein theoretisch besonders interessanter Fall ist der folgende Beleg: (9)

Das Ruhrgebiet fördert wieder. (DB-Werbung für das Ruhr2010-Ticket)

Die grammatische Voraussetzung für die Pointe ist Ambiguierung qua doppelter Valenzreduktion: Dadurch, dass weder das Akkusativobjekt des Grundvalenzträgers fördern1 ‚(finanziell) unterstützen‘ noch das des Grundvalenzträgers fördern2 ‚(durch Abbau) gewinnen‘ realisiert wird, entsteht valenziell eine Doppeldeutigkeit. Da hier für ein Beförderungsmittel geworben wird und da der morphologische Zusammenhang zwischen fördern und befördern jedermann transparent sein dürfte, wird die valenzreduktive Dynamik durch diesen wortfamiliären Zusammenhang weiter dynamisiert: Das dynamische Simplex fördert in (9) ist somit (kontextuell) gewissermaßen dreifach ambig.11 Fazit: Es gibt also primäre (= statische) Tätigkeitsprädikate ohne inkorporiertes Patiens (rechnete) und sekundäre (= dynamische) Tätigkeitsprädikate mit inkorporiertem Patiens, d.  h. Tätigkeitsprädikate, bei denen die semantische Rolle zum Bedeutungsmerkmal geworden ist (erwog, überlegte, verwarf, sollen arm machen, macht sauber und fördert).

8 Zu den Valenzrelationen NOT (Notwendigkeit), FOSP (formale Spezifizität / Rektion) und INSP (inhaltliche Spezifizität) Kap. III/1.3.1. 9 Zur Valenzpotenz vs. Valenzrealisierung s. Ágel 2000. 10 Sonst ließe sich der im Kap. III/1.3.3 beschriebene Unterschied zwischen Passiv und Medium nicht erklären, schließlich sind beide Strukturen ‚agensabgewandt‘, wurden also bei der Umszenierung ihr Agenssubjekt los. 11 Ausführlicher analysiert und theoretisch eingeordnet wird der Typus in Ágel 2015b: 76  ff.



Prädikat: dynamische Prädikate 

 401

Im folgenden Beispiel liegt der umgekehrte Mechanismus vor: (10) Ich sagte, daß ich noch nie etwas von Stifter gelesen habe. Du mußt ihn nicht lesen, meinte Horst, du lebst ihn ja. (Hein Freund: 90) Das Verb lesen ist transitiv (Handlungsverb), leben ist intransitiv (Tätigkeitsverb). In (10) wird die Valenz von leben um das dynamische Akkusativobjekt ihn erhöht. Dabei wird das statische Tätigkeitsprädikat zu einem dynamischen Handlungsprädikat: Patiens-Hinzufügung (Tätigkeitsprädikat) = Handlungsprädikat Valenzerhöhung bedeutet aber keinesfalls immer, dass sich die Szenarioklasse ändert. Es gibt eine ganze Reihe von dynamischen Satzgliedern ohne Änderung der Szenarioklasse, die sich durch Valenzerhöhung regulär erklären lässt (Welke 2009, Eroms 2012). Da die dynamischen Satzglieder an anderer Stelle ausführlich behandelt werden (Kap. III/3.1.4 und III/3.2), beschränke ich mich hier auf die Veranschau­ lichung von relevanten Typen der Valenzerhöhung: dynamisches Akkusativobjekt: (11) Wir gingen die breite, gewundene Treppe hinauf. (Hein Freund: 124) (12) Wir gingen die Treppe runter. (Hein Freund: 126) (13) […] und [er] schob das Fahrrad schräg den wulstigen Deich hinauf. (Lenz Deutschstunde: 10) (1) Der Mann schenkte mir schon wieder das Glas voll. (Timm Johannisnacht: 86) (14) […] er [Piachi] […] lief augenblicklich zu seinem alten Rechtsfreund, dem Doktor Valerio, klingelte eine Magd heraus […]. (Kleist Findling: 246) dynamisches Dativobjekt: (15) […] [mein Vater] murmelte ihr auch etwas hinterher […] (Lenz Deutschstunde: 52) dynamisches Dativ- und Akkusativobjekt: (16) […] und ich wünschte ihn mir fort […]. (Lenz Deutschstunde: 53) dynamisches Präpositionalobjekt: (17) Kaum haben sie [= Klaus und Irene Gysi, die Eltern von Gregor Gysi, VÁ] sich gesetzt, geht die Tür auf und sechs SS-Leute treten ein. Klaus Gysi erzählt ihnen einen Judenwitz nach dem anderen. Er redet um sein Leben. (DIE ZEIT, 01. 09. 2011) (18) Dann sauste unser Wagen an dem anderen vorbei. (Hein Freund: 158)

Valenz­ erhöhung

402 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

dynamisches Direktivum: (19) [ich] sah aber, wie die Frau hinter mir hergrinste. (Timm Johannisnacht: 82  f.) (20) Nein, auch die Worte ziehen ihre Bedeutung langsam hinter sich her. (Timm Johannisnacht: 87) (5) […] Hanna heiratete ihn aus einem Lager heraus […]. (Frisch Homo: 176) (21) […] und wie der Brenner dann ins Marianum zurückgekommen ist, hat der Portier ihm erzählt, daß der Präfekt Fitz gerade in den Keller hinunter ist. (Haas Silentium: 181)12 dynamisches Adverbial: (22) […] Ihre E-Mails lesen sich wie ‚heruntergesprudelt‘ […]. (Glattauer Nordwind: 10) Grund­ valenz von ­ onstruktionen K

Formel der Valenz­ änderung

Valenzträger­ änderung

Valenzänderung kann einerseits notwendige Bedingung für die Bildung dynamischer Prädikate sein (z.  B. das Akkusativobjekt von herausklingeln). Andererseits kann sie aber auch ‚nur‘ als eine natürliche Begleiterscheinung der dynamischen Prädikatsbildung in Erscheinung treten (z.  B. das Präpositionalobjekt von vorbeisausen). Letzterer Typus deutet darauf hin, dass es auch konstruktionell dynamische Prädikate gibt, die sich nach demselben Mechanismus umszenieren lassen wie Vollverben. Das Gleiche gilt für kategorial dynamische Prädikate, wie am Beispiel der Valenzreduktion und -erhöhung im Passiv (Kap. III/1.3.3) gezeigt wurde. Deshalb brauchen wir auch hier (wie bei der Interpretation des Passivs) zusätzlich zu den beiden pri­ mären Subformeln der Prädikatsdynamik eine angewandte Subformel, die klarstellt, dass Valenzreduktion bzw. Valenzänderung generell auf allen Typen von Prädikaten operiert (SP = statisches Prädikat; DPkat = kategorial dynamisches Prädikat; DPkonstr = konstruktionell dynamisches Prädikat): Valenzänderungsformel: Valenzänderung (SP/DPkat/DPkonstr) = valenzgeändertes SP/DPkat/DPkonstr Dass Konstruktionen prinzipiell demselben Valenzänderungsmechanismus unterworfen sein können wie primäre Grundvalenzträger, ist ein starkes Argument für die Valenztheorie. Wir kommen nun zu der zweiten Form der Prädikatsdynamik, der Änderung des Valenzträgers. Quantitativ ließen sich hier ebenfalls zwei Typen unterscheiden je nachdem, ob sich der Umfang des dynamischen Prädikats im Vergleich zu dem – theo­retisch zu Recht oder zu Unrecht vorausgesetzten  – statischen reduziert oder erweitert hat:

12 Das dynamische Direktivum (in den Keller) und das dynamische Prädikat (hinunter ist) stellen hier keine Mesoglieder, sondern recycelte Satzglieder (zweiten Grades) dar.



Prädikat: dynamische Prädikate 

 403

a. Valenzträgerreduktion und b. Valenzträgererweiterung. Einschlägig ist hier der im Kap. III/2.1.2 bereits behandelte Typus ‚Modalverb mit Direktivum‘: (23) (24)

Valenzträgerreduktion?

Sobald ich wieder auf den Beinen bin, muß ich zum Zahnarzt. (Frisch Homo: 214) Sein Vater hätte nie ins Pflegeheim gewollt. (Hein Freund: 170)

„Solche Modalverbkonstruktionen eröffnen grundsätzlich zwei syntaktische Analysen: Entweder ist das Modalverb hier kein Modalverb mehr, sondern wird zum Vollverb, oder aber es gibt ein Vollverb im Satz, wenn auch ein phonologisch leeres.“ (Berthele 2007: 239) Allerdings ist das Problem noch ein wenig komplizierter, weil es, wie Gerhard Helbig (1995) gezeigt hat (Kap. III/2.1.2), auch noch den Fall gibt, wo ein ‚elliptischer‘ (= ‚phonologisch leerer‘) Vollverb-Infinitiv gar nicht möglich wäre: (25) Ich will/möchte, dass er ihn besucht. Die Verben will/möchte in (25) stellen sichere Kandidaten für Vollverben (als Simplexverben) dar, sodass man einer Dreieropposition gerecht werden muss: (24a) Sein Vater hätte nie ins Pflegeheim gehen wollen. [Modalkomplex] (24) Sein Vater hätte nie ins Pflegeheim gewollt. [?] (24b) Sein Vater hätte nie gewollt, dass man ihn besucht. [statisches Vollverb] Um eine Valenzträgerreduktion (kombiniert mit Valenzerhöhung) geht es hier nur dann, wenn theoretisch der Modalkomplex als statische Vergleichsgrundlage vorausgesetzt wird. Dann wäre es die Valenzerhöhung (um das Direktivum), die die Valenzträgerreduktion bewirken würde. Die Frage ist also, was genau die Valenzerhöhung bewirkt. Valenzträgeränderungen sind analog den bereits behandelten Valenzänderungen: Sie bewirken eine Umkategorisierung der Prädikatsstruktur. Im konkreten Fall ermöglicht die Valenzerhöhung um das Direktivum die Umkategorisierung des stati­ schen Modalverbs zu einem dynamischen Vollverb. Geändert hat sich also die Wortka­ tegorie des Verbs.13

13 Im Gegensatz zu Einheitenkategorien (Flexionskategorien) betreffen Wortkategorien nicht eine Wortform (wie z.  B. die Genitivform des Hauses von das Haus), sondern das ganze Wort als Paradigma (Eisenberg 2006/2: 20  ff.). Sie sind inhärente grammatische Merkmale eines Wortes unabhängig von der jeweiligen Form. Die Wortform Haus ist genauso ein Neutrum wie Hauses.

VollverbKonstruktion

Umkategorisierung statt Reduktion

404 

statisches vs. dynamisches Vollverb

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Der Unterschied zwischen statischem und dynamischem ‚modalen‘ Vollverb ist gravierend. Als statische Vollverben funktionieren nur möchten und wollen, dabei sind sie synonym mit wünschen: (26) (27)

Sein Vater möchte/will/wünscht sich ein Haus / dass man ihn besucht. *Sein Vater muss/darf/soll/kann ein Haus / dass man ihn besucht.

Als dynamische Vollverben (mit Direktivum) fungieren alle Modalverben, es geht hier also wirklich um die Umkategorisierung der gesamten Klasse der Modalverben:14 (28)

Sein Vater möchte/will/muss/darf/soll/kann ins Pflegeheim.

Festzuhalten ist also, dass sich die scheinbare Valenzträgerreduktion als eine Umkategorisierung ‚Modalverb > Vollverb‘ entpuppt hat. Ein Infinitiv kann dabei nicht ‚fehlen‘, weil er sich an der Umkategorisierung gar nicht beteiligt hat, weil die Ausgangskategorie der Umkategorisierung nicht ‚Modalkomplex‘, sondern ‚Modalverb‘ ist. Das Ergebnis der Umkategorisierung ist ein dynamisches Vollverb:15 (24a) Sein Vater hätte nie ins Pflegeheim gehen wollen. [Modalkomplex] (24) Sein Vater hätte nie ins Pflegeheim gewollt. [dynamisches Simplexverb] (24b) Sein Vater hätte nie gewollt, dass man ihn besucht. [statisches Simplexverb] (24c) Sein Vater hätte nie ein Haus gewollt. [statisches Simplexverb] Valenzträger­ erweiterung

Im Gegensatz zur Valenzträgerreduktion ist die Erweiterung des Valenzträgers eine Form von konstruktioneller Dynamik, die tatsächlich eine quantitative Erweiterung des Grundvalenzträgers beinhaltet. Zur Veranschaulichung können alle Belege, an denen oben die Valenzerhöhung illustriert wurde, herangezogen werden: (29) gehen > hinaufgehen; gehen > runtergehen; schieben > hinaufschieben > schenken > vollschenken; klingeln > herausklingeln; murmeln > hinterhermurmeln; wünschen > fortwünschen; grinsen > hergrinsen; ziehen > herziehen; heiraten > herausheiraten; sein > hinuntersein; lesen > sich lesen; sausen > vorbeisausen

14 Berthele (2007: 242) argumentiert konstruktionsgrammatisch für eine modale Bewegungskonstruktion, die Informationen von der allgemeinen Bewegungskonstruktion erbt, also im Grunde für eine konzeptuelle Übertragung des semantischen Modells der Bewegung auf Modalverben. Diese Analyse ist global gesehen sicherlich richtig, nur man kann mit ihr keine lokale Satzanalyse machen, den Status der einzelnen Mesoglieder theoretisch herausarbeiten und die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Modalkomplexen, statischen Vollverben und dynamischen Vollverben erklären. Man braucht also beides: Die Erkenntnis, dass es sich hier um eine Art Bewegungskonstruktion handelt, und die lokale grammatische Analyse des Prädikats und der weiteren Glieder der Konstruktion. 15 Zu dynamischen Vollverben umkategorisierte Modalverben sind bereits im Mittelhochdeutschen belegt (Maxwell 1982: 30). Es ist also an der Zeit, dass die elliptische Interpretation endgültig ad acta gelegt wird.



Prädikat: dynamische Prädikate 

 405

Auch hier bewirken die jeweiligen dynamischen Satzglieder eine Umkategorisierung der statischen Prädikate, nur betrifft die Umkategorisierung mit Ausnahme von hin­ untersein nicht global die Wortkategorie des Verbs, sondern lokale grammatische Merkmale (Kap. III/2.2.3). Der Fall hinuntersein (…daß der Präfekt Fitz gerade in den Keller hinunter ist) ist analog dem Umkategorisierungstyp ‚Modalverb > Vollverb‘ zu interpretieren, nur dass hier nicht ein Modalverb, sondern ein Hilfsverb (qua Valenzerhöhung um das Direktivum) zum Vollverb (Komplexverb) wird.16 Derselbe Mechanismus funktioniert auch ohne Direktivum (Valenzerhöhung um das Akkusativobjekt):

Erweiterung als Umkategorisierung

(30) Ich bin die Leiter hinauf […]. (Neue Kronen-Zeitung, 03. 12. 1994, zit. n. Berthele 2007: 249) Bisher hatten wir Fälle vom Umkategorisierungstyp ‚Nicht-Vollverb > Vollverb‘ betrachtet. Es gibt aber auch den umgekehrten Fall, nämlich ‚Vollverb > Kopulaverb‘: (5) Hanna arbeitete als deutsche Sprecherin bei BBC. (Frisch Homo: 176) → Hanna war deutsche Sprecherin bei BBC. Hier liegt ein dynamischer Kopulaausdruck (arbeiten als) vor, der die statische Kopula sein paraphrasiert (zu Kopulawörtern und -ausdrücken Kap. III/2.1.4). Die Umkategorisierung des statischen Vollverbs arbeiten zum dynamischen Kopulaausdruck arbeiten als erfolgt qua Inkorporation des Freien Prädikativs (als deutsche Sprecherin) ins Prädikat. Das Prädikat ist folglich dynamisch, also kein Prädikativgefüge, sondern ein Prädikativkonstruktionsträger (Prädikativprädikat).17 Zum Kontrast ein Beispiel mit Freiem Prädikativ und Prädikativgefüge: (5’)

Als deutsche Sprecherin war Hanna bei BBC sehr beliebt.

Das (dynamische) Prädikativprädikat arbeiten als X und das (statische) Prädikativgefüge X sein lassen sich über eine Satzverbindung auch koordinieren:18 (31)

Drei Kandidaten arbeiten als Kaufleute, Betriebswirte oder Handwerker, zwei Kandidaten sind arzt. (Beleg zit. n. Pittner/Bermann 2006: 235)

Dies spricht ebenfalls für den Prädikatsstatus von arbeiten als X, schließlich geht es hier nicht um die Gegenüberstellung einer Tätigkeit mit einem Beruf – *‚A, B und C 16 Die Familienähnlichkeit der „modalen Bewegungskonstruktion“ und der „Bewegungskonstruktion mit sein“ wird auch von Bertheles Analyse (2007: 244  f.) unterstrichen. 17 Ein analoger Fall liegt beim prädikativischen Ersatz veralteter Genitivobjekte vor (Kap. III/3.1.5). 18 Dass das Wort arzt hier kleingeschrieben wird, ist kein Zufall. Im Kap. III/2.1.4 wurde in Anlehnung an Pittner/Bermann 2006 argumentiert, dass es hier als Adjektiv gebraucht wird.

Prädikativkonstruktion

406 

Kontamination

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

arbeiten, während D und E Ärzte sind‘  –, sondern um synonyme Klassenzuweisungsprädikate. Eine kreative Möglichkeit der Valenzträgererweiterung ist die Kontamination: (32) Sie ist ihm dazwischen gestorben. (Hörbeleg, Dieter Hildebrandt in einer Show)

Substitution

Hier wurden die Verben sterben und dazwischenkommen kontaminiert. Der grammatisch-semantische Mechanismus der Kontamination ist im Kap. I/3.5 beschrieben worden (vgl. auch Ágel 2015b: 70  ff.). Valenzträgeränderung ohne Valenzerhöhung liegt im folgenden Beleg vor: (17)



Formen der Prädikatsdynamik im Überblick

Kaum haben sie [= Klaus und Irene Gysi, die Eltern von Gregor Gysi, VÁ] sich gesetzt, geht die Tür auf und sechs SS-Leute treten ein. Klaus Gysi erzählt ihnen einen Judenwitz nach dem anderen. Er redet um sein Leben. (DIE ZEIT, 01. 09. 2011)

Hier geht es darum, dass das Valenzrealisierungsmuster ‚Subjekt-Prädikat-Prä­po­si­ tio­nalum+AKK-objekt‘, das bei Verben wie kämpfen/betteln/fürchten/zittern um in der Bedeutung ‚A tut etwas dafür / hofft darauf, dass ihm B erhalten bleibt‘ gebraucht wird, auf das Verb reden übertragen wird: ‚A redet, damit ihm B erhalten bleibt‘. Der Effekt ist, dass der Leser den Eindruck bekommt, als würde reden die dem Valenz­ rea­lisierungsmuster konventionell zugeordneten Verben ad hoc ersetzen (mehr dazu Kap. III/3.1.4). Die Diskussion der Formen der Prädikatsdynamik hat im Bereich der Valenzänderung gezeigt, dass sowohl Komplementreduktion als auch -erhöhung auf allen Typen von Prädikaten (statisches, kategorial dynamisches und konstruktionell dynamisches Prädikat) operieren. Die herkömmliche quantitative Klassifikation (Reduktion vs. Erhöhung) muss deshalb durch eine qualitative Klassifikation (Prädikatstypen als Argumente in der Valenzänderungsformel) ersetzt werden. Die Situation im Bereich der Valenzträgeränderung ist vergleichbar. Eine quantitative Klassifikation wäre hier aber gar nicht möglich, zumal Valenzträgerreduktion als theoretische Option ausgeschlossen wurde. Eine ausgefeilte qualitative Klassifikation müsste auf der Umkategorisierung basieren. Dazu brauchte man aber eine eigene Untersuchung mit ausgedehnter empirischer Vorarbeit auf Textbasis. Deshalb begnügen wir uns mit einer übersichtlichen Dreiteilung, in der ‚Kontamination‘ und ‚Substitution‘ von den oben behandelten ‚auffälligen‘ Typen der Umkategorisierung getrennt werden:19

19 Wie gezeigt treten Valenzänderung und Valenzträgeränderung in der Regel kombiniert auf. Im Passiv ist kategorial dynamische Valenzreduktion die Voraussetzung für konstruktionell dynamische Valenzerhöhung.



Prädikat: dynamische Prädikate 

 407

Abb. 12: Formen der Prädikatsdynamik

Aus der Perspektive der Prädikatsdynamik wurden zwei Haupttypen (kategorial und konstruktionell) und zwei Hauptformen (Valenzänderung und Valenzträgeränderung) dynamischer Prädikate unterschieden. Die beiden Subtypen konstruktionell dynamischer Prädikate sind morphologisch und syntaktisch dynamische Prädikate, die beide Slots (offene Stellen) für den Grundvalenzträger enthalten. Valenzänderung (Komplementreduktion und –erhöhung) operiert nicht nur auf lexikalischen Valenzträgern, sondern auf allen Typen von Prädikaten, also auch auf kategorial und konstruktionell dynamischen Prädikaten. Dass Konstruktionen prinzipiell demselben Valenzänderungsmechanismus unterworfen sind wie lexikalische Grundvalenzträger, ist ein starkes Argument für die Valenztheorie. Valenzträgeränderung ist wie Valenzänderung ein primär qualitativer Mechanismus, der Umkategorisierung, Kontamination und Substitution umfasst.

2.2.3 Dynamische Prädikatsklassen Im Kap. III/1.3.2 wurde eine Grobklassifikation der Prädikate vorgeschlagen (Tab. 29). Ausgehend von dieser Klassifikation wurden im Kap. III/2.1.2 die statischen Prädikatsklassen behandelt. Im vorliegenden Kapitel sollen nun die dynamischen Prädikatsklassen vorgestellt werden. Im Vergleich zu der allgemeinen und der statischen Prädikatsklassifikation kann allerdings die Vorstellung der dynamischen Prädikatsklassen in zweierlei Hinsicht ‚verschlankt‘ werden. Vergleichen wir hierzu die folgenden Leittext-Belege: [28] […] die Truppe (Parti- wird kel-) von der Grünauer Bevölkerung sozusagen zunehmend angenommen rb), (ve ja sogar zarte Bande (Simplex- werden geknüpft verb), die immerhin Anlass zu einem Satz wie diesem geben: […]. [14] Ein Stück (nicht-epistemischer soll aufgeführt werden Modalkomplex), im Speisesaal.

Darstellungsökonomie

408 

terminologische Ökonomie

offene Liste

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Alle drei Prädikate sind kategorial dynamisch (Passiv). Durch die Passivierung hat sich jedoch die jeweilige Subklasse der statischen Prädikate nicht geändert, denn auch die entsprechenden Formen im Aktiv würden derselben Subklasse angehören: Partikelverb (nimmt an), Simplexverb (knüpft) und nicht-epistemischer Modalkomplex (soll aufführen). Dabei stellen Partikel- und Simplexverben einfache, Modalkomplexe komplexe Prädikate dar. Deshalb kann in der Übersicht über dynamische Prädikatsklassen einerseits auf kategorial dynamische, andererseits auf komplexe Prädikatsklassen verzichtet werden. Es soll jedoch ausdrücklich betont werden, dass dies eine bloß darstellungsökonomische Entscheidung ist, die die ‚Existenz‘ von kategorial dynamischen bzw. komplexen dynamischen Prädikaten nicht tangiert. Eine weitere Vereinfachung betrifft die Terminologie, vgl. [13] Jetzt aber (Medial- öffnet sich verb) das Tor zum Gefängnishof, […]. Die präzise Bezeichnung für das Prädikat öffnet sich wäre Medialverb-Konstruktionsträger, um es von statischen Medialverben wie ergibt sich, zeigt sich usw. (Kap. III/2.1.3) terminologisch zu unterscheiden. Das Gleiche gilt für ‚Komplex-/Partikel-/ Präfixverb‘ vs. ‚Komplex-/Partikel-/Präfixverb-Konstruktionsträger‘. Dadurch, dass dynamische Mesoglieder durchgängig türkis hervorgehoben werden, ist es allerdings kompositional eindeutig, dass öffnet sich kein statisches, sondern ein dynamisches Medialverb (= Medialverb-Konstruktionsträger) ist. Deshalb gilt die folgende ‚Sprachregelung‘: Wenn es im Kontext eindeutig ist, dass ein dynamisches Prädikat gemeint ist, wird die Kurzform gebraucht, andernfalls die Langform.20 Bevor die tabellarische Übersicht vorgestellt und die einzelnen dynamischen Prädikatsklassen kommentiert werden, soll noch einmal (Kap. III/1.3.2, Anm. 42) betont werden, dass die Liste der konstruktionell dynamischen Prädikate offen ist. Arbeitet man mit Texten, wird einem schnell klar, dass jede Bemühung um Vollständigkeit an dem unauflöslichen Widerspruch zwischen finiter Lektüreerfahrung und infiniter grammatischer Variabilität scheitern muss. Über diese textuelle Dimension hinaus hat Infinitheit aber auch noch zwei weitere Dimensionen. Einerseits eine phänomenbezogen rationale Dimension (Coseriu 1974: 56  f.): Sprachen und ‚ihre‘ Grammatiken verändern sich. Andererseits eine forschungsbezogen rationale Dimension: Die theoretischen und sprachtechnologischen Möglichkeiten der Grammatiker werden immer besser, neue oder als neu gedachte Strukturen zu erschließen (Bubenhofer 2009: 111  ff.). Diese drei Infinitheitsdimensionen bewirken zusammen, dass eine Klassifikation wie die nachfolgende notgedrungen offen ist.21 20 Auch hier gilt (wie in den Kap. III/1.3.2, Kap. III/1.4.2 und Kap. III/2.1.2): Die Beispiele, die aus dem Leittext stammen, werden samt Analyse übernommen, sodass man sie von allen anderen Beispielen rein ‚optisch‘ unterscheiden kann. 21 Sie ist natürlich nicht nur offen, sondern auch unvollständig: Referenzgrammatiken und -syntaxen des Deutschen enthalten zahlreiche Strukturbeschreibungen, die sich als konstruktionell dynamische Prädikate einordnen ließen. Eine systematische Auswertung (unter Einbeziehung weiterer



Prädikat: dynamische Prädikate 

 409

Tab. 41: Dynamische Prädikatsklassen im Überblick22

dynamische Prädikatsklassen

morphologisch dynamische Prädikate Klasse

Subklasse

Beispiele

SimplexverbKonstruktionsträger ((dynamisches) Simplex)

Sein Vater hätte nie ins Pflegeheim gewollt.23 Das Ruhrgebiet fördert wieder.24

KomplexverbKonstruktionsträger ((dynamisches) ­Komplexverb)

[…] und [er] schob das Fahrrad schräg den wulstigen Deich hinauf.25

PräfixverbKonstruktionsträger ((dynamisches) ­Präfixverb)

[…] während ich […] viel Zeit verlöffelte, […].26

PartikelverbKonstruktionsträger ((dynamisches) Partikelverb)

Wir montieren die Reifen an.27

MedialverbKonstruktionsträger ((dynamisches) ­Medialverb)

[13] Jetzt aber (Medial- öffnet sich verb) das Tor zum Gefängnishof, […].

Vollverb-Konstruktionsträger ((dynamisches) Vollverb)

Spezialliteratur) würde eine lange Liste ergeben, deren Reichtum gewiss auch Konstruktionsgrammatiker überraschen würde. 22 Es scheint unlogisch, dass es bei den morphologisch dynamischen Prädikaten nur eine Klasse (Vollverb-Konstruktion) gibt. Ich habe diese ‚Schein-Klassifikation‘ nicht aufgelöst, weil der Bezug zu der allgemeinen Klassifikation (Kap. III/1.3.2), wo die lexikalischen Valenzträger in ‚Vollverb‘ und ‚Idiom‘ unterteilt wurden, erhalten bleiben soll. Idiom-Konstruktionen sind allerdings keine morphologisch, sondern syntaktisch dynamischen Prädikate. 23 Hein Freund: 170 24 DB-Werbung für das Ruhr2010-Ticket 25 Lenz Deutschstunde: 10 26 Lenz Deutschstunde: 89 27 Glattauer Nordwind: 10

410 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

syntaktisch dynamische Prädikate Medialkonstruktionsträger (Medialprädikat) dispositiv

Nun, Ihre E-Mails lesen sich wie ­‚heruntergesprudelt‘ […].28

pseudo-dispositiv

Die Schuhe hatten wir ausgezogen. Es war kalt, aber so lief es sich besser.29 […] der Satz, der den Hamburger Forscher auf die indonesische Palme bringt […]30

Idiom-Konstruktionsträger ((dynamisches) Idiom) Resultativkonstruktionsträger (Resultativprädikat)31 adjektivisch

Der Mann schenkte mir schon wieder das Glas voll.32 Gregor Gysi hat seine Partei kaputtgeredet.33

direktional

Wir läuteten den Wächter aus dem Schlaf.34

Prädikativkonstruktionsträger (Prädikativprädikat)

Hanna arbeitete als deutsche Sprecherin bei BBC.35

Progressivkonstruktionsträger (Progressivprädikat)

Ich bin noch immer am suchen, welche Bank mir am besten gefällt.36

Absentivkonstruktionsträger (Absentivprädikat)

Anna ist essen!37

28 Beispiel n. Heringer 1988: 70 29 Hein Freund: 83  f. 30 Neue Kronen-Zeitung, 10. 08. 1997, zit. n. Ágel 2004: 83 31 In der Fachliteratur ist verbreitet, unter ‚Resultativprädikat‘ nur den adjektivischen (voll, kaputt) bzw. direktionalen (aus dem Schlaf) Teil einer Resultativkonstruktion zu verstehen. Dies ist ein aus grammatischer Sicht sehr unglücklicher terminologischer Usus, dem ich nicht folgen möchte. Unter ‚Prädikat‘ verstehe ich immer das grammatische Prädikat eines grammatischen Satzes. Folglich meint ‚Resultativprädikat‘ das grammatische Prädikat einer Resultativkonstruktion. 32 Timm Johannisnacht: 86 33 DIE ZEIT, 01. 09. 2011 34 Beispiel nach Vuillaume 2003: 488 35 Frisch Homo: 176 36 Frankfurter Rundschau, 24. 03. 98, zit. n. Van Pottelberge 2009: 361 37 Beispiel im Titel des Aufsatzes von Petra M. Vogel (2007)



Prädikat: dynamische Prädikate 

 411

Emphasekonstruktionsträger (Emphaseprädikat)

Sehen tue ich nichts.38

Lokaldeterminativ­ konstruktionsträger (Lokaldeterminativprädikat)

In der Nacht […] kam ein Artillerie­ leutnant herbeigestürzt […].39

Bewegungskonstruktionsträger (Bewegungsprädikat)

Ich bin die Leiter hinauf […].40

AcI-Konstruktionsträger (AcI-Prädikat)

Er habe nur den Beifahrer […] seine Einfahrt […] ausbessern sehen.41

lassen-Konstruktionsträger (lassen-Prädikat)

[Die Frau] ließ sich von dem Hund die Hand lecken.42 «Laß dich nur nicht von der Lady an der Rezeption verwirren!»43

Modalkonstruktionsträger (Modalprädikat)

Zu lösen sind wirkliche Probleme ohnehin nicht.44 Wir hatten noch zwei Einsätze zu fahren.45

Redeanzeigekonstruktions­ träger46 (Redeanzeigeprädikat)

„Nun aber raus!“, schrie der Onkel […].47

Standpunktkonstruktionsträger48 (Standpunktprädikat)

Der Mantel ist ihm zu groß.49

38 Beispiel nach Duden 2005: 422 39 Timm Morenga: 194 40 Neue Kronen-Zeitung, 03. 12. 1994 (Beleg nach Berthele 2007: 249) 41 Böll Dienstfahrt: 20 42 Brednich Geschichten: 202 43 Haas Silentium: 105 44 Hein Freund: 115 45 Hein Freund: 127 46 Auf das Redeanzeigeprädikat wird erst im Zusammenhang mit den Kommentarmitteln einzugehen sein (Kap. III/4.3). 47 Kästner 35. Mai: 86 48 Auf das Standpunktprädikat wird erst im Zusammenhang mit dem Standpunktdativ (Dativus iudicantis) einzugehen sein (Kap. III/3.2.3). 49 Beispiel nach Ogawa 2005: 118

412 

dynamisches Vollverb dynamisches Simplexverb

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Die Vollverben wurden im Kap. III/2.1.2 in fünf Subklassen eingeteilt, von denen eine (Simplexverb) morphologisch einfach, die restlichen vier (Komplex-, Präfix-, Partikel- und Medialverb) morphologisch komplex sind. Dynamische Simplexverben sind einerseits Simplexverben mit Valenzreduktion und Änderung der Szenarioklasse (Kap. III/2.2.2): (9)

Das Ruhrgebiet fördert wieder. [dynamisches Simplexverb] (DB-Werbung für das Ruhr2010-Ticket)

Andererseits sind sie zu Vollverben umkategorisierte Modalverben (Kap. III/2.2.2): (24) dynamisches Komplexverb

Sein Vater hätte nie ins Pflegeheim gewollt. [dynamisches Simplexverb]

Auch dynamische Komplexverben können durch Umkategorisierung (von Hilfsverben) gebildet werden (Kap. III/2.2.2): (21a) Der Präfekt Fitz ist gerade in den Keller hinunter. [dynamisches Kom plexverb] In der Regel ändert sich jedoch bei der Bildung von Komplexverben nicht die Wortkategorie – Vollverb bleibt also Vollverb –, sondern die Valenzstruktur:50 (33) Er grüßte auf den Hof hinab. (n. Lenz Landesbühne: 14)51 Nach dem Verbvalenzwörterbuch von Helbig und Schenkel (1978: 181) ist grüßen ein zweiwertiges Verb mit Subjekt und Akkusativobjekt und der Möglichkeit der Valenzreduktion (um das Akkusativobjekt). Das dynamische Prädikat hinabgrüßen setzt die Valenzreduktion (Intransitivierung) voraus, denn das dynamische Direktivum verträgt sich mit dem statischen Akkusativobjekt nicht: (33a) *Er grüßte ihn auf den Hof hinab.

MikroSatzglied

Was hinuntersein mit hinabgrüßen (und auch mit hinaufgehen, runtergehen, hinauf­ schieben, herausklingeln und herausheiraten in den Belegen im Kap. III/2.2.2) verbindet, ist, dass das jeweilige Prädikat ein Mikro-Satzglied – die Mikro-Direktiva hinunter- und hinab- – enthält, das das jeweilige Makro-Satzglied – die Makro-Direktiva in den Keller und auf den Hof  – in der Prädikatsstruktur kategorial repräsen-

50 Erinnert sei daran, dass in Anlehnung an Fleischer (1974: 310) Verben mit adverbialen Erstgliedern wie hinab nicht als Partikel-, sondern als Komplexverben (Verbkomposita) betrachtet werden (Kap. III/2.1.2). Solche „Doppelpartikelverben“ (Eichinger 2000: 105) stehen kraft ihrer relativ freien Kombinierbarkeit zwischen Partikelverben und Wortgruppen (Eichinger 2006: 1065). 51 Im Original stellt hinabgrüßen ein recyceltes dynamisches Prädikat (zweiten Grades) dar: Mir ent­ ging nicht, daß er einmal […] eine Hand hob und abermals mit versteiftem Ring- und Mittelfinger auf den Hof hinabgrüßte […].



Prädikat: dynamische Prädikate 

 413

tiert.52 Wenn (21a) und (33) ohne (Makro-)Direktivum realisiert werden, ist folglich das Direktivum nur im Prädikat enthalten, d.  h., ein Teil des Prädikats stellt gleichzeitig ein anderes Satzglied dar: (21b) Der Präfekt Fitz ist gerade (Mikro- hinunter Direktivum). (33b) Er grüßte (Mikro- hinab Direktivum). M. a. W., dynamische Komplexverben wie hinuntersein und hinabgrüßen stellen einerseits potenzielle Tätigkeitsprädikate dar, andererseits inkludieren diese Prädikate selbst die Mikro-Variante des Direktivums. Dieser Befund ist aus der Sicht der traditionellen (statischen) Satzgliedtheorie befremdlich. Denn einerseits gilt traditionell: »Satzglied = Makro-Satzglied«. Andererseits geht man davon aus, dass Prädikat und Satzglieder im engeren Sinne immer diskret, d.  h. klar isolierbar, sind. In der grammatischen Fachliteratur herrscht dagegen ein relativ breiter theorienübergreifender Konsens über dynamische Inklusionen im Prädikat.53 Auf Mikro-Satzglieder kommen wir sowohl unten bei den Partikelverben als auch im Kap. III/3.2.4 noch zu sprechen. Dynamische Komplexverben gibt es auch ohne Änderung der Valenzstruktur. Bei diesen Verben ist das adverbiale Erstglied des Kompositums weglassbar:

Satzglied ≠ Makro-Satzglied

Weglass­ probe

(34) Ich setzte mich an mein Tagebuch, blätterte zurück, […]. (Lenz Landesbühne: 15) → Ich setzte mich an mein Tagebuch, blätterte […]. Wenn dagegen das Komplexverb lexikalisiert und somit statisch ist, zerstört das Weglassen des adverbialen Erstglieds die semantische und die grammatische Struktur: [28] Das Fest (Komplex- geht weiter verb), […]. → ??Das Fest geht. vs. (35) Peter erzählt weiter. → Peter erzählt. Dynamische Prädikate als Präfix- und Partikelverben stellen Anwendungen von Wortbildungsmustern auf morphologisch spezifische statische Prädikate dar. Als Beispiel für ein dynamisches Präfixverb wurde im Kap. III/2.2.2 verlöffeln genannt. Hier

52 Zur Theorie der strukturellen Valenzrealisierung, zur Mikro- und Makrovalenz(realisierung) bzw. zu Mikro- und Makro-Satzgliedern s. z.  B. Pasierbsky 1981, László 1988, Ágel 2000: 142  ff. und 215  ff., Fischer 2003: 49  f., Knobloch 2009: 555 und Ágel/Fischer 2010. 53 Zur Fachliteratur und zu Analysen aus unterschiedlichen theoretischen Perspektiven s. z.  B. Tes­ nière 1959: 84  f., 104 und 139  ff., Milewski 1967 [Orig. 1950], Nichols 1986, Stiebels 1996: 83  ff., Ágel 2000: 142  ff., Lüdeling 2001: 145  ff., Müller 2002: 307  ff., 2006 bzw. 2006a, Willems/Coene 2006, ­Knobloch 2009: 549 und Eroms 2007 bzw. 2010. Zu inkludierenden vs. implizierenden Valenzträgern s. Ágel 1993: 11  ff. und 2000: 143 bzw. Eroms 2010.

dynamisches Präfix- und Partikelverb

414 

be-Verben

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

wurde das Muster ‚A ver-SIMPLEXVERB-t B‘ mit dem morphologisch spezifischen Slot ‚SIMPLEXVERB‘ auf das statische Prädikat löffeln angewandt. Die valenzdynamisch interessantesten und bestuntersuchten Präfixverben sind die be-Verben:54 (36) […] keiner mehr Lust fand […], so eine Frau zu bewitzeln […]. (Chr. Wolf: Nachdenken über Christa T, zit. n. Fleischer 1974: 329) (37) Der Gärtner bepflanzt das Beet mit Rosen. (Beispiel in Eroms 1980: 31) (38) Insassen […] betrommelten die Gießkannen […]. (Lenz Landesbühne: 89  f.) (39) Über 50 Jahre lang befuhr der 71-Jährige die Mecklenburgischen Seen. (DBmobil, 07/04: 18, zit. n. Eichinger 2006: 1067) (40) Der Mann beschenkt die Frau (mit Rosen). (41) […] beschweige mir wenigstens noch fünf Minuten Band. (Böll Murke: 109)

Patientivierung

Ihre Hauptfunktion besteht in der nichtresultativen Patientivierung von unterschiedlichen Satzgliedern: von Komplementen, die beim statischen Simplex nicht die semantische Rolle des Patiens (Handlungsgegenstand) tragen, oder von Supplementen, die per definitionem keine semantische Rolle tragen können. Sogar feste Wortverbindungen (Phraseologismen) wie auf Band sprechen können als Muster verwendet und dekomponiert werden, s. Bölls Innovation das (Ton)Band besprechen > das Band beschweigen. Die Patientivierung erfolgt durch ‚Akkusativobjektivierung‘ der fraglichen Satzglieder (= B). Dabei wird B signifikativ-semantisch nicht als das Resultat einer vorangehenden Tätigkeit, nicht als etwas durch die Tätigkeit ‚Bewirktes‘ (wie z.  B. bei den Teller leer essen), sondern als etwas intensiv Affiziertes dargestellt:55 A (Subjekt, Akteur) witzelt über B (Präpositionalobjekt, Anlass) A (Subjekt, Agens) pflanzt C (Akkusativobjekt, Patiens) aufakk B (Direktivum, Goal) A (Subjekt, Akteur) trommelt aufakk B (Direktivum, Goal) / aufdat B (Lokaladverbial) A (Subjekt, Akteur) fährt aufdat B (Lokaladverbial) A (Subjekt, Agens) schenkt B (Dativobjekt, Rezipient) C (Akkusativobjekt, Patiens) 54 Vgl. etwa Eroms 1980, 1981, 2000: 433  ff., 2007 und 2010, Günther 1987, Ickler 1990, Helbig 1992: 19  ff., Welke 1994a und Eichinger 2006: 1067  f. 55 Typologisch gesehen handelt es sich um den ditransitiven Konstruktionstyp „secondary object (/secundative) alignment“ (Malchukov/Haspelmath/Comrie 2010: 4). Was die semantischen Rollen anbelangt: Anlass übernehme ich von I. Ickler (1990: 29  f.), als signifikativ-semantische Rolle fasse ich es allerdings enger, ich beziehe es nicht auf Subjekte. Akteur (Tätigkeitsträger) ist die semantische Rolle des Subjekts von Tätigkeitssätzen (Kap. III/2.1.4, Anm. 134). Origo (Herkunft), Path (Weg) und Goal (Ziel) sind die drei möglichen semantischen Rollen, die ein Direktivum indizieren kann (Eroms 2010: 35).



Prädikat: dynamische Prädikate 

 415

A (Subjekt, Akteur) spricht > schweigt auf (Ton)Band → A (Subjekt, Agens) bewitzelt/-pflanzt/-trommelt/-fährt/-schenkt/-schweigt B (Akkusativobjekt, (nichtresultatives) Patiens) Hans-Werner Eroms (2000: 435) weist darauf hin, dass sich Passivierung und be-VerbKonstruktionen als komplementäre syntaktisch-semantische Teilsysteme betrachten lassen: (42) (a) (b) (c)

Passiv und be-Verben

Der Gärtner pflanzt Rosen auf das Beet. Rosen werden (vom Gärtner) gepflanzt. Der Gärtner bepflanzt das Beet (mit Rosen).

„Dreh- und Angelpunkt“ (Eroms ebd.) ist im Passiv die Subjektstelle, die durch Umbesetzung (Akkusativ- und Dativpassiv) oder Eliminierung (subjektloses Passiv) deagentiviert wird. Dreh- und Angelpunkt in be-Verb-Konstruktionen ist die Akkusativobjekt-Stelle, die durch Umbesetzung oder Transitivierung patientiviert wird. In beiden Fällen findet bei Umbesetzung der Subjekt- bzw. der Objektstelle Valenzreduktion mit Valenzerhöhungspotenzial statt.56 Der Typ von Valenzänderung, der nicht das Subjekt, sondern das Akkusativobjekt betrifft (wie die be-Verb-Konstruktionen), wird in der Sprachtypologie zusammenfassend Applikativ genannt.57 Erwähnt werden soll noch eine Gruppe von Präfixverben mit Elementen wie sich verfahren/versprechen/verwählen/vertippen usw. Das Besondere an diesen dynamischen Präfixverben ist, dass zu ihrer Bildung außer dem Präfix (ver-) auch das mediale sich gehört. Kunze (1997: 165) beschreibt die Konstruktionsbedeutung wie folgt (V = Simplexverb): ‚V in einer falschen/unzutreffenden Weise ausführen‘/,bei V ein falsches Resultat erzielen‘ (s. auch Motsch 1999: 70). Lexikalisierte (statische) Präfixverben desselben Bildungsmusters sind z.  B. sich verkleiden und sich verstellen: (43) «Die verkleiden sich gerne als Sandler. […]» (Haas Silentium: 160) (44) «[…] War das auch ein Sozialarbeiter?» «Der und ein Sozialarbeiter!» hat der Sandler gelacht. «Der hätte sich aber lange verstellt. […]» (Haas Silentium: 161)

56 Zum Mechanismus der Valenzreduktion und -erhöhung im Passiv Kap. III/1.3.3. Der Mechanismus bei be-Verb-Konstruktionen ist analog ‚zweischrittig‘. 57 Zu einer Applikativ-Typologie s. Haspelmath/Müller-Bardey 2004: 1134  f.

mediale ­Präfixverben

416 

Partikel­ verben

Deutsch ist gewiß eine ‚Partikelverbsprache‘, d.  h. eine Sprache mit dem typologischen Charakteristikum, über sehr viele Möglichkeiten zu verfügen, dynamische Prädikate qua Partikelverbmuster zu bilden (Coseriu 1988a: 275). Einige Muster nach Knobloch (2009: 546):58 (45)

erneut: MikroDirektiva

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

jmdm. etw. an-X-en (z.  B. drehen, dienen) jmdm. etw. auf-X-en (z.  B. nötigen, schwatzen) jmdm. etw. ab-X-en (z.  B. schwatzen, trotzen) jmdm. etw. weg-X-en (z.  B. angeln, nehmen)

Typisch für viele Partikelverben ist die Kodierung von Mikro-Direktiva im dynamischen Prädikat:59 (46) (a) Wir montieren die Reifen (Makro- an das Auto Direktivum). (b) Wir montieren die Reifen ((Makro- an das Auto Direktivum)) (Mikro- an Direktivum). (47) (a) Sie legte eine Folie (Makro- auf den Projektor Direktivum). (b) Sie legte eine Folie ((Makro- auf den Projektor Direktivum)) (Mikro- auf Direktivum). (48) (a) Er koppelt den Waggon (Makro- an die Lokomotive / von der Lokomotive Direktivum). (b) Er koppelt den Waggon ((Makro- an die Lokomotive / von der Lokomotive Direktivum)) an/ab Direktivum). (MikroDie dynamischen (mikrovalenziellen) Strukturen schließen ökonomisch die grammatische Gestalt und indizieren eindeutig die Szenarios. Wenn pragmatisch-textuell Bedarf besteht, kann das jeweilige Makro-Direktivum pleonastisch (Olsen 1996 und 1997: 324  ff.) realisiert werden. In anderen Fällen kann es kontextuell erschlossen werden:60

58 Knobloch (2009: 546  ff.) zeigt, dass das Bild hinsichtlich des Bedeutungsbeitrags von statischem Valenzträger und Konstruktion sehr unterschiedlich gewichtet sein kann. Bei den obigen Beispielen sind die Konstruktionsbedeutungen relativ unabhängig, während man sich etwa bei ‚etw. auf-X-en‘ fragen kann, ob das Muster überhaupt eine Bedeutung hat. Zumindest kommen in Abhängigkeit von der Bedeutung des jeweiligen statischen Valenzträgers ganz unterschiedliche Typen von dynamischen Bedeutungen zustande: die Suppe aufessen, das Marmeladeglas aufmachen, die Mütze auf­ setzen. Selbst wenn man ein „Passepartout-Verb“ (Knobloch 2009: 547) wie kriegen einsetzt, vgl. die Suppe vs. das Marmeladeglas vs. die Mütze aufkriegen, bleiben die unterschiedlichen Bedeutungs­ typen bestehen. Zu einer umfassenden Beschreibung der Statik und Dynamik von Partikel­verb­ konstruktionen mit der Partikel an- vgl. Felfe 2012. 59 Zur Diskussion und zum Quellennachweis für (46) und (47) s. Ágel 2000: 142  ff. Beispiel (48) übernehme ich von Eroms (2010: 31). 60 Pleonasmus wurde im Rahmen des Modells der strukturellen Valenzrealisierung als ein Fall von Expansion und Emphase modelliert (Ágel 2000: 227). Zur kontextuellen Erschließung (‚definiten Nichtrealisierung‘) vgl. zusammenfassend Ágel 2000: 256  ff.



Prädikat: dynamische Prädikate 

 417

(49) Die Analyse der Verhörsprotokolle zeigt, daß sprechsprachliche Elemente, die man bei der Wiedergabe eines mündlich durchgeführten Verhörs erwarten könnte, direkt nur in ganz geringem Umfang eingeflossen sind.61 → Sprechsprachliche Elemente sind direkt nur in ganz geringem Umfang (in die Verhörsprotokolle) eingeflossen.

Kontext und MikroDirektivum

Dasselbe gilt für Komplexverben mit Mikro-Direktivum: (50) Die Blitzlichter draußen vor dem Bus machten uns neugierig, mehrere von uns klebten an den Scheiben und beobachteten die beiden jungen Männer, die nach Photographen aussahen […] und Aufnahmen von unserem Bus machten […]. Als sie offenbar zufrieden waren, winkten sie uns raus […]. (Lenz Landesbühne: 66) → Sie winkten uns (aus dem Bus) raus. Das Funktionieren der Mikro-Makro-Dynamik setzt wie erwähnt eindeutig indizierte Szenarios voraus: eine Folie auflegen (natürlich: auf den Projektor), eine Platte aufle­ gen (natürlich: auf den Plattenspieler), den Hörer auflegen ((noch) natürlich (?): auf den Telefonapparat) vs. ?das Kind auflegen (wohin?). Wenn ein Mikro-Direktivum das Szenario nicht eindeutig indizieren könnte, bleibt nur die Möglichkeit, auf das Partikelverb zu verzichten und ein Makro-Direktivum einzusetzen:62 (51)

Die Mutter legte das Kind (Direk- auf den Rücken tivum).

Bisher wurden zwei Typen von dynamischen Partikelverben behandelt: Partikelverben ohne und mit einem Mikro-Direktivum. Abschließend soll ein dritter Typus erwähnt werden, auf den Clemens Knobloch (2009: 549) aufmerksam macht (Beispiele ebd.): (52) (a) (b)

Hast du das Wasser schon aufgegossen? Hast du den Tee schon aufgegossen?

Als statischer Ausgangssatz ließe sich angeben: (53)

Hast du das Wasser schon auf den Tee gegossen?

Der Satz (52a) stellt eine Mikro-Dynamisierung dar: Die Partikel auf- ist ein MikroDirektivum. Dagegen ist Satz (52b) ein Applikativ: Das Direktivum des statischen

61 Beleg aus: Peilicke, Roswitha (1980): Zur Literatursprache von Mühlhäuser Verhörsprotokollen aus der Zeit des großen deutschen Bauernkrieges. Syntaktisch/stilistische Untersuchungen. In: Schildt, J. (Hg.) Syntaktisch-stilistische und lexikalische Untersuchungen an Texten aus der Zeit des Großen Deutschen Bauernkrieges. Berlin: ZISW (LS/ZISW/A 70), 27. 62 Da es hier kein alternatives Mikro-Direktivum gibt, kann die Kennzeichnung ‚Makro-‘ weggelassen werden.

MikroSatzglied vs. Applikativ

418 

Präfix- vs. Partikelverb

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Satzes wurde zum Akkusativobjekt im dynamischen Satz und somit patientiviert. Entsprechend ist die Partikel auf- in (52b) kein Mikro-Satzglied. Der dritte Typus stellt also eine Alternation ‚+Mikro/-Applikativ vs. -Mikro/+Applikativ‘ dar.63 Es ist eine spannende theoretische und empirische Frage, ob die formale Opposition zwischen Präfix- und Partikelverben (‚-/+trennbar‘) ein valenzdynamisches Korrelat hat oder nicht. Nach der einleuchtenden, aber empirisch noch zu überprüfenden Hypothese von Hans-Werner Eroms (2007: 51) ist dies der Fall: Der Unterschied zwischen Präfix- und Partikelverben liegt in Bezug auf die mikrovalenzielle Kennzeichnung der Aktanten darin, dass die ersteren zwar nicht durchweg, aber zu einem erheblichen Teil auch die makrovalenzielle Setzung erfordern, die letzteren aber nicht.

Medialverb und Medial­ konstruktions­ träger

Nach der Klassifikation der Medialverben (Tab. 36 im Kap. III/2.1.3) enthält die Unterklasse der endoaktiven Medialverben (Antikausativa) sowohl statische (wie z.  B. sich ergeben, sich zeigen) als auch dynamische Medialverben, d.  h. Medialverb-Konstruktionsträger, wie z.  B. [13] Jetzt aber (Medial- öffnet sich verb) das Tor zum Gefängnishof, […]. Mit dynamischen Medialverben, die zu den morphologisch dynamischen Prädikaten gehören, haben wir uns im Kap. III/2.1.3 ausführlich beschäftigt, deshalb gehen wir hier nur auf die Medialkonstruktionsträger (Medialprädikate), die syntaktisch dynamische Prädikate sind, ein:64 (22) […] Ihre E-Mails lesen sich wie ‚heruntergesprudelt‘ […]. (Glattauer Nordwind: 10) (54) […] meine Buchstaben lesen sich auf dem Bildschirm besser, als sich mein Gesicht ansieht, wenn es die Buchstaben spricht. (Glattauer Wellen: 26) (4) Die Schuhe hatten wir ausgezogen. Es war kalt, aber so lief es sich besser. (Hein Freund: 83  f.)

Medial­ konstruktion

Das Besondere an Medialkonstruktionen ist, dass sie „nicht auf ein aktuelles Ereignis, sondern auf Dispositionen zu Ereignissen“ referieren (Welke 2005: 250).65 Das Konzept der Disposition erläutert Eike von Savigny (1993: 101) wie folgt:

63 Zur Alternation Kap. III/1.3.3, Anm. 58. 64 S. etwa Wagner 1977, Vater 1988, Sadziński 1989: 161  ff., Fagan 1992, Steinbach 2002, Zifonun 2003, Welke 1997 und 2005: 249  ff. Will man Medialkonstruktionen terminologisch präziser fassen, kann man von dispositiven Medialkonstruktionen oder vom „fazilitativen Medium“ (Zifonun 2003: 74  ff.) sprechen. 65 Das Konzept der Dispositionsausdrücke stammt von dem Philosophen Gilbert Ryle (1949).



Prädikat: dynamische Prädikate 

 419

Dispositionswörter wie zerbrechlich dienen dazu, für einzelne Individuen die Formulierung zu erlauben, was mit ihnen geschehen würde, wenn bestimmte Umstände einträten. Zum Beispiel sagt die Feststellung diese Glasscheibe ist zerbrechlich unter anderem, daß die Glasscheibe zerbrechen würde, wenn man sie fallen ließe.

Wenn man also sagt, dass sich Ihre E-Mails wie ‚heruntergesprudelt‘ lesen, dann schreibt man sprachlich (signifikativ-semantisch) den E-Mails der angesprochenen Person eine Disposition zu, die alleine von den ‚Eigenschaften‘ der E-Mails dieser Person abhängt und nicht etwa von denen der Person, die sie geschrieben hat (Zifonun 2003: 74, Welke 2005: 250): Das Nomen der Subjektposition erhält das Agensmerkmal [+responsible]. Dieses und nicht das menschliche (denotative) Agens ist der potentielle eigentliche Auslöser des Ereignisses, die Grundlage der Disposition. (Welke ebd.)

Die semantische Besonderheit von Medialkonstruktionen wird anschaulich, wenn man sie Sätzen mit Medialverben gegenüberstellt. Vergleichen wir hierzu den Leittext-Beleg mit dem Medialverb sich öffnen mit möglichen Medialkonstruktionen auf der Basis des Originals: [13] Jetzt aber (Medial- öffnet sich verb) das Tor zum Gefängnishof, […]. [13a] Das Tor zum Gefängnishof öffnet sich leicht. [Modaladverbial] [13b] Das Tor zum Gefängnishof öffnet sich nicht. [Negation] [13c] DAS Tor zum Gefängnishof öffnet sich. [Hervorhebungsakzent] Einerseits musste das Temporaladverbial jetzt entfernt werden, weil es sich schlecht mit der Dispositionsbedeutung verträgt. Andererseits mussten dynamische Elemente (ein neues Mesoglied oder Hervorhebungsakzent) eingefügt werden, um eine Dispositionsbedeutung überhaupt generieren zu können. Denn Ein Satz wird […] dispositiv interpretierbar, wenn eine Alternative denkbar ist, d.  h. wenn das Prädikat negierbar ist. Und das geschieht bereits bei der Kontrastbetonung und sehr deutlich durch eine Modifikation mit leicht. (Welke 2005: 252)66

In [13] werden dem Tor zum Gefängnishof sprachlich keinerlei Eigenschaften zugeschrieben, sondern es geht um die Perspektivierung einer aktuellen Situation als eines spontanen (endoaktiven) Vorgangs. Der Fokus liegt auf dem Vorgang selbst und nicht auf dem Vorgangsträger: Das Subjekt Das Tor zum Gefängnishof ist ein (Endo-) Vorgangsträger (Kap. III/2.1.4).

66 Zu weiteren semantischen Beschränkungen s. Wagner 1977: 155  ff. und Zifonun 2003: 74  f.

Disposition

420 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Dagegen bewirken die Dispositionsausdrücke in [13a] bis [13c], dass sich der Fokus auf die Eigenschaften des Vorgangsträgers verlagert. Semantisch ließe sich hier von einem Dispositionsvorgang und von Subjekten als Dispositions(vorgangs) trägern sprechen: Obligatorisches Modal­ adverbial?

PseudoDisposition

– Prädikat – Modaladverbial    – Dispositionsvorgang – öffnet sich leicht

Das dynamische Modaladverbial stellt die protoypische Möglichkeit dar, zur Erzeugung einer Dispositionsbedeutung beizutragen. Es ist jedoch, wie man an [13b] und [13c] sieht, nicht die einzige Möglichkeit. Obligatorisch für Medialkonstruktionen ist also irgendeine dynamische Form, die eine implizierte Alternative erzeugt. Diese dynamische Form muss jedoch kein dynamisches Satzglied (im engeren Sinne) sein, sondern kann auch ein Kommentarglied (wie nicht) sein oder eben die prosodische Form ‚Hervorhebungsakzent‘, die der Konstruktion den semantischen Wert ‚Kontrast‘ verleiht. Wenn der der Medialkonstruktion zugrundeliegende Ausgangsvalenzträger transitiv ist (öffnen, lesen), entspricht dem statischen Akkusativobjekt das Subjekt der Medialkonstruktion. Doch auch intransitive Valenzträger wie laufen (s. (4) oben) lassen die Bildung von Medialkonstruktionen zu. In diesen Fällen muss das formale Subjekt es als Pseudo- Dispositions(vorgangs)träger eingeführt werden:67

Alter und Genese

Subjekt Dispositionssträger Das Tor

formales Subjekt Pseudo-Dispositionssträger Es

– Prädikat – Modaladverbial   – Dispositionsvorgang – lief sich besser

Medialverben stellen eine alte germanische Bildung dar, sie kommen bereits in der gotischen Bibelübersetzung von Wulfila (4.  Jh.) vor. Dagegen sind Medialkonstruktionen erst aus dem 17.  Jh. belegt. Der älteste sichere Beleg stammt aus dem Jahre 1673 (Paul 1919/1954: 29). Aus derselben Zeit (1696) stammt auch der folgende, selbst gefundene Beleg:68 (55)

[…] was stund da vor ein schön Bette […] und schlieff sichs auch so weich darinnen daß ich auch die ganze Nacht nicht einmahl aufwachte. (Reuter Schelmuffsky: 130)

Der diachrone Befund schließt also eine Genese ‚Medialkonstruktion > Medialverb‘ aus. Für die umgekehrte Annahme gibt es zwar gute theoretische Gründe, zwingend ist die Annahme der Genese ‚Medialverb > Medialkonstruktion‘ jedoch auch nicht, nur plausibel (Welke 1997 und 2005: 252  f.).

67 Entsprechend erfolgte die Unterteilung der Medialprädikate in Tab. 41 in die Subklassen ‚dispositiv‘ und ‚pseudo-dispositiv‘. 68 einmahl ist kein Tippfehler.



Prädikat: dynamische Prädikate 

 421

Formal analog zu den bisher erörterten dispositiven Medialkonstruktionen sind Medialkonstruktionen mit sich lassen (Szatmári 2004): (56) (57) (58)

Eine selbstverschuldete Peinlichkeit läßt sich allein besser überstehen. (Hein Freund: 139) Mit Bibel, Homer und Rosegger oder Reuter läßt es sich auskommen. (Musil: Der Mann ohne Eigenschaften, zit. n. Szatmári 2004: 116) Auf dem weißen Rund meiner Trommel läßt sich schlecht experimentieren. (Grass: Die Blechtrommel, zit. n. Szatmári 2004: 119)

sich-lassenMedial­ konstruktion

Auch hier gibt es eine Variante mit einem dem statischen Akkusativobjekt entsprechenden Subjekt (→ eine selbstverschuldete Peinlichkeit überstehen) und eine andere mit dem formalen Subjekt es, wenn der Valenzträger intransitiv ist (→ auskommen).69 Semantisch sind diese Konstruktionen allerdings nicht dispositiv, sondern modal: Sie drücken Possibilität (Möglichkeit) aus (Szatmári 2004: 101). Da eine Disposition eine Art Möglichkeit ist, aber nicht umgekehrt, lassen sich dispositive immer zu modalen (sich-lassen-) Medialkonstruktionen erweitern, aber nicht umgekehrt (Szatmári 2004: 96): [13d] Das Tor zum Gefängnishof lässt sich leicht öffnen. (56a) ??Eine selbstverschuldete Peinlichkeit übersteht sich allein besser. Das Verhältnis von dispositiven und modalen Medialkonstruktionen ist in vielerlei Hinsicht mit dem von Medium und Passiv vergleichbar: (56) (b) (c)

Eine selbstverschuldete Peinlichkeit läßt sich von ihm allein besser über­ stehen. Eine selbstverschuldete Peinlichkeit läßt sich überstehen.

1. Modale Medialkonstruktionen implizieren im Gegensatz zu dispositiven Medialkonstruktionen einen Vorgangsauslöser (s. von ihm in (b)) und 2. brauchen keinerlei dynamische Form, die eine implizierte Alternative erzeugt. Entsprechend hat das Modaladverbial nichts mit der Konstruktion zu tun. Wenn es da ist, ist es ein Supplement und kein dynamisches Komplement. (59) Das Schneckentempo auf der „Maruta Jaya“ ist Schenzle ein Greuel. „Wir haben keine Eile“, ist der Satz, der den Hamburger Forscher auf die indonesische Palme bringt und aus geplanten vier 18 Jahre Projektdauer machte. „Maruta Jaya“ ist nicht das einzige Beispiel für alternativen Antrieb. (Neue Kronen-Zeitung, 10. 08. 1997, zit. n. Ágel 2004: 83)

69 Das formale es wird im Mittelfeld nicht immer realisiert (s. (58)), die Bedingungen hierfür sind allerdings unklar (Szatmári 2004: 121  ff.).

dynamisches Idiom

422 

­Modifikation ohne ­Modifikation

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Idiome wie (jmdn.) auf die Palme bringen spielen als statische Prädikate in Texten eine untergeordnete Rolle. Umso wichtiger für die Textbildung und Sinnerzeugung ist „die okkasionelle, für die Zwecke eines Textes hergestellte Abwandlung eines Phraseologismus“ (Burger 1998: 27, Unterstreichung im Original) wie (jmdn.) auf die indo­ nesische Palme bringen in (59). Die Phraseologieforschung spricht hier von Modifika­ tion (oder von okkasioneller Variation).70 Modifikationen stellen dynamische Idiome dar, bei denen es darum geht, mit Hilfe diverser grammatischer Techniken die interne grammatische Struktur und somit auch die wörtliche Bedeutung des zugrundeliegenden statischen Idioms bewusst zu machen. Der Umszenierungseffekt ergibt sich aus der Projektion dynamisierter Teile auf das statische Ganze. Die Umszenierung muss allerdings nicht, wie in (59), mit einer formalen Abwandlung des Idioms einhergehen. Bei der Zeugma genannten rhetorischen Figur wird das Idiom formal nicht modifiziert:71 (60) Der in einigen Frankfurter Zeitungen thematisierte angeblich unstete Lebenswandel des Stürmers brachte ihn (Makro- auf die Palme Direktivum) und [brachte ihn] sogleich (Mikro- zurück Direktivum) (Makro- in die Stammformation der Frankfurter . Direktivum) (Frankfurter Rundschau, 29. 04. 2000, zit. n. Kollokationen im Wörterbuch) Partiturschreibweise: [Der Lebenswandel] [brachte]  [ihn] [auf die Palme] und [zurück (in die Stammformation)] Wie die Partiturschreibweise und die eingetragenen Satzgliedwerte im Originalbeleg zeigen, hat hier eine einfache grammatische Technik, die Koordination, recht komplexe grammatische Verhältnisse verursacht: Das Mikro-Direktivum (zurück) und das Makro-Direktivum (in die Stammformation) aktualisieren sowohl die wörtliche Bedeutung und den nichtidiomatischen Satzgliedwert (= Direktivum) des Prädikatsbestandteils auf die Palme als auch die wörtliche Bedeutung und den nichtidiomatischen Satzgliedwert (= Prädikat) des idiomatischen Prädikatsbestandteils brachte. Diese kompositionale dynamische Interpretation überlagert die idiomatische statische. Der zeugmatische Effekt basiert auf der Kopräsenz zweier, sich im Normalfall ausschließender grammatischer Interpretationen. Aber auch das Komplexverb zurückbringen ist dynamisch, denn der virtuelle Satz wird erst durch die Aktualisierung des nichtidiomatischen Satzgliedwerts des idiomatischen Prädikatsbestandteils brachte möglich.

Resultativkonstruktion

(61)

Der Offizier brüllt den Gefreiten wach.

70 S. etwa Wotjak 1992: 161  ff., Fleischer 1997: 205  ff., Burger 1998: 150  ff. und Sabban 1998 bzw. 2007. 71 Die Partiturschreibweise wurde eingeführt, um virtuelle Sätze zu modellieren (Kap. II/2.4). Zu einer anderen zeugmatischen Satzverbindung Kap. III/1.3.1.



Prädikat: dynamische Prädikate 

 423

(62) Pavarotti singt das Publikum aus dem Saal. (Beispiele nach IDS-Grammatik 1997/2: 1114) Resultativkonstruktionen „(bezeichnen) „den Nachzustand eines Objektsreferenten, der erst als Resultat der durch die vom Verb bezeichneten Handlung verursacht wird (also vorher nicht vorhanden war).“ (Helbig 2008a: 202, Unterstreichungen im Original) Entsprechend lassen sich (61) und (62) wie folgt paraphrasieren (erste Paraphrase aus der IDS-Grammatik (ebd.)):

‚Der Offizier bewirkt durch Brüllen, dass der Gefangene wach ist‘ ‚Pavarotti bewirkt durch Singen, dass das Publikum nicht mehr im Saal ist‘

Die statischen Grundvalenzträger brüllen und singen erklären zwar das jeweilige Subjekt (»Wer brüllt/singt?«), nicht jedoch das jeweilige Akkusativobjekt (»Wen brüllt der Offizier / singt Pavarotti?«), das Adjektiv (»Wie brüllt der Offizier?«) und das Direktivum (»Woher singt Pavarotti?«). Die Valenzpotenz, die in (61) und (62) realisiert wird, ist nur als Koproduktion von statischem Prädikat und Konstruktion, d.  h. ausgehend von dem dynamischen Prädikat, zu erklären:72

Resultativ­ prädikat

brüllt wach → (Sub- der Offizier jekt) (Akkusativ- den Gefreiten objekt) singt aus dem Saal → (Sub- Pavarotti jekt) (Akkusativ- das Publikum objekt) Adjektivische und direktionale Resultativprädikate (Resultativkonstruktionsträger) funktionieren also ganz im Sinne der Valenzänderungsformel und repräsentieren die typische Form von Valenzträgeränderung, die Umkategorisierung mit Erweiterung des Valenzträgers (Kap. III/2.2.2). Resultativprädikate und Vollverb-Prädikate können eine Distributionsklasse bilden, was den Prädikatsstatus der Resultativprädikate unterstreicht: (63)

Ich habe mich satt gewartet. Ich habe mich effektiv ausgewartet. (Glattauer Wellen: 188)

Resultativkonstruktionen haben in der älteren Forschung wenig Beachtung gefunden: Direktionale Resultativkonstruktionen spielten keine Rolle, adjektivische Resultativkonstruktionen wurden „vielfach einfach mit den Objektsprädikativen ‚vermischt‘ oder in diese ‚eingegliedert‘“ (Helbig 2008a: 200).73 Dagegen stehen Resultativkonstruktionen in der modernen Grammatikforschung im Zentrum des Interesses, da sie

72 Exakt denselben „Modellgedanken“ äußert Clemens Knobloch (2009: 549). Zur semantischen Beschreibung der Resultativkonstruktion Kap. III/1.3.3. Zur Resultativität aus typologischer Sicht s. Nedjalkov 2001. 73 Dabei ist gegen eine theoretisch begründete ‚Eingliederung‘ nichts einzuwenden. Denn adjektivische Resultativkonstruktionen sind formal (objekts-)prädikativ (Welke 2011: 223  ff.). Direktive Resultativkonstruktionen wie (jmdn.) aus dem Schlaf läuten oder aus dem Saal singen sind es dagegen nicht. Dies lässt sich aus der theoretischen Interpretation des Prädikativs herleiten (Kap. III/2.1.4).

Distributionsklasse mit Vollverb und Resultativ­ prädikat Vielfalt (des Phänomens und seiner Erforschung)

424 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

für jede Grammatiktheorie eine besondere Herausforderung darstellen.74 Auch für die Grammatische Textanalyse sind sie sehr wichtig, da Resultativprädikate einen in Texten häufig vorkommenden Typ von dynamischen Prädikaten darstellen und da sich Resultativkonstruktionen mit dem Instrumentarium der traditionellen (statischen) Satzgliedlehre nicht analysieren lassen. Die Vielfalt des Phänomens soll durch die folgenden Belege und Beispiele angedeutet werden: adjektivisches Resultativ

adjektivische Resultativkonstruktionen:75 (64) Bettwäsche, Tischwäsche, Badetücher, Handtücher – wir waschen Ihre Wäsche sauber und bügeln oder mangeln sie glatt und faltenfrei. (65) Ich habe mein erstes Messer stumpf rasiert. (66) So kochen Sie ihren Mann schlank. (67) Katy Perry […] hat bei einem Konzert in Moskau die Halle leer gesungen. (68) Frage an den Schönschweiger: Wie lange gedenkst du unser ‚uns‘ noch schönzuschweigen? (Glattauer Wellen: 212) (69) Gregor Gysi hat seine Partei kaputtgeredet. (DIE ZEIT, 01. 09. 2011)

direktionales Resultativ

direktionale Resultativkonstruktionen: (5) Hanna arbeitete als deutsche Sprecherin bei BBC. […] Herr Piper verdankt ihr sein Leben, scheint mir; Hanna heiratete ihn aus einem Lager heraus […]. (Frisch Homo: 176)76 (70) Ach, da schreibt eine gewisse Emmi Rothner. Der Name kommt dir irgendwie bekannt vor. War das nicht diejenige, die du in geschulter virtueller Rattenfängermanier schon so gut wie ins Bett geschrieben hattest, […]? (Glattauer Wellen: 10) (71) Maria Schell kaufte sich in den Ruin. (Nürnberger Nachrichten, 28. 04. 2005, zit. n. Engelberg/König/Proost/Winkler 2011: 97) (72) Er hatte sich binnen fünf Wochen von einhundertsechsundsechzig auf einhundertdreißig Pfund heruntergehungert. (Brussig Sonnenallee: 68)

74 Insbesondere seit dem konstruktionsgrammatischen Resultativ-Boom ist die Fachliteratur hierzu kaum mehr zu überblicken. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien für die Vielfalt der Forschung stellvertretend folgende wichtige Arbeiten genannt (pro Autor nur eine Arbeit): Pütz 1982, Plank 1985, Goldberg 1995, Müller 2006a, Möller 2010, Boas 2011, Engelberg/König/Proost/Winkler 2011, Hampe 2011, Welke 2011 und Felfe 2012. 75 Die ersten vier Beispiele sind alle Zeitungsbelege aus Felfe 2012. 76 Kap. III/2.2.2



Prädikat: dynamische Prädikate 

 425

(73) So kannst du dich nicht in den Schlaf stehlen […]. (Glattauer Wellen: 122) (74) Aus den Kurzgeschichten schrieb er [John Updike, VÁ] sich zum Roman vor. (SZ, 29. 01. 2009) Trotz der Vielfalt haben Resultativkonstruktionen Vieles mit dem (nichtresultativen) Applikativ gemeinsam, dessen prototypische Realisierung im Deutschen, wie oben gezeigt, die be-Verb-Konstruktion ist. Der Applikativ ist, wie erwähnt, der Typ von Valenzänderung, der das Akkusativobjekt betrifft und dessen Hauptfunktion in der (nichtresultativen) Patientivierung von unterschiedlichen Satzgliedern besteht. Die obigen Beispiele lassen sich durchaus als Applikativ interpretien:77

Resultativ als Applikativ

A (Subjekt, Akteur) redet/schweigt über B (Präpositionalobjekt, Anlass) A (Subjekt, Akteur) singt indat B (Lokaladverbial) A (Subjekt, Akteur) rasiert sich mitdat B (Instrumentaladverbial) A (Subjekt, Akteur) kocht für B (Präpositionalobjekt, Benefaktiv) A (Subjekt, Akteur) wäscht/bügelt/mangelt/heiratet/schreibt/kauft/hungert/stiehlt → A (Subjekt, Agens) redet kaputt / schweigt schön / singt leer / rasiert stumpf / kocht schlank / heira­ tet heraus / schreibt ins Bett / schreibt vor / wäscht sauber / bügelt glatt usw. B (Akkusativobjekt, Resultativpatiens) Im Vergleich zum prototypischen Applikativ sind folgende Unterschiede zu registrieren: 1. Es ist kein Wortbildungsmuster, sondern ein syntaktisches Muster, das die unterschiedlichen Ausgangsvalenzträger bündelt: Erweiterung des Valenzträgers qua Inkorporation eines Adjektivs/Direktivums. 2. Aus dem natürlichen Unterschied zwischen einem Wortbildungsmuster mit einem einheitlichen Präfix und einem syntaktischen Muster mit einem lexikalisch variabel besetzbaren Slot für ein Adjektiv/Direktivum folgt, dass die Zielvalenzträger, d.  h. die Resultativprädikate, im Gegensatz zu be-Verb-Prädikaten lexikalisch sehr vielfältig sind. 3. Es scheint, dass schwach präsupponierte Szenariokontextualisierer eines Ausgangsvalenzträgers (wie z.  B. der Ort des Singens) leichter zum Akkusativ­objekt eines Resultativprädikats als eines be-Verb-Prädikats ‚appliziert‘ werden können.78

77 Die semantische Rolle Resultativpatiens (Handlungsresultat) wurde im Kap. III/1.3.3 eingeführt. Sie beschreibt ein konstruktionell erzeugtes, dynamisches Patiens, das als Resultat einer vorangehenden Tätigkeit perspektiviert wird. 78 Die auf Heringer 1984 und 1985 zurückgehende Valenzrelation PRÄSUPP (Präsupponiertheit) wurde im Kap. III/1.3.1 behandelt. Ihr entspricht in konstruktionsgrammatischer Argumentation der Frame-Wert von potenziellen Satzgliedern (Boas 2011, Felfe 2012).

Unterschied zum be-Verb

426 

intransitiver Ausgangs­ valenzträger

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Der Ausgangsvalenzträger von Resultativkonstruktionen muss intransitiv oder intransitiv verwendbar (= patiensreduziert) sein (Kap. III/1.3.3, Anm. 51). Offensichtlich gilt diese Bedingung auch für die be-Verb-Konstruktion. Deshalb kann in der Regel weder ein be-Verb-Prädikat zum Resultativprädikat noch ein Resultativprädikat zu einem be-Verb-Prädikat weiter dynamisiert werden:79 (75) (76)

*Sie betrommeln die Gießkannen kaputt. *Sie besingt die Halle leer / das Publikum in Rage.

Der Bedingung, dass der Ausgangsvalenzträger intransitiv sein muss, widerspricht scheinbar der Beispieltyp (64), wo die semantische Besetzung der Akkusativobjektstelle unabhängig vom jeweiligen Adjektiv zu sein scheint: Wäsche waschen bügeln → Wäsche sauber waschen glatt bügeln

mangeln faltenfrei mangeln

Auch der Umstand, dass dieser Typ von Resultativ historisch auf die transitive Verwendung des Verbs mit einem Modaladverbial zurückgeht (Felfe 2012), scheint gegen einen intransitiven Ausgangsvalenzträger zu sprechen. Es gibt allerdings gute theo­ retische und empirische Gründe, diesem Beispieltyp keinen grammatischen und semantischen Sonderstatus zuzubilligen: 1. Theoretisch passt dieser Typ zum Gesamtsystem, weil (a) die Ausgangsvalenzträger alle zumindest intransitiv verwendbar und (b) schwächer resultatsorientiert sind als die Zielvalenzträger.80 2. Theoretisch ist das Verhältnis von Wäsche und waschen ein ganz anderes als das von Wäsche und sauber waschen. Ein Satz wie X wäscht die Wäsche ist zwar nicht so tautologisch wie X beißt mit den Zähnen, aber die „präferentielle Bedeutung“ (Feilke 1998: 74) von X wäscht ist sicherlich ‚X wäscht die Wäsche‘ (und nicht etwa ‚X wäscht die Hände/Füße‘).81 Dagegen hat das dynamische Prädikat sauber waschen keine präferentielle Bedeutung ‚die Wäsche sauber waschen‘. 3. Ein empirisches Argument ist der Vergleich von waschen mit dem teilsynonymen reinigen, dessen Akkusativobjekt nach E-VALBU obligatorisch ist:82

79 Ausnahmen, auf die mich Gisela Zifonun aufmerksam gemacht hat: Er beschwatzte mich in den Ruin; Er bepflanzt seinen Garten in ein tropisches Kleinod. 80 Dieser Unterschied wird mit (statischem) Patiens vs. (dynamischem) Resultativpatiens erfasst. 81 Nach Coseriu (1967: 298  ff.) ist das Merkmal ‚mit den Zähnen‘ in der Bedeutung von beißen enthalten (= einseitige lexikalische Solidarität). 82 Natürlich wäre ein Satz wie X reinigt die Kleider sauber möglich, aber nichtresultativ (sauber als Modaladverbial).



Prädikat: dynamische Prädikate 

 427

die Kleider reinigen → ??die Kleider sauber reinigen Der Mechanismus der Dynamik von Mikro- und Makro-Direktiva wurde oben bei den Komplex- und Partikelverben bereits vorgestellt. Dieselbe Art von Dynamik liegt auch direktionalen Resultativkonstruktionen zugrunde: 1. Wenn das Resultativprädikat ein Mikro-Direktivum inkludiert, kann ein MakroDirektivum (als dynamisches Satzglied) bei Bedarf zusätzlich realisiert oder kontextuell erschlossen werden. Das Mikro-Direktivum bildet also mit dem Ausgangsvalenzträger ein Komplex- oder Partikelverb, das Makro-Direktivum ist fakultativ ((aus einem Lager) herausheiraten, (von einhundertsechsundsechzig auf einhundertdreißig Pfund) herunterhungern, sich (zum Roman) vorschreiben). 2. Wenn das Resultativprädikat kein Mikro-Direktivum inkludiert, muss es ein Makro-Direktivum enthalten. Folglich kann ein Makro-Direktivum (als dynamisches Satzglied) nicht mehr realisiert werden (ins Bett schreiben, in den Ruin kaufen, in den Schlaf stehlen).

Mikro-MakroDynamik

Wenn dynamische Prädikate konventionalisiert und lexikalisiert werden, werden sie zu statischen Prädikaten, behalten jedoch in der Regel semantische Merkmale, die das frühere dynamische Prädikat charakterisiert haben:

von der Dynamik zur Statik

(77) Glaube mir, ein verständnisvoller Richter hätte fast alle freigesprochen […]. (Lenz Landesbühne: 11) (78) Und in dem Maße, in dem das strukturalistisch-kognitivistische Meinungsklima […] seine normative Kraft verliert, gibt es hinter der als solcher immer brüchiger werdenden >Gründergestalt< einen Theoretiker frei, dessen […] Denken als geeignet erscheint, auch in den gegenwärtigen Theoriedebatten eine bedeutende Rolle zu spielen […]. (Jäger 2010: 15) Die Verben freisprechen und freigeben sind lexikalisiert und somit zweifelsohne statische Komplexverben, der dynamisch-resultative Ursprung haftet ihren Bedeutungen aber immer noch an. Dasselbe gilt für die statischen Prädikate sich strafbar/rar/breit machen:83 (79) Der Koch macht sich strafbar. (80) Der Koch macht sich rar. (81) Ernüchterung macht sich breit.

83 Alle Beispiele stammen von Max Möller (2010: 192).

428 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Nicht statisch, sondern dynamisch ist dagegen ein Prädikat wie das bereits zitierte sich satt warten:84 (63)

Resultativ­ konstruktionen mit sich

Ich habe mich satt gewartet. Ich habe mich effektiv ausgewartet. (Glattauer Wellen: 188)

Nach Marc Felfe (2012: 385) geht es hier darum, „dass auf dem Muster von ResultativKonstruktionen nicht kausative Ereignisse ausgedrückt werden, sondern metaphorisch ein hoher, häufig negativ konnotierter Intensitätsgrad von Tätigkeiten.“ M. a. W., es geht hier nicht um ein Resultativprädikat, das lexikalisiert worden wäre, sondern die Resultativkonstruktion selbst ist als Intensivierungskonstruktion lexikalisiert worden. Qua Intensivierungskonstruktion lassen sich also dynamische Prädikate wie sich satt warten generieren, die aber nur noch in einem metaphorischen Sinne als Resultativprädikate bezeichnet werden können. Resultativkonstruktionen mit sich werden in der Literatur pauschal reflexiv genannt. Ob sie semantisch medial oder reflexiv zu werten sind, scheint bei Konstruk­ tions­beschreibungen keine Rolle zu spielen.85 Nun könnte man meinen, dass die Entscheidung über Reflexivität vs. Medialität und somit über den Status von sich als -/+Prädikatsteil leicht fällt, schließlich gibt es hierzu Testverfahren, über die man sich einig ist (Erfragbarkeit, Koordinierbarkeit und Ersetzbarkeit) und die bei statischen Prädikaten auch eingesetzt wurden (Kap. III/2.1.3). Tatsächlich fällt die Entscheidung bei dynamischen Prädikaten aber schwer bzw. nicht so leicht wie bei statischen:86 (71) Maria Schell kaufte sich in den Ruin. → ?Wen kaufte Maria Schell in den Ruin? Sich. ?Maria Schell kaufte sich und ihren Mann in den Ruin. → → ?Maria Schell kaufte ihren Mann in den Ruin. (72) Er hatte sich binnen fünf Wochen von einhundertsechsundsechzig auf einhundertdreißig Pfund heruntergehungert.

84 Die Textstelle ist des Weiteren ein glückliches Beispiel für den Nachweis der engen Verwandtschaft von Resultativ- und Partikelverb-Konstruktionen, die in der Literatur immer wieder hervorgehoben wird (s. etwa Müller 2006a und Chang 2008). 85 Dies ist umso erstaunlicher, als es sich hier (a) um eine grammatisch und semantisch zentrale Unterscheidung handelt (Kap. III/2.1.3) und (b) das Postulat des Zeichenstatus von Konstruktionen (mit Form- und Inhaltsseite) es erforderlich macht, auch die Bedeutungsseite sorgfältig zu beschreiben. Der aktuelle Fokus konstruktionsgrammatischer Beschreibungen liegt auf dem statistischen Nachweis von Affinitäten zwischen lexikalischen Besetzungen von Konstruktionsteilen. So können Engelberg/König/Proost/Winkler (2011: 97  ff.) überzeugend zeigen, dass sich in Rage reden ein idiomatisch geprägtes Resultativprädikat ist. Auf das Konzept der idiomatischen Prägung im Sinne von Feilke 1994, 1996 und 1998 wird dabei allerdings kein Bezug genommen. 86 Wie nicht anders zu erwarten, gehen hier auch die Meinungen von Muttersprachlern relativ stark auseinander.



Prädikat: dynamische Prädikate 

 429

→ ?Wen hatte er heruntergehungert? Sich. → ?Er hatte sich und seine Frau heruntergehungert. → ?Er hatte seine Frau heruntergehungert. (73) So kannst du dich nicht in den Schlaf stehlen […]. (Glattauer Wellen: 122) → ??Wen kannst du nicht in den Schlaf stehlen? Dich. → ??Du kannst dich und mich nicht in den Schlaf stehlen. → ??Du kannst mich nicht in den Schlaf stehlen. (74) Aus den Kurzgeschichten schrieb er [John Updike, VÁ] sich zum Roman vor. (SZ, 29. 01. 2009) ??Wen schrieb er aus den Kurzgeschichten zum Roman vor? Sich. → → ??John Updike schrieb sich und Norman Mailer aus den Kurzgeschichten zum Roman vor. → ??John Updike schrieb Norman Mailer aus den Kurzgeschichten zum Roman vor. Da es sich bei diesen Belegen vermutlich um ad-hoc-Bildungen handelt, die idiomatisch nicht geprägt sind, d.  h. keine „Kombinations- und Selektionspräferenzen“ (Feilke 1998: 74) zeigen, verlagert sich das semantisch relativ abgesicherte und daher weniger subjektive ‚statische Sprecherurteil‘ in die subjektive Phantasiewelt des ‚dynamischen Sprecherurteils‘. Sicherlich könnte man sich sogar eine Situation vorstellen, in der Updike als Ghostwriter von Mailer tätig war und ihn zum Romancier gemacht hat. Das wohl konsensfähigere Sprecherurteil über das dynamische Prädikat von (74) dürfte jedoch sichAkk vorschreiben sein.

statisches vs. dynamisches Sprecherurteil

Prädikate mit machen + Adjektiv wurden in Kap. III/2.1.4 als statische Prädikate analysiert, z.  B.

PassepartoutVerben und Statik

(50)

Die Blitzlichter draußen vor dem Bus machten uns neugierig, […]. (Lenz Landesbühne: 66)

Die Kopula machen stellt das semantische Passepartout-Verb (Knobloch 2009: 547) für adjektivbezogene Kausativität, machen + Adjektiv folglich ein kausatives Objektsprädikativgefüge dar. Analoges gilt für bekommen/kriegen + Direktivum wie z.  B. (82) Oft hat er eine Melodie tagelang nicht mehr aus dem Kopf gekriegt. (Haas Silentium: 85) Zwar ist bekommen/kriegen + Direktivum kein Prädikativgefüge (Anm. 73), doch stellt bekommen/kriegen das semantische Passepartout-Verb für direktionale Kausativität dar. Dass machen + Adjektiv einen Sonderstatus hat, ist bekannt (zusammenfassend Möller 2010: 193  ff.). Dem wurde Rechnung getragen, indem machen + Adjektiv als statisches Prädikat eingestuft wurde (Kap. III/2.1.4). Denn einerseits gibt es keinen

430 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Grundvalenzträger machen, der einem Prädikat wie z.  B. neugierig machen zugrunde liegen könnte, andererseits ist machen – im Gegensatz zu den intransitiven Ausgangsvalenzträgern von Resultativkonstruktionen – ein transitives Verb. Dasselbe gilt für bekommen/kriegen + Direktivum: (82) → *Oft hat er etwas tagelang nicht mehr gekriegt.87 → *Oft hat er tagelang nicht mehr gekriegt. Dem Sonderstatus von machen bzw. bekommen/kriegen in resultativen Bildungen kann man gerecht werden, wenn man davon ausgeht, dass hier statische Prädikate vorliegen. Freies ­Prädikativ vs. Prädikat

Prädikativkonstruktion

Abschließend sei noch auf ein aus der Sicht der Grammatischen Textanalyse wichtiges Abgrenzungsproblem hingewiesen: (83) Die rechte Seitenwand strich er orange. […] Ullrich strich den Büroschreibtisch rot an. […] Ullrich strich schweigend die Schreibtischtür. (Timm Sommer: 167) Chang (2008: 130) argumentiert, dass Adjektive wie orange des Resultativprädikats orange streichen und Partikeln wie an- des resultativen (dynamischen) Partikelverbs anstreichen komplementär verteilt sind: Die resultative Dynamik kommt entweder vom Adjektiv oder von der Partikel (vgl. auch (63)). Daraus folgt, dass rot in der Umgebung des Partikelverbs anstreichen ein Freies (Objekts-)Prädikativ sein muss. Unproblematisch ist schweigend, das sich aufs Subjekt bezieht, also ein Freies (Subjekts-) Prädikativ ist. Im Kap. III/2.2.2 wurde auf den Umkategorisierungstyp ‚Vollverb > Kopulaverb‘ aufmerksam gemacht: (5) Hanna arbeitete als deutsche Sprecherin bei BBC. (Frisch Homo: 176) → Hanna war deutsche Sprecherin bei BBC. Ein analoger Fall mit adjektivischem Prädikativ liegt im folgenden Beleg vor: (84) Herr Tauber holte weit aus: er hatte da einen Bekannten im Landeskultus­ ministerium, der sich ihm schon etliche Male als hilfreich gezeigt habe […]. (Lenz Landesbühne: 112) 87 Der Satz ist nicht als solcher ungrammatisch, sondern das Verb kriegen stellt hier keinen Grund­ valenzträger dar, der einem Prädikat wie z.  B. aus dem Kopf kriegen zugrunde liegen könnte.





Prädikat: dynamische Prädikate 

 431

Der Bekannte war ihm schon etliche Male hilfreich.

Vollverb-Umkategorisierungen stellen den einen Typ von Prädikativprädikaten (= Prädikaten von Prädikativkonstruktionen) dar. Den anderen Typ bilden Cleft- und Pseudocleft-Konstruktionen (sog. Spalt- und Sperrsätze, s. auch Leittextsatz [56]), auf deren Prädikate im Kap. III/3.2.4 einzugehen sein wird. (85) Ich bin noch immer am suchen, welche Bank mir am besten gefällt. (Frankfurter Rundschau, 24. 03. 1998, zit. n. Van Pottelberge 2009: 361) (86) Im Augenblick bin ich noch am Artikelschreiben. (Mail einer deutschen Kollegin) (87) Ich bin gerade die Uhr am Reparieren. (AdA) (88) Und vielleicht ist er genau nach diesem «guten, alten Stück» seit Jahren am Suchen. (St. Galler Tagblatt, 19. 04. 1999, zit. n. Van Pottelberge 2004: 219) (89) Wir sind uns das fürs nächste Jahr am Überlegen. (St. Galler Tagblatt, 12. 08. 1997, zit. n. Van Pottelberge 2004: 219) Der am-Progressiv ist trotz der deutschen Bezeichnung ‚rheinische/westfälische Verlaufsform‘ weder auf den westmitteldeutschen Raum noch auf regionale Varietäten (Dialekte) beschränkt.88 Einerseits ist er in der Schweiz, auch in der Schweizer Schriftsprache, mindestens genauso gebräuchlich wie im Westmitteldeutschen, andererseits ist er in der überregionalen Umgangssprache im gesamten deutschsprachigen Raum verbreitet und auch in der überregionalen, d.  h. schriftsprachlichen, Presse in Deutschland, Österreich und in der Schweiz belegt (Van Pottelberge 2004: 210  ff. und 2009: 368  ff. bzw. AdA-Sprachkarten). Aus prädikatsdynamischer Perspektive bedeutet Grammatikalisierung, dass sich ein konstruktionell dynamisches Prädikat zu einem kategorial dynamischen entwickelt. Auch die Passivkategorie fing ihre ‚Karriere‘ im Althochdeutschen als Konstruktion an und legte historisch zunehmend semantische und formale Bildungsbeschränkungen ab. Heute können Passivsätze in allen Tempora und Modi, mit nichtepistemischen und epistemischen Modalverben, mit allen Typen von Valenzträgern, mit Verben ohne sich und mit Medialverben usw. gebildet werden, d.  h., die Konstruktion hat sich historisch grammatikalisiert, sich zu einer Kategorie entwickelt. Der am-Progressiv ist nicht so weit, und man kann auch nicht voraussagen, ob er im gesamten deutschen Sprachraum je zu einer grammatischen Kategorie wird, also künftig etwa den Status der englischen Progressivkategorie erreicht (umfassend s. O. Krause 2002).

88 Zum am-Progressiv s. etwa IDS-Grammatik 1997/3: 1877  ff., O. Krause 2002, Van Pottelberge 2004 bzw. 2009 und Gárgyán 2014.

amProgressiv

Grammati­ kalisierung

432 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Grammatikalisierungsgrad des amProgressivs

Der Grammatikalisierungsgrad der Konstruktion ist je nach Varietät unterschiedlich. Betrachtet man nur die Standardvarietäten, ergibt sich folgendes Bild: Schwach grammatikalisiert ist der am-Progressiv in der deutschen und österreichischen Standardsprache, für die der Typus (85), d.  h. intransitive Prädikate, charakteristisch ist. Wenn das Verb transitiv ist und das Szenariokomplement zu realisieren ist, muss es im deutschen und österreichischen Standard zusammen mit dem Verb substantiviert werden (Artikelschreiben in (86)). Stark grammatikalisiert ist der am-Progressiv dagegen in der Schweizer Standardsprache, für die die Typen (87), (88) und (89) stehen (s. auch Van Pottelberge 2004: 219 und 2009: 369): 1. Bei den Typen (87) und (88) wurde das jeweilige Szenariokomplement (die Uhr bzw. nach diesem «guten, alten Stück») des transitiven Verbs (reparieren bzw. suchen) als ganz normales Akkusativobjekt bzw. Präpositionalnach+DAT-objekt realisiert und nicht in den Infinitiv inkorporiert (also nicht: Ich bin am Uhrreparieren bzw. Ich bin am Nach-diesem-guten-alten-Stück-Suchen). 2. Beim Typ (89) wurde das sich des Medialverbs sich überlegen ganz normal unmittelbar nach dem Hilfsverb realisiert und nicht in den Infinitiv inkorporiert oder weggelassen (also nicht: Wir sind am Uns-Überlegen/Überlegen).

Trennung der „Sphäre des Verbums und des ­Substantivs“

Was sich einerseits im deutschen und österreichischen, andererseits im Schweizer Standard beobachten lässt, steht im Einklang mit dem seit dem Althochdeutschen anhaltenden Prozess der zunehmenden grammatischen Trennung der „Sphäre des Verbums und des Substantivs“ (Brinkmann 1971: 468): Es gibt historisch immer mehr und deutlichere grammatische Merkmale, die ein Element als dem Prädikat (der Verbalgruppe) oder als der Substantivgruppe zugehörig ausweisen. Einschlägiges Beispiel dafür ist die Szenariokomprimierung (Polenz 2008: 24), d.  h. die Herausbildung von Nominalisierungen als ‚Bonsai-Sätzen‘.89 Dabei ist der Übergang eines Szenariokomplements aus der Sphäre der Verbvalenz in die des substantivischen Infinitivs historisch mit Pavlov 2002 in drei Schritten zu rekonstruieren:

1. ein BuchAKK lesen > 2. das Lesen ein BuchAKK > 3. das Lesen eines BuchesGEN

In Stadium 1 (Alt- und Mittelhochdeutsch) findet keine Substantivierung des transitiven Verbs statt, das Szenariokomplement (ein Buch) wird positionell wie flexivisch als normales Akkusativobjekt (Mesoglied) des verbalen Infinitivs realisiert. In Stadium 2 (Frühneuhochdeutsch) ändert sich flexivisch nichts, aber das Szenariokomplement

89 Zwei weitere bekannte Beispiele sind: (1) Die Trennung der Verbalkasus (= Nominativ, Akkusativ und Dativ) vom Nominalkasus (= Genitiv); (2) die positionelle und morphologische Trennung des verbalen (prädikativen) Adjektivs (nichtflektierbar) vom nominalen (attributiven) Adjektiv (flektiert). Auf (1) kommen wir im Kap. IV/2.2 zu sprechen. Zum Fragenkomplex der ‚Sphärentrennung‘ s. Admoni 1953/2002: 49 und 1990: 17  f., Brinkmann 1971: 468  ff. bzw. Pavlov 1983, 1995 und 2002.



Prädikat: dynamische Prädikate 

 433

gerät positionell in den Sog des Substantivs: Die Position des Szenariokomplements deutet auf einen substantivierten, dessen Kasus auf einen verbalen Infinitiv; das Szenariokomplement ist also auf dem Weg von einem Meso- zu einem Mikroglied. Schließlich wird in Stadium 3 das Szenariokomplement zum Attribut (sog. Genitivus obiectivus) des substantivierten Infinitivs, also positionell wie flexivisch zu einem Mikroglied. Eine Struktur wie das Lesen des Buches (durch Paul) stellt den komprimierten Ausdruck des Buch-lesen-Szenarios dar. Die historische Etablierung des szenariokomprimierenden substantivischen Infinitivs und die Tatsache, dass es die Übergangsstruktur von Stadium 2 heute nicht mehr gibt, bedeuten, dass sich im Gegenwartsdeutschen der verbale und der substantivische Infinitiv in der Regel genauso klar unterscheiden lassen wie die Stadien 1 und 3 der historischen Entwicklung. Wenn also in einer der zahlreichen funktionalen Domänen des Infinitivs im Gegenwartsdeutschen Grammatikalisierung stattfindet, gibt es, da die möglichst deutliche Trennung der verbalen vs. nominalen Sphäre aufrechterhalten werden muss, prinzipiell nur zwei mögliche Grammatikalisierungswege: 1. Der verbale Infinitiv wird substantiviert oder 2. der substantivierte Infinitiv wird verbalisiert.

Infinitiv: Verb oder ­Substantiv, Klein- oder Groß­ schreibung?

Nun enthält der am-Progressiv, wie an der Verschmelzung am (= Präposition an + nichtfeminine Dativendung -m) sichtbar, einen genuin substantivischen Infinitiv. Wenn sich eine Konstruktion wie der am-Progressiv zu grammatikalisieren anfängt, kann die Grammatikalisierung also nur den zweiten Weg beschreiten, d.  h. der genuin substantivische Infinitiv kann immer mehr verbale Merkmale annehmen. Genau das ist nach Auskunft der obigen Belegtypen im Schweizer Standard passiert, aber eben nicht in der deutschen und österreichischen Standardsprache. Während also in der deutschen und österreichischen Standardsprache die Großschreibung grammatisch adäquat ist (weil Infinitiv = Substantiv), wäre im Schweizer Standard nur die Kleinschreibung des Infinitivs des am-Progressivs grammatisch zu legitimieren (weil Infinitiv = Verb). Bezogen auf die Belege oben: Der Infinitiv suchen/Suchen müsste genau umgekehrt  – in (85) (Frankfurter Rundschau) groß und in (88) (St. Galler Tagblatt) klein  – geschrieben werden. Die Schreibung von am Artikelschreiben ist grammatisch korrekt, nicht dagegen die von am Reparieren und am Überlegen, die beide klein geschrieben werden müssten.

Rechtschreibung: grammatisch fundierter regionaler Unterschied

Eine dem Progressiv ähnliche Struktur hat der Absentiv:90

Absentiv

(90) Anna ist essen! (Vogel 2007: 253)

90 Zum Absentiv s. z.  B. Groot 2000, O. Krause 2002: 26  ff., Vogel 2007 und 2009.

434 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Der Absentiv, der nach Vogel (2007: 261  ff. und 2009: 8  ff.) in 26 der 36 europäischen Amtssprachen vorkommt, ist eine Konstruktion mit dem Verb sein + Infinitiv eines Tätigkeits- oder Handlungsverbs.91 Das Absentivkonzept lässt sich in Anlehnung an Groot 2000 wie folgt charakterisieren: 1. Die deiktische Origo ist der Ausgangsort des Subjektsreferenten. 2. Der Subjektsreferent hat sich von diesem Ort entfernt, ist abwesend, auch nicht sichtbar. 3. Der Grund für die Abwesenheit ist die Tätigkeit/Handlung, die er an einem anderen Ort ausübt. 4. Ein Absentivprädikat präsupponiert, dass die Abwesenheit provisorisch ist, d.  h., dass der Subjektsreferent irgendwann an den Ausgangsort zurückkehrt. Absentiv vs. Progressiv

Diese Beschreibung macht deutlich, dass der Absentiv keine Progressivkonstruktion ist, auch wenn u.  U. die Abgrenzung schwerfällt: (91) Ich war Wellensalat ernten im Botanischen Garten, als mir völlig unverhofft eine Flaschenpost mit einer Schatzkarte ins Netz ging. (Käpt’n Blaubär, der Meister-Lügner, http://www.wdrmaus.de/kaeptnblaubaerseite/) Dies ist der erste Satz einer Geschichte, die natürlich so weitergeht, dass Käpt’n Blaubär „sofort (losschippert), um den Schatz zu finden.“ Wenn er die Schatzkarte nicht gefunden hätte, wäre Käpt’n Blaubär allerdings in seinen Salon zurückgekehrt, geplant war also lediglich eine provisorische Entfernung vom Ausgangsort. Es war eben das unerwartete Ereignis, ausgedrückt durch das Anszenario im temporalen Nebensatz, das die im Absentivprädikat präsupponierte Rückkehrabsicht durchkreuzt hat.92 Dabei entsteht durch die temporale Anszenierung ein Strukturformat, das typisch für den am-Progressiv ist:93 (92)

Während die Piraten noch auf einer Insel am Feiern sind, läuft die „Neptun“ […] wieder aus mit Kurs auf Spanien. (DIE ZEIT, 12. 09. 1986, zit. n. IDS-Grammatik 1997/3: 1877)

91 Genauer gesagt stellt dieses Konstruktionsmuster denjenigen von den drei Strukturtypen des Absentivs dar, zu dem auch das Deutsche gehört. 92 Der Begriff der Anszenierung wurde im Kap. I/3.3 für die Beschreibung der semantischen Leistung von Verhältnisadverbialen (wie dem temporalen als-Nebensatz) eingeführt. Verhältnisadverbiale stellen szenische Supplemente dar, weil sie das Hauptszenario nicht situativ (wie die Situativadverbiale), sondern szenierend kontextualisieren. Der Terminus ‚Anszenierung‘ ist der Kurzterminus für ‚szenierende Kontextualisierung‘. 93 „Am klarsten sichtbar wird die Funktion von am-Formen in Beispielen wie (1) (= (92), VÁ): Hier liegt eine Opposition vor zwischen einem Ereignis, das mithilfe der am-Form als imperfektiver Prozeß perspektiviert ist, und einem ‚indizierenden‘ perfektiven Ereignis […].“ (IDS-Grammatik 1997/3: 1877)



Prädikat: dynamische Prädikate 

 435

Im Gegensatz zu diesem Beleg ist allerdings in (91) die Reihenfolge von Szenario (Hauptsatz) und Anszenario (Nebensatz) umgekehrt, die temporale Anszenierung folgt dem Hauptsatzszenario  – und dies ist kein Zufall. Das scheinbare Abgrenzungsproblem ergibt sich daraus, dass das temporal angebundene Anszenario das Hauptszenario rückwirkend auf eine eventuelle Progressivinterpretation hin öffnet, ohne dabei die Absentivbedeutung des Prädikats war ernten in Frage zu stellen. Dass dem so ist, lässt sich testen, indem die Reihenfolge von Hauptsatz und Nebensatz sowohl im Absentiv- als auch im Progressivbeleg umgestellt wird: (91) → (92) →

??Als mir völlig unverhofft eine Flaschenpost mit einer Schatzkarte ins Netz ging, war ich Wellensalat ernten im Botanischen Garten.

Stellungstest

Die „Neptun“ läuft […] wieder aus mit Kurs auf Spanien, während die Piraten noch auf einer Insel am Feiern sind.

Beim Progressiv spielt die Umstellung von Szenario und Anszenario keine Rolle, da die Reihenfolge keine Auswirkung auf die temporale Opposition der Ereignisse (Anm.  93) hat. Dagegen präsupponiert der Absentiv überhaupt keine temporale Ereignisopposition: Wenn an das als Absentiv kodierte Szenario ein Anszenario temporal angeschlossen wird, geht es nicht um eine temporale Oppositionsbildung, sondern einfach nur um ein zeitliches Nacheinander, um das ‚Weiterspinnen‘ der Geschichte. Deshalb ist hier eine Umstellung der Reihenfolge ‚Szenario-Anszenario‘ unangemessen. Der Absentiv wird hier unter den konstruktionell dynamischen Prädikaten behandelt, d.  h., ich gehe nicht davon aus, dass es im Deutschen eine grammatische Kategorie ‚Absentiv‘ (vergleichbar etwa mit markierten grammatischen Kategorien wie ‚Passiv‘ oder ‚Imperativ‘) gibt. Diese Auffassung ist zwar die in den deutschen Grammatiken verbreitete, aber nicht die von den Sprachtypologen Groot (2002) und Vogel (2007 und 2009) vertretene. Vogel (2009: 13) spricht im Hinblick auf das Deutsche sogar von der „Vollkategorie Absentiv“, weil der Absentiv im Deutschen im Gegensatz zu Sprachen mit der „Teilkategorie Absentiv“ auch im Präsens verwendet werden kann. Ich möchte zwei Punkte nennen, die mich hinsichtlich einer möglichen grammatischen Kategorie ‚Absentiv‘ im Deutschen skeptisch machen: 1. Das wichtigste Gegenargument stammt von Vogel selbst, die sein im Absentiv als Vollverb zu betrachten scheint.94 Eine grammatische Kategorie ohne ein grammatisches Sprachzeichen (Flexionsmorphem oder Hilfsverb) wäre allerdings ein Widerspruch.

94 Sie formuliert zwar vorsichtig (Vogel 2007: 259 und 2009: 13), aber die Tendenz ist klar. Eindeutig ist die Formulierung, wenn sie die Kopulainterpretation (zu Recht) ausschließt (ebd.).

­Konstruktion oder ­Kategorie?

436 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

2. Eine grammatische Kategorie ‚Absentiv‘ wäre eine Konjugationskategorie. In Bezug aufs Gegenwartsdeutsche geht man aktuell von fünf Konjugationskategorisierungen aus – Person, Numerus, Tempus, Modus, Genus Verbi (Eisenberg 2006/2: 17  f.)  –, mit denen das Absentivkonzept allerdings nicht konform ist. Man müsste also eine sechste Kategorisierung etablieren, die vermutlich nur der Aspekt sein könnte.95 Als unmarkierten Aspektoppositionspartner von ‚Absentiv‘ müsste man dann eine neue grammatische Kategorie ‚Präsentiv‘ einführen, die alle Verbformen, die nichtabsentiv sind, umfassen würde. Dies würde jedoch den sprachsystematischen Wert (valeur) des Absentivs extrem und über Gebühr aufwerten, schließlich würde die Einführung der neuen Opposition präsupponieren, dass die Sprachteilhaber in jeder kommunikativen Situation eine reale Wahl zwischen unzähligen ‚Präsentivformen‘ (wie Anna schwimmt / hat zu schwimmen / ist am Schwimmen / geht schwimmen / dürfte schwimmen / scheint zu schwimmen usw.) und der jeweils einzigen Absentivform (Anna ist schwimmen) hätten. Herleitung des Absentivs

Überzeugend ist dagegen Vogels Ableitung des Absentivs aus der Konstruktion (weg) gehen + Infinitiv (Vogel 2007: 257  f ):96 Jan geht boxen > Jan ist boxen Die Herleitung lässt sich sogar erhärten, indem die Opposition zwischen den beiden Konstruktionen in die für das Deutsche so typische Eventiv-Resultativ-Opposition (Litvinov/Nedjalkov 1988) gestellt wird (Kap. III/2.1.3, Anm. 103): (93) ← (94) ← (95) ← (96) ←

Der Gast kommt an. Der Gast ist angekommen. Der Dieb ist verhaftet worden. Der Dieb ist verhaftet. Klaus hat sich erkältet. Klaus ist erkältet. Jan geht boxen. Jan ist boxen.

(Eventiv) (Resultativ) (Eventiv) (Resultativ) (Eventiv) (Resultativ) (Eventiv) (Resultativ)

Eventivkonstruktionen sind all die grammatischen Formen, die das Potenzial haben, ein Resultat vorwegzunehmen. In diesem Sinne ist die Konstruktion sein + Infinitiv genauso das Resultativ zum Eventiv (weg)gehen + Infinitiv wie das sein-Perfekt, das sein-Zustandspassiv oder das Zustandsreflexiv (ist erkältet) Resultative zu den Even-

95 Der Absentiv wird in der Duden-Grammatik unter „Konstruktionstypen“, die „ihre Hauptfunktion im Bereich der Aktionsarten (haben)“ geführt (Duden 2005: 434). 96 Zu klären wäre noch, wie sich die lokal-direktionale Alternation (Jan ist in die/der Westfalenhalle boxen.) erklären lässt.



Prädikat: dynamische Prädikate 

 437

tiven ‚Präsens‘, ‚werden-Vorgangspassiv‘ oder ‚haben-Perfekt des Medialverbs‘ (hat sich erkältet) sind. Soviel zum Absentiv. Die gegenwartsdeutsche Stellungsfelderstruktur (Kap. II/1.3) erlaubt nicht nur die Realisierung von kommunikativ unauffälligen Wortstellungsvarianten, sondern auch emphatische Realisierungen, d.  h. die Hervorhebung bestimmter Glieder oder deren Bestandteile. Beispielsweise lassen sich die infiniten Verbteile von einfachen oder komplexen Prädikaten im Vorfeld realisieren und auf diese Weise emphatisch machen. Man vergleiche die (a)- mit den (b)-Sätzen (aT = analytische Tempusform): (97) (a) Ich habe nichts gesehen. (b) Gesehen habe ich nichts. (98) (a) Ich will nichts sehen. (b) Sehen will ich nichts.

[unauffällig, einfaches PrädikataT] [emphatisch, einfaches PrädikataT] [unauffällig, komplexes Prädikat] [emphatisch, komplexes Prädikat]

Emphase wird hier lediglich mithilfe der Wortstellung erzielt, eines besonderen (dynamischen) Prädikatstyps bedarf es dazu nicht. Strukturell notwendig sind allerdings beide Prädikatsteile: Der infinite Teil des Prädikats erscheint im Vorfeld (sog. Topikalisierung), der finite besetzt unverändert die Zweitstelle im Satz (= den linken Klammerteil der Verbalklammer). Was ist aber mit einfachen Prädikaten in synthetischen Tempusformen (Präsens, Präteritum), d.  h. mit Prädikaten ohne infiniten Verbteil?97 Lassen sie sich mangels verbaler Zweiteiligkeit (= Finitum + Infinitum) gar nicht emphatisch machen? Doch. Hierzu hat sich eine eigene Konstruktion mit dem Hilfsverb tun, die sog. tun-Periphrase (= Umschreibung mit tun), herausgebildet (sT = synthetische Tempusform): (99) (a) Ich sehe nichts. (b) Sehen tue ich nichts. (Duden 2005: 422)

Emphase­ konstruktion

[unauffällig, einfaches PrädikatsT] [emphatisch, einfaches PrädikatsT]

Emphase könnte hier mangels verbaler Zweiteiligkeit alleine mithilfe der Wortstellung nicht erzielt werden. Es bedarf dazu eines dynamischen Prädikatstyps, der durch die Zuhilfenahme eines Hilfsverbs die verbale Zweiteiligkeit sicherstellt: das Finitum von tun, der die Zweitstelle im Satz besetzt, und der Infinitiv des Vollverbs, der nun im Vorfeld erscheinen kann.

97 Zu synthetischen und analytischen Verbformen Kap. III/2.1.4, Tab.39.

tunPeriphrase

438 

emphatische Tempus­ formen

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Dank der tun-Periphrase herrscht paradigmatische Symmetrie im System gegenwartsdeutscher emphatischer Tempusformen:98 Tab. 42: Synthetische und analytische emphatische Tempusformen im Aktiv

RugePeriphrase

Tempuskategorien

Aktiv Indikativ

Präsens Präteritum Perfekt Plusquamperfekt Doppelperfekt Doppelplusquamperfekt Futur I Futur II

Sehen tut (X nichts) Sehen tat (X nichts) Gesehen hat (X nichts) Gesehen hatte (X nichts) Gesehen gehabt hat (X nichts) Gesehen gehabt hatte (X nichts) Sehen wird (X nichts) Gesehen haben wird (X nichts)

Die tun-Periphrase als Emphasekonstruktion, d.  h. als Teil des emphatischen Tempusparadigmas, ist die einzige Verwendung der tun-Periphrase, die „standardsprachlich akzeptiert“ ist (Elspaß 2005: 256).99 Umgekehrt gilt die tun-Periphrase im System gegenwartsdeutscher emphatischer Tempusformen als die einzige Möglichkeit in der Standardsprache, die paradigmatische Lücke im Präsens und Präteritum zu füllen. Umso mehr fällt folgende Ausnahme auf: In dem preisgekrönten Roman „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ von Eugen Ruge wird systematisch und ausnahmslos eine andere Emphasekonstruktion verwendet, bei der das Vollverb selbst als Hilfsverb verwendet wird:100 (100) […] wo gab es denn so was, die Frau trinkt, und der Mann ist nüchtern, man schämte sich wirklich, rauchen rauchte sie auch […]. (Ruge Zeiten: 148) (101) […] sie hatte ihm das Lied vom Zicklein gesungen, allerdings, verstehen verstand er ja nix, verstand ja kein Russisch […]. (Ruge Zeiten: 156)

EmphaseInnovation als literarisches Werkzeug

Die Ruge-Periphrasen, wie ich sie genannt habe (Ágel 2015a: 170  ff.), kommen nur in einem einzigen Kapitel des Romans vor. In diesem Kapitel ist die in der DDR (und später in Deutschland) lebende, aber des Deutschen nicht mächtige Russin Nad­ jeshda Iwanowna die Hauptfigur, die über Deutschland und die Deutschen – natür-

98 Die Herstellung paradigmatischer Symmetrie ist eine wichtige Funktion von. sog. „suppletive(n) Periphrase(n)“ (Haspelmath 2000: 656). 99 Nach Annette Fischer (2001: 139) gehört die tun-Periphrase „heute schon beinahe zum Standard“. 100 Belegt sind in Ruges Roman außerdem die Prädikate arbeiten arbeitete, schlafen schlief und sagen sagte.



Prädikat: dynamische Prädikate 

 439

lich in ihrer russischen Muttersprache – nachdenkt. Im Russischen gibt es allerdings keine tun-Periphrase, die normale Emphase-Konstruktion ist die Ruge-Periphrase, d.  h. die Verwendung des jeweiligen Vollverbs als Emphase-Hilfsverb. Eugen Ruge, der auch als Übersetzer aus dem Russischen bekannt ist, überträgt hier also eine russische Konstruktion aufs Deutsche und charakterisiert mit ihr grammatisch eine seiner Romanfiguren.101 Eine bereits aus dem älteren Deutsch bekannte Fügung ist die Konstruktion kommen + Partizip II (prototypischerweise) eines Fortbewegungsverbs:102 (102) Da ist ein Schifflein geschwommen gekommen. (Friedrich Rückert, zit. n. Engel 1988: 492) (103) Zuerst kamen sie [die Russen, VÁ] im Siebenjährigen Krieg mit ihren kleinen Pferden durchs Brandenburger Tor geritten […]. (Hildebrandt achtzig: 82) Dynamische Prädikate wie kommt geschwommen oder kommt geritten stellen „ein regelhaftes analytisches Mittel zum Ausdruck von räumlicher Determiniertheit“ dar (Vogel 2005: 61  f.), d.  h. sie drücken „Zielgerichtetheit auf den (realen oder gedachten) Beobachterstandort“ aus (Vogel 2005: 63). In der Fachliteratur gibt es noch keinen etablierten Namen für diese Konstruktion, ich habe sie auf Grund der Definition von Petra M. Vogel Lokaldeterminativkonstruktion genannt.103 Entsprechend sollen die dynamischen Prädikate dieser Konstruktion Lokaldeterminativprädikate (= Lokaldeterminativkonstruktionsträger) heißen. Diese werden erzeugt, indem im Sinne der Funktion-Argument-Wert-Formel die Konstruktion auf ein statisches Prädikat, das prototypischerweise ein Fortbewegungsverb ist, angewandt wird:104 Lokaldeterminativkonstruktion (Fortbewegungsverb) = Lokaldeterminativprädikat Nichtprototypisch können als Argumente der Konstruktion auch Verben, die keine Fortbewegungsverben sind, aber mit Bewegungen assoziiert werden können (wie z.  B. stolpern, schwanken, keuchen), eingesetzt werden. Das folgende Beispiel ist deshalb besonders aufschlussreich, weil hier das Argument kein statisches, sondern ein dyna101 Theoretisch hätte Ruge die Periphrase auch aus deutschen Dialekten übernehmen können. Nach Fleischer (2008) tritt die Konstruktion einerseits in nordöstlichen Varietäten, vor allem im Preußischen, andererseits in manchen höchstalemannischen Varietäten auf. Angesichts der erwähnten Exklusivität der Periphrase in der Romanstruktur, aber auch in Anbetracht der Biographie von Ruge wäre jedoch eine solche ‚dialektale These‘ unplausibel. 102 Man vergleiche etwa die folgende Stelle bei Hartmann von Aue (nach Paul/Moser/Schröbler 1975: 379): „nû kom her Iwein … gewalopieret“. 103 Ulrich Engel (1988: 492) rechnet kommen + Partizip II zu den „Partizipverbkomplexe(n)“, Petra M. Vogel (2005) nennt die Konstruktion einfach „Fügung kommen + Partizip Perfekt“ und Björn Rothstein (2011) spricht vom „Kommen-Konfigurativ“. 104 Zur Diskussion über den Prädikatsstatus von kommen + Partizip II s. Vogel 2005: 58  ff. So wie Vogel betrachtet auch Rothstein (2011: 374) kommen als Hilfsverb.

Lokal­ determinati­v­ konstruktion

440 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

misches Prädikat (das Komplexverb heraufkeuchen mit Valenzerhöhung (den Weg)) ist: (104) Er kommt den Weg heraufgekeucht. (M. Krause 1994: 165) Das Lokaldeterminativprädikat ist also hier Ergebnis einer zweistufigen Dynamisierung: 1. Komplexverb-Konstruktion (keuchen) = (den Weg) heraufkeuchen 2. Lokaldeterminativkonstruktion (heraufkeuchen) = kommt heraufgekeucht Bewegungskonstruktion

Die Komplexverb-Konstruktion (mit Mikro-Direktivum) (den Weg) heraufkeuchen stellt gleichzeitig eine Bewegungskonstruktion dar (zur morphologisch-syntaktischen Doppelklassifikation Kap. III/2.2.2). Mit anderen Typen von Bewegungskonstruktionen mit umkategorisierten Modalverben bzw. dem umkategorisierten Hilfsverb sein als Bewegungsprädikaten haben wir uns oben bei dynamischen Komplexverben und im Kap. III/2.2.2 auseinandergesetzt.

AcIKonstruktion

Das syntaktische Konstruktionsmuster namens ‚AcI-Konstruktion‘ (accusativus cum infinitivo ‚Akkusativ mit Infinitiv‘) wurde im Kap. III/2.2.2 bereits angesprochen und dort auch die Auffassung angedeutet, dass AcI-Verb (sehen, hören) und Vollverb im Infinitiv (reden, zuhören, atmen, seufzen, ausbessern) ein dynamisches Prädikat (= AcI-Prädikat) bilden:105 (105) Leo, ich will dich reden SEHEN. Ich will dich zuhören SEHEN. Ich will dich atmen SEHEN. (Glattauer Wellen: 25) (106) Hannes hörte ihrem Gespräch zunächst nur mit gemäßigtem Interesse zu, einmal hörte ich ihn seufzen, dann aber lachte er auf […]. (Lenz Landesbühne: 94) (3) Er habe nur den Beifahrer […] seine Einfahrt […] ausbessern sehen. (Böll Dienstfahrt: 20)

105 Diese Position ist nicht unumstritten, hat aber m.  E. die besseren Argumente, s. vor allem Bausewein 1991 und IDS-Grammatik 1997/2: 1423  ff. Auch Hubert Haiders (2011: 239) grammatischer Illusionstyp „der vermeintlichen Vermeidbarkeit von syntaktischer Haplologie“, also z.  B. die ungrammatische, jedoch akzeptable Weglassung des zweiten uns in Lass uns (uns) dort treffen, spricht für ein AcI-Prädikat im obigen Sinne. AcI-Verben nach der IDS-Grammatik (1997/2: 1411) sind: die Wahrnehmungsverben (Verba sentiendi) fühlen, hören, sehen, spüren, die Kausativverben lassen, machen und heißen und die Verben finden und haben in Sätzen wie Er fand sie auf der Treppe liegen bzw. Sie hat viele Bücher im Keller stehen.



Prädikat: dynamische Prädikate 

 441

Nach dieser Auffassung findet also Umszenierung statt: Die AcI-Konstruktion wird auf einen Ausgangsvalenzträger angewandt, und als Zielvalenzträger entsteht das AcI-Prädikat, z.  B. AcI-Konstruktion mit sehen (Ausgangsvalenzträger reden) = AcI-Prädikat reden sehen Der Dreh- und Angelpunkt der Umszenierung ist ein besonderes Komplement des Zielvalenzträgers, das die IDS-Grammatik (1997/2: 1411) treffend den Zentralakkusativ genannt hat. In der Begrifflichkeit der vorliegenden Arbeit handelt es sich dabei um ein dynamisches Akkusativobjekt (in den Beispielen entsprechend türkis markiert). Bei intransitiven Ausgangsvalenzträgern entspricht dem dynamischen Akkusativobjekt das Subjekt des statischen Prädikats:

dynamisches Akkusativ­ objekt

(106’) (Sub- Du jekt) redest/seufzt. → Ich sehe/höre (Akkusativ- dich objekt) reden/seufzen. Bei transitiven Ausgangsvalenzträgern ist dagegen die Situation komplizierter: (3’)

Er jekt) bessert (Akkusativ- die Einfahrt objekt) aus. (Sub→ Ich sehe (Akkusativ- ihn objekt) (Akkusativ- die Einfahrt objekt) ausbessern. → Ich lasse (Akkusativ- die Einfahrt objekt) (von ihm) ausbessern.

Wie es scheint, kann dem dynamischen Akkusativobjekt sowohl das Subjekt (Agens) als auch das Akkusativobjekt (Patiens) des statischen Prädikats entsprechen. Allerdings liegt im zweiten Fall (mit dem Akkusativobjekt die Einfahrt) eine passivanaloge Struktur (mit einer möglichen Vorgangsauslöser-Konstruktionvon+DAT) vor. Diese rechtfertigt also nicht auf Anhieb die Annahme eines aktivischen Ausgangsvalenzträgers.106 Was also ist eigentlich der Ausgangsvalenzträger? Die passivanaloge Struktur könnte nahelegen, dass der Ausgangsvalenzträger nicht nur ein statisches Prädikat, sondern auch ein kategorial dynamisches Prädikat sein kann. Wenn dem so wäre, wäre die Herleitung des AcI-Prädikats scheinbar einfach, weil das dynamische Akkusativobjekt strukturell immer dem Subjekt eines aktivischen oder passivischen Ausgangsvalenzträgers entsprechen würde: (106’’) (Sub- Du jekt) redest. → Ich sehe (Akkusativ- dich objekt) reden.

106 Hinzu kommt der Schönheitsfehler, dass die passivanaloge Struktur mit sehen sehr fragwürdig ist (??Ich sehe die Einfahrt von ihm ausbessern.). Möglich ist sie laut IDS-Grammatik (1997/2: 1415) nur mit den AcI-Verben hören und lassen. Das Konzept der VA(= Vorgangsauslöser)-Konstruktion wurde im Zusammenhang mit Passivstrukturen im Kap. III/1.1.3 eingeführt.

Ausgangs­ valenzträger

442 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

(3’)

Er jekt) bessert (Akkusativ- die Einfahrt objekt) aus. (Sub→ Ich sehe (Akkusativ- ihn objekt) (Akkusativ- die Einfahrt objekt) ausbessern.

(3’’)

(Sub-

Die Einfahrt jekt) wird (von ihm) ausgebessert. → Ich lasse (Akkusativ- die Einfahrt objekt) (von ihm) ausbessern.

Diese Lösung scheint einerseits eine einheitliche Erklärung für das dynamische Akkusativobjekt zu bieten, andererseits scheint sie das Problem des Ausgangsvalenzträgers zu lösen: AcI-Konstruktion (statisches Prädikat/Passivprädikat) = AcI-Prädikat Zweifel am AcI-Prädikat

Allerdings müsste die Anwendung der AcI-Konstruktion auf einen passivischen Ausgangsvalenzträger zu einem passivischen Infinitiv im Zielvalenzträger (ausgebessert werden) führen, was aber nicht der Fall ist: (3’’)

Die Einfahrt jekt) wird (von ihm) ausgebessert. → *Ich lasse (Akkusativ- die Einfahrt objekt) (von ihm) ausgebessert werden.

(Sub-

Wir stehen also vor dem Problem, dass die Herleitung der Struktur von (3) weder von einem aktivischen noch von einem passivischen Ausgangsvalenzträger her überzeugend funktioniert. Vielleicht deshalb nicht, weil die Annahme eines AcI-Prädikats falsch war? Wie erwähnt (Anm. 105), ist die hier vertretene Position nicht unumstritten. Eine andere Lösung bietet z.  B. Peter Eisenberg (2006/2: 368) an, der das AcI-Verb als statischen Valenzträger mit drei Komplementstellen (Subjekt, Akkusativ­ objekt und Infinitivgruppe (= Infinitivkonstruktion ohne zu) analysiert (Beispiel ebd.): (107)

(Sub-

Helga jekt) sieht (Akkusativ- ihn objekt) (Infinitiv- Zigarren rauchen gruppe).

Das Verb rauchen ist insofern ein interessanter Fall, als es sowohl intransitiv – der Vulkan/Ofen/Schornstein raucht ‚lässt Rauch austreten‘ – als auch transitiv – X raucht ‚konsumiert‘ Zigaretten/Zigarren/Pfeife – verwendet wird. Wie würde man nun (107) ohne Akkusativobjekt interpretieren? Eisenberg müsste im Rahmen seines Konzepts einerseits die Inkorrektheit von Struktur (107a), andererseits die Korrektheit von Struktur (107b) erklären: (107) (a) *(Sub- Helga jekt) sieht (Infinitiv- Zigarren rauchen gruppe). (b) Helga jekt) sieht (Akkusativ- Zigarren objekt) (Infinitiv- rauchen gruppe). (SubDass (107a) ungrammatisch ist, ist schnell erklärt: Es gibt keinen Zentralakkusativ und folglich auch keine AcI-Struktur mehr. Die Deutung von Struktur (107b) ist hingegen nicht ganz unproblematisch: 1. Wie motiviert man die Valenzänderung, d.  h. die Promovierung des Akkusativobjekts der Infinitivkonstruktion zum Zentralakkusativ? Wieso ersetzt ein Teil des ursprünglichen Infinitivkomplements (Zigarren) strukturell das ursprüngliche Akkusativkomplement (ihn) und wieso wird das ursprüngliche Infinitivkomple-



Prädikat: dynamische Prädikate 

 443

ment auf diese Weise reduziert? Dabei hat dieses Infinitivkomplement eh einen (nicht erklärten) Sonderstatus unter den Komplementen. Eisenberg (ebd.) räumt selber ein, dass die Infinitivkonstruktion „nach Form und Funktion ein Komplement besonderer Art“ sei. 2. Struktur (107b) lässt sich ohne Vorgangsauslöser ((von ihm) rauchen) nur intransitiv interpretieren: ‚Helga sieht, dass/wie Zigarren Rauch austreten lassen‘. Es gibt also eine Bedeutungsverschiebung, die erklärt werden müsste. 3. Die Interpretation von rauchen als transitives Verb – ohne Bedeutungsverschiebung  – wäre nur dann möglich, wenn man die Restinfinitivgruppe, die ja nur noch aus dem Infinitiv besteht, passivanalog analysieren würde, also z.  B.107 (107c) (Sub- Helga jekt) lässt (Akkusativ- Zigarren objekt) (Infinitiv- von ihm rauchen gruppe). Die Auffassung, dass AcI-Verben dreiwertige statische Valenzträger seien, hat also wohl nicht weniger theoretische Probleme als die, dass das AcI-Prädikat ein dynamischer Valenzträger ist. Deshalb soll es bei der ursprünglichen Annahme bleiben. Es ist also dieser theoretische Rahmen, in dem das Problem, das uns zu der Suche nach einem anderen Konzept gezwungen hat, gelöst werden muss. Zur Erinnerung: Das Problem war, dass die Herleitung der Struktur von Ich sehe die Einfahrt (von ihm) ausbessern weder von einem aktivischen noch von einem passivischen Ausgangs­ valenzträger her überzeugend funktioniert hat:

Lösungs­ vorschlag

AcI-Konstruktion (??statisches/dynamisches Prädikat) = AcI-Prädikat Das Problem wurde also bisher bei dem Argument der Funktion-Argument-Wert-Formel gesucht und nicht gefunden. Naheliegenderweise muss man sich nun fragen, ob die Lösung nicht bei der Funktion liegt: Was genau ist eigentlich eine AcI-Konstruktion als Funktion der dynamischen Prädikatsbildung? Diese Frage läuft auf den semantischen Status des dynamischen Akkusativ­ objekts, des Zentralakkusativs, in der Konstruktion hinaus, schließlich besteht die Besonderheit von AcI-Konstruktionen darin, dass sie sowohl aktivanaloge – Typ Ich sehe ihn die Einfahrt ausbessern – als auch passivanaloge – Typ Ich lasse die Einfahrt (von ihm) ausbessern – Strukturen in Abhängigkeit von der dynamischen (‚angewandten‘) semantischen Rolle des Zentralakkusativs zulassen. Valenzdynamik bedeutet nicht nur grammatische, sondern auch semantische Dynamik (Kap. I/3.5, Kap. III/1.3.3 und Kap. III/3.2): Die Anwendung der Funktion-Argument-Wert-Formel heißt bezüglich eines dynamischen Satzgliedes, dass auch seine semantische Rolle dynamisch sein muss. In diesem Sinne muss sich die semantische Rolle des Zentralakkusativs aus der Anwendung der semantischen Rolle des Akkusativkomplements des AcI-Verbs (z.  B. sehen, lassen) auf diejenige

107 Damit die Probe nicht an sehen scheitert, musste auch hier lassen eingesetzt werden (Anm. 106).

dynamische semantische Rolle

444 

skalare Handlungs­ intensität

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

semantische Rolle des Infinitivverbs (z.  B. ausbessern) ergeben, die im Zentralakkusativ des dynamischen Valenzträgers kodiert wird. Zuerst müssen wir also die einschlägige semantische Rolle des AcI-Verbs bestimmen. Als Prototyp betrachten wir sehen ‚im Konzert‘ einer Auswahl von anderen transitiven Verben:108 Subjekt – Prädikat – Akkusativobjekt XXL-Agens – XXL-Handlung – XXL-Patiens Sie zerreißt das Buch XL-Agens – XL-Handlung – XL-Patiens Sie liest das Buch L-Agens – L-Handlung – L-Patiens Sie sieht das Buch M-Agens – M-Handlung – M-Patiens Sie kennt das Buch S-Agens – S-Handlung – S-Patiens Sie hat das Buch

‚mittiger‘ AcI

Signifikativ-semantisch betrachtet hat jeder Valenzträger eine etwas andere semantische Struktur: Es gibt keine zwei Handlungen, die gleich ‚intensiv‘, keine zwei Agentien, die gleich ‚aktiv‘, und keine zwei Patientien, die gleich affiziert (‚betroffen‘) wären. Die fünf Beispieltypen, die ausgewählt wurden, sind nach abnehmender Handlungsintensität, d.  h. nach abnehmender Agentivität (Aktivität der Agentien) und Patientivität (= Affiziertheit der Patientien), angeordnet. Um die Argumentation nicht unnötig zu belasten, habe ich diese skalaren semantischen Unterschiede einfach mithilfe bekannter Konfektionsgrößen indiziert: Während etwa ein Zerreissen-Szenario ‚XXL‘ (sehr aktives Agens, sehr stark affiziertes Patiens) ist, ist ein Haben-Szenario ‚S‘ (sehr passives Agens, sehr schwach affiziertes Patiens).109 Was uns ‚in diesem Konzert‘ interessiert, ist die semantische Rolle des Akkusativobjekts von sehen (bzw. lassen), d.  h. der Affiziertheitsgrad des Patiens.110 Dieser liegt

108 Dies ist eine Vereinfachung. Denn natürlich lässt sich eine konstruktionell dynamische Rolle von der Rollenzuweisung des regierenden Verbs her nur approximative herleiten, da man keinesfalls davon ausgehen kann, dass Konstruktionen immer kompositionell sind. Erinnert sei daran, dass in der vorliegenden Arbeit der Begriff der Konstruktion nicht konstruktionsgrammatisch, sondern relativ offen als ‚(nichtkategoriales) Muster/Schema/Struktur‘ verwendet wird. Dagegen betrachtet Stefanowitsch (2009) nur die syntaktisch und/oder semantisch nicht vorhersagbaren (= nicht kompositionellen) Muster als Konstruktionen (Kap. I/3.5, Anm. 73). 109 Theoretisch stehen hier Pate die Transitivitätsparameter und die skalare Modellierung der (In-) Transitivität von Hopper/Thompson (1980) und das Proto-Agens- bzw. Proto-Patiens-Konzept von Dowty (1991). 110 Affiziertheit (Affectedness): „The degree to which an action is transferred to a patient is a function of how completely that patient is affected; it is done more effectively in, say, I drank up the milk than in I drank some of the milk.“ (Hopper/Thompson 1980: 252  f.).



Prädikat: dynamische Prädikate 

 445

bei sehen genau in der Mitte (L-Patiens). Man könnte also sagen, dass es unauffällig, neutral ist.111 Als statischen Valenzträger greifen wir ausbessern auf: Subjekt – Prädikat – XXL-Agens – XXL-Handlung – Er bessert aus

Akkusativobjekt XXL-Patiens die Einfahrt

Herzuleiten sind die semantischen Rollen der Zentralakkusative von (3a) und (3b): (3)

(Sub-

Er jekt) bessert (Akkusativ- die Einfahrt objekt) aus.

(a) → Ich sehe →

ihn objekt) die Einfahrt ausbessern. (AkkusativL-Patiens (XXL-Agens) = XL-Agens

(b) → Ich lasse →

(Akkusativ-

die Einfahrt objekt) (von ihm) ausbessern. L-Patiens (XXL- Patiens) = XL-Patiens

(a) Die Anwendung eines L-Patiens auf ein XXL-Agens (Er) senkt den Agentivitätsgrad des statischen Agens und ergibt als Wert für den Zentralakkusativ ein ‚gutes‘ Agens (= XL-Agens). Da das statische Akkusativobjekt ein ‚sehr gutes‘ Patiens (= XXL-Patiens) ist, wird konstruktionell – trotz zweier Akkusativobjekte – eine aktivanaloge ‚Binnenstruktur‘ (ihn die Einfahrt ausbessern) erzeugt. (b) Die Anwendung eines L-Patiens auf ein XXL-Patiens (die Einfahrt) senkt den Patientivitätsgrad des statischen Patiens und ergibt als Wert für den Zentral­ akkusativ ein ‚gutes‘ patiens (= XL-Patiens). Da auf diese Weise das statische zum dynamischen Akkusativobjekt promoviert wird, d.  h., das XL-Patiens als einzige semantische Rolle übrig bleibt, wird konstruktionell eine passivanaloge ‚Binnenstruktur‘ (die Einfahrt (von ihm) ausbessern) erzeugt. Wie es aussieht, ist die Unauffälligkeit/Neutralität, d.  h. semantische Offenheit nach oben wie unten, des L-Patiens des AcI-Verbs der eine Schlüssel für die Generierung aktiv- wie passivanaloger Binnenstrukturen. Deshalb dürften Verben wie überreden (XXL-Patiens) und haben (S-Patiens) als einschlägige AcI-Verben nicht in Frage kommen: (108) (a) *Helga überredet/hat ihn Zigarren rauchen. (b) *Helga überredet/hat Zigarren (von ihm) rauchen.

111 Eine analoge Herleitung von lassen ist möglich: Die Vollverbbedeutung von lassen, die in die Konstruktion eingeht, ist permissiv (Eisenberg 2006/2: 369) oder drückt eine Art Unterlassen aus (Szatmári 2004: 31). Dies deutet in etwa auf eine L-Handlung hin.

446 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Der andere Schlüssel ist die ‚gute‘ Handlungsintensität des statischen Valenzträgers, d.  h. seine ‚gute‘ Passivfähigkeit. Deshalb dürfte eine S-Handlung nicht in Frage kommen: (109) (a) ??Helga sieht ihn ein Buch haben. (b) *Helga sieht ein Buch (von ihm) haben. Ein Verb wie kennen, das in der Liste der AcI-Verben nicht geführt wird, semantisch jedoch den Wahrnehmungsverben nahe steht (M-Handlung), lässt sich m.  E. zumindest mit einer aktivanalogen Binnenstruktur als AcI-Verb verwenden: (110) (a) Helga kennt ihn Zigarren rauchen. (b) *Helga kennt Zigarren (von ihm) rauchen. Fazit

lassenKonstruktion

Diskrete ­Bedeutungen?

Fazit: Prototypische AcI-Verben (= Wahrnehmungsverben) indizieren ein unauffälliges Patiens, das angewandt auf ‚gute‘ Handlungsverben deren statische semantische Rollen relativ wenig verändert. Deshalb kann der Zentralakkusativ, d.  h. das dynamische Akkusativobjekt des AcI-Prädikats, agentiv oder patientiv sein. Damit sind die möglichen semantischen Binnenstrukturen  – aktiv- bzw. passivanalog  – vorgezeichnet, ohne dass bei patientivem Zentralakkusativ der Infinitiv passiviert werden müsste. Lassen-Konstruktionen gelten auch als AcI-Konstruktionen, aber in der Regel wird „das Chamäleon lassen, das mit einer Vielzahl von Komplementtypen in mehreren Bedeutungsvarianten vorkommt“ (Eisenberg 2006/2: 369), separat analysiert. Fachliterarischer Konsens ist, dass lassen-Konstruktionen Kausativkonstruktionen mit zwei Bedeutungen – direktiv ‚veranlassend, bewirkend‘ und permissiv ‚zulassend, erlaubend, duldend‘, – sind.112 In der Textwirklichkeit lassen sich diese Bedeutungen allerdings oft überhaupt nicht diskret unterscheiden. Die nachfolgende willkürliche Auswahl von Belegen soll dies verdeutlichen: (111) Rascher, als er selbst es erwartet hatte, ergaben sich die Gesetzesbrecher und ließen sich von ihm entwaffnen. (Lenz Landesbühne: 83) (112) «Laß dich nur nicht von der Lady an der Rezeption verwirren!» (Haas Silentium: 105) (113) […] und immer wenn die Frau schlecht träumte […], streckte sie ihre Hand aus dem Bett und ließ sich von dem Hund die Hand lecken. (Brednich Geschichten: 202)

112 Zu einer differenzierteren semantischen Klassifikation s. Gunkel 2003: 242  ff. und Szatmári 2004: 26  ff.



Prädikat: dynamische Prädikate 

 447

(114) Nach einer Dienstbesprechung bat er [= mein Chef, VÁ] mich, noch für einen Moment im Zimmer zu bleiben. Er ließ mich wieder Platz nehmen und bot mir eine Zigarette an. (Hein Freund: 114) (115) Ich bot ihm an, Essen holen zu lassen oder Kaffee. (Hein Freund: 120) (116) Schließlich kam Herr Ebert, unser Sportlehrer, und hob die Unterhose mit zwei Fingern hoch. Er hielt sie über Lucies Kopf. Sie versuchte, sie zu erreichen, was ihr ohne aufzustehen nicht möglich war. Dann ließ Herr Ebert die Hose fallen […]. (Hein Freund: 134) (117) Die drei, vier schönsten und entwickeltsten Mädchen ließ er [= Herr Ebert, der Sportlehrer, VÁ] unentwegt am Reck sich überschlagen oder Gymnastik treiben. (Hein Freund: 135  f.) (118) Abends lasse ich bei geöffneten Türen lange die Dusche laufen […]. (Hein Freund: 113) Konzentriert man sich nur auf die jeweils realisierten Kausativkonstruktionen und versucht man das Denotativ-Semantische auszublenden, können einem Zweifel über diskrete Kausativbedeutungen aufkommen: Dass man etwa sich entwaffnen lassen in (111) eher permissiv deutet, dürfte in erster Linie damit zu tun haben, dass man weiß, dass Gesetzesbrecher, die sich gerade ergeben, normalerweise ihre eigene Entwaffnung nicht selber zu initiieren brauchen (aber es durchaus könnten). Umgekehrt dürfte man etwa die Dusche laufen lassen eher direktiv deuten, weil man Gegenständen keine Erlaubnis zu erteilen pflegt. Auch die anderen Belege sind signifikativsemantisch offen. Die Annahme diskreter Kausativbedeutungen scheint also fraglich.113 Wie beim AcI-Prädikat erörtert, besteht vor allem bei lassen die Möglichkeit, dem Zentralakkusativ, dem dynamischen Akkusativobjekt des lassen-Prädikats, einen agentiven oder patientiven Wert zu verleihen und somit die semantischen Binnenstrukturen aktiv- oder passivanalog zu gestalten: (119) (Sub- Die Polizisten jekt) entwaffnen (Akkusativ- die Verbrecher objekt). (a) → Der Inspektor lässt (Akkusativ- die Polizisten objekt) (Akkusativ- die Verbrecher objekt) entwaffnen. (b) → Der Inspektor lässt (Akkusativ- die Verbrecher objekt) (von den Polizisten) entwaffnen. (c) → Die Verbrecher lassen (Akkusativ- sich objekt) (von den Polizisten) entwaffnen.

113 Ganz anders Lutz Gunkel (2003: 227), der permissives und direktives lassen syntaktisch wie semantisch deutlich differenziert.

Aktiv- und Passiv­ analogie

448 

Reduktion des Zentralakkusativs

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Im Unterschied zu den Wahrnehmungsverben sind hier jedoch auch Konstruktionen mit einem reflexiven Zentralakkusativ verbreitet (s. (119c)).114 Ein noch wichtigerer Unterschied ist, dass der Zentralakkusativ „nicht obligatorisch (ist)“ (Eisenberg 2006/2: 370, Beispiele ebd.):115 (120) Karl lässt antreten. (121) Paul lässt dir helfen. (122) Karl lässt die Bäume fällen. (123) Paul lässt einen Graben ausheben. Allerdings ist es nicht zwingend, (122) und (123) als Beispiele für einen reduzierten Zentralakkusativ zu interpretieren, schließlich können sie auch passivanalog aufgefasst werden: (122’) Karl lässt (von Paul) die Bäume fällen. (123’) Paul lässt (von Karl) einen Graben ausheben. (122) und (123) stellen somit denselben Typus dar wie (124) Der Brenner hat dich ja in der Agentur […] nur einschreiben lassen, um sich dort ein bißchen umzuschauen […]. (Haas Silentium: 104) Ein sicherer Beleg mit reduziertem Zentralakkusativ ist dagegen erkennen lassen in (6) Steif saß er da in dem groben Unterhemd, mit den verkanteten Hosenträgern, seine Augen tränten, sein Gebiß mahlte leicht und knirschend, und er übersah die Tasse Tee, die meine Mutter ihm hinschob, übersah auch mich – allerdings nicht aus Abwesenheit: sein Gesicht ließ erkennen, daß er nicht nur den Grund, sondern auch die Folgen des frühen Besuches verstanden hatte. Er rechnete, er erwog und überlegte, verwarf und erwog von neuem. Seine Augenbrauen bewegten sich. Er atmete angestrengt. (Lenz Deutschstunde: 86) Die Reduktion ist pragmatisch nachvollziehbar, schließlich ist es immer ein kon­tex­tuell erschließbarer oder eben kommunikativ irrelevanter Beobachter (Sprecher, Erzähler), den ein Gesicht etwas erkennen lässt und der deshalb unerwähnt bleiben kann.

114 Was hier ‚aktiv- vs. passivanalog‘ genannt wird, heißt bei Lutz Gunkel (2003: 214  ff.) ‚Kausativ vs. Kausativpassiv‘. Gunkel (2003: 228) nimmt an, dass das Kausativpassiv nur bei direktivem lassen möglich ist, räumt jedoch ein, dass bei Konstruktionen mit einem reflexiven Zentralakkusativ auch ein permissives Kausativpassiv auftreten kann. Die oben erwähnte signifikativ-semantische Offenheit von Belegen macht allerdings die Annahme einer diskreten direktiven vs. permissiven lassen-Syntax fragwürdig. 115 In der IDS-Grammatik (1997/2: 1415) wird das „Fehlen des Zentralakkusativs“ auch für hören und sehen belegt.



Prädikat: dynamische Prädikate 

 449

Abschließend ist noch anzumerken, dass lassen-Konstruktionen zur Lexikalisierung neigen, man denke nur an Komplexverben wie fahren/fallen/gehen/laufen/ ruhen/sein lassen usw. Zwei Beispiele:

Lexikalisierung

(125) Auf der Zugspitze liegen derzeit 4,20 Meter Schnee. Das lässt sich sehen. (ARD-Morgenmagazin, 15. 02. 2012) (126) [Klaas] schleppte sich zum Lager und ließ sich fallen. (Lenz Deutschstunde: 83) Konventionalisierung kann nicht nur zu neuen Wortschatzeinheiten (Wortbildung), sondern auch zu neuen Konstruktionen (Konstruktionsbildung) führen. Dies ist der Fall beim Adhortativ, der Aufforderung an die 1. Person Plural:

Konstruktions­ bildung: ­Adhortativ

(127) Lasst uns gehen! Hier liegt das Muster ‚Lasst uns VERB-en‘ vor, das man sich am ehesten als teilweise Lexikalisierung einer Höflichkeit und Freundlichkeit signalisierenden, d.  h. permissiv gemeinten, lassen-Konstruktion vorstellen kann. Die Modalprädikate, d.  h. die Prädikate von Modalkonstruktionen mit haben + zu-Infinitiv bzw. mit sein + zu-Infinitiv, auch modale Infinitive genannt, sind formal den Halbmodalkomplexen, semantisch den nicht-epistemischen Modalkomplexen (Duden 2005: 568, IDS-Grammatik 1997/2: 1278  ff. und 1997/3: 1897  ff.) ähnlich.116 Sie drücken zwei Typen von modalen Bedeutungen aus: (A) Notwendigkeit (Obligation): (128) Das irdische Leben ist doch als eine Zeit der Vorbereitung auf die Christusherrschaft zu verstehen […]. (LIMAS-Korpus, zit. n. Stefanowitsch 2009: 585) (129) Vom Installateur ist hierbei zu beachten, daß diesem System nur eine Sicherung vorgeschaltet werden darf. (LIMAS-Korpus, zit. n. Stefanowitsch 2009: 571) (130) Wir hatten noch zwei Einsätze zu fahren. (Hein Freund 127) (131) In diesen Tagen weinten wir beide viel, und ihre Mutter hatte uns unentwegt zu trösten. (Hein Freund 149) (B) Möglichkeit: (132) Zu lösen sind wirkliche Probleme ohnehin nicht. (Hein Freund 115)

116 Zu Modal- und Halbmodalkomplexen Kap. III/2.1.2.

Modal­ konstruktion

450 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

(133) Die Telefongebühren […] seien ja schlechthin nicht zu kontrollieren, da ja kaum anzunehmen war, Fräulein Kunrats […] habe mit einer Stoppuhr die Dauer des Gesprächs gemessen. (Böll Dienstfahrt 48) (134) Seit es den „Zerbrochenen Krug“ gibt, gehört die Rolle des Dorfrichters Adam zu den begehrtesten, die ein Theater überhaupt zu vergeben hat. (LIMAS-Korpus, zit. n. Stefanowitsch 2009: 571) (135) Die Polizei hat nicht als Tugendwächter zu fungieren. (Duden 2005: 568) +/-Alternation

Die Gruppenbildung ist scheinbar ausschließlich aufgrund der unterschiedlichen modalen Bedeutungen ‚Notwendigkeit‘ (= A) vs. ‚Möglichkeit‘ (= B) erfolgt. In Wirklichkeit geht es aber darum, dass A-haben/sein-Modalkonstruktionen eine Alternation darstellen: Die A-haben-Modalkonstruktion stellt die aktivanaloge Alternante zu der passivanalogen A-sein-Modalkonstruktion dar. Entsprechend sind Umformungen in beiden Richtungen möglich: A-Modalkonstruktionen: (129) → Der Installateur hat hierbei zu beachten, daß diesem System nur eine Sicherung vorgeschaltet werden darf. (130) → (Von uns) waren noch zwei Einsätze zu fahren. Dagegen stellen B-haben/sein-Modalkonstruktionen keine Alternation dar. Einerseits entsprechen intransitiven B-haben-Modalkonstruktionen (wie (135)) überhaupt keine passivanalogen (subjektlosen) B-sein-Modalkonstruktionen, andererseits scheinen transitive B-haben/sein-Modalkonstruktionen bei Umformung in die A-Bedeutung (Notwendigkeit) zu wechseln: B-Modalkonstruktionen: (135) → *(Von der Polizei) ist nicht als Tugendwächter zu fungieren. (132) → Man hat wirkliche Probleme ohnehin nicht zu lösen. (134) Die Rolle des Dorfrichters Adam ist (vom Theater) zu vergeben. →

der Prototyp

Die fehlende Alternation und den B-zu-A-Bedeutungswechsel bei B-haben/seinModalkonstruktionen interpretiere ich so, dass die prototypische Gruppe der haben/sein-Modalkonstruktionen Gruppe A ist. Diese Auffassung steht im Einklang mit neueren empirischen Untersuchungen von Anatol Stefanowitsch (2009) zur



Prädikat: dynamische Prädikate 

 451

A-Gruppe, die Stefanowitsch den obligativen modalen Infinitiv nennt.117 Ich fasse die Ergebnisse kurz zusammen (Stefanowitsch 2009: 583  ff.): 1. Die A-haben-Modalkonstruktion kommt prototypischerweise in Kontexten vor, „in denen rechtliche Vorgaben erfüllt werden müssen“ bzw. normative Vorstellungen zum Tragen kommen (Stefanowitsch 2009: 583). 2. In vergleichbaren Kontexten kommt auch die A-sein-Modalkonstruktion vor (Stefanowitsch 2009: 585): Einerseits geht es um Verwaltungsvorgänge, behördliche Vorgaben, andererseits um normative Vorstellungen über die „einzig richtige Interpretation“ (ebd.). Zusammenfassend lässt sich die Bedeutung der A-haben/sein-Modalkonstruktionen wie folgt beschreiben (Stefanowitsch 2009: 586):118 (i) es besteht eine Situation, die nicht beeinflusst werden kann; UND (ii) aus dieser Situation ergibt sich die alternativlose Notwendigkeit für X, Y zu tun. Es ist diese Konstruktionsbedeutung, die den Grund dafür darstellt, dass in der vorliegenden Arbeit Modalprädikate als konstruktionell dynamische Valenzträger und nicht als komplexe Prädikate (= modale Erweiterungen von einfachen Prädikaten, Kap. III/2.1.2) eingestuft werden. Die haben-Modalkonstruktion ist formgleich mit denjenigen Verwendungen des Vollverbs haben (‚besitzen‘, ‚verfügen‘), bei denen das Akkusativobjekt einen zuInfinitiv als Attribut zu sich nimmt (IDS-Grammatik 1997/2: 1280  ff., Beispiele ebd.: 1280):119

Abgrenzung vom Vollverb haben

(136) Ich habe etwas zu essen. ‚ich verfüge über etwas, das man essen kann/könnte‘ (137) Die Wirtin hat zwei Zimmer zu vermieten. ‚die Wirtin verfügt über zwei Zimmer, die sie vermieten kann/könnte‘ Laut IDS-Grammatik würden auch die folgenden Beispiele zum Typus ‚Vollverb + Akkusativobjekt mit attributivem zu-Infinitiv‘ gehören (Beispiele ebd.): (138) Er hat nichts zu tun. (139) Ich habe nichts zu verlieren. 117 Die B-Gruppe nennt er den situativen modalen Infinitiv, der „formgleich“ (Stefanowitsch 2009: 589) mit dem obligativen modalen Infinitiv sei. Die Untersuchungen basieren auf zwei innovativen korpuslinguistischen Methoden, der Kollostruktions- und der distinktiven Kollexemanalyse (s. Gries/ Stefanowitsch 2004 und 2004a). 118 Für die Formulierung in (ii) wird auf derselben Seite auch eine ältere Fassung der Bedeutungsbeschreibung mit „nicht-verhandelbare(r) Notwendigkeit“ präsentiert. 119 Natürlich lassen sich beide Beispiele auch als A-Modalkonstruktionen interpretieren: ‚ich bin in einer Situation, in der ich keine andere Wahl habe, als etwas zu essen‘ bzw. ‚die Wirtin ist in einer Situation, in der sie keine andere Wahl hat, als zwei Zimmer zu vermieten‘.

Lexikalisierung/ Idiomatisierung

452 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Hier lässt sich allerdings das Akkusativobjekt nichts nicht mehr als Realisierung einer Valenzstelle des Vollverbs haben rekonstruieren. Vielmehr handelt es sich um Valenzstellen von zwei lexikalisierten/idiomatisierten Modalkonstruktionen, d.  h. von zwei statischen Idiomen. Man vergleiche hierzu die Ergebnisse der Frageprobe: Frageprobe

(138) → Was hat er zu tun? Nichts. → *Was hat er, das man tun kann/könnte? Nichts. (139) → Was habe ich zu verlieren? Nichts. → *Was habe ich, das ich verlieren kann/könnte? Nichts. Noch stärker idiomatisch ist die Fügung mit etw. (etwas/nichts) zu tun haben:120 (140) […] bat er mich eindringlich, alles zu unterlassen, was mit Kirche oder Religion zu tun habe. (Hein Freund 148) Kategoriale Dynamik (z.  B. Passivbildung) betrifft potenziell alle Klassen und Subklassen von statischen Prädikaten und ist insofern aus der Sicht einer möglichen Klassifikation dynamischer Prädikate trivial. Deshalb beruht die Klassifikation dynamischer Prädikate auf dem anderen Haupttyp der Prädikatsdynamik, nämlich auf den konstruktionell dynamischen Prädikaten. Da konstruktionelle Dynamik faktisch und theoretisch im Wachsen begriffen ist, da also die Liste dynamischer Prädikate in einer Varietät eine offene Liste darstellt, konnte bei der obigen Darstellung keine Vollständigkeit angestrebt werden. Die beiden Subtypen konstruktionell dynamischer Prädikate sind morphologisch und syntaktisch dynamische Prädikate. Morphologisch dynamische Prädikate sind verschiedene Subklassen von konstruktionell gebildeten (= dynamischen) Vollverben (wie z.  B. aufgrund von produktiven Mustern gebildete (dynamische) Partikelverben). Syntaktisch dynamische Prädikate stellen Anwendungen von syntaktischen Konstruktionen (wie z.  B. Progressiv-, Absentiv- oder AcI-Konstruktionen) auf statische Prädikate dar.

120 Im Sinne des valenztheoretischen Stufenmodells der Formvariabilität von Idiomen (Ágel 2004) handelt es sich hier um einen Fall mittlerer Formvariabilität: „Mittlere Formvariabilität interpretiere ich valenzträgertheoretisch als den Typus, bei dem eine pauschale Zuordnung zur internen oder zur externen Valenz zu kurz greifen würde. Vielmehr geht es hier um offene VT (= Valenzträger, VÁ), d.  h. um VT mit einem Slot. Der Slot ist derjenige Bestandteil des VT, der obligatorisch aufzufüllen ist, damit ein VT als VT überhaupt funktionstüchtig wird. Im Unterschied zu Leerstellen gestalten Slots die Binnenstruktur von PH (= Phraseologismen, VÁ) mit.“ (Ágel 2004: 75) Zu Slots und Leerstellen Kap. II/2.8.

3 Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 3.1 Statische Satzglieder 3.1.1 Textanalyse 3.1.2 Formen von Satzgliedern: genuine und recycelte Formen 3.1.3 Statische Komplemente im Überblick 3.1.4 Zentrale Komplemente: Subjekt, Akkusativobjekt, Dativobjekt, Präpositionalobjekte, Direktivum 3.1.5 Periphere Komplemente: Genitivobjekt, Verbativobjekt, Adverbialkomplemente 3.1.6 Supplemente: Adverbiale und Freies Prädikativ 3.1.7 Korrelatverbindungen: ein Prüfstein grammatischer Theoriebildung 3.1.8 Satzkreuzungen: ein weiterer Prüfstein grammatischer Theoriebildung

3.1 Statische Satzglieder 3.1.1 Textanalyse Legende: Makroglieder: Punkt-Strich-Unterstrich: Nichtsatz; Unterstrichen: Kohäsionsglied; Schwarz: Satz1 Mesoglieder: fett: Prädikat; (tiefgestellte Klammern): Satzgliedsubklasse (grau hinterlegt): Verhältnisadverbiale; ­türkis: dynamisch

[1]

JOCHEN JUNG

[2] [3]

Siegfried Lenz. Total entspannt

[4] (Komitativ- Mit seiner grundsympathischen Novelle »Landesbühne« adverbial) hat sich (nominales Siegfried Lenz Subjekt) (nominales einen Spaß Akkusativobjekt) erlaubt. [5] (nominales Hannes Subjekt) sagt: (Akkusativobjekt- »Bald wird etwas geschehen« text). [6] Und in der Tat: Seltsames nes) geschieht, (nominales ja geradezu Unerhörtes Subjekt). (gespalte[7] Schauplatz ist (nominales das Gefängnis Isenbüttel, dessen Insassen zumeist Kleinkriminelle sind, die hier ihre paar Jahre absitzen Subjekt).

1 rekonstruierte Glieder in eckigen Klammern DOI 10.1515/9783110409796-009

454 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

[8] (nominales Hannes Subjekt) zum Beispiel hatte (nominales sich Dativobjekt) (nominales eine Polizeikelle Akkusativobjekt) besorgt und [(nominales Hannes Subjekt) hatte] (Instrumental- damit adverbial) (nominales Schnellfahrer Akkusativangehalten objekt) und [(nominales Hannes Subjekt) hatte] (nominales den Verschreckten Dativobjekt) (nominales ein Bußgeld Akkusativobjekt) abgeknöpft. [9] Erst (Temporal- als er eine Zivilstreife gestoppt hatte adverbial), war (nominales der Spaß zu Ende. Subjekt) [10] (nominales Hannes, im Übrigen nicht besonders redselig Subjekt), teilt (nominales die Zelle Akkusativobjekt) (nominales mit dem Erzähler dieser Geschichte, aus dessen Leben Hannes erstaunlich viel mitzuteilen weiß und den er »Professor« nennt Präpositio. nalobjekt) [11] Das war (nominales er Subjekt) auch, für Literatur sogar, Spezialgebiet Sturm und Drang, (Dilativ- bis aufflog, dass er sich selbst zu oft als Stürmer und Bedränger gefallen und die hübschesten und schlechtesten Studentinnen mit Höchstlob durchs Examen geschleust hatte adverbial). [12] (nominales Vier Jahre Isenbüttel Akkusativobjekt) hat (nominales das Subjekt) (nominales dem Professor Dativobjekt) eingebracht, und zwei [Jahre] davon Subjekt) sind erst rum. (nominales [13] (Temporal- Jetzt adverbial) aber öffnet sich (nominales das Tor zum Gefängnishof Subjekt), und ein Bus nes) rollt ein, (nominales an dessen Seite groß das Wort »Landes (gespaltebühne« aufgemalt ist Subjekt). [14] (nominales Ein Stück Subjekt) soll aufgeführt werden, (Lokal- im Speisesaal adverbial). [15] (nominales Es Subjekt) heißt Das Labyrinth und [(nominales es Subjekt)] handelt (nominales von zwei älteren Damen, die in einem Hamburger Vorgarten ein echtes Labyrinth haben, in dem man zur Verbesserung der Welt tatsächlich Leute, die es nicht anders verdient haben, zum Verschwinden bringen kann Präpositionalobjekt). [16] (nominales Die beiden Subjekt) heißen Trudi und Elfi und [(nominales die beiden Subjekt)] sind (Modal- weitläufig adverbial) verwandt (nominales- mit den Brewster-Tanten aus Arsen und Spitzenhäubchen Präpositionalobjekt). [17] (Akkusativobjekt- Wie das Stück ausgeht nebensatz), erfährt (nominales man Subjekt) allerdings nicht. [18] (Temporal- Nachdem es schon die längste Zeit versteckte Zeichen und Verabredungen gegeben hat adverbial), nimmt (nominales Hannes Subjekt) (nominales seinen Professor Akkusativobjekt)



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 455

und [(nominales Hannes Subjekt)] führt (nominales ihn Akkusativobjekt) (Richtungs- zum LandesbühnenBus, in dem es sich bereits ein gutes Dutzend der sogenannten Insassen halbwegs bequem gemacht hat direktivum). [19] (Temporal- Kurz darauf adverbial) öffnet (nominales ein ahnungsloser Torhüter Subjekt) (nominales die Pforte Akkusativobjekt), und draußen komplement) sind (nominales sie Subjekt). (Lokaladverbial[20] (Dilativadverbial- Weit komplement) kommen (nominales sie Subjekt) nicht. [21] Das [= (nominales Sie Subjekt) kommen nicht (Dilativadverbial- weit komplement)] aber nur (Kausaldeswegen, weil sie schon bald ein Transparent über der Chaussee entdecken: »Grünau heißt euch willkommen zum Nelkenfest « adverbial), und diese schöne Einladung Akkusativobjekt) können (nominales sie Subjekt) einfach (nominales nicht ausschlagen. [22] (nominales Grünau Subjekt) scheint eine fröhliche und erstaunlich kulturversessene Gemeinde, wie es auch in Schleswig-Holstein nicht so viele gibt. [23] (Temporal- Als die Grünauer sehen, dass die Landesbühne sie zu ihrem Fest beehrt sind (nominales sie Subjekt) begeistert. adverbial), [24] (nominales Die Insassen Subjekt) sind immerhin so geistesgegenwärtig, das Schauspielen erst mal auf die lange Bank zu schieben, und [(nominales die Insassen Subjekt)] empfehlen sich (nominales mit ihren Sangeskünsten, die sie als braver Gefangenenchor in Isenbüttel trainiert haben Präpositionalobjekt). [25] Und was Akkusativobjekt) singen (nominales sie Subjekt)? (nominales[26] [(nominales Sie Subjekt) singen] (Akkusativobjekt- »Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt « text). [27] Na denn. [28] (nominales Das Fest Subjekt) geht weiter, es Subjekt) gibt (nominales Kartoffelsalat und Würstchen Akkusativobjekt), (nominales und die Truppe Subjekt) wird (nominales von der Grünauer Bevölkerung Präpositionalob (nominales sozusagen zunehmend adverbial) angenommen, jekt) (Modal ja sogar (gespalte- zarte Bande nes) werden geknüpft, (nominales die immerhin Anlass zu einem Satz wie diesem geben Subjekt): »(Modaladverbial- So komplement) ist (nominales es Subjekt), manchmal komplement) geschieht (nominales etwas im Leben, mit dem (Frequenzadverbialman sich abfinden muss« Subjekt). [29] Genau (nominales das Akkusativobjekt) tun (nominales die Männer Subjekt) nun aber gar nicht, sie Subjekt) finden sich überhaupt nicht ab, (nominales

456 



 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

im Gegenteil, gerade (gespalt- Hannes te-) arbeitet (Modal- kräftig adverbial) (nominales an ihrer Grünauer Eingemeindung Präpositionalobjekt), (nes nominales unterstützt vor allem vom kunstsinnigen Bürgermeister Subjekt) und da wir hier ja nicht die ganze Geschichte nacherzählen sollten adverbial), (Kausalraffen (nominales wir Subjekt) mal (Modal- etwas adverbial) zusammen und teilen [(nominales wir Subjekt)] nur (Akkusativobjekts- so viel korrelat) mit, (Akkusativobjekt- dass der Professor Volkshochschulvorträge hält  – natürlich zum Thema Sturm und Drang – und Hannes in kürzester Zeit ein vollständiges Heimatmuseum einrichtet und auch eröffnet nebensatz). [30] (gespaltenes Ein Fußballspiel nominales) gibt (nominales es Subjekt) ebenfalls, (Akkusativ- eine Mädchengarde und eine Feuerwehrkapelle objekt), Gäste Subjekt) kommen (Herkunfts- aus nah und fern  – Husum etwa und (nominales Eckernförde – direktivum), aber ehe die Sache dann doch etwas matt wird adverbial), kommt (nominales es Subjekt) (Temporalnoch (nominales zu einer Art Ordensverleihung, bei der es die Nelke in Bronze, Silber und Gold gibt und die das ganze Geschehen noch einmal dekorativ und dekorierend zusammenfasst und hochzieht Präpositionalobjekt), Beifall Subjekt) rauscht auf, (nominales und »(Modal- fast adverbial) begann (nominales abgestandenes Bier Subjekt) (Lokal- in den Gläsern zu schäumen«. adverbial) [31] (Temporal- Dann adverbial) aber wie gewonnen, so zerronnen: Polizisten Subjekt) waren sowieso schon (Lokal- da und dort adverbial) aufge (nominales taucht und [(nominales Polizisten Subjekt)] schnupperten herum, selbst (nominales der Gefängnisdirektor Subjekt) saß (Temporal- auf einmal adverbial) da komplement), (LokaladverbialZwischenfälle hat (nominales es Subjekt) gegeben  – leider (Lokal- in (nominales Akkusativobjekt) der Gegend von Eckernförde adverbial) –, und schnapp! sitzen (nominales sie Subjekt) (Frequenz- wieder adverbial) (Lokaladverbial- im Bus komplement) und bald darauf adverbial) [sitzen (nominales sie Subjekt)] (Lokaladverbial- in ihrem Pisspott (Temporalnamens Isenbüttel komplement). [32] Oje. [33] (nominales Hannes Subjekt) scheint zu resignieren,



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 457

der Professor Subjekt) schreibt (nominales Tagebuch Akkusativobjekt), der Zellennachbar Subjekt) hängt (nominales sich Akkusativobjekt) auf, (nominales und dann adverbial) kommt auch noch (Frequenz- ein weiteres Mal adverbial) – (nominales (Temporaldie Landesbühne Subjekt). [34] Und was Akkusativobjekt) spielen (nominales sie Subjekt)? (nominales [35] [(nominales Sie Subjekt) spielen] (nominales Warten auf Godot Akkusativobjekt). [36] (nominales Das Subjekt) gibt natürlich (Frequenz- wieder adverbial) Anlass (nominales zu ein paar schwersinnigen Sätzen Präpositionalobjekt), aber am Ende adverbial) [gibt (nominales das Subjekt) Anlass] auch (Präpositionalobjekts- dazu (Temporal, dass ein Gefängnisdirektor seine Memoiren schreibt, um sie korrelat) (Präpositionalobjektdann im Verlag Hoffman und Breitner zu veröffentlichen nebensatz). [37] Und, was das Schönste ist: Zwei Zellengenossen Subjekt) sind Freunde geworden. (nominales [38] Ist (gespalte- das nes) nun (nominales alles Subjekt) glaubwürdig? [39] Dumme Frage. [40] (nominales Wir Subjekt) sind (Lokal- hier adverbial) nicht (Lokaladverbial- beim Amtsgericht komplement). [41] (nominales Zu dem Theaterstück Das Labyrinth Präpositionalobjekt) wird (Frequenz- einmal gesagt, (Subjekt- es sei »eine Geschichte, in der das Fantastische im Wirkadverbial) lichen aufging« nebensatz). [42] Nun, hier adverbial) ist (nominales es Subjekt) wohl eher umgekehrt. (Lokal[43] Aber wie auch immer: Die Freiheiten, die sich aus solchem Erzählen ergeben Akkusativobjekt), hat (nominales Siegfried Lenz Subjekt) (Modal- weidlich und mit offenkundigem Vergnügen (nominales genutzt. adverbial) [44] Und ehe jetzt jemand etwas von Abgeklärtheit und womöglich gar Altersweis (Temporalheit erzählt adverbial), darf gesagt werden, (Subjekt- dass sich der Autor hier in erster Linie einen ordentlichen Spaß erlaubt hat – neugierig darauf, wie weit man mit realistischen Mitteln dem Unerhörten auf der Spur bleiben kann nebensatz). [45] (Temporaladverbial- Wann komplement) spielt (nominales das alles Subjekt)? [46] (Modal- Irgendwie adverbial) [spielt (nominales das alles Subjekt)] wohl doch (Temporaladverbial- in ferneren Zeiten komplement). [47] Oder hat (nominales der Professor Subjekt) (nominales die ganze Geschichte Akkusativobjekt) nur nach einer langen Nacht mit einer seiner bedürftigen Studentinnen (Temporalgeträumt? adverbial) (nominales

458 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

[48] Ach was. [49] (gespalte- Es nes-) gilt (nominales das geschriebene Wort Subjekt), und erzählt Subjekt) ist erzählt. (nominales [50] Und wenn Siegfried Lenz erzählt adverbial), hat (nominales das Erzählte Subjekt) (Konditional­(Frequenz- immer und in jedem Fall adverbial) (nominales etwas Herzliches, das, was man gemeinhin grundsympathisch nennt Akkusativobjekt). [51] (Konzessiv- Wobei man zu bedenken geben muss, dass, wenn man so grundsympathisch von einer Welt erzählt, die ja eher nicht so herzlich und grundsympathisch ist, das Herzliche gelegentlich auch ein wenig ins Nette rutschen kann, was dann der Schärfe unserer Tage nicht so voll und ganz entspricht adverbial). [52] Aber weil Siegfried Lenz vor allem auch ein erfahrener Autor ist adver-), hat (nomina (Kausaler die Sache Akkusativobjekt) (bi- deswegen al) (Temporal- gleich adverbial) (Richtungsles Subjekt) (nominales etwas ins Zeitferne direktivum) gerückt. [53] Und [(nominales er Subjekt)] trifft sich (Instrumental- damit adverbial) auf überraschende Weise mit dem Autor der Leute von Seldwyla, an die man beim Lesen dieser (nominales Novelle sowieso schon zurückgedacht hat Präpositionalobjekt). [54] Auch (nominales Gottfried Keller Subjekt) kennt ja (nominales das Wunderliche, den schrägen Blick auf die Gesellschaft und auch das Herzliche Akkusativobjekt), ((nominales das Nette Akkusativobjekt) [kennt (nominales Gottfried Keller Subjekt)] allerdings ganz und gar nicht), und auch (nominales er Subjekt) wusste, (Akkusativobjekt- dass das mit der Gegenwart nicht immer so gut zusammenging nebensatz). [55] So schrieb (nominales er Subjekt) denn (Lokal- in seiner Vorrede zum zweiten Band seiner Novellensammlung adverbial), (Akkusativobjekt seine Seldwyler sähen »schon aus wie andere Leute; es ereignet sich nichts mehr unter ihnen, was der beschaulichen Aufzeichnung würdig wäre, und es ist daher an der Zeit, in ihrer Vergangenheit und den guten lustigen Tagen der Stadt noch eine kleine Nachernte zu halten« nebensatz). [56] (nominales So eine Nachernte Subjekt) ist es denn wohl auch, was wir mit dieser ganz und gar entspannten Geschichte in den Händen halten.



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 459

3.1.2 Formen von Satzgliedern: genuine und recycelte Formen Die Frage der funktionalen Struktur von Mesogliedern wurde bereits im Kap. III/1.6 behandelt. Im vorliegenden Kapitel geht es darum, die genuinen und recycelten Realisierungsformen von Mesogliedern im Hinblick auf eine mögliche Klassifikation der Satzglieder (im engeren Sinne) näher zu betrachten. Nicht mehr eingegangen wird hier dagegen auf die ebenfalls im Kap. III/1.6 besprochenen drei Linearisierungsformen von Mesogliedern (kontinuierlich, diskontinuierlich und gespalten), da diese bei der Klassifikation keine Rolle spielen. In einem eigenen Kapitel (Kap. III/3.1.7) behandelt werden die Korrelatverbindungen, die eine besondere theoretische Herausforderung für die grammatische Theoriebildung darstellen. Aus demselben Grund wird auch Satzkreuzungen (sog. ergänzende wenn-Sätze) wie in (1) ein eigenes Kapitel (Kap. III/3.1.8) gewidmet: (1) Natürlich ist (Nominal- es korrelat) sinnvoll, wenn der Staat neue Straßen und Schulen baut. (DIE ZEIT, 04. 12. 2008, zit. n. Kaiaty 2010: 295) Die genuinen Formen von Satzgliedern (im engeren Sinne) sind im Falle von Subjekt und Objekten nominal (= Substantiv- oder Präpositionalgruppen), im Falle von Adverbialbestimmungen adverbial (= Adverbgruppe) oder nominal (= Adjektiv-, Substantiv- oder Präpositionalgruppen):2 Hannes Subjekt) zum Beispiel hatte (nominales sich Dativobjekt) (nominales eine Polizeikelle Akkusativobjekt) besorgt […]. [36] (nominales Das Subjekt) gibt natürlich (Frequenz- wieder adverbial) Anlass (nominales zu ein paar schwersinnigen Sätzen Präpositionalobjekt), […]. [28] »(Modaladverbial- So komplement) ist (nominales es Subjekt), manchmal komplement) geschieht (nominales etwas im Leben, mit dem (Frequenzadverbialman sich abfinden muss« Subjekt). [43] (nominales Die Freiheiten, die sich aus solchem Erzählen ergeben Akkusativobjekt), hat Siegfried Lenz Subjekt) (Modal- weidlich und mit offenkundigem Vergnügen (nominales genutzt. adverbial) [8]

(nominales

2 Erinnert sei daran, dass ich mit Eugenio Coseriu (1972/1987: 88) sog. Pronomina nicht als Pronominalisierungen von Nomina (Substantiven) auffasse, sondern genau umgekehrt als substantivische Primärformen („Kategoremwörter“). Im Sinne dieser theoretischen Position sind die Termini ‚Substantivgruppe‘ und ‚Nominalgruppe‘ synonym (mehr dazu Kap. III/1.4.1, Anm.  63). Wenn von genuinen Formen die Rede ist, verwende ich der Einfachheit halber den Terminus ‚nominal‘ im Sinne von ‚nominal + präpositional‘. Auf die Struktur von Substantiv- und Präpositionalgruppen wird im Kap. IV/1.3 einzugehen sein.

genuine Formen

460 

(2)



 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Selten adverbial) war er (Modal- so leicht, so freien Herzens adverbial) in eine (FrequenzVerhandlung zurückgegangen, fast (Modal- flott adverbial) zog er Hut und Mantel an […]. (Böll Dienstfahrt: 82)

Nebensätze stellen in der Regel recycelte Satzgliedformen dar (s. unten). Hierzu gibt es lediglich einen Typ von Ausnahme, den ich Gegenstandsparaphrase nennen möchte.3 Es handelt sich um W-Nebensätze mit unterschiedlichen Satzgliedwerten, die im Gegensatz zu prototypischen Nebensätzen semantisch keine Szenarios, d.  h. keine einzelsprachlichen Sachverhalte, sondern (einzelsprachliche) Gegenstände indizieren:4 Gegenstands­ paraphrasen

Subjektparaphrasen: (3) Wer etwas faltet paraphrase), ist noch längst kein Falter. (Subjekt Wer einen schmettert paraphrase), längst kein Schmetterling. (Subjekt […] (Mascha Kaléko: Philo(un)logisches in: bundesdeutsch 107) (4) Wer immer ihn traf paraphrase), wußte sich vor Begeisterung kaum zu (Subjektfassen. (Kehlmann Vermessung: 20) (5) […] (Subjekt- wer metaphysische Angst nicht kenne paraphrase), werde nie ein deutscher Mann. (Kehlmann Vermessung: 21) (6) […] (Subjekt- wem daran liegt, sich von einem Mitmenschen lautlos zu trennen oder ihn ebenso lautlos verschwinden zu lassen paraphrase), (Subjekts- der korrelat) kann sich an unsere Adresse wenden. (Lenz Landesbühne: 26) (7) […] (Subjekt- wer wollte paraphrase), bekam noch eine Senfgurke dazu. (Lenz Landesbühne: 36) Akkusativobjektparaphrasen: (8) Wen du ausgesucht hast paraphrase), möchte ich gerne sehen. (Akkusativobjekt-

3 In der Fachliteratur werden sie als „indefinite und generalisierende Nebensätze“ (Engel 1988: 248  ff.), als „freie Relativsätze“ (z.  B. Oppenrieder 1991: 271  ff. und Pittner 2003) oder als „gegenstandsfundierte W-Sätze“ (IDS-Grammatik 1997/3: 2270  ff.) bezeichnet. 4 Ob es weitere Typen gibt, ist fraglich: Genitivobjektparaphrasen lassen sich zwar konstruieren, aber selbst Engel (2004: 140) versieht die eigenen konstruierten Beispiele mit Fragezeichen. Im Falle von Adverbialparaphrasen kommen (verständlicherweise) nur Situativadverbiale in Frage (da ja Verhältnisadverbiale keine Gegenstände, sondern Szenarios indizieren). Deshalb stellt das Beispiel (14) nur scheinbar eine Koordination von Temporal- und Kausalparaphrase dar. In Wirklichkeit funktioniert warum nur als Zweitglied eines temporalen Ausdrucks (wann und warum). Man vergleiche: (a) Er kommt, wann er will; (b) *Er kommt, warum er will; (c) ?Er kommt, warum und wann er will. Zum Begriff des Ausdrucks Kap. I/2.4.5 und auch unten (im aktuellen Kapitel).



(9)

Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 461

Was dir gefällt paraphrase), wollte ich auch mal sehen. (beide Beispiele zit. n. Engel 2004: 140)

(Akkusativobjekt-

Dativobjektparaphrase: (10) Ich helfe, (Dativobjekt- wem ich helfen kann paraphrase). (Beispiel zit. n. Engel 2004: 140) Präpositionalobjektparaphrase: (11) […] manche […] machten sich blickweis aufmerksam , was sie sahen paraphrase). korrelat) (Präpositionalobjekt (Lenz Landesbühne: 8)

(Präpositionalobjekts-

auf das

Direktivparaphrase: (12) Sie gingen ohne Zögern, (Direktiv- wohin man sie geschickt hatte paraphrase). (Beispiel zit. n. Engel 1988: 251) Lokaladverbialparaphrase: (13) (Lokaladverbial- Wo früher der Wildbach rauschte paraphrase), stehen heute Hochhäuser. (Beispiel zit. n. IDS-Grammatik 1997/3: 2270) Temporaladverbialparaphrase: (14) Er kommt, (Temporaladverbial- wann und warum er will paraphrase). (Beispiel zit. n. IDS-Grammatik 1997/3: 2270) ‚Gegenstände‘, d.  h. Nichtszenarios, werden prototypischerweise direkt, ohne Umschreibung, benannt, z.  B.5 → Die Leute Subjekt) wußten sich vor Begeisterung kaum zu fassen. (nominales → Deinen Auserwählten Akkusativobjekt) möchte ich gerne sehen. (nominales → Ich helfe (nominales jedem Dativobjekt). → Da adverbial) stehen heute Hochhäuser. (LokalMit ‚Paraphrase‘ ist genau das gemeint: Trotz Nebensatzform werden hier ‚Gegenstände‘ umschrieben. Dass hier mit grammatischen Mitteln semantische Gegenstände paraphrasiert werden, zeigt sich am deutlichsten an der Dativobjektparaphrase. Denn das Dativobjekt lässt im Gegensatz zum Subjekt und zu den anderen Objekten in der Regel keine ‚normalen‘, d.  h. szenarioindizierenden Nebensätze zu.6

5 Da sich auch Situativadverbiale paraphrasieren lassen, muss hier der Gegenstandsbegriff weit gefasst werden. Zu der prädikatenlogischen Möglichkeit und zu den Problemen, ‚Orte‘ oder ‚Zeiten‘ als ‚Dinge‘ zu konzipieren, s. Welke 1988: 43  f. 6 „Bei den wenigen Verben, die auch nicht-personale Belegung des Dativkomplements erlauben, könnte theoretisch auch satzförmige Realisierung möglich sein, belegt sind solche Konstruktionen jedoch äußerst selten.“ (IDS-Grammatik 1997/2: 1089). Christa Dürscheid (2007: 61) führt folgendes Beispiel an: Er musste hilflos zusehen, wie sie sich wieder betrank.

462 

Gegenstands­ paraphrasen vs. indirekte Fragesätze

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Abgrenzungsschwierigkeiten gibt es zwischen Gegenstandsparaphrasen und szenarioindizierenden W-Nebensätzen, den sog. indirekten Fragesätzen:7 (15) Noch ist völlig unklar, (Subjekt- wer für den entstandenen Schaden aufkommen soll nebensatz). (Beispiel zit. n. Oppenrieder 1991: 255) → Wer soll für den entstandenen Schaden aufkommen? Das ist noch völlig unklar. → *Derjenige, der für den entstandenen Schaden aufkommen soll, ist noch völlig unklar. (16) Noch ist im Ausland, (Subjekt- wer für den entstandenen Schaden aufkommen soll paraphrase). → Derjenige, der für den entstandenen Schaden aufkommen soll, ist noch im Ausland. → *Wer soll für den entstandenen Schaden aufkommen? Das ist noch im Ausland. Der Nebensatz indiziert ein Szenario, weshalb er auch als eigenständiger Satz realisierbar ist. Denn die Binnenstruktur eines Nebensatzes als recycelten Makrogliedes ist unabhängig von der Valenz des (Haupt-)Prädikats und wird in Abhängigkeit von der Valenz des jeweiligen Nebensatzprädikats besetzt: (15) (a) Noch ist völlig unklar, (Subjekt- wen er einstellen will nebensatz). (b) Noch ist völlig unklar, (Subjekt- wem er helfen will nebensatz). (c) Noch ist völlig unklar, (Subjekt- über wen er nachdenkt nebensatz). Dagegen indiziert eine Paraphrase einen Gegenstand, der folglich als eigenständiger Satz nicht in Erscheinung treten darf. Entsprechend sind gegenstandsparaphrasierende Nebensätze, deren W-Einleiter nicht den Satzgliedwert anzeigen, den die Paraphrase von der Valenz des (Haupt-)Prädikats zugewiesen bekommt, mitunter ungewöhnlich bis ungrammatisch:8 Wem immer er half paraphrase), wußte sich vor Begeisterung kaum zu fassen. (7a) (Subjekt- Wen es danach verlangte paraphrase), bekam noch eine Senfgurke dazu. (9a) ?(Akkusativobjekt- Wer dir gefällt paraphrase), wollte ich auch mal sehen. (10a) ??Ich helfe, (Dativobjekt- wen ich nur unterstützen kann paraphrase). (4a)

(Subjekt-

7 Ausführlich hierzu s. IDS-Grammatik 1997/3: 2264  ff., Rehbock 2001 und Eisenberg 2006/2: 323  ff. Ich bleibe beim traditionellen Terminus ‚indirekter Fragesatz‘, teile jedoch die Kritik der IDS-Grammatik (1997/3: 2253  ff.), die von „propositionsfundierten W-Sätzen“ spricht und somit die Szenario­ indizierung betont. 8 Solche Unterschiede lassen sich mit der Kasushierarchie von Pittner (2003) erklären.



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 463

(11a) *Manche machten sich blickweis aufmerksam, (Präpositionalobjekt- an wem sie sich ergötzt haben paraphrase). Verben mit einer für Gegenstände wie Szenarios offenen Valenzstelle lassen prinzi­ piell beide Lesarten zu:9 (17) (a) Ich definiere, (Akkusativobjekt- was ein Spiel ist nebensatz). (‚Ich bestimme den Spielbegriff‘ (= keine Spieldefinition wird vorausgesetzt)) (b) Ich definiere, (Akkusativobjekt- was ein Spiel ist paraphrase). (‚Ich beschreibe/referiere den Spielbegriff‘ (= eine Spieldefinition wird vorausgesetzt)) Keine Gegenstandsparaphrase, sondern ein besonderer Fall der genuinen nominalen Realisierungsform liegt in den folgenden Belegen vor: [35] [(nominales Sie Subjekt) spielen] (nominales Warten auf Godot Akkusativobjekt). (18) Über die Länge des Busses hin stand in Blockbuchstaben (nominales LANDESBÜHNE Subjekt) […]. (Lenz Landesbühne: 7) Für diese Realisierungsform ist charakteristisch, dass konkrete Namen, Titel, Aufschriften und dergl. stellvertretend für die jeweilige Substantivgruppe stehen: Warten auf Godot etwa für ‚das Theaterstück Warten auf Godot‘, LANDESBÜHNE etwa für ‚das Theaterensemble LANDESBÜHNE‘. Dies erinnert einerseits an metasprachliche Sätze, die einen sprachlichen Ausdruck selbst zum Gegenstand machen, z.  B. (19)

Kuh besteht aus zwei Lauten und drei Buchstaben.

Andererseits denkt man auch an metonymische Verschiebungen, bei denen für einen bestimmten Inhalt ein Ausdruck verwendet wird, dessen Bedeutung in einem in der jeweiligen Kultur konventionellen Zusammenhang zu jenem Inhalt steht:10 (20) [Kellner:] »C’est vous, la tête de veau?« (‚Sind Sie der Kalbskopf?‘) [Gast:] »Non, non, je suis le pied de porc, la tête de veau, c’est ma femme.« (‚Nein, nein, ich bin der Schweinsfuß, der Kalbskopf ist meine Frau.‘) (Beispiel zit. n. Coseriu 1988: 106) (21) Der Kreml wollte die Kapitalerhöhung nicht kommentieren.

9 Beispiel von Eike v. Savigny (1974: 33), zit. n. Eisenberg 2006/2: 325. 10 Wie das französische Beispiel zeigt, gibt es metonymische Konventionen, die nicht übereinzelsprachlich, sondern einzelsprachlich sind. Der Typus ‚Ort → Institution am Ort‘ (‚Kreml → ‚russische Regierung‘) könnte dagegen übereinzelsprachlich sein.

Meta-Nymie

464 

recycelte Formen

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Die Realisierungsform des Akkusativobjekts in [35] und des Subjekts in (18) stellt also eine Mischung von metasprachlicher und metonymischer Verschiebung, also eine Art Metametonymie – kurz: Meta-Nymie – dar. Wir kommen nun auf die recycelten Realisierungsformen zu sprechen. Wie in den Kap. I/2.5 und III/1.6 ausgeführt, lassen sich Makroglieder bzw. Textsequenzen/Texte als Mesoglieder recyceln. Das beste Beispiel hierfür sind diverse Formen der indirekten Redewiedergabe: [5] [5a] [5b] [5c]

Hannes Subjekt) sagt: (Akkusativobjekt- »Bald wird etwas geschehen« text). Hannes Subjekt) sagt, (Akkusativobjekt- dass bald etwas geschehen wird nebensatz). (nominales Hannes Subjekt) sagt, (Akkusativobjekt- bald werde etwas geschehen nebensatz). (nominales Hannes Subjekt) sagt, (Akkusativobjekt- bald wird etwas geschehen hauptsatz). (nominales (nominales

Man kann sich einen Text vorstellen, in dem an einer bestimmten Stelle ein gewisser Hannes den Satz Bald wird etwas geschehen äußert.11 Wenn nun jemand anders darüber berichten will, dass Hannes das Bald-wird-etwas-geschehen-Szenario realisiert hat, hat er, wenn er den Valenzträger sagen wählt, vier grammatische Möglichkeiten, dies zu tun: [5] eine beliebige Textsequenz, die hier einfach ‚Text‘ genannt wird, [5a] eingeleiteter Nebensatz, [5b] uneingeleiteter Nebensatz und [5c] „abhängiger Hauptsatz“ (Auer 1998), der hier einfach Hauptsatz genannt wird.12 Dass die Realisierungsform ‚Text‘ tatsächlich alle möglichen Textsequenzen umfassen und sich deutlich von allen anderen Realisierungsformen unterscheiden kann, zeigt der folgende Beleg, in dem sich der Akkusativobjekttext von wissen, der ein recycelter Nichtsatz ist, durch keine anderen Realisierungsformen ersetzen ließe: (22) «Das ist der Privatverein von unserem Vize. Er hat sich zum Ziel gesetzt, den Geist der Gründer der Salzburger Festspiele wieder mehr zu pflegen. Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss.» «Sehr interessant», hat der Brenner gesagt. Und da hat er doch Fortschritte gemacht gegenüber früher, wo er sich noch nicht so für die klassische Kunst interessiert hat. Weil er hat jetzt gewußt, (Akkusativobjekt- Strauss Glatteis text), da muß man wahnsinnig aufpassen mit dem Vornamen, und nicht jeder ist automatisch der Walzerkönig. Hofmannsthal vergleichsweise einfach, weil Hofmannsthal immer Hugo. (Haas Silentium: 64  f.) 11 Die Betonung liegt auf vorstellen. Denn in der Literatur ist man sich mittlerweile einig, dass Redewiedergabe keinesfalls notwendigerweise ‚wirkliche Äußerungen‘ voraussetzt (s. etwa v. Roncador 1988: 54 und Fabricius-Hansen 2002: 7). 12 Abhängige Hauptsätze und uneingeleitete Nebensätze stellen im Gegensatz zu eingeleiteten Nebensätzen Verbzweitstrukturen dar. Während im Falle von uneingeleiteten Nebensätzen (prototypischerweise) der Konjunktiv die formale Abhängigkeit vom Hauptsatz (= Obersatz) anzeigt, sind abhängige Hauptsätze formal scheinbar unabhängig. Als formale Realisierungen eines Komplementwertes sind sie jedoch syntaktisch und semantisch vom verbalen Valenzträger abhängig.



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 465

Wie erwähnt (Kap. I/2.5), hat grammatisches Recycling eine klare textsemantische Funktion: Analoge semantische Werte wie das Bald-wird-etwas-geschehenSzenario werden vertikal durch die funktionalen Ebenen grammatisch ‚durchgereicht‘, um semantische Transparenz zu gewährleisten. Was als Textglied oder als Textsequenz grammatisch relativ frei ist, wird auf der Mesoebene satzgrammatisch gebunden, um semantische Einbettung (Polenz 2008: 232  ff.) zu indizieren.13 Satzgrammatische Bindung kann dabei – in Abhängigkeit vom jeweiligen Valenzträger  – mit unterschiedlichen Graden von formalen Anpassungen einhergehen. Je aufwendiger die formale Anpassung, umso stärker ist die (semantische) Einbettung (grammatisch) in die Hauptsatzstruktur integriert. Die integrativste Grundtechnik (Realisierungsform) ist die Infinitivkonstruktion, denn Infinitheit zeigt Unselbstständigkeit der Szenariorealisierung an:14 (23) Dann zuckte er die Schultern und schlug vor, werfen infinitiv). (Kehlmann Vermessung: 20)

(Akkusativobjekts-

­Aggregation vs. ­Integration

eine Münze zu

Die aggregativste, d.  h. am wenigsten integrative, Technik ist, wenn eine Textsequenz ohne formale Anpassung recycelt wird (s. auch [5]): (24) […] der mann sagt (Akkusativobjekt- aha blumen text) damit die frau nicht (Prädikat sagt zweiten Grades) warum streng ich mich an (Akkusativobjekttext du merkst ja doch nicht ob es schön ist zweiten Grades) […] (Katrine von Hutten [ohne Titel] in: bundesdeutsch 133) Entsprechend lassen sich die genannten Grundtechniken der Subordination nach zunehmendem Integrationsgrad (= nach abnehmendem Aggregationsgrad) wie folgt anordnen:15 13 Als Mesoglieder recycelte Makroglieder können nicht nur Einbettungen, sondern auch (a) „Zusätze zu Satzinhalten“ und auch (b) „Verknüpfungen von Satzinhalten“ (Polenz 2008: 247  ff. und 265  ff.) indizieren. Fall (a) trifft auf satzförmige Kommentarglieder (sog. weiterführende Nebensätze/ Relativsätze), Fall (b) auf Adverbialnebensätze (Verhältnisadverbiale) zu. 14 Entsprechend ‚orientiert sich‘ die Interpretation des eingebetteten Szenarios sehr stark an der Hauptsatzstruktur. Oder umgekehrt: Die Hauptsatzstruktur ‚kontrolliert‘ sehr stark die Interpretation des eingebetteten Szenarios. Zur Orientierung/Kontrolle Kap. III/2.1.2. 15 Was hier kurz referiert wird, ist ein Ausschnitt aus der Theorie der expliziten Junktion (Ágel 2010 und Ágel/Diegelmann 2010), in der „Realisierungsformen zwischen Aggregation und Integration“ (Teil des Untertitels von Raible 1992) im Neuhochdeutschen (1650–2000) erarbeitet wurden. Bezogen auf die Subordination konnten sechs Grundtechniken („Realisierungsformen“) nachgewiesen werden, die sich in Abhängigkeit von Wortstellungsmerkmalen und diversen Typen von Korrelatverbin-

Grund­ techniken der Sub­ ordination

466 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

1. ‚Text‘; 2. (abhängiger) Hauptsatz; 3. uneingeleiteter Nebensatz; 4. eingeleiteter Nebensatz; 5. Infinitivkonstruktion (mit zu).16 Leitstruktur ‚(abhängiger) Hauptsatz‘

Diese Realisierungsformen sind natürlich nicht so zu verstehen, dass ein szenario­ indizierendes Satzglied aus einem einzigen (abhängigen) Hauptsatz oder aus einem einzigen uneingeleiteten Nebensatz bestehen müsste. Beispielsweise kann das, was in der Forschung als (abhängiger) Hauptsatz bezeichnet wird (in der Begrifflichkeit der Grammatischen Textanalyse) ein recycelter einfacher Satz ([5c]), ein recycelter komplexer Satz (Satzgefüge) oder eine recycelte Satzverbindung sein: (25) Ich fürchtete, (Akkusativobjekt- wenn ich sie länger ansähe, würden kleine Tierchen hinter ihr hervorkriechen hauptsatz = recycelter komplexer Satz). (Hein Freund: 156) (26) Sabeth fand, (Akkusativobjekt- ich untertreibe immer beziehungsweise ich verstelle mich hauptsatz = recycelte Satzverbindung). (Frisch Homo: 134  f.) Die Grundtechnik ‚(abhängiger) Hauptsatz‘ benennt nur die unmittelbar untergeord­ nete Leitstruktur, die ihrerseits selbstverständlich weiter ‚ausgebaut‘ werden kann: koordinativ (Frisch-Beleg) oder subordinativ (Hein-Beleg). Besonders ‚tückisch‘ ist dabei der Hein-Beleg, bei dem ja ein Satzgefüge (wenn ich sie länger ansähe, würden kleine Tierchen hinter ihr hervorkriechen) mit Nachstellung der Leitstruktur (würden kleine Tierchen hinter ihr hervorkriechen) recycelt wurde. Da das recycelte Satzgefüge ein sog. potenzialer Konditionalsatz (mit Konjunktiv II) ist, könnte des Weiteren der (falsche) Eindruck entstehen, dass hier kein Akkusativobjekthauptsatz, sondern ein uneingeleiteter Akkusativobjektnebensatz vorliege.

dungen in ca. 30 Techniken (Subklassen) einteilen lassen. Zur Theorie der Aggregation/Integration und ihrer Anwendung vgl. außer den genannten Arbeiten Ágel 2003a, 2007a, 2010a und 2012 bzw. Hennig 2009, 2010 und 2010a. Zur Skalarität semantisch verknüpfter und eingebetteter Szenario­ realisierungen vgl. Lehmann 1988, Wegener 2001, Fabricius-Hansen 1992 und 2007: 766  ff., HdK 2003: 347  ff. und Schuster 2008. 16 Infinitivkonstruktion ohne zu als Realisierungsform von Komplementen im Gegenwartsdeutschen kommt zwar auch vor, ist jedoch marginal und auf das Vorfeld beschränkt. Vgl. das folgende Beispiel (IDS-Grammatik 1997/2: 1074): (Subjekts- Immer nur Czerny-Etüden spielen infinitiv ohne zu) macht keinen Spaß. Der obige Kehlmann-Beleg mit dem Akkusativobjektsinfinitiv im Nachfeld wäre ohne zu ungrammatisch: *Dann zuckte er die Schultern und schlug vor, (Akkusativobjekts- eine Münze werfen infinitiv ohne zu). Zu den ebenfalls marginalen Partizipialkonstruktionen s. Ágel/Diegelmann 2010: 18  ff.



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 467

Was für den abhängigen Hauptsatz gilt, gilt auch für die anderen Strukturen. Auch Nebensätze und Infinitivkonstruktionen lassen sich ‚ausbauen‘, z.  B.17 (27)



Wenn man den Kopf zur Seite dreht, um nicht immer diesen Milchglashimmel zu sehen, meint man jedesmal, (Akkusativobjekt- man sei am Meer, unsere Pyramide eine Insel oder ein Schiff, ringsum das Meer nebensatz = als Nebensatzverbindung recycelte Satzver[…]. bindung) (Frisch Homo: 52)

Alle Grundtechniken benennen also nur die unmittelbar untergeordnete Leitstruktur. Mit Ausnahme der aggregativsten Grundtechnik ‚Text‘ sind beim Subjekt dieselben Realisierungsformen möglich wie beim Akkusativobjekt.18 Ein Beispiel für einen Subjekthauptsatz, d.  h. für einen (abhängigen) Hauptsatz mit dem grammatischen Wert ‚Subjekt‘ (Belege für alle Realisierungsformen finden sich in der Übersicht im nächsten Kapitel):

Grund­ techniken qua Leit­ struktur

Grund­ techniken beim Subjekt

(28) Mir scheint, (Subjekt- Ihre spontanen Gedanken fließen ungebremst in die Texte ein hauptsatz). (Glattauer Nordwind: 10) Satzglieder wie ‚Subjekt‘ oder ‚Akkusativobjekt‘ stellen paradigmatische grammatische Werte dar (Kap I/2.4.4), die in Abhängigkeit von der Valenz des jeweiligen Valenzträgers (Prädikats) zugewiesen werden. Grundtechniken wie ‚Hauptsatz‘, ‚eingeleiteter Nebensatz‘ oder ‚Infinitivkonstruktion‘ sind dagegen als Formen paradigmatisch relativ offen, d.  h., auf sie können unterschiedliche Satzfunktionen angewandt werden. Deshalb würde etwa der Austausch der (abhängigen) Hauptsätze der Belege (25) und (28) dazu führen, dass dieselben Realisierungsformen in Abhängigkeit von den jeweils neuen Valenzträgern neue Satzgliedwerte erhalten würden:

Grundtechnik vs. Satz­ gliedwert

(25a) Ich fürchtete, (Akkusativobjekt- Ihre spontanen Gedanken fließen ungebremst in die Texte ein hauptsatz). (28a) Mir scheint, (Subjekt- wenn ich sie länger ansähe, würden kleine Tierchen hinter ihr hervorkriechen hauptsatz). Die paradigmatische Offenheit von Grundtechniken kann im Falle von Satzverbindungen so weit gehen, dass dieselbe Form je nach Valenzträgerbezug zwei verschiedene Satzgliedwerte erhält:

17 Sowohl (abhängige) Hauptsätze als auch Nebensätze stellen recycelte Sätze dar. Zum strukturellen Unterschied Kap. IV/1.2. 18 Wenn man die einzelnen Subjektnebensatztypen auch nach den möglichen Subjunktoren (dass-, ob-Nebensatz usw.) ausdifferenziert, kommt man insgesamt auf zehn Realisierungsformen des Subjekts, s. Taborek 2008: 75  ff. Auf die Frage, ob adverbiale Nebensätze (z.  B. wenn-Nebensätze) einen Subjekt- oder einen Objektwert zugewiesen bekommen können, kommen wir im Kap. III/3.1.8 über Satzkreuzungen (sog. ergänzende wenn-Sätze) zu sprechen.

Grundtechnik vs. offener Satzgliedwert

468 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

(29) Einerseits ist es ihr unheimlich, andererseits ist sie froh, daß sie mit ihrer klugen Nichte sprechen kann. (Kehlmann Ruhm: 62) (29a) Einerseits ist (Subjekts- es korrelat) ihr unheimlich, (Subjekt- daß sie mit ihrer klugen Nichte sprechen kann nebensatz). (29b) Andererseits ist sie ((Präpositionalobjekts- darüber korrelat)) froh, (Präpositionalobjekts- daß sie mit ihrer klugen Nichte sprechen kann nebensatz). Der eingeleitete Nebensatz daß sie mit ihrer klugen Nichte sprechen kann bekommt vom Prädikat ist unheimlich den Subjektwert (s. (29a)), vom Prädikat ist froh den Wert des Präpositionalüber+AKK-objekts zugewiesen (s. (29b)). Zum Nachweis des letzteren Werts wurde das im Originalbeleg nicht realisierte Präpositionalobjektskorrelat darüber eingefügt. Wenn das Korrelat nicht realisiert wird und wenn dasselbe Verb über verschiedene Grundvalenzen verfügt (z.  B. sich auf/über/an etw. freuen oder etw./an etw. glauben), kann der paradigmatische Wert offen bleiben: (30) Ich glaube, (Objekt- die Fragen sind nun alle so recht und schlecht beantwortet . hauptsatz) (Glattauer Nordwind: 11) Ausdruck vs. Wort

Von den beiden einschlägigen Grundvalenzträgern von glauben her ließe sich hier theoretisch sowohl der Akkusativobjekt- als auch der Präpositionalan+DAT-objektwert zuweisen. Doch eine eindeutige Zuweisung erscheint nur aus einer wortgrammati­ schen, einer ‚von unten nach oben‘-Perspektive, notwendig. Aus der ‚von oben nach unten‘-Perspektive der Grammatischen Textanalyse ist es nichts Außergewöhnliches, wenn offene Satzgliedwerte auf der Mesoebene alleine nicht geschlossen werden können (Kap. I/2.4.2), bzw. generell, wenn ein Ausdruck – wie ‚X glaubt + Objekthauptsatz‘ – wortparadigmatische Erwartungen idiomatisch überschreibt.19 Bei einem Typ wie dem Glattauer-Satz muss man also davon ausgehen, dass für den Textproduzenten keine Notwendigkeit zu einer wortparadigmatischen Vereindeutigung – entweder etw. glauben oder an etw. glauben – bestanden hat. Der para-

19 Im Rahmen seiner Theorie der Commonsense-Kompetenz definiert Helmuth Feilke „Ausdrücke“ als komplexe, aber nicht ad hoc gebildete Sprachzeichen mit „kompositionell nicht prädiktabler, präferentieller Bedeutung“ (Feilke 1998: 74). Da die „Kombinations- und Selektionspräferenzen“ (ebd.), die sie formal, und die nicht prädiktable Bedeutung, die sie semantisch charakterisieren, bedeuten, dass Ausdrücke vom System her zwar bildbar, aber nicht vorhersagbar sind, spricht Feilke davon, dass sie „idiomatisch geprägt“ sind (1994: 217  ff.). Eine wichtige Eigenschaft von Ausdrücken ist es, dass sie im und durch den ganzheitlichen, gestalthaften Gebrauch zu einem (idiomatisch geprägten) „Ausdrucksmodell“, d.  h. zu einer „analogisch abstrahierte(n) Gebrauchsform“ werden können (1994: 233 und 335). Zu einer Typologie der Ausdrucksmodelle s. Feilke 1996: 239  ff. Zur Anwendung von Feilkes Commonsense-Theorie auf labile Verben s. Ágel 2003 und 2007, zur Etablierung eines Konzepts der Ausdrucksarten s. Hennig/Buchwald-Wargenau 2010 (Kap. I/2.4.5).



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 469

digmatisch nicht geschlossene Satzgliedwert ‚Objekt‘ lässt dabei zwei theoretische Interpretationsoptionen zu: 1. Der Textproduzent hat sich für einen offenen Satzgliedwert entschieden, um auf diese Weise gleichzeitig auf die Bedeutung von zwei Grundvalenzträgern zurückzugreifen.20 2. Der Ausdruck ‚X glaubt + Objekthauptsatz‘ hat im Gegenwartsdeutschen ohnehin eine „präferentielle Bedeutung“ (Feilke 1998: 74), sodass der Textproduzent auf diese konventionalisierte Verstehenspräferenz bauen konnte.21 Was aber ist der paradigmatisch nicht geschlossene Satzgliedwert bei einem Typ wie dem Kehlmann-Satz, bei dem die wortparadigmatischen Erwartungen ‚Subjekt‘ vs. ‚Präpositionalüber+AKK-objekt‘ sind? Dieses scheinbar unüberwindbare Problem rührt von der traditionellen Sonder­ stellung des Begriffs und des Terminus ‚Subjekt‘ her. Valenztheoretisch hat das Subjekt keine Sonderstellung, denn valenztheoretisch geht man davon aus,

Subjekt­ problem

dass der Valenz des Verbs entscheidende Bedeutung für die Grundstruktur des Satzes zugebilligt wird. […] Dass das Subjekt sich anders verhält als die Objekte, trifft zu. Dies wäre jedoch allenfalls dann für die Satzstruktur von ausschlaggebender Bedeutung, wenn die Objekte ein einheitliches Verhalten hätten. Das ist nicht der Fall. Jede der Ergänzungen hat ihre Eigenheit, das direkte Objekt ebenso wie das indirekte und das präpositionale. Auch hier liegen Asymmetrien vor. (Eisenberg 2006/2: 287  f.)

Es bleibt die terminologische Sonderstellung. Wenn allerdings die begriffliche nicht gilt, gilt die terminologische erst recht nur per conventionem: „Man könnte das Subjekt auch als Nominativobjekt bezeichnen.“ (Engelen 1975/1: 94) Unter der Voraussetzung, dass ‚Subjekt‘ in ‚Nominativobjekt‘ umgetauft würde, ließe sich demnach der paradigmatisch nicht geschlossene Satzgliedwert des Kehlmann-Satzes schlicht ‚Objektnebensatz‘ nennen. Wir brauchen jedoch diese terminologische Kosmetik nicht und wollen auch den Begriff ‚Subjekt‘ beibehalten, weil die valenztheoretische Perspektive nur eine von vielen möglichen und relevanten ist.22 Deshalb soll hier der paradigmatisch nicht geschlossene Satzgliedwert einfach ‚Nichtadverbialnebensatz‘ genannt werden:

20 Dies ist nur eine erste Annäherung an das Problem der paradigmatischen Offenheit, das im Zusammenhang mit Korrelatverbindungen Kap. III/3.1.7 noch einmal aufgegriffen werden soll. 21 Bei labilen Verben konnten derartige Verstehenspräferenzen empirisch nachgewiesen werden (Ágel 2003 und 2007). 22 Dass das Subjekt valenztheoretisch keine Sonderstellung hat, bedeutet nicht, dass es aus anderen theoretischen Perspektiven auch keine Sonderstellung haben kann, ganz im Gegenteil. Beispielsweise hat das Subjekt sprachtypologisch betrachtet eine kognitiv motivierbare Sonderstellung: „‚Subjekt‘ ist die prominenteste grammatische Funktion, die die kognitive (Wahrnehmungs-)Figur auf die semantische Struktur des Satzes d-ikonisch abbildet. Die D-Ikonizität der Abbildung des Subjekts

Subjekt = Nominativ­ objekt

470 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

(29) Einerseits ist es ihr unheimlich, andererseits ist sie froh, mit ihrer klugen Nichte sprechen kann nebensatz). (Kehlmann Ruhm: 62)

(Nichtadverbial-

daß sie

Die genuinen Formen von Satzgliedern sind im Falle von Subjekt und Objekten nominal (= Substantivoder Präpositionalgruppen), im Falle von Adverbialbestimmungen adverbial (= Adverbgruppe) oder nominal (= Adjektiv-, Substantiv- oder Präpositionalgruppen). Eine besondere genuine Realisierungsform ist die Gegenstandsparaphrase. Recycelte Formen von Satzgliedern stellen Grundtechniken der Subordination dar, die sich nach ­zunehmendem Integrationsgrad anordnen lassen: ‚Text‘; (abhängiger) ‚Hauptsatz‘; uneingeleiteter Nebensatz; eingeleiteter Nebensatz; Infinitivkonstruktion (mit zu). Die Grundtechniken sind relativ offen für unterschiedliche Satzfunktionen. Ohne Korrelat bleibt die Offenheit syntagmatisch bestehen. Dabei kann sie vom Textproduzenten intendiert sein, oder er baut auf die konventionalisierte Verstehenspräferenz.

3.1.3 Statische Komplemente im Überblick Ausgehend von dem Überblick im Kap. III/1.4.2 und den Überlegungen im vorigen Kapitel lassen sich die Komplemente wie folgt klassifizieren und subklassifizieren (Leittext-Belege aus dem Textanalyse-Kapitel übernommen):23 Tab. 43: Statische Komplementklassen und -subklassen im Überblick statische Komplemente im Überblick

zentrale Komplemente Klasse

Subklasse

Beispiele

nominales Subjekt

[5] (nominales Hannes Subjekt) sagt: (Akkusativobjekt- »Bald wird etwas geschehen« text). [6] (gespalte- Seltsames nes) geschieht, (nominales ja geradezu Unerhörtes Subjekt). [7] Schauplatz ist (nominales das Gefängnis Isenbüttel, dessen Insassen zumeist Kleinkriminelle sind, die hier ihre paar Jahre absitzen Subjekt).

Subjekt

manifestiert sich in der Relation des Subjekts zum Prädikat, das den kognitiven (Wahrnehmungs-) Grund auf die semantische Struktur des Satzes abbildet.“ (Ágel 1997: 179) Zur Problematik der Gleichbzw. Sonderstellung des Subjekts vgl. Ágel 2000: 83  ff. 23 Die Supplemente werden gesondert in Tab. 49 im Kap. III/3.1.6 klassifiziert.



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 471

Subjektparaphrase

Wer immer ihn traf paraphrase), wußte sich vor Begeisterung (Subjektkaum zu fassen.24 […] (Subjekt- wer metaphysische Angst nicht kenne paraphrase), werde nie ein deutscher Mann.25

Subjektnebensatz

Mich wunderte, (Subjekt- daß wir so gänzlich verschiedene Erinnerungen in uns trugen nebensatz).26 Es korrelat) verstand sich von selbst, (Subjekt- daß ihm jedes (SubjektsSchreiben vorgelegt werden mußte nebensatz).27

Subjektsinfinitiv

Erst hier sei (Subjekts- es korrelat) ihm eingefallen, (Subjekts- sich zum Imperator zu erklären infinitiv).28

Subjekthauptsatz

Mir scheint, (Subjekt- Ihre spontanen Gedanken fließen ungebremst in die Texte ein hauptsatz).29

nominales ­Akkusativobjekt

[8] (nominales Hannes Subjekt) zum Beispiel hatte (nominales sich Dativobjekt) eine Polizeikelle Akkusativobjekt) besorgt […]. (nominales [18] [(nominales Hannes Subjekt)] führt (nominales ihn Akkusativobjekt) (Richtungszum Landesbühnen-Bus, in dem es sich bereits ein gutes Dutzend der sogenannten Insassen halbwegs bequem gemacht hat direktivum). [43] (nominales Die Freiheiten, die sich aus solchem Erzählen ergeben Akkusativobjekt), hat (nominales Siegfried Lenz Subjekt) (Modal- weidlich und mit offenkundigem Vergnügen adverbial) genutzt. [25] (nominales- was Akkusativobjekt) singen (nominales sie Subjekt)?

Akkusativ­ objekt

Akkusativobjekt­ paraphrase Akkusativobjekt­ nebensatz

(Akkusativobjekt-

Wen du ausgesucht hast paraphrase), möchte ich gerne

(Akkusativobjekt-

Was dir gefällt paraphrase), wollte ich auch mal sehen.30

sehen.

[17] (Akkusativobjekt- Wie das Stück ausgeht nebensatz), erfährt (nominales man Subjekt) allerdings nicht. [29] teilen [(nominales wir Subjekt)] nur (Akkusativobjekts- so viel korrelat) mit, (Akkusativobjekt- dass der Professor Volkshochschulvorträge hält – natürlich zum Thema Sturm und Drang – und Hannes in kürzester Zeit ein vollständiges Heimatmuseum einrichtet und auch eröffnet nebensatz).

24 Kehlmann Vermessung: 20 25 Kehlmann Vermessung: 21 26 Hein Freund: 189 27 Kehlmann Vermessung: 23 28 Kehlmann Vermessung: 111 29 Glattauer Nordwind: 10 30 Beide Beispiele zit. n. Engel 2004: 140

472 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Wenn man den Kopf zur Seite dreht, um nicht immer diesen Milchglashimmel zu sehen, meint man jedesmal, (Akkusativobjektman sei am Meer, unsere Pyramide eine Insel oder ein Schiff, ringsum das Meer nebensatz) […].31 Akkusativobjektsinfinitiv

Ich nahm mir vor, (Akkusativobjekts- bald zu ihm zu fahren infinitiv).32

Akkusativobjekthauptsatz

Sabeth fand, (Akkusativobjekt- ich untertreibe immer beziehungsweise ich verstelle mich hauptsatz).33

Akkusativobjekttext

[5] (nominales Hannes Subjekt) sagt: (Akkusativobjekt- »Bald wird etwas geschehen« text).

nominales ­Dativobjekt

[8] (nominales Hannes Subjekt) zum Beispiel hatte (nominales sich Dativobjekt) eine Polizeikelle Akkusativobjekt) besorgt […] und [(nominales (nominales Hannes Subjekt) hatte] (nominales den Verschreckten Dativobjekt) (nominales ein Bußgeld Akkusativobjekt) abgeknöpft.

Dativobjekt­ paraphrase

Ich helfe, (Dativobjekt- wem ich helfen kann paraphrase).34

nominales ­Präpositionalobjekt

[10] (nominales Hannes, im Übrigen nicht besonders redselig , teilt (nominales die Zelle Akkusativobjekt) (nominales mit dem Erzähler Subjekt) dieser Geschichte, aus dessen Leben Hannes erstaunlich viel mitzuteilen weiß und den er »Professor« nennt Präpositionalobjekt). [15] [(nominales es Subjekt)] handelt (nominales von zwei älteren Damen, die in einem Hamburger Vorgarten ein echtes Labyrinth haben, in dem man zur Verbesserung der Welt tatsächlich Leute, die es nicht anders verdient haben, zum Verschwinden bringen kann Präpositionalobjekt).

Dativobjekt

Präpositionalobjekte

Präpositional­ objektparaphrase Präpositional­ objektnebensatz

31 Frisch Homo: 52 32 Hein Freund: 113 33 Frisch Homo: 134  f. 34 Beispiel zit. n. Engel 2004: 140 35 Lenz Landesbühne: 8 36 Kehlmann Vermessung: 214

[…] manche […] machten sich blickweis aufmerksam (Präpositionalauf das korrelat), (Präpositionalobjekt- was sie sahen paraphrase).35

objekts-

Dennoch machte er den Herrn Baron (Präpositionalobjekts- darauf  aufmerksam, (Präpositionalobjekt- daß er im Auftrag der spanischen Krone gereist sei nebensatz).36 korrelat)



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 473

Präpositional­ objektsinfinitiv

Er dachte (Präpositionalobjekts- daran korrelat), (Präpositionalobjekts- sie zu umfassen und zu Boden zu ziehen infinitiv), […].37

Präpositional­ objekttext

Und denken Sie (Präpositionalobjekts- daran korrelat): (Präpositionalobjekt- Nie wieder einen Stützschnitt, und erst recht nicht von einem Ossi text).38

Richtungs­ direktivum

[18] [(nominales Hannes Subjekt)] führt (nominales ihn Akkusativobjekt) (Richtungszum Landesbühnen-Bus, in dem es sich bereits ein gutes Dutzend der sogenannten Insassen halbwegs bequem gemacht hat direktivum).

Herkunfts­ direktivum

[30] (nominales Gäste Subjekt) kommen (Herkunfts- aus nah und fern – Husum etwa und Eckernförde – direktivum), […].

Wegdirektivum

Sie zogen drei Wochen lang (Weg- durch die Wüste direktivum).39

Direktivum

Direktivparaphrase Sie gingen ohne Zögern, (Direktiv- wohin man sie geschickt hatte .40 paraphrase) periphere Komplemente Genitivobjekt

Verbativobjekt

nominales Genitivobjekt

[…] in Treue gedenke er (nominales der westlich Irland abgestürzten Monika Genitivobjekt) […].41

Genitivobjekt­ nebensatz

Und sei versichert, Genitivobjekt- daß ich auf eigene Hand nichts unternehmen werde, was deinem Gefühl entgegen ist .42 nebensatz)

Genitivobjekts­ infinitiv

Falls man ihn vor Gericht stellte, gedachte er, (Genitivobjekts- ein paar Dinge zur Sprache zu bringen infiniv).43 Erst allmählich kam er dahinter, (Verbativ- dass sie diese Pausen brauchten objekt).44 Man bedeutete ihr, (Verbativ- sich still zu verhalten objekt).45

37 Kehlmann Vermessung: 91 38 Timm Johannisnacht: 172  f. 39 Beispiel zit. n. IDS-Grammatik 1997/2: 1102 40 Beispiel zit. n. Engel 1988: 251 41 Böll Dienstfahrt: 80 42 Beispiel zit. n. IDS-Grammatik 1997/2: 1092 43 Kehlmann Vermessung: 99 44 Kehlmann Vermessung: 54 45 Beispiel zit. n. Engel 1988: 211

474 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Adverbial­ komplemente (Auswahl) Lokal(adverbial)komplement

[19] (Lokaladverbial- draußen komplement) sind (nominales sie Subjekt). Diesen Montag komplement) beginnt der Winterschlußverkauf.46

Temporal(adverbial)komplement

(Temporaladverbial-

Modal(adverbial)komplement

[28] »(Modaladverbial- So komplement) ist (nominales es Subjekt), […]«

Kausal(adverbial)komplement

Daraufhin wurde er (Kausaladverbial- wegen Spionage, Diebstahl und Verschwörung komplement) angeklagt.47

Final(adverbial)komplement

[…] Worte reichten nicht aus, (Finaladverbial- um zu beschreiben, wie es wirklich war. Wie es sich anfühlte, […] komplement).48

Dilativ(adverbial)komplement

Der DAX ist (Dilativadverbial- um fünf Punkte komplement) gefallen.49

3.1.4 Zentrale Komplemente: Subjekt, Akkusativobjekt, Dativobjekt, Präpositionalobjekte, Direktivum kleine Leittext-Statistik

Die 56 orthographischen Sätze des Leittextes enthalten insgesamt 83 Prädikate, folglich 83 grammatische Sätze. In diesen 83 Sätzen kommen die zentralen Komplemente in folgender statistischen Verteilung vor:50 Tab. 44: Zentrale Komplemente im Leittext (grammatische) Sätze

Subjekt

Akkusativobjekt

83 (100%)

83 (100%) 30 (36,1%)

Dativobjekt

Präpositional­ objekte

Direktivum

3 (3,6%)

11 (13,3%)

3 (3,6%)

Obwohl natürlich kein Text den Status eines ‚für das Gegenwartsdeutsche repräsentativen Textes‘ beanspruchen kann, ist diese Statistik doch bemerkenswert: 46 Beispiel zit. n. IDS-Grammatik 1997/2: 1101 47 DIE ZEIT, 19. 12. 2006, zit. n. Diegel 2007 (Anhang). Das Kausaladverbial ist ein Verhältnisadverbial und deshalb grau hinterlegt. 48 Kehlmann Ruhm: 30 49 Beispiel zit. n. IDS-Grammatik 1997/2: 1105 50 Hinzu kommen zehn periphere Komplemente, die alle Adverbialkomplemente sind.



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 475

(1) Jeder Satz enthält ein Subjekt. Dies entspricht der Erwartung, dass Subjektlosigkeit ein absolutes Randphänomen ist. (2) Das zweithäufigste Komplement ist das Akkusativobjekt. Auch dieser Befund entspricht unserer Erwartung, dass bei der Prädikatsbildung neben intransitiven Verben (mono- und di-)transitive Verben die wichtigste Rolle spielen.51 (3) Dass das Dativobjekt deutlich hinter dem Akkusativobjekt rangiert, ist auch nicht überraschend, denn sowohl monotransitive Verben (wie z.  B. sehen, unterstützen) als auch ditransitive Verben (wie z.  B. schenken, mitteilen) verlangen ein Akkusativobjekt, aber nur letztere ein Dativobjekt. Umgekehrt stellen Verben mit Dativ-, jedoch ohne Akkusativobjekt (wie z.  B. helfen, danken) historisch wie sprachenübergreifend einen relativ seltenen und markierten Fall dar.52 (4) Überraschend mag vielleicht sein, dass Präpositionalobjekte wesentlich stärker den Text prägen als das Dativobjekt. Aber auch dieser Befund war erwartbar, und zwar aus mindestens zwei Gründen: Einerseits stehen im Gegenwartsdeutschen dem Dativobjekt 16 verschiedene Präpositionalobjekte gegenüber (Kap. III/1.4.1). Andererseits geht historisch nicht nur das Genitiv-, sondern auch das Dativobjekt zurück (s. unten). Im Gegensatz zum Genitivobjekt ist zwar das Dativobjekt keinesfalls ‚vom Aussterben bedroht‘, wurde jedoch von den Präpositionalobjekten deutlich überholt. Reduziert man die obige Statistik nur auf die statischen Sätze, ändert sich das Bild nur geringfügig:53 Tab. 45: Zentrale statische Komplemente im Leittext statische Sätze

Subjekt

Akkusativobjekt

77 (100%)

77 (100%) 30 (39,0%)

Dativobjekt

Präpositional­ objekte

Direktivum

3 (3,9%)

9 (11,7%)

3 (3,9%)

Beim Vergleich der beiden Statistiken fällt auf, dass der einzig relevante Unterschied die absolute (aber nicht die relative) Menge der Subjektvorkommen ist. Dieser Unterschied wird verständlich, wenn die medialen und passivischen Originalbelege mit ihren aktivischen Alternativen verglichen werden:

51 Nach Engelen (1975/2: 35) bilden die monotransitiven Verben, d.  h. „die Verben des Satzbauplans ‚Subjekt Verb Akkusativobjekt‘, den bei weitem größten Teil der vorkommenden Fälle, und zwar sowohl bei den types wie bei den tokens.“ 52 Vgl. hierzu vor allem Willems/Van Pottelberge 1998 und Blume 2000. Zur Objektkodierungshierarchie von zwei- und dreiwertigen Verben im Gegenwartsdeutschen s. Askedal 2001: 69  f. 53 Dynamische Sätze sind nur sechsmal belegt, davon fünfmal mit einem Passivprädikat.

476 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

[14a] (nominales Man Subjekt) soll (nominales ein Stück Akkusativobjekt) aufführen, im Speisesaal. [13a] Jetzt aber öffnet (nominales man Subjekt) (nominales das Tor zum Gefängnishof Akkusativobjekt). (1) Das prototypische Passiv (= Patiens-/Akkusativpassiv), ist ‚persönlich‘, d.  h. subjekthaltig. Folglich spielt aus der Sicht der Anzahl der Subjektvorkommen in einem Text in der Regel keine besondere Rolle, ob die Sätze aktivisch oder passivisch sind. (2) Da dem Passiv- bzw. Medialsubjekt im prototypischen Fall ein Akkusativobjekt im Aktivsatz entspricht, gibt es in der Regel in einem Text genauso viele statische Akkusativobjekte wie Akkusativobjekte insgesamt. (3) Die Anzahl der Akkusativobjekte würde sich auch nicht ändern, wenn in einem Text ein Prädikat im Rezipienten-/Dativpassiv vorkommen würde. Vergleichen wir hierzu [8] mit der möglichen dativpassivischen Alternative [8‘] (dynamische Mesoglieder türkis): [8] [(nominales Hannes Subjekt) hatte] (nominales den Verschreckten Dativobjekt) (nominales ein Bußgeld Akkusativobjekt) abgeknöpft. [8‘] (nominales Die Verschreckten Subjekt) hatten (nominales ein Bußgeld Akkusativobjekt) abgeknöpft bekommen.

Eine dativpassivische Umszenierung würde, wie man sieht, das Akkusativobjekt nicht betreffen.

(4) Sie betrifft zwar das Dativobjekt, aber auch dies bleibt in der Regel statistisch irrelevant, da das Dativpassiv eine relativ seltene Erscheinung ist (Leirbukt 1997: 39  ff.). Im Leittext ist es auch nicht belegt.54 Subjekt

Identifizierbarkeit vs. ­ efinierbarkeit D

In Anlehnung an Forsgren (1992: 3) wurde im Kap. I/2.4.3 (Anm. 31) in Bezug auf (grammatische) Sätze vom sog. heuristischen Paradoxon, d.  h. vom Gegensatz von Identifizierbarkeit und Definierbarkeit, gesprochen. Dieses heuristische Paradoxon gilt auch für das Subjekt: Es besteht ein Gegensatz zwischen der in der Regel unproblematischen Identifizierbarkeit von Subjektvorkommen in Texten und der Definierbarkeit der Subjektfunktion. Auf die Funktion-Argument-Wert-Formel gebracht heißt das, dass der jeweilige Wert in der Regel problemlos zu berechnen ist, obwohl die Funktion theoretisch sehr unterschiedlich definiert wird und stark umstritten ist:55

54 Auf Passive und Passivsubjekte kommen wir im Kapitel über dynamische Satzglieder zu sprechen (Kap. III/3.2.4). Hier wird auch begründet, warum dativpassivische Umszenierungen das Akkusativobjekt und akkusativpassivische Umszenierungen das Dativobjekt nicht zu dynamischen Satzgliedern machen. 55 Zu prototypischen übereinzelsprachlichen Merkmalen von Subjekten und zu Definitionsversuchen s. etwa Keenan 1976: 312  ff., Sasse 1978, Oppenrieder 1991: 11  ff., Bossong 1992, Ágel 1997: 175  ff.



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 477

Subjekt (Realisierungsform X) = Subjekt X Wir können nicht nur wegen der unproblematischen Identifizierbarkeit von Subjektvorkommen in Texten auf eine Auseinandersetzung mit dem (statischen) Subjektbegriff verzichten, sondern auch deshalb, weil in der vorliegenden Arbeit das Prädikativum als Teil des Prädikats aufgefasst wird (Kap. III/2.1.4). Aus diesem Grunde erhalten alle Komplemente mit der Realisierungsform ‚Substantivgruppe im Nominativ‘ automatisch den Satzgliedwert ‚Subjekt‘ zugewiesen.56 Die genuinen und recycelten Realisierungsformen des Subjekts wurden bereits angesprochen (Kap. III/3.1.2).57 Ein Teil der Subjektprobleme betrifft dynamische Subjekte, die getrennt behandelt werden (Kap. III/3.2.4). Folgende Themen, die statische Subjekte betreffen, sollen im vorliegenden Kapitel zur Sprache kommen: 1. Subjektlosigkeit, 2. Subjektsimulation (formales Subjekt) und 3. Abgrenzung vom Subjektsprädikativ.

Auch weiter Prädikatsbegriff entschärft Identifizierbarkeit

Aus (valenz)theoretischen und sprachtypologischen Gründen ist es notwendig, Subjektlosigkeit von Subjektsimulation mit dem formalen Subjekt es (wie es regnet, es gibt etw., es handelt sich um etw. usw.) zu unterscheiden. Subjektlos sind ekeln und übel werden in den folgenden Belegen:

Subjekt­ losigkeit

(31)

(32)

SubjektThemen

[…] die Leute haben sich die Röllchen genommen, denen hat das geschmeckt, und gesund soll es auch sein und macht nicht dick, aber, dem Brenner hat vor dem rohen Fisch geekelt. (Haas Silentium: 109) Von dem Gestank wurde ihm übel. (Timm Morenga: 106)

Das Verb ekeln gehört zusammen mit anderen Verben wie z.  B. frieren, schaudern, grauen, grausen, das adjektivische Subjektsprädikativgefüge übel werden zusammen mit anderen adjektivischen Subjektsprädikativgefügen wie z.  B. kalt/schlecht/angst sein (mir ist kalt/schlecht/angst) zu den Empfindungsprädikaten.58 Denotativ-seman-

bzw. 2000: 83  ff., Eroms 2000: 183  ff., Järventausta 2003, Eisenberg 2006/2: 279  ff. und VogelsangDoncer 2006. In letzterer Arbeit wird allerdings die gesamte Subjektdiskussion in Valenztheorie und Dependenzgrammatik ausgeklammert. 56 Nominativsubjekte stellen typologisch gesehen zwar die Regel dar, aber es gibt durchaus auch ‚Ausnahmen‘. Aus guten Gründen nimmt man etwa in den westnordgermanischen Sprachen Isländisch und Färöisch auch sog. oblique (= nichtnominativische) Subjekte an: Akkusativ- und Dativsubjekte in beiden Sprachen und im Isländischen zusätzlich auch Genitivsubjekte (Askedal 2001). 57 Auf die Korrelatverbindungen generell wie in Subjektfunktion wird, wie erwähnt, getrennt einzugehen sein (Kap. III/3.1.7). 58 Es handelt sich also nicht nur um Empfindungsverben, sondern einerseits auch um adjektivische Subjektsprädikativgefüge, die syntaktisch und semantisch analog strukturiert sind und  – im

Empfindungsprädikate

478 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

tisch, d.  h. ausgehend von den außersprachlichen Situationen, auf die Empfindungsprädikate Bezug nehmen, haben sie eine spezifische zweistellige Struktur, die von der von Handlungen abweicht:59 Das eine Relatum einer Empfindungsrelation, das denotativ-semantisch Experiencer/Sentience genannt wird, ist der Empfindende (dem Brenner, ihm), der bestimmte Eindrücke zwar verarbeitet, ihnen jedoch „passiv ausgeliefert ist.“ (Bossong 1992: 109) Das andere Relatum, das denotativ-semantisch Stimulus genannt wird, ist die Empfindungsquelle, die die Empfindung beim Empfindenden auslöst (vor dem rohen Fisch, von dem Gestank). Bei einwertigen Empfindungsverben, d.  h. bei Empfindungsverben mit nur einer Valenzstelle, wird nur der Empfindende als Komplement realisiert, die Empfindungsquelle bleibt unerwähnt: (33) (a) (b) Umpolung vs. Generalisierung

Mich Akkusativobjekt) friert. Ich Subjekt) friere. (nominales (nominales

Der Unterschied zwischen der grammatischen Kodierung des Empfindenden, wie er hier am Verb frieren veranschaulicht wird (Akkusativobjekt in (33a), Subjekt in (33b)), stellt sprachenübergreifend die beiden Grundtechniken der grammatischen Kodierung von Empfindungsprädikaten dar: Man kann entweder ihrer spezifischen Semantik dadurch Rechnung tragen, daß man sie nicht mehr als Subjekte, sondern als Objekte kodiert; oder man kann von ihrer spezifischen Semantik abstrahieren und sie dem herrschenden Prototyp der Handlungsverben angleichen […]. (Bossong 1992: 109)

Die erste Kodierungstechnik, bei der die Semantik ‚obsiegt‘ (Typ: mich friert), nennt Bossong (1992: 110) Umpolung, die zweite, bei der sich Empfindungsprädikate der grammatischen Mainstream-Struktur von (intransitiven) Tätigkeitsverben und – bei Zweiwertigkeit – (transitiven) Handlungsverben anpassen und dadurch die Empfindungsrelation signifikativ-semantisch eben als Tätigkeit oder als Handlung kodieren, Generalisierung.60

Gegensatz zu den Empfindungsverben  – im Gegenwartsdeutschen auch noch produktiv sind (Seefranz-Montag 1983: 163  f.), andererseits aber auch um Kollokativgefüge wie z.  B. Angst/Hunger haben. Bossong (1998) und Haspelmath (2001: 59  ff.) beziehen sowohl Verben als auch Kollokativ- und Prädikativgefüge in ihre sprachtypologischen Überlegungen zu den „experiential predicates“ mit ein. Zu den „experiential predicates“ werden dabei drei Gruppen gerechnet: „cognition predicates“ (z.  B. kennen, vergessen, einfallen), „sensation predicates“ (z.  B. frieren, Hunger haben) und „emotion predicates“ (z.  B. lieben, gefallen, glücklich sein). 59 Wie erwähnt (z.  B. Kap. I/1) lassen sich mindestens zwei semantische Herangehensweisen – denotativ- und signifikativ-semantisch – unterscheiden. In der vorliegenden Arbeit wird signifikativsemantisch gearbeitet, aber für sprachtypologische Betrachtungen ist es sinnvoll, denotativ-semantische Rollen als Tertium comparationis heranzuziehen. 60 In neueren Publikationen spricht Bossong (z.  B. 1998) von inverser vs. generalisierter Kodierung („inversion“ vs. „généralisation“). Ich bleibe beim ursprünglichen Terminus ‚Umpolung‘, da ‚Inver-



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 479

Der Unterschied lässt sich am Beispiel des einwertigen Verbs frieren  – wie gewohnt: signifikativ-semantisch – wie folgt veranschaulichen: Umpolung: Akkusativobjekt – Prädikat – Zustandsgegenstand – Zustand – Mich friert Generalisierung: Subjekt Akteur Ich

Perspektivierungsopposition: einwertiger Valenzträger

– Prädikat – – Tätigkeit – friere

Die generalisierende grammatische Struktur führt zu einer vergleichsweise aktiveren sprachlichen Perspektivierung des Empfindenden als die umpolende grammatische Struktur. Die Subjektskodierung ist nämlich im prototypischen Fall Akteuren (Tätigkeitsträgern) und Agentien (Handlungsträgern) vorbehalten, während das Akkusativobjekt prototypischerweise das Patiens von Handlungsverben (Handlungsgegenstand) kodiert. Bei Zweiwertigkeit, d.  h. bei Empfindungsprädikaten mit zwei Valenzstellen, lassen sich beide Relata der Empfindungsrelation grammatisch kodieren. Als Beispiel betrachten wir das Verb ekeln. Hier hätte Haas neben der gewählten umpolenden Struktur zwei weitere – generalisierende – Optionen gehabt: Umpolung: (31a) (nominales Dem Brenner Dativobjekt) hat geekelt.

(nominales

vor dem rohen Fisch Präpositionalobjekt)

Generalisierung: (31) (b) Der Brenner Subjekt) hat sich (nominales vor dem rohen Fisch Präpositionalobjekt) (nominales geekelt. (c) Der rohe Fisch Subjekt) hat (nominales den Brenner Akkusativobjekt) geekelt. (nominales Was den Empfindenden (Brenner) anbelangt: Bei Generalisierung wird er je nach Prädikat (Medialverb sich ekeln vs. Simplexverb ekeln) vollkommen anders perspektiviert. Zwar gibt es bei Generalisierung per definitionem ein Subjekt, aber der Empfindende wird nur im Fall (31b) als Subjekt kodiert, im Fall (31c) dagegen als Akkusativobjekt. Zusammen mit der umpolenden Struktur, in der er dativisch kodiert wird ((31a)), gibt es also drei semantische Perspektivierungsmöglichkeiten des Empfindenden qua grammatischer Struktur. Während man denotativ-semantisch für die

sion‘ den Eindruck erwecken könnte, dass die semantiknahe Kodierung gegenüber der Generalisierung sekundär oder irgendwie abweichend wäre.

Perspektivierungsopposition: zweiwertiger Valenzträger

480 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

drei Kodierungen dieselbe semantische Rolle (Experiencer/Sentience) vorsieht, müssen signifikativ-semantisch die Perspektivierungsunterschiede als drei verschiedene semantische Rollen erfasst werden. Was die Empfindungsquelle (roher Fisch) anbelangt: Sie wird etwas einheitlicher kodiert: zweimal als Präpositionalvor+DAT-objekt und einmal als Subjekt. Denotativsemantisch würde man auch hier dieselbe semantische Rolle (Stimulus) postulieren, während signifikativ-semantisch hier zwei Rollen zu vergeben sind. Ich nenne die signifikativ-semantische Rolle des Präpositionalvor+DAT-objekts Vorgangsauslöser, alle anderen Rollen wurden bereits eingeführt:61

typologischer Ausblick

Umpolung: Dativobjekt – Prädikat – Vorgangsbetroffener – Vorgang – Dem Brenner ekelt

Präpositionalobjekt Vorgangsauslöser vor dem rohen Fisch

Generalisierung: Subjekt Vorgangsträger Der Brenner Subjekt Agens Der rohe Fisch

Präpositionalobjekt Vorgangsauslöser vor dem rohen Fisch Akkusativobjekt Patiens den Brenner

– Prädikat – – Vorgang – ekelt sich – Prädikat – – Handlung – ekelt

Aufgrund des Prinzips der grammatischen Kodierung der Empfindungsprädikate lassen sich die menschlichen Sprachen zwischen den Extrempolen ‚maximal umpolend‘ und ‚maximal generalisierend‘ ansiedeln. Wenn es in einer Sprache nur umpolende Prädikate gibt, ist sie maximal umpolend, umgekehrt maximal generalisierend. Die meisten Sprachen liegen natürlich zwischen diesen beiden Polen, meistens jedoch mit einem relativ deutlichen ‚Hang‘ zu einem Pol. Zur Veranschaulichung sollen Georgisch, Deutsch und Englisch herangezogen werden:62

61 Erinnert sei daran, dass die Handlungsintensität bzw. Transitivität eine skalare Größe ist (Kap. III/2.2.3). Prototypisch und signifikativ-semantisch gibt es also ‚schlechte‘ (= periphere, untypische) Handlungen und natürlich auch Tätigkeiten. Agens ekelt Patiens ist eine sehr untypische Handlung, so wie Akteur friert eine sehr untypische Tätigkeit ist. Erinnert sei des Weiteren daran, dass sich die Funktion-Argument-Wert-Formel nicht nur auf grammatische, sondern auch auf signifikativ-semantische Prozesse anwenden lässt. Entsprechend sind nicht nur statische und dynamische Satzglieder, sondern auch statische und dynamische semantische Rollen zu unterscheiden (Kap. I/3.5). Während die Vorgangsauslöser-Rolle des (statischen) Präpositionalvor+DAT-objekts statisch ist, ist die (Exo-)Vorgangsauslöser-Rolle des (dynamischen) Präpositionalvon+DAT-objekts eines Passivsatzes dynamisch. 62 Die georgischen Beispiele übernehme ich von Bossong (1992: 111  f.). Die Kaukasischen Sprachen, zu denen auch Georgisch gehört, sind stark bis maximal umpolend. Maximal umpolend ist Lesgisch, eine Ostkaukasische Sprache (Haspelmath 2001: 62  f.).



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 481

sehr stark umpolend (Georgisch): (34) (a) m-dzinav-s ‚mir ist Schlaf‘ [d.  h. ‚ich schlafe‘] (b) me-smi-s ‚mir ist hörbar‘ [d.  h. ‚ich höre‘] (c) mi-q’var-s ‚mir ist sie lieb‘ [d.  h. ‚ich liebe sie‘] (d) m-dzul-s ‚mir ist er verhasst‘ [d.  h. ‚ich hasse ihn‘] (e) m-cxel-a ‚mir ist heiß‘ (f) m-t’k’iv-a tav-i ‚mich schmerzt der Kopf‘ eher generalisierend (Deutsch): (35) (a) Ich schlafe. (b) Ich höre. (c) Ich liebe sie. (d) Ich hasse ihn. (e) Mir ist heiß. (f) Mich/mir schmerzt der Kopf / Ich habe Kopfschmerzen. maximal generalisierend (Englisch): (36) (a) I sleep. (b) I hear/listen. (c) I love her. (d) I hate him. (e) I am hot. (f) I have a headache. Die Kodierungsunterschiede bei Empfindungsprädikaten, die sich sprachenübergreifend beobachten lassen, können u.  U. auch in der Geschichte derselben Sprache beobachtet werden. In der Regel bleibt nämlich die Kodierungstechnik historisch nicht stabil, sondern es gibt eine Tendenz entweder zur Umpolung, d.  h. zur Subjektlosigkeit, oder zur Generalisierung, d.  h. zum Abbau der Subjektlosigkeit. Deutsch war historisch ein Mischtyp mit viel mehr umpolenden Verben als heute. Beispielsweise waren mich/mir hungert oder mich/mir träumt noch im 18. Jh. völlig normal, archaisierend begegnet der umpolende Typus sogar in modernen literarischen Texten: (37) Ihm träumte, er sei in sein Faß eingeschlossen. (Timm Morenga: 158) Neben dem Abbau des adverbalen Genitivs (= des Genitivobjekts) ist der auffälligste Typ von Valenzwandel in der deutschen Sprachgeschichte die Generalisierung der Subjektskodierung, d.  h. der Abbau der umpolenden Struktur. Im Gegenwartsdeut-

Generalisierung der Subjekts­ kodierung

482 

partielle Generalisierung

schen kommt die Umpolung bei Verben nur noch marginal vor, bei Adjektiven ist sie dagegen, wie erwähnt (Anm. 58), noch produktiv.63 Eine im Zuge der Generalisierung der Subjektskodierung entstandene Mischform liegt vor, wenn die Empfindungsquelle als Subjekt kodiert wird, jedoch der Empfindende weiterhin im Dativ (oder Akkusativ) erscheint: (38)

Subjekt­ simulation (formales Subjekt)

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Ein bißchen unbehaglich war (Subjekts- es korrelat) (nominales dem Brenner Dativobjekt) schon, (Subjekt- daß er dem sympathischen Mann so kalt ins Gesicht gelogen hat . nebensatz) (Haas Silentium: 102)

Wir kommen nun zu unserem zweiten Subjekt-Thema, zu einer besonderen Form des nominalen Subjekts, dem formalen Subjekt es: [30]

Ein Fußballspiel nominales) gibt (nominales es Subjekt) ebenfalls, (Akkusativ- eine Mädchengarde und eine Feuerwehrkapelle objekt), […].

(gespaltenes

Dieses sog. expletive/fixe es, das in der Regel obligatorisch ist und prototypischerweise durch kein anderes Sprachzeichen ersetzt werden kann, kodiert im Gegensatz zum (anaphorischen) Pronomen es, wie es in [15] vorliegt, kein Szenariokomplement:64 [14] [15]

Makro- und Mikro­ subjekte

Ein Stück Subjekt) soll aufgeführt werden, (Lokal- im Speisesaal adverbial). Es Subjekt) heißt Das Labyrinth […]. (nominales (nominales

Wie erklärt man nun dieses expletive es, das scheinbar sinnlos wie ein einsamer Pappkamerad die Stellung gegen die Invasion echter Subjektarmeen hält? Im Kap. III/2.2.3 wurden die Begriffe ‚Makro-/Mikro-Satzglied‘ – am Beispiel der Makro-/Mikro-Direktiva  – eingeführt. Wissenschaftshistorisch ist allerdings die Unterscheidung zwischen Makro- und Mikrovalenzrealisierung vor allem am Subjekt und an Objekten herausgearbeitet worden.65 Im Folgenden geht es nur um die Subjektrealisierung. Vergleichen wir hierzu die (a)-Sätze aus fünf Sprachen:

63 Zu den historischen Umkodierungsprozessen im Detail vgl. Seefranz-Montag 1983, zu einem Überblick s. Ágel 2000a: 1872  f. Zur valenzwandeltheoretischen Interpretation der Umkodierung s. Ágel 2000: 271  ff. Eine Liste der wichtigsten subjektlosen (und subjektsimulierenden) Verben im Gegenwartsdeutschen findet sich in Eroms 2000: 189  f. 64 Dem „fixen es“ der IDS-Grammatik (1997/2: 1082) entspricht etwa bei Eisenberg (2006/2: 176) das „expletive es“. Die Einschränkung in der Regel bezieht sich auf den Typus mich friert (es), bei dem Subjektlosigkeit mit Subjektsimulation kombiniert wird (s. unten). Die Einschränkung prototypischer­ weise bezieht sich auf Verben, die Naturereignisse bezeichnen (z.  B. es regnet, es blüht), bei denen sich nach Hentschel (2003: 144) das expletive es „in der Umgangsprache“ durch das ersetzen lässt: Das regnet heute wirklich! (Beispiel ebd.) 65 Zu einschlägigen Literaturangaben Kap. III/2.2.3. Die Theorie der strukturellen Valenzrealisierung, in deren Rahmen die Problematik der Valenzrealisierungsebenen (Makro-, Mikro- und auch Mesoebene), behandelt wird, ist mit dem Pro-drop-Parameter der generativen Grammatik verwandt,



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 483

Deutsch: (39) (a) Er/sie/es Subjekt) arbeitet/schläft. (nominales (b) Es simulation) regnet/schneit. (SubjektEnglisch: (40) (a) He/she/it Subjekt) is working/sleeping. (nominales (b) It is raining/snowing. (Subjektsimulation) Latein: (41) (a) Laborat/dormit. (b) Pluit/ninguit. Italienisch: (42) (a) Lavora/dorme. (b) Piove/nevica. Ungarisch: (43) (a) Dolgozik/alszik. (b) Esik/Havazik. In allen fünf Fällen geht es um die Realisierung der minimalen Valenzrealisierungs­ struktur, d.  h. der intransitiven Grundstruktur ohne lexikalische Subjektrealisierung. Die Sätze bezeichnen, abgesehen davon, dass es im Ungarischen kein Genus gibt, dasselbe. Wir erkennen jedoch einen sehr deutlichen Unterschied zwischen Deutsch und Englisch auf der einen Seite und Latein, Italienisch und Ungarisch auf der anderen. Obwohl die Subjekte keine Lexemwörter enthalten, müssen sie im Deutschen und Englischen pronominal realisiert werden, während in Latein, Italienisch und Ungarisch die drittpersonige Verbform ausreicht. In diesen Sprachen stellt folglich die Verbform sowohl das Prädikat als auch das Subjekt des Satzes dar. Wenn die Subjektrealisierung in der Verbform inkludiert ist (Typ: Latein, Italienisch, Ungarisch), spricht man vom Mikrosubjekt, andernfalls (Typ: Deutsch, Englisch) vom Makrosubjekt.66

ist aber älter als dieser. Zur Geschichte der Theorie, die im Kern auf Lucien Tesnière zurückgeht, s. Ágel 1993a. 66 Man sollte nicht denken, dass Mikrorealisierung des Subjekts etwas Exotisches sei. Ganz im Gegenteil: Typologisch gesehen sind Sprachen mit pronominalem Makrosubjekt in deutlicher Unterzahl. In einem Sample von 674 Sprachen hatten 413 Sprachen Mikro- und lediglich 77 Sprachen Makrorealisierung des Subjekts, der Rest waren Mischtypen (Dryer 2005). Selbst in Europa sind die Sprachen mit Makrorealisierung des Subjekts in Unterzahl. Von den romanischen Sprachen beispielsweise ist nur

ein Wort, zwei Satz­ glieder

484 

typologische Transparenz

Vorfeld/ Topik-es

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Was hat aber Mikro-/Makrorealisierung des Subjekts mit unserem Thema, dem formalen Subjekt es zu tun? Betrachten wir hierzu die (b)-Sätze mit nullwertigen Witterungsverben aus den fünf Sprachen und vergleichen wir deren Grundstruktur mit der minimalen Valenzrealisierungsstruktur der (a)-Sätze. Was einem auffällt, ist, dass alle Sprachen sehr ökonomisch und transparent mit ihren Grundstrukturen umgehen. Obwohl die Witterungsverben keine Komplemente haben, muss sich ihre Valenzrealisierungsstruktur der minimalen Valenzrealisierungsstruktur der jeweiligen Sprache anpassen: Wenn die Minimalstruktur – wegen Makrorealisierung – zweigliedrig ist wie im Deutschen und Englischen, muss auch bei Nullwertigkeit die Zweigliedrigkeit simuliert, d.  h. ein dummy-Subjekt eingeführt werden. Wenn dagegen die Minimalstruktur  – wegen Mikrorealisierung  – sowieso eingliedrig ist wie im Lateinischen, Italienischen und Ungarischen, wird auch bei Nullwertigkeit die Eingliedrigkeit simuliert, d.  h. kein dummy-Subjekt eingeführt.67 Keine Subjektsimulation liegt in den folgenden Fällen vor: (44) (a) Es klappert die Mühle am rauschenden Bach. (Beispiel zit. n. IDS-Grammatik 1997/2: 1082) (b) Am rauschenden Bach klappert die Mühle / Die Mühle klappert am rauschenden Bach. (45) (a) Es wird am rauschenden Bach gezeltet. (b) Am rauschenden Bach wird gezeltet. Hier – im Aktiv- wie im Passivsatz – wird das es als Vorfeld-Platzhalter, als sog. Vorfeldes (= Topik-es) eingesetzt ((a)-Sätze). Sobald jedoch das Vorfeld von einem anderen Satzglied besetzt wird, kann kein Vorfeld-es mehr realisiert werden ((b)-Sätze).68

Französisch makrorealisierend. Mikrorealisierung gibt es in kategorial oder kontextuell markierten Fällen auch im Deutschen. Das beste Beispiel sind Imperativsätze mit dynamischem Mikrosubjekt (Kap. III/3.2.4). 67 Der Begriff der Valenzsimulation wurde in Ágel 2000: 229  f. eingeführt und wie folgt definiert (ebd.: 229, Anm. 27): „Valenzsimulationen sind […] als Nachahmungen von Valenzrealisierungsstrukturen ohne realisierte Valenz(potenz) zu definieren.“ Zu einer elaborierten Anwendung des Konzepts der Valenzsimulation auf nichtphorische es-Vorkommen vgl. Czicza 2014: 111  ff. Subjektsimulation gibt es natürlich nicht nur bei Witterungsverben. Man denke an unpersönliche Verben wie z.  B. es kommt auf etw. an, es geht um etw. oder eben an (unpersönliches) es klopft. Letzterer Typus ist besonders interessant, weil das es hier je nach Kontext auch phorisch sein kann, d.  h., es ist strukturell offen, aber je nach Verb idiomatisch geprägt (Ágel 2009: 155  ff.). Zu einer hilfreichen Klassifikation der formalen es-Vorkommen, in der allerdings Subjektlosigkeit und Subjektsimulation nicht auseinander gehalten werden, s. Hentschel 2003. 68 Auch das Vorfeld-es lässt sich unter dem Aspekt der Ökonomie und Transparenz begreifen: Wenn die Minimalstruktur in einer Sprache zweigliedrig ist und wenn diese Zweigliedrigkeit syntaktisch



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 485

Subjektlosigkeit, d.  h. Umpolung, und Subjektsimulation können auch gemeinsam auftreten: (46) (nominales Mich Akkusativobjekt) graust (Subjekt- es simulation) vor dieser Zukunft. (33a’) (nominales Mich Akkusativobjekt) friert (Subjekt- es simulation). (beide Beispiele zit. n. Eroms 2000: 189)

Subjekt­ losigkeit mit Subjekt­ simulation

Bei Generalisierung, wenn also der Empfindende als Subjekt kodiert wird, ist die Subjektsimulation ausgeschlossen: (33b’) *(nominales Ich Subjekt) friere (Subjekt- es simulation). Dass sich Umpolung und Subjektsimulation vertragen, Generalisierung und Subjektsimulation dagegen nicht, ist theoretisch bedeutsam: (1) Man sieht, dass die (umgepolten) Akkusativ- und Dativobjekte (s. mich friert/mir ekelt…) tatsächlich Objekte sind und nicht Akkusativ- und Dativsubjekte, wie es sie etwa im Isländischen gibt (Anm. 56). Denn Subjektsimulation macht nur Sinn, wenn kein Subjekt vorhanden ist. (2) Umgekehrt sieht man an (33b’) nicht nur, dass sich echtes nominales Subjekt und Subjektsimulation paradigmatisch ausschließen, sondern auch, dass ein Mittelfeld-es beim vorhandenen Vorfeld-Subjekt automatisch als Akkusativobjekt interpretiert wird (vgl. etwa ich sehe es). Da jedoch frieren kein transitives Verb ist, ist (33b’) auch aus diesem Grunde ungrammatisch. (3) Man sieht, dass Subjektsimulation und Vorfeld-es zwei unterschiedliche esTypen sind. Denn Subjektsimulation ist nicht auf das Vorfeld beschränkt. Obwohl Subjektlosigkeit und Subjektsimulation auch gemeinsam auftreten, dürfte es deutlich geworden sein, warum es theoretisch notwendig ist, beides strikt zu trennen: 1. Das Phänomen der Subjektlosigkeit ist das Ergebnis der typologischen Parametrisierung der Empfindungsprädikate als umpolend. Die betroffenen Prädikate sind ein- oder zweiwertig und können auf keinen Fall nullwertig sein. 2. Dagegen betrifft das Phänomen der Subjektsimulation Sprachen oder Varietäten, deren minimale Valenzrealisierungsstruktur zweigliedrig ist: Makrosubjekt + Prädikat. Simuliert wird in diesen Sprachen das Makrosubjekt bei nullwertigen bzw. generell bei unpersönlichen Prädikaten. Umpolende Alternativen liegen naturgemäß nicht vor.

sowieso schon simuliert wird, kann die syntaktische Simulation pragmatisch (informationsstrukturell) weiter simuliert, d.  h. die Zweigliedrigkeit, wenn sie syntaktisch gerade nicht gebraucht wird, pragmatisch ‚verarbeitet‘ werden.

Subjekt­ losigkeit vs. Subjekt­ simulation

486 

Subjekt­ simulation vs. pronominales Subjekt

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Während die Abgrenzung von Subjektlosigkeit und Subjektsimulation unproblematisch ist, ist die Abgrenzung des subjektsimulierenden von dem pronominalen es in Texten insofern etwas schwieriger, als sich das pronominale es nicht immer wie in [14]–[15] oder in [41] auf ein leicht abgrenzbares Szenariokomplement bezieht (Theaterstück Das Labyrinth ⇐ es): [41]

Zu dem Theaterstück Das Labyrinth Präpositionalobjekt) wird (Frequenz(nominales einmal adverbial) gesagt, (Subjekt- es sei »eine Geschichte, in der das Fantastische im Wirklichen aufging« nebensatz).

Es kann sich nämlich auch auf einzelne Szenarios, auf Textabschnitte, ja auf ganze Texte oder eben auf die raumzeitliche Situation, in der sich bestimmte Ereignisse abspielen, beziehen (vgl. Czicza 2014: 47  ff.). In diesen Fällen geht es um echte Subjekte, nicht um Subjektsimulation. Zwei Beispiele aus dem Leittext: [28] »(Modaladverbial- So komplement) ist (nominales es Subjekt), manchmal komplement) geschieht (nominales etwas im Leben, mit dem (Frequenzadverbialman sich abfinden muss« Subjekt). [42] Nun, hier adverbial) ist (nominales es Subjekt) wohl eher umgekehrt. (Lokal-

Ist das ­formale Subjekt ein Subjekt?

es-Obligatheit und es-Formspezifik

Das es in [28] bezieht sich auf das nachfolgende Geschehen-Szenario, das es in [42] auf das vorausgehende Aufgehen-Szenario in [41]. Beide Vorkommen sind nach der Klassifikation von Dániel Czicza (2014: 54) „pro-propositional“. Das Thema ‚Subjektsimulation‘ abschließend muss man sich noch der unangenehmen theoretischen Frage stellen, in welchem Sinne ein simuliertes Subjekt überhaupt ein Subjekt sei. In welchem Sinne soll etwa ein nullwertiges Witterungsverb über ein – wenn auch nur formales – Subjekt verfügen? Liegt da nicht eine Art formaler Einwertigkeit vor? Im Kap. III/1.3.1 über die Valenzrelationen wurde BET (= Beteiligtheit/Szenariobeteiligung) als die übergreifende Valenzrelationen vorgestellt, die die anderen Valenzrelationen (FOSP (= formale Spezifizität / Rektion), INSP (= inhaltliche Spezifizität) und NOT (= Notwendigkeit)) integriert. Da das subjektsimulierende es kein Szenariobeteiligter ist und da es demnach auch keine semantische Rolle trägt, bekommt es die Werte ‚-BET‘ und ‚-INSP‘. Wie steht es aber um FOSP und NOT? Ist das expletive es nicht ein obligatorisches und spezifisches Formmerkmal des einzelnen Valenzträgers (= ‚+NOT‘ und ‚+FOSP‘)? Das subjektsimulierende es ist zwar obligatorisch und hat eine spezifische Form, aber diese Merkmale kommen nicht vom einzelnen Valenzträger. Das Konzept der Subjektsimulation hebt gerade auf den Umstand ab, dass hier nicht der einzelne Valenzträger, sondern die sprachspezifische minimale Valenzrealisierungsstruktur für die es-Realisierung verantwortlich zu machen ist: Eingliedrige Minimalsätze sind in einer makrorealisierenden Sprache einfach nicht vorgesehen. M. a. W., das expletive es bekommt weder die Werte ‚+FOSP‘ und ‚+NOT‘ noch die Werte ‚-FOSP‘ und



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 487

‚-NOT‘, weil es nicht valenziell, sondern strukturell formspezifisch und obligatorisch ist. Dabei entsteht eine Art Symbiose, eine Wirt-Gast-Beziehung: Der ValenzträgerWirt (z.  B. regnen) kooperiert mit dem strukturell erzwungenen expletiven es.69 Ist nun der Begriff ‚formales Subjekt‘ eine Contradictio in Adjecto? Nicht notwendigerweise. Der Begriff ‚formales Subjekt‘ ist kein Widerspruch, (1) wenn es theoretisch als Subjektsimulation interpretiert wird und (2) wenn folglich das expletive es nicht mit den Valenzwerten ‚+/-FOSP‘ und ‚+/NOT‘ versehen wird. Dass der Begriff ‚formales Subjekt‘ Sinn macht, wurde auch dadurch deutlich, dass sich echte Subjektrealisierungen und das subjektsimulierende es gegenseitig ausschließen. Deshalb  – und natürlich auch aus Gründen der Einfachheit  – wird die Subjektsimulation in den Textanalysen nicht als eine besondere Realisierungsform des Satzgliedwerts ausgewiesen, sondern unter ‚nominalem Subjekt‘ subsumiert. Als drittes und letztes Thema, das statische Subjekte betrifft, soll die Abgrenzung des Subjekts vom Subjektsprädikativ, das in der vorliegenden Arbeit als Bestandteil des Prädikats analysiert wurde (Kap. III/2.1.4), kurz angerissen werden. Hier kann die vom Duden (2007: 722) empfohlene bezeichnet werden/gelten als-Probe eingesetzt werden. Da die Probe mit den beiden Kopulaausdrücken zu identischen Ergebnissen führt, beschränke ich mich auf den Kopulaausdruck gelten als: Schauplatz ist (nominales das Gefängnis Isenbüttel, dessen Insassen zumeist Kleinkriminelle sind, die hier ihre paar Jahre absitzen Subjekt). [7a] (nominales Das Gefängnis Isenbüttel, dessen Insassen zumeist Kleinkriminelle sind, die hier ihre paar Jahre absitzen Subjekt), gilt als Schauplatz. [7b] *(nominales Schauplatz Subjekt) gilt als das Gefängnis Isenbüttel, dessen Insassen zumeist Kleinkriminelle sind, die hier ihre paar Jahre absitzen. [7]

Symbiose von es und Valenzträger

Abgrenzung vom Subjekts­ prädikativ

gelten alsProbe

Die Probe mit den Kopulaausdrücken erscheint deshalb besonders geeignet, weil Einstellungskopulae wie bezeichnet werden/gelten als den semantischen und die Kopulativpartikel als den syntaktischen Unterschied zwischen Szenierung und Szenariokomplementierung deutlicher zum Ausdruck bringen als Darstellungskopulae wie sein/bleiben/werden ohne die Kopulativpartikel als.70 [19]

Kurz darauf adverbial) öffnet (nominales ein ahnungsloser Torhüter Subjekt) (nominales (Temporaldie Pforte Akkusativobjekt), […].

69 Einzelne Valenzträger können also ihre Valenzpotenz nur im Rahmen des jeweiligen Strukturtyps abrufen, und dies gilt in besonderer Weise für nullwertige bzw. unpersönliche Valenzträger. Die Strukturtypen sind im Rahmen einer Theorie der strukturellen Valenzrealisierung zu modellieren (vgl. Ágel 2000: 215  ff.). 70 Zum System der Kopulae und der Prädikativgefüge Kap. III/2.1.4.

Akkusativ­ objekt

488 

[8] [33]

Frageprobe

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Hannes Subjekt) zum Beispiel hatte (nominales sich Dativobjekt) (nominales eine Polizeikelle Akkusativobjekt) besorgt […]. der Zellennachbar Subjekt) hängt (nominales sich Akkusativobjekt) auf, […]. (nominales (nominales

Das prototypische Akkusativobjekt komplementiert Handlungszenarios mit monotransitiven oder ditransitiven Valenzträgern (s. [19] bzw. [8]). Im Gegensatz zum Dativobjekt, das prototypischerweise die von der Handlung indirekt betroffene/affizierte semantische Rolle (= Rezipient) indiziert, zeigt das Akkusativobjekt auf die von der Handlung direkt betroffene/affizierte semantische Rolle (= Patiens). Aus sprachtypologischer Perspektive lässt sich (auch) aus diesem Grunde das prototypische Akkusativobjekt als Direktes Objekt und das prototypische Dativobjekt als Indirektes Objekt bezeichnen.71 Die sprachtypologischen Begriffe werden weiter unten noch eine Rolle spielen. Da der Kasus des Akkusativobjekts, wie alle Objektkasus und der Subjektkasus, vom Valenzträger regiert wird, ist das Akkusativobjekt mit Hilfe akkusativischer Frage­pronomina erfragbar: → → →

Was Akkusativobjekt) öffnet (nominales ein ahnungsloser Torhüter Subjekt)? Was Akkusativobjekt) hatte (nominales Hannes Subjekt) (nominales sich Dativobjekt) besorgt? (nominales Wen hängt (nominales der Zellennachbar Subjekt) auf? (nominales Akkusativobjekt) (nominales

Die Erfragbarkeit gilt auch für nichtnominale Akkusativobjekte, da diese den Satzgliedwert ‚Akkusativobjekt‘ paradigmatisch erhalten, z.  B. [5] → Ersatzprobe

Hannes Subjekt) sagt: (Akkusativobjekt- »Bald wird etwas geschehen« text). Was Akkusativobjekt) sagt (nominales Hannes Subjekt)? (nominales (nominales

Analog zur Frageprobe, die ja auch eine Form der Ersatzprobe ist, funktioniert die Ersatzprobe. Akkusativobjekte lassen sich durch akkusativische Personalpronomina ersetzen, die den Satzgliedwert rein kategorial, d.  h. ohne lexikalischen Inhalt, vertreten können („Kategoremwörter“, Anm. 2):72 → → → →

Ein ahnungsloser Torhüter Subjekt) öffnet (nominales sie Akkusativobjekt). Hannes hatte (nominales sie Akkusativobjekt) (nominales sich Dativobjekt) besorgt. (nominales Subjekt) Der Zellennachbar Subjekt) hängt (nominales ihn Akkusativobjekt) auf. (nominales Hannes sagt (nominales es Akkusativobjekt). (nominales Subjekt) (nominales

71 Zu unterschiedlichen Interpretationsoptionen dieser Begriffe s. Welke 2005: 103  ff. Zur theoretischen Problematik der Agens-Patiens-Interpretation von Nominativ-Akkusativ-Strukturen s. Rostila 2007: 231  ff. 72 Die Pronomina wen und ihn sind akkusativisch, aber es ist eine Vereinfachung zu sagen, dass was, es und sie im Akkusativ stehen würden. Sie stehen im Direktkasus, d.  h., sie sind offen für nominativische und akkusativische Kontexte (Kap. I/2.4.4). M. a. W., was, es und sie stellen auch Leitformen für das Subjekt dar, nicht jedoch wen und ihn.



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 489

Die Wortformen sie, ihn und es sind die sog. Leitformen (IDS-Grammatik 1997/2: 1070  ff.) des Akkusativobjekts. Im weiteren Sinne lassen sich auch die Fragepronomina was und wen zu den Leitformen rechnen. Die genuinen und recycelten Realisierungsformen des Akkusativobjekts wurden bereits angesprochen (Kap. III/3.1.2). Dynamische, d.  h. durch kategoriale oder konstruktionelle Umszenierungen erzeugte Akkusativobjekte wie z.  B. sog. Innere Objekte (X starb einen grausamen Tod) werden getrennt behandelt (Kap. III/3.2.2). Folgende Themen, die mit Ausnahme von (2) alle peripheren (= nicht-prototypischen) statischen Akkusativobjekte betreffen, sollen im vorliegenden Kapitel zur Sprache kommen: (1) Handlungssimulation und Akkusativobjektsimulation (formales Akkusativobjekt), (2) Alternation mit Präpositionalobjekten, (3) Verben mit doppeltem Akkusativ (inkl. Abgrenzung vom Adverbial), (4) Abgrenzung vom Prädikatsbestandteil. Wie im Kap. III/2.2.3 erwähnt, ist im Falle von transitiven Verben (im Sinne der Transitivitätstheorie von Hopper/Thompson 1980) mit skalarer Handlungsintensität zu rechnen. Signifikativ-semantisch betrachtet hat jeder Valenzträger eine etwas andere semantische Struktur: Es gibt keine zwei Handlungen, die gleich ‚intensiv‘, keine zwei Agentien, die gleich ‚aktiv‘, und keine zwei Patientien, die gleich ‚betroffen‘ (affiziert) wären. Zur Erinnerung sollen die fünf Beispieltypen aus Kap. III/2.2.3, angeordnet nach abnehmender Handlungsintensität, wiederholt werden. Zur Indizierung der skalaren semantischen Unterschiede wurden einfach Bezeichnungen für Konfektionsgrößen verwendet:

Akkusativ­ objektThemen

skalare Handlungs­ intensität

Subjekt – Prädikat – Akkusativobjekt XXL-Agens – XXL-Handlung – XXL-Patiens Sie zerreißt das Buch XL-Agens – XL-Handlung – XL-Patiens Sie liest das Buch L-Agens – L-Handlung – L-Patiens Sie sieht das Buch M-Agens – M-Handlung – M-Patiens Sie kennt das Buch S-Agens – S-Handlung – S-Patiens Sie hat das Buch Die Substantivgruppe das Buch besteht in all diesen Fällen die Frage- und Ersatzprobe, ist also ein Akkusativobjekt. Allerdings zeigt die Passivprobe, dass im Falle von ‚schwachen‘ (= nicht-intensiven) Handlungen die Handlung-zu-Vorgang-Umszenierung, die die zentrale semantische Leistung der Passivierung darstellt, fragwürdig oder ungrammatisch ist:

Passivprobe

490 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

→ ?Das Buch wird (von ihr) Akkusativobjekt) gekannt. → *Das Buch wird (von ihr) Akkusativobjekt) gehabt. Was ist ein Handlungssatz?

wieder: Umpolung vs. Genera­ lisierung

Es stellt sich also die Frage, ob das Kennen- und das Haben-Szenario überhaupt noch Handlungsszenarios sind? Man kann diese Frage verneinen, indem man auf die Passivprobe verweist. Des Weiteren kann man sie verneinen, indem man darauf verweist, dass hier auch die übliche schulgrammatische Erfragung von Handlungen  – »Was macht/tut X?«  – scheitert. Man kann aber die Frage mit denselben Argumenten auch bejahen: Wenn die Passivprobe und die »Was macht/tut X?«-Frage negativ bei Sätzen ausfallen, deren grammatische Struktur mit denen von Handlungssätzen identisch ist, die diese Proben bestehen, dann trennen (signifikativ-semantisch) die Proben nicht Handlungszenarios von Nichthandlungsszenarios, sondern prototypische von peripheren Handlungszenarios. Mit Proben lässt sich also an dieser Stelle keine Entscheidung herbeiführen, was nicht verwundert, schließlich haben Proben keinen ‚Selbstwert‘, sondern sie sind nur produktiv, wenn sie in einen theoretischen Ansatz eingebettet sind. Der Ansatz, auf den hier erneut Bezug genommen werden soll, ist das sprachtypologische Konzept, das oben an der Kodierung von Empfindungsprädikaten im weiteren Sinne, d.  h. von „experiential predicates“ (Anm. 58), exemplifiziert wurde: Es geht um die Frage, ob die Kodierungstechnik eines bestimmten Szenarios in einer bestimmten Sprache unter semantischem Druck von der grammatischen MainstreamStruktur abweicht (Umpolung, s. Typ mich friert) oder sich dieser anpasst (Generalisierung, s. Typ ich friere). Diese Frage stellt sich auf jeden Fall beim Kennen-Szenario, da kennen als „cognition predicate“ zu den „experiential predicates“ gerechnet wird. Im Deutschen ist ja kennen generalisierend (Typ zerreißen, lesen, sehen). Was das Haben-Szenario (Besitzverhältnis, Possession) anbelangt, wurde auch hier bereits im Kap. I/1 (Anm.  10) darauf hingewiesen, dass Benveniste (1974: 219  ff.) einen Unterschied zwischen dem mihi-est-aliquid-Typus und dem habeo-ali­ quid-Typus macht. Beim habeo-aliquid-Typus, dem auch das deutsche Haben-Szenario angehört, stelle das Subjekt den „Besitzer“ (= Possessor), beim mihi-est-aliquidTypus dagegen die „besessene Sache“ (= Possessum) dar. Daraus folge, dass beim mihi-est-aliquid-Typus nur noch der „Randfall“ Dativ für den „Besitzer“ übrigbleibt, „der ihn als denjenigen bezeichnet, in dem das »jemandem sein« sich verwirklicht“ (Benveniste 1974: 221). Modern gesprochen: Der habeo-aliquid-Typus ist generalisierend, der mihi-est-aliquid-Typus umpolend.73 73 In der modernen Sprachtypologie wird das etwas differenzierter gesehen (Stassen 2005a): Der habeo-aliquid-Typus bleibt zwar erhalten („Have-Possessive“), der mihi-est-aliquid-Typus wird allerdings in zwei Typen („Oblique und Topic Possessive“) unterteilt, wobei der Oblique Possessive wie-



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 491

Um den Kontrast zum generalisierenden habeo-aliquid-Typus zu exemplifizieren, soll das Russische, das dem umpolenden mihi-est-aliquid-Typus angehört, herangezogen werden: (47)

U minja est’ mašina. ‚Ich habe ein Auto‘ [wörtlich: ‚Bei mir ist Auto‘]

Dass das Deutsche nicht wie das Russische ein Jemandem-ist-, sondern ein HabenSzenario bevorzugt, um Possession auszudrücken, deutet analog zum Fall der Empfindungsprädikate darauf hin, dass auch hier Generalisierung vorliegt, d.  h., dass die Kodierungstechnik des Haben-Szenarios der der prototypischen Handlungsprädikate angepasst wurde. Qua grammatischer Grundstruktur wird also hier signifikativ-semantisch eine Handlungslesart indiziert, die allerdings durch die Bedeutungsstruktur des Verbs konterkariert wird. Beides  – grammatische Grundstruktur und Bedeutungsstruktur des Verbs – zusammen ergibt eine periphere Handlungslesart, die man auch Handlungssimulation (durch die grammatische Grundstruktur) nennen könnte.74 Die Passivprobe und die »Was macht/tut X?«-Frage, die auf prototypische Handlungen abzielen, haben auf Handlungssimulationen keinen Zugriff. Handlungssimulation liegt auch vor, wenn das Subjekt keine semantische Rolle hat, d.  h., wenn es sich um das subjektsimulierende es handelt: [30]

Ein Fußballspiel nominales) gibt (nominales es Subjekt) ebenfalls, (Akkusativ- eine Mädchengarde und eine Feuerwehrkapelle objekt), […].

(gespaltenes

Die gespaltene Substantivgruppe Ein Fußballspiel… eine Mädchengarde und eine Feu­ erwehrkapelle ist mit was erfragbar und durch die Leitform es ersetzbar, bekommt also den Satzgliedwert ‚Akkusativobjekt‘ zugewiesen. Mangels Agenssubjekt führen jedoch auch hier die Passivprobe und die »Was macht/tut X?«-Frage zu einem negativen Ergebnis. Den gewissermaßen spiegelbildlichen Fall der Handlungssimulation stellen Valenzträger mit akkusativobjektsimulierendem es dar (sog. formales Akkusativ­ objekt), z.  B. (48) Er könnte (Akkusativobjekt- es simulation) weit bringen. (49) Wie hältst du’(Akkusativobjekt- s simulation) mit der Religion? (Beispiele zit. n. IDS-Grammatik 1997/2: 1086)

derum in die Subtypen Locational Possessive und Genitive Possessive aufgespalten wird. Außerdem wird auch mit einem vierten Typ („Conjunctional Possessive“) gerechnet. Die europäischen Sprachen gehören meist dem Typus „Have-Possessive“ an, aber es gibt auch eine Reihe von „Locational Possessive“-Sprachen in Europa wie z.  B. die keltischen Sprachen (Gälisch, Irisch, Walisisch, Bretonisch), Finnisch, Ungarisch, Lettisch oder Russisch. 74 Ähnlich ließen sich die Typen ich friere/schlafe als Tätigkeitssimulationen einordnen.

Handlungs­ simulation

Handlungs­ simulation qua Subjektsimulation

Handlungs­ simulation qua Objekt­ simulation

492 

Alternation mit Prä­ positional­ objekten

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Unser zweites Akkusativobjekt-Thema hat auch mit skalarer Handlungsintensität und schwacher Affiziertheit des zweiten Komplements zu tun. Aus typologischen Arbeiten ist bekannt, dass bestimmte semantische Faktoren wie z.  B. Partitivität (‚Teilbeziehung‘), Negation oder Indefinitheit des Objekts niedrige Transitivität (s. etwa Haspelmath 2001: 57  f.) verursachen können. Man vergleiche etwa Russisch: (50) Ja ne ljublju ètogo goroda. ‚Ich mag nicht diese Stadt‘ [wörtlich: ‚dieser ­StadtGEN‘] (Beispiel n. Haspelmath 2001: 58) Frühneuhochdeutsch: (51) […] Aber Si mocht der warhait nicht wissen […]. (Denkwürdigkeiten der Helene Kottannerin (1439–40), zit. n. Ágel 1988: 128) (52) Wir sollten dez ertrichs von hinnen furen hintz andern klostern […]. (Der Nonne von Engelthal Büchlein von der Gnaden Uberlast (2. Hälfte des 14. Jhs.), zit. n. Frnhd. Grammatik 1993: 352) In den ersten beiden Belegen ist es die Negation (ne, nicht), die bewirkt, dass anstelle des Akkusativobjekts das Genitivobjekt (ètogo goroda, der warhait) verwendet wurde. Im dritten Beleg geht es um Partitivität: Es soll nicht das komplette Erdreich, sondern nur ein Teil davon (dez ertrichs) zu anderen Klostern transportiert werden. Besonders interessant für die Beschreibung der Struktur einer Einzelsprache sind solche Fälle dann, wenn es je nach stärkerer vs. schwächerer Affiziertheit des zweiten Komplements alternative grammatische Kodierungen gibt. Genau dies ist der Fall im Gegenwartsdeutschen, z.  B. etw. vs. von etw. essen, etw. vs. nach etw. suchen, jmdn. vs. um jmdn. werben, jmdn. vs. nach jmdm. schlagen oder etw. vs. an etw. schreiben.75 Zwei Beispiele (nach Helbig/Schenkel 1978: 125 und 396): (53) (a) Wir essen (nominales Brot Akkusativobjekt). (b) Er isst (nominales von dem Brot Präpositionalobjekt). (54) (a) Er schreibt (nominales einen Roman Akkusativobjekt). (b) Er schreibt (nominales an einem Roman Präpositionalobjekt). Die jeweils zweiten Komplemente der (a)-Sätze sind stärker affiziert als die der (b)Sätze, d.  h., die (a)-Sätze schreiben den ‚Beschäftigungen‘ mit dem Brot/Roman eine höhere Intensivität zu als die (b)-Sätze. Die unterschiedlichen Affiziertheitsgrade sind an den grammatischen Kodierungen abzulesen: Die stärker affizierten zweiten Kom-

75 Zu dieser Art Alternation vgl. etwa Breindl 1989: 56  ff., Bausewein 1990: 45  ff., Heringer 1996: 159, Ágel 2000: 126  f., Proost 2009 und Winkler 2009.



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 493

plemente der (a)-Sätze stellen Akkusativobjekte dar, während die schwächer affizierten Komplemente der (b)-Sätze verschiedene Präpositionalobjekte sind.76 M.  a.  W., die (a)-Sätze sind signifikativ-semantisch gesehen Handlungssätze, während die (b)Sätze Tätigkeitssätze sind. Unser drittes Akkusativobjekt-Thema sind die sog. Verben mit doppeltem Akkusativ. Nach Plank (1987: 39) besteht diese „kleine Minderheit von ditransitiven Verben“ im Gegenwartsdeutschen aus sechs Verben:77

Verben mit doppeltem Akkusativ

(55) Sie lehrte mich die französische Sprache. (56) Ich höre sie das Gedicht ab. (57) Ich frage ihn die Vokabeln ab. (Beispiele n. Duden 2007: 688) (58) Das kostete die Mannschaft den Sieg. (Beispiel n. Duden 2007: 583) (59) Darf ich Sie etwas fragen? (Beispiel n. Duden 2007: 315) (60) Ich habe dich vorhin etwas gebeten. (Beispiel n. Duden 2007: 179) Dass diese Verben eine kleine Minderheit bilden, ist kein Wunder. Denn einerseits sind ditransitive Verben in der Regel Verben mit Dativ- und Akkusativobjekt, die prototypischerweise der Familie der Geben- oder Nehmen-Szenarios entstammen: (61) Sie schenkte (nominales mir Dativobjekt) (nominales das Buch Akkusativobjekt). (62) Sie nahm (nominales mir Dativobjekt) (nominales das Buch Akkusativobjekt) weg. Andererseits stellt das doppelte Vorkommen des gleichen Satzgliedes in einem sta­ tischen Satz eine absolute Ausnahme dar. Schließlich setzt erfolgreiche Verständigung voraus, dass Szenariobeteiligte grammatisch unikal kodiert werden, da es sonst unmöglich wäre, qua grammatischer Grundstruktur die semantische Grundstruktur zu identifizieren. Dieses Prinzip, dass ein Satzglied in der Regel nur einmal in einem Satz vorkommen kann, nenne ich das Einmaleins der Satzgliedlehre.78 76 Bei den (b)-Sätzen handelt es sich um Präpositionalobjekte, weil die Präpositionen formspezifisch (= +FOSP) sind, d.  h., vom jeweiligen Valenzträger regiert werden. M. a. W., qua Alternation lässt sich zwar jeweils voraussagen, dass es ein Präpositionalobjekt sein muss, das die schwächere Affiziertheit kodiert. Welches Präpositionalobjekt (Präpositionalvon+DAT-objekt oder Präpositionalan+DAT-objekt oder…) es ist, ist jedoch verb(gruppen)spezifisch. Eine sehr instruktive empirische Studie hierzu am Beispiel des Präpositionalnach+DAT-objekts ist Proost 2009. 77 Bausewein (1990: 98) rechnet auch heißen (ihr Beispiel: Wir heißen euch hoffen) zu den Verben mit doppeltem Akkusativ, wobei sie einräumt, dass bei heißen das Sachobjekt immer im Infinitiv realisiert werden muss. Heißen + Infinitiv wurde als (dynamisches) AcI-Prädikat analysiert (Kap. III/2.2.3, Anm. 105). 78 Dieses Prinzip lässt sich im Kern auf Stanley Starostas „The one per Sent solution“ (Starosta 1978) zurückführen, die mit „Die 1-Pro-Sent Lösung“ ins Deutsche übersetzt wurde (Starosta 1981). Staros-

Einmaleins der Satzgliedlehre

494 

Akkusative der Person

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Im Sinne dieses Prinzips stellt sich daher die Frage, ob wirklich beide Akkusative der Doppelakkusativ-Strukturen Akkusativobjekte sind. Zur Disposition stehen dabei die sog. Akkusative der Person (mich, sie, ihn, Sie, die Mannschaft, dich), während die sog. Akkusative der Sache (die französische Sprache, das Gedicht, die Vokabeln, etwas, den Sieg, etwas) zweifelsohne Akkusativobjekte sind. Den „harten Kern der Ausnahmeverben“ (Plank 1987: 40) bilden die Verben lehren, abhören und abfragen, die Karin Bausewein „‚didaktische‘ Verben“ genannt hat (Bausewein 1990: 98). Wie spätestens seit Plank 1987 bekannt, zeigen diese Verben syntaktische Eigenschaften (hinsichtlich Wortstellung, Passivierung, Perfektpartizipbildung, Nominalisierung, Ersetzbarkeit des Akkusativs der Person durch den Dativ), die für reguläre ditransitive Verben (mit Dativ- und Akkusativobjekt) typisch sind. Dies soll am Vergleich schenken/lehren exemplifiziert werden (Beispiele und Akzeptabilitätsurteile in Anlehnung an die IDS-Grammatik 1997/2: 1084): (61a) Man schenkt den Mädchen das Buch. (55a) Man lehrt die Mädchen/den Mädchen den englischen Walzer. (61b) Den Mädchen wird das Buch geschenkt. (55b) Den Mädchen wird der englische Walzer gelehrt. (61c) *Die Mädchen werden das Buch geschenkt. (55c) ?Die Mädchen werden den englischen Walzer gelehrt. (61d) *Das Buch wird die Mädchen geschenkt. (55d) *Der englische Walzer wird die Mädchen gelehrt. (61e) Die Mädchen bekamen das Buch geschenkt. (55e) Die Mädchen bekamen den englischen Walzer gelehrt.

Indirektes Akkusativ­ objekt

Wie man sieht, verhält sich der Akkusativ der Person bei lehren wie das Dativobjekt bei schenken: Nicht nur kann er im Aktiv durch den Dativ ersetzt werden ((55a)), im Akkusativpassiv ((55b)–(55d)) muss sogar auf den Dativ ausgewichen werden, und im Dativpassiv ((55e)) bildet er das dynamische Subjekt des Satzes und entspricht somit auch hier dem syntaktischen Verhalten eines Dativobjekts. Da der Akkusativ der Person die Frage- und die Ersatzprobe für Akkusativobjekte besteht, wird er als Akkusativobjekt eingeordnet. Da er sich syntaktisch wie ein Indirektes Objekt, das ja im Deutschen prototypischerweise das Dativobjekt ist, verhält, soll es Indirektes Akkusativobjekt genannt werden. Indirekte Akkusativobjekte verletzen nur im Aktiv das Prinzip des Einmaleins der Satzgliedlehre, aber selbst im Aktiv können sie durch Dativobjekte ersetzt werden ((55a)). Im Passiv dagegen ‚agieren‘ sie gemäß dem Prinzip: Sie werden zu Dativobjekten ((55b)) oder verhalten sich so, wie sich prototypische Dativobjekte im Passiv verhalten ((55c)–(55e)).

tas Prinzip besagt, dass pro Satz dieselbe denotativ-semantische Rolle (‚Tiefenkasus‘) nur einmal vorkommen kann.



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 495

Der Akkusativ der Sache ist bei diesen Verben ein ‚normales‘ (prototypisches) Akkusativobjekt, das man entsprechend auch Direktes Akkusativobjekt nennen kann. Die Unterscheidung ‚Indirektes vs. Direktes Akkusativobjekt‘ macht allerdings nur bei diesen besonderen Verben einen Sinn, denn ‚normale‘ Akkusativobjekte sind per definitionem Direkte Objekte. Was das Verb kosten anbelangt, unterscheidet Peter Eisenberg (Duden 2007: 583) zwei Valenzträger, die ich als kosten1 (Bedeutung: ’einen bestimmten Preis verlangen’) und kosten2 (’jmdn. um etw. bringen’) indiziere: (63) Das würde mich einen schönen Batzen Geld kosten1. (A. Zweig, Beleg n. Duden 2007: 583) (58) Das kostete2 die Mannschaft/der Mannschaft den Sieg. Da kosten nicht passivfähig ist, entfallen hier die obigen Passivchecks und  –argumente. Allerdings ist der Akkusativ der Person beim Valenzträger kosten2 durch den Dativ ersetzbar, sodass er ein Indirektes Akkusativobjekt darstellt. Was kosten1 anbelangt, ist einerseits der Akkusativ der Person nicht ersetzbar, andererseits stellt der Akkusativ der Sache, der nur Maßangaben kodiert und der folglich „auch mit wieviel erfragbar und nicht wie ein Objekt pronominalisierbar“ ist (Bausewein 1990: 61), kein Akkusativobjekt dar. In Anlehnung an die IDS-Grammatik (1997/2: 1084) wird er als Dilativkomplement aufgefasst (Kap. III/3.1.5). Dies alles bedeutet, dass kosten1 und kosten2 zwei unterschiedliche Valenzstrukturen aufweisen: (63’) Das würde (nominales mich Akkusativobjekt) (Dilativadverbial- einen schönen Batzen Geld / 100 Euro / meine ganzen Ersparnisse / sehr viel komplement) kosten1. (58’) Das kostete2 ((Indirektes) nominales die Mannschaft Akkusativobjekt) / (nominales der Mannschaft den Sieg Akkusativobjekt). Dativobjekt) (nominales Allerdings ist die Grenze zwischen Akkusativobjekt und Adverbial (Dilativadver­bial­ komplement) keinesfalls so eindeutig, wie man aufgrund dieser Beispiele denken könnte.79 Denn bei bestimmten Besetzungen der Stelle des Akkusativs der Sache findet eine gewisse Annäherung sowohl von kosten1 an kosten2 als auch umgekehrt statt: Wenn der Valenzträger kosten1 im übertragenen Sinne verwendet wird, d.  h., wenn der Preis, den etwas jemanden kostet, nicht etwas Materielles ist, ist die Analyse als Maßangabe (Dilativadverbialkomplement) weniger selbstverständlich: (64) Das kostet1 mich nur ein Lächeln/nur einen Anruf/große Überwindung. (n. Duden 2007: 583)

79 Die problematische Grenzziehung ist in der Literatur vielfach thematisiert worden, s. etwa Bause­ wein 1990: 61 und Dürscheid 1999: 31  ff. Das Problem bleibt auch in der ansprechenden konstruk­ tions­grammatischen Analyse von Jouni Rostila (2007: 349  ff.) bestehen.

Direktes Akkusativ­ objekt

kosten

496 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Umgekehrt kann das, um das jemand gebracht wird, nicht nur etwas Immaterielles, sondern auch Geld sein. In solchen Fällen findet eine Annäherung – hier auch der Bedeutung – von kosten2 an kosten1 statt: (65)

Hatte der Hieb über einen Schädel ein derartiges Loch hinterlassen, daß das Hirn hervortrat, so kostete2 das dem Übeltäter zwölf Solidi […]. (Beleg n. IDS-Grammatik 1997/2: 1084)

Trotz dieser ‚gegenseitigen Annäherung‘ plädiere ich auch in diesen Fällen für die Beibehaltung der ursprünglichen Valenzanalyse von kosten1 und kosten2. Das Hauptargument hierfür ist, dass nur kosten2 die Akkusativ/Dativ-Varianz zulässt: (64’) ??Das kostet1 mir nur ein Lächeln/nur einen Anruf/große Überwindung. (65’) Hatte der Hieb über einen Schädel ein derartiges Loch hinterlassen, dass das Hirn hervortrat, so kostete2 das den Übeltäter zwölf Solidi. fragen und bitten

Die bisher analysierten Verben gehören also zwei Typen an: Valenzträger mit Indirektem und Direktem Akkusativobjekt (lehren, abfragen, abhören und kosten2) und Valenzträger mit Akkusativobjekt und Dilativadverbialkomplement (kosten1). Einen dritten Typus stellen die Valenzträger fragen und bitten mit doppeltem Akkusativ dar. Hier stellt der Akkusativ der Person ein ‚normales‘ (Direktes) Akkusativobjekt dar, während der Akkusativ der Sache ein Szenario einbettet (IDS-Grammatik 1997/2: 1085). Die Pronominalisierungen in (59) und (60) oben (etwas) vertreten also recycelte Realisierungsformen des Akkusativobjekts, z.  B. (59a) Darf ich Sie fragen, ob Sie das Formular ausgefüllt haben? (60a) Ich habe dich vorhin gebeten, das Formular auszufüllen. Dabei ist jedoch der paradigmatische Wert dieser Realisierungsformen (Nebensatz, Infinitivkonstruktion) ohne Korrelate offen, sie können durchaus auch für Präpositionalobjekte stehen. Korrelate würden den paradigmatischen Wert ‚Präpositionalobjekt‘ eindeutig machen: (59b) Darf ich Sie (Präpositionalobjekts- danach korrelat) fragen, ob Sie das Formular ausgefüllt haben? (60b) Ich habe dich vorhin (Präpositionalobjekts- darum korrelat) gebeten, das Formular auszufüllen.

Verbativ­ objekt

Ich analysiere den Akkusativ der Sache bei fragen und bitten in Anlehnung an HansWerner Eroms (2000: 213  f.) als ein Verbativobjekt (Kap. III/3.1.5): (59) Darf ich (nominales Sie Akkusativobjekt) (Verbativ- etwas objekt) fragen? (60) Ich habe (nominales dich Akkusativobjekt) vorhin (Verbativ- etwas objekt) gebeten. Das Verbativobjekt wird zwar als eine „obligatorisch satzförmige Ergänzung“ (Eroms 2000: 213) definiert, doch „selten“ erlauben Verbativobjekte auch „nichtsatzförmige Kommutationen“ (Eroms 2000: 214). Somit erhält der dritte Typ von Valenzträger



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 497

mit doppeltem Akkusativ (fragen, bitten) folgende Interpretation: Der Akkusativ der Person stellt ein Akkusativobjekt, der Akkusativ der Sache ein Verbativobjekt dar. Das Prinzip des Einmaleins der Satzgliedlehre wird hier auch nicht verletzt. An dieser Stelle soll daran erinnert werden, dass sich konstruktionell dynamische Prädikate durchaus mit zwei Akkusativobjekten – einem statischen und einem dynamischen  – bilden lassen (Kap. III/2.2.2–3). Die dynamischen Valenzträger können dabei dynamische Komplexverben, AcI-Prädikate oder lassen-Prädikate sein (Beispiele wiederholt aus Kap. III/2.2.2–3):

doppeltes Akkusativobjekt qua dynamischem Prädikat

[…] und [er] schob (statisches (nominales) das Fahrrad Akkusativobjekt) schräg (dynamisches (nominales) den wulstigen Deich Akkusativobjekt) hinauf. (Lenz Deutschstunde: 10) (67) Ich sehe (dynamisches (nominales) ihn Akkusativobjekt) (statisches (nominales) die Einfahrt Akkusativobjekt) ausbessern. (68) Der Inspektor lässt (dynamisches (nominales) die Polizisten Akkusativobjekt) (statisches (nominales) die Verbrecher Akkusativobjekt) entwaffnen. (66)

Das Prinzip des Einmaleins der Satzgliedlehre, das sich auf statische Sätze bezieht, wird hier auch nicht verletzt, da es sich ja um dynamische Sätze handelt. Es ist erst die Anwendung der jeweiligen Konstruktion auf den statischen Valenzträger (im Sinne der Funktion-Argument-Wert-Formel), die den dynamischen Akkusativobjektwert erzeugt. In der Valenzpotenz der der Konstruktion zugrunde liegenden statischen Valenzträger (schieben, ausbessern, entwaffnen) ist jeweils nur ein (statisches) Akkusativobjekt verankert. Wir kommen nun zu unserem vierten und letzten Akkusativobjekt-Thema. Sowohl Komplexverben als auch Idiome und Kollokativgefüge, d.  h. Nominalisierungsverbgefüge (NVG) und Funktionsverbgefüge (FVG), können Verb-SubstantivVerbindungen sein und als Prädikatsbestandteile Substantive bzw. Substantivgruppen im Akkusativ enthalten, z.  B.

noch einmal: Einmaleins der Satz­ gliedlehre

­Abgrenzung vom Prädikats­ bestand­teil

(69) Sie fährt Rad / läuft eis / schwimmt Brust. [Komplexverben] (70) Er drischt (gerne) Phrasen / liest (ihm) die Leviten. [Idiome] (71) Er hat Angst / bekommt Einblick (in die Unterlagen). [FVG] (72) Sie verlor die Besinnung / nahm Abschied. [NVG] Da die Abgrenzung dieser statischen Prädikatsklassen bereits im Kap. III/2.1.2 erfolgt ist und da sich die dort diskutierten Kriterien auf Idiome und Kollokativgefüge gut anwenden lassen, soll hier nur auf die als Objektinkorporation bekannte besonders problematische Untergruppe der Komplexverben eingegangen werden. Es stellt sich nämlich die Frage, ob die nachfolgenden Verb-Substantiv-Verbindungen, die Rad fahren, eislaufen und brustschwimmen ähnlich sind, ebenfalls Szenarios indizieren, also Komplexverben sind, oder ob hier nur die jeweiligen Verben die Szenarios entwerfen und die Substantive Szenariobeteiligte darstellen, also Akkusativobjekte sind:

Objekt­ inkorporation

498 

(73) (74) (75) Frage- gegen Ersatzprobe

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Sie trinkt Wein/Bier/Soda/Whisk(e)y. Sie spielt Schach/Lotto/Blindekuh/Klavier. Sie fährt Auto/Rollstuhl/Schlitten/Karussell.

Hier kommt man mit der Frage- und der Ersatzprobe (= Ersatz durch Leitformen) nicht wirklich weiter. Denn die eine Probe funktioniert, die andere nicht: Frageprobe: → »Was trinkt sie?« → »Was spielt sie?« → »Was fährt sie?«

»Wein/Bier/Soda/Whisk(e)y.« »Schach/Lotto/Blindekuh/Klavier.« »Auto/Rollstuhl/Schlitten/Karussell.«

Ersatzprobe: → »Sie trinkt Wein/Bier/Soda/Whisk(e)y.« ??»Stimmt, sie trinkt es/ihn.« → »Sie spielt Schach/Lotto/Blindekuh/Klavier.« ??»Stimmt, sie spielt es/ihn.« → »Sie fährt Auto/Rollstuhl/Schlitten/Karussell.« ??»Stimmt, sie fährt es/ihn.« ­Individuierung des Patiens

Dass der Ersatz durch Leitformen nicht funktioniert, hat gute Gründe. Gemäß der Transitivitätstheorie von Hopper/Thompson (1980) wird die skalare – sehr starke bis sehr schwache  – Transitivität von konkreten Sätzen anhand von neun Parametern modelliert, die also dafür verantwortlich sind, ob ein bestimmter Satz eher transitiv oder eher intransitiv ist. Interessant für die aktuelle Diskussion ist der neunte Parameter, die „Individuation of O(bject)“, der sich „both to the distinctness of the patient from the A(gent) […] and to its distinctness from its own background“ bezieht (Hopper/Thompson 1980: 253): Je individuierter ein konkretes Patiens ist, desto transitiver ist der konkrete Satz, d.  h., desto typischer ist das jeweilige Akkusativobjekt. Der Individuierungsgrad eines Patiens hängt von sechs Faktoren ab (ebd.): INDIVIDUIERT Eigenname menschlich, Lebewesen konkret Singular zählbar referentiell, bestimmt

NICHTINDIVIDUIERT Gattungsname kein Lebewesen abstrakt Plural nichtzählbar (Stoffname) nichtreferentiell

Ein Substantiv wie etwa Bier in (73) ist kein Eigenname, sondern ein Stoffname (nichtzählbar), bezeichnet kein Lebewesen und ist unbestimmt. Dass es im Singular steht, spricht hier auch nicht für Individuiertheit, weil Stoffnamen per definitionem singularisch sind.80 Das einzige Merkmal, das auf der Haben-Seite von Individuiertheit zu verbuchen ist, ist demnach ‚Konkretheit‘. Das Substantiv Bier indiziert also ein

80 Zur Wortkategorisierung der Substantive s. Thieroff 2000.



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 499

schwach individuiertes Patiens. Vergleichen wir es etwa mit dem Substantiv Peter, das auf ein stark individuiertes Patiens verweist: (76) (77)

Klaus trinkt nur Bier. ‚Klaus ist ein Biertrinker‘ Klaus sieht nur Peter. *‚Klaus ist ein Peterseher‘

Was man an der Gegenüberstellung sieht, ist, dass schwache Individuierung auch die habituelle Lesart ermöglicht (Biertrinker), während starke Individuierung diese ausschließt (*Peterseher). Dies bedeutet aus der Sicht unseres Satzkonzepts, dass schwache Individuierung für die Integration des Patiens in den Szenarioentwurf sprechen kann: Bei Habitualität ist dies definitiv der Fall, bei Aktualität bedarf es weiterer Kriterien. Solche Kriterien finden sich bei Nanna Fuhrhop (2009: 66  ff.), die sich unter dem Aspekt der Zusammen- vs. Getrenntschreibung mit Verb-Substantiv-Verbindungen beschäftigt (Kap. III/2.1.2, Anm. 17). Ihre (insgesamt sieben) grammatischen Kriterien für Zusammen- vs. Getrenntschreibung sind für uns hier deshalb einschlägig, weil Argumente für die Zusammenschreibung aus der Sicht unseres Satzkonzepts nichts anderes bedeuten, als dass Verb und Substantiv gemeinsam ein Szenario entwerfen. Umgekehrt sprechen Argumente für die Getrenntschreibung für die Annahme eines Akkusativobjekts, das einen patientiven Szenariobeteiligten indiziert. Es können hier nicht alle sieben Kriterien durchdekliniert werden. Ich konzentriere mich auf zwei, die mir besonders einschlägig erscheinen:81 (1) Ersetzbarkeit des Verbs der Verb-Substantiv-Verbindung durch andere Verben; (2) Perfektbildung mit haben/sein.

+/-Habitualität

weitere Kriterien

Ersetzbarkeit des Verbs und Perfektbildung

Die Ratio von (1) ist, dass szenariobildende Verb-Substantiv-Verbindungen naturgemäß eine feste Einheit bilden, sodass die Ersetzbarkeit unwahrscheinlich ist. Die Ratio von (2) ist, dass transitive Verben ihr Perfekt mit dem Hilfsverb haben bilden. Dieses Kriterium ist besonders interessant bei fahren: (78) Sie ist nach Hamburg gefahren. (79) Sie hat (nominales den Leihwagen Akkusativobjekt) nach Hamburg gefahren. Die Anwendung des Individuierungsparameters mit dem Ausgang der Habitualitätsoption ((a)-Sätze) und der beiden Fuhrhop’schen Kriterien ((b)- und (c)-Sätze) legt die Annahme von zwei Typen von Verb-Substantiv-Verbindungen nahe:

81 Die Liste einschlägiger Kriterien ließe sich sogar erweitern. In Ágel (1997: 171  ff.) wurde beispielsweise die Art der Passivbildung als Transitivitätskriterium herangezogen: Die Möglichkeit, bei VerbSubstantiv-Verbindungen, (auch) unpersönliches (subjektloses) Passiv zu bilden, spricht gegen den Akkusativobjektstatus.

zwei Typen von VerbSubstantivVerbindungen

500 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

(1) Satzgliedstatus abhängig von +/-Habitualität: Habitualität: (73a) Sie trinkt (regelmäßig/nur) Bier. (74a) Sie spielt (regelmäßig/nur) Schach. Aktualität: (73b) Sie trinkt/verzehrt/säuft (heute wieder) (nominales Bier Akkusativobjekt). (74b) Sie spielt/übt/trainiert (heute wieder) (nominales Schach Akkusativobjekt). (73c) Sie hat (heute wieder) (nominales Bier Akkusativobjekt) getrunken. (74c) Sie hat (heute wieder) (nominales Schach Akkusativobjekt) gespielt. (2) Satzgliedstatus unabhängig von +/-Habitualität: (75a–b) Sie fährt/*übt/*rast (regelmäßig/nur/heute) Auto/Rollstuhl/Schlitten/ Karussell. (75c) Sie ist Auto/Rollstuhl/Schlitten/Karussell gefahren. Fazit

Dativobjekt

Verb-Substantiv-Verbindungen wie Bier trinken und Schach spielen indizieren in Texten, in denen sie Habitualität ausdrücken, ein Szenario. Verb und Substantiv bilden gemeinsam das Prädikat (Komplexverb). Andernfalls verweisen die jeweiligen Substantive auf Szenariobeteiligte (Patientien) und erhalten den Satzgliedwert ‚Akkusativobjekt‘. Das Verb bildet alleine das Prädikat (Simplexverb). Verb-Substantiv-Verbindungen wie Auto fahren indizieren immer ein Szenario. Verb und Substantiv bilden also gemeinsam das Prädikat (Komplexverb). Letztendlich sind die Unterschiede zwischen den Typen und auch innerhalb der Typen natürlich skalar, d.  h. nichtdichotomisch. Der hier vorgelegte dichotomische Vorschlag hebt die Skalarität nicht auf, sondern zieht, entsprechend den Erfordernissen der Satzgliedlehre, eine theoretisch vertretbare Grenze. Wäre der (adverbale) Dativ (= Dativobjekt) dem (adverbalen) Genitiv (= Genitivobjekt) sein Tod, müsste er sich auf Kosten des seit dem Mittelalter stark zurückgehenden Genitivobjekts rasant verbreiten. Das Gegenteil ist der Fall: Auch die Anzahl der Verben mit einer Valenzstelle für das Dativobjekt geht, wenn auch nicht so rasant, aber deutlich, seit dem Mittelalter zurück (vgl. Willems/Van Pottelberge 1998: 589).82 Der Leittext enthält auch nur drei Dativobjekt-Vorkommen. Alle drei sind, wie beim Dativobjekt erwartbar (Kap. III/3.1.3), genuine Formen (Substantivgruppen im Dativ): [8]

Hannes Subjekt) zum Beispiel hatte (nominales sich Dativobjekt) (nominales eine Polizeikelle Akkusativobjekt) besorgt

(nominales

82 Eine alphabetische Übersicht über die Simplexverben, die heute keine Valenzstelle für ein Dativobjekt mehr haben, aber früher den Dativ regieren konnten, findet sich in Willems/Van Pottelberge 1998: 589  ff.



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 501

und [(nominales Hannes Subjekt) hatte] (Instrumental- damit adverbial) (nominales Schnellfahrer Akkusativangehalten objekt) und [(nominales Hannes Subjekt) hatte] (nominales den Verschreckten Dativobjekt) (nominales ein Bußgeld Akkusativobjekt) abgeknöpft. [12] (nominales Vier Jahre Isenbüttel Akkusativobjekt) hat (nominales das Subjekt) (nominales dem Professor Dativobjekt) eingebracht, […]. Diese drei Vorkommen stellen zwar relativ unproblematische Dativobjekte dar, doch je intensiver man sich mit den möglichen Funktionen von Substantivgruppen im Dativ beschäftigt, desto spannender und auch problematischer erscheint einem nicht nur die Frage der Abgrenzung von Dativobjekten, sondern auch die gesamte Dativdiskussion.83 In der Dativdiskussion geht es um die sog. freien Dative. „Das Pendant ist ‚gebun­ dener Dativ‘ [= Dativobjekt, VÁ]. Ein freier Dativ gehört weniger eng zum Satz als ein gebundener Dativ.“ (Welke 2011: 202) Traditionell wurde der freie Dativ wie folgt untergliedert (Welke (inkl. Beispiele) ebd.):84

die Dativ­ diskussion: freie Dative

(80) Er hat (Dativus mir commodi (= Dativ des Nutznießers)) das Fahrrad repariert. (81) Er hat (Dativus mir incommodi (= Dativ des Geschädigten)) das Fahrrad demoliert. (82) Er schlug (Dativus ihm possessivus (= Pertinenzdativ)) auf die Schulter. (83) Komm (Dativus mir ethicus (= Dativ der inneren Anteilnahme)) ja pünktlich nach Hause. (84) Das ist (Dativus mir iudicantis (= Standpunktdativ)) zu schwer. Konsens besteht mittlerweile darüber, dass Dativus ethicus und iudicantis keine Dativobjekte sind, d.  h., dass sie diejenigen Dativtypen darstellen, die den Namen ‚freier Dativ‘ am ehesten verdient haben (Schmid 2006: 953  ff.). Im Rahmen des Konzepts der Grammatischen Textanalyse wurde der Dativus ethicus (ethischer Dativ) als (abtönungspartikelanaloges) Kohäsionsglied bestimmt (Kap. II/4.3). Der Dativus iudicantis (Standpunktdativ) lässt sich zwar als dynamisches Dativobjekt analysieren (Kap. III/3.2.4), muss aber in die Dativdiskussion im engeren Sinne nicht mit einbezogen werden. Denn:

83 Die Diskussion hat eine lange Geschichte (s. nur die Dativ-Monographien Wegener 1985, Johansen 1988, Schmid 1988, Schöfer 1992, Willems/Van Pottelberge 1998 und Ogawa 2005) und bis heute keine zufriedenstellende Lösung. 84 Von diesen adverbalen Dativen zu unterscheiden ist der adnominale possessive Dativ: (Sie hat) dem Vater sein Haus (verkauft). Hier ist die Substantivgruppe im Dativ (ein typologisch besonderes) Attribut (Kap. IV/2.3).

Dativus ethicus und iudicantis

502 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

die Dativdiskussion im engeren Sinne

Kritisch ist die Unterscheidung von verbregierten und freien [Dativen] vor allem für zwei Dativtypen, nämlich den Dativus Commodi/Incommodi […] sowie den Dativus possessivus oder Pertinenzdativ […]. Die Probleme liegen in beiden Fällen unterschiedlich. (Eisenberg 2006/2: 297)

die Ursachen des Problems

Die Daten, über die immer wieder diskutiert wird, liegen uns sehr lange vor.85 Neue Impulse für die Dativdiskussion sind also weniger von neuen Daten als viel mehr von neuen Perspektiven zu erwarten. Die Ursachen für die Abgrenzungsprobleme sind sicherlich vielfältig. Einerseits sind sie gewiss phänomenbezogen und liegen in der Besonderheit des Dativs (Stichwort: autonome Kodierung, s. unten). Andererseits könnten sie aber auch reflexionsbezogen sein. Dabei geht es um den ungeklärten theoretischen Status und die fragwürdige methodologische Validität von bestimmten Unterscheidungskriterien und Proben, mit denen man versucht, das Dativobjekt von den freien Dativen abzugrenzen. In der nachfolgenden Diskussion sollen beide Typen von Ursachen eruiert werden. Dabei gehen wir wie folgt vor: (1) Zuerst wird das ‚klassische‘ Dativobjekt (= DO) vorgestellt. (2) Anschließend werden die bekannten objekttypischen Merkmale von Dativus (in) commodi (= DC und DI) und Pertinenzdativ (= PD) anhand von drei Satzgliedproben ins Gedächtnis gerufen. (3) Dann widmen wir uns dem DC/DI und dessen Vergleich mit DO. (4) Danach beschäftigen wir uns mit dem PD. (5) Schließlich wird ein kurzes Fazit der Dativdiskussion gezogen.

DO

Was ist eigentlich ein gebundener Dativ, d.  h. ein DO? Als typische Dativverben gelten ditransitive Verben des Gebens und Nehmens sowohl im eigentlichen (= physischen) als auch im übertragenen (= kommunikativen) Sinne (Eisenberg 2006/2: 294): geben, nehmen, kaufen, verkaufen, schicken, schenken (usw.) bzw. sagen, antworten, mitteilen, bescheinigen, erzählen, versprechen (usw.). Das prototypische Szenario mit einem DO bei ditransitiven Verben ist das GebenSzenario, dessen DO den gewöhnlich Rezipient genannten Handlungsbetroffenen kodiert:86 Subjekt – Prädikat – Handlungsträger – Handlung – (= Agens) gab Der Onkel

DO Handlungs- betroffener (= Rezipient) mir

Akkusativobjekt Handlungsgegenstand (= Patiens) Süßigkeiten

85 Alle Dativtypen und alle Kriterien, nach denen sie bis heute systematisiert und ausgewertet werden, finden sich inklusive einer vergleichenden tabellarischen Übersicht bereits bei Bernhard Engelen (1975/1: 116  ff.). 86 Auf das Problem des Begriffs des Rezipienten komme ich unten zu sprechen.



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 503

„Andere geben-Verben wie zuwerfen, zuspielen, schenken, leihen, verkaufen, verspre­ chen, sagen, erzählen, mitteilen weisen stufenweise vermittelte Analogien zu dieser Grundsituation auf.“ (Welke 2012: 206) Zu den Verben des Gebens gehören von den drei Leittextbelegen besorgen und einbringen, zu den Verben des Nehmens das dritte Leittext-Dativverb abknöpfen. Von einem DO erwartet man (wie von allen Objekten und vom Subjekt), dass es einen zweifelsfreien Szenariobeteiligten indiziert (= BET-Komplement).87 Das DO von geben erfüllt auch alle valenztheoretischen Erwartungen. Es ist in der Regel nicht weglassbar, formspezifisch, d.  h. vom Valenzträger regiert, und inhaltsspezifisch, d.  h., es lässt nur lexikalische Besetzungen zu, die sich sinnvollerweise als Handlungsbetroffene interpretieren lassen: (85) → → →

Der Onkel Subjekt) gab (Rezipient- mir Dativobjekt) (Patiens- Süßigkeiten Akkusativobjekt) und ich beruhigte mich schnell. (Hein Freund: 154) ??Der Onkel gab Süßigkeiten. [+NOT] *Der Onkel gab Süßigkeiten an mich / zu mir. [+FOSP] ?Der Onkel gab der Treppe Süßigkeiten. [+INSP]

(Agens-

Trotz dieser überzeugenden Testergebnisse löst die Anwendung der drei Valenzkriterien – aus unterschiedlichen Gründen – das Abgrenzungsproblem nicht: (a) Was NOT anbelangt: Es ist bekannt, dass das DO „bei manchen Verben ohne weiteres weglaßbar, bei anderen Verben jedoch obligatorisch“ ist (Engelen 1975/1: 122). Weglassbar ist das DO z.  B. von kaufen und verkaufen. (b) Was INSP anbelangt: Wir werden weiter unten noch sehen, dass sich die semantische Rolle des DC/DI ebenfalls als Handlungsbetroffener – bzw. bei Tätigkeiten, Vorgängen und Zuständen: als Tätigkeits-, Vorgangs- bzw. Zustandsbetroffener – bestimmen lässt.88 (c) Was FOSP anbelangt: Will man die eingeforderte theoretische und methodologische Umsicht zum Tragen kommen lassen, muss sogar das als sicher geltende Rektionskriterium (+FOSP) hinterfragt werden. Denn selbst beim Prototyp geben gibt es mitunter eine Alternative: „Gelegentlich wird statt des Kdat [= des Dativkomplements, VÁ] ein Kprp [an +Akk] [= ein Präpositionalan+AKK-objekt, VÁ] verwendet“ (E-Valbu, Beleg ebd.): (86)

Die Polizeibeamten haben ihr Material an die Redaktion gegeben. (die tageszeitung, 23. 03. 2004)

87 Im Kap. III/1.3.1 über Valenz wurde BET (= Beteiligtheit/Szenariobeteiligung) als die übergreifende Valenzrelation definiert, die die spezifischen Valenzrelationen FOSP (= formale Spezifizität / Rektion), INSP (= inhaltliche Spezifizität) und NOT (= Notwendigkeit) zu einer kognitiven Einheit integriert. 88 Die semantische Rolle des Vorgangsbetroffenen wurde im Kap. I/3.5 eingeführt.

Valenz­ relationen

504 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Entsprechend liegt zwar nicht bei allen geben-Belegen, aber bei diesem Typus eine Alternation vor: (a) Subjekt – Prädikat – DO Akkusativobjekt Handlungsträger – Handlung  – Handlungs- Handlungsgegenstand betroffener Die Beamten gaben der Redaktion ihr Material (b) Subjekt – Prädikat – Akkusativobjekt Präpositionalobjekt Handlungsträger – Handlung  – Handlungs- Handlungsadressat gegenstand Die Beamten gaben ihr Material an die Redaktion

Satzglied­ proben Frage- und Ersatzprobe

Auf das Rektionsproblem und auf mögliche Alternationen beim Dativ müssen wir also auch noch zu sprechen kommen. Während das Testen der Valenzrelationen problematisch ist, führen Satzgliedproben zu eindeutigen Ergebnissen. Erwähnt werden sollen drei Proben: Wie von allen Objekten und vom Subjekt erwartet, funktionieren die Frageprobe und die Ersatzprobe (= Ersatz durch pronominale Leitform) auch beim DO: → Wem gab der Onkel Süßigkeiten? → Der Onkel gab ihm Süßigkeiten.

Dativpassivprobe

In der Regel bilden die Verben des Gebens und Nehmens ein Dativpassiv:89 (87) (88)

Sie bekamen eine Polizeikelle besorgt / einen Zahn eingesetzt / den Ball zugeworfen. Sie bekamen ein Bußgeld abgeknöpft / einen Zahn gezogen / den Ball weggenommen.

Subjekthaltige (= persönliche) Passivbildung stellt eine Form der kategorialen Um­szenierung dar, bei der statischen Objekten (Akkusativ- oder Dativobjekt) dynamische Subjekte (des Akkusativ- bzw. Dativpassivs) entsprechen. Daraus folgt umgekehrt: Wenn in einem Passivsatz ein Szenariobeteiligter (mit Subjektwert) vorliegt, muss in dem entsprechenden Aktivsatz ebenfalls ein Szenariobeteiligter (mit Objektwert) vorliegen. Dativpassivfähigkeit ist also ein sicheres Zeichen für einen Szenariobeteilig-

89 Die große Ausnahme ist geben selbst: *Ich bekam (vom Onkel) Süßigkeiten gegeben. Dies ist nicht verwunderlich, da bekommen und geben konverse Verben sind, d.  h. denselben außersprachlichen Sachverhalt aus entgegengesetzten Perspektiven beschreiben: Wenn A B C gibt, bekommt B C von A. Die Realisierung zweier Perspektiven in einem Satz ist ausgeschlossen. Zum Dativpassiv Kap. III/3.2.4.



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 505

ten.90 Was Dativpassivfähigkeit allerdings nicht ‚verrät‘, ist, ob es sich beim Aktivsatz um ein statisches oder bereits um ein dynamisches Szenario, d.  h. um ein Umszenario, handelt. Die drei Satzgliedproben (Frage-, Ersatz- und Dativpassivprobe) lassen sich auch auf Welkes Beispiele für DC/DI und PD mit Erfolg anwenden: (80) Er hat (Dativus mir commodi) das Fahrrad repariert. → Wem hat er das Fahrrad repariert? → Er hat ihm/ihr das Fahrrad repariert. → Ich habe das Fahrrad repariert bekommen.

DC/DI und PD: Satzgliedproben

(81) Er hat (Dativus mir incommodi) das Fahrrad demoliert. → Wem hat er das Fahrrad demoliert? → Er hat ihm/ihr das Fahrrad demoliert. → Ich habe das Fahrrad demoliert bekommen. (89) (Dativus Mir incommodi) ist etwas dazwischen gekommen. → Wem ist etwas dazwischen gekommen? → Ihm/Ihr ist etwas dazwischen gekommen. → (Passivprobe: nicht valid) (82) Er schlug (Pertinenz- ihm dativ) auf die Schulter. → Wem schlug er auf die Schulter? → Er schlug ihm auf die Schulter. → Er hat auf die Schulter geschlagen bekommen. Welkes Satzbatterie musste allerdings an einer Stelle ergänzt werden.91 Denn es lassen sich zwei Grundtypen von Sätzen mit DI unterscheiden: (transitiver) Handlungssatz ((80)) und (intransitiver) Vorgangssatz ((89)). Aber auch der Vorgangssatz besteht die Frage- und die Ersatzprobe. Die Passivprobe ist hier nicht valid, da Vorgangssätze – unabhängig vom DI – nicht passivierbar sind. Die drei Testverfahren sprechen also eindeutig dafür, dass DC/DI und PD so wie das DO Szenariobeteiligte sind. Im Sinne der Satzgliedlehre sind DC/DI und PD ganz normale Dativobjekte. Im Sinne der Valenztheorie ist aber ihr Status – wie auch der des DO – noch zu klären. Erinnert sei an die obige Eisenberg-Definition, nach der die Probleme beim DC und beim PD unterschiedlich liegen würden. Deshalb wenden wir uns zuerst dem DC/DI und dessen Vergleich mit dem DO zu. Anschließend beschäftigen wir uns mit dem PD.

90 Das Umgekehrte gilt nicht. Denn es gibt eine ganze Reihe von (aus guten Gründen) nicht dativpassivfähigen (und nicht ditransitiven) Verben mit zweifelsfreiem Dativobjekt. Man denke etwa an die sog. symmetrischen Verben gleichen und ähneln. 91 (89) wurde im Kap. I/3.5 bereits analysiert.

Zwischenfazit

506 

DO und DC/DI

INSP

Koordination

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Die Klärung des Valenzstatus bedeutet, dass man die Frage stellen muss, aus welchen spezifischen Valenzrelationen (INSP und/oder FOSP und/oder NOT) sich bei bestimmten Valenzträgern der +BET-Wert, d.  h. die Intuition, dass das Satzglied im Dativ einen Szenariobeteiligten kodiert, speist. Deshalb wenden wir uns der Reihe nach den drei spezifischen Valenzrelationen zu. Valenzträger mit einem DO (im folgenden Beleg: reichen) lassen sich mit Valenzträgern mit einem DC (halten, aufheben) ohne Weiteres koordinieren: (90) denn Oskar hatte (DO/ dem Matzerath DC) zuvor nie etwas gereicht, gehalten oder aufgehoben. (Günter Grass: Die Blechtrommel, zit. n. Schmid 2006: 958) Daraus ist zu schließen, dass die indizierte semantische Rolle unabhängig davon ist, ob es sich um DO oder DC handelt: Subjekt – Prädikat – Handlungsträger – Handlung – Oskar reichte/hielt/hob auf

Rezipient vs. Betroffener

DO/DC Akkusativobjekt Handlungs- Handlungsbetroffener gegenstand dem Matzerath etwas

Dieses Beispiel zeigt, dass die semantische Rolle des DO/DC offener als Rezipient ist. Verben wie halten oder aufheben sind keine Verben des Gebens/Nehmens, in den Sätzen mit diesen Verben indiziert das Satzglied im Dativ jedoch dieselbe semantische Rolle wie das DO von reichen. Koordinierbarkeit ist also ein Argument für die Annahme, dass es signifikativsemantisch adäquater ist, von einem Handlungsbetroffenen zu sprechen. Auf ein weiteres Argument, nämlich auf die Rolle des Satzglieds im Dativ bei Alternationen, wird unten einzugehen sein. Ich werde im Nachfolgenden auf den eingebürgerten Terminus Rezipient zwar nicht verzichten, aber ihn ausdrücklich nicht in dem klassischen (engen, denotativ-semantischen) Transfer-Sinne verstehen, sondern synonym mit Handlungsbetroffenem verwenden.92 Die Offenheit der von dem jeweiligen Satzglied im Dativ indizierten semantischen Rolle geht sogar über die Kodierung des Handlungsbetroffenen hinaus: Handlung: (91) (DO) Ich gebe euch am Wochenende einen Kuchen. (92) (DC) Ich backe euch am Wochenende einen Kuchen. (Eroms 2000: 195)

92 Ein Verzicht auf Rezipient wäre zwar begrifflich konsequent, hätte aber zahlreiche unangenehme terminologische Konsequenzen. Beispielsweise müsste der Terminus ‚Rezipientenpassiv‘ durch ‚Handlungsbetroffenenpassiv‘ ersetzt werden.



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 507

Ich rauchte und pöbelte Leute an […] und zu Hause legte ich (93) (DI) meiner Mutter die Beine auf den Tisch. (Christa Wolf: Der geteilte Himmel, zit. n. Schmid 2006: 959) (94) (DC?) Max schneidet seiner Freundin (die) Rosen ab. (Schmid 1988: 153) Tätigkeit: (95) (DO) Ich helfe dir. (96) (DC) Ich passe dir auch auf die Kinder auf. (Eroms 2000: 195) Vorgang: (97) (DO) Mir ist etwas aufgefallen. (89) (DI?) Mir ist etwas dazwischen gekommen. Ihm ist die Vase heruntergefallen. (98) (DI) (Fischer 2003: 29) Zustand: (99) (DO) Noch stand ihm die Wüste offen. (Wolfgang Koeppen: Der Tod in Rom, zit. n. Schmid 2006: 957) (100) (DC?) Noch stand ihm die Tür offen. Die ‚Betroffenheit‘ des jeweiligen Satzglieds im Dativ lässt sich auf alle Ereignisklassen beziehen. Entsprechend können signifikativ-semantisch zwar vier verschiedene dativbezogene semantische Rollen  – Handlungsbetroffener, Tätigkeitsbetroffener, Vorgangsbetroffener und Zustandsbetroffener  – unterschieden werden, doch diese haben einen gemeinsamen Nenner: Das Satzglied im Dativ leistet (relativ) ereignisklassenübergreifend einen (relativ) stabilen Beitrag zur semantischen Struktur, d.  h., es ist (relativ) autonom kodierend. An dieser Stelle kann also erneut das Konzept der autonomen Kodierung der IDSGrammatik (1997/2: 1039  f.) herangezogen werden.93 Unter autonom kodierenden Ausdrücken (= +Autokod) versteht die IDS-Grammatik Ausdrücke, die relativ unabhängig von ihrer grammatischen Umgebung dieselbe satzsemantische Information kodieren, z.  B. das Lokaladverbial in London, das in (101) das Szenario (situierend) kontextualisiert (= Supplement), während es sich in (102) am Szenario beteiligt (= Komplement): (101) Er arbeitet (Lokal- in London adverbial). (102) Er wohnt (Lokal- in London (adverbial)komplement). (Beispiele n. IDS-Grammatik 1997/2: 1040)

93 Das Konzept wurde bereits bei der Rekonstruktion der Textglieder (Kap. I/2.4.3) verwendet.

(relativ) autonome Kodierung

508 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Autonom kodierend sind typischerweise Adverbiale, nicht autonom kodierend typischerweise die Objekte und das Subjekt. Allerdings nimmt hier das Dativobjekt eine Zwischenstellung ein (IDS-Grammatik 1997/2: 1088):94 Von allen Kasuskomplementen ist das Dativkomplement dasjenige mit der größten Nähe zu einer autonomen Kodierung. Im Vergleich zur Adverbialkodierung freilich muß sie beim Dativkomplement als schwach ausgeprägt gelten. autonome ­Kodierung beim DC und DI

Die obigen Vergleiche von DO mit DC/DI sprechen dafür, dass die autonome Kodierung bei einem personenbezeichnenden Satzglied im Dativ gar nicht so schwach ausgeprägt ist. Es kodiert eben einen Betroffenen, der sich in alle Ereignisklassen einfügt und dessen positive oder negative Betroffenheit (DC oder DI) vom jeweiligen Prädikat und/oder Szenario und/oder Kontext und nicht vom Satzglied im Dativ abhängt (vgl. auch Welkes Beispiele mit reparieren vs. demolieren): Subjekt Vorgangsträger der Lottogewinn/der Unfall

– Prädikat – – Vorgang – ist dazwischen gekommen

Subjekt – Prädikat – Handlungsträger – Handlung – Max schneidet ab Fazit: INSP

FOSP und Alternationen

DC/DI? Vorgangsbetroffener ihm

DC/DI? Akkusativobjekt Handlungsbetroffener Handlungs gegenstand seiner Freundin (die) Rosen

Wir können also keinen Unterschied in der semantischen Struktur von Sätzen mit DO und DC/DI feststellen. Die Intuition, dass das Satzglied im Dativ bei bestimmten Valenzträgern einen Szenariobeteiligten kodiert (= +BET) und bei anderen nicht, ergibt sich demnach nicht aus einer spezifischen INSP-Relation. Es ist eine Art Gemeinplatz der Dativforschung, dass der DC – im Gegensatz zum DO – durch eine Präpositionalfür+AKK-gruppe, die die semantische Rolle des Benefaktivs (= des Begünstigten/Nutznießers) trägt, ersetzbar sei:95 (80) Er hat (DC: Handlungs- mir betroffener) das Fahrrad repariert. → Er hat (Bene- für mich faktiv) das Fahrrad repariert.

typologischer Abstecher

Es fragt sich allerdings mit Peter Eisenberg (2006/2: 298), was der Status dieser Probe ist: Was erfährt man eigentlich über den DC, wenn man ihn durch die benefaktive Präpositionalfür+AKK-gruppe ersetzt? Sprachtypologisch gelten der ditransitive Konstruktionstyp, der eine „transfer situation“ kodiert, und der benefaktive Konstruktionstyp, der eben eine „benefactive 94 DC/DI und auch der PD (Pertinenzdativ) gelten nach der IDS-Grammatik (ebd.) ebenfalls als (periphere) Dativobjekte. 95 S. etwa Helbig/Buscha (2001: 189, 265 und 463).



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 509

situation“ kodiert, zwar als eng verwandte, aber unterschiedliche Konstruktionstypen (vgl. Kittilä 2005, Malchukov/Haspelmath/Comrie 2010).96 Ein oft erörterter ditransitiver Alternationstyp ist die sog. „dative alternation“ im Englischen mit den Alternanten „double-object construction“ und „prepositional dative construction“ (Malchukov/Haspelmath/Comrie 2010: 13): (103) Mary gave John a pen. (a) Mary gave a pen to John. (b)

„dative ­alternation“

[double-object construction] [prepositional dative construction]

Dieser Typ von ditransitiver Alternation ist dem Deutschen auch nicht fremd (Beispiele n. Sommerfeldt/Schreiber 1996: 72):97 (a) – Prädikat – Subjekt Handlungsträger – Handlung – Der Verlag liefert

DO Handlungs- betroffener dem Buchhändler

(b) – Prädikat – Subjekt Handlungsträger – Handlung – Der Verlag liefert

Akkusativobjekt Präpositionalobjekt Handlungs- Handlungsadressat gegenstand die bestellten Bücher an den Buchhändler

Akkusativobjekt Handlungsgegenstand die bestellten Bücher

Entscheidend bei dieser (wie bei jeder Alternation) ist, dass die Alternanten einander nicht ‚ersetzen‘, sondern dem Sprachbenutzer grammatisch-semantische (und auch pragmatische) Alternativen bieten. Wählt man das DO, wählt man damit die signifikativ-semantisch neutrale, offene Alternante.98 Wählt man dagegen das Präpositionalan+AKK-objekt, wählt man damit die signifikativ-semantisch spezifische, geschlossene Alternante (= adressat). Ich nenne diesen Typ von ditransitiver Alternation in terminologischer Anlehnung an Malchukov/Haspelmath/Comrie 2010 Transfer-Alternation (= Dat/an+Akk-Alternation).

96 „The key difference between benefactives and ditransitives is that beneficiaries may also occur with intransitive verbs (as in She sang for me).“ (Malchukov/Haspelmath/Comrie 2010: 3). Auf die semantische Rolle Benefaktiv wird genauer unten bei den Präpositionalobjekten einzugehen sein. 97 S. auch die oben erwähnte geben-Alternation auf Grund eines E-Valbu-Belegs. 98 Dass der Buchhändler denotativ-semantisch derjenige ist, der etwas erhält (= Rezipient im denotativ-semantischen Sinne), ergibt sich aus der Relation der autonomen Dativkodierung zur Verbbedeutung. Wählt man ein anderes ditransitives Verb ohne Transferbedeutung, gibt es denotativsemantisch keinen Rezipienten mehr, signifikativ-semantisch bleibt jedoch der Handlungsbetroffene erhalten, z.  B. Der Verlag zeigt dem Buchhändler die bestellten Bücher.

TransferAlternation (Dat/an+AkkAlternation)

510 

BenefaktivAlternation (Dat/für+AkkAlternation)

der Dativpol

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Für die Kodierung einer „benefactive situation“ steht im Deutschen ebenfalls eine Alternation zur Verfügung: (a) Subjekt – Prädikat – Handlungsträger – Handlung – Die Beamten backen

DC Handlungs- betroffener der Redaktion

Akkusativobjekt Handlungsgegenstand einen Kuchen

(b) Subjekt – Prädikat – Handlungsträger – Handlung – Die Beamten backen

Präpositionalobjekt Handlungs- benefaktiv für die Redaktion

Akkusativobjekt Handlungsgegenstand einen Kuchen

Auch hier gilt, dass die Alternanten einander nicht ‚ersetzen‘, sondern für den Sprachbenutzer grammatisch-semantische Alternativen bieten. Wählt man den DC, wählt man damit die signifikativ-semantisch neutrale, offene Alternante. Wählt man dagegen das Präpositionalfür+AKK-objekt, wählt man damit die signifikativ-semantisch spezifische, geschlossene Alternante (= Benefaktiv).99 Ich nenne diesen Typ von ditransitiver Alternation Benefaktiv-Alternation (= Dat/für+Akk-Alternation). Je nachdem, ob sich das Satzglied im Dativ nur an einer der beiden Alternationen oder an beiden Alternationen beteiligt, lassen sich exklusive vs. inklusive Szenarios unterscheiden:100 exklusiver Typ: (104) (a) Die Beamten geben der Redaktion einen Kuchen. (b) *Die Beamten geben für die Redaktion einen Kuchen. (105) (a) Die Beamten backen der Redaktion einen Kuchen. (b) *Die Beamten backen einen Kuchen an die Redaktion.

99 Die Unterscheidung von Präpositionalobjekten und Adverbialien in Form von Präpositionalgruppen stellt ein Dauerproblem der deutschen Grammatikschreibung dar, auf das bei der Erörterung der Präpositionalobjekte (noch in diesem Kapitel) einzugehen sein wird. In diesem Zusammenhang muss dann auch die Frage nach dem Satzgliedwert der Präpositionalfür+AKK-gruppe gestellt werden. Wie ersichtlich, werde ich dafür plädieren, die benefaktive Präpositionalfür+AKK-gruppe als Präpositionalfür+AKK-objekt einzustufen. 100 Denotativ-semantisch wird die Dativalternante des inklusiven Typs als ambig wahrgenommen, bei dem es unklar sei, ob eine Transfer- oder eine Benefaktiv-Situation kodiert ist (s. Schmid 1988: 152  f. zum Dativ bei schreiben und Malchukov/Haspelmath/Comrie 2010: 2  f. zu She brought me a coffee). Helbig/Buscha (2001: 264) stellen zum Dativ in Er schreibt seiner Freundin einen Brief fest: „Manchmal sind die Dative in isolierten Sätzen sowohl als Objektsdativ als auch als freier Dativ interpretierbar […].“



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 511

inklusiver Typ: (106) (a) Er schreibt/schickt ihr einen Brief. (b’) Er schreibt/schickt für sie einen Brief. (b’’) Er schreibt/schickt einen Brief an sie. Oben wurde Koordinierbarkeit von DO und DC als ein Argument für die Annahme der signifikativ-semantischen Rolle Handlungsbetroffener herangezogen. Die Funktion des Dativpols bei Alternationen ist ein weiteres Argument: Das Satzglied im Dativ ist der neutrale Pol, die semantisch offene Alternante beider Alternationen. Die Offenheit gilt bereits für den exklusiven Typ und noch stärker für den inklusiven. Weder beim inklusiven noch beim exklusiven Typ besteht ein Unterschied in der grammatischen Struktur von Sätzen mit DO und DC. In beiden Fällen handelt es sich um ein (relativ) autonom kodierendes Satzglied im Dativ, das den Handlungs­ betroffenen indiziert. Beim inklusiven Typ stellt das Satzglied im Dativ die neutrale Alternante sowohl einer Transfer- wie auch einer Benefaktiv-Alternation dar. Beim exklusiven Typ stellt es dagegen die neutrale Alternante entweder einer Transfer-Alternation oder einer Benefaktiv-Alternation dar. Die Intuition, dass das Satzglied im Dativ bei bestimmten Valenzträgern einen Szenariobeteiligten kodiert (= +BET) und bei anderen nicht, ergibt sich in Sätzen mit DO/DC demnach nicht aus einer spezifischen FOSP-Relation. Sie könnte sich höchstens – allerdings nur beim exklusiven Typ – daraus ergeben, dass die Transfer-Alternation lexikalisch generell eingeschränkter und idiosynkratischer ist als die Benefaktiv-Alternation:101

+/-Alternation = +/-FOSP?

(104) Die Beamten geben der Redaktion einen Kuchen. (a) ?Die Beamten geben einen Kuchen an die Redaktion. (b) Zwar gibt es also keine spezifische FOSP-Relation, die Valenzträger mit DO von Valenzträgern mit DC trennen würde, aber es gibt ganz offensichtlich eine Exklusivi­ tätsskala, an der die Valenzträger mit DO/DC angeordnet werden können:102 1. Inklusivität: offen für beide Alternationen; 2. Benefaktiv-Exklusivität: offen nur für Benefaktiv-Alternation; 3. Transfer-Exklusivität: offen nur für Transfer-Alternation; 4. Exklusivität: keine Alternation. Die Intuition, dass das Satzglied im Dativ bei bestimmten Valenzträgern einen Szenariobeteiligten kodiert (= +BET), beruht also zwar nicht auf der Formspezifik des Satz101 Der DI scheint gar keine Alternation einzugehen. 102 Die Skala ließe sich – insbesondere bei den Gruppen 2 und 3 – natürlich weiter verfeinern.

+/-Exklusivität des Dativs

512 

NOT

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

glieds im Dativ, aber auf jeden Fall (auch) auf dessen Exklusivitätsgrad: Exklusivität und Transfer-Exklusivität tragen zur +BET-Intuition, Inklusivität und BenefaktivExklusivität zur -BET-Intuition bei. M. a. W., je eingeschränkter die Dativalternationsmöglichkeit in einem Satz ist, desto eher hat der Sprachbenutzer das Gefühl, dass das Satzglied im Dativ zur Valenz des statischen Valenzträgers gehört. Es bleibt noch die Frage zu klären, welche Rolle NOT spielt. Wenn das Satzglied im Dativ obligatorisch zu realisieren ist (= +NOT), ist die +BET-Intuition auf jeden Fall gesichert: Es handelt sich um ein DO. Wie steht es aber um das ‚weglassbare‘, ‚fakultativ‘ zu realisierende Satzglied im Dativ (= -NOT).103 Betrachten wir hierzu die folgenden Beispielpaare (107) (a) Alfred gibt1 den Armen zwei Mark. (b) Alfred gibt1 zwei Mark. (Tesnière 1980: 161) (108) (a) Die Kuh gibt2 viel Milch. (Schöfer 1989: 85) (b) ?Die Kuh gibt2 dem Bauern viel Milch. (Schöfer 1989: 85)

-NOT vs. -EXISTENT

[ditransitiver Valenzträger] [monotransitive Valenzrealisierung]

[monotransitiver Valenzträger] [ditransitive Valenzrealisierung]

Das Verb geben ist polyvalent, hat also mehrere Grundvalenzträger (Kap. III/1.3.3). U. a. hat es einen ditransitiven, also dreiwertigen (Subjekt, Dativobjekt, Akkusativobjekt), Valenzträger (= geben1) und einen monotransitiven, also zweiwertigen (Subjekt, Akkusativobjekt), Valenzträger (= geben2) mit der Bedeutung ‚produzieren‘ (Schöfer 1989: 85  ff.). Dass geben2 tatsächlich zweiwertig ist, lässt sich testen, denn der Satz (108b) stellt ganz offensichtlich nicht die 1:1-Realisierung der Grundvalenz von geben1, sondern die Erhöhung der Grundvalenz von geben2 um die Dativstelle dar, weshalb er von Göran Schöfer zu Recht als „eigenartig“ eingestuft wird (vgl. Schöfer 1989: 86). Der Vergleich der Beispielpaare ist methodologisch sehr aufschlussreich. Aus einer rein ‚mechanischen‘ Perspektive könnte man nämlich zu dem Schluss kommen, dass das Satzglied im Dativ sowohl bei geben1 als auch bei geben2 weglassbar sei. Es geht aber ganz offensichtlich um zwei völlig unterschiedliche Sachverhalte: Das Geben1-Szenario präsupponiert den Handlungsbetroffenen, aber das Satzglied im Dativ bei geben1 tritt nicht absolut obligatorisch auf, es steht nicht unter

103 Weglassbarkeit und Fakultativität, die hier der Einfachheit halber gleichgesetzt werden, müssen im Rahmen einer typologisch fundierten Valenzrealisierungstheorie sorgfältig auseinander gehalten werden. Fakultativität als zumindest potenzielle Wahlfreiheit eines Textproduzenten, das Komplement X in einem konkreten Text zu realisieren oder nicht, setzt die Weglassbarkeit von Komplement X voraus. Hierzu s. ausführlich Ágel 2000: 241  ff.



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 513

absolutem Realisierungszwang. Wenn es nicht realisiert wird, wird das ditransitive (statische) Szenario ((107a)) monotransitiv umszeniert ((107b), sog. Valenzreduktion, Kap. III/2.2.2). Das DO ist ein statisches Dativobjekt. Es ist ein -NOT-Komplement. Das Geben2-Szenario präsupponiert dagegen keinen Handlungsbetroffenen. Deshalb tritt das Satzglied im Dativ bei geben2 normalerweise gar nicht auf den Plan, es steht nicht unter Hinzufügungszwang. Wenn es doch hinzugefügt wird, wird das monotransitive (statische) Szenario ((108a)) ditransitiv umszeniert ((108b), sog. Valenz­erhöhung, Kap. III/2.2.2). Der DC ist ein dynamisches Dativobjekt. Er ist in Bezug auf das statische Szenario weder +NOT noch -NOT. Statisch ist er eben nicht ‚existent‘. Allerdings lassen sich nicht beliebige statische Sätze qua DC (oder DI) umszenieren. Umstritten ist dabei, ob die Umszenierbarkeit verb(subklassen)spezifisch oder eher szenariospezifisch ist.104 Vielleicht ist das aber eine Diskussion um des Kaisers Bart. Denn auf Grund der in der Literatur diskutierten Beispieltypen könnte Umszenierbarkeit ähnlich wie (In-)Transitivierung sowohl vom jeweiligen Valenzträger als auch von der lexikalischen und grammatischen Realisierung der (statischen) Komplemente abhängen.105 Hierzu ein relativ einfacher Fall:

Umszenierbarkeit

[Transfer-offene Valenzrealisierung] (109) Sie schreibt eine Mail/SMS. (110) Er schreibt ein/-en Tagebuch/Test. [Transfer-geschlossene Valenzrealisierung] Verbindet man den Valenzträger schreiben mit einem Akkusativobjekt wie eine Mail/ SMS, wird das Szenario auf eine Transfer-Alternation hin geöffnet, mit einem Akkusativobjekt wie ein Tagebuch / einen Test (normalerweise) geschlossen. Der Valenzträger schreiben ist qua DC zwar prinzipiell umszenierbar, aber die Umszenierbarkeitsintuition basiert eher auf Texterfahrungen mit dem Typ eine Mail/SMS schreiben als mit dem Typ ein Tagebuch / einen Test schreiben.106 Der DC/DI ist ein dynamisches Dativobjekt. Wenn man ihn in einen statischen Satz einfügt, wird dieser umszeniert. Der dynamische Satz drückt qua dynamischem Dativobjekt eine Art Betroffenheit aus.107

104 Zur Subklassenspezifik vgl. Heide Wegeners (1985: 66  ff.) Einteilung der Dativverben, bei der am ehesten die Klasse der „Verben, die einen Dativ generell zulassen“ diejenigen Verben enthält, die eine DC/DI-Hinzufügung erlauben. Hans-Werner Eroms (2000: 195 und 2012) spricht in diesem Zusammenhang von „latenter Valenz“, die er der „manifesten Valenz“, d.  h. der statischen Valenz, gegenüberstellt. Gegen Subklassenspezifik und für Szenariospezifik argumentiert Josef Schmid (1988: 152  ff.). 105 Auf die Transitivitätstheorie von Hopper/Thompson (1980), die die Transitivität von konkreten Sätzen anhand von neun Parametern skalar modelliert, wurde zuletzt oben beim Akkusativobjekt eingegangen. 106 Die Umszenierbarkeitsintuition ist „idiomatisch geprägt“ (Feilke 1994, 1996 und 1998). 107 Vgl. hierzu das Konzept der szenarioverändernden Valenzänderung von Klaus Fischer (2003: 28  ff.). Eine Art Betroffenheits(um)szenario ist z.  B. das (von Fischer sog.) Verantwortlichkeitsszenario wie in Ihr ist die Vase heruntergefallen (Fischer 2003: 29) oder Ihm ist der Hund weggelaufen (Ágel/ Fischer 2010: 270).

Fazit: DC/DI

514 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Die Umszenierung lässt sich mit Hilfe der Funktion-Argument-Wert-Formel sowohl satz- als auch valenzbezogen darstellen: DC/DI ((statischer) Satz) = (dynamischer) ‚Betroffenheitssatz‘ DC/DI ((statische) Valenz) = (dynamische) Valenz (mit (dynamischem) Dativobjekt) DO und DC/DI

DO wie DC/DI stellen aus valenztheoretischer Sicht Dativobjekte dar. Diese Einschätzung basiert auf folgenden gemeinsamen Satzglied-Merkmalen: 1. Der DC/DI verhält sich grammatisch im dynamischen Satz wie das DO im statischen (s. die drei Satzgliedproben). 2. DO und DC/DI sind koordinierbar. 3. Das personenbezeichnende Dativobjekt ist bei DO wie DC/DI (relativ) autonom kodierend, d.  h., es ist nicht formspezifisch/regiert und die semantischen Rollen haben einen szenarioübergreifenden gemeinsamen Nenner, den Betroffenen. 4. Deshalb ist es mit zahlreichen Valenzrealisierungsmustern (Satzbauplänen/Konstruktionen) kompatibel. Die Unterschiede beziehen sich auf die Partizipation an Alternationen und auf die NOT-Relation: 1) Exklusivität (des Dativobjekts) und Transfer-Exklusivität tragen zur +BET-Intuition, Inklusivität und Benefaktiv-Exklusivität zur -BET-Intuition bei. 2) Wenn ein Dativobjekt nicht absolut obligatorisch ist (= +NOT), gibt es prinzipiell zwei Möglichkeiten: Es gehört zum statischen Szenario, wurde aber nicht realisiert (= -NOT), oder es existiert statisch nicht.

ein Valenz­ phänomen der dritten Art

PD

Das dynamische Dativobjekt ist also das Ergebnis einer ‚Betroffenheitsumszenierung‘. Es ist zwar in der Verbsubklasse angelegt (latent valent), aber nur szenariospezifisch aktivierbar. Es wird also vom dynamischen Prädikat nicht erzwungen, sondern nur ermöglicht. „Dinge, die Ergebnisse menschlicher Handlungen, nicht aber Ziel ihrer Intentionen sind“, stellen nach Rudi Keller (1990: 81) „Phänomene der dritten Art“ dar. Die dynamische Valenz des ‚Betroffenheitsumszenarios‘ ist genau so ein Phänomen der dritten Art: Die Sprachbenutzer, die eine ‚Betroffenheitsumszenierung‘ qua DC/DI vollziehen, wollen die Valenz des statischen Valenzträgers nicht erhöhen, als begleitendes Ergebnis der Umszenierung kommt aber die Valenzerhöhung notwendigerweise zustande. Metaphorisch gesprochen ist der DC/DI ein Geschenk des Umszenarios an das dynamische Prädikat, d.  h. ein Valenzphänomen der dritten Art. Wir kommen nun zu einem anderen Valenzphänomen der dritten Art, zum PD (= Pertinenzdativ). Der PD (Dativus possessivus) indiziert den Possessor (‚Besitzer‘) in einer possessiven Relation im weiteren Sinne. Das andere Relatum, das Possessum (‚Besitz‘),



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 515

stellen prototypischerweise Bezeichnungen von Körperteilen oder getragenen Kleidungsstücken dar.108 Hier einige Belege: (111) […] er küßte (Pertinenz- ihr dativ) (nominales die Hand Akkusativobjekt) […]. (Böll Dienstfahrt: 7) (112) […] legte er (Pertinenz- ihr dativ) (nominales eine Hand Akkusativobjekt) (Direk- auf den Arm tivum) […]. (Böll Dienstfahrt: 51) (113) Henry schlug (Pertinenz- mir dativ) (Instrumental- mit dem Handrücken adverbial) (Direk- ins Gesicht tivum). (Hein Freund: 158) (114) Sie reißen (Pertinenz- dir dativ) (nominales das Hemd Akkusativobjekt) (Direk- vom Leibe tivum) […]. (Bild, 13. 06. 1967, zit. n. IDS-Grammatik 1997/2: 1089) Nach Bernhard Engelen (1984: 146) stellt „Teil-Ganzes-Verhältnis“ „das wichtigste Merkmal des Pertinenzdativs“ dar. Dies gilt auf jeden Fall für den Prototyp:

Possessor (= „Ganzes“) Possessum (= „Teil“) ihm (auf die) Schulter (schlagen) ihr (die) Hand (küssen) ihr                                               (eine Hand) (auf den) Arm (legen) mir (ins) Gesicht (schlagen) dir (das) Hemd (vom Leibe reißen)

Sprachtypologisch unterscheidet man Sprachen mit internen vs. externen Possessoren (internal vs. external possessors).109 Ein Vergleich von Deutsch (in der Regel extern) und Englisch (intern) illustriert den Unterschied (Beispiele n. König 2001: 970): (115) Fred is washing his hands. (116) Fritz wäscht (Pertinenz- sich dativ) die Hände. (117) My hands are shaking. (118) (Pertinenz- Mir dativ) zittern die Hände. (119) I told him to his face. (120) Ich habe es (Pertinenz- ihm dativ) ins Gesicht gesagt. Im Englischen werden Possessor und Possessum in derselben Substantivgruppe (als Possessivum + Körperteillexem) kodiert, die demnach immer einen einheitlichen

108 Über den Prototyp ist man sich zwar einig (Schmid 2006: 955), aber nicht über den Begriffs­ umfang der Pertinenzrelation. Den weitesten Pertinenzbegriff hat Heide Wegener (1985: 88  ff.), den engsten vertritt (u.  a.) Gerhard Helbig (Helbig/Buscha 2001: 263). Einen ‚mittigen‘ Pertinenzbegriff haben etwa Bernhard Engelen (1984: 146  ff.), Josef Schmid (1988: 106  ff.) und die IDS-Grammatik (1997/2: 1089). 109 Zu diesem typologischen Parameter vgl. König/Haspelmath 1998 und König 2001.

interner vs. externer Possessor

516 

der fach­ literarische Konsens Ersetz­ barkeit?

Status und Validität der Probe

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

grammatischen Wert erhält. In den Beispielen sind diese einheitlichen Werte: Akkusativobjekt, Subjekt und Direktivum. Im Deutschen dagegen gibt es jeweils zwei verschiedene Wortgruppen: den PD für den Possessor und eine Substantiv-/Präpositionalgruppe für das Possessum. Demnach ist davon auszugehen, dass sich – verglichen mit dem Englischen – auch die grammatischen Werte ‚spalten‘ müssen: ein Wert für die Possessorwortgruppe, d.  h. für den PD, und einer für die jeweilige Possessum-Wortgruppe. Was letztere angeht, sind die Werte in den Beispielen identisch mit den englischen ‚Einheitswerten‘: Akkusativobjekt, Subjekt und Direktivum. Was aber ist der grammatische Wert des PD? In der Fachliteratur besteht Konsens darüber, dass der PD (a) durch einen internen Possessor (Genitivattribut oder Possessivartikel) ersetzbar und (b) nicht weglassbar (= +NOT) sei.110 Diese Punkte sollen nun näher betrachtet werden: (82) Er schlug (Pertinenz- ihm dativ) auf die Schulter. → Er schlug auf die Schulter des Mannes / auf seine Schulter. Wendet man eine bestimmte Probe – hier: Ersatzprobe – an, muss man sich immer die Frage nach dem (1) (theoretischen) Status und der (2) (methodologischen) Validität der Probe stellen: Was wird theoretisch ‚bewiesen‘, wenn ein externer Possessor durch einen internen ersetzt wird? Und ist das ‚Beweisverfahren‘ überhaupt zulässig? Vergleichen wir unser Phänomen (Kodierung der Possession) mit einem durchaus analogen Fall (Kodierung der Modalität der Fremdbehauptung): (121) (a) Er küsste ihre Hand / die Hand der Frau. [intern] (b) Er küsste (Pertinenz- ihr dativ) die Hand. [extern] (122) (a) Er soll sie kennen. [intern] (b) Angeblich  kennt er sie. [extern]

Synonymie vs. grammatischer Wert

Die modalisierten Sätze (122a) und (122b) sind synonym, haben jedoch ganz andere Strukturen: In (122a) ist die modale Komponente ins Prädikat integriert (= Modalkomplex mit dem Modalverb sollen), in (122b) wird sie dagegen als eigenes Satzglied (= Kommentarglied (gerahmt)) realisiert. Ist es methodologisch zulässig zu sagen, dass das Kommentarglied das Modalverb ersetzen würde (oder umgekehrt) und daraus den Schluss zu ziehen, dass das 110 S. etwa Schmid 2006: 956. Engelen (1975/1: 120) schränkt die Nichtweglassbarkeit etwas ein („prinzipiell nicht weglaßbar“), lässt jedoch die Ersetzbarkeit uneingeschränkt gelten („immer in eine Possessivangabe transformierbar“). Der typologische Begriff des internen Possessors wird in der Valenztheorie nicht verwendet, man spricht vom Genitivattribut und vom Possessivpronomen oder eben von einer Possessivangabe. Ich betrachte allerdings das sog. Possessivpronomen in Anlehnung an Eisenberg (2006/2: 141) als Artikel (Possessivartikel).



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 517

Kommentarglied und das Modalverb in einem paradigmatischen Zusammenhang stehen und sogar denselben Satzgliedwert zugewiesen bekommen würden? Nein, natürlich nicht. Es handelt sich um unterschiedliche grammatische und semantische Strukturen, die aus unterschiedlichen sprachlichen Perspektiven auf denselben außersprachlichen Sachverhalt zugreifen. Die Sätze sind also als Bezeich­ nungen synonym, aber nicht als grammatische und lexikalische Bedeutungen.111 Vergleichbares passiert im Falle der externen vs. internen Possession. Sie sind im Deutschen (mitunter) bezeichnungssynonym, sie stellen (u.  U.) alternative Ausdrucksmöglichkeiten dar, es handelt sich jedoch um unterschiedliche grammatische und semantische Strukturen, die eben aus unterschiedlichen sprachlichen Perspektiven auf denselben außersprachlichen Sachverhalt zugreifen. M. a. W., externer und interner Possessor sind (bezeichnungs)synonym, haben jedoch unterschiedliche grammatische Werte. Im Übrigen gilt das auch für die zwei genannten Typen des internen Possessors: Das Genitivattribut (der Frau) stellt eben das Attribut in der Substantivgruppe (die Hand der Frau) dar, während der traditionell Possessivpronomen genannte Possessivartikel (ihre) der Kopf der Substantivgruppe (ihre Hand) ist.112 Wie erwähnt, besteht in der Fachliteratur Konsens darüber, dass der PD (= der externe Possessor) notwendig, d.  h. nicht weglassbar, sei:

+NOT?

(82) Er schlug (Pertinenz- ihm dativ) auf die Schulter. → ??Er schlug auf die Schulter. Auch hier gibt es allerdings theoretische und methodologische Bedenken: (1) Wenn in einer possessiven Relation der sprachliche Ausdruck für den Possessor weggelassen wird, wird eben das eine Relatum einer Relation eliminiert, was automatisch zur Zerstörung der Relation führt. Die Probe ‚beweist‘ also theoretisch lediglich eine logische Binsenwahrheit: Wenn das eine Relatum einer Relation eliminiert wird, gibt es keine Relation mehr. (2) Dass auf diese Weise das andere Relatum, d.  h. der sprachliche Ausdruck für das Possessum, in der reduzierten Struktur alleine bleibt, ist unabhängig von der grammatischen Kodierung des Possessors. Deshalb weiß man bei der obigen Testanwendung nicht, was eigentlich die Vergleichsgrundlage, die Ausgangsstruktur des Tests, ist. Sie könnte auch die dativlose Struktur mit internem Possessor (Genitivattribut, aber auch Präpositionalattribut) sein:

111 Die Begriffe ‚Bezeichnung‘ und ‚Bedeutung‘ werden im Sinne von Eugenio Coseriu (1988a: 79) verwendet: Die Bezeichnung „ist die Beziehung zu außersprachlichen Gegenständen oder zur außersprachlichen ‚Wirklichkeit‘, seien es nun die Sachverhalte selbst oder die entsprechenden Gedankeninhalte.“ Die Bedeutung „ist der sprachlich gegebene Inhalt in einer Einzelsprache, d.  h. die besondere Gestaltung der Bezeichnung in einer bestimmten Sprache.“ 112 Auf die Wortgruppenglieder ‚Kopf‘, ‚Kern‘ und ‚Attribut‘ kommen wir im Kap. IV/1.2 zu sprechen. Zum Possessivartikel Anm. 110.

Status und Validität der Probe

518 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

(82’) Er schlug auf die Schulter des Mannes / der Frau / von Peter. ??→ ??Er schlug auf die Schulter. (3) Im Grunde weiß man nicht einmal, was die Ausgangsstruktur und was die Zielstruktur ist: Warum testet man die Weglassbarkeit und nicht die Hinzufügbarkeit des PD (und deren Bedingungen)? Wir haben ja beim Vergleich von DO mit DC/DI gesehen, dass dieser Einwand keinesfalls trivial ist. (4) Und warum geht man bei der Anwendung der Weglassprobe mechanisch davon aus, dass die lexikalische Besetzung der Satzglieder unabhängig von dem zu testenden Phänomen identisch bleiben muss? die Ausgangs­ struktur

Die Vergleichsbasis/Ausgangsstruktur für den grammatischen Ausdruck einer possessiven Relation kann nur eine von den grammatischen Werten her identische gram­ matische Struktur ohne Realisierung einer possessiven Relation sein. Das ist im Falle des obigen Valenzträgers schlagen der Hauptsatzbauplan ‚Subjekt + Prädikat + Direktivum‘: (82a)

Haupt- und Nebensatzbauplan

Valenz­ erhöhung

(Sub-

Er jekt) schlug (Direk- auf jmdn./etw. (auf den Mann / auf den Tisch…) tivum).

Haupt(satzbau)pläne, d.  h. (statische) Valenzrealisierungsstrukturen, stellen die Gesamtheit der in einer Einzelsprache zu einem bestimmten Zeitpunkt verfügbaren statischen (= auf statischer Valenz basierenden) grammatischen Grundstrukturen dar.113 Es ist die statische Grundstruktur ohne possessive Relation, auf die sich die (externe) possessive Relation ‚draufsetzen‘ lässt. Im Falle des obigen Valenzträgers schlagen mit dem Hauptplan ‚Subjekt-PrädikatDirektivum‘ ist der (dynamische) PD-Nebenplan ‚Subjekt-Prädikat-[PD+Direktivum]‘: (82b) Er schlug (Pertinenz- ihm dativ) auf die Schulter.

PD-Nebenpläne

Hier wurde das grammatische Muster der externen Possession auf den obigen Hauptplan angewandt, was zur Valenzerhöhung geführt hat: Ohne possessive Relation hat ein (statisches) Satzglied (im Beispiel: das Direktivum) gereicht, mit (externer) possessiver Relation bedarf es eines neuen Satzglieds für den Possessor. Das Possessum besetzt dann den ‚alten‘ Hauptplan-Satzgliedwert. Laut Duden (1998: 698  ff.) gibt es von den insgesamt 23 Hauptplänen fünf, auf die sich die externe Possession als Funktion anwenden lässt: externe Possession (Hauptplan) = PD-Nebenplan

113 Hier orientiere ich mich an älteren Auflagen der Duden-Grammatik (z.  B. Duden 1998: 676  ff.), in denen im Gegensatz zu neueren Auflagen (z.  B. Duden 2005: 932  ff.) zwischen Haupt- und Nebensatzbauplänen unterschieden wird. Vgl. auch das Konzept der primären vs. sekundären Satzglieder von Helbig/Buscha (2001: 462  ff.) mit dem PD als sekundärem Satzglied (Helbig/Buscha 2001: 263).



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 519

Das Ergebnis sind fünf (dynamische) Nebenpläne mit PD:114 Tab. 46: Dynamische PD-Nebenpläne mit ihren statischen Hauptplänen (statischer) Hauptplan

(dynamischer) PD-Nebenplan (= Hauptplan + externe Possession)

‚Subjekt-Prädikat‘ (Die Rosen blühen)

‚[Subjekt+PD]-Prädikat‘ (Die Hand blutet dem Kind)

‚Subjekt-Prädikat-Akk.objekt (I)‘ (Der Gärtner bindet die Blumen)

‚Subjekt-Prädikat-[PD+Akk.objekt] (I)‘ (Er streichelt ihr die Wangen)

‚Subjekt-Prädikat-Akk.objekt (II)‘ (Der Maler streicht die Wand weiß)

‚Subjekt-Prädikat-[PD+Akk.objekt] (II)‘ (Der Friseur färbt der Kundin die Haare blond)

‚Subjekt-Prädikat-Direktivum‘ (Ich schaue auf das Bild)

‚Subjekt-Prädikat-[PD+Direktivum]‘ (Ich klopfe ihm auf die Schulter)

‚Subjekt-Prädikat-Akk.objekt-Direktivum‘ (Ich hänge das Bild an die Wand)

‚Subjekt-Prädikat-Akk.objekt-[PD+Direktivum]‘ (Er legt ihm die Hand auf die Schulter)

Die Anwendung der NOT-Relation auf PD-Nebenpläne ist nicht valid, weil hier nicht die Valenz des Verbs, sondern lediglich die Explizierbarkeit der (externen) possessiven Relation getestet wird. Das dynamische Prädikat profitiert jedoch von der Dynamik: Wenn auf die statische Grundstruktur die externe Possession angewandt werden soll, muss der PD hinzugefügt werden. Der statische Valenzträger bekommt ein dynamisches Dativobjekt gewissermaßen ‚typologisch geschenkt‘. Entsprechend lassen sich die obigen Einführungsbelege (= (b)-Sätze) und ihre statischen Ausgangsstrukturen (= (a)-Sätze) wie folgt darstellen:

114 Die Mehrheit der Beispiele wurde aus dem Duden (1998: 681  ff.) übernommen. Die Benennung der Satzbaupläne wurde dem Konzept der vorliegenden Arbeit angepasst: Einerseits subsumiert der Duden (1998) das Lokal(adverbial)komplement und das Direktivum unter „Raumergänzung“. Andererseits hat er einen anderen Prädikatsbegriff: Während für den Duden streicht/färbt die Prädikate und weiß/blond die „Artergänzungen“ darstellen, wurde der Typus weißstreichen/blondfärben in der vorliegenden Arbeit als (dynamisches) Resultativprädikat analysiert. Deshalb musste hier der Duden-Hauptplan ‚Subjekt-Prädikat-Akk.objekt-Artergänzung‘ in ‚Subjekt-Prädikat-Akk.objekt (II)‘ umbenannt werden. Dieser Hauptplan ist also nur nach dem Duden-Prädikatsbegriff statisch. Nach meiner Auffassung ist ‚Subjekt-Prädikat-Akk.objekt (I)‘ statisch und ‚Subjekt-Prädikat-Akk.objekt (II)‘ dynamisch. Die PD-Dynamisierung von ‚Subjekt-Prädikat-Akk.objekt (II)‘ ist also rekursiv: externe Possession (dynamischer Hauptplan) = (dynamischer) PD-Nebenplan.

nichtvalide NOT

520 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

(111) (a) Er küßte (nominales die Frau Akkusativobjekt). (b) […] er küßte (dynamisches ihr Dativobjekt (= PD)) (dynamisches die Hand Akkusativobjekt) […]. (Böll Dienstfahrt: 7) (112) (a) Er legte (nominales eine Hand Akkusativobjekt) (Direk- auf die Frau tivum). (b) […] legte er (dynamisches ihr Dativobjekt (= PD)) (nominales eine Hand Akkusativobjekt) (dynamisches auf den Arm Direktivum) […]. (Böll Dienstfahrt: 51) (113) (a) Henry schlug (Instrumental- mit dem Handrücken adverbial) (Direk- auf mich tivum). (b) Henry schlug (dynamisches mir Dativobjekt (= PD)) (Instrumental- mit dem Handrücken adverbial) (dynains Gesicht Direktivum). misches (Hein Freund: 158) (114) (a) Sie reißen (nominales etwas Akkusativobjekt) (Direk- von etwas tivum). (b) Sie reißen (dynamisches dir Dativobjekt (= PD) (dynamisches das Hemd Akkusativobjekt) (Direk- vom Leibe […]. tivum) (Bild, 13. 06. 1967, zit. n. IDS-Grammatik 1997/2: 1089) Umszenierbarkeit

So wie beim DC/DI ist auch beim PD umstritten, ob die Umszenierbarkeit verb(subklassen)spezifisch ist oder nicht (Schmid 2006: 956). So wie beim DC/DI hängt auch beim PD in einer statischen Valenztheorie/Satzgliedlehre von der Beantwortung dieser Frage ab, ob er als Komplement/Satzglied angesehen wird oder nicht.115 Dass der PD ein Satzglied ist, haben wir gesehen. In einer dynamischen Valenztheorie ist es auch kein Problem, ihn als Komplement (Dativobjekt) einzustufen. Die Frage der Verbspezifik ist hier also keine theoretische ‚Schicksalsfrage‘ mehr, sondern eine rein empirische, die wir in der vorliegenden Arbeit im Detail nicht beantworten können und müssen. Fest steht allerdings, dass die Umszenierbarkeit qua externer Possession an die fünf genannten Hauptsatzbaupläne (im Sinne von Duden 1998: 681  ff.) gebunden ist, d.  h., dass die statische Valenz der umszenierbaren Verben einem dieser fünf Valenzrealisierungsmuster entstammen muss. Fest steht des Weiteren, dass die jeweilige Verbbedeutung und die lexikalische Besetzung der statischen Komplementstelle, die im dynamischen Satz der lexikalischen Besetzung des Possessors entspricht, entscheidend sind: (123) (a) Die Rose blüht. (b) ?Der Rose blüht die Blüte.

115 Schmid (1988: 138), der Verbspezifität ablehnt, schreibt: „solange die Verbspezifität des PD nicht hinreichend nachgewiesen ist, rechnen wir ihn nicht den Satzgliedern zu.“



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 521

(124) (a) Das Kind blutet. (b) Dem Kind blutet die Hand. Der PD ist ein dynamisches Satzglied, dessen Realisierung an die der Relation der externen Possession gebunden ist. M. a. W., die Notwendigkeit der Realisierung des PD als externen Possessors ergibt sich nicht aus der Dynamisierung des statischen Valenzträgers, sondern aus der Realisierung eines Possessums. Folglich kann der PD weder formspezifisch/regiert (-FOSP) noch inhaltsspezifisch (-INSP) sein. Wir haben oben gesehen, dass die drei Satzgliedproben (Frage-, Ersatz- und Dativpassivprobe) nicht nur beim DC/DI, sondern auch beim PD dafür gesprochen haben, dass der PD so wie das DO ein Szenariobeteiligter ist. Auch hier gilt, dass dies bezogen auf das dynamische Szenario (= Umszenario) zu verstehen ist: Der PD verhält sich grammatisch im dynamischen Satz wie das DO im statischen. Demnach ist er ein dynamisches Dativobjekt. Die Umszenierung lässt sich mit Hilfe der Funktion-Argument-Wert-Formel auch hier sowohl satz- als auch valenzbezogen darstellen:

Fazit: PD

externe Possession ((statischer) Satz) = (dynamischer) ‚Pertinenzsatz‘ externe Possession ((statische) Valenz) = (dynamische) Valenz (mit (dynamischem) Dativobjekt) Auch der PD ist also ein Valenzphänomen der dritten Art: Das dynamische Dativobjekt ist das Ergebnis einer ‚Pertinenzumszenierung‘. Der PD ist zwar in der Zugehörigkeit zu einem von fünf Hauptsatzbauplänen und in der jeweiligen Verbbedeutung angelegt (latent valent), aber nur qua Realisierung der externen Possession aktivierbar. Da die externe Realisierung der Possession im Deutschen den strukturellen Normalfall darstellt, ist bei diesem Typus der Valenz der dritten Art der individuelle Textgestaltungsspielraum eingeschränkter als beim DC, der mit der benefaktiven Präpositionalfür+AKK-gruppe alterniert. Das Thema ‚Pertinenzrelation‘ abschließend ist noch zu erwähnen, dass „in bestimmten Fällen statt des Pertinenzdativs auch ein Pertinenzakkusativ stehen (kann) – weitgehend ohne Bedeutungsunterschied […]“ (Schmid 2006: 956):

ein anderes Valenz­ phänomen der dritten Art

Pertinenz­ akkusativ

(125) (a) Sie küßte (nominales den Mann Akkusativobjekt). (b) […] sie küßte (Pertinenz- ihn akkusativ) (Direk- auf die Wange tivum) […]. (Böll Dienstfahrt: 75) Entsprechend ist der Pertinenzakkusativ ein dynamisches Akkusativobjekt. Der Widerspruch zwischen den Satzgliedproben auf der einen Seite und den Valenztests bzw. deren Nichtanwendbarkeit auf der anderen ließ sich in einem eindimensionalen (= rein statischen) Theorierahmen nicht auflösen. Deshalb wurde im

Fazit: freie Dative

522 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Rahmen einer (sprachtypologisch flankierten) zweidimensionalen  – statisch-dynamischen – Valenztheorie nach Lösungsmöglichkeiten gesucht.116 Die Lösung, die vorgeschlagen wurde, bestand darin, DC/DI und PD als zwei Typen von dynamischen Dativobjekten zu identifizieren und sie auf diese Weise sowohl voneinander als auch von dem gebundenen Dativ, d.  h. dem statischen Dativobjekt (= DO), ‚abzugrenzen‘. Dabei ist ‚Abgrenzung‘ nicht in einem strengen Sinne zu verstehen. Denn das Statik/Dynamik-Konzept entschärft das Satzgliedproblem doppelt: (1) Obwohl es im Einzelfall durchaus problematisch sein kann (und auch ist) zu entscheiden, ob es sich um ein statisches (= +BET) oder ein dynamisches Dativobjekt (= Valenz der dritten Art) handelt, geht es auf jeden Fall um ein Dativobjekt. (2) Dasselbe gilt für die Abgrenzung von DC/DI und PD: Obwohl es im Einzelfall durchaus problematisch sein kann zu entscheiden, ob es sich um einen DC/DI oder einen PD handelt, handelt es sich auf jeden Fall um ein dynamisches Dativobjekt.117 Präpositional­ objekte

Genuine Präpositionalobjekte sind Komplemente (Szenariobeteiligte) in Form von Präpositionalgruppen, deren jeweilige Präposition samt Kasus – in den Beispielen: mit+DAT, von+DAT, an+DAT, zu+DAT und auf+AKK  – vom Prädikat (Valenzträger) regiert ist (= +FOSP):118 Hannes, im Übrigen nicht besonders redselig Subjekt), teilt (nominales die Zelle Akkusativobjekt) (nominales mit dem Erzähler dieser Geschichte, aus dessen Leben Hannes erstaunlich viel mitzuteilen weiß und den er »Professor« nennt Präpositio. nalobjekt) [15] [(nominales es Subjekt)] handelt (nominales von zwei älteren Damen, die in einem Hamburger Vorgarten ein echtes Labyrinth haben, in dem man zur Verbesserung der Welt tatsächlich Leute, die es nicht anders verdient haben, zum Verschwinden bringen kann Präpositionalobjekt). [10]

(nominales

116 Ohne wichtige Vorarbeiten wäre dies nicht möglich gewesen. Vgl. vor allem Schöfer 1992: 94  ff., Fischer 2003: 28  ff., Welke 2009: 98  ff. bzw. 2011: 205  ff. und Eroms 2012. 117 Die dynamischen Dativobjekte, so wie die anderen dynamischen Satzglieder, müssten eigentlich erst im Kap. III/3.2.4 über dynamische Satzglieder behandelt werden. Mir scheint jedoch, dass es im Falle des Dativs sinnvoll war, eine Ausnahme zu machen und die darstellungsstrukturelle Inkonsequenz in Kauf zu nehmen. Dasselbe gilt für den Pertinenzakkusativ. 118 Dass der Valenzträger nicht nur die Präposition, sondern auch deren Kasus regiert, sieht man an den sog. Wechselpräpositionen, deren Kasusverwendung in Präpositionalobjekten festgelegt ist: arbeiten an der/*die Eingemeindung, warten auf die/*der Bewilligung. Bei Einkasus-Präpositionen (wie oben mit+DAT, von+DAT und zu+DAT) ist die Kasusrektion logischerweise nicht nachweisbar. Die IDSGrammatik (1997/2: 1034  ff.) trägt diesem Unterschied Rechnung, indem der Rektionsbegriff für Präpositionalobjekte in „Konstanz“ (= Regiertheit der Präposition) und „Kasustransfer“ (= Regiertheit des Kasus) aufgeteilt wird.



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 523

gerade (gespalt- Hannes te-) arbeitet (Modal- kräftig adverbial) (nominales an ihrer Grünauer Eingemeindung Präpositionalobjekt), (nes nominales unterstützt vor allem vom kunstsinnigen Bürgermeister Subjekt) […]. [30] Temporal- ehe die Sache dann doch etwas matt wird adverbial), kommt (nominales es Subjekt) noch (nominales zu einer Art Ordensverleihung, bei der es die Nelke in Bronze, Silber und Gold gibt und die das ganze Geschehen noch einmal dekorativ und dekorierend zusammenfasst und hochzieht Präpositionalobjekt), […]. (126) Wie man später erfuhr, warteten damals acht Helikopter der US-Army (Lokal- an der mexikanischen Grenze adverbial) (nominales auf die behördliche Bewilligung, uns zu holen Präpositionalobjekt). (Frisch Homo: 39) [29]

Auf die Funktion-Argument-Wert-Formel gebracht: [10] [15] [29] [30] (126)

Objekt (Präpositionalmit+DAT-gruppe) Objekt (Präpositionalvon+DAT-gruppe) Objekt (Präpositionalan+DAT-gruppe) Objekt (Präpositionalzu+DAT-gruppe) Objekt (Präpositionalauf+AKK-gruppe)

= Präpositionalmit+DAT-objekt = Präpositionalvon+DAT-objekt = Präpositionalan+DAT-objekt = Präpositionalzu+DAT-objekt = Präpositionalauf+AKK-objekt

So wie beim Subjekt und beim Akkusativobjekt gibt es auch bei den Präpositional­objekten recycelte Formen, nämlich Nebensätze und Infinitivkonstruktionen (Kap. III/3.1.2 und vor allem Kap. III/3.1.7): (127) Dennoch machte er den Herrn Baron (Präpositionalobjekts- darauf korrelat) aufmerksam, daß er im Auftrag der spanischen Krone gereist sei nebensatz). (Präpositionalobjekt (Kehlmann Vermessung: 214) (128) Er dachte (Präpositionalobjekts- daran korrelat), (Präpositionalobjekts- sie zu umfassen und zu Boden zu ziehen infinitiv), […]. (Kehlmann Vermessung: 91) Wie im Kap. III/1.4.1 gezeigt, ist ‚Präpositionalobjekt‘ ein abstrakterer Begriff als ‚Akkusativobjekt‘, ‚Dativobjekt‘ oder ‚Genitivobjekt‘. Denn der Begriff ‚Präpositionalobjekt‘ liegt auf derselben begriffslogischen Ebene wie ‚Kasusobjekt‘. Dabei entsprechen den drei Kasusobjekten 16 Präpositionalobjekte:

16 Präpositional­ objekte

524 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Tab. 47: Präpositionalobjekte im Gegenwartsdeutschen 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16.

das Abgrenzungs­ problem

Präpositionalan+AKK-objekt Präpositionalan+DAT-objekt Präpositionalauf+AKK-objekt Präpositionalauf+DAT-objekt Präpositionalaus+DAT-objekt Präpositionalfür+AKK-objekt Präpositionalgegen+AKK-objekt Präpositionalin+AKK-objekt Präpositionalin+DAT-objekt Präpositionalmit+DAT-objekt Präpositionalnach+DAT-objekt Präpositionalüber+AKK-objekt Präpositionalum+AKK-objekt Präpositionalvon+DAT-objekt Präpositionalvor+DAT-objekt Präpositionalzu+DAT-objekt

glauben zweifeln bestehen bestehen bestehen eintreten vorgehen verwandeln bestehen sich befassen streben nachdenken sich kümmern ablenken schützen neigen

Als zentrales Problem der Erforschung von Präpositionalobjekten wurde und wird deren Abgrenzung von den Adverbialbestimmungen angesehen (vgl. Breindl 1989), denn Adverbialbestimmungen können in derselben Form wie Präpositionalobjekte, nämlich als Präpositionalgruppen, auftreten (Beispiele wiederholt aus Kap. I/2.4.2): (129) (a) Sie besteht (nominales auf der Startbahn Präpositionalobjekt). (b) Sie übernachten (Lokal- auf der Startbahn adverbial). (Beispiele nach Eisenberg 2006/2: 40) Auf die Funktion-Argument-Wert-Formel gebracht: (a) Objekt (Präpositionalauf+DAT-gruppe) = Präpositionalauf+DAT-objekt (b) Adverbial (Präpositionalauf+DAT-gruppe) = Lokaladverbial In dem Einführungsbeispiel (126) verdichtet sich das Abgrenzungsproblem in einem Beleg, da hier im selben Satz zwei Präpositionalgruppen jeweils mit einer Wechselpräposition (aufAKK/DAT bzw. anAKK/DAT) – allerdings mit unterschiedlichen Kasus (aufAKK vs. anDAT) – vorkommen: (126) (a) warten (b) warten

auf die behördliche Bewilligung an der mexikanischen Grenze

[Präpositionalauf+AKK-objekt] [Lokaladverbial]



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 525

Dieses Abgrenzungsproblem, auf das unten noch einzugehen sein wird, hat zu der Commonsense-Auffassung geführt, dass Präpositionalobjekte „einen breiten Mittelbereich“ zwischen prototypischen Komplementen und prototypischen Supplementen einnehmen, „innerhalb dessen der Umschlag stattfindet“ (Breindl 1989: 81). Dies ist richtig, doch die Fokussierung auf das Abgrenzungsproblem verdeckt das eigent­ liche – übergeordnete – Problem, das sich am besten als Funktionsfrage (= F) formulieren lässt: F:

das übergeordnete Problem: Funktion von Präpositionalobjekten

Was ist eigentlich die Funktion von Präpositionalobjekten? Warum reicht in Sprachen wie dem Deutschen oder dem Englischen eine Dreieropposition  – Subjekt, Direktes Objekt, Indirektes Objekt – für die Komplementmarkierung nicht aus?

Denn, wie es scheint, die Unterscheidung von Komplementen in beliebigen Sätzen mit beliebigen statischen Prädikaten würde auch ohne Präpositionalobjekte funk­tio­ nieren, s. etwa (130) → (131) → (132) →

Ich warte auf das Buch. *Ich warte das Buch. Sie freut sich über das Geschenk. *Sie freut sich dem Geschenk. Er hat sie an ihr Versprechen erinnert. *Er hat sie ihrem Versprechen erinnert.

In allen diesen Fällen könnte der Akkusativ oder der Dativ als diakritischer, d.  h. die syntagmatische Unterscheidbarkeit garantierender Kasus die Rolle der jeweiligen Präposition übernehmen.119 Im Deutschen hätte man also ohne Präpositionalobjekte ein sehr transparentes System: (1) Satzglieder in Form von Wortgruppen mit reinem Kasus sind Komplemente; (2) Satzglieder in Form von anderen Wortgruppen sind Supplemente oder Kommentarglieder. Warum gibt es nun diesen „breiten Mittelbereich“ der Präpositionalobjekte, der eine solche, durchaus denkbare, Systemtransparenz und –ökonomie verhindert? Die Lösung vorwegnehmend sollen zwei Antworten auf die Funktionsfrage vorgeschlagen werden (= F1 und F2):

119 „Das funktional-diakritische Prinzip der Kasusunterscheidung“ (Willems/Van Pottelberge 1998: 52  ff.) kann/könnte also auch ohne Präpositionen funktionieren. Hinzu kommt, dass das Deutsche über ein sehr reiches System an Partikelverben und Partikelverb-Konstruktionen verfügt, was die Reichweite des funktional-diakritischen Prinzips der Kasusunterscheidung stark erhöht (s. Felfe 2012a zu den Partikelverb-Konstruktionen mit an).

Lösungs­ vorschlag

526 

F1:

F2:

PräpositionalobjektThemen

Primär­ funktion

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Die primäre, da produktive, Funktion von Präpositionalobjekten ist die Multi­ plizierung der (Um-)Szenariotypen, d.  h. die Bereitstellung von Typen von grammatischen Grundstrukturen mit spezifischen semantischen Leistungen, die reine Kasuskomplemente nicht leisten können wie z.  B. die „semantische Nische“ der Zukunftsgerichtetheit der Verbreihe warten/hoffen/sich freuen/ rechnen/sparen/harren/sich vorbereiten/gespannt sein/kommen aufAKK (Welke 2013: 25). Die Präpositionalobjekte in der primären Funktion sind  – je nach Lexikalisierungsgrad – statisch oder dynamisch. Die sekundäre, da die primäre voraussetzende, Funktion von Präpositionalobjekten ist die Szenariodifferenzierung, d.  h. die Bildung mehrerer Szenarios mit einem Verb (Polysemie und Polyvalenz) wie z.  B. etw. vs. in etw. vs. aus etw. vs. auf etw. bestehen.120 Die Präpositionalobjekte in der sekundären Funktion sind in der Regel lexikalisiert und somit statisch.121

Das Abgrenzungsproblem (Präpositionalobjekt vs. Adverbial) stellt einen Teilaspekt von F1 dar. Somit ist das Programm vorgegeben. Wir müssen uns mit zwei Präpositionalobjekt-Themen auseinandersetzen: (1) F1: Szenariotypmultiplizierung (inkl. der Abgrenzung von Präpositionalobjekt vs. Adverbial) und (2) F2: Szenariodifferenzierung. Anschließend und den Fragenkomplex ‚Präpositionalobjekte‘ abschließend wird kurz auf Innovation und Wandel einzugehen sein. „Ein relativ zuverlässiges definitorisches Merkmal“ von Präpositionalobjekten ist die Nicht-Kommutierbarkeit der Präposition (Rostila 2007: 109), d.  h., die Präpositionen von Präpositionalobjekten werden im Gegensatz zu denen von Adverbialen vom Prädikat (Valenzträger) regiert (= +FOSP). Dies bedeutet, dass sie in der Regel nicht austauschbar sind:122 (126) (a1) warten auf/*an/*vor/*über die behördliche Bewilligung [Präpositionalauf+AKK-objekt] (b1) warten an/vor/hinter/über der mexikanischen Grenze [Lokaladverbiale]

120 Dies ist gewissermaßen die Ausdehnung des „funktional-oppositive(n) Prinzip(s) der Kasusunterscheidung“ (Willems/Van Pottelberge 1998: 61  ff.) auf die Präpositionen von Präpositionalobjekten. 121 Dabei sind die beiden Funktionen natürlich nicht ganz unabhängig voneinander, s. unten. 122 Wenn sie – in Ausnahmefällen – „bedingt (austauschbar)“ sind, „führt der Austausch zu keinem fassbaren Bedeutungsunterschied“ (Duden 1998: 648): Der Lehrer berichtet über seine Reise / von sei­ ner Reise (Beispiel ebd.).



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 527

Diese Definition beruht auf der Valenzperspektive: Man geht von einem spezifischen Valenzträger aus und betrachtet die jeweilige Präpositionalgruppe unter dem Aspekt ihres grammatisch-semantischen Beitrags zu einem spezifischen Szenario (hier: Warten-Szenario). Das Ergebnis lautet: Szenariokomplementierung (im Beispiel: Präpositionalauf+AKK-objekt) vs. Szenariosituierung (diverse Lokaladverbiale mit unterschiedlichen Bedeutungen). M. a. W., nur die Präposition des Adverbials bildet eine Distributionsklasse und lässt sich entsprechend mit anderen Präpositionen koordinieren:123

Valenz­ perspektive: Valenzträger → Präposition

(126) (a1’) *Fünf Helikopter der US-Army warteten auf, vier an, drei vor und zwei über die behördliche Bewilligung. (b1’) Fünf Helikopter der US-Army warteten an, vier vor, drei hinter und zwei über der mexikanischen Grenze. Entscheidend ist also, dass die Präpositionen von Präpositionalobjekten den Sprachteilhabern ‚aufoktroyiert‘ werden: Wer A – z.  B. warten – sagt, muss auch B – aufAKK – sagen. Man hat hier also keine Wahl. Dagegen hat man bei den Präpositionen von Adverbialen sehr wohl eine Wahl, und diese ist semantisch motiviert: Je nachdem, wie der Sprachteilhaber etwa die lokale Relation spezifizieren will, wählt er eine bestimmte Präposition (an/vor/hinter/ über der mexikanischen Grenze). Dabei muss er im Falle von Adverbialen gar keine Relation (wie z.  B. X hinter Y) spezifizieren. Wenn für ihn eine absolute, d.  h. nicht relationale, lokale Angabe reicht, wählt er einfach ein Adverb (hier, dort, überall). Funktional stellen also präpositionale Adverbiale (relationale) Spezifizierungen von Adverbien dar, während Präpositionalobjekte keine adverbialen Qualitäten haben.124 Folglich lassen sich nur (als Adverbien oder als Präpositionalgruppen realisierte) Adverbiale durch Adverbien erfragen oder (durch eine Leitform) ersetzen. Die Fragewörter und Leitformen von Präpositionalobjekten müssen dagegen die Präposition, das Markenzeichen des Präpositionalobjekts, enthalten (auf die behördliche Bewilligung → darauf, hierauf, worauf). M. a. W., sie stellen kategorial Mikro-Präposi­ tio­nal­gruppen, Bonsai-Formen von Präpositionalgruppen, dar:125

123 Der Begriff der Distributionsklasse wurde im Kap. II/2.4 definiert und vom Begriff des Paradigmas unterschieden. Auch Kap. III/3.2.4. 124 Dies wird in der umfangreichen Translationstheorie von Lucien Tesnière (1976, 1980) exakt beschrieben: Präpositionale Adverbiale stellen nach Tesnière sekundäre, da translatierte, Adverbien dar, sind also konstruktionell erzeugte Adverbäquivalente. 125 Eines der größten theoretischen Probleme traditioneller grammatischer Betrachtungen aus der ‚von unten nach oben‘-Perspektive ist die Einordnung solcher Formen als Pronominal-/Präpositionaladverbien, also als Subklasse einer Wortart. Obwohl man die grundsätzliche Unmöglichkeit eines solchen Unternehmens sieht oder ahnt (s. vor allem Fleischer 2002: 17  ff. und Negele 2012: 13  ff.), ist man ‚aszendent‘ natürlich gezwungen, jedem ‚Wort‘ bzw. ‚Worttyp‘ eine Wortart zuzuordnen. Wortgrup­

Wahl der Präposition?

-/+Adverb: Frage- und Ersatzprobe

528 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Frageproben: (126) (a1’’) »(nominales Worauf Präpositionalobjekt) warteten acht Helikopter der US-Army (Lokal- an der mexikanischen Grenze adverbial)?« (b1’’) »(Lokal- Wo adverbial) warteten acht Helikopter der US-Army (nominales auf die behördliche Genehmigung Präpositionalobjekt)?« Ersatzproben: (126) (a1’’’) »Acht Helikopter der US-Army warteten (Lokal- an der mexikanischen Grenze darauf Präpositionalobjekt).« adverbial) (nominales (b1’’’) »Acht Helikopter der US-Army warteten (Lokal- dort adverbial) (nominales auf die behördliche Genehmigung Präpositionalobjekt).« Grammati­ kalisierung

Das Abgrenzungsproblem zwischen Präpositionalobjekten und Adverbialen ist ein notwendiges Produkt der Valenzperspektive, weil die Präpositionen von Präpositionalobjekten in der Regel semantisch nicht leer sind. Man betrachte etwa die folgende Gegenüberstellung (Breindl 1989: 39): Präpositionalobjekte: Adverbiale: sich mit jmdm. unterhalten mit jmdm. arbeiten sich nach den Vorschriften richten nach den Vorschriften arbeiten aus etw. hervorgehen aus dem Haus kommen für jmdn. stimmen für jmdn. arbeiten

regiert und semantisch motiviert

Dadurch, dass eine bestimmte Präposition einer adverbial verwendeten Präpositionalgruppe sich als Rektum eines bestimmten Valenzträgers grammatikalisiert (vgl. Hundt 2001), wenn also die Wahlfreiheit der Präposition historisch zunehmend abgebaut wird, entsteht bei diesem Valenzträger ein Präpositionalobjekt (= +FOSP). In der Umgebung anderer Valenzträger wird die Präposition nicht grammatikalisiert, die Präpositionalgruppe wird weiterhin adverbial verwendet (= -FOSP). Was heißt aber eigentlich, dass die Präpositionen von Präpositionalobjekten in der Regel semantisch nicht leer sind?

penart wie ‚Mikro-Substantivgruppe‘ oder ‚Mikro-Präpositionalgruppe‘ und Ausdrucksart (Hennig/ Buchwald-Wargenau 2010, Kap. I/2.4.5) stellen keine Optionen dar. Es ist jedoch klar, dass sich ein Präpositionalobjekt (Satzglied) durch kein Adverb (Wortart) realisieren lässt. Auch in den Fällen, in denen die ‚Mikro-Präpositionalgruppe‘ adverbialen Satzgliedwert hat, d.  h. Adverbialbestimmung ist, bleibt sie eine Präpositionalgruppe und mutiert nicht zu einem Adverb: darauf/darunter/daneben (Mikro-Präpositionalgruppe) vs. auf/unter/neben dem Stuhl (Makro-Präpositionalgruppe) sitzen. Die sog. Pronominal-/Präpositionaladverbien stellen also keine Adverbklasse, sondern die kategorematische Realisierungsform von Präpositionalgruppen dar. Dasselbe gilt mutatis mutandis für drittpersonige Personal- und Relativpronomina, die kategorematische Realisierungen von Substantivgruppen darstellen (zu Coserius Begriff des Kategoremwortes Anm. 2). Auf Mikro-Präpositionalgruppen (als Korrelate) kommen wir im Kap. III/3.1.7 erneut zu sprechen.



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 529

Einerseits heißt das, dass die Präpositionen von Präpositionalobjekten keine semantischen Zufallsprodukte sind. Wir wundern uns nicht, dass warten aufAKK, dass abhängen vonDAT oder dass Angst haben vorDAT regiert. Die Präpositionen erscheinen uns semantisch motiviert. Andererseits heißt das, dass die semantische Motiviertheit des Rektums, der Prä­po­ si­tion, nur vom Regens, dem Valenzträger, kommen kann. Es muss also die Bedeutung des Valenzträgers sein, die die Wahl der Präposition motiviert. M. a. W., Valenzträger und Präposition müssen semantisch kongruent sein (Lerot 1982, Rostila 2002, Rostila 2007: 115  ff.), zwischen ihnen muss eine spezifische semantische Relation bestehen. Aus der Valenzperspektive ist das Präpositionalobjekt Endstation. Aus der Sicht des Sprachteilhabers ist es das aber nicht. Denn er kann die spezifische semantische Relation zwischen einem Ausgangsvalenzträger und seinem präpositionalen Rektum jederzeit analogisch auf weitere Valenzträger (= Zielvalenzträger) übertragen, deren Bedeutung sich mit dieser spezifischen semantischen Relation verträgt. Die Übertragung der jeweiligen semantischen Relation erfolgt formal durch die Übertragung des jeweiligen Präpositionalobjekts: (126a2) auf die behördliche Bewilligung → warten/hoffen/sich rechnen/sparen/harren/sich vorbereiten/gespannt sein/kommen

Konstruktionsperspektive: Präposition → Valenzträger

freuen/

Dies ist die Konstruktionsperspektive, aus der eine ganz andere Sorte von Grammatikalisierung sichtbar wird (Rostila 2007: 130  ff., Welke 2013). Es entstehen produktive Muster mit (weiterhin) regierten Präpositionen, die spezifische semantische Nischen indizieren wie das offensichtlich sehr produktive prospektive (= zukunftsgerichtete) aufAKK (viele Belege in Rostila 2007: 130  f.). Grammatikalisierung bedeutet hier also nicht wie aus der Valenzperspektive ‚weg vom Adverbial, hin zum Objekt‘, sondern ‚weg vom semantisch latent motivierten und hin zum semantisch transparent motivierten Objekt‘. Während das prospektive aufAKK bei warten, hoffen oder sich freuen lexikalisiert ist, also zur statischen Valenz gehört, illustriert das folgende Beispiel aus Kap. III/2.2.2 ein dynamisches Präpositionalobjekt (und eine andere semantische Nische): (133) Kaum haben sie [= Klaus und Irene Gysi, die Eltern von Gregor Gysi, VÁ] sich gesetzt, geht die Tür auf und sechs SS-Leute treten ein. Klaus Gysi erzählt ihnen einen Judenwitz nach dem anderen. Er redet um sein Leben. (DIE ZEIT, 01. 09. 2011) Jouni Rostila, der umAKK-Belege mit schreien, fragen, betteln, zittern, bangen, weinen, nachsuchen und beten auflistet (Rostila 2007: 154), interpretiert die qua umAKK indizierte semantische Nische analog zum Bitten-Szenario. Demnach wird durch die analogische Übertragung von umAKK auf einen Zielvalenzträger ausgedrückt, dass „die im Verb näher angegebene Tätigkeit“ der „Beibehaltung von etwas, das einer besitzt“ dient (ebd.). Wer um sein Leben redet, will also durch Reden erreichen, dass er am Leben bleibt.

eine andere Art Grammatikalisierung

statische und dynamische Präpositionalobjekte

530 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Das Präpositionalum+AKK-objekt von reden ist analog zu dem als dynamisches Dativobjekt analysierten Dativus commodi zu erklären: Wenn man es in einen statischen Satz einfügt, wird dieser umszeniert. Dabei drückt der dynamische Satz qua dynamischem Präpositionalum+AKK-objekt ‚Beibehaltung durch indizierte Tätigkeit‘ aus. Die Umszenierung lässt sich mit Hilfe der Funktion-Argument-Wert-Formel wie folgt darstellen: Präpositionalum+AKK-objekt (statische Valenz von reden) = dynamische Valenz von reden (mit ‚Beibehaltungsbedeutung‘) über das Erklärungspotenzial semantischer Nischen

Aus der Sicht der Grammatischen Textanalyse hat das Konzept semantischer Nischen qua Präpositionalobjekten ein sehr hohes Erklärungspotenzial. Aktuell lassen sich die theoretischen Möglichkeiten allerdings eher nur erahnen als genau einschätzen. Zwei Punkte erscheinen mir im aktuellen Zusammenhang besonders wichtig:126 (1) Präzisierbarkeit des Begriffs des Präpositionalobjekts und wenigstens teilweise Entschärfung des Abgrenzungsproblems ‚Präpositionalobjekt vs. Adverbial‘ und (2) theoretische Lokalisierbarkeit von bisher ‚offen gelassenen‘ Strukturen.

Begriff und Abgrenzung

Ad (1): Betrachten wir die folgenden Beispiele (Verhältnisadverbiale grau unterlegt):

Kombinierbarkeit

Präpositionalvor+DAT-gruppen des Typs (134a) indizieren nach der überzeugenden Analyse von Rostila (2007: 185  ff.) eine kausale semantische Nische (= kausales vorDAT).127 Dabei ersetzt kausales vorDAT das kanonische Kausaladverbial ((134b)) nicht, vielmehr lassen sie sich kombinieren ((134a+b)). Kombinierbarkeit mit dem kanonischen Kausaladverbial spricht gegen die adverbiale Einordnung der kausalen Präpositionalvor+DAT-gruppe (s. auch Rostila 2007: 189).

(134) (a) Er heulte (nominales vor Verzweiflung Präpositionalobjekt). (nach Rostila 2007: 186) (b) Er heulte, (Kausal- weil er das CL-Finale verpasst hatte adverbial). (a+b) Er heulte (nominales vor Verzweiflung Präpositionalobjekt), (Kausal- weil er das CL-Finale verpasst hatte adverbial).

126 Ein dritter Punkt, der hier nicht weiter verfolgt werden kann, ist die Erklärbarkeit von Zusammenhängen zwischen verbalen und nichtverbalen präpositionalen Strukturen. Die Wahl der Präposition der Überschrift über das Erklärungspotenzial semantischer Nischen ist klar durch das Präpositionalüber+AKK-objekt bei Verben wie sprechen, schreiben, berichten, diskutieren, erzählen, nach­ denken, sich informieren oder plaudern motivierbar. Nach Rostila (2007: 117), von dem auch die Verbreihe stammt, kodieren diese Verben die semantische Rolle intellektuelles Thema. Es ist also diese semantische Nische, die auch eine nichtverbale Struktur aufrufen kann. 127 Nach der ebenfalls überzeugenden Analyse von Arne Zeschel (2011) hat sich mittlerweile auf der Grundlage des kausalen vorDAT auch ein intensivierendendes vorDAT herausgebildet, z.  B. Holten schwoll vor Wichtigkeit (Beleg nach Zeschel 2011: 48).



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 531

Da Verhältnisadverbiale wie das kausale Adverbial in (134b) anszenierend sind, d.  h., das im Hauptsatz ausgedrückte Szenario mit Hilfe eines anderen Szenarios kontextualisieren (Kap. I/3.3), ist ihre kanonische Form der Nebensatz. Die Präpositionalgruppe vor Verzweiflung kann allerdings, obwohl das Substantiv Verzweiflung ein Verbalabstraktum ist, nicht in einen Nebensatz (oder in eine Infinitivkonstruktion) überführt werden:128

Nebensatztest

(134) (a’) *Er heulte (Präpositionalobjekts- davor korrelat), (Präpositionalobjekt- dass er verzweifelt war nebensatz). (a’’) *Er heulte (Präpositionalobjekts- davor korrelat), (Präpositionalobjekts- verzweifelt zu sein infinitiv). Dies ist ein starkes Argument dafür, der Präpositionalvor+DAT-gruppe trotz Kausalität Objektwert zuzuordnen. Der semantischen Nähe von Präpositionalobjekten und Adverbialen kann man aus der Valenzperspektive nur gerecht werden, wenn man wie Eva Breindl die strikte Dichotomie ‚Präpositionalobjekt vs. Adverbial‘ zugunsten einer skalaren Auffassung aufgibt. Breindl (1989: 33  ff.) unterscheidet vier Vorhersagbarkeitsstufen für Präpositionalgruppen und etabliert somit ein Vierstufenmodell: Die Präpositionalgruppe ist (a) einzelverbspezifisch und damit nicht vorhersagbar (z.  B. verzichten aufAKK), (b) verbsubklassenspezifisch vorhersagbar (z.  B. mitDAT bei symmetrischen Verben wie sich unterhalten, sich verbünden), (c) verbklassenspezifisch vorhersagbar (z.  B. instrumentales mitDAT bei Handlungsverben und (d) (mit weitgehend fester, vorhersagbarer Form) frei hinzufügbar (z.  B. vor Wut, aus Angst). Bezieht man auch die Konstruktionsperspektive mit ein, lässt sich allerdings eine einfachere und flexiblere Klassifikation entwerfen:129 (i) statisches Präpositionalobjekt: Szenariokomplementierung mit semantischem Nischenbildungspotenzial, aber ohne Nischenbildung (= Subklasse (a) von Breindl): z.  B. aufAKK von verzichten; (ii) statisches (lexikalisiertes) und dynamisches (ad hoc-) Präpositionalobjekt: Szenariokomplementierung mit semantischer Nischenbildung (Subklassen (b) und (d) von Breindl): z.  B. prospektives (zukunftsgerichtetes) aufAKK;

128 Dasselbe gilt für kausales ausDAT: Er agierte aus Angst → *Er agierte daraus, dass er Angst hatte / Angst zu haben. 129 Flexibler ist diese Klassifikation, weil man sich – je nach Explanandum – Grammatikalisierungskanäle wie (iii) > (i) > (ii), (iii) > (ii) > (i) oder (iii) > (i)+(ii) vorstellen kann. Der für die aktuelle Diskussion besonders interessante, da bisher nicht ins Blickfeld geratene, Grammatikalisierungskanal ist (iii) > (i) > (ii).

Fazit: ­Abgrenzung

532 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

(iii) Adverbial: Szenariokontextualisierung (Subklasse (c) von Breindl): Präposition ohne semantisches Nischenbildungspotenzial, man vergleiche etwa (126b2) an der mexikanischen Grenze → warten, leben, Feste feiern, einen Aufsatz schreiben, einer Frau Blumen schenken, eine Zigarre mit dem Grenzposten rauchen, ein Haus bauen… theoretische Einordnung: benefaktives fürAKK

die semantische Rolle Benefaktiv

die signifikativsemantische Sicht

Ad (2): Was die theoretische Lokalisierbarkeit von bisher ‚offen gelassenen‘ Strukturen anbelangt, soll hier das Erklärungspotenzial semantischer Nischen am Beispiel des wohl schwierigsten Falles, der Bestimmung des Satzgliedwerts der benefaktiven Präpositionalfür+AKK-gruppe illustriert werden. Wie im Zusammenhang mit der Erörterung der Benefaktiv-Alternation erwähnt (Anm. 99), soll nach meiner Auffassung die benefaktive Präpositionalfür+AKK-gruppe den Satzgliedwert ‚Präpositionalfür+AKKobjekt‘ erhalten.130 Bevor wir uns der Bestimmung des Satzgliedwerts zuwenden, muss allerdings der Begriff der semantischen Rolle Benefaktiv geklärt werden. Die Bestimmung der denotativ-semantischen Rolle Benefaktiv erfolgt in der Valenztheorie typischerweise über die Benefaktiv-Alternation: Wenn ein DC (= Dativus commodi) durch eine Präpositionalfür+AKK-gruppe ersetzbar sei, handele es sich um eine Präpositionalfür+AKK-gruppe für die „Kodierung des Nutznießers“. Umgekehrt funktioniere die Ersetzbarkeit nicht, da die Präpositionfür+AKK nicht nur die benefaktive – Paraphrase: ‚zugunsten von‘ –, sondern auch die „Stellvertretungsrelation“ – Paraphrase: ‚statt/anstelle von‘  – ausdrücke, also ambig sei (Schmid 1988: 174  ff.). M. a. W., die Stellvertretungsrelation, d.  h. die substitutive Präpositionalfür+AKK-gruppe, wird denotativ-semantisch explizit als nicht benefaktiv gewertet. Darauf, dass eine solche Auffassung aus signifikativ-semantischer Sicht nicht haltbar ist, wurde bereits bei der Behandlung des DC oben hingewiesen: Alternanten ersetzen einander nicht, sondern sie bieten für den Sprachbenutzer grammatischsemantische Alternativen (Wiederholung der Beispiele von oben):131 (a) Subjekt Agens Die Beamten

– Prädikat – – Handlung – backen

Dativobjekt Rezipient der Redaktion

Akkusativobjekt Patiens einen Kuchen

130 Dies ist keine Selbstverständlichkeit, ganz im Gegenteil: Unter den (wenigen) Linguisten, die die Wertfrage nicht offen lassen, überwiegt die Auffassung, dass es sich hier um ein Adverbial handelt. Wenn man so verfährt, hat man im Grunde nur die Möglichkeit des Finaladverbials (s. IDS-Grammatik 1997/2: 1176). 131 Zur Erinnerung: Es handelt sich um die signifikativ-semantischen Rollen Handlungsträger (= Agens), Handlungsbetroffener (= Rezipient) und Handlungsgegenstand (= Patiens).



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

b) Subjekt Agens Die Beamten

– Prädikat – – Handlung – backen

Präpositionalobjekt Benefaktiv für die Redaktion

 533

Akkusativobjekt Patiens einen Kuchen

Signifikativ-semantisch kann also die Ersatzprobe nicht eingesetzt werden, um die angebliche Ambiguität der Präpositionfür+AKK (benefaktiv vs. substitutiv) aufzulösen. Ist aber die Präpositionfür+AKK wirklich zweideutig? Und ist die substitutive Relation (‚statt/anstelle von‘) wirklich nicht benefaktiv? Was die Bestimmung der denotativ-semantischen Rolle Benefaktiv anbelangt, gibt es einen merkwürdigen Unterschied zwischen Valenztheorie und Sprachtypologie: Während in der überwiegend denotativ-semantisch argumentierenden Valenztheorie die Merkmale ‚benefaktiv‘ und ‚substitutiv‘ als kontradiktorisch (= entwederoder) aufgefasst werden, betrachtet die ebenfalls überwiegend denotativ-semantisch argumentierende Sprachtypologie Substitution (‚statt/anstelle von‘) als die eigentliche Benefaktion und Benefaktion (‚zugunsten von‘) als eine optionale Begleiterscheinung von Substitution: Seppo Kittilä (2005) kam auf Grund der vergleichenden Untersuchung einer Testbatterie von „crucial sentences“ in 35 Sprachen zu dem Ergebnis, dass die „substitutive benefaction“ (‚statt/anstelle von‘) das notwendige und hinreichende Merkmal von Benefaktion darstellt, während die sog. „concrete benefaction“ (‚zugunsten von‘) – je nach Szenario – mehr oder weniger stark, aber eben nur optional, präsent ist.132 In Anlehnung an Kittilä (2005) werde ich im Nachfolgenden unter ‚Benefaktion‘ (ohne weitere Spezifizierung) die substitutive Benefaktion verstehen. Für die „concrete benefaction“, die möglicherweise eine eher pragmatische Kategorie darstellt, schlage ich ‚Nutznießung‘ vor. Ich plädiere dafür, die sprachtypologische Auffassung in die Germanistik zu übernehmen. Diese lässt sich an der nachfolgenden, an Kittiläs „crucial sentences“ orientierenden Beispielreihe gut nachvollziehen: (135) (136) (137) (138) (139) (140) (141)

Die Beamten kaufen für die Redaktion einen Kuchen. Die Beamten backen für die Redaktion einen Kuchen. Die Beamten bauen für die Redaktion ein Haus. Der Mann schält für seinen Sohn einen Apfel. Der Mann hält für seinen Sohn den Apfel. Der Vater geht für seine Familie in die Stadt. Der Lehrer lügt für den Schüler.

132 Die Untersuchung ist auch deshalb sehr aufschlussreich, weil sie methodisch auf die vergleichende Betrachtung der denotativ-semantischen Rollen Rezipient und Benefaktiv bzw. deren Alternationspotenzial (Transfer- und Benefaktiv-Alternation) fokussiert.

der ­typologische Befund

Begriffe, Termini

Testsätze

534 

statische Präposi­tio­ nalfür+AKKobjekte

von der Statik zur Dynamik

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

In allen diesen Fällen geht es darum, dass das Agens eine Handlung oder der Akteur eine Tätigkeit ausführt und dass diese Handlung/Tätigkeit genau aus diesem Grunde von dem Benefaktiv nicht mehr ausgeführt werden muss, um davon zu profitieren (oder eben nicht). Dabei ist es unerheblich, ob z.  B. die Redaktion einen Kuchen gekauft/gebacken oder ein Haus gebaut bekommen will (oder von dem Vorsatz überhaupt weiß), die Beamten tun es qua semantischer Struktur statt ihrer. Umgekehrt ist es ebenfalls unerheblich, ob der Sohn einen Apfel geschält/gehalten haben will oder ob es verheerende Konsequenzen (etwa finanzieller Art) für die Familie hat, wenn der Vater in die Stadt geht oder wenn der Schüler gar nicht will (oder gar nicht weiß), dass der Lehrer für ihn lügt. Semantisch liegen auch hier Benefaktive vor, die Nutznießung kann je nach Szenario und Kontext variieren. Soviel zu der semantischen Rolle Benefaktiv. Wir wenden uns nun der Bestimmung des Satzgliedwerts der benefaktiven Präpositionalfür+AKK-gruppe zu. Statische Präpositionalfür+AKK-objekte mit benefaktivem Nischenbildungspotenzial liegen vor bei Verben wie sich interessieren, stimmen, sich aussprechen, plädieren, sorgen fürAKK.133 Dass bei diesen Verben der benefaktiven Präpositionalfür+AKK-gruppe Objektwert zuzusprechen ist, zeigt sich an der regierten, nicht ersetzbaren Präposition (+FOSP). Darüber hinaus ist das präpositionale Komplement auch obligatorisch (+NOT).134 Das Potenzial benefaktiver Nischenbildung lässt sich an den folgenden Beispielen von Welke (i. V.) gut nachvollziehen: (142) Emil fährt für Mercedes-McLaren. (als Rennfahrer) (143) Emil arbeitet für Anita / arbeitet für Anita. (144) Emil unterrichtet/telefoniert/kocht für Anita. Für Welke gehören die benefaktiven Präpositionalfür+AKK-gruppen für Mercedes-McLa­ ren und für Anita (bei arbeiten) zu der „Grauzone“ zwischen Komplement und Supplement, während die benefaktive Präpositionalfür+AKK-gruppe für Anita (bei unterrichten, telefonieren und kochen) Supplementstatus hat.

133 Zusätzlich liegt bei stimmen das statische Präpositionalgegen+AKK-objekt vor. Hundt (2001: 187) attestiert „Konstruktionen, bei denen die Präposition bedingt austauschbar ist“ und bei denen die „Eigensemantik der Präposition“ stärker vorhanden sei, einen geringeren Grammatikalisierungsgrad. 134 Problematisch ist das Verb kämpfen: Nach dem Valenzwörterbuch von Helbig/Schenkel (1978: 364  f.) gehört zwar die Präpositionalfür+AKK-gruppe zur Valenz von kämpfen, aber sie ist einerseits -NOT, andererseits kann kämpfen auch mit einer Präpositionalum+AKK-gruppe stehen. Dabei bedienen die beiden Präpositionalgruppen je nach semantischen Merkmalen der präpositional eingeleiteten Form deutlicher (Er kämpft um vs. für den Freund) oder weniger deutlich (Er kämpft darum/dafür, anerkannt zu werden) unterscheidbare semantische Nischen. Bei letzterem Fall erreicht man  – aus der Valenzperspektive – die Grenze zum Finaladverbial. Aus der Konstruktionsperspektive lässt sich allerdings für den Objektstatus argumentieren (Kombinierbarkeit mit Finaladverbial): Er kämpft um/ für den Freund, damit man ihn anerkennt / um anerkannt zu werden.



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 535

Aus der Konstruktionsperspektive einer benefaktiven Nischenbildung entschärft sich  – analog zum DC  – das Komplement/Supplement-Problem: Der Komplementstatus ist gesichert, die „Grauzone“ besteht zwischen statischem und dynamischem Komplement (Szenario vs. Umszenario). M. a. W., es stellt sich die Frage, ob man von lexikalisierten Arbeiten-für- bzw. Fahren-für-Szenarios auszugehen hat oder ob erst durch die ad-hoc-Realisierung einer Präpositionalfür+AKK-gruppe das Arbeitenbzw. das Fahren-Szenario benefaktiv umszeniert wird. Ich sehe hier drei verschiedene Fälle (entsprechende Markierungen oben): (1) Statisches Präpositionalfür+AKK-objekt: Das Fahren-für-Szenario ist lexikalisiert. Wenn Emil für Mercedes-McLaren als Rennfahrer tätig ist, steht er in einem vertraglichen Arbeitsverhältnis, er ist Angestellter von Mercedes-McLaren. Diese Interpretation lässt sich als benefaktive Dynamisierung des Fahren-Szenarios nicht herleiten. (2) Je nach Lesart statisches oder dynamisches Präpositionalfür+AKK-objekt: Dasselbe gilt für das Arbeiten-für-Szenario, wenn Emil Angestellter bei der Firma von Anita ist. Der Satz (143) lässt sich allerdings auch dynamisch interpretieren: Emil verrichtet eine Arbeit und Anita profitiert davon. In diesem Falle handelt es sich um das Arbeiten-für-Umszenario, das Präpositionalfür+AKK-objekt ist dynamisch. (3) Dynamisches Präpositionalfür+AKK-objekt: Zwar sind die Lesarten ‚in einem vertraglichen Arbeitsverhältnis ‚unterrichten/telefonieren/kochen‘ nicht auszuschließen, aber diese sind genauso wenig lexikalisiert wie die prototypischen Interpretationen von (144). Es handelt sich also auf jeden Fall um Dynamik (Um­szenierung). Diese lässt sich mit Hilfe der Funktion-Argument-Wert-Formel wie folgt darstellen (X = unterrichten, telefonieren, kochen): Präpositionalfür+AKK-objekt (statische Valenz von X) = dynamische Valenz von X mit Benefaktivbedeutung F1:

Die Primärfunktion von statischen Präpositionalobjekten ist die Bereitstellung von neuen Szenariotypen mit neuen signifikativ-semantischen Rollen, die sich auf semantisch kongruente Szenarios analogisch übertragen lassen. Dadurch entstehen semantische Nischen, die von relativ autonom kodierenden dynamischen Präpositionalobjekten getragen werden und die zur Multiplizierung der Umszenariotypen führen. Eine Dreieropposition – Subjekt, Direktes Objekt, Indirektes Objekt – würde für die Komplementmarkierung nur dann ausreichen, wenn grammatische Strukturen nicht bedeutungstragend wären, wenn also die sprachlichen Inhalte ausschließlich durch Lexeme ausgedrückt würden.

Die Sekundärfunktion, die, wie erwähnt, die Primärfunktion voraussetzt, besteht in der Szenariodifferenzierung. Betrachten wir hierzu die folgende Gegenüberstellung: [29]

gerade (gespalt- Hannes te-) arbeitet (Modal- kräftig Eingemeindung Präpositionalobjekt), […].

adverbial) (nominales

an ihrer Grünauer

Fazit: Primärfunktion

Sekundärfunktion

536 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

[29a] Gerade (nominales Hannes Subjekt) arbeitet (Modal- kräftig adverbial). differenzierende Ausdrucks­ bildung

Wort- vs. Ausdrucks­ valenzträger

Fazit: Sekundär­ funktion

zum Schluss: Innovation und Wandel

Innovation als Nischenanpassung

Im Leittext-Beleg geht es um das Arbeiten-an-Szenario: Hannes arbeitet auf ein bestimmtes Ziel hin, er setzt sich für die Grünauer Eingemeindung der Gefangenen ein. Der Grundvalenzträger arbeiten anDAT gehört zu den „Verben, die eine bestimmte Bedeutung nur im syntaktischen Zusammenhang mit einer obligatorischen Präposition beim Objekt annehmen.“ (Feilke 1996: 132) Lässt man das Präpositionalan+DAT-objekt weg, kommt es dagegen zur Realisierung eines anderen, eben des Arbeiten-Szenarios: Hannes leistet intensive Arbeit. Der Grundvalenzträger in [29a] ist intransitives arbeiten. Unterscheiden lassen sich also der einwertige Wortvalenzträger arbeiten und der zweiwertige Ausdrucksvalenzträger arbeiten anDAT.135 Das Präpositionalan+DAT-objekt ist also essenziell für die Identifizierung des zweiwertigen Valenzträgers. Es handelt sich um einen Fall von „differenzierende(r) Ausdrucksbildung“ (Feilke 1996: 132  ff.).136 Weitere Beispiele für differenzierende Ausdrucksbildung sind etwa etw. vs. in etw. vs. aus etw. vs. auf etw. bestehen, etw. vs. an etw. glauben oder sich über etw. vs. an etw. vs. auf etw. freuen. F2:

Die sekundäre Funktion von Präpositionalobjekten ist die Szenariodifferenzierung, d.  h. die Bildung mehrerer Szenarios mit demselben Verb. Qua Präpositionalobjekt(en) können dabei Wort- und Ausdrucksvalenzträger (Typ: bestehen, glauben, arbeiten) oder nur Ausdrucksvalenzträger (Typ: sich freuen) unterschieden werden.137 Die Präpositionalobjekte in der sekundären Funktion sind in der Regel statisch.

Im Sinne der Sprachwandeltheorie von Eugenio Coseriu (1974) kann zwischen individueller Neuerung (= Innovation) und sozialer/kollektiver Übernahme (Adoption) der Innovation unterschieden werden. Wenn das Übernommene zur allgemein akzeptierten Norm wird (Mutation), gilt der Sprachwandel als abgeschlossen. Die allermeisten Innovationen bleiben ad hoc und einmalig, sie führen zu keinem Sprachwandel. Sie sind aber in der Regel nicht willkürlich, sondern nutzen vorhandene Möglichkeiten des Sprachsystems. Insofern lohnt es sich, das Thema ‚Prä­po­si­ tio­nal­objekte‘ abschließend, einen kurzen Blick sowohl auf die Innovation als auch auf den Sprachwandel zu werfen. Betrachten wir den folgenden Zufallsbeleg mit beruhen + aufAKK:

135 Das Konzept der Wort- und Ausdrucksvalenz(träger) wurde in Ágel 2003 eingeführt. 136 Einen anderen Fall stellen Kopulaausdrücke (Kap. III/2.1.4) dar. Auf das Problem der differenzierenden Ausdrucksbildung wird im Kap. III/3.1.7 über Korrelatverbindungen zurückzukommen sein. Zu offenen paradigmatischen Werten Kap. III/3.1.2. 137 Wenn man davon ausgeht, dass der Objektsgenitiv bei sich freuen (Sie freut sich des Geschenks) noch nicht veraltet ist, dann gehört auch dieses Verb dem Typus bestehen an.



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 537

(145) In diesem Punkt möchte ich die theoretischen Grundlagen, auf die meine späteren empirischen Ergebnisse beruhen, kurz anreißen. (Hausarbeit Kassel, 2010) Zur Valenz von beruhen gehört konventionell ein Präpositionalauf+DAT-objekt. Die Präposition aufDAT ist mit der Bedeutung des Verbs semantisch durchaus kongruent, sie kodiert eine Art intellektuellen Unterbau. Die Innovation in (145) besteht darin, dass die Verfasserin – möglicherweise unter dem Einfluss der explizit formulierten Zukunftsgerichtetheit (… späteren…) – ad hoc die semantische Nische gewechselt hat: Statt des intellektuell unterbauenden aufDAT hat sie das prospektive aufAKK gewählt. Dieses ist zwar semantisch inkongruent, aber dank dem prospektiven Kontext nachvollziehbar. Vergleichbares lässt sich bei bestehen aufDAT → aufAKK beobachten, nur dass es sich hier ganz offensichtlich nicht um eine Innovation, sondern um Sprachwandel handelt:

Wandel als Nischen­ anpassung

(146) Krüger stieg aufs Fahrrad. Auch das konnte er sich nicht abgewöhnen. »Sport muß sein!« Er fuhr zu den Ziegelwerkern hinaus. »Ihr macht hier viel, aber schlechte Ziegel, meine Freunde.« »Hoho, was für Weisheiten!« die Ziegler erboten sich, gute, dafür aber weniger Ziegel zu machen. »Alle Tage, Sportsfreund!« Krüger bestand auf viel Ziegel und gute Ziegel, aber in dieses Paradies schien kein Weg zu führen. (Strittmatter Bienkopp: 264) Die Standard-Verbvalenzlexika kennen bestehen nur mit aufDAT (Helbig/Schenkel 1978 und KVL 1978) oder „selten“ (E-Valbu) mit aufAKK. Dabei liegt bei bestehen die Verwendung des prospektiven aufAKK durchaus auf der Hand, schließlich kann man sinnvollerweise auch darauf beharren, dass etwas in der Zukunft anders gemacht wird. Genau um diese Art Bestehen geht es im Strittmatter-Beleg (vgl. auch das synonyme dringen aufAKK). Liegt hier eine okkasionelle Innovation vor? Gewiss nicht. Nicht nur, dass man im DeReKo (= Deutsches Referenzkorpus) unzählige Belege mit aufAKK findet. Noch bemerkenswerter ist der Umstand, dass es Sprachteilhaber gibt, die bestehen aufDAT mittlerweile generell ablehnen, die also nur noch bestehen aufAKK als Norm akzeptieren (Mutation). Ich habe 2012 in Kassel 23 Muttersprachlern (Studierenden) elf bestehenBelege aus DeReKo und den folgenden Satz aus der Grammatik von Peter Eisenberg vorgelegt:138

138 Die Originalbelege waren hinsichtlich aufAKK/aufDAT gemischt. Unabhängig vom Kasus im Originalbeleg wurde auch der jeweils andere Kasus in den ‚Testbeleg‘ eingefügt und die Varianz halbfett markiert, z.  B. „[…] Der Geschädigte bestand auf den/dem Ersatz der Neuwagenkosten […]“ oder „Die Regierung besteht auf der neuen / die neue Startbahn.“ Die Probanden hatte die Wahl zwischen „gut“, „möglich“ und „schlecht“, wobei jeweils beide Kasus bewertet werden mussten, also z.  B. Akkusativ „gut“, Dativ „möglich“. Auf diese Weise entfielen auf beide Kasus jeweils 272 gültige Urteile.

bestehen aufAKK/aufDATTest

538 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

(147) Die Regierung besteht auf der neuen Startbahn. (Eisenberg 2006/2: 39) Das Ergebnis fasst die folgende Tabelle zusammen (+ = „gut“, m = „möglich“, – = „schlecht“): Tab. 48: Testergebnisse zu bestehen aufAKK/aufDAT URTEILE:

AKKUSATIV

DATIV

∑ (absolut):

+(233); m(19); -(20)

+(36); m(49); -(187)

∑ (%):

+(85,7%); m(7%); -(7,3%)

+(13,2%); m(18%); -(68,8%)

Bezogen auf alle zwölf Belege hielten demnach durchschnittlich 85,7% bestehen aufAKK für die einzig gute oder für die bessere Variante. Noch überraschender war das Resultat, dass 68,8% bestehen aufDAT gänzlich ablehnten. Im Falle von bestehen aufDAT → aufAKK handelt es sich also offensichtlich nicht um okkasionelle Innovationen, sondern um Sprachwandel, der auch noch recht vorangeschritten zu sein scheint, dessen Details jedoch noch zu erforschen sind.139 Direktivum

Wir kommen nun zu der letzten der zentralen Komplementklassen, zum Direktivum. Durch die nachfolgenden drei Belege werden die drei Subklassen des Direktivums – Richtung (andere Termini: Ziel, goal), Herkunft (Ausgangspunkt, Quelle, source), Weg (Strecke, durchquerter Raum, path) – veranschaulicht: [18] [(nominales Hannes Subjekt)] führt (nominales ihn Akkusativobjekt) (Richtungs- zum LandesbühnenBus, in dem es sich bereits ein gutes Dutzend der sogenannten Insassen halbwegs bequem gemacht hat direktivum). [30] (nominales Gäste Subjekt) kommen (Herkunfts- aus nah und fern  – Husum etwa und Eckernförde – direktivum), […]. (148) Sie zogen drei Wochen lang (Weg- durch die Wüste direktivum). (Beispiel zit. n. IDS-Grammatik 1997/2: 1102) Während führen, kommen und ziehen Fortbewegungsverben sind, zeigt der folgende Beleg, dass das Direktivum auch Szenarios komplementiert, die zwar Bewegung, aber keine Fortbewegung ausdrücken:

139 Die in Tab. 48 präsentierten Durchschnittswerte bilden die Ergebnisse bei den einzelnen Belegen sehr gut ab, es gibt also überhaupt keine ‚Ausreißer‘. Weder Genus und Numerus des Substantivs der Präpositionalauf+AKK/auf+DAT-gruppe noch der Umstand, ob die Substantivgruppe ein Adjektivattribut enthält oder nicht, scheinen eine Rolle zu spielen.



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 539

(149) Der Alte schraubte sorgfältig den roten Deckel (Richtungs- auf die Thermosflasche . direktivum) (Timm Sommer: 215) Wie im Kap. III/1.4.1 erwähnt, hat das Direktivum unter den Adverbialbestimmungen einen Sonderstatus: Im Gegensatz zu allen anderen Adverbialen ist es als statisches Satzglied immer Komplement und somit den Objekten und dem Subjekt gleichzustellen (Welke 2007: 144  ff.).140 Der Name ‚Direktivum‘ (statt ‚Direktional-/ Richtungsadverbial‘) soll diesen Sonderstatus des Direktivums unter den Adverbialen auch terminologisch unterstreichen. Im Rahmen eines Statik/Dynamik-Konzepts lässt sich der Sonderstatus des Direktivums als zentralen statischen Komplements auch mit seinem grammatischen Verhalten als dynamisches Satzglied begründen. Denn neben dem Subjekt und den Objekten ist es das Direktivum, das prototypischerweise auch als dynamisches Satzglied eingesetzt wird. Dies gilt sowohl für die Mikro- als auch für die Makroebene der Valenzrealisierung:141 (150) Er grüßte auf den Hof hinab. (Lenz Landesbühne: 14) (151) Eine vierspännige Kutsche klappert über den Schlosshof. (Mannheimer Morgen, 16. 07. 2007, zit. n. Meliss 2012: 315) In (150) enthält das dynamische Prädikat (grüßte…hinab) ein Mikro-Satzglied, das Mikro-Direktivum hinab. Das Makro-Direktivum (auf den Hof) stellt eine mögliche Explikation (Spezifizierung) des Mikro-Direktivums dar. Adverbiale Mikro-Satzglieder sind im Deutschen prototypischerweise direktiv. In (151) handelt es sich um ein als Bewegungsverb umszeniertes Geräuschverb. Dieser Typus von dynamischem Prädikat mit dynamischem Direktivum ist nicht nur in der Textwirklichkeit reichlich belegt, sondern stellt auch einen theoretisch viel diskutierten Fall dar, der auch in der vorliegenden Arbeit zu diskutieren sein wird (Kap. III/3.2.4). Eine vergleichbare dynamische Schemabildung lässt sich nur bei

140 Es ist +INSP und in der Regel +NOT. Allerdings muss man Welke (2007: 147) widersprechen, dass direktive Präpositionalgruppen „in einem verallgemeinerten Sinne“ auch regiert (+FOSP) seien. Angemessener ist hier die Auffassung der IDS-Grammatik (1997/2: 1035  ff.), die bezüglich Präpositionalgruppen die formale Valenzrelation der Rektion in zwei Teilrelationen unterteilt: KONST (= Konstanz) und TRANSF (= Kasustransfer). Die Präposition direktiver Präpositionalgruppen ist -KONST, da die Präposition – im Gegensatz zu der eines Präpositionalobjekts – vom Valenzträger nicht festgelegt ist (Er legt das Buch auf/unter/neben den Tisch / dorthin), jedoch +TRANS, da bei Wechselpräpositionen nur die Akkusativrektion möglich ist (Er legt das Buch auf den/*dem Tisch). 141 Zu Mikro- und Makro-Satzgliedern und zum Konzept der strukturellen Valenzrealisierung s. oben (Subjektsimulation) und Kap. III/2.2.2–3, zu dynamischen Direktiva Kap. III/3.2.3, wo auch das Beispiel (150) eingeführt und analysiert wurde.

­Direktivum als ­Komplement

Dynamik als Argument

540 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

den Objekten und beim Subjekt, nicht jedoch bei anderen Adverbialklassen beobachten (ebenfalls Kap. III/3.2.4). Zentrale statische Komplemente sind das Subjekt, das Akkusativ- und das Dativobjekt, die (16) Präpositionalobjekte und das Direktivum. Statische Sätze mit Subjekt stellen im Gegenwartsdeutschen die Regel dar. Subjektlosigkeit kommt nur bei wenigen Empfindungsprädikaten (z.  B. ekeln) vor. Im Falle des sog. formalen Subjekts es (es regnet, es gibt) handelt es sich um Subjektsimulation. Das Akkusativobjekt kommt zwar nicht so häufig vor wie das Subjekt, transitive Sätze sind jedoch semantisch gewichtig, da sie Handlungen indizieren. Auch Handlungen lassen sich simulieren (u.  a. durch Akkusativobjektsimulation, z.  B. es weit bringen). Akkusativobjekte können mit Präpositionalobjekten alternieren (einen / an einem Roman schreiben). Sie sind mitunter schwer von nominalen Prädikatsbestandteilen (z.  B. Rad in Rad fahren) abzugrenzen. Sog. Verben mit doppeltem Akkusativ (z.  B. lehren) verletzen das Einmaleins der Satzgliedlehre, nach dem ein (statisches) Satzglied nur einmal in einem Satz vorkommen darf, nicht. Das zentrale Problem des Dativobjekts ist dessen Abgrenzung von den sog. freien Dativen (Dativus (in)commodi und Pertinenzdativ) und vice versa. Denn auch der Status der freien Dative muss bestimmt werden. Freie Dative wurden als (zwei verschiedene) dynamische Dativobjekte analysiert, deren Besonderheit darin besteht, dass sie Valenzphänomene der dritten Art darstellen, d.  h. dem Valenzträger konstruktionell aufoktroyiert werden. ‚Präpositionalobjekt‘ stellt einen Oberbegriff für 16 Präpositionalobjekte dar. Als das zentrale Problem der Präpositionalobjekte gilt traditionell deren Abgrenzung von den Adverbialen. Dieses Problem wurde aus einer Perspektive angegangen, in der die Abgrenzungsfrage sich als Nebeneffekt der Frage nach der Primärfunktion von Präpositionalobjekten erweist. Als Primärfunktion wurde die Multiplizierung von (Um-)Szenariotypen qua semantischer Nischenbildung identifiziert (z.  B. warten, hoffen, sich freuen mit zukunftsgerichtetem aufAKK). Die Sekundärfunktion ist die Szenariodifferenzierung (z.  B. arbeiten vs. arbeiten anDAT) Das Direktivum hat einen Sonderstatus unter den Adverbialen: Es ist wie das Subjekt und die Objekte (a) immer Komplement und (b) dynamikaffin. Im Gegensatz zum Genitivobjekt ist es produktiv und häufig, weshalb eine Wachablösung im Satzgliedkanon – Direktivum gegen Genitivobjekt – überfällig ist.

3.1.5 Periphere Komplemente: Genitivobjekt, Verbativobjekt, Adverbialkomplemente

Genitivobjekt

Komplemente, die im gegenwartsdeutschen Sprachsystem eine marginale Rolle spielen, werden periphere Komplemente genannt (Kap. III/1.4.1). Das prominenteste periphere Komplement ist das Genitivobjekt: (152) Die Erde reist durch den Weltenraum. Der Mensch sendet eiserne Tauben aus und harrt ungeduldig (nominales ihrer Heimkehr Genitivobjekt). Er wartet auf ein Ölblatt von Brüdern auf anderen Sternen. (Strittmatter Bienkopp: 6)



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 541

Prominent ist das Genitivobjekt nicht deshalb, weil es im aktuellen Sprachsystem irgendeine Rolle spielen würde. Schließlich gibt es im Gegenwartsdeutschen max. 56 Verben mit Genitivrektion.142 Prominent ist es deshalb, weil man den Genitiv sowohl als Kasusform (‚Endung‘) wie auch als Kasuskategorie normativ – im wahrsten Sinne des Wortes – pflegt.143 Dabei ist die Angst um den Genitiv (als Kategorie) unbegründet. Denn historisch wird nicht der Genitiv im Allgemeinen, sondern nur der grammatische Wert ‚Genitivobjekt‘ (sog. adverbaler Genitiv) – seit dem 15. Jh. – abgebaut. Dagegen nimmt die Verwendung des grammatischen Werts ‚Genitivattribut‘ (adnominaler Genitiv) in der geschriebenen Standardsprache historisch sogar zu. Der Genitiv hat sich historisch eben als (prominentester) Nominalkasus (= Kasus innerhalb der Substantivgruppe) profiliert und ist aus dem Bereich der Verbalkasus bis auf die 56 idiomatischen Reste verschwunden (Kap. III/2.23 und Kap. IV/2.2). Die historische Verdrängung des Genitivobjekts wird von Textsorten getragen, die der gesprochenen Sprache nahe stehen, volkstümlich sind und einen lockeren Stil haben. Entsprechend findet man selbst in der geschriebenen Alltagssprache des 19. Jhs. nur noch vereinzelt Objektsgenitive (Elspaß 2005: 317  ff.). Typische Konkurrenzwerte sind dagegen Akkusativ- und Präpositionalobjekte (bzw. präpositionale Adverbiale), z.  B.144

Genitiv ist nicht gleich Genitiv

Konkurrenzwerte

(153) Ich […] bedarf jedoch […] gute Erholung. (154) […] so haben sich die Fürsten um sie angenommen […]. (Belege aus Privatbriefen der Jahre 1873 und 1856, zit. n. Elspaß 2005: 318) Den Gegenpol bilden die sprachlich konservativen Rechtstexte, die historisch wie heute den höchsten Genitivobjekt-Anteil aufweisen. Unter den sechs Gerichtsverben (anklagen, beschuldigen, bezichtigen, überführen, verdächtigen und zeihen), die natürlich nicht nur in Rechtstexten vorkommen, gibt es nur eins (anklagen), bei dem heute

142 Nach Barbara Lenz (1996: 3 und 48  f.), auf die ich mich bei den Daten stütze, sind von diesen 56 Verben 25 medial (sich-Verben), z.  B. sich annehmen, sich enthalten, sich wundern, und 31 nichtmedial, z.  B. bedürfen, harren, spotten. 36 von den 56 Verben sind Präfixverben. 6 der 31 nichtmedialen Verben sind als rechtssprachlich einzuordnen (Gerichtsverben), z.  B. anklagen, bezichtigen, überführen. Bei den nachfolgenden Ausführungen zum Genitivobjekt stütze ich mich auf Ágel 2008 und die dort verwendeten Belege und Literatur. Zum historischen Abbau des Genitivobjekts s. zusammenfassend Ágel 2000a: 1870  f. und die dort verwendete Literatur. 143 Zur Unterscheidung von Kasusform und Kasuskategorie s. Dürscheid 1999: 2. 144 Verben wie sich annehmen, bedürfen und harren, die nach Lenz zu den 56 gegenwartsdeutschen Genitivverben gehören, werden in der geschriebenen Alltagssprache des 19.  Jhs. „nicht mehr mit dem Genitiv“ verwendet (Elspaß 2005: 318). Nach Lenz (1998: 6) sei im Gegenwartsdeutschen bei monotransitiven Verben das Dativobjekt „als einziger – in gewissen Grenzen – produktiver GenitivAlternant“ auszumachen, wobei „bei keinem genitivfähigen Verb […] mehrere Alternanten möglich (sind)“ (Lenz 1998: 10). Bei ditransitiven Verben kommt das Dativobjekt als Genitiv-Alternant, wenn auch selten, bereits im 16. Jh. vor (A. Fischer 1992).

Gerichts­ verben

542 

kausale und benefaktive Konkurrenz­ werte: anklagen

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

das Genitivobjekt statistisch eine untergeordnete Rolle spielt, bei den anderen fünf überwiegt – trotz Konkurrenzwerten – immer noch der Genitiv (Diegel 2007).145 Anklagen wird zwar in den Wörterbüchern noch als Genitivverb geführt, im Grunde hat jedoch das Kausaladverbial mit der Präposition wegenGEN/DAT das Genitivobjekt längst verdrängt: (155) Unterdessen wurden vier irakische Soldaten (Kausaladverbial- wegen der Vergewaltigung einer elffachen Mutter komplement) angeklagt. (Die Welt, 23. 02. 2007, zit. n. Diegel 2007: 6) Dynamisch lässt sich auf ein Anklagen-Szenario auch die benefaktive semantische Nische (mit fürAKK, Kap. III/3.1.4) anwenden: (156) […] keiner dürfe zweimal (Präpositional- für dasselbe Verbrechen werden […]. (DIE ZEIT, 19. 10. 2006., zit. n. Diegel 2007: 6)

prädikative Konkurrenzwerte: über­ führen, zeihen prädikativer Konkurrenzwert mit Kopulativ­ partikel: überführen

objekt)

angeklagt

Besonders interessant ist die zweithäufigste Konkurrenzform, das Prädikativum mit oder ohne Kopulativpartikel als.146 (157) (a) Ein 45-jähriger Mann wurde (Genitiv- der Tat objekt) überführt. (Die Welt, 07. 11. 2003, zit. n. Diegel 2007: Anhang) (b) Nach der Tat bezichtigte er zunächst seinen Vater, doch die Mordkommission konnte schnell ihn als Täter überführen. (SZ, 22. 03. 2004, zit. n. Diegel 2007: Anhang) Die Gegenüberstellung von Genitiv- mit Prädikativbelegen – hier am Beispiel von der Tat vs. als Täter – zeigt deutlich, dass das Prädikativ keinen ‚echten‘ Konkurrenzwert des Genitivobjekts darstellt. Vielmehr handelt es sich um semantische Alternativen: Der Genitiv wird gewählt, wenn es sich um ein Nomen actionis (Tat), das Prädikativum, wenn es sich um ein Nomen agentis (Täter) handelt. Würde es sich um echte Konkurrenzwerte handeln, müssten sie gegeneinander austauschbar sein, d.  h. eine Distributionsklasse bilden, was aber nicht der Fall ist. Der Austausch des Nomen actionis gegen das Nomen agentis und umgekehrt führt zu unsinnigen Sätzen: (157) (a’) ??Ein 45-jähriger Mann wurde (Genitiv- des Täters objekt) überführt.

145 Da nach der Untersuchung von Diegel bei beschuldigen, bezichtigen und verdächtigen die Konkurrenzwerte statistisch irrelevant sind, wird auf diese Verben nicht weiter eingegangen. 146 Wie im Kap. III/2.1.4 ausführlich dargelegt, bildet die Kopulativpartikel als zusammen mit einem Kopulaverb einen Kopulaausdruck (z.  B. ansehen als). Kopulaausdrücke und  –wörter bilden eine Distributionsklasse. Prädikative mit oder ohne Kopulativpartikel wurden als Teile des Prädikats analysiert.



(b’)

Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 543

??Nach der Tat bezichtigte er zunächst seinen Vater, doch die Mordkommission konnte schnell ihn als Tat überführen.

Im Kap. III/2.1.4 wurde dafür argumentiert, dass das Prädikativum kein Satzglied, sondern Teil des Prädikats ist. Dass Genitivobjekt und als-Prädikativum keine Distributionsklasse bilden, stellt ein zusätzliches Argument für diese Analyse dar. Der Kopulaausdruck überführen als funktioniert als Ad-hoc-Einstellungskopula. Folglich stellt die Konstruktion überführen als X ein (dynamisches) Prädikativprädikat dar.147 Eine ähnliche, aber schwächer ausgeprägte Entwicklung zeigt sich beim Verb zeihen: (158) (a) Als gebürtiger Bonner kann man sich an der Hauptstadtdiskussion nicht beteiligen, ohne gleich (Genitivobjekt des Lokalpatriotismus zweiten Grades) geziehen zu werden. (Der Spiegel, 06. 11. 1995, zit. n. Diegel 2007: Anhang) (a’) ??Als gebürtiger Bonner kann man sich an der Hauptstadtdiskussion nicht beteiligen, ohne gleich (Genitivobjekt des Lokalpatrioten zweiten Grades) geziehen zu werden. (159) (b) Ein Polizeiführer wird als Sympathisant geziehen […]. (Der Spiegel, 11. 07. 1983, zit. n. Diegel 2007: Anhang) (b’) ??Ein Polizeiführer wird als Sympathisantentum geziehen […]. Viel interessanter ist allerdings, dass sich das dynamische Kopulaverb zeihen auch ohne Kopulativpartikel belegen lässt, z.  B. (160) Ein Orientalistik-Professor zeiht ihn „Scharlatan“ und „Plagiator großen Stils“. (Der Spiegel, 23. 09. 1991, zit. n. Diegel 2007: Anhang) (161) Jeden Präsidenten, der heute dasselbe täte, würden die Enkel einen Schwächling zeihen. (DIE ZEIT, 30. 04. 2003, zit. n. Diegel 2007: Anhang) Die Innovation besteht hier darin, dass das dynamische Kopulaverb zeihen in Analogie zum statischen (transitiven) Kopulaverb nennen (Kap. III/2.1.4) im Sinne eines beschuldigenden Nennens verwendet wird, was sich mithilfe der Ersatzprobe nachweisen lässt:

147 Zur Unterscheidung von Darstellungs- und Einstellungkopulae Kap. III/2.1.4. Ein anderes Beispiel für ein (dynamisches) Prädikativprädikat, nämlich arbeiten als X, wurde im Kap. III/2.2.3 analysiert.

dynamisches Prädikativprädikat

prädikativer Konkurrenz­ wert mit/ ohne Kopulativ­ partikel: zeihen

544 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

(160’) Ein Orientalistik-Professor nennt ihn „Scharlatan“ und „Plagiator großen Stils“. (161’) Jeden Präsidenten, der heute dasselbe täte, würden die Enkel einen Schwächling nennen. Verbativ­ objekt

(162) Erst allmählich kam er dahinter, (Verbativ- dass sie diese Pausen brauchten objekt). (Kehlmann Vermessung: 54) (163) Man bedeutete ihr, (Verbativ- sich still zu verhalten objekt). (Beispiel n. Ulrich Engel 1988: 211) (164) […] es gelte aber, (Verbativ- diese [= die Prinzipien der Deutschland-Politik der Regierung, VÁ] jetzt den veränderten Weltverhältnissen anzupassen objekt). (FAZ, 13. 01. 1966, zit. n. IDS-Grammatik 1997/2: 1118) Das Verbativobjekt, das im Zusammenhang mit dem sog. Akkusativ der Sache bei fragen und bitten bereits eingeführt wurde (Kap. III/3.1.4), stellt eine „obligatorisch satzförmige Ergänzung“ (Eroms 2000: 213) dar.148 M. a. W., der grammatische Wert ‚Verbativobjekt‘ stellt das Ergebnis der Anwendung der Objektfunktion auf solche Nebensätze und Infinitivkonstruktionen dar, die sich durch keine genuinen (= nominalen) Realisierungsformen ersetzen lassen, d.  h. exklusive Rekta der jeweiligen Verben sind. Auf die Funktion-Argument-Wert-Formel gebracht (exkl = exklusives Rektum):149 Objekt (Nebensatzexkl/Infinitivkonstruktionexkl) = Verbativobjekt

Adverbialkomplemente

Adverbiale sind typischerweise Supplemente, weil sie die Funktion haben, Szenarios zu kontextualisieren. Als Komplemente, d.  h. als Szenariokomplementierer, stellen sie „einen markierten Fall“ dar (IDS-Grammatik 1997/2: 1099), sie sind eben untypische

148 Zwischen den Auffassungen von Engel (1988: 198), der IDS-Grammatik (1997/2: 1118) und Eroms (2000: 213  f.) gibt es Unterschiede, die aber wegen der geringen Anzahl potenzieller VerbativobjektVerben hier nicht diskutiert werden sollen. Ich orientiere mich an der Eroms’schen Auffassung. 149 Exklusivität (‚Obligatheit‘) des Rektums ist, wie im Kap. I/2.5, (Anm. 45) angedeutet, ein rigides grammatisches Kriterium, wenn man bedenkt, dass es Verben gibt, die formal zwar ein Akkusativ- oder Präpositionalobjekt kodieren, semantisch jedoch nicht einen Gegenstand, sondern einen Sachverhalt indizieren, z.  B.: [5a] Hannes sagt, (Akkusativobjekt- dass bald etwas geschehen wird nebensatz). Bei solchen Verben sind auch die grammatischen Formen prototypischerweise ‚verbativ‘, weshalb Coene (2006: 181) im Zusammenhang mit Satzmustern von glauben und denken von Nebensatz-Realisierungen von „Hauptstrukturen“ spricht. In diesen Fällen wäre zu überlegen, den Begriff des Verbativobjekts nicht an die Exklusivität, sondern an die Prototypizität der Satzförmigkeit zu binden. (Beim Akkusativ- oder Präpositionalobjekt geht man auch nicht davon aus, dass es immer eine Substantivgruppe im Akkusativ sein muss). Dies hätte drei Konsequenzen: (a) Es gäbe weniger Verben mit Akkusativ- oder Präpositionalobjekt und (b) mehr mit Verbativobjekt; (c) Es gäbe viele Zweifelsfälle, bei denen die Grenze zwischen Akkusativ-/Präpositionalobjekt und Verbativobjekt schwer zu ziehen wäre. Aus (b) würde folgen, dass ‚Verbativobjekt‘ keine periphere, sondern eine zentrale Komplementklasse wäre.



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 545

Komplemente. Im Leittext sind Modal-, Temporal-, Frequenz- und Lokal(adverbial)komplemente belegt:150 [28] »(Modaladverbial- So komplement) ist (nominales es Subjekt), manchmal komplement) geschieht (nominales etwas im Leben, mit dem (Frequenzadverbialman sich abfinden muss« Subjekt). [19] (Temporal- Kurz darauf adverbial) öffnet (nominales ein ahnungsloser Torhüter Subjekt) (nominales die Pforte Akkusativobjekt), und draußen komplement) sind (nominales sie Subjekt). (Lokaladverbial[31] und schnapp! sitzen (nominales sie Subjekt) (Frequenz- wieder adverbial) (Lokaladverbial- im Bus komplement) und bald darauf adverbial) [sitzen (nominales sie Subjekt)] (Lokaladverbial- in ihrem Pisspott (Temporalnamens Isenbüttel komplement). Adverbialkomplemente können nicht nur im temporalen Bereich anszenierend (= Verhältnisadverbiale) sein. Hier zwei Belege für nichttemporale Verhältnisadver­ bialkomplemente:151 (155) Unterdessen wurden vier irakische Soldaten (Kausaladverbial- wegen der Vergewaltigung einer elffachen Mutter komplement) angeklagt. (Die Welt, 23. 02. 2007, zit. n. Diegel 2007: 6) (165) […] Worte reichten nicht aus, (Finaladverbial- um zu beschreiben, wie es wirklich war. Wie es sich anfühlte, einen Mann, dem man selbst, und zwar mit ungenügender Anästhesie, die Beine amputiert hatte, wenige Meter von dem wartenden Hubschrauber zu verlieren, zu dem man ihn über vor Hitze flimmernde Felder geschleift hatte, so daß alles umsonst gewesen war und man auf dem Rückflug bemerkte, daß man Teile der letzten Tage aus dem Gedächtnis verloren hatte, daß es da leere Stellen gab, als wäre man durch Erlebnisse gegangen, so drastisch und fremd, daß sie nicht ganz in die Wirklichkeit gehörten und sich der Erinnerung verweigerten komplement). (Kehlmann Ruhm: 30)

150 Zur Unterscheidung von Temporal- und Frequenzadverbial Kap. III/3.1.6. 151 Zu der Unterscheidung ‚Situativ- vs. Verhältnisadverbial‘Kap. I/3.3. Situativadverbiale werden farblich nicht, Verhältnisadverbiale grau hinterlegt. Diese Konvention gilt für Komplemente wie Supplemente. Der Kehlmann-Beleg mit dem Finaladverbialkomplement wurde bereits im Kap. I/2.1 analysiert, der Beleg mit dem Kausaladverbialkomplement im vorliegenden Kapitel beim Genitivobjekt. Die IDS-Grammatik (1997/2: 1099  ff.) rechnet außer mit kausalen und finalen auch noch mit konditionalen, instrumentalen und komitativen Verhältnisadverbialkomplementen. Zu den Typen von Verhältnisadverbialen Kap. III/3.1.6.

546 

das Valenzproblem

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Die Atypizität von Adverbialkomplementen äußert sich valenztheoretisch vor allem darin, dass sie vom Valenzträger nicht regiert werden, d.  h. nicht formspezifisch sind (-FOSP). Des Weiteren ist ihre Realisierung in der Regel nicht absolut, sondern relativ obligatorisch (relative +NOT).152 Beispielsweise ist das Kausalkomplement in (155) gewiss nicht notwendigerweise zu realisieren: (155’) Unterdessen wurden vier irakische Soldaten angeklagt.

Die +BETIntuition GeschehenSzenario

Weglass­ probe

Trotzdem dürften sich die Sprachteilhaber darüber einig sein, dass der Grund der Anklage zu einem Anklagen-Szenario gehört (+BET). Die +BET-Intuition (= Szenariobeteiligung) bei Adverbialkomplementen ist also inhaltlich fundiert (+INSP). Formal ist sie nicht oder nur schwach begründet.153 Ein valenzieller Problemfall-Klassiker ist das Verb geschehen, vgl. [28]

manchmal komplement) geschieht (Frequenzadverbialman sich abfinden muss« Subjekt).

(nominales

etwas im Leben, mit dem

Gehört das Frequenzadverbial manchmal zum Szenario oder ist das Subjekt das einzige Komplement eines Geschehen-Szenarios?154 Lässt man das Frequenzadverbial weg, bleibt der Satz zweifelsohne grammatisch, aber, wie Nikula (1995: 336) treffend formuliert, „kommunikativ unwahrscheinlich“: [28a] Etwas im Leben, mit dem man sich abfinden muss, geschieht. M. a. W., zu einem Geschehen-Szenario gehört irgendein Situativadverbial (Lokal-, Modal-, Frequenz- oder Temporaladverbial), damit es kommunikativ wahrscheinlich, d.  h. inhaltlich nicht leer, ist.155

152 Zu den Valenzrelationen Kap. III/1.3.1). Zur absoluten vs. relativen NOT – ein Konzept, das auf Pasch 1977 zurückgeht – s. den Überblick in Ágel 2000: 247  ff. 153 S. auch die IDS-Grammatik (1997/2: 1099), in der zu Recht angemerkt wird, dass bei Adver­bial­ komplementen „auf der Formseite […] meist keine oder nur schwache Komplement-Befürworter vor(liegen).“ 154 Dieselbe Frage gilt fürs Lokal- und Modaladverbial: Wäre etwa in den Sätzen In Isenbüttel geschieht etwas, mit dem man sich abfinden muss bzw. Das Ganze geschah blitzschnell das Lokaladverbial In Isenbüttel bzw. das Modaladverbial blitzschnell Komplement oder Supplement? 155 Nach Henrik Nikula (1995), der streng zwischen kommunikativer und struktureller Notwendigkeit unterscheidet, gehört nur das Subjekt zur Valenz des Verbs geschehen (s. auch ViF 1986: 76  f.). Vgl. dagegen die IDS-Grammatik (1997/2: 1100  f ), in der die Situativadverbiale von geschehen- und passie­ ren-Belegen als Komplemente gewertet werden. Nikula (1995: 329  ff.) zählt sechs „relevante Faktoren“ auf, die das (Nicht-)Auftreten des Situativadverbials bei Verben des Geschehens (auch sich ereignen, passieren, sich begeben, stattfinden) steuern: (abstrakte) Eigenbedeutung des Verbs, Wortstellung, Thema-Rhema-Gliederung, (Un-)Bestimmtheit des Subjekts, Aktionsart (+/-Grenzbezogenheit des Geschehens) und kommunikative Relevanz.



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 547

Im Kap. III/3.1.4 wurde als die Sekundärfunktion von Präpositionalobjekten die Szenariodifferenzierung ausgemacht (vgl. arbeiten vs. arbeiten anDAT). Diese Funktion ist bei Adverbialkomplementen zwar unüblich, aber gerade im Hinblick auf den Leittext sollte der bekannteste Fall nicht unerwähnt bleiben: [31a] [31b]

Szenario­ differenzierung

Die Gefängnisinsassen Subjekt) sitzen (Lokaladverbial- im Bus komplement). Die Gefängnisinsassen Subjekt) sitzen. (nominales (nominales

Darauf, dass hier das Lokaladverbial szenariodifferenzierend ist, verweist recht früh Johannes Erben (1970) mit seinem treffenden Aufsatztitel: „Er sitzt, weil er gestan­ den hat oder über den Zusammenhang von Valenz und Mitteilungswert des Verbs“. In der Tat ist ein Im-Gefängnis-Sitzen-Szenario ([31b]) von einem Sitzen-Szenario ([31a]) deutlich zu unterscheiden. Denn während Letzteres eine konkrete Körperhaltung beschreibt, verweist Ersteres auf einen sehr abstrakten rechtskräftigen Zustand, der bekanntlich unabhängig davon gültig ist, ob man die Zeit im Gefängnis sitzend, stehend oder liegend verbringt. Unter den sog. Verben mit doppeltem Akkusativ wurde bereits kosten1 (’einen bestimmten Preis verlangen’) als ditransitiver Valenzträger mit Akkusativobjekt und Dilativkomplement identifiziert (Kap. III/3.1.4): (63a) Das würde (nominales mich Akkusativobjekt) (Dilativadverbial- einen schönen Batzen Geld / 100 Euro / meine ganzen Ersparnisse /sehr viel komplement) kosten1.

Dilativ(adverbial) komplement

Weitere Beispiele mit Dilativkomplement: [20] (Dilativadverbial- Weit komplement) kommen (nominales sie Subjekt) nicht. (166) Die Testphase dauerte (Dilativadverbial- drei Jahre / nur kurz / bis sich gute Ergebnisse einstellten komplement). (Eroms 2000: 204) (167) Er kürzte die Hose (Dilativadverbial- um einen Zentimeter komplement). (Engel 1988: 196) (168) Wir haben das Wasser (Dilativadverbial- (bis) auf 70 Grad komplement) erwärmt. (IDS-Grammatik 1997/2: 1105) (169) Das Fass enthält (Dilativadverbial- 200 Liter Wein komplement). Herkömmlicherweise wird kein Satzgliedwert ‚Dilativadverbial‘ angenommen. Vielmehr werden die obigen Beispieltypen auf die Adverbialklassen ‚Temporal-, Lokalund Modaladverbial‘ (s. etwa Duden 2005: 795  f.) und, soweit die Form eine Substantivgruppe im Akkusativ ist, evtl. auch auf das Akkusativobjekt verteilt. Diejenigen Autoren, die hier eine eigene adverbiale Komplementklasse annehmen, argumentieren gegen diese Aufsplittung sowohl formal als auch inhaltlich.156 Formal wird geltend gemacht: 156 Diese Autoren, hinter deren unterschiedliche Termini sich vergleichbare Begriffe verbergen, sind Ulrich Engel („Expansivergänzung“, 1988: 196), Hans-Werner Eroms („Mensuralergänzung“, 2000:

Maßangaben

548 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

„[…] die Leitformen für Dilativkomplemente lauten, so, soviel, soweit, solange u.  ä. und stimmen in keinem einzigen Fall mit den beim Akkusativobjekt möglichen Leitformen überein.“ (IDSGrammatik 1997/2: 1105)

Inhaltlich geht es in allen diesen Fällen um Maßangaben, die 1) typischerweise „eine meßbare Veränderung im Raum oder in der Zeit bezeichnen“ (Engel 1988: 196), weil sie mit Verben (z.  B. dauern, kürzen, abnehmen, sinken, erwärmen) vorkommen, „in deren Bedeutung ein Parameter des Differenzmaßes impliziert ist“ (IDS-Grammatik 1997/2: 1104). Engelen (1990a: 147  f.) schlägt deshalb den Terminus „Differenzergänzung“ vor. 2) Weniger typisch sind Verben wie kosten1, wiegen oder enthalten, deren Bedeutung lediglich den Parameter des Maßes (ohne Differenz) impliziert. Dass diese eher periphere Gruppe mit 1) eng zusammenhängt, dürfte das folgende ‚Minimalpaar‘ anschaulich machen: (170) Karl wiegt (Dilativadverbial- einen Zentner komplement). (Eisenberg 2006/2: 61) (171) Karl nahm (Dilativadverbial- einen Zentner komplement) ab. Einmaleins der Satzgliedlehre

Ein weiteres, ebenfalls inhaltliches Argument ergibt sich aus dem Prinzip des Einmaleins der Satzgliedlehre. Zwar liegen im folgenden Beleg keine Adverbialkomplemente vor, doch der Umstand, dass im selben Satz sowohl ein Temporal- als auch ein Dilativadverbial vorkommt, spricht für die Trennung dieser Satzgliedwerte: (172)

Dilativ­ komplement vs. Akkusativ­ objekt

Über Neujahr adverbial) waren sie (Dilativ- ein paar Tage adverbial) an der Pazifik(Temporalküste gewesen. (Ruge Zeiten: 33)

Bei Fortbewegungsverben gilt die Angabe der Länge der Strecke als potenzielles Differenzmaß. Allerdings gibt es hier hinsichtlich der Wahl des Perfekthilfsverbs (sein/ haben) einen gewissen – grammatisch bedeutsamen – Spielraum: (173) (a) Sie ist (Dilativadverbial- 42 km / einen Marathon komplement) gelaufen. (b) Sie hat (Akkusativ- einen Marathon objekt) gelaufen. (c) *Sie hat (Akkusativ- 42 km objekt) gelaufen.« Typisch ist die Verwendung des Hilfsverbs sein ((173a)), was bedeutet, dass das Fortbewegungsverb intransitiv verwendet wird. M. a. W., die Strecke wird grammatisch nicht als Akkusativobjekt, sondern als Dilativkomplement kodiert.

203  ff.) und Eva Breindl / Ulrich Engel („Dilativkomplement“, IDS-Grammatik 1997/2: 1104  f.). Peter Eisenberg (2006/2: 61  f.) spricht von „Maßergänzung“, lässt jedoch die Frage, ob es sich um einen adverbialen Wert handelt, offen.



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 549

Möglich (aber nicht typisch) ist allerdings auch, die Streckenbezeichnung (= einen Marathon) signifikativ-semantisch nicht als Differenzmaẞ, sondern als Handlungsgegenstand (Patiens) zu perspektivieren ((173b)). In diesem Falle liegt kein Fortbewegungsverb, sondern ein transitives Verb vor, das das Perfekt naturgemäß mit haben zu bilden hat (s. auch Rostila 2007: 336, Anm. 84). Besonders interessant ist (173c). Denn während sich die Streckenbezeichnung sowohl als Differenzmaẞ wie auch als Handlungsgegenstand kodieren lässt, kann eine genuine Maßangabe (= 42 km) offensichtlich nicht als Handlungsgegenstand interpretiert werden.157 Von den zitierten Autoren, die mit der Klasse ‚Dilativ(adverbial)komplement‘ rechnen, erwähnt nur Eroms (2000: 204), dass Dilativadverbiale nicht nur als Komplemente, sondern auch als „freie Maßangaben“, d.  h. als Supplemente, vorkommen können:158 (174) Sie saßen (Dilativ- drei Stunden / ohne Unterbrechung adverbial). (Eroms 2000: 204) (175) Sie büffelten, (Dilativ- bis sie sich alle Vokabeln gemerkt hatten adverbial). Diese Auffassung ist konsequent, denn ansonsten müsste man in der Umgebung von Verben wie sitzen oder büffeln von Temporal-/Durativadverbialen sprechen, obwohl dieselben Adverbiale in der Umgebung der Valenzträger dauern und währen als Dilativadverbiale eingestuft werden.159 Periphere statische Komplemente sind das Genitiv- und das Verbativobjekt bzw. (in Ausnahmefällen) Adverbiale. Der grammatische Wert ‚Genitivobjekt‘ (adverbaler Genitiv) wird seit dem 15. Jh. abgebaut und durch alternative Werte ersetzt. Besonders aufschlussreich sind die aktuellen kausalen, benefaktiven und prädikativen Konkurrenzwerte bei sog. Gerichtsverben (wie anklagen, beschuldigen), die im Gegensatz zur Dativalternative weniger im Zentrum des (öffentlichen) Interesses stehen. Abbau und Ersatz betreffen allerdings nur den adverbalen Genitiv, die Genitivkategorie als solche ist im Deutschen nicht ‚bedroht‘, der Genitiv hat sich als genuiner Nominalkasus (adnominaler Genitiv, Genitivattribut) profiliert.

157 Dass die Leitformen für Dilativkomplemente „in keinem einzigen Fall mit den beim Akkusativobjekt möglichen Leitformen überein(stimmen)“ (Zitat s. oben), dürfte für lokale Differenzmaße nicht gelten: »Was / ?wie weit / ?wie viel ist sie gelaufen?« »Einen Marathon.« vs. »Wie weit / wie viel/ ?was ist sie gelaufen?« »42 km.« 158 Dabei muss im Bereich der Dilativadverbiale – so wie bei den Temporaladverbialen – zwischen situierenden und anszenierenden Adverbialen (Situativ- vs. Verhältnisadverbial) unterschieden werden (Kap. III/3.1.6). 159 Im Zusammenhang von dauern und währen spricht die IDS-Grammatik (1997/2: 1105) von „temporale(n) Dilativkomplemente(n)“, während Adverbialsupplemente, die wie z.  B. (Es regnete) drei Stunden „die zeitliche Dauer von Ereignissen (spezifizieren)“ (IDS-Grammatik 1997/2: 1141), als Durativadverbialia klassifiziert werden.

Dilativ­ komplement vs. -supplement

550 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Der grammatische Wert ‚Verbativobjekt‘ stellt das Ergebnis der Anwendung der Objektfunktion auf solche Nebensätze und Infinitivkonstruktionen dar, die sich durch keine nominalen Realisierungsformen ersetzen lassen, z.  B. Man bedeutete ihr, (Verbativ- sich still zu verhalten objekt). Adverbiale kontextualisieren prototypischerweise die Szenarios, sind also Supplemente. Allerdings gibt es einige Valenzträger wie z.  B. wohnen, dauern, anklagen oder sich benehmen, deren Sze­na­rio­ entwürfe Adverbiale als Komplemente vorsehen. Dies gilt sowohl für Situativ- als auch für Verhältnisadverbiale.

3.1.6 Supplemente: Adverbiale und Freies Prädikativ

Adverbialwert

Grundtypen: Szenario­ situierung vs. Anszenierung

Supplemente sind mit Ausnahme des Freien Prädikativs adverbiale Satzglieder. Im Leittext kommen insgesamt 53 Adverbiale vor, davon 42 Adverbialsupplemente (kurz: Adverbiale). Situierende und szenierende Kontextualisierung von Szenarios stellen also ein durchaus übliches Verfahren dar, wenn man bedenkt, dass der Leittext 83 Sätze enthält. Im Sinne der Funktion-Argument-Wert-Formel stellt ein Adverbialwert die Anwendung der Adverbialfunktion einerseits auf genuine grammatische Formen wie Adjektivgruppe, Adverbgruppe, Substantivgruppe (im Akkusativ oder Genitiv) und Präpositionalgruppe, andererseits auf recycelte grammatische Formen wie Nebensatz, Infinitiv- und Partizipialkonstruktion dar.160 Jede dieser Formen kommt bei der Erörterung der Adverbialklassifikation unten mindestens einmal vor. Wie bereits im Kap. I/3.3 angedeutet, sind aus der Sicht der Grammatischen Textanalyse zwei Grundtypen von Adverbialwerten anzunehmen: das Situativadverbial, das für Szenariosituierung, und das Verhältnisadverbial, das für Anszenierung verantwortlich ist. Eine gute Vergleichsmöglichkeit bieten die folgenden zwei Belege mit jeweils mehreren Adverbialwerten desselben Grundtyps: Situativadverbiale (farblich nicht hinterlegt): (176) Für zehn Pfennig eine riesige Tüte mit Kuchenrändern. Wir haben uns (Lokalhier adverbial) (Frequenz- jeden Nachmittag adverbial) (Instrumental- damit adverbial) vollgestopft. (Hein Freund: 132) Verhältnisadverbiale (grau hinterlegt): (177) (Kausal- Weil es erwünscht ist adverbial), bringen wir zu Worte den Satz, erzwungen und fatal. Sofern Sie’s sehn adverbial): er stammt aus der Retorte, (Konditional konditional zuletzt, zuerst kausal. 160 Auf das Verfahren der Berechnung von Supplementwerten mit Hilfe der Funktion-Argument-WertFormel wurde im Kap. III/3.1.4 eingegangen. Zu den adverbialen Satzgliedproben Kap. III/1.7.





Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 551

Damit das Bild, das spröde, sich nun runde adverbial) – ein stürmisches Gewässer ist nicht tief – obzwar er arg betrog adverbial), ging er zugrunde: (Konzessivfinal der Start, das Ende konzessiv. (Final-

Wenn draußen Regen geht adverbial), wird mancher schreiben, (Konditional-/Temporal ist es bedingt, ist’s temporal? Grammatik soll, wer es gern möchte, treiben. Doch das Gedicht macht sie banal. (Uwe Grüning: Kausales in: bundesdeutsch 148) Als Faustregel für die Berechnung des jeweiligen adverbialen Grundtyps gilt, dass genuine Formen szenariosituierend, während recycelte anszenierend sind:161 Adverbial (genuine Form) = Situativadverbial Adverbial (recycelte Form) = Verhältnisadverbial

Formeln für die Grund­ typen

An je einem Adverbial aus den obigen Belegen exemplifiziert: Adverbial (Adverb hier) = Lokaladverbial Adverbial (Nebensatz Weil es erwünscht ist) = Kausaladverbial Um den satzsemantischen Unterschied zwischen Situativ- und Verhältnisadverbial zu verdeutlichen, vergleichen wir einen Leittext-Beleg mit temporalem Verhältnisadverbial mit dessen Abwandlung mit lokalem Situativadverbial: Erst (Temporal- als er eine Zivilstreife gestoppt hatte adverbial), war (nominales der Spaß zu Ende. Subjekt) Anszenario                          ←  Zeitrelation  →     Szenario er hatte eine Zivilstreife gestoppt   als   der Spass war zu Ende [9]

[9a]

(Lokal-

In Grünau adverbial) war (nominales der Spaß Subjekt) zu Ende.

Ort                 ←  Raumrelation  →          Szenario Grünau            in            der Spass war zu Ende In beiden Fällen handelt es sich um eine Relation, und in beiden Fällen ist das eine Relatum das der-Spass-war-zu-Ende-Szenario.

161 Ausnahmen von der Regel sind einerseits adverbiale Gegenstandsparaphrasen (Kap. III/3.1.2), die nebensatzförmig, aber situierend sind, andererseits komprimierte Anszenarios in Form von Präpositionalgruppen wie das Kausaladverbial in dem im Kap. III/3.1.5 zitierten Beleg: Unterdessen wurden vier irakische Soldaten (Kausaladverbial- wegen der Vergewaltigung einer elffachen Mutter komplement) angeklagt.

der satz­ semantische Unterschied

552 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

In [9] wird dieses Szenario zu einem anderen Szenario, dem er-hatte-eine Zivilstreife gestoppt-Szenario in Beziehung gesetzt. In [9a] ist das andere Relatum dagegen kein Szenario, sondern ein Ort (Grünau). Wenn zwei Szenarios zueinander in Beziehung gesetzt werden, lassen sie sich prinzipiell durch grammatische Umkodierung auch vertauschen:162 [9’]

Erst (Temporal- als der Spaß zu Ende gewesen war streife.

, stoppte er eine Zivil-

adverbial)

Anszenario                    ←  Zeitrelation  →     Szenario der Spass war zu Ende gewesen    als    er stoppte eine Zivilstreife

Supplementklassifikation

Für eine Vertauschung einer Ort-Szenario-Relation fehlt dagegen verständlicherweise jedwede grammatische Umkodierungsmöglichkeit. Ein Ort ist eben ein ‚Gegenstand‘ und kein Sachverhalt. Die folgende Supplementklassifikation orientiert sich einerseits an der grundlegenden Unterscheidung von Situativ- und Verhältnisadverbial, andererseits am Prinzip des Einmaleins der Satzgliedlehre.163 Dabei werden die Adverbialklassen in drei Gruppen angeboten: (1) Situativadverbiale (inkl. Freies Prädikativ): ausschließlich szenariosituierende Adverbialwerte;164 (2) Situativ- wie Verhältnisadverbiale: Adverbiale, die sowohl szenariosituierend als auch anszenierend gebildet werden können; (3) Verhältnisadverbiale: ausschließlich anszenierende Adverbialwerte. Da die Klassifikation umfangreich (und problematisch) genug ist, wird in der Tabelle auf Subklassen verzichtet.165 Relevante Subklassen oder Problemfälle werden bei den einzelnen Klassen besprochen.

162 Das heißt nicht, dass jede beliebige Vertauschung unsere Text- und Welterfahrung gleich gut wiedergibt, z.  B. Obwohl es regnet, ziehe ich keine Regenjacke an → Obwohl ich keine Regenjacke anziehe, regnet es. 163 Das Adverbialkonzept des vorliegenden Kapitels verdankt viel den einschlägigen Überlegungen von Peter von Polenz (2008: 252  ff. und 265  ff.), Karin Pittner (1999) und der IDS-Grammatik (1997/2: 1119  ff.), weicht jedoch in nicht unwesentlichen Punkten von allen diesen Konzepten ab. 164 Das Freie Prädikativ ist kein Adverbial, hat aber die größten Ähnlichkeiten mit dem Modal­ adverbial. Daraus ergeben sich auch die Abgrenzungsprobleme, auf die unten einzugehen sein wird. 165 In der Klassifikation kommen sog. Satzadverbiale wie vermutlich oder zum Glück bzw. sog. Textadverbiale wie z.  B. einerseits…andererseits nicht vor. Erstere stellen Kommentarglieder (Kap. III/4), letztere Kohäsionsglieder (Kap. II/4) dar.



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 553

Tab. 49: Statische Supplementklassen im Überblick Situativadverbiale Klasse

Beispiele

Lokaladverbial

[42] (Lokal- hier adverbial) ist (nominales es Subjekt) wohl eher umgekehrt.

Frequenzadverbial

[33 (Temporal- dann adverbial) kommt auch noch (Frequenz- ein weiteres Mal  – (nominales die Landesbühne Subjekt). adverbial)

Modaladverbial

Sie […] schlief (Modal- schlecht adverbial).166

Freies Prädikativ (inkl. Freies als-Prädikativ)

Er lächelte (Freies blaß und verlegen Prädikativ).167 Als einfache Prinzessin als-Prädikativ) muß sie [i.e. Diana] nun jeden Tag einen Hofknicks vor ihren beiden Söhnen machen.168 (Freies

Situativ- wie Verhältnisadverbiale Klasse

Beispiele

Temporaladverbial (Situativ)

(Temporal-

Temporaladverbial (Verhältnis)

Über Neujahr adverbial) waren sie ein paar Tage an der Pazifikküste gewesen.169

(Temporal-

an.170

Nachdem er gegangen war adverbial), rief ich meine Eltern

Dilativadverbial (Situativ)

Über Neujahr waren sie (Dilativ- ein paar Tage adverbial) an der Pazifikküste gewesen.171

Dilativadverbial (Verhältnis)

[11] Das war (nominales er Subjekt) auch, für Literatur sogar, Spezialgebiet Sturm und Drang, (Dilativ- bis aufflog, dass er sich selbst zu oft als Stürmer und Bedränger gefallen und die hübschesten und schlechtesten Studentinnen mit Höchstlob durchs Examen geschleust hatte adverbial).

Komitativadverbial (Situativ)

Ging nach der Arbeit (Komitativ- allein mit dem Hunde adverbial) den umgekehrten Waldweg spazieren.172

Komitativadverbial (Verhältnis) Ich lag im Bett, (Komitativ- ohne die Augen zu öffnen adverbial).173

166 Ruge Zeiten: 125 167 Hein Freund: 161 168 taz, 29. 07. 1996, zit. n. Eggs 2006: 206 169 Ruge Zeiten: 33 170 Hein Freund: 171 171 Ruge Zeiten: 33 172 Mann Tagebücher: 179 173 Hein Freund: 173

statische Supplementklassen

554 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Instrumentaladverbial (Situativ)

Instrumentaladverbial (Verhältnis)

[8] (nominales Hannes Subjekt) zum Beispiel hatte (nominales sich Dativobjekt) (nominaeine Polizeikelle Akkusativobjekt) besorgt les und [(nominales Hannes Subjekt) hatte] (Instrumental- damit adverbial) (nominales Schnellfahrer Akkusativobjekt) angehalten […]. Sie wollte uns wohl erziehen, (Instrumental- indem sie die ihr von uns zugefügten Demütigungen nicht verbarg adverbial).174

Verhältnisadverbiale Klasse

Beispiele

Konditionaladverbial

Wenn wir nicht gekommen wären adverbial), hätte sie bereits (KonditionalFeierabend.175

Kausaladverbial

Und (Kausal- weil Pötsch das sicher besonders interessierte und das Manuskript gerade vor ihm lag adverbial), las Menzel gleich die erwähnte Passage vor […].176

Konzessivadverbial

(Konzessiv-

Obwohl er einen Schlüssel hatte adverbial), klingelte er.177

Konsekutivadverbial

[…] eine ganze Gruppe deutscher Touristen, geführt von einem katholischen Priester, drängte sich vor dem Relief wie vor einer Unglücksstätte, (Konsekutiv- so daß ich neugierig wurde […].178 adverbial)

Finaladverbial

Kurt aß, (Final- um zu leben adverbial).179

Adversativadverbial

Die Hälfte aller Menschen ernährt sich falsch. (Adversativ- Während die einen hungern adverbial), sind andere zu dick.180

Substitutivadverbial

Immer zog er mit den Frauen sofort zusammen (Substitutiv- anstatt erst mal abzuwarten adverbial) […].181

Explikativadverbial

Gibt es keine Zionisten mehr? Das ist eines der großen gegen­ wärtigen Probleme, (Explikativ- insofern das Ziel des Zionismus mit der Gründung des jüdischen Staates 1948 erreicht worden ist adverbial).182

174 Hein Freund: 143 175 Hein Freund: 138 176 Bruyn Forschungen: 36 177 Ruge Zeiten: 8 178 Frisch Homo: 136 179 Ruge Zeiten: 11 180 Focus, 24. 11. 2014 181 Ruge Zeiten: 62 182 Hannoversche Allgemeine, 06. 05. 2008



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

Exzeptivadverbial

Irrelevanzkonditionaladverbial Relevanzkonditionaladverbial

 555

Nach zwei oder drei Stunden begann der Film. Irgendein ganz gewöhnliches Action-Movie. […]. Nichts Besonderes eigentlich, außer dass er es plötzlich nicht ertragen konnte adverbial).183 (ExzeptivEgal, ob diesmal das Milliardenspektakel ein Erfolg wird, adverbial), Tsutsumis Plan ist in allen Punkten aufgegangen.184

(Irrelevanzkonditional-

(Relevanzkonditional-

thek.185

Wenn mich jemand sucht adverbial), ich bin in der Biblio-

Im Folgenden wird auf die einzelnen Klassen eingegangen. Besonderes Gewicht liegt dabei auf den Adverbialen, die sowohl Situativ- als auch Verhältnisadverbialwerte erhalten können, und auf Problemfällen für das Einmaleins der Satzgliedlehre. Da die Abgrenzung von Modaladverbial und Freiem Prädikativ besonders kritisch ist, wird auf das Freie Prädikativ in direktem Anschluss an das Modaladverbial eingegangen. Im Bereich der reinen Verhältnisadverbiale liegt der Schwerpunkt auf den sog. konditional fundierten Relationen (kausal, konzessiv, konsekutiv und final). Abschließend sollen besondere semantische Leistungen einzelner Adverbialklassen (sog. epistemische und sprechaktbezogene Verwendungen) unter die Lupe genommen werden. (178)

Vor dem Amtsgericht in Birglar adverbial) fand im Frühherbst des vorigen Jahres eine Verhandlung statt […]. (Böll Dienstfahrt: 5) (Lokal-

Das Besondere an diesem Lokaladverbial ist, dass es formal aus zwei Präpositionalgruppen besteht, die auch alleine den Lokaladverbialwert erhalten könnten: (178) (a) (b)

Vor dem Amtsgericht adverbial) fand (Temporal- im Frühherbst des vorigen Jahres eine Verhandlung statt […]. adverbial) In Birglar adverbial) fand (Temporal- im Frühherbst des vorigen Jahres adverbial) eine (LokalVerhandlung statt […]. (Lokal-

Sobald sie jedoch aufeinander bezogen werden wie im Originalbeleg, was formal durch die geschlossene Vorfeldbesetzung angezeigt wird, wird das eine zweite Adverbial als Attribut recycelt: Das Lokaladverbial in Birglar wird als Attribut in das Lokaladverbial vor dem Amtsgericht integriert und bestimmt dieses somit inhaltlich näher.186

183 Ruge Zeiten: 97 184 DIE ZEIT, 05. 02. 1998, zit. n. Waßner 2006: 383 185 Beispiel n. König/van der Auwera 1988: 110 186 Diese Art der Adverbialkombination wird von Pittner (1999: 88  ff.) „Adverbialkomplex“ genannt. Sie weist auch zu Recht darauf hin, dass die Entscheidung darüber, welche Konstituente des Adverbialkomplexes als attributiv recycelt einzustufen ist, im Einzelfall durchaus problematisch sein kann.

Erläuterun­ gen zur ­Klassifikation

Lokal­ adverbial

556 

(lokales) Einmaleins der Satzgliedlehre

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Im folgenden Satz liegt eine scheinbare Verletzung des Prinzips des Einmaleins der Satzgliedlehre vor:187 (179)

In einem Traum adverbial) habe ich (Lokaladverbial- in einem Heim komplement) Probe (Lokalgelegen. (Hildebrandt achtzig: 80)

Das Problem besteht unabhängig davon, ob das Lokaladverbial Komplement oder Supplement ist und lässt sich sogar verschärfen, wenn man auch noch eine Pertinenzrelation mit einem lokal kodierten Possessum (hier: Körperteil) einführt:188 (179a) (Lokal- In einem Traum adverbial) habe ich mich (Lokal- in einem Heim adverbial) (Lokal- am Kopf adverbial) verletzt. Die drei Lokaladverbiale beziehen sich allerdings auf drei unterschiedliche Raumzeitwelten, die eigene Verweisräume bilden, wie die Einfügung von deiktischen (‚zeigenden‘) Ausdrücken zeigt:189 (179b) (Lokal- In einem Traum  gestern adverbial) habe ich mich (Temporal- vorgestern  adverin einem Heim adverbial) (Lokal- hier  am Kopf adverbial) verletzt. bial) (LokalDie erste Raumzeitwelt ist ein „Vorstellungsraum“ (Ehlich 1979: 583  ff.), auf den sich das zeitdeiktische Adverb gestern bezieht. Die zweite ist der vom Prädikat eröffnete Szenarioraum, in dem das zeitdeiktische Adverb vorgestern das Sich-Verletzen-Szenario temporal situiert: »Wann und wo habe ich mich verletzt?« Die dritte, die ich Pertinenzraum nennen möchte, bindet das Szenario in den „Sprechzeitraum“ (Ehlich 1979: 206) ein, indem der Sprecher beim Aussprechen des lokaldeiktischen Adverbs hier auf die Stelle am Kopf zeigt.190 Das Ganze erinnert an eine Matroschka-Puppe mit zunehmender lokaler Enge: Vorstellungsraum > Szenarioraum > Pertinenzraum Entsprechend unseren sprachlichen Möglichkeiten, die Mehrdimensionalität der Raumzeit grammatisch zu bewältigen, gibt es also unterschiedliche Raumzeitwel-

Deshalb werden wir uns in den Kap. IV/1.2 und IV/2.3 mit dem Thema auseinandersetzen und für eine Unterscheidung zwischen Wort(gruppen)kombination (ohne als Attribut recyceltes Adverbial, z.  B. hier am Knie) und Wortgruppe (wie im Böll-Beleg) plädieren. 187 Es liegt hier auch keine „Adverbialdopplung“ im Sinne von Pittner (1999: 84  ff.) vor. 188 Auf die Pertinenzrelation wurde im Zusammenhang mit dem Pertinenzdativ (Dativus possessivus) im Kap. III/3.1.4 eingegangen. 189 Auf Verweisräume wurde im Zusammenhang mit den Kohäsionsgliedern im Kap. II/4.3 eingegangen. Deixis spielt auch im anschließenden Kapitel (Kap. III/1.7) eine zentrale Rolle. Die Ikone  (= anadeiktisch) und  (= katadeiktisch) deuten die Verweisrichtung an. 190 Der Vorstellungsraum ist der Raum für die „Deixis am Phantasma“ (Bühler 1934/1982: 133  ff.), der Sprechzeitraum der für die „Demonstratio ad oculos“ (Bühler 1934/1982: 80).



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 557

ten, auf die wir mit Lokaladverbialen zugreifen können. Der grammatische Kernraum bleibt dabei der Szenarioraum, der sich aber nach oben wie nach unten anreichern lässt. In solchen Fällen bietet es sich an, dem Prinzip des Einmaleins der Satzgliedlehre gerecht zu werden, indem man die Adverbiale nach ihrer Raumzeitwelt ausdifferenziert (VR = Vorstellungsraum, PR = Pertinenzraum, keine Indizierung = Szenarioraum): (179a’) (Lokal- In einem Traum adverbial/VR) habe ich mich (Lokal- in einem Heim adverbial) (Lokal- am Kopf adverbial/PR) verletzt. Temporale Situativadverbiale werden in der Regel unterteilt in Temporaladverbiale im engeren Sinne, die das Szenario auf einen Zeitpunkt beziehen, Frequenz­ad­ver­ biale, die sich auf dessen Häufigkeit beziehen, und Durativadverbiale, die die Dauer des Szenarios angeben. Letztere wurden im Kap. III/3.1.5 den Dilativadverbialen zugerechnet. Da Temporaladverbiale (im engeren Sinne) und Frequenzadverbiale dasselbe Szenario situieren können, bilden auch sie eigene Adverbialklassen: [33]

­Temporalund Frequenz­ adverbial

dann adverbial) kommt auch noch (Frequenz- ein weiteres Mal adverbial) – (nominales die Landesbühne Subjekt). (Temporal-

Im Sinne des Einmaleins der Satzgliedlehre bleibt also nur das Temporaladverbial (im engeren Sinne) als temporales Situativadverbial übrig: (178) Vor dem Amtsgericht in Birglar fand (Temporal- im Frühherbst des vorigen Jahres eine Verhandlung statt […]. adverbial) (Böll Dienstfahrt: 5) Wird der Zeitpunkt selber als Szenario konstruiert, liegt ein temporales Verhältnisadverbial vor (Anszenierung). Je nachdem, ob das Anszenario, das typischerweise als temporaler Nebensatz indiziert wird, während, vor oder nach dem (durch das Hauptprädikat indizierte) Szenario stattfindet, drückt das temporale Verhältnisadverbial Gleich-, Vor- oder Nachzeitigkeit aus:191 Gleichzeitigkeit: (180) (Temporal- Als ich darüber nachdachte adverbial), konnte ich es mir selbst kaum erklären. (Hein Freund: 102)

191 Unter den grammatischen Formen der Anszenarios gibt es unter den Belegen zwei, die nicht durch einen Subjunktor eingeleitet sind: Die Präpositionalgruppe während der Bescherung, die als Nominalisierung in den Hauptsatz integriert ist (Inkorporation), und der durch den Subjunktorersatz kaum eingeleitete Nebensatz(ersatz). Zu Junktionsklassen und –techniken, darunter zu Inkorporation und Subjunktorersatz, s. Ágel 2010 und Ágel/Diegelmann 2010. Zu einer differenzierten Analyse der „kaum-Gefüge“ s. Reis 2011.

temporales Situativ- vs. Verhältnis­ adverbial

558 

(181)

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Während der Bescherung adverbial), wie sie immer noch sagte, mußte sie nochmals in die Küche laufen. (Timm Sommer 108)

(Temporal-

Vorzeitigkeit: (182) […](Temporal- kaum war ich erwacht adverbial), ging er mir wieder auf die Nerven. (Frisch Homo: 9) (183) (Temporal- Sobald aber die Geschäfte schlossen adverbial), blieben die Straßen leer. (Hein Freund: 112) Nachzeitigkeit: (184) (Temporal- Bevor ich meine Tage bekam adverbial), ließ ich mich krankschreiben. (Hein Freund: 163) (185) Manchmal vergingen Tage, (Temporal- ehe wir uns wieder trafen adverbial). (Hein Freund: 150) Die Kombinierbarkeit von temporalem Situativ- und Verhältnisadverbial zeigt, dass sie im Sinne des Einmaleins der Satzgliedlehre unterschiedlichen Satzgliedklassen angehören: (186) Situations­ präzisierung durch ­Anszenierung

Nachdem er gegangen war Eltern an. (Hein Freund: 171) (Temporal-

, rief ich

adverbial)

(Temporal-

gestern adverbial) meine

Da temporale Verhältnisadverbiale ebenfalls Zeitpunkte indizieren, besteht aber auch die Möglichkeit, dass sie als Attribute eines temporalen Situativadverbials recycelt werden, d.  h., dass Anszenierung zur Präzisierung der temporalen Situation verwendet wird. Im folgenden Beleg erscheint der Gleichzeitigkeit ausdrückende Nebensatz als er auf dem Büffelledersofa lag als attributiver Bestandteil eines temporalen Situativadverbials, denn er präzisiert den Zeitpunkt Irgendwann während dieser zwei Tage: (187) War es (Temporal- gestern adverbial) gewesen? Oder (Temporal- heute adverbial)? (TemporalIrgendwann während dieser zwei Tage, als er auf dem Büffelledersofa lag […], irgendwann adverbial) war ihm der Gedanke gekommen: Kurt umzubringen. (Ruge Zeiten: 12)

Modal­ adverbial

(188) Sie […] schlief (Modal- schlecht adverbial). Nachts gegen halb drei setzte der Harndrang ein, sie wankte durch den Flur (Modal- wie ein Kind, ängstlich und dünnhäutig adverbial). (Ruge Zeiten: 125)



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 559

Das Modaladverbial stellt mit Sicherheit das umstrittenste und schwierigste adverbiale Konglomerat dar.192 Eine zufriedenstellende Klassifikation, mit der man dem Prinzip des Einmaleins der Satzgliedlehre gerecht werden könnte, ist angesichts der großen Variabilität des empirischen Materials und der Fülle der theoretischen Probleme nicht in Sicht. Mein Ziel kann hier deshalb auch nicht sein, die bestehenden Probleme zu lösen, sondern nur, den Leser für sie zu sensibilisieren und zum Nachdenken anzuregen. Das in der Fachliteratur wohl am intensivsten diskutierte theoretische Problem besteht darin, dass potenzielle Modaladverbiale unterschiedliche „Bezugseinheiten“ (Hansson 2007: 129  ff.) haben können (Beispiele nach Hansson 2007: 129 und 147):193

Bezugs­ einheiten

(189) Nijinski tanzte (Modal- schön und schwungvoll adverbial). → Bezug auf den Tanzverlauf (190) Er hat das Kind (Modal- bunt adverbial?) angezogen. → Bezug auf das nicht explizit genannte Kleidungsstück des Kindes (191) Sie bereitete (Modal- schnell adverbial?) das Mittagessen zu. → Bezug auf die Vorphase des Zubereitens Von den beiden mit Fragezeichen versehenen Typen ist besonders das Vorphasen­ adverbial interessant, da es sich mit dem ‚klassischen‘ Modaladverbial (ohne Fragezeichen) konfrontieren lässt (Pittner 1999: 106  ff., Hansson 2007: 147): (192) Sie bereitete das Mittagessen (Modal- schnell adverbial) zu. → Bezug auf den Zubereitungsverlauf Der semantische Unterschied ist leichter zu fassen, wenn die Sätze kontextualisiert werden: (191a) Sie kam zu Hause an und bereitete (Modal- schnell adverbial) das Mittagessen zu. (192a) Grundsätzlich war das nicht ihre Art, aber diesmal bereitete sie das Mittag­ essen (Modal- schnell adverbial) zu. In (191a) geht es darum, dass zwischen der Ankunft zu Hause und dem Zubereiten des Mittagessens nur wenig Zeit verging. Hier steht das Modaladverbial vor dem Akkusativobjekt. In (192a) geht es dagegen nicht um die Vorphase des Zubereitens, sondern um die Geschwindigkeit der Zubereitungshandlung selbst. Hier steht das Modal­ adverbial nach dem Akkusativobjekt und vor dem rechten Klammerteil.194

192 Zum Forschungsüberblick s. Hansson 2007: 27  ff. 193 Hinzu kommen subjekt- und objektbezogene „Bezugseinheiten“, die im Rahmen der Grammatischen Textanalyse als unterschiedliche Typen von dynamischen Prädikatsteilen bzw. als Freie Prädikativa analysiert werden. 194 Burkhardt (1994:140  f.) argumentiert, dass sich (zwar nicht schnell, aber vorphasenbezogenes) langsam zu einer Modalpartikel entwickele, Pittner (2000), die von ereignisbezogenen Adverbialen spricht, argumentiert dagegen.

Adverbialkombination oder -kollision?

560 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Pittner (2000) argumentiert, dass hier unterschiedliche Adverbialklassen vorliegen würden, weil sie sich kombinieren lassen, z.  B. (193) Er fährt langsam schnell. Allerdings scheinen die denotativ-semantisch als diskret analysierten Adverbial­ bedeutungen von langsam und schnell signifikativ-semantisch eher nichtdiskret zu sein: (191b) ?Sie bereitete (Modal- schnell adverbial) das Mittagessen (Modal- langsam adverbial) zu. (192b) ?Bereite (Modal- langsam adverbial) das Mittagessen (Modal- schnell adverbial) zu! M. a. W., Adverbialkollisionen, d.  h. ungewöhnliche Adverbialkombinationen wie (191b) und (192b), sind in gewöhnlichen (= nicht sprachspielerischen) Texten nicht zu erwarten, weil miteinander synonyme und antonyme Vorphasen- und Verlaufsadverbiale dasselbe Szenario qualifizieren, d.  h., weil ihr modales Situierungspotenzial semantisch nicht unabhängig ist. Adverbialkollisionen, die besondere Intentionen des Textproduzenten erkennen lassen und besondere Interpretationsleistungen vom Textrezipienten erfordern, sprechen signifikativ-semantisch gerade nicht für, sondern gegen unterschiedliche Adverbialklassen: (193) Er fährt (Modal- langsam adverbial) (Modal- schnell adverbial). (194) (Frequenz- Selten adverbial) fährt er (Frequenz- oft adverbial) ins Ausland.

modale Subklassenspezifik

Auf das Vorphasenadverbial kommen wir unten noch einmal kurz zu sprechen. Der andere, mit Fragezeichen versehene Typus (bunt anziehen) betrifft die Abgrenzung des Modaladverbials vom Freien Prädikativ. Auf dieses Problem gehen wir beim Freien Prädikativ ein. Obwohl, wie erwähnt, in der Fachliteratur vorzugsweise das Problem der Bezugseinheiten diskutiert wird, bin ich der Auffassung, dass dieses Problem nur ein Epiphänomen eines viel größeren Problems darstellt, das bisher weniger Beachtung fand. Es geht um den Umstand, dass Modaladverbiale viel stärker (verb)subklassenspezifisch (= +SUBKLASS) sind als Lokal- oder Temporaladverbiale. M. a. W., die Wahl einer bestimmten Sorte von Modaladverbial hängt sehr stark von der lexikalischen Bedeutung des Prädikats ab. Wenn wir etwa die Modaladverbiale im Ruge-Beleg (Einführungsbeispiel) vertauschen, bekommen wir zwar eine (zumindest teilweise) angemessene modale Situierung des Schlafen-, nicht jedoch eine des Wanken-Szenarios: (188’) Sie […] schlief (Modal- wie ein Kind, ängstlich und dünnhäutig adverbial). Nachts gegen halb drei setzte der Harndrang ein, sie wankte (Modal- schlecht adverbial) durch den Flur. Spricht dieser Befund für oder gegen die Annahme unterschiedlicher Adverbial­ klassen?



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 561

Theoretisch in Angriff genommen wurde dieses Problem von Bernhard Engelen (1975/1: 177  ff.).195 Er unterteilt die potenziellen Modaladverbiale (von ihm „Verbaladjunkte“ genannt) in sieben Gruppen je nachdem, von welchen Valenzträgern sie selegiert werden können. Diese Gruppen stehen somit für spezielle Wort- und Ausdrucksfelder, die ich (verbgruppeninduzierte) Modalfelder nennen möchte. Auf die sieben Modalfelder, „jeweils nach ihrem charakteristischsten Mitglied benannt“ (Engelen 1975/1: 178), kann hier im Detail nicht eingegangen werden, der Ansatz soll aber wenigstens an drei Modalfeldern verdeutlicht werden:

Modalfelder

(1) SEHR (195) Er hat sich (Modal- sehr/furchtbar/schrecklich adverbial) gelangweilt. (Beispiel n. Engelen 1975/1: 179) (2) AUSGEZEICHNET (196) Er hat (Modal- ausgezeichnet/prächtig adverbial) geschlafen. (Beispiel n. Engelen 1975/1: 179) (3) GERN (197) Er schlief (Modal- gern adverbial) in diesem Bett. (Beispiel n. Engelen 1975/1: 181) Das Leitlexem, d.  h. das „charakteristischste Mitglied“ des jeweiligen Modalfeldes (von Engelen auch „Archilexem“ genannt), erscheint bei Engelen in Versalien. Beispielsweise gehören zu dem den Inhalt des Verbs graduierenden Modalfeld SEHR u.  a. die Lexeme sehr, schrecklich und furchtbar und zu dem den Inhalt des Verbs qualifizierenden Modalfeld AUSGEZEICHNET u.  a. die Lexeme hervorragend, prächtig, wun­ dervoll bzw. schlecht und miserabel (Engelen 1975/1: 178  f.). Damit fangen aber auch schon die Probleme an. Denn einerseits lassen sich Modalfelder verbspezifisch kombinieren, z.  B. (196’) Er hat (Modal- ausgezeichnet/prächtig/schrecklich/furchtbar adverbial) geschlafen. (197’) Er schlief (Modal- gern/ausgezeichnet adverbial) in diesem Bett. (198) Die Suppe schmeckt mir (Modal- sehr/ausgezeichnet adverbial). Dies gilt auch für das Vorphasenadverbial: (199) […] sie beklagte sich nicht, irgendwie reichte es (Modal- langsam adverbial), immerhin achtundsiebzig war sie […]. (Ruge Zeiten: 142)

195 Er setzt das Modell bei der Beschreibung der deutschen Satzbaupläne auch konsequent um (Engelen 1975/2). Natürlich hatte Engelen nicht die Möglichkeit, umfangreiche elektronische Korpusrecherchen durchzuführen, sodass empirische Absicherung und Korrektur der Theorie noch aus­ stehen.

Kombination und Splitting

562 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Der Valenzträger reichen selegiert nach Engelen (1975/2: 79) das Modalfeld VOLLKOMMEN. Das Leitlexem des Modalfeldes lässt sich mit dem Vorphasenadverbial kombinieren: (199’) Irgendwie reichte es ihr (Modal- langsam adverbial) (Modal- vollkommen adverbial). Andererseits verträgt sich nicht jedes beliebige Element eines Modalfeldes mit jedem beliebigen Verb der Verbgruppe, die das Modalfeld selegiert, d.  h., die Modalfelder ließen sich verbspezifisch auch splitten, z.  B. (195’) Er hat sich (Modal- prächtig/?ausgezeichnet adverbial) gelangweilt. (200) Das hat ihm (Modal- ausgezeichnet/?wundervoll/?hervorragend adverbial) gefallen. (ausgehend von einem Beispiel n. Engelen 1975/1: 179) Auch dies gilt für das Vorphasenadverbial: (199’’) Irgendwie reichte es ihr (Modal- langsam/?schnell adverbial).

signifikative Semantik und Modal­ adverbial

M. a. W., einerseits müsste man einfache und komplexe modale Adverbialklassen (z.  B. GERN-Adverbial vs. GERN+AUSGEZEICHNET-Adverbial) aufstellen, was begriffslogisch nicht wünschenswert wäre. Andererseits müssten die Modalfelder verbspezifisch weiter gesplittet werden, was im Extremfall dazu führen kann, dass einem Modalfeld nur noch einige wenige Verben zuzuordnen sind. Aber das Modaladverbial macht nicht nur Probleme. Ist man bereit, sich auf eine signifikativ-semantisch fundierte grammatische Textanalyse einzulassen, werden die Grenzen des Modaladverbials zu anderen Satzgliedwerten mitunter schärfer:196 (201) (a) (b) (202) (a) (b) (203) (a) (b)

Der Demonstrant wurde (Modal- polizeilich adverbial) verwöhnt. Der Demonstrant wurde (Präpositional- von der Polizei objekt) verwöhnt. Die Probe muss noch (Modal- mikroskopisch adverbial) untersucht werden. Die Probe muss noch (Instrumental- mit dem Mikroskop adverbial) untersucht werden. Die Partei stellt (Modal- bundesweit adverbial) Kandidaten auf. Die Partei stellt (Lokal- im gesamten Bundesgebiet adverbial) Kandidaten auf. (Beispiele n. Engelen 1990: 96, 100 und 101)

196 Auf diese Adjektivtypen macht Bernhard Engelen (1990) aufmerksam. Ein vierter Typus, der in der vorliegenden Arbeit nicht zu den Modaladverbialen, sondern zu den Kommentargliedern (Kap. III/4.2) gerechnet wird, sind Adjektive der „übertragen-lokalen Verwendungsweise“ wie z.  B.  Technisch  ist das kein Problem (Engelen 1990: 101), d.  h. die sog. Bereichsadverbiale (Pittner 1999: 118).



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 563

Denotativ-semantisch, d.  h., wenn man einzelsprachliche Strukturen auf der Folie von außersprachlichen Situationen beurteilt, würde man die jeweiligen (a)- und (b)Sätze paarweise mit denselben semantischen Rollen (Agens, Instrumental und Lokativ) versehen und ihnen  – wenigstens zum Teil  – vermutlich auch dieselben Satzgliedwerte zuweisen: mikroskopisch = Instrumentaladverbial und bundesweit = (vermutlich) Lokaladverbial.197 Abgesehen davon, dass man auf diese Weise ‚doppelt gemoppelt‘ agiert, d.  h., dass man sich lediglich einen Adverbialwert aussucht, der in der denotativ-semantischen Rolle sowieso schon angelegt ist (z.  B. Instrumental > Instrumentaladverbial), kehrt eine denotativ-semantische Beschreibung ausgerechnet die entscheidenden grammatischen Oppositionen unter den Teppich: Wenn etwa ein Textproduzent das Adjektiv polizeilich wählt und dadurch die Präpositionalgruppe von der Polizei automatisch abwählt, wählt er eine ganz andere (dynamische) grammatische Struktur. Denn (201a) ist ein einfacher, (201b) ein (konstruktionell) erweiterter Passivsatz mit deutlich unterschiedlichen signifikativ-semantischen Strukturen:198

Subjekt – Prädikat – Exo-Vorgangsträger – Exo-Vorgang – Der Demonstrant wurde verwöhnt

Modaladverbial



Subjekt – Prädikat – Präpositionalvon+DAT-objekt Exo-Vorgangsträger – Exo-Vorgang – Exo-Vorgangsauslöser Der Demonstrant wurde verwöhnt von der Polizei

polizeilich

Noch größer ist der grammatisch-semantische Unterschied, wenn man die entsprechenden (statischen) Aktivsätze vergleicht:199 (201a’) ?Man verwöhnte (Modal- polizeilich adverbial) den Demonstranten. (201b’) Die Polizei verwöhnte den Demonstranten. Da Menge und Qualität möglicher Modalfelder bei dem gegenwärtigen empirischen Stand der Forschung nicht begründbar sind und da theoretisch fragwürdig ist, ob eine Modalfeld-Klassifikation überhaupt möglich ist, ist aktuell von einer einzigen Modaladverbialklasse auszugehen, der allerdings Komitativ- und Instrumentaladverbial (s. unten) nicht angehören.

197 Was der Satzgliedwert eines denotativ-semantisch interpretierten Adjektivs polizeilich in einem Passivsatz sein könnte, ist unklar. 198 Die (Exo-)Vorgangsauslöser-Rolle des (dynamischen) Präpositionalvon+DAT-objekts eines Passivsatzes stellt eine dynamische semantische Rolle dar (Anm. 61). 199 Zur Interpretation des Passivs Kap. III/1.3.3 und Kap. III/3.2.4. Die unterschiedlichen Aktiv-Passiv-Relationen (a)/(a’) vs. (b)/(b’) sind formalgrammatisch nicht in den Griff zu bekommen, da ein denotativ-semantisches Passivsatz-Agens im Aktivsatz eigentlich den Nominativ zugewiesen bekommen müsste, aber ein Adjektiv wie polizeilich kein Kasusparadigma hat.

Fazit: Modaladverbial

564 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Die schlechte Nachricht ist also, dass man im Falle des Modaladverbials dem Prinzip des Einmaleins der Satzgliedlehre nicht bzw. nicht immer gerecht werden kann. Aber es gibt auch eine gute Nachricht: Signifikativ-semantisch lassen sich die Grenzen des Modaladverbials zu anderen Satzgliedwerten schärfer fassen als im Rahmen einer herkömmlichen denotativ-semantischen Adverbialanalyse. Freies ­Prädikativ

(204) Ihr fiel ein, dass sie noch nichts gegessen hatte, das Käsebrot, das Ira ihr hingeknallt hatte, lag noch immer (Freies unangebissen Prädikativ (subjektbezogen)) auf dem Tisch […]. (Ruge Zeiten: 145) Das Freie Prädikativ (prädikatives Attribut, depiktives Prädikativ, depictive secondary predicate) als Adjektiv oder Partizip charakterisiert den Zustand, in dem sich ein Szenariobeteiligter befindet.200 In (204) charakterisiert man mit unangebissen den Zustand, in dem sich das Käsebrot befindet. Da die Substantivgruppe das Käsebrot, das Ira ihr hingeknallt hatte das Subjekt des (zweiten grammatischen) Satzes ist, ist das Freie Prädikativ hier subjektbezogen. Ersetzen wir intransitives liegen im Ruge-Beleg durch transitives knallen, bekommt die Substantivgruppe das Käsebrot Akkusativobjektwert, d.  h. das Freie Prädikativ wird objektbezogen: (204a) Ira knallte das Käsebrot (Freies unangebissen Prädikativ (objektbezogen)) auf den Tisch. Substituieren wir das Partizip unangebissen durch ein anderes Partizip, dessen Bedeutung sich schwer auf Käsebrote, aber leicht auf Menschen beziehen lässt, bekommen wir wiederum eine subjektbezogene Lesart: (204b) Ira knallte das Käsebrot (Freies betrunken Prädikativ (subjektbezogen)) auf den Tisch.

Prädikativprobe

Das Freie Prädikativ lässt sich in Anlehnung an Helbig (1984: 732) und Helbig/Buscha (2001: 465) testen, indem es mit der jeweiligen Bezugseinheit (Subjekt oder Akkusativobjekt) in einen Kopulasatz ausgelagert wird: (204a) Ira knallte das Käsebrot (Freies unangebissen Prädikativ (objektbezogen)) auf den Tisch. → ‚Ira knallte das Käsebrot auf den Tisch. Es war (zu diesem Zeitpunkt) unangebissen.‘ (204b) Ira knallte das Käsebrot (Freies betrunken Prädikativ (subjektbezogen)) auf den Tisch. → ‚Ira knallte das Käsebrot auf den Tisch. Sie war (zu diesem Zeitpunkt) betrunken.‘

200 Der Begriff des Koprädikativs bei Frans Plank (1985) ist weiter, denn er umfasst auch resultative Prädikative, die in der vorliegenden Arbeit als Teile von (dynamischen) Prädikaten analysiert wurden (Kap. III/2.2.3).



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 565

Adjektiv und Partizip stellen die kanonischen grammatischen Formen des Freien Prädikativs dar. Zwischen einem Adjektiv/Partizip als Freiem Prädikativ und dem Adjektiv/Partizip eines adjektivischen Prädikativgefüges besteht ein direkter formaler und semantischer Zusammenhang:

adjektivisches Freies Prädikativ

(205) Am nächsten Morgen kam Fabian (Freies müde Prädikativ) ins Büro. (a) (Kästner Fabian: 35) (b) Fabian (Prädikativ- war müde gefüge). Wie steht es aber um Substantive? Lassen sie sich nur als Bestandteile von substantivischen Prädikativgefügen, aber nicht als Freie Prädikative verwenden? Adjektive lassen sich auch nicht beliebig als Freie Prädikative verwenden. Quasiinhärente Merkmale (Eigenschaften) lassen sich in ein zeitinstabiles Szenario nur schwer outsourcen:

substantivisches Freies Prädikativ? Zeit(in)stabilität

(205) (a’) ?Am nächsten Morgen kam Fabian (Freies klug Prädikativ) ins Büro. (b’) Fabian (Prädikativ- war klug gefüge). Nun indizieren Substantive typischerweise Zeitstabilität, auf jeden Fall stehen sie sprachübergreifend für deutlich mehr Zeitstabilität als Adjektive (Lehmann 1992). Außerdem ist ein Substantiv formal für eine adverbialähnliche Rolle wie das Freie Prädikativ nicht prädestiniert: (205) (a) *Am nächsten Morgen kam Fabian (Freies Germanist Prädikativ) ins Büro. (b) Fabian (Prädikativ- war Germanist gefüge). In der Grammatik gibt es allerdings keine ausweglosen Situationen. Die durch das Substantiv ausgedrückte Zeitstabilität lässt sich z.  B. als lockere Apposition oder als Attributnebensatz wahren:201

Auswege

(205) (a1) Am nächsten Morgen kam Fabian, (lockere Germanist Apposition), ins Büro. (a2) Am nächsten Morgen kam Fabian, (Attribut- der Germanist war nebensatz), ins Büro. Und nicht nur das. Auch für die zeitliche Destabilisierung hält das Deutsche eine Konstruktion bereit, nämlich die als-Gruppe:202 (205a3) Am nächsten Morgen kam Fabian (Freies als Germanist als-Prädikativ) ins Büro.

201 Zur grammatischen Einordnung von (engen und lockeren) Appositionen Kap. IV/2.3. 202 Zum Wortgruppenstatus von als- und wie-Gruppen Kap. IV/1.3.

Zeitdestabilisierung

566 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Ein deutlich besseres Beispiel: (206)

Freies alsPrädikativ

Proportional­ analogie

Prädikativprobe

Als Henry Jekyll als-Prädikativ) war ich eingeschlafen, jedoch erwacht. als-Prädikativ) (R. L. Stevenson, zit. n. Eggs 2006: 201) (Freies

(Freies

als Edward Hyde

Frederike Eggs (2006: 186) spricht hier treffend von der „funktional-selektiven Verwendung von als“, da „aus der Menge der möglichen Funktionen oder Handlungsrollen des Bezugsreferenten eine ausgewählt wird.“ Die besondere semantische Leistung des Freien als-Prädikativs, wie ich diesen grammatischen Wert nennen möchte, besteht demnach darin, dem Substantiv, das als Teil des Prädikativgefüges eine zeitstabile Klassenzuweisungslesart hat, qua Eingliederung in eine als-Gruppe eine zeitlich weniger stabile Funktions-/Rollenlesart zu ermöglichen. Man könnte, vereinfacht, behaupten, dass sich Eigenschaftszuweisung zur Zustandszuweisung beim Adjektiv verhält wie Klassenzuweisung zur Funktions-/ Rollenzuweisung beim Substantiv. Der formale Unterschied ist, dass das Adjektiv wort­art­intern +/-Zeitstabilität ausdrücken kann, während das Substantiv für den Ausdruck von Zeitinstabilität eines Hilfszeichens (als) bedarf. Helbigs Prädikativprobe gilt übrigens auch für das Freie als-Prädikativ. Das folgende Beispiel samt Paraphrase stammt von ihm (Helbig 1984: 732): (207) (Freies Als reicher Mann als-Prädikativ) kam er in seine Heimat zurück. → ‚Er kam in seine Heimat zurück. Er war (zu diesem Zeitpunkt) ein reicher Mann.‘

Modal­ adverbial vs. Freies Prädikativ

Soviel zum Freien als-Prädikativ. Kehren wir nun zur kanonischen Form des Freien Prädikativs, zum Adjektiv (und Partizip) zurück. Der entscheidende semantische Unterschied zwischen (adjektivischem) Freiem Prädikativ und Modaladverbial, der unten noch zu präzisieren sein wird, besteht darin, dass Modaladverbiale nicht einen Szenariobeteiligten, sondern das Szenario charakterisieren.203 Deshalb funktioniert hier die Prädikativprobe nicht, ein Modaladverbial lässt sich nur auf das ausgelagerte Szenario beziehen (sog. geschehen-Probe): (204c) Ira knallte das Käsebrot (Modal- mit voller Wucht adverbial) auf den Tisch. *→ ,Ira knallte das Käsebrot auf den Tisch. Sie/es war (zu diesem Zeitpunkt) mit voller Wucht.‘ → ‚Ira knallte das Käsebrot auf den Tisch. Das Auf-den-Tisch-Knallen des Käsebrots geschah/erfolgte mit voller Wucht.‘ 203 Entsprechend werden aus sprachtypologischer Perspektive Freie Prädikative semantisch als „participant-oriented“, Modaladverbiale als „event-oriented“ eingestuft (Schultze-Berndt/Himmelmann 2004: 79).



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 567

Grammatisch unterscheiden sich die Sprachen darin, ob sie den semantischen Unterschied grammatisch überhaupt indizieren oder nicht, bzw. wenn sie ihn indizieren, wie sie das tun.204 In dieser Hinsicht unterscheiden sich Englisch und Deutsch wesentlich, da im Englischen das Adverbsuffix –ly für eine klare Opposition sorgt:

das grammatische Abgrenzungsproblem

(208) (a) George left the party (Freies angry Prädikativ). (b) George left the party (Modal- angrily adverbial). (Beispiele n. Schultze-Berndt/Himmelmann 2004: 60  f.) Im Englischen bekommt also die grammatische Form ‚Adjektiv‘ den Wert ‚Freies Prädikativ‘, die grammatische Form ‚Adverb‘ dagegen den Wert ‚Modaladverbial‘. Die Satzgliedwerte werden hier also weitestgehend durch die Wortartenopposition vorbestimmt. Eine vergleichbare Opposition zwischen Adjektiv und Adverb gab es noch im mittelalterlichen Deutsch (Alt- und Mittelhochdeutsch), wurde aber in der Frühen Neuzeit (Frühneuhochdeutsch) aufgehoben, sodass heute dieselbe grammatische Form ‚Adjektiv‘ (z.  B. zornig) oder ‚Partizip II‘ (z.  B. erzürnt) prinzipiell sowohl den Wert ‚Freies Prädikativ‘ als auch den Wert ‚Modaladverbial‘ erhalten kann. Diese grammatische Offenheit ist allerdings pragmatisch überformt, da wir mit einer „präferentiellen Bedeutung“ (Feilke 1998: 74), d.  h. mit in unserer Commonsense-Kompetenz verankerten „Präferenzen des Meinens und Verstehens“ (Feilke 1994: 338), zu rechnen haben:205 (208’) George verließ (Freies Prädikativ/ erzürnt Modaladverbial?) die Party. → eher: Der [sichtlich] erzürnte George verließ die Party. → als: [Der wie auch immer gelaunte] George verließ auf erzürnte Art die Party. Wie die Paraphrasen nahelegen, wird hier eher eine subjekt- als eine prädikatsbezogene Interpretation von erzürnt präferiert. Bedeutet die grammatische Offenheit der Wortart ‚Adjektiv/Partizip II‘, der prinzipiell Prädikativ- wie Adverbialwert zugewiesen werden kann, dass die Unterscheidung zwischen Freiem Prädikativ und Modaladverbial rein semantisch motiviert ist? Nach Welke (2007: 187  ff.), dem ich mich anschließe, ist dies nicht der Fall. Denn einerseits gibt es Wortstellungsunterschiede (s. auch IDS-Grammatik 1997/2: 1550):

204 Zu einer Typologie grammatischer Markierungstechniken des Freien Prädikativs s. SchultzeBerndt/Himmelmann 2004: 80  ff. 205 Die Commonsense-Kompetenz (Feilke 1994 und 1996) lässt sich empirisch testen, und die Test­ ergebnisse können auch zur Präzisierung des Begriffs der Commonsense-Kompetenz beitragen, wie am Beispiel der labilen Verben im Deutschen gezeigt wurde (Ágel 2007).

Kein grammatisches Unterscheidungsmerkmal?

568 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

(209) (a) ?Emil trinkt (Freies heiß Prädikativ (objektsbezogen)) den Kaffee. (b) Emil trinkt (Modal- schnell adverbial) den Kaffee. (Beispiele n. Welke 2007: 187)

schwierigere Fälle

(209a) ist grammatisch deshalb fragwürdig, weil das objektbezogene Freie Prädikativ nicht vor, sondern nach dem Akkusativobjekt stehen müsste. Andererseits bringen Adjektive wie heiß und schnell „ihre Valenz in den Satz mit hinein. Jeder Sprecher/Hörer des Deutschen weiß, dass sich schnell normalerweise auf Vorgänge bezieht und heiß auf Dinge.“ (Welke 2007: 189). M. a. W., eine ‚dingbezogene‘ (prädikative) Struktur wie Der Kaffee ist heiß wäre problemlos vorstellbar, während dies auf Der Kaffee ist schnell nicht zutrifft. Umgekehrt wäre eine vorgangsbezogene (nominalisierte) Struktur wie schnelles Kaffeetrinken unproblematisch, während heißes Kaffeetrinken nicht ohne Weiteres interpretierbar wäre.206 Es gibt also durchaus grammatische Unterscheidungsmerkmale, aber diese sind nur ‚auf den zweiten Blick‘ erkennbar. Außerdem muss man zugeben, dass sie nicht in allen Fällen eine einwandfreie Abgrenzung ermöglichen. Es gibt auch schwierigere Fälle als Adjektive wie heiß und schnell. Bei der Erörterung des Modaladverbials („Bezugseinheiten“) wurde der Satzgliedwert des folgenden Typs von Hansson offen gelassen: (190) Er hat das Kind (Freies Prädikativ/ bunt Modaladverbial?) angezogen. → Bezug auf das explizit nicht genannte Kleidungsstück des Kindes Noch interessanter und schwieriger ist der folgende Beleg: (210) […] aber der [= der GratisGrazer, VÁ] ist ja jetzt (Freies Prädikativ/ ganz nobel Modaladverin die Innenstadt gezogen. bial?) (Haas Leben: 147) → Bezug auf das explizit nicht genannte neue Gebäude der Zeitungsredaktion Ein weiterer, bisher nicht diskutierter Typ bei Hansson ist:207 (211) Der Taxifahrer fuhr (Freies Prädikativ/ bereitwillig Modaladverbial?) zum Bahnhof. (Beispiel n. Hansson 2007: 129) → Bezug auf den explizit genannten Taxifahrer

206 Welke (2007: 189) sieht für solche Fälle zwei Möglichkeiten vor: Der Textrezipient weist die Struktur als Nonsens zurück oder nimmt konzeptuelle Anpassung (Koerzion) vor. Man denke auch an Substantivgruppen wie schnelles Geld oder heiße Debatte. 207 Pittner (1999: 105  f.) identifiziert hier „Adverbiale der Subjekthaltung“ als eine Subklasse der Modaladverbiale. Hansson (2007: 146) und Schultze-Berndt/Himmelmann (2004: 113  f.) rechnen den Typus zum Freien Prädikativ.



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 569

(212) Charlotte griff sich (Freies Prädikativ/ entnervt Modaladverbial?) an die Schläfen.208 (Ruge Zeiten: 136) → Bezug auf die explizit genannte Charlotte Die Adjektive bunt, nobel, bereitwillig und entnervt charakterisieren nicht das jeweilige Szenario: Es ist nicht das Anziehen, das bunt ist, nicht das (Um-)Ziehen nobel, nicht das Fahren bereitwillig und nicht das Greifen entnervt. Es handelt sich also im Sinne unserer Unterscheidung um keine Modaladverbiale. Das Problem ist allerdings, dass sich nur bereitwillig und entnervt auf einen Szenariobeteiligten (Der Taxifahrer bzw. Charlotte) beziehen lassen. Die Bezugseinheiten von bunt und nobel stellen dagegen „hintergründige Satzinhalte“ (Polenz 2008: 298  ff.) dar, sie müssen erst aus dem Textzusammenhang erschlossen werden. Der Katalysator der Erschließung dieses impliziten Wissens ist das jeweilige Szenario, d.  h., der Szenarioentwurf als Funktion muss auf die explizit indizierte Inhaltsrelation Kind–bunt bzw. Zeitung–nobel als Argument angewandt werden, um die hintergründige Inhaltsrelation Kleid–bunt bzw. Redaktionsgebäude–nobel als Wert zu erhalten:

hintergründige (implizite) Inhaltswerte

Anziehen (Kind–bunt) = Kleid–bunt (Um-)Ziehen (Zeitung–nobel) = Redaktionsgebäude–nobel Wir sehen, dass das Dilemma ‚Modaladverbial oder Freies Prädikativ‘ nicht ganz unbegründet ist, da wir in diesen Fällen das Mittel ‚Prädikat‘ brauchen, um zum Zweck ‚Freies Prädikativ‘ zu gelangen.209 Das auf den ersten Blick vielleicht Befremdliche an diesem Ergebnis ist, dass bei der Erschließung eines Satzgliedwerts auch auf implizites Wissen zurückgegriffen werden musste. Allerdings sollte uns implizites Wissen in der Grammatik nicht überraschen. Denn was hier auf der Mesoebene gezeigt wurde, ist uns auf der Mikroebene sehr wohl bekannt und vertraut. Zwei Beispiele: 1. Dass mit dem Kompositum Quotenmann ein Mann gemeint ist, dem unterstellt wird oder von dem man meint, dass er eine bestimmte Position, Funktion, Aufgabe oder Tätigkeit lediglich deshalb innehaben, ausüben oder ausführen kann/darf, damit das männliche Geschlecht überhaupt repräsentiert ist – diese gewaltige Menge an implizitem Wissen stört (zu Recht) keinen Wortbildungsforscher, Quotenmann genauso wie etwa Ehemann, Wachmann oder eben Einzelhan­ delskaufmann grammatisch als Determinativkompositum zu betrachten.

208 Dynamisches Prädikat und dynamische Satzglieder ergeben sich hier aus der Pertinenzrelation. Der Pertinenzdativ wurde als dynamisches Dativobjekt interpretiert (Kap. III/3.1.4). 209 Die Beispiele sind auch rhetorisch und wortsemantisch interessant, denn es geht hier um ungewöhnliche, da durch Prädikat und Freies Prädikativ vermittelte, Tropen: Synekdoche (Kind–Kleid) und Metonymie (Zeitung–Redaktionsgebäude).

implizites Wissen in der Grammatik

570 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

2. Analoges gilt für die grammatische Beschreibung von Substantivgruppen wie z.  B. warmes Wetter und warme Küche: Das Adjektiv warm erhält in beiden Fällen den Attributwert, obwohl die Interpretation der Substantivgruppe warme Küche deutlich mehr implizites Wissen voraussetzt. erneut: Modal­ adverbial vs. Freies Prädikativ weitere Formen des Freien ­Prädikativs

Im Lichte dieser Überlegungen muss die Abgrenzung zwischen Freiem Prädikativ und Modaladverbial präzisiert werden: Während Modaladverbiale (aus unterschiedlichen Perspektiven) das Szenario charakterisieren, charakterisieren Freie Prädikative einen Szenariobeteiligten, oder sie aktivieren hintergründiges (implizites) Wissen, das auf einen Szenariobeteiligten zu beziehen ist. Der Satzgliedwert ‚Freies Prädikativ‘ wird prototypischerweise Adjektiven (und Partizipien II) zugeordnet. Aber es kommen auch andere Formen vor:210 Substantivgruppe im Genitiv: (213) (Freies Gesenkten Kopfes Prädikativ) blickte sie Tonio Kröger von unten herauf mit schwarzen, schwimmenden Augen an. (Mann Kröger: 252) Präpositionalgruppen: (214) Ich habe das Kleid (Freies- in blau Prädikativ) gekauft. (215) Sie kommt immer (Freies- in guter Laune Prädikativ) zurück von der Tagesfamilie. (Beispiele n. Schultze-Berndt/Himmelmann 2004: 88  f.) (216) Überraschenderweise kam sie, als er jetzt »Maria« rief, aus der Küche, (Freies mit umgebundener Schürze Prädikativ) […]. (Böll Dienstfahrt: 75) (217) …und [wir] saßen nun da (Freies zu dritt Prädikativ) […]. (Beispiel n. Schultze-Berndt/Himmelmann 2004: 109) Partizipialkonstruktion: (218) (Freies Aus einer Welt kommend, wo man sich morgens mit dem Mutterfluch begrüßte Prädikativ), hatte er kein Gefühl dafür, wie man den Honoratioren gegenübertrat […]. (Ruge Zeiten: 161) (219) (Freies Lustlos rauchend Prädikativ) blickte Ullrich in den Garten […]. (Timm Sommer: 180) Kopulativpartikel als + Substantivgruppe (= Freies als-Prädikativ, s. oben): (220) An der Front hätte der nicht überlebt, (Freies als Halbblinder Prädikativ). (Ruge Zeiten: 202)

210 Manche dieser Formen werden von Schultze-Berndt/Himmelmann (2004) semantischen Subklassen des Freien Prädikativs zugeordnet: „locative marking“: in blau / in guter Laune; Quantität: zu dritt; Konkomitanz: mit ungebundener Schürze.



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

(221) […] aber (Freies als Verwalter eines umfangreichen Immobilienbesitzes hat er auch auf diesem Felde große Erfahrungen. (Mannheimer Morgen, 24. 04. 1991, zit. n. Flaate 2007: 129)

 571

Prädikativ)

An dieser Stelle sollte erwähnt werden, dass die Kopulativpartikel als noch drei weitere Verwendungsweisen hat, sodass ein beliebiges Textvorkommen eines alsPrädikativs theoretisch an vier verschiedenen grammatischen Werten partizipieren kann:211

weitere alsPrädikative

1. Freies als-Prädikativ (Beispiele s. oben) 2. als-Prädikativ als Teil eines statischen Prädikats (Kap. III/2.1.4): (222) Der Keim (Subjektsprädikativ- gilt als resistent gefüge). 3. als-Prädikativ als Teil eines dynamischen Prädikats (Kap. III/2.2.3, III/3.1.5): (157b) Nach der Tat bezichtigte er zunächst seinen Vater, doch die Mordkommission konnte prädikativ-) schnell ihn (prädi- als Täter überführen kat). (Objekts(SZ, 22. 03. 2004, zit. n. Diegel 2007: Anhang) 4. als-Prädikativ als Attribut bzw. Appositiv (Kap. IV/2.3): (223) Darüber hinaus hat ihr Elizabeth nun auch ihre Rolle (Attri- als „Queen of Hearts vermiest. but) (taz, 29. 07. 1996, zit. n. Eggs 2006: 232) (224) Vermutlich hatte der [= mein Vater, VÁ] (Appo- als sein Vorgesetzter sitiv) ihn während des Krieges einmal geschützt. (Timm Bruder: 76) Kommen wir nun zu zwei Adverbialwerten, die gewöhnlich zu den Modaladverbialen im weiteren Sinne gerechnet werden: (225) Ging nach der Arbeit (Komitativ- allein mit dem Hunde Waldweg spazieren. (Mann Tagebücher: 179)

adverbial)

den umgekehrten

211 Zifonun (1998) und Flaate (2007) gehen ebenfalls von vier Verwendungsweisen aus, doch die Grenzen zwischen diesen liegen anders. Der Unterschied ergibt sich daraus, dass in der vorliegenden Arbeit zwischen statischen und dynamischen Prädikaten, aber nicht zwischen verb- und satzbezogenen adverbialen Funktionen des als-Prädikativs unterschieden wird. Die Tatsache, dass sich die sog. satzadverbiale Verwendung – z.  B. Als Kind war sie nicht besonders hübsch – mitunter als adverbialer Nebensatz – Als sie ein Kind war, war sie nicht besonders hübsch – paraphrasieren lasse (Zifonun 1998: 15), ist syntaktisch und signifikativ-semantisch eher als Unterschied zu fassen: Freies als-Prädikativ als Subsumtion vs. temporales Verhältnisadverbial.

­Komitativund Instrumental­ adverbial

572 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

[8] (nominales Hannes Subjekt) zum Beispiel hatte (nominales sich Dativobjekt) (nominales eine Polizeikelle Akkusativobjekt) besorgt und [(nominales Hannes Subjekt) hatte] (Instrumental- damit adverbial) (nominales Schnellfahrer Akkusativangehalten […]. objekt) Kopräsenz

Was komitative und instrumentale (bzw. auch noch weitere) Werte nach Coseriu (1987: 137  f.) miteinander verbindet, ist die invariante Bedeutung der „Konstruktion mit x“: „»x nimmt an dem (vom Verbum) bezeichneten Geschehen teil«, »x ist kopräsent«“ (Coseriu 1987: 138). Betrachten wir hierzu Coserius (1987: 137) eigene Beispiele: (226) Ich schneide das Brot mit dem Messer. (227) Ich fahre mit Ingrid spazieren. (228) Diesen Kuchen backt man mit Mehl und Zucker.

Kopräsenzfelder

In allen drei Fällen geht es darum, dass an dem jeweiligen Szenario auch ein Messer, eine Ingrid bzw. Mehl und Zucker teilnehmen. Der konkrete adverbiale Wert, die „Kopräsenzart“, ist dabei „nicht aufgrund der bloßen Konstruktion mit x […], sondern mithilfe der Kenntnis der »Sachen«, der Situation und des Kontextes (bestimmt).“ (Coseriu 1987: 138)212 Das Problem scheint mit dem der (verbgruppeninduzierten) Modalfelder vergleichbar zu sein (s. beim Modaladverbial oben): Der konkrete adverbiale Wert hängt vor allem vom Szenariotyp, also letztendlich vom jeweiligen Valenzträger ab. Handlungsverben wie schneiden, backen oder besorgen legen eine instrumentale, Tätigkeitsverben wie spazieren gehen oder spazieren fahren eine komitative Lesart nahe. Doch die Rolle der „Kenntnis der »Sachen«“ ist auch nicht zu unterschätzen: (226a) Ich schneide das Brot (Instrumental- mit Mehl und Zucker adverbial). (227a) Ich fahre (Komitativ- mit dem Messer adverbial) spazieren. (228a) Diesen Kuchen backt man (Komitativ-/Instrumental- mit Ingrid adverbial). Obwohl man sich Mehl und Zucker schlecht als Schneidegeräte vorstellen kann, dürfte einem in (226a) kaum eine andere Interpretationsmöglichkeit (als Satzglied) übrig bleiben.213 Nicht weniger absurd ist eine Spazierfahrt mit einem Messer, doch das Spazierenfahren-Szenario in (227a) lässt tatsächlich nur die komitative Lesart zu. Besonders aufschlussreich ist (228a): Obwohl die komitative Lesart wegen der Personenbezeichnung naheliegend ist, könnte die spezifische grammatische Struktur des Satzes mit Vorfeld-Akkusativobjekt inkl. Demonstrativum (Diesen Kuchen) und

212 Coseriu (ebd.) nennt die drei Kopräsenzarten, für die seine Beispiele stehen, „Instrument“ (mit dem Messer), „Agens“ (mit Ingrid) und „Stoff“ (mit Mehl und Zucker). 213 Alternativ könnte man sich die Präpositionalgruppe mit Mehl und Zucker als Attribut zu Brot vorstellen.



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 573

dem Indefinitum (man) den Leser durchaus die Hypothese aufstellen lassen, dass Ingrid eine bewährte Backpulvermarke ist. In Anlehnung an Karin Pittner (1999: 102) gehe ich davon aus, dass die Hinzufügung des komitativen Adverbs zusammen zu der Präpositionalmit+DAT-gruppe die komitative Lesart des (situierenden) Adverbials bestätigt oder verstärkt:

zusammenProbe

(227b) Ich fahre (Komitativ- zusammen mit Ingrid adverbial) spazieren. Dort, wo die Präpositionalmit+DAT-gruppe des Ausgangssatzes instrumental zu lesen ist, führt sie dagegen zu einer widersprüchlichen Lesart: (226b) ??Ich schneide das Brot (Komitativ- contra Instrumental- zusammen mit dem Messer adverbial). (228b) ??Diesen Kuchen backt man (Komitativ- contra Instrumental- zusammen mit Mehl und Zucker adverbial). Für die Auffassung, Komitativ- und Instrumentaladverbiale nicht zu den Modal­ adverbialen zu rechnen, spricht, dass sie sich mit Modaladverbialen kombinieren lassen:

Einmaleins der Satzgliedlehre

(226c) Ich schneide das Brot (Modal- schnell adverbial) (Instrumental- mit dem Messer adverbial). (227c) (Modal- Gern adverbial) fahre ich (Komitativ- mit Ingrid adverbial) spazieren. (228c) Diesen Kuchen backt man (Modal- am besten adverbial) (Instrumental- mit Mehl und Zucker . adverbial) Negierte Kopräsenz ist Koabsenz. Negativkomitative und Negativinstrumentale, d.  h. Komitativ- und Instrumentaladverbiale, die Koabsenz ausdrücken, haben die Form einer Präpositionalohne+AKK-gruppe: (226d) Ich schneide das Brot (Instrumental- ohne Messer adverbial). (227d) Ich fahre (Komitativ- ohne Ingrid adverbial) spazieren. (228d) Diesen Kuchen backt man (Instrumental- ohne Mehl und Zucker adverbial). Die bisherigen Komitativ- und Instrumentalbeispiele waren alle Situativadverbiale. Der folgende Timm-Beleg enthält sowohl ein Verhältnis- als auch ein Situativinstrumentaladverbial, Letzteres zweiten Grades: (229) Am Abend des 13. Dezember machte sich der Unterveterinär Wenstrup eines Wachvergehens schuldig, (Instrumental- indem er während der Wache Mundharmonika spielte adverbial). Zur Rede gestellt antwortete er: Er spiele (Instrumentaladverbial mit dem Mund und nicht mit den Augen zweiten Grades). (Timm Morenga: 48) Im Leittext bietet sich die Gegenüberstellung zweiter damit-Belege an: Situativinstrumental: [8] (nominales Hannes Subjekt) zum Beispiel hatte (nominales sich Dativobjekt) (nominales eine Polizeikelle Akkusativobjekt) besorgt

Kopräsenz (mit), Ko­ absenz (ohne)

Situativität vs. Verhältnis

574 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

und [(nominales Hannes Subjekt) hatte] (Instrumental- damit adverbial) (nominales Schnellfahrer Akkusativangehalten […]. objekt) Verhältnisinstrumental: [52] Aber weil Siegfried Lenz vor allem auch ein erfahrener Autor ist adver-), hat (Kausaler Subjekt) (nominales die Sache Akkusativobjekt) (bi- deswegen al) (Temporal- gleich adverbial) (nominales etwas ins Zeitferne direktivum) gerückt. (Richtungs[53] Und [(nominales er Subjekt)] trifft sich (Instrumental- damit adverbial) auf überraschende Weise mit dem Autor der Leute von Seldwyla, an die man beim Lesen dieser (nominales Novelle sowieso schon zurückgedacht hat Präpositionalobjekt). In beiden Fällen ist die Form des Instrumentaladverbials identisch: die Präpositionalgruppe damit. Während damit in [8] auf einen Szenariobeteiligten verweist (= ), verweist es in [53] auf ein Szenario in [52]: [8] eine Polizeikelle [52–3] hat er die Sache gleich etwas ins Zeitferne gerückt mit: Objekt vs. Adverbial

Verhältnis­ instrumental

 damit adverbial)  damit Adverbial) (Instrumental-

(Instrumental-

Der Leittext-Beleg [53] ist auch aus der Sicht des Einmaleins der Satzgliedlehre interessant: Wenn in einem Satz die Präpositionalmit+DAT-gruppe als Satzglied zweimal vorkommt und wenn der eine Satzgliedwert adverbial ist, muss die andere Präpositionalmit+DAT-gruppe (mit dem Autor  …) den Wert eines Präpositionalmit+DATObjekts erhalten. Die typische Form eines Verhältnisinstrumentaladverbials ist der indem-Nebensatz: (230) Ein Lebewesen versucht zu überstehen, (Instrumental- indem es verschiedene Dinge, die es umbringen könnten, nicht wahrnimmt adverbial). (Hein Freund: 116)

Verhältnis­ komitativ

Die typische Form eines Kopräsenz ausdrückenden Verhältniskomitativadverbials ist der wobei-Nebensatz, peripher ist die Partizipialkonstruktion: (231) An jenem Tag meldete ich mich, (Komitativ- wobei ich mich nach Katharina umwandte adverbial). (Hein Freund: 152) (232) Menschen schlugen einander, traten aufeinander ein, (Komitativ- begleitet von Geräuschen, die er noch aus den Kopfhörern der Nachbarn hörte adverbial). (Ruge Zeiten: 97)



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 575

Verhältniskomitativadverbiale können auch Koabsenz ausdrücken. Für solche Negativkomitative stehen die ohne zu-Infinitivkonstruktion und der ohne dass-Nebensatz zur Verfügung: (233) Ein Mädchen denunzierte mich bei Katharina, (Komitativ- ohne mit mir zu sprechen adverbial). (Hein Freund: 150) (234) Die Woche verging, (Komitativ- ohne daß er sich meldete adverbial). (Hein Freund: 118) Im folgenden Beleg drückt das Anszenario im ohne daß-Nebensatz die ausgebliebene Folge des Hinstellen-Szenarios aus: (235) […] ich stellte ein paar Sachen woanders hin, (Komitativ- ohne daß ich dadurch viel Platz gewann adverbial). (Hein Freund: 118)

­Komitativ oder ­Konsekutiv?

Eine vergleichbare Verwendung des Subjunktors ohne dass ordnet Andreas Lötscher (1999: 305, Anm. 1) als negierte konsekutive Verwendung ein. Der konsekutive ‚Eindruck‘ täuscht allerdings. Er hat nicht mit der Bedeutung des Subjunktors, sondern mit der des Anszenarios zu tun. Ändert man das Anszenario, ist der konsekutive ‚Eindruck‘ verschwunden: (235’) Ich stellte ein paar Sachen woanders hin, (Komitativ- ohne dass ich das mit dem Vermieter abgesprochen hätte adverbial). Die wichtigsten rein anszenierenden Adverbiale sind konditional, kausal, konzessiv, konsekutiv oder final. Die ‚Mutter‘ dieser Relationen ist die Konditionalrelation (Wenn-dann-Relation, Implikation). Die anderen vier sind nämlich „konditional fundiert, insofern als ihnen angenommene Regularitäten zugrundeliegen, die nach dem Konditionalschema rekonstruiert werden können.“ (IDS-Grammatik 1997/3: 2291) Anders gesagt: Kausalität, Konzessivität, Konsekutivität und Finalität stellen spezielle Instanzen, Einzelfälle, der recht abstrakten, verallgemeinernden Konditionalität dar (Boettcher 2009/3: 121).214 Dass dem so ist, lässt sich am besten anhand der logischen Schlussfigur des Modus ponens zeigen (p, q = Szenarios; → = ‚wenn…dann’):

Prämisse 1: Prämisse 2:

p→q p



Conclusio:

q

214 Diese Auffassung ist nicht unumstritten. Für Sweetser (1990) stellt Kausalität die fundierende Relation dar, während Volodina (2011: 257) dafür plädiert, „dass zwischen Kausalität und Konditionalität kein hierarchisches Verhältnis besteht.“

reine Verhältnisadverbiale konditionales Fundament

Modus ­ponens

576 

Anwendung des Modus ponens

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Gehen wir von dem folgenden Beleg aus: (236) […] (Konditional- wenn sie den Kopf hob Näherin […]. (Timm Mantel: 84)

, sah sie den Rücken der anderen

adverbial)

Der Satz indiziert zwei Szenarios: Sie hebt/hob den Kopf (= p) und Sie sieht/sah den Rücken der anderen Näherin (= q). Setzen wir nun p und q in das Schema ein:

Prämisse 1: Wenn sie den Kopf hebt (= p), sieht sie den Rücken der anderen Näherin (= q) Prämisse 2: Sie hob den Kopf (= p)



Conclusio: Sie sah den Rücken der anderen Näherin (= q)

Die Relation zwischen Prämisse 2 und Conclusio ist kausal, die je nachdem, ob der anszenierende Nebensatz den Grund oder die Folge versprachlicht, als Kausal- oder als Konsekutivrelation in Erscheinung tritt: (236) (a) Weil sie den Kopf hob adverbial), sah sie den Rücken der anderen Näherin. (Kausal(b) Sie hob den Kopf, (Konsekutiv- sodass sie den Rücken der anderen Näherin sah . adverbial) ungültiger Schluss: ­ onzessivität K

Beide Typen der Kausalität setzen dabei Prämisse 1, d.  h. Konditionalität, voraus. Auch Konzessivität basiert auf Konditionalität: (236c) (Konzessiv- Obwohl sie den Kopf hob Näherin nicht.

, sah sie den Rücken der anderen

adverbial)

Die konzessive Relation lässt sich zwar am Schema des Modus ponens veranschau­ lichen, allerdings nur als ein logisch ungültiger Schluss (¬ = nicht (Negation)):

intentionaler Schluss: Finalität



Prämisse 1: Wenn sie den Kopf hebt (= p), sieht sie den Rücken der anderen Näherin (= q) Prämisse 2: Sie hob den Kopf (= p)



ungültige Conclusio: Sie sah den Rücken der anderen Näherin nicht (= ¬q)

Hier wird die auf der Basis der konditionalen Relation (= Prämisse 1) erwartbare kausale Relation zwischen Prämisse 2 und Conclusio überraschenderweise außer Kraft gesetzt. Im Falle der Finalität wird die logische Kausalität durch Intentionalität über­ lagert: (236d) Sie hob den Kopf, (Final- damit sie den Rücken der anderen Näherin sah adverbial).





Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 577

Prämisse 1: Wenn sie den Kopf hebt (= p), sieht sie den Rücken der anderen Näherin (= q) Prämisse 2 + Intention: Sie sollte/wollte den Kopf heben (= sollen/wollen + p) Conclusio + Intention: sie sollte/wollte den Rücken der anderen Näherin sehen (= sollen/wollen + q)

So wie bei der Erläuterung der Konzessivität ist der Modus ponens auch hier kein logisch gültiges Schlussverfahren, sondern dient nur der Veranschaulichung der Relation. Hier wird die auf der Basis der konditionalen Relation (= Prämisse 1) erwartbare kausale Relation zwischen Prämisse 2 und Conclusio nicht außer Kraft gesetzt, sondern intentional angereichert: Die kausale Relation gilt nur dann, wenn Szenario wie Anszenario intentional herbeigeführt werden/wurden. Grammatisch relevant ist die Frage, welches Szenario das andere näher situiert, d.  h. als anszenierendes Adverbial in Erscheinung tritt. In dieser Hinsicht rücken Kausal- und Konzessivadverbial mit Anszenario = p bzw. Konsekutiv- und Finaladverbial mit Anszenario = q enger zusammen:

Szenario/ AnszenarioWechselspiel

Tab. 50: Konditional fundierte Verhältnisadverbiale Relation

Beschreibung

Adverbial

kausal

»p trat ein, deshalb trat auch q ein« p = Anszenario q = Szenario

konzessiv

»p trat ein, dennoch trat q nicht ein« p = Anszenario q = Szenario

Obwohl sie den Kopf hob adverbial), (Konzessivsah sie den Rücken der anderen Näherin nicht.

konsekutiv

»p trat ein, deshalb trat auch q ein« p = Szenario q = Anszenario

Sie hob den Kopf, (Konsekutiv- sodass sie den Rücken der anderen Näherin sah adverbial).

final

»jemand wollte, dass p eintrat und dass Sie hob den Kopf, (Final- damit sie den deshalb auch q eintrat« Rücken der anderen Näherin sah adverbial). p = Szenario q = Anszenario

Weil sie den Kopf hob adverbial), sah sie den Rücken der anderen Näherin.

(Kausal-

Das Thema ‚Verhältnisadverbial‘ bzw. generell das Adverbialkapitel abschließend sollen noch zwei Themenbereiche zur Sprache kommen: Anmerkungen (1) einerseits zu den Adverbialklassen ‚Irrelevanzkonditional‘, ‚Exzeptivadverbial‘ bzw. ‚Konsekutivadverbial‘, (2) andererseits zu den sog. metaphorischen, d.  h. epistemischen und sprechaktbezogenen, Verwendungen der Verhältnisadverbiale.

Fazit: ­konditional fundierte Adverbiale

adverbiales Rest­ programm

578 

Irrelevanzkonditional

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Ein besonderer Fall von Konditionalität ist der Irrelevanzkonditional: Egal, ob diesmal das Milliardenspektakel ein Erfolg wird, adverbial), (IrrelevanzkonditionalTsutsumis Plan ist in allen Punkten aufgegangen. (DIE ZEIT, 05. 02. 1998, zit. n. Waßner 2006: 383) (238) „(Irrelevanzkonditional- Womit Sie aber auch geschossen haben mögen adverbial), wir danken Ihnen von Herzen!“ (Kästner 35. Mai: 120) (237)

Das Besondere lässt sich gut an dem umformulierten Timm-Beleg zeigen: (236e) (Irrelevanzkonditional- Ob sie den Kopf hob oder nicht, ob sie die Brille aufsetzte oder nicht, ob sie es wollte oder nicht adverbial), sie sah den Rücken der anderen Näherin.

­Aggregation vs. ­Integration

ein Irrelevanz­ konditionalAusdruck

Was semantisch auffällt, ist, dass sich hier die logische Bedingung der Konditionalrelation (= p) aus einer Reihe von alternativen, beliebig fortsetzbaren Anszenarios zusammensetzt, die aber weder paarweise noch als Gruppe als mögliche Ursachen/ Gründe in einer Kausalrelation erscheinen können. Was logisch eine Bedingung ist, ist also semantisch eine „(Nicht-)Bedingung“ (Waßner 2006: 390). Was grammatisch auffällt, ist, dass diese Scheinbedingung durch die Nicht­ integration des Irrelevanzkonditionaladverbials in die Stellungsfelderstruktur indiziert wird: Das Irrelevanzkonditionaladverbial steht  – im Gegensatz zum Konditionaladverbial des Originalbelegs  – nicht im Vorfeld des Satzes, sondern am linken Satzrand; es ist aggregativ.215 Die Relation zwischen semantischer und grammatischer Struktur ist also ikonisch: Scheinbedingungen werden aggregativ, echte Bedingungen integrativ kodiert.216 Wie im Kap. III/3.1.4 erwähnt, ist die kanonische Form von Verhältnisadverbialen der Nebensatz. Insofern scheint mit dem folgenden Beleg eine Ausnahme vorzuliegen: (239) Dann erhielt der Onkel einen Lendenschurz […] und mußte ihn (Irrelevanzkonditionalwohl oder übel adverbial) umschnallen. (Kästner 35. Mai: 121) Das Besondere an der Formel wohl oder übel ist jedoch, dass es einen Ausdruck, d.  h. eine kompositionell nicht prädiktable Wortverbindung, darstellt (Kap. I/2.4.5). Dabei ist die idiomatische Bedeutung propositional und drückt Irrelevanzkonditionalität aus (,ob man will oder nicht‘). Was Nebensätze bereits formal erkennen lassen, indiziert der obige Ausdruck also erst auf der Inhaltsebene.

215 Zur Stellungsfelderstruktur und deren Relevanz für die Grammatische Textanalyse Kap. II/1.3. Zur Aggregation vs. Integration Kap. II/1.5. 216 Präzise Analysen liefern König/van der Auwera 1988 und Leuschner 2005.



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 579

Satzglieder am Satzrand kommen nicht nur bei Irrelevanzkonditionalen vor, sondern bei allen Typen von konditional fundierten Relationen. Voraussetzung hierfür ist, dass die Wenn-dann-Beziehung (Prämisse 1) oder die darauf aufbauende Kausalrelation (zwischen Prämisse 2 und Conclusio) nicht oder nur schwer rekonstruier­bar ist, z.  B. (240)

So furchtbar es war, was der Major Heinz getan hat (Konzessivnicht für sich getan. (Haas Leben: 205)

weitere ­Satzglieder am Satzrand

, er hat es

adverbial)

Hier wäre die verallgemeinerte Prämisse 1 – Wenn es furchtbar ist, was jemand tut (= p), tut man es für sich (= q) – keine Binsenwahrheit. Infolgedessen ist es die (konzessiv sowieso außer Kraft gesetzte) Kausalrelation auch nicht.217 Die Adverbialklasse, die in der Übersicht Exzeptivadverbial genannt wurde, wird auch unter der Bezeichnung Exzeptivkonditional geführt (z.  B. Pittner 1999: 257  ff.).218 Allerdings kann das ein Ausnahmeszenario versprachlichende Adverbial nicht nur Ausnahmebedingungen (= außer wenn), sondern auch Ausnahmetatsachen (= außer dass) indizieren:219

Exzeptiv­ konditional?

(241) Nach zwei oder drei Stunden begann der Film. Irgendein ganz gewöhnliches Action-Movie. […]. Nichts Besonderes eigentlich, (Exzeptiv- außer dass er es plötzlich nicht ertragen konnte adverbial). (Ruge Zeiten: 97) Eine mögliche Paraphrase wäre: ‚Der Film war eigentlich nichts Besonderes/Außergewöhnliches. Das Besondere/Außergewöhnliche an der Situation war eigentlich nicht der Film, sondern die Tatsache, dass er ihn plötzlich nicht ertragen konnte.‘

Deshalb scheint mir der neutrale Terminus ‚Exzeptivadverbial‘ angemessener zu sein als der Terminus ‚Exzeptivkonditional‘. Während sich der sodass-Nebensatz oder Adverbien wie folglich, infolgedessen oder demnach problemlos als typische grammatische Formen des Konsekutivadverbialwertes identifizieren lassen, gibt es andere Formen, insbesondere die mit den Intensitätspartikeln so und zu, bei denen die Zuordnung des grammatischen Wertes nicht so selbstverständlich ist. Fangen wir mit so an:

217 Konzessivität ist ein grammatisch, semantisch und pragmatisch äußerst vielschichtiges und kompliziertes Feld, vgl. vor allem Di Meola 1997, Breindl 2004 und 2004a bzw. Rezat 2007 und 2009. 218 Renate Musan (2008: 63) nennt sie „Restriktivadverbial“, s. auch Polenz 2008: 273. Nach dem HdK (2014: 1062  ff.) bildet sie eine Unterklasse der negativ-konditionalen Konnektoren. 219 Das Sprachzeichen außer ist ein sog. grammatischer Einzelgänger (HdK 2003: 601  ff.).

Konsekutivadverbial

580 

Intensitäts­ partikel so

Frage- und Ersatzprobe

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

(242) Er sah mich an, (Modal- so, daß ich mich regelrecht gedrängt fühlte, zu sagen, natürlich ist der [Bahnhof, VÁ] öffentlich adverbial). (Timm Schließfach: 107) Nach Boettcher (2009/3: 125) liegt hier die „Spielart spezifisch konsekutiv“ einer konsekutiven Adverbialbeziehung mit „Attribut-Status“ des Nebensatzes vor.220 Diese Einordnung ist problematisch, weil so alleine modal (und nicht konsekutiv ist) und weil sich modales so + dass-Nebensatz durch Modaladverbiale ersetzen lässt: (242) (a) Er sah mich (Modal- SO adverbial) an. [Sprecher führt den Anblick vor.] (b) Er sah mich (Modal- verwundert adverbial) an. (c) Er sah mich (Modal- so verwundert ad- an, ver- dass ich mich regelrecht gedrängt fühlte, zu sagen, natürlich ist der öffentlich bial). (d) Er sah mich (Modal- so ad- an, ver- als hätte er noch nie einen Fahrgast gesehen bial). (e) Er sah mich (Modal- so ad- an, ver- wie Detektive einen Verdächtigen ansehen bial). Alle Modaladverbiale in den Sätzen (242a) bis (242e) lassen sich mit wie erfragen: (242 f ) (Modal- Wie adverbial) sah er mich an? Der jeweilige Nebensatz ist dabei tatsächlich immer ein Attributnebensatz, der die Intensität mit – (242d) und (242e) – oder ohne Vergleich – Originalbeleg und (242c) – ausbuchstabiert.221 Dass man den Inhalt der nicht vergleichenden Nebensätze als Folge interpretiert, liegt in erster Linie nicht an der grammatischen Struktur, sondern daran, dass wir zwischen der Art des Anblickens von A durch B und dem Sichgedrängtfühlen von A in der Regel eine Kausalbeziehung herstellen. Ein Konsekutivadverbialnebensatz liegt dagegen vor, wenn der Subjunktor sodass heißt: (242g) Er sah mich an, (Konsekutiv- sodass ich mich regelrecht gedrängt fühlte, zu sagen, natürlich ist der öffentlich adverbial).

Intensitäts­ partikel zu

Kommen wir nun zu der Intensitätspartikel zu, und vergleichen wir sie mit so: (243) Es war alles schnell gegangen, zu schnell, als daß ich überlegen konnte. (Hein Freund: 159) (243’) Es war alles schnell gegangen, so schnell, dass ich nicht überlegen konnte.

220 Im Gegensatz zur „Spielart global konsekutiv“, die die Folge der gesamten Hauptsatzaussage präsentiere, z.  B. Er hatte den ganzen Tag gearbeitet, sodass er sehr müde war, geht es bei dieser Spielart um „ein bestimmtes Ausmaß […], das die Folgehandlung auslöst“ (Boettcher 2009/3: 125). 221 Unklar ist allerdings, ob sich der Attributsatz auf so, das Adjektiv oder beides bezieht, also was genau der Kern der jeweiligen Struktur ist. Es ist auch nicht sicher, ob (242b) und (242c) denselben Kern (verwundert) haben. Problematisch ist weiterhin, dass so in (242d) und (242e) weglassbar ist.



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 581

In (243) geht es darum, dass „eine Eigenschaft in zu großem Maße vorhanden (ist), als daß eine bestimmte Folge eintreten könnte.“ (Pittner 1999: 280) Der als-dass-Nebensatz drückt also eine Folge aus, deren Eintreten verhindert wurde. Die Intensitätspartikel zu ist sozusagen das Verhinderungssignal: Es signalisiert, dass eine bestimmte Eigenschaft (Schnelligkeit) wegen Überdosis nicht als Auslöser des Anszenarios fungieren kann. Die Folge wird angedeutet, und auch, warum der Grund unwirksam ist. Grammatisch erscheinen mir insbesondere zwei Unterschiede relevant: Einerseits ist die absolute Nennung des zu großen Maßes (zu schnell), d.  h. die Nichtrealisierung des Anszenarios, unproblematisch, während die Spezifizierung des Maßes (so schnell) ohne Realisierung des Anszenarios problematisch sein dürfte:222

Intensitätspartikeln zu vs. so

(243a) Es war alles schnell gegangen, zu schnell. (243a’) ?Es war alles schnell gegangen, so schnell. Dies spricht für die relative Unabhängigkeit des als dass-Nebensatzes. Wenn die möglichen (Nicht-)Folgen banal oder irrelevant wären, ist die absolute Nennung sogar der Normalfall: (244) Die Suppe war zu salzig. Andererseits reicht – im Gegensatz zu so – zu alleine als Auslöser der Nebensatzrealisierung nicht: (243b) *Es war alles schnell gegangen, zu, als dass ich überlegen konnte. (243b’) Es war alles schnell gegangen, so, dass ich nicht überlegen konnte. Die Wortgruppe zu+Adjektiv bildet also eine grammatische Einheit und steht einem relativ unabhängigen als dass-Nebensatz gegenüber, während die Partikel so mit dem dass-Nebensatz – mit oder ohne Adjektiv – eine grammatische Einheit bildet. Diesem Unterschied hinsichtlich der grammatischen Einheitenbildung soll Rechnung getragen werden, indem die Wortgruppe zu+Adjektiv modal bzw. prädikativ und der als dass-Nebensatz und alternative Infinitivkonstruktionen (mit oder ohne um) konsekutiv interpretiert werden: (243) Es war alles (Modal- schnell adverbial) gegangen, (Modal- zu schnell adverbial), (Konsekutiv- als daß ich überlegen konnte adverbial). (Hein Freund: 159) (245) Das ist zu schön, (Konsekutiv- um wahr zu sein adverbial). (246) Ich bin heute schon zu müde, (Konsekutiv- etwas Brauchbares dazu zu sagen adver. bial) (Glattauer Nordwind: 23)

222 Nonverbales könnte hier allerdings Abhilfe schaffen: Es war alles schnell gegangen, [trauriges Kopfschütteln] so schnell.

Modal/ Prädikativ + Konsekutiv

582 

metaphorische Verhältnisse ­Einführung in die ­Epistemik: der Parajunktor weil

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Zum Schluss sollen sog. metaphorische Verwendungen der Verhältnisadverbiale kurz angesprochen werden: zuerst die epistemischen, dann die sprechaktbezogenen.223 Der folgende Beleg enthält zwar kein Verhältnisadverbial, sondern zwei mit dem Parajunktor weil verbundene grammatische Sätze, aber an dem ‚ungewöhnlichen‘ kausalen Verhältnis der beiden Sätze lässt sich das Konzept der Epistemik gut nachvollziehen: (247) Das Gespräch dürfte den Grazer Kripochef irgendwie beruhigt haben, weil er ist dann wieder verschwunden […]. (Haas Leben: 129)

epistemische Verhältnis­ adverbiale

Hier zeigt schon das Nachzeitigkeit ausdrückende Temporaladverbial dann an, dass das Verschwunden-sein-Szenario nicht der Grund für das Beruhigt-haben-Szenario sein kann, eher umgekehrt. Das Prädikat des ersten grammatischen Satzes, das ein epistemischer Modalkomplex ist (Kap. III/2.1.2), drückt nämlich eine Vermu­ tung/Annahme aus, die auf dem Verschwunden-sein-Szenario basiert: Aus der Tatsache, dass der Grazer Kripochef verschwunden ist, schließt der Erzähler, dass ihn das Gespräch beruhigt haben dürfte. Epistemische Verhältnisadverbiale funktionieren analog: Es gibt immer eine als Anszenario formulierte Evidenz/Tatsache, aus der man einen bestimmten, in der Regel nicht zwingenden, Schluss ziehen kann. Man vergleiche die folgenden Belege mit epistemischem Kausal-, Konditional- und Konzessivadverbial:224 (248) In mehreren Kapiteln wird über Monsanto berichtet, ein Chemieunternehmen, das für ein schweres Chemieunglück verantwortlich war und das auch Genprodukte herstellt. Die Fakten über diese Firma werden schon stimmen, und dies möchte ich auch gar nicht bestreiten. Was ich aber sehr wohl bestreite, ist, dass die Globalisierung der Grund dafür ist.225 So hat es auch im Kommunismus Chemieunfälle gegeben, und (Kausal- nachdem wir halt nur Menschen sind adverbial), wird es immer Unfälle geben. […] (aus einer Rezension zum Schwarzbuch Globalisierung, Beleg n. Blühdorn 2008: 218) (249) Und (Konditional- wenn er am Samstag entlassen worden war adverbial), musste heut Dienstag sein. (Ruge Zeiten: 7)

223 Die fachliterarische Diskussion der metaphorischen Verwendungen nimmt immer auf das DreiEbenen-Modell von Eve E. Sweetser (1990: 113  ff.) mit „content, epistemic and speech-act domains“ Bezug. Grammatisch wegweisend ist auch König/van der Auwera 1988. Einen Überblick über den ak­tuel­len Diskussionsstand bietet Volodina (2011: 161  ff.). 224 Zu den epistemischen Verhältnisadverbialen vgl. Blühdorn 2008. 225 Dies ist ein sog. Sperrsatz (pseudo-cleft), auf dessen grammatische Analyse im Kap. III/3.2.4 eingegangen wird.



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 583

(250) Woran ist er gestorben? Nicht daran, woran Sie jetzt denken, keine Überdosis Schlaftabletten. Nein, ich denke, er war im Frieden mit sich. (Konzessiv- Obwohl ich ihn zuletzt nicht mehr so oft gesehen habe adverbial). (Timm Johannisnacht: 37  f.) Der folgende Beleg enthält wieder den Parajunktor weil, der zwei grammatische Sätze verbindet: (251) Ich will aber gar nix Böses sagen gegen die Russen, weil der Kalte Krieg ist vorbei. (Barwasser Was: 57) Hier geht es aber nicht um Epistemik. Denn aus der Tatsache, dass der Kalte Krieg vorbei ist, kann der Erzähler natürlich nicht darauf schließen, dass er selber nichts Böses gegen die Russen sagen will. Vielmehr begründet er mit dem Vorbeisein des Kalten Krieges, warum er sagt, dass er nichts Böses gegen die Russen sagen will. Betrachten wir die Wortstellungsopposition zwischen den folgenden klassischen Beispieltypen (nach König/van der Auwera 1988: 110): (252) (a) (b)

Wenn mich jemand sucht adverbial), bin ich in der Bibliothek. Wenn mich jemand sucht adverbial), ich bin in der Bibliothek. (Relevanzkonditional-

Einführung in den Sprechaktbezug: wieder der Parajunktor weil

Sprechaktbezug: Relevanz­ konditional

(Konditional-

(252a) enthält ein gewöhnliches Konditionaladverbial im Vorfeld, d.  h. einen grammatisch ganz normalen Konditionalnebensatz. Semantisch ist allerdings (252a) ungewöhnlich, da wir uns kaum eine Situation vorstellen können, in der die Anwesenheit von X in der Bibliothek davon abhängt, ob X gesucht wird oder nicht. Semantisch plausibler ist (252b), bei dem durch die Nichtintegration des wenn-Nebensatzes in die Stellungsfelderstruktur indiziert wird, dass das Suchen keine Bedingung für die Anwesenheit in der Bibliothek darstellt. Vielmehr wird hier die Relevanz der Aussage, dass man in der Bibliothek ist, damit begründet, dass man gesucht werden könnte. Diesen Typ nenne ich in Anlehnung an Pittner (1999: 345) Relevanzkonditional.226 Das Relevanzkonditionaladverbial stellt im Gegensatz zum epistemischen Konditional ein eigenes Satzglied dar, da es sich mit dem kanonischen Konditional kombinieren lässt: (252b’) (Relevanzkonditional- Wenn mich jemand sucht adverbial), ich bin in der Bibliothek, wenn ich den Bus erwische adverbial). (KonditionalIn den folgenden Beispielen dürfte, obwohl die Typen in der Literatur in der Regel als „Sprechakt-Adverbiale“ (Pittner 1999: 320  ff.) klassifiziert werden, kein Sprechakt­ bezug mehr zu rekonstruieren sein:

226 Zur Geschichte des Begriffs s. HdK 2014: 737.

Einmaleins der Satzgliedlehre

Idiomati­ sierung

584 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

(253) Auf dem Weg zur Startposition das Sicherheitsballett der Stewardessen. Sie lächelten unbeirrt, wenn man es lächeln nennen wollte. (Ruge Zeiten: 96) (254) Auch in der Küche […] stand er vor mir – wenn ich mich recht entsinne. (Timm Johannisnacht: 69  f.) In (253) liegt eine Art metakommunikativer Verknüpfung vor (Polenz 2008: 285  f.): Die sprachliche Formulierung als lächeln wird in dem wenn-Nebensatz kritisch kommentiert. In (254) geht es nicht um einen Metakommentar, sondern um einen Kommentar: Der Erzähler schränkt die Geltung der eigenen Aussage ein. Der wenn-Nebensatz ist kein Teil eines Konditionalgefüges mehr, sondern ist zu einer Floskel, einem „textuell strukturierende(n) Muster“ (Feilke 1996: 242), geworden, vgl. auch (255) Um es deutlich zu sagen, wir sind bankrott. (König/van der Auwera 1988: 110) (256) Wenn ich mich nicht irre / Wie mir scheint / Soviel ich weiß, wir sind bankrott. Solche lexifizierten textstrukturierenden Muster wurden teils als (lexifizierte) Kohäsionsglieder, teils als (lexifizierte) Kommentarglieder analysiert (Kap. II/4.3 und Kap. III/1.5). Statische Supplemente sind in drei Gruppen zu unterteilen: (1) reine Situativadverbiale (Lokal-, Frequenz und Modaladverbiale) und Freies Prädikativ; (2) reine Verhältnisadverbiale (Konditional-, Kausal-, Konzessiv-, Konsekutiv-, Final-, Adversativ-, Substitutiv-, Explikativ-, Exzeptiv-, Irrelevanzkonditional- und Relevanzkonditionaladverbial) und (3) Situativ- wie Verhältnisadverbiale (Temporal-, Dilativ-, Komitativ- und Instrumentaladverbial). Im Gegensatz zu der formal orientierten Komplementklassifikation ist die Modellierung des Einmaleins der Satzgliedlehre im Bereich der semantisch orientierten Supplementklassifikation – besonders im stark verbsubklassenspezifischen modalen Bereich – wesentlich schwieriger.

3.1.7 Korrelatverbindungen: ein Prüfstein grammatischer Theoriebildung Ein besonderes Problem für die Grammatische Textanalyse stellen Korrelatverbindungen dar.227 Zwei Beispiele: 227 Korrelate stellen ein notorisches theoretisches Problem, ja einen theoretischen Prüfstein für jede Art Grammatiktheorie dar (Zifonun 1995). Entsprechend reich und umfangreich ist hierzu die Fach­ literatur. Von den neueren Monographien sind Zitterbart 2002 und Boszák 2009 zu nennen. Überblicksdarstellungen, die auf jeden theoretisch relevanten Aspekt eingehen, sind die IDS-Grammatik (1997/2: 1474  ff.) und die Grammatik von Peter Eisenberg (2006/2: 328  ff.). Theoretisch bis heute relevant sind die Arbeiten von Breindl (1989: 157  ff.) und Oppenrieder (1991: 327  ff.), in denen die Unter-



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 585

(128) Er dachte (Präpositionalobjekts- daran korrelat), (Präpositionalobjekts- sie zu umfassen und zu Boden zu ziehen infinitiv), […]. (Kehlmann Vermessung: 91) (257) (Subjekts- Es korrelat) verstand sich von selbst, (Subjekt- daß ihm jedes Schreiben vorgelegt werden mußte nebensatz). (Kehlmann Vermessung: 23) Unter ‚Korrelatverbindung‘ verstehe ich im Anschluss an die IDS-Grammatik (1997/2: 1488) eine eigene recycelte Realisierungsform für Satzglieder (im engeren Sinne), die aus einem Korrelat und einer eingebetteten Szenariorealisierung (Nebensatz, abhängiger ‚Hauptsatz‘ oder Infinitivkonstruktion) besteht. Mit ‚eigener Realisierungsform‘ ist dabei gemeint, dass ein Nebensatz, ein abhängiger ‚Hauptsatz‘ oder eine Infinitivkonstruktion mit Korrelat eine andere Realisierungsform eines Satzgliedwertes darstellt als ein Nebensatz, ein abhängiger ‚Hauptsatz‘ oder eine Infinitivkonstruktion ohne Korrelat.228 Was aber ist mit ‚recycelter Realisierungsform‘ gemeint? Und wie wirkt sich Recycling auf den Status der Korrelatverbindung aus? Kohäsion im Text wird nicht nur mit Hilfe von Kohäsionsgliedern, sondern auch durch andere Kohäsionsmittel hergestellt. Die wohl auffälligsten sind deiktische Verweise und phorische Bezüge, die sich auf gegenstandsindizierende Wortgruppen beziehen, kurz: gegenstandsbezogene (deiktische) Verweise und (phorische) Bezüge.229 Legende: (a)-Beispiele = deiktischer Verweis (b)-Beispiele = phorischer Bezug (c)-Beispiele = kein Verweis/Bezug  = anadeiktisch  = katadeiktisch ⇐ = anaphorisch ⇒ = kataphorisch

schiede zwischen unterschiedlichen Betonungsmustern in Abhängigkeit von Deixis vs. Phorik herausgearbeitet wurden. 228 Dass in der Übersichtstabelle (Tab. 43 im Kap. III/3.1.3) diese theoretische Position nicht zum Ausdruck kommt, hat lediglich mit der angestrebten Übersichtlichkeit zu tun. Sonst würde sich die Anzahl möglicher Realisierungsformen bei jedem Satzglied mit einschlägigen Szenariorealisierungen verdoppeln. 229 Auf Kohäsionsmittel inkl. Deixis und Phorik wurde im Kap. II/4.3 kurz eingegangen. Je nach Verweis- und Bezugsrichtung unterscheidet man Anadeixis/-phorik, d.  h. Verweis oder Bezugnahme auf den Vortext, und Katadeixis/-phorik, d.  h. Verweis oder Bezugnahme auf den Folgetext. Wichtig ist die terminologische Unterscheidung zwischen Verweis (Deixis) und Bezug (Phorik), vgl. Ehlich 1978/2007.

Deixis und Phorik

586 

Deixis und Phorik: gegenstandsbezogen

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

(258a) In der Kaserne von N. N. gab es einen Feldwebel,  (Sub- der jekt) prüfte die Stube der ihm unterstehenden Rekruten vor dem Wochenende immer besonders genau. (Brednich Geschichten: 204) In der Kaserne von N. N. gab es einen Feldwebel, (Sub- der Feldwebel jekt) prüfte → die Stube. → In der Kaserne von N. N. gab es einen Feldwebel, (Subjekt der zweiten Grades) die Stube prüfte. (258b) In der Kaserne von N. N. gab es einen Feldwebel, ⇐ (Sub- er jekt) prüfte die Stube der ihm unterstehenden Rekruten vor dem Wochenende immer besonders genau. → *In der Kaserne von N. N. gab es einen Feldwebel, (Sub- er Feldwebel jekt) prüfte die Stube. → *In der Kaserne von N. N. gab es einen Feldwebel, (Subjekt er zweiten Grades) die Stube prüfte. Der Unterschied ist, wie man sieht, elementar: (1) Das deiktische Zeichen (der) zeigt (= ) auf den Kern der vorangehenden Substantivgruppe (Feldwebel) und zeigt dabei die Kategorie der ganzen Bezugssubstantivgruppe (einen Feldwebel) an. Das Gezeigte kann grammatisch integriert werden (der Feldwebel; einen Feldwebel, der…). Durch die grammatische Integration wird die deiktisch eröffnete Leerstelle von der gesättigt, grammatisch gebunden: als Artikel oder als Relativum. Das deiktische Zeichen (= Demonstrativum) ist betont, Artikel und Relativum, die nicht mehr deiktisch sind, nicht. (2) Das phorische Zeichen (er) zeigt die Kategorie der ganzen Bezugssubstantivgruppe (einen Feldwebel) an (= ⇐). Als Mikro-Substantivgruppe eröffnet es keine Leerstelle, es ist bereits gesättigt. Eine grammatische Öffnung der Mikro-Substantivgruppe ist demnach ausgeschlossen (*er Feldwebel, *einen Feldwebel, er…). Das phorische Zeichen ist unbetont.230 Gemeinsam ist dem deiktischen und dem phorischen Zeichen also, dass beides die Kategorie der Wortgruppe anzeigt (im Beispiel: Mikro-Substantivgruppe).

230 Wie erwähnt (Kap. III/3.1.2, Anm. 2) stellen sog. Pronomina Primärformen dar. Mit ‚MikroSubstantivgruppe‘ ist genau das gemeint: Es liegt eine komplette primäre Substantivgruppe ohne Lexemwörter vor. Entsprechend stellen sog. Personal- und Relativpronomina keine Subklassen einer Wortart, sondern Subklassen einer Wortgruppe dar.



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 587

Deiktische Verweise und phorische Bezüge können nicht nur gegenstands-, sondern auch szenariobezogen sein:231 (259) (a) Conny kann hervorragend kochen,  (Akkusativ- das objekt) erzählten alle. (Timm Sommer: 107) (b) Conny kann hervorragend kochen, alle erzählten ⇐ (Akkusativ- es objekt). (260) (a) In der Endmontage sollten die Vorgabezeiten für den Akkord verkürzt werden. Woher wißt ihr  (Akkusativ- das objekt), fragte ihn Ullrich. (Timm Sommer: 200) (b) In der Endmontage sollten die Vorgabezeiten für den Akkord verkürzt werden. Woher wißt ihr ⇐ (Akkusativ- es objekt), fragte ihn Ullrich.

Deixis und Phorik: szenario­ bezogen

Hier verweisen bzw. beziehen sich die deiktischen und phorischen Zeichen (das und es) auf ganze Szenarios: auf das Kochen-können- bzw. das Verkürzt-werden-sollen-Szenario. Wenn der szenariobezogene Verweis adverbial ist (z.  B. deshalb, dann, da), ist er immer deiktisch. Zu adverbialen Verweisen gibt es kein phorisches Gegenstück. Im folgenden Beleg gibt es gleich zwei deiktische Verweise, ein nichtadverbiales (das) und ein adverbiales (deshalb): (261a) Eine Familie, sagte der Herzog, müsse ernährt werden.  (Sub- Das jekt) sei nicht zu leugnen, sagte Gauß.  (Kausal- Deshalb adverbial) habe er sich ja der Ceres gewidmet. (Kehlmann Vermessung: 144) Betrachtet man Korrelatverbindungen nicht aus der ‚von oben nach unten‘-Perspektive, gerät eine dritte Option, nämlich der Nichtverweis oder Nichtbezug, aus dem Blickfeld: (262c) [Humboldt] markierte mit genau gesetzten Kreuzen die Standorte der wichtigsten Garnisonen. Jefferson bedankte sich seufzend. (Kehlmann Vermessung: 214) (263c) Der Herzog nickte. Gauß erinnerte sich, daß er ihn nicht direkt ansehen sollte, und schlug die Augen nieder. (Kehlmann Vermessung: 144)

231 Zu einer viel feineren Differenzierung s. Czicza 2014: 26  ff.

weder Deixis noch Phorik: szenario­ bezogen

588 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

In diesen Textausschnitten kommen keine Verweise/Bezüge zwischen dem Markieren- und dem Sich-bedanken-Szenario bzw. zwischen dem Sich-erinnern- und dem Die-Augen-niederschlagen-Szenario vor. Im ersten Fall sind die Szenariorealisierungen juxtaponiert, d.  h. ganz ohne Kohäsionsglieder realisiert, im zweiten werden sie relativ unspezifisch, durch kopulatives und, verbunden. Fügt man Verweise/Bezüge ein, erhält man wie oben beim nichtadverbialen Typus deiktische und phorische Verbindungsmöglichkeiten, beim adverbialen Typus nur eine deiktische:232 (262a) [Humboldt] markierte mit genau gesetzten Kreuzen die Standorte der wichtigsten Garnisonen. Jefferson bedankte sich  (Präpositional- dAfür objekt) seufzend. (262b) [Humboldt] markierte mit genau gesetzten Kreuzen die Standorte der wichtigsten Garnisonen. Jefferson bedankte sich ⇐ (Präpositional- dafÜr objekt) seufzend. (263a) Der Herzog nickte. Gauß erinnerte sich, daß er ihn nicht direkt ansehen sollte.  (Kausal- Deshalb adverbial) schlug er die Augen nieder. MikroPräpositional­ gruppe und Akzent

Verweis/ BezugSystematik

Zeichen wie dafür (hierfür, wofür, darauf, hierauf, worauf usw.) stellen, wie erwähnt (Kap. III/3.1.4, Anm. 125) kategorial Mikro-Präpositionalgruppen dar, sie sind Bonsai-Formen von Präpositionalgruppen. Bei Mikro-Präpositionalgruppen in Objektfunktion gibt es zwei primäre Betonungsmuster: Äußerungsakzent entweder auf da- (in GAT-Notation = dArüber), dann ist die Lesart deiktisch, oder auf -für (= dafÜr), dann ist sie phorisch.233 Wie es scheint, gibt es prototypischerweise folgende Möglichkeiten nichtadverbialer szenariobezogener Verweise und Bezüge:234 Tab. 51: Szenariobezogene Verweise und Bezüge (nichtadverbial)

deiktischer Verweis phorischer Bezug Nichtverweis/-bezug

Subjekt/Akkusativobjekt

Präpositionalobjekt

dAs es –

dAfür/-rauf/-ran usw. dafÜr/-rAUf/-rAn usw. –

232 Im Vorfeld wäre allerdings wohl nur ein deiktisches Präpositionalobjekt möglich. Mangels empirischer Untersuchungen kann man sich hier aber nur auf relativ spontane Expertenmeinungen stützen. Ich danke Roland Kehrein für einschlägige Informationen. 233 Bei deiktischer Lesart dürfte als sekundäres Betonungsmuster sogar ein Hervorhebungsakzent auf da- (= DA) möglich sein. Zur prosodischen Begrifflichkeit s. Kehrein 2002: 79–100. GAT = Gesprächsanalytisches Transkriptionssystem. 234 Genitiv- und Dativobjekt können ausgeklammert werden. Das eine existiert nur noch peripher, das andere lässt, wie oben erwähnt, normalerweise keine szenarioindizierenden Nebensätze zu.



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 589

Der lexikalischen und prosodischen Komplementarität von dAs/es entspricht bei den Mikro-Präpositionalgruppen, bei denen es nur eine lexikalische Form gibt, wortprosodische Komplementarität: Bei Deixis ist der Äußerungsakzent auf der ersten Silbe, bei Phorik auf der zweiten. M. a. W., immer, wenn ein demonstratives Wort (das) oder ein demonstrativer Wortbestandteil (da-) betont wird, geht es um Zeigen (inkl. kategorialer Anzeige). Und immer, wenn ein unbetontes phorisches Wort (es) oder ein betonter phorischer Wortbestandteil ([da]fÜr, [dar]AUf usw.) verwendet wird, geht es um kategoriale Anzeige. Der Unterschied ist grundlegend (Bühler 1934/1982: 79  ff., Ehlich 1979 und 1978/2007): (1) Das deiktische Zeichen (Wort oder Wortbestandteil) ist ein pragmatisch-grammatischer Operator, der in einem textuellen Verweisraum (= Textraum) den Leser (oder den Hörer) auf ein vorangehend oder nachfolgend realisiertes Szenario hin orientiert. Das deiktische Zeichen ist gewissermaßen ein Verweisschild des Szenarios im Text. Dabei zeigt es aber auch, wenn auch nicht immer eindeutig, den Satzgliedwert der Szenariorealisierung an. Es ist also vor allem ein ZeigfeldElement, aber gleichzeitig auch ein grammatisches Kohäsionsmittel, d.  h., ein Operationsfeld-Element.235 (2) Das phorische Zeichen (Wort oder Wortbestandteil) ist ein grammatischer Operator, der auf ein vorangehend oder nachfolgend realisiertes Szenario kategorial Bezug nimmt, um den Leser (oder den Hörer) semantisch zu orientieren, um ihn grammatisch gewissermaßen bei der semantischen Stange zu halten. Das phorische Zeichen ist eine Art grammatischer Spur des Szenarios. Es ist ein Operations­ feld-Element. Gemeinsam ist dem deiktischen und dem phorischen Zeichen also, dass beides den Satzgliedwert der Szenariorealisierung anzeigt. Szenariobezogene Verweise/Bezüge und Nichtverweise-/bezüge setzen prototypischerweise mindestens zwei einfache grammatische Sätze voraus. Nennen wir sie S1 und S2. Recycling bedeutet, dass S2 in die Struktur von S1 (mehr oder weniger stark) integriert wird. Das Ergebnis ist ein komplexer grammatischer Satz (= Satzgefüge). Nennen wir diesen S3. An einem Beispiel verdeutlicht: nichtrecycelt (‚vor dem Recycling‘): Nichtverweis/Nichtbezug: [Du hast gewonnen.]S2 [Ich freue mich.]S1 Verweis/Bezug: [Du hast gewonnen.]S2 [Ich freue mich darüber.]S1

235 Ich benutze den Terminus ‚Operationsfeld‘ von Hoffmann (2013: 40) für das Ehlich’sche ‚operative Feld‘, weil auf diese Weise alle Felderbezeichnungen Komposita sind und sich bequem koordinieren lassen: Zeig-, Symbol- und Operationsfeld.

Recycling

590 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

recycelt (‚nach dem Recycling‘): Nichtverweis/Nichtbezug: [Ich freue mich, dass du gewonnen hast.]S3 Verweis/Bezug: [Ich freue mich darüber, dass du gewonnen hast.]S3

grammatischer Status: Arbeits­ schritte

Recycling allgemein

Vorsichtshalber sollte vielleicht auch hier betont werden, dass Recycling kein Transformationsprozess ist. Ein Textproduzent produziert unmittelbar eine recycelte oder eben eine nichtrecycelte Struktur. Die nichtrecycelte Textstruktur stellt lediglich den theoretischen Bezugspunkt für das Modellieren der recycelten Textstruktur dar. Die theoretische Legitimation für diesen Vergleich ist, dass nichtrecycelte und recycelte Strukturen in Texten in der Regel alternative Realisierungsmöglichkeiten für die Textproduzenten darstellen. In dieser Hinsicht sind sie durchaus vergleichbar mit mehr oder weniger alternativ realisierbaren Kategorien wie Aktiv und Passiv. Wie ändert sich nun der grammatische Status von S1, S2 und des (deiktischen oder phorischen) Operators (im Beispiel: darüber) durch das Recycling? Wie nähern uns diesem Problem in drei Schritten: Zuerst wird Recycling allgemein eingeordnet. Anschließend sollen entsprechend der obigen Verweis-Systematik die Unterschiede zwischen deiktischem Verweis, phorischem Bezug und Nichtverweis/bezug genauer herausgearbeitet werden. Schließlich soll zu dem grammatischen Status von Korrelatverbindungen Stellung bezogen werden. Dieser letzte Schritt ist allerdings recht komplex und besteht aus mehreren Teilschritten, denn er macht grundsätzliche Überlegungen über die ‚Feldernatur‘ von Satzgliedern (im Bühler/ Ehlich’schen Sinne) notwendig. (1) Obligatorisch beteiligt am Recycling ist S2. S2 stellt vor dem Recycling ein Makroglied dar. Unklar ist sein grammatischer Wert nach dem Recycling (= in S3). Klar sind die möglichen Realisierungsformen: Nebensatz, Infinitivkonstruktion oder abhängiger ‚Hauptsatz‘. (2) Klar ist des Weiteren, dass das Prädikat von S2 das sekundäre Prädikat (= Prädikat zweiten Grades) und die Satzglieder von S2 die sekundären Satzglieder von S3 sind. M. a. W., der recycelte S2 stellt keine Wortgruppe dar, denn seine Glieder sind keine Wortgruppenglieder (Kap. IV/1.2), sondern herabgestufte Satzglieder (Kap. III/1.6). (3) Nicht beteiligt am Recycling ist der Hauptsatzrest von S1. Unter einem „Hauptsatzrest“ verstehe ich mit Boszák (2009: 89) einen Hauptsatz ohne Korrelat.236 (4) Die entscheidende theoretische Frage ist, ob sich der Operator, wenn vorhanden, am Recycling beteiligt. Wenn ja, stellt sich die Frage, als was der Operator, der in

236 Der Hauptsatzrest ist nicht zu verwechseln mit dem „Hauptsatzfragment“ der IDS-Grammatik (1997/3: 2238  f.). Hauptsatzfragmente sind „nicht-selbständige Reste des obersten Obersatzes“ (IDSGrammatik 1997/3: 2238).



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 591

S1 ein Mesoglied ist, recycelt wird: Welchen grammatischen Wert bekommt das Korrelat in S3 zugewiesen? Von dem grammatischen Status des Korrelats hängt der grammatische Wert des recycelten S2 in S3 ab. Was gilt also als theoretisch gesichert? (1) Das Prädikat von S1 stellt sowohl vor als auch nach dem Recycling das Hauptprädikat dar. (2) Die Satzglieder des Hauptsatzrestes behalten in S3 ebenfalls denselben Satzgliedwert, den sie in S1 hatten. (3) Die Satzglieder von S2 werden in S3 auf jeden Fall herabgestuft (recycelt). (4) Da dieselbe Valenzstelle desselben Valenzträgers in demselben Satz nur einmal besetzt werden kann, kann es in S3 maximal nur so viele Satzglieder geben wie in dem S1 mit Verweis/Bezug. (5) Da Recycling keine Valenzreduktion bewirken kann, kann es in S3 nicht weniger Satzglieder geben als in S1. (6) Wenn kein Operator vorhanden ist (= Nichtverweis/-bezug), wird nur S2 recycelt. Somit wird in S3 die in S1 durch den Operator nicht besetzte Valenzstelle des Hauptprädikats ausschließlich durch den recycelten S2 besetzt. Ich spreche hier von einer nackten (= korrelatlosen) Szenariorealisierung. Der recycelte S2 bekommt in S3 logischerweise (= qua unveränderter Valenzpotenz des Hauptprädikats) denselben paradigmatischen Satzgliedwert zugewiesen, den der Operator in S1 gehabt hätte. Die Frage, die bleibt, ist also, ob im Falle einer Korrelatverbindung Korrelat und recycelter S2 beide auf die Valenzstelle des Operators in S1 zugreifen oder nur eins von beiden bzw. wie die grammatische Relation zwischen Korrelat und recyceltem S2 generell zu beschreiben ist. Bevor wir uns Gedanken über diese Frage machen, sollten wir uns jedoch Recycling im Detail, an zwei Belegen von oben mit jeweils drei Wortstellungsvarianten, anschauen.237 Terminologisch möchte ich dabei zwischen freiem und gebundenem Verweis/Bezug bzw. Nichtverweis/Nichtbezug unterscheiden: frei vor und gebunden nach dem Recycling.238 Im Folgenden geht es also um gebundene Deixis und Phorik bzw. um gebundenen Nichtverweis/Nichtbezug.

237 Ich beschränke mich auf die empirisch wichtigsten und theoretisch relevanten Wortstellungs­ varianten. Ausführlich beschrieben wird die Topologie von Korrelatverbindungen in der IDS-Grammatik (1997/2: 1476  ff.). 238 Dies geschieht in Anlehnung an Dániel Czicza (2014: 66  ff.), der im Zusammenhang mit dem Korrelat es von „gebundener es-Phorik“ spricht.

Zwischenfazit

Recycling im Detail

592 

Recycling: gebundene Deixis

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

(1) Katadeixis, Korrelatverbindung postverbal (= Korrelat im Mittelfeld, recycelter S2 im Nachfeld von S3): (259a1) Alle erzählten (Akkusativobjekt- dAs korrelat) , (Akkusativobjekt- dass Conny hervorragend kochen kann nebensatz). (262a1) Jefferson bedankte sich (Präpositionalobjekt- dAfür korrelat) , (Präpositionalobjekt- dass Humboldt mit genau gesetzten Kreuzen die Standorte der wichtigsten Garnisonen markierte nebensatz). (2) Katadeixis, Korrelatverbindung präverbal (= Korrelatverbindung im Vorfeld von S3): DAs korrelat) , (Akkusativobjekt- dass Conny hervorragend kochen kann , erzählten alle. nebensatz) (262a2) (Präpositionalobjekt- DAfür korrelat) , (Präpositionalobjekt- dass Humboldt mit genau gesetzten Kreuzen die Standorte der wichtigsten Garnisonen markierte nebensatz), bedankte Jefferson sich.

(259a2)

(Akkusativobjekt-

(3) Anadeixis, Korrelatverbindung präverbal (recycelter S2 am linken Satzrand, Korrelat im Vorfeld von S3): (259a3)

Dass Conny hervorragend kochen kann nebensatz),  (Akkusativobjekt- dAs , erzählten alle. korrelat) (262a3) (Präpositionalobjekt- Dass Humboldt mit genau gesetzten Kreuzen die Standorte der wichtigsten Garnisonen markierte nebensatz),  (Präpositionalobjekt- dAfür korrelat), bedankte Jefferson sich.

Recycling: gebundene Phorik

(Akkusativobjekt-

(1) Kataphorik, Korrelatverbindung postverbal (= Korrelat im Mittelfeld, recycelter S2 im Nachfeld von S3): (259b1) Alle erzählten (Akkusativobjekt- es korrelat) ⇒, (Akkusativobjekt- dass Conny hervorragend kochen kann nebensatz). (262b1) Jefferson bedankte sich (Präpositionalobjekt- dafÜr korrelat) ⇒, (Präpositionalobjekt- dass Humboldt mit genau gesetzten Kreuzen die Standorte der wichtigsten Garnisonen markierte nebensatz). (2) Kataphorik, Korrelatverbindung präverbal (= Korrelatverbindung im Vorfeld von S3): (259b2) *(Akkusativobjekt- Es korrelat) ⇒, (Akkusativobjekt- dass Conny hervorragend kochen kann , erzählten alle. nebensatz) (262b2) *(Präpositionalobjekt- DafÜr korrelat) ⇒, (Präpositionalobjekt- dass Humboldt mit genau gesetzten Kreuzen die Standorte der wichtigsten Garnisonen markierte nebensatz), bedankte Jefferson sich.



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 593

(3) Anaphorik, Korrelatverbindung präverbal (recycelter S2 am linken Satzrand, Korrelat im Vorfeld von S3): (259b3) *(Akkusativobjekt- Dass Conny hervorragend kochen kann nebensatz), ⇐ (Akkusativobjekt- es , erzählten alle. korrelat) (262b3) *(Präpositionalobjekt- Dass Humboldt mit genau gesetzten Kreuzen die Standorte der wichtigsten Garnisonen markierte nebensatz), ⇐ (Präpositionalobjekt- dafÜr korrelat), bedankte Jefferson sich. (1) recycelter S2 postverbal (im Nachfeld von S3): (259c1) Alle erzählten, (Akkusativobjekt- dass Conny hervorragend kochen kann nebensatz). (262c1) Jefferson bedankte sich, (Präpositionalobjekt- dass Humboldt mit genau gesetzten Kreuzen die Standorte der wichtigsten Garnisonen markierte nebensatz).

Recycling: gebundener Nichtverweis/ Nichtbezug

(2–3) recycelter S2 präverbal (im Vorfeld von S3):239 (259c2–3) (Akkusativobjekt- Dass Conny hervorragend kochen kann nebensatz), erzählten alle. (262c2–3) *(Präpositionalobjekt- Dass Humboldt mit genau gesetzten Kreuzen die Standorte der wichtigsten Garnisonen markierte nebensatz), bedankte Jefferson sich.240 Welche Unterschiede lassen sich nun zwischen (gebundenem) deiktischem Verweis, phorischem Bezug und Nichtverweis/Nichtbezug feststellen? (1) Wenn der recycelte S2 topikalisiert oder an den linken Satzrand von S3 versetzt ist (Wortstellungsvarianten 2 und 3), ist er fokussiert, d.  h. informationsstrukturell hervorgehoben. Auf Fokussiertes wird gezeigt (deiktischer Verweis) oder nicht gezeigt (kein Verweis), Fokussiertes lässt sich jedoch nicht einfach kategorial anzeigen (kein phorischer Bezug). (2) Wenn dagegen der recycelte S2 im Nachfeld von S3 steht, ist er in der Regel nicht fokussiert, bleibt informationsstrukturell im Hintergrund. Hier reicht eine kategoriale Anzeige, also es oder Zweitsilbenbetonung bei Mikro-Präpositionalgruppen. Zur Fokussierung im Nachfeld bedarf es der jeweils komplementären Technik: das oder Erstsilbenbetonung bei Mikro-Präpositionalgruppen. Als Zwischenfazit können wir demnach festhalten: Gebundene deiktische Operatoren sind Fokuskorrelate, gebundene phorische Operatoren dagegen Hintergrundkorrelate.

239 Mangels Korrelat fallen hier die Wortstellungsvarianten 2 und 3 zusammen. 240 Der Typus kann angesichts der sonst korrekten Korrelatlosigkeit nicht deshalb ungrammatisch sein, weil recyceltes Juxtaponieren an und für sich ungrammatisch wäre, sondern weil bei einem präverbal recycelten S2 die erwarteten Standardsatzgliedwerte ‚Subjekt‘ und ‚Akkusativobjekt‘ sind. Ein sehr spezifischer präverbaler Wert wie ‚Präpositionalfür+AKK-objekt‘ ist ohne Korrelat offensichtlich nur schwer zuzuweisen. Genauer s. weiter unten.

Fokus- vs. Hintergrundkorrelate

594 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

grammatischer Status von Korrelatverbindungen

Beim Recycling können also insgesamt drei grammatische Konstellationen bezüglich der möglichen Besetzung der fraglichen Valenzstelle des Hauptprädikats zustande kommen: (1) nackte Szenariorealisierung: recycelter S2 alleine, (2) Fokuskorrelatverbindung: recycelter S2 + Fokuskorrelat, (3) Hintergrundkorrelatverbindung: recycelter S2 + Hintergrundkorrelat.

nackte Szenario­ realisierung

Die nackte Szenariorealisierung ist der theoretisch unproblematische Fall: Wie oben erwähnt, stellt sie ein recyceltes Mesoglied dar und bekommt denselben paradigmatischen Satzgliedwert zugewiesen, den der Operator in S1 gehabt hätte. Was die Fokuskorrelatverbindung anbelangt, ist es aus einer ‚von unten nach oben‘-Perspektive gewiß die beste Lösung, das Fokuskorrelat als grammatisches bzw. semantisches Zentrum (= Kopf bzw. Kern) einer Substantivgruppe und den recycelten S2 als Attribut in derselben Wortgruppe aufzufassen (Eisenberg 2006/2: 330).241 Doch der Vergleich mit der nackten Szenariorealisierung einerseits ((259c2–3)) und mit attributiv erweiterten zweifelsfreien Substantivgruppen andererseits ((259a2) bis (259a2’’’)) legt nahe, dass das Fokuskorrelat höchstens der Kopf sein könnte:

Fokus­ korrelat­ verbindung

(259) (c2–3) Dass Conny hervorragend kochen kann, erzählten alle. (a2) DAs , dass Conny hervorragend kochen kann, erzählten alle. (a2’) Den Unsinn , dass Conny hervorragend kochen kann, erzählten alle. (a2’’) Den Unsinn, den Wanda erzählt hat , dass Conny hervorragend kochen kann, erzählten alle. (a2’’’) Den Unsinn, den Wanda erzählt hat, die auf Conny sauer war , dass Conny hervorragend kochen kann, erzählten alle.

Probleme mit Kopf/Kern

Die Szenariorealisierung wird immer weiter herabgestuft: Wenn das Fokuskorrelat direkt auf die Szenariorealisierung zeigt, wäre es eine Art ‚Kopf‘ und die Szenariorealisierung eine Art ‚Kern‘ ((259a2)). Wenn die Szenariorealisierung an einen zweifelsfreien Kopf (Artikel) und einen zweifelsfreien Kern (Substantiv) einer Substantivgruppe angeschlossen wird, wird der recycelte S2 weiter recycelt, er wird zum Attribut ((259a2’)). Das Attribut kann dann selber weiter recycelt werden: Attribute zweiten, dritten usw. Grades ((259a2’’)und (259a2’’’)). Die Auffassung, dass das Fokuskorrelat eine Art ‚Kopf‘ und die Szenariorealisierung eine Art ‚Kern‘ wäre, dürfte jedoch selbst aus aszendenter Sicht problematisch sein. Denn erstens sind Kopf und Kern von zweifelsfreien Substantivgruppen posi­ tions­fest. Sie können nicht einmal linksperipher ((259a2)), ein andermal rechtsperipher ((259a3)) sein:

241 ‚Kopf‘, ‚Kern‘ und ‚Attribut‘ sind nach meiner Auffassung die drei (genuinen) Wortgruppenglieder, Kap. IV/1.2 und Kap. I/2.4.



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 595

(259) (a2) DAs , dass Conny hervorragend kochen kann, erzählten alle. (a3) Dass Conny hervorragend kochen kann,  dAs erzählten alle. Zweitens kann in zweifelsfreien Substantivgruppen der Kopf nicht eliminiert und durch den Kern ersetzt werden. So etwas gibt es nur als ‚Schlagzeilenstil‘ und nicht als strukturellen Normalfall: (258) Der Feldwebel in der Kaserne von N. N. prüfte jeden Tag die Stube. (i) Feldwebel in der Kaserne von N. N. prüfte jeden Tag die Stube. (ii) Das grammatische Verhältnis von (259a2) zu (259c2–3) ist ganz anders als das von (258i) zu (258ii). Hier geht es nicht um ‚strukturellen Normalfall vs. Schlagzeilenstil‘, sondern um ‚strukturellen Normalfall A vs. strukturellen Normalfall B‘: (259) (a2) DAs , dass Conny hervorragend kochen kann, erzählten alle. (c2–3) Dass Conny hervorragend kochen kann, erzählten alle. Drittens und letztens lässt sich keine Hierarchie/Abhängigkeit zwischen dem designierten ‚Kopf‘ und dem designierten ‚Kern‘ feststellen, denn alle drei denkbaren Realisierungsvarianten sind auch möglich: (259) [nur ‚Kopf‘] (a) Conny kann hervorragend kochen, das erzählten alle. (Timm Sommer: 107) [nur ‚Kern‘] (c2–3) Dass Conny hervorragend kochen kann, erzählten alle. (a2) Das, dass Conny hervorragend kochen kann, erzählten alle. [‚Kopf‘ + ‚Kern‘] Aus der deszendenten Sicht der Grammatischen Textanalyse stellen solche Probleme grundsätzlicher Art mit phrasenstrukturellen Analysen eine Bestätigung dafür dar, dass recycelte Realisierungsformen von Satzgliedern nicht mit demselben theoretischen Instrumentarium zu beschreiben sind wie genuine. ‚Kopf‘ und ‚Kern‘ sind zentrale Beschreibungskonzepte für Wortgruppen als genuine Realisierungsformen von Satzgliedern. Sie sind jedoch ungeeignet, recycelte S2 theoretisch zu erfassen (Kap. IV/1.2). Der Sinn des Recyclings ist es, S2 in der grammatischen Struktur genau dort unter­ zubringen, wo er genau die semantische Struktur indizieren kann, die der Textproduzent intendiert hat. Da wir nicht in die Köpfe von Textproduzenten schauen können, sollten wir es lieber mit einer grammatischen Probe versuchen. Die Intention des Textproduzenten bezüglich der Besetzung der fraglichen Valenzstelle lässt sich am besten mit Hilfe der Frageprobe nachvollziehen (A = Antwort):

Recycling ohne Kopf/ Kern

Der Sinn des Recyclings

596 

Frageprobe

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

(1) nackte Szenariorealisierung: (259c2–3) Dass Conny hervorragend kochen kann, erzählten alle. »Was erzählten alle?« A: Dass Conny hervorragend kochen kann. (2) Fokuskorrelatverbindung: (259a2) DAs , dass Conny hervorragend kochen kann, erzählten alle. »Was erzählten alle?« A1: DAs , dass Conny hervorragend kochen kann. A2: ??Das. evtl. Rückfrage: *»Welches das?« »Dass Conny hervorragend kochen kann.« A3: Dass Conny hervorragend kochen kann. (3) Substantivgruppe (den Unsinn) + Szenariorealisierung: (259a2’) Den Unsinn , dass Conny hervorragend kochen kann, erzählten alle. »Was erzählten alle?« A1: Den Unsinn , dass Conny hervorragend kochen kann. A2: Den Unsinn. evtl. Rückfrage: »Welchen Unsinn?« »Dass Conny hervorragend kochen kann.« A3: ??Dass Conny hervorragend kochen kann.

Ein-Feld- und Kombi-Satzglieder

Zeigfeld-, Symbolfeldund KombiSatzglied

Die Testergebnisse sprechen dafür, dass die Fokuskorrelatverbindung eine Art – eben fokussierte  – Variante der nackten Szenariorealisierung darstellt, d.  h., dass sie als Ganzes die Valenzstelle besetzt. Heißt das aber auch, dass sowohl deiktischer Operator als auch S2 recycelte Glieder sind? Nein, recycelt wird nur S2, und das aus gutem Grund. Denn je nach Felderzugehörigkeit (im Bühler/Ehlich’schen Sinne) lassen sich Ein-Feld-Satzglieder, die nur einem Feld, und Kombi-Satzglieder, die zwei oder mehreren Feldern zuzuordnen sind, unterscheiden. Betrachten wir hierzu – unabhängig von der Korrelatproblematik – die folgenden Lokaladverbial-Varianten: (178) (i) (ii) (iii)

Vor dem Amtsgericht in Birglar Lokaladverbial) fand im Frühherbst des vorigen Jahres eine Verhandlung statt […]. (Böll Dienstfahrt: 5) Der Sitz des Amtsgerichts ist in Birglar.  (Zeigfeld- Dort Lokaladverbial) fand im Frühherbst des vorigen Jahres eine Verhandlung statt […]. Unsere Geschichte spielt in Birglar.  (Kombi- Dort vor dem Amtsgericht Lokaladverbial) fand im Frühherbst des vorigen Jahres eine Verhandlung statt […]. (Symbolfeld-

Entscheidend ist, dass dieselbe Satzgliedstelle sowohl von einem Symbolfeld-Satzglied als auch von einem Zeigfeld-Satzglied und auch von einem (Zeigfeld-Symbolfeld-)Kombi-Satzglied besetzt werden kann.



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 597

Kehren wir nun zurück zu den Ergebnissen der Frageprobe. Recycelt wird S2 in allen drei Fällen (nr = nichtrecycelt, r = recycelt):

Recycling und Felder­ integration

(1) nackte Szenariorealisierung: (259nr1) [Alle erzählten.]S1 [Conny kann hervorragend kochen,]S2 (259r1) (Akkusativ- (Symbol- Dass Conny hervorragend kochen kann feld) objekt), erzählten alle. (2) Fokuskorrelatverbindung: (259nr2) [Conny kann hervorragend kochen,]S2  [(Akkusativ- (Zeig- dAs feld) objekt) erzählten alle.]S1 (259r2) (Akkusativ- (Zeig- DAs feld), (Symbol- dass Conny hervorragend kochen kann feld) objekt), erzählten alle. (3) Substantivgruppe (den Unsinn) + Szenariorealisierung: (259nr3) [Conny kann hervorragend kochen.]S2  [(Akkusativ- (Zeig- Den feld) (Symbol- Unsinn feld) erzählten alle.]S1 objekt) (259r3) (Akkusativ- (Zeig- Den feld) (Symbol- Unsinn, (sekundäres dass Conny hervorragend kochen kann Symbolfeld) feld) objekt), erzählten alle. (1) Im Falle der nackten Szenariorealisierung wird S2 zum Symbolfeld-Akkusativobjekt (Mesoglied) recycelt. (2) Im Falle der Fokuskorrelatverbindung wird S2 ebenfalls zum Symbolfeld-Akkusativobjekt recycelt. Das Zeigfeld-Akkusativobjekt, der deiktische Operator in S1, wird nicht recycelt, sondern als ‚Zeigfeld-Schicht‘ der Satzgliedrealisierung in das Symbolfeld-Akkusativobjekt integriert: Qua Recycling und Felderintegration entsteht ein (Zeigfeld-Symbolfeld-)Kombi-Satzglied. (3) Im Falle der Kombination einer Substantivgruppe (den Unsinn) mit der Szenariorealisierung gibt es bereits ein (Zeigfeld-Symbolfeld-)Kombi-Satzglied: die Substantivgruppe den Unsinn. Da sich dasselbe Feld desselben Satzgliedes nicht zweimal besetzen lässt, wird S2 nicht zu einem Symbolfeld-Mesoglied, sondern zu einem Symbolfeld-Mikroglied  – in (259r3) als sekundäres Symbolfeld indiziert – recycelt. Der recycelte S2 wird also zum Attribut innerhalb der Substantivgruppe, die Akkusativobjekt ist. Dass der deiktische Operator nicht recycelt wird, dafür sprechen gesprochensprachliche Verwendungen von das, bei denen derselbe Operator anadeiktisch als selbstständiges Zeigfeld-Satzglied und katadeiktisch als Fokuskorrelat, d.  h. als Teil eines Kombi-Satzgliedes, funktioniert. Ich nenne einen solchen nach beiden Seiten hin offenen Operator ein Fokuskorrelat-Apokoinu:242

242 Ildikó Hegedűs (2007: 260) spricht hier von „Korrelate(n) in Mittelposition“. Unter Apokoinu­

Fokus­ korrelatApokoinu

598 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

(264a) […] ich will auch gar nicht da drin leben, ich könnte mir  (Akkusativ- das objekt(korrelat))  niemals vorstellen, (Akkusativobjekt- in so einer Wohnung zu leben infinitiv). (Nachmittagstalkshow Bärbel, 28. 03. 2002, zit. n. Hegedűs 2007: 260)243 Variante des Fokus­ korrelats

Bevor wir (kurz) auf die Hintergrundkorrelatverbindung eingehen, soll noch auf folgende Stelle im Leittext aufmerksam gemacht werden: [29]



Hintergrund­ korrelat­­ verbindung

Operations­ feld-, Symbolfeldund KombiSatzglied

teilen [(nominales wir Subjekt)] nur (Akkusativobjekts- so viel korrelat) mit, (Akkusativobjekt- dass der Professor Volkshochschulvorträge hält  – natürlich zum Thema Sturm und Drang – und Hannes in kürzester Zeit ein vollständiges Heimatmuseum einrichtet und auch eröffnet nebensatz). teilen [(nominales wir Subjekt)] nur (Akkusativobjekts- das korrelat) mit, (Akkusativobjekt- dass […].

Wie die Ersatzprobe zeigt, lässt sich hier der Ausdruck so viel als lexikalische Variante des Fokuskorrelats das auffassen. Wenn das Fokuskorrelat-Apokoinu in (264a) durch das Hintergrundkorrelat es ersetzt wird, wird die Apokoinukonstruktion aufgelöst: (264b) […] ich will auch gar nicht da drin leben, ich könnte (Akkusativobjekt- es korrelat) ⇒ mir niemals vorstellen, (Akkusativobjekt- in so einer Wohnung zu leben infinitiv). Wir erhalten den oben beschriebenen Standardfall gebundener Phorik: Kataphorik, Korrelatverbindung postverbal (= Korrelat im Mittelfeld, recycelter S2 im Nachfeld von S3). Dies muss im Einklang mit der Forschung so interpretiert werden, dass Hintergrundkorrelate tatsächlich nur strukturelle Platzhalter sind. Entsprechend sind, wie aus der obigen Gegenüberstellung von gebundener Deixis und Phorik ersichtlich, auch die positionsbedingten Verwendungsmöglichkeiten von Hintergrundkorrelatverbindungen wesentlich restringierter als die von Fokuskorrelatverbindungen. Wenn das Hintergrundkorrelat fakultativ ist, ist es dem recycelten S2 untergeordnet. Das Konzept des dem recycelten S2 untergeordneten strukturellen Platzhalters ist im vorliegenden theoretischen Rahmen so zu interpretieren, dass im Falle der Hintergrundkorrelatverbindung nicht nur S2, sondern auch der phorische Operator recycelt wird. Der Schritt von der freien zur gebundenen Phorik bedeutet, dass ein Mesoglied des Operationsfeldes zu einem Mikroglied des Operationsfeldes herabgestuft und in den als Mesoglied recycelten Symbolfeld-S2 integriert wird. Die Hintergrundkorrelatverbindung stellt demnach qua doppeltem Recycling ein (Operationsfeld-Symbolfeld-) Kombi-Satzglied dar.

konstruktionen versteht man dreiteilige Strukturen A-B-C, bei denen B eine sprachliche Einheit ist, die den sprachlichen Einheiten A und C gemeinsam ist, z.  B. (A:) des war (B:) die rOcky hOrror PICture show (C:) war des (Schwitalla 2012: 128). Ein Fokuskorrelat-Apokoinu ist natürlich kein prototypisches Apokoinu, da der deiktische Operator nur Teil von B (das […], in so einer Wohnung zu leben) ist. Auf A (ich will auch gar nicht da drin leben) zeigt er nur. Zu Apokoinu Kap. II/2.7. 243 Im Original mit GAT-Transkript, hier vereinfacht.



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 599

Bisher standen die Subjekt/Akkusativobjekt-Korrelate das und es im Fokus der Betrachtung. Zusammenfassend sollen diese Nominalkorrelate genannt werden. Oben wurde darauf hingewiesen, dass der lexikalischen und prosodischen Komplementarität von dAs/es bei den Mikro-Präpositionalgruppen dAfür/dafÜr usw. wortprosodische Komplementarität entspricht: bei Deixis Äußerungsakzent auf der ersten Silbe, bei Phorik auf der zweiten. Aus diesem Befund könnte man schließen, dass sich der theoretische Status der Präpositionalkorrelate, wie ich die Präpositionalobjekt-Korrelate dAfür/dafÜr usw. kurz nennen möchte, mit dem der Nominalkorrelate identisch sei. Solange man die Frage nach dem theoretischen Status auf Recycling und Felderintegration einschränkt, stimmt diese Identität auch tatsächlich: Gemäß der genannten analogen Komplementarität sind nämlich auch hier Fokuskorrelate (dAfür usw.) vs. Hintergrundkorrelate (dafÜr usw.) – mit denselben Recycling- und Feldermerkmalen wie bei den Nominalkorrelaten – zu unterscheiden (zusammenfassend Abb. 13 und 14). Doch es gibt auch einen sehr bedeutsamen Unterschied. Vergleichen wir die folgenden Belege (alle Belege zit. n. Boszák 2009: 150, 153 und 188  f.): Nominalkorrelat: (265) Dieser Würdeanspruch verbietet (Akkusativobjekt- es korrelat), (Akkusativobjekt- dass ein Mensch ungefragt instrumentalisiert wird […] nebensatz). (St. Galler Tagblatt, 10. 09. 1999) (266) Ihr wisst (Akkusativobjekt- es korrelat), und ich weiß (Akkusativobjekt- es korrelat) ebensogut, (Akkudass ich sterben muss […] nebensatz). sativobjekt (Vorarlberger Nachrichten, 27. 05. 2000) Präpositionalkorrelat: (267) Er arbeitet (Präpositionalobjekt- daran korrelat), (Präpositionalobjekt- dass er es im Laufe der Saison doch noch schafft nebensatz). (St. Galler Tagblatt, 09. 12. 1998) (268) Ein anderer Gast erinnert sich (Präpositionalobjekt- daran korrelat), (Präpositionalobjekt- wie er vor dreissig Jahren […] das erste Mal ins Café Altstadt gekommen war nebensatz). (St. Galler Tagblatt, 27. 09. 1999) Die Korrelate es und daran sind in (265) und (267) obligatorisch, in (266) und (268) dagegen fakultativ. Doch diese Feststellung ist theoretisch ziemlich nichtssagend. Wenn man nämlich das jeweils obligatorische Korrelat nicht setzt, kommt man zu ganz anderen Sorten von ungrammatischen Sätzen: (265a) *Dieser Würdeanspruch verbietet, (Akkusativobjekt- dass ein Mensch ungefragt instru­mentalisiert wird […] nebensatz). (267a) *Er arbeitet, (Präpositionalobjekt- dass er es im Laufe der Saison doch noch schafft . nebensatz)

Nominal- vs. Präpositional­ korrelat

differenzierende Ausdrucks­ bildung

600 

Wort- vs. Ausdrucks­ valenzträger

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

(265a) ist aus rein grammatischen Gründen ungrammatisch: weil eben das Korrelat obligatorisch zu setzen ist. Ein besonderer (valenz)theoretischer Grund liegt nicht vor. (267a) ist dagegen deshalb ungrammatisch, weil arbeiten ein anderer Grundvalenzträger ist als arbeiten anDAT. Wie im Kap. III/3.1.4 dargelegt, trägt hier das Präpositionalan+DAT-objekt zur differenzierenden Ausdrucksbildung bei. Zu unterscheiden sind also der einwertige Wortvalenzträger arbeiten und der zweiwertige Ausdrucksvalenzträger arbeiten anDAT. Die Fakultativität von daran bei sich erinnern mag demnach damit zusammenhängen, dass das Korrelat hier zu keiner differenzierenden Ausdrucksbildung beiträgt, d.  h., der Grundvalenzträger ist mit und ohne Korrelat identisch und identifizierbar: Es handelt sich also um einen Wortvalenzträger.244 Der Unterschied lässt sich mit Hilfe der Funktion-Argument-Wert-Formel wie folgt darstellen: Wortvalenzträger sich erinnern (dass-Nebensatz) = (Korrelatdaran) + Präpositionalobjektnebensatz Ausdrucksvalenzträger arbeiten anDAT (dass-Nebensatz) = Korrelatdaran + Präpositionalobjektnebensatz

paradigmatischer und syntagmatischer Satzgliedwert

Das Prinzip der differenzierenden Ausdrucksbildung lässt sich auf alle Korrelatverbindungen anwenden. Korrelatverbindungen als Ausdrücke tragen nämlich mit dazu bei, paradigmatisch offene Satzgliedwerte zu schließen. Betrachten wir den folgenden, paradigmatisch noch offenen Nebensatz: [29]

[…] dass der Professor Volkshochschulvorträge hält  – natürlich zum Thema Sturm und Drang  – und Hannes in kürzester Zeit ein vollständiges Heimat­ museum einrichtet und auch eröffnet.

Paradigmatische Offenheit bedeutet, dass es eine Diskrepanz zwischen syntagmatisch erschließbarem und paradigmatischem Satzgliedwert (Kap. I/2.4.4 und Kap. III/3.1.2) gibt. Die paradigmatische Offenheit des Nebensatzes in [29] bedeutet im Sinne der Funktion-Argument-Wert-Formel Folgendes:245 kein Korrelat (dass-Nebensatz) = Subjekt-/Akkusativobjekt / 16 Präpositionalobjekte Ohne Korrelat könnte also der Nebensatz theoretisch 18 verschiedene paradigmatische Satzgliedwerte haben: Subjekt, Akkusativobjekt und 16 verschiedene Präposi­ tio­nalobjekte (Kap. III/1.4.1).

244 Damit soll natürlich nicht behauptet werden, dass differenzierende Ausdrucksbildung der empirisch einzig relevante Faktor für Verben und Kontexte wäre, die „korrelatfördernd“, „korrelatfreundlich“, und „korrelatfeindlich“ (Boszák 2009: 197) sind. Es ist aber sicherlich der theoretisch relevanteste Faktor, wenn man Nominal- und Präpositionalkorrelate vergleicht. Zu weiteren empirisch relevanten Faktoren s. IDS-Grammatik 1997/2: 1483  ff. und Boszák 2009: 83  ff. 245 Von möglichen, aber marginalen adverbialen dass-Nebensätzen und vom Genitivobjekt wird abgesehen.



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 601

Die paradigmatische Offenheit lässt sich einengen oder gar schließen, wenn das Korrelat realisiert wird (in Klammern fakultative Realisierungen): [29’] Mich freut ((Subjekt- es korrelat)), (Subjekt- dass der Professor Volkshochschulvorträge hält – natürlich zum Thema Sturm und Drang – und Hannes in kürzester Zeit ein vollständiges Heimatmuseum einrichtet und auch eröffnet nebensatz). [29’’] Sie wissen (Akkusativobjekt- es korrelat), (Akkusativ- dass der Professor Volkshochschulvorträge hält – natürlich zum Thema Sturm und Drang – und Hannes in kürzester Zeit ein vollständiges Heimatmuseum einrichtet und auch eröffnet objekt). [29’’’] Sie erinnern sich ((Präpositionalobjekt- daran korrelat)), / Sie freuen sich ((Präpositionalobjekt- darüber/darauf korrelat)), / Sie sehnen sich ((Präpositionalobjekt- danach korrelat)), / Sie fürchten sich ((Präpositionalobjekt- davor korrelat)), / Sie befassen sich (Präpositionalobjekt- damit korrelat), / Sie bestehen (Präpositionalobjekt- darauf korrelat), / Sie leiden (Präpositionalobjekt- daran korrelat), / … dass der Professor Volkshochschulvorträge hält  – natürlich zum (PräpositionalThema Sturm und Drang – und Hannes in kürzester Zeit ein vollständiges Heimatmuseum einrichtet und auch eröffnet objekt). Eingeengt wird die paradigmatische Offenheit einerseits beim Nominalkorrelat, dem Subjekt- oder Akkusativobjektkorrelat, andererseits bei Präpositionalkorrelaten mit einer Wechselpräposition (z.  B. aufAKK/DAT).246 Geschlossen wird sie bei Präpositionalkorrelaten mit einer Einkasuspräposition: Nominalkorrelat (dass-Nebensatz) = Subjekt-/Akkusativobjekt Präpositionalkorrelat darauf (dass-Nebensatz) = Präpositionalauf+AKK/DAT-objekt Präpositionalkorrelat damit (dass-Nebensatz) = Präpositionalmit+DAT-objekt … Da Präpositionalkorrelate spezifischer sind als die Nominalkorrelate das/es, tragen sie stärker zur paradigmatischen Schließung bei. Dies ist neben der differenzierenden Ausdrucksbildung ein wichtiger Grund, warum Präpositionalkorrelate tendenziell obligatorischer sind als die beiden Nominalkorrelate. Natürlich ist es aber primär die Aufgabe des jeweiligen Valenzträgers, die paradigmatische Offenheit ganz zu schließen.247

246 Den 16 Präpositionalobjekten entsprechen 13 Präpositionalkorrelate, denn im Falle von an, auf und in handelt es sich um Dativ-Akkusativ-Wechselpräpositionen, bei denen die Kasusopposition beim Korrelat neutralisiert ist (daran, darauf, darin). 247 Dass dabei dem Textproduzenten u.  U. ein gewisser Spielraum bleiben kann, wurde im Kap. III/3.1.2 gezeigt.

602 

Adverbial­ korrelat

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Bevor das Fazit aus den theoretischen Überlegungen in tabellarischer Form gezogen wird, soll noch kurz auf den dritten Typus von Korrelaten, auf die Adverbialkorrelate, eingegangen werden. Denn neben Nominal- und Präpositionalkorrelaten gibt es auch Korrelate zu adverbialen Szenariorealisierungen, d.  h. Adverbialkorrelate: (269) […] (Konditional- Hätte ich das Apparätchen nicht zerlegt nebensatz),  (Konditional- so korrelat) hätte mich jener Anruf nicht mehr erreicht […]. (Frisch Homo: 77) (270) […] (Konditional- wenn du keine Lust hast nebensatz),  (Konditional- dann korrelat) laß es lieber. (Timm Sommer: 148) (271) Ich hab mir schließlich eingeredet, daß sie nur (Kausal- darum korrelat)  zu ihrem Freund zurückgegangen sei, (Kausalnebensatz weil sie gemerkt hatte, daß sie mir gleichgültig war zweiten Grades). (Timm Sommer: 158) (272) (Konzessiv- Wenn auch für den Fachmann nichts Ungewohntes zu sehen ist nebensatz), ⇐ (Konzessiv- so korrelat) finde ich die Anlage als solche, bedingt durch den Schiffkörper, doch sehenswert […]. (Frisch Homo: 105)

Adverb- oder Adverbial­ korrelat?

Adverbialkorrelate dürften in der Regel deiktisch sein, doch lässt sich das Konzessivkorrelat so in (272) nur als Operationsfeld-Element werten. Inwiefern sich die Betonung der Adverbialkorrelate einen Fokus- oder einen Hintergrundwert nahelegt, müsste noch untersucht werden.248 Die verwendete Korrelat-Terminologie ist funktional motiviert: So wie im Falle von Nominal- und Präpositionalkorrelaten geht es auch bei Adverbialkorrelaten um mögliche Satzgliedwerte. Dass eine wortartenbezogene Klassifikation unüberwindbare Probleme hätte, zeigt der Fall der sog. Pronominal-/Präpositionaladverbien, die als Mikro-Präpositionalgruppen analysiert wurden (Kap. III/3.1.4, Anm. 125). Zwar ist die überwiegende Mehrheit von Adverbialkorrelaten ein Adverb, doch es gibt auch hier Mikro-Präpositionalgruppen wie die Kausalkorrelate deswegen und darum oder das Finalkorrelat dazu.

248 „Korrelatverbindungen als Supplemente sind weniger klar grammatikalisiert als ihre Entsprechung im Komplementbereich. Sie bieten, was die verwandten Korrelatformen, die Stellungs- und Akzentregularitäten sowie die Frage der Obligatorik anbelangt, ein wenig einheitliches Bild.“ (IDSGrammatik 1997/2: 1490) Im Gegensatz zur IDS-Grammatik (1997/2: 1490  f.) betrachte ich Mikro-Präpositionalgruppen wie dadurch oder dafür in Verbindung mit dass nicht als Korrelate, sondern als Bestandteile von Subjunktorausdrücken (dadurch, dass/dafür, dass).



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 603

Die folgenden beiden Abbildungen resümieren die erarbeitete Satzglied(realisierungs)Systematik nach Feldwerten:

Abb. 13: Feldwerte von Satzgliedrealisierungen I: Mikro-Substantivgruppe und Nebensatz

Abb. 14: Feldwerte von Satzgliedrealisierungen II: Mikro-Präpositionalgruppe und Nebensatz

Fazit I: EinFeld- und Kombi-Satzglieder

604 

Fazit II: KorrelatKlassifikation

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Die folgende Tabelle fasst die vorgeschlagene doppelte funktionale Klassifikation der Korrelate nach den Parametern ‚informationsstruktureller Wert‘ und ‚Satzgliedwert‘ zusammen: Tab. 52: Klassifikation der Korrelate249 informationsstruktureller Wert

(mehr oder weniger offener) Satzgliedwert Nominalkorrelat

Präpositionalkorrelat

Adverbialkorrelat

Fokuskorrelat

dAs

dAfür/-rauf/-ran usw.

Hintergrundkorrelat

es

dafÜr/-rAUf/-rAn usw.

dann, so, deshalb, darum, da usw.

Interpretiert wurden Korrelatverbindungen ausgehend von zwei Makrogliedern S1 (= einfacher grammatischer Satz 1) und S2 (= einfacher grammatischer Satz 2), die (1) deiktisch, (2) phorisch oder (3) nicht verbunden sein können. Wenn S2 als Nebensatz, Infinitivkonstruktion oder als abhängiger ‚Hauptsatz‘ recycelt wird, entsteht ein komplexer grammatischer Satz (= S3) mit dem Prädikat von S1 als Hauptprädikat. Wenn S1 vor dem Recycling keinen (deiktischen oder phorischen) Verweis auf S2 enthält, besetzt S2 nach dem Recycling eine in S1 offene Valenzstelle des Hauptprädikats. Wenn dagegen dieselbe Valenzstelle in S1 vor dem Recycling von einem (deiktischen oder phorischen) Operator besetzt wird, besetzen der (deiktische oder phorische) Operator und der recycelte S2 gemeinsam die Valenzstelle in S3 und bilden eine Korrelatverbindung. Korrelatverbindungen haben, so wie recycelte Strukturen generell, keinen Kopf und keinen Kern. Aus der ‚von oben nach unten‘-Perspektive der Grammatischen Textanalyse stellen sie Satzglieder mit kombinierten Feldwerten dar. Hinsichtlich möglicher Feldwerte lassen sich die Satzglieder in Ein-Feld-Satzglieder (Zeigfeld-, Symbolfeld- oder Operationsfeld-Satzglied) und Kombi-Satzglieder (Zeigfeld-Symbolfeld-Satzglied und Operationsfeld-Symbolfeld-Satzglied) unterteilen. Freie Operatoren (vor dem Recycling) stellen Ein-Feld-Satzglieder dar: Deiktische Verweise ZeigfeldSatzglieder, phorische Bezüge Operationsfeld-Satzglieder. Korrelate sind gebundene (deiktische oder phorische) Operatoren, die zusammen mit dem recycelten S2 ein Kombi-Satzglied bilden: deiktisches Korrelat + recycelter S2 = Zeigfeld-Symbolfeld-Kombi-Satzglied phorisches Korrelat + recycelter S2 = Operationsfeld-Symbolfeld-Kombi-Satzglied Nach ihrem (paradigmatisch noch mehr oder weniger offenen) Satzgliedwert lassen sich Korrelate in Nominal-, Präpositional- und Adverbialkorrelate, nach ihrem informationsstrukturellen Wert in Fokusund Hintergrundkorrelate unterteilen. Korrelate haben u.  a. die Funktion, zur Schließung der paradigmatischen Offenheit von Nebensätzen und Infinitivkonstruktionen beizutragen. Eine besondere Rolle kommt dabei den (zwölf) Präpositionalkorrelaten zu, die die 16 verschiedenen Präpositionalobjekte vertreten. Eine Teilmenge der Präpositionalkorrelate beteiligt sich zusätzlich an der sog. differenzierenden Ausdrucksbildung, d.  h., Präposition des Korrelats und Verb bilden gemeinsam einen Ausdrucksvalenzträger (z.  B. arbeiten

249 Betonungsmuster bzw. Fokus- und/oder Hintergrundwert müssen bei Adverbialkorrelaten offen gelassen werden. Bei allen Fokuskorrelaten ist natürlich auch der Hervorhebungsakzent möglich.



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 605

an DAT), dessen Grundvalenz sich von der des Wortvalenzträgers (arbeiten) unterscheidet. Deshalb ist das Korrelat von präpositionalen Ausdrucksvalenzträgern obligatorisch.

3.1.8 Satzkreuzungen: ein weiterer Prüfstein grammatischer Theoriebildung Wenn Korrelate mögliche Satzgliedwerte angeben, dann sollten die Nebensätze zu diesen Satzgliedwerten auch passen: Von einem Nominal-/Präpositionalkorrelat ist zu erwarten, dass es auf eine Subjekt-/Objektrealisierung, von einem Adverbialkorrelat, dass es auf eine Adverbialrealisierung verweist. Umso mehr stellt sich die Frage, wie man die folgenden wenn/weil/als/bis/ehe-Nebensätze mit Nominal-/Präpositionalkorrelat theoretisch einordnet:250 (1a) Natürlich ist (Nominal- es korrelat) sinnvoll, wenn der Staat neue Straßen und Schulen baut. (DIE ZEIT, 04. 12. 2008, zit. n. Kaiaty 2010: 295) (273a) Wir freuen uns (Präpositional- darüber korrelat), wenn du kommst. (Eisenberg 2006/2: 245) (274a) […] für die [eine Fremde, VÁ] war (Nominal- es korrelat) nicht gleichgültig, die regte sich [darüber] auf, weil sie etwas nicht begriffen. (DIE ZEIT, 17. 12. 2008, zit. n. Kaiaty 2010: 307) (275a) Für die Bosse der Münchner Baufirma Dyckerhoff & Widmann AG kam (Nominales korrelat) völlig überraschend, als Anfang Juni ihr größter Konkurrent […] ein Aktienpaket von rund 18 Prozent erwarb. (zit. n. Oppenrieder 1991: 264 [ohne Quellenangabe]) (276a) Und (Nominal- es korrelat) dauert noch lange bis Du bei Deiner Lina bist. (Liebesbriefe des Braut- und Ehepaares von Neupauer (1915), zit. n. Czicza 2014: 78) (277a) wir wohnten zwar untter einem dache | allein (Nominal- es korrelat) währte doch ein zeitlang | Ehe wir uns sahen (Lebensgeschichte von Christina Gabriel (um 1800), zit. n. Czicza 2014: 78)

250 Die Fachliteratur zu diesen oft als ‚ergänzende wenn-Sätze‘ genannten Nebensätzen ist recht umfangreich, s. etwa Fabricius-Hansen 1980, Metschkowa-Atanassowa 1983, Schmid 1987, Breindl 1989: 255  ff., Bausewein 1990: 135  ff., Oppenrieder 1991: 264  ff., IDS-Grammatik 1997/2: 1458  ff., Eisenberg 2006/2: 344  ff., Kaiaty 2010 und Czicza 2014: 77  ff. Das Phänomen ist allerdings nicht auf wenn/ als-Nebensätze beschränkt, sondern betrifft auch weil/falls-Nebensätze (Kaiaty 2010: 307) bzw. bis/ ehe-Nebensätze (Czicza ebd.). Zwar stammen Cziczas bis/ehe-Belege nicht aus dem Gegenwartsdeutschen (1915 bzw. um 1800), aber vergleichbare Sätze sind auch dort möglich und grammatisch. Zu genauen Quellenangaben s. Czicza 2014: 161  ff. Die Originalschreibung wurde beibehalten.

Adverbial­ nebensätze mit Nominal-/ Präpositionalkorrelat

606 

dass-Ersatzprobe

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Wie man sieht, deuten die Korrelate auf Subjekt- und Objektnebensätze hin, während die realisierten Nebensätze wie Adverbialnebensätze aussehen. Wie ist dieser Widerspruch aufzulösen? Einig ist man sich in der Forschung darüber, dass sich die fraglichen Nebensätze (= (a)-Sätze) durch dass-Nebensätze (= (b)-Sätze) ersetzen lassen:251 (1b) Natürlich ist (Nominal- es korrelat) sinnvoll, dass der Staat neue Straßen und Schulen baut. (273b) Wir freuen uns (Präpositional- darüber korrelat), dass du kommst. (274b) […] für die [eine Fremde, VÁ] war (Nominal- es korrelat) nicht gleichgültig, die regte sich [darüber] auf, dass sie etwas nicht begriffen. (275b) Für die Bosse der Münchner Baufirma Dyckerhoff & Widmann AG kam (Nominales korrelat) völlig überraschend, daß Anfang Juni ihr größter Konkurrent […] ein Aktienpaket von rund 18 Prozent erwarb. (276b) Und (Nominal- es korrelat) dauert noch lange, daß Du bei Deiner Lina bist. (277b) […] (Nominal- es korrelat) währte doch ein zeitlang | Daß wir uns sahen

umstrittener Satzgliedwert

Da das Hintergrundkorrelat es nur kataphorisch gebraucht werden kann, funktioniert die Ersatzprobe allerdings nur, wenn der fragliche Nebensatz nachgestellt ist. Der Satzgliedwert der fraglichen Nebensätze ist umstritten. Nach Peter Eisenberg (2006/2: 345) sei hier das Korrelat obligatorisch, weil es die funktionale Transposition des Nebensatzes ‚Adverbial > Subjekt/Objekt‘ anzeigen muss: Dieser Zwang zum Korrelat ist einsichtig und entspricht einer seiner Grundfunktionen: Der wenn-Satz ist an sich kein Ergänzungssatz. Er kann nur mithilfe eines geeigneten syntaktischen Kopfes in die Komplementposition gebracht werden.

Korrelat­ (nicht) setzung

Ein ernstzunehmendes Problem für diese Auffassung ist allerdings, dass das Korrelat zwar in der Regel, aber doch nicht immer obligatorisch ist (Fabricius-Hansen 1980: 185, Kaiaty 2010: 289, Czicza 2014: 78  f.). Man vergleiche etwa den folgenden korre­ latlosen Beleg:252

251 Dies wird damit erklärt, dass die beteiligten Prädikate faktiv sind, d.  h., dass sie das Nebensatzszenario präsupponieren. Beispielsweise präsupponiert der Satz Wir freuen uns, dass du kommst das Kommen-Szenario, während ein Satz wie Wir fragen uns, ob du kommst zwar das Kommen-Szenario satzsemantisch einbettet, es aber nicht präsupponiert. Fraglich ist allerdings, ob im Falle des Dauern- und des Währen-Szenarios die Ersatzprobe bedeutungserhaltend ist. 252 Vgl. auch Eisenbergs Beispiel Wir freuen uns, wenn du kommst, zu dem er schreibt, dass hier „der Unterschied zwischen Objektsatz und Adverbialsatz […] nicht gemacht werden kann.“ (Eisenberg 2006/2: 345)



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 607

(278) Peinlich war ihm, wenn er unten an der Haustür klingeln mußte und dann (a) eine Stimme durch die Sprechanlage fragte, was man wolle. (Timm Sommer: 218) Peinlich war ihm, daß er unten an der Haustür klingeln mußte und dann eine (b) Stimme durch die Sprechanlage fragte, was man wolle. Für Eisenbergs Theorie scheint dagegen zu sprechen, dass sich die Regeln der Korrelatsetzung für die (a)- und (b)-Sätze nicht decken: Die Realisierung der Korrelate ist bei Vorfeldbesetzung der fraglichen Nebensätze obligatorisch, bei dass-Nebensätzen im Vorfeld dagegen, wie erwähnt, ausgeschlossen: (278) (a’) Wenn er unten an der Haustür klingeln mußte, war (Nominal- es korrelat) ihm peinlich. (b’) *Daß er unten an der Haustür klingeln mußte, war (Nominal- es korrelat) ihm peinlich. Generell gilt, dass „die ergänzenden wenn-Sätze syntaktisch keine Adverbialsätze sind“ (Breindl 1989: 257). Gegen Eisenbergs Theorie scheint wiederum zu sprechen, dass die fraglichen Nebensätze semantisch ganz normale Verhältnisadverbialnebensätze darstellen.253 Bevor eine Lösung vorgeschlagen wird, möchte ich auf einige andere Phänomene aufmerksam machen, die große Ähnlichkeiten mit unserem Phänomen aufweisen: (279) (a) Wie er mir gestern gesagt hat, kommt er heute nicht. (Korhonen 1977: 193, zit. n. Ágel 2000: 268) (b) Er hat mir gestern gesagt, dass er heute nicht kommt (/kommen würde). (a+b) ??Wie er mir gestern gesagt hat, dass er heute nicht kommt (/kommen würde), kommt er heute nicht. (280) (a) […] jedenfalls ist der Zölibat in der Bibel nicht gefordert […].254 (b) […] jedenfalls ist der Zölibat von der Bibel nicht gefordert […]. (beide Beispiele zit. n. Schoenthal 1976: 129) (a+b) ??In der Bibel ist der Zölibat von der Bibel nicht gefordert. (281) (a) […] bis heute ist wissenschaftlich nicht erforscht, wie […].

253 Zumindest gilt dies für die bevorzugt untersuchten wenn-Nebensätze (Fabricius-Hansen 1980: 169  ff., Kaiaty 2010). 254 Zu der theoretischen Einordnung von Vorgangsauslöser-Konstruktionen im Passiv Kap. III/1.3.3.

Kontextualisierung des Phänomens

608 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

(b) […] bis heute ist von der Wissenschaft nicht erforscht, wie […]. (beide Beispiele zit. n. Schoenthal 1976: 128) (a+b) ??Wissenschaftlich ist bis heute von der Wissenschaft nicht erforscht, wie […]. (282) (a) Er wurde des Diebstahls angeklagt. (b) Er wurde angeklagt, weil er gestohlen hat. (a+b) ?Er wurde des Diebstahls angeklagt, weil er gestohlen hat. (283) (a) Sie ist seit einer knappen Stunde zu Hause. (b) Sie ist vor einer knappen Stunde zu Hause angekommen. (a+b) ??Nachdem sie vor einer knappen Stunde zu Hause angekommen ist, ist sie seit einer knappen Stunde zu Hause. (a)+(b)≠(a+b)

Redundanz

Die (a)- und (b)-Sätze stellen alternative Ausdrucksmöglichkeiten für dieselben Sachverhalte dar. Versucht man im selben Satz diese miteinander zu kombinieren, ist das Ergebnis jeweils ein ‚doppelt gemoppelter‘, d.  h. redundanter (a+b)-Satz. Überträgt man dieses Testmuster auf die (a)-Sätze mit den fraglichen Nebensätzen und auf deren (b)-Sätze mit den alternativen dass-Sätzen, erhält man ein vergleichbares Bild:255 mit Korrelat: (1a+b) (273a+b) (274a+b)

(275a+b)

(276a+b) (277a+b)

??Wenn der Staat neue Straßen und Schulen baut, ist (Nominal- es korrelat) natürlich sinnvoll, dass der Staat neue Straßen und Schulen baut. ?Wenn du kommst, freuen wir uns (Präpositional- darüber korrelat), dass du kommst. ??Weil sie etwas nicht begriffen, war (Nominal- es korrelat) […] für die [eine Fremde, VÁ] nicht gleichgültig, regte die sich [darüber] auf, dass sie etwas nicht begriffen. ??Als Anfang Juni ihr größter Konkurrent […] ein Aktienpaket von rund 18 Prozent erwarb, kam (Nominal- es korrelat) für die Bosse der Münchner Baufirma Dyckerhoff & Widmann AG völlig überraschend, daß Anfang Juni ihr größter Konkurrent […] ein Aktienpaket von rund 18 Prozent erwarb. ??Und bis Du bei Deiner Lina bist dauert (Nominal- es korrelat) noch lange daß Du bei Deiner Lina bist. ??[…] Ehe wir uns sahen währte (Nominal- es korrelat) doch ein zeitlang | Daß wir uns sahen

255 Um die Beispiele auf den Nachweis der Redundanz abzustellen, müssen die Korrelatsetzungsregeln beachtet werden. Deshalb muss bei den Beispielen mit Korrelat der fragliche Nebensatz das Vorfeld besetzen. Bei dem Beispiel ohne Korrelat muss es dagegen umgekehrt sein (dass-Nebensatz im Vorfeld).



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 609

ohne Korrelat: (278a+b) ??Daß er unten an der Haustür klingeln mußte und dann eine Stimme durch die Sprechanlage fragte, was man wolle, war ihm peinlich, wenn er unten an der Haustür klingeln mußte und dann eine Stimme durch die Sprechanlage fragte, was man wolle. Naheliegend ist der Vergleich dieser Redundanzen insbesondere mit der Redundanz beim Anklagen-Szenario mit Genitivobjekt/Kausaladverbial. Bei beiden Typen geht es nämlich einerseits um komplementierende Szenierung, d.  h. um Komplemente (Subjekte/Objekte), die ein Szenario indizieren, andererseits um Anszenierung, d.  h. um Verhältnisadverbiale, die ebenfalls ein Szenario indizieren:

Anszenierung macht komplementierende Szenierung überflüssig

??(Ansze- Wenn der Staat neue Straßen und Schulen baut nierung), ist es natürlich sinnvoll, (komplementierende dass der Staat neue Straßen und Schulen baut . Szenierung) (282a+b) ?Er wurde (komplementierende des Diebstahls Szenierung) angeklagt, (Ansze- weil er gestohlen hat nierung). (1a+b)

Sobald komplementierende Szenierung und Anszenierung jedoch inhaltlich nicht mehr übereinstimmen, d.  h. nicht (mehr oder weniger) synonym sind, ist es nicht mehr redundant, beide im selben Satz zu realisieren: (1c) (Ansze- Wenn der Staat über entsprechende Finanzmittel verfügt nierung), ist es natürlich sinnvoll, (komplementierende dass er neue Straßen und Schulen baut Sze. nierung) (282c) Er wurde (komplementierende des Diebstahls / wegen Diebstahl Szenierung) angeklagt, weil er sich wieder hatte erwischen lassen nierung). (AnszeIn diesen Fällen lässt sich auch das reguläre Adverbialkorrelat einfügen, sodass im Falle von zwei Nebensätzen jeder sein Korrelat haben kann: (1c’)

(282c’)

Wenn der Staat über entsprechende Finanzmittel verfügt, (Konditional- dann korist (Subjekt- es korrelat) natürlich sinnvoll, dass er neue Straßen und Schulen relat) baut. Er wurde (Kausal- deshalb korrelat) des Diebstahls / wegen Diebstahl angeklagt, weil er sich wieder hatte erwischen lassen.

Der Lösungsvorschlag, der sich hier abzeichnet, geht in die Richtung, die Mohamed Kaiaty (2010: 306) eingeschlagen hat: Wir gehen […] davon aus, dass das Korrelat hier einen Argumentsatz vertritt, der aufgrund der Übereinstimmung mit dem wenn-Satz nicht expliziert werden musste. Auch bei korrelatlosen Konstruktionen wird angenommen, dass die leere Valenzstelle durch einen lexikalisch unspezifischen Argumentsatz ausgefüllt wird, der aus dem adverbialen wenn-Satz zu erschließen ist.

Nebensatz 2 steht für Nebensatz 1

610 

Kompaktheit

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Dieser Auffassung schließe ich mich mit der Einschränkung an, dass die Valenzstelle nicht leer ist, sondern kontextuell gesättigt wird: Ein verhältnisadverbialer Nebensatz, der Nebensatz 2 genannt werden soll, realisiert das semantische Potenzial der Valenzstelle und macht somit deren formale Realisierung als Subjekt- oder Objektnebensatz, also die Realisierung von Nebensatz 1, überflüssig. Nebensatz 2, d.  h. der realisierte Supplementnebensatz, steht auch für den Inhalt von Nebensatz 1, d.  h. des nichtrealisierten Komplementnebensatzes.256 Dass ein Nebensatz für den (weitgehend identischen) Inhalt zweier Nebensätze steht, ist eine Form von kompakter/komprimierter Ausdrucksweise (Polenz 2008: 24  ff.). Doch die Komprimierung von Nebensatzinhalten ist nur die eine Seite der Medaille, denn auch die Hauptsatzinhalte werden komprimiert, jedoch mit umgekehrtem Vorzeichen: Auffallend ist nämlich, dass die Hauptsätze der fraglichen Nebensätze syntaktisch eher zu Komplement- als zu Supplementnebensätzen passen, jedoch auch den Inhalt der nichtrealisierten Hauptsätze (der Supplementnebensätze) vertreten. Will man ein Adverbialkorrelat einfügen, müssen demnach kleinere syntaktische Umbaumaßnahmen im Hauptsatz erfolgen, ohne dass der Inhalt des Hauptsatzes wesentlich modifiziert werden müsste. Man vergleiche die folgenden (d)-Sätze mit den Originalbelegen (= (a)-Sätze): (1d) Natürlich ist der Bau von Straßen und Schulen (Adverbial- dann korrelat) sinnvoll, wenn der Staat neue Straßen und Schulen baut. (273d) Wir freuen uns (darüber) (Adverbial- dann korrelat), wenn du kommst. (274d) […] für die [eine Fremde, VÁ] war es (Adverbial- deshalb korrelat) nicht gleichgültig, die regte sich [darüber] (Adverbial- deshalb korrelat), auf, weil sie etwas nicht begriffen. (275d) Die Bosse der Münchner Baufirma Dyckerhoff & Widmann AG waren (Adverbialdann korrelat) völlig überrascht, als Anfang Juni ihr größter Konkurrent […] ein Aktienpaket von rund 18 Prozent erwarb. Besonders aufschlussreich sind (273d) und (274d), weil man hier sieht, dass die Einfügung eines Adverbialkorrelats zum Verlust des Korrelatsstatus des Nominalkorrelats es und der Präpositionalkorrelate darüber führt, die sich in beiden Sätzen nur noch als Ein-Feld-Satzglieder – als (anaphorische) Operationsfeld- oder als (anadeiktische) Zeigfeld-Satzglieder – interpretieren lassen (s. auch Fabricius-Hansen 1980: 185). M. a. W., sie verweisen nicht mehr auf den jeweiligen Adverbialnebensatz, sondern auf den Vortext. Die Adverbialkorrelate unterstreichen den satzsemantischen Verknüp-

256 Dabei liegt ein semantischer Überschuss vor: Qua Anszenierung wird inhaltlich mehr realisiert als qua komplementierender Szenierung, denn es muss auch die semantische Art der Szenarioverknüpfung (konditional, kausal, temporal) versprachlicht werden. Zur kontextuell-situativen Valenzrealisierung s. Ágel 2000: 237  ff.



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 611

fungsstatus der Subjunktoren wenn, weil und als. Im Umkehrschluss ist festzustellen, dass die Nominal- und Präpositionalkorrelate der Originalbelege (= (a)-Sätze) den satzsemantischen Einbettungsstatus der Subjunktoren wenn, weil und als anzeigen. Die andere Seite der Medaille ist demnach, dass der realisierte Hauptsatz zu (dem nichtrealisierten) Nebensatz 1, der Hauptsatz 1 genannt werden soll, den nichtrealisierten Hauptsatz zu (dem realisierten) Nebensatz 2, Hauptsatz 2, inhaltlich vertritt und somit dessen Realisierung überflüssig macht: Hauptsatz 1, d.  h. der realisierte Hauptsatz des nichtrealisierten Komplementnebensatzes, steht auch für den Inhalt von Hauptsatz 2, dem nichtrealisierten Hauptsatz des realisierten Supplementnebensatzes. Das klingt vielleicht kompliziert, ist aber relativ einfach: Von den vier potenziellen Strukturen  – Hauptsätze 1 und 2 bzw. Nebensätze 1 und 2  – verbinden sich Hauptsatz 1 und Nebensatz 2, die aber inhaltlich auch Hauptsatz 2 und Nebensatz 1 vertreten. Das erinnert sehr stark an ein Wortbildungsphänomen, das Wortkreuzung oder Kontamination genannt wird: Teuro, Kurlaub, Jein usw. Betrachten wir hierzu die folgende Abbildung am Beispiel der Wortkreuzung Demokratur (HWT = Hauptwortteil, NWT = Nebenwortteil):

Abb. 15: Wortkreuzung

Hauptsatz 1 steht für Hauptsatz 2

bilaterale Kompaktheit

Wortkreuzung

612 

Satzkreuzung

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Analog zu Wortkreuzungen lassen sich die (a)-Sätze als Satzkreuzungen modellieren (HS = Hauptsatz, NS = Nebensatz):

Abb. 16: Satzkreuzung

Korrelat­ querbindung

Satzgliedwert

Die Satzkreuzung ist wie die Wortkreuzung eine Technik, die bilaterale Kompaktheit erzeugt. Aus der Satzkreuzung ergibt sich, dass hier keine normale (lineare) Korrelatverbindung vorliegen kann, sondern Nominal-/Präpositionalkorrelat im Hauptsatz 1 und verhältnisadverbialer Subjunktor im Nebensatz 2 gekreuzt werden. Folglich entsteht statt einer Korrelatverbindung wie etwa dann + wenn-Nebensatz eine Korrelatquerbindung darüber + wenn-Nebensatz. Der Satzgliedwert von Nebensatz 2 (= Supplementform) errechnet sich auf der Grundlage der Funktion-Argument-Wert-Formel wie folgt: Komplementfunktion (Supplementform) = Komplementwert der Supplementform M. a. W., mangels realisierter Komplementform und aufgrund des tendenziell obligatorischen Nominal- oder Präpositionalkorrelats wird die Komplementfunktion auf eine Supplementform (= Nebensatz 2) angewandt. Der verhältnisadverbiale Nebensatz erhält also qua Satzkreuzung einen Subjekt- oder Objektwert.



Satzglieder im engeren Sinne: statische Satzglieder 

 613

Adverbialnebensätze mit Nominal-/Präpositionalkorrelat (sog. ergänzende wenn-Sätze wie z.  B. Natürlich ist es sinnvoll, wenn der Staat neue Straßen und Schulen baut) wurden in Analogie zu Wortkreuzungen als Satzkreuzungen modelliert: Der verhältnisadverbiale Nebensatz erhält qua Satzkreuzung einen Subjekt- oder Objektwert. Aus der Satzkreuzung ergibt sich, dass hier keine normale (lineare) Korrelatverbindung vorliegen kann, sondern Nominal-/Präpositionalkorrelat und verhältnisadverbialer Subjunktor gekreuzt werden. Daraus entsteht statt einer Korrelatverbindung (wie etwa dann + wenn-Nebensatz) eine Korrelatquerbindung (wie z.  B. es + wenn-Nebensatz).

3 Satzglieder im engeren Sinne: dynamische Satzglieder 3.2 Dynamische Satzglieder 3.2.1 Textanalyse 3.2.2 Was sind dynamische Satzglieder? 3.2.3 Dynamische Satzglieder im Überblick 3.2.4 Dynamische Satzgliedklassen

3.2 Dynamische Satzglieder 3.2.1 Textanalyse Legende: Makroglieder: Punkt-Strich-Unterstrich: Nichtsatz; Unterstrichen: Kohäsionsglied; Schwarz: Satz1 Mesoglieder: türkis: dynamisch; fett: Prädikat; (tiefgestellte Klammern): Satzgliedsubklasse

KLASSIFIKATION I der Satzgliedsubklassen (nach der Form des Arguments in der Funktion-Argument-Wert-Formel) [1]

JOCHEN JUNG

[2] [3]

Siegfried Lenz Total entspannt

[13] Jetzt aber öffnet sich (nominales das Tor zum Gefängnishof Subjekt), […]. [14] (nominales Ein Stück Subjekt) soll aufgeführt werden, im Speisesaal. [28] […] die Truppe Subjekt) wird (nominales von der Grünauer Bevölkerung Präpositionalob(nominales sozusagen zunehmend angenommen, jekt) ja sogar (gespalte- zarte Bande nes) werden geknüpft, (nominales die immerhin Anlass zu einem Satz wie diesem geben Subjekt): […]. [41] Zu dem Theaterstück Das Labyrinth wird einmal gesagt, (Subjekt- es sei »eine Geschichte, in der das Fantastische im Wirklichen aufging« nebensatz). [44] Und ehe jetzt jemand etwas von Abgeklärtheit und womöglich gar Altersweisheit erzählt, darf gesagt werden, (Subjekt- dass sich der Autor hier in erster Linie

1 rekonstruierte Glieder in eckigen Klammern DOI 10.1515/9783110409796-010



[56]

Satzglieder im engeren Sinne: dynamische Satzglieder 

 615

einen ordentlichen Spaß erlaubt hat – neugierig darauf, wie weit man mit realistischen Mitteln dem Unerhörten auf der Spur bleiben kann nebensatz). So eine Nachernte Subjekt) ist es denn wohl auch, was wir mit dieser (nominales ganz und gar entspannten Geschichte in den Händen halten.

KLASSIFIKATION II der Satzgliedsubklassen (nach Art der Funktion in der Funktion-Argument-Wert-Formel) [1]

JOCHEN JUNG

[2] [3]

Siegfried Lenz Total entspannt

[13] Jetzt aber öffnet sich (Medial- das Tor zum Gefängnishof subjekt), […]. [14] (Passiv- Ein Stück subjekt) soll aufgeführt werden, im Speisesaal. [28] […] die Truppe subjekt) wird (Passiv- von der Grünauer Bevölkerung präpositionalobjekt) (Passivsozusagen zunehmend angenommen, ja sogar (Pas- zarte Bande siv-) werden geknüpft, (sub- die immerhin Anlass zu einem Satz wie diesem geben jekt): […]. [41] Zu dem Theaterstück Das Labyrinth wird einmal gesagt, (Passiv- es sei »eine Geschichte, in der das Fantastische im Wirklichen aufging« subjekt). [44] Und ehe jetzt jemand etwas von Abgeklärtheit und womöglich gar Altersweisheit erzählt, darf gesagt werden, (Passiv- dass sich der Autor hier in erster Linie einen ordentlichen Spaß erlaubt hat – neugierig darauf, wie weit man mit realistischen Mitteln dem Unerhörten auf der Spur bleiben kann subjekt). [56] (Sperrsatz- So eine Nachernte subjekt) ist es denn wohl auch, was wir mit dieser ganz und gar entspannten Geschichte in den Händen halten.

3.2.2 Was sind dynamische Satzglieder? Dynamische Sätze stellen kategoriale oder konstruktionelle Umszenierungen von statischen Sätzen dar (Kap. I/3.5 und III/1.3.3). Da die Umszenierung per definitionem durch ein (kategorial oder konstruktionell) dynamisches Prädikat angezeigt wird, ist das Prädikat von dynamischen Sätzen notwendigerweise ebenfalls (kategorial oder konstruktionell) dynamisch. Wie im Kap. III/1.4.2 dargelegt, können infolge der Umszenierung zusätzlich zum dynamischen Prädikat auch Satzglieder in Erscheinung treten, die in der Ausgangsvalenz, d.  h. in der statischen Valenz des zugrunde liegenden statischen Prädi-

dynamische Sätze

dynamische Prädikate und Satzglieder

616 

offene Fragen

Auftretens­ bedingungen

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

kats, nicht verankert sind. Sie gehören nur zur Zielvalenz des dynamischen Prädikats, d.  h. zur dynamischen Valenz (Kap. III/1.3.3). Der Mechanismus der dynamischen Satzgliedbildung wurde im Kap. III/1.4.2 an der Gegenüberstellung eines statischen Aktivsatzes, eines kategorial dynamischen Passivsatzes und eines konstruktionell dynamischen Medialsatzes kurz erläutert. Er wurde dann im Kap. III/2.2 über dynamische Prädikate verfeinert, indem die Typen und Formen der Prädikatsdynamik erörtert wurden (Kap. III/2.2.2) und eine offene Liste von dynamischen Prädikatsklassen vorgestellt wurde (Kap. III/2.2.3). Trotzdem sind mindestens zwei zentrale theoretische Fragen, ohne deren Beantwortung eine genaue Bestimmung der dynamischen Satzglieder nicht möglich ist und das Konzept nicht voll verständlich wird, offen geblieben: (1) Wie ist die obige Formulierung, dass zusätzlich zum dynamischen Prädikat auch dynamische Satzglieder in Erscheinung treten können, zu interpretieren? Heißt das etwa, dass dynamische Satzglieder – im Gegensatz zum dynamischen Prädikat – fakultativ sind? (2) Wie ist die obige Formulierung, dass dynamische Satzglieder in der statischen Valenz nicht verankert sind, zu verstehen? Sind etwa alle dynamischen Satzglieder ‚neu‘? Oder werden alle statischen Satzglieder qua dynamischer Prädikatsbildung automatisch zu dynamischen Satzgliedern? Frage (1) nenne ich die Frage nach den Auftretensbedingungen von dynamischen Satzgliedern, Frage (2) die nach der Modellierung der dynamischen Valenz (des dynamischen Valenzträgers/Prädikats), letztendlich also nach dem Begriff des dynamischen Satzgliedes. Fangen wir mit Frage (1) an. Betrachten wir eine Stelle aus dem Leittext und weitere Belege aus Kap. III/2.2.2: die Truppe subjekt) wird (Passiv- von der Grünauer Bevölkerung präpositionalobjekt) sozusagen zunehmend angenommen, […]. (1) Wir gingen die Treppe runter. (Hein Freund: 126) (2) Steif saß er da in dem groben Unterhemd, mit den verkanteten Hosenträgern, seine Augen tränten, sein Gebiß mahlte leicht und knirschend, und er übersah die Tasse Tee, die meine Mutter ihm hinschob, übersah auch mich – allerdings nicht aus Abwesenheit: sein Gesicht ließ erkennen, daß er nicht nur den Grund, sondern auch die Folgen des frühen Besuches verstanden hatte. Er rechnete, er erwog und überlegte, verwarf und erwog von neuem. Seine Augenbrauen bewegten sich. Er atmete angestrengt. (Lenz Deutschstunde: 86) (3) Ich sagte, daß ich noch nie etwas von Stifter gelesen habe. Du mußt ihn nicht lesen, meinte Horst, du lebst ihn ja. (Hein Freund: 90) [28]

(Passiv-



Satzglieder im engeren Sinne: dynamische Satzglieder 

 617

(4) […] Ihre E-Mails lesen sich wie ‚heruntergesprudelt‘ […]. (Glattauer Nordwind: 10) (5) Sein Vater hätte nie ins Pflegeheim gewollt. (Hein Freund: 170) Von fakultativen dynamischen Satzgliedern ließe sich, wenn überhaupt, nur im Falle des dynamischen Präpositionalobjekts im Passiv (= Passivpräpositionalobjekt) in [28] und des dynamischen Akkusativobjekts die Treppe des Komplexverbs runtergehen (= Komplexverbakkusativobjekt) in (1) sprechen, da hier die dynamischen Satzglieder weglassbar sind:2 [28a] (Passiv- die Truppe subjekt) wird sozusagen zunehmend angenommen, […]. (1a) Wir gingen runter. Allerdings wurde das Passivpräpositionalobjekt als das Ergebnis einer doppelten Umszenierung hergeleitet: Die Relation ‚Aktiv vs. einfaches Passiv‘ stellt eine Komplementreduktion (Valenzreduktion) qua kategorialer Umszenierung, die Relation ‚einfaches vs. erweitertes Passiv‘ eine Komplementerhöhung (Valenzerhöhung) qua konstruktioneller Umszenierung dar (Kap. III/1.3.3). M. a. W., der einfache Passivsatz [28a] ist nicht die Reduktion des erweiterten Passivsatzes [28], sondern er stellt umgekehrt die (kategoriale) Grundlage  – das Argument in der Funktion-ArgumentWert-Formel  – für eine weitere (konstruktionelle) Valenzänderung dar. Folglich ist das Passivpräpositionalobjekt mit-umszenierend, es stellt neben dem Passivprädikat die andere notwendige Voraussetzung für die zweite (konstruktionelle) Umszenierung dar. Somit ist das Passivpräpositionalobjekt einer doppelten Obligatheit unterworfen: Wenn ein Aktivsatz kategorial umszeniert wird, darf es nicht realisiert werden, wenn der einfache Passivsatz konstruktionell umszeniert wird, muss es realisiert werden. Der erste Typ von Obligatheit soll Nichtrealisierungszwang, der zweite Realisierungs­ zwang genannt werden. Wie im Kap. III/2.2.2 dargelegt, kann sich die Prädikatsdynamik in (a) Valenzänderung (Komplementreduktion und -erhöhung) und (b) Valenzträgeränderung (Umkategorisierung, Kontamination und Substitution) manifestieren. Nichtrealisierungszwang eines statischen Satzgliedes liegt im Falle der Komplementreduktion wie bei den dynamischen Prädikaten erwog (zweimal), überlegte und verwarf in (2) vor. Hier werden die Umszenierungen lediglich durch die Nichtrealisierung statischer Satzglieder angezeigt. M. a. W., in dynamischen Sätzen qua Komplementreduktion dürfen keine dynamischen Satzglieder realisiert werden. Bei allen anderen Typen der Prädikatsdynamik müssen dynamische Satzglieder realisiert werden, damit die Umszenierung zustande kommt (s. die restlichen Belege 2 Weglassbarkeit und Fakultativität, die in der vorliegenden Arbeit der Einfachheit halber gleichgesetzt werden, müssen im Rahmen einer typologisch fundierten Valenzrealisierungstheorie sorgfältig auseinander gehalten werden (Kap. III/3.1.4, Anm. 103).

doppelt obligatorisch: Passiv­ präpositio­nal­­ objekt

einfach obligatorisch I = Nichtrealisierungszwang

einfach obligatorisch II = Realisierungszwang

618 

Fazit: Auftretens­ bedingungen

dynamische Valenz

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

oben): In (3) ist es das dynamische Akkusativobjekt ihn, das die transitive Umszenierung von leben erzwingt, in (4) das dynamische Modaladverbial wie ‚herunterge­ sprudelt‘, das die mediale Umszenierung von lesen mit anzeigt. Schließlich wird die Umkategorisierung ‚Modalverb > Vollverb‘ in (5) durch das dynamische Direktivum ins Pflegeheim erzwungen.3 Wie man sieht, sind dynamische Satzglieder nur in Ausnahmefällen fakultativ in dem Sinne, dass das dynamische Prädikat alleine ausreicht, um die Umszenierung zu indizieren. In diesen Fällen hat der Textproduzent potenziell die Wahl, das dynamische Satzglied zu realisieren oder nicht (Typ: (die Treppe) runtergehen). In allen anderen Fällen ist die Nichtrealisierung oder die Realisierung von dynamischen Satzgliedern für die Umszenierung unabdingbar. Somit können drei Auftretensbedingungen von dynamischen Satzgliedern unterschieden werden: 1) Fakultativität: Dynamische Satzglieder können, müssen aber nicht realisiert werden, die Umszenierung erfolgt auch ohne sie; 2) Obligatheit I (= Nichtrealisierungszwang): Dynamische Satzglieder dürfen nicht realisiert werden, wenn eine Umszenierung angezeigt werden soll (Komplementreduktion); 3) Obligatheit II (= Realisierungszwang): Dynamische Satzglieder müssen realisiert werden, wenn eine Umszenierung angezeigt werden soll.4 Dynamische Sätze haben notwendigerweise dynamische Prädikate. Wenn Auftretensbedingung 3) erfüllt ist, haben sie notwendigerweise, unter Bedingung 1) optional auch dynamische Satzglieder. Wir wenden uns nun Frage (2) zu: Was heißt das, dass dynamische Satzglieder in der statischen Valenz des zugrunde liegenden statischen Prädikats nicht verankert sind? Betrachten wir erneut zwei der obigen dynamischen Sätze, und vergleichen wir sie mit den zugrunde liegenden statischen Sätzen (Abkürzungen: A=Agens, P=Patiens, V=Vorgangsauslöser):5 die Truppe Subjekt) wird (V- von der Grünauer Bevölkerung Präpositionalobjekt) sozusagen zunehmend angenommen, […]. ← Die Grünauer Bevölkerung Subjekt) nimmt (P- die Truppe Akkusativobjekt) sozusagen (Azunehmend an. (4) […](P- Ihre E-Mails Subjekt) lesen sich (dynamisches wie ‚heruntergesprudelt‘ Modaladverbial) […]. (Glattauer Nordwind: 10) [28]

(P-

3 Zur detaillierteren Analyse dieser und weiterer Belege Kap. III/2.2.2. 4 Wie erwähnt stellt der Fall des Passivpräpositionalobjekts eine Kombination von 2) und 3) dar: Obligatheit II basiert auf Obligatheit I. 5 Die semantische Rolle Vorgangsauslöser wurde im Kap. III/1.3.3 eingeführt. Traditionell (denotativ-semantisch) spricht man hier vom Agens.



← ?←

Satzglieder im engeren Sinne: dynamische Satzglieder 

 619

Man Subjekt) liest (P- Ihre E-Mails Akkusativobjekt). Man liest (P- Ihre E-Mails Akkusativobjekt) (statisches wie ‚heruntergesprudelt‘ Modal(ASubjekt) . adverbial) (A-

Einerseits gibt es in beiden dynamischen Sätzen neue Satzgliedwerte, d.  h. neue Komplemente: das Präpositionalobjekt des Passivprädikats in [28] und das Modaladverbial des Medialprädikats in (4), das sich nicht auf das statische Prädikat zurückführen lässt.6 Diese Komplemente sind, da sie neu sind, in der statischen Valenz nicht verankert. Andererseits gibt es in beiden Sätzen ‚alte‘, auch in den statischen Sätzen vorhandene, Formen, die aber neue Satzgliedwerte erhalten: die Substantivgruppen die Truppe und Ihre E-Mails, die in den zugrunde liegenden statischen Sätzen Akkusativobjekte, in den dynamischen Sätzen Subjekte sind. Wichtig ist dabei, dass die neuen Satzgliedwerte neue – dynamische – semantische Rollen indizieren.7 Diese Komplemente sind nicht in ihren grammatischen Formen, sondern in der Zuordnung von semantischen zu grammatischen Werten neu und somit in der statischen Valenz auch nicht verankert.8 Dynamische Satzglieder stellen also tatsächlich neue, in der statischen Valenz nicht verankerte Satzgliedwerte dar. ‚Neu‘ ist dabei nicht in dem Sinne zu verstehen, dass der Satzgliedwert des dynamischen Satzglieds in den zugrunde liegenden statischen Sätzen (als statischer Satzgliedwert) gar nicht vorkommen dürfte, sondern in dem Sinne, dass in der dynamischen Valenz die ‚alte‘ (statische) Form auf jeden Fall einen neuen Satzgliedwert und somit eine neue semantische Rolle erhalten muss. Werden alle statischen Satzglieder qua dynamischer Prädikatsbildung automatisch zu dynamischen Satzgliedern? Nein. Alle grammatischen Formen, die trotz Umszenierung bezüglich der Zuordnung von semantischen zu grammatischen Werten stabil bleiben, bleiben von der dynamischen Prädikatsbildung unberührt, d.  h. statisch. Vergleichen wir hierzu zwei Beispielpaare: (1) Wir gingen (Komplexverb- die Treppe akkusativobjekt) runter. (Hein Freund: 126) (6) Wir gingen (Direk- nach Hause tivum).

6 Dies gilt nicht nur wegen der Valenzrelation NOT (= Notwendigkeit, Kap. III/1.3.1), nach der nur das dynamische Modaladverbial +NOT ist, sondern auch deshalb, weil sich die (dispositiven) Modaladverbiale der Medialprädikate, wie auch das Beispiel (4) zeigt, nicht auf gleichlautende statische Modaladverbiale zurückführen lassen (s. Sadziński 1989: 161  ff.). Zu Medialkonstruktionen und Medialprädikaten Kap. III/2.2.3. 7 Auf diese semantischen Rollen in Passivsätzen kommen wir im Kap. III/3.2.4 zu sprechen. 8 Natürlich sind die grammatischen Formen auch nicht ‚ganz alt‘, nur im Falle der Substantivgruppen die Truppe und Ihre E-Mails fallen Nominativ und Akkusativ zusammen (Direktkasus).

neue Satzgliedwerte

‚alte‘ Formen mit neuem Satzgliedwert

Begriffs­ bestimmung

statische Satzglieder in dynamischen Sätzen

620 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

(7) Daraufhin wurde er (Kausaladverbial- wegen Spionage, Diebstahl und Verschwörung angeklagt. komplement) (DIE ZEIT, 19. 12. 2006, zit. n. Diegel 2007 (Anhang)) ← Daraufhin klagte man ihn (Kausaladverbial- wegen Spionage, Diebstahl und Verschwörung komplement) an.

einmal ­statisch, einmal ­ ynamisch d

Die Substantivgruppe wir in dem statischen Satz mit dem statischen Prädikat gehen bleibt hinsichtlich der Zuordnung von semantischen zu grammatischen Werten in dem dynamischen Satz mit dem dynamischen Prädikat runtergehen stabil. Die dynamische Prädikatsbildung betrifft hier das Subjekt nicht. Dasselbe gilt für die Präpositionalgruppe wegen Spionage, Diebstahl und Verschwörung.9 Dynamische Sätze können also statische Satzglieder enthalten, das Umgekehrte gilt jedoch per definitionem nicht.10 An dieser Stelle sollte daran erinnert werden, dass im Sinne des Prinzips des Einmaleins der Satzgliedlehre das doppelte Vorkommen des gleichen Satzgliedes nur in dynamischen Sätzen möglich ist (Kap. III/3.1.4). Betrachten wir hierzu den folgenden Beleg: (8)

Dynamische Komplemente vs. Supplemente?

[…] und [er] schob das Fahrrad schräg den wulstigen Deich hinauf. (Lenz Deutschstunde: 10)

Hier erhält die Substantivgruppe das Fahrrad den Satzgliedwert ‚statisches Akkusativobjekt‘, während der Substantivgruppe den wulstigen Deich der Satzgliedwert ‚dynamisches Akkusativobjekt‘ zugewiesen wird. Das statische Akkusativobjekt gehört auch zur statischen Valenz des zugrunde liegenden statischen Prädikats schie­ ben. Das dynamische Akkusativobjekt (Komplexverbakkusativobjekt) gehört dagegen nur zur dynamischen Valenz des dynamischen Komplexverbs hinaufschieben und tritt deshalb erst infolge der Umszenierung in Erscheinung. Abschließend sollte noch die Frage gestellt werden, ob die valenztheoretische Unterscheidung von Komplementen und Supplementen auch für dynamische Satzglieder gilt. Die Antwort ist: Nein. Prädikatsdynamik wurde ja als Valenz- und Valenzträgerdynamik hergeleitet: kategorial und konstruktionell dynamische Valenzträger (Prädikate) verfügen über eine dynamische Valenz, die sich aus zwei Komponenten 9 Man könnte einwenden, dass man signifikativ-semantisch selbst in diesen Fällen mit neuen (dynamischen) semantischen Rollen rechnen müsste. Ein sinnvolles, d.  h. nicht in Richtung Partizipantenrollen ausuferndes, Konzept dynamischer signifikativ-semantischer Rollen setzt allerdings die Auffassung voraus, dass die funktional relevante semantische Struktur nicht autonom und unabhängig ist, sondern nur qua grammatischer Indizierung ‚existiert‘. Daraus folgt, dass nur eine Umordnung von grammatischen Formen und Funktionen neue, umszenierungsrelevante semantische Werte schaffen kann. Auf das Problem kommen wir bei der Erörterung des Passivs im Kap. III/3.2.4 ausführlicher zu sprechen. 10 Diese Asymmetrie könnte als ein Markiertheitsmerkmal dynamischer Sätze interpretiert werden.



Satzglieder im engeren Sinne: dynamische Satzglieder 

 621

zusammensetzt: einerseits aus statischen Komplementen des statischen Valenzträgers (Prädikats), die in dynamischen Sätzen erhalten bleiben, andererseits aus den neuen Satzgliedwerten, die sich nur aus der dynamischen Valenzträgerbildung (Prädikatsbildung) herleiten lassen. Die dynamische Valenz enthält also statische und dynamische Komplemente.11 Alle dynamischen Satzglieder sind demnach (dynamische) Komplemente. Supplemente in dynamischen Sätzen können nur statische Satzglieder sein. Dynamische Sätze sind Sätze mit dynamischen Prädikaten. Meistens enthalten sie auch dynamische Satzglieder, d.  h. neue, in der statischen Valenz nicht verankerte Satzgliedwerte, die sich nur aus der dynamischen Prädikatsbildung herleiten lassen. Dynamische Satzglieder sind immer (dynamische) Komplemente. In der Regel sind dynamische Satzglieder obligatorisch in dem Sinne, dass sie realisiert werden müssen, wenn eine Umszenierung angezeigt werden soll. Dynamische Sätze können auch statische Satzglieder enthalten, d.  h. Satzglieder, die trotz Umszenierung grammatisch und semantisch stabil bleiben. Das Umgekehrte gilt nicht: Statische Sätze enthalten nur statische Satzglieder. Wenn dasselbe Satzglied in demselben Satz zweimal vorkommt, muss im Sinne des Prinzips des Einmaleins der Satzgliedlehre das eine Vorkommen statisch, das andere dynamisch sein.

3.2.3 Dynamische Satzglieder im Überblick Aufgrund (a) der Bestimmung der dynamischen Satzglieder im Kap. III/3.2.2 und (b) der Erörterung der dynamischen Prädikatsklassen in den Kap III/2.2.2–3 müssten sich prinzipiell alle dynamischen Satzglieder herleiten lassen. Insofern müsste sich das vorliegende Kapitel eigentlich erübrigen. Dass dem nicht so ist, ist wie folgt zu begründen: (1) Bei der Erörterung der dynamischen Prädikatsklassen lag der Schwerpunkt auf den Prädikatsklassen selbst und nicht auf den unterschiedlichen dynamischen Valenzrealisierungsmustern (Satzbauplänen). Deshalb gerieten dynamische Satzgliedklassen in den Kap. III/2.2.2–3 nur unsystematisch ins Blickfeld. (2) Wie im Kap. III/2.2.3 betont, ist die Liste der konstruktionell dynamischen Prädikate offen. Einerseits deshalb, weil ständig neue Konstruktionen ‚entdeckt‘ werden, andererseits aber auch deshalb, weil das Streben nach Exhaustivität, das die vorliegende Arbeit charakterisieren soll, eben nur ein Streben sein kann. Jene offene Liste wird im vorliegenden Kapitel um einige dynamische Prädikate erweitert, die aus der Sicht einer grammatischen Textanalyse ‚schwierige‘ dyna-

11 Dies ist eine prinzipielle Feststellung und ist nicht so zu verstehen, dass die dynamische Valenz jedes beliebigen dynamischen Valenzträgers sowohl statische als auch dynamische Komplemente enthalten müsste.

Wozu dieses Kapitel?

622 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

mische Valenzen haben, d.  h., deren dynamische Satzglieder besondere Analyseprobleme bereiten können. (3) Die Analyse der dynamischen Valenz von manchen dynamischen Prädikaten wurde teilweise oder ganz für dieses Kapitel aufgehoben (Passiv- und Imperativprädikate). (4) Bei der Erörterung der statischen Satzgliedklassen ist klar geworden, dass zahlreiche Problemfälle der klassischen (= nur statischen) Satzgliedlehre als dynamische Satzglieder zu analysieren sind und deshalb in dem Kapitel über dynamische Satzglieder behandelt werden müssen (z.  B. ein Teil der sog. freien Dative). mögliche Klassi­ fikationen

Dem aufmerksamen Leser ist nicht entgangen, dass im Textanalyse-Kapitel (Kap. III/3.2.1) ausnahmsweise zwei Vorschläge für die Klassifikation der Satzgliedsubklassen unterbreitet wurden: (I) nach der Form des Arguments in der Funktion-Argument-Wert-Formel und (II) nach Art der Funktion in der Funktion-Argument-Wert-Formel. Der Unterschied soll am Beispiel der Subjektsubklassifikation des ersten dynamischen Satzes im Leittext verdeutlicht werden: [13] Jetzt aber öffnet sich (nominales das Tor zum Gefängnishof Subjekt), […]. [13] Jetzt aber öffnet sich (Medial- das Tor zum Gefängnishof subjekt), […].

­Transparenz und ­Ökonomie

Subklassifikation I ist identisch mit der der statischen Satzglieder. Was zählt, ist die Form des Satzglieds (= nominal). Dass es sich um ein dynamisches nominales Subjekt zu einem dynamischen Prädikat handelt, lässt sich an den türkisfarbenen Markierungen ablesen. Subklassifikation II basiert auf der Funktion der dynamischen Satzgliedbildung. Da sich öffnen ein dynamisches Medialverb ist, wird dessen dynamisches Subjekt – analog zum eingebürgerten Terminus ‚Passivsubjekt‘ – Medialsubjekt genannt. Möglich wäre auch eine Kombination der beiden Klassifikationstypen, aber Bezeichnungen wie etwa ‚nominales Medialsubjekt‘, ‚nominales Passivpräpositionalobjekt‘ oder eben ‚Passivsubjektnebensatz‘ wären sehr unhandlich. Da es sich im vorliegenden Kapitel um dynamische Satzglieder handelt, deren Dynamik qua Bezeichnung möglichst transparent gemacht werden soll, scheint mir Subklassifikation II aussagekräftiger. In der nachfolgenden Tabelle werden auch die dynamischen Satzglieder der im Kap. III/2.2.3 erörterten dynamischen Prädikate erfasst, um Transparenz zwischen dem Überblick über dynamische Prädikate und dem über dynamische Satzglieder zu gewährleisten. Auf die im dynamischen Prädikatskapitel erörterten Konstruktionen inkl. deren dynamische Satzglieder wird jedoch nicht noch einmal eingegangen. Deshalb finden sich in der Tabelle  – in der Reihenfolge der Subklassen jeweils vorne – dynamische Satzglieder wie z.  B. Medialsubjekt, Komplexverbakkusativobjekt oder Medial-Modaladverbial, die anschließend nicht mehr behandelt



Satzglieder im engeren Sinne: dynamische Satzglieder 

 623

werden. Dasselbe gilt für die dynamischen Dativobjekte ‚Dativus (in)commodi‘ und ‚Pertinenzdativ‘, die im Kapitel über statische Satzglieder (Kap. III/3.1.4) ausführlich analysiert wurden.12 Tab. 53: Dynamische Satzgliedklassen und -subklassen im Überblick Klasse

Subklasse

Beispiele

Modal(prädikats) subjekt

Zu lösen sind (Modal- wirkliche Probleme subjekt) ohnehin nicht.13

Medialsubjekt

[13] Jetzt aber öffnet sich (Medial- das Tor zum Gefängnishof , subjekt) […].

Passivsubjekt

[28] (Passiv- die Truppe subjekt) wird (Passiv- von der Grünauer Bevölkerung präpositionalobjekt) sozusagen zunehmend angenommen, […]. Dann […] bekam (Passiv- ich subjekt) ein elektrisches Auto vorgeführt.14

Imperativsubjekt (kategorial ­dynamisches Mikro­subjekt)

Suche eine Wohnung!

konstruktionell dynamisches Mikro­subjekt

Ging nach der Arbeit allein mit dem Hunde den umgekehrten Waldweg spazieren.15

Spaltsatzsubjekt

Scotty subjekt) war es auch, der den Verkauf des von den (Spaltsatzerschlagenen Farmern geraubten Viehs besorgte […].16

Sperrsatzsubjekt

Was Herbert nicht ertrug, waren (Sperrsatz- die Zopilote subjekt) […].17

Subjekt

12 Dass diese dynamischen Satzglieder ausnahmsweise im Kapitel über statische Satzglieder erörtert wurden, hat sich aus der Notwendigkeit ergeben, statische Dativobjekte (= Dativobjekte im herkömmlichen Sinne) und den Kernbereich der sog. freien Dative miteinander zu vergleichen und voneinander abzugrenzen. Im Einklang mit der Dativforschung blieb somit nur die Peripherie der freien Dative, der Dativus ethicus und der Dativus iudicantis, übrig. Ersterer wurde als (abtönungspartikelanaloges) Kohäsionsglied bestimmt (Kap. II/4.3). Letzterer wird im aktuellen Kapitel zu analysieren sein. 13 Hein Freund: 115 14 Hein Freund: 55 15 Mann Tagebücher: 179 16 Timm Morenga: 257 17 Frisch Homo: 60

dynamische Satzglieder im Überblick

624 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Klasse

Subklasse

Beispiele

Komplexverb­ akkusativobjekt

Wir gingen (Komplexverb- die Treppe akkusativobjekt) runter.18

Resultativ­ akkusativobjekt

Der Mann schenkte mir schon wieder (Resultativ- das Glas akkusativobvoll.19 jekt) Wir läuteten (Resultativ- den Wächter akkusativobjekt) aus dem Schlaf.20

Bewegu­ngs(prädikats)akkusativobjekt

Ich bin (Bewegungs- die Leiter akkusativobjekt) hinauf […].21

Akkusativ­objekt

AcI-Akkusativobjekt Er habe nur (AcI- den Beifahrer Akkusativobjekt) […] seine Einfahrt […] ausbessern sehen.22 lassen-(Prädikats-) Akkusativobjekt

[Die Frau] ließ sich von dem Hund (lassen- die Hand Akkusativobjekt) lecken.23

Pertinenzakkusativ […]sie küßte (Pertinenz- ihn akkusativ) auf die Wange […].24 inneres Akkusativobjekt

Sie hat (inneres ihr sympathisches Lächeln Akkusativobjekt) gelächelt.25

äußeres Akkusativ- Du mußt ihn [= Stifter] nicht lesen, meinte Horst, du lebst ihn Akkusativobjekt) ja.26 objekt (äußeres Idiom-Akkusativobjekt

Aber ich will jetzt nicht (gespal- den Teufel tenes) an die Wand malen, (Idiom- daß der unbedingt abstürzen muß Akkusativobjekt).27

Dativus (in)commodi

Er hat (Dativus mir (in)commodi) das Fahrrad repariert/demoliert.28

Pertinenzdativ

[…] er küßte (Pertinenz- ihr dativ) die Hand […].29

Dativobjekt

18 Hein Freund: 126 19 Timm Johannisnacht: 86 20 Beispiel n. Vuillaume 2003: 488 21 Neue Kronen-Zeitung, 03. 12. 1994 (Beleg nach Berthele 2007: 249) 22 Böll Dienstfahrt: 20 23 Brednich Geschichten: 202 24 Böll Dienstfahrt: 75 25 nach Haas Silentium: 72 (Originalbeleg unten) 26 Hein Freund: 90 27 Haas Silentium: 107 28 Beispiele n. Welke 2011: 202 29 Böll Dienstfahrt: 7



Klasse

Satzglieder im engeren Sinne: dynamische Satzglieder 

 625

Subklasse

Beispiele

Standpunktdativ

„Statt der Schlangenzungen hätten wir Ihnen gern am Spieß geröstetes Menschenfleisch serviert“, sagte er [= der Häuptling, V.Á.]. […] „Bemühen Sie sich nicht“, erwiderte der Onkel, „Menschen liegen (Standpunkt- mir dativ) sowieso zu schwer im Magen.“30

Partikelverbdativ

Die (Partikelverb- uns dativ) vorleben wollen wie leicht das Sterben ist Wenn sie (Partikelverb- uns dativ) vorsterben wollten wie leicht wäre das Leben31

Passivpräpositionalobjekte (Präp­ositionalvon+DATobjekt und Prä­ positionaldurch+AKKobjekt)­

[28] (Passiv- die Truppe subjekt) wird (Passiv- von der Grünauer Bevölkerung präpositionalobjekt) sozusagen zunehmend angenommen, […].

Präpositionalobjekte

Wie stark wird die Energiewende behindert (Passiv- durch die Abstandsregelung für Windräder präpositionalobjekt) […]?32

lassen-(Prädikats-) [Die Frau] ließ sich (lassen- von dem Hund Präpositionalobjekt) die Hand Präpositionalobjekt lecken.33 Präpositional­ objekte mit ­semantischer Nischenbildung (benefaktiv, ­prospektiv, beibehaltend usw.)

Kaum haben sie [= Klaus und Irene Gysi, die Eltern von Gregor Gysi, VÁ] sich gesetzt, geht die Tür auf und sechs SS-Leute treten ein. Klaus Gysi erzählt ihnen einen Judenwitz nach dem anderen. Er redet um sein Leben.34

SimplexverbDirektivum (umkategorisiertes Modalverb)

Sein Vater hätte nie (Simplexverb- ins Pflegeheim Direktivum) gewollt.35

Direktivum

30 Kästner 35. Mai: 122 31 Erich Fried: Beim Nachdenken über Vorbilder in: bundesdeutsch 132 32 Nürnberger Nachrichten, 02. 03. 2015 33 Brednich Geschichten: 202 34 DIE ZEIT, 01. 09. 2011 35 Hein Freund: 170

626 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Klasse

Subklasse

Beispiele

SimplexverbDirektivum (umkategorisiertes Geräuschverb)

Die Stutenhufe poltern (Simplexverb- über die SchwalbenbachBrücke Direktivum).36

KomplexverbDirektivum (mit Mikro-Direktivum als Prädikatsteil)

[…] Hanna heiratete ihn Komplexverb- aus einem Lager Direktivum) Mikroheraus Direktivum) […].37

inneres ­Genitivobjekt

Die Tiere würden immer älter und zäher und stürben schließlich (inneres eines natürlichen Todes Genitivobjekt).38

MedialModaladverbial

Die Schuhe hatten wir ausgezogen. Es war kalt, aber so lief es sich (Medial- besser Modaladverbial).39

StellvertreterModaladverbial

(Stellvertreter-

Genitivobjekt

Adverbiale

Schön Modaladverbial) wohnt ihr […].40

3.2.4 Dynamische Satzgliedklassen Subjekt

Passivsubjekte Aktiv­ perspektiven

Folgende Subjekt-Themen sollen im vorliegenden Kapitel zur Sprache kommen: (1) Passivsubjekte, (2) Imperativsubjekt (= kategorial dynamisches Mikrosubjekt), (3) konstruktionell dynamische Mikrosubjekte und (4) die grammatische Struktur von Spalt- und Sperrsätzen. Wir fangen mit den Passivsubjekten an. Aktivische Szenierungen indizieren prototypischerweise eine Handlungs- oder eine Tätigkeitsperspektive.41 M. a. W., in (transitiven) Handlungsätzen wird das Szenario aus der Perspektive des Agens (Handlungssträger), in (intransitiven) Tätig-

36 Strittmatter Bienkopp: 78 37 Frisch Homo: 176 38 Timm Morenga: 137 39 Hein Freund: 83  f. 40 Timm Sommer: 149 41 Die Überlegungen zum Verbalgenus im vorliegenden Kapitel rekapitulieren kurz das in früheren Arbeiten (Ágel 1996, 1996a und 1997) vorgestellte kognitiv-typologisch motivierte Konzept. Mit dem Passiv haben wir uns ausführlich auch in den Kap. III/1.3.3 und Kap. III/2.1.4 beschäftigt.



Satzglieder im engeren Sinne: dynamische Satzglieder 

 627

keitssätzen aus der des Akteurs (Tätigkeitsträger) betrachtet. Handlungssätze sind Agens-zentrierend, Tätigkeitssätze Akteur-zentrierend. Diejenige semantische Rolle, die zentriert ist, wird als Subjekt kodiert: Agenssubjekt: [19] (Temporal- Kurz darauf adverbial öffnet (nominales ein ahnungsloser Torhüter Subjekt) (nominales die Pforte Akkusativobjekt), […]. Akteursubjekt: [30] (nominales Gäste Subjekt) kommen (Herkunfts- aus nah und fern  – Husum etwa und Eckernförde – direktivum), […]. Die Primärfunktion passivischer Umszenierungen ist die Umperspektivierung: der Wechsel aus der Handlungs-/Tätigkeitsperspektive in die Geschehensperspektive, deren Subklassen die Vorgangs- und die Zustandsperspektive sind.42 Entsprechend unterscheidet man Vorgangs- und Zustandspassive. Wie wird aber die Umperspektivierung grammatisch bewältigt? Dadurch, dass (kategorial dynamische) Passivprädikate gebildet werden, wird das Agens bzw. der Akteur dezentriert, d.  h. aus der Subjektposition entfernt. Geschehenssätze (= Vorgangs- und Zustandssätze) dürfen eben keine Agens- und Akteursubjekte enthalten. Das primäre grammatische Merkmal passivischer Umszenierungen ist demnach die Agens/Akteur-Dezentrierung. Die grammatische Anschlussfrage ist, was mit der Subjektposition passiert, nachdem das Agens und der Akteur sie geräumt haben. Es gibt drei Möglichkeiten (Abkürzungen: A=Agens, P=Patiens, R=Rezipient): 1. keine Zentrierung = subjektloses (unpersönliches) Passiv: Im Unterricht wurde aber ohnehin nicht darüber gesprochen. (9) (Hein Freund: 145) ← Im Unterricht sprach (Akteur- man subjekt) aber ohnehin nicht darüber. 2. Zentrierung: (a) Rezipientenzentrierung = Dativpassiv (Rezipientenpassiv): [ditransitiv] (10) Dann […] bekam (R-Vorgangsträger- ich subjekt) (P- ein elektrisches Auto Akkusativobjekt) vorgeführt. (Hein Freund: 55)

42 Um Missverständnissen vorzubeugen: ‚Umszenierung‘, ein zentrales Konzept der vorliegenden Arbeit, das auf der Unterscheidung von statischer und dynamischer Valenz beruht, und ‚Umperspektivierung‘, ein seit Fillmore 1968 vieldiskutiertes Konzept zur Beschreibung ‚verwandter‘ Sachverhaltsdarstellungen, sind theoretisch völlig unabhängige Ansätze. In der Praxis gibt es natürlich Schnittmengen bei denjenigen Phänomenen (wie beim Passiv), die aus der Sicht beider Konzepte beschreibungsrelevant sind. Zu den Konzepten der (Um-)Perspektivierung und der (Um-)Zentrierung und zur einschlägigen Fachliteratur s. Ágel 1997 und Welke 2005.

Passiv(um)perspektiven

628 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

(b) Patienszentrierung = Akkusativpassiv (Patienspassiv): [ditransitiv] (10) Dann […] wurde (R- mir Dativobjekt) (P-Vorgangsträger- ein elektrisches Auto subjekt) vorgeführt. ← Dann führte (A- man Subjekt) (R- mir Dativobjekt) (P- ein elektrisches Auto Akkusativobjekt) vor. [monotransitiv] (10) Dann […] wurde (P-Vorgangsträger- ein elektrisches Auto subjekt) vorgeführt. ← Dann führte (A- man Subjekt) (P- ein elektrisches Auto Akkusativobjekt) vor. In passivisch umperspektivierten Tätigkeitsätzen gibt es keine semantische Rolle, die die Stelle des dezentrierten Akteurs übernehmen könnte, d.  h. zentriert werden könnte. Da die Primärfunktion des Subjekts darin besteht, den zentrierten Szenariobeteiligten zu indizieren, bleiben passivisch umperspektivierte Tätigkeitsätze mangels zentrierbarer semantischer Rollen subjektlos. Das (Um-)Szenario wird mangels Subjekt aus der Perspektive des Geschehens selbst betrachtet, der Fokus liegt also auf dem dynamischen Prädikat. In passivisch umperspektivierten Handlungssätzen gibt es gleich zwei semantische Rollen, die die Stelle des dezentrierten Agens übernehmen können: in monotransitiven Sätzen (mit Akkusativobjekt) das Patiens (= die semantische Rolle des Akkusativobjekts), in ditransitiven Sätzen (mit Akkusativ- und Dativobjekt) das Patiens und der Rezipient (= die semantische Rolle des Dativobjekts). Folglich besteht in monotransitiven Sätzen die Möglichkeit, das Patiens zu zentrieren, d.  h. zum Subjekt zu machen (Akkusativ-/Patienspassiv), und in ditransitiven Sätzen hat man gleich zwei Optionen: Patiens-Zentrierung (Akkusativ-/Patienspassiv) und Rezipient-Zentrierung (Dativ-/Rezipientenpassiv). Die obigen Beispiele illustrieren die Haupttypen des gegenwartsdeutschen Passivsystems. Auf die Nebentypen soll hier nicht eingegangen werden, die folgende Abbildung fasst jedoch alle Typen zusammen:43

43 Das haben-Dativpassiv ist der zustandspassivische Nebentyp des vorgangspassivischen bekom­ men-Dativpassivs, z.  B. Zuckerfreie Kaugummis haben auf der Packung deutlich einen Hinweis aufgedruckt (Werbebroschüre, zit. n. Ágel 1996a). Die gehören-Passive sind subjektlose oder akkusativpassivische Vorgangspassive mit modaler Bedeutung (sog. Modalpassiv), z.  B. Wer über dreißig ist, gehört aufgehängt (Klaus Mann, zit. n. Ágel 1996). Zu beiden Typen s. Eroms 2000: 405  f. und 420.



Satzglieder im engeren Sinne: dynamische Satzglieder 

 629

Abb. 17: Passivtypen im Überblick (nach Ágel 1996)

In Passivsätzen stellt das Subjekt immer ein dynamisches Satzglied dar. Denn die grammatischen Formen von Passivsubjekten repräsentieren eine im Vergleich zur statischen Valenz neue Zuordnung von semantischen zu grammatischen Werten. Wir wiederholen die obigen ditransitiven Sätze nun in der Reihenfolge (a) Aktiv, (b) Akkusativpassiv, (c) Dativpassiv:

Passiv­ subjekte

(10) (a) Dann führte (A- man Subjekt) (R- mir Dativobjekt) (P- ein elektrisches Auto Akkusativobjekt) vor. (b) Dann […] wurde (R- mir Dativobjekt) (P-Vorgangsträger- ein elektrisches Auto subjekt) vorgeführt. (c) Dann […] bekam (R-Vorgangsträger- ich subjekt) (P- ein elektrisches Auto Akkusativobjekt) vorgeführt. Wie erwähnt, liegt in (b) Patiens-Zentrierung, in (c) Rezipient-Zentrierung vor: In (b) wird die Substantivgruppe ein elektrisches Auto, die in (a) Patiens und Akkusativobjekt ist, zentriert, während in (c) der Nominativ ich der Substantivgruppe mir, die in (a) Rezipient und Dativobjekt ist, das dynamische Subjekt darstellt. Denotativ-semantisch würde man annehmen, dass die semantischen Rollen der dynamischen Subjekte unverändert bleiben (Patiens bzw. Rezipient). In einem signi­fikativ-semantischen Rahmen, der in die Statik/Dynamik-Opposition eingebettet ist, muss allerdings davon ausgegangen werden, dass nur statische Satzglieder über statische semantische Rollen verfügen. Die semantischen Rollenwerte dynamischer Satzglieder müssen genauso mit Hilfe der Funktion-Argument-Wert-Formel berechnet werden wie die dynamischen Prädikate und Satzglieder bzw. generell die dynamische Valenz. Wie das geht, wurde in den Kap. I/3.5 und III/1.3.3 bereits angedeutet. Es ist die Art des Passivprädikats, die die Zentrierung bestimmt: Ein Akkusativpassivprädikat lässt sich nur auf das Patiens des Aktivsatzes, ein Dativpassivprä-

dynamische semantische Rollen

630 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

dikat nur auf dessen Rezipienten anwenden. Da Passivprädikate ein Geschehen (Vorgang oder Zustand) szenieren, ergibt die Anwendung der Funktion-ArgumentWert-Formel im Falle der vorgangspassivischen Haupttypen folgendes Bild:44 Akkusativpassivprädikat (Patiens) = P-Vorgangsträger Dativpassivprädikat (Rezipient) = R-Vorgangsträger

der statische Rest

­Grammatik und ­semantische Dynamik

Das Subjekt des Akkusativpassivprädikats ist also ein patientiver Vorgangsträger, das des Dativpassivprädikats ein rezipientiver Vorgangsträger: Beide stellen Vorgangsträger dar, die hinsichtlich der semantischen Form (= der Argumente in der Formel) mit der der statischen semantischen Rollen Patiens und Rezipient identisch sind. Einfacher gesagt: Diejenigen Sprachzeichenkombinationen (wie z.  B. ein+elektrisch+Auto), die als Patientien und Rezipienten im Aktivsatz vorkommen, können auch als P-Vorgangsträger im Akkusativpassivsatz und als R-Vorgangsträger im Dativpassivsatz auftreten. Denotativ-semantisch geht man davon aus, dass die semantischen Rollen Patiens und Rezipient trotz kategorialer Änderung der Funktion im Passiv unverändert bleiben. Signifikativ-semantisch und dynamisch wird hier dagegen davon ausgegangen, dass das Tertium comparationis von Aktiv und Passiv nur die semantische Form (die jeweilige Sprachzeichenkombination) sein kann. Neue (dynamische) Funktionen erzeugen neue (dynamische) Werte auf der Basis alter (statischer) Formen. Bei ditransitiven Sätzen (s. (10a)), d.  h. bei Sätzen mit Dativ- und Akkusativobjekt, bleibt nach der Umszenierung dasjenige Satzglied erhalten, dessen semantische Rolle nicht zentriert wurde: beim Akkusativpassivsatz das Dativobjekt (s. (10b)), beim Dativpassivsatz das Akkusativobjekt (s. (10c)). Im Sinne der Bestimmung der dynamischen Satzglieder (Kap. III/3.2.2) handelt es sich hier jeweils um statische Satzglieder. Ändert sich aber hier signifikativ-semantisch wirklich nichts? Satz (10a) ist doch ein Handlungssatz, während die Sätze (10b) und (10c) Vorgangssätze sind. Müssten nicht auch das Dativobjekt im Akkusativpassivsatz (s. (10b)) und das Akkusativobjekt im Dativpassivsatz (s. (10c)) dynamische semantische Rollen erhalten? Natürlich ließe sich, eine ‚weichere‘ Auffassung über dynamische Satzglieder vorausgesetzt, auch bei diesem ‚Rest‘ von dynamischen Satzgliedern und semantischen Rollen sprechen. Unplausibel wäre es nicht, schließlich führt die Umszenierung, wie erwähnt, zur Änderung der Szenarioklasse (Handlung > Vorgang). Doch die theoretischen Kosten wären höher als der Nutzen. Man müsste erklären können, warum sich die semantischen Werte (Rollen) auch losgelöst von den grammatischen Werten (Satzgliedern) ändern können. Und die Erklärung müsste nicht nur auf Pas-

44 Genauer müsste man von exoaktiven P-/R-Vorgangsträgern sprechen. Diese Präzisierung ist jedoch nur dann relevant, wenn Passivprädikate mit Medialprädikaten, die endoaktive Vorgänge szenieren, kontrastiert werden (Kap. III/1.3.3).



Satzglieder im engeren Sinne: dynamische Satzglieder 

 631

sivprädikate, sondern auf alle dynamischen Prädikate zutreffen. Das Ergebnis wäre genau das, was im Kap. III/3.2.2 (Anm. 9) als ein in Richtung Partizipantenrollen ausuferndes Konzept signifikativ-semantischer Rollen genannt wurde. Doch es ist nicht die theoretische Kosten-Nutzen-Rechnung, die entscheidend ist. Denn aus sprachtypologischer Sicht ist es eine zentrale Frage, wo die sprach­ spezifischen grammatischen ‚Schwellen‘ der dynamischen Satzgliedbildung, d.  h. die Grenzen von statischen und dynamischen Satzgliedern, liegen: Wie intensiv muss die Umszenierung sein, damit ein grammatischer Wert ‚kippt‘, damit also ein semantischer Wert von ‚seinem‘ statischen grammatischen Wert nicht mehr getragen werden kann? Ein (zugegebenermaßen nicht sehr einfaches) Beispiel:45

Statik/ Dynamik und Sprach­ vergleich

(11) The maid would see that her bed hadn’t been slept in. (Chandler good-bye: 27) (a) Nobody had slept in her bed. (b) Her bed hadn’t been slept in. (12) Die Magd sah, dass in ihrem Bett nicht geschlafen wurde (/ dass ihr Bett unberührt war). (a) Niemand schlief in ihrem Bett. (b) In ihrem Bett wurde nicht geschlafen. Man sieht, dass die grammatische ‚Passivsubjekt-Schwelle‘ im Englischen sehr niedrig ist: Die lokaladverbiale Präpositionalgruppe des Aktivsatzes (in her bed) wird in eine Substantivgruppe und eine gestrandete Präposition aufgespalten, und die Substantivgruppe wird zum dynamischen Subjekt des Passivsatzes. Im Deutschen dagegen bleibt die lokaladverbiale Präpositionalgruppe des Aktivsatzes (in ihrem Bett) im Passivsatz als statisches Satzglied erhalten. Folglich ist hier – im Gegensatz zum Englischen – nur subjektloses Passiv möglich. Kommen wir noch einmal zurück zu den deutschen Passivsätzen: Signifikativsemantisch ist das Dativobjekt im Akkusativpassivsatz (s. (10b)) ein Vorgangsrezipient und das Akkusativobjekt im Dativpassivsatz (s. (10c) ein Vorgangspatiens. Das sind aber keine dynamischen semantischen Rollen, sondern die signifikativsemantischen Änderungen finden im Rahmen derselben statischen Satzgliedwerte, unterhalb des sprachspezifischen grammatischen ‚Schwellenwerts‘ für rezipientund Patiens-Dynamik statt. Der praktische Nutzen dieser ‚strengeren‘ Auffassung dynamischer semantischer Rollen liegt auf der Hand: sanfter Anschluss an die traditionelle Satzgliedlehre und 45 Zu ‚Schwellenformen‘ des englischen Passivs s. etwa Bolinger 1975, Rice 1987 und Dixon 1991: 298  ff. Bei einer komplexen Erklärung des englischen Passivs muss eine Reihe von Faktoren berücksichtigt werden wie z.  B. Informationsstruktur, sprachspezifische (In-)Transitivierungstechniken, marginale Nominalflexion, preposition stranding (s. den Chandler-Beleg), weitgehend identische Kodierung von Adverb und Präposition, feste Wortstellung, semantische Kongruenz zwischen Verb und Objekt, keine affizierenden Präfigierungsmuster wie im Deutschen.

noch einmal: der statische Rest

praktischer Nutzen

632 

konstruk­ tionelle Um­ szenierungen mit Passiv

Passiv als konstruk­ tioneller Wert

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

keine schwer handhabbaren Kriterien für die Abgrenzung von statischen und dynamischen Satzgliedern. Die bisherigen (deutschen) Beispiele waren gewöhnliche Passivierungen. Doch in Texten kommen auch tatsächliche oder vermeintliche Passivsätze vor, deren theo­ retische Einordnung sich nicht mit Etiketten wie ‚Sonderformen‘ oder ‚Ad-hoc-Passivierungen‘ erledigen lässt. Diese Problemfälle sollen abschließend beim Thema ‚Passiv und Passivsubjekte‘ behandelt werden. Ich unterscheide im Sinne der Funktion-Argument-Wert-Formel zwei Typen (zum Nachfolgenden s. Ágel 2015b: 78  ff.): 1) Passiv als konstruktioneller Wert, 2) Passiv als konstruktionelles Argument. Wir Vertriebene sind jetzt mehr, als wir damals waren, als wir gekommen wurden. (Hildebrandt achtzig: 30) (a) *(A- Man Subjekt) kam (P- uns Vertriebene Akkusativobjekt). (b) Wir Vertriebene subjekt) wurden gekommen. (Akteur-Vorgangsträger← Wir Vertriebene subjekt) sind gekommen. (Akteur(13)

Diese Sorte von Wortspiel – eigentlich: Grammatikspiel – ist sehr wohl bekannt und gilt nicht mehr als sonderlich kreativ, man denke an Sätze wie X ist zurückgetreten/ gegangen worden. Entscheidend ist, dass hier gar keine Ad-hoc-Passivierung vorliegt. Es geht also nicht darum, dass die Regeln der Passivbildung auf ein statisches Prädikat angewandt worden wären, das nicht oder nur peripher passivfähig ist. Denn es gibt hier gar keinen zugrunde liegenden Aktivsatz, der passiviert werden könnte (s. (13a)). Der zugrunde liegende Satz ist vielmehr ein Aktivsatz mit sein-Perfekt. Was hier dynamisch ausgenutzt wird, ist einerseits, dass sowohl Perfekt- als auch Passivprädikate ein Partizip II (gekommen) brauchen, andererseits, dass im Deutschen sowohl das Perfekt als auch das Passiv analytisch, d.  h. mit Hilfsverben, gebildet werden. Es handelt sich also um eine konstruktionelle Umszenierung auf der Grundlage eines Aktivprädikats mit sein-Perfekt (Argument). Indem das Passivhilfsverb (Funktion) auf dieses angewandt wird, entsteht als Wert ein konstruktionell (nicht kategorial!) dynamisches Akkusativpassivprädikat: Passivhilfsverb werden (Aktivprädikat mit sein-Perfekt) = Akkusativpassivprädikat Passiv als konstruktio­ nelles ­Argument

Den anderen Typus exemplifiziert der folgende Beleg: (14) Ich fühlte mich von ihm benutzt. (Hein Freund: 104  f.) (a) Er benutzt (hat) mich (benutzt). (b) Ich bin von ihm benutzt (worden).



Satzglieder im engeren Sinne: dynamische Satzglieder 

 633

Das ist ein theoretisch besonders brisanter Typus, der sich im Rahmen herkömmlicher (= rein statischer) Ansätze egal welcher Couleur m.  E. nicht beschreiben lässt. Rein statisch müsste man hier von ‚Sonderformen‘ des Zustandspassivs sprechen, wobei allerdings das Passivsubjekt denotativ-semantisch nicht Patiens, sondern Agens wäre, was aber ein (statisch) unauflösbarer theoretischer Widerspruch ist.46 Außerdem beschränkt sich die Zahl der möglichen ‚Sonderformen‘ nicht nur auf fühlen, sondern es gibt eine ganze Reihe von Wahrnehmungs- und Wissensverben (kurz: WW-Prädikate), die die Konstruktion nutzen: (15)

Ich glaubte/wusste/wähnte/spürte/sah/empfand (usw.) mich von ihm benutzt.

Was hier vorliegt, ist eine konstruktionelle ‚Reaktivierung‘ der Akkusativpassivstruktur (als Argument). Das Ergebnis (der Wert) ist eine Sorte von dynamischem Prädikat, die in einer rein statischen Theorie ausgeschlossen wäre, nämlich ein Aktivprädikat mit Akkusativpassivstruktur: WW-Prädikat im Aktiv (Akkusativpassiv) = Aktivprädikat mit Akkusativ­ passivstruktur Wir wenden uns nun unserem zweiten Subjekt-Thema, dem Imperativsubjekt, zu. Im Kap. III/2.2.3 wurden die Begriffe ‚Makro-/Mikro-Satzglied‘ – am Beispiel der Makro-/Mikro-Direktiva – eingeführt, im Kap. III/3.1.4 die Begriffe ‚Makro-/ Mikrosubjekt‘.47 Die Grundidee soll an der folgenden Gegenüberstellung von Italienisch und Deutsch rekapituliert werden: (16) (a) Cerco una casa. (b) Io cerco una casa. (17) (a) Ich suche eine Wohnung. ICH suche eine Wohnung. (b)

[struktureller Normalfall] [Emphase] [struktureller Normalfall] [Emphase]

In den (a)-Sätzen geht es um die Realisierung der transitiven Grundstruktur ohne lexikalische Subjektrealisierung. Die Sätze bezeichnen dasselbe. Allerdings gibt es einen sehr deutlichen Unterschied. Obwohl das Subjekt keine Lexemwörter enthält, muss es im Deutschen pronominal realisiert werden (Ich), während im Italienischen die Verbform (Cerco) ausreicht.48 Im Italienischen stellt folglich die Verbform sowohl 46 Der denotativ-semantische Widerspruch bleibt bestehen, auch wenn man dem Partizip II eine genuin konverse Argumentstruktur zuschreibt (IDS-Grammatik 1997/2: 1353  ff.) und wenn von ihm benutzt als Prädikativ aufgefasst würde. 47 Zur einschlägigen Literatur Kap. III/2.2.3. 48 Die Unterscheidung von Lexem- und Kategoremwörtern geht auf Coseriu (1972/1987: 87  f.) zurück: Erstere sind Wörter, „die die außersprachliche Wirklichkeit gestalten und darstellen“, Letztere sind

Imperativ­ subjekt Mikro- und Makro­ subjekte

634 

Mikro- und Makrosubjekt im Imperativ

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

das Prädikat als auch das Subjekt des Satzes dar. Wenn die Subjektrealisierung in der Verbform inkludiert ist (Italienisch), spricht man vom Mikrosubjekt, andernfalls (Deutsch) vom Makrosubjekt.49 In den (b)-Sätzen geht es nicht mehr um den strukturellen Normalfall, d.  h. um grammatisch unauffällige Valenzrealisierungen, sondern um die emphatische Realisierung des Subjekts. Da das Italienische für den strukturellen Normalfall die pronominale Makrorealisierung noch nicht ‚verbraucht‘, kann es sie für den markierten Fall (Emphase) nutzen. Das Deutsche hat jedoch nicht mehr die Option einer MikroMakro-Opposition, folglich greift es zum Hervorhebungsakzent (ICH), um den semantischen Kontrast zu indizieren.50 Vergleichen wir nun die strukturell normale und die emphatische Subjektrealisierung des Italienischen mit der strukturell normalen und der emphatischen Subjektrealisierung im deutschen Imperativ: (18) (a) (b)

Suche eine Wohnung! Suche du eine Wohnung!

[struktureller Normalfall] [Emphase]

Im Imperativ hat man im Deutschen ‚italienische Verhältnisse‘: im strukturellen Normalfall Mikrorealisierung des Subjekts, d.  h. die Verbform enthält Prädikat wie Subjekt, im emphatischen Fall pronominale Makrorealisierung. Kategoriale Dynamik äußert sich beim Passiv in analytischen Prädikaten, beim Imperativ in einem Prädikat, das das Subjekt inkludiert.51

welche, „die nur die Form der Gestaltung des Außersprachlichen aufweisen (die also substantivisch, adjektivisch usw. funktionieren), jedoch keinen bestimmten außersprachlichen Stoff darstellen […].“ Wie in mehreren Kapiteln betont (etwa Kap. III/3.1.4), fasse ich mit Coseriu sog. Pronomina nicht als Pronominalisierungen von Substantiven auf, sondern umgekehrt als Primärformen, eben als Kategoremwörter. 49 Wie im Kap. III/3.1.4 ausgeführt, ist der deutsche Typus (mit pronominalem Makrosubjekt) typologisch gesehen deutlich in Unterzahl. 50 Das Subjekt ICH ist dynamisch, es ist formal (prosodisch) im Vergleich zum statischen ich neu. 51 Zur emphatischen und imperativischen Subjektrealisierung s. detaillierter etwa Ágel 2000: 225  ff. Ein (bisher ‚unentdecktes‘) Argument für imperativische Mikrovalenz sind Medial- und Reflexivverben, deren sich ein Antezedens braucht. Nach Gisela Zifonun (2003: 10, Anm.  2) „muss im Imperativ (Wash yourself) kein Antezedens realisiert sein.“ Somit erscheint der Imperativ aus der Sicht derjenigen Theorien, die nur mit Makro-Satzgliedern rechnen, unter den finiten Verbformen als die Ausnahme. Wenn man dagegen davon ausgeht, dass die imperativische Verbform auch das Mikrosubjekt enthält, bleibt das sich nicht ohne Antezedens, es gibt keine Ausnahme mehr. Ein anderer Punkt: Klaus Fischer moniert zu Recht, dass der Fall der Mikro-/Makro-Direktiva zu dem der Mikro-/ Makrosubjekte nicht ganz parallel sei, da die pronominale Makrorealisierung von Direktiva (Typ: X montiert das Rad daran/an ihn an) nicht unbedingt emphatisch ist (Fischer 2003: 49  f.). Das mag damit zusammenhängen, dass das Mikro-Direktivum ein segmentierbarer Bestandteil der Verbform ist und deshalb bereits als Mikroform emphatisch verwendbar ist: X hat das Rad nicht AN-, sondern ABmontiert. So bleiben die pronominalen Makro-Direktiva, die zusätzlich zu den Mikro-Direktiva



Satzglieder im engeren Sinne: dynamische Satzglieder 

 635

Da die Verbform sowohl das Prädikat als auch das Subjekt enthält, bereiten Mikro­subjekte ein darstellungstechnisches Problem. Obwohl man sich in der Fach­ literatur darüber einig ist, dass es das Verbflexiv ist, das die mikrovalenzielle Information trägt, wäre eine entsprechende Darstellung schwerfällig:52

ein ­technisches Problem

(18a) Such(Mikro- e subjekt) eine Wohnung! Deshalb wird auf die Notierung des Mikrosubjekts verzichtet. Das dritte Subjekt-Thema sind konstruktionell dynamische Mikrosubjekte. Betrachten wir die folgenden Beispiele: (19) (20) (21)

Ging nach der Arbeit allein mit dem Hunde den umgekehrten Waldweg spazieren. (Mann Tagebücher: 179) Geht/läuft/funktioniert/klappt doch! Soll vorkommen / Kann nicht sein / Wird schon stimmen. (Beispielreihen n. Eroms 2010: 30  f.)

Mikrorealisierung des Subjekts lässt sich im Deutschen auch unter besonderen Diskursbedingungen beobachten (Ágel 2000: 226  f.). In den Beispielen sind diese einerseits die Textsorte ‚Tagebuch‘, andererseits verbgruppenspezifische Mikrorealisierungsnischen (Eroms 2010: 29  ff.). Es handelt sich hier im Gegensatz zum kategorial dynamischen Imperativsubjekt um konstruktionell dynamische Mikrosubjekte, die Reduktionen der strukturell normalen Makrorealisierungen darstellen. Das vierte und letzte Subjekt-Thema ist die grammatische Struktur von Spaltund Sperrsätzen. Wir gehen relativ ausführlich auf die Spaltsätze (Cleft-Sätze) ein.53 Anschliessend werden die Sperrsätze (Pseudocleft-Sätze) nur kurz angesprochen. „Fokuskonstruktionen werden überwiegend, aber nicht ausschließlich, zur Kontras­tierung benutzt, ihre Diskursfunktion ist Korrektur.“ (Fischer 2012: 140).54

realisiert werden können, für textkohäsive – deiktische oder phorische – Aufgaben übrig. Dagegen müssen die pronominalen Subjektrealisierungen im Italienischen und im deutschen Imperativ beide Aufgaben – Emphatisierung und Textkohäsionsbildung – übernehmen. 52 Ganz zu schweigen davon, dass das Schwa auch apokopiert werden, d.  h. wegfallen, kann: Such (dir) eine Wohnung! 53 Die nachfolgende Vorstellung der Fokuskonstruktionen und Spaltsätze orientiert sich an Fischer 2012. Zum Verhältnis von Valenz und Fokuskonstruktionen s. Fischer 2015. Was die prosodischen Verhältnisse in Fokuskonstruktionen anbelangt, ist es fragwürdig, ob es eine prosodische Kategorie ‚Kontrastakzent‘ (Steube/Sudhoff 2010: 17  ff.) gibt. Was es mit Sicherheit gibt, ist die prosodische Kategorie ‚Hervorhebungsakzent‘ (Kehrein 2002), die in bestimmten grammatischen Kontexten den semantischen Wert ‚Kontrast‘, den pragmatischen Wert ‚Korrektur‘ und auch andere Werte erhalten kann (s. auch Ágel/Kehrein 2013). 54 Die IDS-Grammatik (1997/1: 231 und 528) spricht treffend von „Thematisierungsfunktion“ und „kommunikativer Gewichtung“.

konstruktionell dynamische Mikro­ subjekte

Spalt- und Sperrsätze Fokus­ konstruktionen und Spaltsätze (Cleft-Sätze)

636 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Betrachten wir die folgenden Gruppen von Fokuskonstruktionen nach Fischer (2012: 140  f.), die jeweils nach zunehmendem grammatischen Aufwand der Fokus­ kodierung angeordnet sind (Großschreibung der gesamten Silbe = Hervorhebungs­ akzent; Abkürzungen: HA = Hervorhebungsakzent, MW = markierte Wortstellung, FP = Fokuspartikel):55 1. Fokuskonstruktionen ≠ Spaltsätze: (22) (a) Der FiNANZminister fordert Sparmaßnahmen. (b) Sparmaßnahmen fordert der FiNANZminister. (c) Wenigstens der FiNANZminister fordert Sparmaßnahmen. 2. Fokuskonstruktionen = Spaltsätze:56 (22) (d) Es ist der FiNANZminister, der Sparmaßnahmen fordert. (e) Der FiNANZminister ist es, der Sparmaßnahmen fordert. (f) Nur der FiNANZminister ist es, der Sparmaßnahmen fordert.

syntaktische Besonder­ heiten

[HA] [HA+MW] [HA+MW+FP]

[HA] [HA+MW] [HA+MW+FP]

Die Sätze (22a) bis (22c) illustrieren, dass es auch ohne Spaltsatzbildung diverse Möglichkeiten der Fokuskodierung gibt: Hervorhebungsakzent alleine oder kombiniert mit inverser Wortstellung und Fokuspartikel. In den Sätzen (22d) bis (22  f ) kommt zu diesen Optionen die Spaltsatzkonstruktion hinzu. Was Spaltsätze syntaktisch auffällig macht, sind folgende Merkmale: 1) Die sog. Fokuskonstituente – in den Beispielen die Substantivgruppe der FiNANZ­ minister  – bildet keine Wortgruppe mit dem Spaltsatz-Relativnebensatz (bei Fischer (2012: 145): „Spaltsatz-Relativsatz“), obwohl sie mit ihm (in Genus und Numerus) kongruiert. Man vergleiche (22d) mit (23), wo ein prototypischer Relativnebensatz (als Attribut) vorliegt: (23) Hier ist/kommt (nominales der Finanzminister, der Sparmaßnahmen fordert subjekt). 2) Das es ist im Gegensatz zu zahlreichen Vorkommen des Nominalkorrelats es obligatorisch (Fischer 2009).57

55 Die Hervorhebungsakzente stammen von Klaus Fischer. Dass sie, wie allgemein angenommen, in Fokuskonstruktionen obligatorisch sind, halte ich für unwahrscheinlich, und dies gilt insbesondere für Spaltsätze. Grammatiker neigen dazu, vom Text isolierte Kontraststrukturen introspektiv mit Hervorhebungsakzenten zu versehen. Das Beispiel der sog. Koordinationsellipsen, d.  h. der virtuellen Sätze (Kap. II/2.4), hat jedoch gezeigt, dass der vielfach angenommene prosodische Sonderstatus empirisch nicht nachweisbar ist (Ágel/Kehrein 2013). 56 Die grammatische Struktur wird an dieser Stelle noch nicht markiert, um den Lösungsvorschlag nicht vorwegzunehmen. 57 Zu Korrelatverbindungen Kap. III/3.1.7.



Satzglieder im engeren Sinne: dynamische Satzglieder 

 637

3) Das es verweist kataphorisch auf den Spaltsatz-Relativnebensatz, obwohl das Standard-Nominalkorrelat es auf keine durch d-Relativpronomina eingeleiteten Relativnebensätze verweist. 4) Die Kopula sein kongruiert bezüglich Numerus mit der Fokuskonstituente: (22d’) Es sind die FiNANZminister, die Sparmaßnahmen fordern. Bei Spaltsätzen ließe sich demnach von einer doppelten Spaltung sprechen: Einerseits ist der Spaltsatz-Relativnebensatz ‚abgespalten‘ von der Fokuskonstituente, mit der er kongruiert, d.  h., die beiden bilden keine Wortgruppe. Andererseits entsteht auf diese Weise ein formal recht ungewöhnliches gespaltenes Satzglied ‚es+SpaltsatzRelativnebensatz‘. Es ist also das folgende grammatische Rätsel, das gelöst werden muss:58 (22d)

(gespal-

Es te-) ist (?? der Finanzminister ??), (nes der Sparmaßnahmen fordert ??).

Die Mehrheitsmeinung in der Fachliteratur ist (nach Fischer 2012), dass die Fokuskonstituente ein Prädikativ ist. Das ist aus unterschiedlichen Gründen überraschend: Erstens deshalb, weil, wie gezeigt, die Fokuskonstituente mit dem Verb kongruiert. Prototypischerweise kongruiert ja das Subjekt mit dem Verb und nicht das Prädikativ. Wenn man die Fokuskonstituente als Prädikativ auffasst, muss man also gute Argumente haben, die die Kongruenzregel überschreiben. Zweitens zeigen Subjekt- und Prädikativ-Tests, dass sich die Fokuskonstituente wie ein Subjekt und nicht wie ein Prädikativ verhält:59 Subjekt-Tests (Frage- und Ersatzprobe): → Wer ist es, der Sparmaßnahmen fordert? → Er ist es, der Sparmaßnahmen fordert? Prädikativ-Tests (Frage- und Ersatzprobe): → *Was ist es, der Sparmaßnahmen fordert? → *Es ist es, der Sparmaßnahmen fordert? Das sind zusammen mit dem Kongruenzargument mindestens drei grammatische Argumente für den Subjektstatus der Fokuskonstituente. Wenn man auch die Gegenproben dazu zählt, dann sind es sechs.60

58 In diesem Spaltsatz ist ja das folgende grammatische Rätsel die Fokuskonstituente. Gibt es auf einer der Silben dieser Substantivgruppe einen obligatorischen Hervorhebungsakzent? Ich werde im Folgenden die Fokuskonstituenten ohne Hervorhebungsakzent schreiben, um diese offene empirische Frage tatsächlich offen zu lassen. 59 S. auch Zifonun 2001: 124 (Anm. 37). Die für die Ersatzprobe einschlägige Leitform des Prädikativs ist es (IDS-Grammatik 1997/2: 1076). 60 Auch Ulrich Engel (1988: 298) ist der Auffassung, dass die Fokuskonstituente das Subjekt darstellt. Allerdings nennt er keine Argumente.

doppelte Spaltung

grammatisches Rätsel Tests

638 

Zielsatzglied

Drittens stellt die Fokuskonstituente ein dynamisches Zielsatzglied (= (b)-Sätze) für alle Typen von zugrunde liegenden statischen Ausgangsobjekten und das statische Ausgangssubjekt (= (a)-Sätze) dar: (22) (a) (b1) (b2) (24) (a) (b1) (b2) (25) (a) (b1) (b2) (b3)

Referenz

Referenz und Anaphorik

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Der Finanzminister Subjekt) fordert (nominales Sparmaßnahmen Akkusativobjekt). Es ist der Finanzminister, der Sparmaßnahmen fordert. Es sind Sparmaßnahmen, die der Finanzminister fordert.

(nominales

Der Finanzminister Subjekt) denkt (nominales über Sparmaßnahmen Präpositionalobnach. jekt) Es ist der Finanzminister, der über Sparmaßnahmen nachdenkt. Es sind Sparmaßnahmen, über die der Finanzminister nachdenkt. (nominales

Der Finanzminister Subjekt) teilt (nominales der Presse Dativobjekt) (nominales die Sparmaßnahmen Akkusativobjekt) mit. Es ist der Finanzminister, der der Presse die Sparmaßnahmen mitteilt. Es sind Sparmaßnahmen, die der Finanzminister der Presse mitteilt. Es ist die Presse, der der Finanzminister die Sparmaßnahmen mitteilt.

(nominales

Das Prädikativ gilt als nichtreferentiell, d.  h., es nimmt keinen „Bezug auf Dinge und andere nominal benennbare Entitäten“ (Eisenberg 2006/2: 11). Fischer (2012: 146) spricht in Bezug auf die Fokuskonstituente, die er als Prädikativ einordnet, von geleiteter Referenz, der primäre Referenzträger sei also das es, das Fischer als Subjekt einordnet. Wenn man nun den skizzierten Zusammenhang zwischen (a)- und (b)-Sätzen akzeptiert, dann müssten Spaltsätze als Sätze des systematischen Referenzverlusts beschrieben werden: Die statischen Objekte und das statische Subjekt sind referentiell, das Zielsatzglied nicht mehr. Viertens ist es in Texten die Fokuskonstituente (und nicht das es), die anaphorisch (= ⇐) oder durch Wiederaufnahme (= ←) auf einen Referenzträger verweist (der Nelke ⇐ sie; Scotty ← Scotty): (26) (a)

Dieser Tag steht im Zeichen der Nelke. ⇐ Sie hat Grünau im Land bekannt und auch wohlhabend gemacht. (b) […] das Erscheinen der Landesbühne werde von allen als Ehre betrachtet, obwohl dieser Tag im Zeichen der Nelke stehe – ⇐ sie ist es, die Grünau im Land bekannt und […] auch wohlhabend gemacht hat. (Lenz Landesbühne: 33)



(27) (a)

(b)



Satzglieder im engeren Sinne: dynamische Satzglieder 

 639

Die verräterische Rolle, die Hendrik spielte, ist nicht zum wenigsten auf Scottys Einwirkungen zurückzuführen. ← Scotty besorgte den Verkauf des von den erschlagenen Farmern geraubten Viehs. Die verräterische Rolle, die Hendrik spielte, ist nicht zum wenigsten auf Scottys Einwirkungen zurückzuführen. ← Scotty war es auch, der den Verkauf des von den erschlagenen Farmern geraubten Viehs besorgte […]. (Timm Morenga: 257)

Fünftens ist die Fokuskonstituente thematisch, was für Prädikative nicht gilt. Die unproblematische Fokussierbarkeit des Themas dürfte mit Referentialität zusammenhängen. Dies könnte der Grund dafür sein, dass in zweifelsfreien Prädikativsätzen der sog. Intensifikator selbst nur auf das Subjekt angewandt werden kann:61

der Intensifikator selbst

(28) Peter ist Lehrer. Peter selbst ist Lehrer → → *Peter ist Lehrer selbst. (29) Peter ist ein guter Lehrer. Peter selbst ist ein guter Lehrer. → → *Peter ist ein guter Lehrer selbst. Dasselbe gilt für Spaltsätze: (30) → →

Im Grunde war es Hanna selbst, die damals nicht heiraten wollte. (Frisch Homo: 39) *Es selbst war im Grunde Hanna, die damals nicht heiraten wollte. *Im Grunde war Hanna es selbst, die damals nicht heiraten wollte.

Sechstens und letztens erinnern Spaltsätze sehr stark an sog. spezifizierende und identifizierende Prädikativsätze (Kap. III/2.1.4, Beispiele ebd.): (31) (a) (b) (32) (a) (b)

(Die) Ursache des Unfalls waren defekte Bremsen. [Spezifikation] Es waren defekte Bremsen. [Ersatz des Prädikativs durch die Leitform es] Defekte Bremsen waren (die) Ursache des Unfalls. [Identifikation] Defekte Bremsen waren es. [Ersatz des Prädikativs durch die Leitform es]

Spaltsätze stellen eine Art Kombi-Spezifikation und Kombi-Identifikation dar, indem die prädikativische Leitform es und die prädikativische Vollform (= Prädikativ in

61 Der Intensifikator selbst wurde im Kap. III/2.1.3 (Anm. 71) im Zusammenhang mit Reflexivität (Typ: Sie kämmt sich selbst) erwähnt. Es ist unumstritten, dass er Referentialität generiert. Schwieriger ist die Frage zu beantworten, ob er – nachgestellt – eine Fokuspartikel ist. Vorangestellt ist er es zweifelsfrei: Sie kämmt selbst sich.

prädikative Verwandtschaft

640 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

den (a)-Sätzen) kombiniert werden und die prädikative Leitform als kataphorischer Verweis auf die prädikative Vollform verwendet wird: (31a+b) Es waren defekte Bremsen, die (die) Ursache des Unfalls waren. (32a+b) Defekte Bremsen waren es, die (die) Ursache des Unfalls waren. Spaltsatz­ subjekt

Das Besondere an Spaltsätzen ist diese prädikative Kombi-Struktur, deren (dynamisches) Prädikat ich Kombi-Prädikativprädikat nenne, gepaart mit einem (dynamischen) Subjekt (= Fokuskonstituente), das einen einheitlichen Ziel(satzglied)wert für diverse Typen von Szenariobeteiligten darstellt.62 Im Sinne der Funktion-Argument-Wert-Formel lässt sich das konstruktionell dynamische Spaltsatzsubjekt wie folgt herleiten: Kombi-Prädikativprädikat (statische(s) Subjekt/Objekte) = Spaltsatzsubjekt

grammatische Struktur

Wir können nun die bisher fehlende Markierung der grammatischen Struktur von Spaltsätzen ergänzen: (22) (a) (b1) (b2) (24) (a) (b1) (b2) (25) (a) (b1) (b2) (b3)

Der Finanzminister Subjekt) fordert (nominales Sparmaßnahmen Akkusativobjekt). Es ist (Spaltsatz- der Finanzminister subjekt), der Sparmaßnahmen fordert. Es sind (Spaltsatz- Sparmaßnahmen subjekt), die der Finanzminister fordert.

(nominales

Der Finanzminister Subjekt) denkt (nominales über Sparmaßnahmen Präpositionalobnach. jekt) Es ist (Spaltsatz- der Finanzminister subjekt), der über Sparmaßnahmen nachdenkt. Es sind (Spaltsatz- Sparmaßnahmen subjekt), über die der Finanzminister nachdenkt. (nominales

Der Finanzminister Subjekt) teilt (nominales der Presse Dativobjekt) (nominales die Sparmaßnahmen Akkusativobjekt) mit. Es ist (Spaltsatz- der Finanzminister subjekt), der der Presse die Sparmaßnahmen mitteilt. Es sind (Spaltsatz- die Sparmaßnahmen subjekt), die der Finanzminister der Presse mitteilt. Es ist (Spaltsatz- die Presse subjekt), der der Finanzminister die Sparmaßnahmen mitteilt. (nominales

62 Erinnert sei daran, dass in der vorliegenden Arbeit das Prädikat von statischen Kopulasätzen Prädikativgefüge, das von dynamischen Prädikativprädikat (= Prädikativkonstruktionsträger) genannt wird (Kap. III/2.1.4 und III/2.2.3). Konsequenterweise müsste man nicht von Spaltsatzsubjekt, sondern von Prädikativsubjekt sprechen, aber dieser Name erscheint mir nicht sehr transparent.



Satzglieder im engeren Sinne: dynamische Satzglieder 

 641

Sperrsätze lassen sich gewissermaßen als ‚Entspaltungen‘ (Sperrungen) von Spaltsätzen auffassen: Das gespaltene Prädikativprädikat (es+d-Spaltsatz-Relativnebensatz) erscheint als ungespaltener w-Sperrsatz-Relativnebensatz:

Sperrsätze (PseudocleftSätze)

(33) (a) Lediglich (nominales ihr Kunstbedürfnis, ihre Manie, alles anzuschauen Subjekt) macht (nominales mir Dativobjekt). Mühe. (b) Was mir Mühe macht, war lediglich (Sperrsatz- ihr Kunstbedürfnis, ihre Manie, alles anzuschauen subjekt). (Frisch Homo: 132) (34) (a) Herbert Subjekt) ertrug (nominales die Zopilote Akkusativobjekt) nicht. (nominales (b) Was Herbert nicht ertrug, waren (Sperrsatz- die Zopilote subjekt) […]. (Frisch Homo: 60) (35) (a) Hitler Subjekt) übersah (nominales die Tatsache, daß die tiefen ideologischen (nominales Gegensätze zwischen den Angelsachsen und den Russen nicht zum Austrag, schon gar nicht zum kriegerischen Austrag kommen konnten, solange Deutschland […] gewissermaßen als Isolierschicht zwischen ihnen stand Akkusativobjekt). (b) Was Hitler übersah, war (Sperrsatz- die Tatsache, daß die tiefen ideologischen Gegensätze zwischen den Angelsachsen und den Russen nicht zum Austrag, schon gar nicht zum kriegerischen Austrag kommen konnten, solange Deutschland […] gewissermaßen als Isolierschicht zwischen ihnen stand subjekt). (Haffner Bismarck: 299) Folgende drei Akkusativobjekt-Themen sollen behandelt werden: (1) inneres Objekt, (2) äußeres Objekt und (3) Idiom-Akkusativobjekt.

Akkusativ­ objekt

Das sog. innere Objekt (auch: kognates Objekt, Akkusativ des Inhalts), „das lexikalisch die Bedeutung des übergeordneten Verbs wiederaufnimmt, meist sogar mit identischem Wortstamm“ (IDS-Grammatik 1997/2: 1086), kommt in den folgenden Belegen vor (das Leben leben, ihr sympathisches Lächeln lächeln bzw. eines natür­ lichen Todes sterben):63

inneres Objekt

(36)

[…] und zu dem Leben, wie er es leben wollte, gehörte auch, daß […]. (Timm Morenga: 202)

63 Im Timm-Beleg ist das innere Akkusativobjekt (pronominalisiert) im Nebensatz, im Haas-Beleg ist es Bestandteil der nachgestellten Redeanzeige (Kap. III/4.3).

642 

(37) (38) das Abgrenzungs­ problem Nur Akkusativ­ objekte?

«Die Musik scheint Sie ja nicht gerade zu fesseln», hat sie ihr sympathisches Lächeln gelächelt. (Haas Silentium: 72) Die Tiere würden immer älter und zäher und stürben schließlich (inneres eines natürlichen Todes Genitivobjekt). (Timm Morenga: 137)

Die oben zitierte Definition der IDS-Grammatik lässt den Begriffsumfang des inneren Objekts offen. Einerseits stellt sich die Frage, ob sich das Phänomen auf Akkusativobjekte einschränken lässt, andererseits, ob nur zweifelsfreie intransitive Verben innere Objekte haben können. Die Einschränkung auf Akkusativobjekte muss nicht wegen des unikalen inneren Genitivobjekts (eines Todes) bei sterben hinterfragt werden, denn hier ist die Verbindung von Verb und Genitivobjekt idiomatisch.64 Sie ist deshalb zu diskutieren, weil es auch definitionskonforme Verbindungen von Verb und Instrumentaladverbial gibt (Winkler 2009: 137  ff., Engelberg/König/Proost/Winkler 2011: 90  f.): (39)

Nur intran­ sitive Verben?

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Mit der Kettensäge adverbial) sägt der Kollege […] handliche Stücke […]. (St. Galler Tagblatt, 03. 05. 2000, zit. n. Winkler 2009: 139)

(Instrumental-

Traditionell(er) geht man davon aus, dass nur (zweifelsfreie) intransitive Verben innere Objekte haben können. Entsprechend wird die Setzung von inneren Objekten von genuin intransitiven Verben als Valenzerhöhung/Transitivierung aufgefasst.65 Weniger traditionell spricht man auch bei der transitiven Verwendung von Verben wie tanzen, spielen und singen von (untypischen) inneren Objekten.66 Man vergleiche z.  B. (40) Wir tanzen Cha Cha Cha, Rumba und Jive (lateinamerikanische Tänze), außerdem Langsamen Walzer, Tango und Quick Step (Standardtänze). (Nürnberger Nachrichten, 04. 08. 2001, zit. n. Engelberg/König/Proost/Winkler 2011: 90) Von Edeltraud Winkler (2009: 142) wird, wenn auch mit deutlicher Skepsis, sogar erwogen, das (effizierte) ‚fakultative‘ Akkusativobjekt bei eindeutig transitiven Verben vom Typ ein Gemälde malen oder ein Gebäude bauen zu den inneren Objekten zu rechnen.

64 Eine alternative Analyse des Timm-Belegs wäre also, die Substantivgruppe eines natürlichen Todes zum Prädikat zu rechnen. Dies hätte allerdings den Nachteil, dass die offensichtliche Verwandtschaft mit anderen inneren Objekten, darunter auch zu dem inneren Akkusativobjekt (einen natürlichen Tod) bei demselben Verb (sterben) gekappt wäre. 65 Vgl. Shima 2006 und 2010 bzw. Welke 2011: 214. 66 Vgl. Winkler 2009: 139  ff. und Engelberg/König/Proost/Winkler 2011: 90.



Satzglieder im engeren Sinne: dynamische Satzglieder 

 643

Solche Erwägungen sind keinesfalls abwegig, aber sie zeigen, dass hier tatsächlich ein akutes Abgrenzungsproblem vorliegt. Denn wo liegt der relevante Unterschied zwischen einen Walzer tanzen und eine Suppe essen? In beiden Fällen indizieren die Akkusativobjekte eine Subklasse dessen, was das Verb vorwegnimmt (eine Art Tanz bzw. eine Art Lebensmittel).67 Und gibt es einen relevanten grammatischsemantischen Unterschied zwischen ein Gebäude bauen und ein Gebäude errichten?68 Das Zwischenfazit ist, dass man sich ‚mit kleinen Schritten‘ immer weiter vom (zweifelsfrei) intransitiven Prototyp entfernen und irgendwann beim (zweifelsfrei) transitiven Prototyp mit (zweifelsfrei) normalem Akkusativobjekt ankommen kann. Wenn diese Diagnose stimmt, kann eine konsensfähige Lösung des Abgrenzungsproblems rein theorieintern – valenztheoretisch oder konstruktionsgrammatisch – nicht erwartet werden, weil hier weder eine dichotomische +/-Komplement-Fragestellung noch die Postulierung von unzähligen familienähnlichen Konstruktionen weiterhilft. Es bedarf einer ‚externen‘ theoretischen Kontextualisierung, d.  h. eines Ansatzes, der unabhängig von inneren Objekten entwickelt und erprobt wurde, dessen Anwendbarkeit auf innere Objekte jedoch außer Zweifel steht. Als einen solchen Ansatz habe ich in früheren Arbeiten (zuletzt in Ágel 2000: 267  f.) Eugenio Coserius Konzept der lexikalischen Solidaritäten vorgeschlagen (Coseriu 1967). Im Folgenden soll gezeigt werden, dass auf der Grundlage von Coserius Ansatz eine Lösung möglich ist. Betrachten wir die folgenden Beispiele (s. Coseriu 1967: 299 und 301 bzw. Ágel 2000: 162): (41) (42)

Der Hund beißt mit den Zähnen. Der Mann hämmert mit dem Hammer.

Coseriu unterscheidet ein- und zweiseitige lexikalische Solidaritäten. Unter zweiseitigen lexikalischen Solidaritäten versteht er in etwa das, was man in der Valenz­theo­ rie unter INSP, d.  h. der Relation der inhaltlichen Spezifizität, versteht: eine spezifische Eigenschaft des Valenzträgers, relevante Inhaltsmerkmale der Komplemente zu bestimmen. In diesem Sinne verlangen die Valenzträger beißen und hämmern in der Subjektposition bestimmte, tierische und/oder menschliche, Akteure (Tätigkeitsträger). Coseriu würde sagen, dass zwischen den Lexemen Zähne und Hund bzw. hämmern und Mann jeweils eine zweiseitige lexikalische Solidarität besteht.

67 Dass hier qua konstruktionsgrammatischer Argumentstrukturmuster unterschiedliche Konstruktionsbedeutungen, die auf -/+Effiziertheit hinauslaufen dürften, postuliert würden, entschärft das Abgrenzungsproblem nicht. 68 Winklers Skepsis scheint sich allerdings weniger von Subklassenanalogien und synonymen Verben zu speisen als vielmehr von (partiellen) Objektsynonymen wie ein Bild malen oder ein Haus bauen. Bei anderen Beispielen von ihr wie ein Aquarell/Porträt malen oder ein Hotel bauen (Winkler 2009: 142) dürfte die Skepsis, verglichen mit dem Typ einen Tango tanzen, eben auf +/-Effiziertheit beruhen.

Zwischenfazit

lexikalische Solidaritäten

644 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Die Valenzträger beißen und hämmern verlangen dagegen keine Instrumental­ bestimmungen mit den Inhaltsmerkmalen ‚mit den Zähnen’ bzw. ‚mit dem Hammer’. Vielmehr stellen diese Inhaltsmerkmale zentrale („determinierende“) Bedeutungsmerkmale der jeweiligen Verben dar, die im Gegensatz zu INSP-Merkmalen normalerweise nicht realisiert werden. Coseriu würde sagen, dass zwischen den Lexemen Zähne und beißen bzw. hämmern und Hammer jeweils (lediglich) eine einseitige lexikalische Solidarität besteht. Realisiert man doch das jeweilige determinierende Lexem einer einseitigen lexikalischen Solidarität (Zähne bzw. Hammer), entstehen „tautologische“ (redundante) Sätze wie (41) und (42). Denn bei einseitiger lexikalischer Solidarität handelt es sich im Gegensatz zu zweiseitiger lexikalischer Solidarität nicht um Valenzrealisierung (hier: INSP-Realisierung), sondern um die Freilegung des determinierenden Bedeutungsmerkmals des Valenzträgers. Der (Text-)Sinn der Realisierung von determinierenden Lexemen kann (a) intendierte Redundanz (Coseriu 1967: 302) oder (b) nähere Spezifizierung (Modifikation) des determinierenden Lexems sein:69 (41’) Der Hund beißt mit den kariösen Zähnen. (42’) Der Mann hämmert mit dem Presslufthammer.

nur Akkusativ­ objekte

Soweit Coserius Ansatz. Wir kommen nun zurück auf unser Begriffsbestimmungsproblem. Die in der Literatur diskutierten Verbindungen von Verb und Instrumental­ adverbial stellen alle Realisierungen von determinierenden Lexemen einseitiger lexikalischer Solidaritäten dar (mit der Kettensäge sägen, mit Himalayasalz salzen, mit Staubzucker zuckern, s. Winkler 2009: 139). Der Punkt ist, dass möglicherweise alle Handlungs- und Tätigkeitsverben Instrumentaladverbiale zulassen, die Realisierungen von (mehr oder weniger stark) determinierenden Lexemen einseitiger lexikalischer Solidaritäten darstellen, z.  B. mit einem Werkzeug arbeiten, mit einem Schreibgerät schreiben, mit einem Fahrzeug fahren, jmdn. mit einem ‚Schlaginstrument‘ (Hand, Stock) schlagen, etw. mit Geld kaufen usw. Die Substantive, die in Instrumentaladverbialen real vorkommen, stellen Subklassen (Hyponyme) der determinierenden Lexeme dar: mit einer Säge arbeiten, mit einem Kuli schreiben, mit dem Zug fahren, jmdn. mit der Hand schlagen, etw. mit vietnamesischem Dong kaufen. Semantisch und syntaktisch gibt es also keinen Unterschied zwischen mit Himalayasalz salzen und mit dem Zug fahren. Im Grunde hätte man also folgende Alternativen: Entweder man müsste alle Instrumentaladverbiale zu Realisierungen von mehr oder weniger stark determinierenden inneren Objekten erklären und entsprechend ‚Instrumentaladverbial‘ als

69 Zu Korpusbelegen s. Winkler 2009: 132  ff. Die Belege ohne Modifikatoren (Winkler 2009: 134) zeigen, dass das Grice’sche Relevanzkriterium überall greift. Analog funktionieren auch sog. lexikalische Ellipsen Die Henne legt vs. Die Henne hat ein Riesenei gelegt.



Satzglieder im engeren Sinne: dynamische Satzglieder 

 645

Adverbialwert abschaffen oder man bleibt bei der traditionell(er)en Auffassung, nach der alle Instrumentaladverbiale eben Instrumentaladverbiale (und keine inneren Objekte) sind. Die Wahl der ersten Alternative würde den Sinn des Konzepts der inneren Objekte generell in Frage stellen. Denn einerseits macht das Konzept nur Sinn, wenn die Verbspezifik erhalten bleibt, wenn man es also nicht auf komplette Verbklassen (Tätigkeits- und Handlungsverben) ausdehnt. Andererseits dürfte eine Ausdehnung bei Instrumentaladverbialen nicht stehen bleiben, sondern müsste alle auf einseitiger lexikalischer Solidarität beruhenden Redundanzen konsequent mit erfassen, z.  B. zu Fuß gehen, einen weißen Schimmel reiten, jmdn. gern mögen, ein Tor mit dem Ball hinter der Torlinie schießen. Wendet man Coserius Konzept auf das Problem der inneren Objekte an, kommt man also zu dem Ergebnis, dass Instrumentaladverbiale keine inneren Objekte sind. Diese Argumentation lässt sich ohne Weiteres auf transitive Verben mit (-/+ effiziertem) ‚fakultativen‘ Akkusativobjekt (Typen: einen Tango tanzen (-effiziert) und ein Gemälde malen (+effiziert)) übertragen. Man muss sich lediglich überlegen, was eigentlich der Unterschied zwischen einseitiger und zweiseitiger lexikalischer Solidarität ist: (43) Sie hat eine Ware (= etwas käuflich Erwerbbares) gekauft. [einseitig] (a) Sie hat ein Buch gekauft. [zweiseitig] (44) Sie hat einen Tanz (= etwas ‚Tanzbares‘) getanzt. [einseitig] (a) Sie hat einen Walzer getanzt. [zweiseitig] Offensichtlich beruht die INSP-Relation zwischen Valenzträger und Komplement ((a)Sätze) darauf, dass die jeweiligen Substantive der komplementierenden Substantivgruppen (Buch bzw. Walzer) Subklassen (Hyponyme) der jeweiligen determinierenden Lexeme (Ware bzw. Tanz) darstellen.70 Würde man die Substantivgruppe einen Walzer als inneres Objekt ansehen, müsste man alle (effizierten oder nichteffizierten) ‚fakultativen‘ Akkusativobjekte zu den inneren Objekten rechnen. Als ‚normale‘ Akkusativobjekte blieben nicht einmal die ‚obligatorischen‘ Akkusativobjekte übrig, die bezüglich lexikalischer Solidaritäten genauso funktionieren wie die ‚fakultativen‘: (45) Er bewohnt etwas Bewohnbares. (a) Er bewohnt das ganze Stockwerk. (46) Er schenkt ihr ein Geschenk. (a) Er schenkt ihr ein Buch.

[einseitig] [zweiseitig] [einseitig] [zweiseitig]

70 Natürlich gibt es nicht für beliebige Verben konventionalisierte determinierende Lexeme. Aber das im Wortschatz u.  U. nicht vorhandene determinierende Lexem lässt sich immer (als Partizipantenrolle) paraphrasieren. Im folgenden Beispiel gibt es nur für die Patiens-Rolle ein konventionalisiertes (determinierendes) Lexem, das die Partizipantenrolle Geschenk indiziert: Der Schenker schenkt dem ‚Geschenkten‘ (!) Geschenke.

nur intran­ sitive Verben

646 

Abgrenzung

intransitiver Valenzträger

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Würde man also ‚fakultative‘ Akkusativobjekte als innere Objekte betrachten, müsste man das auch mit ‚obligatorischen‘ Akkusativobjekten tun. Die Begriffssondierung mit Coseriu hat dazu geführt, dass nur verbspezifische Transitivierungen von intransitiven Valenzträgern als innere Objekte zu analysieren sind. Das sind die akkusativischen Klassiker (wie das Leben leben und ihr sympathi­ sches Lächeln lächeln in den Einführungsbeispielen), bei denen die determinierenden Lexeme als innere Akkusativobjekte realisiert sind.71 Dabei sind Transitivierungen mit leben, träumen, sterben oder lächeln unproblematisch, da hier die Formel ‚ein Verb = ein Valenzträger‘ stimmt. In anderen Fällen stimmt sie wiederum (wegen Polyvalenz) nicht, sodass dasselbe Verb etwa einen intransitiven und einen transitiven Valenzträger hat.72 Versucht man innere Akkusativobjekte genau einzugrenzen, muss man also auch mit polyvalenten Verben rechnen (transitiver wie intransitiver VT (= Valenzträger)): (47) Du hast (nominales einen Walzer Akkusativobjekt) getanzt. [tr. VT] (48) Du hast getanzt. [intr. VT] (47) repräsentiert den (statischen) transitiven Valenzträger tanzen, dessen Akkusativobjektstelle normal besetzt wird (Handlungssatz). (48) repräsentiert den (statischen) intransitiven Valenzträger tanzen (Tätigkeitssatz). Nur das determinierende Lexem des (statischen) intransitiven Valenzträgers tanzen lässt sich ad hoc als inneres Akkusativobjekt realisieren:73 (49) Du hast (inneres einen temperamentvollen Tanz Akkusativobjekt) getanzt.

Dynamik

Hier liegt Ad-hoc-Transitivierung des intransitiven Valenzträgers, d.  h. ein dynamisches Handlungsprädikat mit einem dynamischen Akkusativobjekt, vor. Im Sinne der Funktion-Argument-Wert-Formel lässt sich das konstruktionell dynamische Prädikat (mit dynamischem inneren Akkusativobjekt) wie folgt herleiten: Patiens-Realisierung des determinierenden Lexems (Tätigkeitsprädikat) = ­Handlungsprädikat

71 Das einzige nichtakkusativische innere Objekt ist das innere Genitivobjekt (eines (natürlichen) Todes) bei sterben. Nach einem Vergleich mit fünf Sprachen kommt Norio Shima (2006: 566  ff.) zu dem Schluss, dass im Deutschen die Verbspezifik deutlich rigoroser ausgeprägt sei als in den Vergleichssprachen. Das Deutsche lasse innere Objekte nur mit sog. unergativen intransitiven Verben zu. In der Tat wäre ein intransitiver Satz mit einem sog. ergativen (unakkusativen) Verb wie ankommen schwer vorstellbar: *Sie ist/hat eine grandiose Ankunft angekommen. 72 z.  B. Der Zug fährt nach Graz vs. Der Lokführer fährt den Zug nach Graz. 73 Beispiel nach Shima (2006: 561). Shima macht keinen Unterschied zwischen dem Typ einen Wal­ zer tanzen und dem einen temperamentvollen Tanz tanzen: Er betrachtet sowohl das normale Akkusativobjekt des transitiven als auch das innere Objekt des intransitiven Valenzträgers als klassische innere Objekte.



Satzglieder im engeren Sinne: dynamische Satzglieder 

 647

Im folgenden Beispiel liegt gewissermaßen der umgekehrte Mechanismus vor: (50) Ich sagte, daß ich noch nie etwas von Stifter gelesen habe. Du mußt ihn nicht lesen, meinte Horst, du lebst (äußeres ihn Akkusativobjekt) ja. (Hein Freund: 90)

äußeres Objekt

Das Verb lesen ist transitiv (Handlungsverb), leben ist in der Regel intransitiv (Tätigkeitsverb).74 In (50) wird die transitive Valenzstruktur von lesen qua Parallelismus auf die intransitive von leben übertragen. Die Patiens-Realisierung kommt hier, in diesem Kontext nicht von innen (inneres Objekt), sondern von außen. Deshalb soll hier das dynamische Akkusativobjekt ihn (bei leben) äußeres Akkusativobjekt genannt werden. Auch hier wird das statische Tätigkeitsprädikat zu einem dynamischen Handlungsprädikat:75 Patiens-Übertragung (Tätigkeitsprädikat) = Handlungsprädikat Soweit unser zweites Akkusativobjekt-Thema. Ähnlich kurz exemplifizieren wir das dritte und letzte Akkusativobjekt-Thema: Im Kap. III/2.2.3 haben wir uns mit dynamischen Idiomen, d.  h. mit „okka­sio­ nelle(n), für die Zwecke eines Textes hergestellte(n) Abwandlung(en) eines Phraseologismus“ (Burger 1998: 27, Unterstreichung im Original), beschäftigt. Hier ein Beispiel für eine Art Re-Akkusativobjektivierung des einschlägigen Prädikatsbestandteils: (51)

IdiomAkkusativ­ objekt

Aber ich will jetzt nicht (gespal- den Teufel tenes) an die Wand malen, (Idiom- daß der unbedingt abstürzen muß Akkusativobjekt). (Haas Silentium: 107)

Dadurch, dass der attributive Nebensatz an die akkusativische Substantivgruppe den Teufel im statischen Prädikat (X malt den Teufel an die Wand) angeschlossen wurde, wurde die Substantivgruppe (samt Nebensatz) okkasionell als dynamisches Akkusativobjekt remotiviert. Gleichzeitig bleibt auch die phraseologische Bedeutung erhalten, sodass man davon ausgehen muss, dass die Substantivgruppe den Teufel ein syntaktischer Doppelagent ist: Bestandteil des dynamischen Prädikats und Teil des (dynamischen) Ad-hoc-Akkusativobjekts.

74 Das Valenzwörterbuch von Helbig/Schenkel (1978: 128  f.) führt nur intransitive Valenzträger an. Zwar tritt leben nach Willems/van Pottelberge (1998: 419) seit dem 18. Jh. vermehrt mit Akkusativobjekt auf, doch das Akkusativobjekt „präzisiert normalerweise den Inhalt des Verbs im Sinne der ‚Kohärenz‘ und ist oft stereotyp (Tag, Alter usw.); auch Fügungen mit innerem Objekt (Leben) kommen vor […].“ (ebd.). M. a. W., die ‚Innerlichkeit‘ wird mitunter auf den gesamten Satz ausgedehnt nach dem Schema: Ein alter Mensch lebt ein ruhiges Alter; Ein Musiker lebt die Musik oder Ein Gläubiger lebt seinen Glauben. 75 Das leben-Handlungsmuster ist übrigens mittlerweile recht beliebt. Man vergleiche Floskeln wie X lebt diesen Verein oder Werbeslogans wie Wir leben Autos.

syntaktischer Doppelagent

648 

Dativobjekt

Standpunktdativ

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Als wichtigste Typen von dynamischen Dativobjekten konnten im Kap. III/3.1.4 der Dativus (in)commodi und der Pertinenzdativ identifiziert werden. Im vorliegenden Kapitel sollen lediglich zwei Typen dynamischer Dativvorkommen kurz kommentiert werden: der Standpunktdativ (Dativus iudicantis) und der (von mir so genannte) Partikelverbdativ. „Von einem Dativus iudicantis sprechen wir, wenn eine Dativ-NP durch die Kombination von Adjektiv/Adverb/Adkopula in Verbindung mit der präponierten Intensitätspartikel zu oder der postponierten Intensitätspartikel genug regiert wird“ (IDSGrammatik 1997/2: 1344): (52) Der Mantel ist (Standpunkt- ihm dativ) zu groß. (Beispiel nach Ogawa 2005: 118) (53) Sie war (Standpunkt- mir dativ) schnell genug. (Beispiel nach IDS-Grammatik 1997/2: 1344) Entscheidend ist dabei, dass der Dativ in der statischen Valenz des Adjektivs nicht verankert ist, weshalb er im statischen Prädikativgefüge nicht vorkommt: (52’) Der Mantel ist groß. (53’) Sie war schnell.

Standpunktprädikat

Vielmehr wird der Standpunktdativ „erst durch die genannte phrasale Verbindung ermöglicht.“ (IDS-Grammatik 1997/2: 1344)76 M. a. W., es bedarf einer Konstruktion aus Intensitätspartikel + Adjektiv/Adverb, um den Standpunktdativ überhaupt erst zu ermöglichen. Handelt es sich um ein (adjektivisches) statisches Prädikativgefüge (groß sein, schnell sein), wird dieses durch die Anwendung der zu/genug-Intensitätspartikelkonstruktion in ein dynamisches Prädikativgefüge (zu groß sein, schnell genug sein), das ich Standpunktprädikat nenne, umfunktioniert:77 zu/genug-Intensitätspartikelkonstruktion (adj. Prädikativgefügestat) = ­Standpunktprädikatdyn (mit Dativobjektdyn)

Standpunktpräpositionalobjekt

Der Standpunktdativ stellt somit das dynamische Dativobjekt des Standpunktprädikats dar. Der Standpunktdativ bezieht sich auf Personen. Bei nichtpersonaler Perspektive „ist nur die für-Phrase setzbar“ (IDS-Grammatik 1997/2: 1345), aus unserer Sicht also ein dynamisches Präpositionalfür+AKK-objekt:

76 „Semantisch trägt die Gradpartikel zu dazu bei, das Adjektiv groß dahingehend zu modifizieren, dass ein Zusatzargument in ausreichend enger Relation zum Basisprädikat steht.“ (Ogawa 2005: 118) 77 Ohne statische und dynamische Valenz zu unterscheiden, bleibt es ein Widerspruch, dass sich der Standpunktdativ einerseits wie ein Komplement verhält, andererseits aber nicht zur Valenz des Adjektivs gehört (Eisenberg 2006/2: 293).



Satzglieder im engeren Sinne: dynamische Satzglieder 

(54)

 649

Der Rhein ist eigentlich zu groß (Standpunkt- für Deutschland präpositionalobjekt). (H. Krüger Zeitgelächter: 10, zit. n. IDS-Grammatik 1997/2: 1345)

Allerdings lassen sich Zustände oder Eigenschaften nicht nur aus der Perspektive ­personaler oder nichtpersonaler Gegenstände relativieren, sondern auch aus der ­Perspektive von Sachverhalten. Dies ist der Fall beim folgenden Präpositionalzu+DATobjekt Auf unserer Rückfahrt damals machten wir überhaupt keinen Stop, ausgenommen in der Nacht, weil es zum Fahren einfach zu finster war ohne Mond. (Frisch Homo: 83) → Es war (Standpunkt- zum Fahren präpositionalobjekt) einfach zu finster ohne Mond. (55)

Eine Subklasse morphologisch dynamischer Prädikate (Kap. III/2.2.3) bilden die dynamischen Partikelverben (= Partikelverb-Konstruktionsträger) wie vorleben und vorsterben im folgenden Fried-Gedicht:

Partikel­ verbdativ

(56) Die (Partikelverb- uns dativ) vorleben wollen wie leicht das Sterben ist Wenn sie (Partikelverb- uns dativ) vorsterben wollten wie leicht wäre das Leben (Erich Fried: Beim Nachdenken über Vorbilder in: bundesdeutsch 132) Dynamische Partikelverben stellen Anwendungen von Partikelverbkonstruktionen (Partikelverbbildungsmustern) auf statische Prädikate dar. Die von Fried angewandte Partikelverbkonstruktion ist: »jmdm. (etw.) vor-X-en«. Im Sinne der Funktion-Argument-Wert-Formel führt die Anwendung dieser Funktion auf die statischen Prädikate leben/sterben zu dynamischen Partikelverben mit dynamischen Dativobjekten: vor-Partikelverbkonstruktion (Prädikatstat leben/sterben) = Prädikatdyn vorleben/vor­ sterben mit Dativobjektdyn Auch bei den dynamischen Präpositionalobjekten können wir uns kurz fassen, da die beiden wichtigsten Typen bereits in früheren Kapiteln erörtert wurden: 1. Die grammatikalisierten Formen des (denotativ-semantisch) sogenannten Agensanschlusses im Passiv – die Vorgangsauslöser-Konstruktionvon+DAT und die Vorgangsauslöser-Konstruktiondurch+AKK  – wurden als Ergebnis der theoretischen Diskussion der Passivproblematik im Kap. III/1.3.3 als dynamische Prä­po­si­ tio­nal­objekte bestimmt (s. auch Rostila 2007: 72  ff. und Welke 2012). 2. Ad-hoc-Präpositionalobjekte (wie z.  B. X redet um sein Leben, heult vor Verzweif­ lung, arbeitet über Böll, geht für die alte Dame einkaufen), deren Präpositionen Umszenierungen qua semantischer Nischenbildungen ermöglichen, wurden im

Präpositional­ objekte

650 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Kap. III/3.1.4 als dynamische Präpositionalobjekte analysiert und von präpositionalen Adverbialbestimmungen abgegrenzt.

Wort­ bildungs­ dynamik

Zwei weitere Typen sollen noch erwähnt werden: Unter den morphologisch dynamischen Prädikaten sind es die Komplex- bzw. Präfix- und Partikelverben (Kap. III/2.2.3), bei denen dynamische Präpositionalobjekte zu erwarten sind. Im folgenden Beispiel ist es das dynamische Komplexverb (sog. Doppelpartikelverb) vorbeivergessen, durch das eine Stelle für das dynamische Präpositionalan+DAT-objekt geschaffen wurde:78 (57)

Um­ distribution

Er [= Max Strauß, VÁ] hat »mutmaßlich« ein bißchen Geld an der Steuer vorbeivergessen. (n. Hildebrandt achtzig: 42)

Den anderen Typus exemplifiziert der folgende Beleg: (58)

Mein Großvater starb an der Westfront; mein Vater starb an der Ostfront: an was sterbe ich? (Volker von Törne: Frage in: bundesdeutsch 119)

Hier handelt es sich um Umdistribution, d.  h. um eine lokale Ad-hoc-Bildung einer Distributionsklasse:79 [Mein Großvater] starb [an [Mein Vater] starb [an [ich] sterbe [an

der Westfront] Lokaladverbial der Ostfront] Lokaladverbial) was?] Präpositionalobjekt)

Diese kreative Form der Umdistribution verursacht beim Leser eine rückwirkende Uminterpretation der statischen Lokaladverbiale an der Westfront und an der Ost­front in dynamische Präpositionalan+DAT-objekte: Weil der nominale Kern des Präpositionalan+DAT-objekts, d.  h. was, für Krankheiten steht, und weil was eine lokale und einmalige Distributionsklasse mit Westfront und Ostfront bildet, wird die Krankheitssemantik von was qua Umdistribution metaphorisch auf Westfront und Ostfront übertragen.

78 Im Originalbeleg befindet sich das dynamische Prädikat in einem Nebensatz zweiten Grades: Er [= Max Strauß, VÁ] hat einen solch jämmerlichen Eindruck hinterlassen, dass es nicht mehr im öffentlichen Interesse liegt, ob er »mutmaßlich« ein bißchen Geld an der Steuer vorbeivergessen hat. 79 Zur nachfolgenden Analyse s. Ágel 2015b: 75  ff., zur Distributionsklasse Kap. II/2.4.



Satzglieder im engeren Sinne: dynamische Satzglieder 

 651

Die Umdistribution lässt sich unter Anwendung der Funktion-Argument-WertFormel wie folgt darstellen (V(TR) = Valenz(träger), PO = Präpositionalobjekt, LA = Lokaladverbial, st = sterben, Indizierung der Reihenfolge der sterben-Vorkommen = tiefgestelltes 1, 2, 3): V(TR)stat st3 mit POan+DAT (V(TR)stat st1,2, mit LAan+DAT) = V(TR)dyn st1,2, mit POan+DAT Im gegenwartsdeutschen Standard sind drei Typen von dynamischen Direktiva besonders relevant:80 1) (zu Simplexverben) umkategorisierte Modalverben (Kap. III/2.2.2), 2) Mikrodirektiva, d.  h. Direktiva als dynamische Prädikatsbestandteile (Kap. III/2.2.3), und 3) Geräusch(emissions)verben als Fortbewegungsverben, auf die im Folgenden einzugehen sein wird.81

Direktivum

Wie im Kap. III/3.1.4 erwähnt, lassen sich Geräusch(emissions)verben (im Folgenden: GV) wie klappern, quietschen, rumpeln, knattern, tuckern, scheppern, knarren usw. zu Fortbewegungsverben umkategorisieren. Zu Fortbewegungsverben umkategorisierte Geräusch(emissions)verben (im Folgenden: GVBV) stellen den wohl wichtigsten und theoretisch am intensivsten diskutierten Typus von dynamischem Prädikat mit dynamischem Direktivum dar,82 z.  B.

Geräuschverb als Fort­ bewegungs­ verb

(59) Sie knattert auf einem Motorrad über die Bühne […]. (Nürnberger Nachrichten, 09. 03. 07, zit. n. Meliss 2012: 314) Nach Hans-Werner Eroms (2012: 31  ff.) bilden GVBV wie knattern kompakte Strukturen, die in paradigmatischem Verhältnis zu alternativen expandierten Strukturen wie knatternd fahren stehen, z.  B. (60) Sie stiegen in Bullys verbeulten VW. […] Knatternd fuhren sie durch die nächtlichen Straßen. (Timm Sommer: 126) „Valenziell lässt sich bei den kompakten Strukturen zunächst eine Valenzerhöhung der betroffenen Verben konstatieren. Die Analogie zu den freien Dativen liegt nahe.“ (Eroms 2012: 32)

80 Auf den Zusammenhang der Typen 2) und 3) verweist Leena Kolehmainen (2005: 61  f.). 81 Semantisch präzise beschrieben werden die Geräuschverben (mit den Unterklassen der Schallund der Geräuschemissionsverben) von Meike Meliss (2012: 311  ff.). 82 In der aktuellen theoretischen Diskussion um die GVBV geht es u.  a. um die Frage, ob sich Valenztheorie und Konstruktionsgrammatik integrieren lassen bzw. ob die eine Theorie der anderen ‚überlegen‘ ist (Welke 2009 und 2011, Engelberg 2009 und Engelberg/König/Proost/Winkler 2011, Goschler 2011, Meliss 2012, Eroms 2012 und Ágel 2015b).

kompakt vs. expandiert

652 

latente vs. manifeste Valenz

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Mit „Valenzerhöhung“ verweist Eroms auf sein Konzept der latenten Valenz, die er der manifesten Valenz gegenüberstellt (Kap. III/3.1.4, Anm. 104). M. a. W., es liegt hier, wie bei den Verben, die einen freien Dativ (= Pertinenzdativ oder Dativus (in)commodi) zulassen, Verbgruppenspezifik vor: Es ist eben die Gruppe der GV, die über eine latente Leerstelle für ein Direktivum verfügt. Wenn andere Verben ein dynamisches Direktivum zu sich nehmen, handelt es sich nicht um die Realisierung der latenten Valenz, sondern um die metaphorische Erhöhung der manifesten Valenz:83 (61) Wo der Wald vom Norden her in das Dorf leckt, steht ein einsames Neubauernhaus […]. (Strittmatter Bienkopp: 105)

Bedeutungsangaben im Wörterbuch Weg- vs. Richtungs­ direktivum

Die Bedeutungsangaben in den Wörterbüchern bestätigen Eroms’ Gegenüberstellung von kompakten und expandierten Strukturen. Beispielsweise werden die GVBV-Varianten von knattern, rattern und donnern im Duden (2003) als ‚sich mit knatterndem Geräusch / ratternd / mit donnerähnlichem Geräusch fortbewegen‘ paraphrasiert. Auch der Umstand, dass GVBV  – etwa im Gegensatz zum normalen Fortbewegungsverb fahren – Wegdirektiva wie durchakk / überakk X (und nicht Richtungsdirektiva wie inakk / nachdat / zudat X) präferieren (Engelberg 2009: 84  ff., Engelberg/König/ Proost/Winkler 2011: 93  ff.), deutet darauf hin, dass Eroms’ Analyse zutreffend ist: (60) Knatternd fuhren sie (Weg- durch die nächtlichen Straßen direktivum). (Timm Sommer: 126) (a) Knatternd fuhren sie (Richtungs- nach Berlin / in die Stadt / zum Bahnhof direktivum). (b) Sie fuhren (Richtungs- nach Berlin / in die Stadt / zum Bahnhof direktivum).

Weg­ direktivum als metho­ disches Signal

Richtungsdirektiva erwarten wir mit dem normalen Fortbewegungsverb fahren, wenn im Satz keine Geräuschart genannt wird, d.  h., wenn keine expandierte Struktur vorliegt (= (60b)). Sobald jedoch eine expandierte Struktur im Eroms’schen Sinne realisiert wird, erwarten wir eher ein Wegdirektivum (= Originalbeleg) als ein Richtungsdirektivum (= (60a)) Die Präferenz des Wegdirektivums bei GVBV ist demnach nicht nur empirisch und theoretisch relevant, sondern stellt auch ein methodisches Signal an die Forscher dar: Als Vergleichsgrundlage sind expandierte Strukturen (normales Fortbewegungsverb + Modaladverbial für die Geräuschart) heranzuziehen.84

83 Die Metapher erfasst hier das komplette Szenario zweiten Grades, auch das Subjekt (zweiten Grades). 84 Die übliche Vergleichsgrundlage bilden Sätze mit Fortbewegungsverben ohne Modaladverbial für die Geräuschart (und nicht die expandierten Strukturen), wobei je nach korpuslinguistischer Methode die Deutung der Ergebnisse konträr ausfallen kann (Engelberg 2009 vs. Goschler 2011). Da diese Art von Vergleich methodisch in Frage zu stellen ist, ist die Kritik von Engelberg/König/Proost/ Winkler (2011: 95) an Welkes Auffassung einer konzeptuellen Ad-hoc-Anpassung der GV an die Bewegungskonstruktion (s. unten) hinfällig.



Satzglieder im engeren Sinne: dynamische Satzglieder 

 653

Kommen wir nun auf die nicht nur von Eroms, sondern auch von Welke (2009 und 2011: 199  ff.) postulierte Dativ-Analogie zurück: Nach Eroms liegt sowohl bei den GVBV als auch bei den Verben mit freiem Dativ latente Valenz vor. Nach Welke geht es darum, dass statisch (qua Grundvalenz) nicht lizenzierte Komplemente – Direktivum bzw. Dativobjekt – dynamisch (konstruktionell) zugewiesen werden.85 Natürlich gibt es auch Unterschiede zum freien Dativ, die aber nicht die Dynamik als solche, sondern deren Art betreffen. Nach Welke (2011: 211  ff.) stellen ditransitive Verben mit freiem Dativ (Dativus commodi) „Ad-hoc-geben-Verben“ (ebd.: 212) dar: „Jemandem etwas bauen ist eine durch die Tätigkeit des Bauens bewirkte Besitzübermittlung, so wie jemandem etwas geben eine durch die Tätigkeit des Gebens bewirkte Besitzübermittlung ist.“ (Welke 2011: 213)86 Dagegen beruhe die Umszenierung eines GV zu einem GVBV nicht auf Kausalität (Bewirken, cause), sondern auf Metonymie: Der „Begleitumstand der Fortbewegung“, d.  h. die Geräuschart, werde metonymisch an die Stelle der Fortbewegung gesetzt (Welke 2011: 221).87 Wenn man dynamische Valenz – etwa bei freien Dativen oder bei GVBV – auch als latente Valenz, auch als ein verbgruppenspezifisch herleitbares, konventionalisiertes grammatisches Potenzial, begreift, und nicht einfach mit Ad-hoc-Valenz, d.  h. mit krea­tiver konstruktioneller Valenzanpassung, identifiziert, entschärft sich das

85 Der Vorteil solcher valenztheoretischen Zwei-Ebenen-Modelle (u.  U. mit integriertem konstruktionsgrammatischen Gedankengut) gegenüber rein konstruktionsgrammatischen Modellen besteht darin, dass Statik und Dynamik differenziert beschrieben werden können (Eroms: manifeste vs. latente Valenz; Welke: Grundvalenz ohne/mit konstruktioneller Anpassung), während nach der konstruktionsgrammatischen Standardauffassung auch die statischen Verben, die in Texten gewiss in deutlicher Überzahl sind, bei jeder Verwendung immer wieder mit ihren Konstruktionen fusioniert werden müssen. M. a. W., nach konstruktionsgrammatischer Auffassung stellt nicht nur das Verb backen eine mögliche Instanz der ditransitiven und das Verb donnern eine mögliche Instanz der Fortbewegungskonstruktion dar, sondern auch geben bzw. fahren. Insofern überrascht die Schlussfolgerung von Juliana Goschler (2011: 39), dass nur eine (= ihre) konstruktionsgrammatische Analyse die GVBV adäquat erklären könne und dass valenztheoretische Ansätze konstruktionsgrammatischen Analysen notwendigerweise unterlegen seien. Wenn man davon ausgeht, dass Statik der strukturelle und statistische Normalfall ist, müsste man eher zu dem Schluss kommen, dass die Konstruktionsgrammatik der Valenztheorie unterlegen sei. Deutlich vielversprechender als die konfrontative Sicht ist jedoch die integrative, wie sie von Welke vertreten wird. Eine erfolgreiche Integration der beiden Theorien setzt dabei voraus, dass auch die Konstruktionsgrammatik anfängt, den traditionellen Gegenstand der Valenztheorie aufzuarbeiten. Denn bisher läuft die Theoriediskussion unidirektional: Die Valenztheorie lässt sich auf die Paradefälle der Konstruktionsgrammatik ein. 86 Dabei wird qua Anpassung an die ditransitive Konstruktion die semantische Struktur eines monotransitiven Handlungsverbs (wie z.  B. bauen oder backen) umszeniert: einwertiger Zustandswechsel (become (state (Akkusativargument))) zu zweiwertigem Besitzwechsel (become (poss (Dativargument, Akkusativargument))). 87 Goschler (2011: 30  ff.) kritisiert zu Recht, dass Welke seinen Begriff des „Begleitumstands“ nicht präzise genug definiert, übersieht jedoch, dass ihre eigene konstruktionsgrammatische Argumentation der valenztheoretisch-konstruktionsgrammatischen von Welke insgesamt näher steht als der konstruktionsgrammatischen Argumentation von Engelberg (2009).

DativAnalogie

DativDifferenz

Statische oder dynamische Valenz?

654 

Latenz und Kreativität

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Problem um die statische (manifeste) Valenz. In der Tat sind Sätze wie Klaus bäckt seiner Freundin einen Kuchen oder Peter knattert mit seiner Harley durchs Dorf nicht sonderlich kreativ, aber sie lassen sich systematisch zu den Grundvalenzen von backen und knattern in Beziehung setzen, was ja auch der Grund dafür ist, dass freie Dative und GVBV theoretisch intensiv diskutiert werden. Kreative Valenzanpassung und Aktivierung der latenten Valenz lassen sich natürlich auch kombinieren: (62) Die Stutenhufe poltern über die Schwalbenbach-Brücke. (Strittmatter Bienkopp: 78) (a) Die Stutenhufe bewegen sich polternd über die Schwalbenbach-Brücke. (63) Mißklänge donnern durchs Haus. (Strittmatter Bienkopp: 85) (a) Mißklänge bewegen sich mit donnerähnlichem Geräusch durchs Haus fort.

Dynamik­ formel

Kreativ-dynamisch in den beiden Strittmatter-Belegen sind die Besetzungen der Subjektstellen, weshalb die jeweiligen Sätze mit expandierten Strukturen (= (a)-Sätze) keine gelungenen Alternativen darstellen, obwohl die in denselben Belegen realisierten GVBV-Strukturen konventionell-dynamische Aktivierungen der latenten Valenz darstellen.88 Die valenztheoretische Parallele mit dem Dativus (in)commodi legt nahe, dass auch das Direktivum von GVBV ein dynamisches Satzglied darstellt. Dabei entsteht die dynamische Valenz von GVBV in Analogie zu der typischen Valenzrealisierung von expandierten Fortbewegungsverben. Im Sinne der Funktion-Argument-Wert-Formel (V = Valenz, BVexp = expandiertes Fortbewegungsverb): Vstat von BVexp (GVstat) = Vdyn von GVBV (mit Direktivumdyn)

Putzverb als Fort­ bewegungs­ verb

Offen bleibt, ob das Muster ausschließlich von Geräuschverben bedient werden kann. Denn analog ließe sich auch der folgende linguistische Leckerbissen interpretieren: (64) „Oh, das macht fast gar nichts“, sagte die Frau bescheiden und scheuerte ihres Weges. (Kästner 35. Mai: 103) Das Modell für diesen (kreativ) dynamischen Beleg bilden statische Fortbewegungsverben mit dem Direktivum seines Weges / seiner Wege: (65) Dann steckte er sein Taschentelephon wieder weg, trat aufs laufende Band, las in einem Buch und fuhr seiner Wege. (Kästner 35. Mai: 93  f.)

88 Die Sätze mit expandierten Strukturen sind in Anlehnung an die Bedeutungsangaben der GVBVVarianten der Verben poltern und donnern im Duden (2003) gebildet.



Satzglieder im engeren Sinne: dynamische Satzglieder 

 655

Dass adverbiale Dynamik eine Ausnahme sein muss, liegt in der Natur der Sache. Denn Adverbiale sind in der Regel keine Komplemente, d.  h. keine Szenariobeteiligten, die sich also für eine Umszenierung anbieten würden. Begegnet sind mir in den Texten (bisher) nur zwei Typen von dynamischen Adverbialen, beides Modaladverbiale: (66) Die Schuhe hatten wir ausgezogen. Es war kalt, aber so lief es sich besser Modaladverbial). Hein Freund: 83  f. (67) (Stellvertreter- So schön wie du Modaladverbial) hat er nicht gewohnt. (Haas Leben: 69)

Adverbiale

(Medial-

In (66) liegt eine Medialkonstruktion mit einem dynamischen (pseudo-dispositiven) Medialprädikat vor. Wie im Kap. III/2.2.3 ausgeführt, gehört das Modaladverbial nicht zur statischen Valenz des Ausgangsvalenzträgers, sondern stellt die protoypische Möglichkeit dar, zur Erzeugung einer Dispositionsbedeutung beizutragen. Das andere dynamische Modaladverbial nenne ich in Anlehnung an Henrik Nikula (1978: 39  f.) Stellvertreter-Modaladverbial. Nach Nikula liegt in Fällen wie (67) „eine Art stellvertretende(s)“ für ein statisches Komplement vor. Im Falle von wohnen ist dieses nichtrealisierte statische Komplement ein Lokal(adverbial)komplement. Im folgenden Böll-Beleg vertritt dynamisches wie gern das nichtrealisierte Akkusativobjekt (dritten Grades): (68) »Ich glaube, er hat dir die Gruhls gegeben, weil er weiß, (Stellvertreter-Modaladverbial wie gern dritten Grades) du freisprichst. Ein Abschiedsgeschenk. Nimm’s doch an; sprich sie frei!« (Böll Dienstfahrt: 76) An der Bildung dynamischer Komplementklassen und -subklassen sind primär die zentralen statischen Komplemente, sekundär die peripheren statischen Komplemente und die Supplemente beteiligt. U. a. folgende, in der Fachliteratur besonders kontrovers diskutierte Satzglieder konnten als dynamische Komplementsubklassen bestimmt werden: kategorial und konstruktionell dynamische Mikrosubjekte (darunter das Imperativsubjekt), Spalt- und Sperrsatzsubjekt, Resultativ- und AcI-Akkusativobjekt, Pertinenzakkusativ und inneres (Akkusativwie Genitiv-)Objekt, Dativus (in)commodi und Pertinenzdativ, Präpositionalobjekte mit semantischer Nischenbildung, Direktiva zu umkategorisierten Modal- und Geräuschverben und Mikro-Direktivum.

MedialModal­ adverbial StellvertreterModal­ adverbial

4 Kommentarglieder 4.1 Textanalyse 4.2 Kommentarglieder: Begriff und Klassen 4.3 Kommentarmittel: Parenthese, Redeanzeige, weiterführender Relativnebensatz

4.1 Textanalyse Legende: Makroglieder: Punkt-Strich-Unterstrich: Nichtsatz; Unterstrichen: Kohäsionsglied; Schwarz: Satz1 Mesoglieder: fett: Prädikat; türkis: dynamisch;  gerahmt : Kommentarglied; (tiefgestellte Klammern): Subklasse Kommentarglied

[1]

JOCHEN JUNG

[2] [3]

Siegfried Lenz Total entspannt

[4]

Mit seiner grundsympathischen Novelle »Landesbühne« hat sich Siegfried Lenz einen Spaß erlaubt.

[17] Wie das Stück ausgeht, erfährt man allerdings (geltungsbezogenes  nicht  Kommentarglied). [20] Weit kommen sie (geltungsbezogenes  nicht  Kommentarglied). [21] Das [=Sie kommen (geltungsbezogenes  nicht  Kommentarglied) weit] aber nur deswegen, weil sie schon bald ein Transparent über der Chaussee entdecken: »Grünau heißt euch willkommen zum Nelkenfest « und diese schöne Einladung können sie einfach (geltungsbezogenes  nicht  Kommentarglied) ausschlagen. [29] Genau das tun die Männer nun aber (geltungsbezogenes  gar nicht  Kommentarglied), sie finden sich (geltungsbezogenes  überhaupt nicht  Kommentarglied) ab, […]. [31] […], Zwischenfälle hat es gegeben  – (wertungsbezogenes leider Kommentarglied) in der Gegend von Eckernförde […]. [36] Das gibt (geltungsbezogenes  natürlich  Kommentarglied) wieder Anlass zu ein paar schwersinnigen Sätzen, […]. [40] Wir sind hier (geltungsbezogenes  nicht  Kommentarglied) beim Amtsgericht.

1 rekonstruierte Glieder in eckigen Klammern DOI 10.1515/9783110409796-011

Kommentarglieder 

 657

[42] Nun, hier ist es (geltungsbezogenes  wohl  Kommentarglied) (geltungsbezogenes  eher  Kommentarglied) umgekehrt. [46] Irgendwie [spielt das alles] (geltungsbezogenes  wohl  Kommentarglied) doch in ferneren Zeiten. [53] Und [er] trifft sich damit (wertungsbezogenes  auf überraschende Weise  Kommentarglied) mit dem Autor der Leute von Seldwyla, an die man beim Lesen dieser Novelle sowieso schon zurückgedacht hat. [54] Auch Gottfried Keller kennt ja das Wunderliche, den schrägen Blick auf die Gesellschaft und auch das Herzliche (das Nette [kennt Gottfried Keller] allerdings (geltungsbezogenes  ganz und gar nicht ), Kommentarglied) und auch er wusste, dass das mit der Gegenwart nicht immer so gut zusammenging. [56] So eine Nachernte ist es denn (geltungsbezogenes  wohl  Kommentarglied) auch, was wir mit dieser ganz und gar entspannten Geschichte in den Händen halten.

4.2 Kommentarglieder: Begriff und Klassen In der Grammatischen Textanalyse werden drei Satzgliedtypen unterschieden (Kap. I/3.2–4): das Prädikat, das ein Szenario entwirft‚ die Satzglieder im engeren Sinne, die das Szenario komplettieren (= Komplemente) oder kontextualisieren (= Supplemente) und das Kommentarglied, das das komplettierte und evtl. auch kontextualisierte Szenario aus der Perspektive des Textproduzenten (oder des Erzählers) kommentiert. Durch die Unterscheidung von drei Typen von Satzgliedern wird betont, dass es zwischen ihnen wichtige grammatische und semantische Unterschiede gibt. Durch die Zusammenfassung der drei Typen zu Satzgliedern im weiteren Sinne (= Mesogliedern) hingegen wird betont, dass die Mesoglieder trotz dieser Unterschiede mehr Gemeinsamkeiten untereinander haben als mit den Makro- oder den Mikrogliedern. Kommen wir nun zu den Kommentargliedern.2

2 Es wurde bereits im Kap. I/3.3 darauf hingewiesen, dass das Kommentarglied-Konzept (inkl. Terminus) der Grammatischen Textanalyse Eingang in die Grammatische Terminologie (http://www. grammatischeterminologie.de) fand (Ossner 2012, Hennig 2012) und dass sich Karin Pittner (2014) kritisch mit dem Konzept auseinander gesetzt hat. Auf ihre Kritik gehe ich unten ein. Der Terminus ‚Kommentarglied‘ wurde als terminologische Alternative zu ‚Kommentaradverbial‘ auch in die 9. Auflage der Duden-Grammatik aufgenommen: „Man spricht hier von Kommentaradverbialien, Kommentargliedern oder Satzadverbialien: […].“ (Duden 2016: 794, Hervorhebung im Original) Mit dem

drei Satzgliedtypen

Kommentarglieder

658 

Kommentar­ glieder semantisch

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Semantisch drücken die Kommentarglieder sog. „Sprechereinstellungen“ aus. „Damit sind Attitüden/Einstellungen des Sprechers/Verfassers zum propositionalen Gehalt (Aussagegehalt) gemeint, von Gewißheit und Vermutung über Distanzierung und Bewertung bis zu Wollen, Erwarten, Hoffen usw.“ (Polenz 2008: 212): [36] Das gibt (geltungsbezogenes  natürlich  Kommentarglied) wieder Anlass zu ein paar schwersinnigen Sätzen, […]. (1)  Wahrscheinlich  Kommentarglied) waren die Impulse wieder unterwegs (geltungssbezogenes verlorengegangen. (Kehlmann Vermessung: 281) [29] Genau das tun die Männer nun aber (geltungsbezogenes  gar nicht  Kommentarglied), sie finden sich (geltungsbezogenes  überhaupt nicht  Kommentarglied) ab, […]. (2) Der Mann hört nur sich selbst, (geltungsbezogenes  laut Hanna  Kommentarglied), drum kann das Leben einer Frau, die vom Mann verstanden werden will, nicht anders als verpfuscht sein. (geltungsbezogenes  Laut Hanna  Kommentarglied). (Frisch Homo: 172) (3)  Mathematisch  Kommentarglied) ist er ziemlich begabt. (geltungssbezogenes (Beispiel n. Engelen 1990: 101) (4)  Gott sei Dank  Kommentarglied) tun sie es (geltungsbezogenes  nicht  Kommentarglied). (wertungsbezogenes (Hildebrandt achtzig: 76) [53] Und [er] trifft sich damit (wertungsbezogenes  auf überraschende Weise  Kommentarglied) mit dem Autor der Leute von Seldwyla, an die man beim Lesen dieser Novelle sowieso schon zurückgedacht hat. (5)  Zu meinem Erstaunen  Kommentarglied) schlug er ihm leicht auf die (wertungsbezogenes Schulter […]. (Lenz Nachlaß: 118) (6) Sie hatte (wertungsbezogenes  vergeblich  Kommentarglied) bei uns angerufen. (Beispiel n. Boettcher 2009/2: 194)

Geltung und Wertung

Zu unterscheiden sind zwei große Gruppen:3 Kommentarglied-Konzept verwandt ist eine Reihe von wortart- oder satzgliedbezogenen Konzepten: Modalpartikeln (IDS-Grammatik 1997/1: 58, Ballweg 2007, Hoffmann 2013: 398  ff.), Modalwörter (Helbig 1981, Helbig/Buscha 2001: 432  ff.), Satzadverbiale (Pittner 1999: 108  ff.), modale Satzadverbialia (IDS-Grammatik 1997/2: 1126  ff.), Spezialisten (Böttcher 2009/2: 194  ff.), Modalausdrücke (Hirschmann 2015: 190  ff.). 3 Die Zweiteilung orientiert sich an der Zweiteilung der „modalen Adverbien“ durch Peter Eisenberg in „Geltung“ und „Bewertung“ (Eisenberg 2006/2: 218  f.) und der „Kommentaradverbien“ in der Duden-Grammatik in „geltungsbezogen“ und „bewertend“ (Duden 2016: 598  f.). Im Grunde lassen sich alle Klassifikationen in Geltung und Wertung ‚konvertieren‘, die Frage ist nur, wie man die einzelnen Geltungs- und Wertungstypen gewichtet und zu Klassen und Subklassen zusammenfasst. Betrachtet man den Wahrheitsgehalt als einziges oberstes Ordnungsprinzip, wird man die bewertende und die evidenzbetonende Komponente der Assertion unterordnen und die Geltungsabschwä-

Kommentarglieder 

 659

1) geltungsbezogene Kommentarglieder (= Geltungsglieder), die sich auf den epistemischen Status (von Gewissheit über verschiedene Sicherheitsgrade bis hin zur Verneinung) und auf evtl. Evidenzen beziehen oder die Geltung des Szenarios einschränken, und 2) wertungsbezogene Kommentarglieder (= Wertungsglieder), die den Satzinhalt mehr oder weniger emotional bewerten oder evaluieren. Die ersten drei Belege beziehen sich auf den epistemischen Status der Szenarios (= Epistemikglieder), sie dokumentieren drei verschiedene Geltungsgrade: von der Gewissheit/Tatsachenübermittlung (natürlich) über relative Sicherheit (wahrschein­ lich) bis hin zur Negation (gar nicht, überhaupt nicht). Der vierte Beleg (laut Hanna) bezieht sich ebenfalls auf die Geltung, hebt jedoch nicht auf den epistemischen Status, sondern auf die Evidenz ab (= Evidenzglied).4 Neben Epistemik- und Evidenzglied wird noch mit einer dritten Subklasse der Geltungsglieder, dem Bereichsglied, das traditionell „Einordnungsadverb“ (Helbig 1981: 565  f.), „Bereichsadverbial“ (Pittner 1999: 118) oder „domain adverb“ (Ernst 2004) genannt wird, gerechnet. Bereichsglieder wie mathematisch im fünften Beleg drücken keinen Geltungsgrad aus, sondern schränken den Bereich ein, in dem das Szenario gültig ist: Er ist nicht generell ziemlich begabt, sondern lediglich im mathematischen Bereich. Da Bereichsglieder sich nicht auf die qualitative (= epistemische), sondern auf die quantitative Geltungsdimension beziehen, ist ihr Status umstritten.5 Die restlichen vier Belege dokumentieren zwei verschiedene Wertungstypen: Die Wertungsglieder Gott sei Dank, auf überraschende Weise und zu meinem Erstaunen verorten die Geltung der Szenarios (als Tatsachen) in einer von zahlreichen mög­ lichen „Bewertungsdimensionen“ (IDS-Grammatik 2007/2: 1129), d.  h., sie bewerten

chung zwischen Assertion und Negation verorten (IDS-Grammatik 1997/2: 1126  ff., s. auch Ballweg 2007 und Hoffmann 2013: 398  ff.). Arbeitet man mit einer Merkmalsmatrix, erscheinen Merkmale wie Wahrheitsgehalt und Emotionalität gleichgeordnet und können, kombiniert mit anderen Merkmalen, zu einer ‚flachen‘ Klassifikation führen (sechs Subklassen der Modalwörter in Helbig 1981: 578, fünf in Helbig/Buscha 2001: 435). 4 Laut Smirnova/Diewald (2013: 460  ff.) sind die Präpositionalgruppen mit laut, zufolge und nach eindeutig reportiv und somit evidentiell. Zu den Evidenzgliedern gehören auch Nominal- und Präpositionalgruppen der Sorte meines Erachtens oder meiner Meinung nach, die nach Gätje/Steinhoff/ Rezat (2012) „Positionierungsprozeduren“ darstellen. 5 Bei Pittner (1999) erscheinen sie unter den Satzadverbialen, und auch Helbig (1981: 565) und Helbig und Buscha (2001: 437) sprechen von „Einstellungen des Sprechers“ und von „Kommentare(n) vom Sprecherstandpunkt aus“. Umgekehrt werden sie von Polenz (2008: 254) nicht zu den Sprechereinstellungen, sondern zu den spezifizierenden Zusätzen gerechnet. Engelen (1990: 101) spricht von der „übertragen-lokalen Verwendungsweise“ des Adjektivs.

Geltung

Sonderfall Bereichsglied

Wertung

660 

Kommentar­ glieder syntaktisch Kritik am Kommentarglied-Konzept

Stellungs­ verhalten Erfragbarkeit

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

die Szenariogeltung (= Bewertungsglieder), während das Wertungsglied vergeblich diese auch evaluiert (= Evaluierungsglied).6 Soweit der kurze semantische Blick auf die Kommentarglieder. Der syntaktische Blick soll im Anschluss an Karin Pittners Kritik am Kommentarglied-Konzept erfolgen:7 „Der Terminus ‚Kommentarglied‘ […] legt eine Nähe zu den Satzgliedfunktionen nahe. Der in der deutschen Grammatik gut etablierte Begriff Satzglied bezieht sich auf diejenigen Konstituenten eines Satzes, die sowohl pronominalisierbar, erfragbar, verschiebbar als auch vorfeldfähig sind […]. Wird der Satzgliedbegriff auf die ‚Kommentarglieder‘ ausgeweitet, so würden diese Eigenschaften nur noch für die ‚Satzglieder im engeren Sinn‘ gelten, wodurch es leicht zu terminologischen Unklarheiten kommen kann. Wie von Hennig (2012: 447) bemerkt wird, ist der Begriff ‚Kommentarglied‘ in der deutschen Grammatikschreibung bislang nicht verankert und dies kann gute Gründe haben. Offensichtlich wurde bislang keine Notwendigkeit gesehen, einen cover term für die sehr verschiedenartigen Elemente zu kreieren, die unter diesem Begriff vereinigt werden sollen.“ (Pittner 2014: 51  f.) Topologisch verhalten sich Kommentarglieder wie Satzglieder im engeren Sinne, sind also sowohl verschiebbar als auch vorfeldfähig.8 Dagegen sind Kommentarglieder nicht erfragbar (Kap. III/1.7): Das jekt) gibt  natürlich  (Ad- wieder verbial) Anlass (Präpositional- zu ein paar schwersinnigen Sätzen objekt), […]. → ??Wie gibt (Sub- das jekt) (Ad- wieder verbial) Anlass (Präpositional- zu ein paar schwersinnigen Sätzen objekt)? [36]

(Sub-

6 Zu den Bewertungsgliedern gehören auch welche mit Subjektbezug (leichtsinnigerweise, nutzloser­ weise), also die Modalwort-Subklassen Nr. 4 und 5 bei Helbig (1981: 577  f.). Unter ‚Evaluation‘ verstehe ich mit Wolfgang Boettcher (2009/2: 198) „Einschätzungen des Erfolgs oder Misserfolgs“. Evaluierende Wertungsglieder (= Evaluierungsglieder) sind umsonst, vergeblich, erfolgreich, mit Erfolg oder ohne Erfolg. Pittner (1999: 112  ff.) spricht hier vom „subjektorientierten Satzadverbial“. 7 Pittners Kritik bezieht sich allerdings auf die Version des Konzepts im Rahmen meiner Mitarbeit an der Grammatischen Terminologie für die Schule, in der auch die Fokus- und Abtönungspartikeln, der Dativus ethicus und der Dativus iudicantis unter ‚Kommentarglied‘ subsumiert wurden. In der Schulgrammatik gibt es jedoch weder dynamische Satzglieder noch Kohäsionsglieder. Deshalb stellt sich hier die grundsätzliche Frage, wie man mit grammatischen Verlusten ‚von unten nach oben‘ (Kap. I/2.4.5 und II/2.4.3) generell umgeht. Lässt man traditionell nicht analysierbare ‚Glieder in Sätzen‘ einfach ‚links liegen‘ oder fasst man sie lieber in einer Sammelklasse zusammen, die übrigens gewiss nicht weniger heterogen ist als die Sammelklasse ‚Adverbial‘? 8 Ausgenommen sind negierende Geltungsglieder (nicht, gar nicht, überhaupt nicht), deren Status umstritten ist (Helbig 1981: 564). Ich rechne sie in Anlehnung an Peter Eisenberg (2006/2: 219), der von einem „Extremfall des modalen Adverbs, mit dem etwas über die Geltung von Sachverhalten ausgesagt wird,“ zu den Kommentargliedern. „Modalpartikeln” sind auch nach Ludger Hoffmann (2013: 398) „in mancher Hinsicht ähnlich wie die Negationspartikel nicht“.

Kommentarglieder 

 661

Hier lohnt es sich Andreas Lötscher, der sich mit „nicht erfragbaren Satzgliedern“ auseinander gesetzt hat, ausführlich zu zitieren (Lötscher 1999: 306): Einen Typ von nicht erfragbaren Satzgliedern möchte ich gleich zu Beginn als unproblematisch aus der Diskussion ausklammern, nämlich Satzglieder, welche einen Kommentar oder eine Einstellung zur Äußerung, in der sie vorkommen, ausdrücken, wie etwa leider, glücklicherweise, meines Wissens, wenn du mich fragst, anscheinend. Es ist logisch, daß solche Ausdrücke nicht erfragbar sind, denn ihr Gehalt betrifft ja nicht den sachlichen Gehalt der Mitteilung, sondern moduliert die Darstellung oder Übermittlung der Mitteilungsfunktion an sich. Fragen kann man nur nach sachlichen Inhalten einer Äußerung, nicht nach der Art und Weise, wie einem diese übermittelt werden; wenn man nach der Einstellung fragen will, mit der jemand eine Mitteilung übermittelt hat, muß man diese Ebene selbst wieder metasprachlich thematisieren.9

Was Lötschers Aussage impliziert, ist, dass man sich der Illusion nicht hingeben sollte, dass der „in der deutschen Grammatik gut etablierte Begriff Satzglied“ (Pittner) ein rein syntaktischer Begriff wäre, der sich mit scheinbar rein syntaktischen Tests problemlos in den Griff zu bekommen wäre. Kommentarglieder sind nicht erfragbar, weil sie semantisch außerhalb der Szenario-Dimension liegen.10 Syntaktisch – Vorfeldfähigkeit, Verschiebbarkeit – sind sie trotzdem mit den Satzgliedern im engeren Sinne vergleichbar, weil es für die zwei semantischen Dimensionen nur ein topologisches Realisierungsschema – im Deutschen ja die Stellungsfelderstruktur – geben kann.11 Außer Verschiebbarkeit, Vorfeldfähigkeit und Erfragbarkeit erwähnt Pittner noch die Pronominalisierbarkeit von Satzgliedern. Doch Pronominalisierbarkeit und Erfragbarkeit stellen keine unabhängigen Testverfahren dar, denn ‚Antwortpronomina‘, d.  h. Anaphern oder Deiktika als deklarative Pendants von Fragen, und ‚Fragewörter‘ unterscheiden sich kategorial nicht. Betrachten wir hierzu das Modaladverbial weidlich und mit offenkundigem Vergnügen aus dem Leittext:12 Die Freiheiten, die sich aus solchem Erzählen ergeben objekt), hat Siegfried Lenz jekt) (Ad- weidlich und mit offenkundigem Vergnügen verbial) (Subgenutzt. [43a] (interrogatives Wie Pro-Adverbial) hat (Sub- Siegfried Lenz jekt) […] (Akkusativ- die Freiheiten, die sich aus solchem Erzählen ergeben objekt), genutzt?

[43]

(Akkusativ-

9 So eine ‚Metafrage‘ wäre z.  B.: Was meinen Sie eigentlich mit ‚natürlich‘? 10 Aus demselben Grunde können Kommentarglieder Antworten auf Entscheidungsfragen bilden: A: Waren die Impulse wieder unterwegs verlorengegangen? B:  Wahrscheinlich . /  Leider . /  Gar nicht . 11 M. a. W., wir können nicht gleichzeitig in zwei ‚Wortstellungsdimensionen‘ konkrete Sprachzeichen produzieren. 12 Der Terminus ‚Pro-Adverbial‘ wurde in Anlehnung an „Pro-Adverb“ (Duden 2016: 584) gebildet.

Illusion ‚Satzgliedsyntax‘

Pronominalisierbarkeit

662 

[43b]

Fazit

Klassifikation

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Die Freiheiten, die sich aus solchem Erzählen ergeben objekt), hat Siegfried Lenz jekt) (deklaratives so Pro-Adverbial) genutzt. (Sub(Akkusativ-

Das interrogative Adverb wie und das deklarative Adverb so stellen (Pro-)Adverbiale dar: Sie stehen für eine Verbindung aus Adverb (weidlich) und Präpositionalgruppe (mit offenkundigem Vergnügen), deren grammatischer Wert ‚Modaladverbial‘ ist. Sie könnten auch eine Verbindung aus Adjektiv und Präpositionalgruppe (genüsslich und mit offenkundigem Vergnügen) oder eben nur ein ‚bloßes‘ Adjektiv (genüsslich) oder eine ‚bloße‘ Präpositionalgruppe (mit offenkundigem Vergnügen) ersetzen. Der grammatische Wert ‚Modaladverbial‘ würde sich nicht ändern.13 Kommentarglieder sind aus demselben Grund nicht ‚pronominalisierbar‘, aus dem sie nicht erfragbar sind: weil sie semantisch außerhalb der Szenario-Dimension liegen. Was syntaktisch bleibt, sind also Vorfeldfähigkeit und Verschiebbarkeit, also eine durchaus relevante syntaktische Schnittmenge mit den semantisch andersartigen Komplementen und Supplementen. Demnach führt die Unterscheidung zwischen Satzgliedern im engeren Sinne (Komplemente und Supplemente) und Satzgliedern im weiteren Sinne (Prädikat, Komplemente und Supplemente, Kommentarglieder) nicht „zu terminologischen Unklarheiten“ (Pittner), ganz im Gegenteil: Sie führt zu gleich zwei wichtigen Präzisierungen: Einerseits erhält auch das Prädikat, das in den Grammatiken nicht oder nur zögerlich zu den Satzgliedern gerechnet wird, eine klare Zuordnung.14 Andererseits verschwindet das Kommentarglied nicht in der PseudoSubklasse ‚Satzadverbial‘ der ohnehin sehr heterogenen Sammelklasse ‚Adverbial‘. Zusammenfassend und abschließend ergibt sich also folgende Klassifikation:

13 Dabei ist hier ‚ersetzen‘ kein theoretischer, sondern lediglich ein methodischer Ausdruck. Denn ich fasse mit Eugenio Coseriu sog. Pronomina nicht als Sekundärwörter auf, die für Lexemwörter stehen, sondern umgekehrt als „Kategoremwörter (»Pronomina«), die nur die Form der Gestaltung des Außersprachlichen aufweisen (die also substantivisch, adjektivisch usw. funktionieren), jedoch keinen bestimmten außersprachlichen Stoff darstellen […].“ (Coseriu 1972/1987: 88) Interrogatives wie und deklaratives so stellen in diesem Sinne das Modaladverb ‚in kategorialer Reinkultur‘, ohne stoffliche Anreicherungen, dar. 14 Peter Eisenberg (2006/2: 50) rechnet zwar das Prädikat zu den Satzgliedern, formuliert dabei aber dezidiert distanziert. Peter Gallmann (Duden 2016: 789) hingegen zählt das Prädikat nicht zu den Satzgliedern, hebt aber dessen Bedeutung für die Bestimmung der Satzglieder vor. Der Status des Prädikats wird dabei offen gelassen.

Kommentarglieder 

 663

Tab. 54: Klassen und Subklassen von Kommentargliedern im Überblick Klasse

Subklasse

Beispiele

Epistemikglieder

[…]  vielleicht  erzählte er ihm eine erfundene Geschichte von seinem finnischen Freund Toivo.15

Evidenzglieder

Offenbar  glaubten sie, daß mir am wenigsten daran gelegen war, zu erfahren, was die Zukunft für uns bereit hielt […].16

Bereichsglieder

Technisch  ist das kein Problem.17

Bewertungsglieder

Zum Glück  habe man noch Licht.18

Evaluierungsglieder

Sie hatte  vergeblich  bei uns angerufen.19

geltungsbezogene ­Kommentarglieder (Geltungsglieder)

Kommentar­ glieder im Überblick

wertungsbezogene Kommentarglieder (Wertungsglieder)

Kommentarglieder gehören zu den Satzgliedern im weiteren Sinne. Syntaktisch sind sie mit den Satzgliedern im engeren Sinne vergleichbar, semantisch haben sie jedoch andere Funktionen: Als Geltungsglieder beziehen sie sich auf den epistemischen Status (= Epistemikglieder) und auf evtl. Evidenzen (= Evidenzglieder), oder sie schränken die Geltung des Szenarios auf einen Bereich ein (= Bereichsglieder). Als Wertungsglieder bewerten sie den Satzinhalt (= Bewertungsglieder) oder evaluieren diesen (= Evaluierungsglieder).

4.3 Kommentarmittel: Parenthese, Redeanzeige, weiterführender Relativnebensatz Im Kap. II/4.3 wurde der methodische Weg gewählt, die Kohäsionsglieder als eine Teilmenge der Textkohäsionsmittel herauszufiltern. Da die Kommentarglieder bereits identifiziert wurden, brauchen wir diesen Weg hier nicht mehr zu gehen. Trotzdem stellt sich, (eingeschränkt) analog, die Frage nach weiteren Kommentarmitteln, die

15 Lenz Nachlaß: 182 16 Lenz Nachlaß: 168 17 Beispiel n. Engelen 1990: 101 18 Kehlmann Vermessung: 15 19 Beispiel n. Boettcher 2009/2: 194

Kom­men­tar­ mittel und Kommentar­ glieder

664 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

keine Kommentarglieder sind, aber im Rahmen der Grammatischen Textanalyse noch einzuordnen sind. Zu behandeln sind dabei drei für jede Theorie ‚schwierige‘ Typen von Kommentarmitteln:20 1) Parenthesen, 2) Redeanzeigen und 3) weiterführende Relativnebensätze. Parenthesen

Parenthesen bilden in Grammatiken „kein zentrales Thema“, was „in auffälligem Mißverhältnis“ zu ihrer Häufigkeit in Mündlichkeit und Schriftlichkeit stehe (Hoffmann 1998: 299).21 Außerdem ist der Parenthesenbegriff alles andere als klar. Fangen wir deshalb mit einem unkontroversen Beleg und dessen nichtparenthetischer Umformung an: (7)





Unter­ brechungs­ struktur

[…] auf dem dortigen Observatorium zeigt man noch einen überaus künst­ lichen Einschachtelungsbecher von Holz, den er [der Kurfürst, L.H.] selbst in seinen Freistunden (Paren- – er hatte deren täglich 24 – these) geschnitzelt hat. (Heine Das Buch Le Grand: 95, zit. n. Hoffmann 1998: 304) […] auf dem dortigen Observatorium zeigt man noch einen überaus künst­ lichen Einschachtelungsbecher von Holz, den er selbst in seinen Freistunden geschnitzelt hat. Er hatte deren täglich 24. (zit. n. Hoffmann 1998: 305)

Heines feine Ironie geht durch die Auflösung der Parenthese verloren, denn, was nacheinander gesagt wird, wird auch nacheinander verarbeitet: „Die Parenthese bringt eine Dynamik der Wissensverarbeitung auf der Linearitätsebene zum Ausdruck, die anders nicht auszudrücken ist.“ (Hoffmann 1998: 304) Dass Parenthesen syntaktische Unterbrechungen einer begonnenen syntaktischen Struktur darstellen, lässt sich besonders gut an gesprochensprachlichen Belegen nachvollziehen: (8)

Kann das sein A) (Teil also das ist sozusagen meine Außensicht; ne? B (= Parendass die Bayern weniger Schwierigkeiten mit ihrer Varietät haben […]?C) these)) (Teil (vereinfachtes Originaltranskript, zit. n. Stoltenburg 2007: 156) (Teil

„Eine begonnene syntaktische Konstruktion (A), die eine Projektion auf eine Weiterführung eröffnet, wird […] unterbrochen, so dass es statt zu einer Projektionseinlö-

20 Die Analogie ist eingeschränkt, weil sich nicht alle Typen von Parenthese und Weiterführung als Kommentare auffassen lassen. Der Hilfsbegriff ‚Kommentarmittel‘ hat aber den Vorteil, die drei notorischen Problemfälle gebündelt zu behandeln. 21 Zum Forschungsbericht s. Selmani 2012: 58  ff., aus der Sicht der Gesprochenen-Sprache-Forschung Stoltenburg 2007: 139  ff.

Kommentarglieder 

 665

sung zu einer Parenthese (B) kommt. Die von Teil A ausgelöste Projektion kann dann in Teil C eingelöst werden.“ (Stoltenburg 2007: 154)22 Dadurch, dass man in der schriftlichen wie mündlichen Parenthesenforschung ohne prozessuale Begriffe wie ‚Wissensverarbeitung‘, ‚Unterbrechung‘ und ‚Projektion‘ offensichtlich nicht auskommt, steht der Grammatiker, der traditionell Produkte (Strukturen) und nicht Prozesse beschreibt, vor einem theoretischen und methodischen Dilemma: Soll er Parenthesen rein strukturell beschreiben? Und kann er das überhaupt? Oder soll er hier (notgedrungen) eine theoretisch-methodische ‚Ausnahme‘ machen und prozessuale Begriffe in einer ansonsten produktorientierten Theorie zulassen?23 Ich möchte das Dilemma an dem folgenden Beleg mit dem Verbum putandi (Verb des Meinens) finden klarmachen:24

das Grammatiker­ dilemma

(9) Einmal, (Paren- das war klar these), mußte ich es sagen, daß Joachim aus dem Leben geschieden ist, aber nicht gerade heute, (Paren- fand ich these), nicht gerade am ersten Abend. (Frisch Homo: 175) Rein produktorientiert spielt es keine Rolle, wo das Verb in der Linearstruktur steht: Ob einleitend, nachgestellt oder eingeschoben, es verfügt über seine Valenz und hat folglich auch eine Komplementstelle fürs Akkusativobjekt: Was fand ich? Eine produktorientierte Analyse ist folglich unabhängig von der Verbstellung einheitlich: (9) (a) Ich fand, (Akkusativ- Einmal, das war klar, mußte ich es sagen, daß Joachim aus dem Leben geschieden ist, aber nicht gerade heute, nicht gerade am ersten Abend objekt). (b) Einmal, das war klar, mußte ich es sagen, daß Joachim aus dem Leben (Akkusativgeschieden ist, aber nicht gerade heute, nicht gerade am ersten Abend objekt), fand ich. (c) Einmal, das war klar, mußte ich es sagen, daß Joachim aus dem Leben (gespalgeschieden ist, aber nicht gerade heute, te-) fand ich, (nes Akkusativ- nicht gerade am ersten Abend objekt).

22 Die Indizierung der Teile A, B und C wurde nachträglich eingefügt. 23 Sprache – genauer: Sprechen – lässt sich als Produkt (= P), als Tätigkeit (= T) und als Wissen/ Kompetenz (= W) untersuchen (Coseriu 1988a). Das verallgemeinerte Grammatikerdilemma, das Grammatiker jeder Couleur betrifft, lautet demnach: Kann/soll ich, wenn mein Gegenstand z.  B. W ist, Untersuchungsergebnisse bezüglich P oder T berücksichtigen? Und wenn ja, wie? Dieselben Fragen stellen sich, mutatis mutandis, bei den Gegenständen P oder T. 24 Das Dilemma ist tatsächlich virulent in der aktuellen theoretischen Diskussion über (produktorientierte) „root analysis“ (Newmeyer 2015) vs. (prozessorientierte) „rootless analysis“ (Kaltenböck/ Heine/Kuteva 2015) von „parenthetical verbs“.

Produkt­ orientiertheit

666 

Prozess­ orientiertheit

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Prozessorientiert fällt die Analyse ganz anders aus. Einleitend entwirft das Verbum putandi sein Szenario, die Nichtrealisierung des Akkusativobjekts wäre demnach äußerst fragwürdig: (9a’) ??Ich fand. Bei Einschub und Nachstellung hingegen wird zwischendurch ein anderes, das Sagen-müssen-Szenario entworfen und komplettiert, sodass das Verbum putandi syntaktisch überflüssig wird und gar nicht mehr realisiert zu werden braucht: (9b–c’) Einmal, (Paren- das war klar these), mußte ich es sagen, daß Joachim aus dem Leben geschieden ist, aber nicht gerade heute, nicht gerade am ersten Abend.

parenthetische Valenzreduktion

paren­ thetischer dynamischer Satz

Bei der prozessualen Interpretation der Parenthese, d.  h. von Einschub und Nachstellung, kann also das Verbum putandi keine Komplementstelle fürs Akkusativobjekt mehr haben, sonst müsste das Verb syntaktisch realisiert werden.25 Es findet in diesen parenthetischen Konstruktionen (mit Verberst) also eine Valenzreduktion statt, das Verb wird konstruktionell intransitiviert.26 Mit Hilfe der Funktion-Argument-Wert-Formel lässt sich diese konstruktionelle Umszenierung wie folgt darstellen (Pstat-tr = statisches, transitives Prädikat; Pdyn-intr = dynamisches, intransitives Prädikat):27 parenthetische Intransitivierung (Verbum putandi-Pstat-tr) = (parenthetisches) ­Verbum putandi-Pdyn-intr Somit lässt sich die zweite Parenthese des Originalbelegs als dynamischer Satz indizieren:

25 Da sich eingeschobene und nachgestellte Verben des Sagens, Fühlens und Meinens (= Verba dicendi, sentiendi und putandi), d.  h. „Kommunikationsverben“ (Weinrich 2005: 898), syntaktisch einheitlich verhalten, subsumiere ich hier Einschub und Nachstellung unter ‚Parenthese‘. Diese terminologische Vereinfachung bezieht sich also nur auf die grammatische Beschreibung der Kommunikationsverben bzw. auf andere Verben, wenn sie analog den genuinen Kommunikationsverben als Redeanzeige eingesetzt werden (s. unten). 26 Auch Wolfgang Imo (2007: 246  ff.) analysiert eingeschobenes und nachgestelltes finde ich als einen ‚besonderen‘ „Matrixsatz“: „Die Salienz dieser Äußerungen ist im Vergleich zu Realisierungsweisen in einem vorangestellten Matrixsatz stark zurückgenommen.“ (Imo 2007: 246) Nach Karin Pittner (1995: 93) verhalten sich „V-1-Parenthesen“ (wie auch „so-Parenthesen) „bezüglich Bindung wie Matrixsätze“. 27 Zu den dynamischen Mechanismen der Valenzreduktion und -erhöhung s. Kap. III/1.3.3, wo die Relation ‚Aktiv vs. einfaches vs. erweitertes Passiv‘ behandelt wird. Auf die Wortstellung – Verberst oder Verbzweit – komme ich unten, bei der Behandlung der Redeanzeige, noch zu sprechen.

Kommentarglieder 

 667

(9) Einmal, (Paren- das war klar these), mußte ich es sagen, daß Joachim aus dem Leben geschieden ist, aber nicht gerade heute, (Paren- fand ich these), nicht gerade am ersten Abend. (Frisch Homo: 175) Auch die erste Parenthese des Belegs, der statische Satz das war klar, ist nur prozessorientiert sinnvoll zu interpretieren, denn rein produktorientiert müsste man sagen, dass das Frequenzadverbial Einmal und ein statischer Satz gemeinsam das Vorfeld eines anderen statischen Satzes besetzen. Natürlich ist das nicht der Fall. Der parenthetische statische Satz, Teil B im Sinne von Stoltenburg, befindet sich in einer sog. Parenthesennische zwischen dem Vorfeld (Teil A) und dem Rest (Teil C) eines anderen statischen Satzes. Er ist eine Art Kommentar-Granate, die da eingeschlagen ist und einen Trichter aufgerissen hat. Was den Parenthesenbegriff anbelangt, orientiere ich mich an Hoffmann 1998.28 Der Satzaufbau kann nach Hoffmann einerseits im Hinblick auf die syntaktisch übergeordnete Einheit  – emergent oder kompositional  – erfolgen.29 Andererseits: „Wenn keine Funktionalisierung für die primären Zwecke der syntaktisch überge- ordneten Einheit erfolgt, in die der Ausdruck formal eingebaut bzw. an die er angeschlossen ist, spreche ich von Installation.“ (Hoffmann 1998: 312, Fettdruck im Original) Hoffmann unterscheidet vier Installationstechniken („Installationsprozeduren“): Delimitation, die den Randbereich bildet, Migration und Insertion, die den Kernbereich der Parenthese darstellen, und Implementation, die den Übergangsbereich zu verwandten – appositiven – Phänomenen bildet. Wir betrachten der Reihe nach kurz alle vier Techniken. „Die elementarste Prozedur der Parenthese ist die Delimitation, mit der ein in den funktionalen Aufbau integrierter Ausdruck intonatorisch oder graphisch aus der Trägerstruktur ausgegliedert wird.“ (Hoffmann 1998: 314, Fettdruck im Original)30 Ein delimitierter Ausdruck (= Teil B) ist von der Trägersequenz (= Teile A und C) strukturell abhängig (Pittner 1995: 86  f.).31 In der Begrifflichkeit der Grammatischen Textanalyse handelt es sich dabei um aggregative Makro-, Meso- oder Mikroglieder:32 (10) Ich lausche angestrengt, halte die Luft an, dann, (Delimi- (Nacherst- endlich Adverbjunktor) , der helle Juchzer einer Frau. tation) (Timm Johannisnacht: 75, zit. n. Heiderich 2014: 26)

28 Seine Auffassung ist konform mit Kaltenböck 2007. S. auch Kaltenböck/Heine/Kuteva 2015. 29 Hoffmann (1998: 312) spricht nicht von Emergenz und Kompositionalität, sondern von „Synthese“ und „Integration“. 30 „Formal delimitiert sind auch die anderen Formen der Parenthese.“ (Hoffmann 1998: 315) M. a. W., Delimitation stellt das basale Merkmal für alle vier Installationstechniken dar. 31 Auch semantisch gehören delimitierte Ausdrücke zum Randbereich der Parenthese. Denn sie stellen keine „redekommentierenden“, sondern „propositionale Einschübe“ dar (Pittner 1995: 98). 32 Der Mikroglied-Status des Typs vor dem Haus wird in den Kap. IV/1.2 und IV/2.3 zu klären sein.

parenthe­ tischer statischer Satz

zum Begriff der ­Parenthese

Installationstechniken

Delimitation

668 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Im Sterben hatte er, (Delimi- (Temporal- nach tagelangem Schweigen adverbial) tation), etwas Merkwürdiges gesagt: Roter Baum. (Timm Johannisnacht: 8, zit. n. Heiderich 2014: 21) (12) Unten, (Delimi- (Mikro- vor dem Haus glied) tation), wartete schon das Taxi, oben auf dem Balkon stand […] Kubin und brüllte: Mast- und Schotbruch! (Timm Johannisnacht: 88, zit. n. Heiderich 2014: 22) (11)

Bei der Delimitation ändert sich die normale Wortstellung nicht, „es wird keine Parenthesennische besetzt.“ (Hoffmann 1998: 315) Dank der parallelen Struktur der ersten beiden Sätze des letzten Belegs sieht man das deutlich, wenn man das Lokaladverbial mit aggregativem Mikroglied (Unten, vor dem Haus,) mit dem Lokaladverbial mit integrativem Mikroglied (oben auf dem Balkon) vergleicht. Die Wortstellung würde sich auch nicht ändern, wenn Uwe Timm Aggregation und Integration umgekehrt ‚verteilt‘ hätte: (12’) Unten vor dem Haus wartete schon das Taxi, oben, (Delimi- (Mikro- auf dem Balkon , stand […] Kubin und brüllte: Mast- und Schotbruch! glied) tation) Migration

Die zweite Installationstechnik ist die Migration: (13) Bisher sang er, (Migra- (Konditional- wenn er betrunken war lieder. (Timm Johannisnacht: 18, zit. n. Heiderich 2014: 22)

Insertion

, irische Volks­

adverbial) tion)

Migrierte Ausdrücke wie der eingeschobene Konditionalnebensatz haben einerseits das Merkmal, „daß der Ausdruck nicht seinen regulären Platz in der Linearstruktur einnimmt, sondern in einer Nische der Linearstruktur – zwischen den Stellungsfeldern bzw. nach einem Stellungsfeld – erscheint.“ (Hoffmann 1998: 315) Andererseits liegt die Nische „unmittelbar vor oder nach dem Ausdruck, auf dessen Verarbeitung sich die Parenthese – amplifizierend, modifizierend, spezifizierend, ergänzend etc. – bezieht.“ (ebd.) Migration ist ebenfalls eine Form der Aggregierung, aber der grammatische Wert der migrierten Einheiten bleibt gültig. Die dritte Installationstechnik, die „typische Prozedur der Parenthesebildung ist die Insertion eines in die Trägerstruktur nicht integrierbaren, in deren Aufbau nicht einbeziehbaren Ausdrucks. Formal teilt sie die Merkmale der Delimitierung und Migration. Der eingelagerte Ausdruck hat eine spezifische, von der des Trägerausdrucks unabhängige Funktion, die sich aber gerade lokal und in Wirkung auf die Verarbeitung des Trägersatzes entfalten soll.“ (Hoffmann 1998: 317, Fettdruck im Original) Ein typisches Insertionsbeispiel ist der erste statische Satz im bereits zitierten Frisch-Beleg:

Kommentarglieder 

 669

(9) Einmal, (Inser- das war klar tion), mußte ich es sagen, daß Joachim aus dem Leben geschieden ist, aber nicht gerade heute, fand ich, nicht gerade am ersten Abend. (Frisch Homo: 175) Auch lexifizierte Kohäsionsglieder können insertiert sein. Ein gutes Beispiel ist das textdeiktische Kohäsionsglied wie gesagt (Kap. II/4.3): (14)

[…] aber ich hatte kein Pyjama, (Inser- (lexifiziertes wie gesagt Kohäsionsglied) tion), bloß mein schmutziges Hemd. (Frisch Homo: 182)

Wie dem letzten Zitat zu entnehmen ist, geht Insertion nach Hoffmann mit Migration (und Delimitation) einher. Gerade im Falle lexifizierter Einheiten, die topologisch oft sehr flexibel sind, stellt sich allerdings die Frage, ob Insertion tatsächlich immer auch Migration impliziert. Vergleichen wir hierzu einen Originalbeleg, der ein nachgestelltes Kohäsionsglied enthält, mit zwei Stellungsvarianten:33

insertierte lexifizierte Kohäsionsglieder

topologische Flexibilität

(15) Sie wollten wissen, wieso ich fälschlicherweise angenommen hatte, dass Sie für Ihre Ausführungen […] nicht länger als zwanzig Sekunden benötigt haben. Nun, Ihre E-Mails lesen sich wie ‚heruntergesprudelt’, (Extro- (lexifiziertes wenn ich mir diese Einschätzung erlauben darf Kohäsionsglied) glied). (Glattauer Nordwind: 10) (a) Sie wollten wissen, wieso ich fälschlicherweise angenommen hatte, dass Sie für Ihre Ausführungen […] nicht länger als zwanzig Sekunden benötigt haben. Nun, Ihre E-Mails lesen sich, (Inser- (lexifiziertes wenn ich mir diese Einschätzung erlauben darf Kohäsionsglied) tion), wie ‚heruntergesprudelt’. (b) Sie wollten wissen, wieso ich fälschlicherweise angenommen hatte, dass Sie für Ihre Ausführungen […] nicht länger als zwanzig Sekunden benötigt haben. Wenn ich mir diese Einschätzung erlauben darf Kohäsionsglied) glied): Ihre (Intro- (lexifiziertes E-Mails lesen sich wie ‚heruntergesprudelt’. Die (b)-Variante, die ein Introglied (Kap. II/4.5) ist, ist stilistisch eventuell nicht optimal, aber grammatisch sicherlich einwandfrei. Die (a)-Variante, die Insertion, lässt sich dagegen, auch stilistisch, mit dem Original, einem Extroglied (Kap. II/4.5), messen. Selbst wenn man die Stelle der Introglied-Variante als „regulären Platz in der Linearstruktur“ ausschließt, bleiben zwei gleichwertig reguläre Plätze – für die Insertion und das Extroglied – übrig. In solchen Fällen, in denen sich bei der Insertion empirisch keine Migration nachweisen lässt, da weder die eingeschobene 33 Alternativ ließe sich der wenn-Nebensatz sicherlich auch als konditionales Sprechakt-Adverbial (Kap. III/3.1.6) einstufen. Die Argumentation hinsichtlich der Frage der topologischen Flexibilität bleibt allerdings unabhängig von der Einordnung solcher Problemfälle gültig.

Migration?

670 

Implemen­ tation

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

noch die nachgestellte Variante primär ist, plädiere ich dafür, auch die nachgestellte Variante als Insertion zu betrachten.34 Implementation gehört, wie erwähnt, nicht mehr zum eigentlichen Kernbereich der Parenthese, sondern zum Übergangsbereich zu verwandten Phänomenen. Wenn ich Hoffmann (1998: 318) richtig verstehe, ist Implementation nichts anderes als grammatikalisierte Insertion. Sein Beispiel für Implementation ist der „Schaltsatz“, also Redeanzeige. Diese wurde oben, am Beispiel des Verbums putandi finden, als dynamischer Satz interpretiert: (9) Einmal, (Inser- das war klar tion), mußte ich es sagen, daß Joachim aus dem Leben geschieden ist, aber nicht gerade heute, (Implemen- fand ich tation), nicht gerade am ersten Abend. (Frisch Homo: 175)

Redeanzeige

Soviel zum Kommentarmittel ‚Parenthese‘. Bei dem zweiten zu behandelnden Kommentarmittel, der Redeanzeige, können wir uns relativ kurz fassen, weil die grammatische Einordnung parenthetischer (= eingeschobener und nachgestellter) Redeanzeige als dynamischer Satz bereits erfolgt ist.35 Denn ich verstehe, wie erwähnt, unter „Kommunikationsverben“ in Anlehnung an Weinrich (2005: 898) nicht nur Verba dicendi, sondern auch Verba sentiendi und putandi. Der Umszenierungsmechanismus der parenthetischen Intransitivierung bezieht sich also auf alle Kommunikationsverben: parenthetische Intransitivierung (Kommunikationsverb-Pstat-tr) = (parenthetisches) Redeanzeige-Pdyn-intr

vorange­ stellte Redeanzeige

Wenn die Redeanzeige nicht parenthetisch, sondern vorangestellt ist, entwirft, wie erwähnt, das Kommunikationsverb sein ‚normales‘ (transitives) Szenario. Das Ergebnis ist ein statischer Satz mit diversen recycelten Realisierungsformen des Akkusativobjekts (Kap. III/3.1.2): [5] [5a] [5b] [5c]

Hannes jekt) sagt: (Akkusativobjekt- »Bald wird etwas geschehen.« text) Hannes sagt, (eingeleiteter Akkusativobjekt- dass bald etwas geschehen wird nebensatz). (Subjekt) Hannes sagt, (uneingeleiteter Akkusativobjekt- bald werde etwas geschehen nebensatz). (Subjekt) Hannes sagt, (Akkusativobjekt- bald wird etwas geschehen hauptsatz). (Subjekt) (Sub-

34 Dies steht in Einklang mit Kaltenböcks Auffassung. Denn „Positional flexibility“ ist nach ihm ein Merkmal, das nur auf den Kernbereich von „parenthetical clauses“ zutrifft (Kaltenböck 2007: 49). 35 Der Phänomenbereich ‚Redewiedergabe‘ an sich ist natürlich äußerst komplex (s. etwa v. Roncador 1988 und Fabricius-Hansen 2002). Mit Leistner 2016 liegt nun eine Monographie vor, in der versucht wird, die volle empirische Bandbreite direkter und nicht-direkter Redewiedergabeformen in literarischen Texten zu erfassen und deren syntaktischen Integrationsgrad zu modellieren.

Kommentarglieder 

 671

Als Redeanzeige fungieren nicht nur genuine, sondern auch „sekundäre Kommunikationsverben“ (Eroms 2012: 35):36 (16) «[…] War (Sub- das jekt) auch ein Sozialarbeiter?» «Der und ein Sozialarbeiter!» hat der Sandler gelacht. «Der hätte sich aber lange verstellt. […]» (Haas Silentium: 161) (17) „Nun aber raus!“, schrie der Onkel […]. (Kästner 35. Mai: 86)

sekundäre Kommunika­ tionsverben

Eroms vergleicht diese sekundären Kommunikationsverben mit Geräuschverben (wie klappern, quietschen, knattern usw.), die sekundär als Fortbewegungsverben fungieren:37 (18) Sie knattert auf einem Motorrad über die Bühne […]. (Nürnberger Nachrichten, 09. 03. 2007, zit. n. Meliss 2012: 314) So wie knattern die kompakte Variante von knatternd fahren ist, stellen lachen und schreien die kompakten Varianten von lachend/schreiend sagen dar. In dem einen Falle handelt es sich um „kompakte Bewegungsverben“, in dem anderen um „kompakte Redeanzeige“ (Eroms 2012: 31  ff.). Die primäre (statische) Verwendung von Verben wie lachen oder schreien als normaler ‚Ausdrucksverben‘, die Gefühle oder sonstige sprecherbezogene Zustände zum Ausdruck bringen, unterscheidet sich grammatisch von der sekundären Verwendung als kompakte Redeanzeige-Verben. Ein Supplement wie etwa das Kausaladverbial vor Angst passt besser zum Ausdrucksverb als zum Kommunikationsverb:

kompakte Redeanzeige

Ausdrucksvs. Kommunikationsverb

(17a) Der Onkel schrie vor Angst. (17b) ?„Nun aber raus!“, schrie der Onkel vor Angst. Analog der konstruktionellen Herleitung dynamischer Fortbewegungsverben aus statischen Geräuschverben sind nun auch sekundäre Kommunikationsverben als qua Redeanzeige-Konstruktion dynamisierte statische Ausdrucksverben zu beschreiben: Redeanzeige-Konstruktion (Ausdrucksverb-Pstat) = Redeanzeige-Pdyn Da die Ausdrucksverben im Gegensatz zu den primären Kommunikationsverben intransitiv sind, findet hier keine Intransitivierung statt. Deshalb gibt es keinen kategorialen Unterschied zwischen parenthetischen und vorangestellten Redeanzeigeprädikaten: (17c) Der Onkel schrie: „Nun aber raus!“ 36 Eine Klassifikation der sekundären Kommunikationsverben bietet Weinrich (2005: 899). 37 Auf zu Fortbewegungsverben umkategorisierte Geräusch(emmissions)verben wurde im Kap. III/3.2.4 eingegangen.

kompakte Dynamik

672 

Wortstellung

Aussagesatz mit leerem Vorfeld

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Die Redeanzeige-Konstruktion stellt also eine andere Konstruktion, einen anderen Umszenierungsmechanismus, dar als die parenthetische Intransitivierung. Bei der Redeanzeige-Konstruktion ‚entsteht‘ ein neues Kommunikationsverb, bei der parenthetischen Intransitivierung wird die Valenz eines Kommunikationsverbs stellungsbedingt reduziert. Bei der parenthetischen Redeanzeige (mit oder ohne Intransitivierung) stellt sich noch die Frage, ob sie auch hinsichtlich der Wortstellung konstruktionelle Eigenschaften hat. Da es sich bei den dynamischen Sätzen, die als parenthetische Redeanzeige fungieren, um Aussagesätze handelt und da Aussagesätze Verbzweitsätze sind, müssten dynamische Redeanzeige-Sätze Verbzweitsätze mit leerem Vorfeld sein (Kap. II/1.3). Betrachten wir hierzu den im Kap. II/1.3 bereits zitierten Beleg, der gleich drei Aussagesätze mit leerem Vorfeld (»Weiß nich!«, »Hast recht!«, »Is doch egal!«) enthält: (19) »Kannste aufstehn?« »Weiß nich!« »Versuch ma!« »Warum denn?« »Weil das Gras so naß is!« »Hast recht!« »Los, Chris, steh auf!« »Gleich!« »Los! Du kannst hier nich rumliegen!« »Doch!« »Das Gras is aber zu naß!« »Is doch egal!« (Hennig von Lange Relax: 111) In allen drei Fällen wäre alternativ auch die pronominale Besetzung des Vorfelds möglich: (19’) […] »Das weiß ich nich!« […] »Du hast recht!« […] »Das is doch egal!«

Kommentarglieder 

 673

Die konkrete Frage lautet also: Ist parenthetische Redeanzeige topologisch derselbe Fall? Sind dynamische Redeanzeige-Sätze wie sagte X oder schrie y analog den kanonischen Aussagesätzen mit leerem Vorfeld (ohne Redeanzeige-Funktion) als Verbzweitsätze mit leerem Vorfeld zu interpretieren? Oder stellen sie eher Verberstsätze dar, was bedeuten würde, dass sie auch aus topologischer Sicht als Konstruktionen aufgefasst werden müssten? Karin Pittner (1993: 308  f.) macht die Analogie mit kanonischen Aussagesätzen mit leerem Vorfeld geltend und plädiert somit für die Verbzweit-Lösung mit leerem Vorfeld: „Eine mögliche Erklärung liegt meiner Auffassung nach darin, daß in allen diesen Fällen ein wiederaufnehmendes Element (so oder häufig auch das) eingefügt werden kann. Man kann also argumentieren, daß hier eine Verbzweit-Stellung vorliegt bei getilgtem Vorfeld […].“ Umgekehrt argumentiert sie im Falle des redeanzeigenden Nichtsatztyps so X (mit Quotativpartikel so, ohne Verbum dicendi), dass hier das Verbum dicendi weggelassen wurde: „Bei den so-Einschüben ist aus dem Kontext erschließbar, daß hier die Quelle der Mitteilung im umrahmenden Satz angegeben wird. Ein verbum dicendi kann daher weggelassen werden, da es keine wesentliche Information beiträgt.“ (Pittner 1993: 308) Sie führt folgende drei Belege an:

Verberst oder Verbzweit?

wegge­ lassenes so/das

wegge­ lassenes ­Verbum dicendi

(20) Stempel, so Insider, werde zu seinem Amtsantritt „in eine Kreissäge laufen“. (21) Man müsse, so das Süssmuth-Fazit, „über konkrete Maßnahmen beraten“. (22) Asylbewerbern, so ihr Vorschlag, könnte die Sozialhilfe durchaus um 25 Prozent gekürzt werden. (alle drei Belege aus dem Spiegel 45/1992, zit. n. Pittner 1993: 308) Pittner plädiert also für ein, nennen wir es so, unifiziertes Modell: Parenthetische Redeanzeige stellt nach ihr eine ganz normale Verbzweitstruktur dar. Sie kann dabei voll besetzt sein (so sagen Insider) oder eben partiell (sagen Insider oder  – wie im Original – so Insider):38

unifiziertes Modell

(20) Stempel, [Vor- so feld] [leerer 0 linker Klammerteil] Insider, werde zu seinem Amtsantritt „in eine Kreissäge laufen“. (20’) Stempel, [Vor- so feld] [linker sagen Klammerteil] Insider, werde zu seinem Amtsantritt „in eine Kreissäge laufen“. (20’’) Stempel, [leeres 0 Vorfeld] [linker sagen Klammerteil] Insider, werde zu seinem Amtsantritt „in eine Kreissäge laufen“. Dieses Modell kann aber nicht funktionieren, was sich bereits durch die Aussage „Ein verbum dicendi kann daher weggelassen werden, da es keine wesentliche Information beiträgt.“ andeutet. Diese Aussage ist nämlich merkwürdig asyntaktisch, als

38 Die türkis-Markierung wird hier weggelassen, denn hier geht es um Pittners Modell.

Weglassbare Klammer?

674 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

würde bei der Weglassbarkeit eines Verbum dicendi keine Rolle spielen, dass das Verb das Prädikat und somit die Satzklammer bildet. Im Rahmen eines unifizierten Modells muss das Verbum dicendi syntaktisch genau so interpretiert werden wie jedes beliebige Prädikat jedes beliebigen Verbzweitsatzes. Und Klammern oder Klammerteile sind in der Regel nicht weglassbar. Selbst dann nicht, wenn man den Kontext so ergänzt, dass jedem klar ist, welches Verb da fehlt. Hier eine entsprechende Umformung des obigen Hennig von Lange-Belegs: (19’’) […] *»Keine Ahnung. Das [leerer 0 linker Klammerteil] ich nich!« […] *»Stimmt, du [leerer 0 linker Klammerteil] recht!« […] *»Juckt mich nicht, das [leerer 0 linker Klammerteil] doch egal!« Ende der Analogie Leeres ­Vorfeld?

An dieser Stelle endet also bereits die Analogie mit kanonischen Aussagesätzen (ohne Redeanzeige-Funktion): Das Verbum dicendi der parenthetischen Redeanzeige stellt keinen linken Klammerteil einer kanonischen Verbzweit-Stellungsfelderstruktur dar. Gibt es wenigstens eine partielle Vergleichbarkeit hinsichtlich des leeren Vorfelds? Vergleichen wir hierzu Pittners Beispiel für leeres Vorfeld mit den leeren Vorfeldern des Hennig von Lange-Belegs: (23) Hans, [leeres 0 Vorfeld] sagte er, kommt morgen nicht. (Beispiel n. Pittner 1993: 308) (19) […] »[leeres 0 Vorfeld] Weiß nich!« […] »[leeres 0 Vorfeld] Hast recht!« […] »[leeres 0 Vorfeld] Is doch egal!« Und betrachten wir zusätzlich auch die Umformungen mit besetzten Vorfeldern: (23’) Hans, [Vor- das/so feld] sagte er, kommt morgen nicht. (19’) […] »[Vor- Das feld] weiß ich nich!« […] »[Vor- Du feld] hast recht!« […] »[Vor- Das feld] is doch egal!«

Weglassen oder Hinzu­ fügen?

Das Konzept des leeren Vorfelds impliziert, dass der strukturelle Normalfall das besetzte Vorfeld ist (Kap. II/1.3). Durch wiederholtes Nichtbesetzen (,Weglassen‘) entstehen häufig „stereotype Ausdrücke“ (wie eben weiß nich, hast recht, is egal), die im mündlichen Dialog die funktionalen Nischen der Zustimmung und der Ablehnung

Kommentarglieder 

 675

besetzen (Weinrich 2005: 78) oder generell „Reaktive“ (Sieberg 2016) sind: Klappt doch, kann schon passieren, macht nichts. Sie sind „regelhaft“ und „stilistisch markiert“ (Eroms 2010: 31). Parenthetische Redeanzeige funktioniert im besten Falle umgekehrt: Der strukturelle Normalfall ist der Typ sagt X, „stilistisch markiert“ sind die Typen das sagt X und so sagt X. Dabei würde hier ‚stilistisch markiert‘ nicht den Wechsel aus der Schriftlichkeit in die Mündlichkeit (oder umgekehrt) bedeuten, sondern ‚unnatürlich/text(erfahrungs)fern‘. Hier geht es also, wenn überhaupt, nicht um natürliches Weglassen, sondern um unnatürliches Hinzufügen. Nimmt man Textbelege, kommen einem jedoch Zweifel, ob es wirklich (immer) ‚nur‘ um stilistische Markiertheit geht. Betrachten wir zuerst Originalbelege und dann deren Umformungen mit das und so:39

Nur ­‚stilistisch‘ markiert?

Ist die [= die als Geschenk mitgebrachte, aus Walroßzahn gearbeitete, fein polierte Möwe, VÁ] aber schön, sagte meine Mutter und nahm sie in die Hand […]. Sie reichte die Möwe meinem Vater weiter, der nachdenklich über den glatten Körper hinstrich und urteilte: Feine Arbeit, in Norwegen machen sie sowas. Sie ist aus Norwegen, sagte Arne, mein Vater hat sie einmal mitgebracht […]. (Lenz Nachlaß: 16) (25) Das sei unglaublich, sagte Humboldt zu Ehrenberg, das werde er nicht dulden, das sei doch keine Expedition mehr! (Kehlmann Vermessung: 274) (26) FRANKFURT A. M.: „Fast hundert Prozent der angemeldeten Schülerinnen und Schüler sind heute zum Unterrichtsbeginn erschienen“, sagt Hermann Hermeling, Leiter der Frankfurter Schule für Bekleidung und Mode. Das ist nicht immer so und deshalb eine Überraschung für die Lehrer an der Fachschule. (Frankfurter Rundschau, September 1999, zit. n. Hennig 2006a: 414) (16) «[…] War (Sub- das jekt) auch ein Sozialarbeiter?» «Der und ein Sozialarbeiter!» hat der Sandler gelacht. «Der hätte sich aber lange verstellt. […]» (Haas Silentium: 161) (17) „Nun aber raus!“, schrie der Onkel […]. (Kästner 35. Mai: 86)

(24)

Die Varianten mit das unterscheiden sich erwartungsgemäß je nachdem, ob das Kommunikationsverb primär oder sekundär ist:

39 Ich kehre nun zu der eigenen Interpretation zurück. Entsprechend wird die türkis-Markierung für dynamische Redeanzeigeprädikate wieder verwendet.

das-Varianten

676 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

(24’) ?Ist die aber schön,  das sagte meine Mutter und nahm sie in die Hand […]. Sie ist aus Norwegen,  das sagte Arne, mein Vater hat sie einmal mitgebracht […]. (25’) ?Das sei unglaublich,  das sagte Humboldt zu Ehrenberg, das werde er nicht dulden, das sei doch keine Expedition mehr! (26’) ??FRANKFURT A. M.: „Fast hundert Prozent der angemeldeten Schülerinnen und Schüler sind heute zum Unterrichtsbeginn erschienen“,  das sagt Hermann Hermeling […]. (16’) […] *«Der und ein Sozialarbeiter!»  das hat der Sandler gelacht. […] (17’) *„Nun aber raus!“,  das schrie der Onkel […].

so-Varianten

Bei sekundären Kommunikationsverben, die ja intransitiv sind, führt der Versuch, sie zu transitivieren, zu ungrammatischen Sätzen. Bei primären Kommunikationsverben, die konstruktionell intransitiviert wurden, führt das Hinzufügen von das zur Retransitivierung, also zur Rückkehr zum statischen Satz. Dieser statische Satz steht in keiner paradigmatischen Relation zum ursprünglichen dynamischen Satz. Denn aus Redeanzeige (sagte meine Mutter) wird „Redeerwähnung“ (Weinrich 2005: 908) (das sagte meine Mutter).40 Während das Hinzufügen von das, wenn auch nicht zu redeanzeigenden, doch wenigstens partiell zu akzeptablen Sätzen führt, stellen die Varianten mit so, egal, ob mit primärem oder sekundärem Kommunikationsverb, keine Alternativen dar:41 (24’’) ??Ist die aber schön,  so sagte meine Mutter und nahm sie in die Hand […]. Sie ist aus Norwegen,  so sagte Arne, mein Vater hat sie einmal mitgebracht […]. (25’’) ??Das sei unglaublich,  so sagte Humboldt zu Ehrenberg, das werde er nicht dulden, das sei doch keine Expedition mehr! (26’’) ??FRANKFURT A. M.: „Fast hundert Prozent der angemeldeten Schülerinnen und Schüler sind heute zum Unterrichtsbeginn erschienen“,  so sagt Hermann Hermeling, Leiter der Frankfurter Schule für Bekleidung und Mode. Das ist nicht immer so und deshalb eine Überraschung für die Lehrer an der Fachschule. (16’’) […] ??«Der und ein Sozialarbeiter!»  so hat der Sandler gelacht. […] (17’’) „Nun aber raus!“,  so schrie der Onkel […].

40 Ein Beispiel von Weinrich (ebd.): Die direkte Rede: „Max: »guten Tag, Moritz«“ kann durch die Redeerwähnung „Max begrüßte Moritz“ wiedergegeben werden. 41 Allerdings muss man sich hier vor vorschnellen Verallgemeinerungen hüten. Man vergleiche z.  B. den folgenden Beleg (Frankfurter Rundschau, September 1999, zit. n. Hennig 2006a: 419): Zu diesem Zweck, so berichtet Engel, wollen sie sich um Sponsoren bemühen.

Kommentarglieder 

 677

Nach Pittner (1993: 309) ist „so ein Vorfeldelement in einem Verbzweit-Satz“. Des Weiteren stellt es „zwar eine Beziehung zum umrahmenden Satz her, jedoch nicht in einer spezifischen Satzgliedfunktion, sondern eher in seiner Funktion als vielfältig verwendbares textkonnektierendes Element.“ (Pittner 1993: 311) M. a. W., der syntaktische Status wird offengelassen. Um ihn zu klären, schauen wir uns noch einmal den obigen Zeitungsbeleg mit hinzugefügtem so an:

Der Status von so

so und so

(26’’) ??FRANKFURT A. M.: „Fast hundert Prozent der angemeldeten Schülerinnen und Schüler sind heute zum Unterrichtsbeginn erschienen“, (anadeiktisches  so sagt Hermann Hermeling, Leiter der Frankfurter Schule für BekleiModaladverbial) dung und Mode. Das ist nicht immer (anadeiktisches  so Modaladverbial) und deshalb eine Überraschung für die Lehrer an der Fachschule. Das Adverb so ist in (26’’) zweimal vertreten, beide Male mit demselben grammatischen Wert (Modaladverbial) und beide Male anadeiktisch (Kap. II/4.3), auf die wiedergegebene Rede („Fast hundert Prozent der angemeldeten Schülerinnen und Schüler sind heute zum Unterrichtsbeginn erschienen“) verweisend.42 Drückt nun die wiedergegebene Rede die Art und Weise des Sagens oder das Nicht-immer-Sosein aus? Wenden wir die Frageprobe auf das jeweilige Modaladverbial an, um zu sehen, worauf es sich genau bezieht: Frage-Antwort-Variante 1: »(interrogatives Wie Modaladverbial) ist das (eigentlich)?« »Es ist nicht immer (Modal- so, dass fast hundert Prozent der angemeldeten Schülerinnen und Schüler zum Unterrichtsbeginn erscheinen adverbial).« Frage-Antwort-Variante 2: »(interrogatives Wie Modaladverbial) sagt Hermann Hermeling, Leiter der Frankfurter Schule für Bekleidung und Mode (eigentlich)?« »Er sagt (Modal- so, dass fast hundert Prozent der angemeldeten Schülerinnen und Schüler zum Unterrichtsbeginn erschienen sind adverbial).« Wir sehen, dass die Frage-Antwort-Variante 2 weder inhaltlich noch grammatisch möglich ist. Inhaltlich stellt die wiedergegebene Rede nicht die Art und Weise des Sagens dar, sondern es bezieht sich auf das Nicht-immer-Sosein. Grammatisch bedeutet die Herauslösung aus der Redeanzeige-Konstruktion, dass das Verb entsprechend seiner Valenz transitiv verwendet werden müsste. Deshalb sind Frage wie Antwort grammatisch grenzwertig.

42 Zu der Unterscheidung zwischen „phorischer und nicht-phorischer Verwendung“ des Adverbs so, d.  h. zu deiktischem vs. nichtdeiktischem so, s. Hennig 2016a: 413  ff.

Frageproben

678 

lexifizierte Redeanzeige

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Die eigentliche Verwendung von so in der Redeanzeige ist das lexifizierte Nichtsatz-Format ‚ so X‘, wobei X keinesfalls nur Personen oder Institutionen bezeichnen, sondern auch eine ‚komplette‘ Redeanzeige komprimiert ausdrücken kann: (21) Man müsse, (lexifizierte  so das Süssmuth-Fazit Redeanzeige), „über konkrete Maßnahmen beraten“. → Man müsse, resümiert(e) Süssmuth, „über konkrete Maßnahmen beraten“. (22) Asylbewerbern, (lexifizierte  so ihr Vorschlag Redeanzeige), könnte die Sozialhilfe durchaus um 25 Prozent gekürzt werden. → Asylbewerbern, schlägt/schlug sie vor, könnte die Sozialhilfe durchaus um 25 Prozent gekürzt werden.

Fazit I: ­Redeanzeige

Fazit II: ­Redeanzeige und ­Kommentar

Zusammenfassend habe ich für folgende grammatische Einordnungen plädiert: (25) Das sei unglaublich, (Verberst- sagte Humboldt zu Ehrenberg Redeanzeige), das werde er nicht dulden, das sei doch keine Expedition mehr! (Kehlmann Vermessung: 274) (25’) ?Das sei unglaublich, (Verbzweit-  das sagte Humboldt zu Ehrenberg Redeerwähnung), das werde er nicht dulden, das sei doch keine Expedition mehr! (25’’) ??Das sei unglaublich, (Verbzweit-  so sagte Humboldt zu Ehrenberg Redeanzeige), das werde er nicht dulden, das sei doch keine Expedition mehr! (25’’’) Das sei unglaublich, (lexifizierte  so Humboldt zu Ehrenberg Nichtsatz-Redeanzeige), das werde er nicht dulden, das sei doch keine Expedition mehr! Die kanonischen Fälle der Redeanzeige sind die Verberst-Redeanzeige (als dynamischer Satz) und die lexifizierte Redeanzeige (als Nichtsatz). Das Hinzufügen von das führt zur Retransitivierung und Redeerwähnung. Die Verbzweit-Redeanzeige mit so ist bei den klassischen primären Kommunikationsverben wie sagen, fragen, antwor­ ten problematisch, bei anderen (wie z.  B. berichten) normal. Einen paradigmatischen Zusammenhang zu der Verberst-Redeanzeige gibt es allerdings nicht.43 Da parenthetisch nicht nur Redeanzeige, sondern auch Kommentar stattfinden kann, soll die folgende Tabelle einen Überblick über die grammatischen Einordnungen im Bereich der parenthetischen Redeanzeige und des parenthetischen Kommentars geben:

43 Meine Hypothese, der ich hier aber nicht nachgehen kann, ist, dass es einen paradigmatischen Zusammenhang zwischen Verberst-Redeanzeige und der lexifizierten Redeanzeige gibt. Allerdings nicht so, dass sich das Muster ‚so + Verbum dicendi‘ generell zu ‚so ohne Verbum dicendi‘ konven­ tionalisiert hätte (Hennig 2006a: 419), sondern eher so, dass so-Konstruktionen mit einzelnen Verben (wie berichten) als Trojanische Pferde für die Lexifizierung dienten, aber sich nur die lexifizierte Redeanzeige weiter grammatikalisiert hat.

Kommentarglieder 

 679

Tab. 55: Parenthetische Redeanzeige und parenthetischer Kommentar im Überblick Redeanzeige und ­Kommentar

grammatischer Status

Man müsse

so Süssmuth

über konkrete Maß­ nahmen nachdenken.

lexifizierte Redeanzeige

Man müsse

sagte Süssmuth

über konkrete Maß­ nahmen nachdenken.

dynamischer Satz, da i­ ntransitiviertes Verb des Sagens

Man müsse

lachte Süssmuth

über konkrete Maß­ nahmen nachdenken.

dynamischer Satz, da kompakte Redeanzeige

Man muss

wenn ich mir diese über konkrete Maß­ Einschätzung erlauben nahmen nachdenken. darf

lexifiziertes Kommentarglied

Man müsse

laut Süssmuth

Evidenzkommentarglied

über konkrete Maßnahmen nachdenken.

Das dritte und letzte zu behandelnde Kommentarmittel ist der weiterführende Relativnebensatz, der trotz großer theoretischer Anstrengungen und trotz zahlreicher Versuche, die in der Literatur vorhandenen Kriterien zu systematisieren und Klassen zu bilden (s. vor allem Helbig 1980, Brandt 1990, Holler 2005 und Eroms 2009), eines der größten Sorgenkinder der Grammatiktheorie ist und bleibt.44 Im folgenden Beleg kommen zwei weiterführende Relativnebensätze vor, die beide „zum Kern der weiterführenden NS [= Nebensätze, VÁ] gerechnet werden (können)“ (Helbig/Buscha 2001: 594):45 (27) Zu meinen Geburtstagen schenkte er mir stets einen Geldschein, (weiterführenworüber meine Eltern sich nicht gerade freuten Relativnebensatz) und mit ihm der zankten, (weiterführender was unser Einverständnis nur vertiefte Relativnebensatz). (Hein Freund: 154)

44 Es würde sich deshalb lohnen, die Grundsatzfrage zu stellen, was an unseren grammatischen Theorien generell ‚schief‘ ist, wenn keine von ihnen eine auch nur annähernd akzeptable Einordnung der weiterführenden Relativnebensätze anbieten kann. Die Grammatische Textanalyse bildet hier keine Ausnahme. 45 Zum umständlichen Terminus ‚weiterführender Relativnebensatz‘: Von den eingebürgerten Termini, ‚weiterführender Relativsatz‘ und ‚weiterführender Nebensatz‘, käme nur der zweite in Frage, da in der Grammatischen Textanalyse der Terminus ‚Satz‘ für grammatische Sätze reserviert ist. Allerdings sind die weiterführenden Nebensätze, im Einklang mit der Fachliteratur, als Relativnebensätze (,Relativsätze‘) einzuordnen. Insofern stellt der Terminus ‚weiterführender Relativnebensatz‘ eine Art Kompromiss dar.

weiter­führende Relativ­ nebensätze

680 

Zwei Typen?

d-Relativum

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Die syntaktische Diskussion konzentriert sich im Wesentlichen auf zwei Typen von weiterführenden Relativnebensätzen: weiterführende Relativnebensätze mit d-Relativum und welche mit w-Relativum (s. vor allem Holler-Feldhaus 2003, Holler 2005, 2007, 2013 und Eroms 2009), wobei der Schwerpunkt eindeutig auf den weiterführenden Relativnebensätzen mit w-Relativum liegt (s. die Übersichten in Helbig 1980: 533 und Holly 1988: 311). Nicht ganz zufällig. Denn bei den weiterführenden Relativnebensätzen mit d-Relativum stellt sich die Frage, ob sie sich syntaktisch überhaupt von gewöhnlichen appositiven (nichtrestriktiven) Relativnebensätzen unterscheiden lassen. Die folgenden Belege sollen den Unterschied (?) verdeutlichen:46 (28) Wir gingen auch zur Bismarck-Gärtnerei, (appositiver die vor der Stadt liegt Relativne[…]. bensatz) (Hein Freund: 132) → Wir gingen auch zur Bismarck-Gärtnerei. Sie/die liegt vor der Stadt. (24) […] Sie reichte die Möwe meinem Vater weiter, (weiterführender der nachdenklich über den glatten Körper hinstrich Relativnebensatz) […]. (Lenz Nachlaß: 16) → Sie reichte die Möwe meinem Vater weiter. Er/der strich nachdenklich über den glatten Körper hin.

Appositiv oder weiterführend?

Beide Relativnebensätze sind substantivbezogen, beide basieren, wie die Umformungen zeigen, auf der semantischen und syntaktischen Zusammenführung einfacher Sätze, und in beiden Fällen werden die Relativnebensätze durch d-Relativa eingeleitet. Auch nach der „merkmalsbasierten Satztypologie“ von Anke Holler (2005: 129  ff.) haben nichtrestriktive (appositive) und weiterführende Relativnebensätze dieselben syntaktischen Merkmale.47 Allerdings führt sie weitere „empirische Evidenz“ (Holler 2007: 263) an, um für die von ihr so genannte „Differenzhypothese“ zu argumentieren. Nach dieser Hypothese würden sich weiterführende d- und w-Relativnebensätze syntaktisch einheitlich verhalten und von appositiven d-Relativnebensätzen unterscheiden. Hier ein Beispielpaar, das den Kontrast zwischen appositiven und weiterführenden d-Relativnebensätzen zeigen soll:

46 Semantisch gibt es einen Unterscheid, der sich treffend mit „Elaboration“ vs. „Narration“ beschrei­ben lässt (Holler 2013: 283). Auch Margareta Brandts dennoch-Test (Brandt (1990: 64  ff.) zielt auf diesen Unterschied (semantische Unter- vs. Nebenordnung). 47 Sie sind dependent, nichteingebettet und nichtintegriert. S. auch die „marginale“ Gruppe D der Subordination von Fabricius-Hansen (1992: 472  f.) und die „absolut-unintegrierten Nebensätze“ nach Reis (1997: 128).

Kommentarglieder 

 681

(29) (a) *Emili gefällt diese Krawatte, (appositiver die übrigens Emilsi Frau ausgesucht hat . Relativnebensatz) (b) Emili traf einen Bauern, (weiterführender den Emilsi Frau später nach dem Weg fragte . Relativnebensatz) (Holler 2007: 264) (29a) sei „ungrammatisch“, weil im Sinne der generativen Bindungstheorie ein sog. „R-Ausdruck“, wie der Name Emil im Nebensatz, mit seinem Antezedens, dem Namen Emil im Hauptsatz, nicht ko-indiziert sein dürfte; er müsste „frei“ sein.48 Dagegen ließe sich aus der Grammatikalität von (29b) schließen, dass hier der Name Emil im Nebensatz frei sei (Holler 2007: 263). Diese angeführte „empirische Evidenz“, d.  h. die rein theorieinduzierten Grammatikalitätsurteile, dürften für Linguisten, die die sprachliche Realität nicht durch die Brille der Chomsky’schen Bindungstheorie sehen, nur schwer nachzuvollziehen sein. Man könnte z.  B. durch die Hinzufügung von Familiennamen verdeutlichen, dass in beiden Fällen Bindungsfreiheit besteht:49 (29) (a’) (b’)

Emil Müller gefällt diese Krawatte, die übrigens Emil Schmidts Frau ausgesucht hat. Emil Müller traf einen Bauern, den Emil Schmidts Frau später nach dem Weg fragte.

Kurzes Zwischenfazit: Die sog. weiterführenden d-Relativnebensätze gehören syntaktisch zu den appositiven d-Relativnebensätzen. Im Rahmen der Grammatischen Textanalyse stellen appositive d-Relativnebensätze als Mikroglieder recycelte Makro­ glieder (Sätze) dar. Wie bei Appositionen generell handelt es sich dabei nicht um gewöhnliche, integrative, sondern um aggregative Attribute (Kap. IV/2.2). Weiterführende Relativnebensätze sind nur die w-Relativnebensätze. Wie sie durch den einführenden Hein-Beleg dokumentiert sind. Peter von Polenz (2008: 264  f.) analysiert weiterführende Relativnebensätze satzsemantisch als „weiterführende Zusätze“, als „eine Art unechter Zusätze“. „Da

48 Was er hier nicht ist. Deshalb der Asterisk. 49 Bei anderen „empirischen Evidenzen“ für die Differenzhypothese fällt auf, dass Holler die eigenen Behauptungen (in Fußnoten!) immer wieder relativiert. Aber selbst, wenn man annehmen würde, dass es doch einige syntaktische Differenzen gibt (was ich übrigens nicht sehe): Müssten diese nicht in Beziehung gesetzt werden zu den auch von ihr betonten wichtigen gemeinsamen Merkmalen? Und müsste sie sich als formale Linguistin nicht die Frage stellen, warum sich unterschiedliche Formen (d- vs. w-Relativum) syntaktisch einheitlich und identische Formen (d- und d-Relativum) syntaktisch uneinheitlich verhalten sollen? Auch Eroms (2009: 146), der ein anderes Argument von Holler in Frage stellt, resümiert, dass die weiterführenden d-Relativnebensätze „den gewöhnlichen appositiven Relativsätzen näher verwandt sind als die ww-Relativsätze [= weiterführende w-Relativnebensätze, VÁ].“

d-Relativ­ nebensätze: appositiv

Zusätze

682 

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

ihr Beitrag zur Satzbedeutung die Weiterführung des Textverlaufs zu einer neuen Aussage bzw. zu einem neuen Satzinhalt ist, sind sie keine echten Zusätze zu Aussagen, sondern hypotaktisch angeschlossene weitere Textschritte.“ (Polenz 2008: 264)50 Dass es dabei nicht nur um Textschritte, sondern auch um Gesprächsschritte geht, zeigt Eroms (2009: 125  ff.) am Beispiel der w-Relativa womit und wobei, z.  B. (30) A: B:

(andere) zwei Typen

Typ 1: verknüpfungs­ basierter WRN

Ja ich glaub das hatten wir schon einmal mit dem Psychologen! Womit du recht hast Relativnebensatz), langsam glaub ich, ich hab die (weiterführender falsche Studienrichtung gewählt. (Sport Bild, 12. 11. 2007, zit. n. Eroms 2009: 127)

„Der Effekt ist in allen Fällen der gleiche: Der Diskurspartner klinkt sich in den Diskurs so ein, dass er die gerade getroffene Aussage bestätigt, die Zustimmung aber als Aufhänger benutzt, um den Diskurs in eine andere Richtung zu lenken.“ (Eroms 2009: 127) Ich werde, ähnlich Eroms 2009, zwei Typen unterscheiden und die Zweiteilung, der älteren Forschungstradition folgend, satzsemantisch begründen.51 Denn die ‚Unechtheit‘ des Zusatzes (Polenz) besteht darin, dass weiterführende Nebensätze satzsemantisch entweder Verknüpfungen (Typ 1) oder Einbettungen (Typ 2) sind. Betrachten wir zuerst die beiden Typen. Die Belege werden jeweils mit syntaktischen Realisierungsalternativen (= →) präsentiert: (31)



(32)



Nach dem Thee machte ich in Medi’s Begleitung noch einen Spaziergang durch den Wald, (verknüpfungsbasierter ⇐ wobei ich mich aber schlecht fühlte, wahrscheinlich infolge von Kaffeegenuß WRN). (Mann Tagebücher: 94) Nach dem Thee machte ich in Medi’s Begleitung noch einen Spaziergang durch den Wald.  Dabei fühlte ich mich aber schlecht,  wahrscheinlich infolge von Kaffeegenuß. Der Grund dafür sind die Spannungen zwischen Österreich-Ungarn und Rußland, (verknüpfungsbasierter ⇐ weswegen auch der Dreikaiservertrag vom 18. Juni 1881  nicht mehr  verlängert wurde WRN). (Salzburger Nachrichten, 17. 06. 1992, zit. n. Eroms 2009: 130)

50 Zur Erinnerung (Kap. II/4.3): In seiner „Deutsche(n) Satzsemantik“ unterscheidet Polenz einfache und komplexe Satzinhalte. Bei letzteren gibt es drei Möglichkeiten, Szenarios (= einfache Satzinhalte) miteinander zu verbinden, also die satzsemantische Konstellation ‚Szenario + Szenario‘ zu realisieren (Polenz 2008: 232  ff., 2  ff. und 265  ff.): 1) „Einbettungen von Aussagen in Bezugsstellen anderer Aussagen“ (Polenz 2008: 232  ff.), kurz: (semantische) Einbettung; „Zusätze zu Satzinhalten oder ihren Teilen“ (Polenz 2008: 247  ff.), kurz: (semantischer) Zusatz und „Verknüpfungen von Satzinhalten (Relationen)“ (Polenz 2008: 265  ff.), kurz: (semantische) Verknüpfung. 51 Eroms macht das valenztheoretisch, wobei der Unterschied gering ist. Zur satzsemantischen Begründung in der älteren Forschungstradition s. zusammenfassend Holly 1988: 316.

Kommentarglieder 



→ →

 683

Der Grund dafür sind die Spannungen zwischen Österreich-Ungarn und Rußland.  Deswegen wurde auch der Dreikaiservertrag vom 18.  Juni 1881 nicht mehr  verlängert. Wegen der Spannungen zwischen Österreich-Ungarn und Rußland wurde auch der Dreikaiservertrag vom 18. Juni 1881  nicht mehr  verlängert. Weil es Spannungen zwischen Österreich-Ungarn und Rußland gab, wurde auch der Dreikaiservertrag vom 18. Juni 1881  nicht mehr  verlängert.

(33) Ich versuchte, sein rosiges Gesicht zu vergessen, (einbettungsbasierter ⇐ was mir gelang WRN) […]. (Frisch Homo: 9) → Mir gelang es/der Versuch, sein rosiges Gesicht zu vergessen. → Ich versuchte, sein rosiges Gesicht zu vergessen.  Das gelang mir (auch). (34) Unser Aufenthalt in der Wüste […] dauerte vier Tage und drei Nächte, total 85 Stunden, (einbettungsbasierter ⇐ worüber es wenig zu berichten gibt WRN) […]. (Frisch Homo: 26) → Es gibt wenig (darüber) zu berichten, dass unser Aufenthalt in der Wüste […] vier Tage und drei Nächte, total 85 Stunden, dauerte. → Unser Aufenthalt in der Wüste […] dauerte vier Tage und drei Nächte, total 85 Stunden.  Darüber gibt es wenig zu berichten. (27) Zu meinen Geburtstagen schenkte er mir stets einen Geldschein, (einbettungsbasierter ⇐ worüber meine Eltern sich nicht gerade freuten WRN) und mit ihm zankten, ⇐ was unser Einverständnis nur vertiefte WRN). (einbettungsbasierter (Hein Freund: 154) → Meine Eltern freuten sich  nicht gerade  (darüber), dass er mir zu meinen Geburtstagen stets einen Geldschein schenkte. → Es vertiefte nur unser Einverständnis, dass meine Eltern mit ihm zankten. → Zu meinen Geburtstagen schenkte er mir stets einen Geldschein.  Darüber freuten sich meine Eltern  nicht gerade  und zankten mit ihm.  Das vertiefte nur unser Einverständnis.

Typ 2: einbettungs­ basierter WRN

Im Gegensatz zur Forschungstradition bin ich mir nicht sicher, ob die für beide Typen angenommene Kontraikonizität, also die syntaktische ‚Umkehrung‘ der satzsemantischen Relationen, (methodisch) überhaupt geltend gemacht werden kann. Bei Typ 1 dürfte es schwer sein, eine ‚zugrunde liegende‘ prototypische syntaktische Realisierungsform für alle Postponierer auszumachen.52 Denn, während der Postponierer X nur eine einzige syntaktische Alternative hat (wobei > dabei), hat Y gleich drei (wes­

kontra Kontrai­ konizität

52 Im Gegensatz zu Subjunktoren sind Postponierer (wie wobei, womit, weswegen, worauf, sodass usw.) „stellungsfest, indem sie unmittelbar vor dem internen Konnekt stehen und zusammen mit diesem nicht vor ihrem externen Konnekt stehen dürfen.“ (HdK 2003: 418) M. a. W., der Nebensatz hat auf den Hauptsatz zu folgen.

684 

gemeinsamer Nenner

Stabilisierung vs. Fortführung des Themas

wegen > deswegen, weil, wegenGEN).53 Bei Typ 2 leuchtet die Kontraikonizität intuitiv eher ein. Aber auch hier gibt es, über die klassische (syntaktische) Einbettungsalternative hinaus, überall eine deiktische Alternative mit Hauptsatz (was > das, worüber > darüber usw.) – exakt denjenigen Typ von syntaktischer Alternative, der bei Typ 1 mitunter die einzige Alternative darstellt. Die Unterschiede zwischen Typ 1 und Typ 2 – verknüpfungs- vs. einbettungsbasiert – sind bekannt. Was aber ist der gemeinsame Nenner für zwei satzsemantisch so unterschiedliche Typen? Warum lassen sich sowohl (semantische) Verknüpfungen als auch (semantische) Einbettungen als weiterführende Relativnebensätze realisieren? Bei der Suche nach dem gemeinsamen Nenner lohnt es sich, den Eroms’schen ‚Aufhänger-Gedanken‘ mit der Erkenntnis zu verbinden, dass beide Typen mit anaphorischen Postponierern (weswegen, worüber, was, worauf usw.) operieren und dass beide Typen Alternativen mit anadeiktischen Satzgliedern (deswegen, darüber, das, darauf usw.) haben. Für alle anadeiktischen Realisierungsvarianten oben gilt nämlich, was Eroms (2009: 126) zu dem orthografischen Satz Damit hat er recht (als Umformung einer Originaltextsequenz Womit er recht hat) schreibt: „Der Satz bringt […] den Diskurs nicht eigentlich voran, sondern stabilisiert ihn nur.“ Während die anaphorische Realisierung für thematische Kontinuität sorgt und somit als „Aufhänger“ dienen kann, vermittelt die anadeiktische Realisierung eben Stabilität, eine intensiv(er)e Zuwendung zum Hauptsatz-Szenario oder zum Vortext, also gerade keine Fortführung des Themas. Hier ein Beleg mit anadeiktischem Original und anaphorischer Umformung (beides zit. n. Hoffmann 2013: 208): (35) (a)

Opposition

Anaphorische Alternativen im Hauptsatz?

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

Meine Mutter ist Verkäuferin im Supermarkt. Aber dort verdient sie nicht viel.  Deshalb müssen wir immer sparen. (Korschunow: Der Silberpfeil und andere Autogeschichten) Meine Mutter ist Verkäuferin im Supermarkt. Aber dort verdient sie nicht viel, ⇐ weshalb wir immer sparen müssen.

Wenn es um einen Rück-Bezug bzw. Rück-Verweis auf ein Hauptsatz-Szenario  – im Beispiel: Verdienen-Szenario – oder auf eine Textsequenz geht, stehen Nebensätze mit anaphorischen Postponierern also in paradigmatischer Beziehung zu Hauptsätzen mit anadeiktischen Satzgliedern. Warum braucht man aber Nebensätze? Warum diese kuriose Opposition? Gibt es denn keine Hauptsätze mit anaphorischen Satzgliedern, die zu Hauptsätzen mit anadeiktischen Satzgliedern in Opposition stehen könnten? Genau dies ist der Punkt. Anadeiktische Satzglieder mit Szenarioverweis haben, von Halbausnahmen mit es abgesehen, keine anaphorischen Pendants:

53 S. auch Hoffmann (2013: 208), der ebenfalls alternative syntaktische Umformungen angibt.

Kommentarglieder 

 685

(36) (a) Conny kann hervorragend kochen,  das erzählten alle. (Timm Sommer: 107) (b1) *Conny kann hervorragend kochen, ⇐ es erzählten alle. (b2) Conny kann hervorragend kochen, alle erzählten ⇐ es. (37) (a) Eine Familie, sagte der Herzog, müsse ernährt werden.  Das sei nicht zu leugnen, sagte Gauß.  Deshalb habe er sich ja der Ceres gewidmet. (Kehlmann Vermessung: 144) (b) Eine Familie, sagte der Herzog, müsse ernährt werden. *⇐ Es sei nicht zu leugnen, sagte Gauß. *⇐ Eshalb habe er sich ja der Ceres gewidmet. Abgesehen vom Mittelfeld-es haben die anadeiktischen Satzglieder rein morphologisch überhaupt keine anaphorischen Entsprechungen. Es gibt im Deutschen keine Wörter wie eswegen, esüber, esauf, ihmmit usw.54 M. a. W., im Rahmen einer Hauptsatzstruktur lässt sich die Opposition ‚anaphorischer Szenariobezug vs. anadeiktischer Szenarioverweis‘ bereits aus rein flexionsmorphologischen Gründen überhaupt nicht realisieren. Die syntaktische Form von weiterführenden Relativnebensätzen ist demnach morphologisch bedingt und textsemantisch motiviert: Um die textsemantische Oppo­ sition ‚szenariothematische Stabilisierung vs. Fortführung‘ realisieren zu können, bedarf es eines Postponierer-Nebensatzes für die anaphorische Fortführung. Dabei steht die morphologische Form des anaphorischen Postponierers (weswegen, worüber, was, worauf usw.) ebenfalls in Opposition zu der des anadeiktischen Satzglieds (deswegen, darüber, das, darauf usw.). Weiterführende Relativnebensätze sind also tatsächlich „verkappte selbständige Sätze“ (Reis 1997: 128), nur ist die Verkappung selbst nicht syntaktisch motiviert, sondern textsemantisch. Weiterführende Nebensätze sind also Möchtegern-Hauptsätze, die es aus den genannten Gründen nicht werden können. Satzglieder sind sie nicht, Attribute auch nicht. Sie haben zwar Ähnlichkeiten mit der Insubordination, d.  h. mit unabhängigen statischen Nebensätzen (Kap. II/2.7), ganz unabhängig sind sie aber nicht. Denn sie brauchen einen Hauptsatz als Bezugsstruktur. Und sie haben keinen Konstruk­ tions­charakter. Denn die Nebensatzform ergibt sich regulär aus der Anwendung einer allgemeinen Anaphorisierungsregel auf einen statischen Satz unter der flexionsmor-

54 Anaphorisches seinetwegen ist nicht szenariobezogen, deshalb der Versuch mit den Formen *eswegen/eshalb. Denn es war sprachhistorisch auch die Genitivform des neutralen Personalpronomens der 3. Person.

Anaphorische Alternativen im Hauptsatz?

Form von weiterführenden Relativ­ nebensätzen

kurzes Fazit

686 

Oppositionsdreieck

 Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten

phologischen Voraussetzung, dass es im Deutschen nicht möglich ist, anaphorische Satzglieder mit Szenariobezug zu bilden.55 Weiterführende Nebensätze bewegen sich also in einem magischen Dreieck von (statischen) Sätzen ohne Szenariobezug-/verweis, mit Anadeiktisierung und mit Anaphorisierung: kein Szenariobezug-/verweis: (35’) Meine Mutter ist Verkäuferin im Supermarkt. Aber dort verdient sie nicht viel. Wir müssen immer sparen. Anadeiktisierung: (35’’) Meine Mutter ist Verkäuferin im Supermarkt. Aber dort verdient sie nicht viel.  Deshalb müssen wir immer sparen. Anaphorisierung: (35’’’) Meine Mutter ist Verkäuferin im Supermarkt. Aber dort verdient sie nicht viel, ⇐ weshalb wir immer sparen müssen.

grammatische Werte Anadeiktisierung

Entsprechend ist ihr grammatischer Wert, ausgehend von der ‚Grundform‘ ohne Szenariobezug-/verweis (als Argument), in diesem Oppositionsdreieck zu bestimmen: Um einen statischen Satz ohne Szenariobezug-/Verweis zu anadeiktisieren, d.  h., ihn um einen Rück-Verweis auf ein Hauptsatz-Szenario zu ergänzen, reicht ein anadeiktisches Satzglied (deswegen, darüber, das, darauf usw.). Hauptsatz bleibt dabei Hauptsatz. Mit Hilfe der Funktion-Argument-Wert-Formel: Anadeiktisierung (Satzstat ohne Szenariobezug-/Verweis) = (kanonischer) Satzstat mit Szenarioverweis

Anapho­ risierung

Um einen statischen Satz ohne Szenariobezug-/Verweis zu anaphorisieren, d.  h., ihn um einen Rück-Bezug auf ein Hauptsatz-Szenario zu ergänzen, stehen hingegen ja keine anaphorischen Satzglieder zur Verfügung, sondern nur anaphorische Postponierer (weswegen, worüber, was, worauf usw.). Da Postponierer Nebensätze einleiten, bewirkt die Anaphorisierung einen formalen Wechsel ‚Hauptsatz > Nebensatz‘. Der Satz bleibt dabei statisch. Mit Hilfe der Funktion-Argument-Wert-Formel: Anaphorisierung (Satzstat ohne Szenariobezug-/Verweis) = (,verkappter‘) Satzstat mit Szenariobezug (= WRN) Soweit der Versuch, weiterführende Relativnebensätze syntaktisch einzuordnen.56

55 Die einzige Ausnahme ist das Mittelfeld-es. 56 Dieser Versuch widerspricht nicht den ‚klassischen‘ grammatiktheoretischen Einordnungen. Dependenzgrammatisch werden weiterführende Relativnebensätze an das oberste satzmodal markierte Regens „S.“ angebunden (Eroms 2000: 295  ff. und 2009: 139  ff.), in der generativen Grammatik ließen sie sich als strukturell „verwaist“ oder „quasi-verwaist“ einordnen (Holler 2013: 274).

Kommentarglieder 

 687

Abschließend sollen die weiterführenden Relativnebensätze kurz im Konzert der drei satzsemantischen Relationstypen verortet werden: Echte Zusätze, wie Appositionen oder appositive Relativnebensätze, sind satzsemantisch ab ovo potenziell weiterführend und können deshalb textsemantisch als „Aufhänger“ (Eroms) fungieren; sie müssen syntaktisch nicht mehr angepasst werden. Bei Verknüpfungen und Einbettungen ist das eben anders: Sie sind satzsemantisch nicht weiterführend und können deshalb textsemantisch nur dann für thematische Kontinuität sorgen, wenn sie als weiterführende Relativnebensätze realisiert werden. Weiterführende Relativnebensätze sind also diejenigen syntaktischen Strukturen, mit deren Hilfe sich textsemantische Quasi-Gleichheit für drei unterschiedliche satzsemantische Relationstypen herstellen lässt. Kommentierend sind dabei allerdings nur die einbettungsbasierten weiterführenden Relativnebensätze (= Typ 2).57 Kommentarmittel haben (auch) eine Kommentarfunktion, sind jedoch syntaktisch und semantisch anders zu bewerten als Kommentarglieder: 1. Der Status von Parenthesen wurde in Abhängigkeit von der jeweiligen Installationstechnik (Delimitation, Migration, Insertion, Implementation) bestimmt. 2. Der Installationstechnik ‚Implementation‘ gehört auch die parenthetische (= eingeschobene und nachgestellte) Redeanzeige an, die  – bei primären wie bei sekundären (kompakten) Kom­mu­ni­ka­ tionsverben – einen dynamischen Verberst-Satz darstellt. Vorangestellte Redeanzeigen sind dagegen statisch. Die kanonische lexifizierte Redeanzeige mit so ist ein Nichtsatz. 3. Weiterführende Relativnebensätze sind ausschließlich w-Relativnebensätze. Sie sind entweder verknüpfungs- oder einbettungsbasiert (wobei nur letzterer Typ kommentierend ist) und nicht kontraikonisch. Im Gegenteil: Da sie flexionsmorphologisch bedingt und textsemantisch motiviert die einzige formale Option darstellen, (statische) Sätze ohne Szenariobezug-/verweis szenariobezogen zu anaphorisieren, stehen sie zusammen mit den (statischen) Sätzen ohne Szenariobezug-/verweis und denen mit Anadeiktisierung in einer Dreieropposition. Weiterführende Relativnebensätze stellen also statische Sätze dar, deren Nebensatzform sich regulär aus der Anwendung einer allgemeinen Anaphorisierungsregel auf einen statischen Satz  – unter der flexionsmorphologischen Voraussetzung, dass es im Deutschen nicht möglich ist, anaphorische Satzglieder mit Szenariobezug zu bilden – ergibt.

57 Dependenzgrammatisch werden sie deshalb analog den Kommentargliedern dargestellt (Eroms 2009: 143  ff.).

echte und unechte Zusätze

IV Wortgruppenglieder: die grammatischen Mikroglieder von Texten

1 Mikroglieder 1.1 Textanalyse 1.2 Köpfe, Kerne, Recyclatoren und andere Mikroglieder 1.3 Wortgruppen

1.1 Textanalyse Legende:1 Makroglieder: Punkt-Strich-Unterstrich: Nichtsatz; Unterstrichen: Kohäsionsglied; Schwarz: Satz2 Mesoglieder/-formen: fett: Prädikat;  gerahmt : Kommentarglied; (tiefgestellte Klammern): Mesoform Mikroglieder: Kapitälchen: Zusammenfall von Kopf und Kern einer Wortgruppe in einer Wortform; fett+Kapitälchen: Zusammenfall von Kopf und Kern eines Verbkomplexes in einer Verbform

[1]

JOCHEN JUNG

[2] [3]

Siegfried Lenz Total entspannt

[4] (Präpositional- Ko-Mitpf Ke-seiner grundsympathischen Novelle »Landesbühne«rn gruppe) Kohatpf gespal- sichte- (Substantiv- Siegfried Lenz gruppe) (Substantiv- Ko-einenpf Ke-Spaßrn ner erlaubtKern. gruppe) Hannes gruppe) sagt (Te- »Bald wird etwas geschehen.« xt) Und in der Tat: Seltsames Substantiv-) geschieht, (gruppen- Kon-jajunktor Attri-geradezubut Uner (gespaltene hörtes verbindung). Ke[7] Schauplatzrn Ko-istpf (Substantiv- Ko-daspf Ke-Gefängnisrn Attri-Isenbüttelbut, Attri-(Relativdessen Insassen zumeist Kleinkriminelle sind, die hier ihre paar Jahre absitzen [5] [6]

[8]

(Substantiv-

nebensatz)

but

gruppe).

Hannes gruppe) zum Beispiel Ko-hattepf (Substantiv- sich gruppe) (Substantiv- Ko-einepf Polizeikellern gruppe) Ke-besorgtrn und

(SubstantivKe-

1 Recycelte Mikroglieder (Kap. IV/1.2) wurden im Leittext nicht markiert. Denn die Markierung hätte einerseits zu einer unübersichtlichen Leittextanalyse geführt. Andererseits sind die recycelten Mikrowerte aus der Makro- und Mesoanalyse (als Makro- und Mesoglieder) bereits bekannt. 2 rekonstruierte Glieder in eckigen Klammern DOI 10.1515/9783110409796-012

692 

 Wortgruppenglieder: die grammatischen Mikroglieder von Texten

[(Substantiv- Hannes gruppe) Ko-hattepf] (Präpositional- damit gruppe) (Substantiv- Schnellfahrer Keangehaltenrn gruppe) und [(Substantiv- Hannes gruppe) Ko-hattepf] (Substantiv- Ko-denpf Ke-Verschrecktenrn gruppe) (SubstantivKoeinpf Ke-Bußgeldrn gruppe) Ke-abgeknöpftrn. [9] Erst (Subjunktional- als er eine Zivilstreife gestoppt hatte nebensatz), Ko-warpf (Substantiv­Ko-derpf Ke-Spaßrn gruppe) Ke-zu Endern. [10] (Substantiv- Hannes, Wortgruppenrand-im Übrigen nicht besonders redseligglied  gruppe), teilt (Substantiv- Ko-diepf Ke-Zellern gruppe) (Präpositional- Ko-mitpf Ke-dem Erzähler dieser Geschichte, aus dessen Leben Hannes erstaunlich viel mitzuteilen weiß und den er »Professor« nenntrn gruppe). ge[11] Dasspal- Ko-warpf (Substantiv- er gruppe) auch, te-für Literaturner sogar, Ke-Spezialgebiet Sturm und Drangrn, (Subjunktional- bis aufflog, dass er sich selbst zu oft als Stürmer und Bedränger gefallen und die hübschesten und schlechtesten Studentinnen mit Höchstlob durchs Examen geschleust hatte nebensatz). [12] (Substantiv- Ko-Vierpf Ke-Jahrern Attri-Isenbüttelbut gruppe) Ko-hatpf (Substantiv- Ko-daspf gruppe) (SubsKodempf Ke-Professorrn gruppe) Ke-eingebrachtrn, tantiv und Kozweipf [Ke-Jahrern] Attri-davonbut gruppe) Ko-sindpf erst Ke-rumrn. (Substantiv[13] (Ad- Jetzt verb) aber öffnet sich (Substantiv- Ko-daspf Ke-Torrn Attri-zum Gefängnishofbut

gruppe),

und

einpf Ke-Busrn tene) rollt ein, (Substantiv- Attri-(Relativ- an dessen Seite groß das Wort »Landesbühne« aufgemalt ist nebensatz)but gruppe). [14] (Substantiv- Ko-Einpf Ke-Stückrn gruppe) Ko-sollpf Ke-aufgeführt werdenrn, Ko- pf Keim Speisesaalrn gruppe). (Präpositional[15] (Substantiv- Es gruppe) Ko-heißtpf Ke-Das Labyrinthrn und [(Substantiv- Es gruppe)] handelt (Präpositional- Ko-vonpf Ke-zwei älteren Damen, die in einem Hamburger Vorgarten ein echtes Labyrinth haben, in dem man zur Verbesserung der Welt tatsächlich Leute, die es nicht anders verdient haben, zum Verschwinden bringen kannrn gruppe). [16] (Substantiv- Ko-Diepf Attri-beidenbut gruppe) Ko-heißenpf Ke-Trudi und Elfirn und [(Substantiv- Ko-diepf Attri-beidenbut gruppe)] Ko-sindpf (Adjektiv- weitläufig gruppe) Keverwandtrn (Präpositional- Ko-mitpf Ke-den Brewster-Tanten aus Arsen und Spitzenhäubchenrn gruppe). [17] (Frage- Wie das Stück ausgeht nebensatz), erfährt (Substantiv- man gruppe) allerdings nicht kel) . (Parti-   [18] (Subjunktional- Nachdem es schon die längste Zeit versteckte Zeichen und Verabredungen gegeben hat nebensatz), nimmt (Substantiv- Hannes gruppe) (Substantiv- Ko-seinenpf KeProfessorrn gruppe) (gespal-

Ko-

Mikroglieder 

 693

und [(Substantiv- Hannes gruppe)] führt (Substantiv- ihn gruppe) (Präpositional- Ko-zupf Ke-m Landesbühnen-Bus, in dem es sich bereits ein gutes Dutzend der sogenannten Insassen halbwegs bequem gemacht hatrn gruppe). [19] (Präpositionalgruppe Attri-Kurzbut daraufmit Temporalwert) öffnet (Substantiv- Ko-einpf Attri-ah­ nungsloserbut Ke Torhüterrn gruppe) (Substantiv- Ko-diepf Ke-Pfortern gruppe), und draußen verb) sind (Substantiv- sie gruppe). (Ad[20] (Adjektiv- Weit gruppe) kommen (Substantiv- sie gruppe)  (Parti- nicht kel) . [21] (Substantiv- Ko-Daspf gruppe) [=(Substantiv- sie gruppe) kommen  (Parti- nicht kel)  (Adjektiv- weit gruppe)] aber nur (Subjunktional- deswegen, weil sie schon bald ein Transparent über der Chaussee entdecken: »Grünau heißt euch willkommen zum Nelkenfest« neben, satz) und Kodiesepf Attri-schönebut KE-Einladungrn gruppe) Ko-könnenpf (Substantiv- sie gruppe) (Substantiveinfach (Parti- nicht kel) Ke-ausschlagenrn. [22] (Substantiv- Grünau gruppe) Ko-scheintpf Ke-eine fröhliche und erstaunlich kulturversessene Gemeinde, wie es auch in Schleswig-Holstein nicht so viele gibtrn. [23] (Subjunktional- Als die Grünauer sehen, dass die Landesbühne sie zu ihrem Fest beehrt nebensatz), Ko-sindpf (Substantiv- sie gruppe) Ke-begeistertrn. [24] (Substantiv- Ko-Diepf Ke-Insassenrn gruppe) Ko-sindpf immerhin Ke-so geistesgegenwärtig, das Schauspielen erst mal auf die lange Bank zu schiebenrn, und [(Substantiv- Ko-diepf Ke-Insassenrn gruppe)] empfehlen sich (Präpositional- Ko-mitpf Ke-ihren Sangeskünsten, die sie als braver Gefangenenchor in Isenbüttel trainiert habenrn gruppe). [25] Und was gruppe) singen (Substantiv- sie gruppe)? (Substantiv[26] [(Substantiv- sie gruppe) singen] (Te- (Sa- »Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt.« tz) xt) [27] Na denn. [28] (Substantiv- Ko-Daspf Ke-Festrn gruppe) geht weiter, es gruppe) gibt (Substantivgruppen- Kartoffelsalat Kon-undjunktor Würstchen (Substantiv, verbindung) und Kodiepf Ke-Truppern gruppe) Ko-wirdpf (Präpositional- Ko-vonpf Ke-der Grünauer Bevöl (Substantivrn kerung gruppe) sozusagen (Adjektiv- zunehmend gruppe) Ke-angenommenrn, ja sogar (gespal- Attri-zartebut Bande tene) Ko-werdenpf Ke-geknüpftrn, (Substantiv- Attri-(Relativdie immerhin Anlass zu einem Satz wie diesem geben nebensatz)but gruppe): »(Ad- So verb) ist (Substantiv- es gruppe),

694 

 Wortgruppenglieder: die grammatischen Mikroglieder von Texten

manchmal verb) geschieht (Substantiv- etwas Attri-im Lebenbut, Attri-(Relativ- mit dem man sich abfinden muss nebensatz)but gruppe).« [29] Genau (Substantiv- Ko-daspf gruppe) tun (Substantiv- Ko-diepf Ke-Männerrn gruppe) nun aber gar nicht ausdruck) , (PartikelSie gruppe) finden sich  (Partikel- überhaupt nicht ausdruck)  ab, (Substantiv im Gegenteil, gerade (ge- Hannes spal-) arbeitet (Adjektiv- kräftig gruppe) (Präpositional- Ko-anpf Ke-ihrer Grünauer Eingemeindungrn gruppe), (te- Wortgruppenrand-(Partizipial- unterstützt vor allem vom kunstsinnigen Bürgermeister konstruktion)glied ne Substantivgruppe) und da wir hier ja nicht die ganze Geschichte nacherzählen sollten neben (Subjunktional, raffen (Substantiv- Ko-wirpf gruppe) mal (Substantiv- etwas gruppe) zusammen satz) und teilen [(Substantiv- Ko-wirpf gruppe)] nur (Sub- so viel junk-) mit, (tional- dass der Professor Volkshochschulvorträge hält – natürlich zum Thema Sturm und Drang – und Hannes in kürzester Zeit ein vollständiges Heimatmuseum einrichtet und auch eröffnet nebensatz). [30] (gespal- Ko-Einpf Ke-Fußballspielrn te-) gibt (Substantiv- es gruppe) ebenfalls, (ne Ko-eine Ke-Mädchengardern Substantiv-) und (gruppen- Ko-einepf Ke-Feuerwehrkapellern verbindung), Gäste gruppe) kommen (Präpositonal- Ko-auspf Ke-nah und fern – Husum etwa (Substantivund Eckernfördern gruppe), aber ehe die Sache dann doch etwas matt wird nebensatz), kommt (Substantiv- es (Subjunktionalnoch (Präpositional- Ko-zupf Ke-einer Art Ordensverleihung, bei der es die Nelke in gruppe) Bronze, Silber und Gold gibt und die das ganze Geschehen noch einmal dekorativ und dekorierend zusammenfasst und hochziehtrn gruppe), Beifall gruppe) rauscht auf, (Substantiv und »(Ad- fast verb) Ko-begannpf (Substantiv- Attri-abgestandenesbut Bier gruppe) (Präpositional- Ko-inpf Keden Gläsernrn gruppe) Ke-zu schäumenrn«. [31] Dann aber wie gewonnen, so zerronnen: Polizisten gruppe) Ko-warenpf sowieso schon (Adverb- da und dort ausdruck) (SubstantivKe­ aufgetauchtrn und [(Substantiv- Polizisten gruppe)] schnupperten herum, selbst (Substantiv- Ko-derpf Ke-Gefängnisdirektorrn gruppe) saẞ (Adverb- auf einmal ausdruck) da verb), (AdZwischenfälle gruppe) Ko-hatpf (Substantiv- es gruppe) Ke-gegebenrn – (Ad- leider  (SubstantivKo- pf Kein der Gegend von Eckernfördern gruppe) –, verb) (Präpositional und schnapp! sitzen (Substantiv- sie gruppe) (Ad- wieder verb) (Präpositional- Ko-i-pf Ke-m Busrn gruppe)

(Ad-

Mikroglieder 



und

baldbut darauf mit Temporalwert) [sitzen (Substantiv- sie gruppe)] (Präpositionalihrem Pisspott namens Isenbüttelrn gruppe).

(Präpositionalgruppe Ko- pf Ke-

[32] [33]

in Oje.

 695

Attri-

Hannes gruppe) Ko-scheintPF KE-zu resignierenrn, derpf Ke-Professorrn gruppe) schreibt (Substantiv- Ke-Tagebuchrn gruppe), (SubstantivKoderpf Ke-Zellennachbarrn gruppe) hängt (Substantiv- sich gruppe) auf, (Substantiv und dann verb) kommt auch noch (Substantiv- ein weiteres Mal ausdruck) – (Substantiv- Ko-diepf (AdKeLandesbühnern gruppe). [34] Und was gruppe) spielen (Substantiv- sie gruppe)? (Substantiv[35] [(Substantiv- sie gruppe) spielen] (Te- Warten auf Godot xt). [36] (Substantiv- Ko-daspf gruppe) Ko-gibtpf (Ad-  natürlich  verb) (Ad- wieder verb) Ke-Anlassrn (PräpositionalKozupf Ke-ein paar schwersinnigen Sätzenrn gruppe), aber Ko- pf Keam Endern gruppe) [Ko-gibtpf (Substantiv- Ko-daspf gruppe)) Ke-Anlassrn] auch (Präpositionaldazu, dass ein Gefängnisdirektor seine Memoiren schreibt, um sie (Subjunktionaldann im Verlag Hoffman und Breitner zu veröffentlichen nebensatz). [37] Und, was das Schönste ist: KoZweipf Ke-Zellengenossenrn gruppe) Ko-sindpf Ke-Freunde gewordenrn. (Substantiv[38] Ko-Istpf (gespal- Ko-daspf te-) nun (ne Substantiv- Ke-allesrn gruppe) Ke-glaubwürdigrn? [39] Dumme Frage. [40] (Substantiv- Ko-Wirpf gruppe) sind (Ad- hier verb)  (Parti- nicht kel)  (Präpositional- Ko-beipf Kem Amtsgerichtrn gruppe). [41] (Präpositional- Ko-ZuPF KE-dem Theaterstück Das Labyrinthrn gruppe) Ko-wirdpf (Ad- einmal Kegesagtrn, (uneingeleiteter es sei »eine Geschichte, in der das Fantastische im verb) Wirklichen aufging« Nebensatz). [42] Nun, hier verb) Ko-istpf (Substantiv- es gruppe)  (Parti- wohl kel)   (Ad- eher verb)  Ke-umgekehrtrn. (Ad[43] Aber wie auch immer: KoDiepf Ke-Freiheitenrn, Attri-(Relativ- die sich aus solchem Erzählen (Substantivergeben nebensatz)but gruppe), Ko-hatpf (Substantiv- Siegfried Lenz gruppe) (Adverb- weidlich und Konundjunktor Präpositonalgruppen- Ko-mitpf Ke-offenkundigem Vergnügenrn verbindung) Kegenutztrn. [44] Und ehe jetzt jemand etwas von Abgeklärtheit und womöglich gar Alters (Subjunktionalweisheit erzählt nebensatz), Ko-darfpf Ke-gesagt werdenRN, (Subjunktional- dass sich der Autor hier in erster Linie einen ordentlichen Spaß erlaubt hat  – neugierig darauf, wie weit man mit realistischen Mitteln dem Unerhörten auf der Spur bleiben kann nebensatz). (Substantiv-

Ko-

696 

 Wortgruppenglieder: die grammatischen Mikroglieder von Texten

Wannrn gruppe) spielt (Substantiv- Ko-daspf Ke-allesrn gruppe)? Irgendwie verb) [spielt (Substantiv- Ko-daspf Ke-allesrn gruppe)]  (Parti- wohl kel)  doch (Präpo(AdKo- pf Kein ferneren Zeitenrn gruppe). sitional[47] Oder Kohatpf (Substantiv- Ko-derpf Ke-Professorrn gruppe) (Substantiv- Ko-diepf Attri-ganzebut Ke-Ge­ schichtern gruppe) nur (Präpositional- Ko-nachpf Ke-einer langen Nacht mit einer seiner bedürftigen Studentinnenrn gruppe) Ke-geträumtrn? [48] Ach was. [49] (Substantiv- Es gruppe) gilt (Substantiv- Ko-daspf Attri-geschriebenebut Ke-Wortrn gruppe), und erzählt gruppe) Ko-istpf Ke-erzähltrn. (Partizipial[50] Und wenn Siegfried Lenz erzählt nebensatz), hat (Substantiv- Ko-daspf Ke-Erzähltern (Subjunktionalimmerund Kon-undjunktor und Präpositionalgruppen-Ko-inpf Ke-jedem Fallrn verbindung) gruppe) (AdverbKoetwaspf Ke-Herzlichesrn, Wortgruppenrand-das, was man gemeinhin grund(Substantivsympathisch nenntglied gruppe). [51] (Subjunktional- Wobei man zu bedenken geben muss, dass, wenn man so grundsympathisch von einer Welt erzählt, die ja eher nicht so herzlich und grundsympathisch ist, das Herzliche gelegentlich auch ein wenig ins Nette rutschen kann, was dann der Schärfe unserer Tage nicht so voll und ganz entspricht nebensatz). [52] Aber weil Siegfried Lenz vor allem auch ein erfahrener Autor ist nebensatz), (SubjunktionalKohatpf (Substantiv- er gruppe) (Substantiv- Ko-diepf Ke-Sachern gruppe) (Präpositional- deswegen gruppe) gleich verb) (Substantiv- etwas gruppe) (Präpositional- Ko-inpf Ke-s Zeitfernern gruppe) Ke-gerücktrn. (Ad[53] Und [(Substantiv- er gruppe)] trifft sich (Präpositional- damit gruppe) (Präpositional- Ko-aufpf Attri-überraschendebut Ke-Weisern gruppe) (Präpositional- Ko-mitpf Ke-dem Autor der Leute von Seldwyla, an die man beim Lesen dieser Novelle sowieso schon zurückgedacht hatrn gruppe). [54] Auch (Substantiv- Gottfried Keller gruppe) kennt ja (Substantivgruppen- Ko-daspf Ke-Wunderlichern, Ko-denpf Attri-schrägenbut Ke-Blickrn Attri-auf die Gesellschaftbut und auch Kodaspf Ke-Herzlichern verbindung) (SubstantivKo ((Substantiv- daspf Ke-Nette [kennt (Substantiv- Gottfried Keller gruppe)] allerdings ganz und gar nicht ausdruck) ), (Partikel und auch (Substantiv- er gruppe) wusste, (Subjunktional- dass das mit der Gegenwart nicht immer so gut zusammenging nebensatz). [55] So schrieb (Substantiv- er gruppe) denn (Präpositional- Ko-inpf Ke-seiner Vorrede zum zweiten Band seiner Novellensammlungrn gruppe), (uneingeleiteter seine Seldwyler sähen »schon aus wie andere Leute; es ereignet sich nichts mehr unter ihnen, was der beschaulichen Aufzeichnung würdig wäre, und es ist daher an der Zeit, in ihrer Vergangenheit und den guten lustigen Tagen der Stadt noch eine kleine Nachernte zu halten« Nebensatz). [45] [46]

(Adverb-

Ke-

Mikroglieder 

 697

[56] (Substantiv- So eine Nachernte gruppe) Ko-istpf gespal-estener denn  (Parti- wohl kel)  auch, Kewas wir mit dieser ganz und gar entspannten Geschichte in den Händen haltenrn.

1.2 Köpfe, Kerne, Recyclatoren und andere Mikroglieder Im vorliegenden Kapitel wird zu klären sein, was Mikroglieder sind und in welchem Verhältnis sie zu Wortgruppengliedern stehen. Sollten Wortgruppen die einzigen grammatischen Formen sein, die Mikroglieder enthalten, sind die Begriffe ‚Mikroglied‘ und ‚Wortgruppenglied‘ synonym. Folglich ließe sich einer der Termini eliminieren. Umgekehrt muss aber auch die Frage gestellt und geklärt werden, ob überhaupt alle grammatischen Formen eine mikrosyntaktische Binnenstruktur haben. Nach dem syntaktischen Mainstream-Denken bestehen ja alle Mesoglieder aus Wortgruppen, d.  h., es wird einerseits angenommen, dass die Begriffe ‚Mikroglied‘ und ‚Wortgruppenglied‘ synonym sind, andererseits, dass es keine grammatischen Formen ohne mikrosyntaktische Binnenstruktur gibt. Ich werde versuchen zu zeigen, dass beides nicht zutrifft und dass folglich die Beschreibung der Mikroebene einer differenzierteren Begrifflichkeit bedarf. Aus der ‚von oben nach unten‘-Perspektive der Grammatischen Textanalyse ist der methodische Weg wie folgt zu umreißen: Die grammatischen Formen auf der Mesoebene, deren Werte Satzglieder sind, kurz: die Mesoformen, wurden im Kap. III/3.1.2 zum größten Teil bereits identifiziert. Im vorliegenden Kapitel ist einerseits die Liste der Mesoformen zu komplettieren, um dann andererseits die Frage zu stellen, wie die Binnenstruktur der Mesoformen aussieht: Was genau sind, im Sinne der Funktion-Argument-Wert-Formel, die Mikroformen, Mikrofunktionen und Mikrowerte, die die Binnenstruktur der grammatischen Formen auf der Mesoebene ausmachen?3 Einfacher gefragt: Welche Mikroglieder lassen sich (im Gegenwartsdeutschen) identifizieren? Betrachten wir hierzu zuerst die Mesoglied-Analyse des folgenden Leittextbelegs: [7]

Schauplatz ist (Sub- das Gefängnis Isenbüttel, dessen Insassen zumeist Kleinkriminelle sind, die hier ihre paar Jahre absitzen jekt).

Auf der Mesoebene gibt es zwei grammatische Werte (Prädikat und Subjekt) mit den jeweiligen grammatischen Formen (Schauplatz ist und das Gefängnis Isenbüttel, dessen Insassen zumeist Kleinkriminelle sind, die hier ihre paar Jahre absitzen). Die Aufgabe besteht demnach darin, die Binnenstruktur dieser grammatischen Formen

3 Obwohl sich auch die Binnenstruktur von (manchen) Kohäsionsgliedern und Nichtsätzen analysieren lässt, konzentrieren wir uns auf die Sätze. Entsprechend wurde auch mit der mit Symbolen ohnehin überfrachteten Leittextanalyse verfahren.

Aufgabe und Ziel

Methode von oben nach unten

Mikroglieder

698 

 Wortgruppenglieder: die grammatischen Mikroglieder von Texten

zu analysieren und ihnen mikrogrammatische Werte zuzuweisen. Wie der MikrogliedAnalyse desselben Leittextbelegs zu entnehmen ist, konnten hier folgende Mikroformen und –werte identifiziert werden: [7]

Schauplatzrn Ko-istpf (Substantiv- Ko-daspf Ke-Gefängnisrn Attri-Isenbüttelbut, Attri-(Relativdessen Insassen zumeist Kleinkriminelle sind, die hier ihre paar Jahre absitzen

Ke-

but

nebensatz)

der Prototyp

Wir konzentrieren uns auf die Substantivgruppe (= Nominalgruppe), die als die prototypische Wortgruppe gilt.4 Die Substantivgruppe hat ein doppeltes Zentrum: [7a]

Kern und Kopf

gruppe).

Schauplatzrn Ko-istpf (Substantiv- Ko-daspf Ke-Gefängnisrn gruppe).

Ke-

Einerseits hat es ein lexikalisches Zentrum, die Substantivform Gefängnis, die die Kernbotschaft enthält, andererseits ein syntaktisches Zentrum, die bestimmte Artikelform das, an der die grammatischen Kategorien der Substantivgruppe (Kasus-, Numerus- und Genuskategorien) vorzugsweise sichtbar werden. Diese Zentren sollen in Anlehnung an Oliver Teuber (2005: 25  ff.) und Peter Eisenberg (2006/2: 51  ff.) Kern und Kopf genannt werden.5 Mithilfe der Funktion-Argument-Wert-Formel lässt sich dies bezogen auf den Leittextbeleg [7] wie folgt ausdrücken: Kopf (Artikelform das) = Kopf der Substantivgruppe Kern (Substantivform Gefängnis) = Kern der Substantivgruppe

Attribute

Alles, was in einer Wortgruppe nicht Kern und nicht Kopf ist, ist syntaktisch abhängige, lexikalische Spezifizierung/Modifikation des Kerns. Diese Spezifizierungen/ Modifikationen werden traditionell wie auch in der Grammatischen Textanalyse Attribut genannt.6 Der Leittextbeleg [7] enthält zwei Attribute, die sich mithilfe der Funktion-Argument-Wert-Formel wie folgt einordnen lassen:

4 Die Wahl des Terminus ‚Wortgruppe‘ ist kein Zufall. Zwischen Wortgruppe und Phrase gibt es strukturelle, typologisch relevante Unterschiede (Himmelmann 1997). Außerdem ist der Phrasenbegriff durch das universale Homogenität vortäuschende X-bar-Schema der generativen Grammatik, das nach der typologischen Untersuchung von Evans/Levinson (2009) zu den Mythen der Universalgrammatik gehört, vorbelastet. Dabei ist der Phrasenbegriff nicht generell abzulehnen, sondern Phrasen lassen sich als (historisch in der Regel spät aufgekommene) integrative Wortgruppen auffassen (Ágel 2015: 130  ff.). 5 Diese Unterscheidung entspricht in etwa der zwischen lexikalischem und funktionalem Kopf in der generativen Grammatik. 6 Es gibt unterschiedlich weite Attributbegriffe (Fuhrhop/Thieroff 2006: 307  ff.). Der der Grammatischen Textanalyse ist extensional, aber nicht intensional, am ehesten mit dem relativ weiten Attributbegriff von Fuhrhop und Thieroff zu vergleichen. Entscheidend ist für mich dabei, dass man ein Konzept haben muss, mit dem man die Textrealität möglichst exhaustiv einfangen kann. Das Konzept muss also dem Kriterium der Restlosigkeit der Satzanalyse (Kap. I/2.4.5) entsprechen. Arbeitet man dagegen mit einem engen Attributbegriff, der nur Attribute zu Substantiven und Pronomina

Mikroglieder 

 699

Attribut (dem Kern nachgestelltes Substantiv Isenbüttel) = Appositivattribut Attribut (Relativnebensatz dessen Insassen zumeist Kleinkriminelle sind, die hier ihre paar Jahre absitzen) = Attributnebensatz Aber wieso nur zwei Attribute? Ist der zweite Relativnebensatz die hier ihre paar Jahre absitzen kein Attribut? Aus der ‚von oben nach unten‘-Perspektive gibt es nur zwei grammatische Formen, die den Kern Gefängnis spezifizieren. Entsprechend könnten diese Formen auch alleine, ohne die jeweils andere Form, ihre Attribuierungsleistung erbringen: [7b] [7c]

Zwei ­Attribute? Attribut-Unabhängigkeit

Schauplatzrn Ko-istpf (Substantiv- Ko-daspf Ke-Gefängnisrn Attri-Isenbüttelbut gruppe). KeSchauplatzrn Ko-istpf (Substantiv- Ko-daspf Ke-Gefängnisrn, Attri-(Relativ- dessen Insassen zumeist Kleinkriminelle sind, die hier ihre paar Jahre absitzen nebensatz)but gruppe). Ke-

Beide Attribute sind also direkt dem Kern untergeordnet, die Realisierung des einen hängt nicht von der des anderen ab (und umgekehrt). Der Leittextbeleg ließe sich sogar um weitere Attribute erweitern: [7d]

Schauplatzrn Ko-istpf (Substantiv- Ko-daspf Attri-beschaulichebut Ke-Gefängnisrn AttriIsenbüttelbut Attri-in den Alpenbut, Attri-direkt am Bergsee gelegenbut, Attri-(Relativdessen Insassen zumeist Kleinkriminelle sind, die hier ihre paar Jahre absitzen Ke-

nebensatz)

but

gruppe).

Auch die drei neuen Attribute sind voneinander unabhängig: [7e] [7  f ] [7g]

Schauplatzrn Ko-istpf (Substantiv- Ko-daspf Attri-beschaulichebut Ke-Gefängnisrn gruppe). Schauplatzrn Ko-istpf (Substantiv- Ko-daspf Ke-Gefängnisrn Attri-in den Alpenbut gruppe). KeSchauplatzrn Ko-istpf (Substantiv- Ko-daspf Ke-Gefängnisrn, Attri-direkt am Bergsee gelegenbut gruppe). KeKe-

Ganz anders steht es um den zweiten Relativnebensatz (die hier ihre paar Jahre absitzen) des Attributnebensatzes (dessen Insassen zumeist Kleinkriminelle sind, die hier ihre paar Jahre absitzen) des Originalbelegs: [7h] *Ke-Schauplatzrn Ko-istpf (Substantiv- Ko-daspf paar Jahre absitzen nebensatz)but gruppe).

Ke-

Gefängnisrn,

Attri-

(Relativ-

die hier ihre

Die Realisierung des zweiten Relativnebensatzes ist abhängig von der des ersten (dessen Insassen zumeist Kleinkriminelle sind), aber nicht umgekehrt: [7i]

Schauplatzrn Ko-istpf (Substantiv- Ko-daspf Ke-Gefängnisrn, Attri-(Relativ- dessen Insassen zumeist Kleinkriminelle sind nebensatz)but gruppe). Ke-

zulässt, hat man sich der Frage nach einem konsistenten syntaktischen Gesamtkonzept zu stellen, in dem alle anderen Typen von Spezifikatoren/Modifikatoren verortet werden können.

AttributAbhängigkeit

700 

Mikro­ glieder: erste ­Präzisierung

Mikroglied = oder ≠Wortgruppenglied? Mesoformen und deren Binnenstruktur

Mesoformen ohne mikrosyntaktische Binnenstruktur

 Wortgruppenglieder: die grammatischen Mikroglieder von Texten

M. a. W., der erste Relativnebensatz ist nur vom Kern abhängig, er könnte auch allein Attribut zum Kern Gefängnis sein. Der zweite dagegen ist abhängig vom ersten (mit dem Bezugswort Kleinkriminelle). Es ist eben kein Attribut ersten Grades, sondern ein Attribut zweiten Grades: ein hierarchisch zurückgestuftes (= rekursives) Attribut innerhalb eines Wortgruppengliedes ‚Attribut‘.7 Dieser kleine Exkurs in die Hierarchie von Formen und Werten ermöglicht uns eine erste Präzisierung des Begriffs des Mikrogliedes: Mikroglieder sind, hierarchisch gesehen, unmittelbare, primäre Binnenwerte von Mesoformen. Natürlich lassen sich komplexe Mikroglieder wie z.  B. Attributnebensätze auf ‚Submikro-Ebenen‘ weiter analysieren (Analyse eines Kehlmann-Satzes in den Kap. I/2.3 und II/2.3), entscheidend ist allerdings, dass es unterhalb der Mikroebene keine Bezugsebene mehr gibt, die einen begrifflichen Neuansatz erfordern würde. Was da ist, ist Rekursivität, d.  h. z.  B. Attribute zweiten, dritten oder x-ten Grades. Die Mikroebene ist die unterste syntaktische Ebene, die eines eigenen Beschreibungsinstrumentariums mit den (wortgruppen)grammatischen Werten ‚Kopf‘, ‚Kern‘, ‚Attribut‘ bedarf.8 Soweit die stark vereinfachte Einführung anhand des Wortgruppenprototyps ‚Substantivgruppe‘.9 Sollten die unmittelbaren, primären Binnenwerte von Mesoformen ausschließlich Kopf, Kern und Attribut sein, würde das bedeuten, dass die Begriffe ‚Mikroglied‘ und ‚Wortgruppenglied‘ synonym sind und somit einer der Termini entfallen kann. Um dieser Frage nachgehen zu können, brauchen wir eine möglichst komplette Liste von Mesoformen. Die Liste der Mesoformen vorausgesetzt, lässt sich die Frage wie folgt präzisieren: –– Haben alle Mesoformen eine mikrosyntaktische Binnenstruktur? –– Sind alle Mesoformen, die eine mikrosyntaktische Binnenstruktur haben, mit den wortgruppengrammatischen Werten ‚Kopf‘, ‚Kern‘ und ‚Attribut‘ zu beschreiben? In Texten lassen sich zwei Typen von Mesoformen identifizieren, die keiner mikrosyntaktischen Analyse zugänglich sind: Wörter und Ausdrücke.

7 Die Abhängigkeitsverhältnisse sind nicht immer so sauber eruierbar. Bei „Attribuierungskomplikationen“ (Schmidt 1993 und Kasper/Schmidt 2016) wie z.  B. in der Substantivgruppe die Außenstelle der Katholischen Hochschulgemeinde auf dem Mainzer Campus mit dem eigenwilligen Namen (Kasper/ Schmidt 2016: 101) ist es zumindest theoretisch unklar, ob sich das letzte Attribut (mit dem eigenwilligen Namen) auf den Kern der Substantivgruppe (Außenstelle) oder auf das linksadjazente Attribut (auf dem Mainzer Campus) bezieht. 8 Dabei gebe ich, sozusagen aus eigener Erfahrung (Ágel 1993), gerne zu, dass die Grenze zur Wortbildung nicht ‚dicht‘ ist. 9 Selbst der Prototyp ist alles andere als homogen. Es gibt beträchtliche strukturelle Unterschiede hinsichtlich der Wortkategorisierung ‚Individualität‘ (Gattung-, Eigen- und Stoffnamen) und der Einheitenkategorisierung ‚Numerus‘ (Singular und Plural). Zu einem Versuch, die Vielfalt zu ordnen, s. Ágel 2006 und dort weitere Literatur.

Mikroglieder 

[13]

 701

Jetzt verb) aber öffnet sich (Substantiv- Ko-daspf Ke-Torrn Attri-zum Gefängnishofbut […]. gruppe), (Ad-

Wörter

Das Wort jetzt in [13] stellt keine Wortgruppe dar. Denn jetzt ist, im Gegensatz etwa zu oft, kein Kern einer Wortgruppe. Entsprechend lässt sich oft, aber nicht jetzt durch Attribute erweitern:10 Sehr/ziemlichbut oft gruppe) aber öffnet sich (Substantivzum Gefängnishofbut gruppe), [13b] ??(Ad- Attri-Sehr/ziemlichbut jetzt verb) aber öffnet sich (SubstantivAttrizum Gefängnishofbut gruppe),

[13a]

(AdverbAttri-

Attri-

daspf

Ke-

daspf

Ke-

Ko-

Ko-

Torrn

Torrn

Natürlich kann das Adverb oft die Adverbgruppe auch allein vertreten:11 [13a’]

Wort≠Wort

Oft gruppe) aber öffnet sich (Substantiv- Ko-daspf Ke-Torrn Attri-zum Gefängnishof-

(Adverbbut gruppe),

Entscheidend ist dabei, dass das Adverb oft, unabhängig davon, ob es mit oder ohne Attribut erscheint, den Kern einer Adverbgruppe darstellt. Das Adverb oft in [13a’] bildet also den unteren Grenzfall der Mesoform ‚Adverbgruppe‘: Die Gruppe besteht lediglich aus dem Kern. Obwohl beides Wörter, stellen also das Adverb jetzt in [13] und das Adverb oft in [13a’] unterschiedliche Mesoformen dar: Wort vs. Wortgruppe. Mit jetzt ließe sich nur eine kopf-, kern- und attributlose Struktur, die Wort(gruppen)kombination genannt werden soll, bilden: [13c]

(Wort(gruppen)- (Ad-

sich (Substantiv-

Jetzt verb) (Präpositional- in der Mittagszeit gruppe) kombination) aber öffnet daspf Ke-Torrn Attri-zum Gefängnishofbut gruppe),

Ko-

Auf diesen Sonderfall, die Mesoform ‚Wort(gruppen)kombination‘, kommen wir unten zu sprechen. Ausdrücke sind, wie im Kap. I/2.4.5 erwähnt, feste, kompositionell nicht prädiktable Wortverbindungen, die sich analog den Wortarten Ausdrucksarten zuordnen lassen (Hennig/Buchwald-Wargenau 2010). Mathilde Hennig und Isabel BuchwaldWargenau (2010: 13  ff.) begründen die Ausdrucksarten mit insgesamt vier Kriterien: (1) Polylexikalität, (2) keine Satzwertigkeit, (3) keine Austauschbarkeit der Bestandteile und (4) keine Kompatibilität von interner und externer Struktur.12 Im folgenden Leittextbeleg kommen gleich zwei Adverbausdrücke vor, auf die alle vier Kriterien zutreffen:13

10 Ein Attribut wie gleich in gleich hier/jetzt spezifiziert nicht das Adverb, Kap. IV/2.2. 11 Denn die Adverbgruppe sehr/ziemlich oft stellt eine endozentrische Konstruktion dar. Auf Endozentrik kommen wir unten zu sprechen. 12 Notwendig sind die Kriterien (1)-(3), (4) kommt ‚verschärfend‘ hinzu. 13 Im Falle des Ausdrucks da und dort könnte man vielleicht streiten, ob das vierte Kriterium zutrifft.

Ausdrücke

702 

 Wortgruppenglieder: die grammatischen Mikroglieder von Texten

Polizisten gruppe) Ko-warenpf sowieso schon (Adverb- da und dort ausdruck) Keaufgetauchtrn […] selbst (Substantiv- Ko-derpf Ke-Gefängnisdirektorrn gruppe) sass (Adverb- auf einmal ausdruck) da verb), […]. (Ad[31]

Gruppe vs. Ausdruck Zwischenfazit

Mesoformen mit mikrosyntaktischer Binnen­ struktur genuine und recycelte Mikro­ gliederung genuine Mikro­ gliederung Wortgruppe: einfach und komplex

(Substantiv-

Im Gegensatz zu Wortgruppen haben Ausdrücke keine Köpfe, Kerne und Attribute. Obwohl polylexikalisch, sind sie also nicht Wortgruppen, sondern Wörtern analog. Somit können wir die erste der oben gestellten Fragen beantworten: Nicht alle Mesoformen haben eine mikrosyntaktische Binnenstruktur. Die Mesoformen ‚Wort‘ und ‚Ausdruck‘ haben keine. Wir wenden uns nun der zweiten Frage zu: Sind alle Mesoformen, die eine mikrosyntaktische Binnenstruktur haben, mit den wortgruppengrammatischen Werten ‚Kopf‘, ‚Kern‘, ‚Attribut‘ zu beschreiben? Aus der ‚von oben nach unten‘-Perspektive der Grammatischen Textanalyse ist diese Frage wie folgt zu beantworten: Da auf der Mesoebene genuine und recycelte Formen unterschieden wurden (Kap. III/3.1.2), ergibt sich daraus auf der Mikroebene die Unterscheidung zwischen genuiner und recycelter Mikrogliederung: Genuine Mesoformen enthalten genuine Mikroglieder, recycelte Mesoformen recycelte Mikroglieder.14 Die genuine Mesoform ist die Wortgruppe. Der bereits eingeführte Prototyp ist die ‚Substantivgruppe‘ mit den genuinen Mikrogliedern ‚Kopf‘, ‚Kern‘ und ‚Attribut‘. Die einzelnen Wortgruppen werden im nächsten Kapitel vorzustellen sein. So wie Sätze können auch Wortgruppen einfach oder komplex sein. Einfache Wortgruppen bestehen aus einem Kopf und/oder einem Kern. In [40] und [33] sind alle Wortgruppen einfach und alle Typen von einfachen Wortgruppen – nur Kopf, nur Kern, Kopf + Kern – vertreten: Wirpf gruppe) sind (Ad- hier verb)  (Parti- nicht kel)  (Präpositional- Ko-beipf Kem Amtsgericht . [33] (Substantiv- Hannes gruppe) Ko-scheintPF KE-zu resignierenrn, Koderpf Ke-Professorrn gruppe) schreibt (Substantiv- Ke-Tagebuchrn gruppe), […]. (Substantiv[40]

Ko(Substantivrn gruppe)

Da einfache Wortgruppen keine Attribute enthalten, enthalten sie auch keine untergeordneten Wortgruppen. Anders die Substantivgruppe in [13]:

Allerdings hat das Adverb dort lediglich eine lokale Bedeutung, während der Adverbausdruck da und dort sowohl lokal (,an manchen Stellen‘) als auch temporal (,manchmal‘) einsetzbar ist. 14 Zur Erinnerung: Sowohl die partiellen Wortstellungsparallelen zwischen Satz und Nebensatz als auch die Korrelatverbindungen wurden mithilfe des Konzepts des Recyclings erfasst (Kap. II/1.7 und III/3.1.7).

Mikroglieder 

[13]

Jetzt verb) aber öffnet sich Gefängnishof gruppe)but gefüge), […]. (Ad-

(Substantivgruppen-

Ko-

daspf

Torrn

Ke-

Attri-

 703

(Präpositional-

zum

Das Attribut (zum Gefängnishof) stellt formal eine Präpositionalgruppe dar, die der einfachen Substantivgruppe (das Tor) untergeordnet ist. Analog einem komplexen Satz (= Satzgefüge) lässt sich hier von einer komplexen Wortgruppe (= Wortgruppengefüge) sprechen. So wie Sätze lassen sich auch Wortgruppen koordinativ verbinden: [28]

es gruppe) gibt , […]. verbindung) (Substantiv-

(Substantivgruppen-

Kartoffelsalat

undjunktor Würstchen

Kon-

Die Mesoform ‚Wortgruppenverbindung‘ besteht, wie im Leittextbeleg, aus mindestens zwei Wortgruppen (Kartoffelsalat, Würstchen). Hinzu kommt in der Regel ein Konjunktor (und). Die unmittelbaren, primären Binnenwerte der Mesoform ‚Wortgruppenverbindung‘ sind also die Mikroglieder ‚Wortgruppe‘ und ‚Konjunktor‘ (= Wortgruppenjunktor).15 Während in [28] eine X+X-Wortgruppenverbindung vorliegt, d.  h., beide Wortgruppen demselben Typ (Substantivgruppe) angehören, enthält [50] die Verbindung einer Adverbgruppe mit einer Präpositionalgruppe, d.  h. eine X+Y-Wortgruppenverbindung: [50]

Wortgruppengefüge

Wortgruppenverbindung

X+YWortgruppen­ verbindung

wenn Siegfried Lenz erzählt nebensatz), hat (Substantiv- Ko-daspf Ke-Erzähltern immerund Kon-undjunktor Präpositionalgruppen-Ko-inpf Ke-jedem Fallrn verbindung) gruppe) (AdverbKoetwaspf Ke-Herzlichesrn, Wortgruppenrand-das, was man gemeinhin grund(Substantivsympathisch nenntglied gruppe). (Subjunktional-

Aus der ‚von oben nach unten‘-Perspektive der Grammatischen Textanalyse ist diese formal asymmetrische Koordination unproblematisch. Was zählt, ist, dass einer Wortgruppenverbindung als Mesoform ein einheitlicher Satzgliedwert zugeordnet werden können muss. Ein Blick auf die Leittextanalyse der statischen Satzglieder (Kap. III/3.1.1) zeigt, dass die Wortverbindung den Satzgliedwert ‚Frequenzadverbial‘ bekommen hat: [50]

wenn Siegfried Lenz erzählt adverbial), hat (nominales das Erzählte Subjekt) (Freimmer und in jedem Fall adverbial) (nominales etwas Herzliches, das, was man quenzgemeinhin grundsympathisch nennt Akkusativobjekt). (Konditional-

Wortgruppen und Wortgruppenverbindungen stellen die kanonischen genuinen Mesoformen mit genuinen Mikrogliedern dar. Hinzu kommt noch die kopf-, kern- und attributlose Mesoform ‚Wort(gruppen)kombination‘ – ein Sonderfall, auf den bereits oben hingewiesen wurde: 15 Konjunktoren sind, wenn sie Makroglieder verbinden, Kohäsionsglieder (Kap.I/4.4). Sie können aber, wie hier, auch als Wortgruppenjunktoren fungieren. Dann sind sie Mikroglieder.

ein Sonderfall

704 

[13c] Wor­t­ (gruppen) kombination

kein Kern

KernAlternativen?

Endozentrik

Weglass­ probe

 Wortgruppenglieder: die grammatischen Mikroglieder von Texten

Jetzt verb) (Präpositional- in der Mittagszeit gruppe) kombination) aber öffnet (Wort(gruppen)- (Adsich (Substantiv- Ko-daspf Ke-Torrn Attri-zum Gefängnishofbut gruppe),

Die Wort(gruppen)kombination jetzt in der Mittagszeit wurde in Anlehnung an Peter Eisenbergs Beispiel das hier am Knie verletzte Bein (Eisenberg 2006/2: 209) konstruiert. Ein konstruierter Satz mit diesem konstruierten Beispiel ist (1) Hier verb) (Präpositional- am Knie gruppe) kombination) hat er sich verletzt. (Wort(gruppen)- (AdZum Verhältnis des Adverbs hier und der Präpositionalgruppe am Knie schreibt Eisenberg (2006/2: 209  f.): „Hier ist […] nicht ohne weiteres klar, ob einer der Bestandteile den anderen >näher bestimmt< oder ob sie sich nicht eher gegenseitig bestimmen. Wir entscheiden uns für hier als Kern der Konstituente und weisen den Gesamtausdruck der Kategorie AdvGr [= Adverbialgruppe, VÁ] zu.“ Im Grunde sagt hier Eisenberg, dass die Konstruktion zwar keinen Kern hat, dass er sich aber aus theorieinternen Gründen für einen Kern entscheiden muss: Eine Adverbialgruppe muss eben einen Adverbkern haben. Nanna Fuhrhop und Rolf Thieroff (2005: 331  f.) kritisieren Eisenbergs Entscheidung und machen geltend, dass die Konstruktion zwei Lesarten habe. Bei der einen Lesart sei das Adverb, bei der anderen die Präpositionalgruppe der Kern der Konstruktion. Doch es geht hier nicht um Lesarten, sondern darum, ob in einer Kombination A+B das eine von dem anderen abhängt, d.  h., in der Lage ist, die Kategorie der Kombination zu bestimmen. Bei Kernen, die über keine Flexionsmerkmale verfügen, lässt sich die Abhängigkeitsfrage als Endozentrik begreifen: Wenn das Vorkommen von A das Vorkommen von B voraussetzt, aber nicht umgekehrt, dann ist B der Kern. Wenn das Vorkommen von B das Vorkommen von A voraussetzt, aber nicht umgekehrt, dann ist A der Kern. Wenn weder das Vorkommen von A das Vorkommen von B voraussetzt, noch umgekehrt, dann hat die Konstruktion keinen Kern.16 Wie die beiderseitige Weglassprobe zeigt, setzt im Falle von (1) weder das Vorkommen von A das Vorkommen von B voraus, noch umgekehrt: (1) (a) (b)

Hier verb) hat er sich verletzt. am Knie gruppe) hat er sich verletzt. (Präpositional(Ad-

16 Der Begriff der endozentrischen Konstruktion stammt von Leonard Bloomfield. Eine subordinative (oder attributive) endozentrische Konstruktion, d.  h. eine mit einem Kern, wäre nach Bloomfield (1933: 195) die Substantivgruppe poor John, bei der das Vorkommen des Adjektivs das des Substantivs voraussetzt, aber nicht umgekehrt. Die Substantivgruppe trägt also die grammatischen Merkmale von John und nicht die von poor. Zu einer Übersicht über mögliche Dependenzrelationen s. Ágel 2000: 68  ff.

Mikroglieder 

 705

Dies gilt übrigens auch für Dreierkombinationen: (2) (2a) (2b) (2c) (2d) (2e) (2  f )

Dort verb) (Ad- drüben verb) (Präpositional- am runden Tisch gruppe) kombination) (Wort(gruppen)- (Adsaß ein junges Paar. (Kästner Fabian: 22) Dort verb) (Ad- drüben verb) kombination) saß ein junges Paar. (Wort(gruppen)- (AdDrüben am runden Tisch gruppe) kombination) saß ein junges (Wort(gruppen)- (Adverb) (PräpositionalPaar. Dort verb) (Präpositional- am runden Tisch gruppe) kombination) saß ein junges (Wort(gruppen)- (AdPaar. Dort verb) saß ein junges Paar. (AdDrüben verb) saß ein junges Paar. (AdAm runden Tisch gruppe) saß ein junges Paar. (Präpositional-

Deshalb stellen Mesoformen wie hier am Knie oder dort drüben am runden Tisch einen Sonderfall dar: Da weder A noch B (noch C) Kern ist, ist natürlich weder B (noch C) Attribut zu A noch umgekehrt. Eine Wort(gruppen)kombination ist also eine Konstruktion, deren Mikroglieder nur Wörter (wie hier, dort, drüben) oder Wortgruppen (wie am Knie, am runden Tisch) sein können. Eine Wort(gruppen)kombination hat keinen Kopf, keinen Kern und keine Attribute.17 Soviel zur genuinen Mikrogliederung. Bevor wir auf die recycelte Mikrogliederung zu sprechen kommen, soll vorab ein hoffentlich klärendes Wort zur schwierigen Recycling-Terminologie gesagt werden: Recycling ist eine Relation, die zwei Relata voraussetzt: 1. den zu recycelnden Wert, d.  h. das Ausgangsrelatum A und 2. den recycelten Wert, d.  h. das Zielrelatum Z. Betrachten wir hierzu einen Leittextbeleg (rec = recycelt): [5] (Substantiv- Hannes gruppe) sagt (Te- (Sa- »Bald wird etwas geschehen.« tz)rec xt)rec [5’] »Bald wird etwas geschehen.«

17 Auf der Ebene der Mesoglieder wurde die Unterscheidung zwischen Zeigfeld-, Symbolfeld- und Kombi-Satzgliedern eingeführt (Kap. III/3.1.7). Eine Wort(gruppen)kombination wie hier am Knie bekommt den Kombi-Satzgliedwert ‚Lokaladverbial‘, weil sie aus einem Zeigfeld-Wort (hier) und einer hierarchisch gleichrangigen Symbolfeld-Wortgruppe (am Knie) besteht. Dabei ist die Reihenfolge konstitutiv. Denn im Gegensatz zur Wort(gruppen)kombination hier am Knie stellt am Knie hier eine Präpositionalgruppe mit der Substantivgruppe -m Knie hier als Kern dar. Dabei ist der Kopf der Substantivgruppe das Flexiv -m, Kern das Substantiv Knie und Attribut das Adverb hier. Auf diesen Fall kommen wir im Kap. IV/2.3 zu sprechen. Das Thema ‚Wort(gruppen)kombination‘ wird unter dem Stichwort „Semantisch gleichartige Adverbialverbindungen“ auch in der IDS-Grammatik (1997/2: 1595  ff.) ausführlich behandelt.

Dreier­ kombination

SonderfallFazit

RecyclingTerminologie

706 

terminologische Doppeldeutigkeit

recycelte Mikro­ gliederung recycelte Mesoformen

 Wortgruppenglieder: die grammatischen Mikroglieder von Texten

A ist der Makrowert ‚Satz‘, wie es in dem Text [5’] vorliegt.18 Wird dieser Text als Redewiedergabe in die Akkusativobjektstelle von [5] integriert, wird er zu einem Mesowert recycelt. B ist hier der Mesowert ‚Akkusativobjekt‘ (mit der Mesoform ‚(einfacher) Satz‘). Terminologisch lässt sich, je nach Bedarf, A oder Z betonen. Spricht man, bezogen auf [5], von einem recycelten Makroglied ‚Satz‘, betont man A. Spricht man dagegen von einem recycelten Mesoglied ‚Akkusativobjekt‘, betont man Z. Wollte man diese terminologische Doppeldeutigkeit vermeiden, müsste man Langformen wie ‚als Mesoglied ‚Akkusativobjekt‘ recyceltes Makroglied ‚Satz‘‘ (= Langform für A) oder ‚aus dem Makroglied ‚Satz‘ recyceltes Mesoglied ‚Akkusativobjekt‘‘ (= Langform für Z) verwenden. Da nun der Leser vorgewarnt ist und da A und Z immer klar unterscheidbar sind, verzichte ich auf solche Langformen. Mikroglieder sind, wie erwähnt, unmittelbare, primäre Binnenwerte von Mesoformen. Dies gilt auch für recycelte Mikroglieder. In Anlehnung an Kap. III/3.1.2 können wir von folgenden recycelten Mesoformen ausgehen:19 1. Text(sequenz), 2. Satzverbindung, 3. Satz (einfach oder komplex), 4. Nebensatz (durch Subjunktor oder indirektes Fragewort eingeleitet bzw. uneingeleitet), 5. Infinitivkonstruktion (mit zu), 6. Partizipialkonstruktion. Die folgenden Belege illustrieren diese Möglichkeiten in derselben Reihenfolge: [5] (Substantiv- Hannes gruppe) sagt (Te- (Sa- »Bald wird etwas geschehen.« tz)rec xt)rec (3) Sabeth fand, (Satz- (Sa- ich untertreibe immer tz)rec (Kohäsions- beziehungsweise glied)rec ich verstelle mich tz)rec verbindung)rec. (Sa (Frisch Homo: 134  f.) (4) Ich fürchtete, (komplexer (Konditional- wenn ich Sie länger ansähe adverbialrec), (Prä- würden kleine Tierchen jekt)rec (Lokal- hinter ihr adverbial)rec (k- hervorkriechen at)rec Satzrec). di-) (Sub (Hein Freund: 156) [50] (Subjunktional- (Subjunk- wenn tor) (Sub- Siegfried Lenz jekt)rec (Prä- erzählt rec KoKe, hat daspf Erzähltern dikat) nebensatz) (Substantivgruppe) Kopf Kern […] (Substantiv- etwas Herzliches , […] gruppe).

18 Der Text [5’] besteht also nur aus einem Makroglied. 19 Der Terminus ‚abhängiger Hauptsatz‘ (Auer 1998) benennt nur die Leitstruktur von untergeordneten Hauptsätzen. In der Begrifflichkeit der Grammatischen Textanalyse stellen abhängige Hauptsätze recycelte (einfache oder komplexe) Sätze und recycelte Satzverbindungen dar (Kap. III/3.1.2).

Mikroglieder 

 707

(5) Kurt aß, (Infinitiv- (Infinitiv- um junktor) (Infinitiv- zu partikel) (Prädikatrec+ leben Infinitivsuffix) konstruktion). (Ruge Zeiten: 11) (6) Lustlos adverbial)rec (Prädikatrec+ rauchend Partizipsuffix) konstruktion) blickte Ullrich (Partizipial- (Modalin den Garten […]. (Timm Sommer: 180) Recycelte Mikroglieder (als Zielrelata) lassen sich grob in zwei Gruppen unterteilen: recycelt aus Makrogliedern oder aus Mesogliedern (als Ausgangsrelata). Es gibt zwei Mesoformen, die Makroglieder als Mikroglieder recyceln: Text und Satzverbindung.20 Die einzige Mesoform, deren Ausgangsrelata beliebige Makroglieder sein können, ist der Text. Die Mesoform ‚Text‘ im Leittextbeleg [5] enthält lediglich ein (als Mikroglied recyceltes) Makroglied, nämlich einen Satz. Dass sich beliebige Makroglieder als Mikroglieder recyceln lassen, soll anhand der folgenden zwei Belege, die auch Nichtsätze und Kohäsionsglieder enthalten, gezeigt werden:

recycelte Mikroglieder Makroglieder als Mikroglieder Text

(7) Was ist denn los, verdammt nochmal, ihr sollt über den Platz gehen wie gewöhnlich. (Frisch Andorra: 116) (8) […] Franz zeigte mir die Dachkammer. Ein elendes Loch. Heiß, stickig. (Schädlich Kokoschkin: 134) Diese Textsequenzen sollen nun komplett in die Akkusativobjektstelle von [5] inte­ griert werden: [5a]

[5b]

Hannes gruppe) sagt (Te- (Sa- Was ist (Kohäsions- denn glied)rec los tz)rec, (Kohäsions­verdammt nochmal glied)rec, (Sa- ihr sollt über den Platz gehen wie gewöhnlich. tz)rec xt)rec Hannes gruppe) sagt (Te- (Sa- Franz zeigte mir die Dachkammer. satz)rec (Nicht(SubstantivEin elendes Loch. satz)rec (Nicht- Heiß, stickig. satz)rec xt)rec (Substantiv-

Der Frisch-Text enthält zwei Sätze und zwei Kohäsionsglieder. Entsprechend enthält [5a] vier recycelte Mikroglieder: zwei recycelte Sätze und zwei recycelte Kohäsionsglieder. Der Schädlich-Text enthält einen Satz und zwei Nichtsätze (externe Prädikationen). Entsprechend enthält [5b] drei recycelte Mikroglieder: einen recycelten Satz und zwei recycelte Nichtsätze. Satzverbindungen enthalten recycelte Sätze und (optional) recycelte Kohäsionsglieder.21 Der einführend zitierte Frisch-Beleg enthält zwei recycelte Sätze und ein recyceltes Kohäsionsglied: 20 Nichtsatzverbindungen (Kap. II/1.4) werden ausgeklammert, da die Mikroanalyse (auch des Leittextes) auf Sätze eingeschränkt wurde. 21 Optional, weil Koordination auch asyndetisch sein kann (Kap. II/1.4).

Satz­ verbindung

708 

 Wortgruppenglieder: die grammatischen Mikroglieder von Texten

(3) Sabeth fand, (Satz- (Sa- ich untertreibe immer ich verstelle mich tz)rec verbindung)rec. (Sa (Frisch Homo: 134  f.)

rec

tz)

(Kohäsions-

beziehungsweise glied)rec

Mesoglieder als Mikro­ glieder

Außer Text und Satzverbindung recyceln alle anderen Mesoformen (Satz, Nebensatz, Infinitiv- und Partizipialkonstruktion) Mesoglieder als Mikroglieder. Diese Gruppe lässt sich in zwei Gruppen unterteilen: 1) Die eine Gruppe, die aus der Mesoform ‚(einfacher oder komplexer) Satz‘ besteht, braucht für das Recycling keine spezifischen grammatischen Hilfszeichen, die dafür sorgen, dass die Ausgangsrelata in die Zielrelata überführt werden.22 In recycelten Sätzen (als Mesoformen) finden wir also nur (recycelte) Satzglieder im weiteren Sinne (= Mesoglieder) wieder.23 2) Hingegen verfügt die andere Gruppe (Nebensatz, Infinitiv- und Partizipialkonstruktion) über spezifische grammatische Hilfszeichen fürs Recycling. Solche Hilfszeichen nenne ich Recyclatoren.

nur Mesoglieder als Mikroglieder

Dass die Mesoform ‚Satz‘ nur recycelte Mesoglieder (als Mikroglieder) enthält, können wir an dem einführend zitierten Hein-Beleg überprüfen:

Mesoglieder + Recyclatoren

(4) Ich fürchtete, (komplexer (Konditional- wenn ich Sie länger ansähe adverbialrec), (Prä- würden kleine Tierchen jekt)rec (Lokal- hinter ihr adverbial)rec (k- hervorkriechen at)rec Satzrec). di-) (Sub (Hein Freund: 156) Die Akkusativobjektstelle von fürchten ist ein (recycelter) komplexer Satz. Dieser enthält als Mikroglieder: ein (recyceltes) Prädikat, Subjekt, Lokaladverbial und Konditionaladverbial. In den einführenden Belegen für die andere Gruppe finden wir dagegen unter den recycelten Mikrogliedern nicht nur (recycelte) Mesoglieder: [50]

wenn tor) (Sub- Siegfried Lenz jekt)rec (Prä- erzählt KoKe, hat daspf Erzähltern (Substantivgruppe) pf Kern […] etwas Herzliches , […]gruppe). (5) Kurt aß, (Infinitiv- (Infinitiv- um junktor) (Infinitiv- zu partikel) (Prädikatrec+ leben Infinitivsuffix) konstruktion). (Ruge Zeiten: 11) (6) Lustlos adverbial)rec (Prädikatrec+ rauchend Partizipsuffix) konstruktion) blickte Ullrich (Partizipial- (Modalin den Garten […]. (Timm Sommer: 180)

Recyclatoren

(Subjunktional- (Subjunkrec dikat) nebensatz) Ko(Substantiv-

Der Subjunktionalnebensatz enthält zusätzlich ein Mikroglied ‚Subjunktor‘, die Infinitivkonstruktion ein (diskontinuierliches) Mikroglied ‚Infinitivjunktor + Infinitivpartikel + Infinitivsuffix‘ und die Partizipialkonstruktion ein Mikroglied ‚Partizipsuffix‘ 22 Nach diesem Merkmal bilden übrigens Text, Satzverbindung und Satz eine Gruppe. 23 M. a. W., es handelt sich um Satzglieder zweiten Grades.

Mikroglieder 

 709

(hier = Suffix des Partizips I). Es sind diese Mikroglieder, die in ihrer jeweiligen Konstruktion als Recyclatoren fungieren. Was aber sind Recyclatoren genau? Recyclatoren stellen eine bestimmte Sorte von Translatoren dar, wie sie in der Translationstheorie von Lucien Tesnière (1976: 359  ff.) begründet wurden. Tesnières Translationstheorie ist eine „Kategorienüberführungstheorie“ (Askedal 2003: 85), eine Theorie, die es ermöglicht, die vier Grundkategorien (= Vollwortarten, „mots pleins“) seiner Dependenzgrammatik (Verb, Substantiv, Adjektiv, Adverb) auch sekundär herzuleiten. So kann z.  B. ein Verb (mit allen seinen Komplementen und Supplementen) in ein Substantiv oder ein Substantiv in ein Adjektiv translatiert werden. Die Ausgangskategorie einer Translation heißt Transferend („transférende“), die Zielkategorie Translat („transféré“). Das grammatische Hilfszeichen, das die Translation bewerkstelligt, heißt Translator („translatif“). Wenn also ein Verb in ein Substantiv translatiert wird, dann ist das Verb der Transferend und das Substantiv das Translat.24 Übersetzt in unsere Begrifflichkeit geht es also darum, dass Tesnière genuine Kern-Typen (genuines Verb, Substantiv, Adjektiv und Adverb) als potenzielle Transferenden und recycelte Kern-Typen (recyceltes Verb, Substantiv, Adjektiv und Adverb) als mögliche Translate unterscheidet. Tesnières über 300 Seiten umfassende Translationstheorie kann hier im Detail natürlich nicht nachgezeichnet und gewürdigt werden.25 Um das Mikroglied ‚Recyclator‘ herzuleiten, konzentrieren wir uns auf die sog. Translation zweiten Grades („translation du second degré“) (Tesnière 1976: 543  ff. und 1980: 334  ff.):26 Wir haben schon gesehen […], daß die Translation zweiten Grades darin besteht, daß ein verbaler Nexus seine syntaktische Ebene verläßt und damit zu einem einfachen, von einem hierarchisch höheren Nexus abhängigen Element wird, wobei er im übrigen all seine nach unten gerichteten Konnexionen beibehält. Das Verb bleibt auf diese Art zwar Zentrum des abhängigen Satzes, ist aber gleichzeitig nur noch ein Glied des Hauptsatzes. (Tesnière 1980: 334, Übersetzung von Ulrich Engel)

24 Der jeweilige Translator lässt sich nur fallbezogen bestimmen. 25 Zur Tesnières Translationstheorie vgl. Weber 1997: 77  ff., Askedal 2003: 85  f., Werner 2003 und Ágel/Fischer 2010a: 254  f. 26 „Nous avons déjà vu […] que la translation secondaire était constituée par un nœud verbal changeant d’étage syntaxique et réduit par là au rôle de simple élément subordonné d’un nœud hiérarchiquement supérieur, bien que conservant par ailleurs toutes ses connexions inférieures. Tout en restant le centre de la proposition subordonnée, le verb n’est plus ainsi qu’un élément de la proposition principale.“ (Tesnière 1976: 543)

Translation

Terminologie

Translation zweiten Grades

710 

ein Beispiel

 Wortgruppenglieder: die grammatischen Mikroglieder von Texten

Einführend ein Originalstrukturbaum (= Stemma) mit deutschem Originalbeispiel von Tesnière (Stemma Nr. 344 (Tesnière 1976: 558)):

Abb. 18: Translation 2. Grades: I >> A (Relativnebensatz)

Mikroglieder 

 711

Zur grafischen Darstellung der Translation wählt Tesnière sinngemäß ein T. Oberhalb des Querbalkens steht das Translat oder, wie hier, dessen Symbol, unterhalb des Querbalkens stehen links und rechts des vertikalen Strichs des T Translator und Transferend (oder umgekehrt). Wenn der Querbalken einfach gezeichnet ist, handelt es sich um die Darstellung einer Translation ersten Grades, wenn er, wie hier, doppelt gezeichnet ist, geht es um die Darstellung einer Translation zweiten Grades. Im Fließtext wird die Translation ersten Grades durch ein ‚>‘, die Translation zweiten Grades durch ein ‚>>‘ angezeigt. In Anlehnung an Esperanto-Endungen verwendet Tesnière folgende Symbole für die vier Grundkategorien: I = Verb, O = Substantiv, A = Adjektiv und E = Adverb. Somit wäre ‚I > O‘ als Translation ersten Grades mit einem verbalen Transferenden und einem substantivischen Translat zu lesen. Kommen wir nun zu der Interpretation des obigen Beispiels. Hier werden beide Relativnebensätze, der dem Hauptsatz direkt untergeordnete Relativnebensatz (die die… anzeigen) und der diesem Relativnebensatz untergeordnete Relativnebensatz (die die Bäume beschädigen) als Translationen ‚I >> A‘ hergeleitet. Transferenden (= I) sind die jeweiligen Verben mit ihren Subjekt- und Akkusativobjektkomplementen (die die anzeigen und die die Bäume beschädigen), Translatoren die jeweiligen Relativpronomina (beide Male die). Die Translate (= A) sind eben die auf diese Weise ‚entstandenen‘ Relativnebensätze.27 In Tesnières Darstellungsformat lässt sich allerdings nicht abbilden, dass bei Relativnebensätzen das Relativpronomen sowohl Translator als auch Teil des Transferenden und des Translats ist. M. a. W., die beiden Relativpronomina sind einerseits ‚Nebensatzeinleiter‘, andererseits aber auch Subjekte zweiten Grades im jeweiligen Nebensatz (zu dieser Doppelfunktion s. unten). Tesnière ist theorieintern gezwungen, sowohl die Ausgangs- als auch die Zielkategorien der Translation als Wortarten zu modellieren.28 Seine translatierten O, A und E (zweiten Grades) sind aber im Grunde genommen gar keine Wortarten, sondern grammatische Werte: O = Objekt-/Subjektnebensatz oder Objekt-/Subjektsinfinitiv, E = Adverbialnebensatz oder adverbiale Infinitiv-/Partizipialkonstruktion, A = Attributnebensatz oder attributive Infinitivkonstruktion.29 Tesnières scheinbar formbezogene Interpretation entpuppt sich also als wertbezogen: Ein bestimmter primärer Wert wird als Form (= Argument im Sinne der Funktion-Argument-Wert-Formel) mit Hilfe einer Funktion (= durch Anwendung eines Translators) für die Herleitung eines sekundären Werts verwendet. Es ist diese wertbezogene Interpretation der Translation, die dem Recycling-Konzept der Grammatischen Textanalyse entspricht. Im Unterschied zur Translation im

27 Es handelt sich lediglich um eine mögliche Modellierung grammatischer Strukturen. Translation ist also kein Prozess, der kognitive oder historische Realität beanspruchen würde. 28 Dies ergibt sich aus seiner universal gültig sein sollenden „verallgemeinerten Dependenz-Hierarchie der Wortarten“ (Ágel 2000: 38) im Konnexionsteil seiner strukturalen Syntax. 29 I ist dabei immer Transferend. Als Translat zweiten Grades existiert I nicht.

grafische ­Darstellung

Interpretation des Stemmas

Translation und Recycling

712 

­Translator und ­Recyclator Rekonstruktion

 Wortgruppenglieder: die grammatischen Mikroglieder von Texten

Allgemeinen bedeutet Recycling jedoch immer auch einen Ebenenwechsel von oben nach unten: Makro zu Meso, Makro zu Mikro oder Meso zu Mikro. Somit ist auch geklärt, welche Sorte von Translator der Recyclator ist: Der Recyclator ist derjenige Translator zweiten Grades, der einen Ebenenwechsel von oben nach unten bewerkstelligt. Im Sinne der Funktion-Argument-Wert-Formel lassen sich nun die beiden Relativnebensätze des Tesnière’schen Stemmas wie folgt rekonstruieren:30 Recyclator die (Satz: [die] zeigen die an) = Attributnebensatz (die die anzeigen) Recyclator zweiten Grades die (Satz: [die] beschädigen die Bäume) = Attributnebensatz zweiten Grades (die die Bäume beschädigen)

recycelte Mesoformen

Relativnebensätze sind recycelte Mikroformen mit einem Mikrowert (Attribut). M.  a.  W., Attributnebensätze stellen selber schon Mikroglieder dar. Somit sind die Glieder der Translate (inkl. der Relativpronomina) keine Mikro-, sondern ‚Submikroglieder‘. Aber der Mechanismus der Herleitung von Mesoformen (mit Mikrogliedern) ist analog. Dies soll am Beispiel eines Akkusativobjektnebensatzes und eines Akkusativobjektsinfinitivs gezeigt werden:

Abb. 19: Translation 2. Grades: I >> O (Subjunktionalnebensatz)

30 ,[die]‘ repräsentiert das rekonstruierte Subjekt des Makrogliedes ‚Satz‘ als Ausgangsform.

Mikroglieder 

 713

Abb. 20: Translation 2. Grades: I >> O (Infinitivkonstruktion)

In beiden Fällen handelt es sich um Translationen ‚I >> O‘. Transferenden (= I) sind auch hier die jeweiligen Verben mit ihren Komplementen, Translatoren der Subjunktor dass bzw. die Infinitivpartikel zu zusammen mit dem von ihr regierten Infinitivsuffix am Verb.31 Translate sind der Subjunktionalnebensatz und die Infinitiv­konstruktion. Im Sinne der Funktion-Argument-Wert-Formel lassen sich nun der Subjunktionalnebensatz und die Infinitivkonstruktion wie folgt rekonstruieren: Recyclator dass (Satz: er spricht) = Akkusativobjektnebensatz (dass er spricht) Recyclator zu + Infinitivsuffix (Satz: [ich] schenke dir das Buch) = Akkusativobjektsinfinitiv (dir das Buch zu schenken) Da im Gegensatz zum Attributnebensatz die Werte ‚Akkusativobjektnebensatz‘ und ‚Akkusativobjektsinfinitiv‘ Mesowerte sind, stellen nicht nur die recycelten Mesoglieder, sondern auch die Recyclatoren selbst Mikroglieder dar. Sind Recyclatoren auch Köpfe?

31 Die Infinitivkonstruktion enthält im Gegensatz zu dem einführenden Ruge-Beleg keinen einleitenden Infinitivjunktor.

Interpretation der Stemmata

wert­ bezogene Re­ konstruktion

Recyclatoren als Mikro­ glieder

714 

Recyclatoren und Köpfe

Kopf­ merkmale

Vergleich

Wortstatus

virtuelle Präsenz beim Nebensatz

 Wortgruppenglieder: die grammatischen Mikroglieder von Texten

Für Eisenberg (2006/2: 53) ist der Subjunktor eines Subjunktionalnebensatzes Kopf und der Rest des Nebensatzes Kern. Weitere (typische) Köpfe sind nach ihm Artikel, Präpositionen und Hilfsverben (Eisenberg 2006/2: 52  f.). Hinzu kommen (nicht recycelnde) Pronomina und auch das flektierte Adjektiv, das, synthetischen Vollverben ähnlich, Kopf und Kern in einer Wortform vereint.32 Typische grammatische Kopfmerkmale sind (nach Zwicky 1993: 296  ff.): 1. Wortstatus („Word rank“), 2. virtuelle Präsenz („required“), 3. Projektivität und Distributivität („category determinant“), 4. Subkategorisierung und Korrespondenz („external representative“) und 5. morphosyntaktischer Exponent („morphosyntactic locus“). Vergleichen wir nun Köpfe wie Artikel, Präpositionen, Hilfsverben, Pronomina (außer Relativpronomen) und das flektierte Adjektiv (= K-Gruppe) mit Recyclatoren wie Subjunktoren, Relativpronomen und Infinitivpartikel (R-Gruppe) hinsichtlich dieser Merkmale. Köpfe haben Wortstatus. Von den Recyclatoren haben Subjunktoren und Relativpronomen Wortstatus, jedoch nicht die Infinitivpartikel zu (und auch nicht die Partizipsuffixe, zur Partizipialkonstruktion s. unten). Unter „required“ versteht Zwicky (1993: 297) wider Erwarten nicht Obligatheit im herkömmlichen Sinne (als Weglassbarkeit), sondern, übersetzt in unsere Begrifflichkeit, den Umstand, dass Köpfe, wenn sie sich an der Bildung virtueller Sätze beteiligen, mitverstanden werden müssen, z.  B. (9) [Berichtenswert ist] die Tatsache, (Subjunktional- (Subjunk- daß tor) der Ankläger das merkwürdige Vergehen der beiden Gruhl nun lediglich als »Sachbeschädigung und groben Unfug« verurteilt zu sehen wünsche nebensatz) und (Subjunktional- (Subjunk[daß] tor) [der Ankläger] den offenbaren Tatbestand der Brandstiftung ignoriere . nebensatz) (Böll Dienstfahrt: 6) Partitur: (9’) … [daß] [der Ankläger] … [verurteilt zu sehen wünsche] und … [ignoriere]

32 Bei analytischen Verbformen (habe geschrieben) verteilen sich Kopf und Kern auf zwei Wortformen, bei synthetischen (schreibe) fallen sie in einer Wortform zusammen (Eisenberg 2006/2: 53). Dasselbe gilt übrigens für Substantive (Ágel 2006): Im Singular stellen Kopf und Kern zwei Wortformen dar (der Tisch [steht da]), im Plural nur eine (Tische [stehen da]).

Mikroglieder 

 715

In der Tat wird der Subjunktor, wenn er im ersten Nebensatz der Nebensatzverbindung realisiert wird, im zweiten, wo er gerade nicht obligatorisch ist, mitverstanden. Der Subjunktor ist also im Zwicky’schen Sinne tatsächlich „required“, also virtuell präsent. Allerdings gilt dies auch für das Subjekt, das weder Kopf noch Recyclator, sondern ein recyceltes Satzglied ist. Der Befund bei der Verbindung von Infinitivkonstruktionen ist anders: (10) Die Lokalredaktionen der >Rheinischen Rundschau< und des >Rheinischen Tagblattes< waren schon einige Wochen vor Prozeßbeginn übereingekommen, (Infinitiv- einander in dieser Sache keine Konkurrenz (Infinitiv- zu partikel) machen , den Fall Gruhl nicht »hoch(Infinitiv- zu partikel)spielen« konstruktion) […]. konstruktion) (Böll Dienstfahrt: 5) (10’) *Die Lokalredaktionen der >Rheinischen Rundschau< und des >Rheinischen Tagblattes< waren schon einige Wochen vor Prozeßbeginn übereingekommen, (Infinitiv- einander in dieser Sache keine Konkurrenz (Infinitiv- zu partikel) machen , den Fall Gruhl nicht »hochspielen« konstruktion) […]. konstruktion) Hier ist die zweite Infinitivpartikel gerade im herkömmlichen Sinne obligatorisch (= nichtweglassbar), sodass virtuelle Präsenz per definitionem nicht möglich ist. Unter „category determinant“ subsummiert Zwicky zwei Merkmale: „category determinant“ intern (= Projektivität) und extern (= Distributivität). Um Projektivität und Distributivität überhaupt überprüfen zu können, brauchte man grammatische Kontexte, wo Kopf und Recyclator alleine vorkommen. Bei der K-Gruppe gibt es solche Kontexte, z.  B. (11) A: B:

Trinkst du den Kaffee mit oder ohne Zucker? Mit. / Ohne.

Für die R-Gruppe gehe ich von folgendem Glücksbeleg aus: (12)

Meine Schwester sagte scharf, es gehe nicht darum, ob sie mit ihm schlafe, ihr gehe es darum, daß sie sich liebten. (Hein Freund: 186)

Wir können versuchen, die Recyclatoren ob und daß in eine (halbwegs) vergleichbare Frage-Antwort-Sequenz einzubinden. Dies scheint allerdings weder mit noch ohne Korrelat möglich: (13) A: B:

Geht es (ihr) darum, ob sie mit ihm schläft oder daß sie sich lieben? *(Darum) ob. / *(Darum) dass.

Dieser Befund lässt sich (auch) so deuten, dass der Recyclator nur im trivialen Sinne projektiv und distributiv ist: Stipuliert man eine Subjunktorphrase, dann kommt natürlich nur der Subjunktor als Kopf in Frage. Aber warum sollte man eine Sub-

reale ­Präsenz bei der Infinitiv­ konstruktion

­Projektivität und ­Distributivität

716 

Subkatego­ risierung und Korrespondenz morpho­ syntaktischer Exponent

Fazit ‚Kopf-Frage‘

 Wortgruppenglieder: die grammatischen Mikroglieder von Texten

junktorphrase stipulieren, wenn sich die Köpfigkeit des Kopfes nicht nachweisen lässt?33 Auch unter „external representative“ subsummiert Zwicky zwei Merkmale: Einerseits ist der Kopf Auslöser oder Ziel lexikalischer Subkategorisierung, andererseits der Auslöser für Korrespondenz.34 Beide Gruppen verfügen über diese Kopfmerkmale.35 Köpfe repräsentieren die grammatischen Kategorien der Wortgruppe nach außen. Dies gilt für alle Elemente der K-Gruppe, auch für die Präpositionen. Denn eine Präposition (z.  B. mitDAT) ist ja selber Kasusregens und repräsentiert die Kasuskategorie der Präpositionalgruppe.36 Umgekehrt sind Recyclatoren keine morphosyntaktischen Exponenten. Dies gilt auch für die Relativpronomina, die, wie erwähnt, eine Doppelfunktion ausüben: Als Relativa sind sie Recyclatoren, als Pronomina sind sie Köpfe.37 Das Fazit fällt ‚gemischt‘ aus: Recyclatoren sind wie Köpfe subkategorisierend und korrespondierend. Umgekehrt verfügen sie im Gegensatz zu Köpfen über kein distinktives Merkmal ‚virtuelle Präsenz‘ und sind keine morphosyntaktischen Exponenten. Nicht alle Recyclatoren haben Wortstatus. Hinsichtlich Projektivität und Distribution fehlen die empirischen Evidenzen sowohl für wie gegen ihren Kopfstatus. Zweifelsohne haben also Recyclatoren manche Kopfmerkmale, sodass man sie auch als ‚Kopf-Sonderfälle‘ einstufen könnte. Aus der Sicht der Grammatischen Textanalyse ist die Frage nach dem ‚Köpfigkeitsgrad‘ jedoch zweitrangig. Zentral ist der wertbezogene funktionale Unterschied. Denn während Köpfe eine und dieselbe grammatische Ebene mit konstituieren, also eine ‚horizontale‘, ebenenkonstitutive Funktion ausüben, haben Recyclatoren eine ‚vertikale‘ Funktion, indem sie die DreiEbenen-Struktur ‚von oben nach unten‘ grammatisch permeabel machen. Auf diese Weise sind Szenariorealisierungen auch auf der Meso- und Mikroebene möglich. Funktionalgrammatisch ist es nachvollziehbar, dass Recyclatoren nur manche Kopfmerkmale haben. Denn die Binnenstrukturen von Nebensätzen, Infinitiv- und Partizipialkonstruktionen lassen sich sowieso nur mit Bezug auf das Makroglied ‚Satz‘ analysieren. M. a. W., dass Recycling vorliegt, muss nicht durch besondere grammatische Merkmale am Recyclator angezeigt werden. Formal wichtig ist, dass Recyclatoren im herkömmlichen, ‚nichtzwickyschen‘ Sinne obligatorisch sind: Sie

33 Methodisch noch schwieriger dürfte es sein, die Köpfigkeit der Infinitivpartikel zu nachzuweisen. 34 Den Oberbegriff ‚Korrespondenz‘ für Rektion, Kongruenz und Identität übernehme ich von Eisenberg (2006/2: 38). 35 Zu Details s. Ágel 2016. 36 Außerdem sind Präpositionen kasusanalog, weshalb sich Präpositional- und Kasusobjekte auf derselben begriffslogischen Ebene befinden (Kap. III/3.1.4). 37 Es ist kein Zufall, dass es im Deutschen schon immer auch Relativpartikeln, also reine Recyclatoren, gab. Heute ist es die Relativpartikel wo, früher war es die Relativpartikel so. Zu deren historischem Verhältnis und zu den grammatischen Unterschieden zwischen Relativpartikeln und -pronomina s. Ágel 2010a.

Mikroglieder 

 717

müssen real oder virtuell vorhanden sein. Wichtig ist auch, dass sie über Status- oder Positionsrektionspotenzial verfügen (Ágel 2016). Durchgängige morphosyntaktische Exponenz kann man nicht erwarten, schließlich handelt es sich um recycelte Glieder, die es in den Ausgangsstrukturen vor dem Recycling gar nicht gibt. Projektivität und Distributivität haben Recyclatoren nicht nötig, denn, wie gesagt, ihre Hauptfunktion ist nicht die horizontale Repräsentation, sondern die grammatische Herstellung vertikaler semantischer Durchlässigkeit. Einen Sonderfall stellen Partizipialkonstruktionen dar. Dieser Sonderfall ergibt sich aus dem bekannten morphosyntaktischen Sonder- und Doppelstatus von Partizipien, „die im Hinblick auf ihre Eigenschaften zwischen Verb und Adjektiv stehen“ (Hentschel 2009a: 273). Was heißt das aber genau? Betrachten wir hierzu am Beispiel des Timm-Belegs (6) das Ausgangsrelatum und die möglichen Zielrelata des Recyclings:

Sonderfall: Partizipialkonstruktion

(6) Ausgangsrelatum: Ullrich rauchte lustlos. adverbales Zielrelatum: → Lustlos rauchend konstruktion) blickte Ullrich in den Garten […]. (Partizipial (Timm Sommer: 180) adnominales Zielrelatum: → der (Partizipial- lustlos rauchende gruppe) Ullrich Das Ausgangsrelatum ist ein Satz mit einer Vollverbform als Hauptprädikat. Dieser Satz lässt sich nun adverbal wie auch adnominal recyceln, wodurch die auch morphologisch recycelten Verbformen – im Beispiel: ein unflektiertes und ein flektiertes Partizip I – syntaktische Kontexte besetzen, in denen sonst Adjektive mit ihren Komplementen und/oder Supplementen stehen können oder gar müssen.38 Während also das Adjektiv eine genuine lexikalische Kategorie (Wortart) ist, die diese syntaktischen Kontexte besetzen kann, stellen Partizipien I wie II (mit ihren Komplementen und/oder Supplementen) in den obigen syntaktischen Kontexten recycelte Adjektive, also zwei Formen der syntaktischen Kategorie ‚Adjektiv‘ dar (s. auch IDS-Grammatik 1997/3: 2205  ff.).39

38 Ob dabei das morphologische Recycling als Wortbildungsprozess oder ‚nur‘ als Flexion interpretiert wird, wird in der Literatur unterschiedlich diskutiert (zusammenfassend s. Hentschel 2009a: 274  f.). 39 Das grammatisch Gemeinsame an Partizip I und II liegt also beim Recycling. Der Unterschied zwischen ihnen besteht darin, dass im Gegenwartsdeutschen nur noch das Partizip II „Bestandteil des verbalen Paradigmas“ ist (Eisenberg 2006/2: 101). M. a. W., das Partizip I als morphologische Form hat keine genuine Verwendung (mehr), hat sich also voll auf die syntaktische Adjektivfunktion spezialisiert.

adjektivische Zielkontexte

adjektivische Kategorien

718 

Komplementarität RecyclatorKopf

mehr ­Recyclator als Kopf

Recycling ist Modell

 Wortgruppenglieder: die grammatischen Mikroglieder von Texten

Die lexikalische und die syntaktische Kategorie ‚Adjektiv‘ sind komplementär: Was die eine (syntaktisch, semantisch, pragmatisch) kann, kann in der Regel die andere nicht, und umgekehrt (Handwerker/Madlener/Möller 2004: 97  ff.).40 Partizipien als syntaktische Adjektive müssen auch das Kopfmerkmal ‚morphosyntaktischer Exponent‘ annehmen, sie müssen also wie genuine Adjektive flektierbar sein. Einerseits lassen sich die Partizipsuffixe analog dem Recyclator ‚Infinitivpartikel + Infinitivsuffix‘ als Mikroglied-Recyclatoren der Mesoform ‚Partizipialkonstruktion‘ herleiten, andererseits sind sie aber auch Köpfe von Partizipialgruppen. Der Doppelstatus bestätigt sich demnach auch aus der ‚von oben nach unten‘-Perspektive: Die Partizipsuffixe recyceln Verben zu Adjektiven, insofern sind sie Recyclatoren von Partizipialkonstruktionen. Dabei fungieren sie aber auch als ‚Flexionsermöglicher‘, sodass adnominale Partizipien auch flektiert werden. Da synthetisch flektierte Wortformen von Verben, Substantiven und Adjektiven Köpfe und Kerne ihrer Wortgruppen darstellen (Kap. IV/1.3), stellen auch adjektivisch recycelte Partizipien Köpfe und Kerne ihrer Wortgruppen dar. Insofern sind Partizipsuffixe Köpfe von Partizipialgruppen. Je nachdem, welchen Aspekt man betonen möchte, kann man also von Partizipialgruppe oder von Partizipialkonstruktion sprechen. Dass dabei die Recyclator-Funktion überwiegt, zeigt die Binnenstruktur der Partizipialkonstruktion/Partizipialgruppe: Partizipialkonstruktionen enthalten keine genuinen Attribute, sondern ihre den Kern spezifizierenden Mikroglieder sind recycelte Mesoglieder des recycelten verbalen Kerns, also recycelte Attribute. In dem Timm-Beispiel stellt also lustlos ein als Attribut recyceltes Modaladverbial des adjektivisch recycelten verbalen Kerns rauchend dar. Entsprechend wird die Partizipialkonstruktion in der Zusammenfassung unten unter Recycling eingeordnet werden. Bevor wir zur Zusammenfassung kommen, möchte ich, wie auch schon in anderen Kapiteln dieses Buches, betonen, dass mit Hilfe des Recycling-Konzepts keine realen Verarbeitungsprozesse des Sprachgebrauchs, sondern modellhafte grammatische (und semantisch relevante) Zusammenhänge im Sprachsystem beschrieben werden sollen. Konkret geht es also nicht darum zu behaupten, dass ein in einem Text realisierter Nebensatz im Kopf des Textproduzenten zuerst als Satz existiert hätte, sondern es geht lediglich darum, dass man, wenn man die grammatische Beschreibung etwa des Satzes kennt, die des Nebensatzes nicht neu erfinden muss. Natürlich sind alle recycelten Strukturen, die bereits beschrieben wurden und die noch zu beschreiben

40 Komplementarität gilt auch für den gegenseitigen lexikalischen Austausch: „Es überrascht nun nicht, dass es für viele allein durch Partizipien besetzte Bedeutungsfelder (wie z.  B. enttäuscht, beeindruckt) keine vergleichbaren Adjektive gibt und dass es zugleich starke Lexikalisierungstendenzen aufseiten der P2 gibt.“ (Handwerker/Madlener/Möller 2004: 117) Im Leittext (in [28]) habe ich zunehmend als lexikalisiertes Partizip I, also als lexikalisches Adjektiv, interpretiert. Nach Duden 2003 ist zunehmend sogar ein Adverb. Dies stimmt zwar nicht, aber es wird gewiss wesentlich häufiger adverbial verwendet als prototypische Adjektive. Auch im Leittext hat es modaladverbialen Wert.

Mikroglieder 

 719

sind, längst grammatikalisiert, d.  h., die Zielrelata stellen in der Regel mehr oder weniger große strukturelle Anpassungen des Ausgangsrelatums dar.41 Nachdem nun alle Mikroglieder aller Mesoformen behandelt worden sind, soll das Ergebnis der Mikroglieder-Diskussion tabellarisch zusammengefasst werden:42

Zusammenfassung

Tab. 56: Mesoformen und Mikroglieder im Überblick genuine Mesoformen und Mikroglieder Mesoform

Mikroglieder

Beispiele

Wortgruppe (einfach oder komplex)

Kopf, Kern, Attribut (und Sonderfall: Wortgruppenrandglied)

[13] (Ad- Jetzt verb) aber öffnet sich (Substantiv- Ko-daspf Ke-Torrn Attrizum Gefängnishofbut gruppe), […]. [10] Hannes, Wortgruppenrand-im Übrigen nicht (Substantivbesonders redseligglied gruppe), […].

Wortgruppenverbindung

Wortgruppe, ­Konjunktor

es gruppe) gibt (Substantivgruppen- (Substantiv[28] (SubstantivKartof­felsalat gruppe) Kon-undjunktor (Substantiv- Würstchen , […]. gruppe) verbindung)

Wort(gruppen) kombination

Wort, Wortgruppe

[…] er fliege (Wort(gruppen)- (Ad- dort verb) (Ad- oben verb) (Präpositional- im Aeroplan gruppe) kombination) […].43

recycelte (= rec) Mesoformen und Mikroglieder44 Mesoform

Mikroglieder

Beispiele

Text(sequenz)rec

alle Makroglieder

[5] (Substantiv- Hannes gruppe) sagt (Te- (Sa- »Bald wird etwas geschehen.« tz)rec xt)rec

Satz­ verbindungrec

Satzrec, Kohäsionsgliedrec

Sabeth fand, (Satz- (Sa- ich untertreibe immer tz)rec (Kohäsionsbeziehungsweise glied)rec (Sa- ich verstelle mich tz)rec verbindung) rec 45 .

Satzrec (einfach, komplex)

alle Mesogliederrec

Ich fürchtete, (komplexer (Konditional- wenn ich Sie länger ansähe rec , würden di-) (Sub- kleine Tierchen jekt)rec (Lokal- hinter adverbial ) (Präihr adverbial)rec (k- hervorkriechen at)rec Satzrec).46

rec

41 Man denke nicht nur an Nebensätze oder Infinitivkonstruktionen, sondern auch an Nominalisierungen (Kap. IV/2.2). 42 Auf den Mikroglied-Sonderfall, das Wortgruppenrandglied (,lockere Apposition‘), kommen wir im Kap. IV/2.3 zu sprechen. 43 Kästner Fabian: 12 44 Nebensatz, Infinitivkonstruktion und Partizipialkonstruktion stellen Ziel-, aber nicht Ausgangsrelata des Recyclings dar. Das Ausgangsrelatum ist, genauso wie beim Satzrec, der Satz. Deshalb wurde bei diesen drei Mesoformen auf den missverständlichen Indexrec verzichtet. 45 Frisch Homo: 134  f. 46 Hein Freund: 156

Mesoformen und Mikroglieder

720 

 Wortgruppenglieder: die grammatischen Mikroglieder von Texten

Nebensatz (Subjunktionalund Frage­ nebensatz)

Subjunktor oder recyceltes (= indirektes) Fragewort (als Recyclator) und alle Mesogliederrec

[50]

wenn tor) (Sub- Siegfried Lenz jekt) (Subjunktional- (Subjunkerzählt dikat)rec nebensatz), hat (Substantiv- Ko-daspf Ke-Erzähltern […] (Substantiv-Ko-etwaspf Ke-Herzlichesrn, […] gruppe). gruppe) [17] (Frage- (Frage- Wie wort)rec (Sub- das Stück jekt)rec (Prä- ausgeht dikat) rec , erfährt (Substantiv- man gruppe) allerdings nebensatz) nicht kel) . (Parti-

Infinitiv­ konstruktion

Kurt aß, (Infinitiv- (Infinitiv- um junktor) (Infinitiv- zu partikel) (Prädikatrec+ leben Infinitivsuffix mit .47 Infinitiv­partikel zu Infinitivsuffix) konstruktion) (mit oder ohne Infinitiv- Dann zuckte er die Schultern und schlug vor, (Infinitiv- (Akkusativjunktor) (als Recyclator) eine Münze objekt)rec (Infinitiv- zu partikel) (Prädikatrec+ werfen Infinitivsuffix) und alle Mesogliederrec konstruktion).48

Partizipial­ konstruktion

Partizipsuffix (als Recyclator-Kopf) und alle Mesoglieder

rec

(Prä-

Lustlos adverbial)rec (Prädikatrec+ rauchend Partizipsuffix) blickte Ullrich in den Garten […].49 konstruktion) (Partizipial- (Modal-

Mesoformen ohne Mikroglieder

Wortgruppenglied und Mikroglied

Mesoform

Mikroglieder

Beispiele

Wort



[13] (Ad- Jetzt verb) aber öffnet sich (Substantiv- Ko-daspf Ke-Torrn Attrizum Gefängnishofbut gruppe), […].

Ausdruck



[31] (Substantiv- Polizisten gruppe) Ko-warenpf sowieso schon da und dort ausdruck) Ke-aufgetauchtrn […]. (Adverb-

Mikroglieder im weiteren Sinne sind alle Glieder, die in der einschlägigen Spalte der obigen Tabelle gelistet wurden. Eine Teilmenge der Mikroglieder bilden die Wortgruppenglieder (Kopf, Kern, (genuines) Attribut), die Mikroglieder im engeren Sinne. Terminologisch ergibt sich somit eine ähnliche Situation wie bei den Mesogliedern: Satzglieder im engeren Sinne (= Komplemente und Supplemente) stellen eine Teilmenge der Mesoglieder (= Satzglieder im weiteren Sinne) dar. Mikroglieder sind unmittelbare, primäre Binnenwerte der Formen von Mesogliedern (= Mesoformen). Zu unterscheiden sind genuine Mesoformen mit genuinen Mikrogliedern (Wortgruppe, Wortgruppenverbindung und Wort(gruppen)kombination) und recycelte Mesoformen mit recycelten Mikrogliedern. Was letztere anbelangt, kann das Recycling ohne oder mit Recyclator erfolgen (Text(sequenz), Satzverbindung und Satz vs. Nebensatz, Infinitivkonstruktion (mit zu) und Partizipialkonstruktion). Recyclatoren stellen eine besondere Sorte von Translatoren (Tesnière) dar. Obwohl sie über manche Kopfmerkmale verfügen, haben sie im Gegensatz zu Köpfen die Primärfunktion, die vertikale semantische Durchlässigkeit grammatisch zu ermöglichen.

47 Ruge Zeiten: 11 48 Kehlmann Vermessung: 20 49 Timm Sommer: 180

Mikroglieder 

 721

Die Mesoformen ‚Wort‘ und ‚Ausdruck‘, die keine mikrosyntaktische Gliederung haben, haben keine Mikroglieder. Mikroglieder im weiteren Sinne sind alle primären Binnenwerte aller Mesoformen. Eine Teilmenge der Mikroglieder im weiteren Sinne bilden die Wortgruppenglieder (Kopf, Kern, Attribut), die Mikroglieder im engeren Sinne.

1.3 Wortgruppen Eine Wortgruppe ist eine potenzielle Mesoform mit maximal drei Typen von Wortgruppengliedern: Kopf, Kern und Attribut.50 Nicht jede Wortgruppe verfügt über alle drei Typen von Gliedern, aber zwei sind notwendig, um überhaupt von einer Wortgruppe sprechen zu können.51 Wortgruppen sind also alles andere als einheitlich: Sie können sich aus drei oder zwei Mikrogliedern konstituieren. Um diese Heterogenität deutlich zu machen, sollen die Wortgruppen entsprechend ihrer Mikroglied-Kombination unterteilt werden. Wortgruppen, die zweifelsohne über alle drei Mikroglieder verfügen, sind Substantiv- und Adjektivgruppen. Auf den Sonderstatus von Partizipialgruppen, die hier zusammen mit den Adjektivgruppen behandelt werden, wurde bereits im vorigen Kapitel hingewiesen. Die Grundstruktur von Substantivgruppen wurde im Kap. IV/1.2 bereits eingeführt. Auch wurde erwähnt, dass sich Substantivgruppen strukturell nicht einheitlich verhalten und dass die kanonische Strukturvorstellung mit separatem Kopf und Kern auf Gattungsnamen im Singular beschränkt ist. Der folgende Leittextbeleg erlaubt einen kleinen Überblick über die kategoriale Variation: [8]

Hannes gruppe) zum Beispiel Ko-hattepf (Substantiv- sich gruppe) (Substantiv- Ko-einepf Polizeikellern gruppe) Ke-besorgtrn und

(SubstantivKe-

50 Die Einschränkung ‚potenziell‘ bedeutet, dass Wortgruppen natürlich auch hierarchisch tiefer stehen können. Die prototypische Wortgruppe, die Substantivgruppe, ist auch die prototypische Mesoform. Umgekehrt stellen Adjektivgruppen, die typischerweise Attribute in Substantivgruppen sind, nur als grammatische Formen von Adverbialwerten Mesoformen dar ( [28]). Zu „Attributsstufen“ s. Boettcher 2009/2: 231  ff. 51 Auch hier geht es um Potenz: Wortgruppen verfügen über mindestens zwei Glieder, was aber nicht heißt, dass in jedem Textvorkommen einer Wortgruppe jedes Glied auch realisiert wäre. Dies ist unmittelbar einleuchtend bei Wortgruppen, die über die Glieder ‚Kern‘ und ‚Attribut‘ verfügen, da Attribute grundsätzlich fakultativ sind. Zu beachten ist noch, dass die Wortgruppendefinition auf grammatischen Werten und nicht auf Formen basiert. Bei synthetischen Wortgruppen, bei denen Kopf und Kern in einer Wortform zusammenfallen, besteht die Wortgruppe aus einer Wortform, vgl. etwa den Leittextsatz [20], wo alle drei Wortgruppen synthetisch sind.

Wortgruppen mit drei Gliedern Substantivgruppe

kategoriale Variation

722 

 Wortgruppenglieder: die grammatischen Mikroglieder von Texten

[(Substantiv- Hannes gruppe) Ko-hattepf] (Präpositional- damit gruppe) (Substantiv- Schnellfahrer Keangehaltenrn gruppe) und [(Substantiv- Hannes gruppe) Ko-hattepf] (Substantiv- Ko-denpf Ke-Verschrecktenrn gruppe) (SubstantivKoeinpf Ke-Bußgeldrn gruppe) Ke-abgeknöpftrn.

,Pronomina‘

Bei Eigennamen generell (Hannes) und bei Gattungsnamen im Plural (Schnellfahrer) fallen Kopf und Kern der Substantivgruppe in einer Wortform zusammen (deshalb Kapitälchen).52 M. a. W., im Gegensatz zu Gattungsnamen im Singular bedarf es in diesen Fällen keines Artikels.53 Die Beispiele bisher waren alle nominal. Wie geht man aber mit sog. Pronomina um? Bilden sie eigene Wortgruppen?54 Dem aufmerksamen Leser werden im Leittext sowohl die Zuordnung zur Substantivgruppe als auch die Kapitälchen aufgefallen sein: [28] [34]

Kategoremwort

manchmal verb) geschieht (Substantiv- etwas Attri-im Lebenbut, Attri-(Relativ- mit dem man sich abfinden muss nebensatz)but gruppe).« was gruppe) spielen (Substantiv- sie gruppe)? (Substantiv(Ad-

Wie in früheren Kapiteln (Kap. III/1.4.1 und Kap. III/3.1.2) ausgeführt, fasse ich mit Eugenio Coseriu sog. Pronomina nicht als Pronominalisierungen von Nomina (Substantiven) auf, sondern genau umgekehrt als Primärformen, als „Kategoremwörter (»Pronomina«), die nur die Form der Gestaltung des Außersprachlichen aufweisen (die also substantivisch, adjektivisch usw. funktionieren), jedoch keinen bestimmten außersprachlichen Stoff darstellen […].“ (Coseriu 1972/1987: 88) Substantivische Kategoremwörter sind in diesem Sinne keine Pro-Formen für Substantivgruppen, sondern sie stellen umgekehrt deren ‚vorlexikalische‘ kategoriale Primärformen dar.55

52 Dies hat mit einem der sog. Großprozesse des Neuaufbaus des substantivischen Flexionssystems, der Numerusprofilierung, zu tun (Frnhd. Grammatik 1993: 165): Die Singular/Plural-Opposition wird sowohl indirekt − durch Nivellierung der Kasusflexive − als auch direkt − durch stärkere Nutzung vorhandener Pluralflexive und das Aufkommen des Plural-s im 17.Jh. − synthetisch ausgebaut. 53 Wenn der Artikel gesetzt wird (der Hannes, die Schnellfahrer), bildet er eine analytische Verlängerung des synthetischen Kopfes. Die strukturellen Unterschiede haben mit unterschiedlichen Kodierungstechniken (,konzentrisch vs. exzentrisch‘) zu tun, s. Ágel 2006. 54 Die Grammatiker halten sich bezüglich dieser Frage auffallend bedeckt. Da Wortgruppenklassifikationen generell nicht begründet, sondern gesetzt werden, fallen sie je nach Grammatik anders aus. Entsprechend unterschiedlich geht man mit ‚Pronomina‘ um. Boettcher (2009/2: 107  f.) subsummiert Konjunktionalgruppen unter Nominalgruppen. Umgekehrt gibt es in der IDS-Grammatik (1997/1: 77  f.) eine „Protermphrase“, die von Hoffmann (2013: 55) weiter ausdifferenziert wird in „Anaphergruppe“ und „Personaldeixisgruppe“. Eisenberg (2006/2: 22  f.) fasst Pronomina unter der Konstituentenkategorie „Nomen“ zusammen. 55 Ich möchte betonen, dass dies eine grammatiktheoretische Position ist, die das strukturelle Ver-

 723

Mikroglieder 

Wenn substantivische Kategoremwörter  – in den Leittextbelegen: das Indefinitum etwas, das Fragepronomen was und das (drittpersonige) Personalpronomen sie – anaphorisch sind, stellen sie Kopf und Kern der Substantivgruppe dar. Man ist geneigt zu sagen: natürlich. Denn Kopf und Kern machen ja das strukturelle ‚Wesen‘ einer Substantivgruppe aus. Hinzu kommen, alternativ, wie im Falle von etwas, Attribute. Im Gegensatz zu anaphorischen Pronomina verfügen Demonstrativa (= drittpersonige deiktische Pronomina, sog. Objektdeixis) und erst- und zweitpersonige Personalpronomina (sog. Persondeixis) per definitionem über das Potenzial, den Kern nicht zu realisieren, sondern auf einen ‚außersprachlichen Kern‘ oder auf mögliche ‚textinterne Kerne‘ im sprachlichen Kontext zu zeigen. Zwei Beispiele für Objekt­ deixis:

Anapher: Kopf + Kern

(14) [12]

Objektdeixis

Derpf Kern-verweis Attri-dabut gruppe)! KoVierpf Ke-Jahrern Attri-Isenbüttelbut gruppe) Ko-hatpf (Substantiv- Ko-daspf gruppe) (Subs(SubstantivKodempf Ke-Professorrn gruppe) Ke-eingebrachtrn, […]. tantivKo-

(Substantiv-

Deixis: Kopf + Kernverweis

Wird der Kern bzw. ein möglicher Kern realisiert und dadurch das Demonstrativum zum Artikel ‚umfunktioniert‘, entfällt das deiktische Potenzial des Kopfes: (14’)

Derpf Ke-Mannrn Attri-dabut gruppe)!

Ko-

(Substantiv-

Wird das Demonstrativum zum Fokuskorrelat (Kap. III/3.1.7) umfunktioniert, wird das deiktische Potenzial des Kopfes textintern umgeleitet:56 [12’]

Vierpf Jahre Attri-Isenbüttelbut gruppe) Ko-hatpf (Substantiv- Ko-daspf , Ke-dass er die hübschesten und schlechtesten Studentinnen mit Höchstlob durchs Examen geschleust hattern gruppe) (Substantiv- Ko-dempf Ke-Professorrn gruppe) Ke-eingebrachtrn, Ko-

(Substantiv-

Hier ein Originalbeleg mit Kopf und Kern: [45]

(Adverb-

Wannrn gruppe) spielt (Substantiv- Ko-daspf Ke-allesrn gruppe)?

Ke-

Im Prinzip ist die strukturelle Situation bei der Persondeixis vergleichbar, nur richtet sich das Zeigen auf den Sprecher (Schreiber) oder Hörer (Leser). Dieses weder vornoch rückwärtsgerichtete Zeigen soll durch ‚…‘ symbolisiert werden: [40]

 Ko-Wirpf  Amtsgerichtrn gruppe). (Substantiv-

gruppe)

sind

(Ad-

hier



verb) (Parti-

nicht

kel)  (Präpositional-

beipf Kem

Ko-

hältnis von Sprachzeichentypen betrifft. Was die thematische Progression in Texten anbelangt, ist das Verhältnis von Lexem- und Kategoremwörtern im Standardfall (Anapher, Anadeixis) umgekehrt. 56 Deixis wird in den Leittextanalysen nicht markiert.

Persondeixis

724 

 Wortgruppenglieder: die grammatischen Mikroglieder von Texten

Auch das persondeiktische Potenzial des Kopfes lässt sich textintern umleiten, was zu einer dem (drittpersonigen) bestimmten Artikel analogen Struktur führt: (15) (a) (b) Personal­ artikel

[54]

Pronominal­ flexiv als ‚Kopf im ­engeren Sinne‘

Wirpf Attri-drogensüchtigenbut Ke-Kinderrn Attri-vom Bahnhof Zoobut gruppe) KoDiepf Attri-drogensüchtigenbut Ke-Kinderrn Attri-vom Bahnhof Zoobut gruppe) (Substantiv(Substantiv-

Ko-

Abschließend ein Wort zu Substantivierungen. In den folgenden Leittextbelegen kommen insgesamt vier sog. substantivierte Adjektive (Seltsames, Unerhörtes, das Wunderliche, das Herzliche) vor: [6]

Substantiv ohne Kopf?

Ko-

Dass sich wir, und übrigens auch ihr, „als eine Art von Artikel“ (Canisius 1993: 85), als „Personalartikel“ (Ágel 1996: 42  ff.), interpretieren lässt, zeigt auch die präferiert schwache Adjektivdeklination des Attributs:57 (15) (a’) (b’)

substantivierte Adjektive

Wirpf Ke-Kinderrn Attri-vom Bahnhof Zoobut gruppe) (Buchtitel von Christiane F(elscherinow)) KoDiepf Ke-Kinderrn Attri-vom Bahnhof Zoobut gruppe) (Substantiv(Substantiv-

Seltsames Substantiv-) geschieht, (gruppen- Kon-jajunktor Attri-geradezubut Unerhörtes verbindung). Auch (Substantiv- Gottfried Keller gruppe) kennt ja (Substantivgruppen- Ko-daspf Ke-Wunderlichern, Ko-denpf Attri-schrägenbut Ke-Blickrn Attri-auf die Gesellschaftbut und auch Kodaspf Ke-Herzlichern verbindung) […]. (Substantiv(gespaltene

Strukturell sind das zwei Typen: mit und ohne Artikel (das Wunderliche, das Herzliche vs. Seltsames, Unerhörtes). Wenn nun der Artikel der Kopf des Substantivs sein soll, wie soll man dann den Typ ohne Kopf interpretieren? Vom Artikel als Kopf zu reden, ist eine vereinfachte, da an der kanonischen Substantivgruppe orientierte, Redeweise. Wie der Vergleich der zwei Typen zeigt, braucht man, um adjektivische Kerne zu substantivieren, dieselben Endungen, nämlich sog. Pronominalflexive (,starke‘ Flexive). Die Verteilung der Pronominalflexive hängt nicht nur bei Substantivierungen, sondern generell in der gegenwartsdeutschen Substantivgruppe davon ab, ob der Artikel realisiert wird: Bei den Beispielen mit bestimmtem Artikel (= d) erscheint das Pronominalflexiv am Artikel (-as), wenn kein Artikel realisiert wird, erscheint dasselbe Flexiv am Adjektiv (-es).58 Der eigentliche Kopf der Sub-

57 Ich habe in Anlehnung an Lange 1981 für ein einheitliches Paradigma von erst- und zweitpersonigem fakultativ transitiven ‚Personalpronomen‘, drittpersonigem obligatorisch intransitiven Personalpronomen und obligatorisch transitivem Artikel plädiert (Ágel 1996). Canisius (2006) zeigt überzeugend, dass dieses Modell einer Ergänzung bedarf, da drittpersonige Personalpronomina, wenn sie als (logophorische) „Reflektorpronomina“ verwendet werden, durchaus transitiv sind, also als Köpfe fungieren können: Er beklagte, dass ihm alten/m Mann keiner mehr Arbeit gebe (Canisius 2006: 138). 58 Die Endungen -as und -es stellen phonetische Varianten desselben Flexivs dar.

Mikroglieder 

 725

stantivgruppe, der ‚Kopf im engeren Sinne‘, ist also das Pronominalflexiv. Wenn es ohne Artikel, beispielsweise am adjektivischen Kern einer Substantivierung, realisiert wird, dann alleine, wenn am Artikel realisiert, dann zusammen mit dem Artikel.59 Auch bei Verschmelzungen ( Präpositionalgruppe) bildet das Pronominalflexiv alleine den Kopf. Kommen wir nun zu Adjektiv- und Partizipialgruppen. Um die mögliche Komplexität und Variationsbreite dieser Gruppen wenigstens anzudeuten, gehen wir von einem recht komplexen Beleg aus: (16) […] (Präpositional- nach (Substantivgruppen- dem groben Schnitzer (Substantiv- des knallharten, platzverweisreifen Ausputzers gruppe) gefüge) gruppe) hob (Substantiv- der fleißige, unerhört spritzige Aufbauer gruppe) (Substantiv- den eigentlich harmlosen, durch den drückenden Rückenwind aber in Fahrt geratenen Abpraller gruppe) (Präpositional- über (Subdie weichgetrommelte wankende Mauer gruppe) (Präpositional- in (Substantivgruppen- die stantivgeöffnete Gasse, (Frage- wo (Substantiv- der inzwischen aufgerückte brandgefährliche Aufreißer gruppe) (Präpositional- mit (Substantiv- seinem unheimlich harten linken Hammer plötzlich (Präpositional- am Drücker war gruppe) nebensatz) gefüge) gruppe) […]. gruppe) gruppe) (Ror Wolf: Versuche im Erweitern nackter Worte in: bundesdeutsch 218) Der Beleg ist so komplex, dass die Indizierung der jeweiligen Adjektiv- und Partizipialgruppen zur völligen Unübersichtlichkeit geführt hätte. Da flektierte Adjektivund Partizipialgruppen in Substantivgruppen integriert sind, sollen nun in einem zweiten Schritt alle Substantivgruppen des Belegs ‚herausgelöst‘ und die Strukturen der jeweiligen Adjektiv- und Partizipialgruppen eingetragen werden (A = Adjektiv, P = Partizip(ial), AP = Adjektiv- und Partizip(ial); Kapitälchen = Kopf und Kern fallen zusammen):60 (16) (a) dem (A- groben gruppe) Schnitzer (b) des (A-Gruppen- (A- knallharten gruppe), (A- platzverweisreifen gruppe) verbindung) Ausputzers (c) der (A-Gruppen- (A- fleissige gruppe), (A- Attri-unerhörtbut spritzige gruppe) verbindung) Aufbauer (d) den (AP-Gruppen- (A- Attri-eigentlichbut harmlosen gruppe), (P- Attri-durch den drückenden Rückenwindbut Kon- aber junktor Ke-in Fahrtrn Ko-geratenenpf gruppe) verbindung) Abpraller (e) die (P- Gruppen- (P- weichgetrommelte gruppe) (P- wankende gruppe) verbindung) Mauer

59 Ich deute das Pronominalflexiv als analytisches Substantivflexiv (Ágel 1993b, 1996b und 2006). Das Besondere an der Substantivierung ist, dass das Adjektiv zum Kern einer Substantivgruppe wird, also selbst nicht substantiviert wird, sondern Adjektiv bleibt. Die Substantivierung wird vom substantivischen Kopf ‚erledigt‘ (ausführlich s. Ágel 1993b: 32  ff.). 60 Die Attribute von Partizipialgruppen sind per definitionem recycelt, aber ein hochgestellter ‚rec‘Index lässt sich an der hochgestellten Attribut-Indizierung nicht mehr anbringen.

Adjektiv- und Partizipialgruppe

726 

 Wortgruppenglieder: die grammatischen Mikroglieder von Texten

(f) die (P- geöffnete gruppe) Gasse (g) der (PA- Gruppen- (P- Attri-inzwischenbut aufgerückte gruppe) (A- brandgefährliche Aufreißer gruppe) gruppe) verbindung) (h) seinem (A-Gruppen- Attri-(A- Attri-unheimlichbut harten gruppe)but linken gefüge) Hammer zwei Themen

Komplexität

einfache und komplexe Wortgruppen

Angerissen werden sollen, im Anschluss an diese Belege, zwei Themen: einerseits die Komplexitätstypen, die die Belege repräsentieren, andererseits die Frage nach Köpfen und Kernen (insbesondere im Hinblick auf Partizipialgruppen).61 Das Thema ‚Substantivierung‘ (von Adjektiven und Partizipien) wurde bereits angesprochen. Hinsichtlich Komplexität sind in einem ersten Schritt –– Wortgruppenverbindungen ((16b) bis (16e) und (16g)) und –– Wortgruppen ((16a), (16  f ) und (16h)) zu unterscheiden. Von den Wortgruppenverbindungen dokumentiert (16d) zugleich die gleiche syntaktische Distribution von Adjektiv- und Partizipialgruppen. Mit Ausnahme der adversativ, durch aber, verbundenen Gruppen in (16d) sind alle Wortgruppenverbindungen asyndetisch. Insgesamt enthalten die Belege 13 Wortgruppen: Zu den drei ‚bloßen‘ Wortgruppen kommen ja die je zwei Wortgruppen in den fünf Wortgruppenverbindungen hinzu. Von diesen 13 Wortgruppen stellen zwölf einfache Wortgruppen dar. Das bedeutet, dass sie keine untergeordneten Adjektiv- oder Partizipialgruppen enthalten. Dagegen stellt (16h) eine komplexe Adjektivgruppe, ein Adjektivgruppengefüge, dar: (16h) seinem (A-Gruppen- Attri-(A- Attri-unheimlichbut harten gruppe)but linken gefüge) Hammer

Kopf + Kern

separater Kopf und Kern

Hier ist die ‚kleine‘ Adjektivgruppe (unheimlich harten) Attribut zu dem Kern (linken) der ‚großen‘ Adjektivgruppe (unheimlich harten linken).62 Somit sind wir bei dem anderen Thema, der Frage nach Köpfen und Kernen, angekommen. Die Regel ist bei flektierbaren synthetischen Wort(art)formen wie bei synthetischen Verb- und Substantivformen, dass Kopf und Kern zusammenfallen.63 Genauso ist es bei Adjektivformen, die ja immer synthetisch sind, und bei synthetischen Partizipformen, die aus Sätzen mit synthetischen Verbformen recycelt werden. In diesem Sinne fallen in fast allen obigen Beispielen Kopf und Kern zusammen. Bei Partizipien, die aus Sätzen mit Verbalkomplexen recycelt werden, verteilen sich dagegen Kopf und Kern auf zwei grammatische Formen.

61 Die Attribute sollen ja in einem eigenen Kapitel zum Zuge kommen (Kap. IV/2). 62 Dabei hat die ‚kleine‘ Adjektivgruppe ebenfalls ein Attribut, nämlich ein Intensitätsattribut zweiten Grades (unheimlich). 63 Zu synthetischen Verbformen s. Teuber (2005: 25  ff.) und Eisenberg (2006/2: 51  ff.), zu synthetischen Substantivformen Ágel 2006.

Mikroglieder 

 727

In Anlehnung an Teuber (2005: 40) lässt sich dabei der Oberbegriff ‚Verbalkomplex‘ in zwei Unterbegriffe gliedern: (1) Verbalgruppen/Verbalperiphrasen (wie z.  B. will bauen) und (2) analytische Verbformen (wie z.  B. hat gebaut).64 Entsprechend lassen sich bei Partizipien zwei Sorten von Strukturen mit separatem Kopf und Kern unterscheiden: Die Partizipialgruppe in (16d) geht auf eine Verbalgruppe, auf das Funktionsverbgefüge in Fahrt geraten, zurück. Da Funktionsverbgefüge aus einem Funktionsverb  – hier: geraten  – als Kopf und einer Substantiv- oder Präpositionalgruppe als Kern – hier: in Fahrt – bestehen (Teuber 2005: 58), hat eine aus einem Satz mit Funktionsverbgefüge als Prädikat recycelte Partizipialgruppe ebenfalls einen separaten Kopf und Kern:

recycelte ­Verbalgruppe

(16d) Der Abpraller ist durch den drückenden Rückenwind in Fahrt geraten. → den […] (P- Attri-durch den drückenden Rückenwindbut […] Ke-in Fahrtrn Ko-geratenenpf gruppe) Abpraller Die andere Sorte von Struktur mit separatem Kopf und Kern ist mit dem Partizip II, das ja genuiner Bestandteil des verbalen Paradigmas ist, belegbar, wenn das Hilfsverb des Ausgangsrelatums mit recycelt wird:65 (17)



[D]er neue Ortsvorsteher Klaus Schneider (CDU) dankte (P- Attri-dem 15  Jahre langbut Ke-gewirktrn Ko-habendenpf gruppe) SDP-Ortsvorsteher Klaus Mechnich für dessen intensives Engagement. (Mannheimer Morgen, 1999, zit. n. Dang 2016a: 169)

An den Grenzen der Systemkonformität kommt man an, wenn beim Recycling die beiden Strukturtypen, analytische Verbform und Verbalgruppe, kombiniert werden: (18)



recycelte analytische Verbform

Schalke […] kontrollierte das Spiel und presste bei aller Müdigkeit so engagiert, dass der (P- Attri-von Alessandrobut Ko-hättepf Ke-ausgehenrn Ko-müssendepf Wolfsburger Kombinationsfußball nicht zustande kam. gruppe) (taz, 2005, zit. n. Dang 2016a: 171  f.)

Beim dreigliedrigen Verbalkomplex (hätte ausgehen müssen) stellt das Hilfsverb (hätte) den übergeordneten Kopf dar. Nach dem Recycling wird aber der untergeordnete Kopf der Verbalgruppe qua Adjektivierung zu einem gleichgeordneten Kopf. M. a. W., recycelt wird nicht der infinite (haben ausgehen müssen), sondern der flek64 Das ist natürlich keine diskrete Klassifikation, denn beides lässt sich kombinieren: hat bauen wollen. In diesem Falle stellt das Hilfsverb hat den Kopf und die Verbalgruppe bauen wollen den Kern dar. Der Kern bauen wollen besteht wiederum aus dem Kopf zweiten Grades wollen und dem Kern zweiten Grades bauen. Zu einem komplizierteren Fall s. unten. 65 Nach der empirischen Untersuchung von Dang (2016) sind solche Strukturen (im Sinne des Systembegriffs von Coseriu) systemkonform.

Grenzen des Systems

728 

 Wortgruppenglieder: die grammatischen Mikroglieder von Texten

tierte Verbkomplex (hätten(n) ausgehen müssen), was zu einer doppelten Numeruskongruenz führt: Sowohl der ehemals übergeordnete Kopf (hätte vs. hätten) als auch der nach dem Recycling hierarchisch gleichgezogene Kopf (müssende vs. müssenden) müssen ihre Flexive anpassen: (18’) „die (P- Attri-von Alessandrobut Ko-hättenpf Ke-ausgehenrn Wolfsburger Kombinationen […]“ (Manipulation des Originalbelegs von mir, VÁ) Kopf­ doppelung

Wortgruppen mit zwei Gliedern

Wortgruppen mit Kopf und Kern Verbal­ komplex

­synthetische vs. ­analytische Verbform

müssendenpf

Ko-

gruppe)

Recycling führt hier also zu einem wortstellungsbedingten Doppelkopf: Der vor dem Recycling übergeordnete Kopf bleibt zwar Kopf, aber als vorangestelltes Glied kann er die syntaktische Adjektivposition nicht einnehmen. Der vor dem Recycling untergeordnete Kopf bleibt nachgestellt und kann somit die syntaktische Adjektivposition einnehmen. Die Kopfdoppelung ist also ein wohl unvermeidbares Ergebnis des Recyclings. Somit stellt sie ein empirisches Argument für das Recycling-Konzept dar.66 Soweit die Besprechung der Wortgruppen mit drei Mikrogliedern. Wir kommen nun zu den Wortgruppen mit zwei Mikrogliedern. Hier sind zwei Subklassen zu unterscheiden: Wortgruppen mit Kopf und Kern (aber ohne Attribut) und solche mit Kern und Attribut (aber ohne Kopf). Am Ende des Abschnitts wird auch die Frage zu stellen sein, warum es keine Wortgruppen mit Kopf und Attribut gibt. Wortgruppen mit Kopf und Kern sind Verbalkomplexe und Präpositionalgruppen. Auch Verschmelzungen (am, im, zur usw.) bilden Präpositionalgruppen. Besonders problematisch sind die Wortgruppen mit den Partikeln als und wie (als Lehrer, wie ein Lehrer). Auf sie muss gesondert eingegangen werden. Wie erwähnt, betrachtet Teuber (2005: 40) ‚Verbalkomplex‘ als Oberbegriff für Verbalgruppen und analytische Verbformen. Komplex sind allerdings auch die synthetischen Verbformen, bei denen ja Kopf und Kern in einer Wortform zusammenfallen. Und im verbalen Wortparadigma sind synthetische und analytische Verbformen ohnehin vereint (ebd.). Deshalb rechne ich die synthetischen Verbformen ebenfalls zum Verbalkomplex. So wie synthetische Substantivformen alleine die Substantivgruppe bilden können, können auch synthetische Verbformen alleine den Verbalkomplex bilden. Hier je ein Beispiel für eine synthetische und eine (passivische) analytische Verbform aus dem Leittext: [5] (Substantiv- Hannes gruppe) sagt (Te- (Sa- »Bald wird etwas geschehen.« tz) xt) [41] (Präpositional- Ko-ZuPF KE-dem Theaterstück Das Labyrinthrn gruppe) Ko-wirdpf (Ad- einmal Kegesagtrn, (uneingeleiteter es sei »eine Geschichte, in der das Fantastische im verb) Wirklichen aufging« Nebensatz). 66 Umgekehrt dürfte sie für formale Grammatikmodelle, die keinen Unterschied zwischen genuinen Köpfen und Recyclatoren (mit mehr oder weniger genuinen Kopfmerkmalen) machen, problematisch sein.

Mikroglieder 

 729

Von den Verbalgruppen wurde das Funktionsverbgefüge (mit dem Funktionsverb als Kopf) bereits behandelt. Analog strukturiert sind Modal- und Halbmodalkomplexe (Kap. III/2.1.2), deren Kopf das jeweilige Modalverb (können) oder Halbmodalverb (scheinen) ist: [21] [33]

diesepf Attri-schönebut KE-Einladungrn gruppe) Ko-könnenpf (Substantiv- sie gruppe) einfach (Parti- nicht kel) Ke-ausschlagenrn. Hannes gruppe) Ko-scheintPF KE-zu resignierenrn, […]. (Substantiv(Substantiv-

Ko-

Verben und Verbalgruppen lassen sich zu mehrgliederigen Verbalkomplexen kombinieren.67 In diesen Fällen stellt immer das Finitum den Kopf und der Rest den Kern des Verbalkomplexes dar: [44]

[23]

Kombina­ tionen

ehe jetzt jemand etwas von Abgeklärtheit und womöglich gar Altersweisheit erzählt nebensatz), Ko-darfpf Ke-gesagt werdenRN, (Subjunktional- dass sich der Autor hier in erster Linie einen ordentlichen Spaß erlaubt hat  – neugierig darauf, wie weit man mit realistischen Mitteln dem Unerhörten auf der Spur bleiben kann nebensatz). (Subjunktional-

Wie der Vergleich von [41] (Ko-wirdpf […] Ke-gesagtrn) mit [44] (Ko-darfpf Ke-gesagt werdenRN) zeigt, ist es dabei der untergeordnete Verbalkomplex, der zum Kern des übergeordneten wird.68 Eine vergleichbare Situation findet sich bei Präpositionalgruppen (s. unten). Ein besonders schwieriger und kontrovers diskutierter Verbalkomplex ist das Prädikativgefüge. Hier zwei prototypische Beispiele (mit Kopula sein + substantivischem bzw. adjektivischem Prädikativ) aus dem Leittext: [7]

Verbal­ gruppen

Prädikativ­ gefüge

Schauplatzrn Ko-istpf (Substantiv- Ko-daspf Ke-Gefängnisrn Attri-Isenbüttelbut, Attri-(Relativdessen Insassen zumeist Kleinkriminelle sind, die hier ihre paar Jahre absitzen Ke-

nebensatz)

but

gruppe).

Als die Grünauer sehen, dass die Landesbühne sie zu ihrem Fest beehrt nebensatz), Ko-sindpf (Substantiv- sie gruppe) Ke-begeistertrn.

(Subjunktional-

Da das Prädikativgefüge im Kap. III/2.1.4 besonders ausführlich behandelt und dort, im Anschluss an Meiner (1781/1971: 80), Tesnière (1976: 159) und Coseriu (1972/1987: 89  f.), auch begründet wurde, warum Prädikative keine eigenen Satzglieder, sondern Teile des Prädikats sind, können wir uns hier kurz fassen. Vollverben sind alleine prädikatsfähig, Adjektive und Substantive dagegen nicht. Um sie prädikatsfähig zu machen, bedarf es eines verbalen Sprachzeichens, das ihnen

67 Theoretisch  – aber eben nur theoretisch  – sind bis zu sechs Glieder möglich (Ágel 2001: 320): (… weil der Sack auf die Schultern) hat müssen genommen worden sein können. 68 Kopf und Kern des untergeordneten Verbalkomplexes werden somit zum Kopf und Kern zweiten Grades degradiert.

Kopula als Verbalisator

730 

Synonymie

 Wortgruppenglieder: die grammatischen Mikroglieder von Texten

verbale Qualitäten (Tempus, Modus, Verbalgenus) verleiht, d.  h., sie vollverbäquivalent macht. Dieser Verbalisator ist die Kopula, prototypischerweise die Kopula sein. Dass ein Vollverb und ein Prädikativgefüge (annähernd) synonym sind, stellt (nicht nur im Deutschen) eine Ausnahme dar:69 (19) (a) Er dankt uns für die Hilfe. (b) Er ist uns für die Hilfe dankbar. (zit. n. Hyvärinen 2003: 750) (20) (a) Klaus kellnert. (b) Klaus ist Kellner. Aus diesem Umstand können wir gleich zwei Schlüsse ziehen: 1) Durch die Bildung von Prädikativgefügen wird das Inventar potenzieller Prädikate (annähernd) komplementär aufgestockt. 2) Das strukturelle Verhältnis von Vollverb (kellnern) und Prädikativgefüge (Kellner sein) ist analog dem von synthetischen und analytischen Verbformen. M. a. W., Prädikativgefüge sind so etwas wie analytische Vollverben oder, umgekehrt formuliert, Vollverben sind so etwas wie synthetische Prädikativgefüge.

komplexer Kern

Gemäß dieser Auffassung ist das jeweilige Kopulaverb Kopf und das jeweilige Prädikativ Kern des Prädikativgefüges.70 So wie bei anderen Verbalkomplexen auch, kann der Kern eines Prädikativgefüges recht komplex ausfallen:71 [22]



Grünau gruppe) Ko-scheintpf Ke-eine fröhliche und erstaunlich kulturversessene Gemeinde, wie es auch in Schleswig-Holstein nicht so viele gibtrn. Koeinepf Attri-fröhlichebut und Attri-erstaunlich kulturversessenebut Ke(SubstantivGemeindern, Attri-wie es auch in Schleswig-Holstein nicht so viele gibtbut gruppe) (Substantiv-

Wie die Herauslösung des Kerns zeigt, stellt hier das Prädikativ eine Substantivgruppe mit Kopf, Kern und drei Attributen dar. Soviel zum Verbalkomplex.

69 Zum Synonymieargument Kap. III/2.1.4. 70 Meine Auffassung kongruiert mit der von Teuber (2005: 50  ff.) und widerspricht der Auffassung von Eisenberg (2006/2: 87  f.), mit der sich Teuber auseinandersetzt. Zu den Argumenten Kap. III/2.1.4. 71 Man beachte, dass scheinen ein polyfunktionales Verb ist: In [22] ist es Kopula, in [33] Halbmodalverb und in einem Satz wie Die Sonne scheint Vollverb. Zu Kopulaausdrücken mit der Kopulativpartikel als (wie z.  B. gelten als) s. unten.

Mikroglieder 

 731

Die strukturelle Situation bei der Präpositionalgruppe ist der beim Verbalkomplex durchaus analog: [4]

Mit seiner grundsympathischen Novelle »Landesbühne«rn gruppe) hat sich (Substantiv- Siegfried Lenz gruppe) (Substantiv- Ko-einenpf Ke- Spaß rn ner erlaubtKern. gruppe) Kopf Ke(PräpositionalKopf gespalte-

Kopf der jeweiligen Präpositionalgruppe ist die Präposition, Kern der Rest (Eisenberg 2006/2: 53).72 Das entspricht der Struktur von analytischen Verbformen und Verbalgruppen. Doch die Analogie mit dem Verbalkomplex reicht noch weiter, denn es gibt auch ‚synthetische‘ Präpositionalgruppen, bei denen Kopf und Kern in einem Wort zusammenfallen: [8] [(Substantiv- Hannes gruppe) Ko-hattepf] (Präpositional- damit gruppe) (Substantiv- Schnellfahrer Keangehaltenrn […]. gruppe) Traditionell werden Wörter wie damit, darauf, danach usw. als Präpositionaladverbien (Pronominaladverbien) eingestuft. Mit dem Problem haben wir uns mehrfach auseinandergesetzt und sind zu dem Schluss gekommen, dass sich sog. Prä­po­si­tio­ nal­adverbien keiner Wortart, sondern nur einer Wortgruppenart zuordnen lassen: Sie sind keine Adverbien, sondern stellen Pro-Präpositionalgruppen, deiktische Minimalformen von Präpositionalgruppen, dar, deren grammatischer Wert  – Adverbial oder Objekt – sich erst auf Satzebene entscheidet (Kap. II/4.3 und III/3.1.4). Kopf bleibt dabei natürlich die Präposition (-mit), Kern ist das Deiktikon (da-).73 Präpositionalgruppen haben selbst keine Attribute.74 Die Attribute, die in Präpositionalgruppen vorkommen, befinden sich innerhalb des Kerns und sind somit (untergeordnete) Attribute der Wortgruppe, die den Kern ausmacht. Im kanonischen Fall ist das eine Substantivgruppe: [4’]

Präpositionalgruppe

Mitpf Ke-(Substantiv- Ko-seinerpf »Landesbühne«but gruppe)rn gruppe)

(PräpositionalAttri-

Ko-

grundsympathischenbut

Attri-

die ­‚synthetische‘ Präpositional­ gruppe

Wort­ gruppenart

keine ­Attribute

Novellern

Ke-

Eine besondere Sorte von Präpositionalgruppe stellen Präpositionalgruppen mit Verschmelzungen dar. Während bei Präpositionalgruppen ohne Verschmelzung die Präposition und der Kopf der Substantivgruppe zwei Wörter darstellen, verschmilzt bei Präpositionalgruppen mit Verschmelzung der Kopf der Präpositionalgruppe mit dem der Substantivgruppe zu einem Wort. Man vergleiche zu dem in [41] mit zum in [18]: 72 Der Rest ist eine Substantivgruppe wie in [4] oder eine Adverbgruppe: (Präpositional- seit (Adverb- heute morgen gruppe) gruppe) (IDS-Grammatik 1997/1: 78). 73 Die wertbezogen präzise, aber formal unübersichtliche Indizierung von damit wäre also Ke-da-rn Komitpf. 74 Auf die Gegenposition von Fuhrhop/Thieroff (2005: 322  f.) wird im Kap. IV/2.2 einzugehen sein.

Verschmelzungen

732 

 Wortgruppenglieder: die grammatischen Mikroglieder von Texten

ZuPF KE-dem Theaterstück Das Labyrinthrn gruppe) Ko-wirdpf (Ad- einmal gesagtrn, (uneingeleiteter es sei »eine Geschichte, in der das Fantastische im Wirklichen aufging« Nebensatz). [18] [(Substantiv- Hannes gruppe)] führt (Substantiv- ihn gruppe) (Präpositional- Ko-zupf Ke-m Landesbühnen-Bus, in dem es sich bereits ein gutes Dutzend der sogenannten Insassen halbwegs bequem gemacht hatrn gruppe). [41]

(PräpositionalKeverb)

Ko-

Ein weiterer Verschmelzungsfall im Leittext ist75 [52] Pronominalflexiv als Kopf im engeren Sinne

Assimilation

inpf Ke-s Zeitfernern gruppe)

Ko-

Wie oben erwähnt, stellt bei der Substantivgruppe nicht der Artikel, sondern das Pronominalflexiv den Kopf im engeren Sinne dar. Dies gilt auch für die Präpositionalgruppen mit Verschmelzungen, bei denen das Pronominalflexiv direkt an der Präposition realisiert wird. Dabei stellen Verschmelzungen wie zum in [18] oder ins in [52] ‚phonetische Glücksfälle‘ dar, da hier, trotz Verschmelzung, Kopf der Präpositionalgruppe (= zu, in) und Kopf der Substantivgruppe (-m, -s) segmentierbar, d.  h. phonetisch trennbar, sind: In anderen Fällen wie bei im oder am ist dies nicht möglich: [14] [36]

Wortgruppen mit als und wie

(Präpositional-

(Präpositional(Präpositional-

i-pf Ke-m Speisesaalrn gruppe). a-pf Ke-m Endern gruppe)

KoKo-

Hier geht es um den phonetischen Prozess der sog. totalen Assimilation, d.  h. ein Laut (hier: n) gleicht sich einem anderen (hier: m) vollkommen an: an-m > am, in-m > im, sodass eine phonetische Segmentierung nicht mehr möglich ist. Deshalb bedurfte es einer technischen Notlösung der Darstellung der assimilierten Präpositionen (= i-, a-) im Leittext. Dies ändert allerdings nichts an der syntaktischen Tatsache, dass die Köpfe die Präpositionen in und an sind. Soweit die Wortgruppen mit (relativ) unproblematischer Kopf-Kern-Struktur. Übrig bleibt noch ein klassischer und bis dato ungelöster Problemfall, die Wortgruppen mit als und wie oder kurz: als- und wie-Gruppen. Treffend beschreibt Frederike Eggs (2007: 204 (Fettdruck im Original)) den „entscheidende(n) Unterschied“ zwischen diesen Gruppen so, „dass das mit der NP Bezeichnete bei wie […] als Eigen-

75 Es lassen sich sog. spezielle Klitika, grammatikalisierte Verschmelzungen, von sog. einfachen Klitika, rein phonetischen Reduktionsformen, unterscheiden. „Von Reduktionsformen wollen wir dann sprechen, wenn es keinen funktionalen Unterschied zwischen Verschmelzung und Wortfolge gibt.“ (Eisenberg 2006/2: 199). M. a. W., „[s]pezielle Klitika sind nicht mehr mit ihrer Vollform austauschbar“, während bei einfachen Klitika noch ein „Variantenverhältnis“ zwischen Verschmelzung und Vollform besteht (Nübling 2005a: 112). In diesem Sinne wäre zum in [18] ein einfaches, ins in [52] dagegen ein spezielles Klitikum. Zum theoretischen Status von Verschmelzungen s. Ágel 1996b: 24  ff.

Mikroglieder 

 733

schaft, bei als hingegen als Funktion bzw. Rolle des Bezugsreferenten zu interpretieren ist:“76 (21) Politik ist für ihn gerecht, wenn sie schön ist. So schön (wie- wie ein Gedicht oder ein Ahornblatt im Abendwind Gruppe). (Die Zeit, 29. 04. 1999, zit. n. Hoffmann 2013: 221) (22) An der Front hätte der nicht überlebt, (als- als Halbblinder Gruppe). (Ruge Zeiten: 202) Der grammatische Status von als- und wie-Gruppen hängt in hohem Maße von dem Wortartstatus von als und wie als Bestandteilen von als- und wie-Gruppen ab.77 Hier konkurrieren traditionell zwei Ansichten: als und wie als Konjunktoren oder als ­(periphere) Präpositionen (ohne Kasusrektion).78 Die Position der IDS-Grammatik (1997/1: 61  f. und 79  f.), eine neue Wortart ‚Adjunktor‘ und „Adjunktorphrasen“ anzusetzen (s. auch Helbig/Buscha 2001: 416  ff., Eggs 2006 bzw. 2007 und Hoffmann 2013: 221  ff.), stellt im Grunde genommen keine ‚dritte‘ Position dar, sondern versucht eher nur zwischen den beiden ‚extremen‘ Positionen zu vermitteln. Überzeugend widerlegt wird Eisenbergs Konjunktor-Auffassung von Frederike Eggs (2007: 195  ff.). Umgekehrt ist das Hauptargument von Elke Hentschel und Harald Weydt (2013: 258) für die Präposition-Auffassung auf den ersten Blick zweifelsohne elegant: „Eine Präposition ist im Grunde nichts anderes als die Entsprechung einer subordinierenden Konjunktion auf Satzteilebene: Präpositionen dienen der Unterordnung von Nomina, so wie subordinierende Konjunktionen der Unterordnung ganzer Sätze dienen.“ Die Eleganz wird allerdings durch empirische Großzügigkeit(en) erkauft. Denn einerseits wird die Wortgruppenart nach als und wie nicht von diesen Wörtern fest­ gelegt, sondern sie wird extern, vom Bezugsausdruck (mit oder ohne Prädikat), gesteuert. Dies ist bei Prädikativgefügen mit Kopulaausdrücken wie z.  B. gelten als besonders deutlich:79

76 Als- und wie-Gruppen lassen sich syntaktisch wie semantisch weiter unterteilen, vgl. vor allem Eggs 2006. Zu einer syntaktischen Übersicht s. Helbig 1984. Als-Gruppen wurden bisher als Bestandteile von statischen und dynamischen Prädikaten (Kap. III/2.1.4. und Kap. III/2.2.2) und als Freie Prädikative (Kap. III/3.1.6) eingeordnet. Hinzu kommen auf der Mikroebene recycelte Prädikative (Kap. IV/2.3). 77 Dass es hier nur um als und wie als Bestandteile von als- und wie-Gruppen geht, muss betont werden, da als und wie nicht nur als Bestandteile von als- und wie-Gruppen auftreten, sondern z.  B. auch als Subjunktoren (Als er aufwachte,…) oder als Wortgruppenjunktoren/Konjunktoren (Klaus wie zwei Freunde von ihm kamen mit) (Eggs 2007: 192). 78 Prominentester Vertreter der Konjunktor-Auffassung ist Peter Eisenberg (2006/2: 388  ff.; s. auch Duden 2016: 636  f.). Die Präposition-Auffassung wird u.  a. von Elke Hentschel und Harald Weydt (2013: 257  f.) vertreten (s. unten). Zum Forschungsüberblick s. Eggs 2006: 207  ff. 79 Im Kap. III/2.1.4 über Prädikativgefüge konnten neben Kopulawörtern wie sein, scheinen, werden auch Kopulaausdrücke wie gelten als, sich erweisen als, betrachten als, halten für und ansehen

Wortstatus von als und wie

Präpositionen?

Wort­ gruppenart

734 

(23) (a) → (b) →

 Wortgruppenglieder: die grammatischen Mikroglieder von Texten

Der Professor gilt (als- als (Substantiv- Experte auf diesem Gebiet gruppe) Gruppe). (Beispiel n. Helbig 1984: 730) Der Professor ist (Substantiv- Experte auf diesem Gebiet gruppe). Der Professor gilt (als- als (Adjektiv- ausgesprochen belesen gruppe) Gruppe). Der Professor ist (Adjektiv- ausgesprochen belesen gruppe).

Wie die Umformungen zeigen, hängt die Wahl der Wortgruppenarten – Substantivund Adjektivgruppe – von dem Umstand ab, dass es sich um Kopulasätze, d.  h. um Sätze mit Prädikativgefüge, handelt. Im Übrigen regieren Präpositionen keine Adjektivgruppen: (23) (a’) (b’) Korrespondenz

Der Professor freut sich (Präpositional- auf (Substantiv- den Experten gruppe) gruppe). *Der Professor freut sich (Präpositional- auf (Adjektiv- belesen gruppe) gruppe).

Andererseits korrespondieren als- und wie-Gruppen nicht mit als und wie, sondern mit ihrem jeweiligen Bezugsausdruck:80 (23) (a’’) Einige betrachten den Professor (als- als (Substantiv- Experten auf diesem Gebiet . gruppe) Gruppe) (b’’) Einige betrachten den Professor (als- als (Adjektiv- ausgesprochen belesen gruppe) . Gruppe)

Rektion

Ein Prädikat mit gelten als stellt ein Subjektsprädikativgefüge dar, d.  h., das Prädikativ bezieht sich auf das jeweilige Subjekt. Im Gegensatz dazu bezieht sich das Prädikativ eines Objektsprädikativgefüges mit betrachten als auf das jeweilige Akkusativobjekt. Entsprechend muss bei Substantivgruppen auch der Kasus angepasst werden (Experte > Experten). Korrespondenz mit dem Bezugsausdruck bedeutet im Umkehrschluss, dass es nicht die Wörter als und wie sind, die den Kasus der als- und wie-Gruppen regieren. Es sieht hier nach einem gordisch verknoteten Huhn-Ei-Problem aus: Korrespondenz ergibt sich daraus, dass als und wie über keine Rektionspotenz verfügen, oder als und wie verfügen über keine Rektionspotenz, weil zwischen einer Wortgruppe nach als oder wie und ihrem Bezugsausdruck Korrespondenz erforderlich ist.

für/als usw. (mit der prototypischen Kopulativpartikel als und der peripheren Kopulativpartikel für) identifiziert werden. 80 Eisenberg (2006/2: 35) spricht hier von der syntagmatischen Relation der „Identität“: „Eine Konstituente f1 steht in der Identitätsbeziehung zu einer Konstituente f2, wenn es bestimmte grammatische Kategorien gibt, denen beide Konstituenten zugeordnet sind.“ Fraglich ist allerdings, welche identischen grammatischen Kategorien zwischen einer Substantivgruppe im Akkusativ (den Professor) und einer Adjektivgruppe (ausgesprochen belesen) anzusetzen wären.

Mikroglieder 

 735

Hentschel/Weydt (2013: 257  f.) wollen den gordischen Knoten primär sprach­ typologisch durchhauen: „Oft wird auch damit argumentiert, dass als und wie deshalb nicht zu den Präpositionen zu rechnen seien, weil sie keine Rektion aufweisen […]; diese Argumentation ist aber höchst problematisch. Zum einen könnte es Präpositionen dann logischerweise überhaupt nur in Sprachen geben, die über Kasus verfügen; zum anderen ist aber auch in solchen Sprachen nicht automatisch sichergestellt, dass jede Präposition jederzeit auch einen Kasus verlangt.“ Das eigentliche sprachtypologische Argument (= „Zum einen…“) lautet, dass sich ein übereinzelsprachlicher Begriff ‚Präposition‘ nicht auf die Kasusrektionspotenz reduzieren lasse, sonst marginalisiere man Sprachen mit Präposition und ohne Kasus. Dieses Argument ist zwar überzeugend, aber man braucht es kaum, schließlich muss man das Deutsche gar nicht verlassen, um festzustellen, dass es in jeder Wortart schwarze Schafe gibt, die abseits der Herde weiden. Man könnte also sagen, dass sich als und wie zu prototypischen Präpositionen verhalten wie etwa unflektierbare Adjektive zu prototypischen.81 Selbst Eisenberg (2006/2: 390), der die Gegenposition vertritt, sieht eine mögliche Analogie zwischen der als-Gruppe und der Präpositionalgruppe (= PrGr, Fettdruck im Original): „Als steht wie Präpositionen mit Nominalen, und es könnte durchaus sein, dass die PrGr strukturierend auf die Konstruktion als + Nominal wirkt.“ Kurz: Die Auffassung, dass als und wie periphere Präpositionen sein könnten, scheint nicht unplausibel. Aber als und wie müssen noch einen Härtetest bestehen: Wenn sie nämlich Präpositionen sind, dann müssen sie auch Köpfe von Präpositionalgruppen sein. Deshalb wird zu überprüfen sein, ob Zwickys KopfKriterien auf sie zutreffen. Vorher soll aber noch das zweite, nicht sprachtypologische, Argument von Hentschel und Weydt („zum anderen ist aber auch in solchen Sprachen nicht automatisch sichergestellt, dass jede Präposition jederzeit auch einen Kasus verlangt.“) näher betrachtet werden (Hentschel/Weydt 2013: 258): Sie argumentieren am Beispiel türkischer Postpositionen damit, dass nachweislich kasusregierende Präpositionen – bzw. generell: Adpositionen  – ihr Rektionspotenzial auch nicht in jeder grammatischen Umgebung abrufen können. Ein halbwegs analoges deutsches Beispiel wäre die bereits zitierte seit-Präpositionalgruppe mit Adverbgruppenkern: (24)

seit (Adverb- heute morgen gruppe) gruppe) (Beispiel n. IDS-Grammatik 1997/1: 78)

(Präpositional-

81 Zu klären wäre dabei, warum der periphere Status ausgerechnet so zentralen und sprachhistorisch ‚alten‘ Sprachzeichen zukommt. Unter den Präpositionen der älteren Schicht gibt es keine Ausnahmen. Umgekehrt lässt sich der periphere Status von unflektierbaren Adjektiven in der Regel mit besonderen Merkmalen erklären: Es sind Zahlwörter oder Herkunftsadjektive oder Fremdwörter (IDS-Grammatik 1997/1: 47).

Periphere Präpositionen?

+/-Rektion?

736 

Rektions­ potenz und – realisierung

Dieses zweite Argument basiert auf der Verwechslung von Potenz und Realisierung. Wir können zwar Fahrrad fahren, aber nicht im Meer oder im Weltall. Wir können zwar kochen, aber nicht ohne Zutaten, wir können sprechen, aber nicht mit einem Knebel im Mund. Man kann also Potenzen nur realisieren, wenn die ‚Umgebung‘ stimmt, andernfalls nicht. Bekanntlich gibt es keinen König ohne Untertanen und auch kein Regens ohne Rektum. Aus diesem Grund habe ich in valenztheoretischen Arbeiten nicht nur für die Unterscheidung von Valenzpotenz und Valenzrealisierung, sondern auch für die von Rektionspotenz und Rektionsrealisierung plädiert (Ágel 2000: 59, 63, 68).82 Im obigen Beispiel geht es nicht darum, dass die Präposition seit ihre Kasusrektionspotenz eingebüßt hätte, sondern darum, dass diese in adverbialer Umgebung nicht realisiert werden kann, da Adverbien unflektierbar sind. Ersetzen wir die Adverb- durch eine Substantivgruppe, muss die Kasusrektionspotenz realisiert werden: (25)

Kopf­ merkmale von als und wie

Wortstatus virtuelle Präsenz

 Wortgruppenglieder: die grammatischen Mikroglieder von Texten

(Präpositional-

seit (Substantiv- einer Stunde gruppe) gruppe)

Das zweite Argument basiert also auf dem Fehlschluss, die fehlende Rektionspotenz von als und wie mit der umgebungsabhängigen Rektionsrealisierung von inhärent rektionspotenten deutschen Präpositionen (oder türkischen Postpositionen) zu verwechseln. Wenn als und wie periphere Präpositionen sein sollen, dann also nicht deshalb, weil sie rektionsbezogene Ähnlichkeiten mit Präpositionen wie seit (oder mit türkischen Postpositionen) hätten.83 Übrig geblieben ist noch die Kopf-Frage. Zur Erinnerung die fünf Kopf-Kriterien von Zwicky (Kap. IV/1.2):84 1. Wortstatus („Word rank“), 2. virtuelle Präsenz („required“), 3. Projektivität und Distributivität („category determinant“), 4. Subkategorisierung und Korrespondenz („external representative“) und 5. morphosyntaktischer Exponent („morphosyntactic locus“). Zu überprüfen ist, ob diese Kopf-Kriterien auf als und wie als ‚Anführer‘ der als- und wie-Gruppen zutreffen, wenn man sie mit zweifelsfreien Präpositionen vergleicht. Wir gehen nun die fünf Kriterien kurz durch: Sowohl Präpositionen wie auch als und wie haben Wortstatus. Präpositionen beteiligen sich an der Bildung virtueller Sätze, z.  B.

82 Die Unterscheidung zwischen Rektionspotenz und -realisierung spielt auch bei der Beschreibung der Struktur der Substantivgruppe eine wichtige Rolle (Ágel 2006). 83 Dabei ist der Fall der türkischen Postpositionen zugegebenermaßen komplizierter als der Fall der Präposition seit im Deutschen. Denn im Türkischen geht es um die Nichtflektiertheit flektierbarer Rekta, also um eine Art Flexionsblockade. Die Nichtrealisierung der Rektionspotenz lässt sich also nicht mit der Unflektierbarkeit des Kerns begründen, sondern muss andere Gründe haben. 84 Ich bleibe bei der zwickyschen Zahl fünf, obwohl es eigentlich sieben Merkmale sind.

Mikroglieder 

 737

(26) Er parkt vor oder hinter der Garage. Eine vergleichbare Kombination mit als/wie und einer Präposition ist mir nicht bekannt. Ob sich als und wie wenigstens untereinander virtuell kombinieren lassen, ist methodisch fragwürdig. Ein Beispielpaar wie das folgende zeigt, dass die grammatischen Umgebungen (+/-Artikel) unterschiedlich sind, die wie- und die als-Gruppe bilden also keine Distributionsklasse: (27) Er arbeitet wie ein Hochschulabsolvent. (28) Er arbeitet als Hochschulabsolvent. (Beispiele n. Helbig 1984: 727) Entsprechend fragwürdig fallen die Kombinationen aus:85 (27’) ?Er arbeitet wie oder als ein Hochschulabsolvent. (28’) ?Er arbeitet wie oder als Hochschulabsolvent. Dieses Kopfmerkmal trifft also auf als und wie nicht zu. Zwickys Kriterium „category determinant“ bedeutet intern ‚Projektivität‘ und extern ‚Distributivität‘. Wenn wie- und als-Gruppen keine echte Distributionsklasse bilden, dann verfügen sie über das Merkmal der Distributivität nicht. Die Überprüfbarkeit der Projektivität scheitert allerdings an der fehlenden Distributivität. M. a. W., im Gegensatz zu Präpositionalgruppen sind Antworten mit bloßem wie oder als auf distributive Fragen alleine schon deshalb fragwürdig, weil die Fragen fragwürdig sind:

­Projektivität und ­Distributivität

(11) Trinkst du den Kaffee mit oder ohne Zucker? A: Mit. / Ohne. B: (29) A: ?Arbeitet er wie oder als ein Hochschulabsolvent. ?Als. / Wie. B: Dies dürfte kein Zufall sein. Wären als und wie projektiv, müssten die als- und wieGruppen deiktische Minimalformen haben. Im Gegensatz zu Präpositionalgruppen bilden sie jedoch keine Pro-Präpositionalgruppen (,Präpositionaladverbien‘):86 (30) Sie freut sich darüber. / Er fürchtet sich davor.

85 Entsprechend fragwürdig ist Eisenbergs (2006/2: 388) Einführungsbeispiel Wir verehren Herrn Meier als/wie einen Chef, an dem er seine Konjunktor-Auffassung demonstriert. 86 Es gibt auch Präpositionen, die keine Pro-Präpositionalgruppen bilden (*dardank, *darseit usw.). Aber alle Präpositionen, die Präpositionalobjekte einleiten können, bilden Pro-Präpositionalgruppen, da diese als Präpositionalkorrelate (Kap. III/3.1.7) notwendig sind. In diesem Sinne wäre die Pro-Präpositionalgruppe darals notwendig, wollte man das zweite Komplement von gelten als Präpositionalobjekt herleiten.

Pro-Prä­ posi­tional­ gruppen?

738 

 Wortgruppenglieder: die grammatischen Mikroglieder von Texten

(31) *Sie gilt darals. / *Er benimmt sich dawie. Subkatego­ risierung und Korrespondenz

morpho­ syntaktischer Exponent

Kopf-Fazit: als und wie

Dieses Kopfmerkmal trifft also auf als und wie auch nicht zu. Zwickys vorletztes Kriterium („category determinant“) bedeutet, dass ein Kopf Auslöser oder Ziel lexikalischer Subkategorisierung oder Auslöser für Korrespondenz ist. Dieses Kriterium trifft auf dieser hohen Abstraktionsebene auf beide Gruppen zu. Betrachtet man es genauer, sieht man, dass unter Subkategorisierung und Korrespondenz bei Präpositionen Rektionsbeziehungen zu verstehen sind: Präpositionen regieren und können auch regiert werden. Sie sind Regentien und potenzielle Rekta.87 Dagegen stellen als und wie höchstens nur potenzielle Rekta dar.88 Sie sind keine Regentien, sondern Auslöser für eine andere Sorte von Korrespondenz.89 Hinsichtlich dieses Kopfmerkmals gibt es also genauso viele Gemeinsamkeiten wie Differenzen zwischen Präpositionen und als bzw. wie. Dieses Kopfmerkmal trifft zwar nur auf Präpositionen zu, die ja die Kasuskategorie der Präpositionalgruppe repräsentieren, aber dies bedeutet keine ‚neue‘ Differenz zwischen den beiden Gruppen. Weder Präpositionen noch als und wie sind morphologische Exponenten (da unflektierbar). Und syntaktische Exponenz bedeutet nur Rektionspotenz – ein Unterschied, der beim vorletzten Kriterium bereits erfasst wurde. Die Merkmale ‚virtuelle Präsenz‘, ‚Projektivität‘ und ‚Distributivität‘ treffen auf die Partikeln als bzw. wie nicht zu. Hinsichtlich der Merkmale ‚Subkategorisierung‘ und ‚Korrespondenz‘ halten sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede die Waage. Dass die Partikeln als und wie ähnlich den Präpositionen Wortstatus haben und keine morphologischen Exponenten sind, ist ohne die anderen Merkmale belanglos.90 Denn Partikeln sind generell unflektierbar und bilden generell keine Köpfe von Wortgruppen. Was Präpositionen mit als und wie verbindet, ist ein Merkmal, das bei Zwicky nicht vorkommt, nämlich die syntagmatische Relation „Positionsbezug“ (Eisenberg 2006/2: 37): „Eine Konstituente f1 ist positionsbezogen auf eine Konstituente f2, wenn die Position von f2 relativ zu f1 festliegt.“

87 Genauer: Sie sind Kasusregentien und potenzielle Statusrekta. Zur Präpositionalstatusrektion s. Ágel 2000: 61  ff. 88 Man könnte sie bei Kopulaausdrücken (gelten als, betrachten als) und bei Verben mit valenz­ gebundenem Modaladverbial (sich benehmen wie) als Statusrekta rekonstruieren. Es handelt sich um die Verbgruppen IV, VII und VIII nach der Klassifikation von Helbig (1984: 728). 89 Wahrscheinlich geht es um Identität, wenn auch der Begriff nicht ganz unproblematisch ist (s. oben). 90 Man denke analog an ‚feste Wortverbindungen‘ (Phraseologismen), die per definitionem über das Merkmal der Polylexikalität (,Mehrwortigkeit‘) verfügen müssen. Ohne weitere phraseologische Merkmale ist dieses Merkmal jedoch nicht distinktiv, denn ins Brot beißen ist genauso ‚mehrwortig‘ wie ins Gras beißen.

Mikroglieder 

 739

Sowohl Präpositionen wie auch als und wie gehen ihren Wortgruppen voraus, sie sind ‚präpositional‘.91 Apropos Wortgruppen. Es ist noch einmal daran zu erinnern, dass die Unterschiede nicht nur kopf-, sondern auch kernbezogen sind. Die Partikeln als und wie verbinden sich nicht mit denselben Wortgruppenarten wie die Präpositionen, denn im Gegensatz zu Präpositionen beeinflussen sie die Wahl der Wortgruppenart nicht. Nach dem Prinzip ‚kein König ohne Untertanen‘ muss man also hier als Resümee festhalten: kein Kern ohne Kopf. Reicht die Gemeinsamkeit hinsichtlich Positionsbezug, um als und wie als periphere Präpositionen einzustufen? Anders gefragt: Wie peripher muss ein Wort sein, um (noch) zu einer Wortart gerechnet zu werden? Die Frage ist strikt elementbezogen nicht zu beantworten. Denn Element und Gruppe als Bestandteile von Grammatikalisierungsprozessen bedingen sich immer gegenseitig (Himmelmann 1997). Die Frage ist also eher, wie sich als- und wie-Gruppen strukturell zu Präpositionalgruppen verhalten. Hier möchte ich den bereits zitierten Gedanken von Eisenberg (2006/2: 390) aufgreifen, der die Vermutung geäußert hat, dass Präpositionalgruppen „strukturierend auf die Konstruktion als + Nominal“ gewirkt haben könnten. Verallgemeinert heißt das, dass die Präpositionalgruppen eine Art Modell, eine Art strukturelles Vorbild für die als- und wie-Gruppen darstellen könnten. Solche Vorbild-Relationen sind aus der Valenztheorie wohl bekannt, sie wurden als Valenzsimulation beschrieben (Ágel 2000: 229  f., s. auch Czicza 2014: 111  ff.). Mit dem Begriff wurde auch in der vorliegenden Arbeit im Zusammenhang mit der Subjektsimulation gearbeitet (Kap. III/3.1.4), vgl. etwa Deutsch mit Latein: (32) (a) (b) (33) (a) (b)

Kern-Fazit: als und wie

­Periphere Prä­ positionen? Periphere Präpositionalgruppen?

Simulation

Er/sie/es Subjekt) arbeitet/schläft. Es regnet/schneit. (Subjektsimulation) (nominales

Laborat/dormit. Pluit/ninguit.

Solche Fälle wurden als (sprachtypologisch sehr verbreitete) strukturelle Ökonomie interpretiert: Obwohl Witterungsverben keine Komplemente haben (= nullwertig sind), muss sich ihre Valenzrealisierungsstruktur der minimalen (intransitiven) Valenzrealisierungsstruktur der jeweiligen Sprache anpassen: Wenn die Minimalstruktur  – wegen Makrorealisierung des Subjekts  – zweigliedrig ist wie im Deut-

91 Dies ist allerdings eher nur eine ‚statistische‘ Feststellung, da die überwiegende Mehrheit der Adpositionen (= Präpositionen, Postpositionen und Zirkumpositionen) eben Präpositionen sind. Es ließe sich auch die Differenz betonen: Adpositionen sind nicht immer präpositional, während als und wie ausschließlich präpositional sind.

strukturelle Ökonomie

740 

Fazit: dummyPräpositionalgruppen

 Wortgruppenglieder: die grammatischen Mikroglieder von Texten

schen, muss auch bei Nullwertigkeit die Zweigliedrigkeit simuliert werden. M. a. W., das Prädikat reicht (trotz Nullwertigkeit) alleine nicht, das dummy-Subjekt es muss eingeführt werden. Wenn dagegen die Minimalstruktur – wegen genuiner Mikro­rea­li­ sie­rung des Subjekts – sowieso eingliedrig ist wie im Lateinischen, wenn also in einer Sprache der Verbalkomplex (mit Subjekt- und Prädikatswert) den strukturellen Minimalfall darstellt, wird auch bei Nullwertigkeit diese Eingliedrigkeit simuliert, d.  h. kein dummy-Subjekt eingeführt. Entsprechend hat das Lateinische auch kein dummy-Element, das dem deutschen es analog wäre. Kurz: Sprachen ‚erfinden‘ keine neuen Strukturen für Strukturen mit dummy-Elementen, sondern lassen dummy-Strukturen kanonische Strukturen simulieren. Eisenbergs Vermutung kann vor diesem theoretischen Hintergrund so interpretiert werden, dass als- und wie-Gruppen Präpositionalgruppen simulieren, d.  h. dummy-Präpositionalgruppen sind: (21) Politik ist für ihn gerecht, wenn sie schön ist. So schön (dummy- wie (Substantivgruppenein Gedicht oder ein Ahornblatt im Abendwind verbindung) Präpositionalgruppe). (Die Zeit, 29. 04. 1999, zit. n. Hoffmann 2013: 221) (22) An der Front hätte der nicht überlebt, (dummy- als (Substantiv- Halbblinder gruppe) . Präpositionalgruppe) (Ruge Zeiten: 202)

Wortgruppen mit Kern und Attribut Adverb­ gruppe

Die Partikeln als und wie stellen Präpositionssimulate dar. Dabei haben sie genauso wenig ‚echte‘ Merkmale von Präpositionen wie das dummy-es echte Merkmale des anaphorischen Kategoremworts (,Pronomens‘) es hat.92 Soweit die Wortgruppen mit Kopf und Kern (und deren Simulaten). Bei den Wortgruppen mit Kern und Attribut können wir uns kurz fassen, da nur die Adverbgruppe zu diesem Typus gehört. Außerdem sind laut IDS-Grammatik (1997/1: 82, Kapitälchen im Original) „[n]ur wenige Adverbien […] in einer adverbphrase kombinationsfähig.“ Genauer gesagt: Nur wenige Adverbien bilden überhaupt Adverbgruppen. Im Kap. IV/1.2 wurde dies an der Gegenüberstellung von oft (als Kern einer Wortgruppe) und jetzt (als Wort) gezeigt:

92 Dass sie keine ‚echten‘ Merkmale von Präpositionen haben, heißt natürlich nicht, dass sie semantisch leer wären, ganz im Gegenteil: Die prototypische Bedeutung von als ist (im Sinne von Eggs 2006) Funktions-/Rollenanzeige, als drückt also ein „Subsumtionsverhältnis“ (Eisenberg 2006/2: 389) aus. Die Kopulativpartikel als von Kopulaausdrücken stellt die Lexikalisierung dieser ‚Rollenpartikel‘ dar. Die prototypische Bedeutung von wie ist (im Sinne von Eggs 2006) Eigenschaftsanzeige, wie drückt also ein „Ähnlichkeitsverhältnis“ (Eisenberg 2006/2: 389) aus. Als Vergleichspartikel funktioniert auch als, wenn es nicht um Ähnlichkeit, sondern um Unähnlichkeit, um das „Andersartige im Identischen“ (Eggs 2006: 66, im Original fett gesetzt), geht. Auf die als-Gruppe kommen wir im Zusammenhang der Appositionsproblematik noch einmal zu sprechen (Kap. IV/2.3).

Mikroglieder 

[13a] [a]

Sehr/ziemlichbut oft gruppe) aber öffnet sich (Substantivzum Gefängnishofbut gruppe), [b] ??(Ad- Attri-Sehr/ziemlichbut jetzt verb) aber öffnet sich (SubstantivAttrizum Gefängnishofbut gruppe), (AdverbAttri-

Attri-

daspf

Ke-

daspf

Ke-

Ko-

Ko-

 741

Torrn Torrn

Soweit die Vorstellung der Wortgruppen. Das Ergebnis unserer Diskussion wird in der nachfolgenden Tabelle zusammengefasst. Tab. 57: Wortgruppen im Überblick Wortgruppen Typ

Klasse

Beispiele

Kopf+Kern+Attribut Substantivgruppe [21] (Substantiv- Ko-diesepf Attri-schönebut KE-Einladungrn gruppe) […]. Adjektivgruppe

Die (Adjektiv- außerordentliche gruppe) Wirkung einer (Adjektiv- absolut untödlichen gruppe) Zigarette […]93

Partizipialgruppe

[…] die (Partizipial- aus Holzplatten gefertigten gruppe) Gestelle […]94

Verbalkomplex

[12] (Substantiv- Ko-Vierpf Ke-Jahrern Attri-Isenbüttelbut gruppe) Ko-hatpf Kodaspf gruppe) (Substantiv- Ko-dempf Ke-Professorrn gruppe) Ke(Substantiveingebrachtrn, […].

Präpositionalgruppe

[15] [(Substantiv- Es gruppe)] handelt (Präpositional- Ko-vonpf Ke-zwei älteren Damen […]rn gruppe).

dummyPräpositionalgruppe (Sonderfall)

An der Front hätte der nicht überlebt, (dummy- Kopf-alssimulat KeHalbblinderrn Präpositionalgruppe).95

Adverbgruppe

[45]

Kopf+Kern

Kern+Attribut ?

gruppe)

93 Menzel 55: 15 94 Lenz Landesbühne: 18 95 Ruge Zeiten: 202

(Adverb-

Wannrn gruppe) spielt (Substantiv- Ko-daspf Ke-allesrn

Ke-

Wortgruppen im Überblick

742 

Wortgruppen mit Kopf und Attribut?

Artikelwort und  -ausdruck

 Wortgruppenglieder: die grammatischen Mikroglieder von Texten

Abschließend soll noch die Frage gestellt werden, warum es keine Wortgruppen mit Kopf und Attribut gibt. M. a. W., warum gibt es Attribute nur zu Kernen? In seiner Wortarttheorie unterscheidet Tesnière (1976: 53  ff.) Vollwörter („mots pleins“) mit einer „fonction sémantique“ und Leerwörter („mots vides“), die grammatische Werkzeuge („outils grammaticaux“) sind. Die Vollwörter (Vollverben, Substantive, Adjektive und Adverbien), die exakt unseren Kernen entsprechen, lassen sich alle sinnvoll lexikalisch spezifizieren (schnell bzw. einen Kuchen essen, schönes Buch, sehr warm, vergleichsweise oft). Da Vollverben als Prädikate auf Satzgliedebene spezifiziert werden, bleiben Substantive, Adjektive und Adverbien als potenziell attribuierbare Kerne übrig.96 Sog. „Artikelwortkombinationen“ in Substantivgruppen wie alle seine Sachen, all die guten Sachen, manch ein ahnungsloser Tourist (Duden 2016: 249  f.) stellen nach unserem Konzept keine attribuierten Artikelwörter, sondern Artikelausdrücke dar: (34)

(Substantiv- (Artikel-

manch einpf ausdruck) (Adjektiv-

Ko-

ahnungsloserbut gruppe)

Attri

Touristrn

KE-

gruppe)

Zu unterscheiden sind also Artikelwörter (wie ein, kein, sein, d(-er/ie/as) usw.) und Artikelausdrücke (wie alle sein, manch ein, all d(-er/ie/das) usw.). Eine Wortgruppe ist eine (potenzielle) Mesoform mit maximal drei Typen von Wortgruppengliedern: Kopf, Kern und Attribut. Wortgruppen sind nicht einheitlich, sie lassen sich entsprechend ihrer Mikroglied-Kombination unterteilen: Wortgruppen mit drei Gliedern sind Substantiv-, Adjektiv- und Partizipialgruppen. Wortgruppen mit zwei Gliedern sind weiter zu unterteilen: Sie haben entweder eine Kopf-Kern-Struktur (Verbalkomplexe und Präpositionalgruppen (inkl. Verschmelzungen)) oder eine Kern-Attribut-Struktur (Adverbgruppen). Wortgruppen mit als und wie wurden als simulierte Präpositionalgruppen (= dummy-Präpositionalgruppen) modelliert. Attribuierbar sind nur Kerne. Komplexe Artikelköpfe stellen Artikelausdrücke dar.

96 Bei der Personen- und Objektdeixis vertritt der deiktische Verweis (= Kernverweis) den Kern: KoDerpf Kern-verweis Attri-dabut gruppe)!

2 Attribute 2.1 Textanalyse 2.2 Präzisierung des Attributbegriffs 2.3 Klassifikation der Attribute

2.1 Textanalyse Legende: Makroglieder: Punkt-Strich-Unterstrich: Nichtsatz; Unterstrichen: Kohäsionsglied; Schwarz: Satz1 Mesoglieder/-formen: fett: Prädikat;  gerahmt : Kommentarglied; (tiefgestellte Klammern): Mesoform Mikroglieder: Kapitälchen: Zusammenfall von Kopf und Kern einer Wortgruppe in einer Wortform; fett+Kapitälchen: Zusammenfall von Kopf und Kern eines Verbkomplexes in einer Verbform

[1]

JOCHEN JUNG

[2] [3]

Siegfried Lenz. Total entspannt

[4]

Mitpf Ke-seiner grundsympathischen Novelle »Landesbühne«rn gruppe) hat sichte- (Substantiv- Siegfried Lenz gruppe) (Substantiv- Ko-einenpf Ke-Spaßrn gruppe) ner Kern erlaubt . Ko(PräpositionalKopf gespal-

[5] (Substantiv- Hannes gruppe) sagt (Te- »Bald wird etwas geschehen.« xt) [6] Und in der Tat: Seltsames Substantiv-) geschieht, (gruppen- Kon-jajunktor Intensitäts-geradezuattri(gespaltene but Unerhörtes verbindung). Ke[7] Schauplatzrn Ko-istpf (Substantiv- Ko-daspf Ke-Gefängnisrn Appositiv-Isenbüttelattribut, Attributdessen Insassen zumeist Kleinkriminelle sind, die hier ihre paar (RelativJahre absitzen nebensatz)nebensatz gruppe). [8] (Substantiv- Hannes gruppe) zum Beispiel Ko-hattepf (Substantiv- sich gruppe) (Substantiv- Ko-einepf KePolizeikellern gruppe) Ke-besorgtrn und [(Substantiv- Hannes gruppe) Ko-hattepf] (Präpositional- damit gruppe) (Substantiv- Schnellfahrer Keangehaltenrn gruppe) und

1 rekonstruierte Glieder in eckigen Klammern DOI 10.1515/9783110409796-013

744 

 Wortgruppenglieder: die grammatischen Mikroglieder von Texten

[(Substantiv- Hannes gruppe) Ko-hattepf] (Substantiv- Ko-denpf Ke-Verschrecktenrn gruppe) (SubstantivKoeinpf Ke-Bußgeldrn gruppe) Ke-abgeknöpftrn. [9] Erst (Subjunktional- als er eine Zivilstreife gestoppt hatte nebensatz), Ko-warpf (SubstantivKoderpf Ke-Spaßrn gruppe) Ke-zu Endern. [10] (Substantiv- Hannes, Wortgruppenrand-im Übrigen nicht besonders redseligglied gruppe), teilt (Substantiv- Ko-diepf Ke-Zellern gruppe) (Präpositional- Ko-mitpf Ke-dem Erzähler dieser Geschichte, aus dessen Leben Hannes erstaunlich viel mitzuteilen weiß und den er »Professor« nenntrn gruppe). ge[11] Dasspal- Ko-warpf (Substantiv- er gruppe) auch, te-für Literaturner sogar, Ke-Spezialgebiet Sturm und Drangrn, (Subjunktional- bis aufflog, dass er sich selbst zu oft als Stürmer und Bedränger gefallen und die hübschesten und schlechtesten Studentinnen mit Höchstlob durchs Examen geschleust hatte nebensatz). [12] (Substantiv- Ko-Vierpf Ke-Jahrern Appositiv-Isenbüttelattribut gruppe) Ko-hatpf (Substantiv- Ko-daspf Kodempf Ke-Professorrn gruppe) Ke-eingebrachtrn, gruppe) (Substantiv und Ko zweipf [Ke-Jahrern] Präpositional-davonvon+DAT-attribut gruppe) Ko-sindpf erst (SubstantivKern rum . [13] (Ad- Jetzt verb) aber öffnet sich (Substantiv- Ko-daspf Ke-Torrn Direktional(adverbial)-zum Gefängnishofattribut gruppe), und Ko einpf Ke-Busrn tene) rollt ein, (Substantiv- Attribut-(Relativ- an dessen Seite groß (gespaldas Wort »Landesbühne« aufgemalt ist nebensatz)nebensatz gruppe). [14] (Substantiv- Ko-Einpf Ke-Stückrn gruppe) Ko-sollpf Ke-aufgeführt werdenrn, (Präpositional- Ko-i-pf Kem Speisesaalrn gruppe). [15] (Substantiv- Es gruppe) Ko-heißtpf Ke-Das Labyrinthrn und [(Substantiv- Es gruppe)] handelt (Präpositional- Ko-vonpf Ke-zwei älteren Damen, die in einem Hamburger Vorgarten ein echtes Labyrinth haben, in dem man zur Verbesserung der Welt tatsächlich Leute, die es nicht anders verdient haben, zum Verschwinden bringen kannrn gruppe). [16] (Substantiv- Ko-Diepf Adjektiv-beidenattribut gruppe) Ko-heißenpf Ke-Trudi und Elfirn und [(Substantiv- Ko-diepf Adjektiv-beidenattribut gruppe)] Ko-sindpf (Adjektiv- weitläufig gruppe) Ke-verwandtrn (Präpositional- Ko-mitpf Ke-den Brewster-Tanten aus Arsen und Spitzenhäubchenrn gruppe). [17] (Frage- Wie das Stück ausgeht nebensatz), erfährt (Substantiv- man gruppe) allerdings nicht kel) . (Parti[18] (Subjunktional- Nachdem es schon die längste Zeit versteckte Zeichen und Verabredungen gegeben hat nebensatz), nimmt (Substantiv- Hannes gruppe) (Substantiv- Ko-seinenpf KeProfessorrn gruppe) und

Attribute 

 745

[(Substantiv- Hannes gruppe)] führt (Substantiv- ihn gruppe) (Präpositional- Ko-zupf Ke-m Landesbühnen-Bus, in dem es sich bereits ein gutes Dutzend der sogenannten Insassen halbwegs bequem gemacht hatrn gruppe). [19] (Präpositionalgruppe Dilativ(adverbial)-Kurzattribut darauf mit Temporalwert) öffnet (Substantiv- Ko-einpf Adjektivahnungsloserattribut Ke-Torhüterrn gruppe) (Substantiv- Ko-diepf Ke-Pfortern gruppe), und draußen verb) sind (Substantiv- sie gruppe). (Ad[20] (Adjektiv- Weit gruppe) kommen (Substantiv- sie gruppe)  (Parti- nicht kel) . [21] (Substantiv- Ko-Daspf gruppe) [=(Substantiv- sie gruppe) kommen  (Parti- nicht kel)  (Adjektiv- weit gruppe)] aber nur (Subjunktional- deswegen, weil sie schon bald ein Transparent über der Chaussee entdecken: »Grünau heißt euch willkommen zum Nelkenfest« neben, satz) und Ko diesepf Adjektiv-schöneattribut KE-Einladungrn gruppe) Ko-könnenpf (Substantiv- sie (Substantiveinfach  (Parti- nicht kel)  Ke-ausschlagenrn. gruppe) [22] (Substantiv- Grünau gruppe) Ko-scheintpf Ke-eine fröhliche und erstaunlich kulturversessene Gemeinde, wie es auch in Schleswig-Holstein nicht so viele gibtrn. [23] (Subjunktional- Als die Grünauer sehen, dass die Landesbühne sie zu ihrem Fest beehrt nebensatz), Ko-sindpf (Substantiv- sie gruppe) Ke-begeistertrn. [24] (Substantiv- Ko-Diepf Ke-Insassenrn gruppe) Ko-sindpf immerhin Ke-so geistesgegenwärtig, das Schauspielen erst mal auf die lange Bank zu schiebenrn und [(Substantiv- Ko-diepf Ke-Insassenrn gruppe)] empfehlen sich (Präpositional- Ko-mitpf Ke-ihren Sangeskünsten, die sie als braver Gefangenenchor in Isenbüttel trainiert habenrn gruppe). [25] Und was gruppe) singen (Substantiv- sie gruppe)? (Substantiv[26] [(Substantiv- sie gruppe) singen] (Te- (Sa- »Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt.« tz) xt) [27] Na denn. [28] (Substantiv- Ko-Daspf Ke-Festrn gruppe) geht weiter, es gruppe) gibt (Substantivgruppen- Kartoffelsalat Kon-undjunktor Würstchen (Substantiv, verbindung) und Kodiepf Ke-Truppern gruppe) Ko-wirdpf (Präpositional- Ko-vonpf Ke-der Grünauer Bevöl (Substantivrn kerung gruppe) sozusagen (Adjektiv- zunehmend gruppe) Ke-angenommenrn, ja sogar (gespal- Adjektiv-zarteattribut Bande tene) Ko-werdenpf Ke-geknüpftrn, (Substantiv- Attributdie immerhin Anlass zu einem Satz wie diesem geben nebensatz)nebensatz (Relativ: gruppe) »(Ad- So verb) ist (Substantiv- es gruppe),

746 

 Wortgruppenglieder: die grammatischen Mikroglieder von Texten

manchmal verb) geschieht (Substantiv- etwas Lokal(adverbial)-im Lebenattribut, Attributmit dem man sich abfinden muss nebensatz)nebensatz gruppe).« (Relativ[29] Genau (Substantiv- Ko-daspf gruppe) tun (Substantiv- Ko-diepf Ke-Männerrn gruppe) nun aber gar nicht ausdruck) , (Partikel Sie gruppe) finden sich  (Partikel- überhaupt nicht ausdruck)  ab, (Substantiv im Gegenteil, gerade (ge- Hannes spal-) arbeitet (Adjektiv- kräftig gruppe) (Präpositional- Ko-anpf Ke-ihrer Grünauer Eingemeindungrn gruppe), (te- Wortgruppenrand-(Partizipial- unterstützt vor allem vom kunstsinnigen Bürgermeister konstruktion)glied ne Substantivgruppe) und da wir hier ja nicht die ganze Geschichte nacherzählen sollten neben (Subjunktional, raffen (Substantiv- Ko-wirpf gruppe) mal (Substantiv- etwas gruppe) zusammen satz) und teilen [(Substantiv- Ko-wirpf gruppe)] nur (Sub- so viel junk-) mit, (tional- dass der Professor Volkshochschulvorträge hält – natürlich zum Thema Sturm und Drang – und Hannes in kürzester Zeit ein vollständiges Heimatmuseum einrichtet und auch eröffnet nebensatz). [30] (gespal- Ko-Einpf Ke-Fußballspielrn te-) gibt (Substantiv- es gruppe) ebenfalls, (ne Ko-eine Ke-Mädchengardern Substantiv-) und (gruppen- Ko-einepf Ke-Feuerwehrkapellern verbindung), Gäste gruppe) kommen (Präpositonal- Ko-auspf Ke-nah und fern – Husum etwa (Substantivund Eckernfördern gruppe), aber ehe die Sache dann doch etwas matt wird nebensatz), kommt (Substantiv- es (Subjunktionalnoch (Präpositional- Ko-zupf Ke-einer Art Ordensverleihung, bei der es die Nelke in gruppe) Bronze, Silber und Gold gibt und die das ganze Geschehen noch einmal dekorativ und dekorierend zusammenfasst und hochziehtrn gruppe), Beifall gruppe) rauscht auf, (Substantiv und »(Ad- fast verb) Ko-begannpf (Substantiv- Adjektiv-abgestandenesattribut Bier gruppe) (PräpositionalKo- pf Kein den Gläsernrn gruppe) Ke-zu schäumenrn«. [31] Dann aber wie gewonnen, so zerronnen: Polizisten gruppe) Ko-warenpf sowieso schon (Adverb- da und dort ausdruck) (SubstantivKeaufgetauchtrn und [(Substantiv- Polizisten gruppe)] schnupperten herum, selbst (Substantiv- Ko-derpf Ke-Gefängnisdirektorrn gruppe) saẞ (Adverb- auf einmal ausdruck) da verb), (AdZwischenfälle gruppe) Ko-hatpf (Substantiv- es gruppe) Ke-gegebenrn – (Ad- leider  (SubstantivKo- pf Kein der Gegend von Eckernfördern gruppe) –, verb) (Präpositional und schnapp! sitzen (Substantiv- sie gruppe) (Ad- wieder verb) (Präpositional- Ko-i-pf Ke-m Busrn gruppe)

(Ad-

Attribute 



und

 747

baldattribut darauf mit Temporalwert) [sitzen (Substantiv- sie Ko- pf Ke] in ihrem Pisspott namens Isenbüttelrn gruppe). gruppe) (Präpositional[32] Oje. [33] (Substantiv- Hannes gruppe) Ko-scheintPF KE-zu resignierenrn, Ko derpf Ke-Professorrn gruppe) schreibt (Substantiv- Ke-Tagebuchrn gruppe), (SubstantivKoderpf Ke-Zellennachbarrn gruppe) hängt (Substantiv- sich gruppe) auf, (Substantiv und dann verb) kommt auch noch (Substantiv- ein weiteres Mal ausdruck) – (Substantiv- Ko-diepf (AdKeLandesbühnern gruppe). [34] Und was gruppe) spielen (Substantiv- sie gruppe)? (Substantiv[35] [(Substantiv- sie gruppe) spielen] (Te- Warten auf Godot xt). [36] (Substantiv- Ko-daspf gruppe) Ko-gibtpf (Ad-  natürlich  verb) (Ad- wieder verb) Ke-Anlassrn (PräpositioKozupf Ke-ein paar schwersinnigen Sätzenrn gruppe), nal aber Ko- pf Keam Endern gruppe) [Ko-gibtpf (Substantiv- Ko-daspf gruppe)) Ke-Anlassrn] auch (Präpositionaldazu, dass ein Gefängnisdirektor seine Memoiren schreibt, um sie (Subjunktionaldann im Verlag Hoffman und Breitner zu veröffentlichen nebensatz). [37] Und, was das Schönste ist: KoZweipf Ke-Zellengenossenrn gruppe) Ko-sindpf Ke-Freunde gewordenrn. (Substantiv[38] Ko-Istpf (gespal- Ko-daspf te-) nun (ne Substantiv- KE-allesrn gruppe) Ke-glaubwürdigrn? [39] Dumme Frage. [40] (Substantiv- Ko-Wirpf gruppe) sind (Ad- hier verb)  (Parti- nicht kel)  (Präpositional- Ko-beipf Kem Amts­ gerichtrn gruppe). [41] (Präpositional- Ko-ZuPF KE-dem Theaterstück Das Labyrinthrn gruppe) Ko-wirdpf (Ad- einmal Kegesagtrn, (uneingeleiteter es sei »eine Geschichte, in der das Fantastische im verb) Wirklichen aufging« Nebensatz). [42] Nun, hier verb) Ko-istpf (Substantiv- es gruppe)  (Parti- wohl kel)   (Ad- eher verb)  Ke-umgekehrtrn. (Ad[43] Aber wie auch immer: KoDiepf Ke-Freiheitenrn, Attribut-(Relativ- die sich aus solchem Erzählen (Substantivergeben nebensatz)nebensatz gruppe), Ko-hatpf (Substantiv- Siegfried Lenz gruppe) (Adverb- weidlich und Kon-undjunktor Präpositonalgruppen- Ko-mitpf Ke-offenkundigem Vergnügenrn verbindung) Kegenutztrn. [44] Und ehe jetzt jemand etwas von Abgeklärtheit und womöglich gar Alters (Subjunktionalweisheit erzählt nebensatz), Ko-darfpf Ke-gesagt werdenRN, (Subjunktional- dass sich der Autor hier in erster Linie einen ordentlichen Spaß erlaubt hat  – neugierig darauf, wie weit man mit realistischen Mitteln dem Unerhörten auf der Spur bleiben kann nebensatz). (Präpositionalgruppe

Dilativ(adverbial)-

748 

 Wortgruppenglieder: die grammatischen Mikroglieder von Texten

Wannrn gruppe) spielt (Substantiv- Ko-daspf Ke-allesrn gruppe)? Irgendwie verb) [spielt (Substantiv- Ko-daspf Ke-allesrn gruppe)]  (Parti- wohl kel)  doch (Präpo(AdKo- pf Kein ferneren Zeitenrn gruppe). sitional[47] Oder Kohatpf (Substantiv- Ko-derpf Ke-Professorrn gruppe) (Substantiv- Ko-diepf Adjektiv-ganzeattribut Ke­ Geschichtern gruppe) nur (Präpositional- Ko-nachpf Ke-einer langen Nacht mit einer seiner bedürftigen Studentinnenrn gruppe) Ke-geträumtrn? [48] Ach was. [49] (Substantiv- Es gruppe) gilt (Substantiv- Ko-daspf Partizipial-geschriebeneattribut Ke-Wortrn gruppe), und erzählt gruppe) Ko-istpf Ke-erzähltrn. (Partizipial[50] Und wenn Siegfried Lenz erzählt nebensatz), hat (Substantiv- Ko-daspf Ke-Erzähltern (Subjunktionalimmerund Kon-undjunktor Präpositionalgruppen-Ko-inpf Ke-jedem Fallrn verbindung) (Substangruppe) (AdverbKoetwaspf Ke-Herzlichesrn, Wortgruppenrand-das, was man gemeinhin grundsympativthisch nenntglied gruppe). [51] (Subjunktional- Wobei man zu bedenken geben muss, dass, wenn man so grundsympathisch von einer Welt erzählt, die ja eher nicht so herzlich und grundsympathisch ist, das Herzliche gelegentlich auch ein wenig ins Nette rutschen kann, was dann der Schärfe unserer Tage nicht so voll und ganz entspricht nebensatz). [52] Aber weil Siegfried Lenz vor allem auch ein erfahrener Autor ist nebensatz), (SubjunktionalKohatpf (Substantiv- er gruppe) (Substantiv- Ko-diepf Ke-Sachern gruppe) (Präpositional- deswegen gleich verb) (Substantiv- etwas gruppe) (Präpositional- Ko-inpf Ke-s Zeitfernern gruppe) gruppe) (AdKegerücktrn. [53] Und [(Substantiv- er gruppe)] trifft sich (Präpositional- damit gruppe) (Präpositional- Ko-aufpf Adjektivüberraschendeattribut Ke-Weisern gruppe) (Präpositional- Ko-mitpf Ke-dem Autor der Leute von Seldwyla, an die man beim Lesen dieser Novelle sowieso schon zurückgedacht hatrn gruppe). [54] Auch (Substantiv- Gottfried Keller gruppe) kennt ja (Substantivgruppen- Ko-daspf Ke-Wunderlichern, Ko-denpf Adjektiv-schrägenattribut Ke-Blickrn Direktional(adverbial)-auf die Gesellschaftattribut und auch (Substantiv- Ko-daspf Ke-Herzlichern verbindung) ((Substantiv- Ko-daspf Ke-Nette [kennt (Substantiv- Gottfried Keller gruppe)] allerdings ganz und gar nicht ausdruck) ), (Partikel und auch (Substantiv- er gruppe) wusste, (Subjunktional- dass das mit der Gegenwart nicht immer so gut zusammenging nebensatz). [55] So schrieb (Substantiv- er gruppe) denn (Präpositional- Ko-inpf Ke-seiner Vorrede zum zweiten Band seiner NovellensammlungRN gruppe), (uneingeleiteter seine Seldwyler sähen »schon aus wie andere Leute; es ereignet sich nichts mehr unter ihnen, was der beschaulichen Aufzeichnung würdig wäre, und es ist daher an der Zeit, in [45] [46]

(Adverb-

Ke-

Attribute 

 749

ihrer Vergangenheit und den guten lustigen Tagen der Stadt noch eine kleine Nachernte zu halten«. Nebensatz) [56] (Substantiv- So eine Nachernte gruppe) Ko-istpf gespal-estener denn  (Parti- wohl kel)  auch, Kewas wir mit dieser ganz und gar entspannten Geschichte in den Händen haltenrn.

2.2 Präzisierung des Attributbegriffs Nach Hennig (2016a: 4) beschäftigt sich die Attributforschung „fast ausschließlich mit Detailfragen […], übergeordnete Fragen zum Stellenwert der Attribute im grammatischen System werden aber erstaunlich selten angesprochen […].“ Als Ausnahmen nennt sie Helbig 1972 bzw. 1973 und Fuhrhop/Thieroff 2005. In Wirklichkeit wird der Stellenwert der Attribute im grammatischen System durchaus oft angesprochen, nur fällt dabei der traditionelle (bzw. als traditionell empfundene) Terminus ‚Attribut‘ deutlich seltener als in der älteren Forschung. Man spricht, auch bei Substantiven, von Komplementen (Ergänzungen) und Supplementen (Angaben) (Hölzner 2007), von Modifikation und Modifikationstypen (Zifonun 2010 und 2016), und man diskutiert, ob sich Substantivgruppen als (genuine) „Kopf-Modifikator-Konstruktion(en)“ oder als (recycelte) „Prädikat-Argument-Konstruktion(en)“ beschreiben lassen (Welke 2011: 250  ff., s. auch Knobloch 2015). Dieselben Fragen stellen sich auch bei Adjektiv- und Partizipialgruppen. Verschont bleiben von diesen Fragen dagegen die attributlosen Wortgruppen (Verbalkomplex und Präpositionalgruppe) und die Adverbgruppe, deren Kern, das Adverb, kein Valenzträger ist. ,Attribut‘ ist ein Oberbegriff der Mikroebene, der dem Oberbegriff ‚Satzglied im engeren Sinne‘ der Mesoebene entspricht. Deshalb muss er auch valenztheoretisch rekonstruiert werden. Diese ‚horizontale‘, mikroebenenkonstitutive, Rekonstruktion, die über eine valenztheoretische Binnendifferenzierung von Attributen auch die Abgrenzung von Köpfen und Kernen ermöglicht, wurde bereits von Nanna Fuhrhop und Rolf Thieroff (2005: 315  ff.) geleistet. Der theoretische Schwerpunkt dieses Kapitels liegt, ähnlich Kap. IV/1.2, dagegen auf der ‚vertikalen‘ Rekonstruktion des Attributbegriffs, insbesondere auf den folgenden Fragen: 1) Welche Attribute sind genuin mikroebenenbezogen und welche sind nur unter Rückgriff auf die Drei-Ebenen-Struktur ‚von oben nach unten‘, d.  h. als recycelte Makro- oder Mesoglieder, zu verstehen und zu beschreiben? 2) Gibt es Attributtypen, die sich angesichts der deutlichen strukturellen Unterschiede zwischen Verbal- und Nominalstruktur (historisch) für Recycling geöffnet haben, ohne ihre genuin nominale Struktur aufzugeben? Gibt es m. a. W. Attributtypen, die als eine Art Umschlagplatz für genuine und recycelte Attribution fungieren?

Attribut­ forschung

der Attribut­ begriff ‚horizontal‘

der Attribut­ begriff ‚vertikal‘

750 

Voraus­ setzung für Klassifikation

genuine vs. recycelte Mesoform Wortgruppe, Attribut recyceltes Attribut

Die Antworten auf diese Fragen stellen die in der Überschrift versprochene Präzisierung des Attributbegriffs dar. Diese ist die Voraussetzung dafür, im nächsten Kapitel diejenigen Wortgruppenglieder der ‚attributhaltigen‘ Wortgruppen (Substantiv-, Adjektiv-, Partizipial- und Adverbgruppe), die keine Köpfe und Kerne sind, zu klassifizieren. Ad 1): Ein erster theoretisch-methodischer Rahmen für die Beantwortung dieser Frage wurde durch die Unterscheidung von genuinen und recycelten Mesoformen (Kap. IV/1.2) geschaffen. Die kanonische genuine Mesoform ist die Wortgruppe. Attribute, ob genuin oder recycelt, kommen per definitionem nur in Wortgruppen vor. Drei Beispiele für recycelte Attribute, ‚herausgelöst‘ aus Leittext-Belegen: [13] → [21]



recyceltes Mikroglied

 Wortgruppenglieder: die grammatischen Mikroglieder von Texten

einpf Ke-Busrn tene) rollt ein, (Substantiv- Attribut-(Relativ- an dessen Seite groß das Wort »Landesbühne« aufgemalt ist nebensatz)nebensatz gruppe). Kodaspf Ke-Wortrn Attribut-»Landesbühne«text gruppe) (SubstantivKoDaspf gruppe) [=(Substantiv- sie gruppe) kommen  (Parti- nicht kel)  (Adjektiv- weit gruppe)] (Substantivaber nur (Subjunktional- deswegen, weil sie schon bald ein Transparent über der Chaussee entdecken: »Grünau heißt euch willkommen zum Nelkenfest« neben, […]. satz) Koeinpf Ke-Transparentrn Lokal-über der ChausseeAttribut […] Attribut-»Grünau (Substantivheißt euch willkommen zum Nelkenfest«text gruppe) (gespal-

Ko-

Zwei der recycelten Attribute stellen als Attribute recycelte Textsequenzen dar (= Attributtexte).2 Das dritte ist ein als Attribut recyceltes Mesoglied (= Lokalattribut). Entscheidend ist dabei, dass sich alle drei (recycelten) Attribute in einer Wortgruppe, in Substantivgruppen, befinden.3 Recycelte Mikroglieder gibt es allerdings auch in recycelten Mesoformen, die keine Wortgruppen darstellen: (1) […] der mann sagt (Te- (Kohäsions- aha glied)rec (Nicht- blumen satz)rec xt)rec damit tor) (Sub- die Frau jekt)rec (Kommentar- nicht glied)rec (Prä- sagt dikat)rec (Subjunktional- (Subjunkwarum streng ich mich an (Akkusativ du merkst ja doch nicht

2 Der Typ das Wort »Landesbühne« wird in der Regel nicht als recycelter Text, sondern als enge Apposition angesehen (s. etwa IDS-Grammatik 1997/3: 2044). Allerdings können solche Zitate theoretisch beliebig lang sein und müssen keine Kontaktstellung zum Kern aufweisen (s. auch »Grünau heißt euch willkommen zum Nelkenfest«). Auf Appositionen kommen wir im nächsten Kapitel zu sprechen. 3 In [21] ist die Reihenfolge konstitutiv. Bei Voranstellung der lokalen Präpositionalgruppe (über der Chaussee) wäre die Interpretation – Lokaladverbial oder Lokalattribut – offen: Sie entdecken schon bald über der Chaussee ein Transparent: »Grünau heißt euch willkommen zum Nelkenfest«.

Attribute 

 751

ob es schön ist objekt)rec nebensatz) […] (Katrine von Hutten [ohne Titel] in: bundesdeutsch 133) Hier befindet sich der recycelte Text (aha blumen), der aus einem (recycelten) Kohäsionsglied und einem (recycelten) Nichtsatz besteht, nicht in einer Wortgruppe. Deshalb ist er kein Attribut, sondern ein hierarchisch degradierter Text, ein ‚Text zweiten Grades‘ (mit Akkusativobjektwert). Der Subjunktionalnebensatz stellt auch keine Wortgruppe dar, entsprechend enthält er keine Attribute, sondern einen Recyclator (damit) und recycelte Mikroglieder (= als Mikroglieder recycelte Satzglieder): ein Subjekt, ein Kommentarglied, ein Prädikat und ein Akkusativobjekt zweiten Grades. Vielleicht hat der Leser den Eindruck, dass das Recycling-Konzept, also die permanente Bezugnahme auf übergeordnete Ebenen, ein theoretischer Ballast ist, den man über Bord werfen könnte und sollte. Warum reicht es nicht, den Attributbegriff ‚horizontal‘ zu rekonstruieren? Ist die Unterscheidung zwischen Kopf und Recyclator (Kap. IV/1.2) so bedeutsam, dass man deshalb auf einfachere Beschreibungsoptionen verzichten soll? Nicht deshalb. Sondern deshalb, weil der grammatische (und daher semantische) Zusammenhang zwischen den drei Ebenen ein elementares funktionales Merkmal des grammatischen Systems ist, das formal, durch das Postulat rekursiver Formen bzw. generell durch die formbezogene Modellierung syntaktischer Relationen, nicht in den Griff zu bekommen ist. Dies ist das übergreifende theoretische Problem auch der Attributforschung, was im Folgenden aus der Sicht beider Relata der Attributsrelation gezeigt werden soll. Eisenberg (2006/2: 41) und in Anlehnung an ihn auch Fuhrhop und Thieroff (2005) unterscheiden zwischen dem Vor- und dem Nachbereich von syntaktischen Relationen. Angenommen wird, dass bei syntaktischen Relationen eine Konstituente f1 im Vorbereich der Relation (= eine grammatische Form) zu einer Konstituente f2 im Nachbereich der Relation (= zu einer anderen grammatischen Form) in Beziehung gesetzt werde. „f1 ist die Konstituente, um deren Funktion es geht.“ (Eisenberg 2006/2: 41) Um diese Auffassung zu verdeutlichen, sollen die im Kap. I/2.4.2 bereits kurz besprochenen Beispiele von Eisenberg erneut zitiert werden: (2) (a) Sie [besteht]V [auf der Startbahn]PrGr. (b) [Sie übernachteten]S [auf der Startbahn]PrGr. (c) Die [Landung]N [auf der Startbahn]PrGr. (Eisenberg 2006/2: 40)

Makro- und Mesoglieder x-ten Grades

Wozu der RecyclingAufwand?

Form oder Funktion?

Vor- und Nachbereich

752 

FunktionArgumentWert-Formel

 Wortgruppenglieder: die grammatischen Mikroglieder von Texten

Der Vorbereich ist in allen drei Fällen dieselbe Konstituente, die Präpositionalgruppe (= PrGr) auf der Startbahn. Die Nachbereiche sind unterschiedlich. Eisenberg setzt die Konstituentenkategorien ‚Verb‘ (= V), ‚Satz‘ (= S) und ‚Nomen‘ (= N) an. Die Präpositionalgruppe im Vorbereich hat demnach, je nachdem, ob es sich um die PrGrzu-V-, PrGr-zu-S- oder PrGr-zu-N-Relation handelt, drei verschiedene grammatische Funktionen: Präpositionalobjekt, adverbiale Bestimmung und Präpositionalattribut (Eisenberg 2006/2: 40  f.). Diese Auffassung scheint mit der im Kap. I/2.4.2 vorgenommenen vorläufigen Rekonstruktion der jeweiligen grammatischen Werte im Sinne der Funktion-Argument-Wert-Formel voll kompatibel zu sein: ad (2a): Objekt (Präpositionalgruppe) = Präpositionalobjekt ad (2b): Adverbial (Präpositionalgruppe) = Lokaladverbial ad (2c): Attribut (Präpositionalgruppe) = Präpositionalattribut

Differenzen und Gemeinsamkeiten Ersatzprobe

Eisenbergs ‚horizontales‘ Form-zu-Form-Modell – und somit auch meine vorläufige Rekonstruktion – erklärt zwar die unterschiedlichen Werte ‚Präpositionalobjekt‘ vs. ‚Lokaladverbial‘ vs. ‚Präpositionalattribut‘, d.  h. die ‚horizontalen‘ Differenzen zwischen (2a), (2b) und (2c): identische Formen mit unterschiedlichem Kernbezug. Sie erklärt aber nicht, woher die ‚vertikalen‘ Gemeinsamkeiten zwischen (2b) und (2c), d.  h. die ‚vertikalen‘ Differenzen zwischen (2a) auf der einen Seite und (2b) und (2c) auf der anderen kommen: (2’) (a) (b) (c)

recycelter Wert

Sie besteht darauf. Sie übernachteten hier/da/dort. Die Landung hier/da/dort.

Denn, wie die Ersatzprobe zeigt, besteht zwischen dem Attributwert auf Mikroebene und dem Adverbialwert auf Mesoebene ‚vertikale Analogie‘. Um solche Analogien in den Griff zu bekommen, muss die rekursive Anwendbarkeit der Funktion-Argument-Wert-Formel genutzt werden (Kap. I/2.4.1): Ein erster Wert als Ergebnis der ersten Anwendung der Formel (= W1) wird bei einer zweiten Anwendung auf einer tieferen Ebene als Argument (= A = W1) eingesetzt. Das Ergebnis ist dann ein zweiter Wert (= W2): F (A) = W1

ad (2b): Adverbial (Präpositionalgruppe) = Lokaladverbial

F (A = W1) = W2

ad (2c): Attribut (Lokaladverbial) = Lokal(adverbial)attribut

Attribute 

 753

Die ‚vertikalen‘ Gemeinsamkeiten zwischen (2b) und (2c) sind also nicht zufällig, ausschließlich formbezogen sind sie allerdings nicht zu erfassen. Denn der Vorbereich einer Attributrelation ist nicht immer eine Form. Er ist entweder eine Form (Primär­ anwendung) oder ein Wert (Sekundäranwendung). Darauf, dass der Nachbereich einer Attributrelation auch nicht immer eine Form ist, kommen wir weiter unten zu sprechen. Solche Ebenen-Parallelen sind in der Forschung natürlich sehr wohl bekannt. Der Recycling-Gedanke schimmert bereits in älteren Auflagen der Duden-Grammatik durch den Begriff der „adverbialen attributiven Bestimmungen“ durch:

Vorbereich ≠ Form

Forschung

Was wir bei den Satzgliedern inhaltlich an adverbialen Bestimmungen im Einzelnen unterschieden haben, treffen wir entsprechend auch im Satzgliedinnenbau an. (Duden 1998: 667)

Beispiele (ebd.): (3)

die Leute auf dem Lande; die Schule heute; die Figur aus Holz, ein Buch für 50 Mark

Solche recycelten Adverbiale werden von Stefan Schierholz (2001) weiter eingegrenzt, indem sie, die „AAB-Konstruktionen“ (AAB = attributive adverbiale Bestimmung), von den substantivvalenten „PPA-Konstruktionen“ (PPA = Präpositionalattribut) unterschieden werden:4

+/-Substantiv­ valenz

AAB-Konstruktion: (4) die Diskussion unter der Brücke (Schierholz 2001: 127) PPA-Konstruktion: (5) die Wut auf den Lehrer (Schierholz 2001: 124) So wie man auf der Mesoebene zwischen Adverbialen und Objekten unterscheidet, muss man also auch auf der Mikroebene zwischen recycelten Adverbialen und ­recycelten Objekten unterscheiden: (6) (a-i) Sie übernachteten auf der Startbahn. / Sie diskutierten unter der Brücke. (b-i) Sie warten auf Godot. / Sie sind wütend auf den Lehrer. (a-ii) Die Landung auf der Startbahn. / Die Diskussion unter der Brücke. (b-ii) Ihr Warten auf Godot. / Die Wut auf den Lehrer.

4 Nur bei PPA-Konstruktionen wird die Präposition vom Kern der Substantivgruppe regiert. Bezogen auf die Beispiele: Das Substantiv Diskussion regiert die Präposition unterDAT nicht, während das Substantiv Wut die Präposition aufAKK regiert.

(auch) ­recyceltes Objekt

754 

 Wortgruppenglieder: die grammatischen Mikroglieder von Texten

F (A) = W1

ad (6a-i): Adverbial (Präpositionalgruppe) = Lokaladverbial ad (6b-i): Objekt (Präpositionalgruppe) = Präpositionalobjekt

F (A = W1) = W2 von oben nach unten

ad (6a-ii): Attribut (Lokaladverbial) = Lokal(adverbial)attribut ad (6b-ii): Attribut (Präpositionalobjekt) = Präpositional(objekt)attribut

Dass Recycling eine ‚von oben nach unten‘-Modellbildung ist, betont auch Klaus Welke (2011: 261):

Beide Konstruktionstypen [substantivische und verbale, VÁ] erlauben den Anschluss bzw. die Integration von präpositionalen Konstruktionen (Präpositionalphrasen) und von Adverbien, und zwar nachgestellt wie in der Verbalkonstruktion bei Zweitstellung des Verbs:

[…]

a. das Buch dort b. liegt dort

[…]. Wir folgern, dass Präpositionalphrasen und insbesondere Adverbien primär in  den Bereich der verbalen Konstruktionen gehören. [hervorgehoben von mir, VÁ]5 form­bezogene ­Begrifflichkeit

Obwohl diese funktionale Analogie in der Forschung also durchaus gesehen wird, wird sie in den Attribut-Klassifikationen nicht umgesetzt, sondern durch eine formbezogene Begrifflichkeit kaschiert, ja konterkariert: (7) (a) (b)

Die Tiere im Wald, das Buch auf dem Tisch, der Weg durch den Wald Die Tiere dort, das Buch hier, der Weg dadurch (alle Beispiele n. Welke 2011: 260)

Welke (2011: 260) z.  B., der seine beiden Beispielreihen ja sehr deutlich funktional konzipiert – im Wald – dort, auf dem Tisch – hier, durch den Wald – dadurch – spricht bei der (7a)-Reihe von präpositionalen Attributen und bei der (7b)-Reihe von attributiven Adverbien.6

5 Nach Welke (ebd.) kommen bei substantivischen Konstruktionen „im Wesentlichen nur lokale und temporale Präpositionalphrasen und Adverbien vor und keine modalen oder kausalen […].“ Bei Hoffman (2013: 165) finden sich allerdings Belege auch für Modal- und Kausal(adverbial)attribute. Ein Beispiel für ein Komitativ(adverbial)attribut wäre: ein Leben mit/ohne Hund. Man bedenke auch, dass Modal(adverbial)attribute bevorzugt als Adjektivattribute recycelt werden: fleißig/schnell arbeiten > fleißige/schnelle Arbeit(erin). 6 Ähnlich spricht Hoffmann (2013: 163) von „Adverb und Präpositionalgruppe“, obwohl auch er den

Attribute 

 755

Dass die Vorbereiche von Attributrelationen nicht immer (grammatische) Formen sind, dass also, wegen Recycling, auch wertbezogene Attributklassen notwendig sind, dürfte somit nachgewiesen sein. Sind aber wenigstens die Nachbereiche von Attributrelationen rein formbezogen interpretierbar? Schließlich wurde auch der Attributbegriff der vorliegenden Arbeit auf Kerne von Wortgruppen bezogen (Kap. IV/1.3), deren grammatische Formen (Substantiv (inkl. ‚Pronomen‘), Adjektiv, Partizip, Adverb) durchaus angebbar sind. Unter den möglichen Nachbereichen von Attributrelationen befinden sich nach Fuhrhop/Thieroff (2005: 322  ff.) auch Adverbien, Subjunktoren („subordinierende Konjunktionen“) und Präpositionen: (8) (9) (10) (11) (12)

Nachbereich

Adverb, Präposition, Subjunktor

Einen Tagbut Ke-vorherrn gruppe) wusste sie noch nichts von der drastisch veränderten Lage. (Duden 1998: 665, zit. auch in Fuhrhop/Thieroff 2005: 322) AttriSchon kurzbut Ke-nachherrn gruppe) war er tot. (Adverb(Duden 1998: 666, zit. auch in Fuhrhop/Thieroff 2005: 322) AttriKurzbut Ko-bevorpf Ke-(Verbletzt- es regnete satz)rn gruppe), kam er nach Hause. (SubjunktorAttriGleichbut Ko-nachdempf Ke-(Verbletzt- sie den Hörer aufgelegt hatte satz)rn (Subjunktor, klingelte es erneut. gruppe) (beide Beispiele n. Fuhrhop/Thieroff 2005: 323) AttriEinen Schrittbut Ko-vorpf Ke-(Substantiv- dem Abgrund gruppe)rn gruppe) blieb (Präpositionalder Wagen stehen. (Duden 1998: 665, zit. auch in Fuhrhop/Thieroff 2005: 323) (Adverb-

Attri-

Durch die im Original nicht vorhandenen, von mir eingetragenen Indizierungen von Wortgruppen, Köpfen, Kernen und Attributen habe ich versucht, die Interpretation von Fuhrhop und Thieroff zu verdeutlichen: Die Nachbereiche der jeweiligen Attributrelationen sollen Adverbien (vorher, nachher), Subjunktoren (bevor, nachdem) und eine Präposition sein (vorDAT).7 Geht es aber bei diesen Nachbereichen wirklich um Formen? Was an diesen Beispielen auffällt, ist, dass sich nicht nur die Vorbereiche, die alle recycelte Dilativadverbiale, also Dilativ(adverbial)attribute, sind, sondern auch die

Recycling-Gedanken aufnimmt (Hoffmann 2013: 164, Hervorhebung von mir, VÁ): „Wenn der Kopf der Nominalgruppe ein nominalisiertes Verb ist, können das Subjekt, die entsprechenden präpositionalen Objekte oder die Spezifizierungen des Verbs oder die temporale oder lokale Situierung des Sachverhalts auch hier auftreten […].“ Dabei stellen nicht alle substantivischen Kerne von Hoffmanns Beispielen Nominalisierungen dar (Hoffmann 2013: 164  f.): die Schule am Heidrand, die Universität zu Köln, der Zug um 15 Uhr, die Zeit seit seiner Abfahrt. Kategorialgrammatisch rekonstruiert wird die funktionale Analogie in der IDS-Grammatik (1997/2: 1000  ff. und 1009  ff.). 7 Auch die Konstituenten ‚Subjunktorgruppe‘ und ‚Verbletztsatz‘ wurden im Sinne der Theorie von Fuhrhop/Thieroff (2005: 323), die den Subjunktor als Kopf und den Rest des Nebensatzes (= „Satz mit Verbendstellung“) als Kern („Komplement“) betrachten, angesetzt.

,Fremd­ analyse‘

eigene ­Analyse

756 

 Wortgruppenglieder: die grammatischen Mikroglieder von Texten

Nachbereiche nur wertbezogen beschreiben lassen.8 Hier ein Indizierungsversuch, um die eigene Analyse dieser besonderen Sorte von Attributrelation zu verdeutlichen: (13)

(12) Nachbereich ‚Adverbial‘ Gegenprobe

Dilativ(adverbial)-

Die Dilativ(adverbial)attribute lassen sich nur realisieren, wenn die Nachbereiche temporal- oder lokaladverbialen Wert haben.9 Als Gegenprobe soll getestet werden, ob sich Dilativ(adverbial)attribute realisieren lassen, wenn die Nachbereiche Präpositionalobjektwerte haben: (14) → → (15) → →

Wertbezug

Kurz / kurze Zeit / drei Wochen / wenige Tage / lange attribut danach / nach dem Schlaganfall / nachdem er einen Schlaganfall bekommen hatte / vorher / vor der EM adverbial) war er tot. Dilativ(adverbial)Einen Schritt / einen halben Meter / direkt attribut davor / vor (Lokaldem Abgrund / dahinter / hinter der Ampel adverbial) blieb der Wagen stehen. (Temporal-

Die Länder […] streben (Präpositional- nach einer Verlängerung der Wochenarbeitszeit von 38,5 auf bis zu 42 Stunden objekt). (abendblatt.de, 08. 02. 2005, zit. n. Müller 2013: 1890) Die Länder […] streben (Präpositional- danach objekt). *Die Länder […] streben (Präpositional- Dilativ(adverbial)- kurz / kurze Zeit / drei Wochen / wenige Tage / lange attribut danach objekt). Am Straßenrand warnen Schilder (Präpositional- vor Minen objekt). (abendblatt.de, 19. 02. 2005, zit. n. Müller 2013: 2790) Am Straßenrand warnen Schilder (Präpositional- davor objekt). *Am Straßenrand warnen Schilder (Präpositional- Dilativ(adverbial)- Einen Schritt / einen halben Meter / direkt attribut davor objekt).

Das Verb streben hat als zweites Komplement ein Präpositionalnach+DAT-objekt, das Verb warnen ein Präpositionalvor+DAT-objekt. Formal lassen sie sich, so wie die obigen Temporal- und Lokaladverbiale ((tot sein) danach, (stehen bleiben) davor) durch die Pro-Präpositionalgruppen danach und davor realisieren ((streben) danach, (warnen) davor). Der Bezug auf die Form ‚Präpositionalgruppe‘ reicht allerdings ganz offensichtlich nicht. Die Präpositionalgruppe als Nachbereich muss lokal- oder temporaladverbialen Wert haben, damit Dilativ(adverbial)attribute als (ebenfalls wertbezogene) Vorbereiche realisiert werden können.10

8 Zum Dilativadverbial Kap. III/3.1.5–6. 9 Dabei kommen übrigens Adverbien als mögliche Realisierungen von Temporal- oder Lokaladverbialen nicht in Frage. Die Zeichen danach, davor, vorher, dahinter stellen keine Adverbien, sondern deiktische Minimalformen von Präpositionalgruppen (= Pro-Präpositionalgruppen) dar (Kap. IV/1.3). Entsprechend stellt knapp daneben keine „Adverbphrase“ (IDS-Grammatik 1997/1: 82), sondern eine Präpositionalgruppe mit lokal- oder direktionaladverbialem Wert dar (knapp neben der Unglücksstelle, knapp neben das Ziel). 10 Bei temporaladverbialem Wert muss die Form keine Präpositionalgruppe, sondern kann auch ein (temporaler) Nebensatz sein. Adverbien als Formen für den adverbialen Nachbereich kommen, wie

Attribute 

 757

Dieser Nachbereich-Fall ist zweifelsohne einzigartig. Denn der Adverbialwert des Nachbereichs, also Nachbereich-Recycling, ist die Voraussetzung für die Realisierung des recycelten Attributs im Vorbereich. An dieser Stelle hält, wie es scheint, doppelt recycelt besser. So ein Fall mit recyceltem Vor- und Nachbereich ist allerdings in keiner Theorie vorgesehen. Auch nicht in der Grammatischen Textanalyse, der wertbezogene Interpretationen alles andere als fremd sind. Der wertbezogene Nachbereich ist also auch für die Grammatische Textanalyse ein Sonderfall, aber ein Sonderfall, der das Konzept nicht in Frage stellt, sondern gewissermaßen ‚übertreibt‘. Im Leittext wurden die Belege, die diesen Sonderfall repräsentieren, mit ‚Präpositionalgruppe mit Temporalwert‘ indiziert, z.  B.: [31]

(Präpositionalgruppe

baldattribut darauf mit Temporalwert) [sitzen ihrem Pisspott namens Isenbüttelrn gruppe).

Dilativ(adverbial)-

] gruppe) (Präpositional-

in

Ko-

pf Ke-

(Substantiv-

Sonderfall

doppelt recycelt

sie

Soweit die Antwort auf die erste theoretische Frage. Wir wenden uns nun dem zweiten Teil der Präzisierung des Attributbegriffs zu. Ad 2): Gibt es Attributtypen, die sich angesichts der deutlichen strukturellen Unterschiede zwischen Verbal- und Nominalstruktur (historisch) für Recycling geöffnet haben, ohne ihre genuin nominale Struktur aufzugeben? Gibt es m. a. W. Attributtypen, die als eine Art Umschlagplatz für genuine und recycelte Attribution fungieren? Anders gefragt: Gibt es evtl. offene/neutrale Attributstellen, d.  h. Attributstellen, die für genuine wie recycelte Attribution zur Verfügung stehen? Zu den generellen sprachhistorischen Tendenzen, die auch die Substantivgruppe betreffen (Ágel 2006: 299  ff.), gehört auch die zunehmende grammatische Trennung der „Sphäre des Verbums und des Substantivs“ (Brinkmann 1971: 468). Das heißt, dass es historisch immer mehr und deutlichere grammatische Merkmale gibt, die eine grammatische Form als dem Satz oder als der Substantivgruppe zugehörig ausweisen (ausführlicher Kap. III/2.2.3). Im Bereich der Kasuskategorisierung bedeutet die Sphärentrennung die Spezialisierung von Nominativ, Akkusativ und Dativ auf den verbalen Bereich (als Subjekt- und Objektkasus) und die des Genitivs auf den substantivischen Bereich (als Attributkasus).11 Die Kasus geben also den Lesern und Hörern wichtige formale Orientierungshilfen, denn sie wissen: Substantivgruppen im Nominativ, Akkusativ

erwähnt, nicht in Frage. Dies hat einen einfachen Grund: Alle Temporaladverbien sind temporale Situativadverbien. Verhältnisadverbiale lassen sich nur durch Präpositionalgruppen, Nebensätze, Infinitiv- und Partizipialkonstruktionen, aber nicht durch Adverbien realisieren. 11 Auslaufmodelle des Verbalgenitivs, die die perfekte Trennung (noch) stören, sind die wenigen gegenwartsdeutschen Verben mit Genitivobjekt. Umgekehrt stellt der adnominale possessive Dativ (dem Vater sein Haus) keine echte Ausnahme dar, da er strukturell-typologisch anders ist (Kap. IV/2.3).

Entweder oder?

Verbal- vs. Nominalstruktur

Verbal- vs. Nominal­ kasus

758 

Sphären­ experiment

und Dativ sind höchstwahrscheinlich auf das Prädikat zu beziehen und bekommen Satzgliedwert, Substantivgruppen im Genitiv hingegen sind höchstwahrscheinlich auf den Kern einer größeren Substantivgruppe, eines Substantivgruppengefüges, zu beziehen und bekommen Attributwert. Ich möchte nun den Leser bitten, sich auf ein kleines Experiment einzulassen und sich kurz auf das folgende Textfragment zu konzentrieren: (16) →

strukturelle Grenzen der Phantasie

 Wortgruppenglieder: die grammatischen Mikroglieder von Texten

ich im Nominativ) (Substantivgruppe das schreckliche Gefühl im Akkusativ) (Substantivgruppe der Welt im Genitiv) (Substantivgruppe ich im Nominativ) (Substantivgruppe der völligen Hoffnungslosigkeit im Genitiv). (Substantivgruppe

Dieses Fragment enthält alle Substantivgruppen einer Textsequenz, die keine Kerne von Präpositionalgruppen sind.12 Es enthält keine erkennbaren Prädikate, also keine Szenarioentwürfe. Mangels Valenzinformationen können wir uns sicherlich zahlreiche Szenarios vorstellen, aber nicht ganz beliebig. Denn die Kasusvorgaben setzen unserer Phantasie (strukturelle) Grenzen: –– Wir vermuten einerseits, dass der Originaltext wenigstens zwei Prädikate enthält. Das erste könnte transitiv sein (ich  – Prädikat  – das schreckliche Gefühl), aber auch intransitiv mit einem Nominalisierungsverbgefüge als Prädikat, das die Substantivgruppe das schreckliche Gefühl enthält (ich – Nominalisierungsverbgefüge). Das zweite müsste intransitiv (ich – Prädikat) sein. –– Andererseits halten wir es für wahrscheinlich, dass die Substantivgruppen im Genitiv nicht zu diesen Prädikaten gehören, d.  h. keine Satzglieder, sondern Attribute sind. Der Originaltext bestätigt unsere Vermutungen: (16) […] (Substantivgruppe ich im Nominativ) hatte (Substantivgruppe das schreckliche Gefühl im Akkusa, am Ende (Substantivgruppe der Welt im Genitiv) wie vor einem unendlichen Abgrund tiv) zu stehen, als sei (Substantivgruppe ich im Nominativ) verdammt, hineingezogen zu werden in diese unheimlich lockende, schweigende Brandung (Substantivgruppe der völligen Hoffnungslosigkeit im Genitiv). (Böll Botschaft: 67)

12 Denn der Kasus der Substantivgruppen als Kerne von Präpositionalgruppen gehört sozusagen in die Sphäre der Präposition. Präpositionalgruppen reduzieren somit die Trennschärfe zwischen der Verbal- und der Nominalstruktur, da sie sowohl Satzglieder (Präpositionalobjekte, Adverbiale) als auch Attribute sein können.

Attribute 

 759

Die ‚vertikale‘ Folge der Trennung der Verbal- und Nominalkasus ist, dass ein Recycling ohne formale Anpassung nur im Bereich der Adverbiale und Präpositionalobjekte möglich ist (s. oben). Für Subjekte und Akkusativobjekte steht vor allem die Genitivattributstelle zur Verfügung: (17) → →

formale Anpassung

Der Schüler löst die Aufgabe. Genitivus subiectivus: die Lösung des Schülers Genitivus obiectivus: die Lösung der Aufgabe (Beispiele n. Welke 2011: 268)

Dativobjekte werden als „Präpositionskreationen“ (Welke 2011: 304  ff.) recycelt: (18) jmdm. danken, helfen, ähneln, befehlen, raten, jmdm. etw. anweisen, vor­ werfen → Dank an jmdn., Hilfe für jmdn., Ähnlichkeit mit jmdm., Befehl an jmdn., Rat an jmdn., Anweisung an jmdn., Vorwurf an jmdn. (Beispiele n. Welke 2011: 305) „Die Kreationen sind funktional begründet. [Bei den Beispielen, VÁ] handelt es sich darum, dass die Sprecher die Argument-Blockierung aufheben, indem sie den präpositionalen Anschluss an die Stelle des blockierten Dativ setzen.“ (Welke 2011: 305) In der Begrifflichkeit der Grammatischen Textanalyse sind prototypische Präpositionskreationen als Präpositional(objekt)attribute recycelte Dativobjekte.13 Der formale Unterschied zwischen dem Ausgangs- und dem Zielrelatum des Recyclings ist einerseits in der Dativblockade, d.  h. in der Tatsache, dass der Dativ als struktureller Nominalkasus nicht zur Verfügung steht, begründet. Andererseits darin, dass die Genitivattributstelle durch das Recycling von Subjekten und Akkusativobjekten ausgelastet ist.14 Wir sind dem Verhältnis von Verbal- und Nominalstruktur zwar ein Stück nähergekommen, aber die Frage, ob es offene/neutrale Attributstellen gibt, die sowohl für genuine als auch für recycelte Attribution zur Verfügung stehen, wurde explizit noch nicht beantwortet. Implizit wurde sie jedoch beantwortet, schließlich steht die Genitivattributstelle natürlich auch genuinen (originären) Substantiven zur Verfügung, die prototypischerweise ein Besitzverhältnis (im weiteren Sinne), also Possessivität, ausdrücken:15

13 Auch dies ist ein Fall der oft notwendigen formalen Anpassung des Ausgangs- an das Zielrelatum. Man denke nur an Nebensätze, Infinitivkonstruktionen (mit zu) und Partizipialkonstruktionen als recycelte Sätze (Kap. IV/1.2). 14 Das System ist gewiss nicht ‚perfekt‘, denn etliche Präpositionskreationen stellen als Prä­po­si­tio­ nal(objekt)attribute recycelte Akkusativobjekte dar, z.  B. der Hass auf die Gallier, die Liebe zu Wim, der Wunsch nach Schokolade, Bewunderung/Verehrung für jmdn. (Welke 2011: 305). 15 Possessivität ist ein umstrittenes Konzept. Einen weiten und plausiblen Possessivitätsbegriff, eine Art typologischen Goldstandard, bieten Zifonun (2010) und Aikhenvald (2013: 3  ff.). Einen engen Pos-

Präpositionskreationen

Offene/ neutrale Attribut­ stellen? genuines Substantiv

760 

(19) → Possessivität

Genitivus possessivus: das Haus meines Vaters Mein Vater hat ein Haus. (Beispiel n. Welke 2011: 268, Paraphrase nach Helbig/Buscha 2001: 497)

Wie Welke (2011: 268) zeigt, lassen sich auch Genitivus subiectivus und obiectivus als possessive Relationen auffassen. Entsprechend kann die haben-Paraphrase von Helbig und Buscha (2001: 497) auch auf sie angewandt werden: (19) → → →

neuer Wein, alter Schlauch

 Wortgruppenglieder: die grammatischen Mikroglieder von Texten

Genitivus possessivus: das Haus meines Vaters Mein Vater hat ein Haus. Genitivus subiectivus: die Lösung des Schülers Der Schüler hat eine Lösung. Genitivus obiectivus: die Lösung der Aufgabe Die Aufgabe hat eine Lösung. (Beispiele und Paraphrasen n. Welke 2011: 268)

Welke (2011: 269) unterstreicht dabei zu Recht, dass diese Familienähnlichkeit (historisch) die notwendige semantische Voraussetzung für die Entstehung einer offenen Genitivattributstelle war:16 Ohne eine gewisse Ähnlichkeit mit der ursprünglichen (originären) Genitivbedeutung des possessivus hätten die ersten Hörer den Sprechern bei dem Unterfangen nicht folgen können, neuen Wein in alte Schläuche (einen neuen Inhalt in die alte Form) zu gießen. Das heißt, ohne diese Ähnlichkeit hätte es nicht zu einer Valenzvererbung kommen können.

Nadelöhr Genitiv

Diese offene Genitivattributstelle nennt Welke (2011: 269) treffend das „Nadelöhr Genitiv“. Im Sinne seines „Ein-Kasus-pro-Satz-Prinzip(s)“, das besagt, „dass ein und derselbe Kasus in einer Konstruktion nur einmal auftauchen darf“ (ebd.), ist diese offene Genitivattributstelle nicht nur semantisch erwartbar, sondern auch formal notwendig, weil erst konstante Kasusformen die Diskriminierung prototypischer Kasusbedeutungen ermöglichen (Welke 2011: 270).17 Offen bleibt vorerst die Frage, wie im

sessivitätsbegriff, der eher die Heterogenität in den Vordergrund stellt, vertreten Helbig und Buscha (2001: 497  f.). Sie unterscheiden zwölf Genitivbedeutungen, von denen der Genitivus possessivus, der als haben-Relation paraphrasiert wird, nur eine darstellt. Zifonun (2010) differenziert funktional zwischen possessiven Attributen (Oberbegriff) und Possessorattributen (Teilmenge, Genitivus possessivus) und kann auf diese Weise auch periphere Typen wie den Identitätsgenitiv (Beruf des Lehrers) oder den Eigenschaftsgenitiv (Mann der Tat) der Possessivität zuordnen. Dabei hebt sie hervor, dass die Gemeinsamkeit gerade dieser beiden Typen, nämlich ihre klassifikatorische Funktion, bisher nicht gesehen wurde (Zifonun 2010: 128). 16 Clemens Knobloch (2015: 260) spricht hier von der „analogische(n) Expansion eines Schemas auf darstellungstechnisch ‚ähnliche‘ Fallgruppen […]“. 17 Welkes „Ein-Kasus-pro-Satz-Prinzip“ wurzelt in „The One per Sent Solution“ von Starosta (1978), die auch bei dem „Einmaleins der Satzgliedlehre“ der Grammatischen Textanalyse Pate stand. Die

Attribute 

 761

Lichte des Ein-Kasus-pro-Satz-Prinzips die pränominale Genitivstelle (Peters Haus) zu interpretieren ist. Auf den pränominalen Genitiv müssen wir deshalb am Ende des Kapitels noch zu sprechen kommen. Kehren wir aber kurz zu der Nominalisierung von Verbalstrukturen zurück: Nach allgemein verbreiteter Vorstellung bedeutet Nominalisierung ja quasi automatisch Recycling, d.  h. die Umsetzung der kompletten Mesostruktur in die Mikrostruktur (Pavlov 2002: 231): Die Nominalisierungen verbaler Inhalte üben – und übten auf allen geschichtlichen Entwicklungsstufen des Deutschen – einen tiefgreifenden Einfluß auf die Satzgestaltung aus. Denn durch die Nominalisierung wird nicht nur ein Verb in ein Substantiv umgestaltet, sondern zu gleicher Zeit die Verbgruppe, bestehend aus dem Verb und seinen „Satelliten“ in Form von Objekten und adverbialen Bestimmungen, in eine Substantivgruppe überführt. Eine solche Substantivgruppe umfaßt inhaltlich in eigenartig kondensierter Weise das, was sonst durch einen Satz wiedergegeben wird.

Entsprechend lässt sich das Genitivattribut der nachfolgenden Substantivgruppe mit nominalisiertem Kern (Berücksichtigung) – je nach Theorieansatz – auf das Subjekt oder das Akkusativobjekt des verbalen Kerns (berücksichtigen) beziehen:18 (20) Dies hat unter (Substantiv- Berücksichtigung Genitiv-der in der Vereinssatzung vorgesehenen Kompetenzen und Verfahrensweisenattribut gruppe) zu geschehen. (Auszug aus einem Rundschreiben der VG WORT) → Die in der Vereinssatzung vorgesehenen Kompetenzen und Verfahrensweisen sind zu berücksichtigen. / Man hat die in der Vereinssatzung vorgesehenen Kompetenzen und Verfahrensweisen zu berücksichtigen.

Offenheit des attributiven Genitivs betont auch Knobloch (2015), wenn auch hier eher die Frage im Mittelpunkt steht, inwiefern Grammatikalisierung (qua Analogieketten) den ursprünglichen Zeichencharakter der possessiven Genitivkonstruktion aushöhlt, ohne die Ausdrückbarkeit von Possessivität innerhalb und außerhalb dieser Konstruktion zu gefährden. Die notorischen Beschreibungsprobleme der Genitivkonstruktion dokumentieren nach Knobloch, dass weder rein konstruktionsgrammatische noch rein valenztheoretische und am wenigsten rein formalsyntaktische Ansätze in der Lage sind, die gesamte Bandbreite grammatischer Phänomene angemessen zu erfassen. 18 Denotativ-semantisch kommt für die Herleitung natürlich auch die semantische Rolle in Frage (Ehrich/Rapp 2000). Denotativ-semantische Konzepte, die eine von der grammatischen Realisierung unabhängige semantische Struktur mit einem entsprechenden „Sortenpotential“ für die ung-Nominalisierungen (Ehrich/Rapp 2000: 250) postulieren, kommen für den signifikativ-semantischen Ansatz der Grammatischen Textanalyse nicht in Frage. Außerdem sind denotativ-semantische Konzepte notgedrungen atomistisch, versuchen also die einzelnen semantischen Sorten an der Nominalisierung selbst festzumachen. Dabei zeigt gerade die Einsetzbarkeit einer Struktur wie die Beklebung der Wand in diversen grammatischen und semantischen Kontexten (Ehrich/Rapp 2000: 252), dass die Struktur selbst noch offen für diverse sortale Interpretationen ist. In Texten und Kontexten findet kein Linking modularer Outputs, sondern Schließung einer (mehr oder weniger) offenen Struktur statt (s. unten).

Nomina­ lisierung

762 

Nomina­ lisierung = Recycling?

attributive vs. prädikative Nomina­ lisierung

attributive ‚Schließung‘

Heißt das, dass Nominalisierung automatisch als Recycling zu interpretieren ist? Dadurch, dass die Genitivattributstelle als eine offene Stelle für Possessivität im weiteren Sinne zur Verfügung steht, hängt es von dem jeweiligen Text und Kontext ab, ob der Rezipient die Nominalisierung als „Vergegenständlichung“ oder als komprimierte Szenariorealisierung auffasst (Welke 2016: 76). Welke (2016: 70  ff.) unterscheidet hier zwischen attributiver und prädikativer Nominalisierung. Bei attributiver Nominalisierung passt sich die Interpretation der Gegenstandslesart genuiner Substantivgruppen an, d.  h., die komprimierten Sze­na­ rio­rea­lisierungen werden zu „Dingbeschreibungen“ hypostasiert (Welke 2016: 76). Bei prädikativer Nominalisierung hingegen findet eine verbalstrukturanaloge Interpretation der Nominalisierung statt, also eine Interpretation, die traditionell als selbstverständlich angesehen wird (s. das Pavlov-Zitat oben). Die Substantivgruppe des obigen Belegs ist bezüglich attributiver/prädikativer Interpretation noch relativ offen. Diese Offenheit lässt sich in beide Richtungen ‚schließen‘: Beispielsweise führt die Eingliederung in eine kontrastierende Aufzählung zu einer bevorzugt attributiven (hypostasierenden) Interpretation (Kontextualisierung nach Welke 2016: 88): (20’)

prädikative ‚Schließung‘

 Wortgruppenglieder: die grammatischen Mikroglieder von Texten

Die Berücksichtigung Genitiv-der in der Vereinssatzung vorgesehenen Kompetenzen und Verfahrensweisenattribut gruppe) ist kompliziert. (Substantiv- Deren Dokumentierung gruppe) ist dagegen einfach. (Substantiv-

Die „Hypostasierungen zu Dingbeschreibungen sind jedoch korrigierbar […].“ (Welke 2016: 76), wenn bestimmte Kontextfaktoren vorliegen.19 Fügt man Attribute ein, die die ‚Szenariohaftigkeit‘ verstärken, entfernt man sich zunehmend von einer „Dingbeschreibung“: (21) (a) Gefordert wird (Substantiv- die Adjektiv-schrittweiseattribut Berücksichtigung Genitivder in der Vereinssatzung vorgesehenen Kompetenzen und Verfahrensweisenattribut gruppe) (b) Die Kommentar(glied)-zum Glückattribut Adjektiv-schrittweiseattribut Berücksichti(SubstantivGenitivgung der in der Vereinssatzung vorgesehenen Kompetenzen und Verfahrensweisenattribut gruppe) stößt auf Unverständnis. (c) Von den Mitgliedern gefordert wird (Substantiv- die Adjektiv-schrittweiseattribut Berücksichtigung Genitiv-der in der Vereinssatzung vorgesehenen Kompetenzen und Verfahrensweisenattribut Präpositional(objekt)-durch den Vorstandattribut gruppe) Beispiel (21a) enthält ein Adjektiv, das Inkrementalität ausdrückt und somit die zeit­ liche Dynamik verstärkt (Ehrich/Rapp 2000: 253). Beispiel (21b) enthält zusätzlich ein 19 Z.  B., wenn die Substantivgruppe den Kern einer Präpositionalgruppe bildet, deren Kopf „auf Prozess- und Zeithaftigkeit (aspektuelle Lesart)“ orientiert ist (Welke 2016: 88).

Attribute 

 763

recyceltes Kommentarglied, Beispiel (21c) ein recyceltes Passivpräpositionalobjekt – beides Attribute, die sich genuin nicht interpretieren lassen. Welke (2016: 88) schlägt einen einfachen Test vor, um die beiden Lesarten zu unterscheiden: „Ein Kriterium für die attributive Lesart könnte sein, ob die in der traditionellen Satzgliedanalyse empfohlene Erfragung des Attributs durch ‚Was für ein?‘, ‚Welch-?‘, ‚Welche Art?‘ angemessen erscheint […].“ Betrachten wir hierzu folgenden Maar-Beleg: (22)

Test

»Lieber Schwager, […]. Ich fürchte Euren Zorn, wenn ich (Substantiv- den Adjektivköniglichenattribut Entwender Genitiv-des Buchesattribut gruppe) anzeige.« »Liebe Schwägerin, du willst sagen: Wenn du (Substantiv- den Entwender Genitiv-des königlichen Buchesattribut gruppe) anzeigst!« (Maar Lippel: 62)

Obwohl es sich um kreative Ad-hoc-Nominalisierungen handelt, erscheint die Attributfrage angemessen: ‚Welchen Entwender zeige ich / zeigst du an? Theoretisch bedeutet dieser Befund, dass es nicht nur genuine oder recycelte, sondern auch offene Attributtypen gibt. Ein offener Attributtyp ist einer, der ursprünglich genuin war, aber sich historisch zunehmend auch für komprimierte Szenario­rea­ lisierungen geöffnet hat, ohne dabei ihre grammatische Form verändert zu haben. In Abhängigkeit vom Kontext, u.  a. in Abhängigkeit davon, ob evtl. weitere Attribute genuin oder recycelt sind, kann ein offenes Attribut in beide Richtungen geschlossen werden. Ein solcher offener Attributtyp, ein Umschlagplatz für genuine und recycelte Attribution, ist das Genitivattribut.20 Gibt es aber noch weitere offene Attributtypen? Ja. Der Weg des Adjektiv(gruppen)attributs, des anderen zentralen Attributs der Substantivgruppe, ist dem des Genitivattributs analog.21 Auch das Adjektivattribut war ursprünglich genuin und hat sich erst im Laufe der Sprachgeschichte für komprimierte Szenariorealisierungen geöffnet – eine Entwicklung, die durch die Grammatikalisierung des komplexen („erweiterten“) Partizipialattributs, das ja ein recyceltes Mikroglied darstellt, entscheidend katalysiert wurde (Weber 1971). Auch bei Adjektivierungen stellt sich, wie bei Nominalisierungen, die Frage, ob hier Hypostasierungen zu Eigenschafts- oder Zustandsbeschreibungen vorliegen, ob die Bedeutung des Ausgangsrelatums überwiegt oder ob die Interpretation offen ist. Betrachten wir hierzu den folgenden Beleg mit zwei Umformungen:

20 Ich gehe davon aus, ohne die Möglichkeit zu haben, dies empirisch zu überprüfen, dass das als analytischer Ersatz des Genitivattributs geltende Präpositionalvon+DAT-attribut für Eigennamen (das Haus / die Lösung / die Berücksichtigung von Peter) ebenfalls einen offenen Attributtyp darstellt. 21 Attribut zum substantivischen Kern ist immer die ganze Adjektivgruppe: (Substantiv- Ko-diesespf Adjektiv(gruppen)sehr schöne gruppe)attribut KE-Buchrn gruppe). Im unteren Grenzfall besteht die Adjektiv(Adjektivgruppe nur aus dem adjektivischen Kern (und Kopf): (Substantiv- Ko-diesespf Adjektiv(gruppen)- (Adjektiv- schöne gruppe) attribut KEBuchrn gruppe). Der Terminus ‚Adjektivattribut‘ ist also immer als die Kurzform des Terminus ‚Adjektivgruppenattribut‘ zu lesen.

offener ­Attributtyp

Adjektiv­ (gruppen) attribut

(Keine) Hypostasierungen?

764 

 Wortgruppenglieder: die grammatischen Mikroglieder von Texten

(23) Auf (Substantiv- unserer Rückfahrt Temporal(adverbial)-damalsattribut gruppe) machten wir überhaupt keinen Stop […]. (Frisch Homo: 83) → auf (Substantiv- unserer Adjektiv-damaligenattribut Rückfahrt gruppe) → auf (Substantiv- unserer Adjektiv-herrlichenattribut Rückfahrt gruppe)

genuines Adjektiv

Im Originalbeleg ist das Adverbial damals (ohne formale Anpassung) als Temporal(adverbial)attribut (damals) realisiert. Theoretisch hätte Max Frisch auch die Möglichkeit gehabt, es als Adjektivattribut (damalig) zu recyceln. Ob bei Letzterem die temporale Adverbialbedeutung des Ausgangsrelatums überwiegt oder es, analog einer typischen Zustandsbeschreibung (herrlich), eher als (hypostasierte) Zustandsbeschreibung interpretiert wird oder eben gar keine Interpretationspräferenz vorliegt, ist offen. Dadurch, dass genuine (originäre) Adjektive – im Gegensatz zu genuinen Substantiven – relationale Sprachzeichen sind und ihre Valenz wichtige Gemeinsamkeiten mit der des Verbs hat (Stepanowa/Helbig 1981: 168  f.), stellen sie, obwohl sie prototypischerweise Eigenschaften und Zustände kodieren, potenzielle Szenarioentwürfe dar. Entsprechend lässt sich selbst ein Qualitätsadjektiv durch ein recyceltes Kommentarglied (= Kommentar(glied)attribut) in eine komprimierte Szenariorealisierung verwandeln. Umgekehrt würde ein Intensitätsattribut die genuine Lesart (als Eigenschafts- oder Zustandsbeschreibung) verstärken:22 [21] diese (Adjektiv- schöne gruppe) Einladung → diese (Adjektiv- Kommentar(glied)-vermutlichattribut schöne gruppe) Einladung → diese (Adjektiv- Intensitäts- sehr attribut schöne gruppe) Einladung

Adjektiv­ valenz

Ein kanonisches Qualitätsadjektiv ist einwertig, hat also nur eine Valenzstelle (schön  – wer/was?). Zunehmende Relationalität des Adjektivs, also Zwei- oder gar Dreiwertigkeit, macht Hypostasierungen zu Eigenschafts- oder Zustandsbeschreibungen schwierig. Entsprechende Beispiele werden deshalb als komprimierte Szenariorealisierungen (mit recycelten Objekten der prädikativen Verwendung) interpretiert:23 (24) Der (Adjektiv- Präpositional(objekt)-auf Bewunderungattribut erpichte gruppe) Präsident hat längst einem anderen Platz gemacht. (Frankfurter Rundschau, 21. 11. 1998, zit. n. Matsekh-Ukrayinskyy 2015: 175)

22 Dies bedeutet natürlich nicht, dass sich Szenarios nicht intensivieren ließen. Zur hochkomplexen Problematik der „Graduierung von Verben“ s. Engelen 1990a. Die Indizierung des Leittextbelegs [21] ((Substantiv- Ko-diesepf Adjektiv-schöneattribut KE-Einladungrn gruppe)) wurde der aktuellen Argumentation angepasst, da im Leittext nur die Attribute ersten Grades markiert sind. Hier geht es aber um die Binnenstruktur der Adjektivgruppe, also um Attribute x-ten Grades der Substantivgruppe. 23 Die Belege von Matsekh-Ukrayinskyy (2015) bestätigen diesen Eindruck, denn bei Adjektiven mit präpositionalen Komplementen scheint die prädikative Verwendung zu überwiegen.

Attribute 

 765

(25) […] und [ich] rannte davon (Adjektiv- Genitiv(objekt)-aller Pflichtenattribut ledig gruppe). (Reinig Trinkgeld: 68) (26) der (Adjektiv- Dativ(objekt)-dem Dozentenattribut Akkusativ(objekt)-Dankattribut schuldige gruppe) Assistent (Recycling eines Beispielsatzes von Stepanowa und Helbig (1981: 167)) Dabei sind Hypostasierungen zu Eigenschafts- oder Zustandsbeschreibungen auch deshalb schwierig, weil Mehrwertigkeit mitunter eine andere Lesart aktiviert als Einwertigkeit (vgl. ein lediger Mann oder der schuldige Assistent) oder weil es gar keine alternative Lesart gibt (*der erpichte Präsident). Anders gesagt: Semantisch sind die Attribute in den obigen Belegen alle nicht weglassbar. Was bei valenten Adjektiven recycelte Adjektivvalenz ist, ist bei Partizipien recycelte Verbvalenz. Dabei sind die Attributtypen durchaus vergleichbar:24 (27) (28)



Partizipial­ attribut

Das Pferd knickste und dankte für die (Partizipial- Dativ(objekt)-seiner Leistungattribut gezollte gruppe) Aufmerksamkeit. (Kästner 35. Mai: 46) Hinter der Burg, die sie verlassen hatten, lag ein Spielzeugwald. Der war, nach den kriegerischen Erlebnissen mit Hannibal und Walleinstein, geradezu eine Erholung. Auf einer (Partizipial- Präpositional(objekt)-von der Sonneattribut beschienenen Lichtung weidete ein Rudel Schaukelpferde. […] Das Gestrüpp am Bach gruppe) war aus Stielbonbons. (Kästner 35. Mai: 67)

Den zweiten Teil der Präzisierung des Attributbegriffs resümierend können wir festhalten, dass es in der Substantivgruppe gleich zwei offene Attributtypen, zwei Umschlagplätze für genuine und recycelte Attribution, gibt: Das Genitivattribut und das Adjektivattribut. Dabei kann die Erweiterung des prinzipiell offenen substantivischen bzw. adjektivischen Kerns je nach Erweiterungstyp die genuine oder die recycelte Lesart verstärken und zu einer semantischen Schließung oder zumindest zu einer deutlichen Lesartpräferenz der offenen Stelle führen. Das Kapitel abschließend muss noch auf den ‚zweiten‘, den pränominalen, Genitiv eingegangen werden: (29)

Genitivus possessivus: (Substantiv- Kopf(vertretungs)-Peters/Marias/Großmuttersattribut KeHausrn gruppe) → Peter/Maria/Großmutter hat ein Haus.

24 Ein dynamisches Passivpräpositional(objekt)attribut – kürzer: Präpositional(objekt)attribut – wie von der Sonne im Kästner-Beleg kommt bei Adjektiven natürlich nicht vor.

Resümee

Zwei Genitivattribute?

766 

 Wortgruppenglieder: die grammatischen Mikroglieder von Texten



Genitivus subiectivus (mit obiectivus): (Substantiv- Kopf(vertretungs)-Peters/Marias/ Großmuttersattribut Ke-Lösungrn (Genitiv-der Aufgabeattribut) gruppe) → Peter/Maria/Großmutter hat eine Lösung (der Aufgabe).

Zwei-Kasuspro-Satz? Genitiv ≠ Genitiv

zwei regierte Genitive

Auch dieser Genitiv, der den (noch zu erläuternden) Wert ‚Kopf(vertretungs)attribut‘ bekommen hat, ist hinsichtlich attributiver oder prädikativer Lesart offen und drückt Possessivität im weiteren Sinne aus (s. die Paraphrasen).25 Im Gegensatz zum postnominalen Genitivattribut ist er allerdings „prototypisch ein Personenname“ (Eisenberg/Smith 2002: 124).26 Das flexivisch Besondere am pränominalen Genitiv ist, dass das Flexiv -s auch bei Feminina verwendet wird (Marias, Großmutters).27 Nach Welke (2011: 274) wird das Ein-Kasus-pro-Satz-Prinzip durch die doppelte – prä- wie postnominale – Realisierung des Genitivs „ausnahmsweise“ durchbrochen. Doch es geht hier nicht um dieselbe Genitivkategorie (und auch nicht um dasselbe Flexiv -s wie bei Gattungsnamen). Nach Teuber (2000) gibt es im Deutschen zwei Genitivkategorien: einen regierten und einen kongruierenden Genitiv. In einer Substantivgruppe wie das Haus des Vaters ist das Genitivflexiv am Artikel (des Kernsubstantivs Haus) regiert, während das Genitivflexiv am Substantiv Vater ein Kongruenzflexiv ist. Entsprechend gibt es in einer Substantivgruppe wie das Haus des Peter nur einen regierten, aber keinen kongruierenden Genitiv. Der Fall Peters Haus ist anders. Das Substantiv Peter braucht keinen Artikel, d.  h., der regierte Genitiv wird am Substantiv selbst realisiert. Peters ist eben ein anderer Typ von regiertem Genitiv als des Peter.28 Das Ein-Kasus-pro-Satz-Prinzip ist nicht 25 Pränominale Genitive sind nahezu ausschließlich possessive oder subjektive Genitive (Peter 2015). In journalistischen Texten kommt vereinzelt aber auch der Genitivus obiectivus vor (Peter 2015: 218): Scharpings Wahl, Rabins Ermordung, Ceausescus Sturz. Solche Belege lassen sich allerdings auch als recycelte Passivstrukturen mit einem Genitivus subiectivus analysieren (Ágel 1993): Scharping wird gewählt, Rabin wird ermordet, Ceausescu wird gestürzt. Nach Knobloch (2015: 265), der leider keine Beispiele bringt, eignet sich der pränominale Genitiv „vorzüglich auch für Subjekts- und Objekts­ genitive“. 26 Verwandtschaftsnamen wie Großmutter, Tante, Opa sind in diesem grammatischen Kontext keine Gattungsnamen, sondern deiktische Personenbezeichnungen (für die eigene Großmutter, die eigene Tante bzw. den eigenen Opa). 27 Entsprechend gibt es eine Diskussion in der Fachliteratur, ob dieses Flexiv überhaupt ein Genitivflexiv ist. Ich habe u.  a. in Anlehnung an Demske (2001: 252  ff.) dafür argumentiert, das pränominale Flexiv nicht als Genitivendung, sondern als Possessivmarker zu betrachten (Ágel 2006: 298). Unter der ‚Last‘ der Argumente von Eisenberg (2006/2: 251) muss ich jedoch zugeben, dass hier kein Possessivmarker, sondern tatsächlich ein – allerdings ‚anderes‘ – Genitivflexiv vorliegt, s. unten. 28 Der eine regierte Genitiv (des Peter) ist exzentrisch kodiert, der andere (Peters) konzentrisch (zu diesen Kodierungstechniken s. Milewski 1967, Nichols 1986, Ágel 2000: 216  ff. und Ágel 2006). Die Kombination der beiden regierten Typen ist postnominal nicht möglich (Teuber 2000): das Buch Peters, das Buch des Peter, aber *das Buch des Peters. Pränominal ist die Situation etwas anders: Die Substantivgruppe des Peters Buch ist eher vorstellbar als *das Buch des Peters. Das hat mit einem Regelkonflikt zu tun: Einerseits ist die konzentrische Kodierung pränominal die Regel (Peters Buch), andererseits ist die Verwendung von Eigennamen mit Artikel, besonders im süddeutschen Raum,

Attribute 

 767

gefährdet, es sei denn, man interpretiert den Begriff ‚Kasusform‘ sehr abstrakt, d.  h. unabhängig von der jeweiligen Realisierungsform. Was ist dieser strukturell besondere pränominale Genitiv für ein Attribut? Konsens in der Fachliteratur ist, dass der Artikel (als Kopf der Substantivgruppe) und der pränominale Genitiv komplementär distribuiert sind, dass also der pränominale Genitiv und der Artikel dieselbe Position in der Linearstruktur besetzen: (29) (a) (b)

Peters/Marias/Großmuttersattribut Ke-Hausrn gruppe) Kodaspf Ke-Hausrn gruppe) (Substantiv(Substantiv-

Kopf(vertretungs)-

Unbestritten ist des Weiteren, dass der pränominale Genitiv „auch syntaktische Attributeigenschaften (hat)“ (Eisenberg/Smith 2002: 125). Deshalb nenne ich diese besondere Sorte von Attribut Kopf(vertretungs)attribut. Allerdings fehlen diesem ‚Kopf‘ entscheidende Kopfmerkmale wie Projektivität, Distributivität und morphosyntaktische Exponenz (Kap. IV/1.2). Deshalb können die Eigennamen, die vorwiegend pränominal (als Kopf(vertretungs)attribute) vorkommen, auch postnominal (als Genitivattribute) realisiert werden: (29c)

Kopf(ver­tretungs) attribut

(Substantiv-

Ko-

Kopf?

daspf Ke-Hausrn Genitiv-Peters/Marias/Großmuttersattribut gruppe)

Der pränominale ‚Kopf‘ ist also keiner. Was ist er denn? Betrachten wir einen analogen Fall aus einem ganz anderen Bereich der Grammatik (zur Analyse s. Nikula 1978: 39  f. und Ágel 2000: 260  f.): (30) (a) Schön wohnt ihr […]. (Timm Sommer: 149) (b) Sie wohnen in China. (30b) repräsentiert die kanonische Realisierung von wohnen mit einem Lokaladverbialkomplement (in China). Aber auch (30a) ist ein regulärer Satz, obwohl das Lokaladverbialkomplement fehlt. Das Modaladverbial schön, das ein Supplement ist, vertritt es nämlich, macht die Nichtrealisierung eines obligatorischen Komplements möglich. Genau so ist der pränominale Genitiv, dieses Kopf(vertretungs)attribut, zu interpretieren. So wie das Modaladverbial einen Satz mit dem Wohnen-Szenario ohne Lokaladverbialkomplement ermöglicht, ermöglicht der pränominale Genitiv die Realisierung einer Substantivgruppe ohne Kopf.

ebenfalls regulär, wenn auch normativ verpönt (der Peter). Der Regelkonflikt wird geduldet, weil die „grammatische Illusion“ (Haider 2011) eines regierten (des) mit einem kongruierenden (Peters) Genitiv entsteht. Nicht geduldet wird dieser Regelkonflikt bei Feminina: *der Marias Buch. Denn die Erzeugung einer grammatischen Illusion würde voraussetzen, dass es auch bei Feminina ein genitivisches Kongruenzflexiv gibt (was nicht der Fall ist).

Vertretung in der ­Grammatik

Kopf­ vertretung

768 

gram­ma­ tische ­Illusionen

 Wortgruppenglieder: die grammatischen Mikroglieder von Texten

In beiden Fällen geht es um „grammatische Illusionen“ (Haider 2011). In dem einen Falle um die Illusion eines Komplements, in dem anderen um die eines Kopfes. Die Grammatik ist um einen Kopf ärmer, aber um eine Illusion reicher geworden. Die Präzisierung des Attributbegriffs setzt einerseits dessen ‚vertikale‘, wertbezogene Rekonstruk­ tion voraus. Denn die Vorbereiche zahlreicher Attributrelationen sind nur unter Rückgriff auf die DreiEbenen-Struktur ‚von oben nach unten‘ zu verstehen und zu modellieren. Andererseits konnten offene (neutrale) Attributtypen (allen voran das Genitivattribut und das Adjektiv­ attribut), die sich sprachhistorisch für Recycling geöffnet haben, ohne ihre genuin nominale Struktur aufzugeben, identifiziert werden. Geeignete Kontexte führen dann zur semantischen Schließung der grammatischen Offenheit, zu präferiert attributiven oder prädikativen Lesarten. Der (Kopf(vertretungs)attribut genannte) pränominale Genitiv vertritt den Kopf der Substantivgruppe, ohne selber über Kopfmerkmale zu verfügen.

2.3 Klassifikation der Attribute Vorgehen

Klassifikation

Nach den theoretischen Ausführungen im vorigen Kapitel kann in diesem Kapitel die Klassifikation der Attribute, geordnet nach den einzelnen Wortgruppen (Substantiv-, Adjektiv-, Partizipial- und Adverbgruppe), vorgestellt werden. Anschließend werden einige kritische Attributtypen, deren Einordnung noch offen ist, zu kommentieren sein. Die nachfolgende Klassifikation stellt einen ersten Versuch dar, grammatische Formen mit Attributwert entsprechend der Konzeption der Grammatischen Textanalyse zu ordnen. Dass dabei trotz vorangegangener und nachfolgender Erläuterungen nicht alle theoretischen Fragen geklärt werden konnten, ist mir bewusst. Auch ist mir bewusst, dass die Liste der Attributtypen offen ist.

Attribute 

 769

Tab. 58: Attributklassen im Überblick Substantivgruppe Typ

Attributklasse

Beispiele

Genitivattribut

[…] (Substantiv- Sonne Genitiv-unseres Reichesattribut gruppe), (SubstantivGroßmächtiger Herr Genitiv-der Länder und Meereattribut , Höchster Schwertführer Genitiv-der todbereiten gruppe) (SubstantivArmeenattribut gruppe), (Substantiv- Spiegel Genitiv-der Künsteattribut und (Substantiv- Licht Genitiv-der Wissenschaftenattribut gruppe) […]29

Präpositionalvon+DAT-attribut

Arne […] suchte (Substantiv- den Blick Präpositional-von Peter Brunswikvon+DAT-attribut gruppe) […].30

Adjektiv(gruppen)attribut

[47] (Substantiv- Ko-diepf Adjektiv-ganzeattribut Ke-Geschichtern gruppe)

Kopf(vertretungs)attribut (pränominaler Genitiv)

Er hatte (Substantiv- Kopf(vertretungs)-Scharpingsattribut Wahl zum Parteichef gruppe) gewollt.31

Appositivattribut

daspf Ke-Gefängnisrn Appositiv-Isenbüttelattribut, dessen Insassen zumeist Kleinkriminelle sind, die hier ihre paar Jahre absitzen nebensatz)nebensatz gruppe)

Dativattribut (adnominaler ­possessiver Dativ)

Dativ Dem Fremdenattribut seine Hände gruppe) da sind (Substantivnicht aus Pappe […].32

Adverbialattribut

Auf (Substantiv- unserer Rückfahrt Temporal(adverbial)-damalsattribut machten wir überhaupt keinen Stop […].33 gruppe) Vor (Substantiv- dem Amtsgericht Lokal(adverbial)-in Birglarattribut fand im Frühherbst des vorigen Jahres eine Verhandgruppe) lung statt […].34

Prädikativattribut (als Attribut recyceltes ­dynamisches Prädikativ)

Darüber hinaus hat ihr Elizabeth nun auch (Substantiv- ihre Rolle Prädikativ-als „Queen of Hearts“attribut gruppe) vermiest.35

offen

genuin [7]

Ko(SubstantivAttribut(Relativ-

recycelt

29 Reinig Bittschrift: 65 30 Lenz Nachlaß: 139 31 Zeitungsbeleg aus dem TIGER-Korpus, zit. n. Peter 2015: 218 32 Anna Seghers, Das siebte Kreuz, 121, zit. n. Schmid 1988: 150 33 Frisch Homo: 83 34 Böll Dienstfahrt: 5 35 taz, 29. 07. 1996, zit. n. Eggs 2006: 232

770 

 Wortgruppenglieder: die grammatischen Mikroglieder von Texten

Prädikativappositiv (als Apposition recyceltes Freies als-Prädikativ)

Sie können doch von (Substantiv- mir Prädikativals katholischem Priesterappositiv gruppe) nicht verlangen, daß ich eine Frau darin bestärke, im Konkubinat zu verharren.36

Herkömmliche Literaturgattungen Modal(adverbial)-wie Modal(adverbial)appositiv (SubstantivRoman, Gedicht oder Reportage appositiv gruppe) werden um (als Apposition recyceltes (vergleichendes/illustratives) diverse Untergattungen erweitert […].37 Modaladverbial) Präpositional(objekt)attribut a) recycelte Präpositional­ objekte (ohne formale Anpassung) b) Präpositionskreationen (als Präpositional(objekt)attribute recycelte Dativ-/ Akkusativobjekte)

a) (Substantiv-

38 gruppe) b)

die Freude Präpositional(objekt)-über die Beuteattribut

Hilfe Präpositional(objekt)-für Ratsuchendeattribut gruppe)39 ihre Liebe Präpositional(objekt)-zu Alain Delonattribut gruppe)40 (Substantiv(Substantiv-

Attributtext

(Substantiv-

Attributhauptsatz

(Substantiv-

daspf Ke-Wortrn Attribut-»Landesbühne«text gruppe)

Ko-

Die Frage, Attribut-warum streng ich mich an,hauptsatz interessiert dich nicht.41 gruppe)

Attributnebensatz (indirekter Fragenebensatz, Subjunktionalnebensatz, Relativnebensatz)

Vor dem Amtsgericht in Birglar fand im Frühherbst des vorigen Jahres (gespal- eine Verhandlung tene) statt, (SubstantivAttributüber deren Verlauf die Öffentlichkeit nur sehr (Relativwenig erfuhr nebensatz)nebensatz gruppe). 42 Es ist aber, wenn einmal das Unwahrscheinliche eintritt, nichts Höheres dabei, (Substantiv- keinerlei Wunder oder Derartiges, Attribut-(Relativ- wie es der Laie so gerne haben möchte nebensatz . 43 nebensatz) gruppe)

Attributinfinitiv

Wie man später erfuhr, warteten damals acht Helikopter der US-Army an der mexikanischen Grenze auf (Substantiv- die behördliche Bewilligung, Attributuns zu holeninfinitiv gruppe).44

Partizipialattribut (Partizipialgruppe)

die Partizipial-aus Holzplatten gefertigtenAttribut Gestelle gruppe) 45 (Substantiv-

36 Heinrich Böll, Ansichten eines Clowns, 129, zit. n. Eggs 2006: 206 37 Der Spiegel, 02. 12. 1996, zit. n. Eggs 2006: 352 38 Frankfurter Rundschau, 09. 07. 1997, zit. n. Bassola 2012: 129 39 Frankfurter Rundschau, 11. 08. 1999, zit. n. Bassola 2012: 157 40 Vorarlberger Nachrichten, 09. 02. 1999, zit. n. Bassola 2012: 210 41 unter Verwendung eines Verses von Katrine von Hutten (Kap. IV/2.2) 42 Böll Dienstfahrt: 5 43 Frisch Homo: 26 44 Frisch Homo: 39 45 Lenz Landesbühne: 18

Attribute 

 771

Adjektivgruppe Typ

Attributklasse

Beispiele

genuin Intensitätsattribut

Die (Adjektiv- außerordentliche gruppe) Wirkung einer (Adjektiv- Intensiabsolutattribut untödlichen gruppe) Zigarette […]46 Intensitätsüber alle Erwartungattribut sympathisch gruppe)47 (Adjektiv-

täts-

Modalattribut

grau Modal-wie der Asphalt auf den Radrennbah48 nen gruppe)

(Adjektivattribut

recycelt Adverbialattribut (recycelte Adjektiv­ supplemente)

Mir Modal(adverbial)-weniger freundlichattribut geson­ nene gruppe) Kollegen49

(Adjektiv-

Objektattribut (recycelte Adjektiv­ komplemente)

Der (Adjektiv- Präpositional(objekt)-auf Bewunderungattribut erpichte Präsident50 […] gruppe) […] (Adjektiv- Genitiv(objekt)-aller Pflichtenattribut ledig gruppe) […]51 Dativ(objekt)Mirattribut weniger freundlich gesonnene (AdjektivKollegen gruppe) 52

Kommentar(glied)attribut

diese (Adjektiv- Kommentar(glied)-vermutlichattribut schöne gruppe) Einladung53

Partizipialgruppe Typ

Attributklasse

Beispiele

Intensitätsattribut

(Partizipial-

genuin

Modalattribut

ungemeinattribut belastend gruppe) 54

Intensitäts-

Einer ist (Partizipial- geschiedener Modal-als der andereattribut .55 gruppe)

46 Menzel 55: 15 47 Boettcher 2009/2: 256 48 Kästner Fabian: 36 49 Hein Freund: 208 50 Frankfurter Rundschau, 21. 11. 1998, zit. n. Matsekh-Ukrayinskyy 2015: 175 51 Reinig Trinkgeld: 68 52 Hein Freund: 208 53 Erweiterung von Leittextbeleg [21] 54 IDS-Grammatik 1997/1: 81 55 Brigitte 10/2001, zit. n. Eggs 2006: 147. Die Partizipialgruppe stellt hier den Kern eines Prädikativgefüges (mit der Kopula als Kopf) dar.

772 

 Wortgruppenglieder: die grammatischen Mikroglieder von Texten

recycelt Adverbialattribut (recycelte Verbsupplemente)

alle ihre Üppigkeit […] Modal(adverbial)-sorgfältigattribut verschließendes gruppe) Mädchen56 (Partizipial-

Akkusativ(objekt)alle ihre Üppigkeitattribut […] sorgfälObjektattribut (Partizipial(recycelte Verbkomplemente) tig verschließendes gruppe) Mädchen57 Das Pferd knickste und dankte für die (Partizipial- Dativ(objekt)-seiner Leistungattribut gezollte gruppe) Aufmerksamkeit.58 Auf einer (Partizipial- Präpositional(objekt)-von der Sonneattribut beschienenen gruppe) Lichtung weidete ein Rudel Schaukelpferde.59

Kommentar(glied)attribut

Das Pferd knickste und dankte für die (Partizipial- Kommentar(glied)vermutlichattribut Dativ(objekt)-seiner Leistungattribut gezollte Aufmerksamkeit.60 gruppe)

Adverbgruppe Typ

Attributklasse

Beispiele

Intensitätsattribut

(Adverb-

Modalattribut

(Adverb-

genuin furchtbarattribut gern gruppe)61

Intensitäts-

anders Modal-als andere Kirchenchöreattribut gruppe)62

Sonderfall ‚wertbezogener Nachbereich‘ Typ

Attributklasse

Beispiele

Dilativ(adverbial)attribut

[31] (Präpositionalgruppe Dilativ(adverbial)-baldattribut darauf mit Temporalwert) [sitzen (Substantiv- sie gruppe)] (Präpositional- Ko-inpf Ke-ihrem Pisspott namens Isenbüttelrn gruppe). Die Lokalredaktionen der >Rheinischen Rundschau< und des >Rheinischen Tagblattes< waren schon (Präpositionalgruppe Dilativ(adverbial)einige Wochenattribut vor Prozeßbeginn mit Tempoübereingekommen, einander in dieser Sache keine ralwert) Konkurrenz zu machen […].63 Dilativ(adverbial)Dichtattribut am Steilhang mit Lokalwert) (Präpositionalgruppe 64 lag sein Haus […].

recycelt

56 Robert Walser, zit. n. Menzel 55: 16 57 Robert Walser, zit. n. Menzel 55: 16 58 Kästner 35. Mai: 46 59 Kästner 35. Mai: 67 60 Ergänzung des Belegs Kästner 35. Mai: 46 61 Fuhrhop/Thieroff 2005: 322 62 Frankfurter Rundschau, 31. 05. 1997, zit. n. Eggs 2006: 150 63 Böll Dienstfahrt: 5 64 Timm Nicht: 25

Attribute 

 773

Kommentiert werden sollen drei Themenbereiche: 1. Apposition, 2. Adverbialattribut und 3. der (typologische) Sonderfall ‚Dativattribut‘ (= adnominaler possessiver Dativ).

Kommentare

Der qualitative und quantitative Schwerpunkt liegt auf der Appositionsproblematik. Diese betrifft nämlich mehrere Attributtypen der obigen Tabelle, die alle noch eingeführt werden müssen: Appositivattribut, Prädikativattribut, Prädikativappositiv und Modal(adverbial)appositiv. Des Weiteren betrifft sie das Wortgruppenrandglied (,lockere Apposition‘), das zwar ein Mikroglied, aber kein Attribut ist. Deshalb wurde es in der Übersicht über Mesoformen und Mikroglieder untergebracht (Tab. 56, Kap. IV/1.2). Das zweite Thema ist ein ‚Überbleibsel‘ der Diskussion über Wort(gruppen)kombinationen des Typs hier am Knie (Kap. IV/1.2). Es geht um die Frage, wie der Typ mit nachgestelltem Adverb (am Knie hier) zu interpretieren ist. Das dritte und letzte Thema ist der (typologische) Sonderfall ‚adnominaler possessiver Dativ‘ (dem Vater sein Haus). Wir fangen mit dem Schwerpunktthema an. In der deutschen Grammatik gibt es kaum einen verwirrenderen Phänomen- und ungelösteren Problembereich als den der sog. Appositionen. Nach Wolfgang Schindler (1990: 10  ff.) werden in der einschlägigen Fachliteratur 20  – zum Teil recht verschiedene – Konstruktionen zum Phänomenbereich gerechnet. Lange Zeit galt dabei die Unterscheidung zwischen enger und lockerer Apposition als grundlegend für die Unterteilung dieses Phänomenbereichs (Helbig 1992a: 899). Hier jeweils zwei als prototypisch geltende Beispiele:65

Schwerpunkt

(31) (32)



Adverbial­ attribut adnominaler possessiver Dativ Apposition

Ihr Vater, lockere(Substantiv- Professor in München gruppe)Apposition, gruppe) kam damals in Schutzhaft […]. (Frisch Homo: 55) […] als sie nach einem Vortrag […] bei (Substantiv- einem Glas engeBierApposition gruppe) mit (Substantiv- dem Referenten, lockere(Substantiv- einem Prälaten engeDr.  KerbApposition Apposition , gruppe) zusammensaßen […]. gruppe) (Böll Dienstfahrt: 6) (Substantiv-

Angesichts der empirischen und theoretischen Probleme „muß es erstaunen, wie konstant der Begriff sich in der Grammatikographie […] durchhält und kurzlebigen Alternativen gegenüber immer wieder durchsetzt.“ (Schmidt 1993: 103) Schmidt (1993: 115) schlägt folgende (dependenz)syntaktische Definition der Apposition vor:

65 Die lockere Apposition im Böll-Beleg (einem Prälaten Dr. Kerb) enthält selbst eine enge Apposition (Dr. Kerb).

Definition

774 

 Wortgruppenglieder: die grammatischen Mikroglieder von Texten

Appositionen sind dependente Substantive oder Substantivgruppen, deren reguläres Flexionsverhalten dadurch gekennzeichnet ist, daß sie mit ihrem Regens entweder kongruieren oder im Nominativ stehen bzw. keine Kasusmerkmale aufweisen.66 enge vs. lockere ­ pposition A

Dabei sind enge und lockere Apposition „(w)egen ihres unterschiedlichen syntaktischen Verhaltens […] strikt zu unterscheiden“ (Schmidt ebd.): Enge Appositionen bilden mit ihrem Kern eine Intonationseinheit und weisen Kontaktstellung zum Kern auf, lockere Appositionen stellen eigenständige Intonationseinheiten dar (gesprochene Sprache) oder sind interpunktionell abgegrenzt (geschriebene Sprache) und ermöglichen Distanzstellung.

Apposition = lockere Apposition?

lockere ­Apposition

Während Schmidt für die Einheit des Appositionsbegriffs plädiert, geht die Tendenz in der Forschung dahin, enge und lockere Apposition begrifflich ganz zu trennen. Dabei „(wird) nur letztere noch als Apposition bewertet“ (Helbig 1992a: 900). Enge Appositionen werden als Attribute betrachtet (Schindler 1990: 121  ff.).67 Ich schließe mich dieser Sichtweise insofern an, als ich enge Appositionen ebenfalls als Attribute ansehe und deshalb Appositivattribute nenne. Im Zentrum des aktuellen Forschungsinteresses steht allerdings die lockere Apposition. Aus diesem Grunde liegt der Schwerpunkt der nachfolgenden Überlegungen auf der Frage nach dem grammatischen Status der lockeren Appositionen im Rahmen der Grammatischen Textanalyse. Anschließend soll aber auch ein Problembereich der engen Apposition – Numerativkonstruktionen (= Appositive zu Maßangaben) – angesprochen werden. Die substantivgruppenbezogenen als-Gruppen, die als potenzielle appositive Randbereiche diskutiert werden, müssen eigens betrachtet werden. Bei der Abgrenzung von Attributen verwendet Schindler (1990: 117) die folgenden Beispiele, um die lockere Apposition zu exemplifizieren: (33) (34) (35)

Der Lehrer, lockere(Substantiv- Brillenträger gruppe)Apposition, gruppe) dozierte monoton. Der Lehrer, lockere(Adjektiv- ziemlich träge gruppe)Apposition, gruppe) dozierte (Substantivmonoton. Der Lehrer, lockere(Präpositional- am Pult gruppe)Apposition, gruppe) dozierte monoton. (Substantiv(Substantiv-

66 Die Definition ist im Original fett gesetzt. 67 Auch für die IDS-Grammatik (1997/3: 2035  ff.) sind nur die lockeren Appositionen „appositive Erweiterungen“, während die engen Appositionen „Erweiterungsnomina“ darstellen (IDS-Grammatik 1997/3: 2043  ff.).

Attribute 

 775

In allen drei Fällen handelt es sich, in der Terminologie der Grammatischen Textanalyse, um aggregative Anschlüsse.68 Dabei existieren jeweils auch integrative Optionen:69 → → →

­Aggregation vs. ­Integration

der Brillenträger-Lehrer der ziemlich träge Lehrer der Lehrer am Pult

Der Vergleich der aggregativen und integrativen Optionen zeigt, dass nur die Präpositionalgruppe eine ‚echte‘, lokale, Alternative hat: mit Delimitation (der Lehrer, am Pult,) und ohne (der Lehrer am Pult).70 Dieser Typ wurde in der Grammatischen Textanalyse als (aggregatives bzw. integratives) Adverbialattribut analysiert. Bei den anderen beiden Typen kommt jedoch die Attributanalyse nicht in Frage, denn ein aggregativ realisiertes Attribut muss eine ‚echte‘, lokale, integrative Alternative haben. Das jedoch haben diese Typen nicht:

+/-Delimitation

(33’) *Der Lehrer Brillenträger dozierte monoton. (34’) *Der Lehrer ziemlich träge dozierte monoton. Das Kompositum (Brillenträger-Lehrer) und das Adjektivattribut (ziemlich träge) stellen evtl. Formulierungsoptionen, aber keine strukturellen Pendants der Originale dar. Die Appositionstypen der Lehrer, Brillenträger, und der Lehrer, ziemlich träge, repräsentieren also, im Gegensatz zum delimitierten Typ (der Lehrer, am Pult,), eine andere Installationstechnik, nämlich die typische Parenthese, die Insertion.71 ,Parenthese‘ ist kein grammatischer Status (Funktion oder Wert), sondern ein Oberbegriff für Unterbrechungsstrukturen. Der grammatische Status der einzelnen Unterbrechungsstrukturen muss eben einzeln bestimmt werden.72 Auch hier stellt

68 Zur Aggregation und Integration Kap. II/1.5 und Kap. III/3.1.2. Schindler (1990: 18  ff.) spricht in Bezug auf die intonatorische bzw. graphematische Abtrennung von „Einschaltungsmarkierung“. 69 Dies gilt übrigens auch für die Einführungsbelege von Frisch und Böll: → ihr Professor-Vater in München; → mit dem Prälaten-Referenten Dr. Kerb. 70 Bei der Delimitation ändert sich die normale Wortstellung nicht, „es wird keine Parenthesen­ nische besetzt.“ (Hoffmann 1998: 315) Zur Parenthese und zu den Hoffmann’schen Installationstechniken Kap. III/4.3. 71 Hier die im Kap. III/4.3 bereits zitierte Definition: Die „typische Prozedur der Parenthesebildung ist die Insertion eines in die Trägerstruktur nicht integrierbaren, in deren Aufbau nicht einbeziehbaren Ausdrucks. Formal teilt sie die Merkmale der Delimitierung und Migration. Der eingelagerte Ausdruck hat eine spezifische, von der des Trägerausdrucks unabhängige Funktion, die sich aber gerade lokal und in Wirkung auf die Verarbeitung des Trägersatzes entfalten soll.“ (Hoffmann 1998: 317, Fettdruck im Original) 72 So wurde mit der Parenthese im Kapitel über die Kommentarmittel (Kap. III/4.3) verfahren.

Insertion

Grammatischer Status?

776 

Apposition und (rechtes) Satzrandglied

 Wortgruppenglieder: die grammatischen Mikroglieder von Texten

sich also die Frage, wie diese insertierten Typen in der Grammatischen Textanalyse einzuordnen sind. Mein Lösungsvorschlag lehnt sich direkt an den von Gisela Zifonun (2015: 39  f.) an. Sie untersucht (lockere) Appositionen im Hinblick auf ihre Extraponierbarkeit ins sog. erweiterte Nachfeld (= eNF), also ins Nachfeld oder in den rechten Satzrand, und stellt fest, dass (rechte) Satzrandglieder (= Thematisierungsausdrücke) und Appositionen linearisierungsbezogene Varianten derselben morphosyntaktischen Kategorie sind. Sie fasst ihren Lösungsansatz in vier Punkten zusammen (ebd.): [1.1] Auf der morphosyntaktischen Ebene gibt es die übergreifende Kategorie der ‚Beifügung im gleichen Kasus zu einem nominalen Syntagma‘. [1.2] Appositionen sind ‚Beifügungen im gleichen Kasus zu einem nominalen Syntagma‘ unter direkter Adjazenz und Zugehörigkeit zu demselben Stellungsfeld. [1.3] Thematisierungsausdrücke sind ‚Beifügungen im gleichen Kasus zu einem nominalen Syntagma‘, speziell einem Personal- oder Demonstrativpronomen, in den beiden Außenfeldern. [1.4] Ausdrücke im eNF, die morphosyntaktisch ‚Beifügungen im gleichen Kasus zu einem nominalen Syntagma‘ im Mittelfeld (oder ggf. im Vorfeld) sind, sind entweder Thematisierungsausdrücke oder ‚Appositionsentsprechungen in Extraposition‘.73

Satzrand­ glieder

Mit Satzrandgliedern (= Thematisierungsausdrücken) haben wir uns im Kap. II/1.5 auseinandergesetzt. Sie wurden als Nichtsätze mit Satzgliedbezug bestimmt, die in der Regel am Satzrand vorkommen und die keine Satzglieder und Kohäsionsglieder sind. Hier ein Beleg aus dem genannten Kapitel (Satzrandglieder sind als Nichtsätze markiert): (36) Wie ertrug (The- sie ma) das, die Mutter, die ihn ja kannte als den geselligen Mann, charmant und einnehmend? Wie ging (The- sie ma) damit um, diese so disziplinierte, stets freundliche Frau? (Timm Bruder: 106)

Umformung

Wir können nun den Beleg so umformen, dass die (ehemaligen) Satzrandglieder zu Beifügungen „unter direkter Adjazenz und Zugehörigkeit zu demselben Stellungsfeld“ (Zifonun), also zu Appositionen, werden: (36) (a) Wie ertrug sie, die Mutter, das? (b) Den geselligen Mann, charmant und einnehmend, kannten alle. (c) Wie ging sie, diese so disziplinierte, stets freundliche Frau, damit um?

Gegenprobe

Das bedeutet natürlich nicht, dass die Umformung immer gelingen muss. Die Gegenprobe, ausgehend von Schindlers Beispielen, funktioniert nicht mehr so gut:

73 „Im erweiterten Nachfeld ist die lineare Bedingung für die Apposition erst einmal nicht erfüllt; deshalb spreche ich von ‚Appositionsentsprechung‘, nicht von Apposition.“ (Zifonun 2015: 40)

Attribute 

 777

(33’’) ?Monoton dozierte der Lehrer, Brillenträger. (34’’) ?Monoton dozierte der Lehrer, ziemlich träge. Eine artikellose Substantivgruppe wie Brillenträger kann keinen Thematisierungsausdruck darstellen, und die Adjektivgruppe ist linearisierungsbedingt funktional offen (da auch adverbial interpretierbar). M. a. W., nicht jeder Nichtsatz stellt sowohl ein optimales Satzrandglied als auch eine optimale Apposition dar. Aber Nichtsätze können beides. Sie können in Sätzen sowohl als Satzrandglieder wie auch als Appositionen eingesetzt werden.74 Aber was genau macht Nichtsätze geeignet, in beiden Kontexten eingesetzt zu werden? Wie im >>Kap. II/1.5 erwähnt, werden Sätze insbesondere in der mündlichen Interaktion als Ressourcen, als „mögliche Sätze“, die sich prinzipiell verlängern lassen, aufgefasst (Selting 1995). Nun lassen sich Sätze mit Appositionen ebenfalls als Verlängerungen möglicher Sätze auffassen. Da es sich jedoch um Parenthese (Insertion) handelt, erfolgt die Verlängerung nicht eindimensional (linear), sondern in einer Art zweiter Dimension. Man kann sich diese Art (parenthetische) Verlängerung als eine Art zweite Tonspur (= T2) vorstellen:

Nichtsätze

Satzränder als Verlän­ gerungen möglicher Sätze

(36) (T2)                                                                                              , die Mutter, (T1) Wie ertrug sie                                                                                  das? (T2)                                                                                                                            , charmant und einnehmend, (T1) Den geselligen Mann                                                                                                                                                                                                 kannten alle. (T2)                                                                                   , diese so disziplinierte, stets freundliche Frau, (T1) Wie ging sie                                                                                                                                                                                                                                                                                                                damit um? (33) (T2)                                                                       , Brillenträger, (T1) Der Lehrer                                                                                                 dozierte monoton. (34) (T2)                                                                       , ziemlich träge, (T1) Der Lehrer                                                                                                          dozierte monoton. Da die zweiten Tonspuren im Anschluss an die Appositionsbasen, d.  h. die Kerne der Wortgruppen, aktiv werden, stellen sie Verlängerungen möglicher Wortgruppen dar. Mikroglieder, die Verlängerungen möglicher Wortgruppen darstellen, nenne ich Wortgruppenrandglieder. Wortgruppenrandglieder sind insertierte Nichtsätze mit Wortgruppenbezug. Sie sind Mikroglieder, aber keine Attribute. Semantisch stellen sie zusätzliche Prädikationen dar. Recycling ist, trotz Mikrogliedstatus, nicht anzu-

74 Mutatis mutandis gilt also: „Mit diesem Lösungsansatz, speziell [1.4] wird die Entscheidung dar­ über, ob es sich bei herausgestellten Beifügungen um Thematisierungsausdrücke oder etwas Appositionsähnliches handelt, nicht auf der syntaktischen Ebene getroffen. Die Entscheidung muss also auf der semantischen und diskursfunktionalen Ebene gefällt werden.“ (Zifonun 2015: 40)

Wortgruppenränder als Verlängerungen möglicher Wortgruppen Wortgruppenrandglied

778 

FunktionArgumentWert-Formel

 Wortgruppenglieder: die grammatischen Mikroglieder von Texten

nehmen, weil sich Wortgruppenrandglieder in einer Parenthesennische, in der ‚zweiten Tonspur‘, befinden.75 Eher ließe sich sagen, dass Nichtsätze – so wie auch insertierte Sätze – in zwei Dimensionen agieren. Im Sinne der Funktion-Argument-Wert-Formel wurden Satzrandglieder im Kap. II/1.5 wie folgt beschrieben: Satzgliedthematisierung (Nichtsatzform am Satzrand) = Satzrandglied im engeren Sinne Analog lassen sich Wortgruppenrandglieder wie folgt beschreiben: Wortgruppenpräzisierung (adjazent insertierte Nichtsatzform) = Wortgruppenrandglied

ein Extrembeispiel

Der folgende Beleg enthält zwei Substantivgruppen mit insgesamt acht Wortgruppenrandgliedern: (37)

externe ­Prädikation

Bertuch, Wortgruppenrand-Friedrich Georgglied, Wortgruppenrand-Bürochefglied, 40  Jahreglied, Wortgruppenrand-mittelgroßglied, Wortgruppenrand-brünettglied, WortgruppenrandKarlstraße  9glied, Wortgruppenrand-musikliebendglied, gruppe) bevorzugt schlanke Blondinen, Wortgruppenrand-nicht über fünfundzwanzig Jahre alt(Substantivglied . gruppe) (Kästner Fabian: 13)

(SubstantivWortgruppenrand-

Zwei der Wortgruppenrandglieder sind fragmentarische Nichtsätze (Friedrich Georg, Karlstraße  9), die restlichen sechs externe Prädikationen.76 In der Tat lassen sich externe Prädikationen in der Regel als Wortgruppenrandglieder verwenden. Hier ein Beleg mit externen Prädikationen aus Kap. II/3.4 und deren Umformung in Wortgruppenrandglieder: (38) […] Franz zeigte mir die Dachkammer. (externe Ein elendes Loch Prädikation). (externe Heiß, stickig Prädikation). […] (Schädlich Kokoschkin: 134) (T2)                                                                                                                                                                                              , Wortgruppenrand-ein elendes Lochglied, (T1) Franz hat mir die Dachkammer                                                                                                                                                                                                gezeigt. (T2)                                                                                                                                                                                                          , Wortgruppenrand-heiß, stickigglied, (T1) Franz hat mir die Dachkammer                                                                                                                                                                 gezeigt. Soviel zur grammatischen Einordnung der lockeren Apposition.77 75 Das ist ein Unterschied zu Zifonuns Auffassung. Appositionen befinden sich also nicht im selben Stellungsfeld wie ihre Bezugsausdrücke, sondern in einer Parenthesennische, also außerhalb der Linearstruktur. 76 Zu den Nichtsatzklassen Kap. II/3.4. 77 Die Wortgruppenrandglieder im Leittext ([10], [29], [50]) wurden, um grafische Verwirrung zu vermeiden, weder zweispurig dargestellt noch mit Nichtsatzmarkierung versehen.

Attribute 

 779

Kommen wir nun auf die Appositivattribute (enge Appositionen) zu sprechen. Der Einführungsbeleg, der hier wiederholt wird, enthält die zwei Typen, die als prototypisch angesehen werden (Helbig 1992a: 904), nämlich eine „Numerativkonstruktion“ (IDS-Grammatik 1997/3: 1979  ff.), d.  h. eine Substantivgruppe mit einer Maßangabe (einem Glas Bier), und eine Substantivgruppe mit einem appositiven Eigennamen (einem Prälaten Dr. Kerb):78 (32)



Appositiv­ attribut

[…] als sie nach einem Vortrag […] bei (Substantiv- einem Glas Appositiv-Bierattribut gruppe) mit (Substantiv- dem Referenten, Wortgruppenrand-(Substantiv- einem Prälaten Appositiv-Dr. Kerbattribut gruppe)glied, gruppe) zusammensaßen […]. (Böll Dienstfahrt: 6)

Ich gehe kurz auf die Numerativkonstruktion ein, da hier die generelle Verlagerung des lexikalischen Gewichts auf das Attribut zu syntaktischen Besonderheiten führt. Eine Numerativkonstruktion besteht aus einer Maßangabe (ein Liter, sechs Hektar, ein Glas, drei Stück) und einer Artangabe (Milch, Ackerboden, Bier, Zucker) (s. Eisenberg 2006/2: 258).79 Was den grammatischen Status anbelangt, findet sich in der Literatur sowohl die Position, dass die Maßangabe von der Artangabe abhängig sei, als auch die umgekehrte Auffassung wie auch die Ansicht, dass Koordination vorliege (Eisenberg 2006/2: 258  f.). Nach Eisenberg selbst gebe es keine generelle Lösung, „vielmehr lässt die Konstruktion mehrere Möglichkeiten zu.“ (Eisenberg 2006/2: 259) Nach der IDSGrammatik (1997/3: 1980  f.) sei die Artangabe („Substanzausdruck“) fakultativ, was wohl bedeutet, dass die IDS-Grammatik die Artangabe als Appositivattribut auffassen würde. Auch der Duden (2016: 993  ff.), der die Numerativkonstruktion „partitive Apposition“ nennt, betrachtet diese als (partitives) Attribut. Ich schließe mich der IDS-Grammatik und dem Duden an, dennoch sollte nicht verschwiegen werden, dass Eisenbergs Bedenken berechtigt sind. Denn die Fakultativität von Artangaben ist möglicherweise ein graduelles Phänomen:80

78 Letzterer Typ wird auch als „appositiver Nebenkern“ eingeordnet (Duden 2016: 997  ff.). 79 In Bezug auf den (nicht prototypischen) Typ ein Glas Milch / eine Flasche Wein spricht die IDSGrammatik (1997/3: 1979) von „Behälterkonstruktionen“. 80 Den Genitivus partitivus (guter Ratschläge, echten Urwalds), der in der Numerativkonstruktion die ältere, heute veraltete Form der Artangabe darstellt, ordne ich ebenfalls als Appositivattribut ein. Wie dem Maar-Beleg zu entnehmen ist, kann es mit der heutigen kanonischen Form auch koordiniert werden (eine ganze Menge Appositiv-Ermahnungen und guter Ratschlägeattribut). Auch der Duden (2016: 994  ff.) sieht die beiden Formen im paradigmatischen Zusammenhang. Eine ähnliche Entwicklung scheint nach den Substantiven Art und Sorte stattzufinden: Und wenn die Politiker dann leibhaftig kommen, in ihren Pulks, wirkt es stets so, als würden sie auf (Substantiv- einer Art Appositiv-unsichtbaren US-Inselattribut gruppe) hereinschweben […]. (DIE ZEIT, 17. 07. 2003) Die ältere Genitivform (auf einer Art unsichtbarer US-Insel) wird auch bei diesen Appositionen nach Art und Sorte, die „(m)it der partitiven Apposition verwandt sind“ (Duden 2016: 993), abgelöst.

Numerativkonstruktion

780 

 Wortgruppenglieder: die grammatischen Mikroglieder von Texten

(Nicht-)Weglassbarkeit

(28) Auf einer von der Sonne beschienenen Lichtung weidete (Substantiv- ein Rudel AppositivSchaukelpferdeattribut gruppe). (Kästner 35. Mai: 67) → Auf einer von der Sonne beschienenen Lichtung weidete (Substantiv- ein Rudel . gruppe) (39) Er trank (Substantiv- einen Schluck Appositiv-Teeattribut gruppe) und (Substantiv- ein Glas AppositivKognakattribut gruppe). (Kästner Fabian: 18) → ?Er trank (Substantiv- einen Schluck gruppe) und (Substantiv- ein Glas gruppe). (40) Der Abschied bestand hauptsächlich darin, daß ihm die Eltern (Substantiv- eine ganze Menge Appositiv-Ermahnungen und guter Ratschlägeattribut gruppe) gaben, […]. (Maar Lippel: 28) → ??[…] daß ihm die Eltern (Substantiv- eine ganze Menge gruppe) gaben […]. (41) Konrad machte Licht, […] und weil er hoffte, er könne in der Nähe des Schranks noch (Substantiv- ein paar Zentimeter Appositiv-echten Urwaldsattribut gruppe) entdecken. (Kästner 35. Mai: 129  f.) → ???[…] und weil er hoffte, er könne in der Nähe des Schranks noch (Substantiv- ein paar Zentimeter gruppe) entdecken. (42) […] weil in Baden-Baden hat der dann mit (Substantiv- seinem bißchen Appositiv-Stimmeattribut gruppe) noch das große Geld gemacht […]. (Haas Silentium: 58) → ????weil in Baden-Baden hat der dann mit (Substantiv- seinem bißchen gruppe) noch das große Geld gemacht.

Gewichts­ verlagerung

Die Verlagerung des lexikalischen Gewichts auf das Attribut bzw., umgekehrt gesprochen, das untergeordnete lexikalische Gewicht des Kerns führt, sicherlich konstruktionsabhängig, dazu, dass die Weglassbarkeit des Attributs stark variiert. Dass z.  B. bißchen (trotz Kleinschreibung) noch ein Substantiv (und Kern) ist, merkt man zwar an der Flexion des Kopfes (seinem), aber semantisch ist mit einem bisschen Stimme einfach nur mit wenig Stimme gemeint. Das lexikalische Gewicht liegt also auf dem Substantiv Stimme. Aber damit das Substantiv Stimme zum Kern der Substantivgruppe werden könnte, müsste das Substantiv bisschen zum Adjektiv werden, was wegen der Unflektierbarkeit von bisschen sicher nicht unproblematisch wäre:81

81 Eine solche Entwicklung würde diese eher periphere Art der Dependenzumkehrung („Dependency reversal“ s. Malchukov 2000), d.  h. die kontraikonische semantische Abhängigkeit des Kerns vom Attribut, geraderücken. Ein typischeres Beispiel für Dependenzumkehrung im Deutschen stellt das lexifizierte Substantivgruppen-Format ‚Artikel+X von einem Y‘ dar: Ist es denkbar, dass dieses Urvieh von einem Politiker einfach aufhört? (Die Welt, 09. 09. 2015). Hier bezeichnet der Kern der Substantivgruppe (Urvieh) ja eine Eigenschaft des Politikers und nicht umgekehrt. Feilke (1996: 240) ordnet dieses Format den „lexikalisierte(n) Phrasen“ zu.

 781

Attribute 

(42’) ??weil in Baden-Baden hat der dann mit (Substantiv- Ko-seinerpf adjektiv-bißchenattribut KeStimmern gruppe) noch das große Geld gemacht. Außerdem besteht noch die Option, das lexikalische Leichtgewicht von bisschen als Intensitätsattribut in einer Attributgruppe zu entschärfen:

Intensitäts­ attribut

(42’’) weil in Baden-Baden hat der dann mit (Substantiv- Ko-seinerpf (Adjektiv- Intensitäts-bißchen attribut Adjektivheiserenattribut gruppe) Ke-Stimmern gruppe) noch das große Geld gemacht. Kehren wir aber noch einmal kurz zur (Nicht-)Weglassbarkeitsfrage zurück. Die obigen Belege haben die graduelle (Nicht-)Weglassbarkeit primär strukturbezogen illustriert. (Nicht-)Weglassbarkeit ist aber auch eine Frage der Textkohärenz. Betrachten wir die Leittextsequenz [7] bis [12], in der das Appositivattribut Isenbüttel zweimal vorkommt: [7]

zurück zur (Nicht-)Weglassbarkeit

Schauplatzrn Ko-istpf (Substantiv- Ko-daspf Ke-Gefängnisrn Appositiv-Isenbüttelattribut, dessen Insassen zumeist Kleinkriminelle sind, die hier ihre paar Jahre absitzen nebensatz)nebensatz gruppe). Ke-

Attribut(Relativ-

… [12]

Vierpf Ke-Jahrern Appositiv-Isenbüttelattribut gruppe) Ko-hatpf (SubstantivKodempf Ke-Professorrn gruppe) Ke-eingebrachtrn, […]. gruppe) (Substantiv(Substantiv-

Ko-

daspf

Ko-

Durch das erste Vorkommen  – keine Numerativkonstruktion, sondern kanonisches Appositivattribut – wird der Gefängnisort eingeführt. Ab [7] besteht also prinzipiell die Möglichkeit, den Ortsnamen Isenbüttel im weiteren Textverlauf metonymisch für sachliche Zusammenhänge im Bereich eines Gefängnisaufenthaltes einzusetzen. Dies geschieht in der Tat dann in [12], wo vier Jahre als Maßangabe für eine Haftstrafe (in Isenbüttel) eingeführt wird. Was nun die (Nicht-)Weglassbarkeit anbelangt: Eine Substantivgruppe wie vier Jahre wäre ohne den (vor)textuell etablierten metonymischen Zusammenhang keine Maßangabe. Man könnte sagen, dass die Maßangabe vier Jahre in [12] (quasi-)anadeiktisch auf die Artangabe (Gefängnis) Isenbüttel in [7] zeigt und auf diese Weise text­ intern eine metonymische Fern-Numerativkonstruktion etabliert. Insofern braucht ein aufmerksamer Leser, der in der Lage ist, diese textinterne (quasi-)anadeiktische Relation herzustellen, das Appositivattribut Isenbüttel in [12] nicht (mehr) zwingend. Umgekehrt wäre aus der Sicht eines flüchtigen Lesers, der [7] ‚übersehen‘ hat, das Appositivattribut Isenbüttel notwendig: flüchtiger Leser: → ??(Substantiv- Ko-Vierpf Ke-Jahrern gruppe) Ko-hatpf (Substantiv- Ko-daspf gruppe) (SubstantivKeProfessorrn gruppe) Ke-eingebrachtrn, aufmerksamer Leser: →  Ko-Vierpf Ke-Jahrern gruppe) Ko-hatpf (Substantiv- Ko-daspf gruppe) (Substantiv(SubstantivKeProfessorrn gruppe) Ke-eingebrachtrn,

Ko-

dempf

Ko-

dempf

metonymische Numerativ­ konstruktion flüchtiger vs. aufmerksamer Leser

782 

der Typ ‚ein Stück X‘

 Wortgruppenglieder: die grammatischen Mikroglieder von Texten

Das Thema ‚Numerativkonstruktion‘ abschließend betrachten wir noch einen weiteren Sonderfall, den Typus ‚ein Stück X‘:82 (43) Sie reden über mich, als wäre ich ein Stück Streuselkuchen […]. (Kästner Fabian: 19) → ????Sie reden über mich, als wäre ich ein Stück.

Numeral­ klassi­ fikatoren

Die Substantivgruppe ein Stück Streuselkuchen ist keine kanonische Numerativkonstruktion, denn Stück ist weder eine klassische Maßeinheit noch ein Behälter. Es hat eine „gewisse Ähnlichkeit“ mit Numeralklassifikatoren (Hoberg 2004: 7), wie sie aus vielen (nichteuropäischen) Sprachen bekannt sind (Aikhenvald 2003: 98  ff., Gil 2005).83 Hier ein Beispiel von Gil (2005) aus dem Vietnamesischen (clf = Klassifi­kator): (44) hai con chó zwei clf Hund

(d.  h. ‚zwei Hunde‘)

Vietnamesisch ist eine Sprache mit obligatorischer Numeralklassifikation. Deshalb ist der jeweilige Klassifikator, so auch con für Lebewesen, im Gegensatz zu Stück nicht weglassbar: (44’) *hai chó (43’) Sie reden über mich, als wäre ich ein Streuselkuchen. QuasiNumeral­ klassi­ fikatoren

adnominale als-Gruppen

Das Deutsche hat kein umfassendes System von Numeralklassifikatoren, aber es hat eine Reihe von optionalen Konstruktionen, die der Konstruktionsfamilie ‚ein Stück X‘ angehören und die ich Numerativkonstruktionen mit Quasi-Numeralklassifikatoren nennen möchte: zwei Stangen Spargel, fünf Bund Radieschen, ein Kopf Blumenkohl, drei Scheiben Brot usw. Das sind in der Tat keine echten Maßeinheiten, die man relativ ‚frei‘ einer Artangabe zuordnen könnte, sondern der kompetente Sprachteilhaber weiß, welche Artangaben sich mit einem bestimmten Quasi-Numeralklassifikator verbinden lassen und welche nicht. Soviel zu den Numerativkonstruktionen. Unser nächstes Thema sind die adnominalen als-Gruppen, die zwar ein eigenes Problemfeld darstellen, aber auch im Umfeld der Appositionsproblematik behandelt werden. Trotz unterschiedlicher grammatischer Einordnungen ist man sich in der Fachliteratur im Wesentlichen einig, dass es sich dabei um drei Typen handelt (s. z.  B. Helbig 1984a: 732  ff., Eggs 2006: 205  ff. und Flaate 2007: 42  ff.). Diese sollen nun ausgehend von den Belegen und der Klassifizierung von Eggs vorgestellt werden:84 82 Wenn die Artangabe ein Stoffsubstantiv (mass noun) ist wie in „zwei Stücke Vieh“ (Krifka 1991: 402), spricht man von einer „Klassifikatorkonstruktion“ (ebd.). 83 In Europa gibt es fakultative (optionale) Numeralklassifikatoren („numeral classifiers“) im Ungarischen und im Türkischen (Gil 2005). 84 Im Kap. IV/1.3 wurden als- und wie-Gruppen als strukturelle Simulate von Präpositionalgruppen, d.  h. als dummy-Präpositionalgruppen, rekonstruiert. Was Präpositionen mit den Präpositions-

Attribute 

Typ 1: (45)

 783

Als einfache Prinzessin Präpositionalgruppe) muß sie [i.e. Diana] nun jeden Tag (dummyeinen Hofknicks vor ihren beiden Söhnen machen. (taz, 29. 07. 1996, zit. n. Eggs 2006: 206)

drei Typen

Typ 2: (46) Sie können doch von mir (dummy- als katholischem Priester Präpositionalgruppe) nicht verlangen, daß ich eine Frau darin bestärke, im Konkubinat zu verharren. (Heinrich Böll, Ansichten eines Clowns, 129, zit. n. Eggs 2006: 206) Typ 3: (47) Darüber hinaus hat ihr Elizabeth nun auch ihre Rolle (dummy- als „Queen of Hearts“ Präpositionalgruppe) vermiest. (taz, 29. 07. 1996, zit. n. Eggs 2006: 232) Bei Typ 1 ist die als-Gruppe disloziert, befindet sich also nicht rechtsadjazent von ihrem Bezugsausdruck (sie). Vorkommen dieses Typs sind nach Eggs (2006: 213) keine Appositionen, sondern „Satzadverbialia in Supplementfunktion“. Sie lassen sich nämlich durch einen „Satzadverbialsatz“, genauer „durch einen deduktiven da-Satz“, verdeutlichen (Eggs 2006: 214):85 →

Da sie eine einfache Prinzessin ist, muß sie nun jeden Tag einen Hofknicks vor ihren beiden Söhnen machen.

Im Gegensatz zu Typ 1 ist die als-Gruppe von Typ 2 rechtsadjazent, folgt also unmittelbar auf den Bezugsausdruck (mir). Obwohl diese als-Gruppen also „in formal-syntaktischer Hinsicht […] als appositive Erweiterung ihrer Bezugsnominalphrase gewertet werden (können), […] werden sie letztlich als Adverbialsupplement (mit gleichzeitigem Komplementbezug) interpretiert.“ (Eggs 2006: 223). Auch hier gilt die da-SatzProbe (Eggs 2006: 222):86 →

Typ 1

Typ 2

Da ich katholischer Priester bin, können Sie doch (von mir) nicht verlangen, daß ich eine Frau darin bestärke, im Konkubinat zu verharren.

Im Gegensatz zu den Typen 1 und 2 werden die Vorkommen des dritten Typs „als Attribute im engeren Sinne klassifiziert“ (Eggs 2006: 232, s. auch Flaate 2007: 42). Das Attribut ist nicht appositiv, denn im Gegensatz zum zweiten Typ besteht keine Referenzidentität zwischen Kern (Rolle) und Attribut („Queen of Hearts“).

simulaten als und wie verbindet, ist die syntagmatische Relation „Positionsbezug“ (Eisenberg 2006/2: 37). Sowohl die überwiegende Mehrheit der Adpositionen (= Präpositionen, Postpositionen und Zirkumpositionen) wie auch die Präpositionssimulate als und wie sind ‚präpositional‘, d.  h., sie gehen ihren Wortgruppen voraus. 85 Eine nach dem Paraphrasierungsmuster von Eggs vorgenommene eigene Umformung. 86 Ebenfalls eine nach dem Eggs’schen Muster vorgenommene eigene Paraphrase.

Typ 3

784 

grammatischer Status

Typen 1 und 2

Prädikativ­ appositiv

Typ 3

 Wortgruppenglieder: die grammatischen Mikroglieder von Texten

Wie lassen sich nun diese drei Typen im Rahmen der Grammatischen Textanalyse bestimmen? Da entsprechende Vorarbeiten auf der Mesoebene bereits geleistet wurden, können wir uns hier relativ kurz fassen: Als-Gruppen wurden bislang drei grammatische Werte zugeordnet: 1. Bestandteile von statischen Prädikaten (Kap. III/2.1.4.), Bestandteile von dynamischen Prädikaten (Kap. III/2.2.2) und Freies als-Prädikativ (Kap. III/3.1.6). Eggs Typ 1 ist das Freie als-Prädikativ, also ein Satzglied. Typ 2 ist nach ihrer Einordnung ein in die Substantivgruppe integriertes Adverbialsupplement. Diese Einordnung ist allerdings ein Widerspruch, denn ein Adverbialsupplement, ein Satzglied, kann kein Bestandteil einer Wortgruppe sein. Zwischen den Typen 1 und 2 besteht ein Recycling-Zusammenhang, was durch die Anwendbarkeit der da-Satz-Probe auf beide Typen im Übrigen auch Eggs bestätigt. Typ 2 ist demnach ein als Apposition recyceltes Freies als-Prädikativ, das ich Prädikativappositiv nenne. Auch Typ 3 ist recycelt, eine Analogie besteht jedoch nicht zum Freien als-Prädikativ, sondern zum ins dynamische Prädikat integrierten als-Prädikativ:87 (48) Hanna arbeitete als deutsche Sprecherin bei BBC. (Frisch Homo: 176) → Hannas Arbeit Prädikativals deutsche Sprecherinattribut bei BBC.

Prädikativ­ attribut Rolle und Illustration

Dieses als Attribut recycelte dynamische Prädikativ nenne ich Prädikativattribut. Kehren wir, das Thema abschließend, kurz zu den Typen 1 und 2 zurück. Während als, wenn es nicht modal (komparativ) zum Einsatz kommt, „funktional-selektiv“ verwendet wird, d.  h. eine Rolle (/Funktion) ausdrückt (X als Germanist/Sprecherin) (Eggs 2006: 186  ff.), wird das Präpositionssimulat wie „illustrativ“ gebraucht (Eggs 2006: 352  ff.). Im folgenden Beleg werden durch Roman, Gedicht und Reportage (herkömmliche) Literaturgattungen illustriert: (49) Herkömmliche Literaturgattungen (dummy- wie Roman, Gedicht oder Reportage werden um diverse Untergattungen erweitert […]. Präpositionalgruppe) (Der Spiegel, 02. 12. 1996, zit. n. Eggs 2006: 352)

Konverse

Bei den Typen 1 und 2 lassen sich Rolle und Illustration als konverse Relationen begreifen: (45)

Als einfache Prinzessin als-Prädikativ) muß sie [i.e. Diana] nun jeden Tag einen Hofknicks vor ihren beiden Söhnen machen. (taz, 29. 07. 1996, zit. n. Eggs 2006: 206)

(Freies

87 Der Typ arbeiten als wurde als dynamischer Kopulaausdruck, das Prädikat als Prädikativ­ konstruktionsträger (Prädikativprädikat) interpretiert (Kap. III/2.2.2).

Attribute 

 785

Eine einfache Prinzessin Modal(adverbial)-wie sieappositiv muß nun jeden Tag einen Hofknicks vor ihren beiden Söhnen machen. (46) Sie können doch von mir Prädikativals katholischem Priesterappositiv nicht verlangen, daß ich eine Frau darin bestärke, im Konkubinat zu verharren. (Heinrich Böll, Ansichten eines Clowns, 129, zit. n. Eggs 2006: 206) → Sie können doch von einem katholischen Priester Modal(adverbial)-wie mirappositiv nicht verlangen, daß ich eine Frau darin bestärke, im Konkubinat zu ver­ harren.



Eine Aussage wie X ist Y (z.  B. ich bin katholischer Priester) lässt sich auf der Mikro­ ebene aus beiden Perspektiven recyceln: 1. rollenzuweisend: X als Y (ich als katholischer Priester) oder umgekehrt 2. illustrativ: Y wie X (ein katholischer Priester wie ich) Signifikativ-semantisch gibt es möglicherweise keinen Unterschied zwischen Illustration und Vergleich. Betrachten wir hierzu folgende Vergleiche:

Illustration und Vergleich

(50) Der Himmel (Prädikativ- Ko-warpf Ke-grau wie der Asphalt auf den Radrenn­ bahnenrn gefüge). (Kästner Fabian: 36) (51) […] sie wankte durch den Flur (Modal- wie ein Kind adverbial) […]. (Ruge Zeiten: 125) Ein Vergleich setzt (mindestens) zwei Relata und eine Vergleichsbasis (grau, wankte) voraus. Ein Vergleich ist (signifikativ-semantisch) immer asymmetrisch, findet also immer aus der Perspektive des einen Relatums statt. Dieses nenne ich das Bezugsrelatum (Der Himmel, sie). Das andere ist das Vergleichsrelatum (der Asphalt…, ein Kind). In beiden Fällen lassen sich die durch wie angeschlossenen Vergleichsrelata als durch die jeweilige Vergleichsbasis vermittelten Illustrationen der Bezugsrelata begreifen. Dies ist die Folge der (unhintergehbaren) asymmetrischen Perspektivierung. Entsprechend lässt sich eine illustrative wie-Gruppe in einer Substantivgruppe (ein katholischer Priester wie ich) genauso wie Typ 2, d.  h. die konverse rollenzuweisende als-Gruppe in einer Substantivgruppe (ich als katholischer Priester), als recyceltes Appositiv auffassen. Direkte Analogie besteht dabei zum modaladverbialen Typ, bei dem beide Relata Substantive sind (sie, Kind). Deshalb nenne ich dieses Appositiv Modal(adverbial) appositiv. Soviel zur Appositionsproblematik. Das zweite Thema ist ein ‚Überbleibsel‘ der Diskussion über Wort(gruppen)kombinationen des Typs hier am Knie (Kap. IV/1.2). Offen geblieben ist die Frage, wie der Typ mit Wortstellungsumkehrung (am Knie hier) zu interpretieren ist. Wiederholen wir hierzu folgenden Beleg:

Vergleichs­ terminologie

Vergleich als Illustration

Modal­ (adverbial) appositiv Adverbial­ attribut

786 

(23) → →

Semantik

Syntax

 Wortgruppenglieder: die grammatischen Mikroglieder von Texten

Auf (Substantiv- unserer Rückfahrt Temporal(adverbial)-(Ad- damals verb)attrimachten wir überhaupt keinen Stop […]. (Frisch Homo: 83) Auf (Substantiv- unserer Rückfahrt gruppe) gruppe) adverbial) machten wir (Temporal- (Präpositionalüberhaupt keinen Stop. Damals verb) adverbial) machten wir überhaupt keinen Stop. (Temporal- (Ad(Temporal- (Präpositionalbut gruppe) gruppe) adverbial)

Wie die vereinfachenden Umformungen zeigen, handelt es sich scheinbar um die Kombination einer Präpositionalgruppe und eines Adverbs, da beide auch alleine als Temporaladverbiale fungieren könnten. Doch ist dem aufmerksamen Leser der semantische Unterschied nicht entgangen: Nur die im Originalbeleg erstplatzierte Präpositionalgruppe bewahrt den (grau markierten) verhältnisadverbialen Temporalwert des Originalbelegs. Das Adverb hingegen stellt alleine ein Situativadverbial dar. Aber nicht nur der Ausgang des semantischen Tests deutet darauf hin, dass hier keine Wort(gruppen)kombination vorliegt, sondern auch die Reduktion der Präpositionalgruppe auf ihren Kern, die Substantivgruppe, bei der der Temporalattributwert des Adverbs unangetastet bleibt: (23’)

(Substantiv-

Unsere Rückfahrt Temporal(adverbial)-(Ad- damals verb)attribut war schön.

Analog sind dann die Fälle zu interpretieren, bei denen eine postnominale Präpositionalgruppe in eine Substantivgruppe oder in eine Präpositionalgruppe integriert ist:88 (28) (52)

adnominaler possessiver Dativ

Das Gestrüpp Lokal(adverbial)-(Präpositional- am Bach gruppe)attribut gruppe) war aus Stielbonbons. (Kästner 35. Mai: 67) Vor (Substantiv- dem Amtsgericht Lokal(adverbial)-(Präpositional- in Birglar gruppe)attri(Präpositionalbut fand im Frühherbst des vorigen Jahres eine Verhandlung statt, gruppe) gruppe) über deren Verlauf die Öffentlichkeit nur sehr wenig erfuhr. (Böll Dienstfahrt: 5) (Substantiv-

Das dritte und abschließende Thema ist der angekündigte typologische Sonderfall, der sog. adnominale possessive Dativ, der in der Attributklassifikation Dativattribut heißt:

88 Analog zu der Relation ‚Gestrüpp – am Bach‘ ist die Relation ‚Amtsgericht – in Birglar‘. Nicht ganz analog sind dagegen die Wortstellungalternativen: Durch Topikalisierung wird das Lokal(adverbial) attribut am Bach zum Lokaladverbial, bekommt also einen eigenen Satzgliedwert (Am Bach war das Gestrüpp aus Stielbonbons.). Hingegen bleibt der Originalsatzgliedwert von Vor dem Amtsgericht in Birglar erhalten, wenn das Lokal(adverbial)attribut in Birglar topikalisiert wird (In Birglar fand im Frühherbst des vorigen Jahres vor dem Amtsgericht eine Verhandlung statt.). Dabei ist das gespaltene Lokaladverbial (In Birglar…vor dem Amtsgericht) am ehesten wohl als Wort(gruppen)kombination aufzufassen.

Attribute 

(53)

 787

Dem Fremdenattribut seine Hände gruppe) da sind nicht aus Pappe […]. (Anna Seghers, Das siebte Kreuz, 121, zit. n. Schmid 1988: 150) (Substantiv-

Dativ

Warum ist das ein Sonderfall und warum ein typologischer Sonderfall? Der Possessor (Besitzer) wird in einer kanonischen Substantivgruppe komplementär ausgedrückt: kategorematisch (,pronominal‘) oder lexematisch (,nominal‘). In Anlehnung an frühere Arbeiten (Ágel 1993b: 41  ff. und 1993c) nenne ich den kategorematischen Possessorausdruck Mikro-Possessor (= poss), den lexematischen MakroPossessor (= POSS):

Sonderfall

(53) (a) [poss Seine] Hände da sind nicht aus Pappe. (b) Die Hände [POSS des Fremden] da sind nicht aus Pappe. Dass der adnominale possessive Dativ ein Sonderfall ist, sieht man daran, dass hier sowohl der Makro- wie auch der Mikro-Possessor realisiert werden: → [[POSS dem Fremden] poss seine] Hände Die deiktische Realisierung des Makro-Possessors, allerdings nur in der dritten Person, ist ebenfalls unproblematisch:89

Deixis/Phorik

(54) [[POSS  dem] poss seine] Frau / [[POSS  der] poss ihr] Mann (Beispiele n. Wegener 1985: 49) Dasselbe gilt für die phorische Realisierbarkeit: (55) [[POSS ⇐ ihm] poss sein] Haus (Beispiel n. Schmid 1988: 145) (56) [[POSS ⇐ Ihnen] poss Ihre] Ansichten interessieren mich nicht. (Beispiel n. Zifonun 2003a: 100) Die Realisierung des Makro-Possessors im Dativ ist ebenfalls ein Sonderfall. Denn im Bereich der Kasuskategorisierung gibt es eine klare Arbeitsteilung: Nominativ, Akkusativ und Dativ haben sich auf den verbalen, der Genitiv auf den substantivischen Bereich spezialisiert (Kap. IV/1.2). Der Dativ als Attributkasus ist also in der gegenwartsdeutschen Standardsprache nicht vorgesehen (s. auch Zifonun 2003a: 102). Sprachtypologisch gesehen ist allerdings „double-marking“, d.  h. die doppelte morphologische Markierung des Possessors durchaus typisch und auch in Europa

89 Nach der überzeugenden Erklärung von Zifonun (2003a: 109) ist der Possessor bei mein/unser, nämlich der Sprecher, bzw. bei dein/euer, nämlich der Adressat, im jeweiligen deiktischen Mikro-Possessor bereits „inkorporiert“, was bei anaphorischem sein/ihr ja nicht der Fall ist. Der anaphorische Possessor sein/ihr braucht ein Antezedens. Dieses kann der Makro-Possessor, aber auch eine andere Substantivgruppe im Text sein.

Dativ ≠ Nominal­ kasus

typologischer Exkurs

788 

 Wortgruppenglieder: die grammatischen Mikroglieder von Texten

verbreitet (Koptjevskaja-Tamm 2003: 639  ff.). Im Ungarischen lässt sich „doublemarking“ als die sukzessive Expansion von „Head-marking“ beschreiben (Artdef = bestimmter Artikel, Dat = Dativsuffix):90 Headmarking

(57) ház [keine Possessormarkierung] Haus → háza [head-marking, nur Mikro-Possessor] [poss Haus-sein/ihr]91 → (az) apa háza [head-marking mit Makro-Possessor] [[POSS (Artdef ) Vater] poss Haus-sein/ihr] → (az) apának a háza [double-marking] [[POSS (Artdef ) VaterDat (Artdef )] poss Haus-sein/ihr] Dies ist eine konzentrische Struktur (Milewski 1967, Ágel 2000: 215  ff.), d.  h., die Realisierung des Makro-Possessors (ohne oder mit Dativmarkierung) setzt die Realisierung des Mikro-Possessors voraus. Die Eliminierung des Mikro-Possessors führt zu ungrammatischen Strukturen: → *(az) apa ház [[POSS (Artdef ) Vater] Haus] → *(az) apának a ház [[POSS (Artdef ) VaterDat (Artdef )] Haus]

konzentrische Struktur

[Makro-Possessor ohne Dativ] [Makro-Possessor mit Dativ]

Nun können wir aufs Deutsche zurückkommen, wo die Situation durchaus vergleichbar ist. Nur der Mikro-Possessor lässt sich ohne den Makro-Possessor realisieren: → [poss seine] Hände → *[POSS dem Fremden] (die) Hände Dabei hängt, wie wir sehen, die Ungrammatikalität nicht mit dem fehlenden Artikel, sondern ausschließlich mit dem Fehlen des Mikro-Possessors zusammen.

90 Die Einteilung in kopfmarkierende („Head-marking“) und dependensmarkierende („Dependentmarking) Sprachen stammt von Nichols (1986), die sich ihrerseits auf Milewskis Konzept von konzentrischen und exzentrischen Sprachen stützt (Milewski 1967). U. a. auf diesen Konzepten basiert der Ansatz der strukturellen Valenzrealisierung mit Mikro- und Makrovalenz(realisierung), das in der vorliegenden Arbeit mehrfach zum Tragen kam (z.  B. Kap. III/2.2.3), und auch die typologisch analoge Interpretation der Possessorrealisierung (Mikro- und Makro-Possessor) in Ágel 1993b und 1993c. Die Typologie der Possessorrealisierung von Koptjevskaja-Tamm (2003) basiert ebenfalls auf Nichols‘ Einteilung. Auf derselben typologischen Grundlage entwickelt auch Zifonun (2003a) ihre Interpretation der deutschen Struktur. Formalgrammatisch ist das strukturelle Beschreibungsproblem noch ungelöst (Ogawa 2005: 156  ff.). 91 Im Ungarischen gibt es kein Genus. Das Possessivsuffix (-a) bezieht sich also auf weibliche wie männliche Possessoren. Vergleichbares gibt es in manchen bairischen Dialekten, in denen der MikroPossessor sein genusneutral ist: meiner Schwester sein Hund (Schmid 1988: 144).

Attribute 

 789

Der Unterschied zum Ungarischen ist weniger syntaktischer als vielmehr morphologischer Natur: Im Ungarischen ist der Mikropossessor ein gebundenes Morphem, ein Suffix (-a), im Deutschen ein freies Morphem, ein „,linking‘ pronoun“ (Koptjev­ skaja-Tamm 2003: 665  ff.) oder „Verbindungspossessivum“ (Zifonun 2003a: 110), zwischen Makropossessor und substantivischem Kern. Der adnominale possessive Dativ ist eine konzentrische Struktur mit einem als Verbindungspossessivum realisierten Mikro-Possessor. Die kanonische, standardsprachliche Substantivgruppe des Deutschen hingegen ist im Sinne von Milewski (1967) exzentrisch. Die Realisierung des genitivischen Makro-Possessors (Genitivattributs) hängt ausschließlich von der Realisierung des substantivischen Kerns ab: →

exzentrische Struktur

(die/seine/ihre) Hände [POSS des Fremden]

Der adnominale possessive Dativ stellt also ein konzentrisches Kuckucksei in der sonst exzentrisch organisierten deutschen Substantivgruppe dar. Insofern ist der Sonderfall doch gar nicht so besonders. Denn die Arbeitsteilung zwischen den verbalen Kasus (Nominativ, Akkusativ und Dativ) und dem Genitiv als nominalem Kasus betrifft nur die exzentrische Grundstruktur der Standardsprache mit einem keinesfalls vom Aussterben bedrohten Genitivattribut. Dass die Alltagssprache und die Dialekte, die das Genitivattribut meiden oder gar nicht kennen, auf eine konzentrische Struktur ausweichen, ist folglich normal und strukturell auch erwartbar. Nach der Klassifikation der Attribute wurde schwerpunktmäßig die Appositionsproblematik behandelt. Diese betrifft mehrere Attributtypen (Appositivattribut (,enge Apposition‘), Prädikativattribut, Prädikativappositiv, Modal(adverbial)appositiv) und das Wortgruppenrandglied (,lockere Appo­ sition‘)). Wortgruppenrandglieder sind wie Satzrandglieder Nichtsätze und stellen Verlängerungen möglicher Wortgruppen dar. Sie sind Mikroglieder, aber keine Attribute. Unter den Appositivattributen stellen Numerativkonstruktionen (zwei Liter Milch, ein Schluck Tee, mit einem bisschen Stimme) wegen der graduellen (Nicht-)Weglassbarkeit des Attributs besondere theoretische Probleme dar. Eine besondere Numerativkonstruktion ist die mit Quasi-Numeralklassifikatoren (ein Stück Streuselkuchen, zwei Stangen Spargel). Rollenzuweisende referenzidentische als-Gruppen (ich als katholischer Priester) und  – konverse  – illustrative wie-Gruppen (ein katholischer Priester wie ich) wurden als recycelte Appositive (Prädikativappositiv und Modal(adverbial)appositiv), rollenzuweisende nicht referenzidentische als-Gruppen (sein Rücktritt als Entwicklungsberater) als recycelte Attribute (Prädikativattribut) rekonstruiert. Das Dativattribut, d.  h. der adnominale possessive Dativ (dem Vater sein Haus), ist ein (strukturell erwartbarer) typologischer Sonderfall: eine konzentrische (Head-marking) Struktur in der sonst exzentrischen (Dependent-marking) Substantivgruppe.

konzentrisches Kuckucksei

V Apparat

1 Leittext SIEGFRIED LENZ

Total entspannt Mit seiner grundsympathischen Novelle »Landesbühne« hat sich Siegfried Lenz einen Spaß erlaubt VON Jochen Jung | 24. September 2009 – 08:00 Uhr

Hannes sagt: »Bald wird etwas geschehen.« Und in der Tat: Seltsames geschieht, ja geradezu Unerhörtes. Schauplatz ist das Gefängnis Isenbüttel, dessen Insassen zumeist Kleinkriminelle sind, die hier ihre paar Jahre absitzen. Hannes zum Beispiel hatte sich eine Polizeikelle besorgt und damit Schnellfahrer angehalten und den Verschreckten ein Bußgeld abgeknöpft. Erst als er eine Zivilstreife gestoppt hatte, war der Spaß zu Ende. Hannes, im Übrigen nicht besonders redselig, teilt die Zelle mit dem Erzähler dieser Geschichte, aus dessen Leben Hannes erstaunlich viel mitzuteilen weiß und den er »Professor« nennt. Das war er auch, für Literatur sogar, Spezialgebiet Sturm und Drang, bis aufflog, dass er sich selbst zu oft als Stürmer und Bedränger gefallen und die hübschesten und schlechtesten Studentinnen mit Höchstlob durchs Examen geschleust hatte. Vier Jahre Isenbüttel hat das dem Professor eingebracht, und zwei davon sind erst rum. Jetzt aber öffnet sich das Tor zum Gefängnishof, und ein Bus rollt ein, an dessen Seite groß das Wort »Landesbühne« aufgemalt ist. Ein Stück soll aufgeführt werden, im Speisesaal. Es heißt Das Labyrinth und handelt von zwei älteren Damen, die in einem Hamburger Vorgarten ein echtes Labyrinth haben, in dem man zur Verbesserung der Welt tatsächlich Leute, die es nicht anders verdient haben, zum Verschwinden bringen kann. Die beiden heißen Trudi und Elfi und sind weitläufig verwandt mit den Brewster-Tanten aus Arsen und Spitzenhäubchen. Wie das Stück ausgeht, erfährt man allerdings nicht. Nachdem es schon die längste Zeit versteckte Zeichen und Verabredungen gegeben hat, nimmt Hannes seinen Professor und führt ihn zum Landesbühnen-Bus, in dem es sich bereits ein gutes Dutzend der sogenannten Insassen halbwegs bequem gemacht hat. Kurz darauf öffnet ein ahnungsloser Torhüter die Pforte, und draußen sind sie. Weit kommen sie nicht. Das aber nur deswegen, weil sie schon bald ein Transparent über der Chaussee entdecken: »Grünau heißt euch willkommen zum Nelkenfest«, und diese schöne Einladung können sie einfach nicht ausschlagen. Grünau scheint eine fröhliche und erstaunlich kulturversessene Gemeinde, wie es auch in Schleswig-Holstein nicht so viele gibt. Als die Grünauer sehen, dass die Landesbühne sie zu ihrem Fest beehrt, sind sie begeistert. Die Insassen sind immerhin so geistesgeDOI 10.1515/9783110409796-014

794 

 Apparat

genwärtig, das Schauspielen erst mal auf die lange Bank zu schieben, und empfehlen sich mit ihren Sangeskünsten, die sie als braver Gefangenenchor in Isenbüttel trainiert haben. Und was singen sie? »Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt.« Na denn. Das Fest geht weiter, es gibt Kartoffelsalat und Würstchen, und die Truppe wird von der Grünauer Bevölkerung sozusagen zunehmend angenommen, ja sogar zarte Bande werden geknüpft, die immerhin Anlass zu einem Satz wie diesem geben: »So ist es, manchmal geschieht etwas im Leben, mit dem man sich abfinden muss.« Genau das tun die Männer nun aber gar nicht, sie finden sich überhaupt nicht ab, im Gegenteil, gerade Hannes arbeitet kräftig an ihrer Grünauer Eingemeindung, unterstützt vor allem vom kunstsinnigen Bürgermeister, und da wir hier ja nicht die ganze Geschichte nacherzählen sollten, raffen wir mal etwas zusammen und teilen nur so viel mit, dass der Professor Volkshochschulvorträge hält  – natürlich zum Thema Sturm und Drang – und Hannes in kürzester Zeit ein vollständiges Heimat­ museum einrichtet und auch eröffnet. Ein Fußballspiel gibt es ebenfalls, eine Mädchengarde und eine Feuerwehrkapelle, Gäste kommen aus nah und fern  – Husum etwa und Eckernförde –, aber ehe die Sache dann doch etwas matt wird, kommt es noch zu einer Art Ordensverleihung, bei der es die Nelke in Bronze, Silber und Gold gibt und die das ganze Geschehen noch einmal dekorativ und dekorierend zusammenfasst und hochzieht, Beifall rauscht auf, und »fast begann abgestandenes Bier in den Gläsern zu schäumen«. Dann aber wie gewonnen, so zerronnen: Polizisten waren sowieso schon da und dort aufgetaucht und schnupperten herum, selbst der Gefängnisdirektor saß auf einmal da, Zwischenfälle hat es gegeben – leider in der Gegend von Eckernförde –, und schnapp! sitzen sie wieder im Bus und bald darauf in ihrem Pisspott namens Isenbüttel. Oje. Hannes scheint zu resignieren, der Professor schreibt Tagebuch, der Zellennachbar hängt sich auf, und dann kommt auch noch ein weiteres Mal – die Landesbühne. Und was spielen sie? Warten auf Godot. Das gibt natürlich wieder Anlass zu ein paar schwersinnigen Sätzen, aber am Ende auch dazu, dass ein Gefängnisdirektor seine Memoiren schreibt, um sie dann im Verlag Hoffman und Breitner zu veröffentlichen. Und, was das Schönste ist: Zwei Zellengenossen sind Freunde geworden. Ist das nun alles glaubwürdig? Dumme Frage. Wir sind hier nicht beim Amts­ gericht. Zu dem Theaterstück Das Labyrinth wird einmal gesagt, es sei »eine Geschichte, in der das Fantastische im Wirklichen aufging«. Nun, hier ist es wohl eher umgekehrt. Aber wie auch immer: Die Freiheiten, die sich aus solchem Erzählen ergeben, hat Siegfried Lenz weidlich und mit offenkundigem Vergnügen genutzt. Und ehe jetzt jemand etwas von Abgeklärtheit und womöglich gar Altersweisheit erzählt, darf gesagt werden, dass sich der Autor hier in erster Linie einen ordentlichen Spaß erlaubt hat – neugierig darauf, wie weit man mit realistischen Mitteln dem Unerhörten auf der Spur bleiben kann.

Leittext 

 795

Wann spielt das alles? Irgendwie wohl doch in ferneren Zeiten. Oder hat der Professor die ganze Geschichte nur nach einer langen Nacht mit einer seiner bedürftigen Studentinnen geträumt? Ach was. Es gilt das geschriebene Wort, und erzählt ist erzählt. Und wenn Siegfried Lenz erzählt, hat das Erzählte immer und in jedem Fall etwas Herzliches, das, was man gemeinhin grundsympathisch nennt. Wobei man zu bedenken geben muss, dass, wenn man so grundsympathisch von einer Welt erzählt, die ja eher nicht so herzlich und grundsympathisch ist, das Herzliche gelegentlich auch ein wenig ins Nette rutschen kann, was dann der Schärfe unserer Tage nicht so voll und ganz entspricht. Aber weil Siegfried Lenz vor allem auch ein erfahrener Autor ist, hat er die Sache deswegen gleich etwas ins Zeitferne gerückt. Und trifft sich damit auf überraschende Weise mit dem Autor der Leute von Seldwyla, an die man beim Lesen dieser Novelle sowieso schon zurückgedacht hat. Auch Gottfried Keller kennt ja das Wunderliche, den schrägen Blick auf die Gesellschaft und auch das Herzliche (das Nette allerdings ganz und gar nicht), und auch er wusste, dass das mit der Gegenwart nicht immer so gut zusammenging. So schrieb er denn in seiner Vorrede zum zweiten Band seiner Novellensammlung, seine Seldwyler sähen »schon aus wie andere Leute; es ereignet sich nichts mehr unter ihnen, was der beschaulichen Aufzeichnung würdig wäre, und es ist daher an der Zeit, in ihrer Vergangenheit und den guten lustigen Tagen der Stadt noch eine kleine Nachernte zu halten«. So eine Nachernte ist es denn wohl auch, was wir mit dieser ganz und gar entspannten Geschichte in den Händen halten. Copyright: DIE ZEIT, 24. 09. 2009 Nr. 40 Adresse: http://www.zeit.de/2009/40/L-B-Lenz (Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Zeitverlags, Hamburg.)

2 Quellen 2.1 Leittext Jung Lenz = Jung, Jochen (2009): Siegfried Lenz. Total entspannt. Mit seiner grundsympathischen Novelle »Landesbühne« hat sich Siegfried Lenz einen Spaß erlaubt. In: DIE ZEIT 40 (24. 09. 2009). Online: http://www.zeit.de/2009/40/L-B-Lenz.

2.2 Weitere Quellen Barwasser Was = Barwasser, Frank-Markus (Erwin Pelzig) (2005): Was wär’ ich ohne mich?. München: Piper (Piper 4374). Böll Aufenthalt = Böll, Heinrich (1967): Aufenthalt in X. In: Wanderer, kommst du nach Spa… Erzählungen. München: DTV (dtv 437), 72–80. Böll Botschaft = Böll, Heinrich (1967): Die Botschaft. In: Wanderer, kommst du nach Spa… Erzählungen. München: DTV (dtv 437), 67–71. Böll Dienstfahrt = Böll, Heinrich (1969): Ende einer Dienstfahrt. München: DTV (dtv 566). Böll Hundefänger = Böll, Heinrich (1966): Bekenntnis eines Hundefängers. In: Nicht nur zur Weihnachtszeit. Satiren München: DTV (dtv 350), 56–58. Böll Murke = Böll, Heinrich (1966): Dr. Murkes gesammeltes Schweigen. In: Nicht nur zur Weihnachtszeit. Satiren München: DTV (dtv 350), 87–112. Böll Trunk = Böll, Heinrich (1967): Trunk in Petöcki. In: Wanderer, kommst du nach Spa… Erzählungen. München: DTV (dtv 437), 44–47. Brednich Geschichten = Brednich, Rolf Wilhelm (1994): Sagenhafte Geschichten von heute. München: Beck. Brussig Sonnenallee = Brussig, Thomas (2009): Am kürzeren Ende der Sonnenallee. Frankfurt am Main: Fischer. Bruyn Forschungen = Bruyn, Günter de (1978): Märkische Forschungen. Erzählung für Freunde der Literaturgeschichte. 6. Aufl. Halle/Leipzig: Mitteldeutscher Verlag. bundesdeutsch = Wiemer, Rudolf Otto (1974) (Hg.): bundesdeutsch lyrik zur sache grammatik. Wuppertal: Hammer. Chandler good-bye = Chandler, Raymond (1959): The Long Good-Bye. Harmondsworth: Penguin Books. Delius Held = Delius, Friedrich Christian (1981): Ein Held der inneren Sicherheit. Roman. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt (rororo 5469). Freud Moses = Freud, Sigmund (1914): Der Moses des Michelangelo. In: Freud, Anna (Hg.) (1981): Freud, Sigmund: Gesammelte Werke. Bd. X. Werke aus den Jahren 1913–1917. Frankfurt am Main: Fischer, 172–201. Frisch Andorra = Frisch, Max (1975/2015): Andorra. Stück in zwölf Bildern. Frankfurt am Main: Suhrkamp (st 277). Frisch Homo = Frisch, Max (1957/1972): Homo faber. Ein Bericht. Frankfurt am Main: Suhrkamp (BS 87). Glattauer Nordwind = Glattauer, Daniel (2008): Gut gegen Nordwind. München: Goldmann (46586). Glattauer Wellen = Glattauer, Daniel (2011): Alle sieben Wellen. München: Goldmann (47244). Haas Leben = Haas, Wolf (2004): Das ewige Leben. München/Zürich: Piper (piper 4095). Haas Silentium = Haas, Wolf (1999): Silentium. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag (rororo 23822). Haas Tiere = Haas, Wolf (2001): wie die tiere. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. DOI 10.1515/9783110409796-015

Quellen 

 797

Haffner Bismarck = Haffner, Sebastian (1987): Von Bismarck zu Hitler. Ein Rückblick. München: Kindler. Handke Bewegung = Handke, Peter (1975): Falsche Bewegung. Frankfurt am Main: Suhrkamp (st 258). Hein Freund = Hein, Christoph (1982/1987): Der fremde Freund. Novelle. 5. Aufl. Berlin/Weimar: Aufbau. Hennig von Lange Relax = Hennig von Lange, Alexa (1997): Relax. Hamburg: Rogner & Bernhard. Hildebrandt achtzig = Hildebrandt, Dieter (2007): Nie wieder achtzig! München: Blessing. hutten post = hutten, katrine von (2013): ungeschickte post. Poskartengedichte. Homburg: invoco. Kästner 35. Mai = Kästner, Erich (1931): Der 35. Mai oder Konrad reitet in die Südsee. Berlin: Dressler. Kästner Fabian = Kästner, Erich (1931): Fabian. Die Geschichte eines Moralisten. In: Erich Kästner. Gesammelte Schriften für Erwachsene. Bd. 2. Romane I. München/Zürich: Droemer Knaur, 7–193. Kehlmann Ruhm = Kehlmann, Daniel (2009): Ruhm. Ein Roman in neun Geschichten. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. Kehlmann Vermessung = Kehlmann, Daniel (2005): Die Vermessung der Welt. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. Kleist Findling = Kleist, Heinrich von (1811): Der Findling. In: Heinrich von Kleist. Erzählungen. Frankfurt am Main/Leipzig: Insel Verlag 1997, 225–243. Lenz Deutschstunde = Lenz, Siegfried (1973): Deutschstunde. München: DTV (dtv 944). Lenz Landesbühne = Lenz, Siegfried (2009): Landesbühne. Hamburg: Hoffmann und Campe. Lenz Nachlaß = Lenz, Siegfried (2001): Arnes Nachlaß. Roman. München: DTV (dtv 12915). Liebmann Berlin = Liebmann, Irina (2002): In Berlin. Roman. Berlin: Berliner Taschenbuch Verlag. Maar Lippel = Maar, Paul (1984): Lippels Traum. Hamburg: Oetinger. Mann Tagebücher = Mann, Thomas (1978): Tagebücher (1935–1936). Hg. v. Peter de Mendelssohn. Frankfurt am Main: Fischer. Mann Kröger = Mann, Thomas (1903): Tonio Kröger. In: Thomas Mann. Die Erzählungen. Bd. 1. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag 1976, 205–256. Menzel 55 = Menzel, Wolfgang (2004): 55 Texte erzählter Grammatik. Braunschweig: Westermann. Reinig Bittschrift = Reinig, Christa (1986): Japanische Bittschrift. In: Christa Reinig. Gesammelte Erzählungen. Darmstadt/Neuwied: Luchterhand (SL 656), 65–66. Reinig Trinkgeld = Reinig, Christa (1986): Das Trinkgeld. In: Christa Reinig. Gesammelte Erzählungen. Darmstadt/Neuwied: Luchterhand (SL 656), 66–71. Reuter Schelmuffsky = Reuter, Christian (1696/1972): Schelmuffskys wahrhaftige curiöse und sehr gefährliche Reisebeschreibung zu Wasser und Lande. Leipzig: Dieterich (Sammlung Dieterich 346). Ruge Zeiten = Ruge, Eugen (2011): In Zeiten des abnehmenden Lichts. Roman einer Familie. Reinbek bei Hamburg: Rowolt. Schnitzler Gustl = Schnitzler, Arthur (1901): Leutnant Gustl. In: Deutschsprachige Erzähler. Von Hauptmann bis Kafka. Leipzig: Dietrich 1982, 136–176. Schädelin Eugen = Schädelin, Klaus (1955): Mein Name ist Eugen. Zürich: Theologischer Verlag. Schädlich Kokoschkin = Schädlich, Hans Joachim (2010): Kokoschkins Reise. Roman. Reinbek bei Hamburg: Rowolt. Strittmatter Bienkopp = Strittmatter, Erwin (2003): Ole Bienkopp. Roman. Leipzig: Faber & Faber. [Erstausgabe: Berlin: Aufbau 1963] Timm Bruder = Timm, Uwe (2006): Am Beispiel meines Bruders. München: DTV (dtv 8616). [Erstausgabe: Köln: Kiepenheuer & Witsch 2003] Timm Currywurst = Timm, Uwe (1993): Die Entdeckung der Currywurst. Köln: Kiepenheuer & Witsch.

798 

 Apparat

Timm Johannisnacht = Timm, Uwe (2007): Johannisnacht. 9. Aufl. München: DTV (dtv 12592). Timm Kopfjäger = Timm, Uwe (1991): Kopfjäger. Bericht aus dem Inneren des Landes. Köln: Kiepenheuer & Witsch. Timm Mantel = Timm, Uwe: Der Mantel. In: Timm, Uwe (2001), 75–90. Timm Morenga = Timm, Uwe (1981): Morenga. Aufstand in Deutsch-Südwestafrika. Ein Roman um ein verdrängtes Kapitel deutscher Geschichte. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt (rororo 4705). Timm Nicht = Timm, Uwe: Nicht morgen, nicht gestern. In: Timm, Uwe (2001), 25–46. Timm Schließfach = Timm, Uwe: Das Schließfach. In: Timm, Uwe (2001), 91–111. Timm Sommer = Timm, Uwe (1977): Heißer Sommer. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt (rororo 4094). Timm, Uwe (2001): Nicht morgen, nicht gestern. München: DTV (dtv 12891). [Erstausgabe: Köln: Kiepenheuer & Witsch 1999]

3 Literatur Actance et Valence 1998 = Feuillet, Jack (Hg.): Actance et Valence dans les Langues de l’Europe. Berlin/New York: Mouton de Gruyter (Empirical Approaches to Language Typology Eurotyp 20–2). AdA = Elspaß, Stefan/Möller, Robert: Atlas zur deutschen Alltagssprache (http://www.atlasalltagssprache.de). Adam, Jean-Michel (2005): La linguistique textuelle. Introduction à l’analyse textuelle des discours. Paris: Armand Collin. Admoni, Wladimir G. (1953/2002): Zu einigen Gesetzmäßigkeiten der Entwicklung des syntaktischen Baus der Sprache. In: Ders.: Sprachtheorie und deutsche Grammatik. Aufsätze aus den Jahren 1949–1975. Hg. von Vladimir Pavlov/Oskar Reichmann. Tübingen: Niemeyer, 35–61. Admoni, Wladimir G. (1990): Historische Syntax des Deutschen. Tübingen: Niemeyer. Ágel, Vilmos (1988): Überlegungen zur Theorie und Methode der historisch-synchronen Valenzsyntax und Valenzlexikographie. Mit einem Verbvalenzlexikon zu den Denkwürdigkeiten der Helene Kottannerin (1439–1440). Tübingen: Niemeyer (Lexicographica Series Maior 25). Ágel, Vilmos (1993): Gebt endlich die Grenze zwischen Wortbildung und Syntax frei! Aktiv und Passiv in der deutschen Nominalphrase. In: Deutsche Sprache 21, 128–142. Ágel, Vilmos (1993a): Ist die Dependenzgrammatik wirklich am Ende? Valenzrealisierungsebenen, Kongruenz, Subjekt und die Grenzen des syntaktischen Valenzmodells. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 21, 20–70. Ágel, Vilmos (1993b): Valenzrealisierung, finites Substantiv und Dependenz in der deutschen Nominalphrase. Hürth: Gabel (KLAGE 29). Ágel, Vilmos (1993c): Dem Jubilar seine Festschrift: Ein typologisches Kuckucksei in der deutschen Substantivgruppe. In: Bassola, Péter/Hessky, Regina/Tarnói, László (Hg.): Im Zeichen der ungeteilten Philologie. Festschrift für Professor Dr. sc. Karl Mollay zum 80. Geburtstag. Budapest (Budapester Beiträge zur Germanistik 24), 1–18. Ágel, Vilmos (1996): Was gibtʼs Neues übers Passiv? Funktion, Typen, Bildung. In: Deutschunterricht für Ungarn 11/II, 76–87. Ágel, Vilmos (1996a): Passiv und kein Ende: Rezipientenpassive. In: Deutschunterricht für Ungarn 11/III, 48–62. Ágel, Vilmos (1996b): Finites Substantiv. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 24, 16–57. Ágel, Vilmos (1997): Reflexiv-Passiv, das (im Deutschen) keines ist. Überlegungen zu Reflexivität, Medialität, Passiv und Subjekt. In: Dürscheid, Christa/Ramers, Karl Heinz/Schwarz, Monika (Hg.): Sprache im Fokus. Festschrift für Heinz Vater zum 65. Geburtstag. Tübingen: Niemeyer, 147–187. Ágel, Vilmos (1997a): Ist der Gegenstand der Sprachwissenschaft die Sprache? In: Kertész, András (Hg.): Metalinguistik im Wandel. Die ‚kognitive Wende‘ in Wissenschaftstheorie und Linguistik. Frankfurt am Main et al.: Lang (Metalinguistica 4), 57–97. Ágel, Vilmos (1999): Grammatik und Kulturgeschichte. Die raison graphique am Beispiel der Epistemik. In: Gardt, Andreas/Haß-Zumkehr, Ulrike/Roelcke, Thorsten (Hg.): Sprachgeschichte als Kulturgeschichte. Berlin/New York: de Gruyter (Studia Linguistica Germanica 54), 171–223. Ágel, Vilmos (2000): Valenztheorie. Tübingen: Narr (Narr Studienbücher). Ágel, Vilmos (2000a): Syntax des Neuhochdeutschen bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. In: Besch, Werner/Betten, Anne/Reichmann, Oskar/Sonderegger, Stefan (Hg.): Sprachgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin/New York: de Gruyter (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 2.2), 1855–1903. DOI 10.1515/9783110409796-016

800 

 Apparat

Ágel, Vilmos (2001): Gegenwartsgrammatik und Sprachgeschichte. Methodologische Überlegungen am Beispiel der Serialisierung im Verbalkomplex. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 29, 319–331. Ágel, Vilmos (2003): Wort- und Ausdrucksvalenz(träger). In: Cornell, Alan/Fischer, Klaus/Roe, F. Ian (Hg.): Valency in Practice/Valenz in der Praxis. Oxford et al.: Lang (German Linguistic and Cultural Studies 10), 17–36. Ágel, Vilmos (2003a): Prinzipien der Grammatik. In: Lobenstein-Reichmann, Anja/Reichmann, Oskar (Hg.): Neue historische Grammatiken. Zum Stand der Grammatikschreibung historischer Sprachstufen des Deutschen und anderer Sprachen. Tübingen: Niemeyer (Reihe Germanistische Linguistik 243), 1–46. Ágel, Vilmos (2004): Phraseologismus als (valenz)syntaktischer Normalfall. In: Steyer, Kathrin (Hg.): Wortverbindungen – mehr oder weniger fest. Jahrbuch 2003 des Instituts für Deutsche Sprache. Berlin/New York: de Gruyter, 65–86. Ágel, Vilmos (2005): Wort-Arten aus Nähe und Distanz. In: Knobloch, Clemens/Schaeder, Burkhard (Hg.): Wortarten und Grammatikalisierung. Perspektiven in System und Erwerb. Berlin/New York: de Gruyter (Linguistik, Impulse & Tendenzen 12), 95–129. Ágel, Vilmos (2006): (Nicht)Flexion des Substantiv(s). Neue Überlegungen zum finiten Substantiv. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 34, 286–327. Ágel, Vilmos (2007): Die Commonsense-Perspektivierung von labilen Verben im Deutschen. Ein Beitrag zur Theorie rezessiv-kausativer Alternationen. In: Lenk, Hartmut E. H./Walter, Maik (Hg.): Wahlverwandtschaften. Valenzen – Verben – Varietäten. Festschrift für Klaus Welke zum 70. Geburtstag. Hildesheim/Zürich/New York: Olms (Germanistische Linguistik 188–189), 65–88. Ágel, Vilmos (2007a): Was ist „grammatische Aufklärung“ in einer Schriftkultur? Die Parameter „Aggregation“ und „Integration“. In: Feilke, Helmuth/Knobloch, Clemens/Völzing, Paul-Ludwig (Hg.): Was heißt linguistische Aufklärung? Sprachauffassungen zwischen Systemvertrauen und Benutzerfürsorge. Heidelberg (Wissenschaftskommunikation 1), 39–57. Ágel, Vilmos (2008): Bastian Sick und die Grammatik. Ein ungleiches Duell. In: InfoDaF 35, 64–84. Ágel, Vilmos (2009): Strukturelle Offenheit mit Verstehenspräferenzen. Plädoyer für eine Neuorientierung in der Erforschung globaler Ambiguitäten. In: Linke, Angelika/Feilke, Helmuth (Hg.): Oberfläche und Performanz. Untersuchungen zur Sprache als dynamischer Gestalt. Tübingen: Niemeyer (Reihe Germanistische Linguistik 283), 137–159. Ágel, Vilmos (2010): Explizite Junktion. Theorie und Operationalisierung. In: Ziegler, Arne/Braun, Christian (Hg.): Historische Textgrammatik und Historische Syntax des Deutschen. Traditionen, Innovationen, Perspektiven. Bd. 1: Diachronie, Althochdeutsch, Mittelhochdeutsch. Bd. 2: Frühneuhochdeutsch, Neuhochdeutsch. Berlin/New York: de Gruyter, 897–936. Ágel, Vilmos (2010a): +/−Wandel. Am Beispiel der Relativpartikeln so und wo. In: Kodierungstechniken 2010, 199–222. Ágel, Vilmos (2012): Junktionsprofile aus Nähe und Distanz. Ein Beitrag zur Vertikalisierung der neuhochdeutschen Grammatik. In: Bär, Jochen A./Müller, Marcus (Hg.): Geschichte der Sprache – Sprache der Geschichte. Probleme und Perspektiven der historischen Sprach­ wissenschaft des Deutschen. Oskar Reichmann zum 75. Geburtstag. Berlin: Akademieverlag (Lingua Historica Germanica 3), 181–206. Ágel, Vilmos (2015): Die Umparametrisierung der Grammatik durch Literalisierung. Online- und Offlinesyntax in Gegenwart und Geschichte. In: Eichinger, Ludwig M. (Hg.): Sprachwissenschaft im Fokus. Positionsbestimmungen und Perspektiven. Jahrbuch 2014 des Instituts für Deutsche Sprache. Berlin/München/Boston: de Gruyter, 121–155. Ágel, Vilmos (2015a): Grammatik und Literatur. Grammatische Eigentlichkeit bei Kehlmann, Timm, Liebmann, Handke, Strittmatter und Ruge: In: Brinker-von der Heyde, Claudia/Kalwa, Nina/

Literatur 

 801

Klug, Nina-Maria/Reszke, Paul (Hg.): Eigentlichkeit. Zum Verhältnis von Sprache, Sprechern und Welt. Berlin/München/Boston: de Gruyter, 159–174. Ágel, Vilmos (2015b): Brisante Gegenstände. Zur valenztheoretischen Integrierbarkeit von Konstruktionen. In: Argumentstruktur 2015, 61–87. Ágel, Vilmos (2016): Obwohl (.) fährt der eigentlich auch am Sonntag? Der Verbzweit-Mythos. In: Handwerker, Brigitte/Bäuerle, Rainer/Sieberg, Bernd (Hg.): Gesprochene Fremdsprache Deutsch. Forschung und Vermittlung. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, 75–100. Ágel, Vilmos/Diegelmann, Carmen (2010): Theorie und Praxis der expliziten Junktion. In: Ágel, Vilmos/Hennig, Mathilde (Hg.): Nähe und Distanz im Kontext variationslinguistischer Forschung. Berlin/‌New York: de Gruyter, 347–396. Ágel, Vilmos/Fischer, Klaus (2010): Dependency Grammar and Valency Theory. In: Heine, Bernd/ Narrog, Heiko (Hg.): The Oxford Handbook of Linguistic Analysis. Oxford: Oxford University Press, 223–255. Ágel, Vilmos/Fischer, Klaus (2010a): 50 Jahre Valenztheorie und Dependenzgrammatik. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 38, 249–290. Ágel, Vilmos/Hennig, Mathilde (Hg.) (2006): Grammatik aus Nähe und Distanz. Theorie und Praxis am Beispiel von Nähetexten 1650–2000. Tübingen: Niemeyer. Ágel, Vilmos/Kehrein, Roland (2013): Sogenannte Koordinationsellipsen: von der Prosodie zur Theorie. In: Ellipse 2013, 107–158. Aikhenvald, Alexandra Y. (2003): Classifiers. A Typology of Noun Categorization Devices. Oxford: OUP (Oxford Studies in Typology and Linguistic Theory). Aikhenvald, Alexandra Y. (2013): Possession and ownership: a cross-linguistic typology. In: Aikhenvald, Alexandra Y./Dixon, Robert M. W. (Hg.): Possession and Ownership. A CrossLinguistic Typology. Oxford: OUP (Elaborations in Linguistic Typology 6), 1–64. Albrecht, Jörn (1988): Europäischer Strukturalismus. Ein forschungsgeschichtlicher Überblick. Tübingen: Francke (UTB 1487). Allwood, Jens/Andersson, Lars-Gunnar/Dahl, Östen (1973): Logik für Linguisten. Tübingen: Niemeyer (Romanistische Arbeitshefte 8). Altmann, Hans (1981): Formen der ‚Herausstellungʻ im Deutschen. Rechtsversetzung, Links­versetzung, Freies Thema und verwandte Konstruktionen. Tübingen: Niemeyer (Linguistische Arbeiten 106). Altmann, Hans (2007): Gradpartikel. In: Handbuch ‚Wortartenʻ 2007, 357–385. Altmann, Hans/Hofmann, Ute (2008): Topologie fürs Examen. Verbstellung, Klammerstruktur, Stellungsfelder, Satzglied- und Wortstellung. 2. überarbeitete und ergänzte Aufl. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht (Linguistik fürs Examen 4). Antos, Gerd (2013): Vereinfacht gesagt: Polen ist fünfeckig. Formulierungscharakterisierende Adverbiale als Bezeichnungen für Dimensionen des pragmatischen Glückens. In: Behr, Irmtraud/Berdychowska, Zofia (Hg.): Prädikative Strukturen in Theorie und Text(en). Frankfurt am Main et al.: Lang (Studien zur Text- und Diskursforschung 3), 29–40. Argumentstruktur 2015 = Engelberg, Stefan/Meliss, Meike/Proost, Kristel/Winkler, Edeltraud (Hg.): Argumentstruktur zwischen Valenz und Konstruktion. Tübingen: Narr (Studien zur deutschen Sprache 68). Askedal, John Ole (1986): Über ‚Stellungsfelderʻ und ‚Satztypenʻ im Deutschen. In: Deutsche Sprache 14 193–223. Askedal, John Ole (1997): Drohen und versprechen als sogenannte „Modalitätsverben“ in der deutschen Gegenwartssprache. In: Deutsch als Fremdsprache 34, 12–19. Askedal, John Ole (2001): ‚Oblique subjectsʻ, structural and lexical case marking: Some thoughts on case assignment in North Germanic and German. In: Faarlund, Jan Terje (Hg.): Grammatical Relations in Change. Amsterdam/Philadelphia: Benjamins, 65–97.

802 

 Apparat

Askedal, John Ole (2003): Das Valenz- und Dependenzkonzept bei Lucien Tesnière. In: Handbuch ‚Dependenz und Valenzʻ 2003, 80–99. Auer, Peter (1991): Vom Ende deutscher Sätze – Rechtsexpansionen im deutschen Einfachsatz. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 19, 139–157. Auer, Peter (1997): Formen und Funktionen der Vor-Vorfeldbesetzung im Gesprochenen Deutsch. In: Schlobinski, Peter (Hg.): Syntax des gesprochenen Deutsch. Opladen: Westdeutscher Verlag, 55–92. Auer, Peter (1998): Zwischen Parataxe und Hypotaxe: ‚abhängige Hauptsätze‘ im Gesprochenen und Geschriebenen Deutsch. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 26, 284–307. Auer, Peter (2014): Syntactic structures and their symbiotic guests. Notes on analepsis from the perspective of on-line syntax. In: Pragmatics 24, 533–560. Auer, Peter (2016): „Wie geil ist das denn?“ Eine neue Konstruktion im Netzwerk ihrer Nachbarn. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 44, 69–92. Auer, Peter/Günthner, Susanne (2003): Die Entstehung von Diskursmarkern im Deutschen – ein Fall von Grammatikalisierung? In: Interaction and Linguistic Structures (InLiSt) 38, 1–30. Autenrieth, Tanja (1997): Tautologien sind Tautologien. In: Eckhard, Rolf (Hg.): Pragmatik. Implikaturen und Sprechakte. Opladen: Westdeutscher Verlag (Linguistische Berichte SH 8), 12–32. Averintseva-Klisch, Maria (2013): Textkohärenz. Heidelberg: Winter (Kurze Einführungen in die germanistische Linguistik 14). Baldauf, Heike (2002): Knappes Sprechen. Tübingen: Niemeyer (Reihe Germanistische Linguistik 227). Ballweg, Joachim (1998): Eine einheitliche Interpretation des attributiven Genitivs. In: Vuillaume, Marcel (Hg.): Die Kasus im Deutschen. Form und Inhalt. Tübingen: Stauffenburg (Euro­germanistik 13), 153–166. Ballweg, Joachim (2007): Modalpartikel. In: Handbuch ‚Wortartenʻ 2007, 547–553. Barden, Birgit/Elstermann, Mechthild/Fiehler, Reinhard (2001): Operator-Skopus-Strukturen in gesprochener Sprache. In: Liedtke, Franz/Hundsnurscher, Franz (Hg.): Pragmatische Syntax. Tübingen: Niemeyer (Beiträge zur Dialogforschung 23), 197–233. Barufke, Birgit (1995): Attributstrukturen des Mittelhochdeutschen im diachronen Vergleich. Hamburg: Buske (Beiträge zur germanistischen Sprachwissenschaft 12). Bassola, Péter (2012) (Hg.): Deutsch-ungarisches Wörterbuch zur Substantivvalenz. 2. Band. Szeged: Grimm. Bausewein, Karin (1990): Akkusativobjekt, Akkusativobjektsätze und Objektsprädikate im Deutschen. Untersuchungen zu ihrer Syntax und Semantik. Tübingen: Niemeyer. Bausewein, Karin (1991): AcI-Konstruktionen und Valenz. In: Klein, Eberhard/Puradier Duteil, Françoise/Wagner, Karl Heinz (Hg.): Betriebslinguistik und Linguistikbetrieb. Akten des 24. Linguistischen Kolloquiums, Universität Bremen, 4.–6. September 1989. Tübingen: Niemeyer (Linguistische Arbeiten 260), 245–251. Bech, Gunnar (1983): Studien über das deutsche Verbum infinitum. 2., unveränd. Aufl. Tübingen: Niemeyer (Linguistische Arbeiten 139). Behr, Irmtraud (2007): Bemerkungen zu einem eingliedrigen verblosen Satz in Fontanes Stechlin. In: Redder, Angelika (Hg.): Diskurse und Texte. Festschrift für Konrad Ehlich. Tübingen: Stauffenburg, 267–278. Behr, Irmtraud (2016): Kopulalose Nominalsätze. In: Fragmentarische Äußerungen 2016, 137–156. Behr, Irmtraud (2017, i. V.): Unvermittelt ein goldenes Licht – die Fackel. In: Liedtke, Frank (Hg.): Über die Worte hinaus. Tübingen: Stauffenburg (Eurogermanistik).

Literatur 

 803

Behr, Irmtraud/Quintin, Hervé (1996): Verblose Sätze im Deutschen. Zur syntaktischen und semantischen Einbindung verbloser Konstruktionen in Textstrukturen. Tübingen: Stauffenburg (Eurogermanistik 4). Behrens, Leila (1994): Alternationen – ein Schlüssel für die Universalienforschung? In: Zeitschrift für Sprachwissenschaft 13 (2), 149–200. Bense, Elisabeth/Eisenberg, Peter/Haberland, Hartmut (1975): Einleitung. In: Bense, Elisabeth/ Eisenberg, Peter/Haberland, Hartmut (Hg.): Beschreibungsmethoden des amerikanischen Strukturalismus. München: Hueber (Linguistische Reihe 16), 9–35. Benveniste, Émile (1974): Probleme der allgemeinen Sprachwissenschaft. München: List. Berthele, Raphael (2007): Sein+Direktionalergänzung: Bewegung ohne Bewegungsverb. In: Kopulaverben und Kopulasätze 2007, 229–252. Bildhauer, Felix (2011): Mehrfache Vorfeldbesetzung und Informationsstruktur: Eine Bestandsaufnahme. In: Deutsche Sprache 39, 362–379. Blühdorn, Hardarik (2008): Epistemische Lesarten von Satzkonnektoren – Wie sie zustande kommen und wie man sie erkennt. In: Pohl, Inge (Hg.): Semantik und Pragmatik – Schnittstellen. Frankfurt am Main et al.: Lang, 217–251. Blume, Kerstin (2000): Markierte Valenzen im Sprachvergleich: Lizenzierungs- und Linking­ bedingungen. Tübingen. (Linguistische Arbeiten 411). Boas, Hans C. (2011): Zum Abstraktionsgrad von Resultativkonstruktionen. In: IDS-Jahrbuch 2010, 37–69. Boettcher, Wolfgang (2009/1–3): Grammatik verstehen. 3 Bde. Bd. 1: Wort. Bd. 2: Einfacher Satz. Bd. 3: Komplexer Satz. Tübingen: Niemeyer (Niemeyer Studienbuch). Bolinger, Dwight (1975): On the Passive in English. In: Makkai, Adam/Becker Makkai, Valerie (Hg.): The First LACUS Forum 1974. Columbia, South Carolina: Hornbean Press, 57–80. Bossong, Georg (1992): Zum Begriff des Subjekts in Sprachtypologie und Universalienforschung. In: Anschütz, Susanne R. (Hg.): Texte, Sätze, Wörter und Moneme. Festschrift für Klaus Heger zum 65. Geburtstag. Heidelberg: Orient, 105–122. Bossong, Georg (1998): Le marquage de l’expérient dans les langues d’Europe. In: Actance et Valence 1998, 259–294. Boszák, Gizella (2009): Realisierung der valenzbestimmten Korrelate des Deutschen. Frankfurt am Main et al.: Lang (Metalinguistica 23). Brandt, Margareta (1990): Weiterführende Nebensätze. Zu ihrer Syntax, Semantik und Pragmatik. Stockholm: Almquist & Wiksell International (Lunder germanistische Forschungen 57). Bredel, Ursula (2011): Interpunktion. Heidelberg: Winter (Kurze Einführungen in die germanistische Linguistik 11). Breindl, Eva (1989): Präpositionalobjekte und Präpositionalobjektsätze im Deutschen. Tübingen: Niemeyer (Linguistische Arbeiten 220). Breindl, Eva (2004): Konzessivität und konzessive Konnektoren im Deutschen. In: Deutsche Sprache 32, 2–31. Breindl, Eva (2004a): Relationsbedeutung und Konnektorbedeutung: Additivität, Adversativität und Konzessivität. In: Blühdorn, Hardarik/Breindl, Eva/Waßner, Ulrich Hermann (Hg.): Brücken schlagen. Grundlagen der Konnektorensemantik. Berlin/New York: de Gruyter (Linguistik – Impulse & Tendenzen 5), 225–253. Breindl, Eva (2007): Intensitätspartikeln. In: Handbuch ‚Wortartenʻ 2007, 397–422. Brinker, Klaus (2005): Linguistische Textanalyse. Eine Einführung in Grundbegriffe und Methoden. 6., überarb. und erw. Aufl. Berlin: Schmidt (Grundlagen der Germanistik 29). Brinker, Klaus/Sager, Sven (2001): Linguistische Gesprächsanalyse. Eine Einführung. 3. Aufl. Berlin: Schmidt (Grundlagen der Germanistik 30). Brinkmann, Hennig (1971): Die deutsche Sprache. Gestalt und Leistung. Düsseldorf: Schwann.

804 

 Apparat

Bubenhofer, Noah (2009): Sprachgebrauchsmuster. Korpuslinguistik als Methode der Diskurs- und Kulturanalyse. Berlin/New York: Walter de Gruyter (Sprache und Wissen 4). Buchwald-Wargenau, Isabel (2012): Die doppelten Perfektbildungen im Deutschen. Eine diachrone Untersuchung. Berlin/Boston: de Gruyter (Studia Linguistica Germanica 115). Bücker, Jörg (2012): Sprachhandeln und Sprachwissen. Grammatische Konstruktionen im Spannungsfeld von Interaktion und Kognition. Berlin/Boston: de Gruyter (Sprache und Wissen 11). Bühler, Karl (1934/1982): Sprachtheorie. Die Darstellungsfunktion der Sprache. Stuttgart/New York: Fischer (UTB 1159). [ungekürzter Neudruck der Ausgabe Jena: Fischer 1934]. Bührig, Kristin (2007): Konnektivpartikel. In: Handbuch ‚Wortartenʻ 2007, 525–546. Burger, Harald (1998): Phraseologie. Eine Einführung am Beispiel des Deutschen. Berlin. (Grundlagen der Germanistik 36). Burkhardt, Armin (1994): Abtönungspartikeln im Deutschen: Bedeutung und Genese. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 22, 129–151. Buscha, Joachim (1982): Reflexive Formen, reflexive Konstruktionen und reflexive Verben. In: Deutsch als Fremdsprache 19, 167–174. Buscha, Joachim (1991): Das Zustandsreflexiv als grammatische Kategorie. In: Deutsch als Fremdsprache 28, 149–155. Canisius, Peter (1993): Fragen zur Person oder: Personale Differenzierung außerhalb von finitem Verb und Personalpronomen. In: Jahrbuch der ungarischen Germanistik 1993, 73–87. Canisius, Peter (2006): Pronomina, Personen, Perspektiven. Zum Reflektorpronomen der erlebten Rede. In: Blühdorn, Hardarik/Breindl, Eva/Waßner, Ulrich Hermann (Hg.): Text – Verstehen. Grammatik und darüber hinaus. Berlin/New York: de Gruyter, 125–143. Carlson, Gregory (1977): Reference to Kinds in English. Ph.D. dissertation, University of Massachusetts, Amherst. Cate, Abraham P. ten (2010): Sein oder Nichtsein in der Passivkonstruktion. In: Cate, Abraham, P. ten et al. (Hg.): Grammatik – Praxis – Geschichte. Festschrift für Wilfried Kürschner. Tübingen: Narr, 29–40. Chang, Lingling (2008): Resultative Prädikate, Verbpartikeln und eine konstruktionsgrammatische Überlegung. In: Deutsche Sprache 36 (2), 127–145. CLG = Saussure, Ferdinand de (1967): Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft. 2. Aufl. Berlin: de Gruyter. Coene, Ann (2006): Lexikalische Bedeutung, Valenz und Koerzion. Hildesheim et al.: Olms (Germanistische Linguistik Monographien 19). Comrie, Bernard (1991): Form and function in identifying cases. In: Plank, Frans (Hg.): Paradigms. The Economy of Inflection. Berlin/New York: de Gruyter, 41–55. Coseriu, Eugenio (1967): Lexikalische Solidaritäten. In: Poetica 1, 293–303. Coseriu, Eugenio (1972/1987): Semantik und Grammatik. In: Ders.: Formen und Funktionen. Studien zur Grammatik. Tübingen: Niemeyer (Konzepte der Sprach- und Literaturwissenschaft 33), 85–95. [Orig. in: Moser, Hugo (Hg.) (1972): Neue Grammatiktheorien und ihre Anwendung auf das heutige Deutsch. Jahrbuch 1971 des Instituts für deutsche Sprache]. Coseriu, Eugenio (1974): Synchronie, Diachronie und Geschichte. Das Problem des Sprachwandels. München: Fink (Internationale Bibliothek für Allgemeine Linguistik 3). Coseriu, Eugenio (1987): Grundzüge der funktionellen Syntax. In: Ders.: Formen und Funktionen. Studien zur Grammatik. Tübingen: Niemeyer (Konzepte der Sprach- und Literaturwissenschaft 33), 133–176. Coseriu, Eugenio (1988): Einführung in die Allgemeine Sprachwissenschaft. Tübingen: Francke (UTB 1372).

Literatur 

 805

Coseriu, Eugenio (1988a): Sprachkompetenz. Grundzüge der Theorie des Sprechens. Tübingen: Francke (UTB 1481). Coulmas, Florian (1983): Alternativen zum Alphabet. In: Günther, Klaus B./Günther, Hartmut (Hg.): Schrift, Schreiben, Schriftlichkeit. Arbeiten zur Struktur, Funktion und Entwicklung schriftlicher Sprache. Tübingen: Niemeyer (Reihe Germanistische Linguistik 49), 169–190. Croft, William (2001): Radical Construction Grammar. Syntactic Theory in Typological Perspective. Oxford: University Press. Czicza, Dániel (2014): Das es-Gesamtsystem im Neuhochdeutschen. Ein Beitrag zu Valenztheorie und Konstruktionsgrammatik. Berlin/Boston: de Gruyter (Studia Linguistica Germanica 120). Dabóczi, Viktória (2010): Die Entstehung der Diskursmarker – ein Fall von Grammatikalisierung, Lexikalisierung oder Pragmatisierung? In: Studia Linguistica XXIX (Acta Universitatis Wratislaviensis 3301), 7–22. Dal, Ingerid (1962): Kurze deutsche Syntax auf historischer Grundlage. 2., verbesserte Aufl. Tübingen: Niemeyer (Sammlung kurzer Grammatiken germanischer Dialekte B/7). Dal, Ingerid/Eroms, Hans-Werner (2014): Kurze deutsche Syntax auf historischer Grundlage. 4. Aufl. Neu bearbeitet von Hans-Werner Eroms. Berlin/Boston: de Gruyter (Sammlung kurzer Grammatiken germanischer Dialekte B/7). Dalmas, Martine (2006): Modalfunktionen als Mittel zur Textgestaltung. In: Grammatische Untersuchungen, 417–430. Dalmas, Martine/Dobrovol’skij, Dmitrij (2016): Idiome und ihre kommunikative Leistung. Zur Theorie der informationsstrukturellen Gestaltung von Äußerungen. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 44, 257–284 Dang, Thi Thu Hien (2016): Das Partizipialattribut im Deutschen zwischen System und Norm. Zur Systemkonformität von PII+habend. Berlin/München/Boston: de Gruyter (Reihe Germanistische Linguistik 304). Dang, Thi Thu Hien (2016a): Die Systemkonformität des komplexen Partizipialattributs im Deutschen am Beispiel von PII+habend. In: Komplexe Attribution 2016, 169–211. Demske, Ulrike (2001): Merkmale und Relationen. Diachrone Studien zur Nominalphrase des Deutschen. Berlin/New York: de Gruyter (Studia Linguistica Germanica 56). Deppermann, Arnulf (2006): Deontische Infinitivkonstruktionen: Syntax, Semantik, Pragmatik und interaktionale Verwendung. In: Günthner, Susanne/Imo, Wolfgang (Hg.): Konstruktionen in der Interaktion. Berlin/New York: de Gruyter (Linguistik – Impulse & Tendenzen 20), 239–262. Di Meola, Claudio (1997): Der Ausdruck der Konzessivität in der deutschen Gegenwartssprache. Theorie und Beschreibung anhand eines Vergleichs mit dem Italienischen. Tübingen: Niemeyer (Linguistische Arbeiten 372). Diegel, Victoria (2007): Genitivregierende Verben aus der Gerichtssprache. Wissenschaftliche Hausarbeit. Kassel. Diewald, Gabriele (1999): Die Modalverben im Deutschen. Grammatikalisierung und Polyfunktionalität. Tübingen: Niemeyer (Reihe Germanistische Linguistik 208). Diewald, Gabriele (2005): Werden & Infinitiv – Versuch einer Zwischenbilanz nebst Ausblick. In: Deutsch als Fremdsprache 42, 23–32. Diewald, Gabriele (2007): Abtönungspartikel. In: Handbuch ‚Wortartenʻ 2007, 117–141. Diewald, Gabriele/Smirnova, Elena (2010): Abgrenzung von Modalität und Evidentialität im heutigen Deutsch. In: Kątny, Andrzej/Socka, Anna (Hg.) (2010), 112–131. Dixon, Robert M. W. (1991): A New Approach to English Grammar on Semantic Principles. Oxford: Clarendon Press. Donalies, Elke (2005): Die Wortbildung des Deutschen. Ein Überblick. 2., überarb. Aufl. Tübingen: Narr (Studien zur Deutschen Sprache 27). Dowty, David (1991): Thematic Proto-Roles and Argument Selection. In: Language 67, 547–619.

806 

 Apparat

Dryer, Matthew S. (2005): Expression of Pronominal Subjects. In: WALS 2005. Duden 1998 = Duden. Grammatik der deutschen Gegenwartssprache. 6., neu bearbeitete Aufl. Hg. von der Dudenredaktion. Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich: Dudenverlag (Der Duden 4). Duden 2003 = Duden – Deutsches Universalwörterbuch, 5. Aufl. Mannheim: Dudenverlag 2003 [CD-ROM]. Duden 2005 = Duden. Die Grammatik. 7., völlig neu erarbeitete und erweiterte Aufl. Hg. von der Dudenredaktion. Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich: Dudenverlag (Der Duden 4). Duden 2007 = Duden. Richtiges und gutes Deutsch. Wörterbuch der sprachlichen Zweifelsfälle. 6., vollständig überarbeitete Auflage. Hg. von der Dudenredaktion. Mannheim/Leipzig/Wien/ Zürich: Dudenverlag (Der Duden 9). Duden 2009 = Duden. Die deutsche Rechtschreibung. 25., völlig neu bearbeitete und erweiterte Aufl. Hg. von der Dudenredaktion. Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich: Dudenverlag (Der Duden 1). Duden 2016 = Duden. Die Grammatik. 9., vollständig überarbeitete und aktualisierte Aufl. Hg. von Angelika Wöllstein und der Dudenredaktion. Berlin: Dudenverlag (Der Duden 4). Dürscheid, Christa (1999): Die verbalen Kasus des Deutschen. Untersuchungen zur Syntax, Semantik und Perspektive. Berlin/New York: de Gruyter (Studia Linguistica Germanica 53). Dürscheid, Christa (2007): Syntax. Grundlagen und Theorien. 4. überarbeitete und ergänzte Aufl. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht (Studienbücher zur Linguistik 3). Dürscheid, Christa (2007a): Quo vadis, Casus? Zur Entwicklung der Kasusmarkierung im Deutschen. In: Lenk, Hartmut E. H./Walter, Maik (Hg.): Wahlverwandtschaften. Valenzen – Verben – Varietäten. Festschrift für Klaus Welke zum 70. Geburtstag. Hildesheim/Zürich/New York: Olms (Germanistische Linguistik 188–189), 89–112. Dürscheid, Christa (2016): Neue Dialoge – alte Konzepte? Die schriftliche Kommunikation via Smartphone. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik, 44, 437–468. Dürscheid, Christa/Schneider, Jan Georg (2014): Satz – Äußerung – Schema. In: Felder, Ekkehard/ Gardt, Andreas (Hg.): Handbuch Sprache und Wissen. Berlin/Boston: de Gruyter (Handbücher Sprachwissen 1), 167–194. Dürscheid, Christa/Sutter, Patrizia (2014): Wie werden grammatische Helvetismen in Nach­schlagewerken behandelt? Ratgeber geben nicht immer Rat – oder unterschiedlichen. In: Sprachspiegel 4/2014, 111–118. E-VALBU = Das elektronische Valenzwörterbuch deutscher Verben (http://hypermedia. ids-mannheim.de/evalbu/). Ebert, Robert Peter (1986): Historische Syntax des Deutschen II: 1350–1750. Bern et al.: Lang (Germanistische Lehrbuchsammlung 6). Eggs, Frederike (2006): Die Grammatik von als und wie. Tübingen: Narr (Tübinger Beiträge zur Linguistik 496). Eggs, Frederike (2007): Adjunktor. In: Handbuch ‚Wortartenʻ 2007, 189–221. Ehlich 2007 = Ehlich, Konrad (2007): Sprache und sprachliches Handeln. Bd. 1: Pragmatik und Sprachtheorie. Bd. 2: Prozeduren des sprachlichen Handelns. Bd. 3: Diskurs – Narration – Text – Schrift. Berlin/New York: Walter de Gruyter. Ehlich, Konrad (1978/2007): Deixis und Anapher. In: Ehlich 2007/2, 5–24. Ehlich, Konrad (1979): Verwendungen der Deixis beim sprachlichen Handeln. Linguistischphilologische Untersuchungen zum hebräischen deiktischen System. Frankfurt am Main et al.: Lang (Forum Linguisticum 24). Ehlich, Konrad (1986): Interjektionen. Tübingen: Niemeyer (Linguistische Arbeiten 111). Ehlich, Konrad (1991/2007): Funktional-pragmatische Kommunikationsanalyse – Ziele und Verfahren. In: Ehlich 2007/1, 9–28. Ehlich, Konrad (1999/2007): Sprachliche Felder. In: Ehlich 2007/1, 433–447. Ehlich, Konrad (2007a): Interjektion und Responsiv. In: Handbuch ‚Wortartenʻ 2007, 423–447.

Literatur 

 807

Ehrich, Veronika/Rapp, Irene (2000): Sortale Bedeutung und Argumentstruktur: ung-Nominalisierungen im Deutschen. In: Zeitschrift für Sprachwissenschaft 19, 245–303. Eichinger, Ludwig M. (1995): Syntaktischer Wandel und Verständlichkeit. Zur Serialisierung von Sätzen und Nominalgruppen im frühen Neuhochdeutschen. In: Kretzenbacher, Heinz L./ Weinrich, Harald (Hg.): Linguistik der Wissenschaftssprache. Berlin/New York: de Gruyter, 301–324. Eichinger, Ludwig M. (2000): Deutsche Wortbildung. Eine Einführung. Tübingen: Narr (Narr Studienbücher). Eichinger, Ludwig M. (2006): Dependenz in der Wortbildung. In: Handbuch ‚Dependenz und Valenzʻ 2006, 1065–1080. Eisenberg, Peter (2006/1–2): Grundriss der deutschen Grammatik. Bd. 1: Das Wort. Bd. 2: Der Satz. 3., durchgesehene Aufl. Stuttgart/Weimar: Metzler. Eisenberg, Peter (2006a): Funktionsverbgefüge – Über das Verhältnis von Unsinn und Methode. In: Grammatische Untersuchungen, 297–317. Eisenberg, Peter/Smith, George (2002): Der einfache Genitiv. Eigennamen als Attribute. In: Peschel, Corinna (Hg.): Grammatik und Grammatikvermittlung. Frankfurt am Main et al.: Lang, 113–126. Ellipse 2013 = Hennig, Mathilde (Hg.) (2013): Die Ellipse. Neue Perspektiven auf ein altes Phänomen. Berlin/Boston: de Gruyter (Linguistik – Impulse & Tendenzen 52). Elspaß, Stephan (2005): Sprachgeschichte von unten. Untersuchungen zum geschriebenen Alltagsdeutsch im 19. Jahrhundert. Tübingen: Niemeyer (Reihe Germanistische Linguistik 263). Emmrich, Volker (2013): Die Ellipse: ein am Verstehen orientiertes Modell. In: Ellipse 2013, 405–441. Engel, Ulrich (1988): Deutsche Grammatik. Vollständige Darstellung der deutschen Gegenwartssprache. Heidelberg: Groos. Engel, Ulrich (2004): Deutsche Grammatik. Neubearbeitung. München: Iudicium. Engelberg, Stefan (2009): Blätter knistern über den Beton. Zwischenbericht aus einer korpus­ linguistischen Studie zur Bewegungsinterpretation bei Geräuschverben. In: Winkler, Edeltraud (Hg.): Konstruktionelle Varianz bei Verben. Mannheim: Institut für Deutsche Sprache (OPAL Sonderheft 4/2009), 75–97. Engelberg, Stefan/König, Svenja/Proost, Kristel/Winkler, Edeltraud (2011): Argumentstrukturmuster als Konstruktionen? Identität – Verwandtschaft – Idiosynkrasien. In: IDS-Jahrbuch 2010, 71–112. Engelen, Bernhard (1975/1–2): Untersuchungen zu Satzbauplan und Wortfeld in der geschriebenen deutschen Sprache der Gegenwart. 2 Teilbände. München: Hueber (Heutiges Deutsch I/3.1–2). Engelen, Bernhard (1984): Einführung in die Syntax der deutschen Sprache. Band I: Vorfragen und Grundlagen. Baltmannsweiler: Pädagogischer Verlag Burgbücherei Schneider. Engelen, Bernhard (1990): Adjektive in agentiver Funktion und in einigen weiteren „Sonder“funktionen. In: Engelen 2010, 89–102. Engelen, Bernhard (1990a): sehr und Konsorten. Zur Graduierung von Verben. In: Engelen 2010, 133–149. Engelen 2010 = Engelen, Bernhard (2010): Schwierige sprachliche Strukturen. Aufsätze zur deutschen Grammatik. Frankfurt am Main et al.: Lang (Arbeiten zur Sprachanalyse 53). Erben, Johannes (1970): Er sitzt, weil er gestanden hat oder über den Zusammenhang von Valenz und Mitteilungswert des Verbs. In: Moser, Hugo (Hg.): Studien zur Syntax des heutigen Deutsch. Paul Grebe zum 60. Geburtstag. Düsseldorf: Schwann (Sprache der Gegenwart 6). Ernst, Thomas (2004): Domain adverbs and the syntax of adjuncts. In: Austin, Jennifer R./Engelberg, Stefan/Rauh, Gisa (Hg.) Adverbials. The interplay between meaning, context, and syntactic structure. Amsterdam/Philadelphia: Benjamins (Linguistik Aktuell/Linguistics Today 70), 103–129.

808 

 Apparat

Eroms, Hans-Werner (1980): Be-Verb und Präpositionalphrase. Ein Beitrag zur Grammatik der deutschen Verbalpräfixe. Heidelberg: Winter (Monographien zur Sprachwissenschaft 9). Eroms, Hans-Werner (1981): Passiv erster und zweiter Stufe. In: Kohrt, Manfred/Lenerz, Jürgen (Hg.): Sprache: Formen und Strukturen. Akten des 15. Linguistischen Kolloquiums Münster 1980. Bd. 1. Tübingen: Niemeyer (Linguistische Arbeiten 98), 129–139. Eroms, Hans-Werner (1986): Funktionale Satzperspektive. Tübingen: Niemeyer (Germanistische Arbeitshefte 31). Eroms, Hans-Werner (1990): Zur Entwicklung der Passivperiphrasen im Deutschen. In: Betten, Anne (Hg.): Neuere Forschungen zur historischen Syntax des Deutschen. Referate der Internationalen Fachkonferenz Eichstätt 1989. Tübingen: Niemeyer (Reihe Germanistische Linguistik 103), 82–97. Eroms, Hans-Werner (1992): Das deutsche Passiv in historischer Sicht. In: Hoffmann, Ludger (Hg.): Deutsche Syntax. Ansichten und Aussichten. Berlin/New York: de Gruyter. Jahrbuch 1991 des Instituts für Deutsche Sprache, 225–249. Eroms, Hans-Werner (1994): Die Konnektoren aber und nur im Deutschen. In: Roggausch, Werner (Hg.): Germanistentreffen Bundesrepublik Deutschland – Polen 26.9.–30. 9. 1993. Bonn: DAAD, 285–303. Eroms, Hans-Werner (2000): Syntax der deutschen Sprache. Berlin/New York: Walter de Gruyter (de Gruyter Studienbuch). Eroms, Hans-Werner (2001): Zur Syntax der Konnektoren und Konnektivpartikeln. In: Text­konnektoren 2001, 47–59. Eroms, Hans-Werner (2007): Valenz, Variation und Perspektive. In: Lenk, Hartmut E. H./Walter, Maik (Hg.): Wahlverwandtschaften. Valenzen – Verben – Varietäten. Festschrift für Klaus Welke zum 70. Geburtstag. Hildesheim/Zürich/New York: Olms (Germanistische Linguistik 188–189), 31–53. Eroms, Hans-Werner (2009): Kommentare und Korrekturen. Der Status der weiterführenden w-Relativsätze. In: Sprachwissenschaft 34 (2), 115–150. Eroms, Hans-Werner (2010): Valenz und Inkorporation In: Kolehmainen, Leena/Lenk, Hartmut E. H./ Liimatainen, Annikki (Hg.): Infinite kontrastive Hypothesen. Beiträge des Festsymposiums zum 60. Geburtstag von Irma Hyvärinen. Frankfurt am Main et al.: Lang, 27–40. Eroms, Hans-Werner (2012): Die Grenzen der Valenzen. In: Fischer/Mollica (Hg.), 25–46. Evans, Nicholas (2007): Insubordination and its uses. In: Nikolaeva, Irina (Hg.): Finiteness. Theoretical and Empirical Foundations. Oxford: OUP, 366–431. Evans, Nicholas/Levinson, Stephen C. (2009): The myth of language universals: Language diversity and its importance for cognitive science. In: Behavioral and Brain Sciences 32, 429–492. Fabricius-Hansen, Cathrine (1980): Sogenannte ergänzende wenn-Sätze. Ein Beispiel semantischsyntaktischer Argumentation. In: Dhyr, Mogens/Hyldegaard-Jensen, Karl/Olsen, Jorgen (Hg.): Festschrift für Gunnar Bech zum 60. Geburtstag. Kopenhagen: Akad. Forl. (Kopenhagener Beiträge zur Germanistischen Linguistik, Sonderband 1), 160–188. Fabricius-Hansen, Cathrine (1992): Subordination. In: Hoffmann, Ludger (Hg.): Deutsche Syntax. Ansichten und Aussichten. Berlin/New York: de Gruyter, 458–483. Fabricius-Hansen, Cathrine (2002): Nicht-direktes Referat im Deutschen. Typologie und Abgrenzungs- probleme. In: Fabricius-Hansen, Cathrine/Leirbukt, Oddleif/Letnes, Ole (Hg.): Modus, Modalverben, Modalpartikeln. Trier: Wissenschaftlicher Verlag (Fokus 25), 7–29. Fabricius-Hansen, Cathrine (2007): Subjunktor. In: Handbuch ‚Wortartenʻ 2007, 759–790. Fagan, Sarah (1992): The Syntax and Semantics of Middle Constructions: A Study with Special Reference to German. Cambridge: Cambridge University Press (Cambridge Studies in Linguistics 60).

Literatur 

 809

Feihl, Stefan (2009): Resultativkonstruktionen mit Prädikatsadjektiv und ihre Übersetzung aus dem Deutschen ins Französische, Italienische, Spanische und Portugiesische. Frankfurt am Main et al.: Lang (FASK A/55). Feilke, Helmuth (1994): Common sense-Kompetenz. Überlegungen zu einer Theorie „sympathischen“ und „natürlichen“ Meinens und Verstehens. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Feilke, Helmuth (1996): Sprache als soziale Gestalt. Ausdruck, Prägung und die Ordnung der sprachlichen Typik. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Feilke, Helmuth (1998): Idiomatische Prägung. In: Barz, Ingrid/Öhlschläger, Günther (Hg.): Zwischen Grammatik und Lexikon. Tübingen: Niemeyer (Linguistische Arbeiten 390), 69–80. Feilke, Helmuth (2004): Kontext – Zeichen – Kompetenz. Wortverbindungen unter sprachtheoretischem Aspekt. In: Steyer, Kathrin (Hg.): Wortverbindungen – mehr oder weniger fest. Jahrbuch 2003 des Instituts für Deutsche Sprache. Berlin/New York: de Gruyter, 41–64. Feilke, Helmuth (2007): Syntaktische Aspekte der Phraseologie III: Construction Grammar und verwandte Ansätze. In: Handbuch ‚Phraseologieʻ 2007, 63–76. Felfe, Marc (2012): Transitive Resultativkonstruktionen in der Konstruktionsgrammatik. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 40, 352–395. Felfe, Marc (2012a): Das System der Partikelverben mit „an“. Eine konstruktionsgrammatische Untersuchung. Berlin/Boston: de Gruyter (Sprache und Wissen 12). Filatkina, Natalia (2007): Pragmatische Beschreibungsansätze. In: Handbuch ‚Phraseologieʻ 2007, 132–158. Fillmore, Charles J. (1966): Toward a modern theory of case. Columbus: Ohio State University, 1–24 Fillmore, Charles J. (1968): The case for case. In: Bach, Emmon/Harms, Robert T. (Hg.): Universals in Linguistic Theory. New York: Holt, Rinehart & Winston, 1–88. Fillmore, Charles J. (1977): Scenes-and-frames semantics. In: Zampoli, Antonio (Hg.): Linguistic Structures Processing. Amsterdam/New York/Oxford: North-Holland, 55–81. Fillmore, Charles J./Kay, Paul/O’Connor, Mary Catherine (1988): Regularity and idiomaticity in grammatical constructions: the case of let alone. In: Language 64 (3), 501–538. Fischer, Annette (1992): Varianten im Objektbereich genitivfähiger Verben in der deutschen Literatursprache (1570–1730). In: Schildt, Joachim (Hg.): Soziolinguistische Aspekte des Sprachwandels in der deutschen Literatursprache. Berlin: Akademie (Bausteine zur Sprach­ geschichte des Neuhochdeutschen 66), 273–342. Fischer, Klaus (2001): Noch immer: Ergänzungen und Angaben. In: Sprachwissenschaft 26, 239–268. Fischer, Klaus (2003): Verb, Aussage, Valenzdefinition und Valenzrealisierung: auf dem Weg zu einer typologisch adäquaten Valenztheorie. In: Willems, Klaas/Coene, Ann/Van Pottelberge, Jeroen (Hg.): Valenztheorie. Neuere Perspektiven. Akademia Press: Gent (Studia Germanica Gandensia 2003/2), 14–64. Fischer, Klaus. (2009): Cleft sentences: Form, function and translation. In: Journal of Germanic Linguistics 21, 167–192. Fischer, Klaus (2012): Spaltsätze: Summen der valenztheoretischen Teile oder konstruktionelle Unikate? In: Fischer/Mollica (Hg.), 133–168. Fischer, Klaus (2013): Satzstrukturen im Deutschen und Englischen. Typologie und Textrealisierung. Berlin: Akademie-Verlag (Konvergenz und Divergenz 1). Fischer, Klaus (2015): Zwischen Valenz und Konstruktion. Argumente im Fokus. In: Argumentstruktur 2015, 271–297. Fischer, Klaus/Mollica, Fabio (Hg.) (2012): Valenz, Konstruktion und Deutsch als Fremdsprache. Frankfurt am Main et al.: Lang (Deutsche Sprachwissenschaft international 16). Fix, Ulla (1974–76): Zum Verhältnis von Syntax und Semantik im Wortgruppenlexem. In: Beiträge zur Geschichte der deutsche Sprache und Literatur 95, 214–318 und 97, 7–78.

810 

 Apparat

Fix, Ulla (1979): Zum Verhältnis von Syntax und Semantik im Wortgruppenlexem. In: Linguistische Studien, Reihe A, Arbeitsberichte 56. Berlin: Akademie-Verlag, 1–19. Flaate, Inghild (2007): Die „als“-Prädikative im Deutschen. Eine syntaktisch-semantische Analyse. Tübingen: Stauffenburg (Studien zur deutschen Grammatik 71). Fleischer, Jürg (2002): Die Syntax von Pronominaladverbien in den Dialekten des Deutschen. Eine Untersuchung zu Preposition Stranding und verwandten Phänomenen. Stuttgart: Steiner (ZDL-Beiheft 123). Fleischer, Jürg (2008): Zur topikalisierenden Infinitivverdoppelung in deutschen Dialekten: Trinken trinkt er nicht, aber rauchen raucht er (mit einem Exkurs zum Jiddischen). In: Ernst, Peter/ Patocka, Franz (Hg.): Dialektgeographie der Zukunft: Akten des 2. Kongresses der Internationalen Gesellschaft für Dialektologie des Deutschen (IGDD) am Institut für Germanistik der Universität Wien, 20. bis 23. September 2006 Stuttgart: Steiner (ZDL Beiheft 135), 243–268. Fleischer, Wolfgang (1974): Wortbildung der deutschen Gegenwartssprache. 3., überarb. Aufl. Leipzig: VEB Bibliographisches Institut. Fleischer, Wolfgang (1982): Phraseologie der deutschen Gegenwartssprache. 1. Aufl. Leipzig: VEB Bibliographisches Institut. Fleischer, Wolfgang (1997): Phraseologie der deutschen Gegenwartssprache. 2., durchgesehene und ergänzte Aufl. Tübingen: Niemeyer. Forsgren, Kjell-Åke (1992): Zum Problem des Satzbegriffs im Deutschen. In: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 114, 3–27. Fragmentarische Äußerungen 2016 = Marillier, Jean-François/Vargas, Elodie (Hg.): Fragmentarische Äußerungen im Deutschen. Tübingen: Stauffenburg (Eurogermanistik 32). Freywald, Ulrike (2009): Kontexte für nicht-kanonische Verbzweitstellung: V2 nach dass und Verwandtes. In: Ehrich, Veronika/Fortmann, Christian/Reich, Ingo/Reis, Marga (Hg.): Koordination und Subordination im Deutschen. Hamburg: Buske (Linguistische Berichte, Sonderheft 16), 113–134. Freywald, Ulrike (2015): „V2-Nebensätze“ – ein eigener Satztyp? In: Finkbeiner, Rita/Meibauer, Jörg (Hg.): Satztypen und Konstruktionen im Deutschen. Berlin/Boston: de Gruyter, 326–372. Frnhd. Grammatik 1993 = Reichmann, Oskar/Wegera, Klaus-Peter (Hg.): Frühneuhochdeutsche Grammatik. Tübingen: Niemeyer (Sammlung kurzer Grammatiken germanischer Dialekte A/12). Frühwirth, Andreas (2003): Strategies of Reflexivisation and the Meaning of Predicates. A Contrastive Analysis of English, German, and French. Frankfurt am Main et al.: Lang (Aachen British and American studies 16). Fuhrhop, Nanna (2009): Orthografie. 3., aktualisierte Aufl. Heidelberg: Winter (Kurze Einführungen in die germanistische Linguistik 1). Fuhrhop, Nanna/Thieroff, Rolf (2005): Was ist ein Attribut? In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 33, 306–342. Gárgyán, Gabriella (2014): Der am-Progressiv im heutigen Deutsch. Neue Erkenntnisse mit besonderer Hinsicht auf die Sprachgeschichte, die Aspektualität und den kontrastiven Vergleich mit dem Ungarischen. Frankfurt am Main et al.: Lang (Szegediner Schriften zur germanistischen Linguistik 2). Gast, Volker/Haas, Florian (2008): On reciprocal and reflexive uses of anaphors in German and other European languages. In: König, Ekkehard/Gast, Volker (Hg.): Reciprocals and Reflexives. Theoretical and Typological Explorations. Berlin/New York: de Gruyter (Trends in linguistics. Studies and monographs 192), 307–346. Gätje, Olaf/Steinhoff, Torsten/Rezat, Sara (2012): Positionierungsprozeduren. Zur Entwicklung des Gebrauchs modalisierender Prozeduren in argumentativen Texten von Schülern und Studenten. In: Feilke, Helmuth/Lehnen, Katrin (Hg.): Schreib- und Textroutinen: Theorie, Erwerb und

Literatur 

 811

didaktisch-mediale Modellierung. Frankfurt am Main et al.: Lang (forum Angewandte Linguistik 52), 125–153. Geist, Ljudmila (2006): Die Kopula und ihre Komplemente. Zur Kompositionalität in Kopulasätzen. Tübingen: Niemeyer (Linguistische Arbeiten 502). Gil, David (2005): Numeral classifiers. In: WALS 2005. Gohl, Christine/Günthner, Susanne (1999): Grammatikalisierung von weil als Diskursmarker in der gesprochenen Sprache. In: Zeitschrift für Sprachwissenschaft 18, 39–75. Goldberg, Adele (1992): The inherent semantics of argument structure: The case of the English ditransitive constructions. In: Cognitive Linguistics 3, 37–74. Goldberg, Adele (1995): Constructions: A Construction Grammar Approach to Argument Structure. Chicago: Chicago University Press. Goschler, Juliana (2011): Geräuschverben mit direktionaler Erweiterung im Deutschen: Syntax, Semantik, Gebrauch. In: Konstruktionsgrammatik III, 27–41. Grammatische Terminologie = Vorschlag zur neuen schulgrammatischen Terminologie (http://www.grammatischeterminologie.de). Grammatische Untersuchungen = Breindl, Eva/Gunkel, Lutz/Strecker, Bruno (Hg.): Grammatische Untersuchungen. Analysen und Reflexionen. Gisela Zifonun zum 60. Geburtstag. Tübingen: Narr (Studien zur Deutschen Sprache 36). Gréciano, Gertrud (2003): Probleme der Valenz in der Phraseologie. In: Handbuch ‚Dependenz und Valenzʻ 2003, 943–849. Grice, Herbert Paul (1975): Logic and conversation. In: Cole, Peter/Morgan, Jerry L. (Hg.): Syntax and Semantics Vol. 3, Speech Acts. New York: Academic Press, 41–58. Gries, Stefan T./Stefanowitsch, Anatol (2004): Extending collostructional analysis. A corpusbased perspective on ‚alternationsʻ. In: International Journal of Corpus Linguistics 9 (1), 97–129. Gries, Stefan T./Stefanowitsch, Anatol (2004a): Covarying Collexemes in the Into-causative. In: Achard, Michel/Kemmer, Suzanne (Hg.): Language, culture and mind. Stanford: CSLI, 225–236. Groot, Casper de (2000): The Absentive. In: Dahl, Osten (Hg.): Tense and Aspect in the Languages of Europe. Berlin/New York: Mouton de Gruyter (Empirical Approaches to Language Typology Eurotyp 20–6), 693–719. Gunkel, Lutz (2003): Infinitheit, Passiv und Kausativkonstruktionen im Deutschen. Tübingen: Stauffenburg (Studien zur deutschen Grammatik 67). Günther, Hartmut (1987): Wortbildung, Syntax, be-Verben und das Lexikon. In: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 109, 179–201. Günthner, Susanne (1993): ‚… weil – man kann es ja wissenschaftlich untersuchen‘ – Diskurs­ pragmatische Aspekte der Wortstellung in WEIL-Sätzen. In: Linguistische Berichte 143, 37–59. Günthner, Susanne (1999): Entwickelt sich der Konzessivkonnektor obwohl zum Diskursmarker? Grammatikalisierungstendenzen im gesprochenen Deutsch. In: Linguistische Berichte 180, 409–446. Günthner, Susanne (1999a): Wenn-Sätze im Vor-Vorfeld: Ihre Formen und Funktionen in der gesprochenen Sprache. In: Deutsche Sprache 3, 209–235. Günthner, Susanne (2006): Grammatische Analysen der kommunikativen Praxis – ‚Dichte Konstruktionen‘ in der Interaktion. In: Deppermann, Arnulf/Fiehler, Reinhard/Spranz-Fogasy, Thomas (Hg.): Grammatik und Interaktion. Mannheim: Verlag für Gesprächsforschung, 95–121. Günthner, Susanne (2008): Projektorkonstruktionen im Gespräch: Pseudoclefts, die Sache istKonstruktionen und Extrapositionen mit es. In: Gesprächsforschung. Online-Zeitschrift zur verbalen Interaktion 9, 86–114.

812 

 Apparat

Günthner, Susanne/Hopper, Paul (2010): Zeitlichkeit und sprachliche Strukturen: Pseudoclefts im Englischen und im Deutschen. In: Gesprächsforschung. Online-Zeitschrift zur verbalen Interaktion 11, 1–18. Habermann, Mechthild (2007): Aspects of a diachronic valency syntax of German. In: Herbst, Thomas/Götz-Votteler, Katrin (Hg.): Valency. Theoretical, Descriptive and Cognitive Issues. Berlin/New York: Mouton de Gruyter (Trends in Linguistics, Studies and Monographs 187), 85–100. Handwerker, Brigitte/Madlener, Karin/Möller, Max (2004): Wortbedeutung und Konstruktions­ bedeutung. Die Adjektiv-Partizip-Opposition aus der Perspektive des Deutschen als Fremdsprache. In: Beiträge zur Fremdsprachenvermittlung, Sonderheft 7, 85–120. Haider, Hubert (2011): Grammatische Illusionen – Lokal wohlgeformt – global deviant. In: Zeitschrift für Sprachwissenschaft 30, 223–257. Haiman, John/Thompson, Sandra A. (Hg.) (1988): Clause combining in grammar and discourse. Amsterdam/Philadelphia: Benjamins (Typological Studies in Language 18). Hampe, Beate (2011): Discovering constructions by means of collostruction analysis: The English Denominative Construction. In: Cognitive Linguistics 22, 211–245. Handbuch ‚Dependenz und Valenzʻ 2003 = Ágel, Vilmos/Eichinger, Ludwig M./Eroms, Hans Werner/Hellwig, Peter/Heringer, Hans Jürgen/Lobin, Henning (Hg.): Dependenz und Valenz/ Dependency and Valency. Ein internationales Handbuch der zeitgenössischen Forschung/ An International Handbook of Contemporary Research. 1. Halbbd. Berlin/New York: Walter de Gruyter (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 25.1). Handbuch ‚Dependenz und Valenzʻ 2006 = Ágel, Vilmos/Eichinger, Ludwig M./Eroms, Hans Werner/Hellwig, Peter/Heringer, Hans Jürgen/Lobin, Henning (Hg.): Dependenz und Valenz/ Dependency and Valency. Ein internationales Handbuch der zeitgenössischen Forschung/ An International Handbook of Contemporary Research. 2. Halbbd. Berlin/New York: Walter de Gruyter (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 25.2). Handbuch ‚Morphologieʻ 2000 = Booij, Geert/Lehmann, Christian/Mugdan, Joachim (Hg.): Morphologie. Ein internationales Handbuch zur Flexion und Wortbildung. 1. Halbbd. Berlin/New York: Walter de Gruyter (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 17.1). Handbuch ‚Morphologieʻ 2004 = Booij, Geert/Lehmann, Christian/Mugdan, Joachim/Skopeteas, Stavros (Hg.): Morphologie. Ein internationales Handbuch zur Flexion und Wortbildung. 2. Halbbd. Berlin/New York: Walter de Gruyter (Handbücher zur Sprach- und Kommunikations­ wissenschaft 17.2). Handbuch ‚Phraseologieʻ 2007 = Burger, Harald/Dobrovol’skij, Dmitrij/Kühn, Peter/Norrick, Neal R. (Hg.): Phraseology/Phraseologie. Ein internationales Handbuch der zeitgenössischen Forschung/An International Handbook of Contemporary Research. 1. Teilbd. Berlin/New York: Walter de Gruyter (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 28.1). Handbuch ‚Semantikʻ 1991 = Stechow, Arnim von/Wunderlich, Dieter (Hg.): Semantik/Semantics. Ein internationales Handbuch der zeitgenössischen Forschung/An International Handbook of Contemporary Research. Berlin/New York: Walter de Gruyter (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 6). Handbuch ‚Sprachtypologieʻ 2001 = Haspelmath, Martin/König, Ekkehard/Oesterreicher, Wulf/ Raible, Wolfgang (Hg.): Language Typology and Language Universals/Sprachtypologie und sprachliche Universalien/La typologie des langues et les universaux linguistiques. An International Handbook/Ein internationales Handbuch/Manuel international. 2 Halbbde. Berlin/New York: Walter de Gruyter (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 20.1–2). Handbuch ‚Syntaxʻ 1993 = Jacobs, Joachim/Stechow, Arnim von/Sternefeld, Wolfgang/Vennemann, Theo (Hg.): Syntax. Ein internationales Handbuch zeitgenössischer Forschung/An International

Literatur 

 813

Handbook of Contemporary Research. 1. Halbbd. Berlin/New York: Walter de Gruyter (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 9.1). Handbuch ‚Text- und Gesprächslinguistikʻ 2000 = Brinker, Klaus/Antos, Gerd/Heinemann, Wolfgang/Sager, Sven F. (Hg.): Text- und Gesprächslinguistik/Linguistics of Text and Conversation. Ein internationales Handbuch zeitgenössischer Forschung/An International Handbook of Contemporary Research. 1. Teilbd. Walter de Gruyter (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 16.1). Handbuch ‚Wortartenʻ 2007 = Hoffmann, Ludger (Hg.): Handbuch der deutschen Wortarten. Berlin/ New York: de Gruyter (de Gruyter Lexikon). Hansson, Kerstin (2007): Adverbiale der Art und Weise im Deutschen. Eine semantische und konzeptuelle Studie. Göteborg: Acta Universitatis Gothoburgensis (Göteborger Germanistische Forschungen 48). Haspelmath, Martin (1987): Transitivity Alternations of the Anticausative Type. Köln: Institut für Sprachwissenschaft der Universität zu Köln (Arbeitspapier 5, Neue Folge). Haspelmath, Martin (1993): More on the typology of inchoative/causative alternations. In: Comrie, Bernard/Polinsky, Maria (Hg.): Causatives and transitivity. Amsterdam/Philadelphia: Benjamins (Studies in Language Companion Series 23), 87–120. Haspelmath, Martin (2000): Periphrasis. In: Handbuch ‚Morphologieʻ 2000, 654–664. Haspelmath, Martin (2001): Non-canonical marking of core arguments in European languages. In: Non-canonical marking, 53–83. Haspelmath, Martin (2009): Welche Fragen können wir mit herkömmlichen Daten beantworten? In: Zeitschrift für Sprachwissenschaft 28, 157–162. Haspelmath, Martin/Müller-Bardey, Thomas (2004): Valency change. In: Handbuch ‚Morphologieʻ 2004, 1130–1145. Hausmann, Franz Josef (2004): Was sind eigentlich Kollokationen? In: Steyer, Kathrin (Hg.): Wort­verbindungen – mehr oder weniger fest. Jahrbuch 2003 des Instituts für Deutsche Sprache. Berlin/New York: de Gruyter, 309–334. HdK 2003 = Pasch, Renate/Brauße, Ursula/Breindl, Eva/Waßner, Ulrich Hermann (2003): Handbuch der deutschen Konnektoren. Linguistische Grundlagen der Beschreibung und syntaktische Merkmale der deutschen Satzverknüpfer (Konjunktionen, Satzadverbien und Partikeln). Berlin/ New York: de Gruyter (Schriften des Instituts für deutsche Sprache 9). HdK 2014 = Breindl, Eva/Volodina, Anna/Waßner, Ulrich Hermann (2014): Handbuch der deutschen Konnektoren 2. Semantik der deutschen Satzverknüpfer. Berlin/München/Boston: de Gruyter (Schriften des Instituts für deutsche Sprache 13.1). Hegedűs, Ildikó (2007): Wie kann Nähesprache diachron untersucht werden? Problemanalyse am Beispiel der Korrelate von Subjekt- und Objektsätzen. In: Ágel, Vilmos/Hennig, Mathilde (Hg.): Zugänge zur Grammatik der gesprochenen Sprache. Tübingen: Niemeyer (Reihe Germanistische Linguistik 269), 245–272. Heger, Klaus (1981): Außersprachlichkeit – Außereinzelsprachlichkeit – Übereinzelsprachlichkeit. In: Weydt, Harald (Hg.): Logos Semanticos. Studia Linguistica in honorem Eugenio Coseriu. Bd. 2: Sprachtheorie und Sprachphilosophie. Berlin/New York: de Gruyter, 67–76. Heiderich, Julia (2014): (K)Eine Frage des Gefühls? Eine Untersuchung zur Verwendung von Kommas und Gedankenstrichen zur Kennzeichnung von Parenthesen im Roman Johannisnacht von Uwe Timm. Semesterarbeit. Universität Kassel. Heine, Bernd (2013): On discourse markers: Grammatikalization, pragmaticalization, or something else? In: Linguistics 51, 1205–1247. Heine, Bernd/Kaltenböck, Gunther/Kuteva, Tania/Long, Haiping (2013): An Outline of Discourse Grammar. In: Bischoff, Shannon/Jeny, Carmen (Hg.): Reflections on Functionalism in linguistics. Berlin: de Gruyter, 155–206.

814 

 Apparat

Heinold, Simone (2013): Eigenschaften von direktiven Partizipien im Deutschen. In: Deutsche Sprache 41, 313–334. Helbig, Gerhard (1972): Zu Problemen des Attributs in der deutschen Gegenwartssprache (1). In: Helbig 2004, 167–182. Helbig, Gerhard (1973): Zu Problemen des Attributs in der deutschen Gegenwartssprache (2). In: Helbig 2004, 183–193. Helbig, Gerhard (1979): Probleme der Beschreibung von Funktionsverbgefügen im Deutschen. In: Helbig 2004, 467–493. Helbig, Gerhard (1980): Was sind „weiterführende Nebensätze“? In: Helbig 2004, 529–550. Helbig, Gerhard (1981): Die deutschen Modalwörter im Lichte der modernen Forschung. In: Helbig 2004, 551–581. Helbig, Gerhard (1988): Lexikon deutscher Partikeln. Leipzig: VEB Enzyklopädie. Helbig, Gerhard (1992): Probleme der Valenz- und Kasustheorie. Tübingen: Niemeyer (Konzepte der Sprach- und Literaturwissenschaft 51). Helbig, Gerhard (1992a): Was sind Appositionen? In: Helbig 2004, 899–909. Helbig, Gerhard (1995): Kontroversen über die deutschen Modalverben. In: Helbig 2004, 922–937. Helbig 2004 = Helbig, Gerhard (2004): Kleinere Schriften zur Grammatik. Hg. v. Horst Sitta/Bernd Skibitzki/Johannes Wenzel/Barbara Wotjak. München: iudicium. Helbig, Gerhard (2004a): Zum „Reflexiv-Passiv“ und zum „Medio-Passiv“ im Deutschen. In: Helbig 2004, 1099–1114. Helbig, Gerhard (2008): Zu den Kopulasätzen im Deutschen. In: Deutsch als Fremdsprache 45, 81–90. Helbig, Gerhard (2008a): Zu den Objektsprädikaten und ihren einzelnen Klassen. In: Czachur, Waldemar/Czyżewska, Marta (Hg.): Vom Wort zum Text. Studien zur deutschen Sprache und Kultur. Festschrift für Professor Józef Wiktorowicz zum 65. Geburtstag. Warszawa: Instytut Germanistyki, 193–213. Helbig, Gerhard/Buscha, Joachim (2001): Deutsche Grammatik. Ein Handbuch für den Ausländer­ unterricht. 21. Aufl. Leipzig/Berlin/München: Langenscheidt. Helbig, Gerhard/Schenkel, Wolfgang (1978): Wörterbuch zur Valenz und Distribution deutscher Verben. 4. Aufl. Leipzig: VEB Bibliographisches Institut. Hennig, Mathilde (2006): Grammatik der gesprochenen Sprache in Theorie und Praxis. Kassel: University Press (http://kobra.bibliothek.uni-kassel.de/handle/urn:nbn:d e:hebis:34–2006091914576). Hennig, Mathilde (2006a): So, und so, und so weiter: Vom Sinn und Unsinn der Wortartenklassifikation. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 34, 409–431. Hennig, Mathilde (2009): Nähe und Distanzierung. Verschriftlichung und Reorganisation des Nähebereichs. Kassel: University Press (http://nbn-resolving.de/urn:nbn:d e:hebis:34–2010011231675). Hennig, Mathilde (2009a): Syntaktische Relationen in Nichtsätzen. In: Bachmann-Stein, Andrea/ Stein, Stephan (Hg.): Mediale Varietäten – Gesprochene und geschriebene Sprache und ihre fremdsprachendidaktischen Potenziale. Beiträge zur Fremdsprachenvermittlung. Sonderheft 15. Landau: Verlag Empirische Pädagogik, 211–238. Hennig, Mathilde (2009b): Gradpartikeln zwischen Grammatik und Pragmatik. In: Deutsch als Fremdsprache 46, 86–95. Hennig, Mathilde (2010): Aggregative Koordinationsellipsen im Neuhochdeutschen. In: Ziegler, Arne/Braun, Christian (Hg.): Historische Textgrammatik und Historische Syntax des Deutschen. Traditionen, Innovationen, Perspektiven. Band 1: Diachronie, Althochdeutsch, Mittelhochdeutsch. Band 2: Frühneuhochdeutsch, Neuhochdeutsch. Berlin: de Gruyter, 937–963.

Literatur 

 815

Hennig, Mathilde (2010a): Elliptische Junktion in der Syntax des Neuhochdeutschen. In: Schmid, Hans Ulrich (Hg.): Perspektiven der germanistischen Sprachgeschichtsforschung. Berlin/New York: de Gruyter (Jahrbuch für germanistische Sprachgeschichte 1), 76–103. Hennig, Mathilde (2011): Ellipse und Textverstehen. Oder: Warum sich die Schulgrammatik vom Satzdogma lösen sollte. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 39, 239–271. Hennig, Mathilde (2012): Grammatische Terminologie. Einladung zur Diskussion. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 40, 443–450. Hennig, Mathilde (2015): Ellipsen. In: Dürscheid, Christa/Schneider, Jan Georg (Hg.): Satz, Äußerung, Schema. Handbuch Sprachwissen. Berlin/Boston: de Gruyter, 279–296. Hennig, Mathilde (2016): Ist ‚fragmentarischer Satz‘ eine grammatische Kategorie? In: Fragmentarische Äußerungen 2016, 107–135. Hennig, Mathilde (2016a): Einleitung. In: Komplexe Attribution 2016, 1–19. Hennig, Mathilde/Buchwald-Wargenau, Isabel (2010): Ausdrucksarten – ein neuer Zugang zur Wortschatzvermittlung im DaF-Unterricht? In: Kresić, Marijana/Ferraresi, Gisela (Hg.): Neue Perspektiven auf das Verhältnis zwischen linguistischer und didaktischer Grammatik. In: Linguistik Online 41, 7–23 (http://www.linguistik-online.com/41_10/hennigBuchwald.html). Hentschel, Elke (2003): Es war einmal ein Subjekt. In: Hentschel, Elke (Hg.): particulae collectae. Festschrift für Harald Weydt zum 65. Geburtstag. In: Linguistik online 13 (Themenheft/special issue), 137–160. Hentschel, Elke (2005): Die Frist ist um. Prädikativer Gebrauch von Präpositionen. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 33, 268–288. Hentschel, Elke (2009): Infinite Verbformen. In: Lexikon ‚Deutsche Morphologieʻ 2009, 171–187. Hentschel, Elke (2009a): Partizipien. In: Lexikon ‚Deutsche Morphologieʻ 2009, 274–282. Hentschel, Elke/Vogel, Petra M. (2009): Synthetisch. In: Lexikon ‚Deutsche Morphologieʻ 2009, 424 [eine Seite, VÁ]. Hentschel, Elke/Weydt, Harald (2013): Handbuch der deutschen Grammatik. 4., vollständig überarb. Aufl. Berlin/Boston: de Gruyter (de Gruyter Studienbuch). Heringer, Hans Jürgen (1984): Neues von der Verbszene. In: Stickel, Gerhard (Hg.): Pragmatik in der Grammatik. Jahrbuch 1983 des Instituts für deutsche Sprache. Düsseldorf: Schwann (Sprache der Gegenwart 60), 34–64. Heringer, Hans Jürgen (1985): The Verb and its Semantic Power: Association as a Basis for Valency Theory. In: Journal of Semantics 4, 79–99. Heringer, Hans Jürgen (1988): Lesen lehren lernen: Eine rezeptive Grammatik des Deutschen. Tübingen: Niemeyer. Heringer, Hans Jürgen (1996): Deutsche Syntax dependentiell. Tübingen: Stauffenburg (Stauffenburg Linguistik). Heringer, Hans Jürgen (2015): Linguistische Texttheorie. Eine Einführung. Tübingen: Francke (UTB 4471). Himmelmann, Nikolaus P. (1997): Deiktikon, Artikel, Nominalphrase. Zur Emergenz syntaktischer Struktur. Tübingen: Niemeyer (Linguistische Arbeiten 362). Hinterhölzl, Roland (2010): Zur Herausbildung der Satzklammer im Deutschen. Ein Plädoyer für eine informationsstrukturelle Analyse. In: Ziegler, Arne (Hg.): Historische Textgrammatik und Historische Syntax des Deutschen. Traditionen, Innovationen, Perspektiven. Bd. 1: Diachronie, Althochdeutsch, Mittelhochdeutsch. Bd. 2: Frühneuhochdeutsch, Neuhochdeutsch. Unter Mitarbeit v. Christian Braun. Berlin: de Gruyter, 121–138. Hirschmann, Hagen (2015): Modifikatoren im Deutschen. Ihre Klassifizierung und varietäten­ spezifische Verwendung. Tübingen: Stauffenburg (Studien zur deutschen Grammatik 89). Hoberg, Ursula (2004): Grammatik des Deutschen im europäischen Vergleich: Das Genus des Substantivs. Mannheim: IDS (amades 3/04).

816 

 Apparat

Hoffmann, Ludger (1998): Parenthesen. In: Linguistische Berichte 175, 299–328. Hoffmann, Ludger (2008): Über ja. In: Deutsche Sprache 36, 193–219. Hoffmann, Ludger (2013): Deutsche Grammatik. Grundlagen für Lehrerausbildung, Schule, Deutsch als Zweitsprache und Deutsch als Fremdsprache. Berlin: Schmidt. Höhle, Tilman N. (1986): Der Begriff ‚Mittelfeld‘. Anmerkungen über die Theorie der topologischen Felder. In: Schöne, Albrecht (Hg.): Kontroversen, alte und neue. Akten des VII. Internationalen Germanisten-Kongresses Göttingen 1985. Bd. 3: Textlinguistik contra Stilistik? Tübingen: Niemeyer, 329– 340. Holler, Anke (2005): Weiterführende Relativsätze. Empirische und theoretische Aspekte. Berlin: Akademie-Verlag (Studia Grammatica 60). Holler, Anke (2007): Uniform oder Different? Zum Syntaktischen Status Nicht-Restriktiver Relativsätze. In: Deutsche Sprache 35, 250–270. Holler, Anke (2013): d- und w-Relativsätze. In: Meibauer, Jörg/Steinbach, Markus/Altmann, Hans (Hg.): Satztypen des Deutschen. Berlin/Boston: de Gruyter, 266–300. Holler-Feldhaus, Anke (2003): Zur Grammatik der weiterführenden w-Relativsätze. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 31, 78–98. Holly, Werner (1988): Weiterführende Nebensätze in sprachgeschichtlicher Perspektive. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 16, 310–322. Hölzner, Matthias (2007): Substantivvalenz. Korpusgestützte Untersuchungen zu Argument­ realisierungen deutscher Substantive. Tübingen: Niemeyer (Reihe Germanistische Linguistik 274). Hopper, Paul J./Thompson, Sandra A. (1980): Transitivity in grammar and discourse. In: Language 56, 251–299. Hundsnurscher, Franz (1968/1997): Das System der Partikelverben mit aus in der Gegenwartssprache. Diss. 2. Aufl. Hamburg: Buske (Beiträge zur germanistischen Sprachwissenschaft 11). Hundt, Markus (2001): Grammatikalisierungsphänomene bei Präpositionalobjekten in der deutschen Sprache. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 29, 167–191. Hundt, Markus (2002): Formen und Funktionen des Reflexiv-Passivs im Deutschen. In: Deutsche Sprache 30, 124–166. Hundt, Markus (2003): Zum Verhältnis von epistemischer und nicht-epistemischer Modalität im Deutschen. Forschungspositionen und Vorschlag zur Neuorientierung. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 31, 343–381. Hundt, Markus (2006): Kinder sind Kinder – Struktur, Semantik und Pragmatik tautologischer Äußerungen. In: Deutsche Sprache 34, 289–313. Hyvärinen, Irma (2003): Der verbale Valenzträger. In: Handbuch ‚Dependenz und Valenzʻ 2003, 738–764. Hyvärinen, Irma (2006): Kontrastive Fallstudie Deutsch – Finnisch. In: Handbuch ‚Dependenz und Valenzʻ 2006, 1258–1272. Ickler, Irene (1990): Kasusrahmen und Perspektive. Zur Kodierung von semantischen Rollen. In: Deutsche Sprache 18, 1–37. IDS-Grammatik 1997/1–3 = Zifonun, Gisela/Hoffmann, Ludger/Strecker, Bruno (1997): Grammatik der deutschen Sprache. 3 Bde. Berlin/New York: de Gruyter (Schriften des Instituts für deutsche Sprache 7). IDS-Jahrbuch 2010 = Engelberg, Stefan/Holler, Anke/Proost, Kristel (Hg.) (2011): Sprachliches Wissen zwischen Lexikon und Grammatik. Berlin/New York: de Gruyter (Institut für Deutsche Sprache Jahrbuch 2010). Imo, Wolfgang (2007): Construction Grammar und Gesprochene-Sprache-Forschung. Konstruktionen mit zehn matrixsatzfähigen Verben im gesprochenen Deutsch. Tübingen: Niemeyer (Reihe Germanistische Linguistik 275).

Literatur 

 817

Imo, Wolfgang (2012): Wortart Diskursmarker? In: Rothstein, Björn (Hg.): Nicht-flektierende Wortarten. Berlin: de Gruyter (Linguistik – Impulse & Tendenzen 47), 48–88. Imo, Wolfgang (2013): Sprache in Interaktion. Analysemethoden und Untersuchungsfelder. Berlin/ Boston: de Gruyter (Linguistik – Impulse & Tendenzen 49). Imo, Wolfgang (2017): Über nein. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 45, 40–72. Jacobs, Joachim (1994): Kontra Valenz. Trier: Wissenschaftlicher Verlag (Fokus 12). Jacobs, Joachim (2008): Wozu Konstruktionen? In: Linguistische Berichte 213, 3–44. Jacobs, Joachim (2009): Valenzbindung oder Konstruktionsbindung? Eine Grundfrage der Grammatiktheorie. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 37, 490–513. Jäger, Ludwig (2010): Ferdinand de Saussure zur Einführung. Hamburg: Junius. Järventausta, Marja (2003): Das Subjektproblem in der Valenzforschung. In: Handbuch ‚Dependenz und Valenzʻ 2003, 781–794. Johansen, Ingeborg (1988): Der heterogene deutsche Dativ. Zur Syntax, Semantik und Sprach­ gebrauchsbedeutung. Heidelberg: Winter. Kaiaty, Mohamed (2010): Überlegungen zu sog. ‚ergänzenden wenn-Sätzenʻ im Deutschen. In: Deutsche Sprache 38, 287–308. KAJUK = Kasseler Junktionskorpus (http://www1.uni-giessen.de/kajuk/index.htm). Kaltenböck, Gunther (2007): Spoken parenthetical clauses in English. In: Dehé, Nicole/Kavalova, Yordanka (Hg.) (2007): Parentheticals. Amsterdam, Philadelphia: John Benjamins (Linguistik Aktuell/Linguistics Today 106), 25–52. Kaltenböck, Gunther/Heine, Bernd/Kuteva, Tania (2011): On thetical grammar. In: Studies in Language 35, 852–897. Kaltenböck, Gunther/Heine, Bernd/Kuteva, Tania (2015): On Theticals: A „rootless“ analysis of I think. In: Schneider, Stefan/Glikman, Julie/Avanzi, Mathieu (Hg.): Parenthetical Verbs. Berlin/ Munich/Boston: de Gruyter (Linguistische Arbeiten 557), 39–70. Kamber, Alain (2008): Funktionsverbgefüge – empirisch. Eine korpusbasierte Untersuchung zu den nominalen Prädikaten des Deutschen. Tübingen: Niemeyer (Reihe Germanistische Linguistik 281). Kameyama, Shinichi (2007): Personendeixis, Objektdeixis. In: Handbuch ‚Wortartenʻ 2007, 577–600. Kasper, Simon (2014): Herleitung einer Instruktionsgrammatik. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 42, 253–306. Kasper, Simon (2015): Instruction Grammar. From Perception via Grammar to Action. Berlin/Boston: de Gruyter (Trends in Linguistics, Studies and Monographs 293). Kasper, Simon/Schmidt, Jürgen Erich (2016): Instruktionsgrammatische Reanalyse der Attribuierungskomplikationen. In: Komplexe Attribution 2016, 97–133. Kątny, Andrzej/Socka, Anna (Hg.) (2010): Modalität/Temporalität in kontrastiver und typologischer Sicht. Frankfurt am Main et al.: Lang (Danziger Beiträge zur Germanistik 30). Kazenin, Konstantin I. (2001): Verbal reflexives and the middle voice. In: Handbuch ‚Sprachtypologieʻ 2001/2, 916–927. Keenan, Edward L. (1976): Towards a Universal Definition of „Subject“. In: Li, Charles N. (Hg.): Subject and Topic. New York/San Francisco/London: Academic Press, 303–333. Kehrein, Roland (2002): Prosodie und Emotionen. Tübingen: Niemeyer (Reihe Germanistische Linguistik 231). Keller, Rudi (1990): Sprachwandel. Von der unsichtbaren Hand in der Sprache. Tübingen: Francke (UTB 1567). Kemmer, Suzanne (1993): The Middle Voice. Amsterdam/Philadelphia: Benjamins (Typological Studies in Language 23). Kim, Jiwon (2014): Es ist zum Verrücktwerden! – Analyse einer Phrasem-Konstruktion im Rahmen der Konstruktionsgrammatik. In: Deutsche Sprache 42, 25–42.

818 

 Apparat

Kittilä, Seppo (2005): Recipient-prominence vs. beneficiary-prominence. In: Linguistic Typology 9, 269–297. Klein, Wolfgang (1993): Ellipse. In: Handbuch ‚Syntaxʻ 1993, 763–799. Knobloch, Clemens (1990): Wortarten und Satzglieder. Theoretische Überlegungen zu einem alten Problem. In: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 112, 173–199. Knobloch, Clemens (2009): Noch einmal: Partikelkonstruktionen In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 37, 544–564. Knobloch, Clemens (2009a): Einladung und Einleitung. In: ZGL-Themenheft ‚Konstruktionsgrammatikʻ 2009, 385–401. Knobloch, Clemens (2013): „Ein Teil, das fehlt, geht nie kaputt“ – Ellipsen in Grammatik und Kommunikation. In: Ellipse 2013, 19–38. Knobloch, Clemens (2015): Genitivkonstruktionen und Possessorrealisierung im Deutschen. In: Argumentstruktur 2015, 247–270. Koch, Peter/Oesterreicher, Wulf (1985): Sprache der Nähe – Sprache der Distanz. Mündlichkeit und Schriftlichkeit im Spannungsfeld von Sprachtheorie und Sprachgeschichte. In: Romanisches Jahrbuch 36, 15–43. Koch, Peter/Oesterreicher, Wulf (1994): Schriftlichkeit und Sprache. In: Günther, Hartmut/ Ludwig, Otto (Hg.): Schrift und Schriftlichkeit. Ein interdisziplinäres Handbuch internationaler Forschung. Halbbd.1. Berlin/New York: de Gruyter (Handbücher zur Sprach- und Kommunika­ tionswissenschaft 10.1), 587–604. Koch, Peter/Oesterreicher, Wulf (2011): Gesprochene Sprache in der Romania: Französisch, Italienisch, Spanisch. 2., aktualisierte und erweiterte Aufl. Berlin/New York: de Gruyter (Romanistische Arbeitshefte 31). Kodierungstechniken 2010 = Bittner, Dagmar/Gaeta, Livio (Hg.): Kodierungstechniken im Wandel. Das Zusammenspiel von Analytik und Synthese im Gegenwartsdeutschen. Berlin/New York: Walter de Gruyter (Linguistik – Impulse & Tendenzen 34). Kolde, Gottfried (1985): Zur Topologie deutscher Substantivgruppen. Rahmenbildung und mehrfache Attribuierung. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 13, 241–277. Kolehmainen, Leena (2005): Präfix- und Partikelverben im deutsch-finnischen Kontrast. Dissertation. Universität Helsinki. Komplexe Attribution 2016 = Hennig, Mathilde (Hg.): Komplexe Attribution. Ein Nominalstil­ phänomen aus sprachhistorischer, grammatischer, typologischer und funktionalstilistischer Perspektive. Berlin/Boston: de Gruyter (Linguistik – Impulse & Tendenzen 63). Kollokationen im Wörterbuch = Fellbaum, Christiane et al.: Kollokationen im Wörterbuch. Berlinbrandenburgische Akademie der Wissenschaften (http://kollokationen.bbaw.de/). König, Ekkehard (1991): Gradpartikeln. In: Handbuch ‚Semantikʻ, 786–803. König, Ekkehard (2001): Internal and external possessors. In: Handbuch ‚Sprachtypologieʻ 2001/2, 970–978. König, Ekkehard/Auwera, Johan van der (1988): Clause integration in German and Dutch conditionals, concessive conditionals, and concessives. In: Haiman/Thompson (Hg.) (1988), 101–133. König, Ekkehard/Haspelmath, Martin (1998): Les constructions à possesseur externe dans les langues d’Europe. In: Actance et Valence 1998, 525–606. Konstruktionsgrammatik I = Fischer, Kerstin/Anatol Stefanowitsch (Hg.) (2008): Konstruktionsgrammatik I. Von der Anwendung zur Theorie. 2. Aufl. Tübingen: Stauffenburg (Stauffenburg Linguistik 40). Konstruktionsgrammatik III = Lasch, Alexander/Ziem, Alexander (Hg.) (2011): Konstruktionsgrammatik III. Aktuelle Fragen und Lösungsansätze. Tübingen: Stauffenburg (Stauffenburg Linguistik 58).

Literatur 

 819

Koptjevskaja-Tamm, Maria (2003): Possessive noun phrases in the languages of Europe. In: Plank, Frans (Hg.): Noun Phrase Structure in the Languages of Europe. Berlin/New York: de Gruyter, 621–722. Kopulaverben und Kopulasätze 2007 = Geist, Ljudmila/Rothstein, Björn (Hg.): Kopulaverben und Kopulasätze. Intersprachliche und intrasprachliche Aspekte. Tübingen: Niemeyer (Linguistische Arbeiten 512). Korhonen, Jarmo (1977): Studien zu Dependenz, Valenz und Satzmodell. Teil I: Theorie und Praxis der Beschreibung der deutschen Gegenwartssprache. Dokumentation, kritische Besprechung, Vorschläge. Bern et al.: Lang (Europäische Hochschulschriften I/212). Kotin, Michail L. (1998): Die Herausbildung der grammatischen Kategorie des Genus verbi im Deutschen: eine historische Studie zu den Vorstufen und zur Entstehung des deutschen PassivParadigmas. Hamburg: Buske (Beiträge zur germanistischen Sprachwissenschaft 14). Kotin, Michail L./Schönherr, Monika (2012): Zum Verhältnis von Epistemizität und Evidentialität im Deutschen aus diachroner und typologischer Sicht. In: Zeitschrift für Deutsche Philologie 131, 393–416. Krause, Maxi (1994): Bemerkungen zu KOMM- +Partizip II im heutigen Deutsch. (Typ: Er kommt angelatscht). In: Bresson, Daniel/Dalmas, Martine (Hg.): Partizip und Partizipialgruppen im Deutschen. Tübingen: Narr (Eurogermanistik 5), 163–180. Krause, Olaf (2002): Progressiv im Deutschen. Eine empirische Untersuchung im Kontrast mit Niederländisch und Englisch. Tübingen: Niemeyer (Linguistische Arbeiten 462). Krifka, Manfred (1991: Massennomina. In: Handbuch ‚Semantikʻ 1991, 399–417. Kunze, Jürgen (1997): Typen der reflexiven Verbverwendung im Deutschen und ihre Herkunft. In: Zeitschrift für Sprachwissenschaft 16, 83–180. Kuroda, Susumu (1999): Die historische Entwicklung der Perfektkonstruktionen im Deutschen. Hamburg: Buske (Beiträge zur germanistischen Sprachwissenschaft 15). KVL 1978 = Engel, Ulrich/Schumacher, Helmut (1978): Kleines Valenzlexikon deutscher Verben. 2., durchges. Aufl. Tübingen: Narr (Forschungsberichte des Instituts für deutsche Sprache 31). Lange, Klaus-Peter (1981): Über Referenzzeichen (bisher bekannt unter den Namen „Pronomen“ und „Artikel“). In: Frier, Wolfgang (Hg.): Pragmatik. Theorie und Praxis. Amsterdam: Rodopi (Amsterdamer Beiträge zur neueren Germanistik 13), 1–22. Langlotz, Miriam (2014): Junktion und Schreibentwicklung. Eine empirische Untersuchung narrativer und argumentativer Schülertexte. Berlin/Boston: de Gruyter (Reihe Germanistische Linguistik 300). László, Sarolta (1988): Mikroebene. In: Mrazović, Pavica/Teubert, Wolfgang (Hg.): Valenzen im Kontrast. Ulrich Engel zum 60. Geburtstag. Heidelberg, 218–233. Lauwers, Peter/Willems, Dominique (2011): Coercion: Definition and challenges, current approaches, and new trends. In: Linguistics 49, 1219–1235. Lehmann, Christian (1988): Towards a typology of clause linkage. In: Haiman/Thompson (Hg.) (1988), 181–225. Lehmann, Christian (1992): Deutsche Prädikatklassen in typologischer Sicht. In: Ludger, Hoffmann (Hg.): Deutsche Syntax. Ansichten und Aussichten. Jahrbuch 1991 des Instituts für deutsche Sprache. Berlin/New York: de Gruyter, 155–185. Leirbukt, Oddleif (1997): Untersuchungen zum bekommen-Passiv im heutigen Deutsch. Tübingen: Niemeyer (Reihe Germanistische Linguistik 177). Leiss, Elisabeth (1992): Die Verbalkategorien des Deutschen. Ein Beitrag zur Theorie der sprachlichen Kategorisierung. Berlin/New York: de Gruyter (Studia Linguistica Germanica 31). Leistner, Annika (2016): Syntaktische Integration in Redewiedergabe. Eine Untersuchung der direkten und nicht-direkten Redewiedergabeformen in literarischen Texten. Kassel: University Press (http://nbn-resolving.org/urn/resolver.pl?urn=urn:nbn:de:0002-401737).

820 

 Apparat

Lenz, Barbara (1996): Adverbale Genitive im Deutschen. Wuppertal: Bergische Universität GH (Theorie des Lexikons 77). Lenz, Barbara (1998): Objektvariation bei Genitiv-Verben. In: Papiere zur Linguistik 58, 3–34. Lerot, Jacques (1982): Die verbregierten Präpositionen in Präpositionalobjekten. In: Abraham, Werner (Hg.): Satzglieder im Deutschen. Vorschläge zur syntaktischen, semantischen und pragmatischen Fundierung. Tübingen: Narr, 261–291. Leuschner, Torsten (2005): Ob blond, ob braun, ich liebe alle Frauʼn. Irrelevanzkonditionalen als grammatikalisierter Diskurs. In: Leuschner, Torsten/Mortelmans, Tanja/De Groodt, Sarah (Hg.): Grammatikalisierung im Deutschen. Berlin: de Gruyter (Linguistik – Impulse & Tendenzen 9), 279–308. Lexikon ‚Deutsche Morphologieʻ 2009 = Hentschel, Elke/Vogel, Petra M. (Hg.) (2009): Deutsche Morphologie. Berlin/New York: Walter de Gruyter (de Gruyter Lexikon). Litvinov, Viktor P./Nedjalkov, Vladimir P. (1988): Resultativkonstruktionen im Deutschen. Tübingen: Narr (Studien zur deutschen Grammatik 34). Lötscher, Andreas (1999): Nicht erfragbare Satzglieder. In: Spillmann, Hans Otto/Warnke, Ingo (Hg.) (1999): Internationale Tendenzen der Syntaktik, Semantik und Pragmatik. Akten des 32. Linguistischen Kolloquiums in Kassel 1997. Bern at al.: Lang, 305–313. Lüdeling, Anke (2001): On Particle Verbs and Similar Constructions in German. Stanford, California: CSLI Publications (Dissertations in Linguistics). Maas, Utz (2010): Literat und orat. Grundbegriffe der Analyse geschriebener und gesprochener Sprache. In: Grazer Linguistische Studien 73, 21–150. Maienborn, (2007): Das Zustandspassiv. Grammatische Einordnung – Bildungsbeschränkung – Interpretationsspielraum. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 35, 83–114. Maienborn, Claudia (2016): Events and States. In: Truswell, Robert (Hg.): Oxford Handbook of Event Structure. Oxford: OUP, 24–65. Malchukov, Andrej L. (2000): Dependency reversal in noun-attributive constructions. München: Lincom (Lincom Studies in Language Typology 3). Malchukov, Andrej L./Haspelmath, Martin/Comrie, Bernard (2010): Ditransitive Constructions: a typological overview. In: Malchukov, Andrej L./Haspelmath, Martin/Comrie, Bernard (Hg.): Studies in Ditransitive Constructions: A Comparative Handbook. Berlin: Mouton de Gruyter, 1–64. Marillier, Jean-François (2016): Die Koordinationsellipse – Über die problematische Anwendung eines problematischen Begriffs. In: Fragmentarische Äußerungen 2016, 174–200. Martinet, André (1963): Grundzüge der Allgemeinen Sprachwissenschaft. Stuttgart: Kohlhammer (Urban Taschenbücher 69). [frz. Original 1960]. Matsekh-Ukrayinskyy, Lyubomyr (2015): Adjektivvalenz und präpositionale Komplemente. Eine framebasierte Untersuchung zu Syntax und Semantik der präpositionalen Komplemente bei Adjektiven. Frankfurt am Main et al.: Lang (Sprache – System und Tätigkeit 66). Maxwell, Hugh (1982): Valenzgrammatik mittelhochdeutscher Verben. Frankfurt am Main at al.: Lang (Europäische Hochschulschriften I/504). Meibauer, Jörg (1994): Modaler Kontrast und konzeptuelle Verschiebung. Studien zur Syntax und Semantik deutscher Modalpartikeln. Tübingen: Niemeyer (Linguistische Arbeiten 314). Meiner, Johann Werner (1781/1971): Versuch einer an der menschlichen Sprache abgebildeten Vernunftlehre oder Philosophische und allgemeine Sprachlehre. Stuttgart-Bad Cannstatt: Frommann (Grammatica universalis 6) [Faksimile-Neudruck der Ausgabe Leipzig 1781]. Meinunger, André (2011): Das ist was ziemlich Komisches ist das! The syntax of apokoinuconstructions in colloquial German and other langages. In: Breindl, Eva/Ferraresi, Gisella/ Volodina, Anna (Hg.): Satzverknüpfungen. Zur Interaktion von Form, Bedeutung und Diskursfunktion. Berlin/New York: de Gruyter, 351–378.

Literatur 

 821

Meliss, Meike (2012): Der Wagen scheppert um die Ecke. Geräuschverben als Direktiva? In: Sprachwissenschaft 37, 309–331. Métrich, René/Courdier, Gilbert (1995): Die Zukunft des Menschen aber ist immer so lang wie seine Vergangenheit. In: Métrich, René/Vuillame, Marcel (Hg.): Rand und Band. Abgrenzung und Verknüpfung als Grundtendenzen des Deutschen. Festschrift für Eugène Faucher zum 60. Geburtstag. Tübingen: Narr (Eurogermanistik 7), 275–297. Metschkowa-Atanassowa, Sdrawka (1983): Temporale und konditionale „wenn“-Sätze. Untersuchungen zu ihrer Abgrenzung und Typologie. Düsseldorf: Schwann (Sprache der Gegenwart 58). Milewski, Tadeusz (1967): La structure de la phrase dans les langues indigènes de l‘Amérique du Nord. In: Ders. Études typologiques sur les langues indigènes de l‘Amérique. Kraków: Polska Akademia Nauk (Prace komisji orientalistycznej 7), 70–101. [Orig. 1950]. Möller, Max (2010): Mach dich schlau: Machen + Adjektiv als Lerngegenstand. In: Fischer, Klaus/ Fobbe, Eilika/Schierholz, Stefan J. (Hg.): Valenz und Deutsch als Fremdsprache. Frankfurt am Main at al.: Lang (Deutsche Sprachwissenschaft international 6), 183–213. Mollica, Fabio (2014): Der Dativus ethicus im Deutschen aus konstruktionsgrammatischer Sicht. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 42, 349–378. Mortelmans, Tanja/Smirnova, Elena (2010): Plusquamperfektkonstruktionen mit Modalverb im Deutschen. In: Kodierungstechniken 2010, 47–66. Motsch, Wolfgang (1999): Deutsche Wortbildung in Grundzügen. Berlin/New York: de Gruyter (Schriften des Instituts für deutsche Sprache 8). Müller, Stefan (2002): Complex Predicates. Verbal Complexes, Resultative Constructions, and Particle Verbs in German. Stanford: CSLI (Studies in Constraint-Based Lexicalism 13). Müller, Stefan (2006): Complex Predicates. In: Brown, Keith (Hg.): Encyclopedia of Language and Linguistics. Oxford: Elsevier, 697–704. Müller, Stefan (2006a): Resultativkonstruktionen, Partikelverben und syntaktische vs. lexikonbasierte Konstruktionen. In: Konstruktionsgrammatik I, 177–202. Müller, Wolfgang (2013): Das Wörterbuch deutscher Präpositionen. Die Verwendung als Anschluss an Verben, Substantive, Adjektive und Adverbien. Berlin/Boston: de Gruyter. Musan, Renate (2008): Satzgliedanalyse. Heidelberg: Winter (Kurze Einführungen in die germanistische Linguistik 6). Näf, Anton (1979): Die Wortstellung in Notkers Consolatio. Untersuchungen zur Syntax und Über­setzungstechnik. Berlin/New York: de Gruyter. Nedjalkov, Vladimir P. (2001): Resultative constructions. In: Handbuch ‚Sprachtypologieʻ 2001/2, 928–940. Negele, Michaela (2012): Varianten der Pronominaladverbien im Neuhochdeutschen. Grammatische und soziolinguistische Untersuchungen. Berlin/New York: de Gruyter (Studia Linguistica Germanica 108). Newmeyer, Frederick J. (2015): Parentheticals and the grammar of complementation. In: Schneider, Stefan/Glikman, Julie/Avanzi, Mathieu (Hg.): Parenthetical Verbs. Berlin/Munich/Boston: de Gruyter (Linguistische Arbeiten 557), 13–37. Nichols, Johanna (1986): Head-marking and dependent-marking grammar. In: Language 62, 56–119. Niehüser, Wolfgang (1987): Redecharakterisierende Adverbiale. Göppingen: Kümmerle (Göppinger Arbeiten zur Germanistik 482). Nikula, Henrik (1978): Kontextuell und lexikalisch bedingte Ellipse. Åbo: Åbo Akademi (Publications of the Research Institute of the Åbo Akademi Foundation 35). Nikula, Henrik (1995): Was kann geschehen? In: Popp, Heidrun (Hg.): Deutsch als Fremdsprache: an den Quellen eines Faches. Festschrift für Gerhard Helbig zum 65. Geburtstag. München: Iudicium, 327–337.

822 

 Apparat

Non-canonical marking = Aikhenvald, Alexandra Y./Dixon, Robert M. W./Onishi, Masayuki (Hg.) (2001): Non-canonical marking of subjects and objects. Amsterdam/Philadelphia: Benjamins (Typological Studies in Language 46). Nübling, Damaris (2005): Zwischen Syntagmatik und Paradigmatik: Grammatische Eigen­namen­marker und ihre Typologie. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 33, 25–56. Nübling, Damaris (2005a): Von in die über in’n und ins bis im. Die Klitisierung von Präposition und Artikel als „Grammatikalisierungsbaustelle“. In: Leuschner, Torsten/Mortelmans, Tanja/ De Groodt, Sarah (Hg.): Grammatikalisierung im Deutschen. Berlin/New York: de Gruyter (Linguistik – Impulse & Tendenzen 9), 105–131. Ogawa, Akio (2005): Dativ und Valenzerweiterung. Syntax, Semantik und Typologie. Tübingen: Stauffenburg (Studien zur deutschen Grammatik 66). Olsen, Susan (1996): Pleonastische Direktionale. In: Harras, Gisela/Bierwisch, Manfred (Hg.): Wenn die Semantik arbeitet. Klaus Baumgärtner zum 65. Geburtstag. Tübingen: Niemeyer, 303–329. Olsen, Susan (1997): Der Dativ bei Partikelverben In: Dürscheid, Christa/Ramers, Karl Heinz/ Schwarz, Monika (Hg.): Sprache im Fokus. Festschrift für Heinz Vater zum 65. Geburtstag. Tübingen: Niemeyer, 307–328. Oppenrieder, Wilhelm (1991): Von Subjekten, Sätzen und Subjektsätzen. Untersuchungen zur Syntax des Deutschen. Tübingen: Niemeyer (Linguistische Arbeiten 241). Ortner, Hanspeter (1983): Syntaktisch hervorgehobene Konnektoren im Deutschen. In: Deutsche Sprache 11, 97–121. Osborne, Timothy (2007): The Weight of Predicates: A Dependency Grammar Analysis of Predicate Weight in German. In: Journal of Germanic Linguistics 19, 23–72. Ossner, Jakob (2012): Grammatische Terminologie in der Schule. Einladung zur Diskussion. In: Didaktik Deutsch 32, 111–127. Oubouzar, Erika (1974): Über die Ausbildung der zusammengesetzten Verbformen im deutschen Verbalsystem. In: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur (H) 95, 5–96. Oya, Toshiaki (2010): Three types of reflexive verbs in German. In: Linguistics 48, 227–257. Palm, Christine (1997): Phraseologie. Eine Einführung. 2. Aufl. Tübingen: Narr (Narr Studienbücher). Palmer, Frank Robert (2001): Mood and Modality. 2. edition. Cambridge: Cambridge University Press (Cambridge Textbooks in Linguistics). Pape-Müller, Sabine (1980): Textfunktionen des Passivs. Untersuchungen zur Verwendung von grammatisch-lexikalischen Passivformen. Tübingen: Niemeyer (Reihe Germanistische Linguistik 29). Pasch, Renate (1977): Zum Status der Valenz. In: [ohne Hg.] Beiträge zur semantischen Analyse. Berlin: AW/ZISW (Linguistische Studien A 42), 1–50. Pasierbsky, Fritz (1981): Sprachtypologische Aspekte der Valenztheorie unter besonderer Berücksichtigung des Deutschen. In: Zeitschrift für Phonetik, Sprachwissenschaft und Kommunikationsforschung 34, 160–177. Paul, Hermann (1919/1954): Deutsche Grammatik. Band III, Teil IV: Syntax (erste Hälfte). Halle: VEB Niemeyer. [unveränderter Nachdruck] Paul, Hermann (1992): Deutsches Wörterbuch. 9., vollst. neu bearb. Aufl. von Helmut Henne und Georg Objartel unter Mitarbeit von Heidrun Kämper-Jensen. Tübingen: Niemeyer. Paul, Hermann/Moser, Hugo/Schröbler, Ingeborg (1975): Mittelhochdeutsche Grammatik. 21., durchges. Aufl. Tübingen: Niemeyer (Sammlung kurzer Grammatiken germanischer Dialekte, A. Hauptreihe 2). Pavlov, Vladimir (1983): Zur Ausbildung der Norm der deutschen Literatursprache im Bereich der Wortbildung (1470–1730). Berlin: Akademie (Bausteine zur Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen 56/VI).

Literatur 

 823

Pavlov, Vladimir (1995): Die Deklination der Substantive im Deutschen. Synchronie und Diachronie. Frankfurt am Main et al.: Lang. Pavlov, Vladimir (2002): Deverbale Nominalisierung im Frühneuhochdeutschen im Vergleich mit dem Neuhochdeutschen. In: Habermann, Mechthild/Müller, Peter O./Munske, Horst Haider (Hg.): Historische Wortbildung des Deutschen. Tübingen: Niemeyer (Reihe Germanistische Linguistik 232), 227–244. Pérennec, Marie-Hélène (1998): Zur Widerstandsfähigkeit des adnominalen Genitivs. In: Vuillaume, Marcel (Hg.): Die Kasus im Deutschen. Form und Inhalt. Tübingen: Stauffenburg (Eurogermanistik 13), 167–179. Peter, Klaus (2015): Zur Semantik pränominaler onymischer Genitivattribute. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 43, 199–232. Peyer, Ann (1997): Satzverknüpfung: Syntaktische und textpragmatische Aspekte. Tübingen: Niemeyer (Reihe Germanistische Linguistik 178). Piitulainen, Marja-Leena (1980): Zum Problem der Satzglieder in der deutschen Grammatik der Gegenwart. Jyväskylä: Universität Jyväskylä. Pittner, Karin (1993): So und wie in Redekommentaren. In: Deutsche Sprache 21, 306–325. Pittner, Karin (1995): Zur Syntax von Parenthesen. In: Linguistische Berichte 156, 85–108. Pittner, Karin (1999): Adverbiale im Deutschen. Untersuchungen zu ihrer Stellung und Interpretation. Tübingen: Stauffenburg (Studien zur deutschen Grammatik 60). Pittner, Karin (2000): Verschiedene Arten der Art und Weise: zu ihrer Positionierung im Deutschen und Englischen. In: Linguistik Online 6 (http://www.linguistik-online.de/2_00/pittner.html). Pittner, Karin (2003): Kasuskonflikte bei freien Relativsätzen – eine Korpusstudie. In: Deutsche Sprache 31, 193–208. Pittner, Karin (2014): Kommentare zum Kommentarglied. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 42, 50–57. Pittner, Karin/Bermann, Judith (2006): video ist echt schrott aber single ist hammer. Jugendsprachliche Nomen-Adjektiv-Konversion in der Prädikativposition. In: Deutsche Sprache 34, 233–250. Plank, Frans (1985): Prädikativ und Koprädikativ. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 13, 154–185. Plank, Frans (1987): Direkte indirekte Objekte, oder: Was uns lehren lehrt. In: Leuvense Bijdragen 76, 37–61. Plewnia, Albrecht (2003): Sätze, denen nichts fehlt. Eine dependenzgrammatische Untersuchung elliptischer Konstruktionen. Am Beispiel des mitteldeutschen Dialekts des Ermlandes. Hildesheim/Zürich/New York: Olms (Germanistische Linguistik Monographien 11). Polenz, Peter von (1987): Funktionsverben, Funktionsverbgefüge und Verwandtes. Vorschläge zur satzsemantischen Lexikographie. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 15, 169–189. Polenz, Peter von (2008): Deutsche Satzsemantik. Grundbegriffe des Zwischen-den-Zeilen-Lesens. 3. Aufl. Berlin/New York: de Gruyter (de Gruyter Studienbuch). Poncin, Kristina (2000): Apokoinukonstruktionen: Empirische Untersuchung ihrer Verwendung in aufgabenorientierten Dialogen und Diskussion ihrer grammatischen Modellierbarkeit in einer Unifikationsgrammatik. Dissertation. Universität Bielefeld (http://pub.uni-bielefeld.de/ publication/2306203). Primus, Beatrice (2012): Semantische Rollen. Heidelberg: Winter (Kurze Einführungen in die germanistische Linguistik 12). Proost, Kristel (2009): Warum man nach Schnäppchen jagen, aber nicht nach Klamotten bummeln kann. Die nach-Konstruktion zwischen Lexikon und Grammatik. In: Winkler, Edeltraud (Hg.): Konstruktionelle Varianz bei Verben. Mannheim: Institut für Deutsche Sprache (OPAL Sonderheft 4/2009), 10–41.

824 

 Apparat

Pütz, Herbert (1982): Objektsprädikate. In: Abraham, Werner (Hg.): Satzglieder im Deutschen. Vorschläge zur syntaktischen, semantischen und pragmatischen Fundierung (Studien zur deutschen Grammatik 15). Tübingen: Narr, 331–367. Raible, Wolfgang (1992): Junktion. Eine Dimension der Sprache und ihre Realisierungsformen zwischen Aggregation und Integration. Heidelberg: Winter (Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-historische Klasse 1992/2). Rath, Rainer (1979): Kommunikationspraxis. Analysen zur Textbildung und Textgliederung im gesprochenen Deutsch. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht (Kleine Vandenhoeck-Reihe 1452). Redder, Angelika (1992): Funktional-grammatischer Aufbau des Verb-Systems im Deutschen. In: Hoffmann, Ludger (Hg.): Deutsche Syntax. Ansichten und Aussichten. Berlin: de Gruyter (Jahrbuch des Instituts für Deutsche Sprache 1991), 128–154. Redder, Angelika (2000): Textdeixis. In: Handbuch ‚Text- und Gesprächslinguistikʻ 2000, 283–294. Redder, Angelika (2003): Partizipiale Ketten und autonome Partizipialkonstruktionen: Formen partikularen sprachlichen Handelns. In: Hoffmann, Ludger (Hg.): Funktionale Syntax. Die pragmatische Perspektive. Berlin/New York: de Gruyter, 155–188. Redder, Angelika (2006): Nicht-sententiale Äußerungsformen zur Realisierung konstellativen Schilderns. In: Deppermann, Arnulf/Fiehler, Reinhard/Spranz-Fogasy, Thomas (Hg.): Grammatik und Interaktion. Mannheim: Verlag für Gesprächsforschung, 123–146. Redder, Angelika (2007): Konjunktor. In: Handbuch ‚Wortartenʻ 2007, 483–524. Rehbock, Helmut (2001): Exzitative w-Nebensätze. In: Schierholz, Stefan J. [in Zusammenarbeit mit Eilika Fobbe] (Hg.): Die deutsche Sprache in der Gegenwart. Festschrift für Dieter Cherubim zum 60. Geburtstag. Frankfurt am Main et al.: Lang, 147–159. Reis, Marga (1979): Ansätze zu einer realistischen Grammatik. In: Grubmüller, Klaus/Hellgardt, Ernst/Jellissen, Heinrich/Reis, Marga (Hg.): Befund und Deutung. Zum Verhältnis von Empirie und Interpretation in Sprach- und Literaturwissenschaft. Tübingen: Niemeyer, 1–21. Reis, Marga (1980): On Justifying Topological Frames. ‚Positional Fieldʻ and the Order of Nonverbal Constituents in German. In: DRLAV: Revue de Linguistique 22/23, 59–85. Reis, Marga (1997): Zum syntaktischen Status unselbständiger Verbzweit-Sätze. In: Dürscheid, Christa/Ramers, Karl Heinz/Schwarz, Monika (Hg.): Sprache im Fokus. Festschrift für Heinz Vater zum 65. Geburtstag. Tübingen: Niemeyer, 121–144. Reis, Marga (2005): Wer brauchen ohne zu gebraucht… Zu systemgerechten ‚Verstößenʻ im Gegenwartsdeutschen. In: Cahiers d’Études Germaniques 48, 101–114. Reis, Marga (2005a): Zur Grammatik der sog. Halbmodale drohen/versprechen + Infinitiv. In: D’Avis, Franz Josef (Hg.): Deutsche Syntax: Empirie und Theorie. Symposium in Göteborg 13.–15. Mai 2004. Göteborg: Acta Universitatis Gothoburgensis (Göteborger Germanistische Forschungen 46), 125–145. Reis, Marga (2007): Modals, So-called Semi-Modals, and Grammaticalization in German. In: Inter­disciplinary Journal for Germanic Linguistics and Semiotic Analysis 12, 1–57. Reis, Marga (2011): Kaum-Gefüge im Deutschen – Grammatik und Pragmatik. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 39, 317–355. Rezat, Sara (2007): Die Konzession als strategisches Sprachspiel. Heidelberg: Winter (Sprache – Literatur und Geschichte; Studien zur Linguistik/Germanistik 30). Rezat, Sara (2009): Konzessive Konstruktionen. Ein Verfahren zur Rekonstruktion von Konzessionen. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 37, 469–489. Rice, Sally (1987): Towards a Transitive Prototype: Evidence from Some Atypical English Passives. In: Berkeley Linguistics Society 13, 422–434. Rinas, Karsten (2011): Sprache, Stil und starke Sprüche. Bastian Sick und seine Kritiker. Darmstadt: Schneider.

Literatur 

 825

Roncador, Manfred von (1988): Zwischen direkter und indirekter Rede. Nichtwörtliche direkte Rede, erlebte Rede, logophorische Konstruktionen und Verwandtes. Tübingen: Niemeyer (Linguistische Arbeiten 192). Rostila, Jouni (2002): Die Präpositionen der Präpositionalobjekte als ein Kongruenzphänomen. In: Skog-Södersved, Mariann/Parry, Christoph/von Witzleben, Brigitte (Hg.): Grenzüberschreibungen. Festschrift für Henrik Nikula zu seinem 60. Geburtstag. Vaasa/Germersheim (SAXA Sonderband 7), 129–139. Rostila, Jouni (2007): Konstruktionsansätze zur Argumentmarkierung im Deutschen. Dissertation. Universität Tampere (Acta Universitatis Tamperensis 1260). Rothstein, Björn (2007): Einige Bemerkungen zum Partizip II in Das Pferd hat die Fesseln bandagiert. In: Kopulaverben und Kopulasätze 2007, 285–298. Rothstein, Björn (2011): Zur temporalen Interpretation von Fügungen des Typs sie kamen gelaufen. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 39, 356–376. Sabban, Annette (1998): Okkasionelle Variationen sprachlicher Schematismen. Eine Analyse französischer und deutscher Presse- und Werbetexte. Tübingen: Narr (Romanica Monacensia 53). Sabban, Annette (2007): Textbildende Potenzen von Phrasemen. In: Handbuch ‚Phraseologieʻ 2007, 237–253. Sadziński, Roman (1989): Statische und dynamische Valenz. Probleme einer kontrastiven Valenzgrammatik Deutsch-Polnisch. Hamburg: Buske (Beiträge zur Sprachwissenschaft 1). Sadziński, Roman (2006): Diathesen und Konversen. In: Handbuch ‚Dependenz und Valenzʻ 2006, 963–973. Sæbø, Kjell Johan (2003): Valency and Context Dependence. In: Handbuch ‚Dependenz und Valenzʻ 2003, 814–819. Sasse, Hans-Jürgen (1978): Subjekt und Ergativ: Zur pragmatischen Grundlage primärer grammatischer Relationen. In: Folia Linguistica XII, 219–252. Sasse, Hans-Jürgen (1987): The thetic/categorial distinction revisited. In: Linguistics 25, 511–580. Savigny, Eike von (1993): Die Philosophie der normalen Sprache. Eine kritische Einführung in die »ordinary language philosophy«. Frankfurt am Main: Suhrkamp (Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft 1071). Scheutz, Hannes (1992): Apokoinukonstruktionen. Gegenwartssprachliche Erscheinungsformen und Aspekte ihrer historischen Entwicklung. In: Weiss, Andreas (Hg.): Dialekte im Wandel. Göppingen: Kümmerle (Göppinger Arbeiten zur Germanistik 538), 243–264. Schierholz, Stefan J. (2001): Präpositionalattribute. Syntaktische und semantische Analysen. Tübingen: Niemeyer (Linguistische Arbeiten 447). Schindler, Wolfgang (1990): Untersuchungen zur Grammatik appositionsverdächtiger Einheiten im Deutschen. Tübingen: Niemeyer (Linguistische Arbeiten 246). Schmid, Hans Ulrich (1987): Überlegungen zu Syntax und Semantik ergänzender wenn-Sätze. In: Sprachwissenschaft 12, 265–292. Schmid, Josef (1988): Untersuchungen zum sogenannten freien Dativ in der Gegenwartssprache und auf Vorstufen des heutigen Deutsch. Frankfurt am Main et al.: Lang (Regensburger Beiträge zur deutschen Sprach- und Literaturwissenschaft 35). Schmid, Josef (2006): Die „freien“ Dative. In: Handbuch ‚Dependenz und Valenzʻ 2006, 951–962. Schmidt, Jürgen Erich (1993): Die deutsche Substantivgruppe und die Attribuierungskomplikation. Tübingen: Niemeyer (Reihe Germanistische Linguistik 138). Schmidt, Jürgen Erich/Herrgen, Joachim (2011): Sprachdynamik: Eine Einführung in die moderne Regionalsprachenforschung. Berlin: Schmidt (Grundlagen der Germanistik 49). Schneider, Jan Georg (2011): Hat die gesprochene Sprache eine eigene Grammatik? Grundsätzliche Überlegungen zum Status gesprochensprachlicher Konstruktionen und zur Kategorie ‚gesprochenes Standarddeutsch‘. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 39, 165–187.

826 

 Apparat

Schoenthal, Gisela (1976): Das Passiv in der deutschen Standardsprache. München: Hueber (Heutiges Deutsch I/7). Schöfer, Göran (1989): Prinzipien von Valenzänderungen. In: Zeitschrift für Germanistik 10, 83–90. Schöfer, Göran (1992): Semantische Funktionen des deutschen Dativs. Vorschlag einer Alternative zur Diskussion um den homogenen/heterogenen Dativ der deutschen Gegenwartssprache. Münster: Nodus. Schultze-Berndt, Eva/Himmelmann, Nikolaus P. (2004): Depictive secondary predicates in cross­linguistic perspective. In: Linguistic Typology 8, 59–131. Schuster, Britt-Marie (2008): Verarmung oder Bereicherung der Schriftkultur? Zur Beschreibung und Interpretation der Übergangsformen zwischen Parataxe und Hypotaxe im gegenwärtigen Printjournalismus. In: Deutsche Sprache 36, 146–175. Schwitalla, Johannes (2012): Gesprochenes Deutsch. Eine Einführung. 4., neu bearb. und erw. Aufl. Berlin: Schmidt (Grundlagen der Germanistik 33). Seidel, Eugen (1935) Geschichte und Kritik der wichtigsten Satzdefinitionen. Jena: Biedermann. Seefranz-Montag, Ariane von (1983): Syntaktische Funktionen und Wortstellungsveränderung. Die Entwicklung ‚subjektloserʻ Konstruktionen in einigen Sprachen. München: Hueber (Studien zur Theoretischen Linguistik 3). Selmani, Lirim (2012): Die Grammatik von und. Mit einem Blick auf seine albanischen und arabischen Entsprechungen. Münster/New York/München/Berlin: Waxmann (Mehrsprachigkeit 30). Selting, Margret (1995): Der ‚mögliche Satzʻ als interaktiv relevante Kategorie. In: Linguistische Berichte 158, 298–325. Selting, Margret (1997): Sogenannte ‚Ellipsen‘ als interaktiv relevante Konstruktionen? Ein neuer Versuch über die Reichweite und Grenzen des Ellipsenbegriffs für die Analyse gesprochener Sprache in der konversationellen Interaktion. In: Schlobinski, Peter (Hg.): Syntax des gesprochenen Deutsch. Opladen: Westdeutscher Verlag, 117–155. Shima, Norio (2006): Das kognate Objekt im Deutschen aus sprachtypologischer Sicht. In: Kürschner, Wilfried/Rapp, Reinhard (Hg.): Linguistik International: Festschrift für Heinrich Weber. Lengerich, Westf: Pabst Science Publishers, 561–576. Shima, Norio (2010): Inneres Objekt als grammatischer Transitivierungsmechanismus. In: ten Cate, Abraham P./Rapp, Reinhard/Strässler, Jürg/Vliegen, Maurice/Weber, Heinrich (Hg.): Grammatik – Praxis – Geschichte. Festschrift für Wilfried Kürschner. Tübingen: Narr, 89–96. Sieberg, Bernd (2016): Reaktive: Vorschlag für eine Erweiterung der Kategorie Responsive. In: Handwerker, Brigitte/Bäuerle, Rainer/Sieberg, Bernd (Hg.): Gesprochene Fremdsprache Deutsch. Forschung und Vermittlung. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, 101–116. Smirnova, Elena/Diewald, Gabriele (2013): Kategorien der Redewiedergabe im Deutschen: Konjunktiv I versus sollen. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 41, 443–471. Söll, Ludwig (1985): Gesprochenes und Geschriebenes Französisch. 3. Aufl. Berlin: Schmidt (Grundlagen der Romanistik 6). Sommerfeldt, Karl-Ernst/Schreiber, Herbert (1983): Wörterbuch zur Valenz und Distribution deutscher Adjektive. 3. Aufl. Leipzig: VEB Bibliographisches Institut. Sommerfeldt, Karl-Ernst/Schreiber, Herbert (1996): Wörterbuch der Valenz etymologisch verwandter Wörter. Verben, Adjektive, Substantive. Tübingen: Niemeyer. Starosta, Stanley (1978): The One per Sent Solution. In: Abraham, Werner (Hg.): Valence, Semantic Case, and Grammatical Relations. Amsterdam: Benjamins (Studies in Language Companion Series 1), 439–576. Starosta, Stanley (1981): Die „1-Pro-Sent“-Lösung. In: Pleines, Jochen (Hg.): Beiträge zum Stand der Kasustheorie. Tübingen: Narr, 45–148. [deutsche Übersetzung von Starosta 1978] Stassen, Leon (1997): Intransitive predication. Oxford: Clarendon Press.

Literatur 

 827

Stassen, Leon (2005): Zero Copula for Predicate Nominals. In: WALS 2005. Stassen, Leon (2005a): Predicative Possession. In: WALS 2005. Stefanowitsch, Anatol (2009): Bedeutung und Gebrauch in der Konstruktionsgrammatik. Wie kompositionell sind modale Infinitive im Deutschen? In: ZGL-Themenheft ‚Konstruktionsgrammatikʻ 2009, 565–592. Stefanowitsch, Anatol (2011): Keine Grammatik ohne Konstruktionen: Ein logisch-ökonomisches Argument für die Konstruktionsgrammatik. In: IDS-Jahrbuch 2010, 181–210. Stein, Stephan (1995): Formelhafte Sprache. Untersuchungen zu ihren pragmatischen und kognitiven Funktionen im gegenwärtigen Deutsch. Frankfurt am Main et al.: Lang (Sprache in der Gesellschaft. Beiträge zur Sprachwissenschaft 22). Stein, Stephan (2003): Textgliederung. Einheitenbildung im geschriebenen und gesprochenen Deutsch: Theorie und Empirie. Berlin/New York: de Gruyter (Studia Linguistica Germanica 69). Stein, Stephan (2007): Mündlichkeit und Schriftlichkeit aus phraseologischer Perspektive. In: Handbuch ‚Phraseologieʻ 2007, 220–236. Steinbach, Markus (2002): Middle Voice. A comparative study in the syntax-semantics interface of German. Amsterdam/Philadelphia: Benjamins (Linguistik Aktuell/Linguistics Today 50). Steinitz, Renate (1997): Valenznotwendige Präpositionalphrasen: weder Argument- noch Adjunktposition. In: Dürscheid, Christa/Rahmers, Karl-Heinz/Schwarz, Monika (Hg.): Sprache im Fokus. Festschrift für Heinz Vater zum 65. Geburtstag. Tübingen: Niemeyer, 229–350. Stepanowa, Marija D./Helbig, Gerhard (1981): Wortarten und das Problem der Valenz in der deutschen Gegenwartssprache. 2. Aufl. Leipzig: Bibliographisches Institut. Steube, Anita/Sudhoff, Stefan (2010): Kontrast als eigenständige grammatische Kategorie des Deutschen. Stuttgart/Leipzig: S. Hirzel (Sitzungsberichte der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig. Philologisch-historische Klasse 141/2). Stiebels, Barbara (1996): Lexikalische Argumente und Adjunkte: Zum semantischen Beitrag von verbalen Präfixen und Partikeln. Berlin: Akademie (Studia Grammatica 39). Stoltenburg, Benjamin (2007): Wenn Sätze in die Auszeit gehen… In: Ágel, Vilmos/Hennig, Mathilde (Hg.): Zugänge zur Grammatik der gesprochenen Sprache. Tübingen: Niemeyer (Reihe Germanistische Linguistik 269), 137–176. Storrer, Angelika (1992): Verbvalenz. Theoretische und methodische Grundlagen ihrer Beschreibung in Grammatikographie und Lexikographie. Tübingen: Niemeyer (Reihe Germanistische Linguistik 126). Storrer, Angelika (2003): Ergänzungen und Angaben. In: Handbuch ‚Dependenz und Valenzʻ 2003, 764–780. Storrer, Angelika (2006): Zum Status der nominalen Komponenten in Nominalisierungsverbgefügen. In: Grammatische Untersuchungen, 275–295. Stoye, Hélène (2013): Les connecteurs contenant des prépositions en français. Profils sémantiques et pragmatiques en synchronie et diachronie. Berlin/Boston: de Gruyter (Beihefte zur Zeitschrift für Romanische Philologie 376). Sweetser, Eve E. (1990): From etymology to pragmatics. Metaphorical and cultural aspects of semantic structure. Cambridge: CUP (Cambridge Studies in Linguistics 54). Szatmári, Petra (2004): Das heterogene sich lassen. Zu syntaktischen und funktional-semantischen Aspekten passivisch interpretierbarer sich-lassen-Konstruktionen. Hamburg: Buske (Beiträge zur germanistischen Sprachwissenschaft 17). Taborek, Janusz (2008): Subjektsätze im Deutschen und im Polnischen. Syntaktisches Lexikon und Subklassifizierung der Verben. Frankfurt am Main et al.: Lang (Posener Beiträge zur Germanistik 21). Tanaka, Shin (2011): Deixis und Anaphorik. Referenzstrategien in Text, Satz und Wort. Berlin/Boston: de Gruyter (Linguistik – Impulse & Tendenzen 42).

828 

 Apparat

Tesnière, Lucien (1976): Éléments de syntaxe structurale. 2e édition revue et corrigée, 3e tirage. Paris: Klincksieck. Tesnière, Lucien (1980): Grundzüge der strukturalen Syntax. Hg. und übers. von Ulrich Engel. Stuttgart: Klett-Cotta. Teuber, Oliver (2000): Gibt es zwei Genitive im Deutschen?. In: Thieroff, Rolf/Tamrat, Matthias/ Fuhrhop, Nanna/Teuber, Oliver (Hg.): Deutsche Grammatik in Theorie und Praxis. Tübingen: Niemeyer, 171–183. Teuber, Oliver (2005): Analytische Verbformen im Deutschen. Syntax – Semantik – Grammatikalisierung. Hildesheim/Zürich/New York: Olms (Germanistische Linguistik 18). Textkonnektoren 2001 = Cambourian, Alain (Hg): Textkonnektoren und andere textstrukturierende Einheiten. Tübingen: Stauffenburg (Eurogermanistik 16). Thieroff, Rolf (1992): Das finite Verb im Deutschen. Tempus – Modus – Distanz. Tübingen: Narr (Studien zur deutschen Grammatik 40). Thieroff, Rolf (2000): Morphosyntax nominaler Einheiten im Deutschen. Habilitationsschrift. Univ. Bonn. Thim-Mabrey, Christiane (1985): Satzkonnektoren wie allerdings, dennoch und übrigens. Stellungsvarianten im deutschen Aussagesatz. Frankfurt am Main et al.: Lang (Regensburger Beiträge zur deutschen Sprach- und Literaturwissenschaft B/28). Thurmair, Maria (1989): Modalpartikeln und ihre Kombinationen. Tübingen: Niemeyer (Linguistische Arbeiten 223). Van Pottelberge, Jeroen (2001): Verbonominale Konstruktionen, Funktionsverbgefüge. Vom Sinn und Unsinn eines Untersuchungsgegenstandes. Heidelberg: Winter (Germanistische Bibliothek 12). Van Pottelberge, Jeroen (2004): Der am-Progressiv. Struktur und parallele Entwicklung in den kontinentalwestgermanischen Sprachen. Tübingen: Narr (Tübinger Beiträge zur Linguistik 478). Van Pottelberge, Jeroen (2009): Progressiv. In: Lexikon ‚Deutsche Morphologieʻ 2009, 356–372. Vater, Heinz (1975): Werden als Modalverb. In: Calbert, Joseph/Vater, Heinz (Hg.): Aspekte der Modalität. Tübingen: Narr (Studien zur deutschen Grammatik 1), 71–148. Vater, Heinz (1988): Mittelkonstruktionen im Englischen, Dänischen und Deutschen. In: Mrazovic, Pavica/Teubert, Wolfgang (Hg.): Valenzen im Kontrast. Ulrich Engel zum 60. Geburtstag. Heidelberg: Groos, 398–417. Vater, Heinz (1995): Zum Reflexiv-Passiv im Deutschen. In: Popp, Heidrun (Hg.): Deutsch als Fremdsprache: an den Quellen eines Faches. Festschrift für Gerhard Helbig zum 65. Geburtstag. München: Iudicium, 185–192. Vater, Heinz (2010): Möchten als Modalverb. In: Kątny, Andrzej/Socka, Anna (Hg.) (2010), 99–112. Vendler, Zeno (1957): Verbs and Times. In: The Philosophical Review 66, 143–160. ViF 1986 = Schumacher, Helmut (Hg.) (1986): Verben in Feldern. Valenzwörterbuch zur Syntax und Semantik deutscher Verben. Berlin/New York: de Gruyter (Schriften des Instituts für deutsche Sprache 1). Vogel, Petra M. (2005): Neue Überlegungen zu den Fügungen des Typs sie kamen gelaufen. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 33, 57–77. Vogel, Petra M. (2006): Das unpersönliche Passiv. Eine funktionale Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung des Deutschen und seiner historischen Entwicklung. Berlin/New York: de Gruyter (Studia Linguistica Germanica 80). Vogel, Petra M. (2007): Anna ist essen! Neue Überlegungen zum Absentiv. In: Kopulaverben und Kopulasätze 2007, 253–284. Vogel, Petra M. (2009): Absentiv. In: Lexikon ‚Deutsche Morphologieʻ 2009, 7–15. Vogelgesang-Doncer, Agnieszka (2006): Über Definitionsversuche des Subjektbegriffs. In: Cirko, Lesław/Grimberg, Martin (2006): Phänomene im syntaktisch-semantischen Grenzbereich.

Literatur 

 829

Materialien der internationalen Linguistenkonferenz Karpacz 27.–29. 09. 2004. Wrocław/ Dresden: Neisse, 205–220. Volodina, Anna (2011): Konditionalität und Kausalität im Diskurs. Eine korpuslinguistische Studie zum Einfluss von Syntax und Prosodie auf die Interpretation komplexer Äußerungen. Tübingen: Narr (Studien zur deutschen Sprache 54). Vuillaume, Marcel (2003): Valenz und Satzbauplan. In: Handbuch ‚Dependenz und Valenzʻ 2003, 484–498. Wagner, Fritz (1977): Untersuchungen zu Reflexivkonstruktionen im Deutschen. Frankfurt am Main et al.: Lang (Regensburger Beiträge zur deutschen Sprach- und Literaturwissenschaft 10). WALS 2005 = Haspelmath, Martin/Dryer, Matthew S./Gil, David/Comrie, Bernard (Hg.): The World Atlas of Language Structures. Oxford: Oxford University Press. Waßner, Ulrich Hermann (2001): Konnektoren und Anaphorika – zwei grundlegende sprachliche Mittel zur Herstellung von Zusammenhang zwischen Textteilen. In: Textkonnektoren 2001, 33–46. Waßner, Ulrich Hermann (2006): Zur Relevanz von und zur Irrelevanz bei Irrelevanzkonditionalen. In: Grammatische Untersuchungen, 381–399. Weber, Heinrich (1971): Das erweiterte Adjektiv- und Partizipialattribut im Deutschen. München: Hueber (Linguistische Reihe 4). Weber, Heinz J. (1997): Dependenzgrammatik. Ein interaktives Arbeitsbuch. 2., überarb. Aufl. Tübingen: Narr (Narr Studienbücher). Wegener, Heide (1985): Der Dativ im heutigen Deutsch. Tübingen: Narr (Studien zur deutschen Grammatik 28). Wegener, Heide (1985a): Ergativkonstruktionen im Deutschen. In: Kürschner, Wilfried/Vogt, Rüdiger/Siebert-Nemann, Sabine (Hg.): Grammatik, Semantik, Textlinguistik. Akten des 19. Linguistischen Kolloquiums Vechta 1984. Bd. I. Tübingen: Niemeyer (Linguistische Arbeiten 156), 187–197. Wegener, Heide (1989): Eine Modalpartikel besonderer Art: Der Dativus Ethicus. In: Weydt, Harald (Hg): Sprechen mit Partikeln. Berlin: de Gruyter, 56–73. Wegener, Heide (2001): Integration und Nichtintegration von Satzkonjunkten im Deutschen und Französischen. In: Hassler, Gerda (Hg.): Sprachkontakt und Sprachvergleich. Münster: Nodus, 89–105. Weinrich, Harald (2005): Textgrammatik der deutschen Sprache. Unter Mitarbeit von Maria Thurmair, Eva Breindl, Eva-Maria Willkop. 3., revidierte Aufl. Hildesheim: Olms. Welke, Klaus (1988): Einführung in die Valenz- und Kasustheorie. Leipzig: VEB Bibliographisches Institut. Welke, Klaus (1988a): Grundvalenz. In: Der Ginkgo Baum 8, 134–139. Welke, Klaus (1994): Thematische Relationen. Sind thematische Relationen semantisch, syntaktisch, oder/und pragmatisch zu definieren? In: Deutsche Sprache 22, 1–18. Welke, Klaus (1994a): Valenz und Satzmodelle. In: Thielemann, Werner/Welke, Klaus (Hg.): Valenztheorie – Werden und Wirkung. Wilhelm Bondzio zum 65. Geburtstag. Münster: Nodus 227–244. Welke, Klaus (1997): Eine funktionalgrammatische Betrachtung zum Reflexivum: Das Reflexivum als Metapher. In: Deutsche Sprache 25, 209–231. Welke, Klaus (2005): Deutsche Syntax funktional. Perspektiviertheit syntaktischer Strukturen. 2. Aufl. Tübingen: Stauffenburg (Stauffenburg Linguistik 22). Welke, Klaus (2007): Einführung in die Satzanalyse. Die Bestimmung der Satzglieder im Deutschen. Berlin/New York: de Gruyter (De Gruyter Studienbuch). Welke, Klaus (2007a): Zustandspassiv. Pragmatische Beschränkungen und Regelkonflikte. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 35 (1–2), 115–145.

830 

 Apparat

Welke, Klaus (2009): Valenztheorie und Konstruktionsgrammatik. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 37, 81–124. Welke, Klaus (2009a): Konstruktionsvererbung, Valenzvererbung und die Reichweite von Konstruktionen. In: ZGL-Themenheft ‚Konstruktionsgrammatikʻ 2009, 514–543. Welke, Klaus (2011): Valenzgrammatik des Deutschen. Eine Einführung. Berlin/New York: de Gruyter (De Gruyter Studium). Welke, Klaus (2012): Valenz und Konstruktion: Das Passiv im Deutschen. In: Fischer/Mollica (Hg.), 47–90. Welke, Klaus (2013): Konstruktionsgrammatik und Deutsch als Fremdsprache. In: Deutsch als Fremdsprache 50, 19–27. Welke, Klaus (2015): Wechselseitigkeit von Valenz und Konstruktion: Valenz als Grundvalenz. In: Argumentstruktur 2015, 35–59. Welke, Klaus (2016): Attribution unter konstruktionsgrammatischem Aspekt. In: Komplexe Attribution 2016, 57–95. Welke, Klaus (i. V.): Konstruktion und Argumentstruktur: Präpositionalobjekte. Manuskript. Werner, Edeltraud (2003): Das Translationskonzept Lucien Tesnières. In: Handbuch ‚Dependenz und Valenzʻ 2003, 115–129. Willems, Klaas/Coene, Ann (2006): Satzmuster und die Konstruktionalität der Verbbedeutung. Überlegungen zum Verhältnis von Konstruktionsgrammatik und Valenztheorie. In: Sprach­ wissenschaft 31, 237–272. Willems, Klaas/Van Pottelberge, Jeroen (1998): Geschichte und Systematik des adverbialen Dativs im Deutschen. Eine funktional-linguistische Analyse des morphologischen Kasus. Berlin/New York: de Gruyter. (Studia Linguistica Germanica 49). Winkler, Edeltraud (2009): Anna lächelte ihr freundliches Lächeln. Syntaktischer und semantischer Status von inneren Objekten im Deutschen. In: Winkler, Edeltraud (Hg.): Konstruktionelle Varianz bei Verben. Mannheim: Institut für Deutsche Sprache (OPAL Sonderheft 4/2009), 126–145. Wöllstein-Leisten, Angelika (2001): Die Syntax der dritten Konstruktion. Eine repräsentationelle Analyse zur Monosententialität von ‚zu‘-Infinitiven im Deutschen. Tübingen: Stauffenburg (Studien zur deutschen Grammatik 63). Wöllstein, Angelika (2010): Topologisches Satzmodell. Heidelberg: Winter (Kurze Einführungen in die germanistische Linguistik 8). Wörterbuch der Konnektoren = Grammatisches Wörterbuch, das Wörterbuch der Konnektoren. In: grammis 2.0. Das grammatische Informationssystem des Instituts für Deutsche Sprache. (http://hypermedia.ids-mannheim.de/call/public/gramwb.ansicht?v_app=g&v_kat= Konnektor) Wotjak, Barbara (1992): Verbale Phraseolexeme in System und Text. Tübingen: Niemeyer (Reihe Germanistische Linguistik 125). Wotjak, Barbara/Heine, Antje (2007): Syntaktische Aspekte der Phraseologie I: Valenztheoretische Ansätze. In: Handbuch ‚Phraseologieʻ 2007, 41–53. Wotjak, Gerd (1994): Nichtidiomatische Phraseologismen: Substantiv-Verb-Kollokationen (SVK) – ein Fallbeispiel. In: Sandig, Barbara (Hg.): EUROPHRAS 92 – Tendenzen der Phraseologieforschung. Bochum: Universitätsverlag Brockmeyer, 651–678. Ylikoski, Jussi (2003): Defining Non-finites: Action Nominals, Converbs and Infinitives. In: SKY Journal of Linguistics 16, 185–237. Zeschel, Arne (2011): Den Wald vor lauter Bäumen sehen – und andersherum: zum Verhältnis von ‚Musternʻ und ‚Regelnʻ. In: Konstruktionsgrammatik III, 43–57.

Literatur 

 831

ZGL-Themenheft ‚Konstruktionsgrammatikʻ 2009 = Knobloch, Clemens (Hg.) (2009): Themenschwerpunkt „Konstruktionsgrammatik“. Zeitschrift für germanistische Linguistik 37 (3). Ziegler, Arne (2010): Er erwartet sich nur das Beste – Reflexivierungstendenz und Ausbau des Verbalparadigmas in der österreichischen Standardsprache. In: Kodierungstechniken 2010, 67–81. Zifonun, Gisela (1992): Das Passiv im Deutschen: Agenten, Blockaden und (De-)Gradierungen. In: Hoffmann, Ludger (Hg.): Deutsche Syntax: Ansichten und Aussichten. Berlin/New York: de Gruyter, 250–275. Zifonun, Gisela (1995): Minimalia grammaticalia: Das nicht-phorische es als Prüfstein grammatischer Theoriebildung. In: Deutsche Sprache 23, 39–60. Zifonun, Gisela (1998): Zur Grammatik von Subsumtion und Identität: Herr Schulze als erfahrener Lehrer… In: Deutsche Sprache 26, 1–17. Zifonun, Gisela (2001): Grammatik des Deutschen im europäischen Vergleich: Das Pronomen. Teil I: Überblick und Personalpronomen. Mannheim: IDS (amades 4/01). Zifonun, Gisela (2003): Grammatik des Deutschen im europäischen Vergleich: Das Pronomen. Teil II: Reflexiv- und Reziprokpronomen. Mannheim: IDS (amades 1/03). Zifonun, Gisela (2003a): Dem Vater sein Hut. Der Charme des Substandards und wie wir ihm gerecht werden. In: Deutsche Sprache 31, 97–126. Zifonun, Gisela (2010): Possessive Attribute im Deutschen. In: Deutsche Sprache 38, 124–153. Zifonun, Gisela (2015): Der rechte Rand in der IDS-Grammatik. In: Vinckel-Roisin, Hélène (Hg.): Das Nachfeld im Deutschen. Theorie und Empirie. Berlin/Boston: de Gruyter (Reihe Germanistische Linguistik 303), 25–51. Zifonun, Gisela (2015a): Zur Informationsstruktur „elliptischer“ Äußerungen. In: Adam, Séverine/ Jacob, Daniel/Schecker, Michael (Hg.): Informationsstrukturen in Kontrast. Strukturen, Kompositionen und Strategien. Martine Dalmas zum 60. Geburtstag. Frankfurt am Main et al.: Lang (Cognitio 18), 55–75. Zifonun, Gisela (2016): Attribute unterschiedlicher Modifikationstypen und ihre Kombinatorik in sprachvergleichender Perspektive. In: Komplexe Attribution 2016, 213–251. Zitterbart, Jussara Paranhos (2002): Zur korrelativen Subordination im Deutschen. Tübingen: Niemeyer (Linguistische Arbeiten 464). Zwicky, Arnold M. (1993): Heads, bases and functors. In: Corbett, Greville G./Fraser, Norman M./ McGlashan, Scott (Hg.): Heads in grammatical theory. Cambridge: Cambridge University Press, 292–315.

4 Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen I Grundlagen der grammatischen Textanalyse Abbildung 1: Hierarchische Struktur eines Kehlmann-Satzes  Abbildung 2: Satzstruktur und Satzinhalt   45 Abbildung 3: Satzglieder und Glieder im Satz   46 Tabelle 1: Ebenen, Analyseeinheiten und Werte 

 17

 26

II Textglieder: die grammatischen Makroglieder von Texten 1 Makroglieder Tabelle 2: Klammer und Stellungsfelder im Aussagesatz (Verbzweit)   70 Tabelle 3: Leeres Vorfeld im Aussagesatz (Verbzweit)   72 Tabelle 4: Topikalisierung und zweigliedriges Prädikat im Aussagesatz (Verbzweit)   73 Tabelle 5: Topikalisierung und eingliedriges Prädikat im Aussagesatz (Verbzweit)   74 Tabelle 6: Mehrfache Vorfeldbesetzung?   75 Tabelle 7: Klammer und Stellungsfelder im Ergänzungsfragesatz (Verbzweit)   76 Tabelle 8: Klammer und Stellungsfelder im Entscheidungsfragesatz und in Aufforderungssätzen (Verberst)   77 Tabelle 9: Keine Klammer und Stellungsfelder bei Nichtsätzen   78 Tabelle 10: Zwischenstelle(n) zwischen Sätzen mit Konjunktor(en)   81 Tabelle 11: Zwischenstelle(n) zwischen Nichtsätzen mit Konjunktor   81 Tabelle 12: Zwischenstelle(n) zwischen Sätzen mit Parajunktor(en)   82 Tabelle 13: Topologische Variationen über den Satzrand   94 Tabelle 14: Topologische Variationen über Nachfeld und rechten Satzrand   96 Tabelle 15: Topikalisierung: Variationen über Vorfeld   97 Tabelle 16: Theoretisch inadäquate topologische Variationen über Nachfeld und rechten Satzrand   103 Tabelle 17: Variationen über die sog. Nebensatzklammer   105 Tabelle 18: Weitere Variationen über die sog. Nebensatzklammer   107 Tabelle 19: Genuine topologische Strukturen   113 Tabelle 20: Recycelte topologische Strukturen   113

2 Sätze Abbildung 4: Satzkomplexität (Postillon-Satz)  Abbildung 5: Satzkomplexität (Kehlmann-Satz) 

 125  128

Tabelle 21: Einfach-Satzklassen im Überblick   151 Tabelle 22: Kombi-Satzklassen im Überblick   152 Tabelle 23: Apokoinukonstruktionen und Stellungsfelder I  DOI 10.1515/9783110409796-017

 155



Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen 

Tabelle 24: Apokoinukonstruktionen und Stellungsfelder II  Tabelle 25: Apokoinukonstruktionen und Stellungsfelder III  Tabelle 26: Apokoinukonstruktionen und Stellungsfelder IV 

 155  155  156

3 Nichtsätze Tabelle 27: Nichtsatz-Klassen im Überblick 

 186

4 Kohäsionsglieder Tabelle 28: Klassen und Subklassen von Kohäsionsgliedern im Überblick 

 228

III Satzglieder: die grammatischen Mesoglieder von Texten 1 Mesoglieder Abbildung 6: Mesoglieder   255 Abbildung 7 (= Abbildung 3): Satzglieder und Glieder im Satz  Abbildung 8: Satz-Glieder und Satzinhalt   293

 292

Tabelle 29: Prädikatsklassen im Überblick   263 Tabelle 30: Objektwerte im Gegenwartsdeutschen   283 Tabelle 31: Satzglieder im Überblick   285 Tabelle 32: Operationalisierungsprofil der Satz-Glieder   298

2 Prädikat 2.1 Statische Prädikate

Abbildung 9: Halbmodale   329 Abbildung 10: Szenarioklassen und Prädikatstruktur   364 Abbildung 11: Paradigmen und Distributionsklassen von sein 

 369

Tabelle 33: Statische Prädikatsklassen und -subklassen im Überblick  Tabelle 34: Semantische Systematik der Evidenzverben   332 Tabelle 35: Der Szenarioraum zwischen Intransitivität und Transitivität  Tabelle 36: Klassifikation der Medialverben   342 Tabelle 37: Direkte und indirekte Medialverben   350 Tabelle 38: Klassifikation der reflexiven sich-Vorkommen   352 Tabelle 39: Synthetische und analytische Verbformen im Aktiv   369 Tabelle 40: System der Kopulae und Prädikativgefüge   385

 305  338

 833

834 

 Apparat

2.2 Dynamische Prädikate

Abbildung 12: Formen der Prädikatsdynamik 

 407

Tabelle 41: Dynamische Prädikatsklassen im Überblick   409 Tabelle 42: Synthetische und analytische emphatische Tempusformen im Aktiv 

 438

3 Satzglieder im engeren Sinne 3.1 Statische Satzglieder

Abbildung 13: Feldwerte von Satzgliedrealisierungen I: Mikro-Substantivgruppe und Nebensatz   603 Abbildung 14: Feldwerte von Satzgliedrealisierungen II: Mikro-Präpositionalgruppe und Nebensatz   603 Abbildung 15: Wortkreuzung   611 Abbildung 16: Satzkreuzung   612 Tabelle 43: Statische Komplementklassen und -subklassen im Überblick   470 Tabelle 44: Zentrale Komplemente im Leittext   474 Tabelle 45: Zentrale statische Komplemente im Leittext   475 Tabelle 46: Dynamische PD-Nebenpläne mit ihren statischen Hauptplänen   519 Tabelle 47: Präpositionalobjekte im Gegenwartsdeutschen   524 Tabelle 48: Testergebnisse zu bestehen aufAKK/aufDAT   538 Tabelle 49: Statische Supplementklassen im Überblick   553 Tabelle 50: Konditional fundierte Verhältnisadverbiale   577 Tabelle 51: Szenariobezogene Verweise und Bezüge (nichtadverbial)   588 Tabelle 52: Klassifikation der Korrelate   604

3.2 Dynamische Satzglieder

Abbildung 17: Passivtypen im Überblick (nach Ágel 1996) 

 629

Tabelle 53: Dynamische Satzgliedklassen und -subklassen im Überblick 

 623

4 Kommentarglieder Tabelle 54: Klassen und Subklassen von Kommentargliedern im Überblick   663 Tabelle 55: Parenthetische Redeanzeige und parenthetischer Kommentar im Überblick 

 679



Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen 

IV Wortgruppenglieder: die grammatischen Mikroglieder von Texten 1 Mikroglieder Abbildung 18: Translation 2. Grades: I >> A (Relativnebensatz)   710 Abbildung 19: Translation 2. Grades: I >> O (Subjunktionalnebensatz)   712 Abbildung 20: Translation 2. Grades: I >> O (Infinitivkonstruktion)   713 Tabelle 56: Mesoformen und Mikroglieder im Überblick  Tabelle 57: Wortgruppen im Überblick   741

2 Attribute Tabelle 58: Attributklassen im Überblick 

 769

 719

 835

5 Darstellungskonventionen Sätze haben kein besonderes Formmerkmal (Format oder Farbe), lediglich die fette Markierung des Hauptprädikats. Nichtsätze: Punkt-Strich-Unterstrich Kohäsionsglieder: unterstrichen dynamische Prädikate und Satzglieder: türkis Verhältnisadverbiale: grau hinterlegt Deixis:  Anadeixis  Katadeixis  Text-Anadeixis  Text-Katadeixis … Persondeixis Phorik: ⇐ Anaphorik ⇒ Kataphorik

DOI 10.1515/9783110409796-018

6 Glossar (Verzeichnis der Fachausdrücke) Absentivkonstruktionsträger (Absentivprädikat) Subtyp des syntaktisch dynamischen Prädikats ( Prädikat: dynamisch). Anna ist essen! (Beispiel n. Vogel 2007) AcI-Konstruktionsträger (AcI-Prädikat) Subtyp des syntaktisch dynamischen Prädikats ( Prädikat: dynamisch). Der AcIKonstruktionsträger (AcI = accusativus cum infinitivo ‚Akkusativ mit Infinitiv‘) wird mit einem AcI-Verb (wie sehen, hören, lassen) und dem Infinitiv eines Vollverbs gebildet. Er habe nur den Beifahrer […] seine Einfahrt […] ausbessern sehen. (Böll Dienstfahrt: 20) Adjektiv(gruppen)attribut Offener Attributtyp ( Attribut: offen) der  Substantivgruppe. [47]

(Substantiv-

Ko-

diepf Adjektiv-ganzeattribut Ke-Geschichtern gruppe)

Adjektivgruppe  Wortgruppe mit maximal drei Typen von  Wortgruppengliedern:  Kopf,  Kern und  Attribut ( Wortgruppe: einfach,  Wortgruppengefüge). Kopf und Kern der Adjektivgruppe fallen wie bei flektierbaren synthetischen Wortformen generell in der Adjektivform (z.  B. untödlichen) zusammen. Die (Adjektiv- außerordentliche gruppe) Wirkung einer (Adjektiv- absolut untödlichen gruppe) Zigarette […] (Menzel 55: 15) Adverbgruppe  Wortgruppe mit maximal zwei Typen von  Wortgruppengliedern:  Kern (= Adverb) und  Attribut ( Wortgruppe: einfach,  Wortgruppengefüge). furchtbar gern gruppe) (Fuhrhop/Thieroff 2005: 322) (Adverb-

Adverbial Oberbegriff für  Situativ- und  Verhältnisadverbial. DOI 10.1515/9783110409796-019

838 

 Apparat

Adverbialattribut Recycelter Attributtyp ( Attribut: recycelt) der  Substantivgruppe,  Adjektivgruppe und  Partizipialgruppe. Die Adverbialattribute der Substantivgruppe sind recycelte Adverbiale, die der Adjektivgruppe recycelte Adjektivsupplemente und die der Partizipialgruppe recycelte Verbsupplemente ( Recycling,  FunktionArgument-Wert-Formel). unserer Rückfahrt Temporal(adverbial)-damalsattribut gruppe) machten wir überhaupt keinen Stop […]. (Frisch Homo: 83) Mir Modal(adverbial)-weniger freundlichattribut gesonnene Kollegen gruppe) (Adjektiv(Hein Freund: 208) alle ihre Üppigkeit […] Modal(adverbial)-sorgfältigattribut verschließendes Mäd­ (Partizipialchen gruppe) (Robert Walser, zit. n. Menzel 55: 16) Auf

(Substantiv-

Adverbial: dynamisch Subtyp des dynamischen Satzgliedes ( Satzglied (im engeren Sinne): dynamisch). Unterschieden werden Medial-Modaladverbial und Stellvertreter-Modaladverbial. Die Schuhe hatten wir ausgezogen. Es war kalt, aber so lief es sich ser Modaladverbial). (Hein Freund: 83f.) Schön Modaladverbial) wohnt ihr […]. (Stellvertreter(Timm Sommer: 149)

(Medial-

bes-

Adverbialkomplement Subtyp des peripheren Komplements ( Komplement: peripher). Adverbiale ( Situativ- und  Verhältnisadverbial) sind typischerweise  Supplemente. Einige wenige Valenzträger sehen jedoch Adverbiale als  Komplemente vor (z.  B. wohnen, dauern, anklagen oder sich benehmen). […] Worte reichten nicht aus, (Finaladverbial- um zu beschreiben, wie es wirklich war. Wie es sich anfühlte, […] komplement). (Kehlmann Ruhm: 30) Daraufhin wurde er (Kausaladverbial- wegen Spionage, Diebstahl und Verschwörung komplement) angeklagt. (DIE ZEIT, 19.12.2006, zit. n. Diegel 2007 (Anhang)) Der DAX ist (Dilativadverbial- um fünf Punkte komplement) gefallen. (Beispiel zit. n. IDS-Grammatik 1997/2: 1105)



Glossar (Verzeichnis der Fachausdrücke) 

 839

Adverbialkorrelat Adverbialkorrelate sind Korrelate zu adverbialen Szenariorealisierungen ( Nominalkorrelat,  Präpositionalkorrelat). […] (Konditional- wenn du keine Lust hast nebensatz),  (Konditional- dann korrelat) laß es lieber. (Timm Sommer: 148) Adverbjunktor Subtyp des  Junktors. Adverbjunktoren sind im Gegensatz zu  Partikel­ junktoren vorfeldfähig. Hinsichtlich ihrer Stellung im Satz können sie nacherstfähig (wie hingegen) oder nicht nacherstfähig (wie außerdem) sein. Adversativadverbial Subtyp des  Verhältnisadverbials. Die Hälfte aller Menschen ernährt sich falsch. , sind andere zu dick. adverbial) (Focus, 24.11.2014)

(Adversativ-

Während die einen hungern

Aggregation Satzgrammatische Bindung lässt sich auf einer Skala zwischen Aggregation und Integration modellieren. Unter Aggregation wird – im Gegensatz zur  Integration – eine (relativ) lose satzgrammatische Anbindung verstanden.  Satzrandglieder sind im Vergleich zu Satzgliedern immer aggregativ. Erhoben werden – Lachen, Jubel, eine unbändige Freude – diese Empfindung begleitet die Erinnerung an ein Erlebnis, ein Bild, das erste, das sich mir eingeprägt hat […]. (Timm Bruder: 61) Akkusativobjekt Subtyp des zentralen Komplements ( Komplement: zentral). Formal unterschieden werden nominales Akkusativobjekt, Akkusativobjektnebensatz, Akkusativobjektsinfinitiv, Akkusativobjekthauptsatz, Akkusativobjekttext und Akkusativobjektparaphrase. [8] (nominales Hannes Subjekt) zum Beispiel hatte (nominales sich Dativobjekt) (nominales eine Polizeikelle Akkusativobjekt) besorgt […]. [17] (Akkusativobjekt- Wie das Stück ausgeht nebensatz), erfährt (nominales man Subjekt) allerdings nicht. Ich nahm mir vor, (Akkusativobjekts- bald zu ihm zu fahren infinitiv). (Hein Freund: 113)

840 

 Apparat

Sabeth fand, (Akkusativobjekt- ich untertreibe immer beziehungsweise ich verstelle mich . hauptsatz) (Frisch Homo: 134f.) [5] (nominales Hannes Subjekt) sagt: (Akkusativobjekt- »Bald wird etwas geschehen« text). Wen du ausgesucht hast paraphrase), möchte ich gerne sehen. (Akkusativobjekt(Beispiel n. Engel 2004: 140) Akkusativobjekt: dynamisch Subtyp des dynamischen Satzgliedes ( Satzglied (im engeren Sinne): dynamisch). Unterschieden werden Komplexverbakkusativobjekt, Resultativakkusativobjekt, Bewegungs(prädikats)akkusativobjekt, AcI-Akkusativobjekt, lassen-(Prädikats) Akkusativobjekt, Pertinenzakkusativ, inneres Akkusativobjekt, äußeres Akkusativ­ objekt, Idiom-Akkusativobjekt. Wir gingen (Komplexverb- die Treppe akkusativobjekt) runter. (Hein Freund: 126) Der Mann schenkte mir schon wieder (Resultativ- das Glas akkusativobjekt) voll. (Timm Johannisnacht: 86) Ich bin (Bewegungs- die Leiter akkusativobjekt) hinauf […]. (Neue Kronen-Zeitung, 03.12.1994 (Beleg nach Berthele 2007: 249)) Er habe nur (AcI- den Beifahrer Akkusativobjekt) […] seine Einfahrt […] ausbessern sehen. (Böll Dienstfahrt: 20) [Die Frau] ließ sich von dem Hund (lassen- die Hand Akkusativobjekt) lecken. (Brednich Geschichten: 202) […] sie küßte (Pertinenz- ihn akkusativ) auf die Wange […]. (Böll Dienstfahrt: 75) Sie hat (inneres ihr sympathisches Lächeln Akkusativobjekt) gelächelt. (nach Haas Silentium: 72) Du mußt ihn [= Stifter] nicht lesen, meinte Horst, du lebst (äußeres ihn Akkusativobjekt) ja. (Hein Freund: 90) Aber ich will jetzt nicht (gespal- den Teufel tenes) an die Wand malen, (Idiom- daß der unbedingt abstürzen muß Akkusativobjekt). (Haas Silentium: 107) Akkusativobjekt: indirekt Das indirekte Akkusativobjekt ist der Akkusativ der Person bei Verben mit doppeltem Akkusativ (z.  B. lehren, fragen, abhören). Das indirekte Akkusativobjekt kann durch ein  Dativobjekt ersetzt werden und verhält sich auch syntaktisch wie ein prototypisches Dativobjekt. Sie lehrte (indirektes mich Akkusativobjekt) die französische Sprache. (Beispiel n. Duden 2007: 688)



Glossar (Verzeichnis der Fachausdrücke) 

 841

Ansatz Ansätze sind aggregativ angeschlossene  Kommentarglieder am linken Satzrand.  Am besten  satz), ich sage jetzt gar nichts mehr und denke mir meinen Teil. (Hennig von Lange Relax: 85)

(An-

Anszenario ist das grammatisch untergeordnete  Szenario von  Verhältnisadverbialen, das das Szenario des  Hauptprädikats kontextualisiert. Anszenierung ist der Kurzterminus für ‚szenierende Kontextualisierung‘ von  Verhältnisadverbialen. Antikausativum Antikausativa sind (endoaktive)  Medialverben (sich-Verben) wie beispielsweise in Das Rad drehte sich, die ein transitives (exoaktives) Pendant haben (Sie drehte das Rad). Im Gegensatz zu labilen Verben (z.  B. schmelzen), die keinen Medialmarker sich haben, ist bei Antikausativa die endoaktiv/exoaktiv-Opposition formal markiert ( Endoaktivität,  Exoaktivität,  Verb: labil). Apokoinu Apokoinus sind syntaktische Konstruktionen aus drei topologischen Teilen. Der grammatische Wert des mittleren Teils ( Koinonfeld) bezieht sich dabei sowohl auf den ersten als auch auf den dritten Teil. die war letztes mal (-) war die länger.
 (Beleg zit. n. Schneider 2011: 175) Applikativ Typ von Valenzänderung (typischerweise eine be-Verb-Konstruktion), der das  Akkusativobjekt betrifft. Beispielsweise wird das  Direktivum des statischen Satzes Der Gärtner pflanzt Rosen auf das Beet als Akkusativobjekt eines dynamischen Satzes patientiviert ( Satz: statisch versus dynamisch): Der Gärtner bepflanzt das Beet (mit Rosen). Apposition: eng  Appositivattribut

842 

 Apparat

Apposition: locker ,Lockere Apposition‘ ist eine Sammelbezeichnung für vier verschiedene mikrogrammatische Werte: für drei recycelte Attributtypen ( Prädikativattribut,  Prädikativappositiv,  Modal(adverbial)appositiv) und für das  Wortgruppenrandglied, das ein Mikroglied, aber kein Attribut darstellt. Appositivattribut Genuiner Attributtyp ( Attribut: genuin) der  Substantivgruppe. Appositiv­ attribute sind die sog. engen Appositionen. [7] Ke-Schauplatzrn Ko-istpf (Substantiv- Ko-daspf Ke-Gefängnisrn Appositiv-Isenbüttelattribut […]. Artikelausdruck ,Artikelwortkombinationen‘ (z.  B. alle sein, manch ein, all d(-er/ie/das) in Substantivgruppen wie in alle seine Sachen, all die guten Sachen, manch ein ahnungsloser Tourist (Duden 2016: 249f.) ( Ausdruck). Artikelwort Typ von Leerwörtern („mots vides“ (Tesnière)). Artikelwörter wie beispielsweise ein, kein, sein d(-er/ie/as) sind im Gegensatz zu  Vollwörtern („mots pleins“ (­ Tesnière)) nicht attributfähig. Attribut  Wortgruppenglied. Attribute sind Spezifizierungen/Modifikationen des Kerns einer  Wortgruppe, d.  h. alles, was in einer Wortgruppe nicht  Kopf oder  Kern ist. [7]

Schauplatzrn Ko-istpf (Substantiv- Ko-daspf Ke-Gefängnisrn Attri-Isenbüttelbut, Attri-(Relativdessen Insassen zumeist Kleinkriminelle sind, die hier ihre paar Jahre absitzen nebensatz)but gruppe).

Ke-

Attribut: genuin Genuine Attribute sind im Gegensatz zu recycelten Attributen ( Attribut: recycelt) originär mikroebenenbezogene Attributwerte ( Appositivattribut,  Dativattribut,  Intensitätsattribut,  Modalattribut). Attribut: offen Offene Attribute waren ursprünglich genuine Attribute ( Attribut: genuin), die sich historisch für komprimierte Szenariorealisierungen geöffnet haben. Offene Attributtypen stehen also sowohl für genuine als auch für recycelte Attribution zur



Glossar (Verzeichnis der Fachausdrücke) 

 843

Verfügung ( Attribut: recycelt). Sie kommen nur in  Substantivgruppen vor ( Genitivattribut,  Präpositionalvon+Dat-attribut,  Adjektiv(gruppen)attribut,  Kopf(vertretungs)attribut). Attribut: recycelt Recycelte Attribute sind im Gegensatz zu genuinen Attributen ( Attribut: genuin) als Attribute recycelte Makro- oder Mesoglieder ( Prädikativattribut,  Prädikativappositiv,  Modal(adverbial)appositiv,  Präpositional(objekt)attribut,  Attributtext,  Attributhauptsatz,  Attributnebensatz,  Attribut­ infinitiv,  Partizipialattribut,  Adverbialattribut,  Objektattribut,  Kommentar(glied)attribut,  Dilativ(adverbial)attribut). [13]

einpf Ke-Busrn tene) rollt ein, (Substantiv- Attribut-(Relativ- an dessen Seite groß das Wort »Landesbühne« aufgemalt ist nebensatz)nebensatz gruppe). (gespal-

Ko-

Attributhauptsatz Recycelter Attributtyp ( Attribut: recycelt) der  Substantivgruppe mit einem als Attribut recycelten Hauptsatz. Die Frage, Attribut-warum streng ich mich an,hauptsatz nicht. (unter Verwendung eines Verses von Katrine von Hutten) (Substantiv-

gruppe)

interessiert dich

Attributinfinitiv Recycelter Attributtyp ( Attribut: recycelt) der  Substantivgruppe mit einem als Attribut recycelten Infinitiv. Wie man später erfuhr, warteten damals acht Helikopter der US-Army an der mexikanischen Grenze auf (Substantiv- die behördliche Bewilligung, Attributuns zu holeninfinitiv gruppe). (Frisch Homo: 39) Attributnebensatz Recycelter Attributtyp ( Attribut: recycelt) der  Substantivgruppe. Als Attribut recycelt werden können indirekte Fragenebensätze, Subjunktionalnebensätze und Relativnebensätze. Vor dem Amtsgericht in Birglar fand im Frühherbst des vorigen Jahres (gespal- eine Verhandlung tene) statt, (Substantiv- Attribut-(Relativ- über deren Verlauf die Öffentlichkeit nur sehr wenig erfuhr nebensatz)nebensatz gruppe). (Böll Dienstfahrt: 5)

844 

 Apparat

Attributtext Recycelter Attributtyp ( Attribut: recycelt) der  Substantivgruppe mit einer als Attribut recycelten Textsequenz. (Substantiv-

Ko-

daspf Ke-Wortrn Attribut-»Landesbühne«text gruppe)

Ausdruck Ausdrücke sind formal und/oder inhaltlich nicht prädiktable polylexikalische Einheiten (z.  B. ab und zu, erst einmal, nicht mehr), die eine mögliche Mesoform darstellen ( Mesoform: Ausdruck). Ihr Schnellimbiß stand wirklich an einer windigen Ecke. Die Plastikbahne war dort, wo sie am Stand festgezurrt war, eingerissen, und (Adverb- hin und wieder ausdruck), bei stärkeren Böen, kippte eine der großen Plastik-Eistüten um. (Timm Currywurst: 11, zit. n. Hennig/Buchwald-Wargenau 2010: 9) Autonome Kodierung (Textautokod) bezeichnet, in Anlehnung an das Konzept der autonomen Kodierung der IDS-Grammatik, die relative Autonomie von grammatischen Sätzen. Bereichsglied Subtyp des  Geltungsgliedes. Bereichsglieder schränken den Geltungsbereich des Szenarios ein.  Mathematisch  ist er ziemlich begabt. (Beispiel n. Engelen 1990: 101) Beteiligtheit/Szenariobeteiligung (BET) ist die übergreifende  Valenzrelation. BET ist die allgemeine semantische Eigenschaft des Valenzträgers, die Grenze zwischen  Komplementen und  Supplementen zu bestimmen. Bewegungskonstruktionsträger (Bewegungsprädikat) Subtyp des syntaktisch dynamischen Prädikats ( Prädikat: dynamisch). Ich bin die Leiter hinauf […]. (Neue Kronen-Zeitung, 03.12.1994 (Beleg n. Berthele 2007: 249))



Glossar (Verzeichnis der Fachausdrücke) 

 845

Bewertungsglied Subtyp des  Wertungsgliedes. Bewertungsglieder bewerten die Geltung eines Szenarios.  Zu meinem Erstaunen  schlug er ihm leicht auf die Schulter […]. (Lenz Nachlaß: 118) Dativattribut (adnominaler possessiver Dativ) Genuines Attribut ( Attribut: genuin) der  Substantivgruppe. Mit Dativattribut wird der sog. adnominale possessive Dativ bezeichnet. Dem Fremdenattribut seine Hände gruppe) da sind nicht aus Pappe […]. (Anna Seghers, Das siebte Kreuz, 121, zit. n. Schmid 1988: 150) (Substantiv-

Dativ

Dativobjekt Subtyp des zentralen Komplements ( Komplement: zentral). Formal unterschieden werden nominales Dativobjekt und Dativobjektparaphrase: [8] [(nominales Hannes Subjekt) hatte] (Instrumental- damit adverbial) (nominales Schnellfahrer angehalten Akkusativobjekt) und [(nominales Hannes Subjekt) hatte] (nominales den Verschreckten Dativobjekt) (nominales ein Bußgeld Akkusativobjekt) abgeknöpft. Ich helfe, (Dativobjekt- wem ich helfen kann paraphrase) (Beispiel zit. n. Engel 2004: 140) Dativobjekt: dynamisch Subtyp des dynamischen Satzgliedes ( Satzglied (im engeren Sinne): dynamisch). Unterschieden werden Dativus (in)commodi, Pertinenzdativ, Standpunktdativ, Partikelverbdativ. Er hat (Dativus mir (in)commodi) das Fahrrad repariert/demoliert. (Beispiel n. Welke 2011: 202) […] er küßte (Pertinenz- ihr dativ) die Hand […]. (Böll Dienstfahrt: 7) „Statt der Schlangenzungen hätten wir Ihnen gern am Spieß geröstetes Menschenfleisch serviert“, sagte er [= der Häuptling, V.Á.]. […] „Bemühen Sie sich nicht“, erwiderte der Onkel, „Menschen liegen (Standpunkt- mir dativ) sowieso zu schwer im Magen.“ (Kästner 35. Mai: 122)

846 

 Apparat

Die (Partikelverb- uns dativ) vorleben wollen wie leicht das Sterben ist Wenn sie (Partikelverb- uns dativ) vorsterben wollten wie leicht wäre das Leben (Erich Fried: Beim Nachdenken über Vorbilder in: bundesdeutsch 132) Deixis Unter Deixis wird im Gegensatz zur  Phorik das Zeigen in einem textuellen Verweisraum (= Textraum) verstanden. Differenziert wird hinsichtlich der Richtung zwischen Anadeixis (Rückverweis = ) und Katadeixis (Vorverweis = ). Dilativ(adverbial)attribut Die Bezugsbasis, der sog. Nachbereich, von Dilativ(adverbial)attributen ist im Gegensatz zu anderen Attributen nicht form-, sondern wertbezogen ( Vor- und Nach­ bereich). Insofern stellen sie einen Sonderfall des  Recyclings dar. [31]

baldattribut darauf mit Temporalwert) [sitzen Ko- pf Ke] in ihrem Pisspott namens Isenbüttelrn gruppe). gruppe) (Präpositional-

(Präpositionalgruppe

Dilativ(adverbial)-

(Substantiv-

sie

Dilativadverbial Genuine Formen des Dilativadverbials sind  Situativadverbiale, recycelte Formen  Verhältnisadverbiale. Dilativadverbiale geben die räumliche Ausdehnung oder die zeitliche Dauer eines Szenarios an. [11]

Das war (nominales er Subjekt) auch, für Literatur sogar, Spezialgebiet Sturm und Drang, (Dilativ- bis aufflog, dass er sich selbst zu oft als Stürmer und Bedränger gefallen und die hübschesten und schlechtesten Studentinnen mit Höchstlob durchs Examen geschleust hatte adverbial).

Direktivum Subtyp des zentralen Komplements ( Komplement: zentral). Das Direktivum hat einen Sonderstatus unter den Adverbialen. Es ist wie das Subjekt und die Objekte immer Komplement und es ist dynamikaffin. Unterschieden werden Richtungsdirektivum, Herkunftsdirektivum, Wegdirektivum und Direktivparaphrase. [18] [(nominales Hannes Subjekt)] führt (nominales ihn Akkusativobjekt) (Richtungs- zum Landesbühnen-Bus, in dem es sich bereits ein gutes Dutzend der sogenannten Insassen halbwegs bequem gemacht hat direktivum).



Glossar (Verzeichnis der Fachausdrücke) 

 847

[30] (nominales Gäste Subjekt) kommen (Herkunfts- aus nah und fern […] direktivum), Sie zogen drei Wochen lang (Weg- durch die Wüste direktivum). (Beispiel zit. n. IDS-Grammatik 1997/2: 1102) Sie gingen ohne Zögern, (Direktiv- wohin man sie geschickt hatte paraphrase). (Beispiel zit. n. Engel 1988: 251) Direktivum: dynamisch Subtyp des dynamischen Satzgliedes ( Satzglied (im engeren Sinne): dynamisch). Unterschieden werden Simplexverb-Direktivum (bei umkategorisierten Modal- und Geräuschverben) und Komplexverb-Direktivum (mit Mikro-Direktivum als Prädikatsteil). Sein Vater hätte nie (Simplexverb- ins Pflegeheim Direktivum) gewollt. (Hein Freund: 170) Die Stutenhufe poltern (Simplexverb- über die Schwalbenbach-Brücke Direktivum). (Strittmatter Bienkopp: 78) […] Hanna heiratete ihn Komplexverb- aus einem Lager Direktivum) Mikro- heraus Direktivum) […]. (Frisch Homo: 176) Distribution bezeichnet in Abgrenzung zum Paradigma „eine syntagmatische Beziehung in absentia“ (Coseriu 1988: 145). Während sich die Elemente eines Paradigmas gegenseitig ausschließen, lassen sich die Elemente einer Distributionsklasse koordinieren. Doppelagent (,Pronominalkonnektor‘) ,Doppelagenten‘ sind deiktische Verhältnisadverbiale, die sowohl  Makroglieder ( Kohäsionsglied) als auch  Mesoglieder ( Verhältnisadverbial) sind, weil der textgrammatische Wert ‚Kohäsionsglied‘ und der satzgrammatische Wert ‚Verhältnisadverbial‘ formal, in einem Wort, zusammenfallen. Sie bescherten um 18 Uhr. (Temporal- Während dessen adverbial) mußte sie nochmals in die Küche laufen. dummy-Präpositionalgruppe Dummy-Präpositionalgruppen sind als- und wie-Gruppen. Sie stellen einen Sonderfall der  Präpositionalgruppe dar, da die Partikeln als und wie keine Prä­po­si­tio­ nen, sondern Präpositionssimulate, d.  h. dummy-Präpositionen, darstellen. M. a. W., als- und wie-Gruppen simulieren die Struktur von Präpositionalgruppen, ohne dass als und wie viele Merkmale von Präpositionen  – oder generell: Kopfmerkmale  – hätten. Dummy-Präpositionalgruppen haben so wie Präpositionalgruppen kein  Attribut.

848 

 Apparat

An der Front hätte der nicht überlebt, (dummy- als Halbblinder Präpositionalgruppe). (Ruge Zeiten: 202) Dynamik: kategorial versus konstruktionell Wird die  Grundvalenz nicht 1:1 realisiert, entstehen dynamische Sätze ( Valenzdynamik). Dynamische Sätze enthalten dynamische Prädikate. Die  Umszenierung kann kategorial (finit oder infinit) oder konstruktionell angezeigt werden. Passiv und Imperativ sind Beispiele für finite kategoriale Dynamik, Infinitivund Partizipialsätze sind Beispiele für infinite kategoriale Dynamik. Konstruktionelle Dynamik entsteht durch Afinitheit oder durch Änderung der Grundvalenz (Ausgangsvalenz) ( Valenzerhöhung,  Valenzreduktion). Infinite und afinite Umszenierung sind Typen der nichtfiniten Dynamik. Ihr Kreuz wird dir auch noch an die Brust geheftet […]. […] und [er] schob das Fahrrad schräg den wulstigen Deich hinauf. Einbettung  Satzsemantischer Relationstyp. Eine Einbettung liegt vor, wenn die Bezugsstelle eines  Szenarios (= Satzinhaltes) durch ein anderes Szenario besetzt wird. Dass Peter nicht mitkommt, ist mir schon klar. Einmaleins der Satzgliedlehre Das Einmaleins der Satzgliedlehre besagt, dass dasselbe Satzglied in demselben statischen Satz nur einmal vorkommen darf. Ekg-Satzverbindung Je nachdem, ob eine  Satzverbindung (e) nur aus einfachen, (k) nur aus komplexen oder (g) aus einfachen wie komplexen Sätzen besteht, lassen sich drei Unterklassen von Satzverbindungen unterscheiden: einfache, komplexe und gemischte Satzverbindungen. Emphasekonstruktionsträger (Emphaseprädikat) Subtyp des syntaktisch dynamischen Prädikats ( Prädikat: dynamisch). Emphasekonstruktionsträger entstehen, wenn synthetische Tempusformen (wie sieht (Präsens) oder sah (Präteritum)) topikalisiert, d.  h. ins Vorfeld verschoben werden sollen. Dies ist nur durch die Einführung der tun-Periphrase möglich. Sehen tue ich nichts. (Beispiel n. Duden 2005: 422)



Glossar (Verzeichnis der Fachausdrücke) 

 849

Im Falle von analytischen Tempusformen (wie gesehen haben (Perfekt) oder sehen werden (Futur I)) bedarf die emphatische Realisierung des Prädikats keiner besonderen Konstruktion, also keiner tun-Periphrase. Das emphatische Prädikat analytischer Tempusformen ist statisch. Gesehen habe ich nichts. Endoaktivität (ENDO) Eine endoaktive Perspektivierung (Martin Haspelmath) stellt im Gegensatz zur exoaktiven Perspektivierung ( Exoaktivität) eine Zustandsveränderung als ein spontanes Geschehen ohne äußere Einwirkung dar. Endoaktiv sind beispielsweise  Antikausativa wie sich öffnen. Subjekt Endo-Vorgangsträger das Tor zum Gefängnishof

– Prädikat – – Endo-Vorgang – öffnet sich

Epistemikglied Subtyp des  Geltungsgliedes. Epistemikglieder drücken verschiedene Geltungsgrade wie Gewissheit (natürlich), relative Sicherheit (wahrscheinlich) und Negation (gar nicht, überhaupt nicht) aus. […]  vielleicht  erzählte er ihm eine erfundene Geschichte von seinem finnischen Freund Toivo. (Lenz Nachlass: 182) Ereignis Ereignisse sind Tätigkeiten, Handlungen, Vorgänge und Zustände. Sie werden im Gegensatz zu  Nichtereignissen, die von Prädikativgefügen entworfen werden, von  Vollverben entworfen. Ereignisse und Nichtereignisse stellen die beiden Subklassen von  Szenarios dar. Evaluierungsglied Subtyp des  Wertungsgliedes. Durch Evaluierungsglieder wird das  Szenario aus der Perspektive des Erfolgs bzw. Misserfolgs beurteilt. Sie hatte  vergeblich  bei uns angerufen. (Beispiel n. Boettcher 2009/II: 194)

850 

 Apparat

Evidenzglied Subtyp des  Geltungsgliedes. Evidenzglieder kennzeichnen die Informationsquelle. Der Mann hört nur sich selbst,  laut Hanna , drum kann das Leben einer Frau, die vom Mann verstanden werden will, nicht anders als verpfuscht sein. (Frisch Homo: 172) Evidenzkomplex Subtyp des  Halbmodalkomplexes. Evidenzkomplexe bilden das Zentrum der Halbmodalkomplexe (= Halbmodalkomplexe im engeren Sinne). Die Kerngruppe umfasst Verben wie scheinen, drohen und pflegen. [33] Hannes (Evidenz- scheint zu resignieren komplex), […]. Existenzialnichtsatz Subtyp des  Nichtsatzes. Existenzialnichtsätze behaupten die Existenz eines Gegenstands (= Gegenstandsexistenzialnichtsatz) oder eines Sachverhalts (= Sachverhaltsexistenzialnichtsatz). Großer Stern, wie sie schreitet da oben und Schnee darauf fällt, nichtsatz) (Liebmann Berlin: 58) dunkel draußen nichtsatz) (Sachverhaltsexistenzial(Liebmann Berlin: 78) (Gegenstandsexistenzial-

Exoaktivität (EXO) Eine exoaktive Perspektivierung (Martin Haspelmath) stellt im Gegensatz zur endoaktiven Perspektivierung ( Endoaktivität) eine Zustandsveränderung als eine Einwirkung einer externen Kraft (eines ‚Verursachers‘/‚Auslösers‘/‚Initiators‘) dar. Exoaktiv sind beispielsweise Handlungssätze (mit Agenssubjekt) und passivische Vorgangssätze. Subjekt Exo-Vorgangsträger das Tor zum Gefängnishof

– Prädikat – – Exo-Vorgang – wird geöffnet



Glossar (Verzeichnis der Fachausdrücke) 

 851

Explikativadverbial Subtyp des  Verhältnisadverbials. Gibt es keine Zionisten mehr? Das ist eines der großen gegenwärtigen Probleme, insofern das Ziel des Zionismus mit der Gründung des jüdischen Staates (Explikativ1948 erreicht worden ist adverbial). (Hannoversche Allgemeine, 06.05.2008) Externe Prädikation Subtyp des  Nichtsatzes. Externe Prädikationen (Behr/Quintin) haben einen Bezugsausdruck im Vorgänger- oder Folgesatz (elementbezogene externe Prädikation) oder sie beziehen sich auf einen ganzen Satz bzw. eine Textsequenz (globale externe Prädikation). kaum war ich oben, zog eine Lokomotive den Zug in die Halle herein, (elementbezogene externe voll besetzt Prädikation) (Liebmann Berlin: 78) Die alte Dame lächelte. „Unsere Wagen werden ferngelenkt“, erzählte sie. „Das Lenkverfahren beruht auf der sinnreichen Koppelung eines elektromagnetischen Feldes mit einer Radiozentrale. (globale externe Ganz einfach Prädikation), was?“ (Kästner 35. Mai: 88) Exzeptivadverbial (Exzeptivkonditional) Subtyp des  Verhältnisadverbials. Nach zwei oder drei Stunden begann der Film. Irgendein ganz gewöhnliches ActionMovie. […]. Nichts Besonderes eigentlich, (Exzeptiv- außer dass er es plötzlich nicht ertragen konnte adverbial). (Ruge Zeiten: 97) Felderstruktur ist die topologische Struktur des Makroglieds ‚Satz‘. Die Felderstruktur wird durch die  Satzklammer begründet. Diese umschließt das Mittelfeld. Bei Sätzen mit Verbzweitstellung befindet sich vor dem linken Klammerteil das Vorfeld und nach dem rechten Klammerteil das Nachfeld. Sätze mit Verberststellung haben kein Vorfeld. Vor-, Mittel- und Nachfeld nennt man Stellungsfelder. Die Stellungsfelderstruktur ist links und rechts ‚verlängerbar‘ (= linker und rechter Satzrand). Nebensätze haben keine Felderstruktur, sondern sind in die Felderstruktur ihrer Sätze integriert. Die topologische Position zwischen den Stellungsfelderstrukturen von zwei Sätzen ist die  Zwischenstelle. Terminologisch werden Felder (= Stellungsfelder) von Stellen (z.  B. Zwischenstelle) abgegrenzt.

852 

 Apparat

Finaladverbial Subtyp des  Verhältnisadverbials. Kurt aß, (Final- um zu leben adverbial). (Ruge Zeiten: 11) Fokuskorrelat Fokuskorrelate (dAfür, dAs) sind im Gegensatz zu  Hintergrundkorrelaten gebundene deiktische Operatoren ( Operator,  Deixis). DAs , dass Conny hervorragend kochen kann, erzählten alle. Fokuskorrelat-Apokoinu ist ein nach zwei Seiten offener  Operator. Ein Fokuskorrelat-Apokoinu funktioniert sowohl anadeiktisch als selbständiges  Satzglied als auch katadeiktisch als  Fokuskorrelat. […] ich will auch gar nicht da drin leben, ich könnte mir  (Akkusativ- das objekt(korrelat))  niemals vorstellen, (Akkusativobjekt- in so einer Wohnung zu leben infinitiv). (Nachmittagstalkshow Bärbel, 28.03.2002, zit. n. Hegedűs 2007: 260) Formale Spezifizität / Rektion (FOSP) ist eine  Valenzrelation. FOSP ist ein Korrelat zur allgemeinen semantischen Eigenschaft der  Beteiligheit/Szenariobeteiligung (BET). FOSP bezeichnet die spezifische Eigenschaft des Valenzträgers, relevante Formmerkmale (wie z.  B. Kasus) der Komplemente zu bestimmen und auf diese Weise zur Stabilisierung der BETGrenze beizutragen. Form-Format Form-Formate stellen eine Möglichkeit dar, die Slotstelle in  lexifizierten Nichtsatz-Formaten zu besetzen. Form-Formate lassen sich im Gegensatz zu anderen  Slotstellen-Formaten nur rein formal, d.  h. unabhängig von grammatischen Werten, interpretieren. X hin, X, her



Glossar (Verzeichnis der Fachausdrücke) 

 853

Formulierungsglied Subtyp des  Konnektors. Formulierungsglieder dienen der Textbearbeitung, d.  h., sie sind zuständig für Variation (z.  B.: mit anderen Worten), Korrekturen (z.  B.: besser gesagt) und Präzisierung (z.  B.: das heißt). Ich habe meinen Auspuff repariert, besser gesagt, ich habe es versucht […]. (Beispiel nach Niehüser 1987: 141) Fragmentarischer Nichtsatz Subtyp des  Nichtsatzes. Fragmentarische Nichtsätze lassen sich im Gegensatz zu  externen Prädikationen nicht auf eine prädikative Beziehung zu einem Bezugsausdruck zurückführen und behaupten im Gegensatz zu den  Existenzialnichtsätzen nicht die Existenz eines Gegenstandes oder eines Sachverhalts. «Was Schlagen Sie noch vor?» «(fragmentarischer Dinner nur im Kings Court Nichtsatz).» (Schädlich Kokoschkin: 123) Freies Prädikativ (inkl. Freies als-Prädikativ) Subtyp des situierenden  Supplements. Das Freie Prädikativ als Adjektiv oder Partizip charakterisiert den Zustand, in dem sich ein Szenariobeteiligter befindet. Im Gegensatz zum Modaladverbial charakterisiert das Freie Prädikativ einen Szenariobeteiligten oder aktiviert hintergründiges (implizites Wissen), das auf einen Szenario­ beteiligten zu beziehen ist. Er lächelte (Freies blaß und verlegen Prädikativ). (Hein Freund: 161) Als einfache Prinzessin als-Prädikativ) muß sie [i. e. Diana] nun jeden Tag einen Hof(Freies knicks vor ihren beiden Söhnen machen. (taz, 29.07.1996, zit. n. Eggs 2006: 206) Frequenzadverbial Subtyp des  Situativadverbials. [33] (Temporal- dann adverbial) kommt auch noch (Frequenz- ein weiteres Mal adverbial) – (nominales die Landesbühne Subjekt). Gegenstandsparaphrase Gegenstandsparaphrasen sind w-Nebensätze mit unterschiedlichen Satzgliedwerten, die im Gegensatz zu prototypischen Nebensätzen semantisch keine  Szenarios, d.  h. keine einzelsprachlichen Sachverhalte, sondern (einzelsprachliche) Gegenstände indizieren.

854 

 Apparat

Wer immer ihn traf paraphrase), wußte sich vor Begeisterung kaum zu fassen. (Kehlmann Vermessung: 20) Wen du ausgesucht hast paraphrase), möchte ich gerne sehen. (Akkusativobjekt(Beispiel zit. n. Engel 2004: 140) Ich helfe, (Dativobjekt- wem ich helfen kann paraphrase). (Beispiel zit. n. Engel 2004: 140) Sie gingen ohne Zögern, (Direktiv- wohin man sie geschickt hatte paraphrase). (Beispiel zit. n. Engel 1988: 251) Wo früher der Wildbach rauschte paraphrase), stehen heute Hochhäuser. (Lokaladverbial(Beispiel zit. n. IDS-Grammatik 1997/3: 2270) Er kommt, (Temporaladverbial- wann und warum er will paraphrase). (Beispiel zit. n. IDS-Grammatik 1997/3: 2270) (Subjekt-

Funktion-Argument-Wert-Formel Die Architektur der Grammatik lässt sich analog der logischen Formel F(A)=W beschreiben. Diese Funktion-Argument-Wert-Formel besagt, dass die Anwendung einer bestimmten Funktion (= F) auf ein bestimmtes Argument (= A) einen bestimmten Wert (= W) ergibt. Den logischen Argumenten entsprechen in der Grammatik grammatische Formen (wie z.  B. Substantivgruppe oder Nebensatz), den logischen Funktionen text-, satz- und wortgruppengrammatische Funktionen (wie z.  B. Adverbial oder Attribut), den logischen Werten Text-, Satz- oder Wortgruppenglieder (wie z.  B. Lokaladverbial oder Adjektivattribut). Werte sind also funktionale Einordnungen von grammatischen Formen und nur relativ zu den Funktionen interpretierbar, z.  B. der Wert ‚Akkusativobjekt‘ in der Formel ‚Objekt (Substantivgruppe im Akkusativ) = Akkusativobjekt‘. Dagegen sind grammatische Formen auch unabhängig von ihren Funktionen interpretierbar (z.  B. Substantivgruppe im Akkusativ). Die Formel ist rekursiv, d.  h. ein Wert als Ergebnis einer ersten Anwendung der Formel kann in einem neuen Zusammenhang als Argument eingesetzt werden. Funktionsverbgefüge bilden den Kernbereich der  Kollokativgefüge. Die Substantive der Funktionsverbgefüge sind typischerweise von Verben oder Adjektiven abgeleitet und lassen sich in der Regel durch das entsprechende Vollverb bzw. Kopula und Adjektiv paraphrasieren. Er brachte seine Papiere in Ordnung. Er kommt in Verlegenheit.



Glossar (Verzeichnis der Fachausdrücke) 

 855

Geltungsglied Neben  Wertungsglied Subtyp des  Kommentargliedes. Geltungsglieder geben Auskunft über den unterschiedlichen Geltungsgrad ( Epistemikglied), Evidenzbereich ( Evidenzglied) oder Geltungsbereich ( Bereichsglied). Generalisierung ist eine Kodierungstechnik bei Empfindungsverben (z.  B. frieren, schaudern, grauen), die der Kodierung von kanonischen Verben (mit Subjekt) angepasst ist (Georg Bossong). Im Gegensatz zur Umpolung (Mich friert) wird der Empfindende (ich) als Subjekt kodiert ( Umpolung,  Subjektlosigkeit). Ich friere. Genitivattribut Offener Attributtyp ( Attribut: offen) der  Substantivgruppe. […]

Sonne Genitiv-unseres Reichesattribut gruppe), (Substantiv- Großmächtiger Herr der Länder und Meereattribut gruppe), (Substantiv- Höchster Schwertführer Genitivder todbereiten Armeenattribut gruppe), (Substantiv- Spiegel Genitiv-der Künsteattribut und (Substantiv- Licht Genitiv-der Wissenschaftenattribut gruppe) […] (Reinig Bittschrift: 65) (SubstantivGenitiv-

Genitivobjekt Subtyp des peripheren Komplements ( Komplement: peripher). Formal unterschieden werden nominales Genitivobjekt, Genitivobjektnebensatz und Genitiv­ objektsinfinitiv. […] in Treue gedenke er (nominales der westlich Irland abgestürzten Monika Genitivobjekt) […]. (Böll Dienstfahrt: 80) Und sei versichert, Genitivobjekt- daß ich auf eigene Hand nichts unternehmen werde, was deinem Gefühl entgegen ist nebensatz). (Beispiel zit. n. IDS-Grammatik 1997/2: 1092) Falls man ihn vor Gericht stellte, gedachte er, (Genitivobjekts- ein paar Dinge zur Sprache zu bringen infiniv). (Kehlmann Vermessung: 99) Genitivobjekt: dynamisch (inneres Genitivobjekt) Subtyp des dynamischen Satzgliedes ( Satzglied (im engeren Sinne): dynamisch). Das dynamische Genitivobjekt ist von seinem Systemstatus her genauso peripher wie das statische. Das einzige dynamische Genitivobjekt ist das innere Genitivobjekt.

856 

 Apparat

Die Tiere würden immer älter und zäher und stürben schließlich (inneres eines natürlichen Todes Genitivobjekt). (Timm Morenga: 137) Grundstruktur Die grammatische Grundstruktur eines Satzes besteht aus dem  Hauptprädikat und dessen  Komplementen. Sie realisiert die semantische Grundstruktur, das  Szenario. Grammatische Grundstrukturen sind in der Regel  Valenzrealisierungsmuster. Grundstruktur: Erweiterung Die Grundstruktur kann intern, durch Szenariokontextualisierung, und extern, durch Szenariokommentierung, erweitert werden. Der Satzgliedtyp (im weiteren Sinne), der für die Szenariokommentierung verantwortlich ist, ist das  Kommentarglied. Der Satzgliedtyp (im engeren Sinne), der für die Szenariokontextualisierung verantwortlich ist, ist das  Supplement (Angabe). Grundvalenz (Ausgangsvalenz) ist die lexikalisierte Valenz des prädikatsstiftenden Verbs. Dasselbe Verb kann mehrere Grundvalenzen haben (Klaus Welke). Halbmodalkomplex Subtyp des komplexen Prädikats ( Prädikat: komplex). Halbmodalkomplexe regieren den Infinitiv mit zu. [33]

(Sub-

Hannes jekt) scheint zu resignieren, […].

Handlungsträger (Agens) ist eine signifikativ-semantische Rolle ( Semantik: signifikativ). Er kodiert das Subjekt eines Handlungssatzes. Der Handlungssatz ist im Gegensatz zum Tätigkeitssatz ( Tätigkeitsträger) ein transitiver Satz (im Aktiv). (Handlungs-

Der Schlüssel träger) öffnet die Tür.

Hauptprädikat ist das hierarchisch höchste Prädikat, ein Prädikat, dem kein weiteres Prädikat übergeordnet ist. Ein grammatischer Satz ( Satz: grammatisch) enthält ein Hauptprädikat. Dieses ist im Falle eines einfachen Satzes mit dem einzigen Prädikat identisch. Beim komplexen Satz (= Satzgefüge) stellt das Prädikat des Hauptsatzes das Hauptprädikat dar. Das Hauptprädikat wird fett markiert.



Glossar (Verzeichnis der Fachausdrücke) 

 857

Obwohl sie keine Lust hatte, ihn zu sehen, kam sie überraschenderweise sofort aus der Küche. Hintergrundkorrelat Hintergrundkorrelate (dafÜr, es) sind im Gegensatz zu  Fokuskorrelaten gebundene phorische Operatoren ( Operator,  Phorik) […] ich will auch gar nicht da drin leben, ich könnte (Akkusativobjekt- es korrelat) ⇒ mir niemals vorstellen, (Akkusativobjekts- in so einer Wohnung zu leben infinitiv). Idiom Idiome wie z.  B. den Teufel an die Wand malen, auf die Palme bringen oder die Leviten lesen sind ein Subtyp des einfachen Prädikats ( Prädikat: einfach). Die Präpositionalgruppen auf die Palme, an die Wand oder die Substantivgruppe die Leviten der vollidiomatischen Wortverbindungen sind weder erfragbar noch ersetzbar und bilden im Gegensatz zu teilidiomatischen Wortverbindungen wie von Tuten und Blasen keine Ahnung haben keine Distributionsklasse ( Distribution) mit typischen Satzgliedern. Im Gegensatz zu den Substantiv- und Präpositionalgruppen der teilidiomatischen Wortverbindungen sind die Substantiv- und Präpositionalgruppen der Idiome Teil des Prädikats. Idiom-Konstruktionsträger (dynamisches Idiom) Subtyp des syntaktisch dynamischen Prädikats ( Prädikat: dynamisch). Dynamische Idiome entstehen durch Abwandlung eines  Idioms, beispielsweise um die wörtliche Bedeutung des zugrundeliegenden statischen Idioms bewusst zu machen. […] der Satz, der den Hamburger Forscher auf die indonesische Palme bringt […] (Neue Kronen-Zeitung, 10.08.1997, zit. n. Ágel 2004: 83) Impressio wird – in Analogie zum prädikatsinduzierten  Szenario von Sätzen – das semantische Potenzial von  Nichtsätzen genannt. Inhaltliche Spezifizität (INSP) ist eine  Valenzrelation. INSP ist ein Korrelat zur allgemeinen semantischen Eigenschaft der  Beteiligheit/Szenariobeteiligung (BET). INSP bezeichnet die spezifische Eigenschaft des Valenzträgers, relevante Inhaltsmerkmale (wie z.  B. semantische Rollen) der Komplemente zu bestimmen und auf diese Weise zur Stabilisierung der BET-Grenze beizutragen.

858 

 Apparat

Instrumentaladverbial Genuine Instrumentaladverbiale sind ein Subtyp des  Situativadverbials, recycelte Formen einer des  Verhältnisadverbials. [8] (nominales Hannes Subjekt) zum Beispiel hatte (nominales sich Dativobjekt) (nominales eine Polizeikelle Akkusativobjekt) besorgt und [(nominales Hannes Subjekt) hatte] (Instrumental- damit adverbial) (nominales Schnellfahrer Akkusativangehalten […]. objekt) Sie wollte uns wohl erziehen, (Instrumental- indem sie die ihr von uns zugefügten Demütigungen nicht verbarg adverbial). (Hein Freund: 143) Insubordination ist ein Nebensatz mit Satzwert. Und Konrad rief ärgerlich: IN[Wo ich doch Schofför werden wollte!]SUB (Kästner 35. Mai: 88) Integration Satzgrammatische Bindung lässt sich auf einer Skala zwischen  Aggregation und Integration modellieren. Unter Integration wird  – im Gegensatz zur Aggregation  – eine (relativ) starke formale Anbindung verstanden. Stark integrativ sind z.  B. Infinitivkonstruktionen. Dann zuckte er die Schultern und schlug vor, (Akkusativobjekts- eine Münze zu werfen infinitiv). (Kehlmann Vermessung: 20) Intensitätsattribut Genuiner Attributtyp ( Attribut: genuin) der  Adjektivgruppe,  Par­ti­zi­ pial­gruppe und  Adverbgruppe. über alle Erwartungattribut sympathisch gruppe) (Boettcher 2009/2: 256) Intensitätsungemeinattribut belastend gruppe) (Partizipial(IDS-Grammatik 1997/1: 81) Intensitätsfurchtbarattribut gern gruppe) (Adverb(Fuhrhop/Thieroff 2005: 322) (Adjektiv-

Intensitäts-



Glossar (Verzeichnis der Fachausdrücke) 

 859

Interne Prädikation Interne Prädikationen (Behr/Quintin) sind (afinit) dynamische Sätze. Sie haben keine Kopula, aber im Gegensatz zu  Externen Prädikationen ein Subjekt. Das Leben ein Traum. (Beispiel zit. n. Behr/Quintin 1996: 67) Introglied Introglieder sind idiomatisch geprägte (musterhafte) einleitende  Kohäsionsglieder am linken Satzrand. Intro-

Um auf das aktuell Brisanteste zu kommen glied): Warum hat der Westen […] darüber zu befinden, wer eine Atombombe haben darf?

Irrelevanzkonditionaladverbial Subtyp des  Verhältnisadverbials. Egal, ob diesmal das Milliardenspektakel ein Erfolg wird, adverbial), Tsutsumis Plan ist in allen Punkten aufgegangen. (DIE ZEIT, 05.02.1998, zit. n. Waßner 2006: 383) (Irrelevanzkonditional-

Junktion Junktion steht als Kurzform für Junktionsrelation. Unter Junktion wird – in Abgrenzung zur  Konnexion – die grammatische Kodierung satzsemantischer  Verknüpfungen durch  Junktoren verstanden. [30] Beifall rauscht auf, und Konjunktor) (nichtintegrierbarer »fast begann abgestandenes Bier in den Gläsern zu schäumen«. Junktor Subtyp des  Kohäsionsgliedes. Junktoren realisieren als Satz-/Nichtsatzverbinder satzsemantische  Verknüpfungen. Zu den Junktoren zählen  Konjunktoren,  Adverbjunktoren und  Partikeljunktoren. Kategoremwort (,Pronomen‘) Sog. Pronomina sind keine Pro-Formen für Substantivgruppen, sondern sie stellen deren ‚vorlexikalische‘ kategoriale Primärformen, eben Kategoremwörter (Coseriu), dar. ‚Pronomen‘ sind also Substantive ohne lexikalische Bedeutung.

860 

 Apparat

Kausaladverbial Subtyp des  Verhältnisadverbials. Und (Kausal- weil Pötsch das sicher besonders interessierte und das Manuskript gerade vor ihm lag adverbial), las Menzel gleich die erwähnte Passage vor […]. (Bruyn Forschungen: 36) Kern  Wortgruppenglied. Lexikalisches Zentrum einer  Wortgruppe. [7a]

Schauplatzrn Ko-istpf (Substantiv- Ko-daspf Ke-Gefängnisrn gruppe).

Ke-

Kohäsionsglied Eines der drei  Makroglieder ( Satz: grammatisch,  Nichtsatz). Kohäsionsglieder sind eine grammatisch und semantisch identifizierbare Teilmenge der  Kohäsionsmittel und stellen grammatische Formen dar, die aus Sätzen, Nichtsätzen oder Textsequenzen Satz- und Nichtsatzverbindungen bzw. Textverkettungen machen. Kohäsionsglieder können in die topologische Struktur des jeweiligen Satzes integriert sein, oder sie können in der  Zwischenstelle stehen. Subklassifiziert werden sie in  Junktor (Szenarioverknüpfung) und  Konnektor (Text- und Gesprächsorganisation). Kohäsionsmittel Von den  Kohäsionsgliedern abzugrenzen sind die Kohäsionsmittel (Interpunk­ tionszeichen, grammatische Kategorisierungen wie Tempus, Verbmodus und Diathese, deiktische und phorische Artikelwörter, Pronomen und Subjunktoren). Kohäsionsmittel dienen der internen Textorganisation, stellen jedoch keine  Makroglieder im Sinne der  Funktion-Argument-Wert-Formel dar. Koinonfeld ist das „Drehfeld fürs Gemeinsame“ innerhalb eines  Apokoinus. Kollokativgefüge Subtyp des einfachen Prädikats ( Prädikat: einfach) mit kollokativem  Nominalprädikat. Kollokativgefüge sind eine Teilmenge der Kollokationen (idiomatisch geprägte Ausdrücke), die in Prädikatsfunktion erscheinen können. Den Kernbereich bilden die  Funktionsverbgefüge. auf jener Fahrt kam ich zum Entschluß, Hanna zu heiraten […] (Frisch Homo: 56)



Glossar (Verzeichnis der Fachausdrücke) 

 861

Kombi-Prädikativprädikat ist das dynamische Prädikat des Spaltsatzes. Kombiniert werden die kataphorische prädikativische Leitform es und eine prädikativische Vollform mit Symbolwert (= Relativnebensatz). Der Finanzminister Subjekt) fordert (nominales Sparmaßnahmen Akkusativobjekt). Es ist (Spaltsatz- der Finanzminister subjekt), der Sparmaßnahmen fordert. Es sind (Spaltsatz- Sparmaßnahmen subjekt), die der Finanzminister fordert.

(nominales

Komitativadverbial Genuine Komitativadverbiale sind ein Subtyp des  Situativadverbials, recycelte Formen sind einer des  Verhältnisadverbials. Ging nach der Arbeit (Komitativ- allein mit dem Hunde adverbial) den umgekehrten Waldweg spazieren. (Mann Tagebücher: 179) An jenem Tag meldete ich mich, (Komitativ- wobei ich mich nach Katharina umwandte . adverbial) (Hein Freund: 152) Kommentarglied  Mesoglied, d.  h. Satzglied im weiteren Sinne, das das komplementierte und/ oder kontextualisierte  Szenario hinsichtlich Geltung ( Geltungsglied) oder Wertung ( Wertungsglied) kommentiert. Obwohl sie keine Lust hatte, ihn zu sehen, kam sie  überraschenderweise  sofort aus der Küche. Kommentar(glied)attribut Recycelter Attributtyp ( Attribut: recycelt) der  Adjektivgruppe und  Partizipialgruppe mit einem als Attribut recycelten Kommentarglied. diese (Adjektiv- Kommentar(glied)-vermutlichattribut schöne gruppe) Einladung (Erweiterung von Leittextbeleg [21]) Das Pferd knickste und dankte für die (Partizipial- Kommentar(glied)-vermutlichattribut Dativ(objekt)seiner Leistungattribut gezollte gruppe) Aufmerksamkeit. (Ergänzung des Belegs Kästner 35. Mai: 46)

862 

 Apparat

Kommentarmittel Kommentarmittel sind  Parenthesen, parenthetische  Redeanzeigen und  weiterführende Relativnebensätze. Sie haben ähnlich den  Kommentargliedern (auch) eine Kommentarfunktion, sind jedoch syntaktisch wie semantisch anders einzuordnen. Komplement Komplemente (= Ergänzungen, Aktanten) vervollständigen das vom Prädikat entworfene  Szenario. Komplemente bilden zusammen mit dem Prädikat die  Grundstruktur des Satzes, das Satzzentrum. Komplement: peripher Periphere Komplemente stellen sprachsystematisch eine Randerscheinung dar. Die Sammelklasse der peripheren Komplemente umfasst im Gegenwartsdeutschen das  Genitivobjekt, das  Verbativobjekt und einige wenige  Adverbialkomplemente. Komplement: zentral Zentrale Komplemente stehen sprachsystematisch im Zentrum. Die zentralen Komplemente sind im Gegenwartsdeutschen das  Subjekt,  Akkusativobjekt,  Dativobjekt, die  Präpositionalobjekte und das  Direktivum. Komplement-Format Komplement-Formate stellen eine Möglichkeit dar, die Slotstelle in  lexifizierten Nichtsatz-Formaten zu besetzen. Beispielsweise lässt sich in  verblosen Direktiva die Präpositionalgruppe (zu neuen „Panik-Abenteuern) analog zu Komplementen interpretieren. Mit 70 auf zu neuen „Panik-Abenteuern“ Direktivum): Rockstar Udo Lindenberg (69) (verbloses will es zu seinem runden Geburtstag richtig krachenlassen. (Die Welt, 11.09.2015) Komplexverb (Verbkompositum) Subtyp des  Vollverbs. Komplexverben, die verbale Zusammensetzungen (Komposita) sind (z.  B. Rad fahren, sitzenbleiben, kennenlernen, notlanden), sind von den  Präfixverben und  Partikelverben abzugrenzen.



Glossar (Verzeichnis der Fachausdrücke) 

 863

Komplexverb-Konstruktionsträger (dynamisches Komplexverb) Subtyp des morphologisch dynamischen Prädikats ( Prädikat: dynamisch,   Komplexverb). Dynamische Komplexverben können durch Umkategorisierung von Hilfs- und Vollverben entstehen. Der Präfekt Fitz ist gerade in den Keller hinunter. Er grüßte auf den Hof hinab. (n. Lenz Landesbühne: 14) Konditionaladverbial Subtyp des  Verhältnisadverbials. Wenn wir nicht gekommen wären adverbial), hätte sie bereits Feierabend. (Hein Freund: 138)

(Konditional-

Konjunktor Subtyp des  Junktors. Konjunktoren stehen genuin in der  Zwischenstelle. Hinsichtlich ihrer Stellung im Satz können satzintegrierbare (aber, doch, entweder) und nichtsatzintegrierbare (und, sowohl, oder) Konjunktoren unterschieden werden. Konnektor Subtyp des  Kohäsionsgliedes. Konnektoren drücken im Gegensatz zu  Junktoren keine satzsemantischen  Verknüpfungen aus. Sie dienen der Text- und Gesprächsorganisation. Zu den Konnektoren gehören  Ordnungsglieder,  Formulierungsglieder,  Parajunktoren, Abtönungspartikel und  Nähezeichen. Konnexion Konnexion steht als Kurzform für Konnexionsrelationen. Unter Konnexion werden – in Abgrenzung zur  Junktion – die text- und gesprächsorganisierenden Relationen verstanden, die von  Konnektoren ausgehen. Konsekutivadverbial Subtyp des  Verhältnisadverbials. […] eine ganze Gruppe deutscher Touristen, geführt von einem katholischen Priester, drängte sich vor dem Relief wie vor einer Unglücksstätte, (Konsekutiv- so daß ich neugierig wurde adverbial) […]. (Frisch Homo: 136)

864 

 Apparat

Konzessivadverbial Subtyp des  Verhältnisadverbials. Obwohl er einen Schlüssel hatte adverbial), klingelte er. (Konzessiv(Ruge Zeiten: 8) Kopf  Wortgruppenglied. Syntaktisches Zentrum einer  Wortgruppe. [7a]

Schauplatzrn Ko-istpf (Substantiv- Ko-daspf Ke-Gefängnisrn gruppe).

Ke-

Kopf(vertretungs)attribut Offener Attributtyp ( Attribut: offen) der  Substantivgruppe. Das Kopf(vertretungs)attribut entspricht dem pränominalen Genitiv und vertritt den Kopf der Substantivgruppe, ohne selber über Kopfmerkmale zu verfügen. (Substantiv-

Peters/Marias/Großmuttersattribut Ke-Hausrn gruppe).

Kopf(vertretungs)-

Korrelatverbindung ist eine eigene recycelte Realisierungsform für  Satzglieder (im engeren Sinne), die aus einem Korrelat und einer eingebetteten Szenariorealisierung (Nebensatz, abhängiger Hauptsatz oder Infinitivkonstruktion) besteht ( Operator,  Adverbialkorrelat,  Nominalkorrelat,  Präpositionalkorrelat,  Fokuskorrelat,  Hintergrundkorrelat). Er dachte (Präpositionalobjekts- daran korrelat), (Präpositionalobjekts- sie zu umfassen und zu Boden zu ziehen infinitiv), […]. (Kehlmann Vermessung: 91) Es korrelat) verstand sich von selbst, (Subjekt- daß ihm jedes Schreiben vorgelegt (Subjektswerden mußte nebensatz). (Kehlmann Vermessung: 23) Kreativität bedeutet im Gegensatz zur  Routine die strukturelle Option des ‚Problemlösens‘ (Stephan Stein). Kreativ sind bestimmte Sorten von konstruktionell dynamischen Sätzen wie z.  B. Das Ruhrgebiet fördert wieder. (DB-Werbung für das Ruhr-2010-Ticket) lassen-Konstruktionsträger (lassen-Prädikat) Subtyp des syntaktisch dynamischen Prädikats ( Prädikat: dynamisch) mit dem AcI-Verb lassen ( AcI-Konstruktionsträger).



Glossar (Verzeichnis der Fachausdrücke) 

 865

«Laß dich nur nicht von der Lady an der Rezeption verwirren!» (Haas Silentium: 105) Leerwort In der Wortarttheorie von Lucien Tesnière sind Leerwörter grammatische Sprachzeichen. Sie stellen im Gegensatz zu  Vollwörtern keine  Kerne von  Wortgruppen dar. Sie können jedoch  Köpfe (z.  B. Artikel, Präposition) sein. Lexifiziertes Kohäsionsglied Zu den lexifizierten Kohäsionsgliedern gehören bestimmte Introglied-Formate, wie z.  B. so, und jetzt zu X ( Introglied). Die meisten lexifizierten Kohäsionsglieder basieren auf formalen Anleihen bei Satzgliedern (Finaladverbial, Konditionaladverbial, Konzessivadverbial) und anderen Textgliedern (Sätzen und Nichtsätzen). So, und jetzt zu ein paar Punkten glied): […]. (Glattauer Nordwind: 15)

(Intro-

(Intro-

Was Kleinigkeiten ausmachen glied): Er trug dieselben Anzüge […].

Lexifiziertes Nichtsatz-Format Lexifizierte Nichtsatz-Formate sind idiomatische Nichtsatzstrukturen. Analog zu den  lexifizierten Satz-Formaten können lexifizierte Nichtsatz-Formate partiell oder voll lexifiziert sein. Nur partiell lexifizierte Nichtsatz-Formate enthalten offene Stellen. Du mit deinen Göttern! (← du mit dein- X!) (Frisch Homo: 175) Immer mit der Ruhe. (Hennig von Lange Relax: 92) Lexifiziertes Satz-Format Lexifizierte Satz-Formate sind idiomatische Satzstrukturen. Sie können partiell oder voll lexifiziert sein. Nur partiell lexifizierte Satz-Formate enthalten offene Stellen. X hält, was [Pro] verspricht“ (z.  B. Klaus hält, was er verspricht) (Feilke1996: 240) Daß ich nicht lache! Lokaladverbial Subtyp des  Situativadverbials. [42]

(Lokal-

hier adverbial) ist (nominales es Subjekt) wohl eher umgekehrt.

866 

 Apparat

Lokaldeterminativkonstruktionsträger (Lokaldeterminativprädikat) Subtyp des syntaktisch dynamischen Prädikats ( Prädikat: dynamisch). Es geht um die Konstruktion kommen + Partizip II in Verbindung mit einem Fortbewegungsverb. In der Nacht […] kam ein Artillerieleutnant herbeigestürzt […]. (Timm Morenga: 194) Makroebene Die Makroebene ist die Bezugsebene der  Funktion-Argument-Wert-Formel für  Makroglieder als grammatische Werte der Analyseeinheit ‚Text‘. Makroglied (Textglied) Makroglieder (Textglieder) sind die grammatischen Werte auf der  Makroebene. Es gibt drei Typen:  Satz,  Nichtsatz und  Kohäsionsglied. Makrosubjekt Realisierung des  Subjekts außerhalb der Verbform (z.  B. Deutsch, Englisch). Er/sie/es arbeitet/schläft. Das Gegenteil von Makrosubjekt ist  Mikrosubjekt. Mikro- und Makrosubjekt sind Subjektrealisierungsformen, d.  h. Formen eines  Mesoglieds. Die Termini ‚Mikro-‘ und ‚Makro-‘ kommen hier aus der Valenztheorie und haben nichts mit  Mikround  Makroglied zu tun. Medialkonstruktionsträger (Medialprädikat) Subtyp des syntaktisch dynamischen Prädikats ( Prädikat: dynamisch) mit transitivem oder intransitivem Ausgangsvalenzträger (lesen vs. laufen). Nun, Ihre E-Mails lesen sich wie ‚heruntergesprudelt‘ […]. (Glattauer Nordwind: 10) Die Schuhe hatten wir ausgezogen. Es war kalt, aber so lief es sich besser. (Hein Freund: 83f.) Medialpassiv Subjektloses Passiv von  Medialverben. Wann wird sich endlich mal gekämmt? (Weinrich 2005: 177)



Glossar (Verzeichnis der Fachausdrücke) 

 867

Medialverb (sich-Verb) Subtyp des  Vollverbs. Das mediale sich der Medialverben gehört im Gegensatz zum reflexiven sich (Sie beobachtet sich) zum Prädikat ( Prädikat: einfach,  Medialverb: direkt,  Medialverb: endoaktiv,  Medialverb: indirekt,  Medialverb: pseudo-exoaktiv;  Medialverb: pseudo-symmetrisch). Medialverb: direkt Die direkten Medialverben (z.  B. sich entspannen) sind die Medialverben mit einem akkusativischen sich. Sie stellen den Prototyp der  Medialverben dar. Direkte Medialverben lassen sich im Gegensatz zu indirekten Medialverben ( Medialverb: indirekt) sprachhistorisch auf Medialisierung von Verben mit reflexiv verwendetem Akkusativobjekt zurückführen wie beispielsweise Anna beruhigt Peter versus Anna beruhigt sich. ( Medialverb: endoaktiv,  Medialverb: pseudo-exoaktiv,  Medialverb: pseudo-symmetrisch). Medialverb: endoaktiv Endoaktive Medialverben (z.  B. sich öffnen) sind ein Subtyp des  Medialverbs. Endoaktive Medialverben, die ein transitives (exoaktives) Pendant haben wie beispielsweise in Der Pförtner öffnet das Tor, sind  Antikausativa (Das Tor öffnet sich), die dynamische Prädikate sind ( Prädikat: dynamisch,  MedialverbKonstruktionsträger). Gibt es dagegen keine reguläre semantische Beziehung zu einer transitiven Variante wie beispielsweise in Die Freiheiten ergeben sich aus solchem Erzählen, handelt es sich um ein statisches Prädikat ( Prädikat: statisch). Medialverb: indirekt Indirekte Medialverben (z.  B. sich etwas ausrechnen) sind die Medialverben mit einem dativischen sich. Im Gegensatz zu den direkten Medialverben ( Medialverb: direkt) sind sie sprachhistorisch durch Medialisierung der reflexiven Verwendung von Verben mit Akkusativobjekt und reflexiv verwendetem Dativobjekt entstanden (sich zurechtlegen). Und er hat fast ein bißchen das Gefühl gehabt, daß der René schneller begreift, als der Brenner sich seine Erklärungen zurechtlegt. (Haas Silentium: 103)

868 

 Apparat

Medialverb: pseudo-exoaktiv Pseudo-exoaktive Medialverben (z.  B. sich beruhigen) sind ein Subtyp des  Medial­ verbs. Pseudo-exoaktive Medialverben haben häufig ein gleichlautendes Handlungsverb-Pendant wie beispielsweise in Emil beruhigt Anna versus Emil beruhigt sich oder Emil ärgert Anna versus Emil ärgert sich. Pseudo-exoaktive Medialverben kodieren ein sprachliches Geschehen als Tätigkeit oder Vorgang. Medialverb: pseudo-symmetrisch Pseudo-symmetrische Medialverben (z.  B. sich verabreden) sind ein Subtyp des  Medialverbs. Sie lassen im Gegensatz zu reziprok gebrauchten transitiven Verben (z.  B. sich begrüßen) ein singularisches Subjekt zu. Bei nicht realisierter y-Stelle können pseudo-symmetrische Medialverben auch reziprok interpretiert werden. Die Fans prügeln sich (= einander) / sich (mit den Polizisten). (in Anlehnung an Kunze 1997: 112) Petra und Peter treffen sich (= einander) / sich (miteinander/mit jemand anders). Medialverb-Konstruktionsträger (dynamisches Medialverb) Subtyp des morphologisch dynamischen Prädikats ( Prädikat: dynamisch). Dynamische Medialverben sind  Medialverben, bei denen es eine reguläre semantische Beziehung zu der transitiven Variante (wie Sie drehte das Rad) besteht. Das Rad drehte sich. Mesoebene Die Mesoebene ist die Bezugsebene der  Funktion-Argument-Wert-Formel für  Mesoglieder (= Satzglieder im weiteren Sinne) als grammatische Werte der Analyseeinheit ‚Satz‘. Mesoform Grammatische Formen auf der  Mesoebene, deren Werte (im Sinne der  Funktion-Argument-Wert-Formel)  Satzglieder sind, kurz: grammatische Formen von Satzgliedern (wie z.  B. Wortgruppe, Nebensatz). Was die Binnenstruktur von Mesoformen anbelangt: Zu unterscheiden sind genuine Mesoformen mit genuinen  Mikrogliedern ( Wortgruppe,  Wortgruppenverbindung,  Wort(gruppen) kombination), recycelte Mesoformen mit recycelten Mikrogliedern ( Mesoform: recycelt) und Mesoformen ohne Mikroglieder ( Mesoform: Wort,  Mesoform: Ausdruck).



Glossar (Verzeichnis der Fachausdrücke) 

 869

Mesoform: Ausdruck Polylexikalische Mesoformen, die  Satzglieder sind, jedoch keine  Wortgruppe bilden können ( Ausdruck). Ausdrücke als Mesoformen sind demnach keinen Wortgruppen, sondern Wörtern ( Mesoform: Wort) analog. [31]

Polizisten gruppe) aufgetauchtrn […]

(SubstantivKe-

warenpf sowieso schon

Ko-

(Adverb-

da und dort

ausdruck)

Mesoform: genuin Genuine Mesoformen enthalten im Gegensatz zu recycelten Mesoformen ( Mesoform: recycelt) genuine Mikroglieder. Genuine Mesoformen sind  Wortgruppen (mit den genuinen  Mikrogliedern  Kopf,  Kern und  Attribut),   Wortgruppenverbindungen (mit Wortgruppen und Konjunktoren als Mikro­ glieder) und  Wort(gruppen)kombinationen (mit Wort und Wortgruppe als Mikro­ glieder). Mesoform: recycelt Recycelte  Mesoformen enthalten im Gegensatz zu genuinen Mesoformen (  Mesoformen: genuin) recycelte Mikroglieder. Diese können Textsequenzen, Satzverbindungen, Sätze (einfach oder komplex), Nebensätze (durch Subjunktor oder indirektes Fragewort eingeleitet bzw. uneingeleitet), Infinitivkonstruktionen (mit zu) und Partizipialkonstruktionen sein. [5] (Substantiv- Hannes gruppe) sagt (Te- (Sa- »Bald wird etwas geschehen.« tz)rec xt)rec Sabeth fand, (Satz- (Sa- ich untertreibe immer tz)rec (Kohäsions- beziehungsweise glied)rec (Sa- ich verstelle mich tz)rec verbindung)rec. (Frisch Homo: 134f.) Ich fürchtete, (komplexer (Konditional- wenn ich Sie länger ansähe adverbialrec), (Prä- würden di-) (Subkleine Tierchen jekt)rec (Lokal- hinter ihr adverbial)rec (k- hervorkriechen at)rec Satzrec). (Hein Freund: 156) Mesoform: Wort Monolexikalische Mesoformen, die  Satzglieder sind, aber keine  Wortgruppe bilden können. Wörter als Mesoformen sind demnach keinen Wortgruppen, sondern Ausdrücken ( Mesoform: Ausdruck) analog. [13]

Jetzt verb) aber öffnet sich (Substantiv- Ko-daspf Ke-Torrn Attri-zum Gefängnishofbut […]. gruppe) (Ad-

870 

 Apparat

Mesoglied Mesoglieder sind Satzglieder im weiteren Sinne, d.  h.  Prädikat,  Satzglieder im engeren Sinne ( Komplement und  Supplement) und  Kommentarglied. Nicht alle Glieder, die in Sätzen vorkommen, sind Mesoglieder ( Satzglied versus Glied im Satz). Mesoglied: genuin Genuine Mesoglieder bestehen im Gegensatz zu recycelten Mesogliedern ( Mesoglied: recycelt) typischerweise aus  Wortgruppen. Lassen sich genuine Mesoglieder nicht als Wortgruppen analysieren, bestehen sie aus  Wörtern oder  Ausdücken. Mesoglied: Linearisierungsformen Mesoglieder lassen sich kontinuierlich (‚kompakt‘), diskontinuierlich oder gespalten realisieren. Eine kontinuierliche Realisierung liegt vor, wenn das Mesoglied ohne Unterbrechung durch Konstituenten, die nicht zum fraglichen Mesoglied gehören, realisiert wird (in [7] die Subjektrealisierung). [7]

Schauplatz ist (Sub- das Gefängnis Isenbüttel, dessen Insassen zumeist Kleinkriminelle sind, die hier ihre paar Jahre absitzen jekt).

Eine diskontinuierliche Realisierung liegt vor, wenn ein Mesoglied durch Konstituen­ ten, die nicht zum fraglichen Mesoglied gehören, unterbrochen wird und diese Unterbrechung den strukturellen Normalfall (den unmarkierten Fall) darstellt. Beispielsweise stellt die diskontinuierliche Realisierung von analytischen Verbformen den strukturellen Normallfall dar. [8]

Hannes jekt) zum Beispiel hatte (Dativ- sich objekt) (Akkusativ- eine Polizeikelle objekt) (Subbesorgt

Eine gespaltene Realisierung liegt vor, wenn ein Mesoglied entgegen dem strukturellen Normallfall getrennt realisiert, d.  h. gespalten, wird. Das Ergebnis einer gespaltenen Linearisierung ist ein besonderer textuell-pragmatischer Effekt (in [6] die Sub­ jekt­realisierung). [6]

(gespal-

Seltsames te-) geschieht, (nes Sub- ja geradezu Unerhörtes jekt).

Mesoglied: recycelt Recycelte Mesoglieder bestehen im Gegensatz zu genuinen Mesogliedern ( Mesoglied: genuin) aus recycelten  Makrogliedern. Die Glieder recycelter Mesoglieder stellen in der Regel hierarchisch zurückgestufte genuine Mesoglieder (x-ten Grades) dar ( Recycling).



Glossar (Verzeichnis der Fachausdrücke) 

 871

Mikroebene Die Mikroebene ist die Bezugsebene der  Funktion-Argument-Wert-Formel für  Mikroglieder (im engeren und weiteren Sinne). Mikroglied Unmittelbare, primäre Binnenwerte von  Mesoformen ( Mikroglied: im engeren Sinne,  Mikroglied im weiteren Sinne). Mikroglied: genuin Genuine Mikroglieder sind im Gegensatz zu recycelten Mikrogliedern (  Mikro­ glied: recycelt)  Wortgruppen,  Wortgruppenverbindungen und  Wort(gruppen)kombinationen. Mikroglied: im engeren Sinne Mikroglieder im engeren Sinne sind die Wortgruppenglieder ( Kopf,  Kern,  Attribut). Sie bilden eine Teilmenge der Mikroglieder im weiteren Sinne ( Mikroglied: im weiteren Sinne). Mikroglied: im weiteren Sinne Mikroglieder im weiteren Sinne sind alle primären Binnenwerte aller  Mesoformen. Eine Teilmenge der Mikroglieder im weiteren Sinne bilden die Mikroglieder im engeren Sinne ( Mikroglied: im engeren Sinne). Mikroglied: recycelt Mikroglieder können aus  Makrogliedern oder aus  Mesogliedern recycelt werden. Während einfache und komplexe Sätze beim  Recycling keine spezifischen grammatischen Hilfsmittel benötigen, sind für das Recycling von Nebensatz, Infinitiv- und Partizipialkonstruktion grammatische Hilfsmittel ( Recyclator) notwendig. Sabeth fand, (Satz- (Sa- ich untertreibe immer tz)rec (Kohäsions- beziehungsweise glied)rec (Sa- ich verstelle mich tz)rec verbindung)rec. (Frisch Homo: 134f.) Ich fürchtete, (komplexer (Konditional- wenn ich Sie länger ansähe adverbialrec), (Prä- würden di-) (Subkleine Tierchen jekt)rec (Lokal- hinter ihr adverbial)rec (k- hervorkriechen at)rec Satzrec). (Hein Freund: 156) [50] (Subjunktional- (Subjunk- wenn tor) (Sub- Siegfried Lenz jekt)rec (Prä- erzählt dikat)rec nebensatz), hat Kodaspf Ke-Erzähltern gruppe) […] (Substantivgruppen-Ko-etwaspf Ke-Herzlichesrn,[…]. (Substantiv-

872 

 Apparat

Mikro-Satzglied Wenn eine Verbform nicht nur das Prädikat, sondern auch ein anderes Satzglied enthält, liegt eine Mikro-Satzgliedrealisierung (als segmentierbarer oder nichtsegmentierbarer Teil des Prädikats) vor. Mikro-Satzglieder können statisch oder dynamisch sein ( Mikrosubjekt). Sie legte eine Platte (Mikro- auf Direktivum). Such Mikrosubjekt) dir eine Wohnung! (nichtsegmentierbares Der Terminus ‚Mikro-‘ kommt hier aus der Valenztheorie und hat nichts mit  Mikro- und  Makroglied zu tun. Mikrosubjekt Realisierung des  Subjekts in der Verbform (z.  B. Latein, Italienisch, Ungarisch). Die Verbform stellt sowohl das  Prädikat als auch das Subjekt des Satzes dar. ital. Lavora/dorme. (er/sie/es) ‚arbeitet‘/‚schläft‘ Das Gegenteil von Mikrosubjekt ist  Makrosubjekt. Mikro- und Makrosubjekt sind Subjektrealisierungsformen, d.  h. Formen eines  Mesoglieds. Die Termini ‚Mikro-‘ und ‚Makro-‘ kommen hier aus der Valenztheorie und haben nichts mit  Mikround  Makroglied zu tun. Mikrowert Im Sinne der  Funktion-Argument-Wert-Formel sind  Kopf,  Kern und  Attribut (wortgruppen)grammatische Werte, kurz: Mikrowerte. Modal(adverbial)appositiv Recycelter Attributtyp ( Attribut: recycelt) der  Substantivgruppe. Als Apposition recyceltes (vergleichendes/illustratives) Modaladverbial, bei dem beide Relata Substantive sind. Herkömmliche Literaturgattungen Modal(adverbial)-wie Roman, Gedicht oder Reportage appositiv gruppe) werden um diverse Untergattungen erweitert […]. (Der Spiegel, 02.12.1996, zit. n. Eggs 2006: 352) (Substantiv-

Modaladverbial Subtyp des  Situativadverbials. Sie […] schlief (Modal- schlecht adverbial). (Ruge Zeiten: 125)



Glossar (Verzeichnis der Fachausdrücke) 

 873

Modalattribut Genuiner Attributtyp ( Attribut: genuin) der  Adjektivgruppe,  Partizi­ pialgruppe und  Adverbgruppe. grau Modal-wie der Asphalt auf den Radrennbahnenattribut gruppe) (Kästner Fabian: 36) Einer ist (Partizipial- geschiedener Modal-als der andereattribut gruppe). (Brigitte 10/2001, zit. n. Eggs 2006: 147) anders Modal-als andere Kirchenchöreattribut gruppe) (Adverb(Frankfurter Rundschau, 31.05.1997, zit. n. Eggs 2006: 150 (Adjektiv-

Modalitätskomplex Subtyp des  Halbmodalkomplexes. Zu den Modalitätsverben der Modalitäts­ komplexe gehören Verben, die eine modalähnliche Bedeutung haben, wie brauchen (Notwendigkeit) sowie vermögen und wissen (Möglichkeit). Die Modalitätsverben (z.  B. brauchen mit zu-Infinitiv) bilden die Grenze zu den Modalverben. Wer diese beiden Passierscheine besitzt, braucht also nicht am Neujahrsmorgen um fünf Uhr nach West-Berlin zurückzukehren […]. FAZ, 20.12.1965. (modifizierter) Beleg zit. n. IDS-Grammatik 1997/2: 1277 Modalkomplex Subtyp des komplexen Prädikats ( Prädikat: komplex). Modalkomplexe regieren den Infinitiv ohne zu. [14]

(Sub-

Ein Stück jekt) soll aufgeführt werden, (Ad- im Speisesaal verbial).

Modalkomplex: epistemisch Subtyp des  Modalkomplexes. Epistemische Modalkomplexe kodieren im Gegensatz zu nicht-epistemischen Modalkomplexen ( Modalkomplex: nicht-epistemisch) den Kommentar eines Szenario-Beobachters als Teil des  Szenarios. Ich weiß nicht mehr, wie der Sportlehrer an der Oberschule hieß. In meiner Erinnerung ist es Herr Ebert, aber ich weiß, daß ich mich täusche. Es muß ein anderer Lehrer gewesen sein […]. (Hein Freund: 135) Ich weiß nicht, wie der Sportlehrer an der Oberschule heißt. In meiner Erinnerung ist es Herr Ebert, aber ich weiß, daß ich mich täusche. Es muß ein anderer Lehrer sein.

874 

 Apparat

Modalkomplex: nicht-epistemisch Subtyp des  Modalkomplexes. Nicht-epistemische Modalkomplexe kodieren im Gegensatz zu epistemischen Modalkomplexen ( Modalkomplex: epistemisch) keinen Kommentar eines Szenario-Beobachters, sondern drücken eine (szenario­ interne) modale Relation zwischen Subjekt und Prädikat aus. An der Kinokasse mußten wir warten. (Hein Freund: 137) An der Kinokasse haben wir warten müssen. Modalkonstruktionsträger (Modalprädikat) Subtyp des syntaktisch dynamischen Prädikats ( Prädikat: dynamisch). Modalprädikate sind modale Infinitive (haben/sein + zu-Infinitiv). Wir hatten noch zwei Einsätze zu fahren. (Hein Freund 127) Zu lösen sind wirkliche Probleme ohnehin nicht. (Hein Freund: 115) Nähezeichen Nähezeichen sind ein Subtyp des  Konnektors. Nähezeichen, z.  B. Interjektionen, Rederechts-, Kontakt- oder Zögerungssignale, werden in der Grammatischen Textanalyse in einem engeren Sinne verstanden als üblich. [48] (Nähe- Ach was zeichen). Nichtereignis Nichtereignisse sind Klassen-, Zustands- und Eigenschaftszuweisungen. Sie werden im Gegensatz zu  Ereignissen, die von  Vollverben entworfen werden, von  Prädikativgefügen entworfen. Ereignisse und Nichtereignisse stellen die beiden Subklassen von  Szenarios dar. Nichtfinite Prädikationskonstruktion Subtyp des lexifizierten Nichtsatz-Formats ( Nichtsatz-Format: lexifiziert). Nichtfinite Prädikationskonstruktionen (Jörg Bücker) haben eine offene Slotstelle im  Komplement-Format. «[…] War das auch ein Sozialarbeiter?» «(nichtfinite Der und ein Sozialarbeiter! Prädikationskonstruktion)» hat der Sandler gelacht. «Der hätte sich aber lange verstellt. […]» (Haas Silentium: 161)



Glossar (Verzeichnis der Fachausdrücke) 

 875

Nichtsatz Eines der drei  Makroglieder ( Satz: grammatisch,  Kohäsionsglied). Nichtsätze haben kein  Hauptprädikat, keine  Satzklammer und Stellungsfelder ( Felderstruktur). Nichtsätze entwerfen – im Gegensatz zu Sätzen – semantisch keine  Szenarios, sondern  Impressios. Nominalisierungsverbgefüge bilden die Peripherie der  Kollokativgefüge. Nominalisierungsverbgefüge bilden innerhalb der Kollokativgefüge den Komplementärbereich zu den  Funktionsverbgefügen. Alle Kollokativgefüge, die keine Funktionsverbgefüge sind, sind Nominalisierungsverbgefüge. [36] Das (Nominali- gibt sierungs-) natürlich wieder (verb- Anlass gefüge) zu ein paar schwersinnigen Sätzen, […]. Nominalkorrelat Nominalkorrelate sind die Subjekt- und Akkusativobjekt-Korrelate das und es ( Präpositionalkorrelate,  Adverbialkorrelate). Dieser Würdeanspruch verbietet (Akkusativobjekt- es korrelat), ungefragt instrumentalisiert wird […] nebensatz). (St. Galler Tagblatt, 10.09.1999)

(Akkusativobjekt-

dass ein Mensch

Nominalprädikat Neben  Verbalprädikat Subtyp des einfachen Prädikats ( Prädikat: einfach). Nominalprädikate sind  Kollokativgefüge oder  Prädikativgefüge. Notwendigkeit (NOT) ist eine  Valenzrelation. NOT ist ein Korrelat zur allgemeinen semantischen Eigenschaft der  Beteiligheit/Szenariobeteiligung (BET). NOT bezeichnet die spezifische Eigenschaft des Valenzträgers, den aus der Texterfahrung sublimierten ‚Realisierungsdrang‘ der einzelnen Komplemente zu kodieren und auf diese Weise zur Stabilisierung der BET-Grenze beizutragen. Numerativkonstruktion Eine Numerativkonstruktion besteht aus einer Maßangabe (ein Liter, sechs Hektar, ein Glas, drei Stück) und einer Artangabe (Milch, Ackerboden, Bier, Zucker). Das zweite Glied der Maßangabe kann eine Maßeinheit (Liter) oder eine Bezeichnung für einen Behälter (Glas) sein.

876 

 Apparat

Numerativkonstruktion mit Quasi-Numeralklassifikator Nicht-kanonische  Numerativkonstruktion, deren Maßangabe keine klassische Maßeinheit oder Behälterbezeichnung enthält (zwei Stangen Spargel, fünf Bund Radieschen, ein Kopf Blumenkohl, drei Scheiben Brot, ein Stück X). Sie reden über mich, als wäre ich ein Stück Streuselkuchen […]. (Kästner Fabian: 19) Objekt Zentral im Sprachsystem sind das  Akkusativobjekt, das  Dativobjekt und die  Präpositionalobjekte, peripher das  Genitivobjekt und das  Verbativ­ objekt. Objektattribut Recycelter Attributtyp ( Attribut: recycelt) der  Adjektiv- und  Partizipialgruppe. Die Objektattribute der Adjektivgruppe sind recycelte Adjektivkomplemente, die der Partizipialgruppe recycelte Verbkomplemente. Der (Adjektiv- Präpositional(objekt)-auf Bewunderungattribut erpichte gruppe) Präsident […] (Frankfurter Rundschau, 21.11.1998, zit. n. Matsekh-Ukrayinskyy 2015: 175) Das Pferd knickste und dankte für die (Partizipial- Dativ(objekt)-seiner Leistungattribut gezollte Aufmerksamkeit. gruppe) (Kästner 35. Mai: 46) Objektsprädikativgefüge Subtyp des  Prädikativgefüges. Objektsprädikativgefüge sind transitive Prädikativgefüge. Sie bestehen aus einem transitiven Kopulaverb (Prototyp: finden) und einem adjektivischen oder substantivischen Prädikativ. Qua Objektsprädikativgefüge werden dem Akkusativobjekt Klassen, Zustände oder Eigenschaften zugeordnet ( Nichtereignis). […] (Sub- ich jekt) (Objekts- fand prädikativ-) (Akkusativ- sie objekt) (ge- schön füge) […]. (Frisch Homo: 106) Operator Deiktische Operatoren (z.  B. dAs, dAfür,  Fokuskorrelat) sind pragmatisch-grammatische Operatoren, die auf ein vorangehendes oder nachfolgendes Szeanario verweisen im Gegensatz zu phorischen Operatoren (z.  B. es, dafÜr,  Hintergrundkorrelat), die auf ein vorangehendes oder nachfolgendes realisiertes Szenario kategorial Bezug nehmen ( Deixis,  Phorik). Operatoren sind vor dem  Recycling frei, nach dem Recycling gebunden.



Glossar (Verzeichnis der Fachausdrücke) 

 877

Alle erzählten (Akkusativobjekt- dAs korrelat) , (Akkusativobjekt- dass Conny hervorragend kochen kann nebensatz). Alle erzählten (Akkusativobjekt- es korrelat) ⇒, (Akkusativobjekt- dass Conny hervorragend kochen kann nebensatz). Jefferson bedankte sich (Präpositionalobjekt- dAfür korrelat) , (Präpositionalobjekt- dass Humboldt mit genau gesetzten Kreuzen die Standorte der wichtigsten Garnisonen markierte . nebensatz) Jefferson bedankte sich (Präpositionalobjekt- dafÜr korrelat) ⇒, (Präpositionalobjekt- dass Humboldt mit genau gesetzten Kreuzen die Standorte der wichtigsten Garnisonen markierte . nebensatz) Wenn das Recycling ohne Operator verläuft, ist das Ergebnis eine nackte (= korrelatlose) Szenariorealisierung. (Akkusativobjekt-

Dass Conny hervorragend kochen kann nebensatz), erzählten alle.

Ordnungsglied Ordnungsglieder sind ein Subtyp des  Konnektors. Ordnungsglieder sind für die lokale –  bzw.  – oder globale –  bzw.  – Textordnung zuständig. […] ich hatte kein Pyjama,  wie gesagt, bloß mein schmutziges Hemd. (Frisch Homo: 182) Paradigmatische Offenheit bedeutet, dass es eine Diskrepanz zwischen syntagmatisch erschließbarem und paradigmatischem Satzgliedwert gibt. Nebensätze ohne Korrelat sind beispielsweise hinsichtlich ihres Satzgliedwertes prinzipiell offen. [29]

[…] dass der Professor Volkshochschulvorträge hält  – natürlich zum Thema Sturm und Drang  – und Hannes in kürzester Zeit ein vollständiges Heimat­ museum einrichtet und auch eröffnet.

Paradigmatischer Wert Paradigmatische Werte sind Werte im Sinne der  Funktion-Argument-Wert-Formel, die im Gegensatz zu  syntagmatischen Werten kategorial eindeutig sind. Beispielsweise ist der Kasus der Substantivgruppe die ganze Woche im Satz Er verbringt die ganze Woche vor dem Fernseher paradigmatisch eindeutig (Akkusativ), weil im selben grammatischen Kontext auch eindeutig akkusativische Wortgruppen (den ganzen Tag) vorkommen (aber keine nominativischen).

878 

 Apparat

Parajunktor (,Parakonjunktion‘) Beiordnende Junktoren heißen Parajunktoren und sind ein Subtyp des  Konnektors. [6] (Para- Und junktor) (Para- in der Tat junktor): Seltsames geschieht, ja geradezu Unerhörtes. Parenthese Parenthesen sind  Kommentarmittel, die keine geschlossene grammatische Klasse bilden, sondern in Abhängigkeit von ihrem Subtyp (Delimitation, Migration, Insertion und Implementation) jeweils anders einzuordnen sind z.  B. Einmal, (Inser- das war klar tion), mußte ich es sagen, daß Joachim aus dem Leben geschieden ist, aber nicht gerade heute, (Implemen- fand ich tation), nicht gerade am ersten Abend. (Frisch Homo: 175) Partikeljunktor Subtyp des  Junktors. Partikeljunktoren sind im Gegensatz zu  Adverbjunktoren nicht vorfeldfähig. Hinsichtlich ihrer Stellung im Satz können nacherst-, aber nicht vorerstfähige Partikeljunktoren (Nacherst-Partikeljunktor), vorerstfähige Partikeljunktoren (Fokuspartikel) und weder vorerst- noch nacherstfähige Partikeljunktoren (Mittelfeld-Partikeljunktor) unterschieden werden. Partikelverb Subtyp des  Vollverbs. Partikelverben sind von  Präfixverben und  Komplexverben abzugrenzen. Die Verbpartikel ist im Gegensatz zum Präfix vom Stamm trennbar. Typische Verbpartikeln sind z.  B. ab-, an-, aus-, auf- wie beispielsweise in abreisen, ankommen, ausdehnen, aufpassen. Partikelverb-Konstruktionsträger (dynamisches Partikelverb) Subtyp des morphologisch dynamischen Prädikats ( Prädikat: dynamisch). Dynamische Prädikate als  Partikelverben stellen Anwendungen von Partikelverbbildungsmustern auf morphologisch spezifische statische Prädikate dar. Typisch für viele Partikelverben ist die Kodierung von Mikro-Direktiva ( Mikro-Satzglied) im dynamischen Prädikat. Wir montieren die Reifen an. (Beispiel n. Heringer 1988: 70)



Glossar (Verzeichnis der Fachausdrücke) 

 879

Partizipialattribut Recycelter Attributtyp ( Attribut: recycelt) der  Substantivgruppe. die Partizipial-aus Holzplatten gefertigtenAttribut Gestelle gruppe) (Lenz Landesbühne: 18)

(Substantiv-

Partizipialgruppe  Wortgruppe mit maximal drei Typen von  Wortgruppengliedern:  Kopf,  Kern und  Attribut ( Wortgruppe: einfach,  Wortgruppengefüge). Kopf und Kern der Partizipialgruppe fallen wie bei flektierbaren synthetischen Wortformen generell in der Partizipform (z.  B. gefertigten) zusammen. […] die (Partizipial- aus Holzplatten gefertigten gruppe) Gestelle […] (Lenz Landesbühne: 18) Phasenkomplex Subtyp des  Halbmodalkomplexes. Phasenkomplexe (spezifische Verwendungsweisen der Verben anfangen, beginnen, fortfahren und aufhören) grenzen an  Vollverben. [30] »fast «. plex)

(Pha-

begann sen-) abgestandenes Bier in den Gläsern

(kom-

zu schäumen

Phorik Unter Phorik wird im Gegensatz zur  Deixis die Bezugnahme auf den Vortext (Anaphorik ⇐) bzw. den Folgetext (Kataphorik ⇒) verstanden. Portmanteau-Junktor Portmanteau-Junktoren sind  Junktoren wie z.  B. deshalb, sonst und dann, die sowohl anadeiktisches als auch satzverknüpfendes Potenzial haben, jedoch nicht mehr segmentierbar sind (wie z.  B. während-dessen) ( Doppelagent). Prädikat entwirft qua Valenz ( Grundvalenz,  Valenzstatik,  Valenzdynamik) das  Szenario. Prädikat: dynamisch Dynamische Prädikate sind Prädikate, die die  Grundvalenz nicht 1:1 realisieren ( Prädikat: statisch), sondern diese kategorial oder konstruktionell verändern ( Zielvalenz). Kategorial dynamische Prädikate sind z.  B. Passiv- oder Impera-

880 

 Apparat

tivprädikate. Konstruktionell dynamische Prädikate lassen sich unterteilen in morphologisch dynamische Prädikate (= Vollverb-Konstruktionsträger, dynamisches Vollverb) und syntaktisch dynamische Prädikate. Morphologisch dynamische Prädikate stellen verschiedene Subklassen von konstruktionell gebildeten Vollverben dar ( Simplexverb-Konstruktionsträger,  Komplexverb-Konstruktionsträger,  Präfixverb-Konstruktionsträger,  Partikelverb-Konstruktionsträger,  Medialverb-Konstruktionsträger). Syntaktisch dynamische Prädikate stellen Anwendungen von syntaktischen Konstruktionen auf statische Prädikate dar ( Medialkonstruktionsträger,  Idiom-Konstruktionsträger,  Resultativkonstruktionsträger,  Prädikativkonstruktionsträger,  Progressiv-Konstruktionsträger,  Absentivkonstruktionsträger,  Emphasekonstruktionsträger,  Lokaldeterminativkonstruktionsträger,  Bewegungskonstruktionsträger,  AcI-Konstruktionsträger,  lassen-Konstruktionsträger,  Modalkonstruktionsträger,  Redeanzeigekonstruktionsträger,  Standpunktkonstruktionsträger). Prädikat: einfach Einfache Prädikate sind im Gegensatz zu komplexen Prädikaten ( Prädikat: komplex) nicht ohne  Umszenierung auf noch einfachere Prädikate reduzierbar ( Verbalprädikat,  Nominalprädikat). [19]

Kurz darauf verbial) öffnet (Sub- ein ahnungsloser Torhüter jekt) (Akkusativ- die Pforte ,[…]. objekt) (Ad-

Prädikat: Gefüge versus Konstruktionsträger Zusammensetzungen mit dem Grundwort -konstruktionsträger stellen Termini für konstruktionell dynamische Prädikate dar. Zusammensetzungen mit dem Grundwort -gefüge beziehen sich dagegen auf statische Prädikate. Prädikat: komplex Komplexe Prädikate stellen Modalisierungen von einfachen Prädikaten ( Prädikat: einfach) dar und können im Gegensatz zu diesen ohne Verlust der realisierten grammatischen  Grundstruktur und ohne  Umszenierung auf einfachere Prädikate reduziert werden ( Modalkomplex,  Halbmodalkomplex). [33]

(Sub-

Hannes jekt) scheint zu resignieren, […].

Prädikat: statisch Statische Prädikate sind Prädikate, die die  Grundvalenz 1:1 realisieren ( Prädikat: dynamisch).



Glossar (Verzeichnis der Fachausdrücke) 

 881

Prädikativappositiv Recycelter Attributtyp ( Attribut: recycelt) der  Substantivgruppe. Prädika­tiv­ appositive sind als Appositionen recycelte Freie als-Prädikative. Sie können doch von (Substantiv- mir Prädikativals katholischem Priesterappositiv gruppe) nicht verlangen, daß ich eine Frau darin bestärke, im Konkubinat zu verharren. (Heinrich Böll, Ansichten eines Clowns, 129, zit. n. Eggs 2006: 206) Prädikativattribut Recycelter Attributtyp ( Attribut: recycelt) der  Substantivgruppe. Prädikativattribute sind als Attribut recycelte dynamische Prädikative ( Prädikat: dynamisch). Darüber hinaus hat ihr Elizabeth nun auch Hearts“attribut gruppe) vermiest. (taz, 29.07.1996, zit. n. Eggs 2006: 232)

(Substantiv-

ihre Rolle

als „Queen of

Prädikativ-

Prädikativgefüge Subtyp des einfachen Prädikats ( Prädikat: einfach). Prädikativgefüge bestehen aus einem Kopulaverb und einem Prädikativ. Intransitive Kopula führen zu  Subjektsprädikativgefügen, transitive Kopula zu  Objektsprädikativgefügen. Sie jekt) (Subjekts- ist prädikativ-) (ge- schön füge). [intransitiv] […] (Sub- ich jekt) (Objekts- fand prädikativ-) (Akkusativ- sie objekt) (ge- schön füge) […]. [transitiv] (Frisch Homo: 106)

(Sub-

Prädikativkonstruktionsträger (Prädikativprädikat) Subtyp des syntaktisch dynamischen Prädikats ( Prädikat: dynamisch). Das dynamische Prädikativprädikat entsteht beispielsweise durch Umkategorisierung eines Vollverbs zu einem Kopulaverb. Hanna arbeitete als deutsche Sprecherin bei BBC. (Frisch Homo: 176) Präfixverb Subtyp des  Vollverbs. Präfixverben sind von  Partikelverben und  Komplexverben abzugrenzen. Das Präfix ist im Gegensatz zur Verbpartikel nicht vom Stamm trennbar. Typische Präfixe sind z.  B. ent-, be-, ver- wie beispielsweise in ent­ laden, bedienen, verkaufen.

882 

 Apparat

Präfixverb-Konstruktionsträger (dynamisches Präfixverb) Subtyp des morphologisch dynamischen Prädikats ( Prädikat: dynamisch). Dynamische Präfixverben stellen Anwendungen von Präfigierungsmustern auf morphologisch spezifische statische Prädikate dar. Beispielsweise wird das Muster ‚A verSIMPLEXVERB-t B‘ mit dem morphologisch spezifischen Slot ‚SIMPLEXVERB‘ auf das statische Verb löffeln angewandt. […] während ich […] viel Zeit verlöffelte, […]. (Lenz Deutschstunde: 89) Präpositional(objekt)attribut Recycelter Attributtyp ( Attribut: recycelt) der  Substantivgruppe. Das  Recycling erfolgt mit oder ohne formale Anpassung (jmdm. helfen > Hilfe für; sich freuen über > Freude über). Hilfe Präpositional(objekt)-für Ratsuchendeattribut gruppe) (Frankfurter Rundschau, 11.08.1999, zit. n. Bassola 2012: 157) die Freude Präpositional(objekt)-über die Beuteattribut gruppe) (Substantiv(Frankfurter Rundschau, 09.07.1997, zit. n. Bassola 2012: 129) (Substantiv-

Präpositionalgruppe Einfache  Wortgruppe mit  Kopf und  Kern ( Wortgruppe: einfach). Kopf der Präpositionalgruppe ist die Präposition, Kern der Rest (meist eine  Substantivgruppe). Präpositionalgruppen haben im Gegensatz zu  Partizipialgruppen,  Adjektivgruppen und Substantivgruppen kein  Attribut. Analog zum  Verbalkomplex fallen bei  Pro-Präpositionalgruppen (wie z.  B. damit, wodurch, hierbei) Kopf und Kern in einem Wort zusammen. [15] [(Substantiv- Es gruppe)] handelt (Präpositional- Kovonpf Ke-zwei älteren Damen […]rn gruppe). [8] [(Substantiv- Hannes gruppe) Ko-hattepf] (Präpositional- damit gruppe) (Substantiv- Schnellfahrer Keangehaltenrn […]. gruppe) Präpositionalkorrelat Präpositionalkorrelate sind Korrelate von Präpositionalobjekten wie dAfür/dafÜR oder dAran/darAn ( Nominalkorrelate,  Adverbialkorrelate). Er arbeitet (Präpositionalobjekt- daran korrelat), (Präpositionalobjekt- dass er es im Laufe der Saison doch noch schafft nebensatz). (St. Galler Tagblatt, 09.12.1998)



Glossar (Verzeichnis der Fachausdrücke) 

 883

Präpositionalobjekt(e) Subtyp des zentralen Komplements ( Komplement: zentral). Der Begriff ‚Präpositionalobjekt‘ ist ein Sammelbegriff für 16 verschiedene Präpositionalobjekte (wie Präpositionalzu+DAT-objekt, Präpositionalauf+AKK-objekt). Er ist nicht mit Begriffen wie ‚Akkusativobjekt‘ oder ‚Dativobjekt‘ vergleichbar, sondern liegt auf derselben begriffslogischen Ebene wie ‚Kasusobjekt‘. Entsprechend stehen Kasusobjekte (im Plural) Präpositionalobjekten (im Plural) gegenüber. Formal unterschieden werden nominales Präpositionalobjekt, Präpositionalobjektnebensatz, Präpositionalobjektsinfinitiv, Präpositionalobjekttext und Präpositionalobjektparaphrase. [10] (nominales Hannes, im Übrigen nicht besonders redselig Subjekt), teilt (nominales die Zelle Akkusativobjekt) (nominales mit dem Erzähler dieser Geschichte, aus dessen Leben Hannes erstaunlich viel mitzuteilen weiß und den er »Professor« nennt . Präpositionalobjekt) Dennoch machte er den Herrn Baron (Präpositionalobjekts- darauf korrelat) aufmerksam, (Präpositiodaß er im Auftrag der spanischen Krone gereist sei nebensatz). nalobjekt(Kehlmann Vermessung: 214) Er dachte (Präpositionalobjekts- daran korrelat), (Präpositionalobjekts- sie zu umfassen und zu Boden zu ziehen infinitiv), […]. (Kehlmann Vermessung: 91) Und denken Sie (Präpositionalobjekts- daran korrelat): (Präpositionalobjekt- Nie wieder einen Stützschnitt, und erst recht nicht von einem Ossi text). (Timm Johannisnacht: 172f.) […] manche […] machten sich blickweis aufmerksam (Präpositionalobjekts- auf das korrelat), was sie sahen paraphrase). (Präpositionalobjekt(Lenz Landesbühne: 8) Präpositionalobjekt(e): dynamisch Subtyp(en) der dynamischen Satzglieder ( Satzglied (im engeren Sinne): dynamisch). Unterschieden werden Passivpräpositionalobjekte (Präpositionalvon+Dat-objekt und Präpositionaldurch+Akk-objekt), lassen-(Prädikats-)Präpositionalobjekt, Präpositionalobjekte mit semantischer Nischenbildung (benefaktiv, prospektiv, beibehaltend usw.). die Truppe subjekt) wird (Passiv- von der Grünauer Bevölkerung präpositionalobjekt) sozusagen zunehmend angenommen, […] Wie stark wird die Energiewende behindert (Passiv- durch die Abstandsregelung für Windräder präpositionalobjekt) […]? (Nürnberger Nachrichten, 02.03.2015) [Die Frau] ließ sich (lassen- von dem Hund Präpositionalobjekt) die Hand lecken. (Brednich Geschichten: 202) [28]

(Passiv-

884 

 Apparat

Kaum haben sie [= Klaus und Irene Gysi, die Eltern von Gregor Gysi, VÁ] sich gesetzt, geht die Tür auf und sechs SS-Leute treten ein. Klaus Gysi erzählt ihnen einen Judenwitz nach dem anderen. Er redet um sein Leben. (DIE ZEIT, 01.09.2011) Präpositonalvon+Dat-attribut Offener Attributtyp ( Attribut: offen) der  Substantivgruppe. Arne […] suchte (Substantiv- den Blick Präpositional-von Peter Brunswikvon+DAT-attribut gruppe) […]. (Lenz Nachlaß: 139) Präsupponiertheit (PRÄSUPP) ist eine  Valenzrelation. PRÄSUPP ist ein kognitiv-psychologisches Korrelat zur allgemeinen semantischen Eigenschaft der  Beteiligheit/Szenariobeteiligung (BET). PRÄSUPP bezieht sich auf die Assoziationsstärke eines Komplements. Progressivkonstruktionsträger (Progressivprädikat) Subtyp des syntaktisch dynamischen Prädikats ( Prädikat: dynamisch). Ich bin noch immer am suchen, welche Bank mir am besten gefällt. (Frankfurter Rundschau, 24.03.98, zit. n. Van Pottelberge 2009: 361) Pro-Präpositionalgruppe (‚Präpositionaladverb‘) Deiktische Minimalformen von  Präpositionalgruppen, deren grammatischer Wert – Adverbial oder Objekt – sich erst auf Satzebene entscheidet. Sie sind also keine Adverbien, denn dann könnten sie auf Satzebene keine Objekte bilden. Sie haben aber auch keine Wortart, weil sie keine Wörter, sondern Mini-Wortgruppen sind ( Wortgruppe). [8] [(Substantiv- Hannes gruppe) Ko-hattepf] (Präpositional- damit gruppe) (Substantiv- Schnellfahrer Keangehaltenrn […]. gruppe) Recyclator Spezifisches grammatisches Hilfszeichen für das  Recycling. Recyclatoren stellen eine besondere Sorte von  Translatoren (Tesnière) dar. Beispielsweise enthält der Subjunktionalnebensatz zusätzlich ein Mikroglied ‚Subjunktor‘, die Infinitivkonstruktion ein (diskontinuierliches) Mikroglied ‚Infinitivjunktor + Infinitivpartikel + Infinitivsuffix‘ und die Partizipialkonstruktion ein Mikroglied ‚Partizipsuffix‘ (hier = Suffix des Partizips I). Es sind diese Mikroglieder, die in ihrer jeweiligen Konstruktion als Recyclatoren fungieren.



[50]

Glossar (Verzeichnis der Fachausdrücke) 

 885

wenn tor) (Sub- Siegfried Lenz jekt)rec (Prä- erzählt KoKe, hat daspf Erzähltern (Substantivgruppe) […] etwaspf Ke-Herzlichesrn, Kurt aß, (Infinitiv- (Infinitiv- um junktor) (Infinitiv- zu partikel) (Prädikatrec+ leben Infinitivsuffix) konstruktion). (Ruge Zeiten: 11) Lustlos adverbial)rec (Prädikatrec+ rauchend Partizipsuffix) konstruktion) blickte Ullrich in den (Partizipial- (ModalGarten […]. (Timm Sommer: 180) (Subjunktional- (Subjunkrec dikat) nebensatz) Ko(Substantivgruppen-

Recycling ist die ‚von oben nach unten‘-Rekursivität zwischen funktionalgrammatischen Ebenen:  Makroglieder lassen sich sekundär als  Meso- oder  Mikroglieder, Mesoglieder sekundär als Mikroglieder wieder verwerten ( Funktion-Argument-Wert-Formel). Redeanzeige Zu unterscheiden sind vorangestellte und parenthetische (= eingeschobene oder nachgestellte) Redeanzeige. Erstere stellt ein statisches, letztere ein dynamisches Prädikat, einen  Redeanzeigekonstruktionsträger dar ( Prädikat: statisch,  Prädikat: dynamisch). [5] Hannes (Rede- sagt anzeige): »Bald wird etwas geschehen.« Sie ist aus Norwegen, (Rede- sagte anzeige) Arne […]. (Lenz Nachlaß: 16) Redeanzeigekonstruktionsträger (Redeanzeigeprädikat) Subtyp des syntaktisch dynamischen Prädikats ( Prädikat: dynamisch) mit Redeanzeigefunktion. „Nun aber raus!“, schrie der Onkel […]. (Kästner 35. Mai: 86) Relevanzkonditionaladverbial Subtyp des  Verhältnisadverbials. Wenn mich jemand sucht adverbial), ich bin in der Bibliothek. (Beispiel n. König/van der Auwera 1988: 110) (Relevanzkonditional-

886 

 Apparat

Resultativkonstruktionsträger (Resultativprädikat) Resultativkonstruktionen bezeichnen „den Nachzustand eines Objektsreferenten, der erst als Resultat der durch die vom Verb bezeichneten Handlung verursacht wird (also vorher nicht vorhanden war).“ (Helbig 2008a: 202). Das Resultativprädikat, ein Subtyp des syntaktisch dynamischen Prädikats ( Prädikat: dynamisch), lässt sich dabei adjektivisch oder direktional bilden. Gregor Gysi hat seine Partei kaputtgeredet. (DIE ZEIT, 01.09.2011) Pavarotti singt das Publikum aus dem Saal. (IDS-Grammatik 1997/2: 1114) Routine bedeutet im Gegensatz zur  Kreativität die strukturelle Option des ‚Aufgabenbewältigens‘ (Stephan Stein). Routiniert sind alle statischen und kategorial dynamischen Sätze und bestimmte Sorten von konstruktionell dynamischen Sätzen wie z.  B. […] und [er] schob das Fahrrad schräg den wulstigen Deich hinauf. (Lenz: Deutschstunde, S. 10) Satz: einfach versus komplex Einfache Sätze enthalten nur ein  Hauptprädikat. Komplexe Sätze (= Satz­gefüge) enthalten ein Hauptprädikat und zusätzlich (mindestens) ein Nebenprädikat (= untergeordnetes Prädikat im Nebensatz oder in einer Infinitivkonstruktion). [4] (einfacher Mit seiner grundsympathischen Novelle »Landesbühne« hat sich Siegfried Lenz einen Spaß erlaubt. Satz) [9] Erst als er eine Zivilstreife gestoppt hatte, war der Spaß zu Ende. Satz) (komplexer  Satzverbindungen stellen keine komplexen Sätze, sondern Verbindungen von einfachen und/oder komplexen Sätzen dar ( Ekg-Satzverbindung). Satz: grammatisch Im Gegensatz zum syntaktisch nicht definierbaren orthographischen Satz ( Satz: orthographisch) stellt der grammatische Satz eines der drei  Makroglieder dar ( Kohäsionsglied,  Nichtsatz). Ein grammatischer Satz enthält ein einziges  Hauptprädikat, das ein  Szenario entwirft. Topologisch konstituieren sich grammatische Sätze durch die  Satzklammer und die  Felderstruktur.



Glossar (Verzeichnis der Fachausdrücke) 

 887

Satz: orthographisch Orthographische Sätze sind Textsequenzen, die mit einem Großbuchstaben beginnen und mit einem Satzschlusszeichen enden. Im Gegensatz zum grammatischen Satz ( Satz: grammatisch) stellt der orthographische Satz, der auch Ganzsatz genannt wird, keine syntaktisch definierbare Einheit dar. Satz: Komplexität Komplexe Sätze lassen sich hinsichtlich formaler oder funktionaler Komplexität unterscheiden. Bei der formalen Komplexität von Sätzen wird differenziert zwischen quantitativer und qualitativer Komplexität. Quantitative Komplexität bezieht sich auf die Anzahl der Nebensatzprädikate, qualitative Komplexität auf den Unterordnungsgrad der Nebensatzprädikate und/oder auf die Frage, ob die Realisierung kontinuierlich oder diskontinuierlich erfolgt. Funktionale Komplexität ergibt sich aus der internen Komplexität einzelner Satzglieder, wenn diese die Form von Nebensätzen oder Infinitivkonstruktionen haben, deren Satzglieder wiederum die Form von Nebensätzen oder Infinitivkonstruktionen haben usw. Satz: real versus virtuell In realen Sätzen sind alle Satzglieder real vorhanden. In virtuellen Sätzen gelten Satzglieder aus realen Sätzen weiter, sie sind im virtuellen Satz ‚virtuell‘ vorhanden. [8]

(realer

und

Hannes zum Beispiel hatte sich eine Polizeikelle besorgt Satz)

(virtueller

[Hannes hatte] damit Schnellfahrer angehalten Satz)

(virtueller

[Hannes hatte] den Verschreckten ein Bußgeld abgeknöpft. Satz)

und

Satz: statisch versus dynamisch Wenn die  Grundvalenz in einem Satz 1:1 realisiert wird, entstehen statische Sätze mit einem statischen Prädikat ( Prädikat: statisch). Wird die Grundvalenz kategorial oder konstruktionell überlagert, entstehen dynamische Sätze mit einem dynamischen Prädikat ( Prädikat: dynamisch) und ggf. dynamischen Satzgliedern ( Satzglied (im engeren Sinne): dynamisch). Kategorial dynamisch sind z.  B. Passivsätze. Konstruktionelle Dynamik entsteht u.  a. durch  Valenzerhöhung. Ihr Kreuz kriegst du auch noch an die Brust geheftet […]. (Böll Dienstfahrt: 75) […] und [er] schob das Fahrrad schräg den wulstigen Deich hinauf. (Lenz Deutschstunde: 10)

888 

 Apparat

Satzglied Satzglieder im engeren Sinne sind die vom Prädikat geforderten Szenariokomplementierer ( Komplement) und die Szenariokontextualisierer ( Supplement). Satzglieder im weiteren Sinne (=  Mesoglied) sind das  Prädikat, die Satzglieder im engeren Sinne und das  Kommentarglied. Satzglied (im engeren Sinne): dynamisch Kategorial oder konstruktionell erzeugte Satzgliedwerte ( Satzglied (Komplement): kategorial dynamisch,  Satzglied (Komplement): konstruktionell dynamisch). Die einzelnen dynamischen Satzglieder ( Subjekt: dynamisch,  Akkusativobjekt: dynamisch,  Dativobjekt: dynamisch,  Präpositionalobjekt(e): dynamisch,  Direktivum: dynamisch,  Genitivobjekt: dynamisch,  Adverbial: dynamisch) werden nach Art der Funktion in der  Funktion-Argument-WertFormel klassifiziert. Satzglied (Komplement): kategorial dynamisch Kategorial dynamische Satzglieder zeigen zusätzlich zum dynamischen Prädikat ( Prädikat: dynamisch) die  Umszenierung durch eine grammatische Kategorie an. Die kategoriale Umszenierung beim Passiv z.  B. betrifft nicht nur die grammatische und semantische Kategorie des Prädikats, sondern auch den grammatischen und semantischen Wert des Subjekts, das zum Exo-Vorgangsträger wird ( Exoaktivität). Subjekt Exo-Vorgangsträger das Tor zum Gefängnishof

– Prädikat – – Exo-Vorgang – wird geöffnet

Satzglied (Komplement): konstruktionell dynamisch Konstruktionell dynamische Satzglieder zeigen zusätzlich zum dynamischen Prädikat ( Prädikat: dynamisch) die  Umszenierung durch eine grammatische Konstruktion an. Die konstruktionelle Umszenierung durch  Medialverben (sichVerben) z.  B. betrifft nicht nur die grammatische Konstruktion und die semantische Kategorie des Prädikats, sondern auch den grammatischen und semantischen Wert des Subjekts, das zum Endo-Vorgangsträger wird ( Endoaktivität). Subjekt Endo-Vorgangsträger das Tor zum Gefängnishof

– Prädikat – – Endo-Vorgang – öffnet sich



Glossar (Verzeichnis der Fachausdrücke) 

 889

Satzglied: genuine Form Die genuinen Formen von Satzgliedern (im engeren Sinne) sind im Falle von  Subjekt und  Objekt nominal ( Substantiv- oder  Präpositionalgruppe), im Falle von  Adverbialen adverbial ( Adverbgruppe) oder nominal ( Adjektiv-,  Substantiv- oder  Präpositionalgruppe). Eine besondere genuine Realisierungsform ist die  Gegenstandsparaphrase. Satzglied: recycelte Form Recycelte Formen von Satzgliedern (im engeren Sinne) stellen Grundtechniken der Subordination dar, die sich nach zunehmendem Integrationsgrad anordnen lassen: Text, (abhängiger) Hauptsatz, uneingeleiteter Nebensatz, eingeleiteter Nebensatz, Infinitivkonstruktion (mit zu) ( Aggregation,  Integration). Satzglied versus Glied im Satz Nicht alle Glieder, die sich in Sätzen ( Satz: grammatisch) befinden, sind Satzglieder. In Sätzen können Satzglieder, die funktional der  Mesoebene angehören, aber auch  Kohäsionsglieder, die funktional der  Makroebene angehören, vorkommen. Fast alle Ethnologen bestreiten heute, daß es Kannibalismus aus Geschmacksgründen gegeben habe. Ich (Kohäsionsglied hingegen im Satz) finde es ganz naheliegend, daß […]. (Timm Kopfjäger: 10f.) Satzklammer Die Satzklammer wird durch die beiden Teile des Prädikats, das Finitum links und den infiniten oder nichtverbalen Teil rechts, gebildet. Zusammen mit der  Felderstruktur konstituiert die Satzklammer das Makroglied ‚Satz‘. Nebensätze haben keine Klammer. Satzkreuzung Sätze mit Adverbialnebensätzen, die im Hauptsatz wider Erwarten (nicht ein  Adverbial-, sondern) ein  Nominal- oder  Präpositionalkorrelat haben, werden in Analogie zu Wortkreuzungen als Satzkreuzungen modelliert: Der verhältnisadverbiale Nebensatz erhält qua  Nominal- /  Präpositionalkorrelat einen Subjekt- oder Objektwert. Natürlich ist (Nominal- es korrelat) sinnvoll, wenn der Staat neue Straßen und Schulen baut. (DIE ZEIT, 04.12.2008, zit. n. Kaiaty 2010: 295) Wir freuen uns (Präpositional- darüber korrelat), wenn du kommst. (Eisenberg 2006/2: 245)

890 

 Apparat

Satzrandglied Satzrandglieder im weiteren Sinne sind Glieder, die außerhalb der  Felderstruktur, am linken oder rechten Satzrand, vorkommen können: Satzrandglieder im engeren Sinne,  Satzglieder und  Kohäsionsglieder. Satzrandglieder im engeren Sinne sind  Nichtsätze am Satzrand mit Satzgliedbezug. Funktional stellen sie  Thematisierungsausdrücke dar. Satzsemantischer Relationstyp Um einfache Satzinhalte, d.  h. einfache  Szenarios, miteinander zu verbinden, werden nach Peter von Polenz drei satzsemantische Relationstypen unterschieden:  Einbettung,  Zusatz und  Verknüpfung. Satzverbindung ist eine Verbindung von einfachen und/oder komplexen Sätzen ( Ekg-Satzverbindung,  Satz: einfach vs. komplex). Semantik: signifikativ In der signifikativen Semantik, die auf Klaus Welke zurückgeht, werden – in Abgrenzung zur herkömmlichen denotativen Semantik  – keine außersprachlichen Situa­ tionen, sondern einzelsprachlich perspektivierte Sachverhalte ( Szenarios) beschrieben. Entsprechend unterscheiden sich auch die angesetzten semantischen Rollen (= Kapitälchen), z.  B. Der Schlüssel (denotativ)) öffnet die Tür. Der Schlüssel (signifikativ)) öffnet die Tür. (Handlungsträger (Instrumental

Simplexverb Subtyp des  Vollverbs. Simplexverben sind im Gegensatz zu morphologisch komplexen Verben ( Medialverben,  Komplexverben,  Präfixverben,  Partikelverben) morphologisch einfach. (z.  B. öffnen, schlafen, schreiben, stehen). Simplexverb-Konstruktionsträger (dynamisches Simplexverb) Subtyp des morphologisch dynamischen Prädikats ( Prädikat: dynamisch). Dynamische Simplexverben sind u.  a. zu Vollverben umkategorisierte Modalverben. Sein Vater hätte nie ins Pflegeheim gewollt. (Hein Freund: 170)



Glossar (Verzeichnis der Fachausdrücke) 

 891

Situativadverbial Situativadverbiale sind  Supplemente, die im Gegensatz zu  Verhältnisadverbialen ein  Szenario situierend kontextualisieren. Sie werden im Gegensatz zu den grau hinterlegten Verhältnisadverbialen nicht farblich hinterlegt. Obwohl sie keine Lust hatte, ihn zu sehen, kam sie überraschenderweise, sofort adverbial), aus der Küche.

(Temporal-

Slotstellen-Format Slotstellen-Formate sind offene Slotstellen in  lexifizierten Nichtsatz-Formaten. Unterschieden werden  Form-Formate,  Komplement-Formate und  Supplement-Formate. Standpunktkonstruktionsträger (Standpunktprädikat) Subtyp des syntaktisch dynamischen Prädikats ( Prädikat: dynamisch) mit einem Standpunktdativ als dynamischem Dativobjekt ( Dativobjekt: dynamisch). Der Mantel ist ihm zu groß. (Beispiel n. Ogawa 2005: 118) Subjekt Subtyp des zentralen Komplements ( Komplement: zentral). Formal unterschieden werden nominales Subjekt, Subjektnebensatz, Subjektsinfinitiv, Subjekthauptsatz und Subjektparaphase. [5] (nominales Hannes Subjekt) sagt: (Akkusativobjekt- »Bald wird etwas geschehen« text). Mich wunderte, (Subjekt- daß wir so gänzlich verschiedene Erinnerungen in uns trugen . nebensatz) (Hein Freund: 189) Erst hier sei (Subjekts- es korrelat) ihm eingefallen, (Subjekts- sich zum Imperator zu erklären . infinitiv) (Kehlmann Vermessung: 111) Mir scheint, (Subjekt- Ihre spontanen Gedanken fließen ungebremst in die Texte ein haupt. satz) (Glattauer Nordwind: 10) Wer immer ihn traf paraphrase), wußte sich vor Begeisterung kaum zu fassen. (Subjekt(Kehlmann Vermessung: 20) Im Gegensatz zu diesen  Makrosubjekten kann aber das Subjekt auch mikrorealisiert werden ( Mikrosubjekt).

892 

 Apparat

Subjekt: dynamisch Subtyp des dynamischen Satzgliedes ( Satzglied (im engeren Sinne): dynamisch). Unterschieden werden Modal(prädikats)subjekt, Medialsubjekt, Passivsubjekt, Imperativsubjekt (kategorial dynamisches  Mikrosubjekt), konstruktionell dynamisches Mikrosubjekt, Spaltsatzsubjekt, Sperrsatzsubjekt. Zu lösen sind (Modal- wirkliche Probleme subjekt) ohnehin nicht. (Hein Freund: 115) [13] Jetzt aber öffnet sich (nominales das Tor zum Gefängnishof Subjekt), […]. [28] (Passiv- die Truppe subjekt) wird (Passiv- von der Grünauer Bevölkerung präpositionalobjekt) sozusagen zunehmend angenommen, […]. Dann […] bekam (Passiv- ich subjekt) ein elektrisches Auto vorgeführt. (Hein Freund: 55) Suche eine Wohnung! Ging nach der Arbeit allein mit dem Hunde den umgekehrten Waldweg spazieren. (Mann Tagebücher: 179) Scotty subjekt) war es auch, der den Verkauf des von den erschlagenen (SpaltsatzFarmern geraubten Viehs besorgte […]. (Timm Morenga: 257 Was Herbert nicht ertrug, waren (Sperrsatz- die Zopilote subjekt) […]. (Frisch Homo: 60) Subjektlosigkeit ist die Folge einer umpolenden Kodierungstechnik bei Empfindungsverben (z.  B. frieren, schaudern, grauen). Bei der  Umpolung wird im Gegensatz zur  Generalisierung der Empfindende (ihm) nicht als Subjekt kodiert. Von dem Gestank wurde ihm übel. (Timm Morenga: 106) Subjektsimulation (formales Subjekt) Das formale (/expletive/fixe) es simuliert bei subjektlosen Verben (z.  B. regnen, schneien) das  Makrosubjekt von Verben mit Subjekt. Im Gegensatz zum  Vorfeld/Topik-es ist das simulierte Subjekt nicht auf das Vorfeld beschränkt ( Felderstruktur). (formales/simuliertes

Es subjekt) schneit.

Subjektsprädikativgefüge Subtyp des  Prädikativgefüges. Subjektsprädikativgefüge sind intransitive Prädikativgefüge. Sie bestehen aus einem intransitiven Kopulaverb (Prototyp: sein) und einem adjektivischem oder substantivischen Prädikativum. Qua Subjektsprädika-



Glossar (Verzeichnis der Fachausdrücke) 

 893

tivgefüge werden dem Subjekt Klassen, Zustände oder Eigenschaften zugeordnet ( Nichtereignis). (Sub-

Sie jekt) (Subjekts- ist prädikativ-) (ge- schön füge).

Substantivgruppe  Wortgruppe mit maximal drei Typen von  Wortgruppengliedern:  Kopf,  Kern und  Attribut ( Wortgruppe: einfach,  Wortgruppengefüge). Im Gegensatz zu Substantivgruppen können  Verbalkomplexe,  Präpositionalgruppen und  dummy-Präpositonalgruppen nur aus Kopf und Kern und  Adverbgruppen nur aus Kern und Attribut bestehen. Der Kern der Substantivgruppe ist ein Substantiv. Bei synthetischen Substantivgruppen (z.  B. Hannes, Schnellfahrer) fallen Kopf und Kern in einer Wortform zusammen, bei analytischen werden sie getrennt realisiert (diese … Einladung). [8] [(Substantiv- Hannes gruppe) Ko-hattepf] (Präpositional- damit gruppe) (Substantiv- Schnellfahrer Keangehaltenrn […]. gruppe) [21] (Substantiv- Ko-diesepf Attri-schönebut KE-Einladungrn gruppe) Substitutivadverbial Subtyp des  Verhältnisadverbials. Immer zog er mit den Frauen sofort zusammen (Substitutiv- anstatt erst mal abzuwarten […]. adverbial) (Ruge Zeiten: 62) Supplement Supplemente (Zirkumstanten, Angaben) kontextualisieren das Szenario situierend ( Situativadverbial und  Freies Prädikativ) oder szenierend ( Verhältnisadverbial). Sie stellen zusammen mit den  Kommentargliedern Erweiterungen der Grundstruktur des Satzes dar ( Grundstruktur: Erweiterung). Supplement: szenisch Szenische Supplemente sind die  Verhältnisadverbiale. Supplement: zentrifugal szenisch Zentrifugale szenische Supplemente ( Verhältnisadverbiale) kodieren im Gegensatz zu zentripetalen szenischen Supplementen ( Supplement: zentripetal szenisch) nicht unbedingt relevante Präzisierungen eines Szenarios. Zentrifugale szenische Supplemente sind im Gegensatz zu zentripetalen szenischen Supplementen nicht erfragbar und nicht verschiebbar. Beispielsweise kodiert das Konsekutivadver-

894 

 Apparat

bial als zentrifugal szenisches Supplement ein  Anszenario, welches aus dem Szenario folgt. Bienkopp knallt die Tür zu, (Konsekutiv- daß die Kate zittert adverbial). (Strittmatter Bienkopp, zit. nach HDK 2003: 418) Supplement: zentripetal szenisch Zentripetale szenische Supplemente ( Verhältnisadverbiale) kodieren im Gegensatz zu zentrifugalen szenischen Supplementen ( Supplement: zentrifugal szenisch) relevante Präzisierungen eines  Szenarios. Zentripetal szenische Supplemente sind im Gegensatz zu zentrifugal szenischen Supplementen erfragbar und verschiebbar. Beispielsweise kodiert das Kausaladverbial als zentripetal szenisches Supplement ein  Anszenario, welches das Szenario begründet. (Kausal-

Weil Bienkopp die Tür zuknallt adverbial), zittert die Kate.

Supplement-Format Supplement-Formate stellen eine Möglichkeit dar, die Slotstelle in  lexifizierten Nichtsatz-Formaten zu besetzten. Beispielsweise lässt sich in Du mit deinen Göttern (Frisch Homo: 175) die Präpositionalgruppe analog zum  Komitativadverbial interpretieren. Syntagmatischer Wert Syntagmatische Werte sind Werte im Sinne der  Funktion-Argument-Wert-Formel, die im Gegensatz zu  paradigmatischen Werten kategorial unterspezifiziert sind. Beispielsweise ist der Kasuswert der Substantivgruppe die ganze Woche im Satz Er verbringt die ganze Woche vor dem Fernseher syntagmatisch offen (sog. Direktkasus). Szenario ist der qua  Hauptprädikat entworfene und qua  Prädikat und  Komplementen realisierte einzelsprachliche Sachverhalt eines Satzes ( Umszenierung,  Anszenario). Tätigkeitsträger (Akteur) ist eine signifikativ-semantische Rolle ( Semantik: signifikativ). Er kodiert das Subjekt eines Tätigkeitssatzes. Der Tätigkeitssatz ist im Gegensatz zum Handlungssatz ( Handlungsträger) ein intransitiver Satz (im Aktiv). (Tätigkeits-

Klaus träger) arbeitet.



Glossar (Verzeichnis der Fachausdrücke) 

 895

Temporaladverbial Genuine Formen der Temporaladverbiale sind  Situativadverbiale, recycelte Formen  Verhältnisadverbiale. Über Neujahr adverbial) waren sie ein paar Tage an der Pazifikküste gewesen. (Ruge Zeiten: 33) Nachdem er gegangen war adverbial), rief ich meine Eltern an. (Temporal(Hein Freund: 171) (Temporal-

Textglied =  Makroglied. Thematisierungsausdruck Thematisierungsausdrücke sind  Satzrandglieder im engeren Sinne. Thematisierungsausdrücke am linken Satzrand kündigen das nachfolgende Thema des Satzes an. Traditionell spricht man hier von Linksversetzung und Freiem Thema. Thematisierungsausdrücke am rechten Satzrand präzisieren das Thema des vorangegangenen Satzes. Traditionell spricht man hier von Rechtsversetzung und Nachtrag. Translation bezeichnet die Änderung der Kategorie eines  Vollwortes (Lucien Tesnière). Beispielsweise kann nach Tesnière ein Verb (mit allen seinen  Komplementen und  Supplementen) in ein Substantiv translatiert werden; z.  B. ein Satz in einen Objektnebensatz, der nach Tesnière ein Substantiv(äquivalent) ist. Das Konzept des  Recyclings, das relevant für die  Mikroebene ist, orientiert sich formal an Tesnières Begriff der Translation zweiten Grades. Translator Grammatisches Hilfszeichen, das die  Translation (Lucien Tesnière) bewerkstelligt. Wenn beispielsweise ein Verb in ein Substantiv überführt (translatiert) werden soll, sind dafür grammatische Hilfszeichen notwendig, die Translatoren genannt werden. Beispielsweise ist der Subjunktor dass ein Translator, der ein Verb (mit allen seinen  Komplementen und  Supplementen) in einen Objektnebensatz, der nach Tesnière ein Substantiv(äquivalent) ist, translatieren kann. Das Konzept des  Recyclators, das relevant für die  Mikroebene ist, orientiert sich formal an Tesnières Begriff des Translators zweiten Grades.

896 

 Apparat

Umpolung ist eine Kodierungstechnik bei Empfindungsverben (z.  B. frieren, schaudern, grauen), die der Kodierung von kanonischen Verben (mit Subjekt) nicht angepasst ist (Georg Bossong). Im Gegensatz zur  Generalisierung (Ich friere) wird der Empfindende (mich) nicht als Subjekt realisiert ( Subjektlosigkeit). Mich friert. Umszenierung ist die valenzdynamische Änderung eines  Szenarios ( Valenzdynamik). Valenzänderung bezeichnet zusammengefasst die Reduktion bzw. Erhöhung der Anzahl der realisierten  Komplemente im Vergleich zur  Grundvalenz ( Valenzerhöhung,  Valenzreduktion,  Valenzträgeränderung). Valenzdynamik entsteht im Gegensatz zur  Valenzstatik, wenn die  Grundvalenz nicht 1:1 realisiert, sondern kategorial oder konstruktionell überlagert wird. Dabei kommt es zur  Valenzänderung und in der Regel auch zur  Valenzträgeränderung ( Szenario,  Valenzstatik,  Umszenierung). Valenzerhöhung ist die Abweichung von der  Grundvalenz des prädikatsstiftenden Verbs nach oben, d.  h. ein in der Grundvalenz nicht vorgesehenes  Komplement wird realisiert. Valenzerhöhung führt zu dynamischen Sätzen mit dynamischer Valenzrealisierung ( Satz: statisch versus dynamisch). Emil baut ein Haus auf den Hügel. (Beispiel nach Welke 2011: 170) Valenzrealisierungsmuster sind valenzbasierte Kasusrahmen/Satzmodelle/Satzbaupläne, die Ad-hoc- oder konventionalisierte  Szenarios indizieren und in der Regel den grammatischen  Grundstrukturen entsprechen.



Glossar (Verzeichnis der Fachausdrücke) 

 897

Valenzreduktion ist die Abweichung von der  Grundvalenz des prädikatsstiftenden Verbs nach unten, d.  h. ein in der Grundvalenz angelegtes  Komplement wird nicht realisiert. Valenzreduktion führt zu dynamischen Sätzen mit dynamischer Valenzrealisierung ( Satz: statisch versus dynamisch). Du sollst nicht töten. Valenzrelation Valenzrelationen sind die Beziehungen, die zwischen dem Prädikat und seinen  Komplementen bestehen ( Beteiligheit/Szenariobeteiligung (BET),  formale Spezifizität / Rektion (FOSP),  inhaltliche Spezifizität (INSP),  Notwendigkeit (NOT),  Präsupponiertheit (PRÄSUPP)). Valenzstatik ist die 1:1-Umsetzung der  Grundvalenz ( Szenario,  Valenzdynamik,  Umszenierung). Valenzträgeränderung ist eine Form der Prädikatsdynamik ( Prädikat: dynamisch). Valenzträgeränderungen bewirken eine Umkategorisierung der Prädikatsstruktur. Unterschieden wird zwischen Reduktion und Erweiterung (des statischen) Valenzträgers. Sein Vater hätte nie ins Pflegeheim gewollt. Wir gingen die breite, gewundene Treppe hinauf. (Hein Freund: 124) Verb: labil Labile Verben (z.  B. schmelzen) sind Verben, die ohne Medialmarker (sich) sowohl transitiv als auch intransitiv verwendet werden können. Im Gegensatz zu  Antikausativa können sie ein Geschehen sowohl aus einer exoaktiven als auch aus einer endoaktiven Perspektive darstellen ( Endoaktivität,  Exoaktivität). Verbalkomplex  Wortgruppe mit  Kopf und  Kern. Verbalkomplexe haben im Gegensatz zu  Partizipialgruppen,  Adjektivgruppen und  Substantivgruppen kein  Attribut. Bei synthetischen Verbformen fallen Kopf und Kern in einer Wortform zusammen, bei analytischen Verbformen stellt das Finitum den Kopf des Verbalkomplexes und das Infinitum den Kern dar. [5] (Substantiv- Hannes gruppe) sagt (Te- (Sa- »Bald wird etwas geschehen.« tz) xt)

898 

[41]

 Apparat

ZuPF KE-dem Theaterstück Das Labyrinthrn gruppe) Ko-wirdpf (Ad- einmal gesagtrn, (uneingeleiteter es sei »eine Geschichte, in der das Fantastische im Wirklichen aufging« Nebensatz). (PräpositionalKeverb)

Ko-

Verbalprädikat Neben  Nominalprädikat Subtyp des einfachen Prädikats ( Prädikat: einfach). Verbalprädikate sind entweder lexikalische Valenzträger, d.  h. verbale Formen, die dem Lexikon entnommen werden ( Vollverb,  Idiom), oder konstruktionelle verbale Valenzträger, d.  h. Prädikate von diversen Konstruktionen, die auf lexikalischen verbalen Valenzträgern basieren. ( Medialkonstruktionsträger,  Resultativkonstruktionsträger,  Progressivkonstruktionsträger,  Absentivkonstruktionsträger,  Lokaldeterminativkonstruktionsträger,  Bewegungskonstruktionsträger,  AcI-Konstruktionsträger,  lassen-Konstruktionsträger,  Modalkonstruktionsträger,  Redeanzeigekonstruktionsträger,  Standpunktkonstruktionsträger). Verbativobjekt Subtyp des peripheren Komplements ( Komplement: peripher). Es handelt sich um ein Objekt, das sich nominal nicht realisieren lässt. Erst allmählich kam er dahinter, (Verbativ- dass sie diese Pausen brauchten objekt). (Kehlmann Vermessung: 54) Verbloses Direktivum Subtyp des  lexifizierten Nichtsatz-Formats. Verblose Direktiva haben eine offene Slotstelle im  Komplement-Format. Hinaus mit ihm! Direktivum) (Beispiel n. Tesnière 1976: 190) (verbloses

Verhältnisadverbial Verhältnisadverbiale sind  Supplemente, die im Gegensatz zu  Situativadverbialen ein  Szenario durch ein anderes Szenario ( Anszenario) kontextualisieren. Verhältnisadverbiale werden szenische Supplemente genannt ( Supplement: szenisch,  Anszenierung) und im Gegensatz zu den nicht farblich hinterlegten Situativadverbialen grau hinterlegt. (Konzessiv-

Obwohl sie keine Lust hatte, ihn zu sehen adverbial), kam sie überraschenderweise sofort aus der Küche.



Glossar (Verzeichnis der Fachausdrücke) 

 899

Verknüpfung  Satzsemantischer Relationstyp. Eine Verknüpfung liegt vor, wenn zwei  Szenarios (= Satzinhalte) miteinander verbunden werden. Ausgedrückt wird die Art der Verknüpfung durch  Junktoren. Peter kommt nicht mit, sonst hätte er längst geklingelt. Vollverb Subtyp des einfachen Prädikats ( Prädikat: einfach). Vollverben bilden die größte Klasse der einfachen Prädikate und können in finiter Form allein das Prädikat bilden. Zu den Vollverben gehören die morphologisch einfachen Simplexverben (z.  B. öffnen) bzw. die morphologisch komplexen  Medialverben (sich öffnen),  Komplexverben (fallenlassen),  Präfixverben (beschreiben) und  Partikelverben (einkaufen). Vollwort In der Wortarttheorie von Lucien Tesnière Wörter, die im Gegensatz zu  Leerwörtern eine lexikalische Bedeutung haben. Vollwörter (Vollverben, Substantive, Adjektive und Adverbien) stellen  Kerne von  Wortgruppen dar. Vor- und Nachbereich Bei syntaktischen Relationen kann nach Peter Eisenberg zwischen Vor- und Nachbereich unterschieden werden. Der Vorbereich ist die grammatische Form, um deren grammatischer Wert es geht. Der Nachbereich bezeichnet eine andere grammatische Form, die die Bezugsbasis der grammatischen Form des Vorbereichs darstellt. Im Vorbereich der Attributrelation kann beispielsweise eine  Adjektivgruppe stehen, die sich im Nachbereich auf den  Kern der  Substantivgruppe bezieht (das sehr interessante bereich) (Nach- Buch bereich)). Bei  Dilativ(adverbial)attributen, die (Vordeshalb einen Sonderfall des  Recyclings darstellen, ist der Nachbereich nicht form-, sondern wertbezogen. Vorfeld/Topik–es Das Vorfeld/Topik–es ist ein Vorfeld-Platzhalter. Im Gegensatz zum formalen Subjekt ( Subjektsimulation) ist das Vorfeld-es auf das Vorfeld beschränkt und wird nicht mehr realisiert, wenn das Vorfeld von einem anderen Satzglied besetzt wird ( Felderstruktur). Es klappert die Mühle am rauschenden Bach. (Beispiel zit. n. IDS-Grammatik 1997/2: 1082)

900 

 Apparat

Vorgangsträger ist eine signifikativ-semantische Rolle ( Semantik: signifikativ). Er kodiert das Subjekt eines Vorgangssatzes. (Vorgangs-

Der Brenner träger) ekelt sich vor dem rohen Fisch.

Weiterführender Relativnebensatz Weiterführende Relativnebensätze sind w- Relativnebensätze, die anaphorische statische Sätze ( Satz: statisch versus dynamisch) darstellen. Meine Mutter ist Verkäuferin im Supermarkt. Aber dort verdient sie nicht viel, ⇐ weshalb wir immer sparen müssen Relativnebensatz). (weiterführender Wertungsglied Neben  Geltungsglied Subtyp des  Kommentargliedes. Wertungsglieder bewerten ( Bewertungsglied) oder evaluieren ( Evaluierungsglied) das  Szenario. Wort Eine mögliche Mesoform ( Mesoform: Wort). Wort(gruppen)kombination Konstruktion, deren Mikroglieder nur Wörter ( Mesoform: Wort) oder  Wortgruppen sind. Wort(gruppen)kombinationen haben weder  Kopf noch  Kern und  Attribut. Dort verb) (Ad- drüben verb) (Präpositional- am runden Tisch gruppe) kombination) saß ein junges Paar. (Kästner Fabian: 22) (Wort(gruppen)- (Ad-

Wortart Wortarten und deren Subklassen können im Sinne der  Funktion-Argument-WertFormel grammatische Formen oder grammatische Werte sein ( Wortarten als Primärformen,  Wortarten als Primärwerte). Wortarten als Primärformen sind prototypischerweise Wortarten wie Verben, Substantive, Adjektive und Adverbien, deren Wortartzugehörigkeit in der Regel auch isoliert, d.  h. ohne Textzusammenhang, identifiziert werden kann.



Glossar (Verzeichnis der Fachausdrücke) 

 901

Wortarten als Primärwerte sind Wortarten wie z.  B. Abtönungspartikel, Kopulaverb oder Relativpronomen, deren Wortartzugehörigkeit sich isoliert, ohne Textzusammenhang, in der Regel nicht identifizieren lässt (in den Belegen: Abtönungs- vs. Antwortpartikel). Komm rein, du bist ja schon fast erfroren. Habt ihr die Türen ausgehoben? Ja, sagte Conny, fast alle. (beide Belege: Timm Sommer: 109) Wortgruppe Genuine  Mesoform mit maximal drei Typen von  Wortgruppengliedern ( Kopf,  Kern,  Attribut). Die Grundstruktur von Wortgruppen ist unterschiedlich: Alle drei Wortgruppenglieder können nur  Substantivgruppen,  Adjektivgruppen und  Partizipialgruppen haben.  Verbalkomplexe,  Präpositionalgruppen und  dummy-Präpositonalgruppen bestehen maximal aus Kopf und Kern,  Adverbgruppen maximal aus Kern und Attribut. [13]

Jetzt verb) aber öffnet sich (Substantiv- Ko-daspf Ke-Torrn Attri-zum Gefängnishofbut gruppe) […]. (Ad-

Wortgruppe: einfach Einfache Wortgruppen bestehen im Gegensatz zu  Wortgruppengefügen nur aus einem  Kopf und/oder einem  Kern, d.  h., sie enthalten keine  Attribute. [14] (Substantiv- Ko-Einpf Ke-Stückrn gruppe) Ko-sollpf Ke-aufgeführt werdenrn, Ko- pf Keim Speisesaalrn gruppe). (PräpositionalWortgruppengefüge (komplexe Wortgruppe) Wortgruppengefüge (= komplexe Wortgruppen) enthalten im Gegensatz zu einfachen Wortgruppen ( Wortgruppe: einfach)  Attribute. [13]

Jetzt verb) aber öffnet sich (Substantiv- Ko-daspf Ke-Torrn Attri-zum Gefängnishofbut […]. gruppe) (Ad-

Wortgruppenglied  Mikroglied im engeren Sinne ( Kopf,  Kern,  Attribut).

902 

 Apparat

Wortgruppenkonjunktor Konjunktor auf der  Mikroebene. Konjunktoren auf der Mikroebene verbinden  Wortgruppen miteinander ( Wortgruppenverbindung). Wortgruppenkonjunktoren sind  Mikroglieder im Gegensatz zu  Konjunktoren, die  Makro­ glieder miteinander verbinden und  Kohäsionsglieder sind. [28] […]

es , verbindung)

(Substantiv-

gruppe)

gibt

(Substantivgruppen-

Kartoffelsalat

undjunktor Würstchen

Kon-

Wortgruppenrandglied  Mikroglied, das im Gegensatz zu anderen ‚lockeren Appositionen‘ ( Appo­ sition: locker) kein  Attribut darstellt und nicht recycelt ist. Wortgruppenrandglieder sind  Nichtsätze mit Wortgruppenbezug, sie stellen Verlängerungen möglicher  Wortgruppen dar. Wie ertrug sie, die Mutter, das? Wortgruppenverbindung Koordinativ verbundene  Wortgruppen. Wortgruppenverbindungen bestehen mindestens aus zwei Wortgruppen. Hinzu kommt in der Regel ein  Wortgruppenkonjunktor. [28]

es gruppe) gibt , […]. verbindung) (Substantiv-

(Substantivgruppen-

Kartoffelsalat

undjunktor Würstchen

Kon-

Zielvalenz ist die durch kategoriale oder konstruktionelle  Umszenierung veränderte  Grundvalenz des prädikatsstiftenden Verbs. Zusatz  Satzsemantischer Relationstyp. Ein Zusatz liegt vor, wenn eine Bezugsstelle eines  Szenarios (= Satzinhaltes) durch ein anderes Szenario näher spezifiziert wird. Ich finde ein Buch nicht, das ich gestern ins Regal zurückgestellt habe.



Glossar (Verzeichnis der Fachausdrücke) 

 903

Zusätze sind  Satzglieder, die am rechten Satzrand realisiert sind. Reden Sie mit uns. (Zu- Sicherheitshalber satz). (Anzeige einer Versicherung im Spiegel 23.5.94, zit. n. IDS-Grammatik 1997/2: 1648) Zustandsbetroffener ist eine signifikativ-semantische Rolle ( Semantik: signifikativ). Er kodiert das  Dativobjekt eines Zustandssatzes. Für viele Mittel und manche Wirkungen der Kunst fehlt (Zustands- mir betroffener) eigentlich das richtige Verständnis. (Freud Moses: 172) Zustandsreflexiv  Prädikativgefüge, das das Resultat eines vorangehenden Vorgangs darstellt. Dabei ist das Prädikativ das Partizip II eines  Medialverbs. Petra ist erkältet/verliebt/erholt/beruhigt. (← Petra hat sich erkältet/verliebt/ erholt/beruhigt.) Zustandsträger ist eine signifikativ-semantische Rolle ( Semantik: signifikativ). Er kodiert das  Subjekt eines Zustandssatzes. Für viele Mittel und manche Wirkungen der Kunst fehlt mir eigentlich richtige Verständnis träger). (Freud Moses 172)

(Zustands-

das

Zwischenstelle Die topologische Position zwischen Sätzen ( Satz: grammatisch) und/oder  Nichtsätzen. In der Regel wird sie von  Kohäsionsgliedern besetzt.

7 Sachregister A AAB-Konstruktion (Bestimmung, attributive adverbiale) Adverbialattribut Ableitungsbeziehung 38, 40, 277, 291, 590 Absentiv 433–437, 452 Absentivkonstruktionsträger 263, 410, 434 Absentivprädikat Absentivkonstruktionsträger Abtönungspartikel 30  f., 33, 157  f., 198, 202–208, 223, 228, 230  f., 234, 239–241, 660 Kohäsionsglied, Konnektor, Nähezeichen AcI-Akkusativobjekt 624, 655 AcI-Konstruktion 267, 307, 397, 440–443, 446, 452 lassen-Konstruktion AcI-Konstruktionsträger (AcI-Prädikat) 264, 266–268, 411, 440–443, 446  f., 493, 497 lassen-Konstruktionsträger AcI-Prädikat AcI-Konstruktionsträger AcI-Verb 398, 440–446 Ad-hoc-Bildung 50  f., 429, 650 Ad-hoc-geben-Verb 653 Ad-hoc-Verbindung 8 Innovation Adhortativ 449 Aufforderung Adjazenzellipse Frage-Antwort-Sequenz Adjektiv 22, 30, 106  f., 145, 149–151, 188, 244  f., 271, 307, 316  f., 358–363, 370, 373  f., 378–380, 382, 386–389, 405, 423, 425  f., 429  f., 432, 459, 470, 482, 550, 562–570, 580  f., 648, 659, 662, 704, 709, 711, 714, 717  f., 721, 724–729, 734  f., 741  f., 749  f., 755, 762–765, 771, 777, 780 Adjektiv, prädikatives 245, 362  f., 432 Adjektiv(gruppen)attribut 538, 754, 763–765, 768  f., 775 Adjektiv-Graduierer 363 Adjektivgruppengefüge 726 Adjektivierung 727, 763 Adjektivkomplement 380 Adjektivkomplement, recyceltes 771 Adjektivtest 386  f. für-Prädikativ

Adjektivvalenz(träger) 272  f., 764  f. Adjektivvalenz, recycelte 765 Adjunktklammer Nebensatzklammer Adjunktor(phrase) 381, 733 dummy-Präpositionalgruppe, Kopulativpartikel als Adkopula 244, 362  f., 388, 648 Zustandszuweisung Adposition(algruppe) 203, 735, 739, 783 Inkorporation Adoption 536 Innovation Adressat 509 Transfer-Alternation, Rolle, semantische, Semantik, signifikative Adverb 30–32, 49, 141, 189, 202, 219, 280, 388, 527  f., 551, 556, 567, 573, 579, 602, 631, 648, 660, 662, 677, 701  f., 704  f., 709, 711, 718, 731, 736, 740, 742, 749, 754–757, 773, 786 Adverbausdruck 31  f., 701  f. Adverbgruppe 459, 470, 550, 701, 703, 731, 735, 740–742, 749  f., 756, 768, 772 Adverbial(bestimmung) 21  f., 32, 34  f., 43  f., 89, 141, 215, 219  f., 222, 231  f., 244, 256, 271, 280–282, 284, 295, 298, 347, 368, 377, 412  f., 459, 467, 470, 489, 495, 508, 510, 524, 526–532, 539–541, 544, 547–552, 555–557, 559  f., 562–565, 567, 571–575, 577, 579, 587  f., 606, 626, 645, 650, 655, 660, 662, 718, 721, 731, 736, 752–754, 756, 758  f., 761, 764, 777 Adverbialakkusativ 172 Adverbial, dynamisches 402, 655 Adverbial, recyceltes 556, 753 Adverbial der Subjekthaltung 568 Modaladverbial, Prädikativ, Freies Adverbialattribut 35, 753, 769, 771–773, 775, 785 Adverbialdopplung 556 Adverbialfunktion 21  f., 280  f., 550 Adverbialinkorporation 308 Adverbialkollision 560 Adverbialkombination Adverbialkombination 555, 559  f. Adverbialkollision

Sachregister 

Adverbialkomplement 282–284, 286, 294  f., 474, 540, 544–548 Adverbialkomplex(bildung) 398, 555 Adverbialkorrelat 602, 604  f., 609  f. Korrelat, Nominalkorrelat, Präpositionalkorrelat Adverbial(neben)satz 78, 87–89, 95, 189, 465, 605–607, 610, 613, 711 Adverbialsupplement 145, 170, 295, 549  f., 783  f. Adverbialverbindung, semantisch gleichartige 75, 705 Wort(gruppen)kombination Adverbialwert 550, 552, 563, 567, 571, 645, 721, 752, 757 Adverbjunktor 228–232, 240 Adverbjunktor, deiktischer 218 Doppelagent Adverbkonnektor 79  f., 208, 216, 231  f. Adverbjunktor, Partikeljunktor Adverbphrase Adverbgruppe adversativ 15, 80, 213, 215, 217, 219, 237, 726 Adversativadverbial 554 Affiziertheit 310, 414, 444, 488  f., 492  f., 631 Effiziertheit, Patientivität Afinitheit 146, 150  f., 188 Infinitheit, Nichtfinitheit Agens Handlungsträger agensabgewandt 400 Medium, Passiv Agens/Akteur-Dezentrierung 627 Umszenierung Agenssubjekt 275, 335, 400, 491, 627 Handlungssatz, Handlungsträger Agens-zentrierend 39, 627 Agentivität(sgrad) 444  f. Handlungsintensität, skalare Aggregation(sgrad) 84  f., 90, 95, 101  f., 104, 465  f., 578, 668, 775 Integration, Migration, Satzrand(struktur) Akkusativ, doppelter 49, 489, 493, 496  f., 540, 547 Akkusativ der Person 494–497 Akkusativ der Sache 495–497, 544 Akkusativkomplement 442  f. Akkusativobjekt, äußeres 624, 647 Akkusativobjekt, dynamisches 401, 441, 443, 445, 447, 497, 521, 617, 620, 632, 646  f.

 905

Akkusativobjekt, formales 489, 491 Akkusativobjektsimulation, Handlungssimulation Akkusativobjekt, inneres 624, 641  f., 646 Akkusativobjekthauptsatz 466, 472 Akkusativobjektivierung 414, 647 be-Verb, Patientivierung Akkusativobjektnebensatz 4  f., 36, 466, 471, 712  f. Akkusativobjektnichtsatz Akkusativobjekttext Akkusativobjektparaphrase 460, 471 Gegenstandsparaphrase Akkusativobjektsimulation 489, 540 Akkusativobjekt, formales Akkusativobjektsinfinitiv 466, 472, 712  f. Akkusativobjekttext 36  f., 464, 472 Akkusativpassiv 39, 48, 69, 372, 476, 494, 628–633 Akkusativsubjekt 477, 485 Aktant Komplement Aktanteninkorporation 308 Aktantenpotenzial Valenz(potenz) Akteur Tätigkeitsträger Aktionsart 315, 318–320, 381, 385, 390, 436, 546 Aktionsart-Paradigma 319  f., 390 Funktionsverbgefüge Aktiv(satz) 39  f., 48, 55  f., 144  f., 151, 199, 269  f., 273  f., 276–278, 287, 335, 369–372, 385  f., 400, 408, 438, 441–448, 450, 475  f., 484, 489, 494, 504  f., 563, 590, 616  f., 626, 629–633, 666 Aktualität 499  f. als dass-Nebensatz 581 als-Gruppe 381, 565  f., 732–737, 739  f., 774, 782–785, 789 dummy-Präpositionalgruppe, wie-Gruppe als-Nebensatz 434, 605 als-Prädikativ 382, 543, 571, 784 als-Prädikativ, Freies 382, 553, 566, 570  f., 770, 784 Alternante 274  f., 277, 365, 384, 387, 450, 509, 510  f., 532, 541 Alternation 274  f., 343  f., 365  f., 374, 382, 386, 418, 436, 450, 489, 492  f., 504, 506, 508–514, 532  f.

906 

 Apparat

Ambiguität 354, 400, 510, 532  f. Offenheit am-Progressiv 316, 431–434 Anadeixis 27, 85, 200, 202, 212  f., 217–219, 221, 332  f., 556, 585, 592, 597, 610, 677, 684–687, 723, 781 Deixis, Katadeixis Anakoluth 153 Analepse 131, 136 Satz, virtueller analog 154–156, 159 digital analytisch 68  f., 74, 145, 199, 289, 315, 357–360, 369  f., 383, 437, 439, 632, 634, 714, 722, 725, 727  f., 730  f., 763 synthetisch Anaphorik 164, 166, 201  f., 212  f., 221, 332  f., 482, 585, 593, 610, 638, 661, 684–687, 722  f., 740, 787 Kataphorik, Phorik, Angabe Supplement Ankündigung, thematische 86, 222 Satzrand Anrede 28, 228, 242 Ansatz 89–92, 95, 246 Anschluss, aggregativer 775 Anszenario 44–46, 88, 158, 203  f., 216, 218, 244, 246, 290, 296, 434  f., 531, 545, 549–552, 557  f., 575–578, 581  f., 609  f. Szenario Anszenierung Verhältnisadverbial Antikausativum 339, 344  f., 366, 418 Endoaktivität, Medialverb, Verb, labiles Antwortpartikel 31, 197 Frage-Antwort-Sequenz, Konnektor, Nähezeichen Apokoinu 153–157, 159, 597  f. Koinonfeld Applikativ 415, 417  f., 425 be-Verb-Konstruktion Apposition 83, 86  f., 681, 687, 740, 750, 770, 773–777, 779, 782–785, 789 Apposition, enge Appositivattribut Apposition, lockere 565, 719, 773  f., 776, 778, 789 Prädikativattribut, Prädikativappositiv, Modal(adverbial)appositiv, Wortgruppenrandglied

Apposition, partitive 779 Numerativkonstruktion Appositivattribut 565, 699, 769, 773  f., 750, 779, 781, 789 Argument Funktion-Argument-Wert-Formel Argument-Konstruktion 42, 749 Argumentstrukturmuster 643 Artangabe 779, 781  f. Numerativkonstruktion Artergänzung 519 Resultativprädikat Artikel 30, 57, 107, 187, 200–202, 204, 312, 373, 391, 516, 586, 594, 698, 714, 722–725, 732, 737, 766  f., 780, 788 Artikelausdruck 742 Aspekt 145, 436 Assertion 658  f. Assimilation Verschmelzung Asyndese 81  f., 707, 726 Syndese atelisch durativ Attribuierungskomplikation 700 Attribut 21–23, 25, 34  f., 37  f., 99, 102, 127  f., 148, 179, 205–207, 291  f., 295, 380, 382, 433, 451, 501, 517, 555  f., 558, 564  f., 570–572, 580, 594, 597, 636, 685, 698–703, 705, 712, 718–721, 723–728, 730  f., 740–742, 749–759, 762–765, 767–775, 777, 779–781, 783  f., 786  f., 789 Attribut, aggregatives 681 Attribut, possessives 760 Attribut, präpositionales 754 Attribut, recyceltes 37, 128, 718, 749  f., 757, 759, 763, 765, 789 Attributfunktion 21  f. Attributhauptsatz 770 Attributnebensatz 37, 71, 126, 128  f., 339, 565, 580, 699  f., 711–713, 770 Attributtext 37, 750, 770 Aufforderung 5, 77  f., 109, 147, 449 Adhortativ Ausdruck 14, 26, 31  f., 73, 76, 141, 160, 162, 165, 171  f., 198  f., 210, 215, 217, 222, 227, 240–242, 245  f., 265, 267, 291  f., 311, 381  f., 390  f., 433, 460, 468  f., 507, 536, 561, 578, 598, 610, 674, 700–702, 720  f. Wort, Mesoform Ausdrucksart 30–33, 291, 382, 468, 528, 701

Sachregister 

Ausdrucksbildung, differenzierende 382, 536, 599–601, 604 Ausdrucksformat 186 Ausdrucksmodell, syntaktisches 50, 161  f., 164  f., 186, 188, 278, 315, 469 Ausdrucksvalenzträger 536, 600, 604  f. Wortvalenzträger Ausdrucksverb 671 Ausdrucksweise, komprimierte Kompaktheit Ausgangsrelatum 705, 707  f., 717, 719, 727, 763  f. Recycling, Zielrelatum Ausgangsvalenz(träger) 268–274, 277, 279, 420, 425–427, 430, 441–443, 529, 615, 655 Zielvalenz(träger), Grundvalenz Ausklammerung 71, 89  f., 102 Aggregation, Nachfeld-Satzglied Aussage 5, 7, 15, 17, 37, 39, 70, 72–74, 77  f., 108  f., 139, 181, 203, 210  f., 221, 224  f., 234, 288, 315, 322, 331  f., 580, 583  f., 658, 672  f., 682, 785 Szenario Außenfeld 83, 104, 776 Satzrand Außersprachlichkeit 5, 7, 21, 39, 142, 275, 280, 336, 338, 365, 478, 504, 517, 563, 633  f., 662, 722  f. B Bedeutung, präferentielle 160, 426, 468, 567 Beiordnung Parordination bekommen-Passiv Dativpassiv Benefaktiv(-Alternation) 425, 508–512, 514, 521, 532–535, 542, 549, 625 Bereichsadverbial Bereichsglied Bereichsglied 562, 659, 663 Geltungsglied beschuldigen-Test 261 Besitzverhältnis 7, 490, 759 habeo-aliquid, mihi-est-aliquid, Possessivität Bestimmung, attributive adverbiale AAB-Konstruktion Beteiligtheit (Szenariobeteiligung, BET) 49, 72, 257  f., 261  f., 486, 493, 497, 499  f., 503–506, 508, 511, 521  f., 546, 564, 566, 569  f., 574, 628, 640, 655 Valenzrelation

 907

Betroffenheitsumszenierung 514 Bezeichnungssynonymie 517 be-Verb 414  f., 425  f. Applikativ, Patientivierung Bewegungskonstruktion(sträger) 261, 404  f., 411, 440, 652 Bewegungsverb 328, 539, 671 Bewertungsglied 660, 663 Wertungsglied Bindungstheorie 681 C Cleft(-Konstruktion/-Satz) Spaltsatz cognition predicate Empfindungsprädikat Commonsense-Kompetenz 31, 468, 525, 567 Ausdruck D da-Nebensatz 296 Darstellungsfunktion 135, 154, 170  f., 197 Darstellungskopula 381, 385, 487 Kopula(verb) Darstellungsverb 366 da-Satz-Probe 783  f. dass-Ersatzprobe 606 dass-Nebensatz 30, 37  f., 160, 241, 243, 575, 581, 600  f., 608 Dativ 7  f., 510  f., 653 Dativ, adnominaler possessiver Dativattribut Dativ, freier 501, 510 Dativ, gebundener 501  f. Dativobjekt Dativ-Akkusativ-Wechselpräposition 601 Dativattribut 769, 773, 786, 789 Dativblockade 759 dative alternation Transfer-Alternation Dativobjekt 6, 8  f., 500–521, 648  f. Zustandsbetroffener Dativobjekt, dynamisches 357, 401, 501, 513, 519, 521  f., 530, 540, 648  f. Dativus commodi, Dativus incommodi, Dativus iudicantis, Dativus possessivus, Partikelverbdativ, Standpunktdativ Dativobjektparaphrase 461, 472 Gegenstandsparaphrase Dativpassiv 39, 48, 69, 372, 415, 476, 494, 504, 627, 627–631

908 

 Apparat

Dativpassivprobe 504  f., 521 Dativsubjekt 477, 485 Dativus commodi 357, 502  f., 505–508, 510  f., 513  f., 518, 520–522, 530, 532, 535, 540, 623  f., 648, 652–655 Dativus ethicus (ethischer Dativ) 206, 501, 623, 660 Dativus incommodi 505–508, 511, 513  f., 518, 520–522, 540, 623  f., 648, 652, 654  f. Dativus iudicantis (Standpunktdativ) 411, 501, 623, 625, 648, 660 Dativus possessivus (Pertinenzdativ) 502, 505, 508, 514–522, 540, 556, 569, 623  f., 648, 652, 655 Datumsangabe 228, 242 Deagentivierung 415 Deixis 85, 197, 200, 213, 217, 332, 556, 585–587, 589, 591  f., 598  f., 723, 787 Anadeixis, Katadeixis Delimitation 667–669, 687, 775 Parenthese Demonstrativartikel 200 Demonstrativpronomen 187, 200  f., 212  f., 776 dennoch-Test 680 Deontik 147  f. Dependensmarkierung (Dependentmarking) 788 Kopfmarkierung Dependenz 12, 40, 43, 158, 164, 166, 266, 297, 321, 367, 477, 686  f., 704, 709, 711 Dependenzumkehrung (Dependency reversal) 780 Derivat(ion) 202, 307 Dialekt 107, 431, 439, 788, 789 Dialogizität 73, 127, 136  f., 140–142, 205, 674 Interaktion Diathese 199  f., 204, 355 Passiv, Verbalgenus Die Sache ist die-Konstruktion 91 Differenzmaß 548  f. digital 154–156, 159 analog, Literalisierung Dilativadverbial 21, 547–549, 553, 557, 755 Dilativ(adverbial)attribut 755  f., 772 Dilativkomplement 495  f., 547 Dilativsupplement 549 directedness-Konzept 338 Direktes Objekt 29, 488, 525, 535 Akkusativobjekt

Direktionaladverbial (Richtungsadverbial) Direktivum direktiv 446–448 permissiv Direktivparaphrase 461, 473 Gegenstandsparaphrase Direktivum 42, 47, 49, 147, 189, 281  f., 286, 289, 312, 328, 403–405, 413  f., 417, 422  f., 425, 429  f., 473–475, 516, 518  f., 538–540, 625  f., 651–655, 756 Direktivum, dynamisches 281, 402, 412, 539, 618, 634, 651  f. Direktivum, Kommissives 147 Direktivum, verbloses 175, 189 Nichtsatz-Format, lexifiziertes Direktkasus 28  f., 36, 295, 488, 619 Discourse Grammar 239 Disjunktion 219, 258  f. Diskurs Gespräch Diskursmarker 82, 234, 238–242 Disposition 6–8, 10, 260, 418–421, 655 Distanz(stellung) 70, 107  f., 774 Satzklammer Distanzkompositum 308 Distribution 109, 121, 151, 153, 274  f., 716, 726 Satz, virtueller Distributionsklasse 106, 131–135, 137  f., 140  f., 143  f., 235, 313, 340, 368  f., 373, 381, 384  f., 390, 423, 527, 542  f. 650, 737 Paradigma Distributionsklassen-Test 373 Ditransitivität 350, 414, 475, 488, 493  f., 502, 505, 508–513, 541, 547, 627–630, 653 domain adverb Bereichsglied Doppelagent (Pronominalkonnektor) 204, 211, 214, 216–219, 228, 647 Deixis, Kohäsionsglied, Verhältnisadverbial Doppelklassifikation 398  f. Doppelkopf Kopfdoppelung Doppelpartikelverb 412, 650 Komplexverb Doppel(plusquam)perfekt 68  f., 369  f., 438 Doppelpunkt 199, 245  f. double-marking Makro-Possessor double-object construction TransferAlternation Drama-Metapher 40 Drehsatz Apokoinu

Sachregister 

dummy-es 740 dummy-Präpositionalgruppe 740–742, 782  f. Adjunktor(phrase) dummy-Subjekt 484, 740 Subjekt, formales, Subjektsimulation, Zweigliedrigkeit, simulierte durativ 145, 318–320, 385 Durativadverbial 549  f., 557 Dynamik 41, 47–54, 57, 115, 121, 144, 146–148, 150–154, 158  f., 162  f., 167, 170, 175, 190, 199, 241, 259, 262, 267, 268, 270, 272–274, 277–279, 281, 284, 287, 291, 299, 305, 307, 309–311, 319, 323  f., 328, 330, 336, 343  f., 352, 357, 363, 367, 372, 375, 382, 386, 395–407, 409  f., 412–431, 435, 437, 439–447, 451  f., 476  f., 480, 484, 493  f., 497, 501, 504  f., 513  f., 518–522, 526, 529–531, 534  f., 539  f., 543, 559, 563  f., 569, 571, 614–633, 646, 653–655, 664, 671, 762 Kreativität, Satzglied, dynamisches, Statik Dynamik, afinite 150  f. Dynamik, finite 145, 268 Dynamik, infinite 145  f., 150, 269 Dynamik, kategoriale 144  f., 273, 452, 634 Dynamik, konstruktionelle 151, 163, 270, 404, 452 Dynamik, nichtfinite 121, 146, 151, 268 E Effiziertheit 642  f., 645 Affiziertheit, Patientivität Eigenschaftsanzeige 740 Eigenschaftsempfänger 365 Rolle, semantische, Semantik, signifikative Eigenschaftsprädikat 359–363 Zustandsprädikat Eigenschaftsträger 365 Rolle, semantische, Semantik, signifikative Eigenschaftszuweiser 365 Rolle, semantische, Semantik, signifikative Eigenschaftszuweisung 336, 359, 362  f., 365  f., 380, 385, 394, 566 Nichtereignis

 909

Eigenschaftszuweisungsprädikat 361, 386 Prädikativgefüge Einbettung 5, 37, 44, 98–102, 104, 124, 211–213, 319, 322, 465, 611, 682, 684, 687 Einbettung, (satz)semantische 37, 211, 465, 682, 684 Relation, (satz)semantische Einfach-Satzklasse 151 Kombi-Satzklasse Ein-Feld-Satzglied 596, 604, 610 Kombi-Satzglied Eingliedrigkeit 484, 740 Zweigliedrigkeit Einheit, interaktive 93, 141, 240 Nähezeichen, Reaktiv, Responsiv Ein-Kasus-pro-Satz-Prinzip 760  f., 766 Einmaleins der Satzgliedlehre 49, 493  f., 497, 540, 548, 552, 555–559, 564, 573  f., 583  f., 620  f., 760 Ein-Marker-Sprache 352–354 Medialität, Reflexivität, ZweiMarker-Sprache Einschließung 101  f., 104 Einschub Parenthese, Unterbrechung(sstruktur) Einstellungskopula 381, 385, 487, 543 Kopula(verb) Einstellungsverb 366, ekg-Satzverbindung 129  f. Elaboration Relativnebensatz, appositiver Eliminierungstest Weglassprobe Ellipse 14, 72, 75, 131, 135, 138, 171, 177, 184–186, 388, 644 Empfindungsprädikat (cognition predicate) 477–480 Emphase 74, 633–635 Emphasekonstruktion(sträger) (Emphaseprädikat) 74, 411, 438  f. Endoaktivität 275  f., 339, 342–345, 365  f., 382, 418  f., 630 Exoaktivität Endo-Eigenschaftszuweisung 365 Endo-Vorgangsträger 274–276, 287, 366, 383, 419 Endozentrik 704 Enthaltenseinsrelation 177 Entscheidungsfrage(satz) 20, 77, 109, 141, 661

910 

 Apparat

Epistemik 306, 323–325 Epistemikglied 323, 325, 582  f., 659, 663 Geltungsglied Ereignis 41, 72, 336  f., 345, 359, 363  f., 368, 371, 376, 394, 418  f., 428, 434  f., 486, 507  f., 549, 559 Nicht-Ereignis, Szenarioklasse ergativ 646 Ergänzung Komplement Ergänzungsfragesatz 76, 136 Ersatzinfinitiv 326 Ersatzprobe 29, 34,158, 259, 313, 340, 390, 488, 494, 498, 504  f., 516, 527  f., 533, 543, 580, 598, 606, 637, 752 Evaluierungsglied 660, 663 Wertungsglied Eventivkonstruktion 355, 436 Evidentialität 323, 325  f., 381 Evidenzglied 659, 663 Geltungsglied Evidenzkomplex 306, 328 Evidenzverb 331  f., 833 Existenzialnichtsatz 174, 182  f. Gegenstandsexistenzialnichtsatz, Sachverhaltsexistenzialnichtsatz Exoaktivität 275  f, 342, 344–346, 366, 374, 382, 385, 400, 630 Endoaktivität Exo-Eigenschaftszuweisung 365  f. Exo-Vorgangsträger 274, 276, 287, 563 Expansion 416, 788 Expansivergänzung Dilativkomplement Explikativadverbial 554 Expressivum 147 Extroglied 243, 669 Introglied exzentrisch 722, 766, 788  f. konzentrisch Exzeptivadverbial 555, 577, 579 F Fakultativität 182  f., 512, 600, 617  f., 779 Weglassbarkeit Feld(begriff) 67, 71, 98–101, 104, 106, 113, 122, 155  f., 207  f., 216, 589  f., 596  f., 599, 603  f., 610 Stelle, Stellungsfeld, Stellungsfeldermodell

Felderstruktur 26  f., 61, 67  f., 71, 78, 112–114, 141, 170, 207  f., 210, 230, 289, 437 Satzklammer, Stellungsfeld, Stellungsfeldermodell Finaladverbial 16, 127  f., 243, 246, 532, 534, 554, 577 Finaladverbialkomplement 126, 545 Finitum 70, 74, 98, 106–110, 114, 158, 209, 298, 322, 437, 729 Fokusausdruck 208–210 Fokuskonstituente 636–640 Fokuskonstruktion 635  f. Spaltsatz Fokuskorrelat 593  f., 597–599, 604, 723 Korrelat Fokuskorrelat-Apokoinu 597  f. Apokoinu Fokuskorrelatverbindung 594, 596–598 Fokuspartikel 32, 205–210, 229, 233, 240, 636, 639 Form, grammatische Funktion-Argument-Wert-Formel, Wert Formelhaftigkeit Phraseologismus Formulierungsglied 222–225, 228  f., 230, 233, 237, 240 Konnektor Fortbewegungsverb 439, 538, 548  f., 651  f., 654, 671 Form-Format Slotstelle Frage-Antwort-Sequenz 78, 136–139, 144, 715 Frageprobe 677 Fragesatz, indirekter 462 Frequenzadverbial 280, 545  f., 553, 557, 667, 703 Frühneuhochdeutsch 370, 432, 492, 567 Funktion-Argument-Wert-Formel 18–26, 28–31, 48  f., 52, 86, 112, 120  f., 144, 146, 150, 158, 163, 166, 169, 171, 174, 186, 197–199, 202, 223, 262, 272, 277–279, 284, 291, 309, 335, 388, 396, 439, 443, 476, 480, 497, 514, 521, 523  f., 535, 544, 550, 600, 612, 614  f., 617, 622, 629  f., 632, 640, 646, 649, 651, 654, 666, 686, 697  f., 711–713, 752, 778 Funktionsverb(gefüge) 160, 179, 244, 267, 306, 308  f., 314–316, 334, 366, 374, 389  f., 497, 727, 729 Kollokativgefüge, Prädikat, einfaches

Sachregister 

für-Prädikativ 386  f. Futurhilfsverb 323, 389 FVG-Test 317 G Ganzsatz Satz, orthographischer Gattungsname 29, 498, 721  f., 766 geben-Alternation Transfer-Alternation Gegenstandsexistenzialnichtsatz 182  f., 186 Existenzialnichtsatz Gegenstandsparaphrase 460, 462  f., 470, 551 W-Nebensatz Gegenwartsdeutsch 6, 29, 49, 79, 121, 142, 145, 215, 233, 239, 274, 277, 283, 289, 309  f., 319, 323, 326, 335, 370  f., 393  f., 433, 436–438, 466, 469, 474  f., 477, 482, 492, 493, 524, 540  f., 605, 628, 651, 697, 717, 724, 757, 787 Gehalt, propositionaler Aussage, Szenario gehören-Passiv 629 Akkusativpassiv gelten als-Probe Subjektsprädikativ Geltungsglied 288, 659  f., 663 Kommentarglied Generalisierung 478–482, 485, 490  f. Empfindungsprädikat, Umpolung Genitiv 281, 295, 319  f., 432, 475, 481, 541  f., 549, 570, 685, 757  f., 759–761, 766  f., 787 Genitivattribut 294, 516  f., 541, 549, 759–763, 765–768, 789 Genitivobjekt 55, 261, 281–283, 286, 294, 405, 460, 473, 492, 500, 540–543, 549, 609, 626, 642, 757 Genitiv, pränominaler 765–767 Genitivsubjekt 477 Genitivus obiectivus 433, 759  f., 766 Genitivus partitivus 779 Genitivus possessivus 760, 765 Genitivus qualitatis 388 Genitivus subiectivus 759  f., 766 Genitivsubjekt 477 Genitivverb 541  f. Genus verbi Verbalgenus gerade-Test 360 Geräusch(emissions)verb 651–654 Geräuschverb, umkategorisiertes (SimplexverbDirektivum) 626 geschehen-Probe 566

 911

Geschehensperspektive 627 Geschehen-Szenario 41, 464  f., 486, 546 Gespräch (Diskurs) 3, 82, 141, 206  f., 210, 224, 234, 238, 682, 684 Gesprächspartikel 240 gesprochensprachlich 57, 157, 597, 664 Getrenntschreibung 308, 499 Gleichsetzung 384, 391  f. Identität, Kopula(verb) Gleichzeitigkeit Temporaladverbial Gliedteil Mikroglied, Wortgruppenglied Gradpartikel Fokuspartikel, Intensitätspartikel Graduierbarkeit 363 Grammatikalisierung 238  f., 323, 370  f., 431–433, 528  f., 531, 534, 739, 761, 763 Grammatikalität 56, 156  f., 209, 387, 681, 788 Grundbedeutung 269, 323 Grundstruktur 43, 121, 256, 365, 469, 483  f., 491, 493, 518  f., 526, 633, 721, 789 Grundtechnik 36, 465–470, 478 Aggregation, Integration Grundvalenz 47, 51, 54, 144  f., 151, 159, 261, 266, 268  f., 402, 468, 512, 605, 653  f. Grundvalenzträger 47  f., 269, 272, 398, 400, 402, 404, 407, 423, 430, 468  f., 512, 536, 600 H haben-Passiv 628  f. Dativpassiv haben-Perfekt 68, 308, 370, 437, 499  f. sein-Perfekt habeo-aliquid 7, 490  f. mihi-est-aliquid Habitualität 332, 499  f. Halbmodalkomplex 265–267, 306, 320  f., 328, 330, 334, 449, 729 Halbmodalverb 266, 321  f., 329–333, 381, 389, 729  f. Handlung 270  f., 274  f., 316, 318, 323, 336, 345  f., 366, 371  f., 382  f., 394, 444–446, 480, 488  f., 502, 504, 506, 508–510, 532  f. Handlungsgegenstand (Patiens) 5, 7, 9, 173, 259, 272–275, 287, 316, 366, 414, 502, 504, 508, 532, 549 Patiens, Rolle, semantische, Semantik, signifikative

912 

 Apparat

Handlungsintensität, skalare 444, 480, 489, 492 Handlungspotenzial 157  f. Handlungsprädikat 6, 361, 400  f., 491, 646  f. Handlungsresultat (Resultativpatiens) 270  f., 273, 383, 425  f. Rolle, semantische, Semantik, signifikative Handlungssachverhalt 5 Handlungsgegenstand, Rolle, semantische, Semantik, signifikative Handlungssatz 275, 335, 346, 372, 490, 493, 505, 626–628, 630, 646 Handlungssimulation 489, 491 Handlungsszenario 488, 490 Handlungsträger (Agens) 4–7, 9, 39, 270  f., 274–276, 287, 316, 318, 323, 366, 371, 383, 502, 504, 506, 508–510, 532–534 Rolle, semantische, Semantik, signifikative Handlungsverb 51, 346  f., 401, 434, 446, 478  f., 531, 572, 645, 647, 653 Handlung-zu-Vorgang-Umszenierung Umszenierung Haupt(satzbau)plan 518  f. Neben(satzbau)plan, Valenzrealisierungsmuster Hauptprädikat 11  f., 14, 26  f., 41, 44  f., 47, 66, 78  f., 112  f., 121  f., 124, 130, 135, 151, 153, 158  f., 170  f., 309, 317, 396, 557, 591, 604, 717 Hauptsatz 11  f., 16, 26, 35  f., 44, 82, 88, 99, 111, 122, 124, 158  f., 212, 243, 290, 296, 321, 330, 434, 464–472, 518, 520  f., 531, 558, 581, 585, 590  f., 604, 610–612, 670, 681, 683–686, 706, 709, 711, 770 Hauptsatz, abhängiger 36, 290, 464, 466  f., 470, 585, 590, 604, 706 Satz, recycelter Hauptsatzrest 590  f. Hauptszenario 434  f. Hauptverb 68, 359 Head-marking Kopfmarkierung Herausstellung(sstruktur) Satzrand Herkunftsdirektivum 473 Direktivum Hervorhebungsakzent 335, 419  f., 588, 604, 634–637

Hierarchie 16–18, 38, 124, 128  f., 288, 595, 700, 711 Linearität Hilfsverb 48, 68, 74, 146, 357, 359, 367–371, 405, 412, 432, 435, 437–440, 499, 548, 632, 714, 727 Hintergrundkorrelat 593  f., 598  f., 604–606 Korrelat Holzschnittausmalungstechnik 180  f. Impressio Hörensagen Modalität Hypostasierung 762–765 I Identität 391–393 Kopula(verb) Identität 734, 738 Korrespondenz Identitätsgenitiv 760 Idiom 55  f., 160, 163, 164–166, 179, 244, 263, 266, 268 Phraseologismus Idiom-Akkusativobjekt 624, 641, 647 Idiomatizität 161, 312 Idiom-Konstruktion 268, 409  f. Illokutionspotenzial, optatives 158 Illusion, grammatische 56, 209  f., 767  f. Illustration 784  f. Vergleich Ikonizität 87  f. Imperativ 77, 145–147 Imperativprädikat 622 Imperativsatz 242, 274 Imperativsubjekt 623, 626, 633, 635, 655 imperfektiv 270, 434 durativ Implementation 667, 670, 687 Parenthese Implikatur, konventionelle 206  f. Impressio 27, 170, 180  f. Nichtsatz, Szenario inchoativ 315, 318–320, 344, 381, 384  f. Incredulty Response Construction Prädikationskonstruktion, nichtfinite indem-Nebensatz 554, 574 Infinitheit 42, 145, 151, 188, 408, 465 Afinitheit, Nichtfinitheit Infinitheitstyp 145, 151

Sachregister 

Infinitiv 30, 111, 144–146, 161, 163  f., 188, 266, 269, 273  f., 308, 317, 320  f., 323, 326–329, 333, 389  f., 397, 403  f., 432–434, 436  f., 440, 442  f., 449, 451, 493 Infinitivjunktor 104, 106, 146–148, 708, 713 Infinitivkomplement 442  f. Infinitivkonstruktion 16–18, 44, 71, 99, 102, 104, 106, 109–113, 121  f., 124–126, 128, 130, 146–148, 170, 216, 243  f., 281, 291, 321  f., 442  f., 465–467, 470, 496, 523, 531, 544, 550, 575, 581, 585, 590, 604  f., 706, 708, 715  f., 719  f., 757, 759 Infinitivkonstruktion, freie 146 Infinitivpartikel 105  f., 110, 306, 708, 711, 713–716, 718 Infinitivprädikat 122, 166 Infinitivprobe 165 Infinitivrektion 327 Infinitivsatz, dynamischer 146–148, 175 Inflektiv 145 Inkorporation 77, 111  f., 203, 273, 308, 400, 405, 425, 432, 497, 557, 787 Junktion Inkremention 227 Innovation 8, 50  f., 54, 438, 451, 526, 536–538, 543 Kreativität, Sprachwandel Insertion 667–670, 687, 775, 777 Parenthese Installation 667  f., 687, 775 Parenthese Instantiierung 163–166, 315 Instruktionsgrammatik 8 Instrumentaladverbial 6, 333, 425, 554, 563, 571, 573  f., 584, 642, 644  f. Insubordination 11, 153, 157–160, 170, 685 Integration(sgrad) Aggregation(sgrad) Intensifikator selbst 335, 639 Intensitätsattribut 22, 726, 764, 771  f., 781 Intensitätspartikel 205, 579–581, 648 Intensivierungskonstruktion 428 Interaktion 3, 54, 83, 92  f., 135  f., 138  f., 141, 144, 154,170, 188, 197, 239  f., 242, 777 Dialogizität Interjektion 66, 197, 240–242 Interjektionsausdruck 241  f., 246 Interpunktion 89  f. 138, 199  f., 204, 774 interrogativ 218, 662

 913

Intransitivität 51, 274  f., 306, 334, 336–338, 371 Transitivität Introglied 91–93, 95, 178  f., 197–199, 208, 231, 234, 242–246, 669 Kohäsionsglied Intro-Technik 178  f. Inversion 155–157 Irrealis 88 Irrelevanzkonditionaladverbial 244–246, 555, 578 Irrelevanzkonditional-Ausdruck 578 J Junktion 14, 79, 88, 198, 202  f., 213, 223, 226–228, 465, 557 Kohäsion, Konnexion, Verknüpfung Junktion, elliptische 213 Junktion, explizite 79, 88, 203, 223, 232, 465 Junktor 13  f., 93, 202, 213–219, 223–229, 231–235, 240 Adverbjunktor, Konjunktor, Partikeljunktor, Kohäsionsglied, Konnektor Juxtaposition 13 K Kasus, diakritischer 525 Kasusobjekt 283, 523, 716 Kasusopposition 601 Kasusrektion 522, 716, 733, 735  f., 738 Katadeixis 200, 219, 221, 243  f., 556, 585, 592, 597 Anadeixis, Deixis Katalepse 131, 170 Satz, virtueller Kataphorik 85, 585, 592, 598, 606, 637, 640 Anaphorik, Phorik Kategoremwort 280, 459, 488, 528, 633  f., 662, 722  f., 740 Pronomen kategorisch thetisch Kausaladverbial 172, 261, 284, 289  f., 296  f., 299, 474, 530, 542, 551, 554, 609, 671 Kausal(adverbial)attribut 754 Kausaladverbialkomplement 545

914 

 Apparat

Kausalkorrelat 602 Adverbialkorrelat Kausalnebensatz 296 Kausativität 275, 315, 318–320, 344, 366, 374, 382–385, 428  f., 440, 446–448 Rezessivität Kern 25, 75, 291  f., 294, 517, 580, 586, 594  f., 604, 650, 698–705, 709, 714, 718–732, 736, 739–742, 749  f., 752  f., 755, 758, 761–763, 765  f., 771, 774, 777, 780, 783, 786, 789 Kopf, Wortgruppenglied Kernverweis 723  f. Klammer(struktur) Felderstruktur, Satzklammer, Stellungsfeld Klassenzuweisung 165  f., 324, 359, 361  f., 391, 393, 406, 566 Klassifikatorkonstruktion 782 Klitikum 335, 354, 732 Koabsenz 573, 575 Kopräsenz Kodierung, autonome (Autokod, Textautokod) 26  f., 86, 120, 154, 158  f., 169, 171–175, 190, 502 Koerzion (coercion) 259, 568 Kohärenz (topologisch) 321, 330  f. Kohärenz (Textkohärenz) 781 Kohäsion 197, 199  f., 202, 204, 206  f., 585 Kohäsionsglied 14  f., 23–25, 27  f., 30  f., 33, 38  f., 46, 57, 66–68, 75, 79  f., 82, 84, 91–93, 95, 133, 138  f., 141  f., 170, 178  f., 185, 197–200, 202–204, 207  f., 210  f., 213–224, 227  f., 231–234, 239–243, 246, 258, 293, 297–299, 309, 312, 501, 552, 556, 584  f., 588, 623, 660, 663, 669, 697, 703, 707, 719, 751, 776 Kohäsionsglied(-Format), lexifiziertes 228, 240–246 Lexifizierung, Nichtsatz-Format, lexifiziertes  Satz-Format, lexifiziertes Kohäsionsmittel 28, 197–200, 202–204, 213, 227, 585, 589, 663 Koinonfeld 155  f. Apokoinu Kollokation 267, 314–316 Kollokativgefüge 264, 267, 305, 314  f., 320, 334, 478, 497 Funktionsverb(gefüge), Prädikat, einfaches

Kombi-Prädikativprädikat 640 Kombi-Satzglied 596–598, 603  f., 705 Ein-Feld-Satzglied Kombi-Satzklasse 152 Einfach-Satzklasse Komitativadverbial 187, 553, 574  f. Komitativ(adverbial)attribut 754 Kommentaradverb 43, 658 Kommentaradverbial 43, 256, 657 Kommentarglied 43, 45  f., 71, 90  f., 126, 141, 170, 172, 174  f., 207  f., 245  f., 256, 280, 288, 291–293, 297–299, 324, 420, 465, 516  f., 525, 552, 562, 584, 657–664, 679, 687, 751, 763  f. Kommentar(glied)attribut 764, 771  f. Kommentarmittel 243, 411, 663  f., 670, 679, 687, 775 Kommunikationsverb 666, 670–672, 675  f., 678 Kompaktheit 289, 292, 376, 383, 610–612, 651  f., 671, 679, 687 Kompetenz 3, 106, 665 Commonsense-Kompetenz, Wissen Kompetenz, soziokulturelle 154 Komplement 26, 41  f., 45, 47, 255, 260, 469, 544, 749 Grundvalenz, Supplement, Valenz(potenz) Komplement, peripheres 261, 277, 282, 294, 540–550 Komplement, zentrales 189, 295, 371, 470, 474–540, 544 Komplementarität 43, 50, 107–110, 114, 387, 415, 430, 589, 593, 599, 718, 730, 767, 787 Komplementerhöhung Valenzerhöhung Komplement-Format 188, 190 Slotstelle Komplementreduktion Valenzreduktion Komplexität 8, 11  f., 14, 16, 68, 71, 80  f., 99, 102, 106, 120–130, 151–153, 160, 197–199, 201  f., 212, 242, 265–268, 306  f., 309, 317, 320, 329  f., 367, 397, 408, 412, 437, 451, 466, 468, 589, 604, 700, 702  f., 706, 708, 719, 725  f., 728, 730, 742, 763 Komplexverb (Verbkompositum) 305, 307–311, 354, 398  f., 405, 412  f., 417, 422, 427, 440, 449, 497, 500, 617, 620, 650 Komplexverbakkusativobjekt 617, 620, 622, 624

Sachregister 

Komplexverb-Direktivum 417, 626 Komplexverb-Konstruktionsträger 409 Komposition 14, 202, 217, 267, 307  f., 413, 569, 589, 775, Kompositionalität 31  f., 160, 309  f., 408, 422, 444, 468, 578, 667, 701 Konditionaladverbial 243, 246, 554, 578, 583, 708 Konditionalnebensatz 87  f., 583, 668 Kongruenz 107, 280, 392, 636  f., 716, 728, 766  f., 774 Korrespondenz Kongruenz, semantische 529, 535, 537, 631 Konjunktion Konjunktor Konjunktionaladverb 202–204, 214  f., 217  f., 220 Konjunktionaladverbial 214–216 Konjunktor 14  f., 32  f., 80–82, 91, 138  f., 144, 197, 202  f., 207  f., 215, 227  f., 231–235, 238, 240, 703, 719, 733, 737 Junktor, Parajunktor, Subjunktor, Zwischenstelle Konnekt, externes/internes 203, 683 Konnektivpartikel 220 Konnektor 80, 99, 199, 202–204, 207, 212, 221–229, 233–235, 237, 239  f., 579 Abtönungspartikel, Formulierungsglied, Nähezeichen, Ordnungsglied, Parajunktor, Kohäsionsglied Konnektoradverb 202, 204, 214, 216  f., 231  f., 298 Konnexion 198, 204, 223, 228 Junktion Konsekutivadverbial 101  f., 127  f., 296, 299, 554, 577, 579 Konsekutivadverbialnebensatz 580 Konsekutiv(neben)satz 99, 101, 296 Konstruktion 6  f., 9, 40, 42, 48, 50, 53  f., 73, 121, 138, 144, 146, 149–151, 153  f., 158–161, 163, 190, 242  f., 263, 266–268, 270, 272–274, 276–279, 287, 291, 309, 329–331, 338, 343, 345, 352, 354, 357, 372, 382, 396–398, 402, 404–408, 414–416, 420  f., 423, 425, 428, 431–437, 439  f., 443–445, 448  f., 451  f., 489, 497, 508  f., 514, 527, 540, 543, 563, 565, 609, 615–617, 620–623, 626, 632  f., 635, 640, 643, 646, 648, 653, 655, 666, 671–673,



 915

676, 678, 685, 701, 704  f., 709, 754, 782 Konstruktion, dichte 186 Konstruktionsgrammatik 9, 42, 50, 52–54, 160  f., 404, 425, 428, 529, 531, 534  f., 643, 651, 653, 761 Konstruktionsübernahme 131, 136, 138–140, 144, 170 Satz, virtueller Kontaktsignal 197 Nähezeichen Kontamination 51–53, 406  f., 611, 617 Kontraikonizität 683  f. Kontrolle 321, 465 Kontrollverb 321  f., 330 Konverb 145 Adverbialsupplement konzentrisch 722, 766, 788  f. exzentrisch Konzessivadverbial 44, 243, 246, 554, 577, 582 Kooptation Discourse Grammar Koordination 13  f., 17, 80–82, 125, 129–135, 138–140, 143  f., 231, 235, 258, 335, 340, 347  f., 353  f., 363, 373, 376, 383, 388, 405, 422, 428, 460, 506, 511, 514, 527, 589, 680, 703, 707, 779 Parataxe, Parordination, Satz, virtueller Koordinationsellipse Satz, virtueller Kopf 25, 75, 290–292, 517, 594  f., 604, 698, 700–703, 705, 713–716, 718–732, 735  f., 738–742, 749–751, 755, 762  f., 767  f., 771, 780 Kern, Wortgruppenglied Kopfdoppelung 728 Kopfmarkierung (Head-marking) 788  f. Dependens-Markierung Kopf-Modifikator-Konstruktion 749 Kopf(vertretungs)attribut 766–769 Koprädikativ 564 Kopräsenz 572–574 Koabsenz Kopula(verb) 31, 73, 146, 149  f., 164, 176, 267, 317, 358  f., 361–364, 366–368, 372–385, 387, 389, 391–394, 405, 429  f., 435, 542  f., 564, 637, 639  f., 729  f., 734, 771 Prädikativ(um), Prädikativgefüge Kopulaausdruck 381  f., 384–387, 405, 487, 536, 542  f., 733, 738, 740, 784

916 

 Apparat

Kopulativpartikel 381  f., 386  f., 542  f. Kopulativpartikel als 381  f., 386  f., 487, 542, 570  f., 730, 734, 740 Kopulativpartikel für 734 Kopulativpartikel zu 387 Korrektur 139, 222, 635 Korrelat 78, 87–89, 177, 258, 261  f., 282, 289  f., 322, 333, 378, 418, 468, 470, 496, 528, 584  f., 590–593, 597, 599–602, 604–610, 715 Mikro-Präpositionalgruppe Korrelatquerbindung 612  f. Satzkreuzung Korrelatverbindung 78, 85, 87–89, 200, 453, 459, 469, 477, 536, 584  f., 587, 590–594, 598, 600, 602, 604, 612  f., 636, 702 Korrespondenz 714, 716, 734, 736, 738 Identität, Kongruenz, Rektion Kreativität 50, 52, 54, 161, 654 Innovation, Routine L lassen-Konstruktion 445–447 AcI-Konstruktion lassen-Konstruktionsträger (lassenPrädikat) 264, 411 AcI-Konstruktionsträger lassen-Prädikat lassen-Konstruktionsträger lassen-(Prädikats-)Akkusativobjekt 624 lassen-(Prädikats-)Präpositionalobjekt 625 Leerstelle 41, 160, 162, 164, 187, 261, 452, 586, 652 Slot(kategorie), Slotstelle, Valenzstelle Leerwort 742 Vollwort Leitlexem 561  f. Modalfeld Leitstruktur 466  f., 706 Lexifizierung 91, 160–162, 166, 171, 173, 175, 186–191, 198  f., 221, 228, 240, 242, 246, 315, 393, 584, 669, 678  f., 687, 780 Kohäsionsglied(-Format), lexifiziertes, Nichtsatz-Format, lexifiziertes Satz-Format, lexifiziertes Lexikalisierung 228, 238  f., 277, 311, 315, 345  f., 349, 361  f., 413, 415, 427  f., 449, 451  f., 526, 529, 531, 535, 718, 740, 780

Lexikalklammer 111 Satzklammer Linearisierung, diskontinuierliche 69, 79, 121, 124–126, 185, 289, 292, 459, 708 Linearisierung, gespaltene 289  f. Linearisierung, kontinuierliche 289 Linearität 104, 124  f., 130–132, 134, 140, 210, 220, 227, 288  f., 292, 459, 612  f., 664  f., 668  f., 767, 776–778 Felderstruktur, Hierarchie, Parenthese, Satzklammer, Wortstellung Linksversetzung 83, 392 Satzrand, Satzrandglied Literalisierung(sprozess) 104, 154, 323 Lokaladverbial 21  f., 34  f., 174, 347, 414, 425, 507, 524, 526  f., 546  f., 551, 553, 555–557, 563, 596, 631, 650  f., 668, 705, 708, 750, 752, 754, 756, 786 Lokaladverbialkomplement 767 Lokaladverbialparaphrase 461 Gegenstandsparaphrase Lokalattribut 22, 34  f., 750 Lokaldeterminativkonstruktionsträger (Lokaldeterminativprädikat) 264, 411, 439 Lokaldeterminativprädikat Lokal­ determinativ­konstruktionsträger M Mad Magazine sentence Prädikationskonstruktion, nichtfinite Makroebene 23–26, 36, 39, 151, 175, 268, 539 Textebene Makroglied 15, 33, 35–38, 46, 57, 66–68, 75, 81, 91, 112, 120, 142, 148, 170, 199, 202, 290–293, 297, 462, 464  f., 590, 604, 681, 703, 706  f., 712, 716, 719 Textglied Makro-Possessor 787–789 Mikro-Possessor, Possessor Makrovalenz(realisierung) 413, 788 Mikrovalenz(realisierung) Markiertheit 40, 74, 137, 150, 620, 675 Maßangabe (als Mikroglied) Numerativkonstruktion Maßangabe (als Satzglied) Dilativadverbial Maßangabe, freie Dilativsupplement Maßergänzung Dilativkomplement Matrixsatz 243, 666

Sachregister 

Medialität 274, 334–339, 352, 354, 357, 428 Reflexivität Medialkonstruktion 340, 343, 419–421, 655 Medialkonstruktionsträger (Medialprädikat) 263, 408–410, 418 Medialmarker 334, 344, 352  f., 357 Medial-Modaladverbial 622, 626, 655 Medialpassiv 354 Medialprädikat Medialkonstruktionsträger Medialsubjekt 476, 622  f. Medialverb (sich-Verb) 274, 277, 305, 307, 320, 334  f., 339  f., 342–350, 352–357, 374, 397, 408, 412, 418–420, 431  f., 437, 479, 622 Medialverb-Konstruktionsträger Medialkonstruktionsträger Mensuralergänzung Dilativkomplement Mesoebene 23, 26, 35  f., 38  f., 121, 146, 151, 170–172, 290, 465, 468, 482, 569, 697, 702, 749, 752  f. Mesoform 697, 700–703, 705–708, 712, 718–721, 742, 750, 773 Ausdruck, Infinitivkonstruktion, Nebensatz, Partizipialkonstruktion, Satzverbindung, Textsequenz, Wort, Wortgruppe, Wort(gruppen)kombination, Wortgruppenverbindung Mesoglied 33, 35, 38, 46, 67, 75, 126, 148, 202, 207, 227, 255, 288–293, 297, 299, 322, 341, 380, 402, 404, 408, 419, 432, 459, 464  f., 591, 594, 597  f., 657, 691, 697, 705–708, 713, 718–720, 749–751 Satzglied Mesokohäsion 202 Metafrage 297, 661 middle system Ein-Marker-Sprache, Zwei-Marker-Sprache Migration 667–669, 687, 775 Parenthese mihi-est-aliquid 7, 490  f. habeo-aliquid Komplexverb-Direktivum 417, 626 Mikro-Direktivum Komplexverb-Direktivum Mikroform 697  f., 712 Mikroebene 23, 26, 34  f., 37, 39, 57, 290, 569, 697, 700, 702, 716, 733, 749, 752  f., 785 Wortgruppenebene

 917

Mikroglied 33, 35, 37, 55, 112, 148, 202, 291, 321, 341, 380, 433, 597  f., 657, 667  f., 681, 697  f., 700, 702  f., 705–709, 712  f., 718– 721, 728, 742, 750  f., 763, 773, 777, 789 Wortgruppenglied Mikrokohäsion 202 Mikro-Makro-Dynamik 417, 427 Mikro-Possessor 787–789 Makro-Possessor, Possessor Mikro-Präpositionalgruppe 198, 217, 219  f., 228, 333, 528, 588  f., 593, 599, 602  f., 731, 737, 756 Korrelat Mikro-Satzglied 412  f., 417  f., 482, 539, 633 Mikro-Substantivgruppe 528, 586, 603 Mikrovalenz(realisierung) 416, 418, 482, 634  f. Makrovalenz(realisierung) Mitteilungseinheit Satz, orthographischer Mittelfeld 70–78, 80, 94–98, 102–107, 112  f., 155  f., 215  f., 230, 233  f., 290, 377, 421, 592, 598 Felderstruktur, Stellungsfeld Mittelfeld-es 485, 685  f. Mittelfeld-Partikeljunktor 229, 232–234, 240 Partikeljunktor Mittelhochdeutsch 281, 404, 432, 567 Modaladverbial 22, 127  f., 343, 419–421, 426, 546  f., 552  f., 555, 558–564, 566–573, 580, 584, 618  f., 652, 655, 661  f., 677, 718, 738, 767, 770, 785 Modal(adverbial)appositiv 770, 773, 785, 789 Modal(adverbial)attribut 754, 771  f. Modalausdruck 658 Modalfeld 561–563, 572 Leitlexem Modalisierung 266, 323 Modalität 323–325, 327, 338, 516 Modalitätskomplex 306, 328  f. Halbmodalkomplex Modalitätsverb Halbmodalverb Modalkomplex 69, 265–268, 306, 320, 323–326, 328, 334, 403  f., 408, 449, 516, 582, 729 Modalkonstruktion 163, 267, 329  f., 386, 449–451 Modalkonstruktionsträger (Modalprädikat) 264, 267, 411 Modalpartikel Abtönungspartikel Modalprädikat Modalkonstruktionsträger

918 

 Apparat

Modal(prädikats)subjekt 623 Modalverb 266, 320–329, 403–405, 412, 431, 440, 516  f., 618, 625, 651, 729 Modalverbkonstruktion 403 Modalwort 43, 141, 658–660 Kommentarglied Modifikation 422 Phraseologismus Modifikation 698  f., 749 Attribut Monotransitivität 336 Morphem 198, 218, 309, 435, 789 Mündlichkeit, konzeptionelle Nähesprache Mutation Sprachwandel N Nachbereich (syntaktischer Relationen) 751− 753, 755−757, 772 Vorbereich (syntaktischer Relationen) Nachbereich-Recycling 757 Nacherst-Adverbjunktor 205, 229 Adverbjunktor Nacherst-Partikeljunktor 229, 233 Partikeljunktor Nacherstposition 207−209, 214−216, 230, 233, 298 Vorerstposition, Vorfeld Nachfeld 70  f., 83, 87, 89  f., 96−98, 100−102, 104, 106, 111−113, 121, 137, 208, 592  f., 598, 776 Felderstruktur, Stellungsfeld Nachfeld-Satzglied 71, 90, 100 Nachsatzposition 80 Nachstellung 108, 209, 466, 666 Nachtrag 83  Satzrand, Satzrandglied Nachzeitigkeit Temporaladverbial Näheausdruck 240 Nähe-Distanz-Modell 86, 240 Nähesprache 93 Nähezeichen 92  f., 197, 223, 230, 234, 238−242 Narration Relativnebensatz, appositiver Nebenkern, appositiver 779 Nebenordnung Koordination Neben(satzbau)plan 518  f. Haupt(satzbau)plan, Valenzrealisierungsmuster Nebenprädikat 112  f., 122, 124−126, 130, 160

Nebensatz 11  f, 30, 37  f., 44, 68, 71, 87–91, 99, 101, 104, 106, 108–112, 114, 124, 125–127, 130, 146, 158, 160, 212, 241, 243, 289–191, 296, 321, 330, 434  f., 462, 464, 466, 467  f., 470, 496, 518, 531, 544, 550  f., 557  f., 571, 574–576, 578–582, 584  f, 590, 600–604, 606, 608–613, 641, 647, 651, 679, 684, 686, 708, 711, 714  f., 720, 728, 747, 749 Nebensatz, absolut-unintegrierter 680 Nebensatz, (un)eingeleiteter 36, 464, 466  f., 470 Nebensatz, weiterführender Relativnebensatz, weiterführender Nebensatz, generalisierender Gegenstandsparaphrase Nebensatz, indefiniter Gegenstandsparaphrase Nebensatzeinleiter 93, 201  f., 296, 711 Postponierer, Subjunktor Nebensatzklammer 104–114 Satzklammer Nebensatzprädikat 105−108, 110, 122, 309, 462 Nebensatzverbindung 125, 467, 715 Negation 6, 165, 308, 419, 492, 576, 659  f. Negativinstrumental 573 Negativkomitativ 573, 575 Nichtadverbialnebensatz 469 (Nicht-)Bedingung 246, 578 Nichtbezug 587, 589−591, 593 Deixis Nichtereignis 336, 359, 363  f., 374, 376, 385, 394 Ereignis, Szenarioklasse Nichtfaktizität 326 Nichtfinitheit 121, 146, 151, 188 Afinitheit, Infinitheit Nichtgenitiv 30 Nichthandlungsszenario 490 nichtinteraktiv 3, 135  f., 138, 154 Interaktion Nichtkompositionalität 309, 311  f. Nicht-Möglichkeit 323 Nichtnacherst-Adverbjunktor 229 Adverbjunktor Nichtrealisierung 41, 47, 259, 349, 378, 387, 416, 581, 617  f., 666, 736, 767 Realisierung(stypen) Nichtrealisierungszwang Obligatheit Nichtrekursivität 19

Sachregister 

Nichtsatz 14  f., 23−25, 27  f., 36−39, 55, 66−68, 70, 72, 78−82, 84, 86, 95, 121, 142, 149, 154, 167−171, 173−177, 179−192, 197−199, 207, 211, 239, 241  f., 244−246, 249, 312, 464, 673, 678, 687, 697, 707, 751, 776−778, 789 Existenzialnichtsatz, Prädikation, externe,  Nichtsatz, fragmentarischer Nichtsatz, fragmentarischer 84, 175  f., 183−186, 189, 244, 778 Nichtsatz, recycelter 464, 707 Nichtsatz mit Satzgliedbezug 84, 95, 776 Nichtsatzform 86, 778 Nichtsatz-Format, lexifiziertes 91, 161, 167, 171, 175, 186−191, 240, 242, 245  f., 678 Kohäsionsglied(-Format), lexifiziertes, Lexifizierung, Satz-Format, lexifiziertes Nichtsatzglied 23 Nichtsatzverbindung 81  f., 197  f., 211, 228, 707 Satzverbindung Nichtszenario 461 Nichtverbletzt 237  f. Nichtverweis 587−591, 593 Phorik Nichtweglassbarkeit 379, 516, 780  f., 789 Nische Parenthese(nnische) Nische, semantische 526, 529  f., 532, 534  f., 537, 542 Rolle, semantische, Semantik, signifikative Nischenbildung 531  f., 534  f., 540, 625 Nomen actionis 542 Genitivobjekt Nomen agentis 542 Prädikativ(um) Nominalgruppe Substantivgruppe Nominalisierung 273, 432, 494, 557, 719, 755, 761−763 Nominalisierungsverbgefüge 69, 73, 179, 244, 257  f., 267, 279  f., 305, 314  f., 334, 390, 497, 758 Kollokativgefüge Nominalkasus 432, 541, 549, 757, 759, 787 Nominalklammer 107 Satzklammer Nominalkorrelat 599, 601, 604, 610, 636  f. Adverbialkorrelat, Korrelat, Präpositionalkorrelat

 919

Nominalprädikat 264, 266−268 Nominativsubjekt 28, 477 Notwendigkeit 257, 261  f., 323−325, 329, 378, 400, 449−451, 486, 503, 619 Valenzrelation Nullkopula 375 Kopula(verb) Nullstelle Zwischenstelle Numeralklassifikation 782, 789 Numerativkonstruktion 774, 779, 781  f., 789 Appositivattribut, Apposition, partitive Numerusindifferenz 363 Numeruskongruenz 392, 728 Numeruskongruenztest 392 Numerusprofilierung 722 O Obersatz Hauptsatz Objekt 21, 29  f., 36, 111, 219  f., 271, 273, 280  f., 283  f., 340, 348, 351, 357, 379, 415, 459, 461, 469, 478, 485, 492, 495, 508, 523  f., 529, 536, 540, 544, 574, 606, 609, 631, 638, 640–643, 645–647, 655, 711, 731, 752–755 Objekt, Direktes 29, 488, 495 Akkusativobjekt Objekt, Indirektes 399, 460, 488, 492, 494, 525, 535 Dativobjekt Objekt, recyceltes Satzglied, recyceltes Objektdeixis 723, 742 Objekt-Ellipse Ellipse Objektfunktion 21, 99, 340, 348, 544, 550, 588 Objekthauptsatz 468  f. Objektinkorporation 308, 497 Objektkontrolle Kontrolle Objektnebensatz 4  f., 38, 202, 469, 606, 610 Objektsprädikativ 262, 267, 286, 364, 367, 385  f., 394, 423 Prädikativ(um) Objektsprädikativgefüge 306, 364–366, 374, 384  f., 394, 429, 734 Prädikativgefüge Objektwert 283, 467, 504, 531, 534, 612  f. Obligatheit 486, 544, 617  f., 714 Notwendigkeit Obligation 323, 449

920 

 Apparat

Österreich 107, 342, 356  f., 432  f. Offenheit 22, 78 Ambiguität Offline-Inversion 156  f. ohne dass-Nebensatz 575 ohne zu-Infinitivkonstruktion Infinitivkonstruktion Online-Inversion 155–157 Apokoinu, Koinonfeld Onlinesyntax 104 Operationsfeld-Satzglied Ein-FeldSatzglied, Kombi-Satzglied Operator 82, 589–591, 593  f., 596–598, 604 Orientierung Kontrolle Ordnungsglied 221–224, 230, 237, 240 Konnektor P Paradigma 34, 143  f., 390, 403, 724 Distributionsklasse Paradoxon, heuristisches 26, 476 Parajunktor 80, 82, 197, 231, 233–239, 321, 581–583 Konnektor Para-Konjunktion Parajunktor Parordination 81 Parataxe 235 Parenthese(nnische) 143, 663–668, 670, 673, 687, 775, 777  f. Delimitation, Insertion, Installation, Unterbrechung(sstruktur) Partikel 20, 92, 141, 192–196, 205–209, 225  f., 228–230, 232  f., 237, 301, 303, 305, 309–311, 381, 386, 397, 408, 412, 416–418, 430, 542  f., 580  f., 648, 694, 696, 707  f., 715, 720, 746, 748 Partikeljunktor 198, 224, 226, 229, 233  f. Junktor, Kohäsionsglied Partikelverb 68, 305, 307–311, 334, 367  f., 399, 408  f., 412  f., 416–418, 427  f., 452, 525, 625, 649  f. Partikelverb-Konstruktion 311, 428, 525 Partikelverbsprache 416 Partitivität 492 Partiturschreibweise 132  f., 144, 422 Distribution, Satz, virtueller

Partizip(ialgruppe) 145–147, 150, 273  f., 355, 360–362, 388  f., 439, 564–567, 570, 632  f., 717  f., 725–727, 741, 755, 765, 770  f. Partizipialkonstruktion Partizipantenrolle 4, 620, 631, 645 Rolle, semantische Partizipersatz 326 Partizipialattribut 765, 770 Partizipialkette 146  f. Partizipialkonstruktion 148, 170, 466, 550, 570, 574, 706, 708, 711, 714, 716–720, 757, 759 Partizip(ialgruppe) Partizipialsatz 121, 146–148, 150  f., 170 Partizipialstruktur, offene 150 Partizipsuffix 707  f., 720 Partizipverbkomplex Lokaldeterminativkons truktionsträger Passepartout-Verb 416, 429 Passiv 40, 55  f., 69, 144–146, 150, 274–278, 287, 315, 329, 335, 354, 360, 369–372, 385, 396, 400, 402, 406, 408, 415, 421, 435, 446  f., 476, 489, 494, 499, 563, 590, 607, 615–617, 622  f., 625–627, 629–632, 634, 649, 666 Passivhilfsverb 368, 370, 389, 632 Passivkategorie 274, 277, 431 Passivparaphrase 329 Passivprädikat 150, 442, 475, 617 Passivpräpositionalobjekt 617, 622, 763 Passivprobe 489–491, 505 Passivsatz 48, 50, 276  f., 231, 277, 335, 385, 484, 504, 563, 617, 619, 629, 631  f. Passivstruktur 53, 441, 766 Passivsubjekt 372, 476, 622  f., 626, 628, 631  f., 633 Passiv(um)perspektive 627 Patiens 4–6, 39  f., 42, 159, 172  f., 273, 276, 287, 399, 400  f., 414  f., 425  f., 441, 444–446, 479  f., 488  f., 498  f., 502  f., 532  f., 549, 618, 627–631, 633, 645–647 Handlungsgegenstand, Handlungssachverhalt Patienspassiv Akkusativpassiv Patienszentrierung 628 Patientivierung be-Verb Patientivität Handlungsintensität, skalare Perfekthilfsverb 73 perfektiv 318  f.

Sachregister 

Perfektpartizip 326 Perfektpassiv 372 Performanz(phänomen) 154, 157 Peripherie 87, 89, 161, 214, 244, 261, 267, 282, 284, 286, 294, 298  f., 312, 314–316, 319, 323, 328, 388  f., 574, 588, 623, 632, 739 Prototyp, Satzzentrum Periphrase 74, 209, 289, 366, 370, 437–439 permissiv 445–447, 449 lassen-Konstruktion Permutationstest Verschiebeprobe Personalartikel 724 Personalpronomen 200, 211–213, 375, 723  f. Persondeixis 723 Deixis Person-Ellipse Ellipse Perspektivierung 6, 8, 10, 39, 41, 269, 275, 318  f., 336, 347, 365, 371, 419, 479  f., 627, 785 Pertinenzakkusativ 521  f., 624, 655 Pertinenzdativ 501  f., 508, 514, 540, 556, 569, 623  f., 648, 652, 655 Pertinenzraum 556  f. Pertinenzrelation 515, 521, 556, 569 Pertinenzumszenierung 521 Phasenkomplex Halbmodalkomplex Phasenverb Halbmodalverb Phorik 85, 197, 200, 213, 217, 332, 585–587, 589, 591  f., 598  f., 787 Deixis Phrase 243, 291, 648, 698, 780 Wortgruppe Phraseologismus 162, 312, 377  f., 390, 414, 422, 452, 647, 738 Idiom Phraseoschablone 91, 161  f., 164, 186  f., 314 Nichtsatz-Format, lexifiziertes, Satz-Format, lexifiziertes Polylexikalität 312, 701, 738 Polysemie 269, 367, 526 Polyvalenz 269, 526, 646 Portmanteau-Junktor 218 Positionierungsprozedur 659 Positionsbezug 107  f., 112, 738  f., 783 Positionskategorie 111 Positionsrektionspotenzial 717 Possessivartikel 516  f. Possessivität 759–762, 766 Besitzverhältnis

 921

Possessivmarker 766 Possessivpronomen 516 Possessor 490, 514–517, 519, 787–789 Makro-Possessor, MikroPossessor Possessorattribut Genitivus possessivus Possessum 490, 514–518, 556 Postponierer 108, 296, 683, 685  f. Potenzialis 88 PPA-Konstruktion Präpositionalattribut Prädikat 3–9, 11  f., 16  f., 22, 26, 42  f., 45  f., 48–55, 68–70, 73  f., 96, 107, 110, 113, 122, 126, 135, 142, 150, 158–160, 162  f., 165  f., 173  f., 199, 207, 219, 243, 255–257, 262, 265–267, 270  f., 274, 276, 279–281, 284, 289, 292–294, 298  f. 305, 309, 311, 314–316, 322–324, 327, 329, 334, 341, 358, 363, 366, 372, 374–376, 379, 383, 385  f., 390, 394, 399, 405–408, 410, 412  f., 419  f., 422  f., 428–432, 438, 444  f., 449, 468, 470, 474, 476–480, 484  f., 489, 497, 500, 502, 504, 506, 508, 510, 518  f., 522, 526, 532  f., 539, 556, 563, 569, 582, 590  f., 604, 606, 615, 620, 622, 633–635, 640, 642, 649, 657, 662, 666, 674, 697, 708, 727, 730, 733  f., 740, 742, 751, 758, 784 Valenzträger Prädikat, dynamisches 48  f., 53, 144–146, 150, 163, 262, 267  f., 270, 273, 278  f., 287, 299, 307, 309–311, 330, 343  f., 352, 395–397, 402, 406–410, 412  f., 416, 418, 427  f., 431, 439–441, 443, 452, 497, 569, 615  f., 618, 621  f., 640 Prädikat, einfaches 263, 265–268, 270, 305, 307, 367, 437 Prädikat, komplexes 265–268, 306, 320, 329  f., 408, 437, 452 Prädikat, offenes Slot(kategorie) Prädikat, statisches 48, 144, 146, 149  f., 163–165, 176, 268, 278  f., 300, 305, 309, 315, 326, 334, 345, 384, 396  f., 402, 413, 422, 429  f., 439, 441  f., 452, 632, 649 Prädikat, synthetisches Verbform, synthetische Prädikat-Argument-Konstruktion 749 Prädikation, externe 84, 173, 175–179, 186, 244, 707  f. Nichtsatz

922 

 Apparat

Prädikation, interne 146, 149–151, 175  f., 180, 241 Satz, dynamischer Prädikationskonstruktion, nichtfinite 187–189 Nichtsatz-Format, lexifiziertes Prädikativ(um) 73, 149  f., 164  f., 176, 243, 245, 262, 266, 272, 286, 300, 320, 324, 355, 358, 362, 364, 367, 374  f., 377–379, 382, 384, 386–388, 390–395, 430, 477, 542  f., 559, 637–639, 729  f., 734, 769, 771, 784  f. Prädikativ, Freies 43, 284, 286, 430, 453, 550, 552  f., 564–567, 569  f., 584 Prädikativappositiv 770, 773, 784, 789 Prädikativattribut 769, 737, 784, 789 Prädikativgefüge 69, 73, 149  f., 176, 243  f., 264, 267  f., 306, 318  f., 334, 355, 358–360, 362–365, 367  f., 370, 372, 374–378, 380, 382–386, 389–391, 394, 405, 429, 478, 487, 640, 648, 729  f., 734 Prädikativkonstruktion(sträger) (Prädikativprädikat) 150, 164, 176, 405, 410, 430, 543, 640  f., 784 Prädikativprädikat Prädikativkonstruktion (sträger) Prädikativprobe 564, 566 Prädikativsatz 121, 146, 150  f., 170, 375, 639 Prädikation, interne Prädikativsubjekt 640 Prädikatsausdruck 307 Prädikatsdynamik 47, 278, 395–397, 399, 403, 406  f., 452, 616  f., 620 Prädikatsprobe 165 Prädikatsrealisierung, emphatische tun-Periphrase Prädikatsverb 273, 275 Präfixverb 305, 307, 309, 311, 334, 397, 408  f., 413 Präfixverb-Konstruktionsträger (dynamisches Präfixverb) 397, 408  f. Prägung, idiomatische 51, 91, 95, 160, 172, 178, 267, 428 Ausdruck, CommonsenseKompetenz, Verstehenspräferenz Prägung, syntaktische 91, 161 Präposition 108, 189, 202–204, 216, 218  f., 244, 309, 313, 318, 322, 386–388, 433, 493, 522, 525–530, 532–534, 536  f., 539, 542, 604, 631, 714, 716, 731–740, 753, 755, 758, 782  f.

Präposition, periphere 733, 735  f., 739 Präpositional(objekt)attribut 21, 752–754, 759, 765, 770 Präpositionaladverb MikroPräpositionalgruppe Präpositionalausdruck 32 Präpositionalgruppe 21  f., 27, 34, 71, 75, 106, 171  f., 174  f., 187, 189, 203  f., 216, 220, 228, 280, 308, 312–314, 317–319, 390, 459, 470, 510, 516, 522, 524, 527  f., 531, 534, 539, 550  f., 555, 558, 563, 570, 572, 574, 588  f., 593, 599, 602  f., 620, 631, 659, 662, 693, 695  f., 703–705, 716, 725, 727–729, 731  f., 735, 737–742, 745, 747–750, 752, 754–758, 762, 772, 775, 782–784, 786 dummy-Präpositionalgruppe Präpositionalkorrelat 599–602, 604  f., 610–612, 737 Korrelat, Adverbialkorrelat, Nominalkorrelat Präpositionalobjekte 16, 21, 219, 255  f., 261, 277, 279  f., 282–285, 312, 314, 322, 333, 349, 377, 401  f., 414, 425, 453–459, 461, 463, 472  f., 474  f., 479  f., 486, 492  f., 496, 504, 509  f., 522–531, 533, 536, 540  f., 544, 574, 588, 592  f., 599–601, 604, 614, 618  f., 625, 638, 640, 649–651, 655, 737, 752, 754, 758  f., 770 Präpositionalobjekt, dynamisches 277, 529, 535, 649  f. Präpositionskreation 759, 770 Präpositional(objekt)attribut Präpositionssimulat 740, 783  f. dummy-Präpositionalgruppe Präsupponiertheit (PRÄSUPP) 42, 260  f., 269, 399, 425, 512  f. Valenzrelation Präverbfügung 308 Präzisierung, thematische 86, 100, 103 Satzrand Pragmati(kali)sierung 238 Predicate Weight 367 Prädikativgefüge prepositional dative construction TransferAlternation Pro-Adverb 204, 661 Pro-Adverbial 661  f. Pro-Drop-Parameter 375 Mikrovalenz(realisierung)

Sachregister 

Pro-Form 156, 392, Progressivkonstruktion am-Progressiv Progressivkonstruktionsträger (Progressivprädikat) 263, 410 Progressivprädikat Progressivkonstruktionsträger Projektion 422, 664  f. Projektivität 714–717, 736–738, 767 Prolepse Linksversetzung Pronomen 199  f., 202, 204, 211  f., 217, 280, 482, 755 Pronominaladverb MikroPräpositionalgruppe Pronominalflexiv 724  f., 732 Pronominalisierungstest 392 Pronominalkonnektor Doppelagent Proposition 160, 214, 325, 486, 578 Szenario Pro-Präpositionalgruppe MikroPräpositionalgruppe Prosodie 159, 241, 335, 353 Nähezeichen prospektiv 529, 537, 625 Nische, semantische Protermphrase 722 Proto-Agens-Konzept 6, 444 Proto-Patiens-Konzept 6, 444 Prototyp 184, 308, 316, 350, 362, 389, 444, 450, 478, 504, 515, 643, 698, 700, 702 Peripherie Prozessorientiertheit 665–667 Pseudocleft(-Konstruktion/-Satz) Sperrsatz Pseudo-Disposition(sträger) 420 Q Qualitätsadjektiv 764 Quasi-Autokodierung 190 Prädikatsaffinität Quasi-Intransitivität 337 Medialität Quasikoordination 235 Parataxe, Parordination, Parajunktor Quasi-Numeralklassifikator 782, 789 Quasi-Transitivität 337 Reflexivität Quotativ 325 Epistemik, Modalkomplex Quotativpartikel so 673

 923

R Rahmenszenario 181 Rätsel, grammatisches 20  f., 637 Raumergänzung 519 Raumzeitwelt 556  f. Lokaladverbial Reaktiv 93, 240, 675 Responsiv Realisierung, diskontinuierliche Linearisierung, diskontinuierliche Realisierung, elliptische 74–76, 79, 140, 170, 175 Realisierung, emphatische 75  f. 79, 437  f., 634 Realisierungszwang Obligatheit Rechtsversetzung 83, 87, 92 Satzrand, Satzrandglied Recycling 35–38, 92, 112–114, 128, 290  f., 465, 585, 589–595, 597–599, 604, 702, 705–708, 711  f., 716–720, 727  f., 749, 751, 753–755, 757, 759, 761  f., 765, 768, 777, 784 Translation Recyclator 290, 697, 708  f., 712–718, 720, 728, 751 Translator Rede(wiedergabe) 35–38, 109, 464, 670, 676, 706 Redeanzeige 411, 641, 663  f., 666, 670–679, 687 Redeanzeige-Konstruktion 671  f., 677 Redeanzeigekonstruktionsträger (Redeanzeigeprädikat) 411, 671, 675 Redeanzeigeprädikat Redeanzeigekonstruk tionsträger Rederechtssignal 240 Nähezeichen Reduktionstest 329–333 Referent 6  f., 137, 336  f., 423, 434, 566, 733 Referenz 137  f., 172, 176, 638 Referenzidentität 177, 783 Reflexivität 274, 334–339, 350, 352, 354, 357, 428, 639 Medialität Reflexivpassiv Medialpassiv Reflexivmarker 334, 348, 351–355 Medialmarker Reflexivverb Medialverb Regens 110, 166, 189, 266, 297, 529, 686, 736, 774

924 

 Apparat

Rektion 257, 262, 308, 320, 327, 378, 400, 486, 503  f., 522, 539, 716, 734  f. Korrespondenz, Spezifizität, formale Valenzrelation Rekursivität 19, 23, 31, 34  f., 38, 700 Funktion-Argument-Wert-Formel, Wert Relation, ikonische 76, 87  f. Relation, paradigmatische 278, 676 Relation, (satz)semantische 88, 197, 211–215, 217, 219, 223  f., 228, 238, 365, 529, 683, 687 Einbettung, Verknüpfung, Zusatz Relation, syntagmatische 734, 738, 783 Relation, syntaktische 99, 365, 751 Relativnebensatz 37  f., 50, 82, 102, 212, 636  f., 641, 656, 680  f., 699  f., 710–712, 770 Relativnebensatz, appositiver 680  f., 687 Relativnebensatz, nichtrestriktiver 680 Relativnebensatz, weiterführender 99, 212, 465, 663  f., 679–687 Relativpartikel 716 Relativpronomen 31, 104, 106  f., 200  f., 212, 528, 586, 637, 680–682, 711  f., 714, 716 Relativsatz, freier Gegenstandsparaphrase Relativwort 202, 204 Relatum 5, 93, 112, 170, 212, 324  f., 478  f., 514, 517, 551  f., 705, 751, 785 Relevanzkonditional 555, 583  f. Relevanzprinzip 259 Reparaturinitiierung 188 Responsiv 141, 197, 240 Reaktiv Restriktivadverbial 579 Exzeptivkonditional Resultativakkusativobjekt 624 Resultativkonstruktion 270  f., 278, 352, 384, 396, 398  f., 410, 422–428, 430 Resultativkonstruktionsträger (Resultativprädikat) 49, 263, 265, 267, 271, 273, 399, 410, 423–428, 430, 519 Resultativpatiens Handlungsresultat Resultativprädikat Resultativkonstruktionsträger Resultativum 368 Resultatszustand 361 Retransitivierung 676, 678

Rezessivität 275, 344, 366, 374, 382–385 Kausativität Rezipient 7, 39  f., 276, 414, 488, 502  f., 506, 509, 532  f., 627–631 Rolle, semantische, Semantik, signifikative Rezipientenpassiv Dativpassiv Rezipienten-zentrierend 39, 627–629 Reziprozität 335, 347–349, 352 Rhema Thema-Rhema-Gliederung Rhemasatz, dynamischer 189 Richtungsadverbial Direktivum Richtungsdirektivum 473, 652 Direktivum Rolle, semantische 4–8, 39–43, 47, 52–54, 173  f., 257, 270, 271–273, 276, 335, 371, 378, 383, 400, 414, 425, 443–446, 448, 478, 480, 486, 488, 491, 494, 503, 506–509, 511, 514, 530, 532–535, 563, 618–620, 627–631, 761 Nische, semantische, Semantik, signifikative Rollenzuweisung 6, 444, 566, 785, 789 Routine 50, 52, 312 Kreativität Rückbezug 337  f., 345, 357 Reflexivität Medialität Rückbildung 308 Ruge-Periphrase 438  f. tun-Periphrase S Sachverhalt, einzelsprachlicher Szenario Sachverhaltsbeteiligung Beteiligtheit Sachverhaltsexistenzialnichtsatz 182  f., 186 Existenzialnichtsatz Satz Satz, grammatischer Satz, dynamischer 47, 115, 121, 144, 146, 151  f., 154, 162, 175, 241, 268, 274, 287, 324, 475, 497, 514, 521, 615, 618, 620  f., 629, 666, 670, 678  f. Satz, einfacher 12, 26, 99, 122–124, 151, 201, 212, 466, 706 Satz, fragmentarischer verbloser Nichtsatz, fragmentarischer Satz, grammatischer 11  f., 14, 26  f., 66, 115–153, 157  f., 169, 171, 178, 255, 258 Satz, komplexer Satzgefüge Satz, orthographischer 11–13, 15, 99, 120

Sachregister 

Satz, prozessualer verbloser Direktivum, verbloses Satz, statischer 47, 50, 53  f., 149, 151, 154, 158  f., 162, 475, 497, 513  f., 521, 540, 617, 619, 621, 667, 670, 687, Satz, strukturgestützter verbloser Satz, virtueller Satz, virtueller 130–144, 151  f., 170, 174  f., 185, 235, 422, 636 Satzadverb 43 Kommentarglied, Modalwort Satzadverbial 43, 214, 552, 657–660, 662, 783 Kommentarglied Satzäquivalent 140, 197 Kohäsionsglied Satz(bau)plan 42, 475, 514, 519, 561, 621 Haupt(satzbau)plan,  Neben(satzbau)plan, Valenzrealisierungsmuster Satz-Einbettung Einbettung Satzfokus 42, 47  f., 399 Satz-Format, lexifiziertes 91  f., 116, 160–162, 166, 186  f., 241, 393 Kohäsionsglied(-Format), lexifiziertes, Lexifizierung, Nichtsatz-Format, lexifiziertes Satzgefüge (komplexer Satz) 11  f., 26, 122, 124, 129  f., 151, 212, 466, 589, 703, 706, 708 Komplexität Satz-Glied 293, 298  f. Satzglied 3, 8, 11, 33  f., 36, 42  f., 86, 99, 121, 129, 170, 214, 257, 290, 518, 661, 686, 778 Satzglied, dynamisches 48, 54, 146, 259, 268, 420, 427, 476, 480, 521  f., 539, 569, 629, 614–623, 630, 654, 660 Dynamik Satzglied, recyceltes 36, 128  f., 202, 322, 402, 708, 715, 751, 753 Recycling Satzglied, sekundäres 291, 518, 590 Satzglied im engeren Sinne 42, 45  f., 71, 76, 146, 256, 279, 282, 284, 413, 657, 660, 720, 749 Satzglied im weiteren Sinne 46, 126, 255, 293, 297, 708, 720 Satzglied-Einbettung Einbettung Satzgliedprobe 127, 502, 504  f., 514, 521, 550

 925

Satzgliedwert 70, 90, 114, 347, 422, 460, 462, 467–469, 477, 487  f., 491, 500, 510, 517, 528, 532, 534, 547  f., 562–564, 567–570, 574, 585, 589, 591, 593  f., 600, 602, 604–606, 612, 619–621, 631, 703, 705, 758, 786 Funktion-Argument-Wert-Formel, Wert Satzgrenze 12  f., 24, 67, 70, 123 Satzklammer 61, 67–70, 74, 76–79, 83, 94, 96–98, 101–108, 111–114, 121  f., 154–156, 170  f., 207, 209  f., 289, 308  f., 311, 376  f., 437, 559, 673  f. Felderstruktur, Stellungsfeld Satzkomplexität Komplexität Satzkreuzung 453, 459, 467, 605, 612  f. Satzperipherie 256 Satzzentrum Satzperspektive, Funktionale ThemaRhema-Gliederung Satzrand 61, 67, 71, 83  f., 86–91, 93–98, 100, 102–104, 121, 144, 154–156, 170, 178, 197, 208, 210, 242, 244–246, 578  f., 592  f., 776–778 Satzrandglied 61, 67, 83–87, 89  f., 92  f., 95, 102–104, 121  f., 140, 142  f., 170, 177, 197, 776–779 Aggregation Satzverbindung 12, 80–82, 129  f., 146  f., 197  f., 211, 213, 227, 235, 258, 297, 376, 405, 422, 466  f., 706–708, 719  f. Nichtsatzverbindung Satzzentrum 255  f., 296, 298  f. Satzperipherie Scheinbedingung 87  f., 578 Irrelevanzkonditional Schlussfeld 112  f., 322 Verbkomplex Schriftlichkeit 3, 106, 120, 137, 206, 239, 664, 675 Schweiz 356, 384, 432  f. sein-Passiv 370–372 sein-Perfekt 368, 370, 436, 632 Sekundärform 31–35, 37  f. Sekundärfunktion 535  f., 540, 547 Sekundärwert 32, 36–38 Funktion-Argument-Wert-Formel, Recycling, Wert

926 

 Apparat

Semantik, denotative 5  f., 39, 324, 478  f., 494, 506, 509, 532  f., 560, 563  f., 618, 633, 649, 761 Semantik, signifikative 5–7, 39  f., 121, 135, 173, 270  f., 275  f., 324, 336, 360, 362  f., 371, 382, 394, 414, 419, 444, 447  f., 478–480, 489– 491, 493, 506  f., 509–511, 532  f., 535, 549, 560, 562–564, 571, 620, 630  f., 761, 785 Rolle, semantische, Nische, semantische sich-Verb Medialverb Simplexverb 305, 307, 311, 315, 334, 397  f., 403  f., 408  f., 412, 414  f., 479, 500, 625  f., 651 Situativadverbial 43–45, 284, 286, 296, 299, 434, 451, 460  f., 527, 545, 549–555, 557  f., 573, 584, 786 Verhältnisadverbial Slot(kategorie) 162, 164–166, 187  f., 398, 407, 414, 425, 451  f. Leerstelle, Slotstelle Slotstelle 187  f., 190 Leerstelle, Slot(kategorie) Solidarität, lexikalische 426, 643–645 Spezifizität, inhaltliche Spaltsatz (Cleft) 50  f., 268, 278, 324, 431, 623, 626, 635–641, 655 Fokuskonstruktion Sperrsatz (Pseudocleft) 431, 582, 615, 626, 635, 641, 655 Spezifikation 391  f., 639 Kopula(verb) Spezifizität, formale (FOSP) 257, 261  f., 378, 400, 486, 503 Rektion, Valenzrelation Spezifizität, inhaltliche (INSP) 257, 261  f., 378, 400, 486, 503, 643 Valenzrelation Spezifizierung Attribut, Modifikation Splitting 561  f. Modalfeld Sprachwandel 236, 536–538 Sprachzeichen 8  f., 20  f., 33, 106, 134, 149, 160, 165, 173  f., 198  f., 202, 205, 220, 230, 238, 321, 358, 368, 379  f., 435, 468, 482, 579, 630, 661, 723, 729, 735, 764 Sprechakt-Adverbial 583, 669 Sprechaktverb 347 Sprechereinstellung 288, 658  f. Kommentarglied

Standardsprache 40, 106, 438, 541, 787, 789 Standardvarietät, (binnen)deutsche 432  f., Standardvarietät, österreichische 107, 342, 356  f., 432  f. Standardvarietät, Schweizer 356, 384, 432  f. Standpunktkonstruktionsträger (Standpunktprädikat) 411, 468 Statik 50, 52  f., 144, 162  f., 268, 278  f., 309, 336, 416, 427, 429, 522, 534, 539, 629, 631, 653 Dynamik Stelle 67, 104 Feld(begriff), Satzrand, Zwischenstelle Stellungsfeld 61, 67, 69  f., 76–80, 84, 92, 94, 96, 98, 101, 121  f., 137, 155  f., 170  f., 207  f., 210, 214, 437, 578, 583, 668, 674, 776, 778 Stellungsfeldermodell 70, 78, 83, 98, 104, 159 Feld(begriff), Felderstruktur, Satzklammer Stellungstest 435 Stellvertreter-Modaladverbial 626, 655 Stoffsubstantiv 782 Streckverbgefüge Kollokativgefüge Strukturellipse Ellipse Subjekt 3–9, 11, 16  f., 22, 25  f., 29  f., 39, 41  f., 48, 51–53, 56, 71, 77, 80, 85  f., 100–102, 108, 111  f., 126–129, 131, 133, 138, 140, 144, 149  f., 156, 164, 166, 170, 173–176, 187  f., 201  f., 205, 227, 255, 257, 259–262, 269, 271, 274–276, 279–281, 285, 287, 289  f., 294  f., 314, 317, 319, 321, 323  f., 327, 333, 335, 337  f., 347–349, 365, 371  f., 374, 378  f., 390, 392, 406, 412, 414  f., 419–421, 423, 425, 430, 441  f., 459, 461, 467–470, 475–488, 490  f., 494, 502–504, 506, 508–510, 512, 516, 518  f., 523, 525, 532, 535, 539  f., 546, 563  f., 593, 599–601, 605  f., 609, 612  f., 619  f., 622–624, 627–631, 633–635, 637–640, 652, 697, 708, 711  f., 715, 734, 740, 751, 757, 759, 761 Subjektlosigkeit 475, 477, 481  f., 484–486, 540 Subjektnebensatz 38, 467, 471, 606, 610, 622, 711 Subjektparaphrase 460, 471 Gegenstandsparaphrase Subjektrealisierung 274, 482  f., 487, 633–635 Subjektsimulation 477, 482, 484–487, 491, 539  f., 739

Sachregister 

Subjektsinfinitiv 111, 129, 471, 711 Subjektspaltung 289  f. Subjektsprädikativ 262, 267, 385  f., 487 Prädikativ(um) Subjektsprädikativgefüge 300–304, 306, 351, 358, 364  f., 380  f., 389, 393, 477, 571, 734 Prädikativgefüge Subjektsprädikativ–Konstruktion 385  f. Subjektsresultativ 355 Subjunktionsausdruck 32 Subjunktor 32, 44, 88, 93, 104, 106–110, 112, 114, 158, 197, 202, 204, 218  f., 235, 237–239, 291, 296, 321, 467, 557, 575, 580, 602, 611– 613, 683, 706, 708, 713–715, 720, 733, 755 Subordination 99, 465, 470, 680 Substitutivadverbial 554, 584 Substantivgruppe 8, 21–23, 28–30, 36, 38, 50, 85, 106, 108, 171–174, 177, 187, 200, 211  f., 259, 279  f., 313, 319  f., 340, 380, 386, 432, 459, 463, 477, 489, 491, 497, 500  f., 515, 517, 528, 538, 541, 544, 547, 550, 564, 568, 570, 586, 594–597, 603, 619  f., 629, 631, 636  f., 642, 645, 647, 693  f., 696, 698, 700, 702–705, 719, 721–725, 728, 730–732, 734, 736, 740–742, 745  f., 748  f., 750, 753, 755, 757, 758, 761–769, 774, 777–782, 784–787, 789 Substanzausdruck Artangabe Substitution 406  f., 533, 617 Substitutionstest Ersatzprobe Supplement 43–46, 74, 126, 128, 170, 172–175, 187–191, 205, 207  f., 216, 256  f., 260  f., 277, 280–282, 284, 286, 293, 296, 298  f., 414, 421, 425, 434, 453, 470, 507, 525, 534  f., 544–546, 549  f., 552  f., 556, 584, 602, 610–612, 620  f., 655, 657, 662, 671, 709, 717, 720, 749, 767, 771  f., 783  f. Komplement Supplement-Format Slotstelle Suppletion Periphrase Symbolfeld-Satzglied Ein-Feld-Satzglied, Kombi-Satzglied Syntaktizität, verminderte 83 Szenario 5–7, 26  f., 37–49, 54, 74, 88, 121  f., 126, 135, 144  f., 151, 158–160, 170  f., 172, 201, 204, 211–214, 216  f., 219, 223, 226, 243–246, 255  f., 258, 261  f., 265, 268, 270, 272, 275  f., 284, 288, 290  f., 295–298, 314, 316, 318  f., 322–325, 327, 330, 332,

 927



336  f., 347, 355, 357, 359, 365, 371  f., 375  f., 384, 393, 416  f., 425, 433, 435, 444, 460, 462–465, 486, 490  f., 496  f., 499  f., 502, 505, 507  f., 510, 512  f., 514, 521, 526  f., 529, 531, 533–536, 538, 542, 544, 546  f., 550–552, 556  f., 560, 565  f., 569  f., 572, 574–577, 582, 587–589, 591, 606, 609, 626, 652, 657, 659, 663, 666, 670, 682, 684, 758, 764, 767 Anszenario, Umszenario Szenarioabwandlung Umszenierung Szenariobeteiligung Beteiligtheit Szenariodifferenzierung 526, 535  f., 540, 547 Szenarioentwurf (Szenierung) 40–42, 47, 172, 256, 265, 279, 334, 358, 366, 374–377, 383, 487, 499, 569, 609  f., 626, 758, 764 Szenarioklasse 324, 336, 361, 363  f., 382, 399, 400  f., 412, 630 Ereignis, Nicht-Ereignis Szenariokommentierung Kommentarglied Szenariokomplementierer Komplement Szenariokomplementierung 42, 172, 334, 487, 527, 531 Komplement Szenariokomprimierung 432 Szenariokontextualisierer Supplement Szenariokontextualisierung 43, 45, 172, 284, 532 Supplement Szenario-Konzept 39  f. Szenarioraum 338, 556  f. Szenariorealisierung 387, 465  f., 585, 588  f., 591, 594, 596  f., 602, 716, 762–764 Szenario-Rolle 40 Szenariosituierung Situativadverbial Szenariotest 258  f. Szenariozentrum Satzzentrum Szenierung Szenarioentwurf T Tätigkeit 3, 51–53, 270  f., 336, 345–347, 359, 371  f., 383, 394, 414, 425, 434, 480, 503, 507, 534, 665 Tätigkeitsperspektive 626  f. Tätigkeitsprädikat 52, 361, 400  f., 413, 646  f. Tätigkeitsträger (Akteur) 51–53, 270, 371, 414, 627, 643 Rolle, semantische, Semantik, signifikative

928 

 Apparat

Tätigkeitsverb 51  f., 347, 401, 478, 572, 644, 647 Teilidiom 312–314 Idiom, Phraseologismus telisch perfektiv Temporaladverb 33 Temporaladverbausdruck 32 Temporaladverbial 21, 32  f., 43  f., 71, 76, 100, 143, 172  f., 204  f., 216, 234, 256, 260, 284, 289, 393, 419, 461, 474, 546, 553, 557  f., 582 Temporaladverbialparaphrase 461 Gegenstandsparaphrase Temporalattribut 75, 786 Adverbialattribut Tempus 68  f., 74, 111, 145, 149, 199  f., 204, 265, 326, 358  f., 367–370, 436–438, 730 Textadverb 202, 204, 220, 552 Kohäsionsglied Textadverbial 552 Kohäsionsglied Text-Anadeixis Ordnungsglied Textdeiktikon Ordnungsglied Textebene Makroebene Texteinheit 13  f. Textglied 14  f., 18, 23  f., 26–28, 30, 32, 38  f., 46, 66, 68, 78, 80, 112, 120, 138, 158  f., 168–173, 197, 205, 207, 210, 216, 239  f., 240, 242, 246, 312, 465, 507 Makroglied Textglied, autonom kodierendes Satz, grammatischer Textglied, kohäsionsstiftend 28 Textgrammatik 28 Textinterpretation, semantische 18, 46 Text-Katadeixis Ordnungsglied Textkohäsiv 28, 30  f., 197, 208, 223 Textordnung Ordnungsglied Textorganisation 81  f., 220 Vertextung Textorganisator Konnektor Textproduzent 43, 313, 323  f., 468–470, 512, 560, 563, 590, 595, 601, 618, 657, 718 Textraum 200, 221, 589 Verweisraum Textrezipient 560, 568 Textsemantik 9, 297

Textsequenz 27, 35–38, 66, 82, 178, 181, 198, 220  f., 231, 464, 750 Textverkettung 82, 197  f. The One per Sent solution 493, 760 Einmaleins der Satzgliedlehre Ein-Kasus-pro-Satz-Prinzip Thema, Freies 83 Satzrand, Satzrandglied Thema, intellektuelles 530 Nische, semantische Thema-Rhema-Gliederung 137, 290, 546 Thematisierungsausdruck 84–86, 92, 100  f., 103, 142, 177, 776  f. Satzrandglied thetisch 181–183, 372 Topikalisierung 73  f., 77  f., 97, 111, 294, 377, 392, 437, 786 Stellungsfeld, Vorfeld Topikalisierungstest 311 Topik-es 112, 484  f. Topik-Muster 188 Ausdrucksmodell, syntaktisches Trägersequenz Parenthese Transfer-Alternation (Dat/an+AkkAlternation) 509, 511, 513 Transformation  Ableitungsbeziehung Transitivierer 316 Transitivität 334, 336–339, 350, 357, 371, 444, 489, 492, 498  f., 513 Intransitivität Transitivitätsreduktion Medialisierung Translator 358, 709, 711–713, 720 Recyclator Translation 35, 112, 354, 358, 527, 709–713 Recycling Transparenz, semantische 34  f., 37  f., 290, 465 Recycling tun-Periphrase 74, 209, 437–439 Ruge-Periphrase U Umdistribution 650  f. Distribution, Distributionsklasse Umkategorisierung 273, 328, 403–407, 412, 423, 430  f., 617  f. Valenzträgeränderung Umperspektivierung 275, 372, 627  f. Umszenierung

Sachregister 

Umpolung 478–482, 485, 490 Empfindungsprädikat, Generalisierung, Subjektlosigkeit Umstellungsprobe Verschiebeprobe Umszenario 159, 505, 514, 521, 535 Szenario Umszenierung 47  f., 52, 54, 144  f., 151, 158  f., 162, 256, 258, 265  f., 268–270, 272  f., 274–277, 279, 284, 287, 320, 329  f., 386, 399  f., 422, 441, 476, 489, 504, 513  f., 520  f., 530, 535, 615, 617–621, 627, 629–632, 649, 653, 655, 666 Szenarioentwurf Univerbierung 307  f. unmarkiert (natürlich) 134, 150, 177, 270, 276  f., 289, 316, 327, 436 Unterbrechung(sstruktur) 125  f., 129  f., 208, 289, 549, 664  f., 775 Parenthese Unterordnung 44, 99, 124–130, 733 Subordination Unterordnungsgrad Einbettungstiefe Unterspezifikation 295 V Vagheit, diathetische 355 Valenz(potenz) 256, 400, 423, 487, 497, 591, 736 Valenz(realisierung) 41  f., 47–50, 54, 75  f., 144, 151, 170, 268, 270, 400, 432, 482–486, 512  f., 518, 539, 610, 617, 634, 644, 654, 736, 739, 765 Valenzänderung 47, 399, 402  f., 406  f., 415, 423, 425, 442, 513, 617 Valenzerhöhung, Valenzreduktion Valenzdynamik 47, 50–54, 144, 190, 269  f., 276, 278  f., 443, 514, 520  f., 530, 535, 616, 618–621, 629, 648, 653  f. Umszenierung Valenzerhöhung 47  f., 53, 271, 276  f., 399–401, 403–406, 415, 440, 514, 518, 617, 642, 651  f. Valenzänderung Valenzerweiterung Valenzerhöhung Valenzintuition 258, 260  f., 378 Valenz-Nichtrealisierung, definite 142 Valenzrealisierung, fakultative 399

 929

Valenzrealisierung, strukturelle 50, 53, 75, 413, 416, 482, 487, 788 Valenzrealisierungsmuster 41  f., 47, 51  f., 278, 311, 406, 412  f., 495, 514, 520, 621, 647 Haupt(satzbau)plan,  Neben(satzbau)plan Valenzreduktion 47  f., 269, 272, 276  f., 399  f., 402, 406  f., 412, 415, 513, 591, 617  f., 666 Valenzänderung Valenzrelation 257  f., 260, 262, 294, 378, 425, 486, 503  f., 506, 539, 546, 619 Valenzsimulation 484, 739 Valenzstatik 47–49, 51–54, 144, 160, 276, 279, 513  f., 518, 520  f., 529  f., 535, 615  f., 618–621, 629, 648, 655 Szenierung Valenzstatus 282, 284, 506 Valenzstelle 41, 159, 260  f., 275, 281  f., 452, 463, 478  f., 500, 591, 594–596, 604, 609  f., 764 Leerstelle Valenzstruktur Valenzrealisierungsmuster Valenztheorie 40, 42  f., 45, 47, 50, 52–54, 256  f., 259, 277, 281, 402, 407, 477, 505, 516, 520, 522, 532  f., 651, 653, 739 Valenzträger 26, 41, 45, 74, 162, 219, 256–258, 260–262, 266, 269, 271–274, 281, 311, 313–315, 374, 378  f., 402, 413, 416, 420  f., 431, 442–446, 464  f., 467, 479, 486–489, 491, 493, 495–497, 503, 506, 508, 511–514, 518  f., 521  f., 526–529, 536, 539  f., 546  f., 549  f., 561  f., 572, 591, 601, 621, 643–647, 749 Prädikat Valenzträger, konstruktioneller 263, 266  f., 273 Valenzträger, lexikalischer 263, 266, 407, 409 Valenzträgeränderung 47, 399, 402  f., 406  f., 423, 617 Valenzträgererweiterung, Valenzträgerreduktion Valenzträgerdynamik 396, 443  f., 451, 497, 616, 620  f. Valenzträgererweiterung 403  f., 406, 423, 425 Valenzträgeränderung Valenzträgerkontamination 53 Valenzträgerreduktion 403  f., 406 Valenzträgeränderung Variation 222, 422

930 

 Apparat

Verb 4  f., 7  f., 30, 40–43, 47, 49, 51  f., 54, 68  f., 74, 88, 110, 144, 151, 153, 158, 160, 163, 177, 181, 183, 209  f., 219, 257, 260  f., 267, 269, 271, 274  f., 281, 290, 295, 307–309, 311, 313  f., 316, 318  f., 321–323, 326–330, 332, 337  f., 340  f., 343, 345–350, 352–360, 367, 369–375, 379, 381  f., 384, 390, 397, 401, 403, 405  f., 412  f., 423, 426  f., 430–434, 439  f., 442–446, 461, 463, 468  f., 475, 477–479, 481  f., 484  f., 489, 491, 493–497, 499  f., 502–506, 509, 512  f., 519  f., 526, 529–531, 534, 536  f., 540  f., 543  f., 546–549, 561  f., 600, 604, 631, 637, 641–647, 652  f., 665  f., 671, 674, 677  f., 709, 711, 713, 717  f., 729  f., 738, 752, 754–757, 761, 764 Verb, didaktisches 494 Verb, endoaktives Antikausativum, Endoaktivität, Rezessivität Verb, labiles 275, 344, 366, 468  f., 567 Kausativität, Rezessivität Verb des Gebens und Nehmens 502–504 Verbalgenitiv Genitivobjekt Verbalgenus 69, 145, 274, 335, 358, 369–371, 626, 730 Diathese, Passiv Verbalgruppe 432, 727–729, 731 Verbalgruppe, recycelte 727 Verbalhandlung 42, 47, 335, 399 Verbalisator Kopula(verb) Verbalkasus 432, 541 Verbalklammer Satzklammer Verbalknoten, oberster 12, 158 Hauptprädikat Verbalkomplex 726–731, 740–742, 749 Verbalperiphrase 265, 727 Verbalprädikat 263, 266  f. Valenzträger Verbativobjekt 281  f., 286, 294, 473, 496  f., 544, 549  f. Verbbedeutung 4, 445, 509, 520  f. Verb der Körperpflege 338, 352, 354  f. Verberst-Redeanzeige 678 Redeanzeige Verberst(satz) 70, 77–79, 104, 106, 108–110, 114, 666, 673, 687 Verbform 68, 77, 144  f., 150  f., 269  f., 273, 353, 359, 396, 436, 483, 633–635, 717, 726

Verbform, analytische 145, 369  f., 714, 727  f., 730  f. Verbform, synthetische 96, 108, 289, 726, 728 Verbindungspossessivum 789 Verbindungswort Junktor Verbkomplex 105, 108, 110, 257, 266, 322  f., 728 Verbkompositum Komplexverb Verbletzt(stellung) 99, 104, 106, 108–110, 114, 291, 322, 330, 755 Verbpartikel 49  f., 388 Verbstellung 93, 107, 110, 114, 665 Verb-Substantiv-Verbindung 497, 499  f. Verbum dicendi (Verb des Sagens) 36, 666, 670, 673  f., 678  f. Verbum putandi (Verb des Meinens) 665  f., 670 Verbum sentiendi (Wahrnehmungsverb) 440, 446, 448, 633, 666, 670 Verbzweit-Redeanzeige 678 Redeanzeige Verbzweit(satz) 70–74, 76–79, 93, 98, 101, 104, 106, 109–111, 114, 171, 238, 464, 672–674, 677 Felderstruktur, Satzklammer, Stellungsfeld Vergleich Illustration, wie-Gruppe Verhältnisadverbial 43–45, 87  f., 198, 203  f., 216–219, 228, 244, 284, 286, 296  f., 299, 434, 460, 465, 474, 530  f., 545, 549–555, 557  f., 571, 574  f., 577  f., 582, 584, 607, 609  f., 612  f., 757, 786 Situativadverbial Verknüpfung 44, 211–219, 222–224, 226, 228, 465, 584, 610, 682, 684, 687 Junktion, Relation, (satz) semantische Verlaufsform, rheinische/westfälische am-Progressiv, Progressivkonstruktionsträger Verschiebbarkeit 34, 90, 97, 208  f., 294, 296–299, 377, 435, 660–662 Verschiebeprobe 34, 294, 296, 298, 377 Verschiebung, konzeptuelle 325 Verschiebung, metonymische 324  f., 463  f. Verschmelzung 433, 725, 728, 731  f., 742 Präpositionalgruppe Verschriftlichung 104

Sachregister 

Verstehenspräferenz 469  f. Commonsense-Kompetenz Vertextung 82, 223 Textorganisation Verweis 200–202, 212  f., 217, 219, 574, 585, 587–591, 593, 604  f., 610, 637  f., 640, 677, 684–686, 742 Deixis Verweisraum 200, 221, 556, 589 Deixis Virtualität 47, 68, 78, 131, 134, 136  f., 140  f., 174, 184, 272, 714–717, 736–738 Satz, virtueller Vokativ 28, 197 Vollidiom 312 Idiom, Phraseologismus Vollverb 149, 258, 262  f., 266, 268, 305, 307, 314, 316–319, 321  f., 326–330, 332–334, 358  f., 361–364, 367  f., 373, 376, 378  f., 381, 383  f., 386, 397  f., 402–405, 409, 412, 423, 430  f., 435, 437–440, 445, 451  f., 618, 714, 717, 729  f., 742 Vollverb, analytisches 383, 730 Prädikativgefüge Vollverb-Konstruktion 403, 409 Vollverb-Prädikat 262, 376, 383, 394, 423 Vollwort 709, 742 Leerwort ‚von oben nach unten‘ (deszendent) 23, 28, 33, 38, 54  f., 57, 85, 207, 216, 290  f., 389, 468, 587, 595, 604, 697, 699, 702  f., 712, 716, 718, 749, 754, 768 ‚von unten nach oben‘ (aszendent) 32  f., 75, 205, 207, 214  f., 220, 291, 468, 527, 594, 660 Voranstellung 108, 178, 209, 750 Vorbereich (syntaktischer Relationen) 751–753, 755–757, 768 Nachbereich (syntaktischer Relationen) Vorerst-Partikeljunktor Fokuspartikel Vorerstposition 80, 207, 210, 233 Nacherstposition, Vorfeld Vorfeld 70  f., 73–77, 79  f., 87–89, 96–104, 106, 109, 111  f., 121, 137, 155, 207–210, 214–216, 218, 233, 244  f., 290, 294, 298, 311, 377, 437, 466, 484  f., 555, 572, 578, 583, 588, 592  f., 607  f., 667, 674 Felderstruktur, Stellungsfeld

 931

Vorfeld, leeres 72  f., 75  f., 111, 142, 171, 210, 672–674 Vorfeld-es Topik-es Vorfeldfähigkeit 101–103, 124, 156, 202, 207  f., 215  f., 218, 229, 231–233, 298, 308, 311, 378, 660–662 Vorfeldlosigkeit 77 Vorgang 51, 69, 274–276, 287, 316–318, 329, 335–337, 345  f., 355, 359, 365  f., 372, 383, 394, 419  f., 480, 489, 503, 505, 507  f., 563, 568, 627, 630 Vorgangsauslöser 276  f., 335, 421, 443, 480, 563, 618 Rolle, semantische, Semantik, signifikative Vorgangsauslöser-Konstruktion 276  f., 441, 607, 649 Vorgangsbetroffener 480 Rolle, semantische, Semantik, signifikative Vorgangspatiens 631 Rolle, semantische, Semantik, signifikative Vorgangsprädikat 276, 361, 400 Vorgangsrezipient 631 Rolle, semantische, Semantik, signifikative Vorgangsträger 6, 39, 48, 51  f., 274–276, 287, 316, 366, 383, 419  f., 480, 508, 563, 627, 629  f. Rolle, semantische, Semantik, signifikative Vorgangsverb 51  f., 346 Vorklammerposition 209 Vorphasenadverbial 559–562 Vorvorerstposition 210 Vorvorfeld 104, 203 Satzrand Vorzeitigkeit Temporaladverbial W Wackernagelposition 156 Wahrnehmungsverb 633 Wechselpräposition 522, 524, 539, 601 Wegdirektivum 473, 652 Direktivum Weglassbarkeit 294, 377, 379, 512, 516, 518, 617, 674, 714, 780  f., 789 Fakultativität

932 

 Apparat

Weglassprobe 259, 294, 298  f., 311, 378  f., 387, 413, 518, 546, 704 W-Einleiter 462 Gegenstandsparaphrase Weiterführung Relativnebensatz, weiterführender wenn-Satz, ergänzender Satzkreuzung Wert 9  f., 18  f., 23, 25  f., 28  f., 31, 34–36, 39, 50, 52, 84, 87, 140–142, 158, 163, 172  f., 217, 219  f., 246, 257, 270–273, 277, 279, 287, 291, 318, 380, 388  f., 420, 425, 436, 445, 447, 467  f., 476, 496, 506, 516, 541, 544, 548–550, 566  f., 569, 572, 574, 590  f., 593, 604, 631–633, 635, 662, 668, 677, 686, 705, 711, 718, 731, 752  f., 756, 766, 775 Funktion-Argument-Wert-Formel Wert, paradigmatischer vs. syntagmatischer 28–30 Wendung, feste Idiom Wertungsglied 288, 659  f., 663 Kommentarglied Wiederaufnahme, explizite vs. implizite 176  f., 638 wie-Gruppe 381, 565, 732–734, 736  f., 739  f., 782, 785, 789 als-Gruppe, dummyPräpositionalgruppe Wirklichkeit, außersprachliche 21, 336, 517, 633 Wissen 3, 569  f., 665 Kompetenz Wissensverb 633 W-Nebensatz, szenarioindizierender Fragesatz, indirekter Witterungsprädikat 182 Witterungsverb 484, 486, 739 Subjektsimulation worden-Hinzufügungstest Zustandspassiv-Test Wort 9, 14, 20  f., 30, 32, 56, 74, 161  f., 205, 210, 217, 220, 267, 271, 313, 359, 388, 393, 403, 405, 468, 483, 527, 589, 701, 719–721, 731, 739  f., 749 Ausdruck, Mesoform Wort, komplexes 14 Wortart 29–34, 141, 198, 205, 214, 220, 228, 240, 280, 359, 362, 380–382, 527  f., 567, 586, 701, 711, 717, 731, 733, 735, 739 Wortartebene 33, 214  f.

Wortbildung(sprodukt) 14, 162, 202, 274, 307  f., 311, 397  f., 449, 569, 611, 650, 700, 717 Wortbildungsart 14, 202, 307, 398 Wortbildungsdynamik 650 Wortbildungsmuster 311, 398, 413, 425 Wortform 126, 132–134, 199, 315, 403, 489, 691, 714, 718, 721  f., 728, 744 Wortgruppe 23  f., 26, 30, 32, 75, 106, 141, 198, 220, 228, 290–292, 294, 377, 412, 516, 525, 556, 581, 585  f., 590, 593–595, 635–637, 691  f., 697  f., 701–703, 705, 716, 718–722, 726, 728, 731  f., 734  f., 738–743, 749–751, 755, 768, 777, 783  f., 789 Phrase Wortgruppenglied 18, 20  f., 23–26, 30, 32–35, 39, 112, 198, 202, 205, 288, 290, 292, 294, 517, 590, 594, 697  f., 700, 720  f., 742, 750 Mikroglied Wortgruppenjunktor 703, 733 Mikroglied Wort(gruppen)kombination 75, 291, 556, 701, 703–705, 719  f., 773, 785  f. Mesoform Wortgruppenprototyp 700 Wortgruppenrandglied 719, 773, 777  f., 789 Apposition, lockere Wortgruppenverbindung 291, 703, 718–720, 726 Mesoform Wortkategorie 403, 405, 412 Wortkreuzung 611–613 Kontamination, Satzkreuzung Wortparadigma 199, 265, 468  f. Wortschatzeinheit 9, 448 Wortstatus 714, 716, 733, 736, 738 Wortstellung 67, 70, 74  f., 111  f., 114, 132, 134, 136  f., 156, 159, 205, 207–210, 214–216, 227, 280, 321, 367, 376, 437, 465, 494, 546, 567, 583, 591, 593, 631, 636, 661, 666, 668, 672, 702, 728, 775, 785  f. Felderstruktur, Linearisierung, Linearität, Satzklammer Wortstellungsanalogie 111  f., 114, 702 Wortvalenzträger 536, 600, 605 Ausdrucksvalenzträger Wortverbindung 31–33, 160  f., 258, 307, 312–314, 390, 414, 578, 701, 703, 738 Wortverbindung, feste Idiom, Phraseologismus

Sachregister 

Wortverbindung, nichtprädikative Nichtsatz-Format, lexifiziertes w-Relativum 680–682 Relativnebensatz, weiterführender W-Satz, gegenstandsfundierter Gegenstandsparaphrase w-Wort 106  f. X X+X-Wortgruppenverbindung 703 X+Y-Wortgruppenverbindung 703 Z Zeichen Sprachzeichen Zeichenzirkulation 9 Zeigfeld 185, 200 Deixis Zeigfeld-Ellipse (Situative Ellipse) Ellipse Zeigfeld-Satzglied 589, 596  f., 604, 610, 705 Ein-Feld-Satzglied, KombiSatzglied Zeitinstabilität 566 Zeitlichkeit Linearität, Onlinesyntax Zeitstabilität 565  f. Zentralakkusativ 441–443, 445–448 AcI-Konstruktion, lassenKonstruktion Zentrierung 627–629 Umszenierung zentrifugal 297 zentripetal 297 Zentrum Prototyp Zielkomplement Zielvalenz Zielrelatum 705, 717, 759 Ausgangsrelatum, Recycling Zielsatzglied 638 Zielszenario 273 Umszenierung Zielvalenz 270–272, 277  f., 281, 616 Zielvalenzträger 270  f., 274, 279, 426, 441  f., 529 Prädikatsdynamik Zirkulation, soziale 42 Zeichenzirkulation Zögerungssignal 136, 240 Nähezeichen Zoomtechnik 181 Impressio

 933

Zusammenschreibung 308, 499 Zusammensetzung Komposition Zusatz (als semantische Relation) 37, 44, 211  f., 681  f., 687 Relation, (satz)semantische Zusatz (als Satzglied) 89  f. Satzrand Zusatzverb 307 Komplexverb Zustand 6–9, 69, 182, 272  f., 275, 318  f., 344, 362  f., 372, 383, 479, 507, 547, 564, 630, 763–765 Ereignis, Szenarioklasse Zustandsbetroffener 6–9, 503, 507 Rolle, semantische, Semantik, signifikative Zustandsgegenstand 7, 9, 479 Rolle, semantische, Semantik, signifikative Zustandspassiv 355, 360, 368, 370–372, 436, 627  f., 633 Zustandspassiv-Test 372 Zustandsperspektivierung 360 Zustandsprädikat 359–363 Eigenschaftsprädikat Zustandsreflexiv 354  f., 436 Prädikativgefüge, Resultativ Zustandsträger 6–9, 272 Rolle, semantische, Semantik, signifikative Zustandsveränderungsszenario 273 Zustandszuweisungsprädikat 361 Prädikativgefüge Zweifelderlehre 72, 200 Zweigliedrigkeit 484  f., 740 Eingliedrigkeit, Makrorealisierung, Minimalstruktur Zwei-Marker-Sprache 352  f. Ein-Marker-Sprache, Medialität, Reflexivität Zwischenstelle 67, 80–83, 91, 104, 121, 197  f., 208, 228, 231–233, 238 Kohäsionsglied, Nichtsatzverbindung, Satzverbindung Zwischenstellung (des Finitums) Standardvarietät, österreichische

8 Wort- und Ausdrucksregister (an)statt 104 ab 389 aber 14  f., 80, 92  f., 205, 213, 215, 217, 229–233, 235  f., 298, 726 aber sicher 141 abfragen 49, 493  f. abhandenkommen 308 abhören 49, 493  f. abknöpfen 503 abmontieren 634 (Anm. 51) abnehmen 548 ach was 230 ähm 57 (Anm. 82), 136 ähneln 347  f., 359, 362  f., 376, 505 (Anm. 90) ähnlich 362, 376 allein 237 allerdings 205 (Anm. 17), 258 (Anm. 9) als 381  f., 386, 405, 487, 542, 565  f., 571, 605, 611, 732–740, 782–785 als dass 581 also gut 245 am 431–434 am besten 90  f., 246 an + Akk. 261, 282, 522, 536  f., 599  f. an + Akk./Dat. 524 an + Dat. 535  f., 599  f., 650 an 388 an-/abkoppeln 416 ändern (+/- sich) 356 anfühlen (sich) 17 angeblich 516 anklagen 541  f., 545  f. ankommen 646 (Anm. 71) anlachen 310 Anlass geben 255, 267 (Anm. 45), 279  f., 314  f. anlügen 40  f. anmontieren 416, 634 (Anm. 51) annehmen (sich) 541 anscheinend 661 anschreien 310 anstreichen 430 antworten 678 arbeiten 149, 405, 535  f., 599  f., 644 ärgern (+/- sich) 346 auch 157, 205–210, 229  f. auf + Akk. 259, 522  f., 527, 529, 531, 536  f., 753 (Anm. 4)

auf + Akk./Dat. 524, 601 auf 389 auf Band sprechen 414 auf der Basis 32 auf die Nerven gehen 309 (Anm. 17) auf die Palme bringen 312, 421  f. auf überraschende Weise 288, 658  f. auf zu X 189 aufbringen 7, 9 aufessen 416 (Anm. 58) aufgießen 417  f. aufhängen 68 aufheben 506 aufkriegen 416 (Anm. 58) auflegen 416  f. aufmachen 416 (Anm. 58) aufsetzen 416 (Anm. 58) aus Angst 171  f., 531 (Anm. 128) aus dem Saal singen 423 aus dem Weg(e) gehen 309 (Anm. 17) ausgezeichnet 561  f. außer 104 außer dass 579 außer wenn 579 außerdem 202, 229 aussprechen (sich) 534 backen 510, 532  f., 653 (Anm. 85) Bahnhof verstehen 312  f., 314 (Anm. 33) bauen 643, 653  f. bedeuten 294, 384, 544 bedürfen 541 befahren 414  f. befördern 400 beginnen 332  f. begrüßen (+/- sich) 348 beispielsweise 233 beißen 643  f. beklagen 310 bekommen 372, 429  f., 505, 627–629 belügen 40  f. bemerken 4  f., 51 beobachten 5 (Anm. 7), 336–338 bepflanzen 414  f. bereitwillig 568  f. berichten 676 (Anm. 41), 678 beruhen 536  f. beruhigen (+/- sich) 334–336, 346



Berücksichtigung 761 beschenken 414  f. beschuldigen 260  f., 295, 541  f. beschweigen 414  f. besorgen 503  f. besser gesagt 222, 230 bestehen 526, 536  f. bestehen aus 172 betrachten 382, 385 betrommeln 414  f. betteln 406 beurteilen 385 bevor 755 bewerten 385 bewitzeln 414  f. bewohnen 645 bezichtigen 541  f., beziehungsweise 139 bilden 384 bis 605 bisschen 780 bitten 49, 321  f., 493, 496  f. bleiben 373 (Anm. 140), 385 brauchen 321, 323 (Anm. 54), 329 brechen 366 bringen 316–318 brustschwimmen 497 bunt 568  f. büffeln 549 da und dort 701  f. (Anm. 13) dabei 15, 683 dadurch 602 (Anm. 248), 754 dadurch, dass 602 (Anm. 248) dafür 588  f., 592  f., 599, 602 (Anm. 248) dafür, dass 602 (Anm. 248) dagegen 219  f. daher 217 (Anm. 35) dahinter 756 (Anm. 9) dahinter kommen 544 damals 764, 786 damit 333, 573  f., 601, 684  f., 731, 751 danach 219  f., 601, 731, 756 dankbar 372, 377 dann 57 (Anm. 82), 218, 602, 609  f., 612 daran 202, 599–601 darauf 219  f., 527  f., 601, 684–686, 731 darin 601 (Anm. 246) darstellen 384 darum 219  f., 602

Wort- und Ausdrucksregister 

 935

darüber 468, 588, 590, 601, 610, 612, 683– 686 das 200, 212  f., 217, 280 (Anm. 64), 587–589, 597–599, 601, 673, 675  f., 678, 684–686, 698 das Handtuch werfen 161, 163 das heißt 222, 224 das Ohr an der Bevölkerung haben 179 (Anm. 22), 244 dass 30, 37  f., 160, 197, 243, 606–608, 713, 715 dass ich nicht lache 160 dauern 547–549 davor 601, 756 dazu 602 dazwischen kommen 51–53, 406 dein 787 (Anm. 89) dementsprechend 217 (Anm. 35) demnach 579 Demokratur 611 den Garaus machen 56 den Kopf zerbrechen (sich) 357 den Teufel an die Wand malen 163, 312, 647 denn 13, 233  f., 236, 239 dennoch 218  f. der 200, 586 deshalb 217 (Anm. 35), 218, 236, 587, 609  f., 684–686 deswegen 202, 217 (Anm. 35), 289, 602, 683–686 die Initiative ergreifen 258, 314  f. die Leviten lesen 163, 312 die Sache ist die 243 diesbezüglich 221 (Anm. 41) dieser 200 Diskussion 753 (Anm. 4) doch 92, 141, 157, 197, 215, 232, 234 donnern 652–654 dort 702 (Anm. 13), 705, 754 drehen (sich) 344  f. drittens 220, 230 drohen 330  f. drüben 705 du hast gut X-en 161 du mit dein- X 187 durch + Akk. 649, 652 duschen (+/- sich) 356 dürfen 729 eh 229, 233

936 

 Apparat

ehe 605 einbringen 503 eine schwierige Kiste 378 einerseits … andererseits 202, 237 einmal 667 einrichten 309 (ein)schenken 270–272 eislaufen 497 ekeln (+/-sich) 477–480 empfinden 633 endlich 667 enthalten 547  f. entnervt 569 entweder 232 er 586 erfahren 311 erfolgreich 660 (Anm. 6) ergeben (sich) 408, 418 ergreifen 144–146, 149 erinnern (sich) 282, 525, 600  f. erkundigen (sich) 346 ernst/Ernst 30 (Anm. 38) eröffnen 309 erpicht 764  f. errichten 643 erst als 32 (Anm. 40) erstens 220, 230 erwägen 616  f. erwärmen 547  f. erwarten (+/- sich) 356  f. erweisen (sich) 382, 385 es 112, 200, 212, 392, 468, 477, 482–489, 491, 587–589, 598  f., 601, 606–610, 636–641, 685, 740 es gibt 181 es ist zum X-en 161–163 es regnet 182 es war einmal 181 es wird dunkel 182 essen 271 (Anm. 52), 273, 643 etwa 233, 237 etwas 205 (Anm. 17), 723 euer 787 (Anm. 89) Eulen nach Athen tragen 161, 163 eventuell 141 existieren 181 fahren 499  f., 644, 646, 652–654 fallenlassen 307  f. falls 605 (Anm. 250)

fast 205 (Anm. 17) fehlen 6  f., 9 finden 364–366, 378  f., 385, 665–667, 670 fit 388 folgern (+/- sich) 356 folglich 579 fortbewegen (sich) 654 fördern 400 fragen (+/- sich) 49, 347, 493, 496  f., 678 freigeben 427 freisprechen 427, 655 freuen (sich) 468, 525  f., 529 frieren 477–480, 482 (Anm. 64), 485, 491 (Anm. 74) frohen Mutes 388 fühlen (sich) 381, 385, 632  f. für + Akk. 386  f., 510, 532–535, 542, 648  f. fürchten 406 gar nicht 658–661 geben 269, 502–504, 510–513, 534 gehen 620, 632, 645, 653 gehören 628  f. (Anm. 43) gelten 382, 385, 487, 544 genauer (gesagt) 222, 224  f. genug 648 genügen 359, 363 gerade als 32 (Anm. 40) geradezu 291 gern 561  f. geschehen 289  f., 545  f. gespannt sein 526 glauben 468  f., 633 gleich 701 (Anm. 10) gleichen 359, 363, 505 (Anm. 90) glücklicherweise 661 Gott sei Dank 658  f. grenzen 347  f. grüßen 412 guter Laune 388 haben + zu + Inf. 163, 266, 329  f., 449–452 haben 7–9, 131, 133, 370, 372, 386, 437  f., 444–446, 489  f., 499, 548  f., 628  f. (Anm. 43), 727  f. halten 385, 506 hammer 362, 388 hämmern 643  f. harren 526, 541 (Anm. 142, 144) hast recht 672, 674



heften 48 heiß 568 heißen 385, 493 (Anm. 77) heraufbeschwören 307  f. heraus mit X 189 herausgehen 398 herausheiraten 48  f., 398  f., 424  f., 427 herausklingeln 402 herunterhungern 427 hier 30, 701 (Anm. 10), 704  f., 754 hierauf 527 hierbei 202, 219–221 hin und wieder 31–33 hinab 539 hinabgrüßen 412  f., 539 hinaufschieben 48, 50, 620 hingegen 215, 229, 297  f. hinsetzen (sich) 149 hinsichtlich dessen 221 (Anm. 41) hinuntersein 405, 412  f. hoffen 526, 529 hören 440  f., 448 (Anm. 115) hungern 481 ich 137 ich mein 238 ihr 724, 787 (Anm. 89) im Falle 32 im Hinblick darauf 221 (Anm. 41) im Übrigen 224 (Anm. 47) immer mit der Ruhe 187, 190 immerhin 213–215, 218  f. in + Akk. 652 in aller Regel 141 in aller Welt 76 in Anbetracht 32 in der Tat 229, 236 (Anm. 72) in Fahrt geraten 727 in Mode kommen 317 (Anm. 43) in Verlegenheit kommen/bringen 318 (Anm. 46) in Verwirrung bringen 318 indem 574 infolgedessen 579 ins Fäustchen lachen (sich) 312  f. ins Gras beißen 161, 163 ins Stocken kommen 179 (Anm. 23), 244 interessieren (sich) 534 is egal 672, 674 ja 20  f., 30  f., 33, 57 (Anm. 82), 93, 138, 141, 197, 205, 227, 230

Wort- und Ausdrucksregister 

jeden Nachmittag 171  f. jedenfalls 236 (Anm. 72) jedoch 232 jein 611 jetzt 419, 701, 740  f. kämpfen 406, 534 kann schon passieren 765 kaum 557  f. kaputt 271, 278 kaputt reden 424  f., 270–273 kaufen 644 keine Ahnung haben 314  f. kellnern 730 kennen 444, 446, 489  f. kennenlernen 307  f. klappern 651, 671 klappt doch 675 klar 245 klasse 362, 388 knapp 756 (Anm. 9) knarren 651 knattern 651  f., 654, 671 kommen 316–318, 439  f., 526, 632 kosten 49, 359, 363, 493, 495  f., 547 können 729 kriegen 48, 429  f. Kurlaub 611 kurzum 237 kürzen 547  f. lächeln 641  f., 646 lachen 160, 671, 675  f., 679 langsam 559–562 lassen (+/- sich) 265, 421, 440–449, 497 laufen (+/- sich) 398, 420, 548, 654 laufen/Laufen 30 (Anm. 38) laut 658  f., 679 leben 401, 618, 641, 646  f., 649 lecken 652 leer singen 424  f. leeressen 271 (Anm. 52) legen 644 (Anm. 69) lehren 49, 493  f. leichtsinnigerweise 660 (Anm. 6) leider 90  f., 246, 661 (Anm. 10) lesen (+/- sich) 259  f., 401, 418  f., 618  f., 647 liefern 509 löffeln 397  f., 414 lügen 40  f.

 937

938 

 Apparat

machen 382–385, 387, 429  f. macht nichts 675 mal 57 (Anm. 82), 92 malen 643, 645 manchmal 31  f., 141 mathematisch 658  f. mein 787 (Anm. 89) meiner Meinung nach 659 (Anm. 4) meines Erachtens 659 (Anm. 4) meines Wissens 661 merkwürdigerweise 90  f., 246 mir 137 mit + Dat. 189, 522  f., 573  f., 716 mit Abstand 22 mit anderen Worten 222 mit/ohne Erfolg 660 (Anm. 6) mitteilen 309 möchten 323 (Anm. 54), 328, 403  f. mögen 348, 645 müssen 323 (Anm. 54), 326  f. na 242 na denn 230 na ja 142 na klar 141 nach + Dat. 652 nach 659 (Anm. 4) nachdem 755 nacherzählen 309  f. nachher 755 nachstehend 221 (Anm. 41) nämlich 80, 202, 215, 224  f., 229, 233, 298 natürlich 256, 288, 297, 658–660 nebenbei 224 (Anm. 47) nein 139, 141, 197, 227 nennen 385, 543  f. nerven (+/- sich) 356 nicht 492, 660 (Anm. 6) nicht einmal 32 nicht wahr 238 nichts 451  f. nobel 568  f. notlanden 307  f. nun 14  f., 27 (Anm. 32), 232 nur 82, 93, 157, 185, 206, 236 (Anm. 72) nutzloserweise 660 (Anm. 6) ob 715 obwohl 44, 46, 82, 93, 197, 219, 237–239 oder 232, 258 (Anm. 10)

oft 701, 740  f. ohne + Akk. 573, 575 ohne 104 ohne dass 575 oje 230 öffnen (+/- sich) 6, 274  f., 277, 307 (Anm. 10, 11), 360, 366, 398, 408, 418–421, 622 Pass auf! 241  f. pflegen 330, 332 plädieren 534 pleite 388 poltern 654 prügeln (+/- sich) 349 pubertieren 362 quietschen 651, 671 Rad fahren 307  f., 497 rasieren (+/- sich) 339, 355  f. rattern 652 rauchen 442  f. räuspern (sich) 346 rechnen 526 Recht haben 179 (Anm. 23), 244 reden 270, 272, 406, 529  f. reichen 506, 562 reiten 645 rentieren (+/- sich) 356 reparieren 508 rumpeln 651 runtergehen 617–620 rücken 289 sagen 4  f., 35  f., 51, 464, 670, 673, 675–679 sägen 644 salzen 644 Sand in die Augen streuen 56 satt warten (sich) 428 sauber waschen 424–427 scheinen 330  f., 376, 381  f., 385, 389, 729  f. schenken 493  f., 645 scheppern 651 schießen 645 schimpfen 385 schlafen (+/- sich) 420, 491 (Anm. 74) schlagen 515–518, 644 schlank kochen 424  f. schleifpolieren 307  f. schließlich 202 schmelzen 275 (Anm. 58), 343  f.



schnell 46, 559–562, 568 schön schweigen 424  f. schreiben 283, 510  f., 513  f., 644, 714 (Anm. 32) schreien 671, 673, 675  f. schwindeln 40  f. sehen 440–446, 448 (Anm. 115), 633 sehr 205 (Anm. 17), 561, 701 (Anm. 11) sein + zu + Inf. 266, 329  f., 449–451 sein 149, 358  f., 364  f., 367–373, 381  f., 385  f., 391  f., 405, 435  f., 499, 548, 629, 632, 636  f., 648, 787 (Anm. 89) sein eigener Herr sein 377 seine-r/s Weg-e/s 654 seinetwegen 685 (Anm. 54) seit 736 selbst 229, 233, 335, 638  f. sich 307 (Anm. 10), 334–336, 397  f., 428, 431  f. sie 488  f., 723 singen 642 sitzen 549 sitzenbleiben 307  f. so 57 (Anm. 82), 226, 579  f., 602, 666 (Anm. 26), 673, 676–679, 716 (Anm. 37) so viel 598 so X 673, 678 so, und jetzt zu X 242 sodass 579 sofort 44 (Anm. 64) sogar 206, 233 sollen 325, 516 sonst 213  f., 218 sorgen 534 sowohl 232 sozusagen 224  f. sparen 526 spielen 642 spüren 633 ständig 46 sterben 51–53, 366, 406, 641  f., 646 (Anm. 71), 649, 651, 756 stimmen 534 strafbar machen (sich) 427 streichen 150, 430 stumpf rasieren 424  f. Stück 782 tanzen 642  f., 645  f. Teuro 611

Wort- und Ausdrucksregister 

 939

töten 41 (Anm. 57  f.), 366 träumen 481, 646 treffen (+/- sich) 349 trinken 5 (Anm. 7) tuckern 651 tun 74, 437–439 tünchen 150 um + Akk. 529, 534 (Anm. 134), 649 um 104, 388 um dessentwillen 217 (Anm. 35) um … zu + Inf. 243  f. umsonst 660 (Anm. 6) und 14  f., 38  f., 80, 82 (Anm. 39), 133, 228–232, 234–236, 703 und noch dazu X 242 und zwar 215, 224 (Anm. 47) ungeachtet dessen 217 (Anm. 35) unser 787 (Anm. 89) unter + Dat. 753 (Anm. 4) unter Umständen 141 über + Akk. 530 (Anm. 126), 649, 652 überführen 541–543 überhaupt 236 (Anm. 72) überhaupt nicht 658–660 überlegen 616  f. überraschenderweise 43 überreden 445 verabreden (sich) 348  f. verdächtigen 541  f. verfahren (sich) 415 vergeblich 658, 660 (Anm. 6) verhasst 380 verhöhnen 310 verkaufen 260 verkleiden (sich) 415 verlöffeln 396–398, 413 vermögen 329 vermutlich 288 verspeisen 397 versprechen (+/- sich) 321 (Anm. 51), 330  f., 415 verstellen (sich) 415 verteilen (sich) 345  f. vertippen (sich) 415 verwählen (sich) 415 verwandt 380 verwerfen 616  f. verzichten 531 voll 271, 278

940 

 Apparat

vollschenken 270–273 vollziehen 307  f. von + Dat. 313, 522  f., 529, 649 von Tuten und Blasen keine Ahnung haben 312–314 vor + Dat. 529  f., 755 vor Angst 530  f. vor Verzweiflung 530  f. vorausschicken 4  f., 51 vorbeisausen 402 vorbeivergessen 650 vorbereiten (sich) 526 vorher 755  f. vorleben 649 vorlügen 40  f. vorschreiben (sich) 427, 429 vorsterben 649 wach brüllen 422  f. wähnen 633 währen 204, 216, 549 währenddessen 204, 217  f., wahrscheinlich 141 (Anm. 33), 658  f., 661 (Anm. 10) wann 137, 460 (Anm. 4) warm 570 warnen 756 warten 219, 524–529 warum 460 (Anm. 4) was 137, 159, 212, 243 (Anm. 91), 295, 463, 488, 641, 650, 683–686, 723 was … für 159 waschen (+/- sich) 353–355 wegen 542, 683  f. (weg)gehen + Inf. 436 weil 82, 93, 237–239, 291, 582  f., 605, 611, 683  f. weiß nich 672, 674 weißt du was 242 (Anm. 89) weitergehen 307 wem 462 wen 462 wenn 197, 242  f., 459, 583  f., 605, 607  f., 611  f., 669 (Anm. 33) wenn du mich fragst 661 wenn … bloß/doch/nur 158 wer 295, 462 werben 283 werden 48, 323 (Anm. 54), 370–372, 381–385, 387, 389, 437  f., 627–629, 631  f., 729

wert 380 weshalb 684, 686 wessen 295 weswegen 682–686 wie 159, 381 (Anm. 152), 732–740, 782–785 wie auch immer 14  f. wie gesagt 669 wie gewonnen, so zerronnen 178 (Anm. 19) wieder 256, 280  f. wiegen 359, 363, 548 wir 724 wissen 329, 464, 633 wo 716 (Anm. 37) wobei 93, 574, 682  f. wohl oder übel 578 wohnen 361  f., 376, 655, 767 wohnhaft 362, 376 wollen 325, 328, 403  f. womit 682, 684  f. worauf 527  f., 684–686 worüber 679, 683  f., 686 Wut 753 (Anm. 4) wünschen 404 X hin, X her 187 X ist X 393 X und ein Y? (Der und ein Leiter?) 187  f., 190 zeigen (sich) 408, 418 zeihen 541–543 zerbrechen 6 (Anm. 9) ziemlich 205 (Anm. 17), 701 (Anm. 11) zittern 406 zu – Inf. 266 zu + Dat 259, 386–389, 522  f., 652 zu + Inf. 105  f., 110, 266, 465  f., 713 zu 579–581, 648  f. zu Bruch gehen 309 (Anm. 17) zu Ende gehen/sein 309  f. zu meinem Erstaunen 658  f. zuckern 644 zufolge 659 (Anm. 4) zufriedenstellen 307  f. zugrunde gehen 308  f. zuhören 112 zum Beispiel 75, 226 zum Entschluss kommen 267, 314  f., 318 zum Glück 288 zum Teufel 76 zum Wahnsinn bringen 317 (Anm. 43)



zunehmend 718 (Anm. 40) zur Durchführung bringen/kommen 317 zur Ruhe bringen 318 zur Verzweiflung bringen 317  f. zurechtlegen (sich) 350 zurückbringen 422

Wort- und Ausdrucksregister 

zurücktreten 632 zusammen 573 zusammenraffen 309 zuwerfen 310  f. zwar 232 zweitens 220, 230

 941