Gesamtwirtschaftliche Funktionen des Mittelstandes [1 ed.] 9783428489732, 9783428089734

Ein vielseitiger und gesunder Mittelstand ist Motor und fester Bestandteil hochentwickelter Volkswirtschaften. Mit dem v

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German Pages 110 Year 1997

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Gesamtwirtschaftliche Funktionen des Mittelstandes [1 ed.]
 9783428489732, 9783428089734

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Gesamtwirtschaftliche Funktionen des Mittelstandes

lIerausgegeben von

Rudolf Ridinger

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Gesamtwirt5chaftliche Funktionen des Mittelstandes I hrsg. von Rudolf Ridinger. - Berlin : Duncker und Humblot, 1997 (Veröffentlichungen des Round Table Mittelstand; Bd. 1) ISBN 3-428-08973-1 NE: Ridinger, Rudolf [Hrsg.]; Round Table Mittelstand: Veröffentlichungen des Round ...

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 1997 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1432-8399 ISBN 3-428-08973-1

Vorwort Der Round Table Mittelstand (RTM) eröffuet mit dem Band "Gesamtwirtschaftliche Funktionen des Mittelstandes" eine Publikationsreihe, die zentrale mittelstandspolitische Themen aufgreift. Hierzu werden von ausgewiesenen Experten in Beiträgen verschiedene Einzelaspekte eines Generalthemas behandelt. Ein Ziel der Publikationsreihe ist die Unterrichtung einer breiteren Öffentlichkeit über die wichtigsten Ergebnisse der sich mit den Mittelstandsfragen auseinandersetzenden Wirtschaftsforschung. In den hochentwickelten Volkswirtschaften ist die WirtschaftsstruktUr jeweils von der Existenz eines vielseitigen und starken Mittelstandes geprägt. In anderen Weltregionen wird zudem dem Aufbau mittelständischer Strukturen eine wichtige Funktion bei der Entwicklung der Volkswirtschaften zugesprochen. Die besondere Beschäftigung mit kleinen und mittleren Unternehmen und deren Entwicklung ist zudem gerechtfertigt durch die sich von Großunternehmen häufig stark unterscheidenden Entwicklungsmuster. Auch haben die verschiedenen Rahmenbedingungen fUr die Entwicklung mittelständischer Strukturen oft eine andere Bedeutung und fUhren deshalb zu anderen Konsequenzen als bei Großunternehmen. Dies hat natürlich auch wirtschaftspolitische Implikationen. Die Mitglieder des RTM möchten mit den in dieser Reihe veröffentlichten Beiträgen vor diesem Hintergrund auch Anstöße fUr die Weiterentwicklung von wirtschaftspolitischen Diskussionen geben. An der Entstehung dieses Bandes haben zahlreiche Personen mitgewirkt. Unser Dank gilt zunächst den Autoren, die die Aufarbeitung der Diskussionsergebnisse des RTM in Einzelbeiträgen übernommen haben. Bei der redaktionellen Umsetzung haben Frau Annemie Böhm, Frau Jutta Müller und Herr Diplom-Volkswirt Bernhard Fischer mit großem Engagement mitgewirkt. Ihnen sei auch an dieser Stelle dafUr gedankt. Schließlich gilt unser Dank dem Verlag fUr die freundliche Unterstützung bei der Umsetzung dieser Reihe. Dr. RudolfRidinger (GeschäftsfUhrender Herausgeber)

RUDOLF RIDINGER (Hrsg.)

Gesamtwirtschaftliche Funktionen des Mittelstandes

VeröffentIichungen des Round Table Mittelstand Herausgegeben von

dem Zentralverband des Deutschen Handwerks und dem Deutschen Industrie- und Handelstag beide in Bonn

Band 1

Inhaltsveneichnis

RudolfRidinger

Einleitung ................................................................................................................

9

RudolfRidinger

Rolle gesarntwirtschaftlicher Funktionen kleiner und mittlerer Unternehmen in politischen Entscheidungsprozessen auf nationaler und europäischer Ebene

13

Monika Paulini

Gesarntwirtschaftliche Bedeutung von ExistenzgrUndungen ..............................

27

Rene Leicht

Der Beschäftigungsbeitrag kleinerer Betriebe in längerfristiger Sicht .......... .....

41

Oustav Kucera

Der Beitrag des Mittelstandes zur volkswirtschaftlichen Humankapitalbildung unter besonderer BerUcksichtigung des Handwerks ............................................

57

Kurt Hornschild

Innovationsorientierte kleine und mittlere Unternehmen: Ihre Bedeutung rur die Volkswirtschaft und Ansatze ftlr eine adäquate Förderpolitik ......................

73

Bernhard Lageman

Auswirkungen der Globalisierung auf die mittelständische Wirtschaft .............

91

Einleitung Rudolf Ridinger Der vorliegende Band gibt einen Überblick über die zentralen gesamtwirtschaftlichen Funktionen kleiner und mittlerer Unternehmen sowie deren Berücksichtigung in politischen Diskussions- und Entscheidungsprozessen auf nationaler und europäischer Ebene. Im Mittelpunkt stehen die gesamtwirtschaftliche Bedeutung von Existenzgründungen, der Beschäftigungsbeitrag kleiner Betriebe, der Beitrag zur volkswirtschaftlichen Humankapitalbildung, die gesamtwirtschaftliche Bedeutung innovationsorientierter Unternehmen und die Auswirkung der Globalisierung auf die mittelständische Wirtschaft. Bei einer gemeinsamen Grundausrichtung aller Maßnahmen zugunsten von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) an deren gesamtwirtschaftlichen Funktionen ließe sich die EffIZienz der jeweiligen mittelstandspolitischen Aktivitäten nachhaltig steigern - so die Schlußfolgerung von Ridinger in seinem einleitenden Beitrag "Rolle gesamtwirtschaftlicher Funktionen kleiner und mittlerer Unternehmen in politischen Entscheidungsprozessen auf nationaler und europäischer Ebene". Differenziert nach den verschiedenen Politikebenen und -bereichen werden die unterschiedlichen Einflußfaktoren auf die Gestaltung politischer Entscheidungsprozesse zugunsten des Mittelstandes näher beleuchtet. Einen einheitlichen Handlungsrahmen fllr die KMU-Politik sieht Ridinger auf europäischer Ebene erst in Ansätzen verwirklicht; in Deutschland stünden diese Bemühungen gar noch am Anfang. Vor diesem Hintergrund liege denn auch eine wesentliche Schwäche der derzeitigen Politik in einer Neigung zu inkonsistenten Ad-hoc-Maßnahmen. Paulini stellt zu Beginn ihres Beitrags "Gesamtwirtschaftliche Bedeutung von Existenzgründungen" die Frage, ob - trotz eine neuen Gründungsrekordes im Jahr 1994 - die Zahl der Gründungen allein ausreiche, um eine wirksame Erneuerung des Unternehmensbestandes zu erreichen. Sie weist dabei insbesondere auf die qualitative Bedeutung von Gründungen hin. Der qualitative Aspekt hinsichtlich des Neuigkeitscharakters von Unternehmensgründungen fmde bisher immer noch zuwenig Beachtung. Gerade mit Blick auf den Beitrag von Gründungen fllr die Beschäftigung müsse das Votum zugunsten von mehr qualitativ hochwertigen und innovativen Gründungen an Stelle von mehr Gründungen um jeden Preis ausfallen.

10

Rudolf Ridinger

Thema des Beitrags von Leicht ist die tragende Rolle des Mittelstandes bei der künftigen Bewältigung eklatanter Arbeitsmarktprobleme. Unter dem Titel "Der Beschäftigungsbeitrag kleinerer Betriebe in längerfristiger Sicht" wird anband des verft1gbaren statistischen Datenmaterials detailliert auf die jüngere Entwicklung der Beschäftigtenzahlen in Unternehmen verschiedener Größenklassen eingegangen. Der Verfasser verweist auf die hohe Resistenz handwerklicher Leistungen gegenüber Rationalisierungen und .gegen Verlagerungen ins Ausland; Professionalität sei das Humankapital kleinbetrieblicher Prosperität. Leicht plädiert daftlr, die technologische Komponente bei der zukünftigen Arbeisplatzentwicklung nicht übel'ZUbewerten, sondern allgemein der langfristig und kleinbetriebsorientierten Ausgestaltung der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen vermehrt Aufmerksamkeit zu schenken. Humankapital - ein vielseitig verwendeter Begriff, der seit einiger Zeit immer stärker an die Stelle des Begriffes "Produktionsfaktor Arbeit" rückt. Kucera nimmt dies zum Anlaß, den Beitrag des Mittelstandes zur volkswirtschaftlichen Humankapitalbildung unter besonderer Berücksichtiung des Handwerks näher zu untersuchen. Er sieht im Humankapital den entscheidenden Faktor ft1r Wachstum und Entwicklung der Wirtschaft. Vor dem Hintergrund der gegenwärtigen gesamtwirtschaftlichen Probleme ~ hervorgehoben wird die derzeitige Abschwungphase eines Kondratjeff-Zyklus ("lange Welle") und der starke Wettbewerbsdruck aus dem Ausland - müßten die Industrieländer einen humankapitalintensiven Wettbewerb fllhren, um nicht international den Anschluß zu verpassen. Nach Kucera haben KMU, insbesondere im Bereich des Handwerks, betriebsgrößenbedingte Vorteile bei der Humankapitalbildung; mit seiner Ausbildungsleistung übe das Handwerk darüber hinaus positive externe Effekte auch auf die Übrige Wirtschaft aus. Weitere Vorteile der KMU sieht er in der Praxisnähe un~ der Vielfllltigkeit der betrieblichen Ausbildung. Der Beitrag schließt mit einer kritschen Bestandsaufnahme aktueller und zukünftiger Probleme, vor denen die Humankapitalbildung in KMU steht. "Innovationsorientierte kleine und mittlere Unternehmen: Ihre Bedeutung ft1r . die Volkswirtschaft und Ansätze ftlr eine adäquate Förderpolitik" - in dem so überschriebenen Beitrag beschäftigt sich Hornschild schwerpunktmäßig mit der Bedeutung und Rolle des industriellen Mittelstandes in einer entwickelten Volkswirtschaft. Dabei geht er insbesondere der Frage nach Art und Umfang des mittelständischen Innovationspotentials sowie der Zusammenarbeit mit Großunternehmen nach. In diesem Zusammenhang wird auch auf die technologieorientierten UnternehmensgrOndungen eingegangen, denen heute und ftlr die Zukunft besondere Bedeutung beigemessen werden müsse. Ausgewählte Ergebnisse aus empirischen Untersuchungen zur hervorragenden Rolle von innovierenden KMU und zu deren Problemen im Innovationsprozeß schließen sich an. Um die exis~ierenden Beschäftigungschancen in KMU zu nutzen, hält der Verfasser angesichts der zuvor geschilderten Schwachstellen staatliche

Einleitung

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Hilfen besonders bei der Bereitstellung von Risikokapital filr sinnvoll. Er räumt gleichzeitig ein, daß nicht jede identifizierte Schwäche durch staatliche Hilfen ausgeglichen werden könne und solle. Inwieweit sind KMU von der Globalisierung des Wirtschaftslebens betroffen, und in welchem Umfang nehmen sie aktiv - durch Exporte und investive Engagements im Ausland - an dieser teil? Lageman befaßt sich in seinem Beitrag "Auswirkungen der Globalisierung auf die mittelständische Wirtschaft" schwerpunktmäßig mit Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes. Unterschieden wird zwischen den Konsequenzen der direkten Konkurrenz mit ausländischen Wettbewerbern und den indirekten Auswirkungen des Globalisierungsprozesses über die durch Außenhandel und Direktinvestitionen vermittelte Vemetzung der nationalen Faktormärkte. Mittelständische Unternehmen in den direkt von der Globalisierung betroffenen Wirtschaftsbereichen müßten sich einerseits um den Erhalt ihrer "angestammten" Marktpositionen auf dem heimischen Markt bemühen und andererseits die Erschließung neuer Märkte im Ausland forcieren. Einem noch stärkeren Auslandsengagement als bislang stünden zahlreiche Hemmnisse - unter anderem die Kosten der Auslandsmarktbearbeitung, fehlende Auslandserfahrung, Sprach- und psychologische Barrieren - entgegen. Indirekt werde der Globalisierungsprozeß zu einer nachhaltigen Erosion der Exportbasis der deutschen Wirtschaft fUhren; in diesem Prozeß werde es auf seiten der KMU Gewinner und Verlierer geben. Bei der Einschätzung möglicher Auswirkungen der weltwirtschaflichen Wandlungsprozesse mahnt Lageman angesichts der Erfahrungen aus der Vergangenheit zur Zurückhaltung, zumal sich die empirische Evidenz recht widersprüchlich darstelle.

Rolle gesamtwirtschaftlicher Funktionen kleiner und mittlerer Unternehmen in politischen Entscheidungsprozessen auf nationaler und europäischer Ebene Von Rudolf Ridinger A. Rolle kleiner und mittlerer Unternehmen in den aktuellen wirtschaftspolitischen Diskussionen Die wirtschaftspolitischen Diskussionen zu den gesamtwirtschaftlichen Funktionen kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) haben in der ersten Hälfte der 90er Jahre auf nationaler und europäischer Ebene Auftrieb erhalten. Diese Diskussionen vollziehen sich vor dem Hintergrund erheblicher Wachstumsschwächen, hoher Arbeitslosenquoten und deutlich gewordener wirtschaftsstruktureller Probleme. Wenn auch in unterschiedlichen Ausprägungen, sind hiervon alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union betroffen. Angestoßen wurden die Diskussionen insbesondere vom 1993 von der Europäischen Kommission vorgelegten Weißbuch "Wachstum, Wettbewerbsfllhigkeit, Beschäftigung. Herausforderungen der Gegenwart und Wege ins 21. Jahrhundere". Das Weißbuch, das als eine Art wirtschaftspolitisches Strategiepapier von der Kommission zur Diskussion gestellt wurde, hob die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der KMU vor dem Hintergrund der diagnostizierten Herausforderungen besonders hervor. Zur Bewältigung der wirtschaftsstrukturellen Probleme wurden die KMU in dem Weißbuch als zentrale Zielgruppe der wirtschaftspolitischen Aktivitäten erklärt. Wer die wirtschaftspolitischen Diskussionen auf europäischer Ebene seit der Vorlage des Weißbuches verfolgt, kamt sogar eine weiter zunehmende Beachtung der gesamtwirtschaftlichen Funktionen des Mittelstands beobachten. Heute enthalten nahezu alle Dokumente auf europäischer Ebene, die sich mit allgemeinen wirtschaftspolitischen Zielsetzungen befassen, Hinweise zu der besonderen Bedeutung von KMU. KMU, so der sich unmittelbar einstellende Eindruck aus zahlreichen Dokumenten, gelten auf europäischer Ebene als die Hoffnungsträger der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung.

I

Bulletin der Europäischen Gemeinschaften, Beilage 6/93.

Rudolf Ridinger

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Welch große Bedeutung der Entwicklung der KMU auf europäischer Ebene inzwischen gewidmet wird, hat insbesondere der Europäische Rat bei seiner Sitzung am 26. und 27. Juni 1995 in Cannes unterstrichen. In den Schlußfolgerungen des Vorsitzes ist hierzu die folgende, an Deutlichkeit nicht mehr zu überbietende Aussage zu fmden: "Der Europäische Rat betont die entscheidende (Hervorhebung R.R.) Rolle der KMU bei der Schaffung von Arbeitsplätzen und generell als Faktor der sozialen Stabilität und der wirtschaftlichen Dynamik2". Auch die Bundesregierung hat in den letzten Jahren bei zahlreichen Gelegenheiten die Notwendigkeit der besonderen Aufmerksamkeit fllr KMU bei der Überwindung der gesamtwirtschaftlichen Probleme unterstrichen. So ist beispielsweise in der Regierungserklärung des Bundeskanzlers von 1994 die folgende Passage zu fmden: "Der Mittelstand - das ist die Erfahrung von bald 50 Jahren Bundesrepublik Deutschland - ist der Motor der Sozialen Marktwirtschaft. Kleine und mittlere Betriebe beschäftigen nahezu zwei Drittel aller Arbeitnehmer und bilden vier Fünftel aller Lehrlinge in Deutschland aus. Sie spielen damit eine entscheidende (Hervorhebung R.R.) Rolle rur die wirtschaftliche und gesellschaftliche Dynamik unseres Landes]". Die ähnliche Begriffswahl zeigt die enge Verklammerung der aktuellen KMU-politischen Diskussionen auf nationaler und europäischer Ebene. Diese wird zudem bei den in den letzten Jahren eingeleiteten Maßnahmen auf den beiden Ebenen deutlich. Die Bundesregierung hat vor dem Hintergrund der Standortdebatte in den letzten Jahren mehrere Maßnahmenpakete geschnürt, in denen speziell auf die KMU ausgerichtete Maßnahmen jeweils einen zentralen Stellenwert einnahmen. Auch auf europäischer Ebene ist seitdem in mehreren Maßnahmenbereichen eine zunehmende Schwerpunktsetzung zugunsten der KMU erkennbar4 • Der Gegenstand dieses Beitrages sind jedoch nicht die Maßnahmen, sondern die wirtschaftspolitischen Diskussionen zu den gesamtwirtschaftlichen Funktionen der KMU und deren Berücksichtigung in den politischen Entscheidungsprozessen. Ablauf und Inhalte dieser Diskussionen werden von verschiedenen Faktoren beeinflußt. Die wirtschaftlichen Entwicklungen sind dabei nur

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Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, Nr. 62 vom

3

Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesreigerung, Nr. 108 vom

8. August 1995, S. 609-630, Zitat S. 610.

24. November 1994, S. 985-992, Zitat S. 988.

4 Vgl. Ridinger: Mittelstandsilirderung der EU, in: Ridinger/Steinröx (Hrsg.): Mittelstandsilirderung in der Praxis, Köln 1996 (in Vorbereitung).

Rolle gesamtwirtschaftlicher Funktionen

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ein Einflußfaktor. Im folgenden werden Antworten auf die folgenden Fragen gegeben: -

Welche Besonderheiten der KMU-Politik beeinflussen Ablaufund Struktur der wirtschaftspolitischen Diskussionen und Entscheidungsprozesse? In welchem Rahmen erfolgen Diskussionen und Politikgestaltung? Welche Rolle spielen Erkenntnisse über gesamtwirtschaftliche Funktionen der KMU in diesem Rahmen?

Ausgeblendet wird bei den folgenden Überlegungen das Verhältnis zwischen wirtschaftspolitischen Diskussionen und Politikgestaltung einerseits und der realen gesamtwirtschaftlichen Bedeutung der KMU andererseits. Die Untersuchung der realen gesamtwirtschaftlichen Bedeutung der KMU ist Gegenstand der anderen Beiträge dieses Bandes. Hier soll auch nicht weiter thematisiert werden, ob der zunehmenden Beachtung der gesamtwirtschaftlichen Funktionen der KMU ausreichend bei den politischen Entscheidungsprozessen in der KMU-Politik und anderen Fachpolitiken Rechnung getragen wird. Im folgenden stehen entsprechend den genannten Fragestellungen zunächst die Einflußfaktoren auf Ablauf und Struktur der wirtschaftspolitischen Diskussionen und Entscheidungsprozesse im Mittelpunkt. Im Anschluß daran erfolgt eine Untersuchung des Rahmens, in dem sich die Gestaltung der KMUPolitiken auf der nationalen Ebene in der Bundesrepublik und auf europäischer Ebene vollziehen. Der Beitrag schließt mit einigen Schlußfolgerungen im Hinblick auf die mögliche Rolle der Untersuchung gesamtwirtschaftlicher Funktionen der KMU ft1r die Gestaltung einer konsistenten KMU-Politik. B. EinfluOfaktoren auf die Gestaltung politischer Entscheidungsprozesse Auf die Bedeutung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen für Struktur und Ablauf von politischen Diskussions- und Entscheidungsprozessen in der KMU-Politik wurde bereits hingewiesen. Diese beeinflussen die "konjunkturellen" Schwankungen der wirtschaftspolitischen Beschäftigung mit Problemen und Entwicklungschancen ·von KMU und auch die inhaltlichen Schwerpunkte der KMU-Politik. So ist z.B. in den letzten Jahren sehr stark die Innovationsflthigkeit der KMU und deren Beitrag zur Schaffung von Arbeitsplätzen in den Mittelpunkt der mittelstandspolitischen Diskussionen gerückt. Bei dieser Schwerpunktsetzung ist der Zusammenhang mit den gesamtwirtschaftlichen Strukturproblemen unverkennbar. Unabhängig von den durch die gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen bedingten Schwanktingen werden Struktur und Ablauf von politischen Diskussions- und Entscheidungsprozessen in der KMU-Politik allerdings auch von weiteren Faktoren geprägt, die eng mit einigen Besonderheiten dieses Politikfeldes zusammenhängen. So geht eine

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stark prägende Wirkung von dem institutionellen Rahmen aus, in dem sich diese Diskussionen sowie die Gestaltung der KMU-Politiken vollziehen. Dieser hängt wiederum eng mit den Charakteristiken dieses Politikfeldes' zusammen. I. Verhältnis zwischen I{MU-Politik und anderen Fachpolitiken

Der Ablauf von politischen Diskussionen und Entscheidungsprozessen wird sehr stark kanalisiert durch die Aufteilung in verschiedene Fachpolitiken. Die KMU-Politik ist, unabhängig von der Aufteilung der verschiedenen Fachpolitiken, ein Politikfeld, das quer zu den gängigen Arbeitsaufteilungen liegt. So haben auf die Entwicklung der KMU die Gestaltung von allgemeiner Wirtschafts-, Steuer- und Abgaben-, Forschungs- und Technologie-, Bildungs-, Sozial- und Arbeitsmarktpolitik - um nur einige der zentralen Politikfelder zu nennen - erheblichen Einfluß. Hier wird eine entscheidende Herausforderung ft1r die Gestaltung der KMUPolitik deutlich. Ihre Gestaltung ist eine Querschnittsaufgabe. Sie ist damit kein unabhängiger Gestaltungsbereich von anderen Politikfeldern. Zwar lassen sich auch andere Politikfelder nicht eindeutig untereinander abgrenzen; Überschneidungen sind nicht die Ausnahme, sondern der Regelfall. Die KMUPolitik unterscheidet sich von diesen allgemeinen Überschneidungen allerdings dadurch, daß die Berührungspunkte der KMU-Politik mit anderen Politikfeldern sich nicht nur auf Randbereiche beschränken. Sie reichen faktisch in sämtliche Maßnahmenbereiche der verschiedenen Politikfelder hinein. KMU-Politik ist aufgrund dieser Abgrenzungsprobleme institutionell zumeist nicht klar als eigenständiges Politikfeld ausgewiesen. So liegt in der Bundesrepublik auf Bundesebene die Zuständigkeit ft1r die Mittelstandspolitik bei einer Abteilung des Wirtschaftsministeriums. Diese Abteilung ist allerdings nicht ftlr alle mittelstandsorientierten Maßnahmen zuständig. Zahlreiche MaßmuUnen mit Mittelstandsbezug bzw. mittelstandspolitischen Komponenten sind bei anderen Ressorts angesiedelt. Dies ist übrigens keine Besonderheit der Bundesrepublik. Auch in den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) existieren, soweit eine eigenständige KMU-Politik überhaupt erfolgt, häufJ.g einzelnen Ministerien zugewiesene Mittelstandsabteilungen. Teilweise ist die Zuständigkeit in den Mitgliedstaaten auf mehrere Ministerien aufgeteilf. Erst mit Beginn des Jahres 1995 wurde von der Bundesregierung die Institution eines Mittelstandsbeauftragten eingerichtet. Der Mittelstandsbeauftragte hat die Aufgabe, "die wesentlichen Aktivitäten der Bundesregierung im Bereich der Mittelstandspolitik konzeptionell zusammenzufassen und zu koordiS Vgl. van der Horst: Mittelstandspolitik in den EU-Mitgliedsstaaten, in: gerlSteinröx (Hrsg.). .

Ridin-

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nieren611 • Die fachlichen Zuständigkeiten innerhalb der Bundesregierung blieben allerdings von der Ernennung des Mittelstandsbeauftragten unberührt. Auf EU-Ebene existiert keine spezifische Generaldirektion rur KMU-Politik. Hier liegt die Zuständigkeit bei der Generaldirektion XXIII. Diese ist darüber hinaus zuständig fl1r Unternehmenspolitik, Handel, Tourismus und Sozialwirtschaft. Die GrUndung dieser Generaldirektion und die Initiierung einer EUMittelstandspolitik geht zurück auf das Europäische Jahr der KMU und des Handwerks 1983. In dessen Folge wurde 1986 das erste Aktionsprogramm der Gemeinschaft fl1r KMU verabschiedet'. Wie auf nationaler Ebene erfolgen jedoch auch hier durch die anderen Generaldirektionen in eigener Zuständigkeit liegende KMU-orientierte Maßnahmen. Die Generaldirektion XXIII hat in den letzten Jahren allerdings mehrere Initiativen zur Intensivierung der Koordinierung der KMU~orientierten Aktivitäten auf europäischer Ebene ergriffen. In diese Bemühungen ist zudem die Abstimmung mit den Maßnahmen der Mitgliedstaaten einbezogen. Im Mittelpunkt dieser Koordinierungsbemühungen steht das Integrierte Programm fl1r die KMU und das Handwerk vom Juni 19941• Die Gestaltung der institutionellen Zuständigkeiten auf nationaler und europäischer Ebene ist ein Reflex der Schwierigkeiten der inhaltlichen Abgrenzung der KMU-Politik zu anderen Politikfeldern. Damit liegt eine zentrale Herausforderung der Gestaltung einer konsistenten KMU-Politik bei der Koordinierung mittelstandsspezifischer und mittelstandsrelevanter Maßnahmen der verschiedenen Fachpolitiken. In den letzten Jahren sind auf europäischer und nationaler Ebene verstärkte Bemühungen zur Intensivierung der Koordination zu beobachten. 11. Verhlltnis der verschiedenen politisch-administrativen Ebenen bei der Gestaltung der KMU-Politik

Der Koordinierungsbedarf auf den einzelnen politisch-administrativen Ebenen entsteht durch die Aufteilung der Zuständigkeiten. KMU-Politiken werden darüber hinaus auf den verschiedenen politisch-administrativen Ebenen formuliert. In der Bundesrepublik ist die Rolle des Bundes in der Mittelstandspolitik nicht explizit festgelegt. Die Zuständigkeiten von Bund und Ländern sind in 6 Vgl. BT-Drucksache 13/963. , Zu den Ursprüngen der EU-Mittelstandspolitik vgl. KayserlRichter: Mittelstand und Mittelstandspolitik im Europäischen Binnenmarkt, Schriften zur Mittelstandsforschung Nr. 33 NF, Stuttgart 1990, S. 31 f. 8 KOM(94) 207 endg.

2 Ridinger

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Art. 70 des Grundgesetzes aufgefUhrt. Danach ist die Gesetzgebung Ländersache, sofern beim Bund nicht die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz liegt (Art. 71 GG) oder eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz vorgesehen ist (Art. 72 GG). Die Mittelstandspolitik ist im Rahmen dieser Artikel nicht explizit genannt, sie ist daher vot:rangig Ländersache. Allerdings hat der Bund faktisch erhebliche Gestaltungsmöglichkeiten über die Wirtschaftsgesetzgebung.

Auch im EG-Vertrag fehlte lange eine explizite Basis ftlr die Zuweisung von mittelstandspolitischen Kompetenzen auf europäischer Ebene. Als rechtliche Basis ftlr die Formulierung von Kompetenzen diente daher zunächst Art. 235 EGV. Danach kann die Gemeinschaft tätig werden, wenn Aktivitäten im Rahmen des Gemeinsamen Binnenmarktes erforderlich sind, die erforderlichen Befugnisse im Vertrag jedoch nicht explizit festgelegt sind. Auf dieser Grundlage wurden die Aktionsprogramme der Gemeinschaft angenommen. Nach Art. 4 des aktuellen Aktionsprogramms9 wird die Kommission bei der Festlegung von Maßnahmen von einem Ausschuß unterstützt, der sich aus Vertretern der Mitgliedstaaten zusammensetzt. Mit den Beschlüssen von Maastricht wurde in den EG-Vertrag der neue Art. 130 aufgenommen. Danach sorgen die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten daftlr, daß die notwendigen Voraussetzungen ftlr die Wettbewerbsflhigkeit der Industrie der Gemeinschaft gewährleistet sind. Ein zentrales Ziel ist dabei nach dem Vertrag die Förderung eines rur die Initiative und Weiterentwicklung der Unternehmen, insbesondere der kleinen und mittleren Unternehmen, günstigen Umfelds. Diese neue Bestimmung im EG-Vertrag ist als eine deutliche Aufwertung der mittelstandspolitischen Kompetenzen der Gemeinschaft zu werten. KMU-politische Kompetenzen bestehen damit auf den verschiedenen politisch-administrativen Ebenen. Die Vermischung der Kompetenzen erscheint unter KMU-politischer Perspektive problematisch, sie steigert nicht zuletzt die Intransparenz in diesem Politikfeld. Allerdings hat die Nutzung verschiedener wirtschaftspolitischer Kompetenzen auf den verschiedenen politischadministrativen Ebenen - gewollt oder ungewollt - Auswirkungen auf die Probleme und Entwicklungsmöglichkeiten der KMU. Die Entwicklung der mittelstandspolitischen Kompetenzen auf den verschiedenen Ebenen ist damit wie die institutionelle Kompetenzaufteilung auf nationaler Ebene nicht zuletzt die Folge eines nicht klar abgrenzbaren Politikfeldes.

9ABI. der EG Nr. L 161 v. 2.7.1993.

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III. Unklarer KMU-Begriff

Probleme bei der Abgrenzung der KMU-Politik ergeben sich schließlich auch aufgrund der Schwierigkeiten bei der Defmition der KMU. In der Praxis fmden sich sehr unterschiedliche Abgrenzungen. Bei den Abgrenzungsmerkmalen lassen sich qualitative und quantitative Kriterien unterscheiden. Das zentrale qualitative Kriterium bei der Defmition des Mittelstandes ist die enge Verbindung zwischen Unternehmen und Inhaber. Als quantitative Kriterien dienen Anzahl der Beschäftigten und Umsatz. In der Bundesrepublik wurde bislang in der Mittelstandspolitik auf eine einheitliche Defmition verzichtet. So finden in den verschiedenen Politikfeldern, abhängig von den jeweiligen Zielen, unterschiedliche Abgrenzungen Anwendung. Gerechtfertigt werden unterschiedliche Begriffsverwendungen zudem mit den Unterschieden der Unternehmensgrößenverteilung in den verschiedenen Wirtschaftszweigen. Schließlich ergeben sich Schwierigkeiten bei der defmitorischen Abgrenzung auch aufgrund der Wirtschaftsdynamik, so etwa aufgrund von Weiterentwicklungen der Produktionstechnologien 1o • Auch die Europäische Kommission hat lange auf eine einheitliche Begriffsverwendung verzichtet. Im April 1996 hat die Kommission allerdings im Amtsblatt der EG eine Empfehlung fllr die Defmition von kleinen und mittleren Unternehmen veröffentlicht11 • Diese Defmition soll bei allen Programmen der Kommission Anwendung fmden. Zudem wird den Mitgliedstaaten empfohlen, die Defmition der Kommission bei ihren Maßnahmen anzuwenden. Die Empfehlung der Kommission unterscheidet zwischen Kleinstunternehmen, kleinen Unternehmen und KMU. Als Kleinstunternehmen gelten Unternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten. Kleine Unternehmen sind nach dieser Defmition Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten, einem Jahresumsatz von höchstens sieben Millionen ECU oder einer Jahresbilanzsumme von höchstens ftlnfMillionen ECU. Zu den KMU zählen Unternehmen, die weniger als 250 Personen beschäftigen, sowie einen Jahresumsatz von höchstens 40 Millionen ECU oder eine Jahresbilanzsumme von maximal 27 Millionen ECU haben. Alle diese Unternehmen müssen ein Unabhängigkeitskriterium erfUllen. Danach dürfen nur weniger als 25 % des Kapitals oder der Stimmanteile im Besitz von einem oder von mehreren Unternehmen sein, welche nicht zu den KMU zu zählen sind. Die Festlegung der KMU-Defmition ist Bestandteil der Bemühungen zur verstärkten Koordination und der Gewährleistung der Kohärenz der KMU10 Vgl. BMWi: Unternehmensgrößenstatistik 1992/1993 - Daten und Fakten -, BMWi Studienreihe Nr. 80, Bonn 1993. 11 ABI. der EG Nr. L 107 v. 30.4.1996, S. 4.

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Politiken sowohl auf europäischer Ebene als auch zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten. Die Kommission dürfte in den nächsten Jahren bei den europäischen Maßnahmen auf dieser Grundlage die Begriffsverwendung vereinheitlichen; offen ist allerdings, ob sie auch in den Mitgliedstaaten die von der Kommission erhoffie Anwe~dung fmden wird. Die Bundesregierung hat sich bereits gegen die Anwendung eines vereinheitlichten KMU-Begriffs ausgesprochen 12. Selbst wenn eine einheitliche Begriffsverwendung auf nationaler und europäischer Ebene erreicht werden sollte, bleibt die Unterschiedlichkeit der mittelständischen Strukturen. Einen ersten Eindruck von der Dimension der Unterschiede zwischen den einzelnen Wirtschaftszweigen und den Mitgliedstaaten vermitteln bereits einige wenige Kennzahlen. So liegt etwa in der Bundesrepublik bei den Kreditinstituten der Anteil der Unternehmen mit weniger als fUnf Beschäftigten bei rund 7,5 Prozent. Im Ernährungsgewerbe und der Tabakverarbeitung haben diese Unternehmen einen Anteil von rund 36 Proze~t, im Bauhauptgewerbe liegt der Anteil mit gut 38 Prozent ebenfalls noch unter der 40-Prozent-Marke. Deutlich über diesen Werten sind die Anteile im Einzelhandel und dem Bereich LederrrextiVBekleidungsgewerbe, hier werden jeweils Anteile um die 75 Prozent erreicht13. Eine Gemeinsamkeit aller EU-Mitgliedstaaten ist die zahlenmäßige Dominanz kleiner und mittlerer Unternehmen in der Wirtschaftsstruktur. Die Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten werden dabei allerdings um so größer, je niedriger die Beschäftigtengrenze bei der Defmition dieser Unternehmen gewählt wird. So liegen die Unterschiede der Anteile von KMU an der Gesamtzahl der Unternehmen bei der Betrachtung von Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten bei den in Abbildung 1 aufgeftlhrten Mitgliedstaaten immerhin bei bis zu zwei Prozent1". Bei Berücksichtigung der Unternehmen mit bis zu 250 Beschäftigten schrumpfen die Unterschiede auf wenige Zehntel-Prozent-Punkte. Damit wird deutlich, daß zwar in allen Mitgliedstaaten die KMU die Wirtschaftstruktur prägen, daß aber innerhalb dieser Unternehmensgruppe nicht unerhebliche Gewichtungsunterschiede bestehen. Noch deutlicher werden die Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bei Betrachtung des Anteils der Beschäftigten von KMU an der Gesamtbeschäftigtenzahl. So haben Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten in Italien einen Beschäftigtenanteil von 64,5 Prozent, in Deutschland liegt der entsprechende Anteil hingegen bei 40 Vgl. BT-Drucksache 13/4596: S. 26 f. Die Zahlen zu den verschiedenen Wirtschaftsbereichen sind eigene Berechnungen nach Statistisches Bundesamt: Unternehmen und Arbeitsstätten. Arbeitsstättenzählung vom 25. Mai 1987, Fachserie 2 Heft 8, Stuttgart Dezember 1990. 14 Die im folgenden verwendeten statistischen Angaben entstammen Eurostat: Unternehmen in Europa, Luxemburg 1994, Band I, S. 40 ff. 12

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Prozent. Auch bei einer Anhebung der Beschäftigtengrenze lassen sich deutliche Anteilsunterschiede zwischen diesen beiden Mitgliedstaaten beobachten (vgl. Abb. 2).

99.0

c:., N

...0 Il..

98.5 98.0 97.5 97.0

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Staat

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Quelle: Eurostat: Enterprises in Europe, Third Report, Luxemburg 1994, S. 42 Abb. I: Anteile der Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten

o

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Quelle: Eurostat: Enterprises in Europe, Third Report, Luxemburg 1994, S. 42. Abb. 2: Verteilung der Beschäftigung nach Beschäftigtengrößenklassen

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C. KMU-politischer Rahmen auf nationaler und europliseher Ebene Die Bedeutung der genannten Einflußfaktoren auf nationaler und europäischer Ebene läßt sich deutlich an dem Rahmen ablesen, in dem sich die Politikgestaltung vollzieht. Auf den jeweiligen institutionellen Rahmen wurde bereits hingewiesen. Im folgenden steht der jeweilige inhaltliche Rahmen im Vordergrund der Betrachtung. Auf beiden Ebenen sind die jüngsten Aktivitäten von dem Versuch geprägt, einen neuen Handlungsrahmen ft1r die KMU-Politiken abzustecken. I. Bestandsaufnahme auf nationaler Ebene

Mit der Ernennung eines Mittelstandsbeauftragten der Bundesregierung erfolgte eine - wenn auch institutionell deutlich beschränkte - Aufwertung der Mittelstandspolitik. Der Mittelstandsbeauftragte steht seitdem vor der Aufgabe, den Handlungsrahmen abzustecken. Seine Aktivitäten konzentrierten sich vor diesem Hintergrund auf eine Bestandsaufnahme der KMU-politischen Aktivitäten auf den verschiedenen politisch-administrativen Ebenen und in den anderen Politikfeldern. Deutlich werden die bisherigen Schwerpunkte der Arbeit des Mittelstandsbeauftragten an den von ihm vorgelegten Berichten: -

Bereits im März 1995 legte er dem Wirtschaftsausschuß des Bundestages einen Bericht zu den "Herausforderungen und Antworten der Mittelstandspolitik" vor15 • Dieser Bericht war in zwei Teile gegliedert. Der erste Teil nannte als zentrales Ziel die Verbesserung der Wettbewerbsfliliigkeit durch die Steigerung der Leistungs- und Innovationsfliliigkeit der KMU. Zur Umsetzung dieses Ziels benennt der Bericht mehrere Aktionsbereiche. Im zweiten Teil erfolgt eine Bestandsaufnahme der von der Bundesregierung auf den verschiedenen Politikfeldern eingeleiteten Maßnahmen, die insbesondere den Belangen der KMU dienen sollen. Die Fortsetzung fand die Umsetzung dieser Intention der Bestandsaufnahme in dem bereits drei Monate später vorgelegten Bericht zu den "Schwerpunkten der Mittelstandspolitik und Entwicklung des Mittelstandes in den einzelnen Bundesländern 111". Bei diesem Bericht erfolgte eine Zusammenstellung der von den einzelnen Ländern selbst erstellten Übersichten zu den

IS Bundesministerium rur Wirtschaft: Herausforderungen und Antworten der Mittelstandspolitik. Bericht an den Wirtschaftsausschuß des Deutschen Bundestages, BMWi Dokumentation Nr. 372, Bonn März 1995. 16 Bundesministerium rur Wirtschaft: Schwerpunkte der Mittelstandspolitik und Entwicklung des Mittelstandes in den einzelnen Bundesländern. Aufzeichnung rur den Ausschuß rur Wirtschaft des Deutschen Bundestages, BMWi Dokumenation Nr. 377, Bonn Juni 1995.

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Schwerpunkten ihrer KMU-Politiken. Ergänzt wurden diese Übersichten durch eine Zusammenstellung von Statistiken mit Kennzahlen zu der Entwicklung der KMU in den Ländern. Im Vordergrund standen dabei die Sichtung der verfllgbaren Statistiken und eine Gegenüberstellung von strukturellen Unterschieden zwischen den Ländern. Eine analytische Auswertung der Zahlen fand in diesem Bericht jedoch nicht statt. Der dritte Bericht des Mittelstandsbeauftragten, der im Juli 1995 vorgelegt wurde, faßt die Ergebnisse einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur "Verbesserung der Transparenz und Konsistenz der Mittelstandsfbrderung" zusammeni'. Die Einrichtung dieser Arbeitsgruppe erfolgte auf der Grundlage eines Auftrages aus der Koalitionsvereinbarung der Bundesregierung. Auch dieser Bericht ist als Bestandsaufnahme angelegt. Wesentliche Handlungsoptionen sollen nach diesem Bericht nach Vorlage der Ergebnisse eines durch den Bundeswirtschaftsminister an ein wirtschaftswissenschaftliches Institut vergebenen Forschungsauftrags diskutiert werden. Der bislang letzte vom Mittelstan.dsbeauftragten vorgelegte Bericht stammt vom März 1996. Dieser Bericht zur "Mittelstandspolitik fllr mehr Selbständigkeit und Beschäftigung" schließt inhaltlich an den ersten Bericht an l '. Er ist wiederum eine Zusammenstellung der Aktivitäten der Bundesregierung, die besonders den Belangen der KMU dienen sollen. Lediglich in ganz allgemeiner Form wird dabei auf gesamtwirtschaftliche Funktionen der KMU Bezug genommen. Während im ersten Bericht des Mittelstandsbeauftragten wettbewerbspolitische Funktionen im Vordergrund standen, hebt der Bericht vom März 1996 die Rolle der KMU bei der Schaffung von neuen Arbeitsplätzen hervor.

Die Ernennung eines Mittelstandsbeauftragten der Bundesregierung sollte eine konzeptionelle Gestaltung der KMU-Politik ermöglichen. Die ersten Bemühungen konzentrierten sich allerdings auf die Bestandsaufnahme der verschiedenen Aktivitäten in den einzelnen Politikfeldern auf nationaler Ebene und in den Ländern. Darüber hinaus wurde eine Arbeitsgruppe mit einem konzeptionellen Auftrag eingerichtet, die allerdings bislang ebenfalls lediglich eine Bestandsaufnahme vorgelegt hat und weitere Schritte von den Ergebnissen eines Gutachtens abhängig gemacht hat. Dieser Auftrag bezieht sich dabei lediglich auf einen Maßnahmenbereich. Die Bemühungen um einen konzeptioI' Bundesministerium rur Wirtschaft: Verbesserung der Transparenz und Konsistenz der Mittelstandsförderung. 1. Bericht der gemeinsamen Arbeitsgruppe des Bundes und der Länder unter Vorsitz des Beauftragten der Bundesregierung rur den Mittelstand, BMWi Dokumentation Nr. 379, Bonn 11. Juli 1995. 11 Bundesministerium rur Wirtschaft: Mittelstandspolitik ftIr mehr Selbständigkeit und Beschäftigung. Bericht an den Ausschuß rur Wirtschaft des Deutschen Bundestages, BMWi Dokumentation Nr. 394, Bonn März 1996.

24

Rudolf Ridinger

nellen Rahmen der Mittelstandspolitik auf nationaler Ebene stehen damit immer noch am Anfang. 11. Integration von KMU-Politiken auf europäischer Ebene und mit den nationalen Politiken

Auf den ersten Blick scheint die Europäische Kommission mit ihren Bemühungen der Gestaltung eines konzeptionellen Rahmens der KMU-Politik wesentlich weiter fortgeschritten. Schließlich erfolgt die Umsetzung der KMUPolitik auf europäischer Ebene schon seit der zweiten Hälfte der 80er Jahre im Rahmen von sogenannten Aktionsprogrammen. Bei den Aktionsprogrammen erfolgt rur mehrere Jahre die Festlegung von Schwerpunktbereichen der KMU-politischen Aktivitäten. Dabei handelt es sich nicht um ein Förderprogramm im engeren Sinn. So sind im aktuellen Aktionsprogramm 19 als Aktivitätsfelder u.a. die Verbesserung der rechtlichen und administrativen Rahmenbedingungen der Unternehmen und Erleichterung des Zugangs der Unternehmen zu Gemeinschaftsinformationen aufgeftlhrt. Wichtige Förderbereiche sind die Vermittlung von Partnerunternehmen und die Verbesserung der fmanziellen Rahmenbedingungen ftlr die Unternehmen. Das Aktionsprogramm umfaßt freilich nicht alle KMU-relevanten Aktivitäten auf europäischer Ebene. Das Volumen des aktuellen Aktionsprogramms von 1993 bis 1996 fällt mit gut 112 Mio. ECU sogar sehr bescheiden gegenüber KMU-relevanten Maßnahmen in anderen Politikfeldern aus. So wurde etwa ftlr die KMU-Gemeinschaftsinitiative, die zu den kohäsionspolitischen Maßnahmen gehört, rur den Zeitraum 1994-1999 ein Volumen von über I Mrd. ECU bereitgestellt. Das Aktionsprogramm soll allerdings auch eine Klammer zu den Maßnahmen in anderen Politikfeldern bilden. So ist in dem aktuellen Aktionsprogramm die Berücksichtigung der Interessen der KMU bei den verschiedenenen Initiativen und Politiken der Gemeinschaft als ein wichtiger Aktionsbereich aufgeruhrt. Ein Baustein ist dabei die bereits erwähnte Initiative zur Verwendung eines einheitlichen KMU-Begriffs. Schließlich nehmen im Aktionsprogramm auch die Bemühungen um eine verbesserte Beobachtung der Entwicklung der KMU in den Mitgliedstaaten eine zentrale Stellung ein. Hierzu wurde eine sogenannte Beobachtungsstelle unter Beteiligung von Mittelstandsinstituten der

19 Beschluß des Rates vom 14. Juni 1993 über ein mehrjähriges Aktionsprogramm der Gemeinschaft zum Ausbau der Schwerpunktbereiche und zur Sicherung der Kontinuität und Konsolidierung der Unternehmenspolitik in der Gemeinschaft, vor allem rur kleine und mittlere Unternehmen (KMU), ABI. der EG Nr. L 161 v. 2.7.1993, S. 68.

Rolle gesamtwirtschaftlicher Funktionen

25

Mitgliedstaaten eingerichtet; auch zielen die Bemühungen auf eine Verbesserung der statistischen Basis. In den letzten Jahren hat die Kommission vor dem Hintergrund der Diskussionen zu den gesamtwirtschaftlichen Problemen in den Mitgliedstaaten über das Aktionsprogramm hinaus Anstrengungen zur Weiterentwicklung eines konzeptionellen Rahmens unternommen. Im Zentrum stand dabei das ebenfalls bereits erwähnte Integrierte Programm fUr die KMU und das Handwerk von 199420 • Dieses Programm steht im engen Zusammenhang mit dem Weißbuch "Wachstum, Wettbewerbsflthigkeit und Beschäftigung" der Kommission. Mit der Vorlage eines Integrierten Programms unmittelbar nach dem viel diskutierten Weißbuch versucht die Kommission dem Gestaltungsrahmen filr die KMUPolitik neue Konturen zu verleihen. Hierzu schlägt sie in dem Programm zwei Maßnahmenbereiche vor: -

Maßnahmen zur Förderung der gegenseitigen Konsultation und Konzertierung zwischen den Mitgliedstaaten und eine Zusammenstellung der möglichen Beiträge der Gemeinschaft zur Förderung der Unternehmen.

Für die Umsetzung der im Rahmen des Programms vorgeschlagenen Maßnahmen sind dabei keine neuen Finanzmittel vorgesehen. Die Maßnahmen sollen vielmehr im Rahmen der bestehenden Instrumente umgesetzt werden. In weiten Teilen hat das Programm jedoch den Charakter einer Bestandsaufnahme. Es ist damit in seiner Anlage praktisch identisch mit den aktuellen Bemühungen des Mittelstandsbeauftragten der Bundesregierung. Dies gilt auch filr die Bemühungen zur Konzertierung mit den Maßnahmen der anderen politischadministrativen Ebenen. D. Rolle von Erkenntnissen über gesamtwirtschaftliche Funktionen Die mittelstandspolitischen Aktivitäten der letzten Jahre auf nationaler und europäischer Ebene wurden von den Diskussionen über die gesamtwirtschaftlichen Entwicklungsprobleme angestoßen. Den KMU wurden im Rahmen dieser Diskussionen wichtige Funktionen bei der Gewährleistung einer dynamischen Wirtschaftsentwicklung und der Schaffung von Arbeitsplätzen zugeschrieben. Die KMU-Politiken knüpfen auf beiden Ebenen an diesen Überlegungen an. Im Mittelpunkt steht dabei die Ausgestaltung eines neuen Handlungsrahmens. Diese Schwerpunktsetzung ist vor allem auf die Qesonderen Charakteristiken dieses Politikfelds ZUTÜckzuftlhren. Diese besonderen Charakteristiken erschweren erheblich die Gestaltung eines einheitlichen Handlungsrahmens. 20

KOM(94) 207 endg.

26

Rudolf Ridinger

Lediglich in Ansätzen besteht ein solcher Handlungsrahmen auf europäischer Ebene, auf nationaler Ebene stehen diese Bemühungen noch am Anfang. Gemeinsames Merkmal aller Aktivitäten ist, daß zwar die gesamtwirtschaftlichen Funktionen als Ausgangsbasis der Bemühungen dienen, gleichwohl sich aber der Handlungsrahmen unmittelbar auf Maßnahmenpakete bezieht. So fehlt die Verknüpfung zwischen gesamtwirtschaftlichen Funktionen einerseits und Maßnahmengestaltung andererseits. Diese unmittelbare Konzentration auf Maßnahmenpakete ist insbesondere auf die Neigung der Politik zu Ad-hocMaßnahmen zurückzufllhren. Schließlich wird die Handlungsfllhigkeit der Politik zumeist an der Einleitung· neuer Maßnahmen gemessen. Eine andere zentrale Ursache ist darin zu suchen, daß die in diesem Beitrag diskutierten Grundprobleme des Politikfelds nur schwer in den Griff zu bekommen sind. Deshalb erscheint es im Sinne der Politikgestaltung viel attraktiver, Maßnahmen in Bestandsaufuahmen als politische Leistungen herauszustellen, als sich in langen Debatten zu den gesamtwirtschaftlichen Funktionen von KMU zu verlieren. Vor allem auf europäischer Ebene ist zudem die Informationsbasis zu der Entwicklung der KMU in den Mitgliedstaaten nicht ausreichend rur die Entwicklung eines konsistenten Handlungsrahmens. Vor diesem Hintergrund sind die Bemühungen um eine Verbesserung der KMU-politischen Informationsbasis sehr zu begrüßen. Die in den Bestandsaufuahmen aufgelisteten Maßnahmen bleiben allerdings zusammenhanglos, wenn sie sich nicht an einem gemeinsamen Ziel ausrichten. Ein zentraler Rahmen kann hierbei die Ausrichtung der Maßnahmen an den gegebenen und den potentiellen gesamtwirtschaftlichen Funktionen der KMU bilden. Hieraus ließe sich eine gemeinsame Grundorientierung aller KMUrelevanten Maßnahmen ableiten. Bei einer gemeinsamen Grundausrichtung aller Maßnahmen ließe sich· die EffIZienz der Maßnahmen zudem steigern. Auch die Notwendigkeit von Abstimmungen zwischen den verschiedenen politisch-administrativen Ebenen ließe sich deutlich reduzieren.

Gesamtwirtschaftliche Bedeutung von Existenzgründungen Von Monika Paulini A. Statistische Eckdaten Seit Anfang der achtziger Jahre hat sich die Zahl der UnternehmensgrOndungen mehr als verdoppelt. 1994 brachte einen neuen GrOndungsrekord, allein in Westdeutschland sind rd. 419.000 Unternehmen. in den Markt eingetreten. Dazu kommen noch rd. 74.000 GrOndungen in den neuen Ländern. Gleichzeitig erreichte aber auch die Zahl der Marktaustritte mit bundesweit rd. 372.000· sowie die Zahl der Insolvenzen mit 18.8002 einen neuen Höchststand. Trotz eines GrOndungsüberschusses von 121.000 Unternehmenseinheiten im letzten Jahr stellen sich zwei Fragen. Erstens: ist die Zahl der GrOndungen hoch genug, um eine wirksame Erneuerung des Unternehmensbestandes zu erreichen und zweitens: gehen von der Qualität der GrOndungen die erhofften Impulse auf den Strukturwandel und die innovative Neuorientierung der Wirtschaft aus? B. Die qualitative Bedeutung von GrOndungen Die Bedeutung der UnternehmensgrOndungen ft1r eine wettbewerbsflihige Volkswirtschaft ist in vielen Untersuchungen - nicht zuletzt durch das Institut ft1r Mittelstandsforschung Bonn - hinreichend belegt worden. Die Erkenntnis, daß die Überlebensflihigkeit des marktwirtschaftlichen Systems nicht alleine von der Zusammensetzung der Untemehmenspopulation im Hinblick auf Branche, Region und Unternehmensgröße abhängt, ist unbestritten. Das Alter stellt die vierte wichtige Bestimmungsgröße ft1r den Mischgrad des Unternehmensbestandes dar. Unternehmensgründungen kommt die Funktion des "Jungbrunnens" ft1r das Wirtschaftssystem zu. Neben diesem eher quantitativen Argument ist jedoch auch die qualitative Bedeutung der UnternehmensgrOndungen ft1r die strukturelle Anpassung des marktwirtschaftlichen Systems an

• 28.000 in den alte Ländern, 44.000 in den neuen Ländern, Institut ftlr Mittelstandsforschung Bonn, Pressemitteilung vom 03.04.1995. 2 14.913 in den alten Ländern, 3.911 in den neuen Ländern~ Statistisches Bundesamt, Wiebaden.

28

Monika Paulini

sich ständig ändernde Rahrnenbedingungen sowie hinsichtlich der Durchsetzung von Innovationen am Markt von großer Bedeutung. Es ist allgemein anerkannt, daß junge Unternehmen wichtige Träger des Strukturwandels sind. Von ihrer Flexibilität und Innovationskraft gehen wichtige Impulse rur eine permanente Modernisierung der Volkswirtschaft aus. Gerade neue Unternehmen sind in besonderem Maße geeignet, verkrustete Strukturen aufzubrechen und überwinden zu helfen. Sie sind in der Lage, Märkten neue Richtungen zu weisen und dauerhafte Marktveränderungen herbeizuftlhren. Neue Unternehmen schaffen aber auch neue, zukunftssichere Beschäftigungsmöglichkeiten als Ersatz ftlr im Strukturwandel verlorengegangene Arbeitsplätze. Welchen Beitrag leisten nun aber die UnternehmensgrOndungen ftlr Strukturwandel und Beschäftigung? Im einzelnen ist die Entwicklung der wirtschaftlichen Strukturen schwer nachzuzeichnen. Wenn wir von Strukturwandel sprechen, meinen wir Bestandsveränderungen wie z.B. eine sinkende Anzahl an Unternehmen der Montanindustrie oder steigende Anteile der Computerbranche. Hinter diesen Bestandsveränderungen verbergen sich vielschichtige Fluktuationsströme. Die Fluktuation fUhrt zu weitaus größeren Umschichtungen zwischen einzelnen Regionen, Branchen oder Unternehmensgrößenklassen, als es die Bestandsentwicklung vermuten laßt. Die Umschlagspozesse auf dem Arbeitsmarkt, d.h. Arbeitsplatzschaffung und -abbau, machen Jahr ftlr Jahr ein Vielfaches der Nettobeschäftigungsveränderung aus. Entsprechendes gilt auch ftlr die Entwicklung des Unternehmensbestands. Ohne die Fluktuationsströme im einzelnen zu kennen, bleiben die eigentlichen Anpassungsprozesse weitgehend der Spekulation überlassen. Die wirtschaftspolitische B~urteilung der Unternehmenstluktuation ist nicht einheitlich3 • Für die Skeptiker sind mit einer hohen Fluktuation lediglich Unruhe, Ungewißheit und Reibungsverluste verbunden, weil es primär nicht zu einer Ausweitung des Produktionspotentials kommt, sondern lediglich zur Verdrängung bestehender Unternehmen durch neue. Die mit dem Marktaustritt . von Unternehmen verbundenen Kapital- und Arbeitsplatzverluste stehen ihrer Meinung nach in einem ungünstigen Verhältnis zu den positiven Effekten des Erneuerungsprozesses. Die gegenteilige Deutung sieht im Fluktuationsgeschehen das Ergebnis des dynamischen, den evolutorischen Prozeß antreibenden Wettbewerbs. Danach sind Stillegungen die Folge ineffizienter Produktionsverfahren oder nicht mehr auf die Bedürfnisse des Marktes abgestimmter Leistungsangebote. Die nicht mehr konkurrenzOOligen Unternehmen werden von neuen Wettbewerbern zum 3 HAX (1989): Gründungen und Stillegungen von Unternehmen als Beitrag zur strukturellen Erneuerung, S. 372.

GesamtwirtschaftJiche Bedeutung von ExistenzgTÜndungen

29

Marktaustritt gezwungen, weil diese über wirtschaftlichere Produktionsprozesse verfUgen und ihre Angebotspalette besser an die aktuellen Marktgegebenheiten angepaßt haben. Die neu geschaffenen Beschäftigungsmöglichkeiten sind damit wettbewerbsfähiger und haben folglich längerfristig Bestand. Angesichts des immer höher werdenden Tempos des technischen Fortschritts, der stetigen Verkürzung von Produktlebenszyklen, des permanenten Wandels der Konsumentenpräferenzen hat sich die positive Einstellung zur Fluktuation weitgehend durchgesetzt, weil es so aussieht, als würden junge Unternehmen diesen Herausforderungen besser gewachsen sein. Ohne das Ergebnis der empirischen Befunde vorwegzunehmen, soll an dieser Stelle betont werden: "die Fluktuation im Unternehmensbestand (ist) ein wesentliches und notwendiges Element des ft1r die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit eines Landes oder einer Region erforderlichen Strukturwandels4 ". In der ständigen Erneuerung des Unternehmensbestands ist eine Chance zu sehen, effizient und wirkungsvoll auf die Herausforderungen der Zukunft reagieren zu können. Diese Erkenntnisse spielen auch in der politischen Diskussion eine Rolle. Sie fmden nicht zuletzt in der öffentlichen Förderung von UnternehmensgrUndungen ihren Niederschlag. Es sei nur an die Wiedereinfllhrung des Eigenkapitalhilfe-Programms in den alten Ländern im letzten Jahr und die Einftlhrung eines Meister-Bafbg ab 1996 erinnert. Die Frage nach der ökonomischen Sinnhaftigkeit dieser Maßnahmen und ihrem Erfolg steht freilich auf einem anderen Blatt.

c. Die empirische Evidenz Was sagt denn nun die Empirie zur Beurteilung der Unternehmensfluktuation? Orientierungsgrößen ft1r den Beitrag von ExistenzgrUndungen zur Bewältigung des Strukturwandels sind zum einen die sektorale Verteilung der neuen Unternehmenseinheiten und zum anderen der Neuigkeitsgrad der von ihnen verfolgten GrUndungskonzepte. Eine bundesweite GrUndungsstatistik, die außer über die Anzahl der Markteintritte auch über die Entwicklung und Überlebensdauer der neuen Unternehmen Auskunft gibt, liegt fUr die Bundesrepublik Deutschland nur als Hochrechnung vor (vgl. Tabelle 1). Die meisten Statistiken beschränken sich in der Regel entweder auf den zeitpunktbezogenen Vergleich von Bestandszahlen, ohne die zwischenzeitlichen Zu- und Abgänge zu beachten, oder sie sagen etwas über die Ströme aus, ohne eine Beziehung zu den Beständen zu ermöglichen. Deshalb ist der Versuch, die Umsatzsteuerstatistik auch als Fluktuations4 HAX (1989) ): GTÜndungen und Stillegungen von Unternehmen als Beitrag zur strukturellen Erneuerung, S. 383.

30

Monika Paulini

statistik auszubauen, grundsätzlich zu begrüßen, wenn auch nicht verkannt werden darf, daß die Erfassung von Unternehmen hier primär an steuerrechtliche Tatbestände anknüpft'. Angesichts fehlender sonstiger empirischer Grundlagen muß eine dynamische Betrachtung, aus der die sektorale Entwicklung des Unternehmensbestandes und der Zusammenhang zwischen Bestands- und Fluktuationsströmen hervorgeht, anband dieser Statistik dargestellt werden. Innerhalb von zehn Jahren (1982 bis 1992) hat sich die Branchenstruktur des Unternehmensbestands stark verändert. Die Tertiärisierung der Wirtschaft ist weiter fortgeschritten. Der Anteil des Produzierenden Sektors (Energie-, Wasserversorgung und Verarbeitendes Gewerbe) ist von 18,0 % auf 13,5 % gesunken. Auch der Handel hat an Gewicht verloren; entfiel 1982 noch knapp jedes dritte Unternehmen auf diesen Bereich, sind es zehn Jahre später nur noch 27,6 %. Die Verluste in den angesprochenen Bereichen wurden durch Zugewinne im Dienstleistungssektor kompensiert, deren Anteil von 39,9 % auf 49,3 % gestiegen ist (vgl. Tabelle 2). Seit 1987 wird im Rahmen der Umsatzsteuerstatistik auch eine Gründungsstatistik ausgewiesen, so daß die Bestandsveränderungen zu der Zahl der Gründungen in Beziehung gesetzt werden können. Dieser Vergleich, der nur ft1r den Zeitraum 1986 bis 1990' möglich ist, offenbart die weitaus dynamischeren Fluktuationsprozesse im Hintergrund der Bestandsveränderungen. Während der Bestand in den vier Jahren lediglich um rd. 167.700 Unternehmen, d.h. 8,9 % angestiegen ist, sind mehr als eine halbe Million neuer Unternehmenseinheiten (559.503) im gleichen Zeitraum in den Markt' eingetreten. Die Zahl der Gründungen ist also mehr als dreimal so hoch wie das letztendliche Bestandswachstum. Die Marktaustritte sind in der Umsatzsteuerstatistik nur im Zweijahresrythmus ausgewiesen, so daß diese Seite der Fluktuation nicht vollständig7 dokumentiert werden kann; die Zugänge genügen aber, um die Schwächen der Bestandsbetrachtung offenzulegen (vgl. Tabelle 3).

S Zu den Schwächen der Umsatzsteuerstatistik als Gründungsstatistik vgl. Umsatzsteuerstatistik 1988, S. 18 ff. 'Eine Gründungsstatistik im Rahmen der Umsatzsteuerstatistik gibt es erst seit 1987. Ab 1990 sind die alten und neuen Länder in der Gründungsstatistik nur gemeinsam erfaßt, so daß die Zeitreihe nicht fortgeftlhrt werden kann. 7 Vgl. Umsatzsteuerstatistik 1988, s. S. 19 f.

Gesamtwirtschaftliche Bedeutung von ExistenzgrUndungen

31

Tabelle J

Grllndungen und Liquidationen in den alten Bundeslindern 1973 - 1993 (Hochrechnung auf der Basis von 8 Bundeslindern) ahr ~iquidationen lSaldo GrIlndungen

1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994

ahr 1990 1991 1992 1993 1994 •

147.739 135.341 137.260 152.009 153.623 161.706 156.040 177.660 214.751 269.492 296.724 309.963 309.819 302.329 307.189 326.341 336.793 371.628 391.347 397.500 406.800 419.000



144.222 145.725 138.937 146.758 146.695 145.034 137.541 135.064 184.023 206.479 234.959 250.267 266.736 267.633 260.996 264.402 267.760 279.933 297.303 288.200 297.500 328.000

f+- 3.517 10.384 1.677 f+- 5.251 f+-6.928 f+- 16.672 f+- 18.499 f+-42.596 f+-30.728 f+- 63.013 f+- 61.765 f+- 59.696 f+- 43.083 f+- 34.696 f+- 46.193 f+- 61.939 f+-69.033 f+- 91.695 f+- 94.044 f+-109.300 f+- 109.300 f+- 91.000 ~IfMBonn

Grllndungen und Liquidationen in Ostdeutschland Liquidationen lSaldo GrIlndungcn

••

109.836 139.754 95.776 78.920 74.020

•••

10.984 23.860 40.850 43.860

128.770 ~1.916 ~8.070 ß°.160 ~IfMBonn

Die Zahlen rur 1984 - 1992 basieren auf den Gewerbemeldungen von Bayern, Berlin, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland; die rur 1993/94 enthalten ebenfalls Baden-WUrttcmberg; dadurch werden 92 % aller Unternehmen reprllsentiert. Die Gesamtzahl der Anmeldungen 1994 beläuft sich aufrd. 603.000. Bereinigt um einen Faktor, der im wesentlichen die Übernahmen und unselbständigen Gründungen reprllsentiert, erhlllt man ftIr 1994419.00 originllrc Gründungen. •• Tatsächliche Marktcintrittc, geschätzt auf der Basis der Gewerbeanineldungen, ERPFörderanträge und empirischer Erhebungen. ••• Berechnung der echten Liquidationen wegen fehlender statistischer Grundlagen nicht möglich.

32

Monika Paulini Tabelle 2

Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland 1980 - 1992 nach Wirtschaftsbereichen·

Wirtschaftsbereich

abs.

in%

4.090 286.816 187.242 545.218 78.710 8.019 542.162 1.652.257

0,3 17,4 11,3 33,0 4,8 0,5 32,8 100,0

4.586 289.176 192.602 568.786 81.667 10.122 669.702 1.816.641

Energie, Wasser, Bergbau Verarbeitendes Gewerbe Baugewerbe Handel Verkehr, NachrichtenUbennittIung Kredit- und Versicherungsgewerbe Dienstleistungen Insgesamt Energie, Wasser, Bergbau Verarbeitendes Gewerbe Baugewerbe Handel Verkehr, NachrichtenUbennittIung Kredit- und Versicherungsgewerbe Dienstleistungen Insgesamt

Energie, Wasser, Bergbau Verarbeitendes Gewerbe Baugewerbe Handel Verkehr, NachrichtenUbennittIung Kredit- und Versicherungsgewerbe. Dienstleistungen Insgesamt Energie, Wasser, Bergbau Verarbeitendes Gewerbe Baugewerbe Handel Verkehr, NachrichtenUbennittIung Kredit- und Versicherungsgewerbe. Dienstleistungen Insgesamt

abs.

in%

4.368 286.422 188.631 552.043 79.965 8.300 595.058 1.714.787

0,3 16,7 11,0 32,2 4,7 0,5 34,7 100,0

0,3 15,9 10,6 31,3 4,5 0,6 36,9 100,0

4.673 290.476 192.804 574.116 84.623 8.871 734.125 1.889.688

0,3 15,4 10,2 30,4 4,5 0,5 38,9 100,0

4.789 292.503 195.984 582.946 89.201 9.811 804.797 1.980.031

0,2 14,8 9,9 29,4 4,5 0,5 40,7 100,0

4.834 292.049 202.902 589.106 93.638 10.962 863.919 2.057.410

5.062 295.048 216.131 612.646 101.481 12.774 978.724 2.221.866

0,2 13,3 9,7 27,6 4,6 0,6 44,1 100,0 @IfMBonn

1980

1984

1988

1992

• Alte Bundeslander einschI. Berlin West, ohne Berlin Ost.

1982

1986

1990

0,2 14,3 9,9 28,6 .4,6 0,5 42,0 100,0

~

i

154.340

65

1990

133.472

58.701

552

6.318

39.444

14.640

13.752

2.406

26.912

164.398

54.033

57.271

330

Summe 87-90

559.503

254.153

Quelle: Umsatzsteuerstatistik, diverse Jahrglnge, eigene Berechnungen.

• Summe GrIlndungen 1987-1990lUnternehmensbcstand 1986.

122.162

149.529

Insgesamt

72.109

54.092

Kredit u. Versicherungen

69.251

771

411

672

Verkehr u. NachrichtenObcr.

Dienstleistungen

7.911

5.433

43.341

37.232

Handel

14.537

7.250

12.154

12.702

Baugewerbe

15.570

101

1989

44.381

12.771

15.178

Verarbeitendes Gewerbe

1988

69

1987

95

Energie- u. Wasserversorgung

Wirtschaftsbcreich

Zuginge

Tabelle 3

1.889.688

734.125

8.871

84.623

574.116

192.804

290.476

4673

2.057.410

863.919

10.962

93.638

589.106

202.902

292.049

4.834

167.722

129.794

2.091

9.015

14.990

10.098

1.573

161

8,9%

17,7%

23,6%

10,7%

2,6%

5,2%

0,5%

3,4%

Unternehmen Bestand Bestandsverlnderung 1986 1990· 1986-1990 1986-1990. in% abs. abs. abs.

Bestandsverlnderungen und Unternebmenszuglnge 1987 - 1990 nach Wirtschaftsbereichen (auf der Grundlage der Umsatzsteuerstatistik)

0/01_

29,6%

34,6%

27,1%

31,8%

28,6%

28,OOA.

19,7%

7,1%

Zugangsquote· in%

..... .....

i

i

i'

~


500

Beschäft. insg.

1977

1994

Ledererz. u. Verarb. Holzbe-,-verarbeitung Emllhrungffabak Bekleidungsgewerbe

-0,4 -3 -37 -5

-3 18 -5 -13

-8 -1 20 -31

-21 -11 9 -82

-14 -1 4 -26

-8 -4 1 -6

106 427 709 315

52 426 700 152

Baugewerbe Stein,Erden,G1as usw. DruckereiNervielf. Feinmechanik/Optik Metallerz.lbearbeit. StahllMasch. bau/Rep Energie/Wasser

17 -1 3 8

104 -8 7 19 16 41

26 -9 4 -3 11 43 1

-67 -2 2 -16 13 24 4

-11 -2 -6 -43 0 -2 -6 -37 -9 -253 -12 -177 20 6

1718 385 213 634 783 1568 228

1784 316 227 599 559 1502 258

-16 -45 27 9 -2 -1 13 17 2 3 9 -1 1 -I -1 -3 58 -142

-45 -64 12 3 -4 -2 10 -118 -4 -30 -1 -40 8 18 1 -114 -97 -858

351 324 171 1018 73 613 622 262 10520

175 381 162 961 48 578 649 145 9674

Gruppe 2

Gruppe 3

Textilgewerbe H.v.Kunststoff Papier u.Pappeverarb. Elektrotechnik ADV/Büromaschinen Chemieindustrie usw. Kraftwagenherst. Bergbau Produzierendes Gew.

-I

15 0

-I

-1 -6 1 5 0,1 1 6 16 1 2 -0,1 -1 0,1 1 -0,1 -0,1 2 191

Quelle: Statistisches Bundesamt, Bundesanstalt rur Arbeit; eigene Berechnungen.

Letztgenannte Tatsache ist für künftige Strategien schon deshalb von Bedeutung, da eine Gegenüberstellung der jeweiligen BeschäftigtenqualifIkatio-

Der Beschllftigungsbeitrag kleinerer Betriebe

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nen in diesen Branchen belegt, daß die Humankapitalausstattung ein gewichtiger Faktor filr die Bereitstellung zusätzlicher Arbeitsplätze ist. Denn das kleinbetriebliche Wachstum in der o.g. Brancl~engruppe beruht gleichzeitig auf einem vergleichsweise höheren Anteil an qualifiziertem Personal. Dies widerlegt zum einen Annahmen, die Expansion an Arbeitsplätzen im kleinbetrieblichen Sektor ginge wesentlich mit einer relativen Dequalifizierung der Arbeitskräfte bzw. "billigen Jobs" einher. Zum anderen stützt dieser Umstand alle Anstrengungen im handwerklichen Bereich, die auf eine fundierte Ausbildung zielen. Professionalität ist auch weiterhin das Humankapital kleinbetrieblicher Prosperitäfl. Da sich vorliegender Beitrag stärker auf das Produzierende Gewerbe bezieht, kam weniger zum Ausdruck, daß sich natürlich vorrangig auch in den Branchen des Dienstleistungssektors eminente Wachstumsschübe an Beschäftigten in kleineren Betrieben zeigen. Dies ist v.a. eine Folge der Expansion der wissensintensiven und unternehmensorientierten Dienstleistungen, die sich schwerpunktmäßig den Freien Berufen zuordnen lassen. Hier, sowie auch innerhalb der kurativen Dienste, wurden besonders viele neue Arbeitsplätze in kleineren Büros und Praxen bereitgestellt.

E. ScbluDbetracbtung Anband dieser Zahlen wurde deutlich, daß den mittelständischen Unternehmen mit Fug und Recht eine zentrale Rolle bei der Lösung eklatanter Arbeitsmarktprobleme zugeschrieben werden kann. Insbesondere die kleineren Betriebsgrößen mit weniger als 20 Mitarbeitern leisteten in den beiden letzten Jahrzehnten einen enormen Beschäftigungsbeitrag. Außerdem weisen verschiedene Indikatoren darauf hin,· daß bis zum Ende des Jahrhunderts in den Großunternehmen eine weitere Reduzierung des Personalbestandes infolge von Rationalisierung bzw. Restrukturierung erfolgen wird, während die kleinen und mittleren Betriebe zusätzlich Arbeitsplätze bereitstellen wollen. Diese Perspektiven sind aber auch deshalb von Bedeutung, weil sie dabei viel eher als Großbetriebe ihr Personal aus dem Reservoir an Arbeitslosen rekrutieren und damit der Massenarbeitslosigkeit auch substantiell entgegenwirken. Die Befunde geben jedoch keinesfalls Anlaß, der weiteren Entwicklung am Arbeitsmarkt beruhigt entgegenzusehen. Aus mehreren Gründen: Denn die hier vor allem auf Basis von Aggregatdaten dargestellte Entwicklung soll nicht darüber hinwegtäuschen, daß sich auf einzelwirtschaftlicher Ebene nach wie vor Schwierigkeiten ergeben, junge (und das sind meist kleine) Unternehmen fortzuftlhren und deren Arbeitsplätze zu erhalten. Dies betrifft allerdings nicht 22

Vgl. im einzelnen Leicht 1995, S. 228 ff.

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Rene Leicht

nur die Frage der Ausstattung und Wettbewerbsfllhigkeit der neugegrUndeten Existenzen, sondern genauso das in vielen Fällen ungeklärte Problem der Unternehmensnachfolge23 • Hinzu kommt der Umstand, daß sich gegenwärtig die filr KMU relevanten Implikationen der Öffnung des europäischen Marktes noch nicht in voller Breite in den Daten widerspiegeln. Was aufgezeigt werden konnte, ist die Tatsache, daß der wirtschaftliche Modernisierungsprozeß weniger als vielfach angenommen durch die großbetriebliche Organisation als vielmehr genauso durch die Leistungsfllhigkeit der kleineren Betriebe und insbesondere deren Potentiale bei der Bereitstellung von Arbeitsplätzen begleitet wird. Und wenn, wie hier vermutet, diesen Potentialen auch in Zukunft große Bedeutung zugemessen werden kann, muß sich die Gestaltung der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen an den Existenzbedingungen vornehmlich dieser Betriebsgrößen orientieren. Allerdings wären politische Initiativen, die ausschließlich in Richtung auf den sog. "technologisch innovativen" Kleinbetrieb schielen, allzu kur73ichtig. Dies machen die vorgestellten Befunde deutlich. Das traditionelle und dennoch mit hoher Spezialisierung und Profession ausgeübte Handwerk stellt noch immer ein ausbaufllhiges Arbeitskräftepotential. Die Humankapitalkomponente erscheint als gewichtiger Faktor filr die kleinbetriebliche Prosperität. Diesen Qualiflkationsvorsprung zu sichern wird daher zur permanenten Pflichtaufgabe. Die Arbeitsplatzentwicklung in einigen modemen Branchen zeigt, daß demgegenüber die technologische Komponente nicht überbewertet werden sollte. In vielen Bereichen nehmen die kleineren Betriebe noch immer eher eine komplementäre als eine konkurrierende Rolle gegenüber der Massenproduktion ein. Im übrigen: Jegliche Assoziation dergestalt, das vermeintliche "Ende der Massenproduktion" beende auch die Debatte um fortschreitende Konzentration und die Wettbewerbsvorteile großer Unternehmen, würde den Blick auf die Realität ohnehin verzerren. Die Frage nach Marktmacht und wirtschaftspolitischem Einfluß ist eine gänzlich andere als die nach den betriebsgrößenspezifischen Leistungen in gesellschaftspolitischer Sicht. Die Unverzichtbarkeit und gesamtwirtschaftliche Funktion von kleinen und mittleren Betrieben zeigt sich sowohl in bezug auf die dort bereitgestellten und geschaffenen Arbeitsplätze wie auch bei der damit garantierten Dezentralität der Produktion bzw. der breiten Grundversorgung mit Dienstleistungen und Gütern.

2] Bestandsprobleme bei NeugrUndungen oder bei Unternehmensfortft1hrungen sind nicht Gegenstand dieses Beitrags, sollten aber aufgrund der Implikationen filr die Arbeitsplatzsituation wenigstens erwähnt werden. Bspw. zeigt eine Untersuchung des ifm Mannheim, daß im Hinblick auf die Nachfolgeregelung in kleinen Unternehmen enorme Kontinuitätsprobleme bestehen (vgl. ifm. Mannheim 1993).

Der Beitrag des Mittelstandes zur volkswirtschaftlichen Humankapitalbildung unter besonderer Berücksichtigung des Handwerks Von Gustav Kucera A. Zum Begriff des Humankapitals Der Begriff Humankapital tritt seit einiger Zeit in den Wirtschaftswissenschaften immer stärker an die Stelle des traditionellen Begriffes "Produktionsfaktor Arbeit". Dies wurde insbesondere deshalb notwendig, weil die qualitativen Aspekte des menschlichen Faktors gegenüber den quantitativen in der modemen Wirtschaft in den Vordergrund rücken. Es ist nicht mehr die Menge der Arbeitskraft, die vorwiegend die volkswirtschaftlichen Wachstums- und Entwicklungsprozesse bestimmt, sondern es ist die Qualifiziertheit der Arbeit, nicht nur in einern statischen, sondern vor allem auch in einern dynamischen Sinn. Es ist also letztlich die Fähigkeit der Menschen zur Innovation im technischen, organisatorischen und kaufmännischen Bereich, ihre Fähigkeit zur Prozeßinnovation und in gleichem Maße auch zur Produktinnovation. Daher sind etwa die Eigenschaften des Schumpeterschen Unternehmers ebenso wie die des Facharbeiters Bestandteile des Humankapitals. Eine solche Sichtweise ermöglicht es, technischen Fortschritt als Zunahme des Humankapitals pro Kopf zu interpretieren, wobei das entsprechende Wissen und Können an Menschen gebunden und daher nicht etwa allgemein verftlgbar ist. Man kann zu Recht von Kapital sprechen, da Investitionen erfordert werden, um diese Fähigkeiten zu schaffen, zu erhalten und zu vermehren. Die Investitionsentscheidungen in bezug auf das Humankapital unterscheiden sich dabei prinzipiell nicht von jenen in bezug auf das Realkapital. Diese Sichtweise ermöglicht es daher auch, paradox erscheinende Entwicklungen in der Wirtschaft auf einfache und überzeugende Weise zu erklären. So hat zum Beispiel in den sechziger Jahren die Feststellung von Leontief überrascht, daß die USA eher arbeitsintensive Produkte exportieren und eher kapitalintensive Produkte importieren (Leontief-Paradoxon), was beim relativen Kapitalreichtum der Vereinigten Staaten zunächst einmal sehr merkwürdig erscheint. Berücksichtigt man jedoch, daß es sich b~i den "arbeitsintensiven" Exporten tatsächlich um humankapitalintensive Exporte und bei den "kapitalintensiven" Importen um solche mit relativ geringem Humankapitalanteil han-

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delt, dann erscheint Leontiefs Entdeckung nicht mehr paradox. Denn es ist durchaus verständlich, daß realkapitalreiche Länder auch humankapitalreich sind, weil sie ihre Investitionen nicht nur auf das Realkapital, sondern ebenso, wenn nicht sogar stärker, auf das Humankapital konzentrieren werden. So ist auch zu erklären, warum Kapital nicht grundsätzlich von kapitalreichen zu kapitalarmen Ländern fließt (Feldstein-Horioka-Paradoxon), ohne bei dieser Erklärung auf die politische Unsicherheit und die geringe Eigenkapitalquote in solchen Ländern zurückgreifen zu müssen: Da nämlich kapitalreiche Länder auch humankapitalreich, kapitalarme Länder dagegen auch humankapitalarm sind, ist die Produktivität des Realkapitals in Kombination mit Humankapital in humankapitalreichen Ländern entsprechend hoch. Ein Kapitalexport in humankapitalarme Länder erübrigt sich daher1• Diese Sichtweise legt es nahe, in der Bildung von Humankapital den limitationalen Faktor ftlr Wachstum und Entwicklung der Wirtschaft zu sehen. Die Erhaltung bzw. der Ausbau von Produktionsstandorten in den Industrieländern ist daher eng verbunden mit der Investitionstätigkeit in das Humankapital dieser Länder. B. Die besondere Bedeutung des Humankapitals in der gegenwirtigen wirtschaftlichen Lage Auch ftlr die deutsche Wirtschaft nimmt die Bedeutung des Humankapitals in den letzten Jahren absolut und relativ ständig zu, obwohl dies im öffentlichen Bewußtsein nicht immer im Vordergrund steht. Vor allem zwei globale Entwicklungen erfordern es, gerade heute das Augenmerk auf die Humankapitalbildung zu richten: der Abschwung einer "langen Welle" und die zunehmende InternationaIisi~rung d.er Wirtschaft. I. Abschwung einer langen Welle

Langfristige Beobachtungen sprechen daftlr, daß die Wirtschaftsentwicklung der Industrieländer nicht nur in mittelfristigen Konjunkturzyklen, sondern auch in langen Wellen (sogenannten Kondratjeff-Zyklen) verläuft. Diese dauern etwa 60 Jahre2 • Gegenwärtig befmdet sich die deutsche Wirtschaft ebenso wie die Wirtschaften der meisten anderen hochentwickelten Industrieländer seit mehr als zwei Jahrzehnten im Abschwung einer solchen langen KondratjeffWelle; das bedeutet anhaltende Wachstumsschwäche und tendenziell zunehmende Arbeitslosigkeit. 1 Vgl. dazu Homburg, Humankapital und endogenes Wachstum, in: Zeitschrift rur Wirtschafts- und Sozialwissenschaften 115 (1995), insbes. S. 350 f. 2 Vgl. dazu van Duijn,: The Long Wave in Economic Life, London 1983.

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Man kann die Entwicklung des Wachstums der Wirtschaft in langen Wellen und die damit verbundene Arbeitslosigkeit aus dem Zusammenwirken von Produkt- und Prozeßinnovationen erklären: Langfristiges Pro-Kopf-Wachstum hat zwei Sachverhalte zur Voraussetzung: Sättigungstendenzen im Konsum müssen überwunden werden und die Arbeitsproduktivität muß entsprechend steigen. Die Überwindung der Sättigungstendenzen setzt neue Konsumgüter (Waren und Dienstleistungen) voraus, sogenannte Produktinnovationen im Konsumbereich; die Steigerung der Arbeitsproduktivität setzt neue Produkte und Organisationsformen im Produktionsbereich voraus, sogenannte Prozeßinnovationen. Sowohl Produkt- als auch Prozeßinnovationen sind auf die Dauer nur möglich bei Anwendung jeweils neuer Techniken. Die langen Wellen und die damit verbundene Arbeitslosigkeit ergeben sich dabei aus der Tatsache, daß Produkt- und Prozeßinnovationen nicht synchron erfolgen, daß nämlich ihre jeweiligen Wirkungen auf die potentielle Konsumnachfrage und die potentielle Produktionskapazität auseinanderfallen. Im Aufschwung einer langen Welle ist eine vorherrschende Technologie sowohl in der Konsumgüterindustrie als auch in der Produktionsgüterindustrie bereits etabliert. Der potentielle Bedarf nach Gütern, in denen diese Technologie verkörpert ist, ist groß, so daß die Wirtschaft - sowohl Konsumgüterindustrie als auch Produktionsgüterindustrie - stark wächst. Es herrscht Verkäufermarktsituation, die Wettbewerbsintensität ist gering. Konsumgüterindustrie und in ihrem Gefolge die Produktionsgüterindustrie expandieren; um den potentiellen Bedarf decken zu können, herrschen Erweiterungsinvestitionen vor. Die Situation ändert sich aber mit der Annäherung an die Sättigungsgrenze. Das bedeutet Erhöhung der Wettbewerbsintensität in beiden Bereichen. Zunächst verstärkt sich der Preiswettbewerb, die sogenannte Ertragslage verschlechtert sich. Zuerst versuchen die Unternehmer der Produktionsgüterindustrie, dem Preiswettbewerb durch EinfUhrung einer neuen Technologie in ihre Produkte zu entgehen. Das lohnt sich bei ihnen deswegen relativ frühzeitig, denn sie wissen ja, wozu und inwieweit die Produkte gebraucht werden. Ihr Risiko besteht im wesentlichen nur in der Funktionsflihigkeit der neuen Technologie. Dieser Neuerungswettbewerb in der Produktionsgüterindustrie verstärkt den Preiswettbewerb in der Konsumgüterindustrie infolge der dort nunmehr möglichen Prozeßinnovationen. Die potentielle Konsumnachfrage wächst wegen der Sättigungstendenzen immer langsamer. Das mit dem Arbeitskräftepotential mögliche Wachstum, also das Wachstum der potentiellen ProduktionskapaZität, geht nicht in demselben Maße zurück, da die Prozeßinnovationen mit einer Erhöhung der Ar-

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beitsproduktivität verbunden sind. Die Wirtschaft tritt in den Abschwung der langen Welle ein und es entsteht Arbeitslosigkeit. Ihre Ursache liegt nach dieser Interpretation in der unterschiedlichen Wettbewerbsfllhrung der beiden Sektoren: Preiswettbewerb in der KonsumgOterindustrie und Neuerungswettbewerb in der Produktionsgüterindustrie. Die Möglichkeiten, in der Konsumgüterindustrie Preiswettbewerb zu fUhren, werden immer weniger erfolgreich, einerseits weil die Rationalisierungsfortschritte geringer werden, andererseits vor allem aber deshalb, weil der Preiswettbewerb in der KonsumgOterindustrie, wenn die Sättigung erreicht ist, gleichsam von einem Positivsuminenspiel zu t:inem Nullsummenspiel, womöglich sogar zu einem Negativsummenspiel wird. Denn die Nachfrage nach den relativ billigen alten Produkten wird immer preisunelastischer. Erst wenn auch in der KonsumgOterindustrie ein Produktneuerungswettbewerb auf Basis der neuen Technologie einsetzt, wird es zu einem neuen langfristigen Kondratjeff-Aufschwung kommen. Interpretiert man die Entwicklung der westdeutschen Wirtschaft während der letzten beiden Jahrzehnte als absteigenden Ast einer langen Welle, dann folgt aus den hier angedeuteten theoretischen Überlegungen, daß Kostensenkungsstrategien, so wichtig sie fUr die Unternehmen im Preiswettbewerb auch sein mögen, am Kern des Problems vorbeigehen, weil der mit ihnen angestrebte Preiswettbewerb nachfragemäßig bestenfalls ein Nullsummenspiel bedeutet. Notwendig ist aber ein Positivsummenspiel, das einen neuen Aufschwung einer langen Welle einleitet. Dieses erfordert Produktneuerungswettbewerb mit entsprechend nachjragewirksamen Produlctinnovationen. 11. Zune~mende.InterDationalisierung der Wirtschaft

Die zunehmende Internationalisierung der Wirtschaft und die damit verbundene hohe und weiter wachsende Geld- und Realkapitalmobilität bedeutet fUr die Produktionsstandorte in den Industrieländern einen starken Wettbe. werbsdruck aus Entwicklungsländern, Schwellenländern und ehemals sozialistischen Ländern, unter anderem wegen der dort niedrigeren Arbeitskosten. Diesem Wettbewerbsdruck, der so von den erwähnten Ländern auf die Industrieländer von der Preisseite her ausgeht, allein mit Kostensenkungen begegnen zu wollen, um auf diese Art im Preiswettbewerb bestehen zu können, würde bedeuten, daß die Kosten in den entwickelten Ländern so weit gesenkt werden müßten, bis sich beide Kostenniveaus angleichen. Die Kostenvorteile der Konkurrenzländer liegen aber zu einem großen Teil im fehlenden sozialen Netz, im fehlenden Umweltschutz, in der Vernachlässigung von Gesundheitsund Sicherheitsaspekten und ähnlichem; es sind dies alles Sachverhalte, bei denen es fUr entwickelte Länder schwierig wird, in Konkurrenz zu treten. Den

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Standort Deutschland etwa auf diese Art retten zu wollen, entbehrt nicht eines gewissen Zynismus. Einen erfolgreichen Ausweg aus dieser Lage zeigt die Produktlebenszyklustheorie des Außenhandels. Diese Theorie befaßt sich mit den dynamischen Außenwirtschaftsbeziehungen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern. Sie geht davon aus, daß eine wachsende Wirtschaft immer wieder neue Produkte erfordert, in denen sich die technische Entwicklung widerspiegelt. Diese Produkte durchlaufen daher einen Lebenszyklus, der etwa folgende Phasen umfaßt: -

Innovationsphase, in ihr wird das Produkt entwickelt und auf den Markt gebracht; Reifungsphase, in ihr werden die Produktionstechniken ausgereift und die Konsumentenpräferenzen weitgehend erfaßt; Standardisierungsphase, in ihr ist die standardisierte Massenproduktion möglich; Sättigungs- und Rückbildungsphase, das Produkt wird allmählich durch technisch neue Produkte aus dem Markt verdrängt.

Die Innovationsphase erfordert relativ viel Humankapital und Märkte mit Pionierkonsumenten, wobei Kundennähe und Flexibilität der Betriebe eine besondere Rolle spielen. Dies sind Umstände, die vor allem auch kleinen und mittleren Unternehmen besondere Entfaltungsmöglichkeiten bieten. Die Innovationsphase eines neuen Produkts wird in der Regel in einem hochentwickelten Land stattfmden. Die Standardisierungsphase dagegen, in der weder Flexibilität noch Kundennähe und nur noch relativ wenig Humankapital erforderlich sind, kann in Entwicklungs- bzw. Schwellenländer verlagert werden, in denen die Massenproduktion kostengÜDstiger möglich ist. Dies wird um so eher wahrscheinlich, je leichter die internationale Bewegung von Geld- und Realkapital wird, und je weniger die Transportkosten des Endprodukts ins Gewicht fallen. Die Produktlebenszyklustheorie des Außenhandels iegt in diesem Falle nahe, den internationalen Handel dadurch im Gleichgewicht zu halten, daß sich die hochentwickelten Länder auf innovative humankapitalintensive Produkte spezialisieren, bei deren Produktion sie jeweils zunächst komparative Vorteile haben, wogegen sie bei den traditionellen - bereits standardisierten - Produkten die Vorteile, die in ihrem hohen Humankapitalbestand liegen, nicht mehr entsprechend nutzen können. Ihre factoral terms of trade gegenüber den Schwellenländern etc. müßten sich sonst drastisch verschlechtern, wenn sie das Außenhandelsgleichgewicht auf die Dauer behalten wollten3•

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Darüber hinaus würde der Versuch, den Entwicklungsländern in der Standardisierungsphase mit Preiswettbewerb zu begegnen, bestenfalls zu einem Nullsummenspiel fUhren. Eine wachsende Wirtschaft muß aber ein Positivsummenspiel sein. Der Produktlebenszyklustheorie zufolge müssen daher die Industrieländer einen humankapitalintensiven Wettbewerb mit dem Parameter Produktneuerung fUhren; nur so erschließen sie zusätzliche Nachfrage, entgehen dem Preiswettbewerb durch Entwicklungsländer, Schwellenländer sowie ehemalige Staatshandelsländer und sichern dadurch ein hohes und wachsendes Niveau der Wertschöpfung an ihren heimischen Standorten. Sowohl ftlr die Einleitung eines neuen Kondratjeff-Aufschwungs als auch ft1r die Reaktion auf die wachsenden Standortprobleme ist die Forcierung humankapitalintensiver Produktinnovationen der am meisten erfolgversprechende Weg. Die Bildung und der angemessene Einsatz von entsprechend effektivem Humankapital ist daher der wichtigste Ansatz zur Lösung der zur Zeit vorrangigen volkswirtschaftlichen Probleme. In beiderlei Hinsicht kommt dem im gewerblichen Mittelstand, also den kleinen und mittleren Unternehmen gebildeten Humankapital eine besondere Bedeutung zu.

c. Marktversagen bei der HumankapitalbilduDg Die Bildung von Humankapital ist mit Marktversagen verbunden; das heißt, ausschließlich durch Marktprozesse gesteuerte Investitionen in das Humankapital wären volkswirtschaftlich unbefriedigend. Daher ist seit jeher das Bildungsbzw. Ausbildungswesen mehr oder minder stark durch die öffentliche Hand reguliert. Bei einer rein marktlichen Regelung dieses Bereiches müßten sich nämlich die hohen Investitionen in das Humankapital ft1r den Investor individuelllohnen. Das tun sie in der Regel nicht: Wären die Auszubildenden die Investoren, scheiterte eine volkswirtschaftlich befriedigende Lösung an Informations- und Finanzierungsproblemen. Wären die Unternehmen die Investoren, scheiterte sie an den Verftlgungsrechten (property-rights) über das Humankapital; hätten nämlich die Unternehmen die Verftlgungsrechte, ergäbe sich zwangsweise ein Konflikt mit der individuellen Freiheit der Menschen, hätten dagegen die Auszubildenden die Verftlgungsrechte, bestünde ftlr das ausbildende Unternehmen ein großes Risiko, seine

3 V gl. dazu Trokkos: Die Bedeutung der Klein- und Mittelbetriebe im Wachstumsprozeß hochentwickelter Industrieländer unter besonderer Berücksichtigung der außenwirtschaftlichen Beziehungen zu Entwicklungsländern, Göttingen 1991.

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Ausbildungsinvestition nicht amortisieren zu können. In allen Fällen wäre die Ausbildungsintensität volkswirtschaftlich zu gering. Während sich deshalb im Grund-, Mittel- und Hochschulwesen eine marktliche Lösung des Ausbildungsproblems in der sozialen Evolution nicht durchsetzen konnte, entwickelte sich bei der beruflichen Ausbildung bis zu einem gewissen Grad ein Markt. Die Unternehmen haben offenbar ein Interesse daran, selbst auszubilden und im Bereich des Humankapitals nicht nur outsourcing zu betreiben. Daftlr sind viele Gründe denkbar, von der Senkung ihrer Suchkosten auf dem Arbeitsmarkt bis zur Imagebildung. Dennoch steht nur die überbetriebliche Komponente der Berufsausbildung außer Streit, wogegen die betriebliche Komponente des dualen Systems nicht zuletzt in bezug auf mittelständische Unternehmen von Zeit zu Zeit immer wieder grundsätzlich in Frage gestellt wird. Dies ist vom volkswirtschaftlichen Standpunkt aus nur schwer zu verstehen, denn es gibt gewichtige Argumente ftlr eine betriebliche Berufsausbildung vor allem in mittelständischen Unternehmen4 • D. Vorzüge der Humankapitalbildung in mittelstilndischen Unternehmen Für eine Humankapitalbildung in Form der betrieblichen Berufsausbildung in mittelständischen, insbesondere handwerklichen Unternehmen sprechen die KostengUnstigkeit, die Praxisnähe und die einer dynamischen Wirtschaftsentwicklung angemessene VielflUtigkeit dieser Art von Aus- und Weiterbildung. I. Kostengllnstigkeit

In der betrieblichen Aus- und Weiterbildung erwirbt der Auszubildende viele Kenntnisse und Fähigkeiten gleichsam nebenbei, indem er am normalen Produktionsprozeß des Betriebes teilnimmt, ja bis zu einem gewissen Grad sogar zu ihm als Arbeitskraft beiträgt. Das Wissen des Auszubildenden und· das Produkt des Betriebes werden gewissermaßen in einem Arbeitsgang in einer Art Kuppelproduktion erzeugt. Daher fallen verhältnismäßig wenig zusätzliche Ausbildungskosten gegenüber einer Situation an, in der etwa in besonderen Lehrwerkstätten nur ausgebildet wird und nicht gleichzeitig auch Güter ftlr den Markt produziert werden. Das

4 Vgl. zu diesem und zum folgenden Abschnitt: Kucera: Die Regulierung des Handwerks aus volkswirtschaftlicher Sicht, in: KuceraJStratenwerth: Deregulierung des Handwerks, Göttingen 1990, S. 32 - 40.

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Lernen durch Teilnahme an der Produktion ist besonders effIzient und wegen seiner KostengOnstigkeit ein volkswirtschaftlicher Vorteil. Wie eine Untersuchung des Bundesinstituts filr Berufsbildung über Kosten und Nutzen der betrieblichen Berufsausbildung im Jahre 1991 zeigt, steigen die Nettokosten (Bruttokosten minus Nutzen des Auszubildenden während der Ausbildung filr den Betrieb) pro Auszubildenden und Jahr mit zunehmender Betriebsgröße steil an. Sie waren 1991 in Betrieben mit 500 und mehr Beschäftigten (17 886 DM) mehr als zehnmal so hoch wie in Betrieben mit 1 - 9 Beschäftigten (1647 DM). Kleine und mittlere Unternehmen haben offensichtlich im Bereich der betrieblichen Ausbildung betriebsgrößenbedingte Vorteile. Besonders kostengOnstig erwies sich darüber hinaus die Ausbildung in Handwerksbetrieben, denn die Nettokosten pro Auszubildenden und Jahr betrugen im Handwerk (400 DM) weniger als ein Zwanzigstel im Vergleich zu Industrie und Handel (9 193 DM). Die Berechnung erfolgte nach dem Teilkostenprinzip, bei dem die Personalkosten der nebenberuflichen Ausbilder sowie die Kosten der Ausbildungsverwaltung nicht einbezogen werden, da sie dem Betrieb in der Regel auch entstanden wären, wenn er nicht ausgebildet hätte s. Die mittelständische Wirtschaft und insbesondere das Handwerk sind daher aus Kostengründen volkswirtschaftlich besonders geeignet filr die Humankapitalbildung. 11. Praxisnlhe

Die Auszubildenden sind im Betrieb sozusagen an der Front des Geschehens und haben dadurch die Möglichkeit, verschiedene Facetten ihres Berufes (im Handwerk nicht zuletzt auch die unternehmerischen Aspekte) in unmittelbarer Anschauung noch während ihrer beruflichen Prägungsphase kennenzulernen. Diese im wahrsten Sinne des Wortes praxisorientierte Ausbildung ist filr eine vertiefte Apperzeption der überbetrieblichen, mehr theoretisch und umfassender angelegten Ausbildung von nicht zu überschätzender Bedeutung. Erst die Synthese von beiden macht die Qualität des so gebildeten Humankapitals aus. . Die Ausbildung in den einzelnen Betrieben ist wahrscheinlich qualitativ und inhaltlich sehr unterschiedlich. Dies könnte man als Nachteil einer betrieblichen Ausbildung ansehen und als Argument filr ein ausschließlich überbetriebliches Ausbildungswesen verwenden. Aber abgesehen davon, daß dadurch die wichtige Praxisorientierung weitgehend eingebüßt würde, ginge noch ein S Vgl. dazu Kosten und Nutzen der betrieblichen Berufsbildung. Erste repräsentative Untersuchungsergebnisse. Bundesinstitut für Berufsbildung, Bonn und Berlin 1994, S.IHf. .

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weiterer Vorteil verloren, der fllr eine dynamisch sich entwickelnde Volkswirtschaft von besonderer Wichtigkeit ist, nämlich die Vielfältigkeit der Ausbildung. Sie hängt eng zusammen mit der großen Bedeutung, die die mittelständischen Unternehmen beim wirksamen Einsatz des Humankapitals in einer evolutorischen Wirtschaft haben. Iß. Vielflltigkeit

Wie jede Evolution ist auch die wirtschaftliche Evolution grundsätzlich unbestimmbar und unvorhersehbar; daher entscheiden die Wirtschaftssubjekte und insbesondere auch die Unternehmen stets unter mehr oder minder großer Unsicherheit. Der wirtschaftliche Wettbewerb der Unternehmen um die gesamtwirtschaftliche . Nachfrage wird zu einem "Entdeckungsverfahren" (Friedrich August v. Hayek). Was entdeckt werden kann, ist unsicher, das heißt, worauf die Nachfrage stärker oder schwächer reagieren wird, ist unbekannt. Die Unternehmen müssen daher versuchen, viele Wege zu beschreiten, um Nachfrage an sich zu ziehen. Vor allem der humankapitalintensive Wettbewerbsparameter Produktneuerung kann auf verschiedenste Art eingesetzt werden. Je mehr erfolgversprechende Wege in der Volkswirtschaft beschritten werden, um so wahrscheinlicher ist der Erfolg, dabei die richtigen Wege zu fmden, um Angebot und potentielle Nachfrage aufeinander abzustimmen. So gesehen sind die wirtschaftliche Entwicklung und ihre Stabilität auch ein stochastisches Problem. Das bedeutet: Unter den Bedingungen der Unsicherheit hängen Wettbewerbsfllhigkeit und damit auch Stärke und Stabilität des wirtschaftlichen Wachstums einer Volkswirtschaft wesentlich von der Wahrscheinlichkeit ab, mit der es den Unternehmen gelingt, potentielle Absatz- und Produktionsmöglichkeiten zu entdecken, das heißt Produkt- und Prozeßinnovationen durchzufUhren, die sich auf den Märkten erfolgreich bewähren. Der Erfolg der Bemühungen um solche Entdeckungen hängt unter anderem davon ab, wie zahlreich und differenziert die diesbezüglichen Versuche sind. Evolutionstheoretisch könnte man sagen, die Wahrscheinlichkeit, daß durch Selektion erfolgreiche Mutanten ausgewählt werden, ist um so größer, je größer die Zahl der Mutanten ist. Volkswirtschaftlich ist diese Aussage insofern zu relativieren, als nicht erfolgreiche Mutanten in der Regel erhebliche volkswirtschaftliche Kosten darstellen (in Form von Konkursen, Arbeitslosigkeit etc.). Daher ist es wichtig, daß die Mutanten (Neuerungen, Innovationen) bereits von vornherein eine gewisse Überlebenswahrscheinlichkeit aufweisen, nichtsdestoweniger aber doch ein breites Spektrum potentieller Möglichkeiten abdekken. Das erfordert eine diesbezüglich ausgewogene Betriebsgrößenstruktur.

5 Ridinger

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Auf die Humankapitalbildung im Rahmen des beruflichen Ausbildungswesens übertragen, zeigt diese Überlegung, daß bereits hier die Grundlage gelegt werden muß ftlr die Fähigkeiten der zukünftigen Wirtschaftstreibenden in ihrer Gesamtheit, diesen Erfordernissen weitgehend gerecht zu werden. Denn nicht der einzelne Wirtschaftstreibende bzw. Auszubildende muß diese Fähigkeiten in sich vereinigen - das könnte ihm auch praktisch gar nicht vermittelt werden -, sondern die Wirtschaftstreibenden bzw. Auszubildenden in ihrer Gesamtheit sollen das Reservoir an potentieller Vielfalt darstellen, aus dem der Wettbewerbsprozeß gespeist werden muß, wenn er seine Funktion als Entdekkungsverfahren erftlllen soll. Die betrieblich und überbetrieblich fundierte Ausund Weiterbildung in mittelständischen Unternehmen und speziell auch im Handwerk ist daher gerade wegen ihrer Heterogenität und der mit ihrem engen Praxisbezug verbundenen Effektivität besonders geeignet, dem stochastischen Element in der wirtschaftlichen Entwicklung zu entsprechen.

E. Quantitative Aspekte Kleine und mittlere Unternehmen bieten aus den oben angefllhrten Gründen besonders gute Voraussetzungen ftlr die Verbindung von Schaffung und effektivem Einsatz des Humankapitals. Es ist daher auch verständlich, daß Kleinbetriebe -: gemessen an der Beschäftigtenzahl - wesentlich mehr Lehrlinge ausbilden als Großbetriebe. Auch absolut ist ihr Ausbildungsbeitrag beachtlich: Nach einer Betriebserhebung in Westdeutschland im Herbst 1992 wurden 36 % aller Auszubildenden in Betrieben mit 1 - 19 Beschäftigten ausgebildet, weitere 30 % in Betrieben mit 20 - 199 Beschäftigten und nur ein Drittel in Großbetrieben mit 200 und mehr Beschäftigten6 • Besonders eindrucksvoll ist die Ausbildungsleistung des Handwerks; es bildet etwa das Doppelte seines eigenen Bedarfs aus und übt damit in bezug auf das Humankapital positive externe Effekte auf die übrige Wirtschaft aus. So hat nach einer Untersuchung des Instituts ftlr Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt ftlr Arbeit von den im Jahre 1992 beschäftigten ausgebildeten Facharbeitern das Handwerk 30,8 % beschäftigt, aber 57,8 % ausgebildet, die Großindustrie mit 50 und mehr Beschäftigten beschäftigte 29,7 %, bildete aber nur 19,1 % aus, im Dienstleistungsbereich sind die entsprechenden Prozentsätze 34,5 und 18,4 und in der Kleinindustrie (bis 49 Beschäftigte) 5,1 und 4,7 7•

6 Vgl. von Henninges: Die berufliche, sektorale und statusmaßige Umverteilung von Facharbeitern. Beiträge zur Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 182, Nürnberg 1994, S.89. 7 Vgl. dazu von Henninges, S. 38 ff.

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Auch in der Meisterausbildung gibt es ähnliche positive externe Effekte. Man kann hier davon ausgehen, daß mehr als ein Drittel der Handwerksmeister sein Wissen und Können in anderen Wirtschaftsbereichen einbringt. Diese besonders intensive Fonn der Humankapitalbildung und ihre positiven externen Effekte sind nicht zuletzt eine Folge des Erfordernisses des Großen Befähigungsnachweises zur selbständigen Berufsausübung im Handwerk' . Das im Handwerk gebildete Humankapital, das zum weitaus überwiegenden Teil die gewerblich-technischen Berufe betrifft, ist gerade ftlr die deutsche Wirtschaft von besonderer Bedeutung, weil in Deutschland das Produzierende Gewerbe einen relativ hohen Anteil an der Wertschöpfung und damit auch an den Arbeitsplätzen hat. Es sind hier in diesem Bereich nämlich anteilsmäßig deutlich mehr Menschen beschäftigt, als in vergleichbaren Industrieländern: 1992 betrug diestr Anteil in Westdeutschland 38,3 %, Japan 34,6 %, Italien 32,2 %, Frankreich 28,9 %, Großbritannien 26,5 % und in den USA 24,6 %9. Darüber hinaus zeigt die selbst im Vergleich zu etwas kleineren Ländern hohe Exportquote der westdeutschen Wirtschaft am Bruttoinlandsprodukt von 22,8 % im Jahre 1994 den hohen Stellenwert des Produzierenden Gewerbes ftlr die Wettbewerbsfähigkeit des Produktionsstandorts Deutschland (Großbritannien 19,9 %, Italien 18,6 %, Frankreich 17,7 %, Japan 8,6 %, USA 7,6 )10. Dabei ist ftlr die deutschen Exporte charakteristisch, daß sie ein breitgestreutes Spektrum von Waren umfassen, weil besonders viele Branchen intensiv am Export beteiligt sind. "Kein Land der Welt ... weist eine derartige Breite und Tiefe an Branchen mit einer starken internationalen Stellung auf"II. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit einer so vielfältigen Produktpalette setzt nach einer neuen Richtung in der Außenhandelstheorie das Vorliegen von entsprechend unterschiedlichen Clustern voraus, das sind Branchenanhäufungen, "die durch vertikale und horizontale Beziehungen verknüpft sind. Die Volkswirtschaft eines Landes enthält eine Mischung von Clustern, deren Zusammensetzung und Ursprünge des Wettbewerbsvorteils (oder -nachteils) den Zustand der wirtschaftlichen Entwicklung widerspiegeln"l2. Es spricht vieles daftlr, daß der hochentwickelte und vielflUtig ausgerichtete Wirtschaftsbereich Handwerk sowohl im Bereich der Humankapitalbildung, als auch im Bereich des Humankapitaleinsatzes in eigenen Betrieben wesentlich zu der differenzierten und international erfolgreichen Clusterbildung in Deutschland beigetragen hat. So I Vgl. dazu Handwerkskammer Düsseldorf: Fünf Jahre nach der Meisterprüfung, InformationIDokumentation 5/91, Düsseldorf 1991, S. 1 und 23, sowie Kucera, S. 40-54. 9 Vgl. Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft 18, 1995. 10 Berechnet nach International Financial Statistics, Yearbook 1995. 11 Porter: Nationale Wettbewerbsvorteile, München 1991, S. 380 und 388. 12 Porter, S. 97.

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verweist auch der zur Zeit wohl renommierteste Wettbewerbstheoretiker Michael E. Porter im Hinblick auf die internationalen Wettbewerbsvorteile der zahlreichen deutschen Cluster mit besonderem Nachdruck auf "den Bestand an hochbezahlten, gutausgebildeten und motivierten Facharbeitern", sowie auf das "gutausgebildete und einzigartig~ Lehrlingssystem", das "in seiner Bedeutung kaum zu überschätzen ist l3 • Aus diesen Gründen erscheint die Rolle, die der gewerbliche Mittelstand im allgemeinen und das Handwerk im besonderen bei der Entwicklung der deutschen Wirtschaft und ihrer internationalen Wettbewerbsfllhigkeit spielen, durchaus beachtlich. F. Aktuelle Probleme der Humankapitalbildung in mittelstIndischen Unternehmen Der theoretisch und statistisch ziemlich eindrucksvoll erscheinende Beitrag der Klein- und Mittelbetriebe und insbesondere des Handwerks zur volkswirtschaftlichen Humankapitalbildung und die damit verbundenen positiven Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft können jedoch aus mehreren Gründen in Zukunft beeinträchtigt werden: I. Quantitativer und qualitativer Nachwuchsmangel bei Facharbeitern und Unternehmern

Trotz zeitweisen Lehrstellenmangels wird das Handwerk den langfristig zunehmenden Bedarf der Wirtschaft an Humankapital quantitativ und qualitativ nicht ohne weiteres befriedigen können, denn immer mehr junge Menschen ziehen eine Hochschulausbildung einer Ausbildung im Handwerk vor. Darüber hinaus ist damit zu rechnen - und die Erfahrungen zeigen dies auch -, daß in der Regel nicht die am besten Geeigneten eines Jahrgangs eine Handwerksausbildung anstreben. Eine Antwort auf dieses Problem scheint die relativ starke Steigerung der durchschnittlichen Ausbildungsvergütung fUr Lehrlinge zu sein; sie nahm von 1985 - 1995 um 69 % zu, wogegen die durchschnittlich ausgezahlten Bafög-Beträge fUr Studenten im gleichen Zeitraum nur um 11 % stiegen l4 • Die unter anderem auch damit verbundene Erhöhung der Ausbildungskosten kann sich negativ auf die Ausbildungsneigung der Unternehmen auswirken. Die aktuelle Diskussion um die Kürzung der Berufsschulzeiten durch Wegfall verschiedener Unterrichtsstunden, zum Beispiel in Religion und Sport, betrifft dieses von den Unternehmen immer ungünstiger empfundene Verhältnis von Nutzen und Kosten der Lehrlingsausbildung. Es wird offenbar 13

14

Porter, S. 390 und 392. Vgl. Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft 5, 1996.

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erwartet, daß sich diese Qualitäts- und Kostenschere in der betrieblichen Humankapitalbildung weiter öffuen wird. Die Gefahr einer negativen Auslese besteht allerdings auch bei jenen, die vom Handwerk ausgebildet wurden und im Handwerk verbleiben (übrigens sind dies weniger als die Hälfte), da das Lohnniveau fllr Facharbeiter aus handwerklicher Ausbildung im Handwerk selbst deutlich niedriger ist als in der Industrie und den übrigen Bereichenu. Solche negativen Ausleseeffekte, die sich übrigens auch nachteilig auf die Qualität der Lehrlingsausbildung im Handwerk auswirken müssen, können nur vermieden werden, wenn die Entscheidung der Facharbeiter fllr eine Tätigkeit im Handwerk durch entsprechende Vorteile (z.B. Sicherheit der Arbeitsplätze, angenehmes Arbeitsklima) beeinflußt wird. So wechselten 35 % der gelernten Facharbeiter im Beschäftigungsbereich Handwerk aus fmanziellen Gründen ihren Beruf16• Die Nachwuchsproblematik betrim nicht nur ein geeignetes Facharbeiterreservoir, sondern auch erfolgreiche und überlebensfllhige Betriebsgründungen und Betriebsübernahmen, also die Unternehmer selbst, die in der Lage sind, den zunehmenden Anforderungen an Bildung und Einsatz des Produktionsfaktors Humankapital gerecht zu werden. Ein besonderes Problem ergibt sich diesbezüglich in naher Zukunft als Folge der demographischen Entwicklung: Es ist damit zu rechnen, daß insbesondere ab dem Jahr 2000 wesentlich weniger Meisterprüfungen abgelegt werden als zur Zeit; die Zahl der Jungmeister und in Verbindung damit wohl auch die der Existenzgründer wird sich dramatisch verringern; nach einer noch unveröffentlichten Untersuchung des Seminars fllr Handwerkswesen an der Universität Göttingen handelt es sich dabei um einen Rückgang von etwa 40 %. In dieser Zeit werden aber viele Unternehmen aus Altersgründen zur Übergabe angeboten werden. Die aus beiden gegenläufigen Entwicklungen folgende Übernahmeproblematik muß sich allerdings nicht nur negativ fllr das Handwerk auswirken, sie kann nämlich auch zu einer Verbesserung der Betriebsgrößenstruktur im Handwerk ftlhren. 11. Humankapitalbildungsunfreundliche Betriebsgr6ßenstruktur

Nach der letzten Handwerkszählung (1977), fllr die detaillierte Ergebnisse vorliegen, waren 60 % der Betriebe Kleinstbetriebe, deren Umsatz unter 250 000 DM lag und in denen einschließlich Eigentümer und mithelfenden Familienmitgliedern im Durchschnitt nicht einmal drei Personen tätig waren; bei einem Viertel der Betriebe war der Umsatz sogar niedriger als 60 000 DM. Die Betriebsgrößenstruktur des Handwerks war daher ziemlich unausgewogen; 15 16

Vgl. von Henninges, S. 103 und 110. Vgl. von Henninges, S. 107 f.

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sie hatte ihre höchsten Werte bei sehr kleinen Betriebsgrößen: bei den mittleren, typisch mittelständischen Betriebsgrößen flUlt die Verteilungskurve stark ab; man kann geradezu von einer "Mittelstandsmulde" in der Betriebsgrößenverteilung des Handwerks sprechen. Gerade diese "mittleren" Größen sind es aber, die aus stochastischen GrUnden bei Bildung und effektivem Einsatz eines differenzierten Humankapitals eine besonders wichtige Rolle spielen und in Zukunft verstärkt spielen werden (Vgl. oben den Unterabschnitt 4c). Daraus folgt, daß der Beitrag des Handwerks zum volkswirtschaftlichen Humankapital auch im Hinblick auf die Betriebsgrößenstruktur noch verbessert werden kann. Zwar hat sich in den letzten Jahren die durchschnittliche Betriebsgröße im Handwerk erhöht, wie vorläufige Ergebnisse der neuen Handwerkszllhlung zeigen, es bleibt aber abzuwarten, inwiefern die neuesten Entwicklungen auch die Betriebsgrößenstruktur in Richtung auf mehr Ausgewogenheit verändert haben bzw. noch verändern werden. 111. Starrheit der Ausbildungsstruktur - hoher Anteil an Berufswechslern

Investitionen in das Humankapital unterliegen ebenso wie Investitionen in das Realkapital der Gefahr, volkswirtschaftlich ineffizient zu sein. Bei der Humankapitalbildung ist diese Gefahr vielleicht noch größer, weil die Marktselektion hier eine geringere Rolle spielt. Die dauernde Diskussion über die Zweckmäßigkeit der Ausbildungsinhalte an höheren Schulen und Universitäten zeigt dies deutlich. Aber auch in der beruflichen Ausbildung ist die Flexibilität trotz größerer Marktnllhe oft nicht zufriedenstellend. So zeigt die Studie über die berufliche, sektorale und statusmäßige Umverteilung von Facharbeitern, daß seit langem etwa 40 % der gelernten Facharbeiter ohne weiterfilhrende Berufsausbildung die von ihnen erlernten Berufe wechseln. Am häufigsten wird der Beruf von denen gewechselt, die im Handwerk ausgebildet wurden. Es handelt sich dabei immer um dieselben Berufe (etwa im Metall-, Textil- und Ernllhrungsbereich), in welchen seit vielen Jahren wesentlich mehr ausgebildet als gebraucht wird. In anderen langfristig gleichbleibenden Berufen wird dagegen stets zu wenig ausgebildet l7 • Vom Standpunkt der optimalen Allokation aus betrachtet ist die Starrheit dieses Musters bedenklich, nährt sie doch den Verdacht einer hartnäckigen Fehlallokation von Humankapital. In diesem Zusammenhang liegt daher die Frage nahe nach der Verwertbarkeit der Berufsausbildung in einer dynamischen Wirtschaft. Aufgrund dreier Erhebungen, die das Bundesinstitut rur Berufsbildung in Zusammenarbeit mit dem Institut rur Arbeitsmarkt- und Berufsforschung seit 1979 durchgetllhrt hat, 17

Vgl. dazu von Henninges, S 32 ff. und 97 f.

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und die auch der bereits mehrfach zitierten Studie über die Umverteilung von Facharbeitern zugrunde liegen, kann dazu festgestellt werden: Die Verwertbarkeit der beruflichen Erstausbildung hat sich ;JUS der Sicht der Erwerbstätigen verringert, sie sinkt darüber hinaus im Laufe des Berufslebens, wobei in der letzten Erhebung (1992) eine deutlichere Abnahme festzustellen ist als in den früheren Erhebungen. Damit hat sich die Diskrepanz zwischen den Lehrinhalten und den Anforderungen im Berufsleben vergrößert. Auch andere Untersuchungen kommen zu dem Ergebnis, daß der Mismatch auf dem deutschen Arbeitsmarkt zugenommen hat. "Den Verantwortlichen fIlr das System der dualen Berufsausbildung sollte der negative Trend in der Verwertbarkeit zu denken geben.... Insbesondere sollte die Gefahr nicht unterschätzt werden, die sich aus dem großen zeitlichen Vorlauf der Investitionen in Berufsbildung im Vergleich zu deren Verwertbarkeit im Verlaufe des Berufslebens fIlr den einzelnen, die Wirtschaft und den Staat ergibt18".

IV. Entwicklung der Personalzusatzkosten

Da der Mensch als Teilnehmer am Produktionsprozeß, als sogenannter Produktionsfaktor Arbeit, aus ethischen Gründen gesellschaftlich prinzipiell anders behandelt wird als die übrigen Produktionsfaktoren, ist sein Einsatz in der Wirtschaft, historisch-institutionell bedingt, mit Kosten verbunden, die bei anderen Faktoren in der Form und Höhe nicht anfallen, z.B. im Zusammenhang mit Feiertagen, Urlaub, Krankheit (einschließlich Ehegatten und Kinder), AItersruhegenuß (einschließlich Witwen). Man bezeichnet diese Art von Kosten üblicherweise als Personalzusatzkosteno Sie sind dem Einsatz des Faktors Arbeit bei der Produktion je nach Sichtweise zu nicht unwesentlichen Teilen eigentlich nicht zuzuschreiben, sondern betreffen ganz allgemein die soziale Sicherheit, die gesellschaftliche Lebensqualität und andere gesamtgesellschaftlich relevante Sachverhalte. Eine besondere Bedeutung bei der Deckung dieser Kosten hat aus historischen Gründen die Sozialversicherung; die entsprechenden Beiträge fallen daher bei den Personalzusatzkosten quantitativ stark ins Gewicht. Man kann allerdings zeigen, daß mehr oder minder große Teile der Ausgaben der Sozialversicherung filr Sachverhalte aufgewendet werden, die aus Gründen der ökonomischen Logik dem Faktor Arbeit nicht zugerechnet werden dürften. Seit

11 Vgl. PfeifferlBlechinger: Verwertbarkeit der Berufsausbildung im Technischen Wandel, in: Franz/Steiner (Hrsg.): Der westdeutsche Arbeitsmarkt im strukturellen Anpassungsprozeß, Baden-Baden 1995, S. 105 und 136.

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einiger Zeit läuft die Diskussion darUber unter dem Schlagwort "versicherungsfremde Leistungen,,19. Solche Leistungen belasten die Wertschöpfung arbeits- bzw. humankapitalintensiver Produkte wesentlich mehr als die Wertschöpfung realkapitalintensiver Produkte; sie müßten allerdings von der Wertschöpfung aller Produktionsfaktoren getragen werden und nicht nur von der Wertschöpfung des Faktors Arbeit, da sie der Erftlllung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben dienen. Man kann daher von einer institutionell bedingten Wettbewerbsverzerrung zuungunsten humankapitalintensiver Produktionsweisen und Produkte sprechen. Daraus folgt, daß die oben in Abschnitt 2 dargestellte Bedeutung der humankapitalintensiven Produktneuerung als erfolgversprechende Strategie gegen den Abschwung der langen Welle und die zunehmende Internationalisierung der Wirtschaft wesentlich beeinträchtigt wird durch die wettbewerbsverzerrende Wirkung der Personalzusatzkosten. Es ist zu erwarten, daß diese Beeinträchtigung mit ihren negativen Folgen ftlr die Stabilität der Wirtschaft in Zukunft noch weiter zunehmen wird: Zum einen steigen die Kosten im Gesundheitswesen überproportional und das Verhältnis von wirtschaftlich aktiver zu passiver Bevölkerung sinkt wegen der demographischen Entwicklung, so daß die Sozialversicherungsbeiträge langfristig laufend erhöht werden müssen; zum anderen ft\rdert die modeme Technik über Prozeßinnovationen die Automation der Produktion, so daß real immer geringere Anteile der bisherigen volkswirtschaftlichen Wertschöpfung vom Produktionsfaktor Arbeit erbracht werden (zunehmende Arbeitslosenquoten, Frührenten etc. sind Symptome daftlr). Beides ftlhrt unter gleichbleibenden institutionellen Rahmenbedingungen notwendigerweise zu einer Erhöhung der Personalzusatzkostenbelastung der Betriebe und damit zu einer zunehmenden Behinderung der Bildung und des Einsatzes von Humankapital. Besonders betroffen sind davon die mittelständischen Unternehmen, insbesondere das humankapitalintensive Handwerk.

19 Vgl. dazu KuceralKomhardt: Die Bedeutung der Personalzusatzkosten für die Wettbewerbsflihigkeit des Handwerks gegenüber anderen Wirtschaftsbereichen, in: Handwerk 2000. Personalzusatzkosten, Wettbewerbsperspektiven, Rotenburg (Wümme) 1990.

Innovationsorientierte kleine und mittlere Unternehmen: Ihre Bedeutung für die Volkswirtschaft und Ansätze für eine adäquate Förderpolitik Von Kurt Homschild

A. Strukturwandel erfordert Flexibilität und

Innovationsbereitscbaft

Die Bundesrepublik Deutschland blickt auf eine. insgesamt sehr erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung zurück. Heute zeigt das Leistungsbild allerdings Risse. Die Arbeitslosigkeit hat ein inzwischen unerträglich hohes Niveau erreicht, und es gibt gegenwärtig wenig Hofthung, daß diese in absehbarer Zeit nennenswert abgebaut werden kann. Eher das Gegenteil scheint der Fall zu sein. Bestätigt sich das Muster der letzten beiden Jahrzehnte, dann ist zu beftlrchten, daß mit der nächsten Rezession die Sockelarbeitslosigkeit nochmals zunimmt und die Dynamik der Wachstumsphasen dann abermals zu gering ist, um die dringend benötigten Arbeitsplätze zu schaffen. Es gibt viele, doch keine befriedigenden Erklärungsansätze ftlr diese Entwicklung. Fest stehen dürfte jedenfalls, daß der sich eher beschleunigende Strukturwandel die Volkswirtschaft vor eine große Herausforderung stellt und Änderungen notwendig sind, um die zukünftigen Probleme, die insbesondere auf dem Arbeitsmarkt zum Ausdruck kommen, zu lösen. Als die gegenwärtig wohl wichtigsten Entwicklungen zu nennen sind

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das Zusammenwachsen der Märkte· und die Globalisierungsbestrebungen multinationaler Unternehmen; der zunehmende Einsatz der Informationstechnologie, der über neue Produkte neue Märkte scham bzw. durch den alte Produkte substituiert werden und der zu geänderten Produktions- und Organisationsformen fllhrt; die rasche Weiterentwicklung konventioneller und das Aufkommen neuer Technologien wie der Gen- und der Biotechnologie, von denen erwartet wird, daß sie ähnlich wie die Informationstechnologie erhebliche strukturelle Veränderungen bewirken; der anhaltende Rückgang des industriellen Sektors an der wirtschaftlichen Leistungserstellung bei gleichzeitiger Expansion des Dienstleistungssektors.

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Die anhaltende Verflechtung der Volkswirtschaften und die technologischen Veränderungen dürften zu einern eher zunehmenden Wettbewerbsdruck fllhren. Diesem wird die deutsche Wirtschaft nur erfolgreich begegnen können, wenn sie sich als genügend anpassungsflthig etweist und über ein hohes Innovationspotential verfllgt. Als ein Hoffnungsträger wird in diesem Zusammenhang der industrielle Mittelstand angesehen. Von diesem sowie von neu gegründeten innovativen Unternehmen des produzierenden Gewerbes und den produktionsorientierten Dienstleistungen werden Impulse etwartet, die zu mehr Wachstum und Beschäftigung fllhren l . . Im folgenden wird die Funktion, die insbesondere dem industriellen Mittelstand in der Wirtschaft zukommt, näher beleuchtet. Dieser Beitrag befaßt sich vorrangig mit dem industriellen und hier wiederum votwiegend dem innovativen Mittelstand. In Anbetracht zunehmender Bedeutung von innovativen Dienstleistungen müßte bei Analysen zur Bedeutung des innovativen Mittelstandes fUr die Volkswirtschaft und seiner Rolle fUr den Strukturwandel dieser Bereich ebenfalls berücksichtigt werden. Darauf wird hier aus zweierlei Gründen weitgehend verzichtet. Zum einen hat sich der Verfasser bislang votwiegend mit Fragestellungen befaßt, die den industriellen Mittelstand betreffen. Dieser Bericht enthält Aussagen zu den wichtigsten Untersuchungsergebnissen. Zum anderen sind die Informationen über innovative Dienstleistungen im Mittelstand noch immer sehr lükkenhaft, so daß auch aus diesem Grund dieser Bereich nur gestreift werden kann. Ganz ausgeklammert wird das Handwerk, da dessen Entwicklung - anders als bei der Industrie - weitgehend von der inländischen Nachfrage bestimmt wird und damit dem internationalen Wettbewerb nicht ausgesetzt ist. Dies soll aber seine wichtige Rolle bei der Bereitstellung qualifizierter Arbeits- und Ausbildungsplätu nicht schmälern. Da "Mittelstand" ein schillernder Begriff ist, beginnt die Betrachtung mit einer Definition, was hier unter Mittelstand verstanden wird. Der industrielle Mittelstand ist keine homogene Gruppe von Unternehmen, vielmehr uigt er sich in unterschiedlichen Funktionen und Unternehmenstypen. In der notwendigen Küru werden diese dargestellt. Es folgt eine Beschreibung der Rolle des industriellen Mittelstandes in einer entwickelten Volkswirtschaft. Dabei wird insbesondere der Frage nach seinem Innovationspotential nachgegangen. In diesem Zusammenhang ist auch auf die technologieorientierten Unternehmensgründungen einzugehen, die hier angesichts der Bedeutung, die ihnen heute beigemessen wird, in einem gesonderten Kapitel behandelt werden. Ausgewählte Ergebnisse aus empiI Vgl. Kohl verspricht Kampf gegen die Arbeitslosi~eit "Wir brauchen Mut zu selbständigen Unternehmen", Neujahrsansprache des Bundeskanzlers. In: Süddeutsche Zeitung,30.12.95. .

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rischen Untersuchungen schließen sich an und runden das Bild ab, um ein Fazit zur Bedeutung des innovativen Mittelstandes ft1r die Volkswirtschaft ziehen zu können. B. Zur Definition des Mittelstandes In der wirtschaftspolitischen Diskussion in Deutschland kommt dem Mittelstand traditionell große Bedeutung zu. Dabei wird allerdings der Begriff "Mittelstand" sehr vielschichtig verwendet. Der Begriff "industrieller Mittelstand" umfaßt sowohl quantitative als auch qualitative Merkmale, die ft1r das Verständnis der Motive, Bedingungen und Besonderheiten selbständiger wirtschaftlicher Tätigkeit in Deutschland von hoher Bedeutung sind1. Typischerweise werden Unternehmen, die weniger als 500 Beschäftigte haben und wirtschaftlich selbständig sind, sich also nicht im Eigentum von Konzernen befinden, ZUIn Mittelstand gerechnet. Auch Freiberufler werden im allgemeinen zum Mittelstand gerechnet. Neben der Zahl der Beschäftigten werden häufig auch andere qualitative Größenindikatoren herangezogen. So geht die Definition der Kommission der EU von weniger als 250 Beschäftigten und maximal 40 Milt. ECU Umsatz oder 27 Milt. ECU Bilanzsumme aus. Bei der qualitativen Abgrenzung des Mittelstandes wird vornehmlich auf die Eigenständigkeit des Unternehmens abgestellt. Allerdings ist der damit identifizierte dynamische Eigentümerunternehmer nur eine von mehreren Ausprägungen, da auch andere Eigentümer und Managementstrukturen in mittelständischen Unternehmen anzutreffen sind. In der Praxis werden allerdings die Begriffe Mittelstand und kleine und mittlere Unternehmen (KMU) oft als Synonyme benutzt, da die statistische Datenbasis eine weitreichende Differenzierung zuläßf. Dies gilt auch ft1r die hier angesprochenen empirischen Untersuchungen. C. Eine Vielfalt von Unternebmenstypen prägen das Bild Gemessen an der Zahl der Unternehmen - nicht an der Beschäftigung oder den FuE-Aufwendungen - prägen mittelständische Unternehmen in der Marktwirtschaft das Bild der Unternehmens landschaft. In Europa haben 99 vH aller Unternehmen weniger als 500 Beschäftigte und werden dem Mittelstand zugerechnet. Davon sind etwa 93 vH Kleinunternehmen mit höchstens 9 Beschäftigten. Diese Unternehmen stellen 70 vH aller Arbeitsplätze des privaten Sektors. Sie sind Zulieferer, Handwerksbetriebe, unabhängige Dienstleistungsanbieter, junge 1 Vgl. z.B. Bundesministerium rur Wirtschaft: Unternehmensgrößenstatistik 1991/92 Daten und Fakten, Studienreihe Nr. 80, Bonn 1993, S. 1. 3 Vgl. dazu: Hofthungsträger Mittelstand, Reihe 71, Wirtschaftspolitische Diskurse.

S. 1 tI.

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Technologieunternehmen und traditionelle Familienbetriebe. In ihrer Gesamtheit bilden sie das Lebenselixier der Europäischen Union4 • Ein anderes Bild ergibt sich fllr die Industrie, wenn man die Beschäftigten als Maßstab heranzieht. Doch auch hier zeigt sich die vergleichsweise große Bedeutung, die KMU haben. In Westdeutschland arbeiten inzwischen 40 vH aller industriellen Arbeitnehmer in Unternehmen, die 20 bis 500 Beschäftigte aufweisen; etwa 11 vH befinden sich in Unternehmen der Beschäftigtengrößenklasse 500 bis unter 1 000 und 48 vH arbeiten in Unternehmen mit mehr als 1 000 Beschäftigten. Diese Relationen vermitteln ein eindrucksvolles Bild der Relevanz, die der Mittelstand fllr die Volkswirtschaft hat. Es ist aber weniger die große Zahl der Unternehmen und die von ihnen angebotenen Arbeitsplätze als vielmehr die Vielzahl der von ihnen wahrgenommenen Funktionen innerhalb der Wirtschaft, die letztlich die Bedeutung des Mittelstandes ausmacht. Daraus lassen sich Unternehmenstypen ableiten. Unterschieden werden kann beispielsweise nach ihrer MarktsteIlung, den Inhalten ihrer FuETätigkeit, ihrer Organisationsstruktur, ihrer Unternehmensstrategie, ihren Ressourcen oder ihrem Umfelds. Prognos unterscheidet in vier Hauptgruppen. Die hier vorgenommene grobe Differenzierung ist fllr die Beantwortung vieler Fragestellungen zweckmäßig. -

Traditionelle kleine und mittlere Unternehmen, die nur geringe technologiebezogene Produktinnovationen durchfllhren und sich meist in strukturschwachen und wenig FuE-intensiven Industriesektoren finden wie Textil-, Bekleidungs-, Holzindustrie. Modeme kleine und mittlere Unternehmen mit einer Nischenstrategie in technologieintensiven Marktsystemen. Für die Weiterentwicklung ihrer Produkte ist oft eine enge Zusammenarbeit mit dem Abnehmer notwendig. Die Unternehmen gehören meist zu der Branche des InvestitionsgOtergewerbes (Maschinenbau, Elektrotechnik, Feinmechanik und Optik) oder entwickeln aufwendige, kundenspezifische Software. Junge technologieorientierte Unternehmen, die sich mit neuen Technologiegebilden wie Laser-, Roboter-, Bio- und Gentechnologie befassen. Zulieferbetriebe, die Einzelteile herstellen oder Teilmontage ausfllhren. Sie stellen diese Produkte häufig nach genauer Spezifikation ihrer Abnehmer her.

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Die Grenzen zwischen den vier Typen sind fließend. Dies gilt insbesondere fllr die zweite und die dritte Gruppe, die im Hinblick auf die Erschließung neuer Vgl. Pape: Beziehungen von KMU in Japan und Europa im Zuge der Globalisierung. . S Vgl. BecherlWolff: Industrieforschung in kleinen und mittleren Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland. In: Prognos Positionspapier Nr. 552/4279, S. 18ff. 4

In: JDZB Band 28, S. 45.

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Marktsegmente und die Schaffung neuer Arbeitsplätze besonders interessant sind. Bei dieser Darstellung werden einerseits die vielfiUtigen Funktionen und Stärken der mittelständischen Industrie- und Dienstleistungsunternehmen deutlich, andererseits ergibt ihre Analyse auch sehr rasch Aufschluß über Funktionen, die mittelständische Unternehmen nicht erfllllen. Ihre Aufgabe ist es nicht, große Märkte zu erschließen und zu pflegen bzw. aufwendige Forschungsvorhaben zur Serienreife zu fUhren, um damit große Marktpotentiale zu erschließen. Diese Aufgabe ist großen Unternehmen vorbehalten. D. Die Rolle des industriellen Mittelstandes Lange Zeit wurde die Frage diskutiert, wer innovativer sei: Großunternehmen oder kleinere Unternehmen. Bis Anfang der siebziger Jahre war die vorherrschende Meinung, daß die Fähigkeit des Innovierens vor allem den Großunternehmen zuzuschreiben sei. Die Basis daftlr liefert das Paradigma der modemen Industriegesellschaft, wonach in monopolistischen Industrien die Innovationsrate größer ist als in wettbewerbsintensiven Branchen und große Unternehmen wiederum innovativer sind als kleine. In der Industrieökonomik haben diese Überlegungen als sogenannte Nero-Schumpeter-Hypothese Eingang gefunden. Ab etwa Mitte der siebziger Jahre wurde dem Mittelstand wieder größere Bedeutung beigemessen. Den Impuls daftlr lieferte eine Untersuchung von Birch6, der ftlr die USA feststellte, daß neue Arbeitsplätze vorwiegend von kleineren Unternehmen geschaffen wurden, während größere Beschäftigung eher abbauten. Auch wenn diese Untersuchungen in der weiteren Diskussion zumindest methodisch umstritten geblieben sind, so ftlhrten sie doch in Deutschland zu einer neuen Akzentuierung der Innovationsförderung, bei der den KMU große Aufinerksamkeit gewidmet wurde. Zu erwähnen sind vor allem das FuE-Personalkostenförderprogramm des Bundesministeriums ftlr Wirtschaft (BMWi) und die FuE-PersonalkostenZuwachsförderung des Bundesministeriums ftlr Forschung und Technologie (BMFT). Mit diesen Programmen wurde eine große Zahl von FuE-treibenden KMU gefördert und in ihrer Innovationskraft gestärkt. Neben diesen indirekten Förderprogrammen sind auch die indirekt-spezifischen Förderungen zu erwähnen, mit denen KMU zur Einftlhrung ne!ler ausgewählter Technologien wie Mikroelektronik, Mikroperipherik, Anwendung neuer Materialien erleichtert werden sollte. Über die Evaluationen der KMU-Förderprogramme sind viele Informationen zum FuE-Verhalten von KMU gewonnen worden7• 6 Vgl. z.B. Birch: Tbe Job Generation Process - M.I.T. Programme on Neighbourhood and Regional Change, Cambridge 1979 (unpublished manuscript); D. Birch: Whoe Creates Jobs. In: Tbe Public Interest, No. 65, 1981, S. 3ff. 7 Vgl. dazu BecherlKuhlmann: Evaluation of Technology Poliey Programmes in Germany. In: Economics ofScience, Technology and Innovation, Volume 4,1995.

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Heute dürfte feststehen, daß die Frage, wer innovativer ist, falsch gestellt ist. Vielmehr ist die Unternehmensgröße selbst eine Spezialisierung im InnovationsEntwicklung prozeß. Dies zeigt sich u.a. daran, daß viele Entdeckungen, die von sogenannten Zentralinnovationen (major innovatiws) gefUhrt haben, das Ergebnis von Arbeiten einzelner Erfinder waren oder in KMU entstanden sind, die weiteren Entwicklungen bis hin zur Kommerzialisierung aber häufig von Großunternehmen wahrgenommen wurdeni. Dies kann auch nicht verwundern. In dem Maße wie das Vorantreiben bestehender Technologien zeit- und kostenaufwendig ist und ihre Markteinfilhrung möglichst international - zumindest aber auf vergleichsweise großen Märkten - erfolgen muß, sind KMU organisatorisch wie finanziell überfordert. In diesem Zusammenhang darf nicht vergessen werden, daß das Ziel nahezu eines jeden Unternehmens sein Wachstum ist. Von daher gilt aus Sicht des einzelnen Unternehmens "small is beautiful but bigger is better".

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Die Rolle des Mittelstandes im Innovationsprozeß ist heute dennoch unbestritten. KMU haben im Rahmen der Arbeitsteilung zentrale Aufgaben. Sie sind Zulieferer und wettbewerbliches Regulativ9 • Die Funktion des wettbewerblichen Regulativs nehmen sie dort ein, wo sie mit eigenen Produkten Märkte erschließen und in Konkurrenz zu Großunternehmen treten. Schon allein wegen der begrenzten Produktionskapazitäten kann es sich dabei allerdings nur um Marktnischen handeln. Als Zulieferer helfen sie die Gesamtkosten senken, erhöhen die Anpassungsflexibilität der Wirtschaft und tragen auf diesem Wege zur Wettbewerbsfllhigkeit der gesamten Volkswirtschaft bei. Das gleiche gilt fUr ihre Rolle im Innovationsprozeß. Die meisten betreiben inkrementale Forschung oder Entwicklung. Indem sie aber neue Technologien aufgreifen und fUr spezielle Anwendungsfelder weiterentwickeln, tragen sie dazu bei, daß Technologien in die differenzierte Breitenanwendung gelangen. Man könnte dies als die "technologische Diffusionsfunktion" bezeichnen, die von kleinen und mittleren Unternehmen ausgeübt wird. So schreibt u.a. das Ifo-Institut: "Unterhalb der komplexen Systemebene leisten kleine und mittlere Unternehmen einen wesentlichen innovativen Beitrag. Typisch fUr sie sind insbesondere solche Entwicklungsaktivitäten, in denen nicht hoher Innovationsaufwand und systematische FuE-Anstrengungen den Ausschlag geben, sondern eher spezialisiertes marktnahes Wissen und Können erforderlich sind. Auf diese Weise schaffen sich kleine und mittlere Unter-

I Vgl. dazu z.B. Saha!: Technology, Productivity and Industry Structure. In: Technological Forecasting & Socia! Change, Vol. 24, 1983, S. lff; und Freeman: The Economics of Industria! Innovation, London 1982. 9 Vgl. z.B. Homschild: Innovation und volkswirtschaftlicher Strukturwandel. In: Schuster, 1. (Hrsg.), Handbuch des Wissenschaftstransfers, Heidelberg 1989.

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nehmen Marktsegmente, deren Innovationsmöglichkeiten Großunternehmen nicht wahrnehmen wollen und könnenl(k'. Somit bleibt als Ergebnis festzuhalten. Eine Volkswirtschaft mit einer nur aus kleineren und mittleren Unternehmen bestehenden Unternehmensstruktur ist ebensowenig leistungsfähig wie eine, die ausschließlich von Großunternehmen gebildet wird. Es kommt mithin auf die richtige Mischung an. Eine der Stärken der Bundesrepublik dürfte genau dieser Mix von großen, mittelgroßen und kleinen Unternehmen sein. Nach heutigen Schätzungen dürften allein in Westdeutschland etwa 25000 KMU über eigene FuE-Kapazitäten und damit über eigenes Innovationspotential verfUgen. Die große Zahl mittelständischer Unternehmen läßt ein arbeitsteiliges Produzieren auf hohem Niveau zU. Daraus ergeben sich gegenüber anderen Volkswirtschaften systemische Vorteile. Diese erklären zumindest teilweise, weshalb die Bundesrepublik trotz vergleichsweise hoher Löhne in der Lage ist, sich auf dem Weltmarkt zu behaupten und auf strukturelle Veränderungen flexibel zu reagieren I I. Allerdings verändert sich mit dem Einsatz neuer Technologien und damit einhergehend der Einfllhrung neuer Formen der betrieblichen Zusammenarbeit das systemische Rollenspiel. Daraus ergeben sich ft1r die deutsche Volkswirtschaft und den Mittelstand Chancen· und Risiken zugleich. Globalisierende Großunternehmen verringern ihre Wertschöpfung, um ft1r die Erschließung der Marktpotentiale den benötigten Finanzspielraum zu erhalten. Sie werden schlanker und übertragen Aufgaben an sogenannte Subsystemhersteller, die sich wiederum der Produzenten von Komponenten bedienen. Auf diesem Wege erhalten KMU auch als Zulieferer teilweise neue technologische Kompetenz und Eigenverantwortung. Die neu erworbene technologische Selbständigkeit gilt aber nur in einem meist relativ eng abgegrenzten Feld. Indem sie häufig in das ]'letzwerk der Großunternehmen integriert sind, sind sie - obwohl keine Kapitalverflechtung bestehen muß - faktisch Betriebsteil. Sie entwickeln und produzieren nach genauen Vorgaben ihrer Abnehmer und befinden sich somit trotz technologischer Kompetenzausweitung in direkter technologischer und ökonomischer Abhängigkeit von ihren Abnehmern. Diese Verflechtungsintensität dürfte dabei aufgrund der technologischen Entwicklungen und veränderter Gestaltung der Produktionsprozesse wie just in time, computergesteuerte FertiguDgsverfahren (CIM), computergesteuerte Qualitätskontrolle (CIQ) eher noch zunehmen. Heute gilt dies vor allem ft1r die Zulieferer der Automobilindustrie. Es wird erwartet, daß auch andere Industrien

10 Vgl. Penzkofer/Schmalholz: Innovationstätigkeit der deutschen Industrie in Gefahr? In: Ifo-Schnelldienst, Nr. 35-36/1995, S. 11. 11 Vgl. Hornschild: The Role of SmaIl and Medium-sized Enterprises in the Framework of Technology Conditioned StructuraI Changes. In: TechnologicaI Innovation, Competitiveness, and Economic Growth, Volkswirtschaftliche Schriften, Heft 427. S. 82ff.

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mit flexibler Serienfertigung folgen. So ftlhrt Radermacherl2 u.a. aus: "Die Zulieferer stehen prinzipiell vor der gleichen großen Aufgabe (wie die Systemhersteller), eine deutliche Produktivitätssteigerung zu erreichen. Die sich wandelnde Arbeitsaufteilung zwischen Herstellern und Zulieferern bedingt, daß die Erfolgsfaktoren -

Kostenposition Qualität Entwicklungskompetenz Produktflexibilität Logistikkompetenz

einen neuen, noch höheren Stellenwert bekommen. Viele der in der Mehrheit mittelständisch strukturierten Zulieferunternehmen können mit ihren derzeitigen Ressourcen diesen ftlnf strategischen Erfolgskriterien nicht voll entsprechen. Sie brauchen eine strategische Neupositionierung". Mit anderen Worten heißt dies, die Zulieferindustrie muß Entwicklungen, die bei den Abnehmern stattfinden, nachvollziehen, um im System paßflIhig zu bleiben. Die enge Vernetzung der Zulieferindustrie mit der Systemindustrie zeigt sich auch bei der Globalisierung. Wenn neue Produktionsstandorte eröfthet werden, muß sichergestellt werden, daß auch ein Teil der Zulieferindustrie "mitzieht" bzw. es den Unternehmen gelingt, dort ein leistungsfähiges Zuliefernetz aufzubauen. So will Volkswagen mit Hilfe der deutschen Zulieferindustrie in der Mandschurei das größte Automobilzentrum errichten, um den Autoherstellern Japans und Südkoreas die Stirn zu bieten l3 •

E. Tecbnologieorientierte UntemebmensgrOndungen Die deutsche Industrie hat - gemessen an ihren Exporterfolgen - sich bislang auf dem Weltmarkt gut behauptet und ihre Wettbewerbsfllhigkeit unter Beweis gestellt. Dies gelang aber nur über erhebliche Rationalisierungsanstrengungen, die nicht zuletzt in der rückläufigen Beschäftigung ihren Ausdruck finden. So hat die westdeutsche Industrie allein im Zeitraum 1991 bis 1994 ihre Beschäftigung um eine Million bzw. um 15 vH abgebaut. Dabei haben Großunternehmen den Rationalisierungsdruck teilweise verstärkt auf ihre Zulieferindustrie abgewälzt, so daß auch dort in erheblichem Umfang Arbeitsplätze verlorengegangen sein dürften und vielleicht noch werden. Großunternehmen forcieren internationales

12 Vgl. Radennacher: Wünschenswerte Beziehungen zwischen KMU und Großunternehmen - dargestellt am Beispiel der Automobilindustrie. In: JDZB Band 28, S. 22. 13 Vgl. Handelsblatt Nr. 179 vom 15.9.1994, S. 26; Tagesspiegel Nr. 15 524 vom 1.2.1996, S. 21: "Autobranche hoffi auf 'das Bündnis fiIr Arbeif".

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"sourcing", wodurch traditionelle Lieferanten unter Druck geraten l4 • Insofern ist der industrielle Mittelstand zwar ein wichtiges Element ftlr die Leistungsfllhigkeit der deutschen Wirtschaft, doch ist inzwischen Ernüchterung eingekehrt hinsichtlich einer Funktion als Impulsgeber ftlr die Schaffung von Arbeitsplätzen. Häufig wird nämlich vergessen, daß die Beschäftigtenentwicklung im industriellen Mittelstand über die Zulieferfunktion zu einem wesentlichen Teil von der Entwicklung der großen Unternehmen determiniert wird. Darauf wird in Kapitel F noch näher eingegangen. In Zusammenhang mit der Erschließung neuer Wachstumspotentiale rücken jetzt technologieorientierte Unternehmensgründungen stärker in den Mittelpunkt". Dabei wird häufig auf Entwicklungen in den USA verwiesen. Dort existiere - so die allgemeine Argumentation - ein funktionierender Venture Capital Markt, der ftlr die Gründung von technologieorientierten Unternehmen günstige Voraussetzungen schaffen würde. Vor allem im Bereich der Informationstechnologie sind in den USA neue Unternehmen mit erheblicher Wachstumsdynamik entstanden, von denen einige in wenigen Jahren zu Konzernen herangewachsen sind. Das Augenmerk richtet sich heute nicht mehr allein auf die Informationstechnologie, sondern auch auf andere Technologien, wie die Biotechnologie oder die Gentechnik. Ein charakteristisches Merkmal dieser Unternehmen ist, daß sie auf neuestem technologischen Wissen aufbauen und ein großer Teil ihres Leistungsspektrums Dienstleistungen sind. Auch in Deutschland hat man die Notwendigkeit einer (technologischen) Erneuerung durch hochtechnologieorientierte Untemehmensgründungen erkannt. Mit ihnen könnte die mittelständische Wirtschaft neue Impulse erhalten. Bereits in den 80er Jahren sind in allen Bundesländern und in vielen Regionen Technologieparks entstanden mit der Aufgabe, technologieorientierte Unternehmen anzusiedeln. Die Nähe zur Universität soll Standortvorteile schaffen, um das dort vorhandene Forschungspotential zu nutzen. Darüber hinaus wurden Förderprogramme aufgelegt wie "Technologieorientierte Unternehmensgründungen TOU" des BMFT oder verschiedene Förderprogramme in den Ländern. Dennoch ist die bisherige Bilanz eher ernüchternd. Eine Gründerwelle, wie sie damals heraufbeschworen wurde und heute wird, hat in Deutschland bislang nicht eingesetzt. Daftlr wird neben der anderen Mentalität insbesondere der hier kaum ausgeprägte Venture Capital Markt sowie die daftlr fehlenden steuerlichen Anreize verantwortlich gemacht. Es wäre allerdings falsch, aus diesen Ergebnissen zu schließen, daß aus dem Bereich der technologieorientierten Unternehmensgründungen keine Impulse zu 14 Vgl. Handelsblatt Nr. 179 vom 15.9.1994, S. 26 . ., Vgl. Tagesspiegel Nr. 15513 vom 21. Januar 1996, S. 19, Viele Köder ft1r die SelbstlIndigkeit.

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erwarten wären. Eher spricht dafllr, daß man sich hier zwar schwer tut, die Voraussetzungen fllr das Entstehen einer "GrUnderkultur" zu schaffen, dieser Bereich in Deutschland aber gleichwohl auch entwicklungsflihig ist. Dies gilt nicht nur fllr innovative Dienstleistungen. Die Chancen sind deshalb günstig, weil in Deutschland ein relativ breites W~tential in den Hochschulen sowie den Forschungseinrichtungen vorhanden ist und in Segmenten der neuen Technologien mit vergleichsweise wenig Kapitaleinsatz Produktionen aufgebaut werden können. Es gibt deutliche Hinweise, daß insbesondere die Anzahl der neugegrOndeten oder sehr jungen Unternehmen mit hohem Innovationsgrad erheblich gewachsen ist. Die gewachsene Zahl von technologieorientierten UnternehmensneugrOndungen wird als Beleg gewertet, daß sich KMU durchaus in den Feldern der Hochund Spitzentechnologie behaupten können. Gerade kleine technologieorientierte Unternehmen sind KeimzeUen neuer Entwicklungen, wofllr auch ihre hohen FuEAufwendungen sprechen". Das Ifo-Institut begrOndet eine Förderung der UnternehmensgrOndung u.a. damit, "wenn die Übernahme neuen Wissens aufgrund fehlender Innovationsbereitschaft behindert wird, gewinnen UnternehmensgrOndungen an Bedeutung". Für Venture-Capital wird ein Angebotsengpaß vor allem im Segment der jungen Technologieunternehmen gesehen, da sie die High-TechProdukte weltweit auf einem schnell wachsenden Marlet anbieten wollen, aber wettbewerbsbedingt mit hohen FuE-Aufwendungen neue Produkte entwickeln m~. Sie verftlgen zwar über ein hohes Renditepotential, aber haben Schwierigkeiten, das erforderliche Expansionskapital zu beschaffen. Die Wettbewerber befinden sich meistens in den USA und Japan und verftlgen dort über einen sehr guten Zugang zu Risikokapital17 • Auch in Japan wird in Zusammenhang sich verändernder Unternehmensstrukturen- die Rolle der mittelständischen Industrie diskutiert und insbesondere technologieorientierten UnternehmensgrOndungen große Aufmerksamkeit gewidmet. Die Erwartungen an die Klein- und Mittelbetriebe, daß sie fllr das 21. Jahrhundert als Träger von Veränderungen selbst zur Basis der Kreativität werden, sind sehr hoch. "UnternehmensgrOnder streben nach unternehmerischem Erfolg und gehen mit Eifer auf den Markt, was diesen wiederum belebtI." .

16 Vgl. BecherlWolft": Industrieforschung in kleinen und mittleren Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland. In: Prognos Positionspapier Nr. 552/4279, S. 23. 17 Vgl. ReinhardiSchmalholz: Innovationstätigkeit der deutschen Industrie in Gefahr? In: Ifo-Schnelldienst, Nr. 33/1995, S. 23. 11 Vgl. Kaneko: Klein- und Mittelbetriebe auf dem Weg ins 21. Jahrhundert. In: IDZB Band 28, S. 71ft".

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F. Ergebnisse aus empirischen Untersuchungen I. Die Rolle von innovierenden KMU

Dieses Kapitel gibt einen kurzen Überblick über wichtige Ergebnisse aus Untersuchungen, die sich mit technologieorientierten Unternehmen befaßt haben. Dabei handelt es sich vorwiegend um Analysen von staatlichen Förderprogrammen, an denen der Verfasser beteiligt war. Daraus wurden umfangreiche Erkenntnisse über die Rolle von KMU im lnnovationsprozeß -ihre Stärken und ihre Schwächen - gewonnen. An vorderster Stelle zu nennen sind die Begleitforschungen zu den indirekten FuE-Förderprogrammenl9 "FuE-Personalkostenzuschuß", "FuE-Personalkosten-Zuwachsförderung" und "Demonstrationszentren filr Faserverbundkunststoffe". Bei diesen Forschungsprojekten wurde über einen längeren Zeitraum eine vergleichsweise große Zahl von kleinen und mittleren Unternehmen schriftlich und mündlich zu ihrem Innovationsverhalten befragt. Auch wenn die Untersuchungen teilweise schon länger zurückliegen, so dürften die dort gewonnenen Grundaussagen zum Innovationsverhalten von kleinen und mittleren Unternehmen, ihrer Einbindung in das System Wirtschaft sowie ihrer Innovationsprobleme auch heute noch Gültigkeit haben. Dies bestätigen zwischenzeitlich durchgefllhrte Untersuchungen des Verfassers und anderer zu diesem Themenkomplex. Allerdings war keines der nachfolgenden Projekte so breit angelegt wie die hier angeftlhrten. Um das Bild abzurunden, soll deshalb an dieser Stelle über einige zentrale Ergebnisse dieser Untersuchungen berichtet werden. -

Zunächst ist zu konstatieren, daß im Zuge einer intensiviertenFuE-Förderung die Zahl der forschenden kleinen und mittleren Unternehmen im Verlauf der achtziger Jahre um 20 vH bis 40 vH auf etwa 25 000 Unternehmen gestiegen ist. Vor allem die kleineren sowie die Unternehmen in traditionell nicht FuEorientierten Branchen begannen damals erstmalig unternehmensinterne FuETätigkeiten mit dem Ziel, hierdurch ihre Produkte oder Herstellungsverfahren

19 Vgl. dazu HornschildIMeyer-Krahmer (DIW)/Becher/GielowlKuntze (lSI): Wirkungsanalyse der Forschungspersonal-Zuwachsllirderung. In: Deutsches Institut rur Wirtschaftsforschung, Beiträge zur Strukturforschung, Heft 115, 1990; Becher, in: FuEPersonalkostenzuschüsse: Strukturentwicklung, Beschllftigungswirkungen und Konsequenzen filr die Innovationspolitik. Institut rur Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI), Endbericht an den Bundesminister rur Wirtschaft, Bonn. KarlsruheIBerlin, April 1989; BehringerlHornschildIMeyer-Krahmer (DIW)/Goedel/Rosenbaum (IKV): Faserverbundwerkstoffe in der mittelständischen Industrie, Einsatzbereiche, Innovationshemmnisse und Schlußfolgerungen filr die Technologiepolitik. In: Technological Economies, Band 39, Berlin 1990; Behringer/BelitzlHornschild/Wessels: Demonstrationszentren filr Faserverbundkunststoffe - Ergebnisse der Begleitforschung. In: Deutsches Institut filr Wirtschaftsforschung, Sonderheft 156, 1995.

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zu verbessern, weiterzuentwickeln oder auf eine neue Grundlage zu stellen. Vertiefende Befunde signalisieren seit 1988 allerdings einen Stillstand dieser Entwicklung, bei der Gruppe der kleinen Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten sogar einen Rückgang auf das Niveau zu Beginn der 80er Jahre20• Kleinere Unternehmen betreiben relativ mehr FuE als größere. Dies ergibt sich, wenn man die FuE-Beschäftigten auf die Zahl der Beschäftigten insgesamt bezieht. Aktuellere Befragungen des Stifterverbandes fllr die deutsche Wissenschaft bestätigen dieses Bild, wonach Unternehmen mit bis zu 100 Beschäftigten relativ mehr Mittel fllr FuE einsetzen als Unternehmen mit mehr als 1 000 Beschäftigten21. Kleine und mittlere Unternehmen betreiben vorwiegend marktnahe Forschung bzw. Entwicklung. Dafllr sprechen die vergleichsweise geringen Finanzvolumina fllr die FuE-Vorhaben und der Organisationsgrad der Forschung: Nur wenige kleine und mittlere Unternehmen - verfUgen über eine eigene Forschungsabteilung, - planen ihre FuE-Vorhaben auf der Grundlage eines schriftlich ausgearbeiteten Konzepts, - fllhren FuE-Projekte mit einem Finanzvolumen von mehr als 500 000 DM durch. Kleine und mittlere Unternehmen mit eigener FuE sind in allen Branchen zu finden und in vielen Technologiebereichen tätig. Allerdings gilt auch hier wie bei den Großunternehmen, daß die FuE-Aktivitäten in den traditionell FuEorientierten Branchen (MaschinenJ>au, Elektrotechnik, Chemie, Feinmechanik/Optik) konzentriert sind. In welchem Maße sie sich auch im Bereich neuer Technologien engagieren, erkennt man u.a. daran, daß Unternehmen mit weniger als 100 Beschäftigten im Jahre 1992 fllr FuE im Bereich der Biotechnologie 110 Mill. DM selbst finanziert haben, das sind immerhin 8 vH der dafllr erbrachten internen Gesamtaufwendungen22 • FuE-treibende kleine und mittlere Unternehmen reagieren sehr flexibel auf Marktveränderungen. Innerhalb von ftlnf Jahren hatten von den 1986 befragten Unternehmen 90 vH neue Produkte in ihr Fertigungsprogramm aufge-

20 Vgl. BecherlWolff: Industrieforschung in kleinen und mittleren Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland. In: ~gnos Positionspapier Nr. 55214279, S. 17. Zu dem gleichen Ergebnis kommen Homschild et al. Wirkungsanalyse der ForschungspersonalZuwachstbrderung. 21 Kann: "Forschung und Entwicklung in der Wirtschaft - Ergebnisse 1993, 1994, Planung 1995". In: SV-Wissenschaftsstatistik, FuE-Info, Dezember 1995. S. 10. 22 Kann: "Forschung und Entwicklung in der Wirtschaft - Ergebnisse 1993, 1994, Planung 1995". In: SV-Wissenschaftsstatistik, FuE-Info, Dezember 1995. S. 12.

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nommen, der darauf entfallende Umsatzanteil betrug 30 vH. Dies entspricht etwa dem industriellen Durchschnitt ftlr FuE-betreibende UnternehmenD. Auch die innovierenden kleinen und mittleren Unternehmen sind meistens Zulieferer und somit von der Entwicklung ihrer Abnehmer abhängig. So gab immemin ein Fünftel an, daß die Entwicklung der Produkte im wesentlichen auf Vorgaben der Kunden basiert; weitere 56 vH meldeten damals (1986), daß dies zumindest teilweise der Fall sei24 •

Tabelle 1

Wichtigste Abnehmer, Abhlngigkeit von Vorgaben des Abnehmen BescblftigtengrG8enkluse

1-19

20-49

50-99

100-199

200499

500-999

insg.

Frage: Welcber AnteilIbres Umsatzes entßlIt aurlbren wicbtigsten Abnebmer?

33,4

29,6

27,0

20,5

22,9

24,3

27,7

Fnge: Sind Sie bei der Entwicklung Ibrer Produkte im weKndicben von Vorgaben Ibrer Abnebmer abblogig'f"l

ja

18,6

20,0

18,5

20,4

19,6

24,4

19,7

teilweise

53,9

59,4

50,0

56,3

56,7

60,0

55,6

nein

27,5

20,6

31,5

23,3

23,7

15,6

24,8

a)

In vH der antwortenden Unternehmen.

Insgesamt verdeutlichen diese ausgewählten Ergebnisse zum Innovationsverhalten von kleinen und mittleren Unternehmen vor allem dreierlei: Kleine und mittlere Unternehmen sind ein wichtiges Element ftlr die innovative Erneuerung der deutschen Wirtschaft, indem sie über Produktvariation, Erschließung von Marktnischen und Diffusion neuer Technologien und der Anwendung spezialisierter Fertigungstechnik dazu beitragen, daß die Anpassungsfllhigkeit auf großer Breite stattfinden kann; befinden sich in einer relativ klaren Arbeitsteilung zu den Großunternehmen, wie beispielsweise die Größe der Innovationsvorhaben verdeutlicht;

23 Kann: "Forschung und Entwicklung in der Wirtschaft - Ergebnisse 1993, 1994, Planung 1995". In: SV-Wissenschaftsstatistik, FuE-Info, Dezember 1995, S.7. 24 Vgl. dazu Homschild et al.: Wirkungsanalyse der Forschungspersonal-Zuwachsförderung. S 13.

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Kurt Hornschild sind in erheblichem Umfang in der Entwicklung von ihren Abnehmern abhängig, was ihren Gestaltungsspielraum einengt.

II. Probleme im InnovatioDsprozeO

Haben kleine und mittlere Unternehmen spezifische Schwachstellen bei der Realisierung von Innovationen und wenn ja, gibt es staatlichen Handlungsbedarf? Bei der Beantwortung solcher Fragestellungen muß man zunächst davon ausgehen, daß kleine und mittlere Unternehmen am Markt spezifische Aufgaben erftlllen und ihre Größe selbst Ausdruck ihrer Spezialisierung ist. Nicht jede identifizierte Schwachstelle kann und sollte deshalb durch staatliche Förderung ausgeglichen werden. So zeigten auch die Begleitforschungen sehr deutlich, daß es im Innovationsprozeß die KMU-Schwäche nicht gibt. Vielmehr sind die Schwachstellen vielschichtig, sie sind von dem Innovationsvorhaben und dem Entwicklungsstadium, in dem sich das Unternehmen befmdet, geprägt. Dies gilt auch ft1r die Eigenkapitalausstattung. So wird häufig angeftlhrt, daß KMU zu wenig Eigenkapital hätten oder zu klein seien, um größere Forschungsprojekte durchzuftlhren. Zutreffend ist dies allerdings nur ft1r dynamisch wachsende, in der Regel relativ junge technologieorientierte Unternehmen. Die meisten "traditionellen" KMU sind in der Lage, ihre geplanten Investitionen bzw. FuE-Aufwendungen zu fmanzieren, da bei dieser Gruppe die Unternehmensgröße bereits ein fester Ausdruck ihrer Spezialisierung ist. Wenn über staatliche Förderung von kleinen und mittleren innovativen Unternehmen nachgedacht wird, dann müssen Bereiche identifIZiert werden, bei denen es gegenüber den Großunternehmen zu spezifISchen Wettbewerbsverzerrungen kommt oder über staatliche Hilfen ft1r kleine und mittlere Unternehmen das . volkswirtschaftliche Gesamtergebnis verbessert werden kann.

1. Zu den Wettbewerbsverzerrungen Hier geht es vor allem um die Überprüfung, ob Großunternehmen über staatliche Rahmenbedingungen wie Steuersystem, Förderprogramme gegenüber kleinen und mittleren Unternehmen Vorteile erhalten. Solche durch staatliche Politik bedingten Verzerrungen wären - sollten sie vorliegen - zu kompensieren. Zu überprüfen ist in diesem Zusammenhang die Förderpolitik, die dazu neigt, Technologien über Großunternehmen zu tbrdern, ohne dabei kleine und mittlere Unternehmen entsprechend zu berücksichtigen. Zu nennen sind in erster Linie Programme nach dem Typ der direkten Projekttbrderung des Forschungsministeriums, die grundsätzlich zwar allen Unternehmen offenstehen, von denen aber vorrangig die Größeren profitieren25 • Einen Ausgleich dazu schufen vor allem die FuE-Personalkostenzuschußprogramme in den achtziger Jahren sowie

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die indirekt-spezifischen Förderungen, die in diesem Zusammenhang zu nennen sind. 2. Volkswirtschaftliche Effekte

Viele kleine und mittlere Unternehmen haben im Innovationsprozeß Probleme zu lösen, die sporadisch auftreten und fUr sie zu klein sind, um dafUr intern die entsprechenden Ressourcen vorzuhalten. Während es sich fUr Großunternehmen aufgrund der Häufigkeit der Geschäftsvorflllle lohnt, entsprechende Leistungen hausintern zur Verftlgung zu stellen, mOssen sich kleine und mittlere Unternehmen häufig externen Wissens bedienen26 .Adäquate Lösungsansätze dafUr sind die Bereitstellung von Leistungen wie Beratungsmöglichkeiten über Technologietransferstellen, Demonstrationszentren, um auf diesem Wege kostengünstig das benötigte Wissen zu erlangen. Dieser Wissenstransfer muß nicht kostenlos erfolgen. Er kann - bei richtiger Ausgestaltung - dazu beitragen, daß vorübergehende Innovationsengpässe kostengünstig bei den innovierenden Unternehmen beseitigt werden, worüber die Innovationskraft der Wirtschaft insgesamt gestärkt würde. Auch hierzu gibt es inzwischen - teilweise auf Länderebene - ein breites Förderspektrum, das den Bezug von Dienstleistungen in vielfältiger Weise begünstigt. Trotz dieser richtigen Ansätze ist es indes nicht gelungen, diese Schwachstelle der KMU im erwünschten Maße abzubauen. Dies liegt zum einen an den Unternehmen selbst, die erst lernen mOssen, diese Möglichkeiten stärker zu nutzen, zum anderen aber auch an dem Transferangebot, das häufig nicht genügend praxisgerecht ist. Ein anderes Feld ist der Bereich der dynamischen technologieorientierten neugegründeten oder wachsenden Unternehmen. Hier ist die Unternehmensgröße kein Ausdruck von Spezialisierung, sondern häufig Ausdruck der Entwicklungsphase, in der sich das Unternehmen befmdet. Bei solchen Unternehmen liegen die Chancen, mit neuen ProduktenlLeistungen Märkte, Wachstum und Arbeitsplätze zu schaffen, und das Risiko des Scheiterns eng beieinander. Für diesen Unternehmenstyp sind spezielle Förderansätze erforderlich. Über Verbesserungen bei der Bereitstellung von Risikokapital und gleichzeitiger Beratung der Unternehmensftlhrung könnte hier sicherlich ein größeres technologisch/ökonomisches Potential in der Volkswirtschaft erschlossen werden als bisher. Dennoch sollte dabei bedacht werden, daß die private Bereitstellung von Risikokapital an die

2S Vgl. Hornschild: Präferenzregelung der Forschungs- und Entwicklungsfbrderung in Berlin. In: Deutsches Insitut ftlr Wirtschaftsforschung. Sonderheft 142, 1985. S. 16. 26 Hornschild: Forschung und Entwicklung im verarbeitenden Gewerbe von Berlin (West) - Eine Repräsentativerhebung ftlr die Jahre 1977 - 1981. In: Deutsches Institut ftlr Wirtschaftsforschung, Beiträge zur Strukturforschung, Heft 76, 1983. S. 135.

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Voraussetzung geknüpft ist, daß eine sehr hohe Kapitalrendite zu erwirtschaften ist. Unternehmen, die keine extremen Gewinn- oder Wachstumschancen haben, aber gleichwohl qualifizierte Arbeitsplätze schaffen, werden dabei nicht berücksichtigt. Um auch die daraus resultierenden Beschäftigungschancen zu nutzen, könnten staatliche Hilfen durchaus sinnvoll sein27 • G. Fazit: Strukturwandel stellt andere Anforderungen an den industriellen Mittelstand

Bei der Bewältigung des Strukturwandels und der Erschließung neuer Wachstumspotentiale ist die deutsche Volkswirtschaft auf einen innovativen Mittelstand und auf qualifizierte Unternehmensgründungen angewiesen. Diese Unternehmen schaffen die Grundlage, daß auf hohem Niveau arbeitsteilig produziert wird und Innovationen realisiert werden, die filr Großunternehmen uninteressant sind, weil diese nur an großen Märkten interessiert sind oder sie den Wettbewerbsdruck noch nicht verspüren. Großunternehmen wollen ihre Produkte möglichst lang auf dem Markt halten, um die Entwicklungskosten abschreiben zu können. Neue Produkte bleiben nicht selten in der Schublade und werden erst in das Produktionsprogramm aufgenommen, wenn der Markt sie dazu zwingt. Die Einftlhrung der Katalysatortechnik beim Auto oder des FCKW-freien Kühlschranks sind Beispiele filr dieses Verhalten. Demgegenüber sind KMU, die sich meist auf kleinen Märkten mit hohem Wettbewerbsdruck bewegen, eher zur Innovation gezwungen, um am Markt zu überleben. Dennoch wäre es falsch, wenn man daraus die Schlußfolgerung zöge, KMU seien innovativer als große Unternehmen. Eine leistungsfähige Volkswirtschaft ist auf große, mittelgroße und kleine Unternehmen angewiesen. Diese gute Mischung sowie die differenzierte Branchenstruktur sind ein Grund filr die hohe Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie. Der Strukturwandel stellt auch an den industriellen Mittelstand erhebliche Anforderungen. Will er auch in Zukunft die Funktionen des wettbewerblichen Regulativs, der systemischen Effzzienzsteigerung (Zulieferindustrie) und der technologischen Diffusion ausüben, wird er sich anpassen müssen. Dies resultiert aus Veränderungen im ökonomischen Umfeld und der technologischen Entwicklung. Insbesondere dürften sich aus der Neustrukturierung der Zuliefer/-Abnehmerbeziehungen weitreichende Konsequenzen filr die mittelständische Industrie und die gesamte Volkswirtschaft ergeben. Nicht zuletzt über die Einftlhrung von sogenannten computergesteuerten Fertigungsverfahren (CIM) oder einer computergesteuerten Qualitätskontrolle (CIQ) kommt es zu einer engeren technischen Ver27 Vgl. dazu HomschildIMüller: Förderung von Innovationen und Arbeitsplätzen im Rahmen der Berliner Strukturprogramme - Eine Erfolgskontrolle. In: Deutsches Institut rur Wirtschaftsforschung. Beiträge zur Strukturforschung, Heft 98, 1987. S. 43ff.

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netzung zwischen Abnehmern und Zulieferern. Diese hat auch systemische Auswirkungen. Sie ist solange hochproduktiv, solange sich die Entwicklungen in den von den Unternehmen bis Einfllhrung dieser Systeme geplanten Korridoren vollziehen. Solche Systeme sind aber sehr anflillig, wenn Korrekturen vorzunehmen sind, die bei der Einfllhrung solcher komplexer Fertigungssysteme im Netzwerk nicht vorgesehen waren. Es ist deshalb sehr wahrscheinlich, daß bei dieser Entwicklung die Zulieferindustrie trotz teilweise größerer inhaltlicher Kompetenz künftig stärker von ihren Abnehmern abhllngig sein wird, als sie es heute ist. Irrtümer der Systemhäuser setzen sich über das Netzwerk fort und treffen insbesondere die Zulieferindustrie. Wenn die mittelstandische Industrie also ihre Funktion als flexibles, eigenstllndiges Regulativ erhalten will, wird sie darauf achten müssen, daß sie sich Segmente bewahrt, in denen sie auch weiterhin über eigene Märkte sowie Kompetenzbereiche verftlgt und sich so zumindest teilweise unabhllngig von ihren Abnehmern entwickeln kann.

Auswirkungen der Globalisierung auf die mittelständische Wirtschaft Von Bemhard Lageman A. Herausforderung der Globalisierung

Angesichts schwindender wirtschaftlicher Dynamik, zunehmender struktureller Arbeitslosigkeit und unübersehbarer Deindustrialisierungstendenzen auch in solchen Industriezweigen, die bis dahin als tragende Säulen des heimischen Verarbeitenden Gewerbes galten, sind die "Globalisierung" und die mit ihr verbundenen Folgen auf die zentrale Agenda der wirtschaftspolitischen Diskussion in den Industrieländern gelangt. Zugleich setzt man in Anbetracht der rückläufigen Beschäftigtenentwicklung in den heimischen Großunternehmen verstärkt Hoffnungen in die kleinen und mittleren Unternehmen. Von diesen werden wirtschaftliche Impulse und eine Entlastung des Arbeitsmarktes erwartet, zu denen die Großunternehmen nicht mehr in der Lage zu sein scheinen. Indessen stellt sich hier die Frage, ob die Chancen der kleinen und mittleren Unternehmen, einen Beitrag zur Dynamisierung des Wirtschaftslebens zu leisten, nicht selbst entscheidend durch die Globalisierung beeinflußt werden. Der vorliegende Beitrag fragt danach, inwieweit die KMU von der Globalisierung des Wirtschaftslebens betroffen sind und an dieser aktiv - durch Entfaltung eigener Auslandsaktivitäten - teilnehmen. Vor diesem Hintergrund wird abschließend darauf eingegangen, ob sich die volkswirtschaftliche Position des Mittelstandes durch den Globalisierungsprozeß verändert und welche Schlußfolgerungen sich aus den dargestellten Entwicklungen fUr die Politik ergeben. Unter "Globalisierung" soll im folgenden die zunehmende internationale Verflechtung der Volkswirtschaften im globalen Maßstab durch den Austausch von Gütern, Kapital und Technologien und die Entwicklung wirtschaftlicher Institutionen - u.a. Märkte und Unternehmen - verstanden werden, die nach weltweiter Expansion drängen. Die "Globalisierung der Märkte" fmdet ihr notwendiges Korrelat in der Verbreitung transnationaler Unternehmen sowie grenzüberschreitender Beziehungsnetzwerke zwischen Unternehmen. Der Begriff der "Globalisierung" wurde geprägt, um eine neue Qualität des weltwirtschaftlichen Integrationsprozesses hervo~eben, die sich in der Entstehung weltumspannender Güter-, Kapital- und Technologiemärkte und

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der zunehmendem Verbreitung weltweit agierender Unternehmen äußert. Im allgemeinen Sprachgebrauch werden der "Globalisierung" allerdings auch solche Prozesse zugeordnet, welche die Entstehung globaler Märkte zwar fördern, aber im Ursprung wenig mit ihr zu tun haben: Für die (west-) europäische Wirtschaftsintegration lassen sich zum Beispiel historische Präzedenzflllle in den nationalen Integrationsprozessen des 19. Jahrhunderts fmden, um eine Globalisierung im eigentlichen Sinne handelt es sich indessen hierbei nicht. Der Zusammenbruch des Kommunismus in Mittel- und Osteuropa und die marktwirtschaftliche Transformation der Reformländer ist, obwohl bisweilen ebenfalls unter die "Globalisierung" subsumiert, Ausdruck eines genuinen politischen Prozesses, der indessen entscheidende Rahmensetzungen rur die Einbeziehung des ehemaligen Ostblocks in den Globalisierungsprozeß scham und diesem starken Auftrieb verleiht. Die Globalisierung der Märkte wird im wesentlichen durch drei Entwicklungen ermöglicht: die modernen Transport- und Kommunikationtechnologien schaffen die technischen Voraussetzungen fllr eine weltweite Verzahnung und Integration der Gütermärkte, die viel enger ist als bei früheren Integrationsprozessen; der Abbau tarifllrer und - in geringerem Maße - nichttarifllrer Handelshemmnisse und die zunehmende Verbreitung marktwirtschaftlicher Prinzipien in der Welt schaffen elementare Rahmenbedingungen fllr die engere weltwirtschaftliehe Integration; die transnationalen Unternehmen fördern durch ihre zunehmend globale Betätigung die Globalisierung der Märkte in entscheidendemMaße. Für den Globalisierungsprozeß lassen sich eine Reihe von Indizien anfllhren, die allerdings zum Teil weniger eindeutig ausfallen, als dies die wirtschaftspolitische Diskussion um die Globalisierung auf den ersten Blick vermuten läßt: Der Welthandel steigt seit Mitte der siebziger Jahre (real) deutlich schneller als das Weltsozialprodukt; diese Expansion des Welthandels ist im wesentlichen auf die Zunahme des Handels mit IndustriegUtem ZUTÜckzufllhren. Lag die Elastizität des Welthandels auf das Weltsozialprodukt Anfang der sechziger Jahre noch bei 1, so ist sie gegen Ende der achtziger Jahre auf 3 gestiegen. Zu dieser Expansion trug die seit Mitte der siebziger Jahre außerordentlich hohe Wirtschaftsdynamik der Anrainerstaaten des Pazifischen Beckens und der wirtschaftliche Aufstieg der neuen Industrieländer in erheblichem Maße bei. Ein Teil der Zunahnie der Welthandelsströme dürfte aber auch auf das "global sourcing" - die grenzüberschreitende Produktions-, Absatz- und Beschaffungspolitik transnationaler Unternehmen ZUTÜckzufllhren sein, deren Anteil am Welthandel derzeit bei rd. 25 vH liegen dürfteI. I Vgl. Löbbe u.a. (1993), Strukturwandel in der Krise. (Untersuchungen des Rhei· nisch-Westfälischen Instituts ft1r Wirtschaftsforschung, Heft 9.) Essen, S. 34ff.

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Vergleichsweise deutlicher als in der Entwicklung des Welthandels kommt die Globalisierung bei den Direktinvestitionen zum Ausdruck, die sich zunehmend dynamisch entwickeln. So nahmen die deutschen Direktinvestitionen 1985 bis 1991 im Jahresdurchschnitt um 59,4 vH zu und erreichten Ende 1991 mit einem Bestand von rd. 259 Mrd. DM etwa 7 vH der inländischen Bruttoanlageinvestitionen; 1980 hatte dieser Wert mit 84 Mrd. DM noch bei 2 vH gelegen2• Die Zunahme des Welthandels, vor allem der intraindustriellen Handelstransaktionen, und der Direktinvestitionen ist wesentlich auf die verstärkten Aktivitäten der transnationalen Unternehmen zurUckzuftlhren. Nach ILO- und UNCTAD-Angaben beschäftigen die transnationalen Unternehmen derzeit weltweit 70 Mill. Arbeitskräfte, davon 30 Mill. im Ausland3 • Die transnationalen Unternehmen sind längst dazu übergegangen, Produktion, Absatz und Beschaffung innerhalb ihrer weltweiten Niederlassungsnetze zu organisieren. Indessen wird der Grad der faktischen Abkopplung der weltweit operierenden Großunternehmen von ihrer nationalen Ausgangsbasis zuweilen auch überzeichnet. Von einer vollen "Entnationalisierung" der Wirtschaftstätigkeit der Großunternehmen kann in den meisten Fällen noch längst nicht gesprochen werden·. Am Beispiel des besonders sensiblen· FuE-Bereichs läßt sich zeigen, daß die nationalen Bindungen der transnationalen Unternehmen an ihre Herkunftsländer in der Regel noch recht stark sind. Die transnationalen Unternehmen deutscher, japanischer und amerikanischer Herkunft tätigen derzeit weniger als 15 vH ihrer FuE-Ausgaben in ihren ausländischen Niederlassungen. Erheblich höher sind diese Quoten allerdings im Falle kleiner Industrieländer, z.B. der Benelux-Staaten und der Schweiz'.

Vgl. Löbbe u.a. (1993), S. 70ft'. Zitiert nach Härtel u.a. (1995), Grenzüberschreitende Produktion und Strukturwandel - Globalisierung der deutschen Wirtschaft. (Forschungsauftrag des Bundeswirtschaftsministeriums.) Hamburg, HWWA, S. 28. • Vgl. die Einschätzung bei Howells/Wood (1993), The G1obalisation of Production and Technology. London und New York, S. 153. Allerdings ist in den letzten Jahren eine deutliche Zunahme der FuE-Aktivitäten in den Auslandsniederlassungen zu verzeichnen, vgl. hierzu RWI, Der Wirtschaftsstandort Deutschland vor dem Hintergrund regionaler Entwicklungstendenzen in Europa. (Gutachten im Auftrag des BMWi.) [Berarb.: Löbbe u.a.] Essen 1995, S. 14lf. S Vgl. PatellPavitt (1991), Large Firms in the Production ofthe Worlds's Technology: An Important Case of"Non-G1obalisation". "Journal ofInternational Business Studies", vol. 1991, Heft 1, S. 1-21, hier S. 11. 2

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Ein weiteres Indiz ftlr eine allmählich fortschreitende Globalisierung des Wirtschaftslebens ist die Bildung "strategischer Allianzen" von Unternehmen und weltweiter Unternehmensnetzwerke. Im Kontext der zunehmenden kooperativen Verflechtungsbeziehungen zwischen Unternehmungen gestalten sich die Grenzen zwischen dem Binnenbereich der Unternehmen und selbständigen Kooperationspartnern in wachsendem Maße fließend. Bislang hat die Globalisierung einzelne Märkte in sehr unterschiedlichem Ausmaß erfaßt. Am weitesten ist der Globalisierungsprozeß im Bereich der Finanzmärkte fortgeschritten. Der tertiäre Bereich insgesamt hat allerdings bislang (auch nach Ausschluß des öffentlichen Sektors und der konsumorientierten Dienstleistungen) in weitaus geringerem Maße an der Ausweitung der internationalen Handelsströme teilgenommen als das Verarbeitende Gewerbe. Innerhalb des letzteren sind sehr ausgeprägte Unterschiede zwischen den Industriebranchen festzustellen. Da es sich bei den transnationalen Unternehmen ganz überwiegend um (sehr) große Unternehmen handelt, das "mittelständische" Element hingegen hier nur schwach entwickelt ist, stellt sich die Frage, welche Auswirkungen die skizzierten Prozesse auf die kleinen und mittleren Unternehmen haben und inwieweit die KMU selbst aktiv - durch Exporte und investive Engagements im Ausland - an der Globalisierung partizipieren können. B. Inwieweit sind KMU betroffen? Wenn auch die aktuelle wirtschaftspolitische Diskussion den Gedanken nahelegen könnte, die Globalisierungstendenz erfasse gleichermaßen alle der rd. 2,6 Mill. deutschen Unternehmen, so stellen sich Art und Ausmaß der "Betroffenheit" der Unternehmen in Abhängigkeit von deren Branchenzugehörigkeit und Stellung im Prozeß der volkswirtschaftlichen Leistungserstellung sehr unterschiedlich dar: Zum einen hebt die Globalisierung die gewachsene Hierarchie der Märkte nicht auf, sondern ftlhrt zur allmählichen Transformation nationaler oder kontinentaler Märkte in globale Märkte. Die unteren Ebenen der überkommenen Markthierarchie - lokale und regionale Märkte - werden hingegen von diesen Prozessen nicht direkt erfaßt. Zum anderen ist die Globalisierung auch auf solchen Märkten ftlr Güter und Leistungen, die nicht zwangsläufig territorial begrenzt sind, sehr unterschiedlich weit fortgeschritten, so daß sich der Druck des internationalen Wettbewerbs nicht in allen Bereichen in gleichem Maße bemerkbar macht. Freilich ist hiermit nur die Frage angesprochen, inwieweit die heimischen Unternehmen mit ausländischen Anbietern - sei es auf dem deutschen Markt, sei es auf auswärtigen Märkten - konkurrieren. Hiervon ist die Frage der in-

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direkten Auswirkungen des Globalisierungsprozesses über die durch Außenhandel und Direktinvestitionen vennittelte Vernetzung der nationalen Faktonnärkte zu unterscheiden. Von diesen sind prinzipiell alle Marktteilnehmer, also auch alle kleinen und mittleren Unternehmen betroffen. Beide Wirkungsgruppen die direkten und die indirekten Auswirkungen der Globalisierung - sind im folgenden zu behandeln.

Zuvor ist indes danach zu fragen, welche Bereiche der mittelständischen Wirtschaft vor allem direkt mit ausländischen Wettbewerbern in Konkurrenz treten. Hier läßt sich ausgehend von der Hierarchie der Märkte eine Rangskala der Betroffenheit der KMU aufstellen6 : Die überwiegend auf lokalen Märkten tätigen Unternehmen stehen ganz überwiegend nicht im Wettbewerb zu ausländischen Anbietern und dürften angesichts der engen räumlichen Bindung des Absatzes sich auch künftig einem solchen Wettbewerb nicht stellen müssen. Eine Ausnahme bilden hier lediglich die in den Grenzregionen zu Nachbarländern ansässigen Unternehmen. Allerdings ist die hier zu beobachtende Zunahme grenzüberschreitender Transaktionen auf den Europäischen Binnenmarkt ZUTÜckzufilhren und nicht eigentlich auf eine Globalisierung der Märkte. Faktisch ist der überwiegende Teil aller KMU (rd. zwei Drittel') auf lokalen Märkten tätig. Auch die auf regionalen Märkten operierenden Unternehmen (20-25 vH aller Unternehmen), bei denen es sich fast ausschließlich um KMU handelt, stehen in der Regel nicht im Wettbewerb zu ausländischen Unternehmen. Jedoch ist hier der Anteil der in grenzüberschreitende Transaktionen einbezogenen Unternehmen deutlich höher als im Falle der erstgenannten Gruppe. Die mittelständischen Unternehmen hingegen, die international marktgängige Güter und Leistungen anbieten, müssen sich, sofern sie nicht wie z.B. die Agrarunternehmen durch Protektionsmauem geschützt sind, auf den heimischen und internationalen Märkten im Wettbewerb mit ausländischen Anbietern behaupten. Es handelt sich dabei überwiegend um mittelständische Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes, der Bauindustrie, des Handels und Transportgewerbes und Anbieter hochqualifizierter produktionsorientierter Dienstleistungen (10-12 vH aller Unternehmen). Hier macht sich die Globalisierungstendenz bemerkbar, wenn auch von 6 Eine ähnliche Unterscheidung findet sich in Obrecht (1995): Globalisierung und ihr Einfluss auf die Situation und die strategischen Handlungsmöglichkeiten kleiner und mittlerer Unternehmen. In: FET Zentralstelle ftlr Forschungs- und Entwicklungstransfer der Universität GH Essen (Hrsg.), Essen im Dialog. (Forumsband zum Wirtschaftsforum 94/95.) Essen, S. 330-342. , Bei den genannten Anteilswerten handelt es sich um Schätzungen.

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Zweig zu Zweig mit recht unterschiedlicher Intensität. In den meisten Fällen ist der Globalisierungsprozeß allerdings noch längst nicht abgeschlossen, so daß sich die betreffenden Märkte noch nicht als "globale Märkte" im eigentlichen Sinn des Wortes einstufen lassen. Eine insgesamt verhältnismäßig kleine Zahl von Unternehmen (rd. 50 000 bzw. rd. 2 vH), betätigt sich auf Märkten, denen das Attribut "global" im vollen Sinne des Wortes zukommt. Der Kreis dieser Märkte, zu denen sowohl Nischen- als auch Massenmärkte zu rechnen sind, weitet sich im Zuge der Globalisierungstendenz allmählich aus. Der folgende Abschnitt wendet sich den heiden letzten genannten Gruppen zu. Dabei stehen die Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes, das - abgesehen von den Finanzmärkten - mit Abstand am stärksten internationalisiert ist, im Mittelpunkt der Betrachtung. C. KMU auf globalen MArkten Die mittelständischen Unternehmen in den direkt von der Globalisierung betroffenen Wirtschaftsbereichen müssen einerseits um den Erhalt ihrer "angestammten" Marktpositionen auf dem heimischen Markt ringen und sich andererseits aktiv um die Erschließung neuer Märkte im Ausland bemühen. Beide Aspekte - die Herausforderung auf den angestammten heimischen und die verstärkte Tätigkeit auf auswärtigen Märkten - sollen im folgenden angesprochen werden. I. Infragestellung angestammter Marktpositionen durch Globalisierung

Mittelständische Unternehmen sind auf den heimischen Märkten in den vergangenen Jahrzehnten zunächst in solchen Industriezweigen durch internationale Wettbewerber aus den neuen Industrieländern bzw. Schwellenländern herausgefordert worden, die industrielle Massenbedarfsgüter oder relativ einfache Investitionsgüter herstellen. Hiervon war in besonderem Maße die Textilindustrie betroffen, deren dramatischer Schrumpfungsprozeß noch nicht abgeschlossen sein dürfte. Seit den achtziger Jahren geraten die Zulieferer deIjenigen Branchen verstärkt unter Druck, deren Endprodukthersteller zunehmend eine "globale Beschaffung" betreiben, allen voran die Automobilindustrie. Zugleich macht sich auch in der auf die Herstellung komplexer Produktionsgüter spezialisierten Investitionsgüterindustrie (insbesondere Maschinen- und Anlagenbau) ein verstärkter Wettbewerbsdruck bemerkbar, der vor allem von japanischen Herstellern, neuerdings allerdings auch von Herstellern aus den neuen Industrieländern Asiens, ausgeht.

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Besonders kritisch stellt sich derzeit die Entwicklung in der industriellen Zulieferwirtschaft dar: Im Zuge der Durchsetzung neuer Produktionskonzepte reduzieren die industriellen Endprodukthersteller ihre Fertigungstiefe, lagern also einen Teil der vorgelagerten Glieder der Wertschöpfungskette aus dem eigenen Unternehmen aus. Dies eröffnet den mehrheitlich mittelständischen Zulieferern zunächst beträchtliche zusätzliche Produktionschancen. Zugleich sind die Hersteller - vor allem in der Automobilindustrie - bemüht, die Zahl ihrer Direktlieferanten durch Bezug kompletter Baugruppen zu reduzieren. Unter den Zulieferfmnen fmdet somit ein Ausleseprozeß statt, in dessen Verlauf sich entscheidet, wer sich angesichts radikaler Forderungen der Hersteller bezüglich Preissenkungen, Qualitätsgestaltung und Lieferkonditionen künftig arn Markt behaupten kann und welche Stelle die überlebenden Zulieferfmnen in der Zuliefererhierarchie einnehmen. Zumindest in der Automobilindustrie hat sich die Zahl der Direktlieferanten in den letzten Jahren bereits deutlich verringert, und es ist zu erwarten, daß ein erheblicher Teil der deutschen Zulieferunternehmen über kurz oder lang zum Marktaustritt gezwungen sein wirds. Der Selektionsprozeß des Wettbewerbs unter den Zulieferfmnen wird wesentlich dadurch verschärft, daß immer mehr Endprodukthersteller dazu übergehen, Zulieferungen zu günstigen Konditionen aus dem Ausland zu beziehen. Beschränkte sich der Bezug von Bauelementen aus ausländischen Quellen in der Anfangsphase des "global sourcing" vornehmlich aufrecht einfache Bauteile, so zeichnet sich hier - nicht zuletzt mit dem Auftreten ostrnitteleuropäischer Anbieter mit beträchtlichem QualifIkationspotential - eine Verschiebung zugunsten des Bezugs auch komplexerer Bauelemente ab. Freilich ist zu beobachten, daß auch die Zulieferunternehrnen ihrerseits in verstärktem Maße dazu übergehen, sich Bezugsquellen auf internationalen Märkten zu erschließen. Die zunehmende Bedeutung der globalen Beschaffung filr die deutsche Industrie spiegelt sich im Anstieg des intermediären Verbrauchs wider. Der Anteil der Einsatzgüter arn Produktionswert der westdeutschen Industrie hat sich in den achtziger Jahren im ganzen beträchtlich erhöht. Von der Auslagerung eines Teils der Wertschöpfung haben indessen ausländische Lieferanten per saldo stärker profitiert als einheimische Zulieferer, was sich in der Zunah-

S Vgl. Fieten (1995), Globalisierung der Märkte: Neue Herausforderungen ftlr kleine und mittlere Zulieferer der Automobilindustrie. In: FET Zentral stelle ftlr Forschungsund Entwicklungstransfer der Universität GH Essen (Hrsg.), S. 366-376, hier S. 368.

7 Ridinger

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me des Anteils der aus dem Ausland bezogenen Einsatzgüter am intennediären Verbrauch niederschlägt9. 11. KMU-Exporte

Zwischen der Größe der Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes und deren Exportquoten (ExporteIUmsatz) besteht nach den vorliegenden, allerdings eher fragmentarischen Daten ein eindeutiger statistischer Zusammenhang: Der Anteil der Exporte am Umsatz korreliert positiv mit der Unternehmensgröße. Tabelle I verdeutlicht den Zusammenhang anband betriebsbezogener Daten fUr 1990 10• Da die deutsche Außenhandelsstatistik keine unternehmensgrößenspezifischen Daten bereitstellt, sind mögliche Veränderungen des relativen Ausmaßes der Exporttätigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen im einzelnen nicht nachzuweisen. Immerhin spricht einiges dafUr, daß sich bei zunehmenden Außenhandelsaktivitäten der Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes an den grundsätzlichen Relationen zwischen der Exporttätigkeit der mittelständischen und der großen Unternehmen auch in Zeiten zunehmender Globalisiehmg wenig geändert hat. Die KMU dürften insgesamt kaum mehr als 15-20 vH ihres Umsatzes durch Lieferungen ins Ausland erzielen 1I. Diese Aussage ist jedoch in einigen Beziehungen zu präziseren: Bei einer Berücksichtigung der KMU-Zulieferungen an Endprodukthersteiler, die einen erheblichen Teil ihres Umsatzes aus Exporten erzielen ("indirekte" Exporte) würden die Exportquoten der mittelständischen Unternehmen deutlich höher ausfallen. Am beschriebenen Zusammenhang zwischen Unternehmensgröße und Exportorientierung änderte sich dadurch aber wenig. Wenngleich sich unter sektoralem Aspekt die KMU-Exporte nach wie vor auf das Verarbeitende Gewerbe konzentrieren, gewinnen in letzter Zeit die Exporte der produktionsorientierten Dienstleistungen an Gewicht.

9 Vgl. Krakowski u.a. (1993), The Globalization of Economic Activities and the Development of Small and Medium Sized Enterprises in Gennany. (HWWA-Report, Nr. 132.) Hamburg 1993, S. 34. 10 Unternehmensbezogene Daten sind leider nicht verfügbar; es ist jedoch anzunehmen, daß das betriebsgrößenbezogene Differenzierungsmuster annähernd die Differenzierungen der Exportquoten nach Unternehmen der unterschiedlichen Größenklassen widerspiegelt. Zu den Ausgangsdaten vgl. BMWi (Hrsg.) (1993), Unternehmensgrößenstatistik 1992/93. Daten und Fakten. Bonn, S. 209ff. 11 OECD-Schätzung, zitiert nach Schmidt (1996), Small and Medium Sized Enterprises (SMEs) in International Business: A Survey of Recent Literature. (Kiel Working Paper No. 271.) Kiel, S. 22.

G10balisierung auf die mittelständische Wirtschaft

99

Tabelle 1 Exportquoten der Betriebe ausgewlhlter Zweige des westdeutschen Verarbeitenden Gewerbes nach Beschlftigtengrllßenklassen 1990 in vH Industriezweige.

Maschinenbau (SYPRO-Nr. 32) Fahrzeugbau, Reparatur v. Kfz (SYPRO-Nr. 33) Elektrotechnik, Reparatur v. Haushaltsgeräten (SYPRO-Nr. 36) Feinmechanik, Optik, Herstellung von Uhren (SYPRO-Nr. 37) Chemische Industrie (SYPRO-Nr. 40) Holzverarbeitung (SYPRO-Nr. 54) Herstellung von Kunststoffwaren (SYPRO-Nr. 58) Textilgewerbe (SYPRO-Nr.63) Verarbeitendes Gewerbe und Bergbau insgesamt

Beschäftigtengrößenklassen bis 49

50 bis 99

100 bis 199

200 bis 499

500 und mehr

Betriebe insgesamt

20,9

25,8

33,8

43,9

54,7

44,8

2,7

7,0

14,3

21,4

49,2

43,9

13,2

19,0

18,3

28,7

30,5

27,8

18,2

28,6

24,3

38,6

44,5

37,6

18,2

23,4

25,7

25,1

45,0

39,2

6,3

8,9

12,6

16,1

20,8

13,6

10,6

16,1

19,8

28,0

30,3

23,0

18,9

23,4

23,5

28,8

34,7

28,2

9,5

14,0

21,3

24,3

37,4

29,2

Errechnet nach den Daten der Sonderauswertung der Statistischen Landesämter für das UM Bonn, vgl. BMWi (Hrsg.), S.212 ff. - Die Daten beziehen sich jeweils auf die Bundesländer, für die Angaben zu Gesamt- und Exportumsätzen zu allen hier ausgewiesenen Betriebsgrößenklassen vorliegen; bei den hier ausgewiesenen Exportquoten handelt es sich jeweils um den Quotienten aus der Summe der Auslandsumsätze der Betriebe der einbezogenen Länder und der Summe ihrer Gesamtumsätze.

Unter sektoralem Aspekt zeigen die Exportquoten der mittelständischen und der großen Unternehmen ein annähernd gleiches Verteilungsmuster, bei einem im ganzen sehr ähnlichen Gefälle der Exportquoten zwischen Großunternehmen und KMU. Stärkere Abweichungen von diesem Muster treten allerdings unter anderem in solchen Zweigen auf, in denen KMU vor allem distributive und Servicefunktionen auf dem Binnenmarkt erfUIlen (z.B. in der Automobilindustrie). 7·

100

Bemhard Lageman Unter den stark exportorientierten Zweigen des Verarbeitenden Gewerbes fmden sich auch solche, die stärker mittelstandisch strukturiert sind (z.B. der Maschinenbau); hier weisen auch die kleinen und mittleren Unternehmen im Durchschnitt relativ hohe Exportquoten auf (vgl. Tabelle 1). Unter den KMU fmdet sich in den meisten Industriezweigen stets auch eine ansehnliche Anzahl von Unternehmen, die ausgesprochen stark exportorientiert sind, was durchschnittliche Exportquoten leicht übersehen lassen. Eine relativ kleine Gruppe erfolgreicher mittelstandischer Unternehmen verfUgt sogar über ansehnliche Weltmarktanteile auf Nischenmärkten 12. Auch KMU verfUgen in erheblichem Maße, obgleich im ganzen weniger als die Großunternehmen, über eigene Vertriebs- und Serviceniederlassungen im Ausland. Insbesondere trifft das fllr die Unternehmen solcher Branchen zu, die komplexe, technologisch komplizierte Produkte herstellen und überwiegend der InvestitionsgUterproduktion zuzurechnen sind. Unter regionalem Aspekt konzentrieren sich die KMU-Exporte noch weitaus stärker als die deutschen Exporte insgesamt auf die Industrieländer und hierbei wiederum auf die Länder der Europäischen Union. ßI. Direktinvestionen und Auslandskoopentionen kleiner und mittlerer Unternehmen

In der Vergangenheit waren es ganz überwiegend große Unternehmen, die sich auf investive Engagements im Ausland einließen. Der in jüngster Zeit zu beobachtende Trend zur Zunahme der Direktinvestitionen scheint jedoch mit einer deutlich stärkeren DirektinvestitionStätigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen einherzugehen. Wie im Fall der Außenhandelstätigkeit gestattet es die Statistik indessen nicht, den Verlauf der Direktinvestitionstätigkeit gegliedert nach Unternehmensgrößenklassen im einzelnen nachzuzeichnen. Immerhin lassen sich die verfUgbaren Informationen über die Direktinvestitionen zu einem vorläufigen Gesamtbild verdichten: Für die Entwicklung grenzüberschreitender Aktivitäten von KMU ist ein Phasenmodell typisch, nach dem man sich zunächst auf direkte oder über inländische Exportvermittler abgewickelte Exporte beschränkt. Mit der Einschaltung eines Handelsvermittlers im Zielland des Exports, die oft in der Errichtung einer eigenen Vertriebsniederlassung mündet, erreicht das Auslandsgeschäft des mittelstandischen Unternehmens eine neue Qualität. Investive Engagements im Ausland werden also in der Regel vor allem 12 Vgl. die Beispiele in Simon (1996), Die heimlichen Gewinner (Hidden Champions). Die Erfolgsstrategien unbekannter Weltmarktftlhrer. Frankfurt am Main, S. 46ff.

Globalisierung auf die mittelständische Wirtschaft

101

durch solche Unternehmen in Erwägung gezogen, die durch ihre Exporttätigkeit bereits über einschlägige Erfahrungen auf Auslandsmärkten verftlgen; es handelt sich also um eine spätere Phase des Auslandsengagements l3 • Nur ein Bruchteil der mittelständischen Unternehmen aus den Zweigen des Verarbeitenden Gewerbes hat bislang im Ausland Direktinvestitionen getätigt. Es handelt sich um eine recht kleine, besonders erfolgs- und wachstumsorientierte Minderheit unter den KMU. Obgleich ein nicht unbeträchtlicher Teil aller Direktinvestitionstransaktionen (schätzungsweise rd. 1/4) im Ausland durch KMU bestritten wird, entfällt nur ein Bruchteil der insgesamt investierten Summen aufKMU. Nach Berechnungen des IfM lag beispielsweise der Anteilswert der KMU am deutschen Direktinvestitionsbestand in Großbritannien 1992 bei 3,4 vW 4 . Der größte Teil der Direktinvestitionen der KMU dürfte der Erschließung und Sicherung auswärtiger Märkte dienen. Erst unter dem wachsenden Druck des "global sourcing" de~ großen Unternehmen und des Auftretens ausländischer Wettbewerber auf dem heimischen Markt gehen immer mehr KMU zu Produktionsverlagerungen ins Ausland über. Die ftlr die Direktinvestitionen von großen Unternehmen typischen strategischen Motive spielen dagegen bei den KMU nur eine relativ untergeordnete Rolle. Auf besondere Weise stellt sich die Frage der Auslandsinvestitionen ft1r mittelständische Zulieferer, die sich veranlaßt sehen, den Endprodukthersteilem bei Errichtung von Produktionsstätten im Ausland zu folgen, um in den regionalen Zuliefernetzen der "Gastländer" präsent zu sein. Die deutschen Direktinvestitionen konzentrieren sich auf die Industrieländer, während die Entwicklungsländer eine eher marginale Rolle spielen l5 • Bei den KMU ist die geographische Konzentration noch ausgeprägter. Hier überwiegen die Investitionen in den europäischen Ländern, insbesondere den EU-Ländern. In jüngster Zeit macht sich allerdings ein erhebliches Interesse an Investitionen in den Reformländern Mittel- und Osteuropas bemerkbar, das sich indessen ft1rs erste auf die im Reformprozeß am weitesten fortgeschrittenen ostmitteleuropäischen Transformationsländer konzentriert. 13 Vgl. hierzu Kayser, Möglichkeiten und Probleme der Internationalisierung kleiner und mittlerer Unternehmen. In: FET Zentralstelle fllr Forschungs- und Entwicklungstransfer der Universität GH Essen (Hrsg.), S. 343-354, hier S. 343f. 14 Vgl. Menke u.8., Direktinvestitionen mittelständischer Industrieunternehmen in Großbritannien. (ifm-Materialien, Nr. 114.) Bonn 1995, S. 40. 15 Zu den räumlichen Verteilungsmustern der deutschen Direktinvestitionen vgl. Dohrn (1995), Direktinvestitionen - ein Indikator der Standortqualität. In: LObbe (Hrsg.), Innovationen, Investitionen und Wettbewerbsfllhigkeit der deutschen Wirtschaft. (Untersuchungen des RWI, Heft 16.) Essen 1995, S. 135ff.

102

Bernhard Lageman

Obgleich sich die meisten Direktinvestitionsengagements von KMU auf Investitionen in einem oder zwei europäischen Ländern beschränken, zeichnet sich eine relativ kleine Gruppe von mittelständischen Industrieund Dienstleistungsunternehmen durch ein globales Engagement aus. Diese Unternehmen verfügen über weltweite Absatz- und Bezugsnetze und starke Marktpositionen auf relativ überschaubaren globalen Produktmärkten und besitzen eine erhebliche Kompetenz bei der Bearbeitung dieser Märkte '6. Offensichtlich stehen einem stärkeren Auslandsengagement der mittelständischen Unternehmen Hemmnisse entgegen - Kosten der Auslandsmarktbearbeitung, fehlende Auslandserfahrung, Sprach- und psychologische Barrieren -, die sich im Einzelfall nur schwer überwinden lassen. Als ein möglicher Weg, der kleinen und mittleren Unternehmen Auslandsaktivitaten erleichtern könnte, bieten sich kooperative Arrangements an. Entsprechende Versuche werden in der Literatur ausgiebig gewürdigt'7, allerdings ist die empirische Basis fUr Urteile darüber, ob kooperative Engagements von KMU in jüngster Zeit tatsächlich wesentlich an Bedeutung gewonnen haben, denkbar schwachi •. Hierbei ist auch in Rechnung zu stellen, daß grenzübergreifende Unternehmensnetzwerke, an denen KMU mitwirken, meistens Unternehmen sehr unterschiedlicher Größe untereinander verbinden.

D. Indirekte Effekte des Globalisierungsprozesses Darüber, daß die Globalisierung auf längere Sicht tiefgreifende strukturelle Auswirkungen auf alle Volkswirtschaften ausüben wird, besteht unter Beobachtern des Prozesses im Prinzip Einmütigkeit. Einschätzungen der genauen Effekte, ihrer Dimensionen und der Möglichkeiten ihrer politischen Beeinflussung durch nationale Regierungen und internationale Organisationen klaffen hingegen weit auseinander, was angesichts der Tatsache, daß diese Prozesse erst jüngst mit voller Wucht eingesetzt haben und ihre Auswirkungen sich noch kaum überblicken lassen, nicht überrascht. Auf längere Sicht könnte die Globalisierung, da die Tendenz zur Produktionsverlagerung in die neuen Industrieländer, Schwellenländer und Transformationsländer sich verstärken dürfte, zu einer nachhaltigen Erosion der Exportbasis der deutschen Wirtschaft filhren. Dies würde zwangsläufig die wirtschaftliche Entwicklung insgesamt, also auch in den Bereichen, die sich aufVgl. hierzu Simon (1996), insbesondere S. 65ff. Vgl. Fourcade (1993), Networking strategies for small firms coping with globalisation. In: Humbert, Marc (ed.), The Impact of Globalisation on Europe's Firms and Industries. London, S. 211-218. 11 Vgl. hierzu die Befunde in Krakowski u.a. (1993), S. 38. 16

17

Globalisierung auf die mittelständische Wirtschaft

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grund der räumlichen Bindung der Leistungserstellung einer Globalisierung der Märkte von vornherein entziehen, nachhaltig negativ beeinflussen. Unumstritten dürfte sein, daß der Prozeß der internationalen Angleichung der Faktorpreise tiefgreifende Wirkungen auf die Lohn- und Einkommenstrukturen in den alten Industrieländern zeitigt. Zunächst geraten die Löhne in solchen vornehmlich auf die Produktion industrieller Massenbedarfsartikel konzentrierten - Industriezweigen unter Druck, die einer harten Konkurrenz von Wettbewerbern aus Schwellenländern ausgesetzt sind. Da eine volle Anpassung der Lohn- und Lohnnebenkosten an das Niveau der neuen Wettbewerber nicht möglich ist, kommt es zu massiven Arbeitskräftefreisetzungen. Dies ftlhrt insbesondere dann zu einer höheren Arbeitslosigkeit, wenn die Lohnpolitik die Anpassungszwänge der Globalisierung ignoriert l9 • Von den Arbeitskräftefreisetzungen geht in der Folge massiver Druck auf die Löhne insbesondere ft1r alle Tätigkeiten niedriger Qualifikation aus. Es kommt zu der in der Globalisierungsdiskussion viel beklagten Einkommenspolarisierung20 • Dieser Prozeß muß auch die Lohnstrukturen im großen Bereich der auf lokalen Märkten operierenden, haushaltsorientierten Dienstleistungen, der kleingewerblichen Produktion in Handwerk, Industrie und Bauwirtschaft stark beeinflussen. Die Frage, wie sich dies wiederum im einzelnen auf die wirtschaftliche Entwicklung der KMU auswirkt, läßt sich nicht pauschal beantworten. Einerseits geht von der wahrscheinlichen Lohnentwicklung eine Entlastung ft1r die Unternehmen aus, andererseits dürften Markteintritte im Gefolge der Arbeitslosigkeit auch in diesen Wirtschaftsbereichen - wie das Beispiel der Vereinigten Staaten zeigt - zu einem verschärften Wettbewerbsdruck ftlhren. Allerdings stehen die KMU keineswegs ausschließlich auf der "Verliererseite" der wahrscheinlichen Strukturveränderungen, die sich aus dem Prozeß des internationalen Faktorpreisausgleichs ergeben: Diejenigen mittelständischen Unternehmen, die höher qualifIZierte Leistungen anbieten bzw. technologieintensive Güter erstellen, dürften per saldo eher zu den Gewinnern der absehbaren strukturellen Wandlungen gehören. Dies betrifft unter anderem die freien Berufe, High-Tech-Unternehmen im Verarbeitenden Gewerbe und Handwerk und diejenigen unternehmensbezogenen Dienstleistungsbetriebe, die

19 Die im Vergleich zu den Vereinigten Staaten in den kontinentaleuropäischen Ländern gegebene besonders ausgeprägte Rigidität der Löhne dürfte zum höheren Niveau der Arbeitslosigkeit beigetragen haben. Vgl. hierzu Nunnenkamp (1995): Verschärfte Weltmarktkonkurrenz, Lohndruck und begrenzte wirtschaftspolitische Handlungsspielräume. Die Textil- und Bekleidungsindustrie im Zeitalter der Globalisierung. "Aussenwirtschaft", Jg. 50, Heft IV, S. 545-569, hier S. 559ff. 20 Vgl. z.B. Frank! Cook (1995), The Winner-Take-AII Society. New York.

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Bemhard Lageman

hochqualifiZierte Leistungen anbieten21 (Unternehmensberater, Designer, Werbeagenturen, Entwicklungsbüros, Architekten usw.). E. Auswirkungen auf die volkswirtschaftliche Position des Mittelstandes Die Globalisierung läuft auf eine wesentliche geographische Ausweitung der Märkte hinaus. Große Märkte eröffnen den Marktteilnehmern die Möglichkeit, Skalen- und Verbundeffekte in Produktion, Beschaffung und Absatz in einem Ausmaß zu realisieren, das auf kleineren, national beschränkten Märkten nicht möglich wäre. Zwar verbietet sich eine naive Gleichsetzung von großen Märkten und Dominanz großer Unternehmen, jedoch ist - wie die Beispiele einerseits der Vereinigten Staaten und andererseits der kleineren nordeuropäischen Industrieländer zeigen - ein Zusammenhang zwischen Marktgröße und Unternehmensgrößenstruktur nicht zu übersehen. Die heutigen grenzübergreifenden Integrationsprozesse könnten demnach eine ähnliche katalysatorische Wirkung auf die Entfaltung der Großindustrie ausüben wie seinerzeit die Herstellung der Wirtschaftseinheit im Zollverein und der Fortschritt der Transportmittel im 19. Jahrhundertll. Dabei ist allerdings auch zu berücksichtigen, daß technologische Entwicklungen der letzten Jahrzehnte in vielen Bereichen zu niedrigeren mindestoptimalen Betriebsgrößen in der Produktion gefilhrt haben und die Implikationen der Anwendung mikroelektronischer Steuerungselemente ft1r die Entwicklung der Skaleneffekte in der Produktion durchaus nicht eindeutig ausfallen. Da der Globalisierungsprozeß gegenwärtig erst mit voller Stärke einsetzt und das Wirtschaftsleben in den kommenden Jahrzehnten wohl nachhaltig prägen wird, können Urteile über seine langfristigen Wirkungen auf die Stellung der mittelständischen Unternehmen in den entwickelten Volkswirtschaften nur vorläufiger Natur sein. Die KMU-Forschung befmdet sich auf diesem Feld heute in einer ähnlichen Position wie die nationalökonom ische Beschäftigung mit Entwicklungstendenzen und Zukunftschancen der Kleingewerbe im 19. und frühen 20. Jahrhundert: Während laufende Wandlungen der Unternehmensstrukturen in vielen Fällen richtig beschrieben und analysiert wurden, erwiesen sich die überwiegend pessimistischen Prognosen bezüglich der Entwicklungschancen der Klein- und Mittelunternehmen im nachhinein als sehr irrefUhrend. Eine gewisse Zurückhaltung bei der Einschätzung möglicher Auswirkungen 21 Hiermit ist die von Reich als "Symbolanalytiker" bezeichnete Gruppe angesprochen; vgl. Reich: Die neue Weltwirtschaft. Das Ende der nationalen Ökonomie. FrankfurtIM und Berlin 1993, S. 198ft'. 22 Vgl. z.B. Schmoller (1870): Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Statistische und nationalökonomische Untersuchungen. Halle, S. 161 fT.

Globalisierung auf die mittelständische Wirtschaft

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der weltwirtschaftlichen Wandlungsprozesse ist angesichts dieser Erfahrungen durchaus am Platze. Die vorliegende empirische Evidenz zu den Auswirkungen der Globalisierung auf die Unternehmensgrößenstrukturen stellt sich recht widersprUchlich dar: Da der Wandel der Unternehmens- und Betriebsgrößenstrukturen stets Resultante einer Vielzahl von Einflußfaktoren ist (z.B. Tertiarisierung, Produktionstechnologien, Einsatz der modemen Informationstechnologien im Management, wettbewerbspolitische Rahmensetzungen), lassen sich Einflüsse der Bildung weltweiter Absatz- und Beschaffungsmärkte nur schwer eindeutig als solche identifIzieren. Angesichts des gehäuften Auftretens von Niedriglohnländern als Standortwettbewerbet:, die auch günstige ordnungspolitische und infrastrukturelle Standortbedingungen fllr ausländische Investoren bieten, haben die Produktionsverlagerungen ins Ausland beträchtlich zum Beschäftigungsabbau in Großunternehmen beigetragen. Gleiches läßt sich allerdings auch in zunehmendem Maße von mittelständischen Unternehmen vieler Industriezweige sagen, insbesondere ist hier auf den drastischen Schrumpfungsprozeß in der Textil- und Bekleidungsindustrie hinzuweisen. Bei den KMU hat diese Entwicklung im übrigen in den meisten betroffenen Branchen mit erheblicher Verspätung gegenüber den Großunternehmen eingesetzt, so daß rur die kommenden Jahre mit einer Beschleunigung dieses Prozesses in der mittelständischen Industrie zu rechnen ist. Das Auftreten attraktiver Standorte in geographischer Nähe durch den Wandlungsprozeß in Mittel- und Osteuropa dürfte hier in starkem Maße als Katalysator wirken. Die Hoffnung, daß kleine und mittlere Unternehmen im Rahmen kooperativer arbeitsteiliger Netzwerk-Arrangements auf Dauer der Konkurrenz transnationaler Großunternehmen standhalten könnten, scheint sich, wie jüngste Forschungen über die mittel- und oberitalienischen "Industriebezirke" zeigen, nicht zu bestätigenD. Vielmehr erweisen sich die Netzwerke mittelständischer Unternehmen als recht fragile Gebilde, die unter dem verschärften Druck des internationalen Wettbewerbs sowohl gegen innere Konzentrationsprozesse (z.B. Aufstieg der Firma Benetton) als auch die Akquisitionsstrategien transnationaler Unternehmen anfiillig sind. Vor diesem Hintergrund erscheint die sozialromantisch eingefiirbte Erwartung, daß die Globalisierung zwangsläufIg zu einem Siegeszug kleiner Einheiten - konzernungebundener KMU und relativ selbständig operierender Mikro23 Vgl. Sabel (1995): Tuming the page in industrial distriets. In: Bagnasco/Sabel (eds.), Small and medium-sized enterprises. London, S. 134-158.

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einheiten von Großunternehmen - ftlhren müsse24 unrealistisch. Als einseitig dürfte sich allerdings auch die entgegengesetzte, eher in der Tradition des "Mittelstandspessimismus" stehende Auffassung erweisen25 , daß die Großunternehmen im Zuge der Globalisierung gegenüber den mittelständischen Unternehmen zwangsläufig stark an Gewicht gewinnen müßten. F. Wirtschaftspolitische Optionen Globalisierung ist, dies wird in den bisherigen Ausftlhrungen deutlich, nicht ausschließlich und auch nicht mehr primär ein Prozeß des Strukturwandels, der nur große Unternehmen beträfe. Vielmehr werden die Wettbewerbspositionen einer Vielzahl von kleinen und mittleren Unternehmen durch die globale Beschaffung und Vermarktung in Frage gestellt. Eine beträchtliche Zahl von kleinen und mittleren Unternehmen nimmt selbst aktiv an der Globalisierung der Märkte teil; sie engagieren sich in zunehmendem Maße im Exportgeschäft, tätigen Direktinvestitionen im Ausland und gehen kooperative Engagements mit ausländischen Firmen ein. Darüber hinaus sind alle kleinen und mittleren Unternehmen durch die Veränderungen der Angebots- und Nachfragestrukturen auf den Gütermärkten, der Knappheitsverhältnisse der Produktionsfaktoren sowie der Faktorentgelte vom Globalisierungsprozeß betroffen. Die Globalisierung stellt zunächst unabhängig davon, wie sich Globalisierungsprozesse auf Unternehmen unterschiedlicher Größenklassen auswirken, eine Herausforderung ftlr die Wirtschaftspolitik dar. Der schärfere internationale Standortwettbewerb dürfte über kurz oder lang dazu ftlhren, daß der Ruf nach protektionistischen Abwehrmaßnahmen lauter wird. Die Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte zeigen, daß weder die europäischen Länder noch die Vereinigten Staaten- trotz des erfolgreichen Abschlusses der Tokyo-Runde gegen protektionistische Versuchungen gefeit sind26• Gegenüber kurzsichtigen protektionistischen Lösungen, die letztlich die Wettbewerbschancen ihrer Urheber selbst beeinträchtigen, gilt es, die Rahmenbedingungen ftlr die wirtschaftliche Betätigung zu verbessern und auf diesem Wege die Wettbewerbsfllhigkeit der nationalen Standorte im internationalen Standortwettbewerb zu verbessern. 24 Vgl. hierzu Naisbitt (1994): Global Paradox. The bigger the world economy, the more powerful its smallest players. London. 25 Vgl. Harrison (1994): Lean and Mean. The changing landscape of corporate power in the age offlexibility. New York, S. I 25ff. 26 In der möglichen Renaissance protektionistischer Strömungen dürfte auf längere Sicht auch die größte Gefahr für den Globaiisierungsprozeß liegen, wurde im Beginn des 20. Jh. doch schon einmal ein Zeitalter scheinbar ungehemmter weltwirtschaftlicher Integration unterbrochen.

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In Anbetracht des wirtschaftlichen Aufstiegs der neuen Industrie- und der Schwellenländer und der mit diesem verbundenen Veränderungen der internationalen Arbeitsteilung wird die künftige Wettbewerbsposition der deutschen Wirtschaft wie der anderen entwickelten Marktwirtschaften wesentlich davon abhängen, ob es gelingt, künftig die eigenen Potentiale in der Entwicklung technologieintensiver Branchen verstärkt zur Geltung zu bringen. Der Förderung der Humankapitalentwicklung, des Bildungswesens und der Forschungsund Technologieinfrastruktur gebührt daher die besondere Aufmerksamkeit der Politik. Von einer Verbesserung des wirtschaftlichen Klimas wird nicht zuletzt die mittelständische Wirtschaft profitieren. Will die Mittelstandspolitik einen Beitrag zur besseren Bewältigung der Herausforderungen des Globalisierungsprozesses leisten, so wird sie vorzugsweise an der Verbesserung der Rahmenbedingungen fUr die unternehmerische Betätigung ansetzen. Darüber hinaus stellen sich fUr die Politik bezüglich der kleinen und mittleren Unternehmen im Zusammenhang mit der Globalisierung der Märkte indessen auch einige spezifische Fragen, die abschließend angesprochen werden sollen: das grundsätzliche konzeptionelle Problem der Abgrenzung der KMU in der Mittelstandspolitik, ferner der Umgang mit der Forderung nach spezifischen Anpassungshilfen fUr "globalisierungsbedrohte" mittelständisch geprägte Branchen sowie die Frage der adäquaten Einbeziehung der KMU in das außenwirtschaftliche Förderinstrumentarlum. Das traditionelle Grundverständnis des "mittelständischen" Unternehmens als eines durch einen persönlich haftenden Inhaber/Gesellschafter geleiteten, konzernunabhängigen (Familien-) Betriebes wird durch die angesprochenen Veränderungen der weltwirtschaftlichen Strukturen zusätzlich zu den ohnehin seit langem zu beobachtenden -Veränderungen der Unternehmensstrukturen in Frage gestellt. Die Tendenz vieler Großunternehmen, sich im Zuge organisatorischer Umstrukturierungen in Netzwerke vieler kleiner und mittlerer, relativ selbständig operierender Unternehmenseinheiten umzuwandeln, und die enge Anbindung bislang selbständiger KMU an solche "Netzwerke" muß zwangsläufig zu neuen begrifflichen Differenzierungen fUhren. Auch die in der deutschen Wirtschaftspolitik eingebürgerte pragmatische quantitative Abgrenzung der mittelständischen von den großen Unternehmen erscheint angesichts der auf den globalen Gütermärkten üblichen Unternehmensgrößenstrukturen kaum mehr haltbar. Orientierte man sich in der deutschen Mittelstandspolitik bislang pragmatisch an' der Abschneidegrenze von 500 Beschäftigten zur Unterscheidung von mittelständischen und großen Unternehmen, so wird diese Grenzziehung heute. zunehmend fragwürdig. Einerseits stellt sich die Frage, ob die Zuordnung sich künftig nur auf die im nationalen Rahmen Beschäftigten gründen soll. Wäre also ein Unternehmen,

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das im Inland 400 Personen beschäftigt und in anderen europäischen Ländern weitere 200 Arbeitskräfte noch als mittelständisch zu qualifizieren? Und wie wäre im Falle eines transnationalen Unternehmens zu verfahren, dessen inländischer - auf zentrale Koordinationsfunktionen, die Forschungs- und Entwicklungstätigkeit und die Bearbeitung des Inlandsmarktes beschränkter - Kernbereich nach einem längeren Abschmelzungsprozeß 100 Beschäftigte umfaßt, das zugleich aber in Zweigniederlassungen jenseits der deutschen Grenzen weitere 1 000 Arbeitskräfte beschäftigt? Andererseits verändern sich die Größenproportionen auf den globalen Märkten grundlegend. Auch ft1r diese Märkte ist ein breites Spektrum von Unternehmen unterschiedlicher Größe typisch; allerdings haben sich die Größenordnungen auf den im Vergleich zu den bisherigen europäischen nationalen wesentlich vergrößerten Märkten deutlich nach oben verschoben27•

Die in der Summe mit drastischen Arbeitsplatzverlusten verbundenen Anpassungsprozesse in vorwiegend· mittelständisch strukturierten Wirtschaftszweigen, die durch den verschärften Druck des internationalen Wettbewerbs erzwungen werden, haben bislang nicht die gleiche Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit gefunden wie beispielsweise die Schrumpfungs- und Umstrukturierungsprozesse in der Kohle- und Stahlindustrie. Indessen liefern die ft1r großbetrieblich dominierte Branchen aufgewendeten Subventionen kein nachahmenswertes Beispiel fllr den politischen Umgang mit den Anpassungsproblemen beispielsweise im Maschinenbau oder bei den Automobilzulieferern. Die notwendigen Umstrukturierungs- und Anpassungsprozesse würden durch die Auflage einschlägiger Subventionsprogramme - zu hohen volkswirtschaftlichen Kosten - verzögert und auch die langfristigen Überlebenschancen der betreffenden Industriezweige im internationalen Wettbewerb letztlich geschmälert. Dies schließt freilich picht aus, daß die mittelständischen Unternehmen der besonders vom Strukturwandel belasteten Branchen stärker, als dies bisweilen üblich ist, von einschlägigen Förderangeboten der etablierten Mittelstandsförderung - z.B. Technologieförderung und auf die Stärkung der Eigenkapitalbasis abzielende Programme - Gebrauch machen. Eine zentrale Schlußfolgerung aus den vorstehenden AusfUhrungen besteht darin, daß KMU insbesondere aus dem Verarbeitenden Gewerbe, der Bauwirtschaft, dem Transportgewerbe und den produktionsorientierten Dienstleistungen gefordert sind, sich stärker als bislang auf Außenmärkten zu engagieren. Einem stärkeren Engagement stehen jedoch insbesondere bei kleineren Unternehmen größenspezifische Hemmnisse entgegen, zu deren Überwindung die 27 Neuere Versuche der EU-Kommission, die bei der KMU-Abgrenzung verwendete Beschäftigtenzahl auf 250 zu reduzieren, fUhren in die gegenläufige Richtung und sind angesichts der hier angesprochenen Wandlungstendenzen schwer verständlich.

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abgesehen von der Exportkreditversicherung - vorwiegend auf Maßnahmen beratenden und infrastrukturellen Charakters hinauslaufende Außenwirtschaftsförderung einen nicht unerheblichen Beitrag leisten kann21 • Nicht übersehen werden soll dabei allerdings, daß gerade im vergangenen Jahrzehnt erhebliche Anstrengungen unternommen wurden, die KMU in geigneter Weise in die Außenwirtschaftsfbrderung einzubinden, die ihrem längst nicht ausgeschöpften außenwirtschaftlichen Potential entspricht.

21 Vgl. hierzu auch O'Doherty (1993): Globalisation and performance of small firms within the smaller European economies. In: Humbert (ed.), S. 141-151.