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German Pages 408 [413] Year 1794
Gotthold Ephraim Leffing-
sämmtliche Schriften.
Fünf und zwan-igster Theil.
Berlin, 1794. Inder Bsssischen Buchhandlung.
Hamburgische
Dramaturgie. Zweyter Theil.
Lin. De« zten November, 1767. Den (in und vier,igsten Abend (FreytagS den toten Julius) wurden Cenie, und der Mann nach der Uhr, wiederholt *). „Genie, sagt Chevrier gerade heraus "), füh ret den Namen der Frau von Graffigni, ist aber «in Werk des Abts von Doisenin. ES war An fangs in Versen; «eil aber die Frau von Graf figni, der «s erst in ihrem vier und fnnf,igsten Jahre einfiel, die Schriftstellerin ,u spielen, in ihrem Leben keinen DerS gemacht hatte, so ward Cenie in Prosa gebracht. Mais FAuteur, fügt er htNZU, y a laifle gl vers qui existent dans leur en-
ticr.“ Das ist, ohne Iweifel, von einzeln hin und wieder rerstreuten Zeilen ,u verstehen, di« den Reim verloren, aber die Sylben,ahl beybe, A r •) 0lt,t den «sflm und «yftin Abend, erst. rheU. Seite >jj und 173. ”) Obfeixateur del Spcdadei, Toniel.p 211.
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halten haben. Doch wenn Chevrier keinen an dern Beweis hatte, daß das Stück in Versen ge, wesen: so ist es sehr erlaubt, daran zu rweifeln. Die französischen Verse kommen überhaupt der Prosa so nahe, daß eS Mühe kosten soll, nur in einem etwas gesuchteren Style zu schreiben, ohne daß sich nicht von selbst ganze Verse zusammen finden, denen nicht- als der Reim mangelt- Und gerade denjenigen, die gar keine Verse machen, können dergleichen Verse am ersten entwischen; eben weil sie gar kein Ohr für das Metrum ha ben, und es also eben so wenig zu vermeiden, alzu beobachten verstehen. WaS hat Genie sonst für Merkmale, baß sie nicht aus der Feder eines Frauenzimmers könne geflossen seyn? „DaS Frauenzimmer überhaupt, sagt Rousseau *), liebt knne einzige Kunst, ver, steht sich auf keine einzige, und an Genre fehlt eS ihm ganz und gar. ES kann in kleinen Wer ken glücklich seyn, die nichts als leichten Witz, nichts als Geschmack, nid W als Anmuth, hich, stenS Gründlichkeit und Philosophie verlangen. ES kann sich Wissenschaft, Gelehrsamkeit und alle Talente erwerben, die sich durch Mühe und Ar beit erwerben lassen. Aber jenes himmlische Feuer,
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welche« die Seele erhitzet und entflammt, jenes um fich greifende verzehrend« Genie, jene breu»ende Beredsamkeit, jene erhabenen Schwünge, dir ihr Entrückendes dem Innersten unser« Her ren« mittheilen, werden de» Schriften de« Frauen zimmer« allerrit fehlen." Also fehlen sie wohl auch der Cenie? Ober wenn sie ihr nicht fehlen, so muß Cenie noth wendig da« Werk eine« Manne« seyn? Rousseau selbst würde so nicht schließen- Er sagt vielmehr, was ,r dem Fraueniimmer überhaupt absprecheu zu müsse» glaube, wolle er darum keiner Frau insbesondere streitig mache». (Ce n’est pas i une komme,
mais aux femmes que je refufe les ulens
des hommes *).) Und diese« sagt er eben auf Ver anlassung der Cenie; eben da, wo er die Graffigni al« dir Verfasserin derselbe» anführt. Dabey merke man wohl, daß die Grasfigni seine Freun din nicht war, daß sie üble« von ihm gesprochen halte, daß er sich an eben der Stelle über sie b«, klagt. Dem ungeachtet erklärt er sie lieber für eine Ausnahme seine« Satze«, al« daß er im ge ringst,» auf da« Dorgeben de« Chevrier an spie len sollte, welche« er zu thun, ohne Zweifel, Frey« ,
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müthigkeit genug gehabt bitte, wenn er nicht von dem Gegentheile überzeugt gewesen wirr. Chevrier hat mehr salche verkleinrrlichr ge» Heime Nachrichten. Eben dieser Abt, wie Chevrier wissen will, hat für die Favart gearbeitet. Er hat die komische Oper, Annette und Lubin, gemacht; und nicht sie, die Aktrice, von der er sagt, daß sie kaum lesen könne. Sein Beweis iß rin Gassenhauer, der in Pari- darüber herumge» gangen; und e- ist allerdings wahr, daß die Gassenhauer in der französische» Geschichte über» Haupt unter die glaubwürdigsten Dokumente ge» hören. Warum ein Geistlicher ein sehr verliebte- Sing» spiel unter fremden Namen in die Welt schickt, ließe sich endlich noch begreifen. Aber warum er sich tu einer Cenie nicht bekennen wolle, der ich nicht viele Predigten vortiehen möchte, ist schwer, lich abzusehen. Dieser Abt hat ja sonst mehr alein Stück aussühren und drucken lassen, von wel» chem ihn jedermann al- den Verfasser kennct, und die der Cenie bey weitem nicht gleich kommen. Wenn er einer Frau von vier und fünfzig Iah, reu eine Galanterie mache» wollte; ist e- wahr scheinlich, daß er es gerade mit seinem testen Werke würde gethan haben r —
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Den zwey und vierzigsten Abend (Montags den izten Julius) ward die Fraueaschule von Moliere ausgeführt. Moliere hatte bereit- seine Männerschute ge macht, als er im Jahre 1662 diese Fraoeuschule darauf folgen ließ. Wer beyde Stücke nicht ken net, würde sich sehr irren, wenn er glaubte, daß hier den Frauen, wie dort den Männern, ihre Schuldigkeit geprediget würde. CS sind bey de- wi5ige Pessenspiele, in welchen ein Paar junge Mädchen, wovon das eine in aller Strenae erzo gen und das andere in aller Einfalt ausgewach sen, ein Paar alte Lassen hintergehen, und die beyde die Mänverschule heißen müßten, wenn Moliere weiter nichts darin hätte lehren wollen, als daß das dümmste Mädchen noch immer Ver stand genug habe zu betrügen, und daß Zwang und Aufsicht weit weniger fruchte und nutze, als Nachsicht und Freyheit. Wirklich ist für da weibliche Geschlecht in der Fraueaschule nicht viel zu lernen; es wäre denn, daß Moliere mit die sem Titel auf die Ehestandöregeln, in der zwey ten Scene des dritten ActS, gesehen härte, mit welche» aber die Pflichten der Weiber eher lächer lich gemacht werden. A4
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„Die rwey glücklichste» Stoffe |»r Tragidie und Komödie, sagt Trudlet sind der Cid uud die Frauenschule Aber beyde sind von Corneille und Moliere bearbeitet worden, als diese Dichter ihre völlige Stärke noch nicht hatten- Diese An, merkung, fügt er hinru, habe ich von dem Herrn von Fontenelle." Wenn doch Trudlet den Herrn von Fontenelle gefragt hätte, wie er dieses meyne. Oder Fall es ihm so schon verständlich genug war, wenn er es doch auch seinen Lesern mit ein Paar Worten hätte verständlich machen wollen. Ich wenigstens bekenne, daß ich gar nicht absehe, wo Fontenelle mit diesem Räthsel hiogewollt. Ich glaube, er hat sich versprochen; oder Trudlet hat sich verhört. Wenn indeß, nach der Meynung dieser Mäuuer, der Stoff der Frauenschuh so besonders glück, lich ist, und Moliere in der Ausführung dessel ben nur zu kurt gefallen: so hätte sich dieser auf das ganze Stück eben nicht viel einrubilden ge/ habt. Denn der Stoff ist nicht von ihm; sondern theils aus einer spanischen Erzählung, die man bey dem Searron, unter dem Titel, die vergebliche Vorsicht, findet, theils aus den spaßhaften Näch, ten des Straparolle genommen, wo ein Liebha,
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brr «item feinet Freunde alle Taqe vertrauet, wie weit er mit seiner beliebten gekommen, ohne ru wissen, daß dieser Freund sein Nebenbuhler ist. „Die Fraueuscbule, sagt der Herr von Vol taire, war ein Stück von einer ganz neuen Gat tung, worin zwar alles nur Erzählung, aber doch so künstliche Erzählung ist, daß alles Hand, lui\j zu seyn scheinet/' Menn das Neue hierin bestand, so ist eS sehr gut, daß man die neue Gattung eingehen lassen. Mehr oder weniger künstlich, Erzählung bleibt immer Erzählung, und wir wollen auf dem Thea, ter wirkliche Handlung sehen. — Ader ist eS denn auch wahr, daß alles darin erzählt wird? daß alles nur Handlung zu seyn scheint? Voltaire hätte diesen alten Einwurf nicht wieder aufwär, men sollen; oder, anstatt ibn in ein anscheinen, des Lob zu verkehren, hätte er wenigstens die Antwort beyfügen sollen, die Meliere selbst dar, auf ertheilte, und die sehr passend ist. Die Er, zihlungen nehmlich sind in diesem Stücke, verm-ge der innern Verfassung desselben, wirkliche Hand, lung; sie haben alles, was zu einer komischen Handlung erforderlich i£; und es ist bloße Mort, klauberey, ihnen diese'v/Namen hier streitig zu A 5
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macken •). Denn er kömmt ia weit weniger aus die Vorfälle an, welche erzählt werden, als auf den Eindruck, welchen diese Vorfälle auf den betrcgnen Alten machen, wenn er sie erfährt. DaLächerliche dieses Alten wollte Meliere vornehm, ltd) schildern; ihn müssen wir also vornehmlich fthen, wie er sich bey dem Unfälle, der ihm dro, her, geberdet; und diese- hätten wir so gut nicht gesehen, wenn der Dichter das, was er er, rähleo läßt, vor unsern Augen hätte vorgeheu lassen, und da-, was er vorgeheu läßt, dafür hätte erzählen lassen- Der Verdruß, den Arnolph empfindet; der Zwang, den er sich anthut, diesen Verdruß zu verbergen; der höhnische Ton, den er annimmr, wenn er dem weitern Pro, gresse deS Horaz nun vorgebauet zu haben glau, bet; das Erstaunen, die stille Wuth, in der wir ihn sehen, wenn er vernimmt, daß Horaz dem ungeachtet sein Ziel glücklich verfolgt: das sind Handlungen, und weit komischere Handlungen, als alle-, was außer der Scene vorgeht. Selbst in der Erzählung der Agnese, von ihrer mit dem Horaz gemachten Bekanntschaft, ist mehr Hand, In der Kritik der Frauenschule, tn der Person der Do, küNte: Les rcciti euk-meme» y fönt det ictmiu Cuvant la confhtunon du fujct.
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lang, als wir finden wurden, wenn wir diese Dekanntschast auf der Dühoe wirklich machen sahe». Also, anstatt von der Frauenschule |u sagen, daß alle» darin Handlung scheine, obgleich alle« nur Erzählung sey, glaubte ich mit mehrer« Rechte sagen tu kiunen, daß alle« Hanvluug darin sey, obgleich alle« nur Erzählung zu seyn scheine.
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Den 6ten November, 1767. ©eit drey und vierzigsten Abend (Dienstags, den i4ten Julius,) ward die Mütterschule des La Chaussee, und den vier und vierzigsten Abend (alden iften,) der Graf von Essex wiederholt •). Da die Engländer von je her so gern domeßica facta auf ihre Bühne gebracht haben, so kann man leicht vermuthen, daß es ihnen auch an Trauerspielen über diesen Gegenstand nicht fehlen
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wirb. Da- älteste ist da- von Ioh. Banks, unter dem Titel, der unglückliche Liebling, oder Graf von Essex. ES kam 1682 aufs Theater, und erhielt allgemeinen Beyfall. Damals aber h-tten die Franrosen schon drey Effexe: deS Cal, prenede von i6;s; deS Boyer von 1671; und des magern Corneille, von eben diesem Jahre. Wollten indeß die Engländer, daß ihnen die Fran zosen auch hierin nicht möchten zuvorgekommen seyn, so würden sie sich vielleicht auf Da, viels PhilotaS belieben können; ein Trauerspiel von 1611, in welchem man die Geschichte und den Ch-rakrer des Grafen, unter fremden Namen, zu finden glaubte *). Baaks scheinet keinen von seinen französischen Vorgängern gekannt zu haben. Er ist aber tu ner Novelle gefolgt, die den Titel, geheime Ge, schichte der Königin Elisabeth und deS Grafen von Essex, führet wo er den ganzen Stoff sich so in die Hande gearbeitet fand, daß er ihn bloß zu dialogiren, ihm bloß die äußere drama tische Form zu ertheilen brauchte. Hier ist der ganze Plan, wie er von dem Verfasser der unten angeführten Schrift, zum Theil, au-gezogen wop *) C bber'i Live» of the Engi Poet». Vol. I. p i47. The Compaiuon to the Theatre. Vol. II .p. 99
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Mao wer in Frankreich lange der Meynung gerat/ fee, daß sich das ununterbrochene Tragische, ebne all« Vermischung mit gemeinen Augen, gar nicht an-balk«n lasse. Da- Wart Tragikomödie selbst ist sehr alt; PlautuS braucht eS, seinen Amphttruo damit |n beteichnen, weil da» Abentheuer beSosta« »war komisch, Amphitruo selbst aber in al lem Ernste betrübt ist.» — War der Herr von Voltaire nicht alle- schreibt! Wie gern er immer «in wenig Gelehrsamkeit teigen will, und wie sehr «r meistentheil» damit verunglückt! E- ist nicht wahr, daß die Ohrfeige im Cid die tintige auf der tragischen Bühne ist. Vol taire hat den Essex de- Bank- entweder nicht ge kannt, oder vorausgesetzt, daß die tragische Büh ne seiner Nation allein diesen Namen verdiene. Unwissenheit verräth beyde-; und nur da- letztere noch mehr Eitelkeit, al- Unwissenheit. WaS er von den Namen der Tragikomödie hiutusügt, ist eben so unrichtig. Tragikomödie hieß die Vor stellung einer wichtigen Handlung unter vorneh men Personen, die einen etrguügten Au-gang bat.; da« ist der Cid, und die Ohrfeige kam dabey gar nicht in Betrachtung; denn dieser Ohrfeige un geachtet, nannte Corneille hernach sein Stuck ei ne Tragödie, sobald er da- Dorurtheil abgelegt hatte, daß «in» Tragödie nothwendig «ine un, D$
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glückliche Katastrophe haben müsse. Plautut braucht twar da- 29»rt Tragicocomoedia; aber er braucht es bloß in Scheu, und gar nicht, um eine beson, dcre Gattung damit ,u bereichnen. Luch hat tf ihm in diesem Verstände kein Mensch abgeborgt, bi- e- in dem fechtehnten Jahrhunderte den spa nischen und italiänischen Dichtern rinfiel, gewiss« von ihren dramatischen Mißgeburten so |u nen nen Wenn aber auch Plautu- feinen Amphirruo in Ernst so genannt hätte, so wäre es doch nicht au- der Ursache geschehen, die ihm Voltaire •) 3(t) weiß zwar nicht. Wer diesen Namen eigentlich zuerst gebraucht hat; aber ba» weiß ich gewiß, daß ES Garnier Nicht ist. HedeliN sagte: Je nejaiß Garnier f. t le p eniier ^ui ten servil, ma l il a falt porter ce titre * Ja Bradamante -t ce que depvu phißeurt ont imite. (Praz. du Th. L. il. ch, io.' Und dabey hätten eS die Beschicht,
schreibet de» sranzöstschen Theater» auch nur sollen bewenden lassen. Aber fie machten ble leichte Der, murhung de» Hedelin zur Gewißheit, und grarulirten ihrem LandLmanne zu einer so schönen Erfindung. Koid •
la prämiere Tta^i-comcdie, ou po'ir mieux dtre le premier pocme du Thc'atre quid perle ce titre — Garnier ne connaiJToil jra/ aßet let ßneß'et de Part qu'il profejsoiti tenont-lui eependant campte d'avoir le premier , Jane le fecourt det Ancient. ni de Jet Contemporaint, fait entrevuir une idde, qut n'a pat Zr/ inutile d beaucoup d'j4uteurj du demier ßecle.
Garnier» Dradamante ist von rS«,, und ich kenne eint Menge weit frühere spanische und italiänische Stücke, die diese» Titel führen.
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andichtet. Nicht weil der Antheil, den Sofias aa der Handlung nimmt, komisch, und der, he» Am» phitruo daran nimmt, tragisch ist: nicht darum hatte PlautuS sein Stück lieber eine Tragikomödie iienneu wollen. Dena sein Stück ist gavr komisch, und wir belustige» uns an der Verlegenheit de» Amphitruo eben so sehr, al» aa de» Sofia« seiner. Sondern darum, weil diese komische Handlung größtentheil« unter höher» Personen vorgehrt, al« man in der Komödie |u sehen gewohnt ist. Plaue tuS selbst erklärt sich darüber deutlich genug: Faciam ut commixta fit Tragico-comocdia: Nam me perpetuo facere ut Zit Comoedia Kegej quo veniant &* Di, non par afbitror. Quidigitur? quoniam hic servus quoque par tes habet, Faciam hanc, proinde ut dixi, Tragico-co* moediam.
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Den izttn November, 1767. Ah er wiederum auf die Ohrseige |u komme». — Eümal ist es doch nun so, daß eine Ohrfeige, di,
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ein Mana von Ehr« von seine« Gleichen oder von einem Höhrrn bekömmt, für «ine so schimpfliche Beleidigung gehalten wird, daß alle Genugthuung, die ihm dir Gesetze dafür verschaffen können, ver geben- ist. Sie will nicht von einem dritten be straft, sie will von de« Beleidigten selbst grrächet, und auf eine eben so eigenmächtige Art gerächet seyn, al- sie erwiesen worden. Ob e< bi« wahre oder die falsche Ehre ist, die diese- gebie tet, davon ist hier die Red« nicht. Wir gesagt, c< ist nun einmal so. Und wenn r- nun einmal in der Welt so ist: warum soll es nicht auch aus dem Thäter so seyn? Wenn die Ohrfeigen dort im Gange sind: warum nicht auch hier? Dir Schauspieler, sagt der Herr von Voltaire, wissen nicht, wie st« sich dabey anstelle» sollen. Sie wüßten e- wohl; aber man will eine Ohr feige auch nicht einmal gern im fremden Namen haben. Der Schlag seyt sie in Feuer; die Per, son erhält ihn, aber sie fühlen ihn; da- Gefühl hebt die Vorstellung auf; sie gerathen aut ihrer Fassung; Scham und Verwirrung äußert sich wi, der Willen auf ihrem Gesichte; sie sollten ivruig aussehen, und sie sehen albern ant; und ,rder Schauspieler, dessen eigene Empfindungen mit sei ner Rolle in Cvllision kommen, macht un- zu lachen.
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C- iß diese- nicht dee eiaflge Fall, in wel chem mau die Abschaffung der Masken bedauern möchte. Der Schauspieler kaun unstreitig unter ber Ma-ke mehr Contenaace halten; seine Per« foo findet weniger Gelegenheit au-rubrechen; und wenn sie ja ausbricht, so werden wir diesen Au-« trüch weniger gewahr. Doch -er Schauspieler verhalt« sich bey der Ohrfeig«, wir rr will: der dramatische Dichter arbeitet »war für den Schauspieler,' aber rr muß flch darum nicht alle- versagen, wat diesem we, Niger thunlich rind bequem ist. Kein Schauspie ler kann roth werden, wenn er will: aber gleich wohl darf«- ihm ber Dichter verschreiben; gleich, wohl darf er den einen sage» lasse», daß er e- de» andern werden fleht. Der Schauspieler will flch nicht in- Gesicht schlagen lassen; «r glaubt, emache ihn verächtlich; es verwirrt ihn; e-schmerrt ihn: recht gut! Wenn rr es in seiner Kunst so weit noch nicht gebracht har, daß ihn so etwanicht verwirre; wen» er seine Kunst so sehr oicht liebet, daß er flch, ihr rum Besten, eine klein« Kränkung will gefallen lassen: so suche rr über die Stelle so gut wrg»ukommen, als er kau»; er weiche dem Schlage au-; er halte die Hand vor; nur verlange rr nicht, daß sich der Dichter sei« netargrn mehr Bedenklichleireu machen soll, al-
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komm», iM gebt, sich »kl ihn« Vorhaben gy fast tu macht». Dee Kavjltr hält verschiedene Drirfschafte^, die ihm die Jtönigm jmr aas einen Tisch in le, gen befiehlt; fir will sie vor Schlafengehen »och durchsehe». Der Kantler «hebt die außerorbenttiche Wachsamkeit, mit der sie ihre» dleich-ge, schäfte» obliege; die Kinigia ernennt e« für ihre Psticht, uad beurlaubet de» Lauster. Nun ist sie allein, uud setzt sich ;ü den Papieren. „Cie will fich ihre- verliebten Kummer- eotschlage», und anständigerü Serge» überlassen. Aber da- erste Papier, was (le in die Hände nimmt, ist die Bittschrift eine« Grafe» Felix. Eine- Grafen! »Muß es denn eben, sagt sie, von einem Grafen seyn, wa« wir luerst vork-mnit!" Dieser Aug ist vortrefflich.' Auf einmal ist fie wieder mit ihrer ganten Seele bey demjenigen Grafe», a» den sie jetzt nicht dtnkeo wollte. Seine Liebe zurDlauea ist «in Stachel in ihrem Herten, der ihr da- £e< ben zur Last macht. Di« fie der Tod von dieser Marter befreye, will sie bey -em Bruder de« Tode« Linderung stichen: uud so fällt fie in Schlaf. Indem tritt Blaoca herein, und hat eine von de» Pistolen de« Grafen, die sie in ihrem Zim mer gesunden. (Der Dichter hatte sie, zu An, S r
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fange dieses Acts, nicht vergebens dahin tragen lassen) Sie findet die Königin allein und ent schlafen: was für einen bequemern Augenblick könnte sie sich wünschen? Aber eben hat der Graf die Blanea gesucht, und sie in ihrem Zim mer nicht getroffen. Ohne Zweifel errath man, was nun geschieht. Er kömmt also, sie hier zu suchen, und kömmt eben noch zurecht, der Bianca in den mörderischen Arm zu fallen, und ihr die Pistole, die sie auf die Königin schon gespannt hat, zu entreißen. Indem er aber mit ihr ringt, geht der Schuß kos: die Königin erwacht, und alles kömmt aus dem Schlosse herzu gelaufen. „Die Königin. (tm Erwachen) Ha! WaS ist »das? , Der Kanzler. Herbey, herbey! WaS war „das für ein Knall, in dem Innmer der Köni',gin? Was geschieht hier? „Esser cnnt der Pistole in der Hand) Grausa „mer Zufall! „Die Königen. Was ist das, Graf? »Esser. Was soll ich thun? »Die Königin. Blanea, was ist das? „Blanca. Mein Lod ist gewiß! „Essex. In welcher Verwirrung befinde ich „Mich! „Der Kanzler. Wie? der Graf ein Verrö „tber?
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„«siex. ttw e«ite) Dor« soll ich «ich ent# „schließe»? Schweige ich, so fällt La-Derbrea „chea auf mich. Sage ich die Wahrheit, fa „werde ich der nicht-würdige Verkläger meine» ,beliebten, «einer Dlanea, meiner theuerßen „Plane«. ; „Die Königin. Sind Sie der Derräther, „Graf? Bist du e-, Dlanea? Wer von euch „war mein Retter? wer mein Mieder? Mich „bunft, ich Hirte im Schlafe euch beyde rufen: „Derrätherin! Derräther! Und doch sann, nut „ein- von euch diesen Namen verdienen. Wenn „ein- von euch mein Leben suchte, so bin e-dem „andern schuldig. Wem bin ich e- schuldig, Graf? „Wer suchte e-, Dlanea? Ihr schweigt?,— „Wohl, schweigt nur! Ich will in dieser Ungewiß» „heil bleiben; ich will den Unschuldigen nicht wis< „sen,um den Schuldigen nicht zu kennen. Vielleicht „dürste e- «ich eben so sehr schmerjen, meinen „Beschützer m erfahren, als meinen Feind. Ich „will der Dlanea gern ihre Derrätherey verge» „den, ich will sie ihr verdanken; wenn dafür der „Graf nur unschuldig war'). G4 •) Conde, von tnidnr? Voi, Bianca? El juicio eß* ind f-.reute, Qual me Ubra, quäl me mata.
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♦ Aber der Seniler sagt, wenn e- die Sinigin schon dietbry wolle deckende» lasse», f» dürfe er er doch nicht; das Derdrechen sey |ü -rod; sein Statt erfordere, e- in ergründe«; besonder- da aller Anschein sich wider den Grast« rrklLr«. »Die Ltnigin. Der Samler hat AechtiMiUl »««- er untersuchen. — Graf,— Cond», Blauca, rcfpaudedme? Tn i la Reina? tu a la Rema? Ojd, annqnc confufamente, Ha, tfaidora, dixo el Condev Bianca- dixo;) Traidor crea. ipsowqa me libra, Otro de loi doa mc oTende/ Condte, quäl me daba vrda f Bianca, qoal wo daba muertct Decidme • n lo digau, , Que neutral mi \ainr quiore, Porno faber el traidor, Nq. fxher el innoccntr. Mejor en quedar confnfb, En dnda o>.i juicio que de, Porqne quando mue a algunn, Y de la traicion me acnerde, A penfar, que e» el traidor, Qne en el leal tambien ptenfe. Yo le agradeciera d Bhnca, Que ella la traidora fueffe, Solo 1 truque de que el Conde Fnera el, que eftaba ir»..ocetite. ——
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„wssex. Königin! — „Vie Lönigin. Sefrtttftn Sie Vie Wahrheit No, Que Bhnca ne lo fingiert ■* Ne pudo haverla gozado. Sin estar enamorado, Y quando tierno, y rendidn, Ent'oncei lx baya quend-, No puede baverla olvidadn ? No le vieren mit antojos Entre acogimientos fabio», Mui c allan do con In» labiof, Mui baebillpr con los hjns, Quando al decir fas enojos Yo fu defpecho reoi >
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der Hand genommen, steht sein Name; sie ge# Hirt ihm; nab wem sie gehört, der Hit sie nv streitig anch brauchen wollen. Doch nicht- scheinet den Essex unwibersprech, kicher tu verdammen, al- was nun erfolgt. Cosi tue hat, bey anbrechendem Tage, mit dem 6ei wußten Briefe nach Schottland abgehen wollen, und ist angehalten worden. Seine Reife sieht ei, nee Flucht sehr ähnlich, und eine solche Flucht läßt vermuthen, daß er an dem Verbrechen feinet Herrn Antheil (inne gehabt haben. Er wird also vor den Kanzler gebracht, und die Königin befiehlt, ihn in ihrer Gegenwart in verhören. Den Ton, in welchem sich Cosme rechtfertigetkaun man leicht errathen. Er weiß von nicht»; und al« er sagen soll, wo er hiugewvllt, läßt er sich nm die Wahrheit nicht lange nöthigen. Er leigt den Brief, Den ihm sein Graf, an einen an, bern Grafen nach Schottland zu überbringen be, fohlen: und mau weiß, wa- dieser Brief enthält. Er wird gelesen, und Cosme erstaunt nicht wenig, al- er Hirt, wohin e- damit abgesehen gewesen. Aber noch mehr erstaunt er über den Schluß desselben, worin der Ueber bringet ein Vertrauter heißt, durch den Roberto feine Antwort sicher bestellen sönne. „Wa- höre ich? ruft Cosme. Ich ein Vertrauter? Bey diesem und jenem!
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ich bl« fiitt Vertranter- ich bin nlemeH tieft geoesen, ttnb will auch in meinem Leben feix net sey». — Habe ich wohl da» Ansehen »u ei< nein Vertrauten 7 Ich möchte doch wissen, was mein Herr an mit gefunden hätte, um mich da für |u nehmen. Ich, ein Vertrauter, ich, dem das geringste Seheinunß »ur Last wirbt Ich weiß, tum Exempel, baß Bianca und mein Herr einander lieben, und daß ste heimlich mit einen« der verheirathet sind: es hat mir schon lange das Her» äidrücken wollen; und nun will ich e» nur sagen, damit sie hübsch sehen, meine Herren, «a< für ein Vertrauter ich bin. Schade, daß enicht etwas viel wichtigeres ist: ich würde es eben so wohl sagen')." Diese Nachricht schmerzt die Qu* escnchd? Stnoree mio«! Do» mil dewonid» mo lleven, Si yo eorrsi deute foi, Si Jo he Jido, q si In fuere; Ni tengn intencinn de ferle.
Car» dd fer considente * Yq nn ft qee ha uslo en mi Mi amo para tenerme En esia opinion , y i fe, Que mc beigara de qi e fueffie Cosa de man importancia Un feeretillo mui leve,
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Königin nickt weniger, als die Ueberzeugung, zu der sie durch den unglücklichen Brief von der Verratherey des Grafen gelangt Der Herzog glaubt, nun auch sein Stillschweigen brechen zu müssen, und der Königin nicht länger zu verber gen, was er in dem Zimmer der Blanca zufälli ger Weise angehirt habe. Der Kanzler dringt auf die Bestrafung des Verräthers, und sobald die Königin wieder allein ist, reitzen sie sowohl beleidigte Majestät, als gekrankte Liebe, des Gra fen Tod zu beschließen. Nunmehr bringt uns der Dichter zu ihm, in das Gefängniß. Der Kanzler kömmt und eröffnet dem Grafen, daß ihn das Parlement für schuldig erkannt und zum Tode verurtheilet habe, welches Urtheil morgendes Tages vollzogen werden solle. Der Graf betheuert seine Unschuld. „Der Ranzler. Ihre Unschuld, Mylord, woll te ich gern glauben: aber so viele Bewerie wider „Sie! — Haben Sie den Brief an den Roberto „nicht geschrieben? Ist es nicht Ihr eigenhandi „ger Name? „Essex. Allerdings ist er es. Quü rabio va por dccirlo
Que es que el Conde a Bianca quiere, CTue eil an calalos los dos Isa fecreto
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»Der Kanzler. Hat der Herrog von Alrniou „Sie, io dem Zimmer der Blaura, nicht ausdrück/ „lich den Tod der Königin beschließen hören? „Essex. Wa« er gehört hat, hat er freylich g«< „hört. „Der Kanzler. Sahe die Königin, al- sie er, „«achte, nicht die Pistol« in Ihrer Hand? ®t, „hört die Pistole, auf der Ihr Name gestochen, ».nicht 3bDto? „Essex. Ich kann er nicht lüuguen. „Der Kanzler. So sind Sir ja schuldig. „Essex. Da-lLugneich. „Der Kanzler. Nun, wie kamen Sie den» „balu, daß Sie den Brief an den Roberto schrie, „den? „Essex Ich «riß nicht. „Der Kanzler. Wie kam «< denn, daß der „Heriog den verrLtherischen Dorsatz au- Ihrem „eignen Munde vernehme» mußt«? „Essex. Weil«- der Himmel so wollte. „Der Kanzler. Wie kam r- denn, daß sich „da» mörderische Werkieug in Ihren Händen „fand? „Essex. Weil ich viel Unglück habt. „Der Kanzler. Wen» alle- da- Unglück, und „nicht Schuld ist: wahrlich, Freund, so spielet
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„Ihnen Ihr Schicksal einen harten Sttrich. Eie „werden ihn mit Ihrem Kopfe befahlen müssen. „Essex. Schlimm genug *)! *) COND. Solo el defcargo que tengo Es «1 estar innocente. SENESCAL. Alinque yo qniera creerlo No me dexan los indicios, Y advertid, que ya no es tiempo De dilacion, que mauana Haveis de morir. Cond. Yo muero Innocente. Sen» Puts decid No efcribisteis a Roberto Este carta? Aqnesta strroa No es la vuestra > Cond. No lo niego. SEN. El gran duque de Alanzon No os oyö en el apofento De Bianca trazar la muerte De la Reina> Cond. Aqueslo es Cierto. SEN. Qu an do desbertö la Reina No os hallo, Conde, a vos mefmo Con la pistola en la mano | Y la piftota que vemöa Vuestro nombre alli gfavado No es vuestro ? Cond. Os lo conccdo. SEN. Luego vos estais cnlpado. COND. Effo folamente niego. SEN. Pues como efcribtsteis, Conde, La carta al traidor Roberto > COND. No lo fe. Srn, PueS Cotno elDuque Que efcucho vuestros intentoi, Os convence en la traicion f COND. Porque asii le qmsoel eiclo.
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„Wisse» Ihr» Suade« Vicht, ftagt Cosme, der dabey ist, ob sie mich etwa mit hiiagea werdeut" -der Kanzler antwortet Neia, «eil iHv sein Herr hinlänglich gerechtfertiget habe; und der Graf er/ sucht dea Kanzler, zu verstatten, da- er dir Blau» ra noch vor seinem Tode sprechen dürfe. Der Kanzler bedauert, da- er, alt Richter, ihm- dirs« Ditte versagen müsse; weil trschloffen worben, seine Hinrichtung so heimlich, als möglich, ge schehen zu lassen, au« Furcht vor den Mitver, schworaeo, di« er vielleicht sowohl unter den Gro ßen, al« unter dem Pöbel, in Menge haben möchte. Er ermahnt ihn, sich zum Tode zu bereiten, und geht ab. Der Gras wünschte bloß deßwegen die Dlanea noch einmal zu sprechen, um sie zu er, mahnen, vsu ihrem Dorhabeo abzusieheo. Da er et seS.
Como hillmdo en vtieftra tnano Ot culpa el vil inftrnmento> COÜD. Porqne tengo poca Aicha. SE*. Puet fabed, qie fi el defdichl Y iio culpa, en tanto aprieto Os pon« vnfcftra fortuni, Conde arrtigo, qtie fnpuefto Qtie no dass otro dtfcargo, En sc de indicioa tau ciettoi, Manina vutflra cabtza, Ha de pagar
Zweyter Theis. (!■■■
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e« nicht mündlich thu» dürfe», so will er rf schriftlich thu». Ehre und Liebe verbinden ih», jein Lede» für sie hiazogebra; bey diesem Opfer, da« die Derliebteo ave auf der Zunge führe», da« aber out dry ihm tut Wirklichkeit gelangt, will er sie deschwbre», e« nicht ftuchtle« tleibr» tu lassen. E« ist Nacht l er setzt sich Bieber |tt schreite», und befiehlt Costnen, de» Dries, de» er ihm hernach gebe» «erde, sogleich »ach stlarm Lode bet Dlaaea einlnhändlgeu. Cosme gebt ab, um indeß erst au«t»schlase». »■-I—1
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Den Lösten December, 1767V ulu« folgt eine Scene, die man wohl schwerlich erwartet Hütte. Mr« ist ruhig und stille, al« auf einmal eben die Dam», welcher Essex in dem ersten Acte da« Leben rettete, i» «den dem Aniuge, die halbe Marke auf dem Gesichte, mit einem Lichte in der Hand, tu dem Grafe» in da-Gefängniß her« eintritt. Es ist die Königin. »Der Graf, sagt sie vor sich im Hereiatrrtrn, hat mir da« Lebe» «haft (en: ich bin ihm dafür verpflichtet. Der Graf hat 8t|ln«l e fi efto hx de fer, primero Tom?d, Conde, aqueftx Ihve, Que fi bx de fer inslramento De vueftrx vidx, ** ^tCr
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«fEflex. (htktn et Ira Schküffil nimmt) Ich er< »kenne diese Verficht mir Dank. — Und von, „Madame, — ich brenne, mein Schicksal aas dem »Angrstchtr der Königin, oder dem Ihrigen in »lesen. »Die Königin, graf, ob beyde gleich rin« »sind, so gehöret -och vor da«, welche» Sie noch «sehen, mir gant allein; brno da«, welche« Sie »nun erblicken, (in»tm st» tu M-«e» atniomt) «iß der Königin. Jene», mit welchem ich Sie »erst sprach, ist nicht m«hr. „Lssex. Noa sterbe ich zufrieden l Zwar ist es »da» Vorrecht de» königlichen Antlitze», baß e» »jeden Schnldigro begnadigen muß, der «S er, »blickt; und auch mir müßt» diese Wohlthat de» „Gesetze« |u Statten kommen. Doch ich will „weniger hiertv, al« ;u wir selbst, meine Zuflucht „nehmen. Ich will «» wagen, meine Königin an „dir Dienste tu erinnern, die ich ihr und dem »Staate gelristtt — •).
H; *) Morire yo confolado, Aunque si par privilegio En vi en do la cara al Rey '^ueda perdonado el reo ; ^'o de eftejindnito, Stnora, Vida por ley me proraeto ,
118 Hamburgische Dramaturgie. t~
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„Die Königin. Ao diese bade ich «ich scholl „selbst erinnert. Aber Ihr Verbreche«, Traf, ist „größer, als ihre Dienste. „Essex. Und ich habe mir nicht« voll der Huld „meiner Königin |u versprechen t „Die Königin. Nicht«. „Essex. Wen» die Königin fe streng ist, so em „st ich die Dam» all, der ich 6e» Leben gerettet. „Diese tvird doch wohl gütiger mit mir versah» „renr „Die Königin. Diese hat scholl mehr gethao, „al« sie sollte: sie hat Ihnen de» Weg geöiftet, „der Serechtigkeit tu entfliehen. „Essex. Und mehr habe ich em Sie nicht «er, „dient, um Sie, die mir Ihr Lebe» schuldig ist? „Die Königin. Sie haben schon gehört, daß „ich dies» Dam» nicht bin. Ader gesetzt, ich wi» „re es: gebe ich ihnen nicht eben so viel wieder, „als ich von Ihnen empfangen habe? „Essex. Wo bart Dadurch doch wohl uicht, „daß Sie mir deo Schlüssel gegeben r Edo es en comun, qne es Lo que a todos da el derechoi Pero si en particular Merecer «I perdon qniero, Oid, vereis, qve nie ayuda Ma) or indulto en ni' hechos, Mis h trnas .......... .................. -
Zweyter Theil« fr—,
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„Die Länigin. Dadurch allerdings. „Esser. Drr Weg/ des mir dieser Schlüssel er, „öffnen kann, ist weolger der Weg fe mire, (Patronen los prcCeptos) si es de Beyel> Aunqtie por esto entiendo, (sie el prndeütT> Filiph Rey de Efpatfi, y Senof nueflro, En viendo un Rey en elloe fe enfadaVM, O stiefle el ver, que al arte contradlae, O que la autöridad real no deve An dar flngida entre la himilde plebe, Este es bolver i la Comed.ii antigna, Donde vemoi, que Plento pnfo Diofel, Como en fu Anfitrion io muetlra J’lpitet* Sabc DioS, que nie ptla de aprövailo, Porque PlhtarCo hablando de Menandro, No fiente bien de la Cnmed-x «nr.^lra, Mas pties del arte Vamos ran remotos, Y en Efpa»a le hazenlos mil agravios, Cienen los Dorfos tfta vez los libios, Lo iragito, y lo Comico meitclado, V Terencio con Seneca, aunque sea, Como otro Minotaüro de P,fi.*e, Haran grave dnt plrte, otra rid.cnh, Que aquefta Variedad deleyta rtiucho, Buen cxemplo not da natural- aa, Que por tal variedad. tiene bellezi.
13» Hamburgische Dramaturgie,
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Die letzte» wette sind es, «eswrgeu ich diese Stell« ansühre. Ist ti wahr, da- on« di« 91«# tue selbst, in dieser Vermengung dtt Sememe» und Erhabenen, de« Possierlichen und Ernsthaft tea, de- Lustigen und Traungen, ium Master bienet? C- scheinet s». Aber »en» es wahr ist, so hat Lope mehr -tthan, al- er fich vernahm: «r hat nicht dieß hie Fehler seiner Bühne brschi# nkget; er hat eigentlich erwiese», daß wenigsten« dieser Fehln keiner ist: den» nicht« ka»» ein Feh# ler seyn, an« eine Nachahmung der Natur ist. „Ma» tadelt, sagt einer von unser» neueste» Sttibente», an Shakesprar, — demjenigen unter allen Dichtern seit Homer, der die Menschen, vom Kinige bi« ium Bettln, und von Julius Cäsar di« r» Jak Fallstaff, am besten gekannt, und mit einer Art von unbegreiflicher Intuitiv- durch und durch gesehen hat, — baß seine Stücke keinen, oder doch nur «inen sthr fehlerhafte» unregelmä» ßlgen und schlecht au-gestnnenenPlan haben; daß Komische« und Tragische« darin auf die seltsamst« Art durch einander geworfen ist, und ost eben dieselbe Person, die un« durch die rührend« Sprache brr Natur Thräne« in di« Augen ge, lockt hat, in wenigen Augenblicke» darauf uu« durch irgend einen seltsamen Einfall ober barokft schon Au-druck ihrer Empßndungrn, wo nicht zu
Zweyter Theil.
schiedeuer SrgrustÜobe, ti sey der Seit oder dem Raume nach, in unsern Gedanke» absonbero, oder absoodero zu können wünsche», sondert sie wirklich ab, und gewährt uns diesen Gegenstand, oder dies« Verbindung verschiedener Segenstünde, so lauter und bündig, al« es nur immer die Empfindung dir ffr erregen solle», »erstattet. Wenn wir Jeogeo een einer wichtigen und rüh» revdea Begebenheit sind, und eine andere von nichtigem Belange linst quer «kur so suchen wir der SerSreuuug, dir dirse uns drohet, möglichst auszuweiche». Wir abstrahirrn von ihr; und et muß uns nothwendig ekeln, in der Kunst da« wie« der zu finden, was wir aus der Natur weg« wünschtt». Nur wenn eben dieselbe Begebenheit in ihrem Fortgänge alleSchattirungr» desIntrreffe aouimmt, «id eine nicht bloß auf die andere folgt, sondern
14* Hamburgische Dramaturgie.
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so vot-wendkg ae< der enfctro tntfrrfnst; wem brr Lrvst do« Lache», die tranrlgftit die Freude, ober umgekehrt, so unmittelbar rrieugt, baß uv» die Abstraktion de« einen ober trt andern unmög, lich fällt: nur al«bano verlange» wir sie auch ia der Kunst nicht, und die Kunst weiß au» dieser Un» migli»keit selbst Vortheil tu riebe». — Aber genug hiervon: rua» sieht scheu, wo sch htnau« will — Den fünf und vkerrigste» Abend (Freptag«, de» roten Iuliu«) wurdru die Brüder de« Herr» Romauu«, und da« Orakel von Saint > Foi> geshielt. Da« erstere Stück kann sür ein deutsche« Ork» -inal gelte», ob «S schon, gr-ßreu Theil«, au« de» Brüder» de« Terror genvwwrn ist. Man hat gesagt, daß auch Meliere au« dieser Quelle ge» schipst habr» «ad r«ar seine Mäauerschule. Der Herr von Dvltaire macht seine Anmerkungen über diese« Dvrgrben: und ich führe Anmerkungru vo» dem Herr» von Voltaire so gern aal Au-seine» geringsten ist noch immer etwa« »u lernen: wen» schon nicht allerrit da-, wat er darin sagt; wenig, firn« da«, wa« er hätte sagen solle». Primm s*. pientiae gradu» efi, falsa intelligete; (WO bitt fr« Sprüchelchen steht, will mir nicht gleich bey, fallt») «ad ich wüßte keinen Schriftsteller in der
Zweyter Theil. s
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W-lt, ott dem men e- so gut versuch» krönte, ob man auf dieser erstell Stufe der Weitbeil stehe, al- au dem Herrn von Doltair«: aber daher auch kein», ter un« die ja ersteigen, weniger behülflich seyll killllte; fecundus, ver* cognoi* cere. Litt kritischer Schriftsteller, düllkk mich, richtet seine Methode auch all» bestell nach diesem Sprüchelchrll ein. Eh suche sich our erst jemand», mit dem er streiten kaUa r so kimmt er »ach und »ach in dke Materie, »ud da- übrige stabet sich. Hieriu hab« ich mir lo diesem Werke, ich bekrön» e- aufrichtig, uuu elumal dir französisch» Seri, beuteu vornehmlich rrwilhlt, und unter diesen be, sonders de» Hr». von Dvttaire. Als» auch jetzt, »ach einer kleinen Drrbeuguug, nur darauf iul Wem dies« Methode aber etwa mehr wothivillig al- gründlich scheiaru wollte: der soll wissen, daß selbst der gründliche Aristoteles sich ihrer saft iw, wer bedient hat. Holet Ariftotele«, sagt einer »e» seinen Ausleger», der wir eb»zor-a»d liegt, quaerere pugnam in suis libria. Atque hoc facit non reinere, et casn, sed certa ratione atque confilio: nam labefactatis aliorunl opi« nionibus, v. s. w. 0 de- Pedanrea l würbe der Hr. von Voltaire rufen. — Ich bi» et bloß aus Mißtrauen io mich selbst.
»44 Hamburgische Dramaturgie.
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,,©le Brüder des Lrrenz, faßt der Hr. »en Voltaire, Hünen höchstens die Idee zu der ffiinx nerschnle ßtgtktn haben. In den Trübern sind zwey Alte von verschiedener Gemüthsart, bi« ihre Söhne ßant verschieben erziehen; eben so find in der Mönnirschnle |otp Vermünbrr, ein sehrstrrn» gtt nnb ein sehr nachsehrubrr: das ist di« ganze Sehnlichkeit. In den Trübern ist fast ganz und gar keine Intrigne: bir Inttigne in der Männer» schule hingegen ist fein, nnb unterhaltend nnb ko» misch. Line von den Frauenzimmern des Lerenz, welch« eigentlich bie interessanteste Roll« fritltn müßte, erscheinet bloß auf dem Lbeater, um nie» berzukommru. Di« Isabelle bet 'Molirre ist fast immer ans 1« Serue, und zeigt sich immer witzig mb rrjtzeud, und verbindet sogar die Streiche, bie flr ihrem Vormunde spielt, noch mit Anstand. Dir entwickelt»« tu den Trübern ist ganz unwahr, scheinlich r r- ist wider die Natur, baß ein Alter, der sechzig Jahre ärgxiich und streng und griyig gewesen, auf einmal lustig und höflich und frrygr» big werben sollte. Di» Sntwickelung in der Mün, nrrschule aber, ist die bestr von allen Entwickelun» gen de« Mokiere, «ahascheknlich, natürlich, aus der Intrigue selbst hergrnommrn, und, was an# streitig nicht des schlechteste daran ist, äußerst komisch."
Zweyter Theil. i- -
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LXXI.
Den ztev Januar, 176g. E- schrillet «icht, baß brr Herr voll Doltakre, feit« brr» er au« brr Classe bey druIrfnite« grkemwe«, be» Terror viel wieder grlesea bade. Er spricht gern so 6ai»8, als eoa einrm alte« Traume r es schwebt ibm vor «och so was davon in Srdächw viffe; «ob bas schreibt er auf gor Glück so hin, vvbekümmert, ob es gebaueo «der gestocht« ist. Ich will ibm nicht aufmühe«, was er von brr Damphila des Stücks fegt, »daß sie bloß auf dem Theater erscheine, vm oiederrukommro.,» Sie er, scheinet gar vicht ans dem Tbrater; sie kömmt vicht avs dem Theater oieder r man vervimmt bloß ihre Stimme aus^drm Hause; und warum sie tu gevtlich die illteressaotrste Rolle spiele» müßte, daS läßt fich auch gar vicht adsrhru. Den Grieche« «ob Römer« «ar vicht alles interessant, was es den Frantosrn ist. Ein gute« 'Mädchen, das mit ihrem Liebhaber tu tief in das Wasser gegaugeo, und Gefahr läuft, von ihm «erlassen tu werden, war t« einer Hauptrolle ehedem sehr ungeschickt — Der eigentliche und grobe Fehler, de« der Herr «o« Voltaire macht, betrifft die Eutwickeluog und Itglnil Schriften, xxv. r». K
146 Hamburgische Dramaturgie.
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b» Charilkter btt Stete. Stete ist der rnürrtt sche strenge vattr, nnb bitfer soll feinte Charakter auf einmal völlig etrtobtre. Sa» ist, eit erlaub, «iß dtt Herr« von Dolttiro, eicht »ehr. Stete bthaupttt ftietn Cherekttr btt en» Lebt. Donatus fe»t: Servatnr autem per totem fabulim mitis Mieio, Geros Demea, Leno avaruf, g. f. o. Was geht eich Sonett» nur bürste der Herr von Dok, teitt feste. Nach Beliebte; wen wir Deutschen nur glauben dürste, baß Dostatts den Lerem fleißk, gtr gelesen und besser verstanden, als Voltaire. Doch tt ist je een keinem verlornen Stücke bi» Rebe; «»ist noch be; men lest selbst. Nachdem Miete den Demea durch die triftig, sseu Vorstellungen tt besänftigen gesticht, bittet er ibn, wenigsten» auf heute sich seines Aergernisse» in ratschlagen, wenigsten» heute lustig tu seyn. Endlich bringt tt ihn auch soweit: heute will Demea alle» gut seyu lassen; aber morgen, bey früher Lagertest, muß der Sohu wieder mit ihm aus- Land; da will er ihn nicht gelinder Hatton, da will er er wieder mit ihm anfaugeu, wo er«» heute gelassen har; die Sängerin, die diesem der Detter gekauft, will «zwar miwehmeu, denn e» ist doch immer eine Sklavin wehr, und eine, die ihm nichts kostet; aber tu fingen wird fie nicht viel bekommen, sie soll kochen und backen. In der darauf folgenden «fetten Stens btt fünften Acts, tee Demea allein
Zweyter Theil.«
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ist, scheint ti ttut, w6n man seine Warte nur so obenhin nimmt, als a6 er a8Ui| ein seiner alten Denkungsart abgeben, und nach den Grundsätzen des Micin in handeln anfangen solle'). Doch die Folg« reizt es, da- man alles das not von dem heutigen Zwange, den er sich »thun soll, »erste, hrn muß. Denn auch diesen Zwang weiß er her, nach so ru nutzen, daß er 10 der ttrmlichsten hä, mischstrn Verspottung seines gefälligen Bruders ausschlLgt. Lr -eilt fich lustig, um die Södern wahre Ausschweifungen und Tollheiten gegeben zu lassen; er macht kn dem verbindlichsten Tone die bittersten Vorwürfe; er wird nicht frrggebig, son, dern er spielt den Verschwender; und wohl in mtp ken, weder von dem Seinigen, noch in einer an# dern Absicht, als nm alles, was er Verschwende« nennt, lächerlich ru machen. Dieses erhellet un, widersprechlich au« dem, was er dem Miris ant# «ortet, der sich durch den Anschein detriegen läßt, und ihn wirklich verändert glaubt"). Hie oflenS3 *)
Nam ego vitim dnram, quin vixi uique adhue Prope jam excurfo fpatio mitto —
*♦) Ml. Qnid iftncT Qua res tarn repenta tnores mutt* vit tno» > Qned. proluiium, que iftzc fitbita eft largitis » Dl Dicsm tibi:
148 Hamh-rgische Dramaturgie,
dit Terentiua, stgt DotBtU-, magis. D ernenn CmnlasTe roatato« moree, quam mutavifse. Ich «Ul «brr »ich« Hesse», daß der Herr vor» Voltaire ««»net, selb- birst Verstellung laufe wider de» Charakter btt Dmea, der vorher »ich» algrschmöhltuud gepoltert habe: dea» eine solche Verstellung ersodere wehr Selaffeuheit und Seite, al- Obb dem Dmea tattauea dürst. Auch hieriir ist Leren» ohue Label, uad er bat alle- st vortreff lich motivirer, de» jedem Schritte Natur und Wahr heit st geuau beobachtet, bey de« gerlog stea Ueber« «äuge so feste Schettirungru in Acht geoomme», daß mau eicht anfhöreu krau, ihn ia bewundern. Nur ist iftert, nm hinter alle Feinheiten des Leren, tu kommen, die Gabe sehr nöthig, sich bat Spiel M Statut« bade» ru denken r brau dieses schriebru die alten Dichter nicht bey. Di» Derla, maUon hatt« ihre eignenLünstler, und in dem Ur, Ul id oflenderem, quod te isti sie dem et festivum putinr, Id. non fieri ex vera vita, neque adeo ex aequo et bono | Sei «x aflentando , indulgende , et largiendo, Micio. Nunc adeo, fi ob eam rem^vobis mea vitainvifa efl, Aeschine, Quia non jufta injufta prorfna omnia, omnino obfequer; MriTa facio; effundite, einite, facitl quod vobie Jubell
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Zweyter Theil. -----
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brigen sonnten sie sich ohne Zweifel auf die Ein« sicht der Spieler nerhflen, die an« ihre» Seschäf, te ein sehr ernstliches Studium machten. Nicht selten befanden sich mtter diesen die Dichter selbst; sie sagten/ wie sie es haben wollten; und da sie ihre Stücke überhaupt nicht eher bekannt werten ließe»/ als bis sie gelbielt wäre»/ al« bis man fle gesehen und gebiet hatte: so konnten sie es um l» mehr überhoben (t)a> den geschriebenen Dialog durch Einschiebsel zu unterbrechen, in welchen sich der beschreibende Dichter gewissermaßen mir un» ter die handelnden Personen in mischen scheinet. Wenn man sich aber eirtildet, baß die alten Dich, ter, um sich diese Einschiebsel zu ersparen, in den Sieben selbst, jede Bewegung, jede Seberde, jede Miene, jede besondere Abänderung der Stimme, die dabey t» beobachten, mit anindenken gesucht: so irret man sich. In dem Leren; allein kommen untählige Stellen vor, in welchen von einer sol, chtUAnbeutun- sich nicht Sie geringste Spur leiget, und wo gleichwohl der wahre Verstand nur durch Erralhung der wahren Action kann getroffen wer, den; ja, in vielen scheinen die Worte gerade da« Gegentheil von dem zu sagen, was der Schau, spieler dutch jene ausdrucken muß. Selbst in der Scene, in welcher die vermeynte Sinnesänderung de« Demea vorgeht, finden sich
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i$o Hamburgische Dramaturgie,
dergleichen Still«», die ich anföhren »ID, well 69 - 1 -j
Ma« für Mitleid firne der Untergang dieses Ungeheuer- erwecken? Doch, des soll er auch nicht r der Dichter hat es darauf nicht angelegt; und t< find ganz andere Personen in seinem Wer, ft, die er luSegeostiaden unsers Mitleids gemacht tat. Aber Schrecken? — Sollte dieser Bösewicht, der die Kluft, die sich twischeo ihm und dem Lhro, »r befunden, mit lauter Leichen gefüllt, mit den Leichen derer, die ihm da» Liebste in der Welt bitten seyn müssen: sollt« dieser blutdürstige, sei, «es Blutdurstes sich rühmende, über feine Derbr«, chen sich kitzelnde Teufel, nicht Schrecken in vol, le« Mast« erwecken? Wohl erweckt erschrecken: wenn unterSchrefi keu da« erstaunen über unbegreifliche Missethaten, das Lutfetze» über Bosheiten, die unsern Begriff übersteige», wenn darunter der Schauder ra »er, -ehe» ist, der «ns bey Erblickung vorsetzlicher Gtioel, die mit Lust begangen werden, überfällt. Do» diesem Schrecke» hat «ich Richard der Drit, t71
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«Dar Mitleid, sagt Srkstoteler, »erlangt tU Kto, der unverdient leidet: und die Furcht eines unsers gleichen. Der Bösewicht ist weder diese-, noch jener; solglich kann auch sein Unglück weder dar erste noch dal andere erregen Diese Furcht, sage ich, nennen die neuern Sur« leger und Uebersetzer Schrecken, und er gelingt ih« neu, mit Hülse dieser Worttausche», dem Philo sophen die seltsamsten Händel von der Welt ;u ma/ chen. »Man hat sich, sagt Einer au» der Menge, ••) über die Erklärung de» Schrecken- nicht vereini gen können; und in der That'enthält sie in jeder Betrachtung ein Glied zu viel, welche- sie an ih rer Allgemeinheit hindert, und sie allzusehr ein schränkt. Wenn Aristoteler durch den Zusatz: un ser» gleichen, nur bloß dir Ähnlichkeit der Mensch heit verstanden hat, weil nehmlich der Zuschauer und die handelnde Person beyde Menschen sind, gesetzt auch, da- sich unter ihrem Charakter, ih rer Würde und ihrem Range ein unendlicher Ab stand befände: so war dieser Zusatz überflüssig; denn er verstand sich von selbst. Wenn er aber die Meynung hatte, daß um tugendhafte Personen, •) 5ci ijttn Laplttl der Dichtkunst. •♦> Hr. e. in -er Vorrede »u s. komischen ryrarer, S.
3t.
>7- Hamburgische Dramaturgie.
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«btt solche, bie «soen vergeblichen Fehler an sich bitten, Schrecken erregen Wanten: so hatte er Unrecht; denn bie Vernunft nab bie Erfahrung ist ihm fobaan entgegen. Da- Schrecken entspringt unstreitig an« einem Gefühle bet Menschlichkeit: Henn jeder Mensch ist ihm unterworfen, und jeder Measch erschüttert sich, vermöge diese« Gefühl«, bey dem widrigen Zufälle eine« andern Menschen. ES ist wohl möglich, daß irgend jemand einfallen könnte, diese« von sich in löngnen: allein diese« würde allemal eine Derlängnung seiner natürlichen Empfindungen, und also eine bloße Prahlerey auf verderbten Grnndsiitzen, und kein Einwurf seyn. — Wenn nun auch einer lasterhaften Person, auf die wir eben unsere Aufmerksamkeit wenden, unser* wüthet ein widriger Zufall zustößt, so verlieren wir den Lasterhaften au« dem Gesichte, und sehen bloß den Menschen. Der Anblick de« menschlichen Elende« überhaupt, macht un« traurig, und die plötzliche traurige Empfindung, die wir sodann ha* den, ist da« Schrecken... Ganz recht: aber nur Nicht an der rechten Stel* le 1 Denn wa« sagt da« wider den Aristoteles? Nicht«. Aristoteles denkt an diese- Schrecken nicht, wenn er von der Furcht redet, in die un« nur das Unglück unser« gleichen setzen könne. Die, ses Schrecken, welche- uns bey der plötzlichen Er»
Zweyter Theil. e«=u „. ---- T
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blickung eine# Zeiten# befällt, da# einem andern bevorstehet, ist ein mitleidige# Schrecken, und also schon unter dem Mitleide begriffen- Aristoteles würde nicht fugen, Milleiden und Furcht; wenn er unter der Furcht weiter nicht# al# eine bloße Mobifieation de# Mitleid# verstände. »La# Mitleid, sagt der Werf, »er Briefe über die Empfindungen •), ist eine vermischte Empfln, düng, die au# der Ziele in einem Gegenstände, und au# der Uuloff üde^deffen Unglück zusammen, gesetzt ist. Die Bewegungen, durch welche sich da# Mitleid |u erkennen giebt, sind von den einst, chen Symptomen der Ziebe sowohl al# der Unlust, unterschieden; denn da# Mitleid ist eine Erschei nung. Aber wie vielerley kann diese Erscheinung «erden l Man ändere nur in dem bedauerten Unglück die einzige Bestimmung der Zeit: so wird sich da# Mirleiden durch ganz andere KenazeMen iu erkennen geben. Mit der Elektra, die über die Urne ihre# Broder# weinet, empfinden wir ein mitleidige# Trauern; denn sie hält da# Unglück siir geschehen, und bejammert ihren gehabten Verlost. Wa# wir bey den Schmerzen de# Philoktet# füh len, ist gleichfalls Milleiden, aber von einer etwa# *) »«lioftodlsche Schriften des Herrn Mose# Mendel#» sohn, »wstyrer Shell, S. 4.
»74 Hamburgische Dramaturgie.
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embero Natur» den» die fiual, die dieser Tu« «enbhafre autlnstehen hat^ ist gegenwärtig, und überfallt ihn vor uusernAuge». Wen» aber Oedip sich entsetzt, indem da» große Geheimniß sich plitz, lich entwickelt; wenn Moaime erschrickt, al- sie den eifersüchtigen Mithribater sich eutfärbeu sieht; nenn die lageadhast« Detdrmeoa sich fürchtet, da sie ihre» fönst »örtliche» Othello so drohend mit ihr redeuhiret: was empfinde» wir bar Immer noch Mitleiden! Aber mitleidige« Entsetze», mitleidige Furcht, mitleidiges Schrecke». Dir Bewegungen sind verschiede», allein da- Wesen der Empfindun gen ist in allen diesen Fällen einerley. Denn, da jede Liebe mit der Bereitwilligkeit verbunden ist, uns an die Stell« d« Seliedtea ru setzen: so müs sen wir alle Arten von Leiben mit der geliebte» Per son theile», welche- man sehr nachdrücklich Mitleidenlueunet. Warum sollten als» nicht auch Furcht, Schrecke», Zorn, Eifersucht, Rachbegier, «ad überHaupt alle Arten von unangenehme» Empfind«», gen, sogar de» Neid nicht ausgenommen, aut Mit leiben entstehen sinnen 3 — Man sieht hieraus, wie gar ungeschickt der größte Theil der Kunst richter die tragischen Leidenschaften in Schrecken «Bb Mitleidea,eintheilet. Schrecke» und Mitlei den! Ist denn da- theatralische Schrecken kein Mitleiden 3 Für «en erschrickt der Zuschauer,
Zweyter Theil.
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wenn Merope ans ihren eignen Sohn den Dolch liehet? Gewiß nicht für sich, sondern für den Ae, Sittb, dessen Erhaltnng man so sehr wünschet, nnd für die bettogne Königin, die ihn für den Mörder ihre» Sohne» anflkhet. Wollen wir aber nur die Unlust über da» gegenwirtige Uebel eine» Andern, Milleiben nennen: so müssen wir nicht nur da» Schrecken, sondern alle übrige Leidenschaften, die an» von einem Andren vitgetheilet werden, von -em eigentlichen Mitleiden unterscheiden.,, —
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Drn igten Januar, »768. Diese Dedanken find so richtig, so klar, so ein, leuchtend, dnß uns dünkt, ein jeder Hütte sie haben können, und haben müssen. Gleichwohl will ich die scharsfinnigen Bemerkungen de« neuen -hilo, sophen dem alten nicht unterschieben; ich kenne je, ne« Verdienste um die Lehre von den vermischten Empfindungen in wohl; die wahre Theorie dersel, ben haben wir nur ihm |u danken. Aber wa« er so vortrefflich au« einander gesetzt hat, da« kann doch Aristoteles im Ganten ungefähr empfunden
176 Hamburgische Dramokurgie.
haben: «eaigsten» ist t» vvlikügbar, daß Aristotr» le» entweder muß geglanbt habe», di« Tragödie könne «ud soll« eicht- als das eigentliche Mitleid, nicht» al- die Ualost über da» gegeowLrtige Uebel «ine» Andern, trottfto, welch/» ihm schwerlich iu< zutrauen; oder er bat alle Leidenschaften über, Haupt, die on» von einem Andern mitgethrilet wet, den, ooter dem Dorre Mitleid begriffen. Dena er, Aristoteles, ist e» gewiß.aicht, der dir mit Recht getadelte Eiathrilung der tragische» Leidraschafteu in Mitleid »ud Schrecken gemacht hat. Maa hat ihn falsch verstanden, falsch übel« setzt. Er spricht von Mitleid und Furcht, nicht »vnMitleid und Schrecken» und seine Furcht ist burchau» nicht di« Furcht, welche an» da» bevor, stehende Uebel eine» Andern, für dieseuAndern, er, «eckt, sondern r» ist die Furcht, welche au» uns«, rer Aehulichkeit mit der leidendrn Person für un» selbst entspringt» e» ist die Furcht- baß die Un, -lück-sälle, die wir über diese verbängt sehen, un» selbst treffen können» e» ist die Furcht, daß wir der bemitleidete Gegenstand selbst werden können. Mit Einem Worte: diese Furcht ist da» auf un- selbst de-ogene Mitleid. Aristoteles will überall au» sich selbst erklärt «erden. Wer un» einen neuen Commentar über seine Dichtkunst liefern will, welcher den Darier,
Zweyker Theis.
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schrn weit Mater sich list, 6em rathe sch, vor allen «Dingen die Werke bei Philosophen eem Anfänge dis iuw Ende in lesen. Er nirb Ausschlüsse für die Dichtkunst finden, wo er sich deren am wenig, -en Vermuthet ; besonders muß er die Bücher der Rhetorik und Moral studieren. Man sollte »war denken, diese Anfschlüffe müßten die Scholastiker, welche die Schriften des Aristoteles an den Fiu, gern wußten, längst gefunden Haden. Doch die Dichtkunst war gerade diejenige von seinen Schrift ten, um die fie sich am wenigsten bekümmerten. Dabey fehlten ihnen andere Kenntnisse, ohne weft ehe jene Aufschlüsse wenigstens nicht fruchtbar»««', den konnten: sie kannten daSLHeater und diMtU sterstücke desselben nicht. Die anthentische Erklärung dieser Furcht, vek, che Aristoteles dem tragischen Mitleid beyfüget, findet sich in dem fünften und achten Kapitel de« (ttepten Buch« seiner Rhetorik. ES war gar nicht schwer, sich dieser Kapitel in erinnern; gleichwohl hat sich vielleicht keiner seiner Ausleger ihrer er« innert, wenigsten« hat keiner den Gebrauch davon gemacht, der sich davon machen läßt. Denn auch die, welche ohne sie eiusahen, baß diese Furcht nicht da« mitleidige Schrecken sto, Hütten noch ein wich, tige« Stück au« ihnen in lernen gehabt: die Ur, sticht nehmlich, warum der Stagin't de« Mitleid 8tglna< Schelf««, xxv. tt. M
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hier die Furcht, und warum eor die Furcht, war, am feine «nbert keidenschaft, oid warum nicht mehrere Leidenschaften, depgeselltt hab». Vvu di«, str Ursache wissen sie Wicht«, oib ich wicht« wohl höre», war fit aus ihrem Lapse aotwarreu wür, Heu, wruu ma, fit fragte: warum « C. btt $rtu gibst uicht tbto sowohl Mitleid »udBtwuobtroos, al« Mitleid uud Furcht, erregen sinne unb bürstr Es »trübet aber alle- äus dem Begrifft, be» fich Atistatelts »an bta Mititibtn gemacht hat. Lr glaubte nehmlich, daß da« Uebel, welche« der Segenstand unser« Mitleiben« werden solle, noth, «endig m der Beschaffenheit seyn müsse, baß wir tt auch für nn« selbst, ober für ein« von ben Uns» rigen, tu befürchten hätten. Wo diese Furcht nicht sey, sinne auch kein Mitleiden Statt finden. Denn weder der, ben da« Unglück so tief herabge» drückt habe, baß er weiter nicht« für fich |u sürch, tut sähe, noch der, welcher fich so vollkommen glücklich glaube, baß er -ar nicht begreife, woher ihm ein Unglück »ustoßen könne, weder der Der» imeifelnbe noch der Ueberwüthige, pflege mit An, der» Mitleid l« haben. Er erkläret daher auch da« Fürchterliche und da« Mitleid-würdige, ein« durch btt« andere. Alle« da«, sagt er, ist »n« sürch, trrlich, «a«, wenn e« einem Andern begegnet wä, re, oder begegnen sollte, unser MiUrtd erwecken
Zweyter Theil.
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würde •): «ad elf# da- -ade« vir mitleibswür, big, was nie fürchte» würden, wroa es »»- selbst beoorstöndr. Nicht »tone «(so, das der Unglück, liche, mit dem wir Mitleibro haben feilt», sei» Unglück sicht verdiene, ob er H flch scheu durch irgend ei»e «Schwachheit ingtiegt»; feint gequöl, te Unschuld, oder uielwehr seine in hart hrim-e, suchte Schuld, ft» für uns verloren, ft» nicht vermögend, unftr Mitleid in errtgen, wes» wir kein.« Möglichkeit führ», daß uns fein Leide» auch treffen könne. Diese Möglichkeit aber finde sich attdan», und könne in einer große» Wahlschein, lichkeit erwachse», wenn ihn der Dichter nicht schlimmer mache, al- wir gemeiniglich in seyn »siegen, wenn er ihn vollkommen so denken und bandel» lasse, als wir in feinen Umstünden wür, de» gedacht und gehandelt bade», oder wenigstens N « *) 'Qf V «tX*< m»in, Qtßlf» trn «r« if>‘ ist^wi yiyio^fy«, 9 /»lAAerr«, tXAifstst im. Ach veiß nlchr, «aS Irrn Aemlllu- Porrv- dn feiner Stu--, der «her. Spir» ) elugekommen Ist, diese- ru Ü-ersehen; Deniqee et fimphcirer loquar, formidabiha sunt, quaecunque fimuhc in aliorum pnteftatem ienerv.nt, vel Ventura sunt; miferanda sunt. ES MU- schlecht. De- tztl-en, quecunque aliia ertntrunt, vek »Ventura und sie reiniget sie, indem sie ua« mit diesem nehm lichen Unglück« bekannt macht, und dadurch leh ret, r« weder alljusehr zu fürchten, noch allzusehr davon geführt tu werden, wenn e« un« wirklich selbst treffe» sollte. — Sie bereitet die Men schen, die averwidrigstrn Anfälle muthig tu er, tragen, und macht di» Allerelendestrn geneigt, sich für glücklich zu halten, indem sie ihre Un« glücktfälle mit weit größeren vergleichen, di« ih, Ur« die Tragödie vorstellet. Dena io «rlcheu Umständen kann sich wohl ein Mensch finden, der bey Erblickung eine« Oedip«, eine« Philvktet«, eine« Orest«, nicht erkennen müßte, daß alle Uebel, die er zu erdulden hat, gegen die, welche diese Männer erdulden müssen, gar nicht in Ver gleichung kommen?" Nun da« ist wahr; dies»
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Erklärung hon dem Darier oicht viel Äepflrt# «heu« gemacht habe». Er fäud fit fast mit heu nehmlichen Worten bey einem Stoiker, der im, tner rin Aug« auf die Apathie hatte. Ohne ihm iodeß «imuweodea, daß da« Gefühl unser« eige, neu Elende« nicht viel Mitleid neben sich duldet; Laß folglich bey dem Elenden, dessen Mitleid nicht zu erregen ist, die Reinigung oder Linde, rung seiner Betrübniß durch da« Mitleid oicht erfolgen kann: will ich ihm alle«, so wie er e« sagt, gelte» lassen. Nur fragen muß ich: wie viel er ouu damit gesagt? ob er im geringsten «ehr damit gesagt, al« daß da« Mjtleid unsere Furcht reinig»? Gewiß nicht: und da« wäre doch nur kaum der vierte Theil der Forderung de«Aristore, le«. Dean wenoAristotele« behauptet, daßdieTra, gidle Mitleid und Furcht errege, um Mitleid «ad Furcht tu reiuigeo: wer sieht nicht, daß diese« weit wehr sagt,al«Dacier»« erklären für gut befunden? Den» nach den verschiedenen Combinationen der hier vorkommenbeu Begriffe, muß der, welcher de« Sinn de« Aristotele« ganz erschöpfen will, stück, «eise teigen, i. wie da« tragische Mitleid Unser Mitleid, 3. wie die tragische Furcht unsere Furcht, 3. nie da« tragische Mitleid unsere Furcht, uud 4. wie die tragische Furcht unser Mitleid reinigen könn« uud wirklich reinig«. Dacier aber
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hat sich nur a» de» dritte» Ponet geholte», und auch diese» oor sehr schlecht, und auch diese» nur iur Hilft« erläutert. Deo» wer sich um tu neu richtige» ond vollständigen Begriff een der Aristotelischen Reinigung der Leidenschaften de, mühet hat, wird finde», daß jeder ee» jene» vier Puncte» eine» doppelte» Fall io sich schlir, ßet. Da nehmlich, es fori zu sagen, diese Stw oigung i» nicht- anderem beruhet, al- in der Verwandlung btt Leidenschaften io tugendhafte Fertigkeiten, bey jeder Tugend aber, nach u», serm Philosophen, sich diesseits und jenseit« rin Extremum findet, iwischen welchem sie inne ste, het: so muß die Tragidie, wenn sie unser Mit, leid in Tugend verwandel» soll, uns von beyden Extremis des Mitleids in reinigen vermigeud sey»; welche« auch von der Furcht in verstehen. Das tragische Mitleid muß nicht allein, in An, sehung de« Mitleid«, die Seele desjenigen reink» gen, welcher m viel Mitleid fühlet, sondern auch desjenigen, welcher iu wenig empfindet. Die tragisch« Furcht muß nicht allein, in Ansehung der Furcht, die Seel« desjenigen reinigen, wel, cher sich ganz und gar keine« Unglück« befürch, ter, sondern auch desjenigen, den «in jede« Un, glück, auch da« entfernteste, auch da« unwahr, scheitilichste, in Angst setzet. Gleichfalls muß
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dar trggische Mitleid, in Ansehung der Furcht, dem wa« tu viel, und dem war tu wenig, steuern r so wie hinwiederum die tragische Furcht, in Au, sehuug der Mitleid». Dacier aber, wir gesagt, hat «nr gereigt, wie da» tragische Mitleid unsrre allzu große Furcht mäßige: und noch nicht einmal, wie r» dem gäntlichen Mangel derselben abhrlse, »der sie in dem, welcher alltu wenig »en ihr empfindet, zu einem heilsamern Stade erhöh«; geschweige, daß er auch da« Uebrige sollte gezeigt habe». Die nach ihm gekommen, baden, wa» er unterlassen, auch im geringsten nicht ergänzet; aber wohl sonst, um nach ihrer Meynung den Nutzen der Tragödie billig außer Streit zu setzen, Dinge dahin getogen, dir dem Gedichte überhaupt,.aber keiueswege» der Lra> gidie, al« Tragödie, insbesondere zukommen; t. E. daß sie die Griebe der Menschlichkeit nah« ren und stärken; daß sie Liebe zur Tugend, und Haß gegen da- Laster wirken solle, u. s. «. •) Lieber! welche» Gedicht sollte da- nicht? Soll e» aber ein jede»: so kann r» nicht da- unterschei dende Kennzeichen der Tragödie seyn; so kann e» nicht da» seyn, wa» wir suchten. •) Hr. Cnttlu» lh feinte Ab-»n»m»o »en der Abstchr tt< ttauttfpitK, hinter her AristereUfchen Dichtkunst.
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LXXPX A)ea 2tea Februar,
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Hub nun tüitber ans unsern Richard in fern# men. — Richard als» erweckt eben so wenig Schrecken, als Mitleid: weder Schrecken in dem gemißbrauchten Verstände, für die plötzliche Ueber« raschung bei Mitleids; noch in dem eigentlichen Verstände des Aristoteles, für heilsame Furcht daß na- ein ähnliches Unglück treffen sinne. Denn wenn er diese erregte, würbe er auch Mit, leib erregen; so gewiß er hinwiederum Furcht erregen würbe, wenn wir ihn unsers Mitleids nur im geringsten würdig fänden. Aber er ist so ein abscheulicher Kerl, so ein eingefleischter Ten« fei, in dem wir so völlig keinen einzigen ähnli« chen Jug mit uns selbst finden, haß ich glaube, wir könnten ihn vor unsern Augen den Martern der Hölle übergeben -feben, ohne da» geringste für ihn |u empfinden, ohne im geringsten zu fürchten, daß, wenn solche Strafe nur auf sol» ehe Verbrechen folge, sie auch unser warte* Unb wa« ist endlich das Unglück, die Straft, die ihn trifft? Nach so vielen Missethaten, die wir mit an sehen müssen, hören wir, baß er
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mit dem Degen in brr Faust gestorben. Als der Königin dieses erzihlt wird, list sie der Dichter falls Bi
*Sie< ist etwas! — Ich bade mich nie enthalte» können, bey mir uachtusprechen: nein, da- ist gar nicht-1 Nir mancher gute König ist so geblieben, indem er seine Krone teilet einen wichtigen Rebellen be, hanpteu wollen? Richard stirbt doch, als em Mann, auf dem Bette der Ehre. .Und so rin Lod sollte mich für den Unwillen schadlos Hal, ten, den ich das gante Stück durch über de» Triumph seiner Bosheit'empfunden? (Ich glaube, die griechische Sprache ist die eintige, welche ein eigenes Wort hat, 'diesen Unwillen über das Glück eines Bösewichts au-iudräckenr h/mw, ttfiiraf. *) Sein Lob selbst, welcher wenigstens meine Gerechtigkeit-liebe befriedigen sollte, un, trrhält noch meine Nemesis. Du bist wohlfeil weggekommeu! denke ich; aber gut, baß e- noch eine andere Gerechtigkeit giebt, als die poe, tische! Man wird vielleicht sagen: nun wohl! wir wollen den Richard aufgeben; da- Stück heißt zwar nach ihm; aber er ist darum nicht der Held
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desselben, richt »de tyttta, durch welche die #6# sicht der Lragtbie «nicht wird; « her vor da» Mittel sey» feG«n, »nftr Mitleid für a»dere z» erregen. Di» Sieiglo, Elisabtth, di« Vriazeo, «rege» diese richt Mitleid? —* Um allem Wettstreite auszuweiche»: ia- Kto was iß ei fdr «irr fttmd«, herbe Lmpfiodung, die sich l» wtir Mitleid für dies« Pnsonne wischt? die da macht, baß ich mit dieses Mitleid «sparet» tu linn wünsch«? Das wünsch« ich mir bey dem ttagischeu Mitleid dich seost richt; ich «erweile gen» dabey, m»b daak« dem Dichter für «irr f» süße LoalSriftottle» hat es wohl gefast, ui8 das wirb es gar» gewiß seyol er spricht m eirem »en einem Gräßliche», das sich bey dem Voglük, kr gan» gut«, gant «nschalbig« Prrsouea finde. Und find richt die Aäaigin, Elistbeth, die Priir« zen, vollkomme» solche Personen? Das habe» fi« gethan? wodurch habe» fie es sich tug«tegeo, daß (le in der Lianen dieser Sestie find? Ist es ihr« Schuld, daß fie ein nähens Recht auf Heu Lhron habe», als er? Dksovbers die kleinenviM' mernden Schsachttpser, di» noch faum recht» und links unterscheid«» rinne» l Der wird läng»«», baß fie uaser« ganze» Jammer verdienen? Sb« ist dieser Jamm«, der wich mit Schaub«» an ttflin« eotlftin. x». tt. 0
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die Schicksale der Mensche» denke» läßt, dem Murre» wider die Dorsehuog sich tugesellet, uub Denweiflung een weitem oachschleicht, ist dieser Jammer — ich will nicht fragt», Mitleid7 — Er heiße, wie er wolle — Ader ist er da», wa» eine »achahmeude Kunst erweckt» solltet Ma» sag« nicht: erweckt ihn doch die @er schichte; gründet er sich doch ans etwa», da» wirk, lich geschehe» ist. — Da» wirklich geschehen ist? tf sey: so wird t< seine» gute» Grunde» dem ewige» unendlichen Zusammenhänge aller Dinge habe». I» diesem ist Weisheit u»d Güte, wat uo» in de» wenige» Glieder», die der Dichter herau-nimmt, blinde» Geschick u»d Grausamkeit scheinet. Au» diese» wenigenTliedern sollte er ein Ganre» mache», da» völlig sich rundet, wo «in» au» dem andern sich völlig erklärt, wo keine Schwierigkeit ausstößr, derentwege» wir die Befriedigung nicht io seinem Plaue finden, sonder» sie'außer ihm, in dem allgemei, »eo Plane der Dinge, suche» müssen; da» Tanze diese» sterbliche» Schöpfer» sollte ei» Schattenriß von dem Ganren de» ewigen Schöpfer» seyn; sollteuo- an den Gedanke» gewöhne», wie sich in ihm alle» tunt Besten auslöse, werde t# auch in jenem geschehen: und er vergißt, diese seine «del, sie Bestimmung so sehr, daß er die unbegreiflichen Wege der Dorsicht mir in seinen kleiney Zirkel
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flicht, und geflissentlich unser« Schänder darüber erregt? — O vttschooet uns damit, ihr, die ihr unser Herl in eurer Geaalt habt? Doru diese traurige Empfindung? Uns Unterwerfung »« leh» reo? Diese kano uos «er die kalte Vernunft leh, reo; uud.aeuu die Lehre derDerounfr io uns de, kleibeo soll, aroa wir bey ooferer Unterwerfung noch Vertrauen und stihlichen Muth bebalteu sollen: so ist «S höchst nöthig, daß wir au die verwirrenden Beyspiele solcher unverdienten schreck» lichea Verhöngnisse so wenig, al» möglich, erio» nett werde». Weg mit ihnen von der Bühne l Weg, wenn es seyn könnte, aus alle« Bücher« mit ihnen! — Wenn nun aber der Perfdoen des Kichard keine einrige, die erforderliche« Eigenschaften hat, die sie haben müßten, falls er wirklich basstyo sollte, was «t heißt: wodurch ist er gleich, wohl «in so interessantes Stück geworden, wo» für ihn unser Publicum hält? Wenn er nicht Mitleid und Furcht erregt: was ist den» seine Wirkung? Wirkung muß er doch haben, uod hat sie. Und wenn er Wirkung hat: ist es nicht gleichviel, ob er dirs«, «der ob er jene hat? Wenn er di« Zuschauer beschäftiget, wen« er sie vergnügt: aas will mau denn mehr? Müssen sie denn nothwendig nur nach den Äv 0a
±i» Hamburgische Dramaturgie.
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fftie de« Aristotele« beschäftigt und vergnügt «erden r Da» klingt so «»recht oicht: aber U ist dar, aus t« antworte». Ueberhaapt: «en» Richard schon keine Tragödie wäre, so dleibt er doch «in dramatische« Gedicht; wenn ihm schon die Schön, heitea der Tragödie mangelte», so könnte «»doch sonst Schönheiten haben. Porste de»Autdr«ck«; Bilder; Tirade»; kühne Gestaanngra; einenftu< rigrn hinreißende» Dialog; glücklich« Deraolas, sllngea für de» Akteur, den ganzen Umfang sei, «er Stimme mit de» «aaaigfaltigüea Abaechse' langen tu durchlaufe«, seine ganze Stärke in der Pantomime zu zeigen, «. s. w. Don diese» Schönheiten hat Richard viele, «ad hat auch «och andere, di« den eigentlichen Schönheiten der Tragödie näher kommen. Richard ist «in abscheulich» Disewicht: aber «ach di« Beschäftigung «nser» Abscheue« ist nicht ganz ohne Vergnügen; besonder« in der Nachahmung. Such da« Ungeheuere ia den Verbreche» »ar« ticipiret von den Empfindungen, welche Größe «nd Kühnheit ia un« erwecken. Alle«, wa« Richard thut, ist Greuel; aber ave diese Greuel geschehen in Adflcht auf etwa«. Richard hat «inen Plan; und überall, wo wir einen Plan wahrnehmen, wird unsere
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Neugierde rege; wir »arten grru mit ad, od «r au«geführt wird «erden, und wie er e« «ird werden; wir liehen da- ZweckNZ-i'-e so sehr, daß es uns, auch unabhängig von der Moralität de« Zwecke«, Vergnügen gewähret. Wir wollten, daß Richard seinen Zweck er# reichte : und wir wollten, daß er ihn auch nicht er# reichte. Da« Erreichen erspart uns da« Mißver# «nügen, über gant »ergeben« angewandte Mittel: wenn er ihn nicht erreicht, so ist so viel Blut völlig umsonst »ergossen worden; da e« einmal »ergossen ist, möchten wir e« nicht gern, auch nvch bloß vor langer Weile, vergossen finden. Hinwiederum wäre diese- Erreichen da- Frohlok# fei der Po-heit; nicht« hören wir ungern»; die Absicht intereArrte un-, al» ;u erreichende Sbficht; wenn'sie aber nun erreicht wär«, aür# den wir nicht- al- da« Abscheuliche derselben er# blicken; würden wir wünsche«, daß sie nicht er# reicht wäre; diesen Wunsch sehen wir voran«,, und un« schaudert vor der Erreichung. ■ Die guten Personen be< Stück« lieben wir; eines» «örtliche feurige Mutter..Geschwister, die so gan» ein« iu dem andern leben; diese Gegenstände gefallest immer, erregen immer die süßesten sympathetischen Empfindungen, wir mögen, sie finden, wo wir wollen. Sie gan; ohne Schuld leiden in sehen, ist »war herbe,, ist twar für unsere Ruhe, in unserer Besserung 0 3
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feto sehr ersprießliches Gefühl: aber es ist doch immer Gefühl. Und so »ach beschäftiget uu» das Stück durch» aus, und »ergoügt durch diese Beschäftigung unsere Seelenkräfte. Das ist rvahr; nur die Folge ist nicht wahr, die man daraus t» liefen mepnet: nehmlich, daß wir also damit zufrieden sey» sinnen. Ein Dichter sann viel gethan, und doch noch nichts damit verthan Haden. Nicht genug, dast fein Werk Wirkungen aus unS hat: es muß auch die haben, die ihm, vermöge der Gattung, in» kommen; es muß diese vornehmlich Haden, und alle andere können den Mangel derselben auf keine Weife ersetzen; besonder» wenn die Gat» tuug een der Wichtigkeit und Schwierigkeit und Kostbarkeit ist, daß alle Mühe und aller Aufwand vergeben» wäre, wenn sie weiter nicht» als solche Wirkungen herverbringen wellte, die durch eine leichtere und weniger Anstalten erfer» derude Gattung eben so wohl ;u erhalten wären. Ein Bund Stroh aufzuhebeu, muß man keine Maschinen in Dewegung setze«; was ich mit dem Fuße umfloßen kann, muß ich nicht mit einer Mine sprengen wollen; ich muß keinen Scheie terhaufen antünben, um eine Mücke in eere trennen.
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5>en $ten Februar, 176g.
die stur, Arbeit 6er dramatische« Sera, W»IU ein Lbeater erbauet, Mänoer und Weid« verkleidet, Gedächtnisse gemartert,. die geoit Stadt auf eisen Platz geladen? Weau M Vit meinem Werfe, und mit der Aufführung deffei» den, «eiter nicht« hervorbringe» will, al« eisige so« he» Regungen, die eine gute CrjLhlung, soo jedem |u Hause in seinem Winkel gelesen, «mgefghr auch hervorbringe« würde. Die dramatische Korm'ist hie emsige, st «ei# cher sich Mitleid und Furcht erregen läßt; nie«, nlgsteu«. können i« keiner andern Form diele Leiden» schäften auf-einen st habe« Grad erreget ««den: und gleichwohl will mau lieber alle andere darin, erregen, al« diese; gleichwohl will man sie lieber zu allem andern brauchen, al« tu de«, wvst sie. st »ortüglich geschickt ist. Da« Publicum nimmt vorlieb.'— Da« .ist gut, und auch nicht gut, Degu mau sehnt sich nicht sehr nach der Lasel, an der man immer vorlieb nehme« muß.
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Cs ist bekamt, wie erpicht bar griechische anb römische Volk auf die Schauspiele waren i besoubers ieitf, auf bar rrayssche- Mir gleich, gültig, wie kalt ist bagege» unftr Volk für bar Ldeaterl Woher birst Verschiedenheit, wenn fle uicht daher kömmt, baß die Vriecheu vor ihrer Bühne flch mit so starke», so außrrorbrottichea Empflnduugen begeistert fühlte#, daß fle ben 9tor geabljck uicht erwarten feeifen, flr abermals nnfr abermals tu haben: dahingegen E itiis vor unserer TüdUefo schwacher Eindrücke bewußt sind, baß wir es feite# der Zeit trab des Gkldes werth halttn, fit vor in verschaffen t Wir geh«», säst alle, faß Immer, aus Neugierde, auf Mode, aus Langer, weite; gur Gesellschaft, äug Degierbt zu begap stu uub begafft m »erbe», los Theaterr Und Rur weaige, und diese wenige nur sparsam, aus ruberer Absicht. Ich sage, wir, unstt Volk, unsere Bühnei ich meint aber nicht bloß, uns Deutsche. Wir Deutsche bekennen er ireuberiig genug, daß wir noch kein Theater haben. Was viele von unsern Kunstrichlern, bje in dieses Bekenntniß mit ein, Atome», udd große Verehrer des sranzöflscheu Theaters sind, dabey denken r bas kann ich so eigentlich uicht wissen. aber ich weiß wohl, was ich dabey denke. Ich denke nehmlich dabey r daß
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«tot allein wie Deutschen, sondern M auch die, «eiche sich feit hundert Jahren ein Theater in Haden rühmten, ja da» teste Thraker een ganz Europa m Haden prahlen, — daß auch die Frau, lesen noch kein Theater Haden. Ein tragisches gewiß nicht! Denn auch die Eindrücke, weiche die ftanztflsche Tragödie macht, sind so flach, so falt! — Man höre einen Frau« Hf« feil# dann sprechen. „Dey den vereerstechenden Schönheiten unsers Theaters, sagt der cherr von Voltaire, sand sich ein verdorsener Fehler, den man nicht bemerkt hurte, weil das Publicum non selbst keine höhere Ideen haben konnte- als ihm die großen Meister durch ihre großen Muster beybrachten. Der ein# lige Salut» Eoremont hat diesen Fehler aufge# mutzt; er sagt nehmlich, daß unsere Stücke nicht Eindruck genug «achten, daß ha«, was Mitleid erwecken solle, anst höchste Zärtlichkeit errege, daß Rührung die Stelle der Erschütterung, und Er# staunen die Stelle des Schreckens Vertrete; kurz, baß unsere Emp-ndudg« nicht tief genug gingen. C« ist nicht in leugnen : Saint« Evrewout hat mit dem Finger gerade ans die heimliche Munde des stauiöstscheu Theaters gettoffen. Man sage immerhin, daß Saint# Eormput der Der# fassen der elenden Aomöbie Sir Politik Mouldbe, 0$
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mb nöch einer andern eben so elenbeo, di» Oper« ßtaannt, ist; daß seine kleine» gesevschafkliche» Gedicht« bat kahlste und gemeinste find, mal wie io dieser Gattung haben; daß er »ichlt alt tür Phrasenbrechtler war: man kann keine» Funke» Genie habe», mb gleichwohl viel Witz und See schwach befltze». Sein Geschmack aber «ar unstrei, «ig sehr sein, da er die Ursache, warum die meiste» von onsera Stücken so walt und kalt find, so ge, vao traf. E- hat »ns immer an einem Grade von Wärme gefehlt; das andere halteowir «llrt.“ Da« ist: wir hatten alles, ent nicht dar, nag. wir habe» sollte»; unsere Tragödie» wart» »w trefflich, nor daß et keine Tragödie» waren. Und., woher kam et, daß fit bat nicht war«»? »Diese Kält« aber, führt er fort, dies« «iaf-w wlge Mattigkeit, entsprang tum Theil een btt» kleine» Geiste der Galanterie, der damals oottr unser» Hosleutea und Damen so herrschte, und die Tragödie io eine Folge von verliebttn Gespräche» verwandelte, »ach dem Geschma cke des Cyro» und der Clrli«. Wat für Stücke sich hkerooo noch etwa «otnahmen, dir bestanden aut langen politie scheu Raisonoement-, bergleichen deo Srrroriu« so verdorben, den Oth» so kalt, und den Suren« und Attila so elend gemacht habe«. Noch fand sich aber auch eine andere Ursache, die bat hvhe Dalhetische
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»on «öftrer ®eene zurückhielt, «ob die Handlung wirklich tragisch 10 wachen verhiubtrtt: und dielt war, da« tagt schlechte Theater mit seinen ärmst, lkge« Dtrritrungtn. — Was ließ sich auf tioem Saar Dutzend Drttttru, die noch dar« mit Zu schauern angesüllt waren, machen? Mit welchem Pomp, mit welche« Zurüstungen kannte man da die Auge« der Zuschauer besteche«, fessel«, tia« fchen? Welche große tragische Action ließ sich da aufführe»? Welche Freyheit konnte die Einbil, dungskrast de« Dichter« da habe«? Die Stücke mußte« au« lauge« Erzählungen bestehe«, «nb s» würben sie «ehr Gespräche al« Spiele. Jeder Akteur wollte i« einem lange» Monologe glänze«, tmb eia Stück, da« dergleichen nicht hatte, ward verworfen. — Sey dieser Form fiel alle theatra, lischt Handlang weg: fiele« alle die großen Au«, drücke der Leidenschaften, alle die kräftigen Ge, «ilbe bet menschlichen Unglücktfälle, alle die schreck, lichen bl« io da« Innerste der Seele dringende« Züge weg; man rührte da« Her» nur kaum, anstatt e« tu zerreißen." Mit der ersten Ursache hat e« seine gute Rich, tigkeit. Galanterie und Politik läßt immer kalt; «hb noch ist e« keinem Dichter in ber Welt qelun, gin, die Erregung he« MiUeld« und ber Furcht damit zu verbinden. Jene lassen ««« nicht« al«
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ben Fat, oder bk» Schulmeister dir«: und bitft fibtrn, daß vir sicht« al« dro Menschen hören sollen. Aber die iwrvte Ursache? — Sollte e« möglich sey», daß brr Mangel tlnrt grräuoige» Theater« vab guter Deriieruugru «ine» solchen Einfluß auf da« Srsie brr Dichter gehabt bitt«? Ist er wahr, daß jede tragische Handlung Pomp vnb Zorü, -nogea «rfordertt Oder sollt« der Dichter uicht vielmehr sei» Stück so eiarichte»,daß «S auch ohne dirs« Dinge seine völlige Wirkung hervor, brächtet Nach bro Aristoteles, sollte er e« allerbing«. »Furcht und Mitleid, sagt der Philosoph, läßt sich »war durch« Sestcht errege»; es kau» «berauch au« der Verknüpfung der Brgebenhritro selbst ent» springen, welche« letztere »vr»üglich«r> und die weise be« besser» Dichter« ist. Deo» die Fabel mu ss eingerichtet sey», baß sie, auch ungesehen, 6«, der den Verlauf ihrer Begebeuheitrn bloß anbikt, in Mitleid und Furcht über diese Bese/ benhriten bringet, so wie die Fabel be« Oebip,. die P« nur anhöreu darf, uv daiu gebracht in werbe». Diese Abficht aber durch da« Sestcht er, reichen wollen, erfordert weniger Kunst, und ist bereu Sach», welche dir Vorstellung de« Stück« übernommen."
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Wie entbehrlich überhaupt bk» theatralische« Dmirruogra sind, davon niU na« mit den Stuf, kr» de» Shakesprar« eine sonderbare Erfahrung gehabt haben. Welche Stücke brauchten, wegen ihrer beständige» Unterbrechung und Veränderung des Ort-, des Beystände» der Scenen und der -amen Konst de« Decorateur» wohl mehr, aleben diese? Gleichwohl war eine Zeit, wo die Bühnen, auf welcheu sie gespielt wurde», au» nicht« bestanden, al- aut einem Vorhänge von schlechtem grobem Zeuge, der, wenn er aufgezogen war, die bloßen blanken, höchsten- mit Matten oder Tapeten behangenen, Wände zeigte; da war nicht» al« die Einbildung, wa« dem Verständnisse de« Zuschauer- und der Au-führung de« Spie» (et« zu Hülfe kommen konnte: und dem ungeach» ter, sagt mau, waren damal« die Stücke de« Sha, kespear« ohne alle Scenen verständlicher, al« sie e« hernach mit denselben gewesen sind •). Wenn sich also brr Dichter um die Derrie» rnng gar nicht in bekümmern hat» wenn die Der» ») (Cibber'i Livei of the Poets of G, B. and lr. Vol, U, f. ?r. 7-.) Some bave infinnated , that fine fcenea proved thc ruin of ading — In the reign of Charlea I. there wa» nothing more than a curtain of very coarfe fluff, npon the drawing up of which, the finge appeared either with bare wall» en the fidel, coarely matted, or coverad with tapeftry t so that for the plae»
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iierung, auch roo (le nöthig scheint, ohne tosen# torn Nachtheil seine« Stücks negbleiben kau»: warum sollte es au dem eugea, schlechte» Theater gelegen haben, das ans die fraazistschen Dichter keine rührendere Stücke geliefert? Nicht doch: eS lag au ihnen selb-. Und dar beweiset die Erfahrung. Deau uua haben ja die Franrosea eine schönere, geräumige» re Bühner keine Zuschauer werden mehr dar, auf geduldrtr die Coulissen sind leer; der De» corateur hat freye« Feld» er «alt und bauet hem Poeten aller, wa« dieser von ihm »erlangt r aber wo sind (le denn, die wärmeren Stücke, die (le seitdem erhalten haben? Schmeichelt sich der Herr von Voltaire, daß feine Semirawi- ein so fr ehe« Stück ist? Da ist Pomp «ad Verzierung genug; eia Gespenst oben darein r und doch kea» ne ich nicht« Kältere«, al« feine Semirawi«.
erigtnally reprefented, 'and. all the successive dünget, in which the pocti of thofe time» freely indulged. themselvei, there wat nnthing to Help the fpeAator'l enderftanding, or to assift the aflor’a perfotmance, but bare imaginitiöh The fpirit and judgement of the aflora fupplied all deflciencies, and made, a$ fothe would infmuate , play» rnote intelligible without fcejm, than they afterwarA» wäre with them.
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De« stea Februar, 176g. 26ill ich denn au» aber damit sag«, baß kein Franzose fähig ftp, «kn wirklich rührendes tragt» scheS Werk 10 machen? daß der volatile Seist der Nation einer solchen Arbeit nicht gewachsen ftp? — Ich würde mich schäme», wenn mir baS nur «»gekommen wäre. Deatschland hat sich neck durch keinen Douhours lächerlich gemacht. Und ich, für mein Theil, hätte nun gleich die wenigste Anlage dazu. Den» ich di» sehr über» trügt, daß kein Volk ia der Welt irgend eine Gab« des Geiste« vorzüglich »,r andern Völkern erhalten habe. Ma» sagt zwar: der tirssinnige Engländer, der witzige Fra»,oft. Ster wer hat denn die Theilung gemacht? Die Natur gewiß nicht, bi« alle« unter alle gleich vrrthrilet. ES giebt eben so viel witzige Cngläahrr, al« witzige Franzosen, und eben so viel tiefsinnige Franzose», al« tiefsinnige Engländer: der Braß von dem Volke aber ist kein« von beyde». — Was will ich denn? Ich will bloß sagen, wa« hie Franzose» gar wohl habe» könnte», baß sie da« »och nicht haben: die wahre Tragöbie. Und warum noch nicht Haden? — Dai« hätt« sich der
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Herr von Voltaire seit st besser kennen müsse», wen» er es hätte treffe» volle». Ich mtpne: |ie habe» es »och «icht; veil sie es schoa lange gelabt i» haben glaube». Und in diesem Glaube» werde» sie nun freylich durch etwas bestärkt, das sie vorzüglich vor allen Dil, fern haben; aber es ist keine Gabe der Natur: b'rch ihre Eitelkeit. CS geht mit de» Nationen, wie mit einzeln Menschen. — Gottsched (man wird leicht begreü fen, wie ich eben hier auf diese» falle,) galt t» feiner Jugend für einen Dichter, weil man damals den Dersmacher von dem Dichter noch nicht zu unterscheide» wußte. Philosophie und Kritik sey, len nach und »ach diese» Unterschied ins Heller und wen» Gottsched mit dem Jahrhunderte nur hätte fortgehe» wolle», wen» sich seine Cinflchte» und sein Geschmack nur zugleich mit den Einsichten und dem Geschmacke seines Zeitalters hätte» eee« breiten und läutern wollen: so hätte er vielleicht wirklich aus dem Dersmacher ein Dichter werde» können. Aber da er sich schon so oft den größte» Dichter hatte nenne» höre», da ihn feine Eitelkeit überredet hatte, daß er eS sey: so unterblieb jene#. Er konnte unmöglich erlangen, was er schon zu be« sitze» glaubte: und je älter er warb, desto hartnäk-
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tiger und nnoetsttitatet warb et, flch in diesem träumerische« Defltze |o behaupt». Gerade so, dünkt wich, ist er beu griaiose» er» gangen. Kaum riß Corneille ihr Theater ein we» nig au- der Barbar»: so glaubten sirr- der Doll» kommenheit schon ganz nahe. Karine schien ihnen die legte Hand angelegt zu haben; «ad hierauf war gar nicht mehr die Frage, (die es zwar auch nie genesen,) ob der tragische Dichter nicht noch pathetischer, noch rührender fegn könne, als Cor» »rille und Racine, sondern dieses ward für unmög» lich angenommen, und alle Beeiferung der nach» folgenden Dichter mußte flch darauf einschränken, hem einen oder dem andern so ähnlich zu werden al- mbglich. Hundert Jahre haben sie flch selbst, und zum Theil ihre Nachbarn mit, hintergangen: nun komme einer, und sage ihnen da-, und höre, was fie antworten l & Don beyden aber ist e- Corneille, welcher den meisten Schaben gestiftet, und auf ihre tragischen Dichter den verderblichsten Cinflnß gehabt hat. .Denn Racine hat nur durch seineMuster verfahrt; Corneille aber, durch seine Muster und Lehren zu» gleich. Diese letzte» besonder-, von der ganzen Na» tlon (bi- auf einen oder zwey Pedanten, einen He, Velin, einen Dacier, die aber oft selbst nicht wnß» Lessina« etutiftm. xxv, rz P
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ttn, was (le wellten,) al» Srakelsprüche «ngeaom« men, von allen nachherigen Dichtern befolgt: ha« ben — ich getraue mich, es Stück für Erück rir beweisen — nichts anders, als das kahlste, wäßrig» fit, nntragischste Zeng hervorbringen können. Die Regeln des Aristoteles sind alle auf die höchste Wirkung der Tragödie ealculirt. Was macht aber Corneille damit? Er trügt sie falsch und schielend genug vor; und weil er sie doch noch viel rn strenge findet: so sucht er, bey einer nach der andern, quelque moderation, quelque faro. rable Interpretation; eUtkrÜfttt UUd verstümmelt, beutelt und vereitelt eine jede, — und warum? pour n’etre paa oblig'e de coudamner beauconp de potmei que non, avon» Vu rcuflir für no$ theätre«; um nicht viele Ge-ichtt verwerfen tu bürfen, die aus unsern Bühnen Beyfall gefunden. Ci» schöne Ursache! Ich will die Hanptpuncte geschwind berühren. Einige davon habe ich schon berührt; ich muß sie aber, des Zusammenhanges wegen, wiederum mit» nehmen. i. Aristoteles sagt: die Tragödie soll Mitleid und Furcht erregen. — Corneille fast; o ja, aber wie es kömmt; beydes rugleich ist eben nicht im» «er nöthig; wir sind auch mit Einem rufrieden; jetzt einmal Mitleid, ohne Furcht; ein andermal
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Furcht, ebne Mitleid. Denn m ttlebe ich, ich der große Corneille, sonst mit meinem Kvdrigut und meinet Lhimene? Die guten Kinder erwecken Mitleid» und seht großes Mitleid r aber Furcht wohl schwerlich. Und wiederum r wo bliede ich sonst mit meiner Cleopatra, mit meinem PrusiaS, mit meinem Phoras? Wer taun Mitleid mit die,, fett Nichtswürdigen haben? Aber Furcht erreget»' sie doch. — So glaubte Corneille r und -le Fra», tosen glaubten es ihm nach. 2. Aristoteles sagt r die Tragödie soll Mitleid und Furcht erregen» beyde-, »ersteht sich, durch, eine und eben dieselbe Person. —- Corneille sagt, wenn es sich so trifft, recht gut. Aber absolut nothwendig ist e- eben nicht r und man kaun sich gar wohl auch verschiedener Personen bedienen, die« se zwey Empfindungen hervvrzubringen r so wie Ich in meiner Slodvgune gethan habe. — Las hat Cdkr neide gethan: und die Frantoseu thun es ihm nach. 3. Aristoteles sage: durch das Mitleid und die Furcht, welche die Tragödie erweckt, soll unser Mitleid und unsere Furcht, und was diesen anhöm gig, Bereiniget werden. — Corneille weiß davon gar nicht-, und bildet sich «in, Aristoteles habe sagen wollen § Vie Tragödie erwecke unser Mitleid, um unsere Furcht tu erwecken, um durch diese Furcht P i
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die Leidenschaften in unr tu remigtn, durch die sich -er bemitleidete Gegenstand sein Unglück rugri«, -en. Ich will von dem Werthe dieser Absicht nicht sprechen: genug/ daß «» nicht die Aristotelische ist; und daß/ da Corneille seinen Lragidien eine ganz andere Absicht gab/ auch nothwendig seine Tragi, dien selbst gan, andere Werke werden mußten/ al# di» waren/ non welchen Aristoteles seine Absicht abstrahirrt hatte; ti mußten Lragidien.werden, welche keine wahren Lragidien waren. Und das find nicht allein seine, sondern alle ftanrisische Ira# gidien geworben; weil ihre Verfasser alle, nicht di» Absicht des Aristoteles, sondern die Absicht des Corneille, sich vorsetzten. Ich habe schon gesagt, daß Dacier br-dr Absichten wollte verbunden wissen: aber auch durch diese bloß» Verbindung, wird die erstere geschwächt, und die Tragidie muß unter ihrer hichsten Wirkung bleiben. Dato hatte Da, eier, wie ich ge;eigt, von der erstem nur «inen sehr unvollständige» Degriff, und es «ar kein Wunder, «en» er sich daher einbildete, daß die srauMschea Lragidien seiner Zeit noch eher die erste, als die lwrptt Absicht erreichten. „Unsere Tragödie, sagt er, ist, tu Folge jener, noch so »iemlich glücklich, Mitleid und Furcht ;u erwecken und iu reinige». Aber diese gelingt ihr nur selten, die doch gleich, wohl die wichtigere ist, und sie reiniget die übri,
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gen keidenschaftea vor sehr ntnig, ober, ba fit ge, meiniglick nicht» al- Liete-inkrigue» enthält, roiim sie ja eine davon reinigte, st würde es einjfg und allein die klebe seyn, woran» de»» klar erhellet, daß ihr Nutzen nur sehr klein ist').,. Gerade um» gekehrt! E» giebt noch eher französisch« Tragi» die», welche der troepten, al« welche der erste» Äb» sicht »in Genüge leiste». Ich kenne verschiedene französische Stücke, welche die unglücklichen Fol gen irgend einer Leidenschaft recht wohl in« Licht fetzen; au« denen man viele gute Lehre», diese fei» denschaft betreffend, ziehen kann: aber ich kenne fein», welche» mein Mitleid in dem Grade erreg, ti, in welchem die Tragödie e» errege» sollte,, in welchem irf>, auf verschiedene» griechischen und englischen Stücken gewiß weiß, baß sie e» erregen kann. Verschiedene französische Tragödien sind sehr feine, sehr unlkrtichtende Werke, die ich alle« P 3 *) Poet. d’Arist. Chap. VI. Ren», f.) Notre Tragödie pent r^uflir aflc/. dm» la ^rtmicre partie, c’eft-i-dire, qu'clle peut exc;ter &, purger la terreur & la compaffion. Mail eile parvient rarement i la dernidre, qni eft ponrtant Ja plu» utile ; eile pnrge pen le» autre» pasiioni, on cotnme eile roule ordinairement für des Intrigue» d'amonr , fi eile en purgeoit qnelqu'une, ce seroit cel» le 11 feul*, par-li il est aifd de voix qu’elle ne fair ♦;ue peu de fiuit.
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Lobes werth holte r nur, b,ß t# feint $reflibien find. Die Verfasser derselben konnten nicht an, der», als sehr gute Kips« seyn; sie verdienen, »um Shell, unter den Dichtern keinen geringen Rang: nur da- sie keine tragische Dichter sind» nur daß ihr Corneille und Racine, ibr Crrdillva und Dol, faire vv« dem wenig ober gar nicht» haben, was den Sophokles »um Sophokles, den Euripides »um Euripides, dej, Shakespear »um Sbakespear macht. Dirs« sind selten mit den wesentlichen §o, drrungea des Aristoteles in Widerspruch: aber jene desto öfter. Denn nur weiter —
«ich um Regel«, wtn« man mir nur Vergnüge« mache? & sind wahrlich nicht die Bemerkungen de< weisen Alwndir und de- gelehrten Abdaldok, noch die Dichtkunst de» scharfsinnigen Faeardin, die ich alle nicht gelesen habe, welche e< machen, baß ich die Stück« de- Abnlcalrw, de- Monhar, dar, der Albaknkre, und so vieler andern Sara, eenen bewundere! Giebt es denn auch eine ande« re Regel, alr die Nachahmung der Natur? Und haben wir nicht «de« die Augen, mit welchen dirs« fit studierten?., »Die Natur, antwortete Riccarie, leiget sich uns alle Augenblicke in verschiedene« Gestalte«. All« sind wahr, aber nicht alle sind gleich fchin. Em« gut« Dahl darunter in treffe«, da- muffe« wir au- de« Werke« lernen, von welchen Sie eben nicht viel iu halten scheinen. C- find dir ge, sammelten Erfahrungen, welche ihre Verfasser und deren Vorgänger gemacht haben. Man mag ein noch so v-'trefflicher Kopf seyn, so erlangt ma« doch nur seine Einsichten eine nach der andern; und «in rimelner Mensch schmeichelt flch vergr, den-, in dem kurien Raume seine- Leben- alleseldst iu bemerken, wa- in so vielen Jahrhunber, ten vor ihm entdeckt worden. Sonst ließe sich de, Häupten, daß eine Wissenschaft ihren Ursprung, ihren Fortgang, und ihre Vollkommenheit einem
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dnjigen Seist« iu verdank«» haben könne; welche» doch wider alle erfahruvg ist." „Hieran», mein Herr, antwortete ihm Se» lim, folget weiter nicht», al» daß die Neuern, welche sich alle die Schätze |tt Nutze mache« können, die di» auf ihre Zeit gesammelt worden, reicher seyn müssen, al» di« Alten: oder, wen» ihnen dies« Vergleichung nicht gefällt, daß sie auf deu Schultern dieser Kolossen, auf die sie gestiegen, nothwendig müffro weiter sehe» kö», neu, al» diese selbst. War ist auch, in der That, ihr« Naturlehre, ihre Astronomie, ihre Schiff»« kuust, ihre Mechanik, ihre Rrchenlehre, in Der, gleichuog mit unser»? Warum sollten wir ihnen also in der Beredsamkeit und Poesie nicht eben so wohl überlegen seyar" * „Selim, versetzte die Sultane, der Unter, schied ist groß, und Riecarie kauu Ihnen die Ur, fachen davon «ko andermal erklären, kr mag Ih, nrn sagen, warum unsere Tragödien schlechter sind, al» der Alten ihre; aber daß sie er sind,! kann ich leicht selbst auf mich nehmen, Ihnen 1« be, weisen. Ich will Ihnen nicht Schuld geben, fuhr sie fort, baß Sir die Alten nicht gelesen haben. Sie haben sich um ru viele schöne Kennt, Nisse beworben, al» baß Ihnen da» Theater der Alten unbekannt seyn sollte. Nun setzen sie gr,
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wisse Idee», die sich auf ihre Gebräuche, auf ihre Sitten, auf ihre Religio» betirhe», und die Ihne» nur beSwegeo anstißig sind, weil sich die Umstände gednbert haben, bey Seite, und sagen Eie mir, ob ihr Stoss nicht immer edel, wohl» gewählt und interessant ist? ob sich die Hand, lung nicht gleichsam von selbst rinleitet? ob der simple Dialog dem Natürliche» oicht sehr nahe f tarnt? ob bk Entwickelungen im geringste» g«, Iwungen sind? ob sich da« Interesse wohl theilt, vnd die Handlung mit Episoden überladen isst Versetze» Sie sich in Gedanke» in die Insel Ali», dala; untersuche» Sir alle«, wa« da vorging, höre» Sie alle«, ma« von dem Augenblicke an, al« der junge Ibrahim und der verschlagene For, fanti an« Land stiege», da gesagt ward; näherer Sie sich der Höhle de« unglücklichen Polipflle; verliere» Sie kein Wort von seine» Klagen, und sagen Sie mir, ob da«'geringste vvrkömmt, wa« Eie in der Täuschung stiren finale? Nenne» Sie mir ein einige« »euere« Stück, welche« die nehm, liche Prüfung aushalten, welche« auf de» nehm, iichen Grad der Vollkommenheit Anspruch mache» kano: und Sie solle» gewönne» haben." »Beym Brama i rief der Sultan, und gähn» te; Madame hat un« da eine vortreffliche akade, mische Vorlesung gehalten!"
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♦ „Ich verstehe die Regel» nicht, s»hr dieFavorü tin fort, und »och weniger die gelehrte» Worte, i* welche» man sie abgefaßl hat- Aber ich weiß, daß nut da» Wahre gefüllt »ob rühret. Ich weiß nach, daß die Vollkommenheit tin« Schauspiel« in der so genaue» Nachahmung einer Handlung de« bestehet, daß der ohne Unterbrechung betrogene Zuschauer bey der Handlung selbst gegeuwärtizs zu seyn glaubt. Findet sich aber in den Lra»ö> die», dir Sie uns so rühme», nur da« geringste, na« diesem ähnlich sähe?"
* LXXXV. Den szstea Februar, 1768.
„Wollen Sie den Derlans darin lobenr Er ist meisten« |u vielfach und verwickelt, daß «« ei» Wunder seyn würd«, wen» wirklich so vieleDint ge in so kurzer Zeit geschehe» wäre». Der Um tergang oder die Erhaltung eine« Reich«, die Heiratb einer Prinzessin, der Fall eine« Prinzen, alle« da« geschieht so geschwind, wie man ein»
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Hand umwenbet. S8mmt e# aus eine Derschw!» rang ant- im ersten Acte wird sie entworfen; im iwepten ist sie beysammen r iw dritten werden alle Maßregeln genommen, alle Hindernisse geb», den, und die Derschwornen halten sich fertig; mit nächstem wieder einen Aufstand seyen,Iwirb t» tum Treffen kommen, wohl gar in einer firm# lichen Schlacht. Und da» alle» nennen Sie gut geführt, interessant, warm, wahrscheinlich? Ih, nen kann ich nun so etwa» am wenigsten «er, den, der Sie wissen, wie viel e» oft kostet, die allerelendeste Inttigne tu Stande tu drin, gen, und wie viel Zeit bey der kleinsten politischen LngelegenheiU aufEinleitungen, auf Besprechungen und Derathschlagungen geht." „CS ist wahr, Madame, antwortete Selim, unsere Stucke sind ei» wenig überladen» aber da- ist ein nothwendige» Uebel; ohne Hülfe der Episoden würden wir uo» vor Frost nicht tu las, fen wissen." »Da» ist: nm der Nachahmung einer Hand» lang Feuer und Geist tu geben, muß man die Handlung weder so vvrstellen, wie sie ist, noch so, wie sie seyn sollte. Kaan etwa» lächerlichere» gedacht werden? Schwerlich wohl; e» wäre denn etwa diese», daß man die Geige» ein lebbaste» Stück, eine muntere Sonate, spielen läßt, «äh»
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rend baß die Inh-rer am de« Prinzen Wummert fegn solle«, der ans dem Punct ist, seine Ge# liebte, seine» Lbro« und sei« Lebe« in «er# lieren.„Mabame, sagte Mongvgul, Sie -ade« voll, komme« Recht; traurige Arie« müßte man indeß spielen, und ich will Ihne« gleich einige bestellen geb»«. Hiermit stand er auf, und ging heran-, und Selim, Rieearic und die Favoritin fetzte« die Unterredung unter sich fort." „Wenigsten«, Madam», erwiederte Selim, «erde« Sie nicht läugnen, baß, »en« dir Epi, sieben uu« au« der Täuschung herau-bringe«, der Dialog un« wieder hineinsetzt. Ich wüßte nicht, wer da« besser «erstünde, al« unsere tragische Dichter." »Nn« so versteht es durchaus niemand, ant, «ortete Mirtvra. Da- Gesuchte, da« Witzige, da« Spielende, da« darin herrscht, ist tau» send und tausend Meile« von der Natur ent# fernt. Umsonst sucht sich der Verfasser zu »erstes, fen; er entgeht meinen Augen nicht, und ich er, blicke ihn unaufhörlich hinter seine« Personen. €inna, EertoriuS, Maximus, Aemilia, sind alle Augenblicke das Sprachrohr des Corneille. So spricht man bev unsern alten Saracenen nicht mit einander. Herr Riccaric kann Ihne«, wen
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Sie wollt« rlakgr Stelle« daraus übersetze«; «ad Sie werde« dl« bloße Natur dir««, die sich durch de« Mund derselbe« auldrückt. Ich wicht« gar t« «er« »« de» Neuer» sage« r «Meine Hrrrea, anstatt daß ihr euer« Prrso« «ea it| aller Selegeaheit Witz gebt, so sucht -« doch lieber in Umstände ,u setzen, die ihaen welchen gebe«." „Nach brm i« urtheile«, waS Madame von dem Verlause und dem Dialog« unserer brama, tische« Stücke gesagt hat, scheint er wohl «ich«, sagte Selim, daß sie de« Cntwickeluage« wird Saab« widerfahren lassen." „Nein, gewiß «icht, versetzte die Favoritin r tt giebt hundert schlecht« für eine gute. Sie «ine ist nicht vorbereitet r die andere ereignet sich durch «i« Wunder. Weiß der Verfasser nicht, wat er mit einer Person, die er von Scene iu Scene gaoir fünf Acte durchgeschleppt hat, anfaagea soll: geschwind fertiget er sie mit einem gute« Dolchstoß« ab r die ganie Welt fängt an «u weine«, und ich, ich lache, als ob ich toll wäre. Hernach, har man wohl jemals so ge» sprechen, wir wir declamiren? Pflegen die Prin, len und Kinige wohl ander- l« gehen, als sonst «in Mensch, der gut geht? Grsticulireo sie wohl jemals, wie Besessene und Rasend« r Und wenn
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Prinjessinnen sprechen, sprechen sie wohl kn s« einem heulenden Tone? Ma» nimmt durchgängig an, daß wir die Tragödie ru einem h»he» Grade der Vollkommenheit gebracht haben: und ich, meines Theils, halte es fast für erwiesen, -aß von allen Gattungen der Litteratur, auf die sich di« Afrikaner in de« letzte» Jahrhunderte« gelegt t>«< den, gerade diese di« unvollkommenste geblieden ist." »Eben hier war die Favoritin mit ihrem Ausfäl le gegen unsere theatralische Werke, als Mongogul wieder hereinkam. Madame, sagte er, Sie wer den mir eine» Gefalle» erweisen, wen» Sie fort fahren. Sie sehen, ich verstehe mich darauf, eine Dichtkunst abjukürzeu, wenn ich sie tu lang finde." »kaffen Sie un«, fuhr die Favoritin fort, einmal annehmen, e< käme einer gant frisch aus Angvte, der in seinem Leben von keinem Schau spiele etwas gehört hätte; dem es aber weder an Verstände noch an Welt fehle; der ungefähr wis se, was «O einem Hofe vorgehe; der mit den Anschlägen der Höflinge, mit der Eifersucht der Minister, mit den Hexereyen -er Weiber nicht ganz unbekannt wäre, und »u -em ich im Dertränen sagte: »Mein Freund, es äußer« sich in -em Seragli» schreckliche Bewegungen. Der etflina» Schritten, m. El). R
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Fürst, brr trn't seinem Dohne mißvergnügt ist, weil er ihn im Verdacht btt, baß er die SXenU wondtlldr liebt, ist t(n Mana, den ich für fähig halte, an beyden die grausamste Rache in üben. Diese Sache muß, allem Ansehen nach, sehr trau rige Folgen haßen. Wenn Sie wollen, so will ich machen, daß Sie von allem, was vergeht, Zeuge seyn können." Er nimmt mein Anerbieten an, und ich führe ihn in eine mit Sitterwrrk ver machte Loge, aut der er bat Theater steht, wel che- «- für den Pallast de- Sultan« hält. Ohm/ den Ei« wohl, daß Trotz allem Eroste, in dem ich mich |u erhalten bemühte, die Täuschung die ses Fremden einen Augenblick dauern kjnnle? Müs sen Sie nicht vielmehr gestehen, baß er, bey dem steifen Sange der Aeteurt, bey ihrer wuuderlichrn Tracht, bey ihre» ausschweifenden Geberdea, bey dem seltsamen Nachdrucke ihrer gereimten, abgr, ’ messenen Sprache, bey tausend aadern Ungereimt heiten, die ihm auffallen würden, gleich ,n der ersten Scene mir in« Gesicht lachen und gerade heran- sage» würde, daß ich ihn ««/weder |um besten haben wollte, ober baß der Fürst mir sammt seinem Host nicht wohl bey Sinnen sey» wüßte. * „Ich bekenne, sagte Selim, baß mich dieser angenommene Fall vrelrgen macht; aber könnt»
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man Ihnen nicht ttt bedenken seien, baß mir fa das Schauspiel gehen, mit der Uebenengnng, der Nachahmung einer Handlung, nicht aber der Hani« lung selbst, bepzuwohuent" »Und sollte denn diese Ueterleugung nmit|< rtn, erwiederte Mirioza, die Handlung auf die allernatürlichstr Art vorzustellen?" — Hier kömmt da« Gespräch nach und nach auf ander« Dinge, die und nichts angeheu. Wir wen« den uns also wieder, iu sehen, wqS wir gelesen haben. Den klaren lautern Diderot l Aber alle diese Wahrheiten waren damals in den Wind grsagt. Sie erregten eher kein« Empfindung in dem französischen Public», als bis sie mit allem didak tischen Ernste wiederholt, und mit Proben beglei tet wurden, iu welchen sich der Verfasser von ei nigen der gerügten Mängel zu entfernen, und de» Weg der Natur und Täuschung besser tinruschlagen, bemühet hatte. Nun weckt« der Nrjd die Kritik. Nun war es klar, warum Diderot bas Theater seiner Nation auf dem Gipfel der Voll kommenheit nicht sahe, auf dem wir «d durchaus glauben sollen; warum rr so viel Fehler in den gepriesenen Meisterstücken desselben fand: bloß unh allein, um seinen Stücken Play (u schaffen. Er mußte die Methode seiner Vorgänger verschrieen Haden, weil rr empfand, daß in Befolgung der R -
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tlehmlicheu Methode, «r unendlich unter ihnen Bleiben würde. Er müßte ein elender Charlatan seyn, der all« stemden Theriak verachtet, damit kein Mensch andern al- seinen kaufe. Und so fie len die Palissou über seine Stücke her. Allerdings hatte er ihnen auch, in seinem na türlichen Sohne, manche Tlßße gegeben. Dieser erste Versuch ist bey weitem das nicht, wa« der Hausvater ist. Zu viel Ciufirmigkeit in den Cha, ratteren, da- Romantische in diesen Charakteren selbst, ein steifer kostbarer Dialog, ein pedanti sche« Geklingel von neumodisch philosophischen Sen, tenien: alle-da-machte den Tadlern leichte- Spiel. Besonder- zog die seyerliche Theresia loder Con stantia, wie sie in dem Originale heißt,) die so philosophisch selbst auf die Freyeren geht, die mit einem Manne, der sie nicht mag, so weise von tu, gendhasten Kindern spricht, die sie mit ihm zu er zielen gedenkt, die Lacher auf ihre Seile. Auch kann man nicht liiugnen, daß die Einkleidung, welche Diderot den beygefügteu Unterredungen gab, daß der Ton, den er darin anuahm, ein wenig ei tel und pompb- wart baß verschiedene Anmerkun gen al- ganz neue Entdeckungen darin vorgetragen wurden, die doch nicht neu und dem Verfasser
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nickt figtn waren; daß andere Anmerkungen dkr Gründlichkeit nicht hatte»/ die sie io dem blenden« den Dorrrage m haben schienen,
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Den afiflen Februar, 1768.
Zum Exempel, Diderot behauptete •), baß es in der menschlichen Natur anst höchste nur ei» Lut« »end wirklich komische Charaktere gäbe, die großer Züge säbig wären; und daß die kleinen Derschie« denhekten unter den menschlichen Charakteren nicht so glücklich bearbeitet werde» könnten, als dir rei» nen unvermischtea Charakters Er schlug daher vor, nicht mehr die Charaktere, sondern die SlLn« de aus di« Bühne in bringen; und wollte dieDear, beituog dieser, zu dem befoaver» Geschälte der ernstbasten Komödie machen. Blöder, sagt er, ist in der Komödie ber Charakter da« Hauptwerk R 3 S. die Unterredunaen hinter dem natürlichen Sohne, S. 3". d. Ueberf.
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geweft«; «ob 6er Stand war nur etwa» Zufällü ge»: nun aber muß der Stand da» Hauptwerk, und der Charakter da- Zufällige «erden. All dem Charakter log man die ganie Intrigue: man suchte durchgängig die Umstände, in welchen er sich am besten äußert, und verband diese Umstände untereinander. Lunstig muß der Stand, müsse« die Pflichten, die Vortheile, die Unbequemlich keiten desselben iur Grundlage de- Werke- diene«. Diese Quelle scheint mir weit ergiebiger, von weit größer« Umfange, von weit größerm Nutzen, al» die Quelle der Charaktere. War der Charakter nur ein wenig übertrieben, so konnte der Zuschauer t« sich selbst sagen: da- bi« ich nicht. Da« aber kau« er «nmiglich läugoen, daß der Stand, de« man spielt, sei« Stand ist; feine Pflichte« kau« er tmmäglich «erkenne«. Er muß da«, wat er bürt, nothwendig auf sich anwende«." Wa- Paliffot hierwider erinnert*), ist nicht ohne Grund. Er längnet e-, da- die Natur so arm an ursprüngliche« Charaktere« sey, daß sie die komischen Dichter bereit» sollten erschöpft ha» den. Mokiere sahe noch genug neue Charaktere vor sich, und glaubte kaum den allerkleinsten Theil von denen behandelt zu habe«, die er behandeln
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sinne. Die Stelle, in welcher er vttfchiedoe der, selbe» in der Geschwindigkeit entwirft, ist ft merk» würdig a'.f lehrreich, indem sie «eromthen läßt, daß der Misanthrop schwerlich sein Non plus ultra in dem hohe» Komischen bürste geblieben seyn, wenn er langer gelebt härte *). Paiiffot selbst ist Sl4 ♦) Impromptu de Versailles , Sc. 2.) Eh • ie on ' panvre Marquis , noas lui (1 Moliere ) fournirons toujours affez de mafiere, 8c nona ne prenona giieres le chemin de 11 ous rendre saget par tont ce qu'il faifr 8c tont ce qu'il dir. Crou.tu qn’it ait fpuifd dan» fes Comfdie» tnub les ridicxrfr» des hommes. &. fans fortir de la Cour, n s-’-il pas encore vingt charaderes de gern, oh il n’a pas toueb# ? N’a-t-il pas, par exemple, ceux qul fe f< r.' lrs plus grandes amitids du mondc, 8c qui, le dos totirup, fout galanteste de fe ddchirer l’un FautreF N*a-t- 1 pas ces adulateurs a outrance, ces flatteurs inst» pides q.rt n’artaisonnent d'aucuu fei les louanges qii'iia dr.nr.cnt, L. dont toutes les Batterie» ont une douceur fade qvi fait mal au cneur 8c a ceux qni les deoutent# bi’a-'-il p?e ces liehet cmirtifans de la faveur, ces perfi* des adnrateurs de la fortune qm vons enrenfent dans 1a profpt'r.td , 8c vous arcahlent dans la difgrace > N'a-t-i* pas ceux qui fönt tonjours- msconten» de la Cour, ce» fiuvans inutiles , ces incommodei aflidus, ces g --Va, va, Marquis , Mö llere aura toujaurs plus de sujets qu'il n'en vondra . *1^ *f«| -.TT-
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selten fehlt. Für eine Gesellschaft, im gemeine« Leben, roe sich der Conttaü der Charaktere so ad» siecheud leigt, als ihn der komische Dichter »er» laagt, werde« sich immer tausend finde«, wo sie «eiter oichts al» verschieden sind. Sehr richtig» Aber ist ei« Charakter, der sich immer genau in dem geraden Gleise hält, bas ihm Dernuvst und Lugend vorschreibe«, nicht eine noch seltnere Er scheinung? Don iwavzig Gesellschaften im gemei nen Leben, werden eher leb« seyn, in welchen man Dürer findet, die de» Erhebung ihrer Kinder völlig entgegengesetzte Wege eivschlagea, al» eine, dir den wahre« Vater aufweise« könnte. Und dieser wahre Vater ist noch dazu immer der nehmliche, ist nur ein einziger, da der Abweichungen von ihm unendlich sind. Folglich werde« die Stücke, die de« wahren Vater in» Spiel bringe«, nicht allein jede» für sich unnatürlicher, sonder« auch unter einander einförmiger seyn, als es die seyn können, welche Dürer een verschiedenen Grundsätzen einfüb» ren. Auch ist es gewiß, baß die Charaktere, welche i« ruhigen Gesellschaften bloß verschieden scheine«, sich von selbst contrastiren, sobald ei« streitende» Interesse sie in Bewegung setzt- Ja es ist natürlich, daß sie sich sodann beeiser», noch weiter von ein, ander entfernt |it scheine», als sie wirklich sind. Der Lebhafte wird Feuer und Flamme gegen den.
Zweyter Theis.
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der ihm in lan sich in bettagrn scheiatt: und der Laue wirb falt wie Ei», um jenen so viel Ueber» eilungen begeben in kaffen, al» ihm nur immer nützlich seyn sinnen.
LXXXVII.
LXXXV11I.
Dm 4ten Marz,
176g.
Un6 s» sind andere Anmerkungen de- Palissot mehr, wenn nicht gani richtig, doch auch nicht gani falsch. Er sieht den Ring, in den er mit seiner Lanze stoßen will, scharf genug; aber in der Hitze de» SnsprengenS, verrückt die Lanze, und er stißt den Ring gerade vorbey. So sagt er über den natürlichen Sohn unter andern: »Welch ein seltsamer Titel! der natürliche Sohn.' Warum heißt da« Stück so? Welchen Einfluß bat die Geburt de- Dorval? Wa« für «inen Vorfall veranlaßt sie? An welcher Situa» «ton giebt sie Gelegenheit? Welche Lücke füllt sie auch nur? Wa« sann als» dir Absicht de«
»7° Hamburgische Dramaturgie. Verfasser« dabey gewesen seyn? Eia Paar Bee teachrungen über da« Dorurthril gegea die um eheliche Geburt flufiuöinaen? Welcher vernünf, rige Mensch weiß deva nicht von selbst, wir ungt» recht ttn solche- Dorurtheil ist?" Wenn Diderot birraof antwortete: Dieser Uwe stand war allerding« |ur Verwickelung meinet Fabel nöthig; ohne ihn würde r« weit unwahr, scheinlicher gewesen seyn, daß Doroal seine Echwe, fier nicht kennet, und seine Schwester von keinem Bruder weiß; «- stand mir frey, den Titel da von in entlehnen, und ich Hütte den Titel von noch einem geringern Umstande entlehnen kin, neu — Wenn Diderot diese- antwortete, sag' ich, wäre Palissot nicht ungefähr widerlegt? Gleichwohl ist der Charakter de« natürlichen Sohne« einem gani andern Einwurfe bloß gestellet, mit welchem Palissot dem Dichter weit schür« fer hatte «usetzen können. Diesem nehmlich: daß der Umstand der unehrlichen Geburt, und der. daran« erfolgten Verlassenheit und Absonderung, in welcher sich Doroal von allen Menschen soviele Jahre hindurch sahe, rin viel in eigenthüm licher und besonderer Umstand, gleichwohl auf die Bildung seine« Charakter« viel iu viel Ein, flnß gehabt hat, al« daß dieser dreienige Allge meinheit haben könne, welche nach der eigenen
Zweyter Theil. »-
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kehre de» Diderot eia komischer Charakter noth, wendig habrn maß. — Die Gelegenheit reitzt mich |u riarr Abschweifung über Hirse Lehrer nnb welchem Reitze von der Art brauchte ich in einer solches Schrift ru widerstehen? „Die komische Gattung, sagt Diderot*), hat Arten, und di« tragische hat Individua. Ich will mich erklirrn. Der Held einer Tragödie ist der und der Meufch: ti ist Regular, oder Brutus, «der Cato, unb sonst kein anderer. Di« virnehmstr Person einer Komödie hingegen muß eine groß« Anlahl hon Menschen votstellen. Gäbe mau ihr von ungefähr «in« so eigene Phy/, siognomie, daß ihr nur ein «intigrs Individuum ähnlich wäre, so tvürde dir Komödie wieder ür ihre Kindheit turücktrrten- — Lerem schei» uet mir einmal in btrfrn Fehler gefallen tu seyn. Sein Heavtoatimorumen»S ist ein Daker, der sich über den gewaltsamen Entschluß grämet, tu welchem er seinen Sohu durch übermäßig« Streu» ge gebracht hat, und der sich deowegen nun selbst bestraft, indem er sich in Kleidung und Speise kümmerlich hält- allen Umgang fliehet, sein Ge, sind» abschafft, und da» Feld mit eigenen Händen bauet. Man kann gar wohl sagen, daß ei so
-72 Hamburgische Dramaturgie.
eben Vater «richt. giebt. Die größte Stabt würde kaum in einer» Jahrhunderte Ein »»»
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dem. Sehotze dieser Gesetze entweder «ameotttch ao-ges sondern auch den PrrikieS und Sokra tes namentlich mitgenommen.
•) Mir der Strenge, mir welcher Plato daß Verbot, jemand In per. Komödie lächerlich ju machen, in sei ner Republik einsützrey wollte, fanri Atyy, fwt
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zo4 Hamburgische Dramaturgie. t" '
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Ich will nur noch die Anwendung auf die wah, reu Namen der Tragödie machen. So wie der Ari stophanische Sokrates nicht den einzeln Mann die ses Namens vorstellte, noch vorstellen sollte; so wie dieses personifirte Ideal einer eiteln und gefährlichen Schulweisheit nur darum den Namen Sokrates bekam, weil Sokrates als ein solcher Tauscher und Verführer zum Theil bekannt war, zum Theil noch bekannter werden sollte; so wie bloß der Begriff von Stand und Charakter, den man mit dem Namen Sokrates verband und noch naher verbinden sollte, den Dichter in der Wahl des Namens bestimmte: so ist auch bloß der Begriff des Charakters, den wir mit den Namen Regu lus^ Caro, Brutus zu verbinden gewohnt sind, die Ursache, warum der tragische Dichter seinen Personen diese Namen ertherlet. Er führt einen rtvv troXtTtov ist in der Wlrklir eben Republik niemals darüber gehallen worden. Och Will nicht ansühren, daß in den Stücken deS Menander noch so mancher Cynische Philosoph, noch so manche Vuhlerin mit Namen ß »nennt ward: man könnte aniworren, daß dieser Abschaum von Menscheu nicht zu den Bürgern gehört. Aber ÄtelippuS, der Sohn des ChabnaS, war doch gewiß Athemenflscher Bürger, so gut wie Einer: und man sehe, IvaS Menander von ihm sagte. QMenandu Fr x. uz. IlcIji. Cl.j fLnStvät
Zweyter Theil.
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Regula«, tftta Brutas auf; uicht am au« mit den wirtliche, Begegiiffeo dieser Milaarr btz kaust |8 machen, uicht um da« Sedilchtniß der, selbes io erururru: sondern um an# mit solche, Begegmssen tu unterhalten, die Mannern een ih» rem Charakter überhaupt begegne, sinnen and müssen. Nu, ist «# iwet wahr, deß wir diesen ihren Charakter aas ihren wirklichen Drgegnisseaabstrabirrt haben: es folgt aber doch daraus nicht, baß uns auch ihr Charakter wieder aus ihre De» grgnisse rurüeksühren müsse; er kann «ns nicht selten weit kür;er, weit natürlicher auf gant an, bere bringen, mit welchen jene wirklichen weiter nichts gemein haben, als daß sie mit ihnen aus einer Quelle, aber auf uuluverfolgendeu Umw«, gen and über Erdstriche hrrgefloffen sind, welche ihr« Lauterkeit verdordeu haben. In diesem Fall« wird der Poet jene erfundenen den wirklichen schlechterdings vortiehen, aber den Personen noch immer di« wahr«, Namen lassen. Und «war aas «iuer doppelten Ursache: einmal, weil wir schon gewohnt sind, bey diesen Namen einen Charakter 1U denken, wie «r ihn in seiner Allgemeinheit «ei, grt» «weytrns, weil wirklichen Namen auch wirk» liche Begebenheiten antuhüngen scheinen, und al, les, was einmal geschehen, glaubwürdiger ist, als was nicht geschehen. Di« «rste dieser Ursachen 8i81n«t ex*41 i
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wirksam durchlese« will, wird finden, daß sei« auch noch so triftig gezeichneten Charaktere, dru ßriftto Theil ihrer Kolleg d«rch,fich »ollkow» wen wir alle andere «««drücken, und ihre weseorlichen und herrschenden Eigenschafteo «ar gelegentlich, so wir dir Umstände eine «ngrtwuagene Aeuße rung veraulassea, au den Lag legen. Diese de» sonder« Dortrefflichkeit seiger Komödie« entstand -aber, daß er die Natur getreulich kopirtr, uud sei« rege« und feurige« Genie auf alle« aufmerk, stw war, wa« ihm io dem Verlaufe der Scene« dienliche« aufstoßeo konat«: da hingegen Nachah mung i«td geringere Fähigkeiten kleine Scrideu» re« verleite«, fich um die Fertigkeit tu drei fern, diesen Eivr« Zweck keine» Augenblick au« dem Gesichte tn lasse«, uud mit der ängstlichsten Sorg falt ihre Liebling-charaktere i« beständigem Spie» le und ununterbrochener Thätigkeit »u erhalte«. Ma» könnte über diese «»geschickte Anstrengung ihre« Witze« sage«, baß sie mit den Personen ih res Stücks nicht ander« umgehen, al- gewiff, spaßhafte Leute mir ihren Bekannten, denen sie Wit ihren Höflichkeiten so «usetzen, daß sie ihre» Antheil an der allgemeiuen Unterhaltung gar nicht nehmen können, sondern nur immer, rum Dergnü» gen der Gesellschaft, Sprünge Und Männerchen wache« müssen.,,
Zweyter Theil.
321
XCIV.
Den szsten März, 1768. Und so viel von der Allgemeinheit der komische« Charaktere, und de« Grämen dieser Allgemeinheit, nach der Idee de« Hurd! — Doch eS wird «5# thig seyn, noch erst die zweyte Stelle beyzubringen, wo er erklärt zu haben versichert, in wie weit auch den tragischen Charaktere», ob sie schon nur partikular wären, dennoch eine Allgemeinheit tukomme: ehe wjr den Schluß überhaupt mache« könne», ob und wie Hurd mit Diderot, und bey, de mit dem Aristoteles übereinstimmen. „Wahrheit, sagt er, heißt in der Poesie ein solcher Ausdruck, als der allgemeinen Natur der Dinge gemäß ist; Falschheit hingegen ein solcher, als sich iwar ru dem vorhabenden besonder» Fair le schicket, aber nicht mit jener allgemeine» Na tur übereinstimmel. Diese Wahrheit de- Aus drucks in der dramatischen Poesie r» erreiche», empfiehlt Horaz *) zwey Dinge: atiizal, die Sokratische Philosophie fleißig zu studieren; zwcvrcno, sich um eine genaue Kenntniß des menschli chen Lebens in bewerben. Jenes, weil es der *) De arte poet. v
trfllnss Schritten,
310. 317 318.
xxv.
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Hamburgische Dramaturgie.
«lgenthämliche Dono- titfrr Schult ist, »L vetitetem Vita propitu accedere •); biefti, trat ansttrr Nächahsnng «ine desto edjtmiinert Aehnlichkeit «rtheileu . ,u können. Sich dienwa tu Fbertengra, darf mau nur trroigeirf bei mau sich (it Äerstg der Nachahmung an dir kvahl-heic tu genau Holken kann; Und diese» auf doppeit« Wei« fr. Denn entweder kann der Lunfiltr, wenn er die Natur nachbilden will, sich ;u ängstlich befleißigen, alle und jedeÄrstuderheirm seine» Gtgenstandt- anindenten) inich st die allgemeine Idee der ©Artung ausznvnkkrn' verfehlen. Oder er kaun, wenn er sich dies« allgemeine Ide« »u «fr theilen bemüht, fl« an# in vielen Fällen de» wirk, lichxu Ledens, nach, seinem weitesten Umfange, msammensehen; da er sie vielmehr von' dem lau tern Begriffe, dir sich blost in der Vorstellung der Seele (tobet, hefnehmen sollte. Diese» letz tere ist der allgemeine Tadel, womit die Schule der Niederländischen Maler in belegen, als di« ihr« Vorbilder au» der wirklichen MM- trab iilcht, wie die Italiänische, von dem ' gkistkgetz Ideale der Schönheit entlehnetJene» aber •) De Opit. I. ?J.
*• Nach Maaßgebung der Antiken.
Nec enim Pli\ :s turmafn aut MiiitiVx, confvmpLib.,i
Zweyter Theil.
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entspricht.einst» andern Fehlte, den man gleich, fall# ten Niederltnbischen Meistern norwirft,. nsfr der dieser iß, da- 'sie lieber die ksoaher», sdtft, ne mch axoreske, als die a0geqeln»'tmh reitzrake Natur, sich tum Dorbilde wühle»... »Mr scheu also, daß der Gichter, indem er sich vost her eigenen und besondern Wahrheit env ferner, desto getteuer die allgemeine Wahrheit Nachahmer. Und hieraus ergiebt sich dir Antwort ans jenen ftrhsinbigeu Einwurf, den Plato gegen die Poesie ansgegrübeit hatte, und nicht ohne Selbsttufriedenheit oorjntragen schien. Nehchlich, baß die poetische Nachahmung uns die Wahrheit nur sehr von weitem zeigen sinne. Benn, der poetische Ausdruck, sagt der Philosoph, ist das Abbild von des Dichrers eigenen Begriffen» die Begriffe de» Dichters sind das Abbild der Dinge; und die Dinge da» Abbild de» Ur, bilde», weiches in dem göttlichen verstände epi stirer. Folglich ist der Ausdruck des Dich ter» nur da» Bild von dem Bilde eines Dib de», und liefert uns ursprüngliche Wahrheit X a aliquem, e qun Cmilitndinem duceret $ feJ ipfm» in mente incidcbat Jprtitf pulchrindinij eximtt quaedam quam intuens in eaque defixus ad illius fimililudixem ar H au U manu01 dirigtbat. (Cie, Oral. 8.)
24 Hamburgische Dramaturgie.
nur gleichsam aus der dritten Hand *). Aber alle diese Dernünfteley fällt weg, sobald man die nur gedachte Regel deS Dichter« gehörig fasset, und fleißig in Ausübung bringet. Denn indem der Dichter von de» Wesen alles absondert, was allein da« Individuum «»gehet und unterscheidet, überspringt sei» Begriff gleichsani alle die zwi schen inne liegenden besondern Gegenstände, und «hebt sich, so viel möglich, zu dem göttlichen Urbilde, um so das unmittelbare Nachbild der Wahrheit zu werden. Hieraus lernt man denn auch einsehe», was und wie viel jene« ungewöhn liche Lob, welche« der große Kunstrichter der Dichtkunst ertheilet, fügen wolle; daß sie, ge gen die Geschichte genommen, das ernstere und philosophischere Studium sey: ä« bet Aristoteles von der Allgemeinheit in der ,wry, 1« Bedeuimrs irr erkläre». Mer tem denn nm Aristoteles diese Allgemeinheit eben sowohl von den komische» al« tragische» Charakteren «federt: wir ist «S möglich,'daß der nehmliche Charaktet zugleich auch jeneAllgemeiubrKihcbÄkarr»? Wie ist er möglich, daß er zugleich überladen und gt# wohnlich seyn kann? Und gesetzt anch, er wäre si» überladen »Schlang« nicht, al« et die Charaktere in dem geradelten Stück« des Johnson sind; et« setzt, er ließe sich noch gar wohl in einem Indios, dno gedenke», und man habe Beyspiele, daß er sich wirklich in mehrer» Menschen rte» so stark, eben so ununterbrochen geäußert habe: würde er dem ungeachtet nicht auch noch oiel ungewöhnli, cher seyn, al« jene Allgemeinheit de« Aristoteles »u sey» erlaubet r Da« ist die Schwierigkeit! — Ich erinnere hier meine Leser, daß diese Blätter nicht« weniger als «in dramatische« System enthalten sollen. Ich bin also nicht verpsticheet, all« die Schwierigk«, ten ausiulösen, dir ich mache. Meine Gedanken mögen immer sich weniger 1» verbinden, ja wohl
3j6 HamburgiAe Dramaturgie. ...................... g(tr sich |8 »ldersizrechra schtiveri t »ed» ti tert iw 0ebkep. Hier will ich vkchtj ti« Fermenu cstguitioui»
XCVL
Dm r-ett April, 1768. D.» |W| ort funfUiste» Adert cLienstag-, de» erste» Julin«) wurden de« Herr» RvmaZut Drv» der wiederholt. Odersvllte ich »icht vielmehr tage»: »ieDrüdrr he« Herr» Rowanust Nach einer Anmerkung nehm' lich, welche Donatuü bey Gelegenheit der Drüber de« Terenj macht r Hane dictint fabulam securtdo loco «ctam, Cliani tum rudi nomine poetae; iuqtie sic pronunciitam, Adelphoi Tarenti, non Terenti Ailclphoi, quod adhuc magis de ’sabtilae nomine poeta, quam de poetae nomi ne fabula commendabatur. Hrkf Aomami- hat seine Komödie» zwar ohne seine» Name» heraus» gegeben: ater doch ist lttn Name durch sie bekannt geworden. Roch letzt sind diejenige» Stöcke, di,
Zweyter Theis.
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sich
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XCVII. Den zttv April, 1763. ' ' ' !■ "
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^ieseSuflksung, genau betrachtet, bürste wohl nicht kn allen Stücken befriedigend fegn. Senn lugegeden, daß fremde Sitten der Absicht der So, mitte nicht so gut entsprechen, al« einheimische: so bleibt noch immer die Frage, ob die eiaheimi»
Zweyter Theil» fr
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f DEM. Te. MIC. Me t Dem. Te iuquam. MIC. Inepti». DEM. 5i tu fi» homo. Hic faciat. AES. Mi pater. MIC. Quid* Tu auteni huie, afine, ausculta». DEM. Nihil agi»,
Zweyter Theil
»DemeaJa wohl istbas mein Nillei Wir müssen »een non an mit birst» gnttn ftuten nur Eine Fa' »milir machen; wir müssen ihnen auf alle Weist ans, »freist», aet auf alle art mit ihnen »etfrtnbe». — »Aaschimro. DaS bitte ich, mein Vater. »Micio. Ich bin gar nicht dagegen. »Demea. Es schickt sich auch nicht «aber» „für »ns. — Denn er- iß sie feiner Kraue» »Mutter »Micio. Nun bann r »Demea. Auf die nichts itt sagen; brav, »ehrbar — Fieri aliter non.poteft. MIC. Dtliris. AES. Sinft te exorem, mi pater. MIC. Infanis, anfer. DEM. Aße, da veniam filio. M«C. Satin* sums es ? Ego nbvus mantua anno demnm quinto & fcxju gefimo Fiam , atqne anum decrepitam dacam ? Idne efH» atifiorpa mihi ? AES. Fac; promifi ego tllis. MIC. Promifti autero > de te largitor puer. DEM. Age, quid, fi quid te majus oret? MIC. Quasi non hoc fit maximnm. DEM. Daveniam. AES. Ne gravere. DEM, FaC, promittd, MIC. Non omittis ? AES. Non; nisi te cxorem. MIC» Vis tft h«c qnidem. DEM. Age prnlixe Micio. MIC. Etfi hoc mihi pia'um, incptmn, absurdum, atqut alieinun a vita mt* Videtur : fi vos tantoperc sstuc vulti» ,. fiat. —
Leglnst Schritten, xxv. rv.
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370 Hamburgische Dramaturgie,
„Micio. S» h-re ich. „Demea. Bey Jahre« iK sie auch. „Micro. Ja wohl. «Demea. Kinder kann sie schon lange nicht „mehr haben. Da«» ist niemand, der sich um sie „bekümmerte; sie ist ganr «erlassen. „Micio. Was will der damit» „Demea. Die mußt du billig heirathe», „Bruder. Und du (mm gtef»tnu6) mußt ja ma< „chrn, daß er es thut. „Micio. Ich? sie Heiratheu? „Demea. Du! „Micio. Ich? „Demea. Du! wir gesagt, du? „Micio. Du bist nicht klug. „Demea. (mm Aeschinu«) Nit« teig«, was du „kannst! Cr muß! „Aeschrnus. Mein Vater — „Micro. Wie? — Und du, Geck, kannst „ihm noch folgen? „Demea. Du sträubest dich umsonst: es kau« „nun einmal nicht ander« sey«. „Micio. Du schwärmst. „Aeschrnus. Laß dich erbitte», mein Vater I „Micio. Rasest du? Geh! „Demea. v, so mach dem Sohne doch die .«Freude!
Zwrytcr Theil.
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„Micro. Bist da wohl bey Verstaube 7 Ich, nie arineo fünf ttsh sechrigstea Jahre, ooch hei„rathe» 7 Uad ei» alte« verlebte« Weib heira, «thr»7 Da« kSaot ihr mir i»moth»a7 „Aeschinus. LH» t« immer! ich habe e« ih, „vra verspräche». „Micio. Versprech.«» -art — Bürschchen, „versprich für dich, was du verspreche» willfi! JDtmea. Frisch! wenn ti tun rttva« Wich„tigere« war», war»» er dich bitt! „Micro (Uli ob etwa« Wichtigere« seyn Tiro# „le, wie da« 7 „Demea. 6« willfahre ihm doch nur! „Aeschinus. Erp uo« nicht tuwiberl „Demea. Fort, versprich! „Micio. Wir lange soll da« wühreot „Aeschinuo- Dl« do dich erbittro lasse». „Micio. Ater da« hrißt Gewalt brauche». „Demea. Thu rin Uebrige«, guter Micio. „Micio. Na» denn; — ob ich r« ,war sehr „uurecht, sehr abgrschmackt finde; vb r« sich „schon weder mit der Vermurst ooch mit meiner „rrbeu-art reimt: — weil ihr doch so sehr dar«aus besteht; r« sey!'* Nero, sagt die Kritik; da« ist iu viel! Der Dichtrr ist hier mit Recht {u tadeln. Da« Gräti ge, wat man ooch tu seiner Rechtfertigung sagen Aa,
37» p
Hamburgische Dramaturgie. ii !
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Hunte, teirt dieser, baß er die nachtheiljgen Folgen einer übermäßigen Sutherrigkeit habe |tü gen wallen. Doch Micio bat sich bis dahin so liebenswürdig bewiesen, er hat so viel Verstand, so viele Kenntniß der Welt gezeigt, daß dies« seine letzte Ausschweifung wider alle Wahrschern, lichkeit ist, und den. seinem Zuschauer nvlhwen, dig beleidigen muß. Wie gesagt also: der Dich ter ist hier 10 tadeln, auf alle Weise in tadeln! Aber welcher Dichter ? Lerem ? »der Menanbet? «der beyde? — Der neue englische Uebersetzer deLereol, Colmann, will den größer«, Theil der Tadel- auf den Menander rurückschieben, und glaubt nur einer Anmerkung des Donatus beweisen m sinnen, daß Lereni die Ungereimtheit seines Ori ginals in dieser Stelle wenigstens sehr gemildert habe. Donatu- sagt nehmlich: Apud Menan. drum senex de nuptii» non gravatur. Terentius iufnrizaf.
Ergo
„C- ist sehr sonderbar, erklärt sich Colmann, daß diese Anmerkung der Donatus so gänzlich von allen Kunstrichtern übersehen worden, da sie, bey unserm Verluste der Menander, doch um so viel mehr Aufmerksamkeit verdienet. Unstreitig ist e-, daß Tereni in dem letzten Acte dem Plane de« Menander gefolgt ist: ob er nun aber schon di« Ungeresibtheit, den Micio Mit der alten Muk-
Zweyter Theil. (I'.ITII
373 F J»
irr |u oerheirathw, angenommen, so fernen wir doch »nm Donatus, baß dieser Umstand ihm sel ber anstößig gewesen, und er sein Original dahin verbessert, baß er den Micio allen den Widerwillen gegen eine solche Verbindung öußeru lassen, den er in dem Stücke de» Menander, wie er scheint, nicht geäußert hatte." Es ist nicht unmöglich, daß ein römischer Dich ter nicht einmal etwa« Besseres könne gemacht ha ben, als ein griechischer. Aber der bloßen Mög, lichkeit wegen, möchte ich es gern in keinem Falle glauben. Colmann meinet also, die Worte de« Dona tus : Apud Menandrum fenex de nuptiis non pravitur, hießen so viel, als: beym Menander sträubet sich der Alte gegen die ^eirakh nicht. Aber wie, wenn sie bas nicht hießen? Wenn sie vielmehr zu übersetzen wären: beym Menander fällt man dem Alten mir der Heirakh nicht be schwerlich? Nuptias gravari würbe tWAr aller dings jenes heißen i aber auch de nuptiis gravari? In jener Redensart wird gravari gleichsam als ein Deponens gebraucht; in dieser aber ist e« ja wohl da« eigentliche Passivum, und kann also meine Auslegung nicht allein leiden, sondern vielleicht wohl gar keine andere leiden, als sie. Aa 3
374 Hamburgische Dramaturgie. ■ ■»
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". 403. DaS Raffeehaus, oder die Schottländerin, ein Lustspiel, von Voltaire. 96
Verzeichnis Der
401
poetische Dorfjunker, von Desroru chesS. ioi Die stumme Schönheit, von Schlegel. roz Miß Sara Sampfon, von Lessing. 107 Der Spieler, von Regnard. m Der Liebhaber als Schriftsteller und Bedien ter. riz Die coquerre Murrer. «— DerAdvocar parelin. 114 Der Freygeist, von Lessing. — Der Schatz, ein Schaferspiel, von pfessel. H5 Zayre, von Voltaire. 116 Sldney, ein Lustspiel, von Gresser. r?» Ist er von Familie? 134 Düs Gespellst mit der Trommel. 136 Der Demokrit von Regnard, ein Lustspkes. 137 Die falschen Vertraulichkeiten, rin Lustspiel von Marrvaux. rzZelmire, von H- Du Belloy. >43 Cenie,von der Fr. v. Graffigny. i$s »rTH.S.z Wmalia, ein Lustspiel, von H. Weiße. i$s Die Mürrerschule, von Nidelle dela Lhaussee. 163 Nanine, ein Lustspiel, von Voltaire» 164 Die kranke Frau, von Gellert170 Der Mann nach der Uhr. 173 Der Graf von Essex, von Thom. Corneille. 174 Die Hausfranzöstn oder dir Mamsell, von Mao. Gottsched. aoi itfllngs Schetfren» xxv. £Q. Ce
4oi
Verzeichnis
Der Bauer mit der Erbschaft,
»m Marivaux 6. 218 Der Zerstreute, von Regnard. 22t Da» Räthsel, »brr wa» den Damen gefallt, ». Löwen. 227 Solimann der Zweyte, «'n Lustspiel., von Favart. 256 Merope, ei« Trauerspiel, von Voltaire. 2x4 Der Triumph der guten Frauen, «in Lustspiel, »»»Schlegel. 410
Zweyter Theil.
Di« Frauenschule, vv« Moliere. S. Der Gras von Essex, nach Dank». ( siehe auch I Th. S. 174-) ii Scenen aus einem spanischen Essex. 5Dir Brüder, von H, Romanus. 142. 304 Der «nvermuthete Ausgang, von Marivaux. ißt Richard der Dritte, ei» Trauerspiel, von H. weiße. 163 Herzog Michel. 24» Di« Frau die Recht har, ei» Lustspiel, von Vol taire. 243 Der sehende Blinde, p»n Le Grand. 244 Der Hausvater, von H. Diderot. 246 Fortgesetzte Beurtheilung des Brüder , »,n Hrn Romanu». " tu
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Allgemeine
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Bemerkungen.
Stück I. V. Eronegks Verdienste um die Bühne- —
Anmerkungen über bas Trauerspiel über haupt, und bas christliche insbesondere. — Eckhof. — Ueber Acrentuation, Empfindung, Gesten und Sprache. S. s — 4» Vi. VH. Prolog und Epilog. — Das Schauspiel ist das Supplement der Gesetze.— Kreunüge Lob des Schauspielers dXttui. — Ueber den Prolog und Epilog. S. 49 — 62 Vlii. IX. Bemerkungen über die rührende Gat, rung. genannt die weinerliche. — Für Ueber, setzer. — Ueber Artion und Peelamation. — Eckhof. — Ueber Rousseauo «Scloife. — Für den Acteur. S. 62 — 79 X-Xll. Ueber Deorouches, — Volraire. — Dom Schrecklichen und Pathetischen auf der Bühne. — Shakspear's Gespenst im Ham let. — Urbtr Lolman'o Umarbeitung der Schottländerin. — Geschmack der Engländer und Deutsche«. S. 78 — 100 XIII-XVI. Schlegels Versification- — Die Action. — Ueber das bürgerliche Trauer, spiel. — Dir wielandische Uebersetzung des Shakespear- — Volraire. — Die engli' sch en Schauspieler- — Geschmack der Deut Cc 2
404
Allgemeine Bemerkungen.
Stück scheu uud derFranrosen.— Eckhof. S.
ioi
—
i?a XVII. Rangordnung auf der Bühne bey moralkscheu Scene». — Eckhof. — Die Benennung der Schauspiele. — Addison. S. i;r— i;y XVIII. XIX. Marwaux. — Harlekin von Gottsched vertrieben. — Patriotismus der Franrose» und Deutsche». — Bemerkungen eines französischen Kunstrichters über da- Trauep spiel. — Berichtigungen derselben nach de» Grundsätze« de- Aristoteles. — Don gereim ten Uebersetzunge». — Für de» Acteur, S. i?9 — iff XX. Für die Actrice n»d de» Akteur. S. w—
XXI, Was denkt man bey rluem Titel? — Von dem Lächerlichen und Ernsthaften. S. 163 —170 XXII-xxv. Gellert. — Proviiljialstücke. — Voltaire. — Von den wahren und falsche« Charakteren. — Was ist die Geschichte dem Theaterdichter? — Wie viel an der Wahl des Stoffes liege? — Eckhof al« Esser- — Die Rolle der Elisabeth im Esser- — Wie kann eine Actrice weiter gehe» als die Natur? — Dem Künstler gehe seine Kunst über alles- S. 170 — 301
Stück XXVI. Regeln, di« Tonkunst und Poesie in ge nauere Verbindung zu bringen. S. 201 — 209 XXVil. Theorie del Hrn. Agrikola für das Or chesterS- 209 — 218 XXVIII-XXXII. Was ist Lächerlich? — Muß man allemal bas Stück nach seinem Helden be nenne»? — Charakter des Weibes. — Cha rakteristische Kennreiche» des Ehrgeitzigen und Eifersüchtigen. — Darf man dem Schauspiel historische Namen unterlegen, — eine ganze Ge schichte erdenke», oder das Factum vergrößern und vermindern? S. -18 — 2x5 Xxxiil-XLV. Marmonrel- — Dir Charak tere müssen dem Dichter weit heiliger seyn als die Facta. — Don der innern Wahrscheinlich keit, Uederelnsti'nimnng und Absicht der Cha raktere. — Unterschied zwischen der äsopische» Fabel und dem Drama- — Ehrenbezeugung für Corneille. — Voltaire. — Homer. — Aristoteles über tragische Scenen. — Mas se,. — Do» Derbindnng der Scene». S. 1$6 — 361
XLVi-L. Die Einheit der Handlung war das erste dramatische Gesetz der Alte». — Von Schürzung de« Knotens im Spiel. — Die Prologen des Euripides. — Was machte den Euripides zum tragischsten aller tragischen Dich ter? S. 33- — 401 Cc 3
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Allgemeine Anmerkungen.
Stück Li-LH. Charakter her Komödie und der Trag»' die. — Schlegels theatralische Arbeiten. S. 403 — 4i