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German Pages 577 [581] Year 1798
Geschichte meiner zur
Vorrede
-weiten Auflage d eS
Quintus Fixlein.
Geschichte der Vorrede zur -weiten Auflage.
Ein Schweizer voltigierte (nach dem Be richte Stolbergs) einst so heftig als er fönte von der Stube auf den Sessel und von diesem wieder herunter — da man ihn darüber befragte, gab er an:,„er mache sich lebhaft." — Aber Novmanner wie ich, brauchen schon hal be Tagreisen,, wenn sie fp feurig wer den wollen- daß sie den Plan eines Kapitels glüklich entwerfen. Schon a2 Eras«
4
Erasmus arbeitete sein lob der Narhcit auf dem Sattel aus (da er nach Italien rit) und der englische Dichter Savage sein Trauerspiel Overbury auf den londner Gaffen — wiewohl sein leben selber ei nes war, kein bürgerliches, sondern ein adeliches, da er sich von seiner natür lichen Mutter, der Gräfin von Maeclesfield jährlich 200 Pf. auszahlen lies, damit er kein Pasquil auf sie machte, sondern eben dadurch nur eines auf sie wäre —; von mir aber ist gar bekant, daß ich vor einigen Jahren die große Tour machte, bis ich gleich einem jun gen Herrn mit dem Risse vder Knochen gebäude der „Mumien" wiederkom men kvnte; ja solt' ich mich einmal
8«
5
zu einem epischen Werke, wie die Obpf» fee entschliessen, so mäste sich wohl der Sänger so lange auf seiner pittoresker^ Entdeckungsreise aufhalten als der Held, selber.
Hingegen zur Zeugung einer Vor rede zur zweiten Auflage hab' ich nie mehr nöthig erachtet als eine Fußreise von Hof nach Bayreuth, einen Kazzensprung über drey Poststazionen. Ich such' aber etwas darin, wenn ich daS Erstaunen der Nachwelt und ihrer Vor fahren dadurch erregen kan, daß ich beide auf die bayreuthische Kunststrasse mitnehme, auf der ich Hinlaufe — im Webstuhl der Vorrede eingespert und mit dem a 3 We-
6
Wcberschifgen werfend — ohne doch etwas Rechtes her'auszubringen. Ich trug nämlich das ofne Souvenir vor mir her, um die-Vorrede, wie sie mir Satz für Satz entfiel, darin aufzufangen; aber wenige Autoren wurden noch so in ih ren Prafazionen gestört. 'Ich will cs ausführlich trzahlen.
Der moralische Gang de- Menschen gleicht seinem.physischen, der nichts ist als ein fortgesezter Fal. Schon der Höfer Schlagbaum, un» ter dem man den Chaüsseezol erlegt und der hinter dem Vis-a-vis einer Dame niedersank, die ihn abgetragen, fiel hart wie ein Stosvogcl und 'Eierbrecher auf den
7 den Kopf des Vorberichts: denn ich woll«
te der Dame durchaus vorlaufen, ihr inS Gesicht zu sehen;
um
und mithin
wurde unter dem Nachdringen wenig an die Weberei der Vorrede gedacht, wie wohl
ich
nachsezte. zimmern
Vis - ä - vis fruchtlos
dem Mit
ists
unbekanten
ganz
unbekanten Büchern.
anders
Frauen
wie
mit
Ich nehme nie
ein Buch, das ich noch nicht gelesen, in
die Hande,
ohne wie «in
vorauszusetzen, es fei elend.
Rezensent Hingegen
bei einer unbekanten Frau nimt
Mann,
jeder
gesetzt er hatte schon 30,000
Abgvttinnen *) kennen und vergessen ge« a 4
lernt,
*) Varro bringt eine» Numerum v»n 30,000 heidnische» Göttern zusammen.
8
lernt, von neuem an, diese 30,001s5« sei erst die ächte unverfälschte H. Jung« frau — die Gottesgebährerin — die Göttin selber. Das nahm ich glcichfals an auf dem Strasscndam; wenig stens ich doch eine Frau, an de ren gepuderten und- aufgelokten Hinter kopf die Morgenröthe so deutlich anfiel, -u den gebildeten weiblichen Köpfen zäh len, welche —- da nach Rousseau Ei sen und Getraide di§ Europäer kul tivieret haben — dep feinern Fabri katen aus beiden, den Haarnadesq und dem Puder jene Bildung verdan ken, die nun, hosf ich, unter den weib lichen Köpfen bürgerlichen Standes schon etwas Gemeines ist. Gegen diese äus sere
9
sere Kultur einer Frau soltc "sich kein Eheman sperren, der an der (einigen eine gutgemachte papinianische Kochma schine —■ eine Schäferische Waschma schine — eine englische Spinmaschine — und eine Girtannerische Respirazionö« maschine besitzen wil: erzeigt sonst, daß er eine unschuldige Ausbildung mit der innern, von der überhaupt Honoraziorin« nen im Ganzen frei sind, verwechsele. Kultur ist gleich dem Arsenik, den BleiSoluzionen und den Wundärzten, blos äusserlich gebraucht etwas HerlicheS und Heilsames: innen im weiblichen Kopf, der so leicht brennend wird, schnauzet oder blaset der Eheman das Licht aus Vorsicht aus, so wie man a 5 aus
IO
aus derselben Vorsorge nie ein physika lisches in die kaiserliche Bibliothek in Wien cinlasset. —
Nun schlang gar der Wald die Da» me hinein und ich stand leer aufderof« nen Chaussee. Mein Verlust brachte mich auf die Vorrede zur zweiten Auf lage zurük. Ich fieng sie im Souve nir an; und hier folgt sie, so weit als ich davon nahe bey Hof fertig brachte. Vorrede zur zweiten Aussage.
„Der Poet tragt sehr oft wie ein ge, „bratener Kapaun unter seinen Flügeln, „womit er vor allen besezten Fenstern „der gelehrten Welt -ufsteigt, rechts
„fei'
11 „seinen Magen, links feine Leber,
„berhaupt denkt der Mensch „mal,
„zogen, ^gen,
Ue-
hundert«
er habe den alten Adam ausge« indes er ihn nur zurüsgcschla«
wie man die Neger-Schwarte
„des Schinkens zwar untcrhölet und aus«
„rollet, aber doch mit aufsezt und noch „dazu mit Blumen garniert." . ♦ ,
Allein jezt gieng hinter mir die Son« ne auf. *—
Wie werden vor dieser Er*
leuchtung deS ewigen sich selber aus- und in einander schiebenden Theaters vol Or chester und Gallericn, die Vorreden und
das Krebsleuchten der Rezensenten und die phosphoreszierenden Thiere, die Au toren,
so
blas und so mat
und
so
gelb!
12 gelb! — Ich hab' es oft versucht, vor der jährlichen Gemälde-Ausstellung der langen unabsehlichen Bildergallerie der Natur an Buchdcuckersiöcke, an Final«
stocke, an Schmuzblatter und an Spatia zu denken — —• aber es grenz nicht
an,
ausgenommen Mittags, .hingegen
Abends und Morgens nie.
Denn ge«.
rade am Morgen und am Abende, und noch mehr, in der Jugend und im
Alter richtet.der Mensch sein erdiges Haupt voll Traum- und Sternbilder ge
gen den stillen Himmel auf und schauet
ihn lange an und sehnet sich
bewegt;
hingegen in der schwülen Mitte des Le
bens und des Tages bükt er die Stirn vol Schweisttopfcn gegen die Erde und
gegen
13
gegen ihre Trüffeln und Knollengewäch se. So richtet sich der Regenbogen nur in Morgen und Abend, nie in Sü den auf; oder so ist die -mitlcre Lage einer Spielkarte aus Makulatur gemacht, nur die zwey auffersten Lagen aber aus feinem Drukpapier.
Als mich die Strasse immer höher über die Thaler hob, würd' ich zweifel haft, wem ich treu bleiben sötte — ob der erhabenen Allee und . Kolonnade von Bergen die ich linker Hand, oder dem magischen Vis - ä - vis mit dem gebil deten Kopfe, das ich gerade aus vor mir Hatte —- ich sah ein, auf der linken Thabor-Berg-Kette verklare sich der Geist
r» Geist und stehe in ausgehauenen-FuS«ritten weggeflatterter Engel fest, aber im Vis-a-vis faß ja der herabgeflogene Engel selber.
An Präfazionen war nicht zu denken. Zum Glük nahm ich unweit Münch berg neben den großen Gerüsten der Natur, die die Seele stängeln, noch eines wahr, das sie zur Kriech- und Zwergbohne eindrükt, nämlich den Rabenstein und einen wohlgekleideten Herrn, der darauf herborisierte. —— Beiläufig! kein Gras auf Rasenbänken oder in Festungen oder auf WouvermannS Leinwand ist ein so schönes bowling - green als das aus Rabenstei nen,
15 wen, das gleichsam ein Ernte- und Be lagerungskranz (corona obsidionalis) der
siegenden Menschheit ist.
hen ohnehin
Ach eS ste
so viele rothe Wolken vol
Blutregen über der Erde und tropfen! —•
Ich fastete mich jezk als Vorredner und sielte mir vor:
„es ist nicht zu ver-
„hehlen, daß du vor der ersten Stazion, „vor Münchberg stehest und noch wenig
„mehr von dem Vorbericht herausgetrie„ben hast als den ersten Schus: „diese Art- wirst
auf
du durch GefreeS,
„durch Bernek und Bindloch kom»
„men ohne den geringsten Zuwachs der
„Vorrede, besonders wenn du darin kein „Wort sagen wilst als was zu einem w
„rigen und künftigen wie ein Zwikstein »pastkt-
l6 „Passet.
Steht es dir denn nicht frei,
„wie H. von Moser zu arbeiten, (der „Gevatter und Vorläufer deiner Zettel„kasten), der in seinem Leben keinen zu
sammen hangenden Bogen geschrieben,
„sondern
nur
Aphorisnren,
Gnomen,
„Apophthegmen, kurz nichts mit Flecht„werk."
Ich müsse mir Recht geben;
und fuhr demnach bandfrei wie gute
Klaviere, und in sententiis magistrali-
bus,
und
ohne andere Verbindungen
Bastpflanzen als betten auf dem R a-
benstein so fort in der
Vorrede zur zweiten Aussage.
„Es ist eine ewige Unart der Men« „scheu, daß sse alle Schrammen undPok« „ken-
n „kcngruben ausgestandener Iahrhnndcr«
„te,
alle Nachwehen und Feucrmaler
„der vorigen Barbarei nie anders weg«
„schaffen lassen als zweimal — erst« „lich
durch
die
Zeit,
dan zweitens
„(obgleich bald darauf, oft im nächsten „Iehrhundert) durch Edikte, Kreis«
„scherisse,
Reichöabschiede, Landtagsab«
„schede, pragmaticas sancliones und Vi„kariatskonklusa---------- dergestalt,, daß
„unsere verdamten skorbutischen,
rosti-
„gen, kanigcn Narheiten und Gebrauche
„gänzlich den fürstlichen Leibern gleichen, „die ebenfals zweimal begraben werden, „das erstemal heimlich, wenn sie stinken, „das zweitemal öffentlich in einem leeren
„zweigchausigen Paradesarg, dem Trau«
b
,,rr«
18 „mahnen, Trauermäntel, Trauerstutten
„niedergeschlagen folgen." —
Die Fortsczung der Vorrede folgt.
Der Botaniker der Galgen-Flora hatte mich unter dem Schreiben einge
holt und gestört.
Ich erstaunte den H.
Kunstrath Fraischdörfer auS Haar
haar *) vor mir zu haben, der nach Bamberg gieng, um von einem Dache
-oder Berge irgend
einer zu hoffenden
Haupt-
*) So heisset bekantlich das Fürstenthum, in welchem die Geschichte, die ich nun
bald unter dem Namen Titan ediere,
vvrfält.
Daher kenn ich den Kunstrarh
Fraischdörser recht gut, er aber mich gar nicht.
19
Hauptschlacht zuzusehen, die er als Gallerieinspektor so vieler Schlachtstücke,, ja
■selber als Kritiker der homerischen nicht "gut entbehren kan. —
Mein Gesicht
Hingegen war ihm ein unbekanteS inne*
aces Afrika.
Ein Man mus sich wenig
in der litterarischen Weltgeschichte umge
sehen haben, dem man es erst zu sagen braucht, daß der Kunstrath so wohl in der neuen alg. deutschen bibliothekari schen alö in der Haarhaarischen,
scheer«
auischen und siachsenfingischen RezensicrFaktorei mit arbeite als einer der besten Handlungsdiener.
Wie man einen Kür
bis in einen Karpfenteich als Karpfen
futter einsezt:
so senkt er seinen nahr
haften Kopf in manches ausgehungerte b 2
Jour-
20
Iournalisticum ein als Bouillonkugel. Da nun der Kunstrath, dem ich doch nie etwas zu Leide gethan, schon an.mehrcren Orten deutliche Winke fallen lastsen, er wolle mich in Kurzem rezensierend so war mir fatal zu Muthe; denn.eS giebt zwischen nichts eine grössere Aehn» lichkeit und Antipathie zugleich als zwi schen einem Rezensenten und Autor, wie wohl derselbe Fal auch beim Wolf und Hunde ist. Ich münzte daher meinen Namen als mein eigner Falschmünzer um und sagte mich als einen ganz andern Menschen an: „Sie sehen hier, sagt' „ich zum Kunstrath, den bekamen Egi„dius Zebedaus Fixlein vor sich, von „dessen Leben mein H. Gevatter Jean „Paul
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„Paul der Welt eine zweite Auflage zu „schenken gesonnen — wiewohl ich tag« „lich noch fortlebe und mithin immer „neues Leben, das man beschreiben kan, „ nachschicsse. “ — Die Seele des Kunst rathes war jezt nicht wie die nachgestochenc im orbis pictus aus Punkten zusammengcsczt, sondern aus Ausru fungszeichen: andere Seelen beste hen aus Parenthesen, aus Gänsefüssen, die meinige aus Gedankenstrichen. Er forschte mich, da er mich für den QuintuS hielt, nun aus, ob mein Karakter und mein Haushalten zu dem gedrukten pasten. Ich theilte ihm viele neue Züge von Fix lein mit, die aber in der zweiten Auflage stehen, weil er mir sonst öffentlich vorb 3 wirft.
rr wirst, ich hatte mein Original mager portraitiert. Er brachte alle meine Strassen reden sogleich zu Pergament,
weil er
nichts behalten konte; daher hatt' er einige Hauptstarkende Krauter zu einer Krauter« müze auf dem Rabensteine gesammelt. Fraischdörfer gestand mir, stekte einer sei
ne Studierstube mit den Exzerpten und Büchern in Brand,
so waren ihm auf
einmal alle seine Kentnisse und Meinun
gen geraubt,
weil er beide in jenen
aufbewahre, daher sei er auf der Straffe ordentlich unwissend und dum, gleichsam nur ein schwacher Schattenris und Nach
stich seines eignen Ichs,
ein Figurant
und curator absentis desselben.
Ueber-
2Z
Überhaupt ist der Tempel des deut
schen Ruhms eine schöne Nachahmung des athenischen Tempels der Minerva,
worin ein grosser Altar für die Vergessen heit stand *).
Ja wie die Florentiner
sich ihren Pandekten nur ehrerbietig in einem
Staatskleide
nahem,
und
mit Fackeln
so nehmen wir aus derselben
Ehrfurcht die Werke unserer Dichter nur in Bratenröcken in Geselschaft zur Hand
und nähern solche selber den Kerzen und
fachen damit das Feuer in allen guten
Köpfen aus — Meerschaum an. — Ich bin oft gefragt worden,
komme,
woher eS
daß der alternden Welt,
deren
b 4 *) Plutarch Svmpof.
1. 9.
in
qn. 6.
24
deren Gedächtnis sich doch die ältesten Werke von tausend Messen her, die eines Plato, Zizcro, sogar Sanchuniathons erhalten, gleichwohl die allerneuesten z. B. die Rittcrromane von den lezten Messen, kantianische, wolfianische, theo logische Streitschriften, Dunkels Leben, die besten Inauguraldisputazionen und pieces du jour, Hirtenbriefe und ge lehrte Zeitungen oft in dem Monathe entfallen, worin sie davon hört. Meine Antwort war gut und hies: da es wohl keine mystische Person von einem solchen Alter giebt alö die Welt, die ein wahrer alter eingerunzelter Kopf von Denner ist und die nun anfängt (wie es wohl kein Wunder ist) vor Maras» muS
25 mus schwach unb fast kindisch zu 'wer den :
so ist sie natürlicher Weise von
dem Uebel alter Personen nicht frei, die alleS,
was sie in ihrer Jugend ge
hört und gelesen, treflich fcsthalten, hin
gegen was sie in ihren alten Tagen er fahren, in einer Stunde vergessen.
Da
her denn unsere Bücher den Lumpen in der Papiermühle
gleichen,
sie genommen sind,
von denen
unter welchen der
Papiermüller die frischen
alzeit früher
zur. Fäulnis bringt als die alten. —>
Im Grunde hätt' ich das als einen abgesonderten Saz in der Vorrede zur zweiten Auflage ausstellen können.
b 5
Ueber
26 Ueber Münchberg erbossete sich
der Kunsirath ungemein:
entweder die
Hauser oben auf dem Berge oder die unten solten weg;
er fragte mich,
ob
Gebäude etwas anders als architektoni sche Kunstwerke waren, die mehr zum Beschauen als zum Bewohnen gehörten
und
in die man nur misbrauchsweisc
zöge, weil sic gerade wie Flöten und Ka
nonen hol gebühret waren, wie die Bie nen sich im holen Baum ansezen, anstat um dessen Blüten zu spielen.
Er zeigte
das Lächerliche, sich in einem Kunstwerk einzuquartiercn,
und sagte,
es sei so
viel als wolte man Heems *) Gefässe r»
) Der teste Maler in Topf.- Stücken.
27 zu Kafenapfcn und Fcdertöpfen verbrau
chen ,
oder
den Laoroon
zürn Bas
geigenfutteral und die mcdizeifche VcnuS
zur Haubenschachkel auShölen. derte sich
überhaupt,
Dörfer leiden könte;
es mach' ihm
Er wun
wie der König und gestand frei,
als Artisten eben
kein
Misvergnügen, wenn eine ganze Stadt
in Rauch aufgicnge,
weil er
alsdan
doch die Hofnung einer neuen schönem
fasse.
Er war nicht von mir wegzubringen t jezt grif er, ausserhalb Münchberg, stat der Münchberger
mich selber an und
stäupte meine opera. Ach die Vorrede zur
zweiten Auflage so wohl als das fliehende
Vis-
28 Vis - a-vis liessen mich und meine Wün
sche immer weiter hinter sich und ich hatte von der ganzen Dame wie von einer ge-
siorbncn nichts mehr im Auge als den fernen nachflicgenden Staub,
den ich
indes für viel Marzenstaub und Puntschund
Demantpulver
hatte.
nicht
weggcgcben
Der Kunstrath und Fraishcrr
kielholte und sakte jczt meinen Gevat ter — Jean Paul, denn mich hielt er,
wie gesagt,
für den Quintus —
verdacht es jenem,
und
daß er seinen bio
graphischen Brei nicht wie Landleute recht
glat auftrage,
und daß er sich über
haupt nicht vor dem Spiegel der Kritik
anpuze.
Ich nahm mich des gekrank
ten abwesenden Mannes an und sagte, so
29
so viel ich aus seinem Munde wisse, so heb' er sich gerade auf den Schwung brettern, und an den Springstäben und Steigeisen der Kritik mehr als mit den Hberflügeln seiner Psyche auf, ja er ha be kritische Briefe unter der Feder, wor in er die Kritik auf Kosten der Kriti ker preise und übe — eben diese kriti, sche Manipulazion schwelle seine Werke so sehr auf, wie die Nasen grösser und langer werden durch häusiges Schnau zen. — Und. wahrhaftig so ist es: ich begreif' es nicht, wie ein Mensch ein Wcrkgcn schreiben kan, das kaum ein halbes Alphabet stark ist; ein Bogen in der Ferne breitet sich ja nothwendig in der- Nahe zu einem Buche aus, und ein
3° ein Buch zum Ries:
ein
opus,
Wenn ich es eben hinwerfe,
das
gleich ei
nem neugcborncn Baren nicht grösser iss als eine Razc, lekk' ich ihit der Zeit zu einem breiten Landbaren auf.
tiker sieht freilich nur,
Der Kri
wie viel der Au
tor behalten hat-, .über nicht,
wie viel
er weggeworfen; Häher zu wünschen wä re,
die Autoren hicngen ihren Werken
hinten für die Rezensenten die volssan-
dige Samlung aller der elenden dum
men Gedanken an, die sie vorncn ohite Schonen ausgestrichcn > um so mehr, da sie es ja, wie z. V. Voltaire-
bei der
lezten Herausgabe ihrer opera, wirklich
thun und hinten für feinere Leser einen
Lumxcnboden des Auskehrigs der erstem Edi-
3i Edizionen anstoffen und aufsparen, wie etwan einige preussische Regimenter den Pferdcstaub zurücklegen halten müssen,
und
zum Beweise,
vorrathig
daß sie
gestriegelt haben. —
Jczt säuerte er almählig aus Bier essig zu Weinessig: er sagte mir gerade
heraus: „Sic wissen nicht, für wen Sie „fechten:
Ihr H. 'Gevatter hat Dero
„Knicstük selber zu einer Bambacchade „gemacht und Sie nicht mit den intet»
„lektucllen Vorzügen ausgesteuert
und
„ausgestelt, die Sie doch, wie ich jezt
;,hvre, wirklich haben.
Ich konte auf
„dem Drukpapier wenigen Antheil an
„Ihro Hochehrwürden nehmen, erst auf
„der Chaussee."
Ich wünschte, er zö
ge auch diesen zurük und fiel absichtlich aus meinem Fixlcinischen Karakter heraus, indem ich piquicrt sagte:
„wenn Leser,
„zumal Leserinnen meinen komischen Ka„raEttr, oder überhaupt einen unvolkom-
„nen nicht goutieren: so erklär' ich mir „es.gut; sie haben keinen Geschmak an
„schreibenden Humoristen, geschweige an „handelnden; auch wird es einer engen
„Phantasie schwerer, sich in unvolkom-
„ne KaraEtere zu denken als in volkom-
„ne und sich für sie zu interessieren — „endlich hat der Leser einen Helden lie„ber, der ihm ähnlich ist als einen un
ähnlichen; unter einem ähnlichen meint
„er aber alzeit einen
herlichen Men-
33 „scheu." —
Gewis! Denn wie Pln»
tarch in seinen Biographien jeden gros
sen Man gegen
einen zweiten grossen
wiegt und vergleicht,
so halt der Leser
jeden grossen Karaktcr einer Biographie
leise mit einem zweiten grossen zusammen (welches feiner ist) und giebt Acht, was dabei herauskömt.
Aus diesem Grun
de schäzen Madgen
eine
vollkommene
weibliche Schönheit und Grazie
unge
mein hoch in der Schild er ei des Ro» mqns, (so sehr verschönert der Dichter
das Fatalste) und sehnen sich wenig dar nach in der Plastik und Skulptur der
Wirklichkeit, —
ge,
so wie haolichd Din
Eidexen und Furien nur von der
Malerei, aber nicht von der Bildhauer»
e
fünft
34
Funfi gefallend darzustellen sind — für das Madgcn ist nämlich, der Roman ein treuer Spiegel und es kan. darin die Hel din sehen. Der Kunstrath that jezt vor dem Dorf „die drei Bratwürste" genant den Wunsch, Ziegenmilch darin zu trinken. Ich fragte ihn, -ob erS wie die vorneh men Leute, mache, die -r— weil Huart einen achttägigen Trank von Ziegenmilch als ein Hausmittel vorschlagt, ein (9es nie ;N zeugen — sich eben deshalb zum Geis -Kordial entschliessen und dan se hen, wozu es führt. Daß sie, wenig stens die Fürsten, ihn nicht der Schwind sucht halber trinken, beweisen wohl die Ver-
35 Versuche, die sie nachher machen.
der Kunstrath wurde
Aber
nur darum
der
Milchbruder Jupiters, weil die Parzen
.den Lebcnsfadcn völlig von den Spindeln seiner Beine abgewaifet hatten: er stand
gleichsam schon als ein ausgcbalgtcr gutgetrokneter
mit Aether gefülter Vogel
im Naturalien » Glasschrank da.
Er
sagte, man müste entweder sich und die Bücher oder die Kinder ausvpfern,
so
wie der Landwirth,
ei
sezt' ich hinzu,
nes von beide» schlecht annehmcn mustntweder den Leindotter oder den Flachs.
Wahrend der Milchkur wurden tvir
Leide einander noch verhaster als wirs schon waren -unp das eingcschlukte Krö«
c 2
ten-
36
tenlaich unserer Antipathie wurde durch die gelinde Warme der edeln Theile zu
ordentlichen Kröten ausgeschlossen.
wurde ihm gram,
Ich
weil ich hier in den
drei Bratwürsten stehen muste und allem
Anschein nach in GefeeeS ankam, oh ne irgend etwas Schönes gesehen oder
geschrieben zu haben, (ich rede von dem Vis-ä-vis und der Vorrede) und über
haupt weil Fraischdörfer zugleich Matgvld,
Eine
Kazengold
und
Plazgold war.
elendere Mixtur giebt
es nicht.
Zog er nicht sogar unter dem Kauen sich
wie ein Dentist seine Schneidezahne aus, weil blos die Hundszähne ächt wa
ren und genuin?
Konc' ich nicht, als
er den Rok aufknöpfte, deutlich sehen, daß
37
daß der Bauch seiner Weste seiden und marmoriert, hingegen der Rücken der selben weis und leinen war, als war er ein Dachs, der wie Buffon bemerkt, als Widerspiel aller Thiere lichtere Haa re auf dem Rücken hat und die dunk lem unter dem Bauch? — Und waS seinen Zopf anlangt, so ist wohl gewiS, daß seiner nur an der Spize eignes Haar aufzeigt und übrigens lang und falsch ist, meiner aber klein und acht, gerade als hatte uns die Natur und Unnaus wie zwei bekante Thiere unterscheide» wollen *). e 3 Ec *) Ich equus caudä undique setosä — et
equus
caudä extremo
setosä.
Syst. Nat. CI. i. Ord. 4.
Linn»
38 Er für seine Person sezke gleichfals den Lavendelessig des Ingrims auf ei ner guten Essigmutter
an
und
wolte
mich damit wie einen Pestkranken
be
sprengen:
er bildete- sich nämlich
ich belög
ihn oder hatt' ihn zum Nar
ein,
ren und wäre gar der Quintus nicht, wofür
ich
mich gab,
sondern
etwan
wohl mein Gevatter selben.
Er schloS
das aus meinem Scharfsin.
Um hinter
Mich zu kommen,
so lies er den Lum«
pcnhacker seiner Mühle ios- und sties da
mit unter alle meine Werke auf einmal. Ich werde sogleich seine eignen Worte
hersezen.
Ich habe zwar oft den Himmel
gebeten, mir einen Hahn in die gelehr ten Anzeigen zu
schicken,
der krahcte, wenn
39 wenn ich als litterarischer Petrus falle und der über den Fal mich zu Thränen
brächte — oder doch einen blossen Ka paun, der wie andere Kapaunen, mei
ne Küchlein aussässe und hcrumführte; aber um diesen Greifgeier derselben hab'
ich ihn nie ersucht und ich seh' es ein,
ich wurde erhizk.
Er fieng denn schon
bei den drei Bratwürsten an und hielt damit aus bis nach Gefrees —
wobei
er doch mich immer Se. Hochehrwür« den und Jean Paul meinen H. Gevat ter hies — und behauptete:
„es gebe
„weiter keine schöne Form als die grie« „chische,
„die
die man durch
Materie
am -4
Verzicht auf
leichtesten
errei-
„che —
40
„che -r- *)
(Daher bewegt man sich
„jezt nach der griechischen Choreographie „am besten, wenn man d.as wistcnschaft-
„liche Gepak der spätern Jahrhunderte„abwirft und sich es so zu sagen leicht: „macht.) — Auf denKubikinhalt komm'
„cs der Form so wenig an, daß sie „kaum einen brauche,
wie denn schon
„der reine Wille eine Form ohne alle „Materie sei (und so zu sagen im Wol«
„len des Wollens besteht, so wie „der unreine im Wollen dcS Nichtwol-„lens, so daß die ästhetische und die „moralische Form sich zu ihrer Mate-
„rie *) Alle Parenthese« find meine Zusäze und «rlantern de» Kunsrrath.
41 „ric verhalt wie die geometrische Flache „zu jeder gegebenen wirklichen.) — Da„her lasse sich der Ausspruch Schlegels
„erklären, daß, so wie es ein reines „Denken ohne allen Stof gebe (dergleichen^
„ist völliger Unsin) eS auch vortrcfliche „poetische Darstellungen ohne Stof geben
„könne, (die so zu sagen blos sich selber „tauschend darstellen.) —
lleberhaupt
„müsse man aus der Form immer mehr
„alle Fülle auskcrnen und auöspelzen, „wenn anders ein Kunstwerk jene Vol
lkommenheit erreichen solle, die Schil„ler fodere, baß cs nämlich den Men-
„schen zum Spiele und zum Ernste gleich
„frei und tauglich Nachlasse (welchen ho„hcn Grad die erhabenen Gattungen
e 5
„der
42 „der Dichtung, z. B. die Epopee, die „Ode wegen der Einrichtung der mensch-
,glichen Natur unmöglich anders crstei„gcn, als entweder durch einen unbedeuoder durch die tec«
„tenden leeren
,5re. unbedeutende Behandlung eines wich-
„tigcn.
Da aber gerade diese nur bei
„platten Kunstwerken anzutreffen ist: so „haben die schlechten demnach mit den „vollkommensten das Nnterscheidungszei«
„chen von mittelmässigen gemein *)♦ — „Vollends Humor,
„verwerflich
als
dieser sei eben
so
da
er
ungeniesbar,
„bei
*) Den Mangel an Wirkung theilen die niedrigsten Kunstwerke mit den volkommensten, so wie die Unempfindlich keit nach Montaigne, oder die Unwissen-
43 „bei keinem Alten eigentlich anzutreffen
,,s-i« ♦ - .
Fraischdörfer sol sogleich fortfahrcn,
wenn ich nur dieses cingeschobcn habe:
ich
werde
einmal in
einem kritischen
Werkgen geschikt darthun, daß alle deut sche Kunsirichtcr (den neuesten ausge
nommen)
den Humor nicht blos jäm
merlich zergliedern,
sondern auch (was
ich nicht vermuthet hatte, da das Vcr-
gnügen an der Schönheit durch die Un
wissenheit in ihrer Anatomie so sehr ge winn
senk eit nach Paskal gerade an zweierlei Mcnsche» ist, an den niedrigsten und an den edelsten, angeboren bei je nen, mühsam erworben bei diese».
44 wink) noch erbärmlicher geniessen,
wie
wohl sie als Richter in der. Finsternis
den Areopagiten gleichen, denen verboten war über einen Spas zu lachen (Aeschin.
oder einen zu schreiben
in Timarch.)
(Plut. de glor. Athen.) — scrner daß
die
krumme Linie
des
Humors zwar
schwerer zu rektifizieren sei, daß ex aber nichts regelloses und wilkührlicheS vor nehme,
weil er sonst niemand ergözen
könte als seinen Inhaber — daß er mit
dem Tragischen die Form und die Kunst griffe,
ob wohl nicht die Materie thei
le —
daß der
ästhetische,
schieden
Humor
(nämlich der
der vom praktischen so ver
und
zcrtrcnlich
ist
wie jede
Darstellung von ihrer dargcstcltcn oder
dar-
45 darstellenden Empfindung) nur die Frucht einer langen Vernunft-Kultur sei und
daß er mit dem Alter der Welt so wie mit dem Alter eines Individuums wach sen muffe.
Fraischdörfcr fuhr fort: „Halte Matt „— Ach da niuste durch sei« weiches Herz, das eine Ewigkeit lang nut an liebevollen warmen Engel« gele gen war, der Heise Stich der Feindschaft schiesen und die heilige Seele vvl Liebe mu-
muste über eine innere Zettrenuung erschra ken: „ach, sagt' er, der menschliche Tod thut wehe." —- Aber es war keiner: beim kein Engel erschien. Nun würd' er eine- Lebens, das wir ein halbes Jahrhundert tragen, in wenig Tagen müde und sehnte sich zurük. Die Abend sonne zog seine verwandte Seele. Die Split ter seiner verlezten Brust matteten ihn durch Schmerzen ab. Er gieng, mitderAbendgluth auf den blassen Wangen, hinaus auf den Gottesacker, den grünen H i n t e r g r u n d des Lebens, wo die Hüllen aller schönen See» Jen, die er sonst ausgekleidet Halle, ausein ander genommen wurden. Er stelle sich mit wehmüthiger Sehnsucht auf das nakte Grab der unaussprechlich geliebten, eingesunkene» Braul und sah in die verblühende Abendson ne. Auf diesem geliebten Hügel schaucte er seinen schmerzenden Körper an und dachte: du würdest auch schon hier dich auseinander legen, lockere Brust, und keine Schmerzen mehr geben, wenn ich dich nicht aufrecht er«
12 hielte — Da überdachte er sanft das schwere
Menschenleben, und dieZnckNngen derBrustwnnde reizten ihm die Schmerzen,
mit de
nen die Menschen ihre Tugend und ihren Tod
erfßitrVn und die er freudig der edcln entflohnen Seele dieses Körpers ersparte------------
Tief rübrke ihn die menschliche Tugend und er weinte auS unendlicher s'iebe gegen die Men schen ,
die unter dem Anbellcn ihrer eignet»
Bedürfnisse, unter herabgesunkne« Wölken, hinter langen Nebeln ans der einschneidenden
Lebensstrasse,
dennoch vom hohen Sonnen»
ficrn der Pflicht nicht wegblicken, sondern die liebende Arme in ihrer Finsternis auf breitet»,
für jeden gequälten Dusen, der ihnen begeg net und um die nichts schimmert als die Hof-
nung, gleich der Sonne in der alten Welt unterzugehen,
um in der neuen aufzuge
hen ------------ Da öfnete die Entzückung seine
Wunde und das Blut, die Thräne der Seele,
floS auS dem Herzen auf den geliebten Hü
gel — der zergehende Körper sank süsverblutcud der Geliebten nach — Wonne-Tbränen
13 nett brächen die faTTct^e Tonne in e*n rokeu» rothes schwimmendes Meer — fernes Ccks-
Geldne, als wenn die Erde von we;«ent im
klingenden Ander vorübeijige, spielte durch den nassen Glanz — Dann schos eine dunkle
Wolke oder eine kleine Nackt vor dem Engel vorbei und war vol Schlaf — Und nun war ein Stralenhimmel ausgefban und übenvalle»
te ihn und tausend Engel flammten: „bist du scheu wieder da, du spielender Traum!" sag»
le er — Aber der Engel der erste« Stunde
trat durch die Stralen zu ihm und gab ihm das Zeichen dos Kusses und sagte;
„Da4
war der Lod, du ewiger Bruder und Him^ melvfreund
.
Und der Jüngling und
seine Geliebte sagten es leise nach.
2. Der
*4 2. Der Mond. Phantasierende Geschichte. Dedikajion an meine Pflege - Schwester Philippine.
)ch habe mich noch in keinem Buche dar über anfgehalren, gut« Pflegeschwester, daß ihr Madgen aus dem Monde so viel macht, daß er der Joujvu euere-Herzens ist und daNestei, um da- ihr die andern Sterne herumlegt, wenn ihr Phantasien aus ihnen auSsizt. Er sol auch ferner das Ai fferblatSra d der Ideen bleiben, auf die euer Gesicht als eine Monduhr zeigt (denn unseres ist eine Sonnenuhr) > da er wie ein blinkendes Stahl schild im schwarzen Atlasgürtel deS Himmels sieht — da er nichts schwärzt — da er vielmehr ein Licht wirft, gegen das man kei nen Schleier Überhängen muS, weil es selber wie
15
wie einer auf dem Gesichte liegt — da er überhaupt die Sanftmuch und Liebe selber ist. Aber über etwas anders statt man zan ken — darüber , daß ihr den guten Monv und seinen da ansäsigen Mann mehr lieben und sehen, als kennen lernen wollt, wie ihrs auch bei Männern unter dem Monde thut. ES ist leider kein Geheimnis, beste Schwe ster, daß schon'tausend Mädgen kopulieret Und beerdigt worden, die jene silberne Welt droben wirklich für nichts anders gehalten ha ben als für einen recht hübschen Suppenteller von himlischen Zinn, das Mit dem MondsMan, wie das englische mit einem Engel, gestempelt ist. Beste, eS ist sogar die Frage, ob Du es selber noch weist, daß der Mond nm wenige Meilen kleiner ist, als Asien. Wie oft must' ich DirS am Fensterstoke Vorsin gen, ehe Du es behieltest, daß nicht nur fein Tag einen halben Monat währt, fvndem auch — was sich noch eher hören lasset — feine Nacht, so daß also da ein lustiges Mädchen, das von der Mutter schon um Mitternacht vom Bal-
i6
Balle nach Haus-gezerret, wurde, doch wepigstens seine guten anderthalbbundert Stun» den gewalzt und geschliffen Harke! — Sage mir einmal, Philippine, ob Du es uochM Kopfe Haff, daß deq Mond, »der vielmehr seine Lenke in einer so langen Nacht, so gut wie.wir scl)en und pfvmeniren wollen und daß sie-also einen grösser« Mond bedürfen als wir, wenigstens keinen schmälern, als ein massi ges Kutschenrad ist! Ich hab' es von guter Hand, daß Du es nicht mehr weist., wach der Mond für einen Mond über sich sehe —rUnfere Erde ist seiner. Flatterhafte, und komt ihnen droben nicht grösser vor als ein Braut kuchen. Ich seze hier wegen meiner folgen den Erzählung noch das hinzu, daß wir ih nen kein Licht (Mond- oder Erdschein) hin auf werfen können, wenn wir hier unten sel ber keines haben, welches der Fal bey der Sonnenfinsternis ist; daher können die Mond söhne bei unserer Sonnenfinsternis nicht arrderS sagen, als r „ wir haben heute eine Erd finsternis«" Ich
17 Ich bitte Dich recht sebr, Philippine,
lies diese Personalien des Mondes, auf die die
ganze phantasierende Erzählung fusset>
Deinen Zuhörerinnen einigezwanzigmale vor:
sonst, ist euch alles entfallen,
eh' ich nur
angefangen.
Ueberhaupt verdenk' ich- euern Eltern
«»gemein, daß sie euch statt des Franzö
sischen , das euch wie ein Bund Titularkam» merherrn - Schlüssel nur zum Klingeln deS
frelenverderbenden Parlierens und nie zum
Aussperren eines einzigen französischen Bu ches nüzt,
weil euch Ritterrvmane lieber
sind, daß sie euch, sag ich, nicht lieber ha
ben Sternkunde lernen lassen, sie, die dem Menschen ein erhabenes Herz gibt, und ein
Auae, das über tue Erde hinausreichr, und
Flügel,
die in die Unermeßlichkeit heben
und einen Gott, - der nicht endlich^ sondern unendlich ist.
Man darf über alles unter dem Monde und über ihn selber Phantasien haben, wenn
man nur nicht die Phantasien
B
für Wahr-
hci-
18 heilen nimt — oder das Schattenspiel für
ein Bilderkabinet — oder das Dilderkabinet für ein Naturalienkabinet.
Der Astro
nom inventiert und tariert den Himmel und
fehlet um wenige Pfunde; der Dichter meublieret und bereichert ihn;
jener fastet das
Flurbuch von Anen ab, worein dieser Per
lenbache leitet
samt einigen- Goldfischgen;
jener legt Messchnür«,
dieser Guirlande«
nm den Mond — auch um die Gde
. Du milde,, blasse Gestalt, an die ich so oft blicke, um mein Herz zu
mildern — die so bescheiden schimmert und so bescheiden macht —
die ihren Werth
nur dem stillen Himmel zeigt,
nicht der
lau-
19 lauten Erde — und zu der ich das Au ge gern aufbebe,
wenn ein Paar Tropfen
zn viel darin sieben, die in den auf der Er innerung blühenden Herbstflor der Freuden
niederfallen und vor der ich am liebsten an
daö über die Wolken gerükre Mutterland um serer verpflanzten Wünsche denke. Du gute Gestalt! .. .. . Pbilippine, es thut dem
Herzen Deines Bruders wohl, daß es zwei felhaft ist, wen er hier angeredet habe, ob
den Mond oder Dich. fel
zu
verdienen,
Einen solchen Zwei
Schwester,
ist so
schön,
daß ich nur noch etwa- Schöner-
kenne:
nemlich, ihn gar zu benehmen,
indem man sich vom Monde in nichts unter scheidet als in den Flecken und in der Verän
derlichkeit. Ich bin, wiewohl blos mit dem lezterem
Unterschiede Dein Bruder,
Die
20
D i e Erzählung.
Als ich zum erstenmale, Eugenius und Rosamunde- denen ich den wahren Namm nicht mchr geben darf, eure kleine Geschichte erzählen wollte, gingen meine Freunde.und ich in einen englische» Garten. Wir kamen vor einem neubemalten Sarg vorbei, auf dessen Fusbret stand : ich gehe ■ vorüber. Ueber den grünenden Garten ragte ein weis ser Obelisk hervor, womit zwei verschwi sterte Fürstinnen die Stelle ihrer Wiederver einigung und Umarmung bezeichneten und.an dem die Inschrift war: „Hier fanden wir uns wieder." Die Spjze des Obeliskus blinkte schon im Volmond; und hier erzählte ich die einfache Geschichte. — Du aber, lieber Leser, ziehe — welches so viel als Sarg und Obeliskus ist — die Unterschrift des Sarges in die Asche der Vergangen heit,
21
fjeit, und die Buchstaben des ObelisknS zeichne mit warmen edel» Herzensblute in dein Inneres. Manche Seelen entfallen dem Himmel wie Blüten; aber mit den weissen Knospen werden sie in den Erdenschmuz getreten und liegen oft besudelt und zerdrükt in den Fusstapfen eines Hufs. Auch ihr wurdet zer drükt, Eugenius und Rosamunde! Zarte Seelen wie euere, werden von drei Räu bern ihrer Freuden angefallen: vom Volke, dessen rohe Griffe ihrem weichen Herzen nichts als Narben geben — vom Schiksak, das an einer schönen Seele vol Glanz die Thräne nicht wegnimt, weil sonst der Glanz verginge, wie man den feuchten Demant nicht abwischt, damit er nicht erbleiche — vom eignen Herzen, das zu viel bedarf, zu wenig geniesse«, zu viel host, zu wenig ertragt. — Rosamunde war eine vom Schmerz durchbohrte helle Perle — abgetrent von den Ihrigen zukte sie nur noch bei Leiden fort wie ein abgeschnittener Zweig B Z der
22
der Sensitive bei Einbruch der Nacht — ihr Leben war ein stiller warmer Regen, so wie das ihres Gatten ein Heller heisser Son nenschein — sic kehrte vor ihm ihre Augen weg, wenn sie gerade auf ihrem zweijähri gen siechen Kinde gewesen waren, das in diesem Leben ein düngestügelter wankender Schmetterling unter einem Schlagregeu war. — Eugcnius Phantasie zerschlug mit il-ren zu grossen Flügeln das zu weiche bims ne Körpergewcbe; die Lilienglocke des zarten Leibes faste seine mächtige Seele nicht; der Ort, wo die Seufzer entstehen, seine Brust, war zerstört wie sein Glük; er batte nichts mehr in der Welt als sein liebendes Herz und nur noch zwei Menschen für dieses Herz. Diese Menschen wollen im Frühling aus dem Strudel der Menschen gehen, der so hart und kalt au ihre Herzen anschlug: sie -liessen sich eine stille Senncnhütte auf einer hohen Alpe, die der Silberkerre des Staub bachs gegen über lag, bereiten. Am er sten
2Z sten schönen Frühlingsmorgen traten sie den
langen Weg zur hohen Alpe an.
der Strom des Lebens wird
und laurern;
fchneeweis, tern.
Es
ES gibt
die nur die Leiden geben
eine Heiligkeit,
wenn ihn- Klippen zersplit
gibt eine Höhe,
wo zwischen
die erhabenen Gedanken nicht einmal mehr kleine treten, wie man auf einer Alpe die
Berggipfel neben einander stehen sieht ohne
ihre Verknüpfung durch Tiefen.
test jene Heiligkeit, Du diese Höhe,
Dn hat
Rosamunde — und
Eugenius! —
Um den
Fus der Alpe zog ein Mvrgenncbel, in dem drei flatternde Gestalten hiengen: die Spie gelbilder der drei Reisenden waren es und
die scheue Rosamunde erschrak und dachte,
sie sehe sich selber.
Eugenius dachte: was
der unsterbliche Geist um hat, dickerer Nebel.
ist nur ein
Und daö Kind grifnach
der Wolke und wvlte spielen mit seinem klei nen Bruder aus Nebel.
Ein einziger uns
sichtbarer Engel der Zukunft ging mit ihnen
durch daö Leben und auf den Berg:
B 4
sie
waren
24 waren so gut und einander so ähnlich, daß sie nur einen Engel brauchten.
Unter dem Steige» schlug der Engel das Buch des SchiksalS auf, worin ein Blat,
der Abris eines dreifachen Lebens war —
jede Zeile war ein Tag — und als der
so
Engel die heutige Zeile gelesen hatte,
weinte er und schlos das Buch auf ewig.
Die Schwachen bedurften beinahe einen
Tag zur Ankunft.
Die Erde kroch zurük
in die Thäler, der Himmel lagerte sich auf die
Berge.
Die müde,
nur
blinkende
Sonne wurde unserem Eugenius der Spie
gel des Mondes;
er sagte,
als schon die
Eisgebürge Flammen über die Erde warfen,
zu seiner Geliebten: doch so wohl.
„ Ich bin so müde und
Ist es uns so, wenn wir auS
zwei Träumen gehen, aus dem Traum des Lebens,
und aus dem Traum des Todes,
wenn wir einmal in den wolkenlosen Mond als die erste Küste hinter den Orkanen des
Lebens treten?" — Rosamunde antwortete: „noch besser wird uns sein; denn im Monde
woh-
25 wohnen ja, wie Du mich lehrest, die klei nen Kinder dieser Erde,
und ihre Eltern
bleiben so lange unter ihnen, bis sie selber so mild und ruhig sind wie die Kinder und dann
ziehen sie weiter." —
„Von Himmel zu
Himmel, von Welt zu Well!" sagte erho
ben Eugenius. Sie stiegen, wie die Sonne sank: wenn
sie träger klimten, so schlugen sie Berggipfel wie losgebundene- auffabrende Zweige verhül lend vor die Sonne.
Dann eilten sie in den
hinanfrückendrn Abendschimmcr nach; aber alö sie auf der Sennenalpc waren, traten
die ewigen Berge vor die Sonne — dann verhütte die Erde ihre Graber und Städte
anbetend vor dem Himmel,
eh' er sie mit
allen Sternenaugen ansah und die Wasser falle legten ihre Regenbogen ab — und hö her breitete die Erde dem Himmel, der sich über sie hereinbog mit ausgestrekten Wolken»
Armen, «inen Flor aus Goldduft unter und hieng ihn von einem Gebürge zum andern —
und die Eisberge waren angezündet,
B 5
damit
26 mit sie bis in
die Mitternacht glühten,
»ind ihnen gegenüber war auf dem Grabe der
Sonne ein Scheiterhaufen von Gewölk aus Abend » Gluth
und
Abend - Asche aufge-
Durch den. glimmenden
thürmt.----------
Flor aber lies der gute Himmel seine Abend thränen tief in die Erde hinunter fallen, bis
gnf das niedrigste Grab, bis auf die kleinste Blume darauf. —
O Eugeniuö, wie gros muste jezt deine
Seele werden! Das Erdenleben lag entfernt und in der Tiefe vor dir ohne alle die Ver zerrungen, die wir daran sehen, weil wir zu nahe davor stehen,
so wie die Dekora
tionen kürzerer Szenen in der Nahe Landschaften zu
aus
ungestalten Strichen wer
den. — Die zwei Liebenden umarmten sich sanft
und lange vor der Hütte und Eugeniuö sagte:
o stiller, ewiger Himmel,
nichts md):-! —
jezt nim
unö
Aber sein blasses Kind
stand niiti dem geknikten Lilienhaupte vor ihm, er sah die Mutter an und diese lag
mit
27 mit dem weiten
feuchten Ange im Him
mel und sagte leist: oder nim uns alle auf einmal! Der Engel der Zukunft, Engel der Ruhe nennen wil,
den ich den weinte lä
chelnd und sein Flügel verwehte mit einem
Abeudlüftchen die Seufzer der Eltern, damit sie einander nicht traurig machten. Der transparente Abend flos um die ro the Alpe wie ein heller See und spühlte sie
mit den Zirkeln kühler Abendwegen an.
Je
wehr sich der Abend und die Erde siilte, desto mehr fühlten die zwei Seelen, daß sie
am rechten Orte waren:
sie hatten keine
Thräne zu viel, keine zu wenig und ihr Glük hatte keine andere Vermehrung vonnöthen,
als seine Wederhohlung.
Eugenius lies in
den reinen Alpenhimmel die ersten Harmoni katöne wie Schwanen fliessen.
Das müde
Kind spielte in einem Ringe von Blumen eingefaffet, an eine Sonnenuhr gelehnt, mit
den Blumen, die cS um sich auszog, um sie in seinen Zirkel cinzuschlichten.
End
lich
28 sich wurde die Mutter aus der harmoni
schen Entzückung wach — ihr Auge fiel in
die grossen weit ans sie gerichteten Augen ihren KiudeS — singend und
anlachelnd
und mit ülerschwcllender Mutterliebe trit sie zum kleinen Engel, gestorben.
der kalt war und —
Denn sein vom Himmel herab-
gesenktes Leben war im Dunstkreis der Erde auseinander geflossen wie andere Töne — der Tod hatte den Schmetterling angehaucht und dieser stieg aus den reissenden Luftsirö-
men in den ewigen ruhenden Aether auf, von den Blumen der Erde zu den Blumen
des Paradieses. — — O flattert immer davon, selige Kinder!
Euch wiegt der Engel der Ruhe in der Mor genstunde des
Lebens
mit
Wiegenliedern
ein — zwei Arme tragen euch und euern
kleinen Sarg und an einer Blnmenkette glei
tet euer Leib mit zwei Rcsenwangen, mit einer Stirn ohne Gram-Einschnitte und mit weissen Händen in die zweite Wiege herab, und ihr habt die Paradiese nur getauscht. —
Aber
29 Aber wir, ach wir brechen zusammen unter,
den Sturmwinden des Lebens, Herz ist müde,
und unser
unser Angesicht zerschnirreir
von irdischem Kummer und irdischer Müh' und unsere Seele klammert sich noch erstarret
an den Erdenklos! Du wende Dein Auge weg von Rosa
mundens durchstechendem Schrei, starrendem Blik und versteinernden Zügen, Du, wenn
Du eine Mutter bist und diesen Schmerz schon gehabt hast — schaue nicht auf die Mutter, die mir sinlvser Liebe die Leiche bart an sich
quetschet,
die sie nicht mehr erdrücken kan,
sondern auf den Vater, der seine Brust über sein kämpfendes Herz schweigend dekt, ob
es gleich der schwarze Kummer mit Oiterringen umzog und mit Oklerzabnen volgos. Ach als er den Schmerz davon endlich weggebo-
ben hatte, war das Herz vergiftet und auf
gelöst.
Der Man verbeisset die Wunde und
erliegt an der Narbe — das Weib bekämpft
den Kummer selten und überlebt ihn doch. —> »Bleibe hier" (sagt' er mit überwältigter
Slim-
3® Stimme) — „ich wil es zur Ruhe legen eh der Mond aufgeht."
küste es fiimi,
Sie sagte nichts,
zerbröckelte seinen Blumen
ring , sank an die Sonnenuhr und legte das kalte Angesicht ans den Arm, um das Weg,
tragen des Kindes nicht zu sehen.
Unterweges erhellete das Morgenroth des Mondes den wankenden Säugling, der Va ter sagte: brich herauf, Mond, damit ich
das Land sehe, wo Er wohnet. — „ Steig* empor, Elvsium, damit ich mir darin die Seele der Leiche denke — v Kind, Kind,
kenst Du mich, hörst Du mich — ach hast Du droben ein so schönes Angesicht wie Dei
nes da, einen so schönen Mund — v Du himlischer Mund, Du himlisches Auge, kein
Geist zieht mehr in Dich." —
Er bettete
dem Kinde siat alles dessen, worauf man uns
zum leztenmale legt, Blumen unter;
abet
sein Herz brach, als er die blassen Lippen,
die ofnen Augen mit Blumen und mit Eids
überdekte, und ein Strom von Thränen fiel zuerst ins Grab.
Als er mit der grünende»
Rinde
31 Rinde der Erdschollen, die kleine Erhebung
überbauet hatte:
fühlt'er,
daß er von der
Reise und dem Leben müde sei und daß in der
dünnen Bergknft seine kranke Brust einfallc: und daSEis deS Todes sezte sich in seinem
Herzewan.
Er blikte sich sehnend nach der
verarmten Mutter um — diese hatte schon lange hinter ihm gezittert — und sie fielen
einander schweigend in die Arme und ihre Au» gen tonten kaum mehr weinen. —
Endlich quol hinter einem ausglimmenden Gletscher der verklarte Mond einsam über
die zwei stummen Unglüklichen herauf und zeigte ihnen seine weissen-unbestürmten Auen und sein Dämmerlicht, womit er den Men
schen besänftigt. —
, Mutter!
blik auf*
(sagte Eugenius ) „dort ist Dein Sohn —-
sieh dort über den Mond gehen die weissen Blütenhaure hin, in denen unser Kind spielen
wird. “ —
Jczt füllete ein brennendes Feuer
verzehrend sein Inneres — sein Auge er blindete am Monde gegen alles, was kein
Licht war und im Lichtstrvme walleten erha bene
Zr bene Gestalten vor ihm vorüber mtb- neue
Gedanken, die im Menschen nicht einheimisch find und die für die Erinnerung zu groS. find, hörte er in seiner Seele , wie im Trau
me oft Melodien vor den Menschen kommen, der im Wachen keine schassen, kan.
—
Der Tod und die Wonne drükten.seine schwe
re Junge: „Rosamunde warum sagst du nichts? —
Siehst Du Dein Kind? Zch
schaue hinüber über die lange Eide, bis dahin
wo der Mond angeht : da stieget mein Sohn
zwischen Engeln. Hohe Blumen wiegen ihn— der Erden - Frühling weht über ihn -r— Kin der führen ihn — Engel lehren ihn — Gott
liebt ihn —
O Du Guter, Du lächelst ja,
das.Silberlicht des Paradieses
fliesset ja
himlisch um Deine» deinen Muid, und Du
kenst niemand und rufest Deine Eltern — Rosamunde gib mir Deine Hand/ wir wol,
len kommen und sterben." — —
Die dünyen.Lorperfesseln wurden langer. Sein ziehender Geist flatterte höher an den
Grenzen des Lebens. Er fastete die Betäubte mit
33 mit zuckender Kraft und lallete erblindend
und sinkend: Rosamunde, wo bist Du? Ich fliege — ich sterbe — wir bleiben beisam
men.
Sein Herz zerriö, sein Geist entflog. Aber Rosamunde blieb nicht bei ihm, sondern
das Schiksal ris. sie aus der sterbenden Hand
und warf sie lebendig ans die Erde zmük. Sie fühlte seine Hand an, ob sie tvdtenkalt fei: und da sie.es war, so legte sie sie sanft .auf ihr Herz, fiel langsam auf ihre brechen
den Knie, hob ihr Angesicht unaussprechlich Mögeheitert gegen die Sternenuacht hinauf,
ihre Augen drangen aus den
thränenleren
Höhlen trocken, gros und selig in den Hirn» rnel und schaueten darin ruhig nach einer über»
.irdischen Gestalt umher^ die hermiterfliegen miö sie emportragen werde. Sie wähnte fest, sie sterbe sogleich und betete:
Engel der Ruhe,
„kom nun,
kom und nim mein Herz
und bring' es meinem Geliebten hinauf —
Engel der Ruhe,
lass'mich nicht so lange
allein unter den Leichen — o Gott! ist denn
6
nichts
34
nichts Unsichtbares um mich ? — Engel bei
Todes,
du must hier sein,
dn hast ja erst
neben mir zwei Seelen abgerissen und steigen lassen. — Ich bin auch gestorben, ziehe nur Mine glüheüde Seele aus ihrem knie en
den falte«. Leichnam!" —
Sie. Miste mit einer wahnsinnigen Unru
he im lere# Himmel herum.
Plözlich 'ew
braute in feiner stillen Wüste ein Stern -und
schlangelte sich gegen die Erde zu.
Sie brtts
tete ihre.emzükten Arme aiiS und glaubt»,
der Engel der Ruhe schwinge sich hinein. Ach der Stern, verging, aber sie nicht.
„Roch
nicht? stech' ich «och nicht, Algütiger?" fetifjete die ArMe.
In Osten richtete sich eine Wolke em por — fuhr, über den Mond hinauf und zog
einsam am heitern Himmel heran — Und
stand über der gequaltesten Brust der Erde.
Diese bog-das Haupt zurük und zu ihr hin auf und bat flehend den Bliz: schlag' ei« in
dieseBiustund erlöse mein Herz! — Aber als die Wolke finster über,das jurükgedrükte
Haupt
35 Haupt hinüberging und den Himmel hinun, terflvh und hinter den Gebürgen versank: so
rief sie mit tausend Thränen:
„sterb' ich
nicht,, sterb ich nicht?" . . . Du Arme!.' nun rotte sich der Schmerz
zusammen ,und that den erzürnten Schlangen, sprung an Deine Brust und drükte alle seine
Giftzähne hinein»
Aber eiy weinender Geist
zoS das Opium der Ohnmacht über Dein Herz. und die Krampfe der Pein zerflossen in tin fanfreS Zucke».
Ach sie erwachte am Morgen, aber zerrüttet; sie sah noch die Sonne und den Todten, aber
ihr Auge hatte alle Thränen, ihr zersprungenes Herz gleich einer zerborstenen Glocke alle Tör
ne verloren: sie mnrmelte blos: warum darf ich nicht sterben ? — Sie ging kält in die Hüt«
te zurük und sagte nichts weiter als diese Wörter
Jede Nacht ging sie eine halbe Stunde spater zum Leichnam, und traf jedesmal mit dem auf-
gehendeU zerstükten Monde zusammen und sag te :
indem sie ohne Thränen das Trauerange
an seine DannNerungsauen andrükte: warum
darf ich nicht sterben?
Ja
36
Ja wol! warum darfst Du es nicht, gute
Seele, da die kalte Erde aus allen Deine» Wunden den beissen Gift ausgesogen hatte,
womit das Menschenherz
unter sie geleget
wird, wie die Hand in der Erde vom Bie
nenstich geneset»
Aber ich wtnde mein Auge
weg von diesem Schmerz und sehe hinauf auf den schimmernden Mond, woEngenius die Augen aufschlägr unter lächelndrn'Kindern und
sein eignes fället geflügelt auf sein Herz...,
Wie ist alles so stil im dämmernden Dorhof der zweiten Welt —
ein Nebelregen von
Licht übersilbm die hellen Gefilde des e» flen Himmels, und Lichtkügekgen hängen stat
des funkelnden Thaues nm Blüten und Gid
z-fel — das Blau des Himmels *•) blähet sich dunkler über die Lilicn-Ebelten, alle Melodien sind in den dünnern Lüsten Nur zerflos sene Echo'— nur Nachtbkumen buftett und
gauckeln wankend' um nchige Blicke — die schwan•) Die blaue Farbe der Luft muß itn Pionde dunk ler sein, weil diese dünner isi, ft wie beides hat keine Kentnisse (da sie nicht einmal den Werther aus Büchern kent) als ökonomische — liesst keine Bücher, meine gar nicht — bewohnt, d. h. bewacht als Schloshauptmannin ganz allein die drei zehn öden erledigten Zimmer des Schlosses zu Hukelum, das dem im Filial Schadek D 3 sss-
54
scshaften Dragonerritmeistcr A u flammet
zngehöret —
kommandieret und beköstigt
feine Fröhner und Magde und kau sich von
Gottes Gnaden, — welches im dreizehnten Jahrhunderte die
landsassigen Edelleute
flut wie die Fürsten thaten —
so
schreiben,
weil sie von menschlicher Gnade lebt,
we
nigstens von der adelichen der Ritmeisicrin,
die allemal die Unterthanen segnet, ihr Man flucht. —-
denen
Aberstn der Brust der
verwaisercnThieunette hieng ciir verzuckcrlerS
Marzipanherz,
das man vor Liehe
halte
fressen mögen — ihr Schiksal war hart,
aber ihre Seele weich — sie war bescheiden, höflich mnd furchtsam, aber zu sehr — sie
nahm schneidende Demüthigungen gern und
kalt in Schade! auf und fühlte keinen Schmerz,
aber einige Tage darauf san sie sich erst alles
ans und die Einschnitte (trugen heiö au zu bluten, wie Verwundungen in derStarsuchr, erst
nach dem
Vorübcrgang
der
lezter»
Schmerzen, und sie weinte dann ganz al
lein über ihr Los, . . , Eö
55 Es wird mir schwer,, wieder eine» Hel len Klang zu geben nach diesem liefen, und
hinzuzufügen, daß Firlein- fast mir ihr auf erzogen wurde und.daß sie, als seine Schul» Moitistiu drüben beim. Senior,
da rr ihn
für die Städtebaus der Terziansr siiussädig
machie,
mit ihm die verba anomala er
lernte. Das Achilles Schild des Kuchens, den
ei» erhobnes Bildwerk von braunen Schup pen auszakte,
ging
im LUMtus als ein
Schwungrad hungriger und dankbarer Ideen um: er Halls.voiz jener Philosophie, die. das
Essen verachtet, und- von jener, grossen Welt,
die es verschleudert,.nicht so vUbei sich als zur Undankbarkeit, der Weltw,eisen und Welt leute gehört, sondern er feilte sich für eine
Schlachtschüssel, für ein. Linsengericht, gar »richt sat bedanken.
Unschuldig und zufrieden beging je;t die vierstzige Tsschgcnossenschaft
—
denn der.
Hund kan mit seinem Eonvert unter dem
£fen
nicht ausgelassen
werden
D 4
—
das
Fest
56
Fest der süssen Brode,
das Dankfest gegen
Thiennette, das Laubhüttenfest im Garten. Man fette stch freilich wundern,
wie ein
Mensch mit einigem Vergnügen essen könne, ohne wie der König in Frankreich 448 Men
schen ( löt garqons de la Maison'-bouche zahl' ich gar nicht) in der Küche, ohne
eine Fruiterie von ein und dreißig Kerls, oder eine Mundbackerei von drei und zwan
zig Ditos und ohne den täglichen Aufwand
von 387 Livres 21 Sons zu haben.
In
zwischen ist mir eine kochende Mutter so lieb,
wie ein ganzer mich mehr fressender als füt
ternder Küchen - Hofstaat. hub,
Der köstliche Ab
den der Biograph und die Welt von
einer solchen Tafel nehmen dürfen,
ist eine
und die andere Tischrede pon Erheblichkeit.
Die Mutter erzählte vieles.
Thiennette zie
het heute Abends — hinterbringt fie
—
zum erstenmale einen Morgenpromenadehabit von weisser Mousseline an, desgleichen einen
Atlasgürtel und Stahlschild;
eS wird ihr
aber — sagt sie — nicht lassen,
da die Rit-
57
Ritmeistenn (denn diese hieng an Thien-
netten ihre abgeworfnen Kleider, wie Katho
liken an Schuzheilige abgelegte Krücken und Schaden) dicker sei.
Gute Weiber gönnen
einander alles, ausgenommen, Kleider, Man ner und Flachs. In der Phantasie des Quin
tus wuchsen Thienuetten jczt durch die Klei dung Engelsschwingen aus den Schulterblät tern:
ihm war ein Kleid ein halber ausge-
bälgter Mensch dem blos die edlem Theile und die ersten Wege fehlten: er verehrte diese
Düten und Hülsen um unsern Kern, nicht als Elegant oder als Schönheits - Zensor,
sondern weil er unmöglich etwas verachte«
konte,
was andere verehrten. —
Ferner
las sie ihm gleichsam aus dem Grabstein sei
nes Vaters vor, der im zwei und dreißig sten Jahre seines Alters dem Tode aus einer
Ursache in die Arme gesunken war, die ich erst in einem spätern Zettelkasten bringe, weil
ichs zu gut mit dem Leser meine.
Mau
konte dem Quintus nicht genug von seinem
Vater erzählen. D 5
Die
58
.Die schönste Nachricht war,
daß
ihr
Fräulein Thiennette heute sagen lassen: „mor
gen kön' er bei der gnädigen Frau vorkommen, denn sein gnädiger Herr Path fahre in die Stadt."
chen.
Das mns ich freilich erst klar ma Der alte Aufhammer hies Egi-
dius und war Firleins Pathe; aber er hatte ihm — ob wol die Ritmeistcrin die Wiege
des
Kindes
mir nächtlichen Brodspenden,
Fleisch- und Sakzehenden bcdckte — spar
sam mit nichts anderem ein Pathengeschenß
gemacht , als blos mit seinem Namen, wel ches gerade das fatalste, war.
Unser E g i-
dins Firlein war nemlich mit seinem Pudel, der wegen der französischen Unruhen mit an dern Emigranten aus Nantes fortgelanfen «ar, nicht lange von Akademien zurük: als
er und der Hund mit einander unglüklicher Weise irn Hnkclumer Wäldchen spazieren gieu-
gen:
Denn da der Quintus immer zu sei
nem Begleiter sagte:
kusch, Schil, (cetli
che Gilles) so wii dS wahrscheinlich der Teu
fel gewesen sein, der de» von Aufhammer, so
59 so wie Unkraut zwischen die- Bäume einger säet hatte, daß ihm die ganze Travesiirung und Wipperei seines Namens — den» Gil
les heiset Egidius — leichtlich in die Ohre» fallen tonte,
Firlein tonte weder parlieren
noch mjmiiren, er wnsie nicht ein Worr da
von was conclie bedeute, das jezt in Paris bürgerliche Hunde selber zu ihren Falets
de chiens sagen: aber von Aufhammer nahm drei Dinge nie zurük,
seinen Jrthum,
sei,
«en Grol und sein Wort. Der Provokat sezte
sich jc;t vor,
de» bürgerlichen Provokanten
und Ehrendieb nicht mehr zu sehen und zu —
hcschcnken. Ich komme zurük.
Nach dem Diner
gutte er zum Fcnstergcn hinaus in den Gar
ten- und sah seinen Lebensweg sich in vier Steige spalten zu eben so vielen Himmel-
farthen;, zur Himmelfarth in den Pfarrhos und in das Schlos zu Thienuetren — auf
heute, — und zur dritten nach Schadet auf Morgen und in alle Hulelumische Hau
ser zur vierien.
Als nun die Mutter lange
genug
6o genug fröhlich auf gefpizten Füssen Hemmge schlichen war, um ihn nicht iw Studieren seiner lateinischen Bibel (vulgata)
zu stören, „nemlich im Lesen der Litteratur zeitung;" so macht' er sich endlich auf seine eignen und die demüthige Freude der Mutter
lief dem herzhaften Sohne lange hinter drein, der sich getrauere, mit einem Senior ganz
wodlgrmuthet zn sprechen.
Gleichwol trat
er mit Ehrfurcht in das Haus seines alten, mehr grau- als kahlköpfigen Lehrers, nicht nur die Tugend selber war, auch der Hunger :
höchsiselige König.
der
sondern
denn er as wehr üls bet
Ein Schulman,
der
ein Professor werden wil, sieht einen Pastor kaum an; einer aber, der selber ein Pfarr haus zu seinem Werk- und Gebährhaus ver
langt, weis den Inwohner zu schäzen.
Die
neue Pfarrwohnung — gleichsam, als wäre
sie wie ein casa santa aus der Friederichs strasse voer aus Erlang aufgefiogen und in
Hukelum niedcrgcfallen — war für den
Luinlus tiu Sonnentempel und der Senior
der
6i der Sonnenpriester.
Pfarrer da zu werden,
war ein mit Lindenhonig überstrichner Ge
danke, der in der Geschichte nur »och einmal vorkomt, ncmlich, in Hannibals Kopf, als er den hatte,
über die Alpen zu schreiten,
d. h. über Roms Thürschwelle. Der Wirth und der Gast formierten ein
vortreflicheö bureau d'espris: Leute in Aem tern, zumal in ähnlichen, haben einander mehr zu sagen — nemlich ihre eigne Ge
schichte — als die müssigen Wonnemonds-
die nur eine
Käfer und Hof - Seligen,
fremde doziren dürfen. —
Der Senior
kam dann von seinen eisernen Stücken (im Stalle) auf die Aktenstücke seines akademi
schen Lebens, dessen sich solche Leute so gern
wie Dichter der Kindheit erinnern.
So gut
er war, so dacht' er doch halb freudig dar
an, daß ers einmal weniger gewesen; aber frohe Erinnerungen fehlerhafter Handlungen sind ihre halbe Wiederholung, so wie reuige
Erinnerungen der guten,
ihre halbe Auf
hebung.
Freund-
62 Freundlich und höflich horchte Jebedaus,
der nicht einmal in seine Schreibtafel den Na men eines vornehmen HerrnS,
eintrug,
obne ein H.
den akademischen Flegeljahren deS
alten Mannes z«,
der in Wittenberg eben
so oft eingeschenkt als eingetunkt und gleich sehr nach der Hippokrene und nach Gukguk *) gedürstet hatte. —
Jerusalem bemerkt schön,
daß die
Barbarei, bic oft hart hinter dem buntesten Flor der Wissenschaften aufsteigt,
eine Art
von stärkendem Schlambad sei und die Ueber-
Verfeinerung abwende, bedrohe.
wägt,
mit der jener Flor
Ich glaube, daß einer,
der er
wie weit die Wissenschaften bei dem
Primaner steigen, — vollends Patriziers Sohn
bei einem
aus Nürnberg,
Stadt 1000 fl. zum
Studieren
dem die
schenken
mus — ich glaube, daß ein solcher dem Mu«
scnsohne ein gewisses barbarisches Mittelalter,
(das sogenannte Burschenleben) gönnen werde, das
♦) Ein Universltätöbier,
bz
das ihn wieder so siahlct, daß seine Vcrftinenmg nicht über die Grenzen geht.
Der
Senior Hane in Wittenberg i8o akademische Freiheiten — so viel hat deren Perr n 3
Rebuffus aufsummiert *) — gegen Der-
jahrnng gcschüzt und keine verloren als seine moralische,
ans der ein Mensch, sogar im
Konvente nicht viel macht.
Dieses gab dem
Quintus Muth, seine lustigen Reisesprünge
Zn rcfcrirc»,
die er in Leipzig unter dem Al»-
*) Ich wil nur einige diesem Peter nachschreiten, die sonst beim Aufkeimen der Universitäten alle galten: z. V. ein Student kan den Bürger zwingen, ihm Haus und Pserd zu vermuthen; —ein, sogar seinen Verwandten zugefügter Schade, wird vierfach ersczt; — er braucht keine schrift liche Befehle des Pabstes zu volziehen; —• die Nachbarschaft mus ihm für das haften, was ihm gestohlen worden; — wenn er und zugleich ein Nichtstudent anstössig lebten, so konte nur der leztere aus dem Miethbause gewiesen werden; — ein Doktor mus einen armen St. nähren; — wenn sein Mörder nicht entdekt wird, so bleiben Lie nächsten zehn Häuser unter dem Interdikt; — seine Legaten werden durch die falcidia nicht ver kürzt :c.
64
Alpdrücken der Dürftigkeit machte.
Ma»
höre: scinHauswirth, der zugleich Professor und Geizhals war, beköstigte in dem um
mauerten Hofe eine ganze Fasanerie von Hüh
nern.
Fixiern samt einer Mitbclehnschaft
von drei Slnbengeuvssen bestritten den Mieth-
zins einer Stube leicht: sie hatten überhaupt
wichtige Dinge, wie'Phönixe nur Einmal, Ein Bette,
worin allemal das eine Paar
Dvrmitternacht, das andere Nachmitternacht
gleich Nachtwächtern Rok,
schlief, —
Einen
in dem einer um den andern ausging
und der wie ein Wachtrok die Nationalklei dung der Kompagnie war, und mehrere Ein
heiten des Inte, esse und des Orts. Nirgends sammelt man die Noth- und Belagerungs,
münzen der Armuth lustiger und philosophi scher als auf der Universität: der akademische
Bürger thut dar, wie viel Humoristen und Liogenesse Deutschland habe.
Unsere Uni
karier hatten nur Eine Sache viermal,
Hunger.
den
Der QuintuS erzählte es vielleicht
mit einem zu freudigen Genus der Erinne rung,
65
tung, daß einer aus diesem darbenden coro ein Mittel ersan,
die Hühner des ordentli
chen Professors wie Abgaben oder Steuern
zu erheben.
Er sagte (er war ein Jurist),
ste sollen einmal die juristische Fikzion aus
dem Lehnrechte entlehnen, daß sie den Pro
fessor für den Erbzinsbauer, Nuzniesung des Hähnerhofes zustehe, hen,
dem ganz die und Hauses
sich aber für die Iinsherren ansä
denen er seine Iinshühner ordentlich
entrichten mäste.
Damit nun die Fikzion
derNawr folgte, fuhr er fort: •— Jictio
seijuüur naturam — so mästen sie solche Fasnachtshühner
wirklich
ihm
abfangen.
Aber in den Hof war nicht zu kommen. Der Feudalist machte sich daher eine Angel,
klebte eine Drodpille an den Angelhaken und
hielt fischend seine Angelruthe in den Hof hinab.
In wenig Terzie» grif der Haken
in einen Hühnerschlund und
die angeöhrte
Henne, die nun mit dem zinsherlichen Feu-
dalisten kommunizierte, Archimedeö Schiffe,
tonte stil wie vom
in die Höhe gezogen E
wer-
66
zur hungrigen Luftfischerei - Sozie tät, ivo ihrer nach Masgabe der Umstande der rechte Feudal-Name und Best;-Titel wartete: Denn die resorbieren Hühner mli ste n bald Nauchhühucr, bald Wald- ForstVogtei- Psingst - Sommerhemien benant werden. „Ich fange damit an, sagte der angelnde Majoratsher, daß ich Rutscher zinsen erhebe; denn so ncnt man das Tri pel und Quinrupel des Zinses, wenn ihn der Zmöbauer, wie hier her Fal ist, lange zu erlegen versäumet har. “ Der Professor bemerkte wie ein Fürst, traurig die vermin derte Volksmenge der Hühner, die wie Ju den am Zahlen starben. Endlich hatt' er das Glük, als er sein Kollegium las — er stand gerade beym Forst- Salz- und Mu uz reg al — durch das Fenster des Auditoriums eine, wie der betende Jgnazius Loyola oder wie die gestrafte Juno mitten in die Luft strierte Zinshcnue wahrzuneh men; er gieug der unbegreiflichen gera den Aszensiou des arvnautische» Thiers nach und im?en
67
und sah endlich oben den Hebungsbedienten
mit seinem thierischen Magnetismus stehen,
den aus dem Hühnerhofe die Loose zum Essen zog....
Er machte aber der Hühnerbaize
wider alles Erwarten noch früher ein Ende
alS dem Regal - Kollegiv. —
giriern schrit
nach Hause unter dem
Abend - Trompeterstükgen der Thurm - Schal löcher und nahm unterwegeö höflich vor den leren Fenstern beS Schlosses den Hur ab:
vornehme Hauser waren ihm so viel wie vor
nehme Leute, wie in Indien die Pagode zu gleich den Tempel und den Gott bedeutet.
Der Mutrer brachte er erlogene Grüsse mit, die ihm authentische zurückgab, weil sie nach
mittags mit ihrer historischen Zunge und mit ihren naturforschenden Augen bei der
weißmvusselinenen Thiennette gewesen war. Die Mutter wies ihr jeden Nothpfennig,
den der Sohn in ihre grosse lere Geldtasche fallen lies und sezte ibn in Gunst beim Fräu
lein: denn Weiber neigen einem Sohn,
der
seiner Mutter zärtlich einige ihrer Wöhltha«
E s
ten
68
ten zurükzahlt, mehr und warmer ihre Sele zu als wir einer dem Baier versorgenden Tochter, vielleicht aus hundert Gründen und auch aus dem, weil sie von Söhnen und Mannern mehr gewohnt sind, daß diese blos fünf Fuö lange — Donnerwetter, be hoste Wasserhosen oder doch ausruhende Or kane sind, Seliger Quintus! an dessen Leben noch der Vorzug wie ein Adlerorden schimmert, daß du es deiner Mutter erzählen kanst, wie z. 93. den heutigen Nachmittag im Seniorat. Deine Freude fliesset in ein fremdes Herz und strömet daraus verdoppelt in deines zurük. Es gibt eine grössere Nahe der Herzen, so toi» des Schalles als die des Echos, die höchste Nähe schmilzt Ton und Echo in die Resonanz zusammen. Es ist historisch - gewis, daß beide Abends assen und stak des Abhubs vom Diner, der morgen selber eines vorstellen konte, blos den Qpferkuchen oder Matzen auf den Brand-Opferaltar des Tisches legten. Die Mut-
69
Mutter,
die für ihr leibliches Kind nicht
blos sich sondern auch die übrigen Menschen willig hingegeben hatte, that ihm den Vor
schlag, dem Quintaner, der draussen spielte und einen Vogel stqt sich aufazte,
keine
Krume vom kostbaren Bakwerk zu geben,
Aber
sondern nur Hausbrod ohne Rinde.
der Schulman dachte christlich und sagte, es sei Sonrag und der junge Mensch esse so gern etwas Delikates wie er.
Firlein gastierte,
dotierte und schonte — als Gcgenfüsler der
Grossen und Genies — lieber den dienen den Hausgenossen als einen Menschen, der
das erstemal durchs Thor passieret und auf der nächsten Srazivu seinen Gastfreund und den lezten
Postmeister
vergißet.
Ueber-
Haupt batte der Quintus Ehre im Leibe, und ungeachtet seiner Schonung und Latrie des
Geldes, gab erö doch gern hin in Fallen der
Ehre, und ungern in Fallen eines siegenden Mirleidens, das zu schmerzlich seinen Herz
beutel auffülte und leerte. —
seinen Geldbeutel aus
Als der Quintaner das
E 3
jus
com-
compascui auf dem Matzen exerzierte und als iechs Arme auf Thiennettenö Freilisch tu* hig lagen: las giriern sich und der Geselschäft den flaschenfingischen Adreskalender vor; etwas Höheres fönt’ er sich ausser Meu sels gelehrtes Deutschland nicht gedenken—die Kammerhern und geheime Rathe des Ka lenders liefen ihm, wie die Rosinen des Ku chens, kizelnd über die Zunge, und von den reichern Pastoraten erhob er gleichsam durch Vorlesen den Sakzehend. Er blieb absichtlich seine eigne Ausgabe aufsontägigem Velinpapier; ich meine, erzog den SvntagSrok sogar unter dem Gedetlauten nicht aus: denn er hatte noch viel vor. Nach dem Essen wolt' er zum Fraulein, als er sie wie eine Lilie in die rothe Däm merung getaucht zu sehen bekam, im Schlosgartcn, dessen westliche Grenzen sein Haus formierte, wie dessen südliche die sinesische Mauer des Schlosses. . . . Beiläufig, wie ich zu allem diesen gekommen bin, was Zet telkasten sind, ob ich selber dort war rc. re.—
das sol, so wahr ich lebe, dem Leser bald und
getreulich überliefert werden und das noch in diesem Buche. —
girlein hüpfte wie ein Jrlicht in den
Garten,
dessen
Blumendanipf an
seine»
Niemand bükte sich
Suppendampf anstieS.
tiefer vor einem Edelman als er, nicht auS
pöbelhafter Demuth,
noch aus
tiger Selbsterniedrigung,
dachte:
gewinsüch-
sondern weil er
„ein Edelman bleibe doch immer
das was er ist."
Aber sei» Bükling siel
(anstat vorwärts) in die Quere rechts hin
aus,
gleichsam «dem Hute nach:
kenn
er
hatte nicht gewagt, einen Stok mitzuneh men ; Hut und Stok aber waren das Druk-
werk und
die Balancierstange,
kurz
das
Büklingsgetriebe, ohne das er sich in keine
höfliche Bewegung zu sezeu verniochte und hätte man ihn dafür in
Hauptpastvrat voziert.
das Hamburger
Thiennettens Lu
stigkeit spante seine zusammengerolre Seele
bald wieder gerade und in den rechten Ton. Er hielt
an sie
eine
lange nete
E 4
Dank,
und
72 und Erndtepredigt für den schuppigen Auchen, die ihr gut und langweilig zugleich vorkam. Mädchen ohne grosse Welt,
rechnen lang
weilige Pedanterei blos wie das Schnupfen zu
den nothwendigen
Mannes;
Ingredienzien
sie verehren uns unendlich
eines
und
tvie Lambert den König in Preussen we
gen seiner Sonnenaugen nur im Finstern zu
sprechen vermögend war,
so ists ihnen oft
glaub'ich lieber — eben wegen unsers er habnen Airs, — wenn sie uns im Finstern erwischen können. — I h n erbauete Thieu«
nettens Reichsgeschichte und
Kaiserhistorie
vom H, von Aufhammcr und der gnädigen
Frau,
die ihn ins Testament setzen will;
sie erbauete seine Gelehrtcnhistorie, die ihn
und den Subrektor betraf,
wie er selber
z.V. in der Sekunda vikariere und über Schü ler regiere, so lang gewachsen wie er. so giengen beide zufrieden,
Bohnenblüteu,
Und
zwischen rothen
rothen Maikäfern,
vor der
immer tiefer am Horizonte niederbrennenden Abendröthe den Garten auf und ab und kehr
te»
73 ten allemal lächelnd vor dem Kopfe der Gärt
nerin um, der wie ein Scheibcnbild in das
eingesezet stand,
kleine Schiebfenster
das
wieder in ein grösseres gefasset war.
Mir ists unbegreiflich, daß er sich nicht verliebte.
Ich weis zwar seine Gründer
erstlich hatte sie nichts;
zweitens er nichts
und Schuldenlast dazu;
drittens war ihr
Stambaum ein Grenzbaum
rungsstok;
und Verwahr
viertens band ihm noch ein edle
rer Gedanke die Hände, der aus guten Grün
den dem Leser noch verhalten wird. wol — Fixlein!
Gleich
hatt' ich nicht an deinem
Plaze sein dürfen!
Ich hätte sie angesehen
und mich an ihre Tugenden und an unsere
Schuljahre erinnert und dann mein weich
flüssiges Herz hervorgezogen und es ihr wie
einen Wechselbricf präsciitiret oder wie ein
Rathsdckret insinuiret.
Denn ich hätte er
wogen, daß sie es einer Nonne in zweierlei nachthue, im guten Herz und im guten Vak« werk — daß sie twz ihres Umganges mit mänlichen Fröhnern,
doch keine Karl Ger
E 5
nor
74
nofeva Louise Auguste Timvtbee Eon von Beaumont sei, sondern eine glatt, blonde, geb üchte Taube — da st sie mehr ihrem Ge schlechte al* unserem zu gefallen suche —das? sie ein zerfliessendes Herz, das nicht erst vom Bücherverleiher abgeholet ist, in Thrä nen zeige, deren sie sich aus Unschuld mehr schämt als rühmt — — Schon vor der dritten Rabatte wär' ich bei solchen Grün den da gewesen mit der Spende meines Her zens. — Hätt' ich vollends bedacht, Quin te! daß ich sie kenne wie mich selber, daß ihr und mir (wat' ich nämlich du gewesen) von demselben Senior die lateinischen Hände zum Schreiben gesühret worden sind — daß wir uns als unschuldige Kinder vor dem Spie gel grlüsset, um ju sehen, ob es die beiden Verierkinder im Spiegel nachmachen — daß wir oft die Hände beiderlei Geschlechts in Einen Muf geschoben und sie darin Derstek» kens spielen lassen; — — hätt' ich endlich überdacht, daß wir ja gerade vor dem in der Schmelzntalerei des Abendes glimmen den
75 den Glashause standen,
an dessen kalte»
Scheiben wir beide im zwanzigsten — ein und zwanzigsten rc. — im hundert und fünfzigsten, wovon er gar kein Beispiel kenne, wenn nicht der Bettler Thomas Parre hergezvgen werden solle — von Gelehrten, die eine noch abscheulichere Hand als andere Gelehrte schrieben (wo von mau nur
88
nur Rolsinken und seine kettem kenne die so lang waren wie seine Hände °) — ober von Gelehrkea, die einander in keine Haare geriechen alS in die am Kin (wovon keine als nur PhilelphuS und .Thimotheus bekant find v«). — Solche Nebenstudien trieb er neben seinen Amtsarbeiten; aber ich glänbe ein Staat ist über so etwas toll: er vergleicht den, der in Philosophie und Bellettrie groß ist, auf Kosten deS Amts - Schlendrians , mit den Konzertuhren> die ihre Stunden —» ob fie sie gleich mitFlvtenmelodien cinfassen — schlechter schlagen als dumme plumpe Thurmuhren. Um auf den Namenstag zurück zu kommen: so lief Firlein nach solchen Anstrengun gen hinaus unter die Sang - Stauden und Rausch*) Paraviciui stnguläria de viris Claris Cent. L 2. •*) Ejusd. Cent. II. ig. Pbilelplms zerfiel mit dem Griechen über das Maas einer Sylbe; der Preis oder die Wette war der Bart des Dcsifqtm •—
Timolyftts büssete seinen ein.
89 Rausch-Baume und kehrte nicht eher auS der wannen Natur zurük, als bis Schüssel und Stühle schon an den Tisch gestellet waren. — Unter dem Essen fiel etwas vor, das ein Biograph nicht entbehren kau: seiye Mutter must' ihm nämlich die Landkarte seiner kind» lichen Welt unter dem Kauen mappieren und ihm alle Züge erzählen, woraus von ihm aus seine jetzige Jahre etwas zu schließen war. Diesen perspektivischen Aufris seiner kindli chen Vergangenheit, trug er dann auf Heine Blatter auf, die alle unsere Aufmerksamkeit verdienen. Denn lauter solche Blätter, welche Szenen, Akte, Schauspiele seiner Kinderjahre enthielten, schlichtete er chrono logisch in besondere Schubläden einer KinderKommode und theilte seine Lebensbeschrei bung, wie Moser seine publizistischen Materialien, in besondere Zettelkästen ein. Er halte Kasten für Erinneruugszcttel aus dem zwölften, dreizelmten, vierzehn ten 2t. aus dem ein und zwanzigsten Jahre und so fort. Wolt' er sich nach einem padaF 5 go-
90 gogischen
Baufrohn-Tag
Rasiabend
einen
krachen: so ris er blos ein Zettelfach, einen Rrgisterzug seiner Lebensorgel heraus und be« sann sich auf alles.
:
Ich muß die rezensierenden Stummen,
tie mir den kurzen Prozeß des Strangulie
rens an den Hals werfen wollen, ganz be sonders bitten, doch nur vorher, ehe sie cs
darum thun, weil ich meine Kapitel Zettel
kasten nenne, nachznsehen, wer daran Schuld ist und nachzudenken, ob ich anders konnte,
da der Quintus selber seine Biographie itt solche
Kasten abtheilt:
sie
sind
ja sonst
billig.
Nur über seinen altern Bruder that er
an seine Mutter keine krankende Frage: denn
diesen hatte das Schiksal auf eine eigne Art, mit allen seinen genialischen Anlagen am Eis
berg des Todes zertrümmert.
Er sprang
nämlich auf eine Eisscholle, die zwischen an dern Schollen flotte — diese wichen aber zurük und seine schos mit ihm fort, schmolz schwimmend unter ihm ein und lies also das
Feuer,
-k Feuerherz zwischen Ei- unb Wogen imttrftm
Es that der Mutter wehe,
ft«.
daß er
nicht gefunden, daß sie nicht erschüttert wur
de mit dem Anstarren der geschwollenen Lei che — o gute Mutter,
danke lieber Gott
dafür! —
Nach dem Esten ging er,
um sich mit
neuen Kräften für den Schreibtisch zu rüsten,
blos müssig im Hanse herum und durchzog
wie eine Feuerschauer der Polizei alle Ecken seiner Hütte, um aus ihnen irgend eine Kohl«
der
ausgeglommenen
Kindheit aufzulesen.
Freudenfeuer
ftjner
Er stieg unter das
Dach zu den leeren Vogelhäusern seines Va ters,
der im Winter ein Vogler war und
musterte flüchtig die Rumpelkammer seiner alten Spielwaaren,
die im großen Gcbahr-
hans einer Kanarienbccke lag.
I» Kinder
seelen drücken sich regelmässige kleine Eeflalten,
besonders Kugel und Würfel am
tiefsten ein und ab.
Daraus erkläre sich der
Leser Fixleins Wohlgefallen am rothen Eich-
hörn«
9» hbrngen-Stokhaus, an dem aas Kartdffeln» samenkapsiln und weissen Spahneiv zusani, inengesiekten Vparwerk, an dem heiter»» Glashaus einer würfelförmigen Laterne, Aber ganz Zanders erklär' ich mir felgendes: er wagte sich ohne Baubegnadiguug an die Baule eines Lchmhauses, nicht für Bauern, fönten» für Fliegen; daher man es gut in die Tasche fiecken konnte. Dieses Müclenhospi* tal harre seine Glasscheiben und einen rothen Anstrich und besonders viele Alkoven und drei Erker: den« Erker liebte er als ein HauS am Haufe von jeher so sehr, daß es ihm in Jerusalem schlecht gefallen hätte, wo (nach Lightfoot) keine gebaut werde« durften. An den blizeuden Augen, womit der Baudirektor seine Miethsleute an den Fenstern herumkrie, chen oder aus dem Auckettroge naschen sah —denn sie frassen wie der Graf Sr. Germain nichts wie Zucker — aus dieser Freude hatte ein Erziehungsrath leicht seinen.Hang zur häuslichen Einengung prophezeien können r für seine Phantasie waren damals noch Gart« ner
93 verhütten zu wüste Archen und Hallen, und nur ein solches Mücken-Lcuvre war gerade
«in Nettes Bürgerbaus. — Er befühlte sei nen alten hoben Kindcrstuhl, der der sedei
explortttötia. des Pabstcö glich,
er rückt«
seine: Kinderkulsche.^.aber er begriff n.rf)t>
welche.Salbung und Heiligkeit sie so sehr von andermKinderkutschen unccischeide. Er wun derte sich, daß ibm Kinderspiele an Kinder« .nichts» gefielen als die.Schilderungen dersel-
beu,
wenn das Kind,
das sie getrieben)
schon, aufgeschossen vor ihm stand.
Bor einer einzigen Sache im Hause stand
er sehnsüchtig und wehmüthig, vor einem win zige« Kleiderschrank, der nicht höher war als mein Tisch und der seinem armen crtrnnkelie«
Bruder angehörer Hane.
Da dieser mir tri«
Schlüssel dazu von den'Fluten verschlungen
worden;
Gelübde,
so that die zcrkuirschte Murrer das seinen Spielschrank nie gemaler-
Lhatig aufzubrechen.
wur
Wahrscheinlich sind
die Spielwaaren des
Anne» darr«.
94 Lasset unS
wegsehen
von
dieser blutige«
Urne.----------Da Daco die Erinnerungen aus der Kind
heit unter die gesunden,
vffizinelleu Dinge
rechnet: so waren sie ganz natürlich ein Di-
gestivpnlver für den Quintus.
Nun konnt'
er sich wieder an den Arbeitstisch begeben und etwas ganz besonders machen —
ken um Pfarrdienste.
Suppli
Er nahm den Adres-
kalender vor und machte für jedes Pfarrdorf,
das er darin fand, eine Bittschrift vorrarhig, die er so lauge bei Sette legte, bis sein An Bloö um Hiilelnm hielt
tezessor verstarb. er nicht an.
Es ist eine schöne Observanz in
Flachsenfingen,
daß man sich um alle Aem
ter melden muß,
die offen stehen.
So wie
der höhere Nuzen des Gebers nicht in seiner
sondern darin, daß matt
Erfüllung besteht,
sich im Beten übt: aufgesetzet werden,
so sollen Bittschre.ibcn
nicht damit man Aem
ter erhalte — das muß durch Geld gesche
hen —
sondern damit man eine Supplik
schreiben lerne.
Freilich wird, wen» schon bei
95 Lei btri Kalmüken das Drehen einer Kap, fei,;i) die Stelle des Gebetes vertritt, ein«
Heringe Bewegung des Beutels, so viel sein,
alö/suppliziere man wörtlich. Gegen Abend — Sonnrags gar — schweifte er im Dorfe herum, wallsahrkece zn
ftiuen Spielplätzen und aufdenEemeindeanHer,
auf den er sonst seine Schnecken zur
Weide getrieben — sucht« den Bauer auf,
-er ihn von der Schule her zum Erstaunen der andern duzen durste — ging als akade mischer Lehrer zum Schulmeister/ dann zürn
Senior
—
r>der Kirche.
dann in die Episkopalscheune
Das' leztere
versteht
kein
Mensch; es brannten nämlich vor drei und vierzig Jahren die Kirche, (der Thurm nicht) das Pfarrhaus und —- was nicht wieder hcr*) Ihr Gcbcträdlcin, Kürüdu, ist eine fiolVr Kapsei voll aufgcrvllrcr Vctformeln, die geschwenkt wird litte dann wirkt. Plnlcs7p!?ischer genomwen, ists, da -eim Gelet nur die Gesinnung 'm Anschlag kommt, einerlei, ob sie sich durch Deweguno des Munde- oder der Kapsel äusser.
96
He» zu stellen war — die Kirchenbücher ab. Naher wüsten in Hukelutt» die wenigsten Leute, wie all sie waren und des Quintus Grdachtniöfiber»» selbe»' schwankten zwischen dem zwei und drei «nd dreißigsten Jahre.
Folglich muste da geprediger werden,
wo
sonst gedroschen wird und der Same des gbtt» lichcn Worts tviirbe mit dem physischen auf Einer Tenne geworfelt r der Kantor und die
Schuljugend bci'ezte» die Tenne, die weib lichen Mutterkirchleme stände»» in der einen
Panse, die Schadeker Filial-Weiber in der andern und ihre Manner hokten pyramiden
weise, wie Groschens u»»d Hellergallekien an
den Scheun-Leikern hinauf,
und erben vom
Strohboden horchte»» vermischte Seelen her unter.
Eine kleine Flöte war das Orgel
werk und eine nmgestürzte Bicrkufe der Altar,
um den mal» gehe»» muste.
Ich gestehe, ich
selber würde da nicht ohne Laune gepredigt haben.
Der Senior (damals war er noch
Junior) wohnte
und dozierte
Pfarrba»» im Schlosse;
daher
unter dem Firlein da selbst
97
mit
selbst
dem
Fraulein
die
Anomal«
trieb. Waren diese Entdeckungsreisen zurükge« legt;
so fönte unser Hukelumsfahrer noch
nach dem Abendgebet mit Thiennetten Blatt läuse von den Rosen, Regenwürmer von den
Beeten nehmen und einen Freudenhimmel von jeder Minute
—
jeder Abendthautropfen
war mit Freuden- und Nelkenöl gefärbt —
jeder Ster» war ein Sonnenblik der G!ükssonne — und int zugeschnürten Herzen des
MadgenS lag nahe an ihm hinter einer klei
nen Scheidewand (wie nahe am Heiligen hin ter dem dünnen Leben) ein ausgedehntes VlülenparadieS. ... Ich meine, sie liebte ihn
ein wenig.
Er soll' es wissen.
Aber seine beklom
mene Wonne verdünte er, wenn er zu Bette
ging, durch kindische Erinnerungen auf der
Treppe.
Als Kind betete er nämlich wie
einen Rosenkranz unter dem Bett-Zudek als
Abendgebet vierzehn biblische Sprüche, den
ersten VerS, „Nun danket alle Gott," das G
zehn-
98 zehnte Gebot und noch einen langen Segen.
Um nun eher fertig zu werden, fing er seine
Gebere nicht bloß unten auf der Treppe, son dern schon an dem Orte an, wo Alexander
den Menschen und Semler dumme Skriben ten studierte.
—
Pflaumwogen rin;
Lief er am Hafen des so war er mir seiner
Abendandachl fertig und er fönte nun ohne
eine weitere Anstrengung mit zugedrükten Au gen gerade in die Federn und in den Schlum mer plumpen. —■ — So stekt im kleinsten homunculur schon der Bauriö zur — ka
tholischen Kirche.
So weit die Hundstage des Oumtus Aebedöus EgidiuS Fixlein. —
Ich schliesse
schon zum zweitenmal dir Kapitel dieser Le
bensbeschreibung wie ein Leben,
mit einem
Schlaf.
Drit»
99 Dritter Zettelkasten.
Weihnachts - Chiliasmus — neuer Justill. Uns alle zieht eine Garnitur von faden fla chen Tagen wie von Glasperlen inS Grab, die nur zuweilen eine orientalische wie ein Knoten abtheilt. Aber man stirbt murrend, wenn man nicht wie der QuintuS sein Leben für eine Trommel ansieht: diese hat nur ei nen einzigen Ton, aber die Verschieden« heil des Zeitmaßes gibt diesem Tone Be« lustigung genug. Der Ouintus dozierte in quarta, vikarierte in secunda, schrieb am Pulte in der gewöhnlichen Monotonie deS Lebens fort — von den Ferien an — bis zu dem h. Weihnachtsabend 1791, und nichts war denkwürdig als blos dieser Abend, den ich nun malen wil. Aber ich werde diesen Abend allezeit noch malen können, wenn ich vorher mit Wenigem berichtet habe, .wie er sich gleich Zugvögelch über den düstern nebelnden Herbst wegG 2 schwang.
10 o schwang.
Er machte sich nämlich über das
Hamburg, politisch« Journal, womit der Ve-
diente Knöpfe konvertieren wollen.
Er ton
te ruhig und mit dem Rücken am Ofen,
die
Winterkampagnen des vorigen Fahrs mit ma» chen .— und jeder Schlacht, wie die Aas
geier der pharsalischen,
nachfliegen — er
tonte auf dem Drukpapicr froh und wundernd
nm die deutschen Triumphbögen und Gerüste
zu Fi endctrfeuerwerken herumgehen,
indes
die Leute in der Stadt, die nur die nencstey
Zeitungen hielten,
kaum die Trümmer der
von den Frankreichern boshaft niedergeriffe-
nen Trophäe» behielten — ja er konte schon mit alten Plauen die Feinde zurüktreiben,
indes neuere Leser sich vergeblich mit neuen wehrten.----------Aber nicht blos die Leichtigkeit, die Gal
lier zu übermeistern, Journal,
bestach ihn für das
sondern auch der Umstand,
lezteres — gratis war.
daß
Er war auffallend
auf ftankierte Lektüre ersessen.
Ist eS nicht
daraus zu erklären, daß er sich, wie Morhof rath.
IOI
räth, die einzelne Hefte von Makulaturbi gen wie sie der Kramladen ausgab, fleissig sammelte und in solchen wie Virgil im Ennius scharte ? Ja für ihn war der Krämer ein Fortins, (der Gelehrte), oder ein Friedrich, (der König), weil beide leztcre sich aus kompleren Büchern nur die Blatter schnitten, an denen etwas war. Eben diese Achtung für alle Makulatur nahm ihn für die Vorschürzen gallischer Köche ein, welche bekantlich aus volgedruktem Papier bestehen; und er wünschte oft, ein Deutscher- übersezte die Schürzen: ich berede mich gern, daß eine gute Version von mehr als einem solchen papiernen Bürzel mid Schurz unsere Litteratur (diese Muse « helles Jesses) emporbringe» und ihr flat eines Geiferknches dienen könn te. — Der Mensch legt auf viele Sache» ein pretium aJJ'ectionis, blos weil er sie halb gestohlen zu haben hoft: aus diesem mit dem vorigen zusammenbangenden Grunde sieng der-Qninrus alles gläubig auf, was et entweder in einem collegio publica oder G z -ls
als hospes wegschnapte,
nur Meinungen,
für die er den Professor bezahlen
muste,
Prüft' er streng. — Ich komme wieder auf
den verschobenen Weihnachtsabend zur ük.
Eben da war Egidiuö froh, daß draus sen Müller und Vaeker einander schlugen — wie man das wehende Schneien in grosse«
Flocke» nennt — und daß die Eisblume«
der Fenster aufblühten — dcnn er
harre
üussern Frost bei Slubeuhitze gern r — er tonte nun Pechholz in dcu Ofen und Möhren
kaffee in den Magen nachlegen und den rech te« Fus, (stak in den Pantoffel) in die war
me Hüfre des Pudels schieben und doch noch
auf den, linken den Sraarmaz schaukeln, der die Nase des alte» Schilles abraupte, üi£e$ ft mit der rechten Hand — mit der linke«
hielt er die Pfeife — so ungesiohrt, ringe?
tnurat, umnebelt und ohne ein frostiges Lüft gen das Wichtigste anfieng, was ein Quin
tus mache« kan — den Lekzionskatalog des ßachsenft'igifchen Gymnasiums, nayilich das
Uchtes davon. Ich halte den e r st e n D r u k
103
in ber Geschichte eines Gelehrten für wichtiger als die ersten Drucke in der Geschich te ber Duchbrucker: giriern fönt’ eö gar nicht satt kriegen, bas zu spezifizieren, was: er künftiges Jahr g. G. traktieren wollte und reihete deshalb mehr Druks , als Nutzen we-> gen, noch drei bis vier pädagogische Finger zeige dem Operationsplaue sämtlicher Schul herren an.
Er trug nur noch einige Gedankenstriche als Faden der Rede nach und sah dann das Opus nicht mehr au, weil er es vergessenwylte, damit er nach dem Abdrucke über seine eignen Gedanken erstaunte. Nun kvut' er« den Meskatalog, den er jährlich statt her Bücher desselben kaufte, ohne Seufzer auf schlagen: er war auch gedrukt wie ich. Der freudige Narr hatte unter dem Schreiben den Kopf gcschauckelt,. die Hände gerieben, mit dem Steisse gehüpfet, das Gesicht gebohnt und an dem Zopfe gesoG 4 gen.
io4" gen. — — Jezt kont' er Abends um fünf
Uhr aufspringen, um sich zu erhöhten, und durch den magischen Dampf der Pfeife in sei-'
vem Bauer wie ein frischgcfangener Vogel, auf- und nieder fahren.
In den warmem
Rauch leuchtete die lange Milchstrasse btr
Strassenlaternen, und an seinem Bettvorhang
hinauf lag rölhend der bewegliche Wieder«, schein der brennenden Fenster und illnminirten Bäume in der Nachbarschaft. Nun nahm
er den Schnee der Zeit von dem Wintergrün der "Erinnerung hinweg und sah die schönen
Jahre seiner Kindheit aufgedekt, frisch, grün und duftend vor sich darunter stehen.
O es
ist schön, daß der Rauch, der über unserem
verpuffendem Leben anfstcigt,
sich wie bei
dem vergehenden Spiesglas in neuen, vbwvl poetischen Freuden-Blumen anlegt! — Er
schauete aus seiner Ferne von zwanzig Jahren
in die stille Stube seiner Eltern hinein, wo sein Vater und sein Bruder noch nicht auf
dem Welkbvden und Darrofen des Todes ein» schwanden.
Er sagte: „ich will den heili
gen
i°5 gen Weihnachts - Abmd glclch von früh an durch nehmen."
Schon beim Aufstebcn traf
et auf dem Tische heilige Flitter von der Gold - und Silberfolie an, mit der das Christnskind seine Aepfel und Nüsse deS NachkS blasonnieret und beschlagen hatte. — Auf
der Münzprobazionswage der Freude, ziehet
dieser metallische Schaum mehr als die goldtten Kalber, die golduen Pvthagoras-Hüsten und die güldnen Philistcr-Acrsc der Kapitali
sten. — Dann brachte ihm seine Mutter zu gleich das Christenthum und die Kleider bei:
indem sie ihm die Hosen anzog, rekapitulierte
sie leicht die Gebote , und unter dem Binden der Strümpfe die Hanptstücke.
Wenn man
kein Talglicht mehr brauchte: so maS er, auf
dem Arm des Groövatersinhles sichend, den nächtlichen Schus des gelben klebrigen Lau
bes der Weihnachtöbirke ab und wandte viel weniger Aufmerksamkeit als sonst auf den kleinen weissen Winterflvr, den die Hanfkbr-
ner, die die oben Hangende Voliere verzettelte, auö den nassen Fensterfngen auftrieben. —>
Gz
Ich
xo6 Ich verdenke dem I. I. Rousseau seine flora *) gar nicht; aber er nehme auch dem Quintus seine Fenster-Flora nicht ubcL — Da den ganzen Tag keine Schule war: so war Zeil genug übrig, den Mezgex (seinen Bruder) zu bestellen und daö Haus schlachten (wenn war besseres Frosiwetter da zu ?) vorzunehmen. Der Bruder hatte eini ge Tage vorher mit Lebens - und Prügelge fahr das Maststük in dem Luftloch eineS Schloöfensters gefangen, indem er auf deif Fensterbrüstung stehend, die hinausgebogene Hand auf das Nachtlager des darin hockenden Mastochsen — so nennten sie den Spazen—> beste. Es fehlte der Schlachterei weder an einem hölzernen Beile, noch an Würsten, Pöckelfleisch u. d. gl, — Um drei Uhr sezttz sich der alte Gartner, de» die Leute den Knnstgarwer nennen «nisten, mit einer köl nischen Pfeife in seinen grossen Stuhl und dann
petrinsularis
•) Die er von seiner Petersinsel im Vielersce liefern weite.
io? dann durfte kein Mensch mehr arbeiten.
Er
erzählte blos Lügen vom aronautischcn Chr!«
stuskind und vom rauschenden Ruprecht mit
Schellen.
In der Dämmerung nahm der
kleine Quintus einen Apfel. zerfallte ihn in alle Figuren der Stereometrie und breitete sie in zwei Abtheilungen auf dem Tische auf) wurde nachher das Licht eingetragen: so stetig
er an zu erstaunen über dev Fund und sagte zum Bruder:
„steh nur wie das fromme
Christkindlein mir und Dir besebeeret har und ich habe einen Flügel von ihm schimmern se
hen. ”
Und auf dieses Schimmern lauerte er
selber den ganzen Abend auf. — Schon um acht Uhr — er steifet sich
hier meistens auf die Krouik seiner Zettel-
Kommode — wurden iciöe mir wundgeriebenem Halse und in frischer Wasche und der
algemeinen Besorgnis, daß der heil. Christ
sie noch ausser den Betten erblicke, in diese geschaft.
Welche lange Jauberuacht!
—
Welches Getümmel der träumenden Hofnungen! —
Die gestaltcnvolle,
schimmernde
Dau-
log Vanmanshöle der Phantasie zieht sich in der Lange der Nacht und in der Ermattung deS
träumerischen Abarbeitens immer dunkler und voller und grotesker bin — aber das Erwa chen gibt dem dürstenden Herzen feine Hof«
umiaen wieder. — Alle Töne des Zufals,
der
Thiere,
furchtsam
des Nachtwächters
sind
der
andächtigen Phantasie Klänge auS
dem Himmel, Singstimmen der Engel in den
Lüfte», Kirchenmusik des morgendliche»Got tesdienstes. —
Ach das blosse Schlaraffenland von Es» und Spielwaarcn war es nicht, was damals mit seiner Perspektive wie ein Frcndeiistrom gegen die Kammern unsers Herzens stürmte
und was ja noch jezt im Mondlicht der Er innerung mit seinen dämmernden Landschaf
ten unsere Herzen süs auflösct. — Ach das
war cs, das ists, daß cs damals für unsere
grenzenlosen Wünsche noch grenzenlose Hofmmgen gab; aber jezt hat u»S di« Wirklich keit nichts gelassen, als die Wünsche!
End-
109
Endlich liefen schnelle Lichter der Nach barschaft über die Wand und das WeihnachtS,
Trommeten und Hahnengeschrei vom Thurm ris beide Kinder aus den Velten.
Mit den
Kleidern in den Handen — ohne Bangig
keit vor dem Dunkel — ohne Gefühl deS Morgcnfrostes, — rauschend — trunken —
schreiend stürzen sie von der Treppe in die
dunkle Stube. — Die Phantasie wühlet im Vak - und Obstgeruche der verfinsterten Schaze und malet ihre Luftschlösser beim Glimmen der Hesperidenftüchte am Baume. — Unter
dcni Feuerschlagen der Mutter decken d e fallen»
den Funken das Lustlager auf dem Tisch und den bunten Lusihain an der Wand spielend auf und zu und ein einziger Glut-Atom tragt den Hangenden Garten von Eden. —-----------
Plözlich würd' es licht und der Quintus bekam das —» Konrektorat und eine Stuz-
uhr, . , ,
Vier-
IIO
Vierter Zettelkasten. Aemter-Verschleiß — Entdeckung des verspro chenen Geheimnisse- — HanS von Füchs lein. — Zudem nämlich der gewesene Quintus in sei ner dampfenden Stube, dem Resonanzboden
seiner Kinderjahre auf und ablief:
kam der
Rathsdiener mit einer Laterne und mit der
Vokazion, hinter ihm der Jager der Fr. von
Aufhammer mit einem Briefgen und mit einer Stuzuhr.
Die Rittmeisierinn hatte den Eh-
rensold für seine Kanikularvermahnung am Krankenbette in ein Weihnachtsgeschenk ver wandelt, daö bestand i) aus einer Stuzuhr,
an der ein hölzerner Affe mit dem Glocken
schlage vortrat und es nachrromMeltc,
wie
viel Uhr es sei — 2) aus dem Kvurektvrat das sie ihm ausgewirkt. Da man auswärts über diese Vokazion
des Flachsenfingcr innern Raths gar nicht so geurtheilt hat, wie man hatte sollen; so halt'
ichs für meine Pflicht, für den gesamten Rath
III Rath lieber hier eint Defension zn führen, als im Rcichsanzcigcr.
Ich habe schon oben
im zweiten Zettelkasten erwähnt,
dafl der
StadtsvndikuS mit Hamburger Lichtern und der regierende Bürgermeister mit Kaffeeboh
nen handelte, sowol mit halben als mit gemaluen.
Der Kompaanie-Stichhande! aber,
den sie gemeinschaftlich betrieben, war mit
den acht Schulämtern; die andern Raths glieder fassen nur als Ballenbinder, Laden
diener und Kontoristen in de? Rathsfchrcib,
stube.
Das ganze Ratbhaus ist überhaupt
ein ostindisches Haus, wo nicht blos Dekrete
oder Vokazionen, sondern auch Schuhe und Tücher feilgehalten werden.
Eigentlich füh
ret der Rath seine Aemterhandels - Freiheit
aus dem Grnndsaze des römische» RcchreS
her: cuijus est donandi , eidemetvendendi jus est, d. h. wer das Recht hat
eine Sache zu verschenken, der darf sie auch käuflich erlassen, wenn er mag. ' Da nun
den Rathögliedern offenbar das Recht zu steht, Aemter gratis zu ertheilen;
so muß sich
nr sich wol das, sie zu verkaufen,
von selber
verstehen:
Nur ein Extrawort über die T'oka~ zionen - Agioteurs überhaupt. Ich sorge im Ganzen, die AkademienProdukten r Verschleiss Kommission^) des
den Aemterhandel schlaf.
Staats betreibe
Wer aber anders als das gemeine Wesen
mus am Ende leiden, wenn wichtige Posten nicht nach dem Kaufschilling, der für sie er
leget wird, sonder» nach Koniierioncn, Ver wandschaften ,
parteiischen
Empfehlungen
und Büklingen weggegeben werden?
Isis
nicht ein Widerspruch, Titularamter theuerer
abzusiehen als wirkliche? Solle man nicht eher hoffen, daß der wirkliche Hofrath ums
u!terum tantum
im Verhältnis des Tilu-
larhofrathö versteigert werde? — Das Geld ist nun bei de» europäischen Nazioncn das.
-Aeguivalcnt und der Repräsentant des Wer
thes *) Entlehnt
von -er k. k. Bergwerks-Produkten
Verschleis-Komrnission in Wien: sogar in Namen
zeigt der Wiener Geschmak.
H3
thes aller Dingt und folglich des Verstandes, um so mehr da ein Kopf darauf steht; die Kaufsumme des Amtes anfzählen, ist also nichts als ein examen rigorosum anshal« teil, daS nach einem guten Schema examinandi gehalten wird. Es umkehren und seine Geschiklichkeit stat deren Surrogate und Assignate und Münzen de confianee zeigen wollen, heisset nichts als den narrischen Phi« lvsopheu in Gullivers Reisen gleich werden, die stat der Namen der Dinge, die Dinge selber in Sacken getragen brachten zum gesell« schafllichen Verkehr; und daS heisset doch klar in die Zeiten des Tauschhandels znrük« fallen wollen, wo die Römer, anstat des abgebildcten Ochsen auf ihren Ledermünzen, das Rindvieh selber vorführten. Ich bin von allen solchen unrichtigen Maasrcgcln so weit entfernt, daß ich oft, wen» ich las, daß der König in Frankreich neue Aemter ersinne, um mit ihnen unter der Bude seines Baldachins feil zu stehen, auf etwas ähnliches dachte. Ich will es ru« H H'S
3 r4 hig wenigstens Vorschlägen und mich nicht darüber abhärmen,
ob es die Staaten an
nehmen oder nicht.
Da der Landesherr und
nicht vergönnt, die Aemter blos zum Ver kaufe zu vervielfältigen,
weil. er vielmehr
Tag und Nacht (wie Regisseurs der wan-. dernden Truppen) Einem Staats-Akteur meh rere Rollen zndeukt, um zu den drei theatra
lischen Einheiten die vierte, der Spieler zu setzen; da also das obige nicht geht, könte»
wir nicht wenigstens einige Tugenden,
die
mit den Aemtern harmonieren, als Titel zu
gleich mit diesen verkaufen? — Könte man
nicht z. B. mit dem Amte eines Referendairs
zugleich Titular-Unbestechlichkeit verkäuflich losschlagen, so aber, daß diese Tugend, als
nicht zum Amte gehörig,
besonders vom
Kandidaten bezahlet würoe? ■— Ein solcher Kauftitel und Bricfadel könte keinen Refe-
rendariuS verunzieren.
Man bedenkt nicht,
daß ähnliche schöne Titel sonst alle Posten schmükten: der scholastische Professor schrieb
sich damals (noch auser seinem Amtstitel)
»der
HS „her seraphische —- der unwiderlegliche —
der scharfsinnige."
Der König schrieb
—
sich: „der grcffe — der kahle — der küh
ne — der einfältige" — und so auch der Rabbiner.
Würd' es den Mannern in den
höher« Justizstellen unangenehm sein, wenn ihnen
di« Titel der Unparteilichkeit,
der
Schnelligkeit rc. so gut käuflich erlassen wür
den , als die Posten selber?
So fönte mit
einer Kammerrathsstelle, die Tugend der Un-
terthanenliebe schön als Titel verknüpfet wer
den ; und ich glaube, wenige Advokaten wür den sich bedenken, sich den Titel der Recht« schasscnheit — so gut wie den gewöhnlichen der Regierungsadvokatie war' er anders zu haben.
—
anzuschaffen,
Wolt' indes ein
Kandidat seinen Posten ohne die Tugenden
haben: so stand' cs bei ihm und der Staat dürft' ihn zu dieser Dezier-Moralitat nicht
zwingen. Es kan sein, daß, wie nach Tristram Shandy Kleider, nach Walther Shandy und
Zavater nomind propria auf den Menschen
H »
zu«
116 zurükwirken,
thun,
da
appellativa es noch mehr
ohnehin
an
11116. wie
an den
Schaalthieren, sich der Schaum so oft
zur
Schaale versteinert; aber diese
Moralität ists nicht, worauf ein Staat se« Heu Ban:
wie bei den schönen Künsten ist
Nicht sie, sondern Darstellung sein wah rer Zwek.
Es wurde mir oben ordentlich sauer für die
verschiedenen
Aemter mir verschiebens
Vcrbaltugenden zu erdenke»;
aber ich solle
glanbcn, es wären noch viele dergleichen Ab
theilungen der Tugend (jezt fallt mir selber noch der Freiheitsgeist,
die Aufrichtigkeit
Und der gerade Sinn ein) auszukundschaflen,
wolle nur ein moralischer Staalsminister eine ordentliche TugenbdivisionS - Kammer oder
ein moralisches Adres-Departement mit eini
gen Kanzellisten ansiellen, die gegen gerin gen Gehalt die verschiedenen Tugenden für
die verschiedenen Aemter ersännen.
Ich
würde an ihrem Platze ein gutes Prisma vor
den weissen Strahl der Tugend halten, daS ihn
II? ihn gehörig zersezte.
Zu zvünschen n'Jr’ es,
es beträfe Verbrechen — deren Subsubdi-
»ificii nämlich: — so könlen Gerichtohaltcr dazu genommen neiden.
Denn in den
.Gerichtsstcllen, wo nur niedere Gerichtsbar keit und keine Strafe über 5 ff. fränkischer Währung stari findet, haben sie ein tägliches
Ererzizinm, wie sie aus jedem Unfug meh
rere kleinere machen wollen, wovon sie jeden niemals über 5 fl. bestrafen.
Es ist dieses
ein gutes moralisches Rolfinken, das die
Juristen glüklich dem Sündcn-Prpsektor, dem heil. Augustin und seiner Sorbonne absaben, die beide in Adams Sündenapfel mehr Sün den einschnittcri, als jener in einen Kirschkern Gesichter.
Wie verschieden ist der Gerichts
halter vom päbülichen Kasuisten, ter die beste
Adsünke durch Seikenschmtce in eine lässliche zu verdünnen weis! — Schulämter (um auf diese zu kommen)
sind zwar ei» kleiner Handelsartikel; sie sind
aber doch alleina! Monarchien — Schul monarchien nämlich, — die der pohlmschen
H 3
Kro-
US Krone gleichen, die nach Pope's Verse zwei» mal in Einem Jahrhundert feil steht, welches arithmetisch falsch ist, weil Newton die
Regiments-Jahre im Durchschnitt auf zwei und zwanzig Jahre ansetzt.
Ob übrigens der
innere Rath die Stadtjngend einem Hamel-
scheu Ratten- und Kinderfangcr oder einem
Weissenschen Kinderfrennde zuführe -— daS kan für den Rath keinen Unterschied machen, da der Schulmann kein Gaul ist, für dessen
unsichtbare Mangel der Nostäuscher zu haften hat.
Es ist genug,
wenn Stadrsyndikus
et Compagnie sich nicht vorwerfen können,
daß sie ein Genie ausgeklaubet haben; denn ein Genie würde, da es nur zur Zierde und
Belustigung deö Staats zu verbrauchen ist, allerdings den schlechter»,
kältern Kopf ver
drängen , der eigentlich der wahre Nutzen und
Kure des Staates ist, und Iahlperlen
so wie gute Lvth«
blos zum Putze,
schlechte
Samenperlen aber zum Medizinieren dienen.
Wenn überhaupt ein Schullehrer vermögend ist, seinen Scholaren auszuwircu: so kan er im
119 im Ganzen genug; und ich tadle es, daß
die Qbereraminazionskommiffion keinen Schul«
«rann vor ihren Augen einige oder mehrere iungc Leute aus seiner Klasse zur Probe prä, xjehi lasset, um zu sehen, was an ihm ist.
Ende des Ea. frawortes über Fokaziolicn-Agioteurs überhaupt. Nun wieder zur Geschichte! Die Raths-
Bewindheber
erkanten meinem Helden daS
Kourrklorat nicht blos des grösser« Lichter
und Bohnen - Absatzes wegen zu,
sondern
wegen einer ganz tollen Vermuthung:
glaubten nämlich,
der
Quintus
sie
verfahre
bald Todes.
— Und hier steh' ich vor einem wichti gen Platze dieser Geschichte, in den ich biS jezt niemand sehen lassen;
jezt aber kömmtS
nicht mehr auf meinen Willen an,
die bis
cherige spanische Wand wegzuschieben
oder
nicht, sondern ich muö sogar Reverberierla-
ternen darüber aufhaugen.
Es ist nämlich
in der medizinischen Geschichte etwas ganz
H 4
Be-
BekanteS, daß man in gewissen Familien gerade in Einem Aller stirbt, wie man darin jflud) in Einem Alter (nämlich von nenn Mo» naren) geboren wird; ja aus Voltaire ent» sinn' ich mich einer Familie, worin die Ver wandten sich , immer in demselben Alter ent leibten. In der Firleinischen Verwandschaft war nun die Gewohnheit, daß die männli chen Aszendenten immer im zwei und dreißig sten Jahre, am Kantatesontag sich hinlegte» vnb starben; es mus sichü jeder ia sein Erentplar vom dreißigjährigen Kriege, weils Schiller gänzlich weggelaffcn, nachtra.gen, daß darin ein giriern an der Pest, ei ner am Hunger und einer an einer Flintknklbgel starb, alle im zwei und dreißigsten Jahre. Wahre Philosophie erklärt sich das Faktum so: „Die ersten Paar male traf sichs nur jit* fälliger Weise so; — und die rührigen male verstärken die Leute an der bloße» Angst: widrigeufalö müste man das ganze Faktum lieber in Zweifel ziehen. “
121
Was machte aber Firlein aus der Sache? — Wenig oder Nichts:
das einzige
was er that, war, daß er sich wenig oder nicht beflis, sich inLhiennette zu verlieben, .damit kein anderer ftinetwegen in Angst ge-
rieche.
Er selber aber schor sich aus fünf
Gründe« so wenig darum, daß er älter als der Senior Asiman zu werden verhörte: erst
lich, weil drei Zigaunerinnen in verschiede
nen Drts - und Zeiträumen und dH ne etwas von einander zu wissen, darin zusammeugeiroffcn hatten,
daß sie ihn dieselbe Haupt
allee langer Jahre in. ihren Zaubcrspiegeln ^erblicken liesse» — zweitens, weil er kern
gesund war — drittens, weil sein eigner Bruder eine Ausnahme gemacht hatte und
vor den Dreissigern ersoffen war — viertens darum:
als kleiner Knabe würd' er gerade
:an dem Kautatksontage, wo man seinen Va
ter aufs Leichenbret
band,. vor Kummer
krank und nur durch fein Spielzeug geheilt; mit diesem Kantate-Ciechthum aber glaubte
er den mörderischen OeniuS seiueö Stamms
H 5
recht
ILSE recht gut abgefunden zu haben. fönt’ fr,
FäiiftenS
weil die Kirchenbücher und mithin
die Gewisheit :feineö
brennt waren,
Alkers zusammenge-
niemals in eine bestimmte
tbdtliche Angst gerathen: „ ich stancheimlich, sagt' er, schon über das Schelmjahr wegge-
wischct sein, ohne daß eS ein Henke» gemerkt
hat." — Ich verhehl' es nicht, schon trtt vorigen Jahre dacht' er, er sei ein Zwei und
Dreissiger:
„solt'- ichs dennoch (fugte er)
erst im künftigen (>.792) g. K.-werden: fi>
kans so gut ablaufen wie im voriges and der
Herr kan mich ja überall finden.
Und war'
eS denn Unrecht, wenn die hübschen Jahr», die
dem Leben
chcn wurden,
den?" — —
meines Bruders nbgtbro*
meinem
zugeschlage»
wür
So sucht sich der Mensch
unter dem kalten Schnee der Gegenwart, zu
erwärmen oder sich aus ihm einen schönen
Schneemann zu knakcii. Hingegen die Rarhsherrlich« Oligarchie
fnffete aufs Widerfpiel und hob eben wie eine
Gottheit den Quintus Mzlich aus der Quinrti
123
rei ins Konrektorat, weil sie darauf schwur, er erledig' eö bald. Eigentlich hatte nach der Schul->/ndennete dieser heilige Sculch dem Subrektor Hans von Fuchs le iu gebührt; aber er möcht' ihn nicht, weil er Hukelnmer Pfarrer werden woltc, zumal da Asim ans Todesengeb nach sichern .Nach richten, die Thüre zu diesem Schassiall. im mer weiter aufschlosr „Treibts der Kerl noch höchstens ein Jahr, so ists viel," sag.tr Hans. Dieser Hans war fo grob, daß es fchade ist, daß er nicht ein kurhannvvcrischer Posibediente war, weil er dann durch das Mandat der hannöverischen Regierung, das alle Postämter zu feinen Sitten verwies, sich mit hatte umbessern können. Er war unse rem armen Quintus, den kein Mensch an focht und der wieder keinen Menschen haste allein aufsäzig, bloß weil Fivlei» sich nicht Füchslein schrieb und sich »richt mit ihm hatte adeln wollen lassen. Der Sub rektor muste auf seinem adelichcw Triumph« wa-
IL4
«'»fielt, de« die Vorspan von vier vorausgegebenen Ahnen zog, den Quintus, der mit
ihm verwandt war, hinten in den Lakaien-
ricincn des Wagens greifen sehen,
mit dem
und ihn
jämmerlichsten Aufzuge von der
-Welt zu dem Gefolge sagen hören;
„der da
fahrt, ist mein Better und ein Mensch und ich erinnere ihn immer daran."
Der milde
nachgiebige Quintus wurde die große Wespen - Gifiblase im Snbrektor gar nicht ge
wahr und nahm sie für den Honigmagen: ja durch ferne brüderliche Warme, die der Edel mann für Schein ansah,, kochte er dessen
giftigen Safte nur «och dicker.
Der Quim-
tuö sah aus Einfalt die Verachtung für Neid
über seine pädagogischen Talente an.
Einen Katharinenhof, — einen Annen? Hof, —
einen Elisabeth -
—
Slralen?
»md Perershof, alle, diese russische Lustschlös ser kau einer cntrathen (wenn nicht verach ten), der eine Stube hat, worin er am heil.
Weihnachtsabend mit einer Votazwn herumstreift.
Der neue Konrektor wünschte sich
nun
i-5 nun nichts als — Hellen Tag: Freuden (Sor gen nie) frassen ihm wie Spazen die Sch'um-
merkörner weg und heute trommelte ihn noch dazn der Rechnungsführer seiner stoben Aeit/ det Uhr-Asse, alle Stunden vor, dieer freu» dig verträumte, anstatt verschnarchte.
Am WeihnachtSmorgcn erblikt' er seinen Lekzionskaralog und machte nicht viel dar
aus:
er wüste kaum, narrischen
gestrigen
was er von seinem
Aufblähen
sagt' er zu sich,
seine
„die Qnintus-
O.uintur nun denken solle:
Stelle,
über
kvmt gegen ein
Konrektorat in gar keine Betrachtung
—
mich wundcrls, wie ich gestern damit stol
zieren fönte vor meiner
Veränderung —-
heute hätte ich doch eher Fug dazu."
Heute
speisete er , wie an allen Son - und Festta gen, beim Mezgermeister Steinberger, seinem vormaligen Vormund.
Firlein war
gegen ihn das, was gemeine Leute immer, was aber vornehme und philosophische und
gefühlvolle
selten
sind —
dankbar:
der Mensch dankt desto weniger für fremde
Ge-
*26 Geschenke, je geneigter er ist, eigne zu ma«
chen und der Freigebige ist selten ein Dank« barer.
Meister Steinberger hatte als Pro«
viantineister an den Drathkeficht der Dach stube, worin Firlein als Student in Leipzig
hieng, volgedrükte Fresnapfgen mit Kana» rienfutter von Geräuchertem, von Hauöbrot und Sauerkraut angestekr.
Geld aber war
ihm niemals abzubetrcln: es ist bekant, daß er oft die besten Kalbshaule zu Stieselleder
für den Quintus, zum Gerben gratis schikle; aber die Gerb-Kosten muste der Mündel tra
gen.
Als Firlein kam, würd' ihm wie alle
mal ein kleineres gemöbeltes Tischtuch anfS
grobe gedeckt, — der Grosvaterstuhl,
ein
silbernes Bestes und eine Weinsuppe gereicht;
lauter Aufwand, der sich, wie der Vormund sagte, nur für eine» Gelehrten schikte, aber für keinen Fleischer.
Firlein as erst, eh' er
entdekte, daß er Konrektor geworden. „Mün
del, wenn Er (sagte Steinberger) das ge worden ist:
so ists recht gut. — Siehst
Du, Eva, jezt kauf' ich keinen Schwanz
von
117
»vn deinen Kühen, — ich mus eS gerochen
haben."
Er sagte seiner Tochter damit,
daß er den für die Schweizern bestimmten
Kanfschilling für daö Kvnreklvrat verwenden müsse, er streite nämlich dem Mündel alle zeit die Aemrer-Lpescy vor, zu 44 Prozent.
Fünfzig Gulden hatt'; er dem QuintuS schon
zur Quintus - Werbung geliehen, die richtig verzinset werden mustrn; an dem Zinstage
aber bekam Firlein allemal noch Geld heraus, weil er die Tochter des Vormundes alle Sontage nach dem Essen im Rechnen, Schreibe» und in der Länderkunde vornehmen muste.
Steinberger federte mit Recht von seiner leib lichen achtzehnjährigen Tochter, daß sie alle
Städte wisen suite, worin er auf seiner Wan derschaft geschlachtet hatte;
und wenn sie
nicht aufpaste, oder krum schrieb oder falsch
subtrahierre:
so stand er als akademischer
Senat und Freischöppe hinter ihrem Sruhl und zakre, so zu sagen, mit dem Zainham-
mer seiner Faust daö im Rükgrat fortgcsezte Gehirn zur Kultur mit wenig Schlagen ans.
Der
128 Der sanfte Quintus hätte sie ohnehin nie ge-
Deswegen hatte sie ihm vielleicht
prügelt.
mit einigen Blicken iht Herz legiert und te stiert.
Der alte Fleischer hatte
—
weil seine Frau gestorben war —
eben
immek
mit Grubenlichtern und Stöhrstangen, den
Inhalt aller Winkel,
die nur im Herzen ei
ner Tochter liegen, ausgeforscht; und hatte daher
längst das gemerkt, —
was der
Quintus niemals merkte, — daß sie lezrer»
haben wolle.
Mädgcn verstecken ihren Kum
mer leichter,
als ihre Freuden:
henke war
Eva über das Konrektorat ungewöhnlich roth
geworden. Als sie heute nach dem Essen den Kaffee holte, den der Mündel bis auf den Voden-
saz austrinkeu muste— „ich schlage meine Eva todt, wenn sie ihn nur anlckt," sagte
er: — so sagt' er zu Fixlein:
„Hör Er>
H. Mündel, hat Er niemals ein Äugt auf
meine Eva geworfen? —
leiden und wenn Er sie
Sie, kau Ihn
wil,
kriegt Er
sie, aber wir sind geschiedene Leute: denn ein
129
ein gelehrter Herr braucht eine ganz an
dere."
„Herr Regimentsquartiermeister," sag# le Firlein (denn diesen Posten bekleidete
Steinberger bei der Landmiliz), „eine solche Parkhie wäre ohnehin viel zu reich für einen Schulman. *
Der Ouartiermeister niste mit
dem Kopfe stebenzigmal und sagte zur wie-
dcrkehrenden Eva, indem er ein Krumholz, woran er Kalber aufspreizte und aufhieng,
vom Gesimse nahm: „bleib stehen! — Hö
re, willst Du gegenwärtigen Hrn. Konrektor
zu Deinem Ehegemahl haben?“ — Ach du
grosser Gott! sagte Eva-. >— „Du magst ihn nun wollen oder nicht," fuhr der Mezger fort: „so schlägt Dir Dein Vater mit
dem Krumholz das Gehirn ein, wenn Du nur an einen gelehrten Herm denkst —
mach' jezt seinen Kaffee:"
So war durch
das Trenmesser des KrumhokzeS, leicht eine
Liebe zerschlagen, die in einem hbhern Stan de durch dieses Dazwischenschlagen mir dem
3
Schwer-
igo
SchnieM tAir desto mehr gcschäumet und ge-
gischet hatte. Firlein kont« nun zu jeder Stunde 50 fl»
fränkisch
erhebe«
den pädagogischen
und
Reichsapfel ergreifen,
und Koadjutor de-
Rektors, L. h. Konrektor werde«.
kau anuehknen,
Man
daß es mit den Schulden
wie mit den Bsrl-alrnissen in der Baukunst ist,' von denen Wolf «wies, daß die die schönsten
sind,
di« sich
Zahle» aiiüdrücken lassen«
mit den kleinsten Znzwifthm grif
der Ouartiernreistcr Gelehrten willig unttt die Arme:
denn die Meinung, daß -der
Schuldner im zwei und dreißigsten Jahre sterben und daß so dem 2i0d als Gläubiger in
der erste« Klaffe, di« Schuld der Natur eher
bezahlet werde als ««der« Kreditoren die ihri
gen , diese Meiimng «annss er BiehdumheSt
und Narrechei;
er war weder aber - noch
rechtgläubig und handelte nach festen Grund
sätzen, die der gemeine Mart weit öfter hat
als den prahlende Litteratur und der öde wei che Grosse
Da
IZI
Da Ich nur einzelne Helle Marientafle — warme Walpurgisnächte, — höchsiens bunte Rosenwcchen ans dem in Altagsschlacken vererzten Leben Firleins, wie Sil beradern scheide und sie für dm Leser poche, schmelze und glatte: so mus ich jezt mit dem Dache seines Lebens gehen, biö an den Kanratesonrag 1792, bevor ich einige Hand voll Goldkörner zur Wäsche in diese biogra phische Goldhütte tragen kan. Dieser Sou tag hingegen ist sehr goldhaltig: man beisse nur daran, daß Firlein doch nicht weis, (weil die Asche der Kirchenbücher unleserlich ist) ob er da nicht inS Zwei und dreissigste Jahr einlaufe. Bon Weihnachten bis dahin that er wei ter nichts, als daß er Konrektor wurde. Der neue Katheder war em Sonnenaltar, auf dem sich anö der Quintus-Asche ein jun ger Phönix zusammetizog. 'Grosse Veran» derungm verjüngen — in Aemtern, Ehen, Reisen, — weil man daS Leben allezeit von der lezteu Revvluzion an datiert, wie 3 2 b'.e
IZ2
die
Franzosen von der ihrige» an. Ein Vbrist, der in die Wesenleirer der Ancien-
nete den Fus als Korporal eingesetzer halte, ist fünfmal jünger als «in König, der in sei nem Leben nicht- weiter war, als ein —
Kronprinz.
Fünfter Zettelkasten. Der Aantatesontag — zwei Testamente Pontak Blut -- Liede.
•
Die Frühlingsmonate kleiden die Erde ntit und bunt, aber
de« Menschen meistens
schwarz. Gerade wenn unser« Eisregionen zu
fruchtbaren werden und die Blumenwellen der Auen über unsern Welttheil zusammen schlagen : so stossen uns überal Menschen in
Flörett auf, deren
Thränen ist.
Frühlingsanfang
vvl
Aber auf der andern Seite ist
ja das Aufblühen der verjüngten Erde di«
be-
IZ2
die
Franzosen von der ihrige» an. Ein Vbrist, der in die Wesenleirer der Ancien-
nete den Fus als Korporal eingesetzer halte, ist fünfmal jünger als «in König, der in sei nem Leben nicht- weiter war, als ein —
Kronprinz.
Fünfter Zettelkasten. Der Aantatesontag — zwei Testamente Pontak Blut -- Liede.
•
Die Frühlingsmonate kleiden die Erde ntit und bunt, aber
de« Menschen meistens
schwarz. Gerade wenn unser« Eisregionen zu
fruchtbaren werden und die Blumenwellen der Auen über unsern Welttheil zusammen schlagen : so stossen uns überal Menschen in
Flörett auf, deren
Thränen ist.
Frühlingsanfang
vvl
Aber auf der andern Seite ist
ja das Aufblühen der verjüngten Erde di«
be-
133
beste Kurzeit gegen den Schmerz über die, die in ihr liegen und Blumen verhüllen unGräber besser als Schnee. — -— Der alte Lehrer des Konrektors, Astman, begegnete im April, der weniger veränderlich als tödklich ist, dem Tode, der ihn das am Magen sie chende Gehirn «indrükte. Man wolle sei nen Abschied der Rilmeisterin verdecken; aber das ungewöhnliche Leichengelqute trug ihr seinen Schwauengesang anS Herz, und sezte die Abeodglocke ihres LcbenS almahlig in ähnlichen Schwung. Alter und Lei den hatten an ihr schon dem Tode die ersten Einschnitte vorgezeichnet, daß er wenig Müs he brauchte, sie ganz zu fällen; denn den Menschen geht es wie den Baumen, die lange vor dem Umsagen eingekerbet werden, damit ihnen der Lebenssaft entfliffe. Der -weite Schlagflus traf sie in geringer Ent fernung vom lezten: es ist sonderbar, daß der Tod wie Gerichte, die Schlagflüffigea dreimal zitieret. 3 3
Die
134
Die Menschen schieben ihren lezten Willen gern so lange hinaus wie ihren des» fern: die-Ritmeisterin halte vielleicht alle ihre Stunde» bis auf die sprachlose und tau be ohne Testament verrollen lassen, hatte nicht Thiennette in der lezten Nacht, ehe sie aus btr Krankenwartcrin die Leichenfrau wurde, die Sieche auf den armen Konrektor gebracht, und auf sein darbendes Leben und auf die schmalen Lebensdiaten und Alimentengelder, die ihm das Glük ausgeworfen und auf seine leere Zukunft, wo er als gel bes mattes Gewächs in den trockenen Dielen, Fugen der Schulstube zwischen Schülern und Gläubigern welken werde. Ihre Dürftigkeit war ihr das Model zur seinigen, und ihre innern Thränen waren die flüssigen Tusche ihres Gemäldes. Da die Ritmeistrrin nur für Domestiken testierte und bei den manlichen anfieng: so stand Firlein obenan—und der Tod, der ein besonderer Hausfreund deS Konrektors sein mus, hob nicht eher seine Sense auf und that den lezten Schnit, als bis
X35
bis fein Mutterföhngen, mit vernebnrlicher Stimme zum Testamentserben erkläret war: dann schnit er alles ab, Lcbem, Testament und Hvfnungen. — Als der Konrektor auf einem Waschzettel feiner Mutter diese zwei TodcS - und Hiobsposte» in seiner Sekunda erfuhr: so mar da erste, was er that, daß er die Sekundaner «ntlies und in Thränen ausbrach, ehe er im Konrektorat angekommen mar. Ob ihm gleich die Mutter mit geschrieben hatte, daß er im Testament bedacht geworden — ich wünschte aber, der Gerichtshalter hatte ausgeplandert, wie viel eS gewesen: . fi> fie len ihm fast mit jedem O, das er umso er lisch in der deutschen Bibel assortierte und «intrng, grosse Tropfen in die Feder und machten die Dinte zu blas. Ihn zerfras nicht der poetische Schmerz des Dichters, der die klaffenden Wunden in Leichenschleier hüllet und dm Schrei durch sanftes Trancrgethne bricht, noch der Schmerz des Philosophen, den Ei« ofues Grab in das ganze KatakomI 4 den-
rzL
ben-Geklüfte der Vergangenheit einschaue« lässet und vor dem sich der Todesschatten eiveS Freundes zum Schattrnkegel der ganzen Erde aufrichtet — sondern ihn proste das Weh eines Kindes^ einer Mutter, die schon der Gedanke — ohne Nebenbetrachmngen — bitter zerknirscht: „so sol ich Dich nicht mehr sehen, so fol|t Du verwesen und ich sehe Dich, Du gute Seele, niemals niemals mehr." ■— Eben, weil er weder den poeti« schen noch philosophischen Kummer harte, machte jede Kleinigkeit einen Absaz, eine Lücke in dem (einigen; und er war wie ein Weib noch denselben Abend fähig, sich einige künftige Gebrauchszettel feiner angekün digten Erbschaftsmasse zu entwerfen. Vier Wochen darauf, d. h. den 5. Mar, wurden die Testamentssiegel aufgebrochen, aber er gieng erst den 6. (am Kanraresontag) nach Hukelum ab. Seine Mutter lief sei nen Grüssen mit Thränen entgegen, die sie über die Leiche vergoS — vor Trauer — und über daö Testament — vor Freu de,
»37
de. — Dem zeitigen Konrektor EgidinS Je, bedäuS war verehrt: erstlich ein adelicheS großes Bette mit einer Spiegeldecke, in dem der Riese Goliath sich hatte umwenden kön nen und an das nachher ich und die Leserin naher treten wollen, um es zu prüfen, zweitens wurde ihm als rükständiges Oster« pathengeld für jedes Jahr, das er zurükge« legt, ein Jopfdukateu legiert, — drittens sollen ihm alle Rezepzions» und Stazionsgelder, die ihn die Krenzeserhdhung in daS Luintat und Konrektorat gekostet, bei Heller und Pfennig erstattet werden. — „Und „weist Du denn, fuhr die Mutter fort, rvas „die arme Fröhlen kriegt? — Ach Gotti „nichts! nicht den rothen Heller'da!" — Denn der Tod hatte die Hand star gemacht, tiej sich gerade ausstrecken und der arme« Thiennette einen kleinen Regetischirm gegen die Srrichgewitter und Blutregen ihres Le? benS reichen wolte. Die Mutter berichtete diese« FuSstoS des GlükS mit wahrem Mit leid, das bei den Weibern den Neid abldser 3 5 und
138
«nd das ihnen leichter wird als die Mitfreude, die mehr mäulich ist. In manchen weibli chen Herzenskammeru sind Mitleiden und Neid so nahe Wandnachbarn, daß sie uir* tzenvS tugendhaft waren als in der Hölle, wo die Menschen so erschreklich viel aussiehen und nirgends fehlerhaft als im Himmel, wo die Leute des Guten zu viel haben. Der Konrektor hatte nun auf Erden de» Himmel, in den feine- Wohlthäterin aufgesiohen war. Iu allererst sprang er ■— ohne sein Schnupftuch einzustecken, in dem seine Rührung war, — die Treppe hinauf, um das- grosse testierte Belte aufgeschlagen zu se hen: denn er hatte eine weibliche Vor liebe für Meublrn. Ich weis nicht, ob der Leser schon i» alte Ritterbette« geschauet hat oder gestiegen ist, in die man durch eine klei ne Treppe ohne Geländer, die daran hängt, leichtlich kommen kan und in denen man im Grunde allemal eine Treppe hoch schläft. Nanzianzen berichtet (Orat. XI7!), daß schon die, Juden hohe Betten mit solche« Hüh-
139
Hühnerleitern gehabt, aber blos deS Unge» ziefers wegen. Die legierte Bette-Arche war gerade so grvS — und ein Floh hätte sie nicht mit Erddiametern sondern mit Si« riusweiten gemessen. Als giriern von die» fern kolossalischen Dormitorium die Vorhänge zurükgeschoben und den Bettehimmel in ei nem grossen Spiegel offen gesehen hatte: wär' er gern darin gewesen; und wenn er aus dem Nachtkegel in Amerika einen Kegel« schnit hatte nehtuen können, er hatte sich da mit eingebauet, um nur eine halbe Stunde mit seiner dünnen Ruthenraille im FlanmWeiher herum zu schwimmen. Die Mutter hätte ihn durch längere Kettenschlüsse und Kettenrechnungen als das Bette war, nicht dahin lenken können, den breiten Spiegel eben ausbrechen zu lassen, obgleich sein gros ser Spiegeltisch sich in nichts besehen fönte als in einem Rasierspiegel; — er lies den Spiegel oben daran: „solt' ich einmal g. G. hemathen, sagt' er, so kan ich doch gegen Morgen meine schlafende Fra« an«
140 ««sehen, ohne daß ich mich im Bette auf fetze." Was den zweiten Artikel anlangt, näm lich die legierten Parhenpfennige: so macht' tS gestern seine Mutter recht gut» Der GerichlShalter hörte sie über die Jahre des Er ben ab, und sie legte diesem gerade zu die Dental-Zahl zwei und dreißig bei. Sie hät te gern gelogen und den Sohn wie eine In schrift für älter verkauft; aber gegen diese veniam aetatis würden, sah sie, die Rechte mit Rechten erzipiret haben: „es sei erlogen und erstunken; wäre der Sohn zwei unb dreißig alt: so wär' er ja längst Tode verfahren, wie nun wol nicht anders zu prav furnieren." find gerade unter der Erzählung sprach ein Aufhammeristher Bedienter ein und reich te gegen Revers uud gegen Ratifikaziou des von der Mutt« ausgestelren Geburtsscheines., die Goldstange von zwei und dreißig RechenPfennigen deä Alters dem Konrektor wie eine Lebens - Auderstangezu: H, v, Ausyamwör «ar
141
war zu einem knauserischen Hader über einen bürgerlichen Geburtsschein zu stolz. Und so gieng durch eine stolze Freigebig» feit einer der besten Prozesse vor die Hunde, da man die Goldstange auf der Ziehbank der Richteröbanke zu den feinsten Golddralh härte ausziehen können. Aus der Flocke die nicht auSznwirren war —- denn erstlich fönte Zir kelns Alter mit nichts dokumentiert werden, zweitens mußte man so lange als er. lebte prasumieren, daß er noch nicht zwei, und dreißig Jahre alt geworden «) — aus die ser Flocke waren nicht bloS Seide, und Strangulier-Schmachtriemen, sondern ganze Prelgarne zu spinnen und zu zwirnen gewe sen. Die Klienten überhaupt hatten stch weni•) Da wir jezt nach den vorliegenden Akten aus kei
ne andere Präsumzion bauen können als auf dte,
Laß er im zwei und dreißigsten Iabrc abstirbt: jd Ponte ihm, im Fauc er zwei und dreißig Ial'-
re nach dem Lode der Erblasten« stürbe gar kein
Heller abgerercht werden, weil er nach unterer Fikzion bei Abfassung een Testamentes nicht ein mal ein Aahr alt gewesen wäre.
142 Niger über Prozesse zu beklagen, wenn diese
langer dauerten: 'die Philosophen streiten
Jahrtausende lang-über philosophische Fra ge», und es fallt daher auf, daß Advokaten
die juristischen in ihren Akten schon in sechzig,
achtzig Jahren von der Hand schlagen wollen. Aber daS ist nicht die Schuld der Rechts
freunde:' vielmehr wie Lessing von der Wahr heit behauptet,
daß nicht daS
Finden,
sondern daö Suchen derselben den Men
schen beglücke «nd daß er selber dem Geschen
ke aller Wahrheiten für die süsse Mühe des Forschens
entsagen- würde,
so
wird der
Rechtsfreund nicht glücklich durch daö Fin, den und Entscheiden, sondern durch das Un
tersuche« einer juristischen
WahrlM •—>,
welches man eben prozessieren und praktizie ren nennt — und er würde sich gern ewig der Wahrheit, wie die Hyperbel der Assymp»
tote, nähern wollen, ohne sie zu erreichen, da er mit Weib und Kind als ein ehrlicher
Man bei dieser ewigen Apprcrimazio» beste hen toure, —
Der
143
Der abgeschikre Bediente hatte ausser dem Gold-Lcgatnoch ein Dekret vom Gerichtshalttr, worin dem Testamentserbe« auferleget war, von den Prägekoflen, die er zahlen müssen > da er als Quintus und Konrektor antet der Rändelmaschiene seiner Dorgeseztert lag, Belege und Scheins beizn« bringen, wvrauf er seid Geld wiedetbrkom«nen sokre. Der Konrektor, der sich gegenwärtig an die Reihe der Millionär anschlos, hielt die kurze Goldrolle wie einen Szepter in der Hand, wie eine heransgezogetie Teichdocke des Meeres der Ankunft, das rinn «blaufe» Htib ihm alle Besezfische langgewachsen, ttoklen und festliegend anbieten muß. Ich kan nicht alles auf einmal erzählen, sonst hatt' ichs dem Leser, der schon lange darauf passen wird, eher gesagt, daß dem bemittelten Konrektor die zwei und dreißig Patyenpftnnige mehr als zu sehr die zwei and dreißig Jahre Vormasten, an die noch dazü heute der Kanrakesontag, diese Dartholo-
*44 lvmäusnacht und dieser zweite Sovrember seiner Familie ansties.
Die Mutter, die
daS Alter ihres Kindes hatte wissen sollen, sagte, es wär' ihr entfallen, sie woll' aber
wetten, schon vor einem Jahre war' er zwei und dreißig gewesen und der Gerjchtshalter
hätte nur nicht mit sich reden lassen.
„Ich
wolle selber schweren, sagte der Kapitalist:
ich weis, wie dum mir vorm Jahre am Kanrattsvnkag tont.*
Er sah überhauvt den
Top, nicht wie der Dichter, im aufthürmerrden, auseinander treibenden Holspiegel der
Phantasie, sondern wie das Kind-
wie der
Wilde, wie der Landman und wie das
Weib, sah er ihn im planen iLkrav« Spiegel
vorn an der Schale eines Gesangbuches, und er kam ihm wie der gesunkne in einem
Gitterstuhl der Kirche schlafende Greisen-Kopf vor. — Und doch dacht' er heute öfter an ihn
wie vorm Jahre; denn die Freude schmilzet gern zur Wehmuth ein und daS lackierte Glücksrad ist daS Schöpfrad, daS sich in dje
Au»
145
Augen ergiesset. . . . Aber der freundliche Genius dieser Erd- oder vielmehr Wasserku gel , — den» in der physischen und in der moralischen Welt sind mehr Thrancnseen alS festes Land, — hat de» armen Wasseriusekttn, die darauf Herumschiessen, uns uamlich eine ganz besondere Schweer'sche Essenz für die Dleikvlikeu unserer Seele aufgehoben: ich behaupte, der Genius mus die ganze Patho logie der Menschheit mit Fleiß studieret ha ben; denn er hat für den armen Teufel, -welcher keinen Stoiker und keine» Seelensor« gcr bezahlen kan, der für die Fissuren seiner Hirnschaale und seiner Brust kostbare Rezept« und Krauter zusammensezte, ein herrliches Wund-Wasser in alle Kellereien Fässer-weif« eiugelegct, das der Pazient nur nehmen und ausdie Knochensplitterung undSchmarren gies sen darf-------- Fusel nämlich, oder Bier, oder etwas Wein.. . Beim Himmel! eö ist entwe der dummer Undank gegen den medizinische» Genius auf der einen Seite oder theologische Verwechslung erlaubter Betrunkenheit mit K ver»
146 perbotner Besoffenheit auf der andern, wenn die Menschen nicht Gott danken, daß sie in der Geschwindigkeit etwas haben, was in der Nervenschwindsucht des Lebens, Philoso phie, Christenthum, Judenthum, Heidcnthum und Zeit ersezt — Getränk wie ge sagt. Der Konrektor hatte lange vor Sonnen untergang dem Gemeinboren drei ggr. Boten lohn gegeben und lies sich — denn er hatte ja ein ganzes Dnkaten-Kabinet in der Tasche, daS er den ganzen Tag im Finstern mit der Hand durchblätterte — für drei Thaler Pontak aus der Stadt abholcn. „Ich mns »nir heute, sagt' er, eine Kantate'S - öust machen; istS mein lrzter Tag, wol! mm so ists auch mein lustigster." Ich wünscht'; er hatte eine grössere Bestellung gemacht; aber er hatte überal den Zaum der Massig keit zwischen den Zähnen, sogar vor einer ge drohten Verirr-Todesnacht und mitten im Jubel. Es ist die Frage, ob er nicht auf Eine Bvmeille sich eingeschränket hätte, wenn
147 wenn er nicht mit den zwei andem die Mut ter und das Fraulein hatte freihalten wollen.
Hätt' er in dem zehnten Säkulum gelebt, oder in andern
wo man den jüngsten Tag, Säkuln,
wo man Sündstuthen erwartete
und wo man deswegen wie Matrosen im Schifbruch alles versof: er hatte darum nicht
Einen Kreuzer mehr verzehrt.
Seine Freude
war, daß er mit dem Legat seinen Hauptkre» ditor Steinberger abfinden und als ein ehrli»
cher Man aus der Welt gehe» fönte; gerade Leute, die sich viel aus dem Gelde machen, zahlen ihre Schulden am ehrlichsten.
Der purpurne Pontak kam an zu einer
Zeit, da Firlein die Röthelzeichnungen und rothen Titelbuchstaben der Freude,
die jener
auf die Wangen seine- Trinker- und seiner
Trinkerinnen ziehen wird,
mit dem Abend»
Inkarnat der lezte« Wolken um die Sonne, zusammenhalten fönte. . . . Warlich unter allen Zuschauern dieser
Geschichte kan keiner mehr au die arme Thien» nerie denken als ich; aber ich kan fie doch
Ä a
«ar»
148 warlich nicht vor der Zeit aus ihrer Anzugs« sinke auf nitipe« histerischen Cchauplaz ja
Die Arnzel! der Konrektor kan nicht
gen.
heisser wünschen als sein Biograph, daß am Tempel der Stator wie am jcrusalcmitischen
eine besondere Pforte — ausser der des To
des — offen fei, durch die blos Bedrängte gehen,
damit
sie
ein Priester
aufrichte.
Liber Thiennettens Brustschmerzen über alle
ihre versuukucn Aussichten;
über die eilige«
sargte Wolkhacerin, über ein ganzes mit dem
Leichenflor. zugefponnenes Leben,
bisher in einem Jammer,
hatte ihr
den der steinigte
Rittmeistern mehr blutig als gelinder machte,
alles verwebt, Geschäfte ansgenommen, alle
Schritte gelahmt, die nicht zu einer Arbeit geschahen, und ihren Augen nichts gegeben, was sie treknen oder freuen konte, als ein
»tiederfallendes Augenlied vol Traume und Schlaf. Aller Kummer erhebt über die bürgerli chen Zeremonialgesetze und macht den Prosais
sien zum Psalmiften; blos im Kummer wa gen
149 gen
die
Weiber.
Thiennette gieng
nur
ZIbends, und nur im Garten aus.
Der Konrektor fönt es kaum abwarten, seiner Hausfreundin zu erscheinen, ihr seinen
Dank — und heute seinen Penkak — zu
bringen.
Drei Pontakkclche und drei Kelch
gläser waren auscn auf die Fcnstcrküste seiner Hütte gestellet, und so oft er von dem dun keln Holwege zwischen Blüten - Waldungen
zurükkam,
nipte er aus seinem Glase —
und die Mutier trank in der Stube hinein durch das Schubfenster. Ich habe schon gesagt, sein Lebens-La
boratorium lag im südwestlichen Winkel des Gartens, gegenüber dem ins Dorf hincinrei-
chendcn Schloß - Efkurial. chen Winkel
blühte
Im nordwestli
eine Akacicn-Laube,
gleichsam dieDlnmenkrone des Gartens. Firlein trat auch dahin seine Lustfahrt an, um
etwan aus der weit gegitterten Laube einen glüklichen Vlik in die langen Wiesen nach
Thiennette» auszuwerfen.
Er fuhr ein we
rtig zurük vor zwei steinernen Staffeln, K 3
die
in
15° in den Weiher, Laube lag,
der auf seinem Gang zur
mit frischem Blute betropfet,
Auch a» den nahen Bin
Hinuntergiengen. sen hieng Blut.
Den Menschen schauert vor
diesem Oele unseres LebenS Dochtes, wo er
es vergossen findet: es ist ihm dir rothe To»
desunterschnft
des
Würgengels.
Fixlein
eilte sorgend in die Laube — und fand hier seine bleichere Wolthäterin an Blütenbüschen
angelehnt, ihre Hände waren mit dcmStrik» -eug in den Schoos gesunken,
ihre Augen
lagen in den Augenliedern gleichsam im Ver
bände des Schlummers,
so wie ihr linker
Arm im wirklichen Verbände der Averlas, und mit Wangen, denen die Abendröthe so
viel gab, als ihnen die bisherigen Verwun dungen , — die heutige dazu gerechnet, —
genommen hatte,
giriern stetig nach dem
ersten Schrecken — nicht über diesen Dlu-
menschlaf, sondern über sein lautes Herein traben — an,
die Schmctterlingsspirala
sauglinie seines Auges auseinander zu rollen und fie auf die stilstehenden Blätter dieser
Dlu-
151 Blume hirizulegen.
Im Grunde darf ich be
haupten, wars heute das erstemal, baßer sie ausah: er war in die dreißig gekommen und glaubte noch fort,
au einem Fräulein
dürf' er nur die Kleider, nicht den Körper bemerken, und er habe ihr nur mit den Oh
re» , nicht mit den Augen aufzuwarten.
Ich mess' es dem hebenden Flaschenzuge der elektrischen Verstarkungsflasche deS Pon-
taks bei, daß der Konrektor den Muth faste, umzu —■ kehren,
um wieder zu komme»
und die
erweckenden Mittel des Hustens,
Niesens,
Trabens und Rufens nach dem
Pudel, in starker» Dosen an der Schläferin zu brauchen. — Sie etwa» bei der Hand zu uehmeu und unter einer medizinischen Ent
schuldigung ans dem Schlafe zu ziehen, das wäre ein Wagstük gewesen, dessen der Kon
rektor, so lang' er noch vor Pontak stehe» konte und seinen Verstand hatte,
niemals
fähig war.
Kurz, er weite sie anders auch auf.
«4
M,
Müde, Bedrängte! wie langsam geht Lein Auge auf! Das wärmste Heilpflaster der Erde, der Schlaf,
hat sich verschoben und
die Nachtlnft der Erinnerung wehet wieder deine nakte Wunde an! — Und doch war
dein lächelnder Jugendfreund noch das schönsie, auf was dein Ange fallen konte, wenn eS aus dem hängenden Garren des Traums in den niedrigen um dich sank. —
Sie wüste selber wenig davon — und
der Konrektor gar nichts, — daß sie ihre Blumenblätter unvermerkt nach dem Stande dieses Wcltkörpers beuge, nämlich nach Fir-
lein: sic glich einer italienischen Blume, die einen fein verstcktcn Nenjahrwunsch aufbc-
wahrt, den der Empfänger nicht sogleich her, auözuzieben weis.
Jezt schloö die gvldne
Pansterkerte ihrer Wollhat sie eben so gut an
ihn, als ihn an sie. —
Sie gab sogleich
ihrem Auge und Tone eine freudige Maske: denn sie stelle ihre Thränen nicht, wie Ka
tholiken Christus seine, in Rcliquien-Phivlen auf
153 3
hab' ich eS ja zu danken, daß ich schul» denfrci bin wie wenige Schulmänner." Thiennette, unbetont mit unserem Ge schlecht, nmste dieses irrig für einen Antrag der Ehe nehmen, und drükte dem einzigen lebendigen Menschen, durch dessen Arm sich «och die Freude, die Liebe und die Erde mit ihrer Brust verband, heute zum erstenmal mit de« Fingern deS wunden Armes bebend feinen, worin sie lagen. Der Konrektor freudig - erschrocken über den ersten Andruk einer weiblichen Hand, suchte mit seiner her übergebognen rechten ihre liuto zu erfassen «nd Thiennette hob, da sie seine vergebliche Krümmung merkte, die Finger auf vom Arm «mb legre den verbundnen in seinen, und ihre ganze linke Hand in seine rechte. Iwei Liebende wohnen in der Flispergallerie *), wo der dünneste Hauch sich zu einem Laute beseelet. Der gute Konrektor empsieng und L 2 ver*) In der Pmrlskirche zu London,
wo der kleinste
Laut über einen Raum m 143 Fuß hinüber» tönt.
l61
verdoppelte den seligen Druk der Liebe, womir di« w uumnchrige Seele stammelnd, »ingcspert, lechzend nnd wahnsinnig eine heisse Sprache sucht, dir es nicht gibt; — er wmtze übrrmanl, -— er hatte nicht den Mulh sie aoznblicken, sondern sah gerade ans in die Abendröthe und sagte (und hier rannen vor. unaussprechlicher Liebe die Thrä nen heis über feine Wangen): ach ich wil Ihnen alles geben, Gut und Blut mib alles was ich habe, mein Herz und meine Hand. “ Sie weite antworten, aber sie that nach einem Seitenblicke den Schrei des Schreckens „ fi. gleichsam aus dem Glüksrade gezogen) und eine so kleine Debetsumme wird den Leser Wunder nehmen; was wird et aber erst denken , wenn ich ihm sage, daß eS Länder giebt, wo die Sntre'egel6er in Schul» stuben noch mäßiger sind. Im Scheraui« schen kostet ein Konrektor nur 88 ft. und er lyflt vielleicht noch das Triplnm dieser Summe einzunehme». Ohne an Sachsen zu denken — was freilich von der Wie ge der Reformazivn in der Religion und in der schönen Litteratur nicht anders zu erwarte» ist — wo ein Schul - und Pfarr herr nämlich gar.nichts zahlt: so ist es schon im Bayreuthischen z. B. in Hof mit der Aufklärung so weit, daß ei» QuartuS — was sag ich ein Ouartus, — ein Terzius, was sag ich ein Ter-, zius, — em Konrektor vor Antrit feines Posten- nicht, mehr zu erlegen braucht als: fl.
177 ff. rhein. fr. rhein. 30 49 für Verpflichtung bei dem Kvnsistorio. 4 dem Stadisyndikus für die Vokazion. a dem regierenden Sur* gernieister. 45 74 für das Rcgremngs* betret.
Summa gl fl.
564fr.
Laufen auch die Drnkkosten tineö Rek tors in einigen Artikeln höher auf: so komt hingegen rin Terzinö, Qnartns rc. noch wolfeiler aus der Presse als selber rin Konrektor. Ich gesteh’ es, dabei kau ein Schulman aus kommen, da er schon im ersten Jahr einen UeberschnS über dieses Schwanzgeld fei* ließ Amtes kinnimt. Es muß ein schul' lel;rer schon wie seine Schüler von einer Klasse zur andern avanzierek sein, ehe seine Staats anleihen samt den Verzvgerungszinsen so viel betragen, als er in der höchsten einnimt. M Noch
178
Noch dazu sind unsere Einrichtungen 'nicht dagegen *— welches doch die athenischen tha
ten — daß man die Aemter verschuldet an-
trit, sondern jeder ersteigt mit dem Ranzen seiner Schuldenlast unangefochten eine Stufe nach der andern.
Der Pabst erhebt bei gros
sen Pfründen die Einfünfte des ersten Jahres unter dem Titel Annaten, und er schenkt daher
eine grosse alzeit dem Inhaber einer kleinern, um fremde und eigne Jntradcn zugleich zu
mehren; — es zeigt aber, dünkt mich, ei
nen schönen Unterschied zwischen Pabst - und Lutherthum, daß die Konsistorien des leztern den Schul - und Kirchendienern vielleicht kaum zwei Drittel der ersten jährlichen Amtes-Einkünfte abnehmen, ob sie gleich sonst
wie der Pabst auf die Erledigungen der Stel
len aus sind. Es kau sein, daß ich hier mit Chur-
Mainz zerfalle, wenn ich gestehe, daß ich in Schmausens Corp. jur. pub. germ. die
Chur- Mainzische- Reichs- Hof- Kanzlei - Tar« vrdnung »en 1659 den 6. Jan, nachgeschla«
gen
179
gen und daraus ersehen habe, wie viel die Reichs-Hof-Kanzlei haben Wil, mit einem Konsistorium kvllazionierer. Z. B. Wer zu einem gekrönten Poeten (poeta laureatus) auögesotten oder auegebrani ff in wil, hat 50 fl. Tax, und 20 fl. Kanzlei Jura z» er, legen, da rr doch mit 20 fl. mehr ein Kon, rekkor hätte werden können, der ein derglei» chen Poet rrebenbei und ex officio ist. — Die Errichtung eines Gymnasiums wird für 1000 st. verstattet; eine ungcmeine Sum» me, mit der sämtliche Lehrer deS errichteten Gymnasiums die Einlasaelder ihrer Schul, stnben zu bestreiten vermögen. — Ein Frei, Herr, der ohnehin oft alt wird, ohne zu wis sen wie, muß die venia aetatis mir 200 baareu Gulden kaust n, indes er mit der Halste davon ein Schulman hatte werden können, worauf ihm das Alter von selber zugefallen wäre. — Und tausend solche Dinge! — Sie beweisen aber, daß eS nicht übel um Staaten und Reichskreise ste hen müse, wo der Thorheit StandeserhöhunM 3
gen
18-d
gen theurer gegeben werden als dem Fleisse, und wo es mehr kostet eine Schule zu errich
ten als zu bedienen.
Was ich hierüber zu einem Fürsten gea
sagt habe, ist so wie das, was mir hierüber ein Stadtsyndikns gesagt,
zu merkwürdig,
um aus blosser Furcht vor Ausschweisuugen "hier übergangen zu werden.
Der Stadtsyndikus — ein Man von Einsichten und von feurigem Patriotismus, der desto wohlthätiger wärmte, da er dessen
Stralen in Einem Fokus sammelte, und auf
sich und seine Familie richtete — gab mir
(ich mochte damals vielleicht jede Schulbank und jede Schultreppe für eine Bank und
Leiter
halten,
auf die man Leute zum
Torquieren legt) die beste Antwort auf vieles:
„wenn
30 rrhl.
ein Schulman nichts verthut als»
wenn er nicht mehr Fabrikwa-t
ren jährlich kaust als die Politiker für jedes
In-
*) So viel braucht man, nach den Politikern jähr lich ' in Deutschland.
i8i Individuum berechnet haben,
«»ämlich für
5 rtbl., und nichr mehr Zentner Nahrung als diese annehmen,
nämlich io;
kurz,
wenn et wie em wohlhabender Holzhacker lebt: -s» mustoider Teufel sein Spiel haben,
wenn er nicht jährlich soviel reinen Profit zu-
rüklege» wolle, als die Zinftn feiner Amts
schulden am Ende betragen." ,—
Der Syndikus mus mich doch damals
«icht überredet haben, weil ich nachher zum flachsenfingischen Fürsten °) fegte: digster Herr,
ich —
„Gnä
Sie wissen es nicht,
aber
kein Aktenr unter Ihrer Truppe
würde den Schulmeister in Engvls verlornen Sohn um das Geld'drei Abende lang ma-
M 3
chen
*) Dieser sonderbare Ton, ans dem ich mit einem Fürsten preche, wiie nur durch ein eben so sons derstareS Verhältniß entschuldigt, in dem der Bios grapst.mit dem siachsenstnger Fürsten siestt f und das er stier aern entdecken würde, wenn ich der ÄLetr nickt alles schon in- meinem Buche, das ich istr unter dem-Dtej: HundKposttage 1795 zu Ostern srneuken werde, deutlich genug zu enta hüllen hoffte.
18» chen, um daS ihn jeder wirkliche Schulmei ster alle ganze Tage des JabreS hindurch wa chen muß-. — Im Brandenburgische« wer, den die Invaliden Schullehrer; bei uns wer den die Schullehrer Invaliden." .... Aber zur Geschichte! .Firlein sezte das Register seiner Kronschulden auf, aber aus riner ganz andern Absicht als der Leser denken wird, dem immer das Testament im Kopfe fielt., Kurz, er wolle Pfarrer in Hnkelnm werden. Ach an-dem Orte eö zu werden, wo seine Wiege stand und alle Gärtchen sei ner Kindheit — ferner seine Mutter — und die Verlebungölaube: das.war ein ofueS Thor in ein neues Jernsalein, gesezt auch die Stelle wäre eine hagere Pönitenzpfarre gewesen. Die Hauptsache war, er tonte heirachen, wenn er voziert wurde. Denn als dünner Konrektor im Schmachtriemen sei ner Weste, mit Jnttaden, womit kaum der Kaufschiüing des — Geldbeutels zu bestrei ten ist, da fönt’ er eher den Docht und Talg zur
183
zur Leichen- als zur Drautfackel zusammen bringen.
Denn die Schuldienerschaft darf über haupt in guten Staaten so wenig heiratben wie die Soldateska.
Im Conringio de
antiqiiitatibui academicis, wo auf allen Blättern bewiesen wird, daß die Klöster ur
sprünglich Schulen waren, kam ich darhinttr, warum? Jezt sind die Schulen Klöster
und folglich sucht.man die Lehrer wenigstens zu einigen Nachahmungen der drei Klosterge
lübde anzuhalten.
Das Gelübde des Ge
horsams ist vielleicht am ersten durch Scholarchen zu erzwingen; aber das zweite Ge
lübde der Ehelosigkeit würde schwerer erfüllet
werden,
wenn nicht durch eine der besten
Staats - Verfügungen für daö dritte,
ich
meine für eine schöne Gleichheit der Armuth so gesorget wäre,
daß kein Man mehrere
testimonia paupercatis braucht, ner,
der sie macht —
als ei
dann greife dieser
Man nur zu einer ehelichen Hälfte, wenn
von den zwei Hälften jede M 4
einen ganzen Ma-
i84
Magen hat, und nicht- dazu als Halbme talle und Halbbier. . . . Ich weis, Millionen meiner Leser sezten dem Konrektor selber das Vitschreiben auf und ritten damit nach Schadet zum Herrn, damit nur der arme Schelm den Schafstal besame, samt dem angebaueten Hochteirhaus., weil ihnen wol einlenchrct, daß. nachher eine.r der besten Zettelkasten wür de geschrieben werden, der je aus einem Lctttnihxltcii ausgchoben wurde. Firlrins Biischrifk war ausserordentlich gut uvd.auffallend: sie stellte dem Rikmcistcr vier Gründe vor: i) ,,^Er wäre ein Dorf kind , feine Eltern und Voreltern hätten sich schon um Hukelum verdient gernacht, als» bat' er re." 2) „Er könne leicht die hier dokumen tierten Pafsivschulden von 13.5 ff. fr. 41 kr. und i Psi, deren Tilgungsfond ihm ein mu vergeßliches Testament anhiete, selber abfüh ren, fals er die Pfarrei bekäme, und entsage hienüt dem Legat re." Freie
i85 Freie Note von mir. Man sieht,' er wil feinen Herrn Parhen bestecken, den das Testament der Frau in Harnisch gebracht. Aber halte, lieber Leser, einem armen, be drängten , schwertragenden Schulman und Schulpferd eine undellkate Wendung, die freilich niemals die unsere wäre, zu gut». Bedenke, Firlein wüste, daß der Ritmeister ein Filz war gegen Bürgerliche, so wie ein wegschenkender Rnpfhase für Adeliche. Auch kan der Konrektor ein oder ein Paar mal von Patronatsherren auf der Ritterbank gehöret haben, die wirklich nicht svwol Kirchen und Gottesacker — womit man doch in Eng land Handel treibt — als deren treue Be stellung verkaufet oder vieltnehr verpachtet haben an die Pacht-Kanvidaten. Ich weist auS Lange *), daß die Kirche ihren Patron beköstigen mus, wenn er gar nichts mehr zn leben hat: tönte nun nicht ein Edelman noch rh' er bettelte, etwas auf Abschlag, eine M 5 Dor•) dessen geistliches Recht p. 55».
186 Vorausbezahlung von seinen Alimentengel-
'tarn annehmen auS den Handen des KanzelPachters? —
3) „Er habe sich seit kurzem mit dem gnädigen Fräulein von Thiennette verlobt uud
ihr ein Goldstük auf die Ehe gegeben, und tonte also solche heirathen, wenn er versorgt würde rc." Freie Note von mir.
Ich halte
diesen Grund für den stärksten in der ganze» Supplik.
In Herrn von Aufhammers Au
gen war Thienneitens Stambanm längst gesiiizt, entblättert, wurmstichig und vol Bohr käfer, sie war ja seine Oekonoma, Schlos-
Intendankin und Schlosgesinde,
a~fatere- Legatin für das die ihm mit ihren Ansprü
chen auf seine Almesenkasse in die Lange- eind Würde wurde.
Sein erzürnter Wunsch, daß
sie 'mik Firleins 'Eibschaft hätte abgefunden werden mögen,' wurde jezr durch dielen- erKurz, wenn Firlein Pfarrer wird,'-so
f>at ers dem dritten Grunde zu danken, weit weniger dem tollen vierten. . , .
187 4) „Er habe betrübt vernommen,
daß
der Name seines Pudels, den er in Leipzig
einem Emigranten qbgekauft,
auf deutsch
EgidiuS bedeute, und daß der Hund ihm die
Ungnade seines gnädigen Herrn zugezogen.
Es sei ferne von ihm, den Pudel künftighin
«Iso zu benamsen; er werd' cö aber >ür eine grosse Gnade erkennen,
wenn sein gnädiger
Herr Path für den Hund,
den er jezt ohne
Manien riefe,, selber einen resolvierten."
Meine
freie
Note:
Der Hund,
bei dem bisher der Edelman zu Gevatter gesiandeu war,
sol also feinen Namen zum
zweiten mal
von ihm empfangen. . . .
Mir sol aber der darbende Gärtners - Sohn,
Hessen Laufbahn nie höher stieg als von der Schulbank zur Schulkanzel, und der mit de»
Frauenzimmern nie gesprochen harre,
al-
singend, nämlich in der Kirche, wie sol der
hei einem solchen Saitenbezuge einen feinern als den pedantischen Ton. anschlagen?
Und doch liegt der Grund tiefer r
—
nicht die ein»
i88
eingeschränkte Lage, sondern der einge schränkte' B l ik, nicht eine Lieblingswissenschast, sondern eine enge bürgerliche Seele macht pedantisch, die die konzentrischen Zirkel des menschlichen Wissens und Thuns nicht messen uitb trennen kan, die den Fokus des ganzen Menschenlebens wegen des Fokalabsrandes mit jedem Paar konvergieren der Stralcn vermengt, und die nicht alles sicht und alles duldet. . . . KurZs, der wahre Pedant ist der Intolerante.
Der Konrektor schrieb die Supplik präch tig ab in fünf glüklichen Abenden > — feztt eine -besendtre Dinte dazu-an, —- arbeitete zwar nehk so lange an ihr wie der dumme Mannzius an einem lateinischen Briefes nämlich etliche Monate, — wenn dem Scioppius zu gläube« ist, —■ noch .weniger so lange wie «in ankeren Gelehrte« an einer latemischcn Eplllel, der ■— freilich müssen wirs blos dem Morhof glauben, — vier »olle Monate daran Helte, Dadiazioven, Ad« jek-
189
jekti'ven, Pedes samt den Autoritäten seiner Phrases, genau zwischen den Zeilen anmerk te. Er hatte ein flinkeres Genie, und war mit dem ganzen Gesuch in sechzehn Tagen ins Reine. Als ers petschierte, pacht' er daran, gleich uns allen: wie dieses Couvert das Saniengehause einer ganzen grossen Zu kunft, die Hülse vieler süssen oder herben Früchte, die Windel seines restierenven Le« benö sei. Der Himmel sscgne sein Couvert; aber ich lasse mich vom babylonischen Thurm hin« unter werfen, wenn er die Pfarre kriegt: feil denn niemand einschcn, daß Aufhammer nicht kan? — Troz seiner andern Fehler oder eben darum hält er eisenfest sein Wort, daö er so lange dem Subrektor gegeben. Ein anderes wär' es, war' er am Hofe seohaft; denn da, wo noch alte deutsche Sitten sind, wird kein Versprechen gehalten; denn weil nach Möser die alten Deutschen nur Verspre chungen hielten, die sie vormittags ge geben, — nachmittags waren sie schon besof«
Igo
soffen: — so halten Hof-Dentfche auch keine nachmittägigen; —- vormittägige würden sie halten, wenn sie sie gäben, welches aber der Fal nie sein kan, weil sie da noch -— schlafen.
Siebenter Zettelkasten. Predigt — Schulakt«- — prächtiger Jrthnm,
Der Konrektor bekam seine rzz fl. 43 fr. i Pf- fränkisch, aber keine Antwort: der Hund blieb ohne Namen, sein Herr ohne Pfarre. Inzwischen verlief der Sommer «nd der Dragoner, itmeister harte noch immer keinen geistlichen Hecht mit einem Kopf vol Passionskiiochen, ans dem Kandidaten-De» sezreiche ausgczvgcn, und in den Strek» teich der Hukelumer Pfarre geworfen: es that ihm wol, mir Suppliken behänge» zu werden wie ein spanischer Schuzheiliger, und er
Igo
soffen: — so halten Hof-Dentfche auch keine nachmittägigen; —- vormittägige würden sie halten, wenn sie sie gäben, welches aber der Fal nie sein kan, weil sie da noch -— schlafen.
Siebenter Zettelkasten. Predigt — Schulakt«- — prächtiger Jrthnm,
Der Konrektor bekam seine rzz fl. 43 fr. i Pf- fränkisch, aber keine Antwort: der Hund blieb ohne Namen, sein Herr ohne Pfarre. Inzwischen verlief der Sommer «nd der Dragoner, itmeister harte noch immer keinen geistlichen Hecht mit einem Kopf vol Passionskiiochen, ans dem Kandidaten-De» sezreiche ausgczvgcn, und in den Strek» teich der Hukelumer Pfarre geworfen: es that ihm wol, mir Suppliken behänge» zu werden wie ein spanischer Schuzheiliger, und er
191
er zauderte (ob er gleich den Subrektor vvzic» ren wolle) mit der Erhörung Einer Supplik so lange, bis er sieben und dreißig Färbers» Knopsmacherö- Jingiesscrö-Söhnen, die ihre» gen auf einmal abschlagen fönte. Denn die jetzigen Lehrer des Christenthums werden gern den ersten oder diesem selber ähnlich gewählt, das wie Venedig und Petersburg sich anfangs an Fischerbütten anbauete. Gönnet dem von Aufhammer die Verlänge rung seiner Stimfahigkeit zur geistlichen Par» lamentswahl! Er weis, daß ein Edelman dem Timoleon gleicht, der seine größten Siege an seinem Geburtstage gewan, daß nämlich das Wichtigste was er zu thun hatte, war, eine Freiherrin, Semperfreiin u. s. w. zur Mutter zu nehmen. Man kan einen, der schon als Fötus in den Adelstand erhoben wird, noch besser mit der Spin fliege vergleichen, die wider die Weise aller Jnsek, len sich schon im Mutterleibe entpupt und verwandelt. — Aber
ryr
Aber weiter! Firlein war jezt doch nicht ohne Geld. Es wird so viel sein, als wenn ichs dem Leser schenkte, wenn ich ihm hinter» bringe, daß er vom Legate, das den Gemeinschuldner abspeisete, «och z; st. übrig behielt als Medium und Chatonl-Geld, wo mit er sich kaufen kvnie was er wolle. Und wie kam er zu einer so bedeutenden Summe, zu einem solchen Kompetcnzstük? — VloS dadurch, daß er, so oft er ein großes Stük Geld in kleinere zersezte, und überhaupt bei jeder Einnahme, zwei, drei, vierPetermän» gen unbesehen und blind unter die Papiere seines Koffers warf. Seine Absicht war, einmal zu erstaune», wenn ers endlich auf summierte uud das Kapital erhöbe. Und beim Himmel! die erreichte er auch, als er bei der Thronbesteigung seiner Luintur diese Sparpfennige aus den Papieren zog und sie zu den Krönungskosten schlug. — Jezt saete er sie wieder unter die Verbriefungen. Narrisch! Ich meine, Hütt' er nicht glüllicher Weise sein Legat blosgestelt, da ers als pv-
$93 positive Belohnung und Kuppelpelz für den Patrvnatsherrn aiiebvtr so hart' ihn der Fehl«
grif nach dem Klopfer der Hukelumischen Kir-
chenihüre verdrossen; so aber erwischt er doch, da er den Klopfer verfehlte, den Pelz wie der, nnd fönte froh sein.
Jezt schreite ich in seiner Geschichte wei
ter und stosse im Gestein seines Lebenö auf
«ine so schöne Silberader, ich meine auf eis «en so schönen Tag, daß ich (glaub' ich) so gar den drei und zwanzigsten Posttrinitatis,
wo er doch seinem geliebten Daterdvrfe eine Vakanzprcdigt vorhielt, hier nur leicht be
streifen werde.
An sich war die Predigt gut und herrlich, und der Tag ein rechter Wonnetag; aber ich
müsie überhaupt mehr Stunden übrig haben, als ich dem Mai abstehle, worin ich jezt lebe
und schreibe, und mehr Kräfte, als mir die Lustfarthen durch schöne Tage zu den Land-
schaftsgemälden derselben frei lassen, wenn ich mit einiger Hofnung es versuchen wolle,
von der Lange und Dicke der Saite« und ih-
N
ren
*94
ten Vibrazionen und de» konsouen Verhält nissen derselben unter einander, die insge samt an jenem Posttrinitatis seinen Herzvhren eine Sphärenmusik machten, einen ma thematischen Bericht abzustatten, der mir so sehr gefiele wie andern. . . Man verlang' es nicht! Ich denke, wenn ein Man an ei nem Sontage vor allen Fiöhnern, die ihn sonst als den Kunstgarrners-Buben auf dem Arm hatten, ferner vor seiner Mutter, die ihre selige Zerfiiessung in die Gosse des Samt« Muss ableitet, ferner vor seinem gnadisen Herrn, dem er geradezu befehlen kan, selig zu werden, und endlich vor seiner mvusseli, «enen Brant, die schon selig ist, weil sie fast zu Stein darüber wird, daß dieselben Lippen küssen und predigen können, ich den ke sagt'ich, wenn ein Man das leistet: so hat er wol einiges Recht, vom Biographen, her seinen Zustand schildern wil, zu begehren, haß er das — Maul halte, und vom Leser, der solches nachempfinden wil, daß er seine«ufmache und selber predige. — — Aber
$95
Aber was ich ex officio malen Mus, ist der Tag, wozu der Soutag nur der Vor» schabbeS, die Vigilie und das Vorcssen war — nam.'ich der Vorschabbes, die Vigilie und das Voressen vor dem MartinisAk tue. Am Sontag hielt er die Predigt, am Mitwoch den Akt'uß, und am Dienstag die Probe. —Der Dienstag so! jezr der Welt beschrie» den werden. Ich zähle darauf, daß ich nicht blos von lauter Weltleuten gelesen werde, denen freilich ein SchulaktuS nicht viel anders und besser als eine bischöfliche Investitur oder eine Fraukfurther Kröuungs Opera seria vorkömt, sondern daß ich auch Leute vor mit habe, dir auf Schulen waren, und die wis sen, was sie vom Schuldrama eines Akrus und vom Maschienenmeister und von dem Komödienzettel (dem Program) zu denken haben, ohne darum dessen Vorzüge zu über treiben. N 2
Eh'
10 Eh' ich die Probekomödie des MartiniMus gebe, leg' ich mit selber als Drama
turg des Schauspieles auf, die Einladnngs-
schrist des Konrektors wenn nicht zu erzerpie» ren,
doch zu registrieren.
Et sägte darin
Manches, und machte 759 ha verstarb, den Anfang einer speziellernReformazionshistvrie zu machen. Mein schwacher Versuch über diesen» zur Reform«, zion gehörigen, Advokaten wird, belohnet ge nug sein, wenn er zu bessern Werken dar über ermuntert; das Wenige aber, was ich von ihm aufgetrieben und gesammelt habe, ersuch' ich unterchauig, gehorsamst und ge horsam alle Gönner unto Freimde des Flach, senfingischen Gymnasiums den vierzehnten No-
199
November auS dem Munde sechs gntgeartrter Peroranten anzuhören. Anfangs wird Gottlieb Spiesglas,einFlachsenfin ger, in lateinischer Rede zu zeigen suchen, daß Martin Gottlob Luther überhaupt ein Schwerdtmagen dcS D. Luther gewesen. Nach ihm bemühet sich Friedrich Christian Kradier auS Hu» kelum in deutscher Prosa den EiufluS zu be» stimmen, den Martin Gottlob Luther noch auf die schon daskierrde Reformazion gehabt; worauf hinter ihm Daniel Lorenz Stenzinger in latei nische Verso dir Nachrichten von Marti» Gottlob Luthers Prozessen mid überhaupt, die wahrscheinlichen Verdienste der Advokaten um die Kirchenverbesserung znsammenfassen will, — welches sodann einem Nikol Tobias Pfizman Gelegenheit geben wird, französisch aufzntreten, und das Wissenswürdigste aus Martin Gottlob Luthers Schuljahren, Universitätenleben und N 4 man«
LOS
„'änlichen Jahren auszuheben. Und wen« «u» Andreas Ein tarm in deutschen Der» sen die erwannigen Fehltritte dieses Stamhal* ters des grossen Luthers wird zu entschuldigen gesucht haben: so wird Justus Strobel in lateinischen seine Rechtschaffenheit und Ehrlichkeit im Advoka* lenstande nach seinen Kräften besingen; —> worauf ich selber den Katheder besteigen und allen Patronen der Flachsenfiiiger Schule ge horsamst danken, und diejenigen Stücke anS dem Leben dieses merkwürdigen Dresdners yoch anführen werde, von denen wir noch gar nichts wissen, weil sie sich für die Redntr des nächsten Martini-AktuS g. G. aufsparen."
Der Tag vor dem AktnS lieferte gleich sam die Prvbeschüsse und Aushängebogen deS Mitwvchs. Leute die des Anzugs wegen »om grossen Schulfest wegbleiben musten, Bf* svn-
*01
sonders Damen, erschienen Dienstags in den sechs Probereden. Niemand ordnet zwar bereitwilliger als ich de» Probraktuö dem Mit« wochsaktuS unter, und mich braucht man am wenigsten erst anfznfodern, das Trom» metenfest einer Schule gehörig zu würdigen; aber auf der andern Seite bi« ich eben so ge« wis überzeugt, daß einer, der Mitwochs nicht 'm den ächten Aktus gegangen ist, sich etwas glänzenderes als den Probetag vorher gar nicht gedenken kbnte, weil er nichts hatte, womit er die Pracht vergleichen könte in der der Primas des Festes vor Damen und Rathsherren, das an seinen Triumphwagen »orgclegtr Gespan von Sechse«, — um dis sechs Gebrüder Redner Gäule zu nennen — ei «fuhr auf morgen. Lächle imiittr, Firlei», über das Anstaune«« deiner Heu« tigeti Ovazion, die dem morgendlichen Triumph entgegcnfahrt: auf deinem aus einander fliessenden Gesichte zukt das glükliche, sich und beit Weihrauch wiedeikäuende Ich —< aber eine Eitelkeit wie deine, und nur diese, P 5 dis
»or die geniesset, ohne zu vergleichen oder zu verschmähen, kan man erdulden, will man ernähren. Was aber über sein ganzes wächferne» Herz wie ein schmelzender Sonnen» schein fiel, war seine Mutter, die es auf vieles Zureden gewagt harre, sich in Bus» tagekleidern ganz unten an die Prima «Flügelkhüre demüthig anzulegen. Es wäre schwer" zu sagen, wer beglükter ist, ob die Mutter, die znsieht, wie der, den sie unter ihrem Herzen getragen, die vornehmsten jun gen Herren in halbseidenen Westen beordern und regieren kan und die zuhbret, wie er samt ihnen lauter hohe Sachen sagt und doch versteht, — oder ob der Sohn glüklicher ist, der wie einige Helden deö Alterthums, daGlük hat, noch bei Lebzeiten seiner Mutter zu triumphieren. Ich habe niemals, in mei nen Schriften und Thaten einen Stein auf gehoben gegen den sel. ,'Burchardt Groß mann, der in die Jnizialbuchstabcn der Stanzen im Liede: „Brich an, du liebe Morgenröthe," seine Namenölcttcr» vertheil-
203 theilte, und «och weniger bewarf ich arme Kräuterweiber, die schon bei Lebzeiten ihren Leichenkattun ausplättcn und T’T Dutzend
Todlenhemdcn für sich ausnähen.
Ich halte
auch den Man nicht für weise, —■ obwvl für recht klug und pedantisch, — der sich die Gallenblase vol ärgern kan,
daß jeder
von uns Blatminierern daS Herzblat, wor
auf er sich nagend hcrumschiebt,
für einen
Augarten, für einen fünften Weltthcil an
sieht wegen der Nahe und Weide, die Dlatporen für Tcmpe-Thaler^. das Blatterskelet für einen Freiheits - Brod - und Lebensbanm,
und deu Thautropfcn für die Fluth. — Wir Tag - Abend- und Nachtraupcn fallen sämt
lich in den nämlichen Jtthum, aber nur auf andern Blattern und wer (welches ich thue),
über die wichtige Miene lacht, mit der der Mektor Landeoprvgrammen, der Dramaturg
Komvdienzcttel, ein Kennikvttischer Varian
ten -
Almvsensamler Buchstaben aufkauft;
der thut es, wenn er weise ist — wie hier
der Fall ist —- mit dem Dewustsein seiner ahn-
204
ähnlichen Narhcrt und lacht an seinem Nächsten nichts aus, als die Menschheit und ssch. — — Die Mutter war nicht zu hakten: sie «rüste diesen Abend noch fort nach Hukelum und Thiennctten nur wenigstens etwas berich» ten von dieser Herrlichkeit. — Jezr wird die Welt hundert gegen ein wetten, daß ich nun biographisches Wachs nehmen, und ein Wachsfigureukabinet von dem Aktus selber bossieren werde, das einzig in seiner Art sei. —- •— Aber Mitwoch Morgcnds, als sich der hofnungstrunkene Konrektor eben anzukleiden dachte: klopfte etwas an —- — Es war der bekante Bediente deS Rrt» Meisters, der die Vokazion an den Subrektvr Füchslein hatte. Zum leztern solle der gute Mensch diesen Wildruf ins Pfaramt tragen; aber er distinguierte elend zwischen Sub- und Kon- Rektor und hatte über» Haupt seine guten Gründe, warum er zu die» fern kam: denn er dachte, „wer wils weiter krie-
805 kriegen als der den vorigen Sontag predigte,
und aus dem Dorfe her ist, und der ja mit unserer Fräulein Thiennctte im Gerede ist
und dem ich ja schon «ine Uhr und die Zopfdukaren habe bringen muffen."
ausser die Paar tausend Leser, die mit mir ins Fenster sehen, — die Proviantbäckerei
nnd den ganzen Küchenwagen des Geburts
fe,
351
festes beschicken und das beste Tischzeug und
Eingemachte ungesehen austragcn tönte. Der Seelensörger hielt es für keine Sün
de, die Kirchleute so lange zu ermahnen und aufzurichtcn und zu bedrohen, bis er dachte,
die Suppe dampfte über die Teller.
Dann
führte er die Neugcborne nach Hause und stelle sie pldzlich vor dem Altar mit Speis opfer, vor einen süssen Vuchdruckersiok aus
Brodtortt,
worauf ihr
Name mit achter
Mönchsschrifr aus Gaumbuchstaben von Mandeln
eingebacken
war.
Im Hinter
gründe der Zeit und der Stube verberg' ich
gleichwol noch zwei — Flaschen Pontak. —
Wie. schnei werden am Stiale der Freude« Deine Wangen reif, Thiennette, als Dein
Ehchcrr feierlich sagte: „es ist heule Dem Geburtstag und der Herr segne Dich und be hüte Dich und lasse sein Angesicht über Dich
leuchten und schenke Dir zur Freude Deiner Schwiegermutter und Deines Mannes ins
besondere ein glückliches, fröhliches Kindbette, Amen!" — Und da Thiennette sah,
daß
die
2Z2
die alte Frau alles dieses selber gekocht und aufgetragen hatte: so fiel sie ihr um de» HalS als wenn es ihre Mutter gewesen wäre. Rührung besiegt den Appetit. Aber Firleins Magen war so stark wie sein Herz, und keine Art Bewegung wurde über seine peristaltische Herr. Getränk ist der Gelenk saft der Zunge, wie Essen ihr Henischuh. Aber früher als bis er manches gegessen und gesagt hatte, schenkt' er nicht ein. Dann hob er die Teich-Docke von Kork ans der Bouteille, und lies den geistreichen Weiher ab. Die sieche Mutter eines noch in ihr Le hen gehükten Menschen heftete in der verleg nen Rührung ihre dankbaren Augen bloS auf die alte Frau, und konte kaum zanken, daß er ihrentwegen in die Stadt zum Weinhandler geschikt hatte. Er nahm in jede Hand für jede, die er liebte, ein Glas und reichte es der Mutter und der Frau, und sagte: „auf Dein langes, langes Leben, Thiennetle! — Und auf Ihr Wolergehen , Ma ma!
253
nm! — Und stuf eine recht glükliche Ge burt unsers Kleinen, roeiui mir Golt einen schenkt!" — „Mein Sohn, sagte die Kunst-Gärtnerin, aber aus Dein langes Le ben müssen wir hauptsächlich trinken, weil wir von Dir erhallen werden. — Gott mache Dich ja alt!" — fügte sie beklom men hinzu, und ihre Augen verrieihen ihr Herz. Ich habe nie von dem schrankenlosen Flattersinne des weiblichen Gcschlechies eine lebhaftere Vorstellung als zur Zeit, wo eine Frau den Engel deö Todes unter ihrem Her zen tragt, und doch in de» neun Monaten vol Todesanzeigen keinen grösser» Gedanken hat,, als den an ihre Gevattern und an das, waS bei der Taufe gekocht werden sol. Aber Du, Thiennette, hattest edlere Gedanken, obwol jene auch mit. — Der noch eingehülte Liebling Deines Herzens ruhte vor Dei nen Augen wie ein kleiner auf einen Grab stein gebildeter Engel, der mit seiner kleinen Hand immer auf Dein Sterbejahr hinzeigte, und
254
und jeden Morgen und jeden Abend dachtest Du mit einer Gewisheit des TodeS, von der ich Vie Gründe noch nicht weis, daran, daß die Erde eine dunkle Baumanöhble ist, «?o das Menschenblut wie Tropfstein, indem eS tropft, Gestalten aufrichtet, die so flüchtig blinken, und so früh zerfliessen! — Und das wars eben, warum Deine Thränen un aufhaltsam auS Deine» sanften Augen quol len, und alle Deine ängstlichen Gedanken an Dein Kind verriethen; aber Du machtest den traurigen Erguö Deines HerzcnS durch die Umarmung wieder gut, worin Du mit neuer entzündeter Liebe an Deinen Gatten fielest und sagtest: „eS gehe wie es wil, Gottes Wille geschehe, wenn nur Du und mein Kind am Leben bleiben — aber ich weis wol, daß Du mich. Bester, so sehr liebest wie ich Dich." . . . Lege Deine Hand, Mutter, vvl Segen auf sie; und Du, gutes Schiksal, ziehe Dein« niemals ab von ihnen! — Ich
-55 Ich stehe zwar vvl Rührung
und vol
Glükwünsche neben dem Kusse zweier Freun
dinnen , und neben der Umarmung von zwei tugendhaften Liebenden, nnd aus dem Feuer
ihrer Altare fliegen Funken in mich;
aber
was ist diese Erwarmung gegen die sympa« thetische Erhebung,
schen,
wenn ich zwei Men
gebükt unter einerlei Bürden,
ver
knüpft zu einerlei Pflichten, angefeucrt von
derselben Sorge für einerlei kleine Lieblinge, einander in
einer
schönen Stunde an
die
überwallenden Herzen fallen sehe? Und wenn
es vollends zwei Menschen thun, die schon
die Trauerschleppe des Lebens, nämlich das
Alter,
tragen,
deren Haare und Wangen
schon ohne Farbe, deren Augen ohne Feuer
sind und deren Angesicht tausend Dornen zu Bildern der Leiden ausgestochen haben, wenn diese sich umfangen mit so müden alten Ar
men, ber;
und so nahe am Abhange ihrer Grä
und wenn sie sagen oder denken:
„eS
ist an uns alles abgestorben, aber doch un
sere Liebe nicht — o wir haben lange mit «in-
rz6 einander gelebt und gelitten, nun wollen wir auch zugleich dem Tode die Hände geben und uns mit einander wegführen lassen:" — — so rufet alles in uns aus: v Liebe, dein Funke ist über der Zeit, er glimt weder an der Freude noch an der Rosenwange, er er» lischt nicht, weder unter tausend Thränen, noch unter dem Schnee des Alters, noch unter der Asche Deines — Geliebten. Er erlischt nie; und Du Algütiger, wenn cS keine ewige Liebe gäbe, so gab' es ja gar keine! ... Dem Pfarrer ward' es leichter als mir, sich einen Uebergang vom Herzen zum Ma gen zu bahnen. Er trug jezt Thiennetten, deren Stimme sich sogleich erheiterte —- in des ihr Auge einmal ums andere zu glanzen anficng — sein Vorhaben vor, daS Frost wetter zu benützen, und so viel ins Haus einzuschlachren, als sie haben: „daS Schwein kau kaum mehr aufstehen" sagt' er, und bestirnte den Entschlus der Weiber, ferner den Mezger und den Tag und die
257 Zahl der Schlachtschüffeln: er besprach alles
mit einer Pünktlichkeit, mir der die Kriegs, innung (welche den Trokar der Überfüllen Menschheit,
nämlich das Marsschwert am
sezt) einen Tag vorher zu Werke geht, ehe sie
eine Provinz ins Haz - und Schlachthaus treibt.
Darauf fieng er an, Winters Anfang,
ganz froh über
der heute nm acht Uhr
zwei und zwanzig Minuten morgens einge treten war, zu thun und zu reden, „weil es doch wieder, sagt'er,
stark aufs Frühjahr
losgehe, und man morgen nicht so viel Licht verbrennen dürfe als heule."
Die Mutter
siel ihn zwar mit dem Gewehr ihrer fünf Sin
ne an;
aber er hielt ihr die astronomischen
Tabellen entgegen und bewies, die Zunahme
des Tages sei eben so unlaugbar als unmerk bar.
Lezlich fragte er wie die meisten Amt-
und Eheleute nichts darnach,
ob ihn seine
Weiber fasseten oder nicht, und benachrich tigte sie in juristisch - theologischer Einklei
dung ; „heute nachmittags schieb' ers nicht R
mehr
mehr auf, sondern halte beim hochpreislichck Konsistorium,
welches jus
circa sucra
habe, um einen neuen Knopf für den Kirchihnrm an, um so mehr, da er bis auf das
Frühjahr eine reichliche milde Beisteuer von
der Parochie herausgebettelt zu haben verhoffe." — „Wenn uns Gott den Frühling erleben lässet (sezte er äusserst fröhlich hinzu) und D« glüklich uiederkommst: so könnt' ich
alles so disponieren, anfgesetzct würde,
daß der Knopf gerade
wenn Du Deinen Kirch
gang hieltest, Alte!" Darauf rükte er den Stuhl leicht vom
Schenk- und Nachtisch an den Arbeitstisch, und verfaS den halben Nachmittag an der
Supplik um den Thurmknauf.
Da er noch
rin wenig Zeit bis z»w Dämmerung hatte,
fb sezte er das Arbeitszeug a»i sein ncucö ge kehrtes Opus an.
Es stand nämlich bei
Hukelum im Schnee draussen ein Zehntel von einem alten Ranbschloö, das er im Herbste
alle Tage wie ein reuenaut besucht hatte, um es auözuklaftern, ichnographisch zu sil-
259
honettsten, jeden Fensterstab und jeden re» stierenden Anwurf desselben genau zu Papier zu bringen. Er glaubte, er hoffe nicht zu viel, wenn er dadurch — und durch einige Zeichnungen der weniger steil- als wagrcchi tcn Mauern — „ feinem architektonischen Briefwechsel zweier Freunde über das Huke» lumische Raubschloo" jene lezte Hand, und Reife zu ertheilen meine, die Rezensenten zufrieden stellet. Denn er halte gegen die kritischen Reichsgerichte der Rezensenten nichts von derjenigen Verachtung, die einige Schriftsteller wiiklich besitzen — oder nur affektieren wie z. B. ich. Aus dem umgefallenen Raub - Louvre wuchsen für ihn mehr Frendenblumen, als sonst vielleicht aus dem aufrechtstehenden für den Eigner. Es ist meines Wissens noch eine «nbekante Anekdote, daß alles dieses niemand zu verantworten hat als Büsching. giriern stöberte unlängst in dem Kirchenbriefgewölbe ein Handschreiben auf, worin der Geograph stch Spezialberichte vom Dorfe R r aus-
s6o ausbat. Düsching erwischte freilich nichts —-
daher mangelt wirklich das ganze Hukelum noch seiner Erdbeschreibung; —
verpestete
aber dieser
Brief stekte FirleinS Herz mit
dem anhaltenden Frühlingsfieber der Ruhm sucht an,
so daß
sein
pulssrendes Herz
nur mit dem Lukaszettel einer Rezension zu stillen und zu halten war.
Mit der Schrift
stellerei ists wie mit der Liebe:
man kan
beide Jahrzehende lang zugleich begehren und
ist aber einmal der erste Funke
entrathen;
von ihnen in dein Pulverlager gefalle»: dann brents fort bis ans Ende.
BloS
Winters«Anfang
wegen
muste
Heuti eine besonders warme Stube gemacht werden, die er wie• gross Müsse und Baren mützen mehr liebte als man dachte.
Dämmerung,
des Tages,
dieses
Die
schöne Chiaroscuro
diesen farbigen Vo>ginnd»der
Nacht, dehnte er so lang wie möglich aus,
um darin auf Weihnachten zu— studieien; und doch kont' es seine Frau ohne Bedenken
wagen, ihm gerade, wenn er mit dem »rü
ge-
s6r
gehangenen Saetuch vol göttlichen Worts« Samen ^die Stube auf und ab gieng, einen Löffel vol Bieresst'g vorzuhalten, damit er ihn dem Gaumen anprvbierte, ob er abzu giessen sei von der Essigmntter. Lies er denn nicht sogar, ob er gleich Rögner lieber spei» ste, allemal einen Milchner aus der Hee ringstonne ziehen, nur der geliebten Frau we gen? — Jezt kam Licht; und da gerade der Winter seine Glasmalerei auf den Scheiben anfieng, seine Eis-Blumenstücke und seinen Schnee-Baumschlag: so sah der Pfarrer, es sei Zeit, etwas Kaltes zu lesen, was er seine kalte Küche nennte, nämlich die Be schreibung eines entsezlich- frostige» Landes. Dasmal wars die Wmtergeschichte der vier russischen Matrosen auf Nova Zembla. Ich meines Orts hefte im Sommer wenn der wüh lende Zephyr Blütenglocken aufblaht, die Landkarren und Aufrisse von Welsch - und Morgenland noch als neue Landschaften an die, worin ich sitze. Und doch nahm er hen» R z U
s6r te
noch die Stadtchronik von Flachsenfingen
zur Hand,
um mitten unter den Schüssen,
Pestilenzen, Hunger-nöthen,
langen Schmpen
Kometen mit
und den Rauschen aller
Höllenflüße des dreißigjährigen Kriegs mit
einem Lhre nach derGcsindesiube hinzuhvrcn, wo man den Krautsallat für seinen Entenbra
ten zerschneidet. Gute Nacht, Alter! ich bin mat.
Der
gute Himmel schicke Dir im Frühjahr 1794, wen» die Erde ihre Menschen wie kostbare
Nachtraupen auf Blättern und Blumen herumtragt, den neuen Thurmknopf und einen
dicken wohlgestalteten —■ Buben dazu!j
Eilfter Zettelkasten Frühling — Investitur — und Niederkunst.
Ach stehe von einem wunderbaren Traume auf; aber der vorige Kasten macht ihn natür-
liH.
s6r te
noch die Stadtchronik von Flachsenfingen
zur Hand,
um mitten unter den Schüssen,
Pestilenzen, Hunger-nöthen,
langen Schmpen
Kometen mit
und den Rauschen aller
Höllenflüße des dreißigjährigen Kriegs mit
einem Lhre nach derGcsindesiube hinzuhvrcn, wo man den Krautsallat für seinen Entenbra
ten zerschneidet. Gute Nacht, Alter! ich bin mat.
Der
gute Himmel schicke Dir im Frühjahr 1794, wen» die Erde ihre Menschen wie kostbare
Nachtraupen auf Blättern und Blumen herumtragt, den neuen Thurmknopf und einen
dicken wohlgestalteten —■ Buben dazu!j
Eilfter Zettelkasten Frühling — Investitur — und Niederkunst.
Ach stehe von einem wunderbaren Traume auf; aber der vorige Kasten macht ihn natür-
liH.
r6z kich.
Mir träumte: „alles grüne — alles
dufte — ich schaue nach einem unter der
Sonne blitzende» Thurmknopf hinaus, ru hend im Fenster eines weissen. Gartenhaus gens,
die Augenlieder
vol Blumenstaub,
die Achseln vol dünne Kirschenblüte»,
die
Ohren vol Gesiinise des benachbarten Bienen standes. — Darauf trete langsam zwischen die Rabatten der Hukclumische Pfarrer und
steige ins Gartenhaus und sage feierlich zn mir:
„Wolgeborner Herr,
eben ist meins
„Frau von einem Knablein entbunden worden
„ und ich unterfange mich. Dieselben zn „bitten, an solchem das heilige Werk zu ver-
„ richten, wenn es in den Schoos der Kirchs „ausgenommen wird." —> Ich fuhr ganz natürlich auf und der —> Pfarrer Firlein stand noch leibhaftig neben meinem Bette, rind bat mich zu Gevatter:
denn Thiennette wqr heute Nachts irrn i Uhr
niedergekommen.
Die Geburt war darum
so glüklich als wie in einem Gcbahrhanse fers
übergegangen, weil der Barer schon erliche. R 4
Mo-.
264 Monate darauf gedacht hatte, den sogenann ten Klapperstein, der im Hör' . des Adlers gefunden wird, beizuschaffen und Eeburtshälfe damit zu leisten: denn dieser Stein ver richtet in seiner Art alles, was die Mütze ei nes alten Minoritcn in Neapel, von dem Gorani erzählt, an solchen Kreisenden er zwingt , die sie aufsetzen — Ich könnte den Leser noch länger kränken; aber ich lasse willig «ach und decke ihm die Sachen auf, Einen solchen Mai wie den diesjährigen (von 1794) hat die Natur bei Menschcngedenken nicht — angefangen: denn wir ha ben erst den fünfzehnten. Leute von Einsich ten musten sich seil Jahrhunderten jedes Jahr einmal ärgern, daß die deutschen Sänger Mailieder machten, da andere Monate eine poetische Nachtmusik weit eher verdienen; und ich bin oft so weit gegangen, daß ich den Sprachgebrauch der Marktweiber angrif, und stat Maibutter, Juniusbutler sagte, des gleichen nur Junius« Marz- Apnllieder. — Aber
265
Aber du, diesjähriger Mai! verdienest alle Lieder auf deine rauben Namensvettern auf einmal I — Beim Himmel! wenn ich jezt
ans der gaukelnden heldnnkcln Akazienlaube
des Schlosgartens, in der ich dieses Kapitel schreibe, heranstrete in den weiten lebendigen
Tag, und zum wärmenden Himmel aufsehe,
und über seine unter ihm anfquelleude Erde: so thut stch vor mir der Frühling wie ein vol
les kräftiges Gewitter mit einem blauen und grünen Glanze auf. — Ich sehe die Sonne
am Abendhimmel in Rosen stehen,
ihren Stralenpinsel, Erde ausgemalet,
in die sie
womit sie heute die hineinwirft,
—
und
wenn ich mich ein wenig umsche in ihrer Ge
mäldeausstellung : so ist ihre Schmelzmalerei auf den Bergen noch heis, — auf dem nas
sen Kalk der nassen Erde troknen die Blumen mit Saftfarben gefült, und a» den Bachen
die Dergismeilttiicht mit Miniaturfarben — unter die Glasur der Ströme hat die Malerin
ihr eignes Ange gefassct, und die Wolken har
sie wie ein Dekorationsmaler nur mit wilden R 5
Um-
266 Umrissen und einfachen Farben gezeichnet; und so fleht sie am Rande der Erde und blikt ihren grossen vor ihr flehenden Frühling an,
dessen Faltenwurf Thaler sind, dessen Brust«
beugn er Garren und dessen ErrörHen ein FrüH-
liugsabrnd ist und der, wenn er sich aufrich«
ter, der — Sommer wird.
Aber weiter!
und
In jedem Frühling
—
in einem solchen gar — geh' ich zu
Fasse den Zugvögeln enrgezen, und verreise den hypochondrischen Bodeusaz des WinrerS.
Ich glaube aber nicht,
dast ich nur den
Thurmiliopf von Hukelum,
der in einigen
Tagen abgehoben wird, geschweige diePfar«
leute gesehen härte, war' ich nicht beim Flachsenfingischen Superintendenten und Kon» siflorialrath gewesen.
Bei diesem kundschaf
tete ich Firleins Lebenslauf, — jeder Kan« didat muS seinen an das Konsistorium lie«
fern — und sein noch tolleres DirschreibeN
um den Thurmgiebel aus.
Ich ersah mit
Vergnügen, wie lustig der Kauz hi seinem En-
267
Entenpfuhl und Milchbad von Loben schnalze und plätschere — und nahm mir die Reise
zu seinem Ufer vor.
Es ist sonderbar d. h.
menschlich, da st wir originelle Menschen und
originelle Bücher das ganze Jahr lang wün schen und preisen: haben und sehen wir sie aber,
so erzürnen sie uns, —
sie sollen
uns ganz ansieben und schmecken, als ob das
eine andere Originalität könnte, als unsere eigene.
Es war Sonnabends den dritten Mai,
daß ich, der Superintendent, der Senior eapituli,
und einige weltliche Rathe aus
brachen und einsiiegcn,
und «ns in zwei
Wagen vor die Hausthüre des Pfarrers brin
gen liessen. nicht —
ers werden.
Die Sache war, er war noch
investieret
und morgen soll'
Ich dachte nicht, als wir am
weissen Spalier des Schlosgartenö vo>beifuh ren, daß ich darin ein neues Werkgen schrei«
den würde. Ich
268
Ich seht den Pfarrer noch in seinem Pe, rücken - Grauwerk und Kopfgehanse an die Wagenrhüre anspriygen und uns herauöziehen — so lächelnd — so verbindlich — so eitel als aufmerksam auf die herausgezogne Fracht. —- Es schien als hätt' er den Reiseflor des Schmerzes auf der Lebens reife gar niemals nmgenvmmen -— und Thicnnctte schien ihren niemals zurückge schlagen zu haben. W:e war alles im Hau se so net, aufgcschmükt und poliert! Und doch so still ohne das verdammte Sturmläu ten der Dedientenglocken, und ohne die fau len Trommelbässe des Treppen -Pedalierens! — Indes die Herren im obern Zimmer an ständig fassen, zog ich nach meiner Art wie rin Geruch im ganzen Hanse herum, und mein Weg führte mich durch die Wohnstube, über die Küche, und endlich in den Kirchhof am Hanfe. Guter Sonnabend, ich will dei ne Stunden so gut ich kau, mit schwarzem Indenpech von Dinte in die Uhrblätter frem der Seelen zehnen! — In der Wohnstube hob
269 hob ich vom Schreibtisch einen an Rücken und Ecken vergoldeten Band mit dem Rückende kret !
„Heilige
Reden
von giriern,
erste
Sammlung" auf — und da ich nach dem Druckort sehen wollte, war die heil. Samm
lung geschrieben»
Ich fühlte die Schreib,
spuhlen an und tunkte in die Negerschwarze
der Dinte ein — und ich befand, daß alles ganz gut war: bei hcrumsitcgenden Gelehr ten , die nur ein Departement der auswärti
gen Angelegenheiten haben und keines der in nern, ist ausser einigen andern Dingen nichts
schlechter als Dinte und Federn.
Aach fand
ich eine Kupferplatte, auf die ich wieder zu
rückkommen werde. ■—
In der Küche, die man zum Schreiben eines englischen Romans nicht nöthiger hat
wie zum Spielen eines Deutschen, fönt* ich mich neben Thiennetten stellen und mit schü ren helfen,
und in ihr Gefickt und in ihr
Kochfeuer zugleich sehen.
Ob sie gleich in
der Ehe war; wo weisse Rosen auf den Wan
gen zu rothen werden — worin dte Mäd
chen
270 chcn einem Gleichnis in der Note *) gieb
chen; — und obgleich das Dratenhvlz eine erlogene Schminke auf sie warf: so errieth
ich doch, wie blas sie ungefähr sonst gewesen
war, und meine Rührung über ihre Farbe
stieg durch den Gedanken au ihre Bürde noch höher,
die ihr heute Nachts das Schiksat
Nicht so wol abgenommen als blos in ihre Arme und naher an ihr Herz
grleget hat.
Wahrlich ein Man mus nie über die mit eines
Ewigkeit bedekte Schöpfungsminute der Welt nachgcsonnen haben,
der nicht eine Frau,
deren Lebensfaden eine verhülle unendliche Hand zu einem zweiten spint,
nnd die den
Uebergang vom Nichts zum Sein, von der
Ewigkeit in die Zeit verhüll, mit philosophi scher Verehrung anblikt, — aber noch weni ger mns ein Man je empfunden haben, des
sen Seele vor einer Frau in einem Zustande, «v sie einem unbetonten ungesehenen Wesen noch
*) Dem Frühling nämlich, ter mit weissen Schneeblus tnen cmsängt, und mit Nos»n nnd Nelken schliesset.
L7 I
»och mehr dufcpfert als wir beit bekamen,
nämlich Nächte, Freuden, und oft das Le hen, sich nicht tiefer und mit grösserer Rüh
rung bükt als vor einem ganzen singenden Non
nen-Orchester, auf ihrer Sarawüstc;
und
schlimmer als beide ist einer, dem nicht seine
Mutter alle andere Mütter verehrungswmdig macht. — „ES ist Dir weiter nickt dienlich, arme
Thlennette, (dacht' ich) daß sich jezt unter
dem Volgiessen Deines bittern Krankenkelches die lärmenden Feste Haufen. “
Die Investi
tur und die Knopf - Erhöhung meint’ ich. Mein Rang, dessen Diplom der Lefer in den
„Hundsposttagen"
einZeheftet
findet
und der sonst der ihrige war, hezte mir ein Heer zurükhaltender,
verlegner und schwan
kender Aeussernngeu von ihr auf den Hals,
die ich mit Mühe zerstreuete,
und womit
«llemal die Leute vor Höhern oder Niedem aufzichen, zu denen sie sonst gehöre hatten.
Ich konte weoer mit ihr noch mit ihm den Sonanbend und Sonntag recht ins Geleise
kom-
272 kommen,
bis die andern Herren fort waren.
Die alte Murrer wirkte wie dunkle Ideen, stark und fortdauernd aber ohne sich zu zei»
gen: das wird durch ihre abgöttische Scheu vor uns erklärt, und znm Theil durch einen
stillen Kummer,
der sich wie eine Wolke in
ihr (wahrscheinlich über die Niederkunft ihrer
Schwiegertochter) aufzog.
Ich kreuzte, so lange das Mond-Achtel noch flimmerte, auf dem Gottesacker herum,
und milderte meine Phantasien, die zu leicht mit dem Braun zerbröckelter Mumien malen,
nicht nur durch das Abendrvth sondern auch durch die Erwägung, wie leicht unser Aug'
und Herz sich sogar mit den Trümmern des
Todes versöhne, eine Erwägung zu der mir der pfeiferrde Schulmeister, der das Gebein
haus auf morgen ordnete, und die singende
Pfarmagd verhalf,
die
Graber abgrasete.
Warum wollen wir uns diese Angewöhnung
an alle Gestalten des Schiksals nicht auch
aus die andere Welt von unserer Natur und von unserem Erhalter versprechen? — Ich bläk-
»73
blätterte die ■ Leichensteine durch und denkt noch jezr, der Abergläubige '-) har Recht, der dem Lesen derselben Verlieren deS Ge» dächtnisses beilegt, allerdings vergisset man tausend Tinge dieser Er» de. .... Die Investitur am Sontage, dessen Evangelium vom outen H rten auf den AktuS paste, mns ich kmz abfertigen, weil alleErhabene die Redseligkeit nicht leiden satt. Zch werde aber doch das Wichtigste mitgetheiler haben, wenn ich ber chre, dass dabei getrunken wurde — im PfarhouS, — ge lautet — im Chor, — vvtgelksen — vom Senior die Dokazion, vom weltlichen Rathe das Ralifikajtonsreskript, und gepre digt — vom Konststorialrarhe, der den Seelsorger nahm und ihm der Gemeinde und diese jenem präsentierte, gab und znficverre, Arlein fühlte, er gehe alö ein Hohrtpr.ester aus «) Dieser christliche Merglaube ist nicht blo- ein rabbinischer sondern «uch ein rörmscher. Cicero de Scncctutc*.
S
»74
aus der Kirche, in die er alS ein Landpfar rer gekommen war und hatte den ganzen Tag
nicht daS Herz, einmal zu fluchen.
Wenn
der Mensch feierlich behandelt wird, so sieht er sich selber für ein höheres Wesen an und begeht sein Namensfest mit Andacht.
Dieses Aufdingen, diesen Klosterprvfes ordnen die geistlichen Oberrabbi und Logemei
ster, —
die Superintendenten — sonst
gerne an,
wenn der Pfarrer schon einige
Jahre der Gemeinde vorgestanden ist, sie ihn vorzustellen haben,
der
wie die erste»
Christen die Emweihnng und Investitur zum Christenthum, die Taufe, gern in den Tag.
ihres Todes verlegten, — ja ich glaube nicht einmal, daß die Investitur etwas von ihrem Nutzen verlöre,
wenn sie und daS
Amrsjubileum auf Einen Tag aufgesparet würden, uw so mehr, da dieser Nutzen ganz
in dem besteht,
waS Superintendent und
Rathe theils schmausen theils kriegen. Erst gegen Abend lernten wir beide imkennen.
Di« Investitur-Offizianten und Hebungs-
»75
bungsbedienten hatten nämlich den ganzen Abend sehr — geathmet. Ich meine so: da die Herren au- den ältesten Meinungen «nd neuesten Versuchen wissen musten, Luft sei nicht- als verdüntes auseinander geschla gene- Wasser : so konten sie doch leicht erra then, daß umgekehrt Wasser nichts sei aleine dickere Luft. Und Wrintrinken ist nichtalS das Athmen einer zusammengekeltertea mit einigen Wolgerüchen bestreueten Luft. Nun kan in unsern Tagen nicht genug (flüssi ger) Athem von geistlichen Personen grholet werden durch deu Mund, da ihre Verhält nisse ihnen da- Athmen durch die kleinern Poren untersagen, da- Abernethy unter dem Namen Luftbad so anempfiehlt: sol denn der Speiscschlund bei ihnen erwaS an der- sein als der Wand- und Thürnachbar der Luftröhre, der Mit lauter, der NebenschöSling der leztern? — Ich verlaufe mich: ich wolts berichten, daß ich Abends der nämlichen Meinung zugethan war, daß ich aber diese Luft oder diesen Aether nicht S 2 wie
a?6 wie jene zum lauten Gelächter verbrauchte/
sondern zum stiller» Beschauen des Lebens,
Ich lieS sogar gegen meinen Gevatter einige
Sieben, schiessen,
die. Gottesfurcht verrie
then, — welches er anfangs für Spas neh men wolte, weil er wüste, ich wäre von Hofe
und Rang.
Aber der Holspiegel des Wein»,
Nebels hieng mir endlich die Bilder meiner.
Seel« vergrdssert und verkörpert al- GeisterGestalten mitten in die Luft hin, — Das
Leben schattete sich mir zu einer, eiligen Johannisnqcht ein, hie wir schiessend» Johan niswürmgen glimmend durchschneiden,
-—
ich sagte ZN ihm, der Mensch wüste sich wie die Blatter der grossen Malve, in den ver»
schiedenen Tagszeiten seines Lebens >
bald!
nach Morgen bald nach Abend richten,
bald
in der Nacht gegen hie Erde und gegen iljrr Gräber zu, — ich sagte, die Almacht des. Guten trieb' unS und die Jahrhunderte den Thoren der Stadt Gottes zu, wie der Wi derstand deS
Aerherö
nach Euler die,
umkreisende Erde her Sonne -».führt u, s. w. Er-
277
Er hielt mich dieses EinschiebessenS we gen für den ersten Theologen seiner Zeit und hätte von mir, wenn er Kriege hätte anfan gen müsse», vorher Gutachten eingehvkt rote sonst kriegführend« Machte von den Refor, mazionstheologen. Ich verhalte mir aber doch nicht, das waS die Pfärret Eitelkeit dir Erde nennen, ist etwas ganz anders als was die Philosophie so nennt. Als ich ihm vol lend- eröfnete, ich schämte mich nicht, «in Autor zu seyn, sondern beschriebe dieses und jenes Leben, und ich hättt seine eigNd Diögraphie beim Herrn Superintendenten zu Gesichte bekommen und war« im Stande, daraus eine gedrillte zu fertigen, falS er mir mit einer und der andern Fldischfarbe zu Hülfe kommen wvlte: so war blos meine Seide, die leider nicht blos gegen das elek trische Feuer, sonder» auch gegen eilt besse res isoliert, das Gitter, das sich zwischen mich und seine Arme sielte: denn er war wie Dir meisten armen Landpasteren nicht im Staube, irgend einen Rcng zu vergessen S 3 oder
278 ober seinen mit dem höher« z« verquicken. Er sagre: „er würd' es venerierlich erkennen, wenn ich seiner im Drucke gedächte; «der er befahre zu sehr, sein Leben sei zu einer Be schreibung zu gemein und zn schlecht." Gleich wol machte er mir die Schublade seiner Zet telkästen auf, und sagte, er glaub« mir da mit vorgearbeitet zu haben. Dje Hauptsache aber war, er hoste, sei ne errata, seine cxercitation.es und seine Briefe über da- Raubschlvs würden, wenn ich vorher ihnen den LebenSlauf ihres Ver fassers vvransschikte, besser ausgenommen, und es wäre so viel, als begleitete ich sie mit einer Vorrede. Kurz ich blieb, al» den Montag die andern Herren mit ihrem NimbuS wegdampflen, allein bei ihm als Niederschlag sitzen — und sitze noch fest d. h. vom fünften Mai an bis (das Publikum solle den Kalender von ,1794 nebttt sich aufgeschlagen hinlegen) zum fünfzehnten, — heute ist Donnerstag, mor gen ist der sechzehnte und Freitag, und die ft-
279 sogenante Spinatkirmes und bfe Aufhebung des Thmmknopfes, die ich itur abzuwarten »orhatte, eh' ich gienge. Jezt geh' ich aber nicht, weil ich Sontags den Taufbund als Tauf-Agent für mein Pathqen schliessen mus. Wer mir gehorcht und den Kalender aufge schlagen hat, der kan sich leicht vorstelle», warum manS auf de« Sonrag verschiebt: es fället da jener denkwürdige Kantaiesontag ein, der einmal in unserer Geschichte wegen seiner närrischen, narkotischen SchierlingsKräfte, — jezk aber nur wegen der schönen Verlobung wichtig ist, die man nach zwei Jahren mit einer Taufe zelebriere» wil-.
Ich bin zwar nicht km Stande, — aus Armuth an Farben und Pressen, — die weiche duftende Blumenkette von vierzehn Tagen, die sich hier nm mein krankes Lebe« ringelt, aufs Papier abzufärbm oder abzu pressen; aber mit einem einzigen Tage kan ichs versuchen. Ich weis wol, der Mensch kan weder seine Freuden noch Leiden errathen, S 4 noch
280 «och weniger kan er sie wiederholen, im Le»
ben oder Sch-eiben.
Die schwarze Stunde deS. Koffers hat Gold im Munde für uns und Honig: hier in der Morgenkühle sind wir glle beisammen,
wir halten populäre Gespräche, damit die
Pfarrerin und die Kunstgailnerin sich darein mischen können,
DerFrühgoltesdienst in der
Kirche, worin oft das ganze Volk *) sizt und singt,
wirst uns aueeinander.
Ich mar?
schiere unter dem Glockengeläute mit meinem Stachel Schreibzeug in den sin.genccn Schlos-
garten und setze mich in der fnici en Akazien laube an den berhauelen zweibeinigen Tisch.
Firleuis Zettelkästen hab* ich schon in der Ta
sche bei
mir und ich darf nur naLschauen und
aus feinen nehmen,
was in meine taugt.
Sonderbar!. so leicht vergiffet der Mensch
eine Sache über-ihre Beschreibung: ich dach
te
jezt warlich nicht cm wenig daran, daff
ich •) Denn sunfzclm Personen mache» nach den Juri sten schon eines.
281 ich.ja eben auf btm zweibeinigen Lauben« tische-, von dem ich rede, jezt alles dieses schreibe.
Mein Gevatter arbeitet unterdessen auch für die Welt.
Seine Studierstube ist die
Sakristei,, und der Presbergel ist die Kanzel, die er braucht, um die ganze Welt auzupredigen: denn ein Sinter ist der Stadrxfarrer
des
Universums.
Ein Mensch,
Buch macht, hangt sich schwerlich;
der ein
daher
sollen alle reiche Lords-Sdhne für die Presse arbeiten: denn man bat doch wenn man .zu
früh im Bette erwacht, einen Plan, ei« Ziel und also «ine Ursache vor sich,
warum
man daraus steigen sol. . Am besten fahret dabei ei» Autor,
der mehr sammelt alö er
findet — weil das leztcre mit einem ängst lichen Feuer das Herz kalzinieret; —
ich
lobe den Antiquar, Heraldiker, Notenma
cher, Samler, ich preise den Titel barsch
(ein Fisch,
Namens perca diagramma,
wegen seiner Buchstaben auf den Schuppen)
und den Buchdrucker, (ein Spekkäfrr, Nä
sst 5
menS
282 mens scaräbaeus typographus ,
der in
die Rinde der Kienbänme Lettern wühlt), —
beide brauchen keinen grösser« oder schönem
Schauplaz der Welt als den auf dem Lum penpapier, und keinen andern Legestachel als einen spitzigen Kiel, um damit ihre vier und zwanzig Lettrrn-Eier zu legen. — In Rüksicht des räsonnierenden Katalogs, den der
Gevatter von deutsche» Drukfehlern machen wik, sagt' ich ihm einige male: „er wäre gut
und gründe sich auf die Regel, nach der man
auSgezahlet hat, daß z. B. zu einem Centner Aizero Fraktur vierhundert und fünfzig Punk
te, dreihundert Schliesquadratgen rc. nöthig sind; aber er solle doch in politischen Schrif ten und in Dedikazionen nachrechnen, ob für
«inen Jenlner Iizero Fraktur nicht fünfzig
Ausrufungszeichen viel zu wenig wären,
so
wie sechstausend Spatia in philosophischen Werken und in Romanen."
An manchen Tagen schrieb er nichts;
sondern (teste sich in den Schlauch und Rauch fang seines Priesterleks, und lies im Ornate drü-
28Z
drüben beim Schulmeister die wenigen AbcSchützen, die nicht wie andere Schätzen des Frühlings wegen auf Urlaub waren, in der Fibel exerzieren. Er that nie mehr als seine Pflicht, aber auch nie weniger. Es überlief sein Herz mit einer gelinden Warwe, daß er, der sonst unter einem Scholarchat sich dukle, jezt selber eines war. Um zehn Uhr begegnen wir unö ans un sern verschiedenen Museen und besichtigen das Lors, und besonders die biographischen Meubleu und heil. Oerter, die ich gerade diesen Morgen unter meiner Feder oder meinem Storchschnabel gehabt, weil ich sie mit mehr Interesse nach meiner Beschreibung betrach te als vor ihr. — Dann wird gespeiset. — Nach dem Tischgebet, das zn lang ist, tragen wir beide die Eharitativsubsidien oder Kammerzieler und milden Spenden, womit die Eingepfarlen dem ReligionS- und Til gungsfond des Gotteskastens beispringen wol len zum Kauf des neue» ThurmglvbuS, in
584
doppelte Handelsbücher ein: daS eme davon wird mit dem Namen der Kollatvren'oder — hat einer auch für seine Kinder dotiert —■ mit der lezter» ihrem in eine bleierne Kapsel eingesargt, und in den Thurmknopf aufgebahrt; das andere bleibt unten, bei der Re gistratur. Es ist nicht zu beschreiben, wel che Lieferungen die Ehrbegierd«., in de« Knopf hinaufzukommen, macht — ich be then« , Dauern, die schon gut gegeben hat, ten, steuerten noch einmal, wenn sie tau fen liessen.: der Julige solle auch in den Knopf. Nach dieser Buchhaltung stach der Ge vatter in Kupfer. Er war so glüklich gewe sen , heranszubringen, daß auö einem Zuge, der einem umgekehrte» lateinischen
Sie trugen mir darauf — denn wenn die Weiber einmal im offenherzigen Ergiessen sind, so schütten sie, (nur muS man nicht den Zapfhahn der Fragen umdrehen) gern alleö aus — ein Ringkästgen hin, worin er einen gefundnen Kammerhenischlüssel kon servierte, und fragten mich, ob ich nicht wü ste, wer ihn verloren. Wer wil daS wissen, da es beinahe mehr Kammerherren als Die teriche giebt? — Endlich saftete ich Herz, auch nach dem Schrankgen des Ertrunknen zu fragen, das ich bisher im ganzen Hause vergeblich gesucht, giriern selber inquirierte fruchtlos darnach. Thiennette gab der Alten einen zuredenden Wink vvl Liebe, und ich wurde von dieser zu einem ausgespreizten Reiftok hinauf ge führt, der das Schränkgen überbauete. UiiterwegeS sagte die Mutter, sie hielten eS vor ihrem Sohne verstekt, weil ihn daS Angeden ken an feinen Bruder schmerzen würde. AIS wir diese Depositenkasse der Zeit, woran das Schlos abgerissen «ar, geöfnet hatten, und alS
291 als ich in dieses GebeinhäuSgen vol Trüm»
mer einer kindlichen spielenden Borzeit ge* schauet hatte: sezt' ich mir ohn' ein Wort zu sagen vor,
diese Spielwaren der Gebrüder
Firlein noch vor meiner Abreise vor dem le*
benden auszupacken:
könl' es denn etwas
schöners geben als die überschütteten ringe» sunknen hcrkulaneischen Ruinen der Kindheit
ausgegraben zu erblicken und frei an der tust? —
Die Wöchnerin lies schon zweimal bei mir fragen, ob er zurükgekomme«.
Er und
sie haben gegen einander, eben weil sie ihrer Liebe nichr den schwächenden Ansdruk.,durch Phrasen sondern den stärkenden durch Thaten geben, eine unaussprechliche.
Andere Braut*
lenke nagen einander die Lippen und daS
Herz und die Liebe durch Küssen ab,.- wie von
Christi Statue in Rom (von Angelo) der Fus durch Küssen abgegangen, den man deswegen
mit Blech versehen; bei andern Brautleutey kan man die Zahl ihrer Entzündungen und
Ausbrüche wie beim Vesuv die der semigen, T a
de*
2-r
tereit noch drei und vierzig sind, voraus an» sagen: —* aber in diesen Menschen stieg da griechische Feuer einer mässigen und ewigen Liebe auf, wärmte ohne Funken zu verspren» tzen, und lodene aufrecht ohne zu knistern. —Jezt schläget magischer die Abendlohe aus den Fenstem der GärtnerShütte in meine Lanke und mir ist als «rüst' ich zum Schiksal sagen: j,hast dil einen scharfen Schmerz, so wirf ihn nur lieber in meine Brust und verschone damit drei gare Menschen, die zu glüklich find, um nicht daran zu verbluten, und zu eingeschränkt ans ihr kleines dunkles Dorf, um nicht zmükzufahren vor dem Wettersti ahl, der ein erschüttertes Ich ans der Erde über die Wolken reisset."------Du guter Man! jezt körnt er eilig über die Pfarwlesen. Welche schmachtende Blicke vvl LiebS ruhen schon im Auge Deiner Tbien» «ette! —- WaS wirst Du uns heute Neues aus der Stadt mitbriugen! •— Wie wird Dich morgen der aufsteigende Thurmknopf la» ben!—t
_________
Zwölf.
29Z
Zwölfter Zettelkasten. Lhurmkuopfs - Asjensiou — das SchrKitgeu. W>e heute den sechzehnten Mai der alte Knopf vom Hukelumer - Thurm abgedrehet tmb ein neuer ihm aufgesetzer worden, daS wil ich je;t bestens beschreiben, aber « jes xtcm einfach.« historischen Style der Alten, der vielleicht grossen Begebenheiten am beiten zusagt.
Sehr früh kamen in einem Wagen der Herr Hofvergolder Zeddel und der Schlos, sermeister Wachse« und die «tue PeterL Kuppel-des Thurmes an. Gegen acht -lh« lief die-Gemeinde zusehends zusammen, die aus Nntritore» des Knopfes bestand» Ei» wenig spater trafen Herr Dragonerritmeister vpn Aufhammer als Patronatoherr der Kjr; che und desThurrqs, und der Gotteshausvor steher Streichert ein. Hierauf begaben ich rmv mein Herr. Gevatter Firlein uns samt T 3 den
»94 Len Personen,
die ich schon genant habe,
in die Kirche und hielten da vor unzähligen
Zuhörern eine Wochen-Betsiunde.
Sodann
erschien mein Herr Gevatter oben auf der
Kanzel und suchte eine Rede zu halten, die
der feierlichen Handlung angemessen war, — er verlas nach ihr sofort die Name» der Gön
ner und guten Seelen, durch der«« Graziale der Knopf zusammeugebracht worden,
und
zeigte der ganzen Gemeinde die bleierne Büch se vor,
worin sie namentlich war und be
merkte, daS Buch woraus er sie abgelescu,
werde bloö in die Pfarregisiralur beigrlegt. Darauf hielt erS für nöthig, ihr und Gott zu
danke», daß er zum Entrepreneur eines sol chen WerkS wider sein ^Verdienst auserfeheN
worden.
Das Ganze beschlos er mit einem
kurzen Gebet für den Schieferdecker Stech-
m a n n, der schon aussen am Thurm hieng und den alten Schaft ablösere— und bat, daß et
nicht den Hals oder sonst ein Gliedmas bre
chen möge.
Nun wurde ein geistliches Lied
chen gesungen,
daS die meisten aussen vor der
295 der Knche mitsangen,
weil sie schon zum
Thurm hinaufsahen. Nun kamen wir auch alle heraus itnb der abgedaukre Knopf, gleichsam der abgeschnit-
tene Hahnenkam des ThurmS, wurde nieder gesenkt und abgebunde».
Der Gotteshaus-
Vorsteher Sreichert zog rin bleiernes Be-t
stek aus dem mürben Knopf, das mein Herk Gevatter zu sich (leite, um es gelegentlich durchzulesen;
ich
aber sagte
zu
einigen
Dauern: „sehet, sowerden sich eitere Namerk auch erhalten int neuen Knopfe und wenn er
nach sparen Ial)»en heruntergezogen wird: so' ist die Büchse darin und der damalige Pfars
rer lernt euch alle kennen." — ■ Und nun
wurde der neue ThurmgkobuS mir dem BleiNapf, worin sich die Namen der Umstehen-'
den aufhielten, so zu sagen vol geladen und saturieret und ans Zugseil geheftet — und
jezt machte sich der bisher der Pfargemeinde
aufgesezre Schröpftopf in die Höhe. ... Beim Himmel! jezt ist der ungeschmük-
tr Styl eine Sache
ausser meinem Vermö-
T 4
gen
syL gen — denn als der Knopf rükte, schwebte, sieg: trommelte eS mitten. im Thurm und der Schulmeister,, der vorder auS dem gegen
die Gemeinde gerichteten Schalloch hernieder? gesehen hatte, sties jetzt mit einer Trompete -u einem einsamen Seiten-Schalloch heraus, vor dem der. steigende Knopf nicht vorbei zog.
Aber als der ganze Kirchsprengcl
zappelte und jubelte, je höher das Kapital seinem Halse kam — und als rS derSchieferdecker rmpficng tinb hrrumdrrhte und der
Spitze glöklich inkorporierte — und als er eide. Baurede,
an dm Knopf sich lehnend,
zwischen Himmel urrd Erde, auf diese und auf uns alle herunterhielt — und alö mei nem Gevatter vor Wonne, der zeitige Pfar»
rer zu sein, die Thränen in den Priesterornat
herabliefe»; so war ich der einzige — wie ftint Mutter die einzige, —i- in deren See len ein gemeinschaftlicher Kummer eingrif,
um sie Zu pressen bis aufs Bluten: denn ich und die Mutter hatten, was ich nachher weit«
läuftiger sagen werde,
gestern im Käsigen deS
897 deS Ertrunkuen von seines Vaters Hand ge funden, daß er übermorgen am Kanrakc- iufb
Taufsontag — zwei und dreißig Jahre alt werde. — O, (dacht' ich,
blauen Himmel,
indem ich den
die grünen Graber;
den
glimmenden Knopf, den weinenden Pfarrer anschauele) so steht der arme Mensch allemal
mit zugebundenen Augen vor deinem scharfen
Schwerte,
unbegreifliches Schiksal!
Und
wenn du eS aufziehest und schwingest, ergdzzet ihn das Pfeifen und Wehen desselben kurz
vor dem Schlage! —Schon gestern wüst' ichS; aber ich woll
te dem Leser, den ich von weitem darauf be reitete , nichts von der traurigen Nachricht
sagen, daß ich im Schränkgen des natcrgegangnen Bruders eine alte Hausbibel, worin,
die Jungen buchstabieren lernte», mit einem
weissen Buchbinderblatte gefunden, auf das der Vater die Geburtsjahre seiner Kinder ge-: schrieben hatte.
Und eben dieses gab Dir,,
Du arme Mutter, zeither den Kummer, den wir kleinern Ursachen beimassen und . Dein T 5
Her;
298 Herz stand bisher mitten in dem Regen, der
uns schon vorübergezogcu und in einen Re genbogen verwandelt zu sein schien! —► Nur
ans Liebe zu ihm hatte sie jährlich einmal ge« logen und sein Alter verdeckt.
Recht glük-
lichcr Weise machten wir den Schrank ohne
sein Beisein auf.
Ich habe noch immer die
Absicht, ihm nach dem fatalen Sontage mit
dem bunten Nachlasse seiner Kindheit, und nut alten Christgeschenken neue zu machen. Indeß, wenn wir nur, ich und die Mutter,
ihm morgen und übermorgen unablässig wie Angelschwimfeder» und Fusblöcke nachrücken, damit kein mörderischer Zufall den Vorhang
vor seinem Geburtsschein schon zu machen.
lüfte:
so ist. es
Denn jezt würde freilich
daö -Geburtsdatum feinen Augen im mcra-. morphotischen Spiegel, seiner abergläubigen Phantasie und hinter dem vergrössernden Zau->
berdunst seiner jetzigen Freuden wie eine rothe Todes - Unterschrift entgegenbreimen. . . »
Aber noch.! dazu sizt das Dlat aus der Bibel schon höher als wir alle, nämlich im neuen
Thurm-
299
Thurnffnopf, In ben ichs heute vorsichtig eiugeschoben Hube. Eigentlich halö gar kei ne Noth. Dreizehnter Zettelkasten.
Lavstag. ^Heute ist der einfältige Kantqtesontag: aber es ist nichts mehr von tljnt noch da als eine Grunde. — Beim Himmel I vergnügt wa ren wir heute sehr. Ich glaube, ich habe so gut getrunken wie ein anderer. — Man sollte sich aber freilich in allem mässigen, im Schreiben, Trinken und Freuen; und wie man den Dienen Strohhalme in den Honig legt, damit sie nicht io ihrem Zucker ertrin ken, so sollte man allezeit einige feste Grund-f!tze und Zweige vom Baume des Erkcnntuisses i» seinen Lebenssyrup stat jener Strohhalme werfen, damit man sich darauf erhiel te und nicht darin wie eine Ratte ersöffe. Ich will aber jezt im Ernste ordentlich — schrei ben
299
Thurnffnopf, In ben ichs heute vorsichtig eiugeschoben Hube. Eigentlich halö gar kei ne Noth. Dreizehnter Zettelkasten.
Lavstag. ^Heute ist der einfältige Kantqtesontag: aber es ist nichts mehr von tljnt noch da als eine Grunde. — Beim Himmel I vergnügt wa ren wir heute sehr. Ich glaube, ich habe so gut getrunken wie ein anderer. — Man sollte sich aber freilich in allem mässigen, im Schreiben, Trinken und Freuen; und wie man den Dienen Strohhalme in den Honig legt, damit sie nicht io ihrem Zucker ertrin ken, so sollte man allezeit einige feste Grund-f!tze und Zweige vom Baume des Erkcnntuisses i» seinen Lebenssyrup stat jener Strohhalme werfen, damit man sich darauf erhiel te und nicht darin wie eine Ratte ersöffe. Ich will aber jezt im Ernste ordentlich — schrei ben
3oo den (und auch leben) und daher, um kalter
den TaufaktuS Zu referieren, mein Feuer mit Nachtthan ausgieffen und noch eine Stunde hjnauslaufen in die mit Blüten und Wellen gestikle Nacht,
wo ein lauer Morgenwind
sich düftetrunken aus Blütengipfel auf gebog ne Blumen herunterwirft, und über Wiesen
sireicht und endlich ffuf eine Woge fliegt, und
Glüklicher!
wirst Du niemals seufzen? —
Und steigt Dein erster Seufzer als Uebersatti-
gnng auf, mit der sich ja kein Wunsch, kein
Hunger gesellen timte ? — All' unser Rin
gen nach Freude soll nur unser Schmachten übertauben :
wir liegen brütend auf der kal
ten Erde wie die Vögel auf Kreide, nicht um etwas anszubrüten, sondern um die Brut
hitze der siechen Brust zu lindern. Was nun unserem Sinne deö Grän
zenlosen — »so will ich immer der Kürze wegen sagen —> die scharfabgetheilten Fel der der Natur verweigern,
das vergönnen
ihm die schwimmenden nebligen elysischen der Phantasie. Kant setzet schon das Erhabe
ne der Dichtkunst und der Natur in ein angeschauetes Unendliche.
Die Natur zwar
selber als Sinnengezenstand ist nicht erhaben
d. h.
357 fc. h. unendlich, weil sie alle ihre Massen, wenigstens mit optischen Glänzen scharf ab schneidet , das unabsehlige Meer mit Nebel oder Morgenroth, den unergründlichen Him mel mit Dlau, die Abgründe mit Schwarz. Gleichwol sind daö Meer, der Himmel, der Abgrund erhaben; aber nicht durch die Gabe der Sinne, sondern der Phantasie, die sich an die optischen Grafen, qn jene scheinbare Gränzenlosigkeit hinstellet, um in eine wahre hinüber^uschauen. Man könte fragen: war um thut sie es nicht bei jedem Blau, bei jedem Schwarz? — Man könte antwor ten : weil nicht jedes Blau einen so grossen Gegenstand nwschliesset. Ma» könte wie der fragen: warum denn eine dem Meere an Grösse gleiche Blumenebene sich mit Nebeln schliesse, ohne so erhaben zu sein wie das Meer. Die lezte Antwort aber bleibt: weil alles Grosse einfärbig sein mus, da jede neue Farbe einen neuen Gegenstand anfängt. Im einfachen Blau des Himmels wiegt die Seele ihre Flügel auf und nieder — und Z 3 aus
358 au- dem lezten Stern stürzt sie sich mit au-gebreireren Schwingen in dieUnermeslichkcit. Stelle Dir ein Arkadien vor: in dem, worauf Du teilst, halten überal HerkulesSäulen Deine Genüsse auf, und lassen blos Deine Wünsche über die Säulen fliegen; aber in einem dichterischen kan ja dein Wunsch nicht grösser sein als Dein Bezirk und das waS Du wünschest, hast Du ja eben vorher- er schaffen. — Der Steig der Wirklichkeit ist nicht bloS steiniger, sondern auch länger als der der Phantasie, die über ihm schweifet; aber wenn Du einen Dichter liesest, so hast Du noch da zu die Freude, den blumigen Jrgang einer fremden Phantasie mit Deiner eignen zu durchkreutzen. Wie wird die Phantasie, die schon die Wirklichkeit aufschmükt, erst Träume ver zieren? — Wenn ich oft meiner Phantasie in schö nen Landschaften erlaubte, Landschaftsmale reien zu machen für mich, nicht für das Pub likum: so fand ich, — und auch sonst,— daß
359 daß die aus mir aufsteigenden Fluren nur In seln und Erdstriche aus der längst versnnknen Kindheit waren. Der Traum führet auch, (wie schon Herder bemerkt), die langst weg geschobenen bunten Glasmalereien der Kind heit wieder in die dunkle Kammer des Schla fes zurük. Die Kindheils - Erinnerungen können aber nicht als Erinnerungen, deren uns ja aus jedem Alter bleiben, so sehr la ben : sondern es mus darum sein, weil ihre magische Dunkelheit und das Andenken an unsere damalige kindliche Erwartung eine unendlichen Genusses, mit der uns die vollen jungen Kräfte und die Unbekantschaft mit dem Leben belogen, Miseren, Sinne des Grän zenlosen mehr schmeicheln. DaS Jdealische in der Poesie ist nicht» anders als diese vorgespiegelte Unendlichkeit; ohne diese Unendlichkeit giebt die Poesie nur platte abgefärbre Schieferabdrücke, aber keine Blumenstücke der hohen Natur. Folglich mualle Poesie idealisieren: die Theile müssen wirklich, aber das Ganze idealisch sein. Die Z 4 »ich-
36» richtigste Beschreibung einer Gegend gehöret
darum noch in keinen Musriialnianach, fon# öern mehr in ein Flurbuch — «in Protokol-
ist darum noch keine Szene auS einem Lust» spiel — die Nachahmung der Statur ist noch
keine Dichtkunst
weil die Kopie nicht mehr
enthalten kau als das Urbild.
—
Die Poesie ist eigentlich dramatisch und
malt Empfindungen,
fremde oder eigene;
das Uebiige — die Bilder, der Flug,
der
Polklang, die Nachahmung der Sta.tuv —
diese Tinge find nur die Reiskehlen-, Maler« chatoullen
und Gerüste
zu jener Malerei.
Diese Werkzeuge veihalten sich zur Poesie, wie der Generalbas oder die Hauncnie zur Melodie, wie
das Kolorit zur Zeichnung.
Dazu setz' ich nun weiter; allo Quantität ten sind für uns endlich, alle Lualitü« ten find unendlich.
Don jenen können wir
durch die äusern Sinne Kcntnis haben, von diesen nur durch den innern. Folglich ist jede Qualität für uns eine geistige Eigenschaft.
Geister und ihre Aeusserungen stellen sich un serem
Z6r fertrn Innern eben so gränzenlos als dunkel dar.
Mithin mnS das in uns
geworfene
Sonnenbild, das wir uns vom Dichter ma chen, vergrößert, vervielsaltigt uny schim
mernd in den Wellen zittern, die et selber in
vns zusammentrieb 2:ter das warS nicht, worauf ich kom men woltc sondern darauf, wodurch und, wo
mit die schönen
Künste
auf uns
wirken.
Durchaus nur mit und durch Phantasie: das was die Gebilde der Malerei und Plastik von
Indern Körpern absondert, mus ein be
sonderes Verhältnis zu unserer Phantasie sein. Dieses Verhältnis kau nicht auf die bloss
kahle Vergleichung
hinauslaufeu,
die wir
zwischen dem Ur- und Abbilde austelleu und
aus der wir nur das matte PergnHgen besieg
ter
Schwierigkeiten schöpfen tonten.
I 5
Snl-
Lee
•) Ohne dieErwäguyg des Geistes, der schuf, wär es nicht zu erklären, wurmn eine Szene aus Sbaßespeav nur bald gefiele, wenn wir wüsten, er Uätte sie von Wort zu Wort aus irgend einem wirklichen Zusai, Pretekol, Dialoge ausgeschrie ben.
z6r
S#r sägt: eilt Gemälde gefallet uns, aber nicht daS treuere Bild im Spiegel, eine Sta tue entzükt «ns, aber nicht die treuere Wachs figur: denn die Aehnlichkeit mus ihre Grän zen haben. Ich fragte aber, warum? Wes wegen soll die vollendete Aehnlichkeit (die Gleichheit) weniger vermögen als die unvolenbete ? Es ist in diesem Sinne nicht einmal wahr und ein Portrait, dem zum Spiegel bilde nichts abgienge als die Beweglichkeit, würde uns um so wehr bezaubern. Aber in einem andern Sinne ist allerdings eine Unähnlichkeit vvnnblhen: diejenige, die in die Materie die Pantomime eines Gei stes eindrükr, kurz das Jcealische. Wir stel len uns am Chrisiuökopfe nicht den gemalten, sondern den gedachten vor, der vor der Seele des Künstlers ruhte, kurz dieSeele des Künst lers, eine Oualität, eine Kraft, etwaSUn» endliches. Wie die Schauspieler nur die Let« tern, nur die troknen Tuschen sind, womit der Theaterdichter seine Ideale auf das Thea ter malet — daher wird jedes Trauerspiel mit
Zb) mit grösserem Vortheil seines Jdealischen, im Kopfe als auf dem Schaupla; aufgeführet: —■ so sind die Fmben und Linien nur die Lettern des Malerö. Die typographische Pracht dieser Lettern vermenge man nicht mit dem erhabenen Sinn, .best» unwilkührliche Zeichen sie sind. Ich sagte u n w i l k ü h r l i-ch e. Unsere Seele schreibt mit vier und zwanzig Zeichen der Zeichen (d.h. mit vier und zwanzig Buch staben der Wörter) an Seelen; die Natur mit Millionen. Sie zwingt uns, an fremde Ichs neben unserem zu glauben, da wir ewigmir Körper sehen — also unsere Seele in fremde Augen, Nasen, Lippen überzutragen. Kurz, durch Physiognomik undPathognomik beseelen wir erstlich alle Leiber — später alle unorganisierte Körper. Dem Baume, dem Kirchthurme, dem Milchtopfe theilen wir eine ferne Menschenbildung zu, und mit dieser den Geist. Di« Schönheit des Ge, stchtS putzet sich nicht mit der Schönheit der Linien an, sondern umgekehrt ist alle Linien« und
3^4
«md Farbenschönheit nur eitt übertragener Wiederschein der menschlichen» Unser Unver mögen , uns etwas Lebloses existierend d. h. lebend zu denken, verknüpft mit unserer An gewöhnung an ein ewiges Personifizieren der ganzen Schöpfung macht, daß eine schöne Gegend uns ein malerischer oder poetischer Gedanke ist, — daß grosse Maseu und an reden , als wohnte ein grosser Geist in ihnen, oder ein unerrdlichcr >—- und baß ein gebilde ter Apollos-und ein gemalter Johanneskopf nichts sind als "die schöne achte Physiognomie der grossen Seelen, die beide geschaffen, um in homogener«. Körpern zu wohnen als die eignen sind. — Als Tithon, sich vom Jupiter die Unsterb lichkeit erflehte, hatte er in seine Bitte nicht die Jugend eingeschloffrn. und er schwand zulezt ein zu einer unsterblichen — Stimmer So verfallet, erbleichet das Leben hinter uns, und unserer einschwindenden vrrtroknenden Vergangenheit bleibt nur etwas Unsterbli ches— eine Stimtne: die Musik. Laß nun
365
«nn die Töne, bie in einem dunkeln Mond«
licht mit Kräften ohne Kdrper unser Herz umfliessen, die unsere Seele so verdop
peln, daß sie sich selber zuhhrt, und mit de»
•nen unsere tief heranfgewühlten unendlichen
exaltierten Hofnungen und Erinnerungen -gleichsam im Schlafe reden, daß nun die
Töne ihre Allmacht von dem Sinne des Grän zenlosen überkommen, das brauch' ich nicht weiter zu sagen.
-Dir Harmonie -füllet
«ns zum Theil durch ihre arithmetischen Ver-
hälknisseZ aber- die Melodie, der Lebens geist der Musik,--erkläret sich aus nichts als
-etwan aus der poetischen reinen Nachahmung -der rohem Töne, die unsere Freuden und un
sere Schmerzen von sich geben.-
Die äussere
Musik erzeugt-also im eigentlichen Sinn in
nere;
daher auch alle Töne unö einen Reiz
zum Singen'gebem
—-
Aber genug! Ich schliesse wie ein Schau spiel, mit der geliebten Tonkunst.
Ich hätte
noch viel emzuschränken, zu beantworten und
nachzuholen, z. B, das, daß es eine genies
sende
366
sende und eine schaffende Phantasie gebe und daß jenes'die poetische Seele sei, die den Sinn deS Unendlichen feiner hat, und dieses dir schöpferische, die ihn versorgt und uahrt, oft ohne ihn zu haben; ich fönte noch mit den Kräften des Mondscheins, der Nacht, der bunten Farbenwvgen in Thautropfen mei nen Saz- befestigen: aber einer, der bei Ta geslicht blind wäre, würde auch bei wolken losem Sonnenlicht nichts sehen. Esistmir— so sehr personifizieret der Mensch sogar seine eignen Theile—als wüst' ich jezt der Phan tasie, über die ich z« lauge geschrieben und unter deren heissen Linie wie unter der andern ein ewiger Morgenwind der Jugend weht, als wüst' ich ihr dankbare Empfindungen für die Stunden, für die Garten, für die Blu men, selber für die Wünsche bringen, die sie wie Guirlanden- um das einfarbige Lebert sticht. Aber hier wil wieder der Mensch, wie so oft, lieber der Gabe als dem Geb er dan ken. — Und was fol unser Dank fein? — Zufriedenheit: Abscheu vor der Unart, den löst-
36?
köstlichen Ersaz der Wirklichkeit-und die Wirk« lichkeit zugleich zu begehre», zu den unverwelklichcn Blumeustücken der Phantasie noch die dünnen Blumen der irdischen Freude dazu zu fordern und überhaupt das zu vergessen, daß der dichterische Regenbo gen (wie der optische) sich gerade beym nie drigsten Stande der Sonne (im Abend und Winter) am höchsten wölbe. — Wol glei chen wir hier mit unserer lechzenden Brust Schlafenden, die so lange dürst en als sie den Mund öfnen: sie sind gestillet, wenn sie ihn schliessen, und wir auch, wenn unsern -ie lezre Hand zndrükt. Aber wir sind voll himlischer Träume, die uns trän ken und wenn dann die Wonne oder die Erwartung der träumerischen Labung zu groS wird, dann werden wir etwas besserö als sat — «ach.
zHz
L>eS Amtt-DogtS Iostiah Frend'el Klaglibel gegen seinen verfluchten Dämon.
AieseS zierliche Klaglibel,
worin eia zer»
ftivucter Geleinter ohne sein Wisen seine Jer»
skrcuung schildert,
kam durch die Güte deS
Herrn Pfarrers Firlein in meine Hande, der-
in der Kirchenageude seiner Sakristei gefunden
harre.
Ich glaube, ich kan das Sibel ohne
Diebstahl zn meinen Aufsätzen und Effekten schlagen., da Freu del hinken eine Arbeit
von mir in seine einfügt'; denn ich mache, da commixtio und couf-usio eilt -modus ad~
quirendi ist, aus rechtlichen Gründen aufS Ganze Anspruch.
Wenigstens gehören, da
er das Papier dazu ans der Sakristei erhob,
meinem Gevarter als Herr« des Prinzipale die darauf gesezren Gedanken deS Vogts als
accessorium.
Der Konzipient hatte sich
airs Versehen am Bustage in die Hukrlumer
Kir«
369
Kirche sperren lassen: — um nun die Lang« »eile sich so lange vom Leibe zu halten bis ihn beim Gcbetläuten jemand hinaus lies, ver« schrieb er die Zeit bis dahin in diesen Klagen:
» * * Gewisser ist wol nicht- als daß manchen Menschen ein tückischer Dämon verfolgt und ihm lange Sperhaken ins Getriebe seine- Le« bens stekt, wenn es gerade am besten um läuft und eben ausschlagen wil. Jeder mus Menschen kennen, die lauter Unglük im Spie len — Kriegen — Heiratheu — in allem haben, so wie andere wieder lauter Glük. Lei mir wird gar Glük und Unglük mmschierungsweise neben und aufeinander verpakt in Eine Tonne, anstat daß eS Jupiter in zwei »erfülle. Ist vollends das Vergnügen, die Ehrenbezeugung, die rührende Empfindung, die ich habe, grvs, sehr gros: so verlas'ich wich darauf, daß es nun der Dämon gewahr werden und mir alles hinterdrein gesegnen werde. So versalzet er mir gern schöne Lust« A» fahr«
370 führte« durch einen häuslichen Hader;
und
ein Ehrenbogen ist für mich ein Regenbogen,
der drei elende Tage ankündigt.
So hat er
mir heute in diese Kirche-nachgesezt, weil et voraus sah, die blühende Predigt werde mir
einiges Vergnügen reichen; und mm seh'ich mich seit der Vesperpredigt in das Gotteshaus inhaftiert -und das Schiksal weis, wenn ich
Denn ich kan weder
hinausgelassen werde.
Thür noch Fenster ausbrechen und da- grollt Unglük ist, daß gerade heute BuStag ist, wo
keine Magd auf den Gottesacker geht; unter allen meinen dummen Schreibern hat obnehin
daß er wich in der
keiner so viel De>stand,
Sakristei aufsuchte.
Diese Kirche ist mir
überbaupt aussätzig; ich habe darin schon ein
Unglük gehabt, und eS war heute nicht- als
der Wiederschein eines alten, daß ich unter der Hand der ganzen Gemeinde abgefangen
wurde, indem ich stil und vergnügt in mei nem Kirchenstnhle sas, und meine ungedrukte
Anweisung
zu
einem
gerichtlich-blübenden
Styl in Gedanken piüfte.
Denn ich bin lei der
371
der in viele Sattel gerecht, eben weil mich der Dämon immer ans jedem hebt. Ich habe mich sonst mir Versen abgege ben— welches jezt wenigstens meinem Style zuschlagt — und nachher umgesattelt: denn ich wolle ein Pfarrer werden, und kein Amts vogt. Die Geschichte ist im Grunde unter haltend, obwol ans meine Kosten. Ich wöl ke nämlich als Student in meinem GeburtsDorfe (eben hier in der Kirche) mir einer Gasipredigk ausstehen und halte deshalb eine grosse Perücke mit einem hohen Toupee-Ge mäuer meiner Mutter zur Liebe aufgesezt. Gleich im Erordio sties ich auf ein Aben theuer , indem ich die Nnzanwendung, die sie auch wie jenes mit „theuersterc. Zuhörer" anhebt, unglüklich mit dem Eingänge ver wechselte; aber ich hielt — leicht und mit zwekmassigen Veränderungen — den Zuhö rern den Schwanz so in meiner Hand hin wie ein Endgen Kopf. Tausend andere harten von der Kanzel gemust; ich hingegen kam wvlbehaltrn vor dem Kanzclliede an und sagte; Aas
nun
37»
nun wollen wir ein andächtiges Lied mit ein, ander singen — und das war mein Unglük. Denn da ich mich — wie es auf den tnti* sie« Kanzeln Sitte ist —- so mit dem Kopfe aufs Pull hinlegte und niederkrempte, daß ich nichts mehr sehen konte als den Kanzel« Frak — so wie von mir auch nichts zu sehen «ar als mein Knauf, die Perücke mit dem Wal: — so must' ich, (wölk' ich nicht dum sein und ins Kanzeltuch hineinsingen) auS Mangel an Gesichtsempfindungen wahrend dem Singen denken. — Ich suchte also auf dem Pulte den Eingang, womit ich schliessen wolte, zur Nuzanwendung umzufarben — ich wurde von einer Subdivision auf die an dere verschlagen — ich hatte mich wie ein Nachtwandler unter meine Gedanken verstie gen, als ich plözlich mit Erstarren vermerkte, daß schon längst nichts mehr sänge und daß ich nachdächre, während die sämmtliche Kirche ausiauerte. Je länger ich erstaunte in mei ner Perücke, desto mehr Zeit verlief und ich überlegte, ob es noch schiklich sei, so spät das
373 das Tonpee-Falgatter aufzuheben' und darun ter denKuchleuten wieder z» erscheinen. Jezt
war — denn der Kanzel-Uhrsand lief in ei
nem fort — noch mehr Zeit verstrichen; die
ausserordentliche Windstille der Gemeinde lag ganz schwül auf meiner Brust, und ich tonte, so lächerlich mir znlezt der ganze, Ohr und
Fus spitzende Kirchenhaufe vorkam und so
sicher ich hinter meinem Har - Stechhelm lag,
doch leicht einsehen, daß ich weder ewig nie» dergestülpet bleiben noch mit Ehren in die Höhe kommen kdnte.
Ich hieltö also für
das Anständigste, mich zu häären und mit dem
Kopfe langsam aus der Perücke wie aus einem
Ei aus zu kriechen und wich heimlich mit blossem Haupte in die an die Kanzeltreppe
stossende Sakristei hinunter zu machen.
Ich
thats und lies die ausgrkernte ausgeblasene
Perücke droben vikarieren.
Ich verhalt' es
nicht, indes ich in der Sakristei mit dem un
befiederten Kopfe auf und abgieng: so paffete jezt,
(Denn mein brachliegender AdjunkmS
und Geschäftsträger schauere in Einem fort
91 ft 3
schwel-
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schweigend auf die Seelen herunter als Anfang eines Seelenhirte») so paffere gesteh' ich, jezt Gios und Klein, Mann und Weib darauf, daß der Kopf Srcken anfienge stch aufzuuchten und ihnen rvrzulescn und jeden so zu er bauen, wie ja homiletische Kollegien uns alle hoff' ich abrichren. Ich brauche den Lesern nicht zu sagen, daß die erledigte Perücke nicht aufstaud, beraubt aller Anlage und ihres Ein satzes. Ium Glük stelle sich der Kantor auf die Fuozähen und sah in die Kanzel her ein — er stieg sansfa$on herab und hinauf und zog meine Kapuze beim Schwänze in die Höhe und zeigte der Parochie, daß wenig oder nichts drinnen wäre was erbauen lcnte, kein Seelensorger — „die Fülle ist schon auS der Pastete heraus" bemerkt er öffentlich bei diesem Kopf-Hiatus, und siekte meinen Dikarius zu sich. — Und seitdem hab' ich diese Kanzel nicht mehr gesehen, geschweige be treten. ... Warlich ich schreib' ihr jezt gerade gegen über und ich sah heule hinauf; ich woll' aber, ich
375 ich könte hinaus tntb ich rtiu6 schon lange ge schrieben haben. Beiläufig! gerade diese Historie, die ich ausschweifungs - weise bei gebracht, dient mehr alS eine, daS Dasein eines Dämons, der den mit den besten Pro, jekten schwängern Menschen in Ratten-Form unter die Füsse schiesset, zu be glaubigen — aber Mnttermahle find die Rachweben davon. Ich schwam wol niemals mehr im Won nemeer als Einmal, da der hiesige regierende Bürgermeister zur Erde bestattet wurde —■ dennoch wüste mir mein Dämon Unrath in meine Leichcnsnppe zu schmeissen. Ich würde abkommen von dem Leichenbegängnis, wenn ich weitlaufkig berichten wolte, wie wenig dieser Hausteufel darnach fragt, »venn er mich um eine Hinrichtung — um eine Krö nung — um eine Sonnenfinsternis zu brin gen vermag. Da diese Dinge leider keine Palingenefie, kein Ankora und keinen Refrain verstatten: so hab' ich dieses Trio von Din gen das sonst wol wenig Aehnlichkeit mit einAa 4 an-
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ander hat, niemals beschauen können — eS war vorbei, eh' ich daran dachte, daß es komme. Ich solle Leichenmarschal beim Begräb nis sein, und stetig es auch an: der Bürger meister, dem der Tod die Sanduhr in die Augen geschüttet hatte, war ein Mann, der verdiente, einen guten Leichenmarschal zu ha ben, einen gestabten Leichen-Turuier - Vogt; denn er war in der ganzen Gegend selber bei allen Leichen von Stand der algemeine Un~ dertaker, der Groskreuz des memento mori- Ordens gewesen, der maitre de plaisirsM Todtentanzes. Er hätte — so gut fand er sich in die Charge — LeichenObermarschal in London bei der Beerdigung bet magna o La re a sein können, wäre sie kein blosser Spaö gewesen; und falö man den alten Publizisten, ReichSherkommen, in den Residenzstädten einmal in Ernste be grübe, so könte der Bürgermeister den Sarg unterstützen, lag' er nicht selber darin. Ich
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Ich muS noch vorher erzählen, daß ich Abends vor der Bestattung, weil ich mit dem Bürgermeister einerlei Natur hatte, mir an ihm ein Beispiel nahm und meine Früh» lingskur nämlich Löffel achte Rhabarber gebrauchte. Ich wolle, ich hätte etwas von jenen Gelehrten an mir, die aus Zerstreuung eines über das andere vergessen: eine kleine Zerstreuung, worin ich über die Leiche die Kur vergessen hatte, würde mir den andern Tag zu Passe gekommen sein. Ich solle fast mich schämen, etwas so viele lesen zu lassen, was ich ohnehin so viele sehen lieS. Im Grunde wars wol unvermeidlich und wahresplachnvlogisches Fatum: denn ich trank im Tauerhause viel noch — muffe langsam ne ben der schleichenden Bahre waten und noch dazu einem lüftenden Wind entgegen, der den ehrwürdigsten Mannern den Leichenman tel zu einem Ferschwanz aufflocht (den falti gen Bctzopf und Troddel stell' er ihnen dann wie ein Stichblat an die rechte Seite) und ich führte noch dazu die satanische FrühlingöAa 5 pur»
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purgavj im Magen bei mir. — — Inzwi schen muste einer, der mir nachsah, wenn er nicht horndum war, sogleich bemerken, daß ich lange genug meine physiologischen Verhält nisse zum Vesten meiner Pflicht verbis unb verwand, und hinter dem schwarzen fliegenden Sommer und Flor-Labarum des Huts und mit dem eingewindelten hohen MarschalsTaklstok daö sämtliche Leichenkondukt gut genug kommandierte und begleitete, vbwol ich im Wasser der Thränen und der Laranz als ein gebrochener Stab erschien. — Denn mir that es wehe, so viel (am Bürgermeister) verloren und so viel eingenommen zu ha ben. — — Meinetwegen! Unser Land komt doch darhinter: kurz der mitsingende Wind mochte uns kaum bis an zehn Schritte vor die Kirchthäre geschoben haben, als ich wirklich und ohne freien Willen, gleich dm» Kaiser Vespasian — und auch am nämlichen Orre — meinen verbitterten Szepter fallen lies.... Diele lachten wol» iS«
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Zn andern Fällen »reis ich mir gegen Arz neien zu helfen. Da ich z. B. einmal dem vori gen Lbristforsinteister, mit den» ichs nickt ver derben durfte, auf seinem Jagdbause am Marrinitag zu essen brieflich versprechen batte: so traf sichs zum Elük, daß ich an dem nämli chen Tage beim hiesige»» Pfarrer zu speisen mündlich zugesagt batte. Nun war ich vor Nachtheil verwahret, da es am Martinitag nicht blos in der Pfarre drunter und drüber gieng, sondert» auch in meinem Magen; blvS weil ich mich mit eiuem hübschen Brechmittel ausbürstete. — Denn als mir um zwölf Uhr der Pfarrer sagen lies: „es würde alles kalt so wüst' ich recht gut, wie viel Uhr es ge schlagen harre und nahm in der Stadr, in die ich in einer viertel Stunde lief, auf der Post ein Kourierpferd und kam beim Forsimeister gerade angesprengt, als die Suppe noch heisser rauchte wie mein Gaul. Ich weis gcwis, ich wolte dem Leser noch einen recht frappanten Kasus auftischen; aber er will mir jezt durchaus nicht beifal len.
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len. — Andern Leuten mnS eS noch öfter so gehen: denn ich habe eine ganze ausgewahlte Diblioihek durch Diebstahl gewonnen und eine verloren, weil die einen, die mir jene liehen, und die andern, die mir diese abborgten, der« gessen batten, mit wem sie zu thun gehabt— und dann kamen mir die Leute auch aus dem Kopfe. Iezt fallet mir alles bei: es war so. Fatalien waren wir, da ich noch Advokat war, in jedem Prozesse Mispickel und Rattenpulver und meine Appellazioiie» wollen (wie alle lang lebende Gewächse) nie schon in zehn Tagen zeitigen; dennoch erwiederte ich einen gut aus gedachten Streich des bösen Dämons mit ei nem bessern. Ueberhaupt feiten die Kolle gien so gut Fatalien zu fürchten haben wie die Advokaten: ist nicht oft das Beste, was die Parteien verlieren können, Zeit? Und war um sol diese der schuldige und der unschuldige Theil zugleich verlieren? — Was helfen alle Lauferschuhe der Advokaten (und die Hez» peitsche« der Prvzeöordnung dazu) wenn die
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dle höher» Kollegien, an die alle Akten in* dossieret werden, in Hemschuhen und Hemkerten einherwaten? — Kurz die Advokaten und die höher» Instanzen (denn unS niedrigen zügelt mau schon und ich darf kaum mehr sprechen, so verlangen die Leute die Apostel) siechen an demselben Maras* ums der Dilazion, an derselben Frakturschrift der Schreiber, an derselben Geld- und Ge sichterschneiderei. ... Ich schweife hier viel* leicht ab; aber ich bekenne, ich fass' es nie* mals, wie ich im Schreiben von Einem aufs Andre komme, da ichö doch im Den* k e n nicht thue. Aber wie gesagt, es war an meinem Hochzeiltag: — er war schon ganz vorbei bis auf eine viertel Stunde. — Die finstere Hochzeitnacht war hereingebrochen — ich harre meine Rcpetieruhr und mein Zopfband schon unter den Spiegel gehangen und daö vorlezte Licht ausgethan und beim lezten drei viertel auf zwölf Uhr gelesen und so feurig als wenige an meine liebe Braut, als Thürund
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und Dandnachbarin meiner Seele, gedacht als ich im sogenannten Ehekalender, der neuerer Zeiten das Kirchenbuch und den Gebititsschein um drei viertel Jahr antizipieret, nachschauete, um das heutige Datum zu un terlinieren: nun kam ich im Kalender, worin zugleich meine juristischen Faralien und Termine sichen, zum Glücke mit darhinter, daß ich innerhalb zwei Tagen appellieren mü sse; und daß der lezte Diertelhamrner der zwölften Stunde den achten gar erschlüge. Ich raste mich zusammen, beschnit Papier (in Baiern wars nnnöthig) und legte flehen des Fusses die Appellation ein, die einzule gen war und pctschierke sie zusammen. „Ich habe nur — meldete ich auogefroren der Braut — vom Judex a quo zum Judex ad quem appelliert; und Du kaust Dir den ken , ob man es appcllanscher Seils werde erwartet haben." — Da der Teufel eine eigne Liebhaberei für Zwiespalt hat: so sucht er mir gerate, wenn ich durch einen Ehrenbogen gehe, den Grim mei«
383 meiner Freunde zuzuwenden. Ich erinnere mich, daß ich oft vermischten Gesellschaften mit der größten Deutlichkeit Lavaters Thierstücke auS seinem phvst'oguomischen Schwabenspiegel repetierte, und ihnen die Anwendung d,er Dich» «ndJnsektenköpfe auf die menschlichen so leicht machte als ohne Kupferstiche möglich ist,, ich erinnere mich sag' ich, daß ich mich, wenn ich mich dann nach einiger Bestimmung nm» schauete, in einem Zirkel oder Trapezium voy fatalen verdrüölichen Gesichtern mit gekräusel ten Nasen, faltigen Lippen, gestirnten über» schriebnen Stirnen stehen sah — und wer mir auS dcr Geselschaft die nächsten Woche» darauf ein Bein unterstellen fönte, der thats. Wenn ich nicht zuweilen in Geselschaft ein schliefe , so fönten alle nichts aufbringen, womit ich ihnen zu nahe träte; alles was ich darin wage, ist, daß ich vor ihnen im Kopfe einige juristische Opuscula ausarbeite, austat daß Zimmermann ihnen >m Kopfe gar seine philosophischen vor liefet. New ton sah den Finger einer Dame für einen Zwerg-
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Zwerghirschgen-Fus an, den man zum Pfei fenstopfer nimr; ich aber habe nichlS auf mir als daß ich einmal, da ich meine Pfeife auöklopfte, aus Höflichkeit einigemal rief: herein- weil ich dachte, man klopfe draus sen an. So-werf' ichs mehr einem bösen Dämon als mir selber vor, daß ich in Einem Jahre meinen Gevatter und meinen Beichtvater zu gleich geärgert. Ich war sehr krank und lieS auf drei Svntage eine Kirchenvorbitte für. meine Genesung bestellen. Am dritten Son, rag saS ich während der Vorbitte selber mit unter den Leuten und schauete — wahrend der Pfarrer oben an meiner Rekonvaleszenz arbeitete — unten auS meinem Gitterstuhl mit einem närrischen Gesichte genesen heraus. Ich wüst' aber am besten warum ich mich als Rekonvaleszenz öffentlich vorstelte: die Gemeinde solte sehen, wie ihre Vorbitte an, geschlagen, und zweitens solte sie ermuntert werden zu Borbitten gegen das Rezidiv. WaS
385 WaS meinen Gevatter, den Marfchkom«
missar, anlangt, so rill' ich zu ihm bei der
erste» Niederkunft meiner Fiau uud woll'ihn, da er mein aller UniversikatS-Jonatl an und Lrcst ist uud in der Nahe wohnt, z» Gevat»
ter bitten, als er gerade reisefertig im Stalle
auf den Durchmarsch der Ungarn paste. Da sejn erstes Wort war, ich machte auf dem
Pferde mit ihm reden und mitretten: so vcr« rit ich einen halben Tag und erst vier Meile«
vom Tauflmg macht' ich ihn bei einem Sez«
teiche zu meinem Gevatter in Beisein der Kompagnie.
Den andern Tag erreichten ich
und er mit zwei solchen Jagdpferden wie wir reiten, leicht den Taufstein bei Zeiten.
Ich kan nicht erzählen,
wie ich meine«
Gevatter grimmig und zwietrachng gemacht, wenn man mich nicht vorher über die Tücke meines Dämons abkört, der mir so lang' ich
Geburtstage in meinem Leben antraf, noch
keinen einzigen zu begehen erlaubte.
Kurz
vor, kurz nach den Geburtslagen veran stalt' ich viel und schaffe Vorreiter und Vor-
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effe»
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essen an; ist aber einer von den Geburtstagen da, so werk' ich nichts von ihm und ich kan ihn also nicht durchfciern. Endlich dacht' ich, es würde zu etwas führen und gescheut sein, wenn ich satteln liesse und schon vier Wochen vorher meinen Gevatter auf Barna bas-Tag — da fiel meine Geburt — samt den sieben liehen Kleinen invitierte, mit mir vorlieb yt nehmen. Ich saö auf und über raschte und überredete den Marschkommissar, ohne ihm jedoch etwas vom Geburt-feste zu entdecken: ich sezte nicht eher einen FuS in den Steigbügel, als biS er — weil er kaum aus den Reisekleidern wegen der Durchmär sche kam, die halb - frankieret waren und nicht viel anderes Geld gaben als Fersen geld,— doch in meinem Beisein ein vicrsitziges Fuhrwerk auf Barnabas bestanden hatte. Nun Hail' ich alles abgethan und brauchte nicht weiter daran zu denken: ich wüste, der Kommissär vergesse nichts. Unter dieser Zeit liess' ich das schöne Bau-Wetter nicht wieder verstreichen, sondern machte mich einmal im Ern-
387 Ernste über die Hauptreparatur mib Repro-
dukzion meines brüchigen Hauses her.
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nun am Barnabastermin bei früher Tageszeit der alre Marschkommissar samt seiner jungen Frau und sieben lebendigen, meinetwegen in
Puzgesezten, vergnügten Kindern wirklich uns len vor meinem Hause gleich ihrem Fahr r und Fuhrmann, der schon vom Bocke war, freu
dig ausznsteigcn gesonnen waren: wars eine platte Unmöglichkeit, weil nm daö Haus meh rere Schut-Kettengebirge umher saffen und weil
besonders die Beine und Pfahlwerke des Ge
rüstes die ganze Anfurch verschränkten.
—
Ich selber spazierte oben auf lezterem mit ei nem abgekürzten strangulierten gummierten
Schlafrok herum, reine Luft zu schöpfen und
gukre staunend auf den grossen Kutschkasten
herunter, ungemein neugierig, was wol auS
dem Kasten springe.
Liber der Fuhrmann
schwang sich wieder über das Rad hinauf und
fuhr die Familie vor einen wohlfeilen Gasthof, an dem ich erst, weil er meinem Gerüste ge
gen über stand, beim Aussteigen undHin-
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ein»
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einziehen meinen guten Gevatter und seine gepnzte Familie leicht wie Dokumente rekognos zierte. Ich lieö sie erst d>üben allein essen, weil ich nicht gern schmarutziere, und dann kam ich schleunig nach. Ich trat mit dem Scherze vor ihr Tischtuch, ich könne sie heute nicht in meinen vier Pfahlen, sondern in mei nen zwanzig Pfahlen — aufs Gerüste wird angespiclet — empfangen, „aber bei uns zu Hause, sezt ich hinzu, kan sich kaum der Mauermeisier mit dem Borstpiusel umkeh ren." — Ich bekenne mit Dank — so sehr mich jezt mein Gevatter anfcindet, — die ser lezte Nachmittag den ich bei ihm versaö, war einer meiner heitersten. Ich nöthigte ihn, die Nacht da zu bleiben; und ich hielt mich beim Kommissar von Vormitternacht biS ein wenig gegen den Morgen auf, weil er, ob er gleich so schläfrig war wie seine von der Apoplexie des Schlafes um ihn hingestrekten Kinder, doch aus Zerstreuung nicht merke» muste, welche Zeit es sei: denn der Man» hat einen auserordentlich zerstreueten Kopf, und
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lind seine Gehirnkammern sind bis an die Decke mit MarschreglementS volgeschlichret. . . . Ich hätte an so einem vergnügten Tage noch gar »rissen sollen, daß eS der meiner (Sei burt ist. Ueberhaupt aber war ich nie für ordent liche Fres-Gelage und erschien ungern darauf. Ich war ei» einziges mal bei einer Rathsmal« zeit, die ich als AmtSvogt miteffcn muste nach der Rathcwahl: denn ich habe ja schon er zählt, daß der Vorfahrer des neuen Bürger meisters begraben worden, als ich Leichcnmarschal war. Ich würde mich von allem ausgeschlossen habe», wäre nicht tu einem Marktflecken wie unserem, der Stadrgerechtigkeit begehrt, Bürgermeister und Rath viel: in Nom verrau chte der Diktator den Pflug gegen das Staatsruder; — hier bei uns halt man beide leichr in Einer Hand und wir be sitzen RarhSherren, denen es einerlei ist, ob sie votiere» oder gerben, »nahen oder strafen, an - oder unterschreibe»» und also die Kreide oder die Feder führen. Db z Blos
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VloS der narrische Rathsberr «nd Loh, gerber Ranz bringt dem Kolleg!» Nachtheil, Weil er bei den Mahlzeiten solcher Parlaments wahlen so rntsezlich isset. ES zirkuliert über die ganze Rathömalzeit, zu der ich mich ex officio mir setzen muste, und besonder- über diesen Lohgerber eine hübsche Satire, die ein Unbebauter im Manuskript hernmschikl und die ich hier unkastiiert einrücken Fan. „Zuerst mus die Phanrafle deS Lesers die konsularische Tischgenossenschaft nehmen und ihr alle menschliche Glieder abschneiken, ab beissen und wegstreifen, nur Schlund und Magen ausgenommen, die wir bei der Sacke keine Minute entrathen können. Hierauf müssen wir, ich und der Leser, die Magen samt ihren aiigeschraubten Stechhebern von Schlünden um den Tisch, auf dem die Raths malzeit raucht, die der jüngste zum Raths henn erwählte Magen kochen lassen, titularisch auf den Stühlen herumlegen und dann zuschauen und aufschreiben, wie diese einsau gende Gefässe sich einbeissen wie sie ein* tuns
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tunken — wie fit austn'nken wie sie schneiden — wie sie stechen — und waS sie forttragen im Magen, Darmkanal und auf dem Teller— Aber der Gerber-Meister Ranz wirft «inen langen Schatten über die ganze Tafel und üb«mant und überfrisset jeden, sich ausgenommen. Eh' ich proto kolliere: so wil ich vorher sechs Dierhähne wie Quellen gegen diesen Strckteich richte« und den Weiber vol lassen und die Hechte um ter — Bier setzen. Nun schwimt." — „Was uns äuserst frappieret und duf* ferst interessieret ist blos der Rathsherr und Lohgerber Ranz, vergleich der Natur vol Wunder ist, und sie nun anfangt zu thun. .» tzr bringt, als Widcrspiel eines Wasser scheuen, nichts Festes in seinen Leib, aber nicht weil sein Leib selber fest ist, und geniest ser als Wicerspiel eines Katholiken dieseAbentmal unter einerlei Gestalt, nämlich un ter der flüssigen; aber nicht, weil «r glaubt, die feste stecke schon mit darin — er schöpfet «uit dem Pumpenstiefel seiner Hand alles Bb 4 Zeuch-
39» Feuchte auf, und ziehet mit den Puntschlöf» sein seines 'Wasserrades alle Suppenschüsseln in seine Schlund-Gosse und ins Magenbassi« ab, nicht weil er ein AbführuugSnültel damit abführen will, womit er erst morgen da» Heu« tiqe abznführen gedenkt — er wischet mit seinem Brodschwarn alle Brühen weg und hält seinen Gabel-Sangstachcl über jede Senf- und Meerrettiq-f'ache, nicht um seine Magen! aut mit dieser Gerbers lohe erst gar zu machen — er sezt sich wie Schimmel auf Brod und schlägt darauf mit seinem Gebisse Wurzel, nicht weil er ein Franzos oder sein Pferd ist und Brod liebt — er macht seinen inkvmnicnsmablen Magen znm zweiten Einmachglas eines jeden Eingemachten, zur Grnmmetpanse eines je, den Gemüses, znm Treibscherben eines je, den Sallats, nicht weil er einen Bissen Fleisch dazu absägt — er mauert das Zorngefäs «nd den Schmelztiegel seines Magens mit Dreien aus, aber nicht weil dieser Sprünge hat und die Verlutierung braucht." — — Son»
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„Sondern er volführt diese schöpferische Scheidung der Wasser vom Festen, er befesti
get diese Kluft zwischen seinem Teller und
seinem Magen, blos um in beiden eine gleiche
Masse aufzuschütten und wegrnbringen, blos um auf dem Zimmerplaz der Tellers mit dem
Ssbandwerkszeug
ein
Fruchlniagazin
und
Speisegewölbe aus Fleisch-Quadern aufzufüh ren für sich und seine Kinder.... Beim Him mel !
er softe noch sitzen und mauern hinter
seinem Viktualien-Verhau aus Deinen, Gra
ten und Rinden, er solle noch schweben wie
«in dürres Jahr über der Tafel und jede nasse Stelle auötrokncn: so wären wir im Stande,
mit ihm nach Hause zu gehen,
wo sich das
Messer dieses Schwertfisches gerade umgekehrt
nur ans Fleischige ansezt, sobald das aus den
»erlaufnen Wassern abgesczte Viktualien Flöz gebirge nur anlangt.
Der Meister — und
der Gesell — und die Gerberin — und die
Cerberebuben — und der Dachshund bohren sich jezt in den gebrachten Derg bis an die Fersen hinein und wir können sie nagen hören. B b 5
Fresset
394 Fasset zu!—Has sich euer armer Ranz, die ses özende fressende Mittel, nichrgcnug gequält, um nickt wie KnochenfraS alles anzugreifen? Hat er nicht mit allen peristaltischen Bewegungen seines Schlunde- den Magen» Luftballon blos mit Windsbräuten aufgcfüllet und gehoben und mit einer Wasserhose die Bla se?— Aber soll' ich einmal eines ausserordentlichen Typus vonnöthen haben, um damit ein ausserordentliches ChaoS zu erläutern und anzuleuchten, das Chaos und den Zank eines Nonnenklosters, oder einer Theatertruppe oder eines heil, deutschen römischen Reichs — so bring' ich blos deine» ausgesteiftcn gespanten Mageuglobns mit seinen Brühen und Luftarrey getragen als TypuS, Ranz!" .... — Ci, ganz herrlich — lieblich — und recht erwünscht und verkamt! — Ich will nur aber de» Lchrcib-Arm absagcn lassen, wenn ich hier noch einen Buchstaben schreibe. Warlich der Kirchner ist da gewesen und ich hab' sh» über den en'sezlichcuLiklfras verpasset. .♦ Concep. z. Amtkvcgl Freude!.
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3» Es giebt weder eine eigennützige Siebe noch eine Selbstliebe, sondern nur eigennützige Handlungen.
1.5$ habe meinen erste» Saz erwiesen, wenn ich dargethan, daß die Liebe, die ein geiziger Universalerbe gegen seinen Erblasser nach der Publrkazion des Testamentes empfindet, eben so rein und uneigennützig sei — der Art, »richt dem Grade nach — als die, die un sanft das Herz erwärmt für die grosen Wolthäter der Menschheit im Plutarchund für den Oncle Toby im Tristram, obgleich jene nicht mehr sind und dieser niemals war. Wenn der Universalerbe eben so viel Gold als die Erbschaftsmasse betragt, im holen Kopfe einer Statue fände: so empfand'er dar um nicht einmal so viel Liebe gegen sie, als ein schwärmerischer Artist vielleicht für sie hat. — Wenn der Erbe dieselbe Summe im Sarge deö Erblassers anträfe: so hätt' er wie der
396 -er keine Liebe für ihn. Ja wenn der Erblasser wabnsinnig wäre und ihn mit dieser Summe beschenkte: so fühlte er dennoch keine angemesse« ne Liebe gegen den Verrükten, troz der Aus sicht zu wiederkommcnden Geschenken: denn ich rechne eine kleine Regung der Liebe ab, die dem Menschen durch eine Täuschung der Per» sonifikazion gegen das rettende Bi et im Schis bruch , gegen ein altes Haußgerathe und gegen Menschen, die ihm ohne ihren Willen uuzteu, eingestösset wird. Folglich liebt der Erbe am Wohl-haternichrseinemetallischeNüzlichkeit—* diese harr' er schon vor dem Geben lieb — sondern seine Gesinnung gegen ihn, d. h. seine Liebe, also den fremden Seelenzustand, und die Befriedigung des Eigennutzes war nur daß nothwendige Mittel, jene Liebe aufzndecken und vor die Seele des andern zu bringen. Jezt behaupt' ich aber weiter: die Liebe deS Erben gegen den Testator ist von unserer gegen den milden Oncle Toby nicht in der Art verschieden, sondern im Grade. Ich sage: nicht in der Art. Alle Liebe liebt nur Liebe, sie
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sie ist ihr eigner Gegenstand. Unsere Affekten sind überhaupt gleichsam Verkörperungen dcS sitlichen Triebes und in ihnen ist die Gestakt des leztern wie in den Thieren die menschliche, «usgedrükt aber nur anagramwalisch, in und auö einander geschoben und ohne Eurylhmie. Der Zorn ist gleichsam ein plethorisches Gefühl der moralischen Haslichkcit, der Neid ist das Gefühl des Mioverhallnisses zwischen unserem oder fremden Schiksal und Werth, und so der Ehrgeiz, die Liebe u. s.w. So ist sogar die Liebe gegen weibliche Schönheit — abgesondert vorn ästhetischen Gefallen daran, das am Ende nur eine kühlere Liebe ist — nichts, als die Liebe gegen die durch Farben- und Li'nien-Reitzr hieroglyphifch abgenialke und in Men, fchcn-Wachs bossierte Liebe oder moralische Schönheit. Wir ahmenden fremden Zustand der Men, schenliebe nach, wir oder andere mögen der Gegenstand der leztern sein, ich meine unsere Liebe gegen den Wolihärer ist gleich rein obwvl nicht gleich stark, er mag es gegen andere oder ge»
398 gegen uns sein. Da unsere Liebe ihr Objekt hat im Instand eine- fremden Ichs: so kan wenigstens sie nicht als Empfindung oder Trieb die reflektierende Berechnung anstellen, vb jener Zustand mich oder andere zum Ziele habe. Allerdings reget die Menschenliebe des andern in mir eine grössere Liebe an, wenn ich ihr Gegenstand bin, als wenn andere es sind. Aber der Grund benimt der Liebe des Universalerbenö von ihrer Reinheit nichtS. Von meinen Vorzügen, von meiner Würdig keit, geliebt zu werden, hab'ich eine tausend mal lebendigere Vorstellung als von fremden Vorzügen, Zweitens hab ich von der frem den Liebe und ihre Einwirkung, so bald ich sie erfahre, einen lebhaftem Begrif. Dritten verstärkt meine Eigenliebe meine Men schenliebe, ohne sie zu verfälschen: kein Trieb kan den andern unmittelbar erzeugen oder erhöhen, sondern nur sein Gegenstand, aber der schlimmere Trieb kan unsere Phantasie befeuern, den bessern mit helleren und mehre ren
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ren Gegenständen zu umringen und anzufa«hcn. Die eigensüchtige Phantasie steigert also die uneigennützige Liebe. Hätten wir nicht nur vom Werthe jenes GaleerensklavcnS, den ein göttlicher Mönch loskettete um sich selber in seine Banden zu begeben, sondern auch von seinem Wolbehagen nach derReimng «inen so Hellen Begrif wie er selber von beiden chatte: so wüsten wir de» Mönch, ohne die Schuldner seines schönen Herzens zu sein wie der Sklave, doch fast eben so lieben wie der Sklave. Ja eine feinere Seele stellet die Liebe, die ihr Liebhaber für sie hat, so weit von ihrem Selbste weg, daß sie ihn so zart und verdienst lich lieben kau als war er der Liebhaber einefremden Ichs. II. Es kann keine Selbstliebe geben so wie keinen Selbsthaö. Ich müste zweimal da fein, damit das liebende Ich nicht inS geliebte zer flösse. Da Liebe nur gegen Liebe enkbrent: so müste die Selbstliebe sich lieben, eh' sie sich liebte und die Wirkung brachte die Ursache her vor, welches so viel wäre als sähe daö Auge sei»
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sein Sehen.—Freilich steht in unserem Kopfe ei» IwillingSbruder unsers Ichs, fr. l). em Bild von diesem Ich; und diesen Schieferabdruk unsers Ichs lieben wir freilich: aber da ist so wenig Selbstliebe als es eine wäre, wenn wir eine fiemde uns bis auf alle Punkte und Stricke nachgestochene Person lieb hatten.— Nur Eigenschaften werden geliebt, allein Sub stanzen lieben. Aber unsere sogenante Selbst liebe wachset ja nicht mit unsern Vorzügen — höchstens mit unsern Fehlern; — und ste ist ebenso warm, wenn wir uns selber verach ten— denn sonst n ürden wir unö im SündenSumpfe lassen — als wenn wir einen.Theil unserer eignen Natur verehre» müssen. Es ist noch mehr meiner Neigung gemas> den obigen Saz umgekehrt auszudrücken und zu sagen: nur Substanzen werden geliebt. Die uakre federlose luftige Eigenschaft rst an und für sich kein wärmerer Gegenstand meiner Liebe, als das ihr zusagende Wort im Vokabelnsal oder Kompendium. — Jede Eigen schaft muS an einem Ich — das wieder für «ns,
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«nS, vbwol unbegreiflich, etwa- befer- ist als eine andere Eigenschaft— glänzen, um geliebt zu werden. Dieses lebendige Ich, diese Bedingung aller geistigen Eigenschaften, lieben wir allein in diesen. Nach dieser Definizivn ist Selbstliebe noch unmöglicher,'-, h. Liebe vorn Ich gegen daß Ich. Unsere Selbstverach»uug kan sich nicht auf unser ganzes Weser» richten, weil derTheil, worin sie ist, doch keine verdienen kan; und so würde die Selbst liebe nur immer bloß Eigenschaften, nie das Wesen selber, «eil sie ja von diesem selber et was cinnimt, umfassen können. Ich besorge dieses scheinet spizfündiger als eö ist. Aber irr den trüben Abgrund der Selbstliebe müssen mehrere Kantische Sonnen fallen, um ihn licht ;u machen. Di« Liebe, womit uns der gute Andere umfängt, ist so etwas mystisches, daß wir uns gar nicht in seine Seele denken mögen, weil wir seinen guten Begrifvvn unserem Ich nicht theilen können — wir begreifen (troz dem Bewustseiu unsers Werthes) nicht, wie man Er unö
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tmS lieben kbnne; aber wir finden uns dar» ein, wenn wir bedenken, daß der andere sei ner Seils eben so wenig unsere Liebe gegen ihn müsse fassen können. — — Man erlaube mir, noch eine clausula salutaris öder ein zierliches Kodijil zu ma» chen; um so mehr da niemand schuld ist alS Platner. Dieser behauptet, die Empfin dung sei eigennützig weil fie alS diese nur un sern eignen Zustand darstelle; und nichtfei uneigennützig alö unsere Vernunft. Aber erstlich muS der Begrif von Uneigennützigkeit, wenn er kein ausgehdlteS Derier-Wortsein svl, ja bloS der Abdruk irgend eines uneigennützi gen Zustandes in UnS sein. Zweitens setzet das Gefühl des Eigennutzes daS seines Gegen theils voraus. Wie der Blinde nicht nur kein Licht, sondern auch kein Dunkel kent: so wüsten wir ohne Uneigennuz nicht- vom Eigennuz, ohne Freiheit nichts von Sklave rei , so wie vielleicht eine Menge Dinge aus Mangel ihres Wechsels mit dem Gegentheil, für uu- auf dieser Welt im Dunkeln bleiben. Drit-
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Drittens frag'ich, wenn z. D. das Mitleid blos darum eigennützig Hessen sol, weil eia fremder Zustand vol Schmerzen zu unserem eigenen artet: welche höhere Uneigennützigkeik -.denn nur denkbar sei? Ich kenne nur die eine denkbare, daß man das fremde Ich noch heiser wie seines versorge, daß man sei» neS vergesse, verschmähe, verstosse. — Aber dann wäre ja im eigentlichen Sinne das frem de Selbst in meines verkehrt — der Trieb wäre nur verpflanzet, nicht veredelt — und ich hätte blos die Ichs getauscht. Denn eben darin beruhet der Nicht-Eigennuz, da mein e Natur troz ihrer Selbstständigkeit in den Zustand einer fremden eingeht und daß E i n Ich mehreren Ichs nachfühlt. Wie gesagt, warS möglich, eine fremde Glük» feligkeit, durchaus ohne Wunsch einer eigeti e n zu begehren und ein fremdes Ich m i t etwas anderem zu lieben als mir dem eig nen— eine Unmöglichkeit selber bei Gott:— so wäre nichts erbeutet, denn i ch besäse ja nur den fremden Trieb und mein Ei» Ce a
gen-
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gennuz Ware blos in ein fremde- Ich gezo gen aus meinem....
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Da ich diesen Aufsaz zweimal amgeschries -en: so bab' ich zweimal -jenes stärkende Ver« gnügen gekostet, da- unS erfrischet, wenn der Kopf die Wünsche deö Herzenö vidimieret und assekurieret. Indessen war ich doch nie so unglüklich, daß ich jemals — selber in Len frühern Jahren, wo die junge Seele die Seelenwanderung durch die Plnlosophen wie durch Thiere anstelt und bald in jenen Kopf bald in diesen fahrt — in den Körper deHelvetius gefahren wäre und mit ihm mich im schmutzigen Glauben an einen algemeinen Ei« gennuz aller Menschen — und zulezt der gan» zen Schöpfung, weil die Beweise dieselben sind —- gewalzet hätte. Warlich ich wüste nicht, was mau an sich noch zu lieben hatte ausser jener Liebe für andere und ob uns irgend ein Eigennuz unausstehlicher sein fönte aleigner. Glüklich ist derMann/ dem ein rei fen«
4»5 fendeS Herz und gute Menschen wie er und ein Horizont ohne Gewitter endlich die Ueber» zeugung bescheret haben, daß —so wie die magnetische und elektrische Materie derselbe Lmversalgeist ist, der die Wolken, die Zitter fische und die Magneten zieht, der im Nord, schein alS milder Schimmer, im Gewitter als Wekierflrahl, im Mensche» als Heiligen schein , in den Fischen *) als Aug und Schlag, pnd in den Nerven als Lebenszeit wirkt —glüklich ist der, sag' ich, der immer mehr glaubt, daß die Liebe, dieser menschliche Magnetismus, immer dieselbe geistige Elektrizität und Des» vrganisazion verbleibe, sie mag als Bliz irr der Geschlechter-Liebe — oder als sanfter Nord - und Heiligenschein in der Menschen liebe — oder als Lichtmagnet in der Freund schaft oder als Nervengeist in der Mutterliebe erscheinen.------- Ich preise diesen Mann darum glüklich , weil er dann nicht nur Men» Cc z scheu ♦) Die biezu gehörige 9cote wil ich, weid der Mensch glaubt, er müsse Noten schneUcr und kälter lcscn, nachher m den Text versetzen,
406 schen wie Brüder, sondern auch Brüder wfe Menschen lieben wird, ich meine, weil er; auf den Stufen der Dlutsfreundschaft zu dem Gipfel der Geisterfreundschaft getragen, dann Wieder jene durch diese veredeln und im Vater, Eobne, Geliebten, Freunde noch etwas hdheres auser dem Genanten lieben wird----- den Menschen. — Es giebt hinter die sem hohen Namen noch etwas höheres, dawir an der ganzen Geisterwelt lieben können: Gort. —
*
«
*
Physische Note über den Jitteral. Der Zitterfisch war gleichsam der erste Pa ragraph der magnetische und elektrische Materie verband, da er (nach Hunter) zugleich positiv und negativ elektrisch ist und ordent liche Batterien an sich hat, und da er wie die Ale, *) Der -werte oder
zwanziaste wäre der Demant,
den der Magnet ziebt nnb der gerieben selber den Mastix ziel't und, der aus dem Orient, ein Nicht
leiter ist, und aus Brasilien ein Leiter.
407
8|se, Neunaugen, Ouappen, Schleien, Karauschen am Magnet erlahmt. Vieleicht wird der Fisch auf eine bessere Art als der Fisch Oanneö — der nach einem Fragment des Berosus, alle Wissenschaften den Men» fchen gab — der Lehrer der Phvsik, da an ihm in dieser Materie wegen der Ei fachheit der Kombinazionen leichter etwas zu lernen jjt als am magnetisierten Menschen, so wie ich eben darum glaube, daß die P f l a n z e n pnS mehr Fensterladen und Fenstervvrhange am Lehrgebäude der Erzeugung dfnra können als die nieder » Thiere, urrd diese mehr als wir. So wird die thierische Elektrizität der Fackelträger des thierische» Magnetismus werden. Ich habe mich oft geärgert, daß die Physiker meistens nur sehen und lesen, anstat daö Gelesene und Gesehene zu kombi nieren; noch mehr aber über die Naturger schichtsschreiber, um deren Köpfe oft mehr Heiligenschein ist als wissenschaftlicher innen, weil sie bei ihrer Einschränkung auf Einen Cc 4 Ast
40$
W und Blatfiiel ihrer Wissenschaft, so leicht ihrem optischen und mikroskopischen Fitisse den Schein des ScharsfinS zu ertheilen wis, sen. — Ich würde mich schämen, wen» ich vor Franklin ein groser Physiker gewesen wäre; — denn ich würde dann so gut wiö ändere zu meiner Schande die Witterung und die Gewitter beleuchtet und erkläret haben ohne das Licht der elektrischen Materie. Und so steht jezt rin Montblanc von aufgchäuften elektrischen Erfahrungen vor allen Kathedern und allen fehlet noch das Senfkorn deS Glau bens zum Heben des BergS. Ich habe zuweilen gewünscht, man svlte nach nichts fragen, sondern die physikalischen Data ordentlich zusarnrnenwürfeln und kom binieren wie Lessing dir philosophischen oder andere die Musiknoten. Man würde doch fe* Herr, was herauskäme, wenn man z. B. den Zitterfisch an desorganisierte Menschen, an Gewitterstangen, an Magnetnadeln Vor» und RachrüittagS (weil sie nach den Tagszciten verschieden deklinieren) hielte — oder wenn man
man in Hinsicht der elektrischen Fische -8h dächte, daß das Wasser ein Leiter und ein Leiden'scher Kondensator ist, daß die Fische in einem vom Dliz getrofnen Teiche sterben, und also sich so kalt anfühlen wie tin iso lierter Mensch, den ener auser Rapport be rührt. —------- Kurz ein Physiker solle wie der Arzt wenig schreiben, wenn er nicht so viel wissenschaftlichen Wij zu physikalische« Kombinazionen hatte alS — Lichtenberg, und dieser solle seines Orts wieder mehr schreiben. —
Cc 5
4-
4io
4« Des Rektors Florian Fälbel's und feinet Primaner Reife nach dem Fichtelberg.
Zch lese nichts lieber ass. Bücher von einige« Seiten. Jene alten Folianten - Goldbarren, die man nur auf zwei Sesseln öfnen kan, sol len in mehrere Goldkörner zerlegt, ich meine jedes Blar softe iy ein Bänvgen eingebunden werden: jeder käme dann leicht mit ihnen durch. Jezt aber mus der Gelehrte dieLuartanten aus Ratbebibliotbeken eutsezlich lange behalten, weil er sie nicht Heflwcise zmüktragen kan. Ja, da der anomalische F orlins auf seinen Reisen nichts von Büchern bei sich führte als die besten Stellen, die er vorher herausschnit eh' er die kastrierte Aus gabe verkaufte; so schlag' ich mit Vorbedacht akademischen Senaten ordentliche Universitäts bibliotheken aus solchen ausgerissenen Blät tern vor. Den
4n Den Vorzug der Kleinheit, der den grö* ffn Werken fehlet, besizr nun das Program dcS Herrn Rektors > das ich hier der Welt einhändige. ES theilt gut geschriebene Nach* richten von einer Reise mir, die ein Muster sein kan, wie Schulleute mit den Säuglingen und Fechsern ihrer Seele zu reisen haben; auch sind verständige Schulmänner von jeder so gcreiset. Ich welke anfangs das Progran» aus dem Deutschen ins — Deutsche vertieren; aber ich glaubte, es Hirse den Schwanenge* sang und den lezte« Akt der Schulgelehrsom» • leit gar absichtlich beschleunigen., wenn man den lateinischen und zizeronianischen Styl vol* lends ans dem deutschen wüife, da er ohne» hin aus lateinischen Werken langst eutwie chcn ist. Vorher nur ein Wort über die Reisenden selber. Da ich die Hunde nie mitzahlen werde — 'sie bestanden aus zwei Spiz-drei Wachtel* Hunden der Primaner und einem Sauflnder deRektor-—so setz' ich die Marschsäule nur vier*
4ir
vierzehn Mann stark an, nämlich einen Do zenten , zwölf Eleven und einer Tochter deSchul-Doge. Leztere fuhr wie eine Athe nerin , allein in einem Kabriolet: auf beide» Seiten faste das mitschreitende Fusvvlk dat Fahrzeug ein wie eine Wache den an den Lei terwagen befestigten Arrestanten, und anfdem Bocke fas die Primauerbank wie die RegenS» burgische Kurfürstenbank, alternierend, wie «twan beim Bauerranze di« Putsche einander im Streichen und Raspeln der Dasgeige ab lösen. Im Kabriolet war hinter dem Futter kasten für den Gaul einer für den Reise-Kongreö; der Lebrer kante die DoShcit vieler Wirthe zu gut; daher wurden auf seinen Rath von der Prima (plana) die ihn hörte und be gleitete, mehrere Stecken geräucherter Würste zusammengeschoffen und er gab noch dazu die Tochter her, die alles samt der Beikost kochte. An jeder linken Hüfte — so leicht ist Krieg mit Wissenschaft zu paaren — lag eine Harpune, ein accentus acutus; und die zwölf
4*3 zwölf Schwerd-Fische hatten damit den alten Weisel boshaft niederstechen können, weim's wäre begehret worden. Der Schul-Maire selber hatte nichts an den Hüften als eine gefchmakvolle robe de Fantaisie: in ihnen ha«' er weniger. Dom Rektor sag'ich nichts: sein Program selber sagt eS, wie er lehrte, lernte und schrieb: im Wirthshaus resorbierte er mit den lympha tischen Milchgefäsen des Papiers allen gelehr ten Milchsaft, den eine Reise kocht und «nterwegeS hielt er seine Schreibtafel de» wich tigsten Erkrementen des Zufals und Bleistifts unter und fieng auf was kam. Aber daS sei mir erlaubt, die zwölf Musensöhne zu betrach ten, die ebenfalS zwölf pergamentene Rezi pienten und Behälter alles Merkwürdigen hin halten und alles, nicht sowol wie Hoqarth auf den Daumen-Nagelskitzieren, als mit solchem: ists denn gar zu übertrieben, wenn ich denke: in zwölf solchen ausgespantcnPrelund Auggarnen mnste sich warlich ja alles, was nur gelehrten Jungen und Gaumen vorzulegen ist,
414
Ist, bis auf jede Spizmaus «nd jeden Hotel» Floh verfangen undesverblieb, warß auch durch eilf Garne hindurch, doch im zwölften seöhaft? •— Sogar die sechs Hunde reifete« nicht völlig ohne Beobachtungsgeist, sondern strichen und merkten überal, wo sie auf etwa? Erhebliches stiesen, es sofort mit Wenigen an und hoben Bctheuerungcweise dao Hinte» bei» auf. — Nein, eine so gescheute Reise kan gar nicht mehr gemacht werden, so lange die Erde auf ihrer ist. Und hier ist sie selber: nur werd' ich zu» weilen persönlich aus dem Parterre unter die Spieler steige» und darein sprechen, weil mir sonst daö Abschreiben deS Programs zu lang» weilig ist und weil auch der Prvgrammenma» cher eines und daS andere sagt, daS ich besser weis. Ein armer Teufel, den ich studiere« lasse und der mit lies, ist meine Quelle. Michaelis-Program re. „Mein lateinisches Osterprogram, da erweisen solle, daß schon die ältesten Völker und
4'5 und Menschen, besonders die Patriarchen und klassischen Autorensich aufReisen gemacht — von welchen leztern ich nur den Lenophvn und Cäsar, die zwei tapfersten Stylisten, mit ihren Armeen wieder zitiere — führet viel leicht einige Autoritäten auf, die den Schul mann decken, der mit seinen Untergegebenen kurze Ausflüge in deutsche Kreise thut. Ich hielt es fürschiklich, meinem vorhergehenden Program meine Schulreife im Voraus zu recht fertigen; bevor ich anö jetzige gienge, daß ich für ein kleines Inventarium mancher aufgele» senen Schätze zu nehmen bitte.
Inzwischen da in den engen Flächenin halt eines Michaelis-Programma wichtigerer topographischer, statistischer x. Kubikinhalt unmöglich zu bringen war, und da ich über haupt meinen siereometrischen und sonstigen Fund einem geräumigern Werke aufspare: so suche der Leser auf diesen Blättern mehr die Geschichte als die Entdeckungen der Pilger— »6 lassen wol beide sich lesen. Di«
4i6 Die Herren Salzmann und Weife—anderer zu geschweige» — haben der Welt
(ich entscheide nicht, mit welchem Elük) zu zeiqen gesucht, wie ein Lehrer halbwüchsige
Zöglinge gleichsam auf die Weide einer Reife treibe« müsse; aber sie haben immer andern
Schulmännern daö Recht nicht benommen,
Ihre Walfarthen mir einer bejahrten Schulju» gend, die im Gängelwagen weniger
sieht
alö zieht, ans Licht zu bringen. Ganz mntbig dürst' ich den Herren Echo»
larchen und Nutriroren unsererSchule über Zeit»
und Geldaufwand zur Rede stehen, sobald ich meine Bleifeder verwiese, die ich auf dem ganzen Marsche nicht in die Tasche brachte,
sondern wie eine Leimruthe aufstekte, an die
sich was sehenswürdig war leicht ansezte. Eben so schoS der Salpeter des Meikwürdige»
an den zwölf Salpeterwänden meiner Schüler
au,
wenn ich die zwölf protokollierenden
Schreibrafeln.so neunen darf, womit sie aus« gerüstet waren; und wurde ihnen denn nicht
tinige Apharrsis, Synkope und Apokope der Lust
417
Lust reichlich genug durch wahre Prothesi-, Epenthesis und Paragoge des Wissen- erstatt tet ? — Ich unterwinde mich nicht, zu be« stimmen, in wiefern wir uns von einem und dnn* andern junge» Edelmannes) abtrennen, -er blos für sein Vergnügen hnd> Eurrpa fnßrt und oft auf seinem Reisewagei. au- e.i.er Dallei in die andere rollet, ohne eine Schreib tafel rinzustecken geschweige hrrauszubrinaen. Soll' er aber mit seinen fünf Sinnen be» Nächtliche Krntviss« au- allen G>anz« und Hauptstädten einfassen und einsargen, sie aber sämtlich im Fabrcn rein wieder duichsikkern und durchfallen lassen: so wicht' er der Menschlichen Seele gleichen, die (nach dem pythagoreischen System) die grande tour durch Thiere und Menschen macht nnb die doch, wenn sie sich im lezten Menschen ein«
scjk, *) Die Troglvdyte» rmd Sikiaartbiere der Museen, tute Fälbel, theilen alle Menschen in geräumige Logen ab — z. B. den teilen, niedern, LandStadt-Adcl, den Ätcl im Dienst, bei Hofe, m Aemtern, theilen- sie itt lauter Edelleute ei».
Dd
4*8
sezt, nur gerate so viel von allen ihren Schul reifen noch im Kopfe mitbringt als sie in der Minute besaö, da sie inS erste Thier einstieg, nämlich platterdings nichts. Wenn ein groser Cäsar in seinen Kom mentarien oder Friedrich II. in den seinigen bescheiden das Ich mit der dritten Person ver« tauschten: so geziemet es mir noch mehr, an die Stelle meines Ichs nur meinen Amtsna men zu setzen. Den zwanzigsten July brach der Rektor, (der Verfasser dieses) mit seinen Nomaden auf, nachdem er ihnen vorher eine leichte Rede vorgelesen, trorin er ihnen die Anmnrh der Reisen überhaupt darrhat und von den Schulreifen insbesondere foderte, daß sie sich vom Lukubrieren in nichts unterschieden als im Sitzen. Auf dieses Marschreglement und Missiv, wieö er nachher auf dem ganzen Wege absichtlich zurük. Es ist mehr stabt-als landkündig, daß eine hübsche acerra — nicht philologica sondern — culinaria, näm lich ein vierrädigeö Proviantschif samt dem darauf
419 darauf fahrenden Küchen-Personale, welche» die Tochter deS Rektors war, und die Straf kasse von l2fl. frank, als Diätengelder gleich sam die fröhliche Morgenröthe waren, zu der die Reisegeselschaft auf ihrer Thürschwelle hof fend aufsah. Jeder Primaner führte siat einer elenden Dadinen-Gerte oder stat der Narren kolbe eines Geniepfahls eine» nüzlichen Mes stab — denn Mestisch und Schnüre lagen samt einigen Autoren schon im Kabriolet, — weil ja der Fichtelberg und die Strasse dahin von den herlichsten Gegenständen zum Messen wimmeln. Am ersten Morgen hatte man zwei Rei sen auf einmal zu thun, die auf dem Wege und die auf der Karte davon, welches unge mein beschwerlich und lehrreich ist. Der Er« kurrenz *) trug eine aufgeschlagene Spezial karte vor sich hin, auf der Fälbel allen leicht das Dorfzeigte, wo sie jedesmal waren; und da man auf diese Weise allemal den Füssen Dd 2 mit •) Ist unter den Schülern jeder Klass« der frire servant.
mit de» Fingern, (wiewol vier Schuhe höher, auf der Karte) nachrcisete: so war vielleicht
Mozion mit Geographie nicht ungeschikt ver
kettet.
Gegenden, Merkwürdigkeiten, Ge
bäude , die natürlich nicht auf der Karte vor» zuwciscn waren und vor denen man doch eben voibeipassierte, mnsien aus dem Düschiug
geschöpft und gclehret werden, den der vife
Pflcgsohn des Herrn
Monsieur
Fechser der Gesclschast allezeit über die Ort schaften vorlas, wodurch sie eben zog.
Der
Rektor würde von Herzen gern von den mei
sten Dörfern neben der neuern Geographie auch
die miilere und aste mitgenommen haben: waren beide lezterc Geographien von ihnen zu
haben gewesen; aber leider zeigen nur wenige eure*) Es ist mein Pfletzsosin, ich lösche aber hier mit Recht Lobsprüche treg, die der Herr Rektor wol nur meinem Stande und dem Zufälle entrichtet/
daß ich für das Gymnasium einen Schüler mehr
dotiere und appanaqiere.
Auf allen künftigen
Blättern des Proarains wo ich vorkomme,
Wil
ich Fälbels Titulaturen weasireichen und dafür in
den Tert setzen: Fechsers.
Herr Pfleö'oatcr des Montieur
411
europäische Lander wie etwan die Türkei Ort schaften mit doppelten Namen ans. Uebrigens ist der Rektor seitdem vvlkvmmen über zeugt, daß die homannischcn Karren nicht langen — in der That, wenn aufihnen (nicht ans der Gegend) ganze Einöre», Wasenmeisterhütteu, anespiii'.gende Winkel der Ufte entweder ganz mangeln (wie z. D. ein Pulver magazin nahe bei Hof und rin etwas wei ter abgelegenes Spinhauo) oder doch dasttzett in ganz falschen Entfernungen: so kan man trol fragen: ob, wenn man von diesen Ge genden mit der camera oiscurafitifn Auf» riö nähme und dann die Karte über den Auf» ris legte, ob da wol beide einander 'decket» würden wie zwei gleiche A? — S bcuds wanverte die püdogogische Knapschaft und ihr Ladenvatcr im adelichen Pfar-e botst Töpenin Dolgtland ein. DaS alges meine Logement war im Wirthshaus, das der Vatikan oder das Louvre des adelichen Rit» terguthsbesitzeeö stets anschauet — ich sage Louvre, nicht in Vergleichung mit demPalLd z last
423 last de- Nero, der ein kleine- Rom im grvfen
war, eine Stadl in der Stadt (conf. Foss, var. observat.) ,
sondern in Vergleichung
mit den zellulösen Karthausen und vier Pfah» len und Hattouischen Mäuserhürwen eine-
pnd des aridem Schulmannes,
Sapienti
tat! — —
Als der Rektor hinter seiner Tochter und
seinen Söhnen eintrat: fließ ihm daß Unglük zu. daß er seinen Wirth nicht griffen konte.
Die sämtlichen Hunde der Reisenden hatten zwei Töpener (es war der Spiz- des Haußwirths und der Hühnerhund des Jagers) bei
den Haren und Ohren.
Die Thierhatze wur,
de algemein und kein Hund kante wehr den
andern.
Der Wirth, ein Mann von Muth
und Kopf, legte sich zuerst zwischen die beis
senden Mächte als Mediateur und suchte sich
zuvdderst den Schwanz se i n es Hundes her»
auszufangen und weite ihn an diesem Hefte
aus der verdrüslichen Affaire ziehen.
Meh»
rere folgte« nach und jeder ergrif den Schwanz
des {einigen.
Und in diesem Wirwar,
als
die
42Z
hie Tochter des Rektors darein schrie — ol der Jager darein schlug, mit einer Reichs» «rekuzionspeitsche auf Menschen und Dich — als die Eigner da standen und gleichsam die sechs Schwanz-Register herausgezvgen hatten und als daher so zu sagen das Schnarwerk des Srt gelweiks gieug und die Tumultuanten bot« len— und als der Rektor selber bei diesem Fricdeuskongres ein Fricdensinstrumenk, nam» lich den Schwanz seines Saufinders, iy Hän den hatte: so war er, mit Roth im Stande-, das Salutieren nachzuholen mid zum Wirthe zu sagen: „ guten Abend!" — Plutarch, der durch Kleinigkeiten seine Helden am besten ma, let, und die Odyssee und das Buch Tobias, die beide Hunde haben, müssen hinreichen, gegenwärtige Aufnahme einer kleinen scherz haften Gato-undOnoskja-Machiezu decke»." — Herr Falbel trifts. Ich ärgere mich, wenn die Menschen mit dem Namen „Klei nigkeiten “ schelten? Was habt ihr den an ders ? Ist denn nicht das ganze Leben — blos seine erste und seine leztr Minute ausgrDd 4 nom-
4*4 nommen— daraus gesponnen und kan man nicht alles Wichtige meinen zusammengedrehtrn Strang von mehrerern Bagatellen zerzausen? — Unsere Gedanken ausgenom men, aber nicht unsere Handlungen/ kriecht alles über Sekunden, jede grose Tbatjedes groi'e Leben zeispringt in den Staub der Zeittbrile; — aber eben deswegen^ da alles Grose nichts Ist als eine grössere Zahl von Kleinigkeiten, da also die Vorsehung entweder Kleinigkeiten und Individuen odeb gar nichts auf Unserem Rund besorgen rvnS, weil diese nur daS Ganze unter einem länger» Namen sind: so konnt die Gewisheit zu »ns, daß der überirdische Genius nicht blos die Schwung» aber des Universums und die Strö me dazu schuf, sondern auch jeden einzeluen Zahn der Rader." ... „Abends wolten einige Schüler auf die Berge gehen, andere im Dorfe herum, zwei gar zu den allergemeinsien Leuten; aber der Rektor sezte sich dagegen: er stellcte denen, die Abends die Narur beschauen wollen, vor, daß
42$
daß morgen ohnehin (nach seinem OperazkonS» und Reiseplan) natürliche Theologie und Ver gnügen an der Natur dozieret nnv rekapitu lieret werden müsse. Der Rektor, welcher gerne glaubt, ein Schulder Knüffe seine Scho laren auf Reisen zu belustigen trachten, wie sogar der Neger-Handelsher die Sklaven z« tanzen, zu singen, zu lachen nöthigt: dieser gab ihnen Befehle zum Lachen, sezte sie um sich herum und scherzte ihnen au einem ovalen Tische nach Vermögen vor. Ich gestehe, Scherz ist stathäft und wenn der, selber schcrzhafte Zizero richtig bemerkt, daß gerade ernste Manner gern und glüklich spasscn: so möchte wol mancher bestäubte Schulman mehr äch ten Ansaz zu lachenden Sature» *) verschlies sen als viele gepuderte Possenreisser, auf ähnliche Weise bemerkte auch der Graf von Düffo», daß die meisten Nachtvögel, bcsouDd 5 der§ ») So schrot' ich Satire, weil tiefe nach Kastmbou vom Wort S.itara l ertönn, d. I>. eine €i'ift von tuntswelkigen Jn!>a!r; daher lanx satura ein« Kompekierc mit «uerlei Oe st.
426 der- die Schubut-Eule (Minervens und Atbeng
Vogel) troz ihrer altvaterischen Aussenseite
überströmen von Schnurren, Schnacken und Karaklerzügen. Der Abend verlief ungestöhrt: blos über
den vollen Stecken geschwärzter Leberwürste den Falbel bereinzuhole» befahl und auf den sich die Kirwane,
gleichsam wie auf einen
Fiucktast sezte zum soupierenden Abpflücken,
ringelte und fglbelre der Wirth sein Gesicht selber zu einem Wurst-Endgen zusammen
(wens nicht über etwas andere war)— genug
Falbe! bekümmerte sich wenig um das Gesicht
und lies es fälbeln.
Er bestelte lieber für
sich und seine Geselschafrskavaliere den ganze«
Fuebvden zum Nachtlager:
blos ein mei se-
durger Fuhrmann lag neben seiner Tochter,
als Strohnachbar. Dennoch übcrsezte uns sämtlich am Mor
gen darauf der Wirth in seiner Liquidazion
um zwei bis drei Kreuzer leicht Geld und zwar an demselben Morgen, wo der Rektor
daö Vergnügen an der Natur vorzutragen hatte.
4-7 hatte.
Aber Falbel glaubte seinen Schülern
dos Muster einer erlaubten Sparsamkeit da
durch zu geben, daß er anfieng mildem Trai teur zu fechten und ihm seinen Abstand von
den Hernbuter- und Loudner-Kramern, die LichtS darüber schlagen, so lange unter die Au, gen zu ballen, daß er wirklich einen Gro schen herunterhandelte und daß der müde Wirth
giftig fluchte und schwor, er wolle den Rektor und seinen Rudel lroz ihren Bratspießen, wenn
sie wieder Geräuchertes bei ihm zehren wol, ten, mit Heugabeln und Dreschflegeln empfan
gen.
Ein lächerlicher Mann!
Fälbelö Methode auf lehrreichen Schul
reifen ist, jeden Tag eine andere Wissenschaft kursorisch vorzunehmen: heute solle die Gcsel-
schaft vier Ackerlängcn vom fluchenden Gar koch die schöne Natur betrachten unter Anlei tung von S turm S Betrachtniigcn der Na
tur den ersten Band.
Sturm wurde anSge,
pakt und aufgeschlagen und jezt war erforder
lich, daß man die Augen vergnügt in der gan zen Gegend hetumwarf; aber ganz fatal liess
ab«
428
ab. Nicht etwa darum, weil Regenwolke» mir Per -Lonne aufgicngen und weil der Rek tor die Stmmische Betrachtung über den drit ten Jan» und über die Sonne plözlich wieder znmachen muste, da er kaum die schönen Worte übgelesen: „ich selbst suhlt die belebende Kraft der Senne. Sebald sie über meinen Scheitel aufgeht, breitet sich neue Hcilerkeit in meiner Se'e aus." — Denn das verschlug wenig, da ja zum Glük in den nämlichen Band auch «ine Betrachtung auf den sikbenzchinen April und über den Regen eingebunden war, die inan denn augcnbliklich anssuchte und verlas: sondern das eigcmliche Unglükdabei war, dass, da (es wird wegen der Kürze eines so lange» Piogrammes der Rektor künftig sagen ich) ich folgendes hatte vorbetrachten lassen: „jn dem eigentlichsten Verstand verdient der Re gen ein Geschenk deS Himmels genant j» werden. Wer ist im Stande alle Vortheile des RegenS zu beschreiben? Lasset uns, meine Brüder, nur einige derselben betrachten! dass ich dann abschuapee, weil ich musie—— und
429
und wahrlich, wenn vor einem Präzeptor, der
mir den Seinigen Stürmische und eigne Be
trachtungen über den Regen auf der Kunsts prasse anzustellen vorrat, jede Minute Freis
schende Fuhrmanswagen mit stinkendem Kab-
liau vorüberziebcn, mircr deren ein keisender Hund unversehrt mit hinsprlugt— wenn fers uer taumelnde Kohorten von Rekruten, die den Schulman noch starker ansingen ur.daus lachen als feinere Werbofsizicre selber und wenn Ertraposten, die er gräffen sol, ihm
über den Srrasscndam entgegcntanzcn: so mus
er wol den Pastor Sturm einstecken, eö mag regnen oder nicht. Unverrichteter Sachen kamen wir nach
A e dw i z herab. Eine schöne englische Pappelinsel — dem Gutehern angehörig — suchte uns über'eine Foiilcmtc Holzbrücke in
sich zu ziehen; aber der Rektor würde sch die sen Eintrit in ein fremdes Gebiet nicht heraus
genommen haben, wenn nicht der erörterte Monsieur Fechser versichert hatte, „er vers antworte es, er kenne den Koch."
In der 2n-
430 Insel wurde so viel ausländische Botanik als -a so zu sagen wuchs, getrieben und ich gicng mit meinen Schülern um die Baume herum und klassifizierte sie meistens: die botanische Lekzion hielt vielleicht für die Stürmische schadlos. “ — — Unter der Klassifikation fönte Kor dula, seine Tochter, hingehen, wohin sie »volte. Der grose Edukaziensrath oder Evu« lkazionsprasident fragte niemals viel nach ihr oder nach Weibern: „Weiber, sagte er, sind wahre Solözismen der Natur, berrn peccata splendida und Patavinitat, oder geborne Kolumbinen und schlafende Monaden. “ Die arme Kordula hatte langst ihre Mutter, die zugleich ihr Vater war, durch den Todesengel von ihrem Herzen wegführen ^ehen: der alte Stürmische Betrachter hatte sie in die lezte Hütte—gleichsam die Stiftohütte eines künf tigen Tempels — hinuntergezankt. Kordula wüste wenig, las nichts als was sie SontagS sang, und schrieb keinen Buchstaben alS den womit sie schwarze Wasche signierte und sie war
431 war weiter nichts als schuldlos und hülfloS. Ihr Vater lies wie die meisten Schulleute — durch die Römer verwöhnt — nichts einer Frau zu, als daß der Körper ein Koch wurde und die Scle eine Köchin. Sie schlich sich heule mit ihrem zusammengedrükten Herzen, in dem noch keine Leiden gewesen als wahre, und das noch nicht von artistischer Empfind samkeit bis zum Laöm- und Schlafwerdcn auf- und zugezogen worden, von der gcle'rte« Menge ab und sezle sich an das Ufer des Wasser-RingeS, der die schöne Insel wie ein dnnst»vllerHof den Mond umfasset, und sah eine Pyramide jenseitSdcs Wassers für ein Grab mal an, weil sie keine andere Pyramiden kanre als die über Sargen und weil ihr heute getraumet hakte, ihre Mutter habe wieder mit unverwesten Lippen gelächelt und ihren Arm liebend nach ihr ausgestrekt aber er sei zu kurz gewesen, weil die Hand davon weggcfallen war. Die kunstlose Kordula wüste nicht, welches Drukwerk ihr Herz auöeinanderpresse— sie errieth es nicht, daß der mit einer
«»■
einer blutigen Morgenröthe übersprizte.Him mel, und daß die zusammenfliessende Gras»
mückeu-Kirchenmusik im Tempel der Natur; daß daö ruhige Wiegen und Taumeln der Pap peln und die Regentropfen, die ihr Schwan
ken gleichsam vergos, daß alles dieses ihre einsame Scle trüber machte und das öde Herz schwerer und das kalte Auge heisser. — —
Sie hielt die Schürze,
mit deren Frisur
die Mutter ihre Näharbeiten beschlossen halte,
aufmerksam und nah an die Augen und begrif nicht, warum sie beute die Naht daran nicht
deutlich sehe und dachte, als sie die £1 opfertaus den Augen wegsireifte, sie waren reu den
Pappeln gefallen. ...
Aber der Alte, der
befahren muste, sie werde zu naö, psif die Beklommene von ihrer Schürze weg ins Zelt
unter die Primaner zurük. — ■—
O eS-
jst mir jezt als sah' und hört' ich in alle eure
Hauser hinein , wo ihr, Düker und Ehemän ner mit vierschrötigem Herzen und dicksiämmi,
ger Sele, beherschel,
ausfchelter,
und ciuquerschet die »reiche Sele,
abhartet
die euch
lic-
433 lieben wil und Haffen sol — daS zerrinnen» de Herz, das eure kokhigen fchwülichten Fau« sie handhaben—das bittende Auge, das ihr
anbohrt, vielleicht zu ewigen Thränen — — 6 ihr milden, weichen,
unter schweren fin
stern Schnee gebükren Blume», was wil ich euch wünschen, als daß der Gram,
eh' ihr
mit besudelten, entfärbte», zerdrükren Blat tern verweset, euch mit den Knospen umbeu
ge und abbreche für den Frühling einer andern Erde?— Und ihr seid schuld, daß ich mich
nicht so freuen kau,
wenn ich zuweilen eine
zartfühlende unter einer ewigen Sonne blü hende Schwester von euch finde,
eine hau
chende Blume im Wonnemond: denn ichmuö
denken an diejenigen von euch, deren ödeö
Leben eine in einer düstern Obstkammer durchfrvrne Dezembernacht ist. — — Und doch
ka» euer Herz etwas schöners thun als ster
ben : — sich ergeben.------------
.Ich wünschte,
ich wäre mit neben dem
Kabriolet hergeqangcn und harte die stille Kor dula in Emem fort angeschauet. — — E e
Auf
434 Auf der Strrisse nach Hof 'sagt' ich mei
nen Primanern,
sie solten die Bemerkung
machen, daß daS bavreuthische Doigtland mit mehrerem Produkten ausgesteuert sei, mit
Korn, Hafer, Kartoffeln einigen Obst (fri schem und gerroknetem) und so weiter; aber man könte nicht angeben, wie viel»
Auf dem Thurm dlieS man gerade herab, als man mich und meine Genossenschaft die
Gassenstcine Hofs betreten sah.
Ich werd'
«ö darum niemals wie andere aus affektierter
Furcht vor Eigenlobs unterdrücken — denn eben dadurch verrath man das grcste; und eS
müssen ja nicht gerade schmeichelhafte Ursachen gewesen sein, — daß bei unserem Einmarsch
alle Fenster auf-und alle Köpfe darhinter her ausfuhren : deutsche Schul - und lateinische
Gymnasiumejugend sah unö nach, Ladenjun-
gen standen barhaupt unter den Laventhürrn und wer in ein Haus wolte, stokle unter dem
Portal.
Ich erfragte mühsam einen Gasthof
für Fuhrleute, weil ich wie Swift, liebsten logiere.
da am
Es hätte mich in Verlegen,
beit
435 heit setzen sollt», daß, da ich vor der fächsie scheu Post das Kabriolet und dessen Kronwache halten lieS, »veil ich einen frankierten Brief da abjugeben hatte, den ich selber so weit ge tragen, um ein massigere-Porto zu erschwin gen , daß alsdann, sag' ich, ein schöner ange nehmer Mensch mit einer grün - taftenen Schürze unter »ms trat, der — weil er un leider für frische Einkehr ansah; denn daPosthauS ist zugleich im grosen brandenburgi schen Gasthof — meine Tochter herabhebm und unS alle empfangen wolle. Ich kam aber nicht sehr ausser mir und repetierte gleich gültig meine Nachfrage nach einem gemeinem Gasthof; und eS war schön, daß der junge Mensch unS mit einem freundlichen Lache» zum Thore wieder hinauöwieS — was wir denn thaten. Ich lieS meinen Bart mitte» in der wei te» Wirthsstube und unter käuenden Fuhr mans, Geklüften, von einen» Primaner ab nehmen und mein Haar vom ErkurrenS auf locke»» : indes unsere Erbkücheumeisterin unser Ee 2 ge.
436 geräuchertes Gedärm anS Feuer sielte. Möch
te der Himmel eS fügen, daß ich das arbeit
same Kind bald in einem guten adelichen Hause als Zofe anbrachte!
Ein Reistdiener aus einem Handelshause
in Pontak diablierte und sakredienrte am Fen
ster ungefragt über die besten deutschen politi schen Zeitungen und beschmijte besonders die
Herren S.T. Girtanner und Hofmann mit solchen Ekelnamen und Verbalinjurien —-
wovon ich mir keine nachzusprcchen 'getraue als den geringern von Narren, von Fal ericrn
der Zeit und von geistigen Myrmidonen — daß ich unter dem Einscife» wünschte, stat
meiner würde der Reichsfiskal barbiert oder
erzittert und nähme einen solchen Frazen beim
Flügel.
Der gallikanische Tropf gab sich
Mühe, sich anzustelleu als wenn er mich und mein reisendes Schnrpfenrhal gar nicht sahe
oder würdigte, obgleich der Geringste unter meinen Leuten mehr von Rebellionen und Re
gierungsformen — zumal alten — wissen mus als dieser Frankreicher.
Ich fönte nur lei»
437 leider unter dem Rasiermesser die Kinbacken nicht bewegen, um seinem Unsinn entgegen zu arbeiten; aber kaum war ich unter dem Messer hervor, so naher'teich mich dem Men schen höflich und war willens, ihm seinen Ir» weg und seinen demokratischen Augenstaar zu nehmen und ihn aufzubellen. Ich verbarg eS ihm nicht, ich hakte nie etwas aus der Nazionalversamluug gemacht und die Begriffe, die ich meinen Untergebenen von der jetzigen französischen Vergatterung beigebracht hatte, waren ganz von seinen verschieden. „Ich gebe indessen doch zn, (sagt'ich und gieng mit dem Schlucker wider mciu'en Willen wie mit einem Gelehrten um) daß die französische Rottierung weniger diesen Namen als den eines förmlichen Aufstandes verdiene, da sie nicht nur so viele Menschen als die Gesetze zu einer Rebellion oder turba erfordetn, näm lich fünfzehn Mann (L. 4 §. 3. de vi bön, rapt.) wirklich aufzeigt sonder» noch mehrere. Aber Sie müssen mir auch wieder die Strafe einräumen, die die alten vbwol republikaniLe 3 scheu
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scheu Römer auf Aufstände legten, Kreuzes» tob, Deportation, Dorschmeissen wor Thiere; ja wenn Sie auch als Christ es mildern und wie Kaiser Justinian, unser Gesezgcber, sich «ur deS Galgens bedienen wollen — und da müssen Sie, da sogar die Deutschen, die sonst Mörder und Strassenränder leben liefen, den, «och Tumultuanten henkten — sehen Sie nur Hellfeldcnnach—so sind Sie im mer nicht so mild als die alliirten Mächte, die die Nazion, weil sie sich in eine Soldates ka verkehret hat, auch blos nach dem Kriegs recht strafen und nur arquebusieren wollen. " Da ich sah, daß ich dem Reisediener zu schwer ward: so bewarb ich mich nm Deutlichkeit auf Kosten der Gründlichkeit und wies ihn darauf hin, daß Deszendenten ihren Vater (oder primum adquirentem ) Gymnasiasten ihren Rektor und folglich Landeskinder ihren Landesvater unmöglich beherschen, geschweige ab» setzen kdnten. Ich legte ihm die Frage vor, ob denn wol das frankreichische Hysteronproteron möglich gewesen wäre, wenn jeder (lat der
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der französischen Philosophen die alten Auto« res edieret und mit Anmerkungen versehen hätte; und ich ersuchte ihn, mir es doch einigermassen aufzulösen, warum denn gerade mir, noch nie ein insurgierender Gedanke ge gen meinen gnädigsten Landesbern eingckommen wäre. „Der Grund davon ist, sagt' ich selber, ich treibe meine Klassiker und verachte Paine'» und seines Gelichters — obwol ich sie alle gelesen — ganz." — Mich ärgerrS, daß ich dem Haselanten noch Vorhalten wolle, daß schon die Könige der Thiere, z. B. der Oeierkdnig, der Adler, der Löwe ihre eigne Unterthanen aufzehrten — daß ein Fürst, wenn er auch nicht einem ganzen Volke wohlwolle, doch einige Individuen daraus versorge und also immer gerade daö Umgekehrte jener von französischen Philosopben ersonnenen götlichen Vorsehung sei, die nut Gattung, nicht Individuen beglücke — und daß überhaupt gerade unter einer donnernden und blitzenden Regierung sich ein treues und ge duldiges Lanceskmd am meisien erprobe, so Ee 4
wie
44® wie sich der Christ gerade in Nöthen zeige« Kurz ich weite den Menschen eines öffentli chen Aeitungskellegiums werthhalten; aber der republikanische Haase sang pfeifend in mei ne Belehrung hinein und gieng ohne ein pro saisches Wort zu sagen so zur Thüre hinaus, daß mir fast vorkam, als verachtete er meine Reden und mich. Indessen bracht' ich diese Belehrung bei meiner Jugend an, wo sie mehr verfieng; ich habe sogar vor, wenn wir die Rede gegen den Katilina zu erponieren be kommen, ihnen deutlicher zu zeigen, daß die Pariser Katilinen, Cäsars und Pisistraten sind, die ins alte Staatsgebaude ihre Mauerbrecher setzen. ... Man verstatte mir folgende Digression: ich forschte einen halben Tag in meiner Biblio thek und unter den Nachrichten von den öffent lichen Lehrern des hiesigen Gymnasiums nach, wer von ihnen gegen seinen Landesfürsten re bellieret habe. Ich kan aber zu meiner un beschreiblichen Freude melden, daß sowol die größten Philologen und Humanisten ■— ein Ca-
441
Camerarins, Minellius, Danz, Ernest», ttr zizeronianische Sprachwerkzeuge uiiD rö« mische Sprachwelle» besas, Herr Heyne, die Edrestemathen Stroth und audeie rc. — als auch besonders die verstorbne Session hiesiger Echuldienerschaft von den Rektoren bis zu den Luintussen (ifielus.) niemals tnmultuiret haben. Männer spielen oder defendieren nie Insurgenten gegen LandcSvater» und Mütter, Manner, die sämtlich fleissig und kränklich in ihren verschiedenen Klassen von acht Uhr bis eilf Uhr dozieren und die zwar Republiken erheben, aber offenbar nur die zwei bekan» ten auf klassischem Grund nnd Boden, und daS nur wegen der lateinischen und gricchi« schon Sprache. DaS Doziere» und Speisen war vorbei; und wir hätten gut die Hüte nelunen und H o fs öffentliche Gebäude besehen können: wäre mir nicht die Sorge für ein primum mobile vbgelegen —- für Gestus. Ich sprach den Wirth um seine obere Stube nur Ee 5 borgS-
442 Lorgsweise an (das Bezahlen verlohnten wol die wenigen Minuten nicht), weil wir droben nichts zu machen hätten als wenige leise eie» gante Bewegungen. Ich lies es nämlich schon lange durch ei» nen meiner Schüler (deS grösser« Eindruks wegcn) in einer öffentlichen Redeübung fest» stellen, daß der äussere Anstand nicht ganz ebne sei. Fiemde Menschen sind gleichsam das Pedal und Manual, welche- gelenk z« bearbeiten ohne ein Dachische Finger- und Füssesetzung nicht möglich ist. Ich merke am allerersten, wie sehr ich dadurch von sonst ge» lehrten Mannern abweiche, die solche poeti sche Figuren des äusser« Körpers nicht einmal anempfthlen, geschweige damit selber vorzu leuchten wissen. ES sagt aber Eeneka c. z. de tranquill. ganz gut: „niemals ist die Bemühung eines guten Bürgers ganz unnüz; denn er kan durch bloses Auliören, Ansehen, Aussehen, Winken, durch stumme Hartnäkkigkeit, sogar durch den Einhergang selber stach»
443 fruchten (prodest.) "
Und solle so et»
was denn nicht zuweilen einen Schullehrer er» wecken, immer seinen Kopf, Hut, Stok,
Leib und Handschuh so zu halten, daß seine Klasse nichts einbüset, wen» sie sich nach die
ser Antike modelt. — „Wir werden heute, sagt' ich in der obern Stube zu den Mimikern, Menschen von dem vornehmsten Stande sehe» müssen, wir werden uns inS Schulgebäude
und in das Billard verfügen — überhaupt werden wir in einer Stadt auf und abfchreitcn,
die den Ruhm äusserer Politur schon lange be
hauptet und in der ich am wenigsten wolle, daß ihr den eurigen verspieltet — zum Bei spiel : wie würdet ihr lächeln, wenn ihr auf
Ansuchen in Geselschaft etwas zu belächeln
hattet? Monsieur Fechser, lächl' Er saturisch! " Er trafS nicht ganz — ich linierte ihnen also auf meinen Lippen jeneö feine wol
ausDoch hier ist bas bessere Original: ntmquam inutilis est opera civis boni; auditu en im, visü, vultu, nutu, obstinatione tacita incessttque ipsd prodest.
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auseinander gewundne Normal-Lächeln vor, das stets passet; darauf wieS ich ihnen das peccierende Lachen, erstlich das bleirechte, wo der SpaS den Mund, wie ein Pflok den Eber-Rüssel auf dem Pürschwagen, aufstülpt, zweitens das wag rechte, das in sofern schniherhaft werden kau, wenn es den Mund bis zu den Ohrkappen aufschneidet. Mein Auditorium kopierte mein Lächeln nach und ich fand solches zwar richtig, aber zu laut. Nun wurden Verbeugungen rekapi» tuliert und ich nahm alle gymnastische Uebun gen der Höflichkeit bis auf die kleinste Schwen kung durch. Ich zeigte ihnen, daß ein Mann von achter Lebensart selten den Hintern vor weise, welches ihm freilich enisezliche Mühe macht. Ich gieng daher zur Thüre hinanund kam wieder herein und zog sie mit der leeren Hand so nach der Anstand- Syntaris zu, daß ich nichts zeigte — „man fei, sagt' ich, da man das Ende des Menschen wie das eines Garten durchaus verstecket halten mus, lieber mit dem Ende selber die Thüre zudrücken oder
445 ober gar sie offen lassen, welche- viele thun. “ Jczt mufte ein Detaschement so hinausrücken, daß eö mir immer ins Gesicht gnkte, und so
wieder herein. „In meiner Jugend (sagt'ich) hab' ich mich oft Viertelstunden lange herum geschoben und rükwärtS getrieben, um mit
diese RükpaS in meine Gewalt und Füsse zu bringen." Der eitle Gallier trauet »ns nicht zn, daß
wir Generalveebengnngen an ein ganzes Zim mer leicht und zierlich zu Tage fördern; ich
aber schwenkte wenigstens eine algemeine Der, beugung als Paradigma flüchtig vor, und
war schon beruhigt, daß meine Leute nur die
Spezial-Verbeugung an jeden dasigen Sessel die faslicher ist, leidlich nachbrachten. Nach
diesen syntaktischer! Figuren trabte man eiligst die Treppe hinab und meine Mimiker repe
tierten und probierten (zum Spässe) beim Ein tritte vor.dem Wirthe die obige Gestikulaziou. Unten in der Stube hatten die zwei Kin
der des WirthS Eine Brezel angefasset und -erten spielend daran, wer unter dem Abreissrn
446 firn den grossen Bogen behielte. Daß Mäd chen hatte schon vor dem Essen die linke Hand auf eine rechte Fingerspitze gelegt und andern gewiesen, „so lang nur hatte sie den Mann